Regionalismus in Großbritannien - kulturwissenschaftlich betrachtet [1 ed.] 9783428510276, 9783428110278

Im europäischen Einigungsprozess spielen die Region und der Regionalismus eine bedeutende Rolle, nicht zuletzt als kultu

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Regionalismus in Großbritannien - kulturwissenschaftlich betrachtet [1 ed.]
 9783428510276, 9783428110278

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MARCUS MEY

Regionalismus in Großbritannien kulturwissenschaftlich betrachtet

Schriften zum Internationalen Recht Band 137

Regionalismus in Großbritannien kulturwissenschaftlich betrachtet

Von

Marcus Mey

Duncker & Humblot . Berlin

Die rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrutbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-11027-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Katrin

Vorwort Die Idee zu dieser Promotion entstand während der Vorbereitung meines Englandaufenthaltes im Jahr 1997/98. Die im Land gewonnenen Erfahrungen und Eindrücke bestätigten die Vermutung, dass sich eine eingehende Beschäftigung mit dem Thema "Regionalismus im Vereinigten Königreich" lohnen würde. Nach dem Abschluss des Graduiertenstudienganges und dem Assessorexamen entstand die Ausarbeitung der Arbeit im Wesentlichen während der Jahre 2000 und 2001. Großen Dank schulde ich in erster Linie meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Häberle. Prof. Häberle hat mich immer wieder zur Weiterarbeit motiviert und nie am Erfolg des Projektes gezweifelt. Seine menschlich warme Art und seine über die engen nationalen Grenzen hinaus überwältigende wissenschaftliche Anerkennung gaben mir jederzeit das Vertrauen, auf dem richtigen Weg zu sein. Großen Dank schulde ich auch meiner Frau Katrin für ihre immerwährende konstruktive Begleitung und Kritik sowie meinen beiden Kindern Josef und Sophie. Sie alle haben erhebliche Entbehrungen auf sich genommen, um die Arbeit doch noch zum Erfolg zu begleiten. Danken möchte ich auch meinen Eltern, die mir während der gesamten Ausbildung sowohl finanziell großzügig als auch beständig mit Rat und Tat zur Seite standen. Das Thema der Arbeit ist spannend. Ich hoffe und wünsche mir, mit dieser Arbeit einen kleinen Beitrag zum wachsenden Bewusstsein der Bedeutung des Regionalismus, der Bedeutung der Regionen - nicht nur im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland - für und innerhalb der Europäischen Union geleistet zu haben. Hallbergmoos, im Januar 2003

Marcus Mey

Inhaltsübersicht A. Einleitung.......................................................... I. Inhaltsbestimmung und Methodenwahl ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Die Regionalismus-Frage im Vereinigten Königreich ............ " 2. Regionalismus in der britischen Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Europa und die Regionalismus-Frage. . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . .. 4. Europas Einfluss auf den Regionalismus-Begriff. . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. Der kulturwissenschaftliche Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6. Der Aufbau der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7. Begrenzung der Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Region....................................................... 2. Regionalismus................................................ 3. Föderalismus................................................. 4. Abgrenzung von Regionalismus und Föderalismus. . . . . . . . . .. . . . .. 5. Inkurs: Regionalismus, Föderalismus und das Subsidiaritätsprinzip.. 6. Devolution als britischer Sonderweg - zugleich ein Blick auf das "local govemment". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Wechselwirkung Verfassung und Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Methode zur Durchführung des kulturwissenschaftlichen Ansatzes. .. . . .. . . .. . . . .. . . . . . . .. . .. .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. 3. Wechselwirkung Rechtstext/Rechtstext: Rechtsvergleichung als 5. Auslegungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches............................................................. I. Verfassungstheoretischer Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. "Nation ohne geschriebene Verfassung". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Stellung des Parlamentes in Westrninster - Das Prinzip der Parlamentssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Großbritannien - insbesondere die "ultra-vires-Lehre" und die Grundsätze des ,judicial review" . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . .. .. . . . .. 4. "Quangos" und andere Besonderheiten vertikaler Verwaltungsgliederung im Vereinigten Königreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Schottland....................................................... 1. Von den Anfängen schottischer Staatlichkeit bis zum Jahr 1978/79..

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Inhaltsübersicht 2. Die Entwicklungen der Jahre 1977/78 bis zu den allgemeinen Parlamentswahlen 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Die Entwicklung zwischen den allgemeinen Parlamentswahlen und der Arbeitsaufnahme des Regionalparlaments 1998 ........ " ..... , 4. Die Phase der ersten Legislaturperiode .......................... 111. Wales .......................................................... 1. Geschichtlicher Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Bedeutung der walisischen Sprache - Literatur, Poesie, Liedgut 3. Ursprünge und Wurzeln walisischen Regionalismus (Devolution) . .. 4. Die Entwicklung hin zum "Wales Act 1978" ............. " ...... 5. Die Entwicklungen der Jahre 1978/79 bis zu den allgemeinen Parlamentswahlen 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6. Die Entwicklungen von den allgemeinen Parlamentswahlen 1997 bis zur konstituierenden Sitzung der Kammer am 1. Juli 1999 ...... IV. England ... " .................................................... 1. Einführung................................................... 2. Die Geschichte des "Regionalismus" in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aktuelle Tendenzen einer verstärkten Regionalisierung in England .. V. Nordirland ...................................................... 1. Der Sonderfall Nordirland im Lichte des britischen Hegemonialstrebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vereinbarung von Belfast vom 10. April 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Kammer in Belfast ........................................ 4. Kompetenzen und Arbeitsweise der Kammer ..................... 5. Beurteilung ...................................................

C. Europa und der britische Regionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtstexte ................................................... 2. Sonstige Texte und Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Region und Regionalismus in ausgewählten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union ............... 1. Die Bedeutung und Stellung des Europarechtes innerhalb des britischen Verfassungs-Systems und der britischen Gerichtsbarkeit. . . . . . 2. Verteilte und geteilte Kompetenzen: Edinburgh - London - Brüssel. 3. Die Bedeutung der EU für Regionen und Kommunen im Vereinigten Königreich, insbesondere Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das schottische Regionalparlament und die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Regionale Repräsentation in Brüssel. ............................ 6. Der EuGH im schottischen Rechtssystem - Klagearten des EGV .. . 7. Wales und die Europäische Union .............................. IV. Maßnahmen europäischer Regionalpolitik am Beispiel Großbritanniens. 1. Europäische Strukturfonds .....................................

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2. Staatliche Beihilfen und Öffentliche Auftragsvergabe ("state aids" und "public procurement") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 V. Lehren für die EU-Politik des Vereinigten Königreiches, Schottlands, Wales und Nordirlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Das Vereinigte Königreich und der Regionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textstufen britischer Regionalismusentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die vier Modelle und ihr verfassungsrechtliches Potential. . . . . . . . . . 3. Das Vereinigte Königreich auf dem Weg zu einem Föderalstaat? .... III. Das Vereinigte Königreich und die Bedeutung der Region innerhalb der EU ............................................................. IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union und die Frage nach den Legitimationsgründen des Regionalismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die grundrechtstheoretische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die integrative Legitimation .................................... 3. Die demokratietheoretische Legitimation ......................... 4. Die gewaltenteilende Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die aufgabenteilende, dezentralisierende Legitimation ............. 6. Die wirtschaftliche, entwicklungspolitische Legitimation. . . . . . . . . . . 7. Die europapolitische Legitimation ............................... V. Schlussgedanken: Regionalismus im Vereinigten Königreich - Das Phänomen im konzeptionellen Geflecht zwischen Verfassungs- und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklungsstufen des Regionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wechse1wirkungen ....................................... . 3. Kulturpflege als Demokratiepflege ..............................

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Anhang 1: Schedule 5 zum "Scotland Act 1998" (Reserved Matters) ....... 343 Anhang 2: Nützliche (und teils zitierte) Internetseiten .................... 364 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung.......................................................... I. Inhaltsbestimmung und Methodenwahl ............................. 1. Die Regionalismus-Frage im Vereinigten Königreich. . . . . . . . . . . . .. 2. Regionalismus in der britischen Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Europa und die Regionalismus-Frage. . . . . . . . . . . . . .. . . . ... . . . . . .. 4. Europas Einfluss auf den Regionalismus-Begriff. . ... . .. ... . . . . . .. 5. Der kulturwissenschaftliche Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6. Der Aufbau der Arbeit. . . . .. .. . .. .. .. . . . . . . .. . . . . . . . . ... . . . .. .. 7. Begrenzung der Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Region....................................................... a) Begriffsgeschichte und Perspektivenvielfalt ............... . . .. b) Cieographie und Ethnologie ................................. c) Anthropologie und Psychologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Soziologie und Politologie .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Cieschichte und Tradition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. f) Administrative und verfassungsrechtliche Perspektive .......... 2. Regionalismus................................................ a) Sozial- und Politikwissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die verfassungsrechtliche Perspektive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Diskussion in Staatsrechtslehre/Political Science. . . . . . . . . . . . . .. 3. Föderalismus................................................. 4. Abgrenzung von Regionalismus und Föderalismus. . . . . . . .. . . . . . .. 5. Inkurs: Regionalismus, Föderalismus und das Subsidiaritätsprinzip.. 6. Devolution als britischer Sonderweg - zugleich ein Blick auf das "local government". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Das System des "local governrnent" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) England und Wales. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . .. . . . . . .. (1) County............................................ (2) District ....................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (3) Parish............................................. (4) Cireater London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Schottland............................................. b) Devolution als britische Spielart des Regionalismus . . . . . . . . . . .. III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Wechselwirkung: Verfassung und Ciesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Inhaltsverzeichnis a) Kultur: Die Gesellschaft der Verfassungsinterpreten . . . . . . . . . . .. aa) Kulturbegriff und -funktion ............................. bb) Gesellschaft der Kulturschaffenden. . . .. . . . . . . . . .. . . . .. . .. b) Verfassung: Teil und Gegenüber der Kultur.. . . .. . .. . . ... . .. .. c) Historische Wurzeln des Ansatzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Der kulturwissenschaftliche Ansatz in der Kritik. . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Methode zur Durchführung des kulturwissenschaftlichen Ansatzes ...................................................... " a) Spiegelung Rechtstexte - Kulturtexte: Verfahren der Textstufenanalyse ................................................... aa) Rechtstexte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Kulturtexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Durchführung der Methode am Gegenstand des Regionalismus.. aa) Großbritannien......................................... bb) Schottland............................................. cc) Wales................................................ dd) England ............. " ............................. '" 3. Wechselwirkung RechtstextlRechtstext: Rechtsvergleichung als 5. Auslegungsmethode . . .. . . . . . .. .. . . . . . .. . . . .. . .. . . .. . .. . . . . ..

B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches............................................................. I. Verfassungstheoretischer Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. "Nation ohne geschriebene Verfassung". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Stellung des Parlamentes in Westminster - Das Prinzip der Parlarnentssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Großbritannien - insbesondere die "ultra-vires-Lehre" und die Grundsätze des ,judicial review........................................................ a) England, Wales und Nordirland ........... , . . . . . . . . . .. . . .. . .. b) Schottland................................................. aa) Öffentliches Recht . . .. . . . . .. . . .. . . . .. . . .. . .. . .. . . . .. . .. bb) Exkurs: Zivilrecht...................................... 4. "Quangos" und andere Besonderheiten vertikaler Verwaltungsgliederung im Vereinigten Königreich .................... , .. " .. ,. .. 11. Schottland....................................................... 1. Von den Anfangen schottischer Staatlichkeit bis zum Jahr 1978/79.. a) Einführung................................................ b) Kurzer Abriss über die Geschichte Schottlands bis zum Jahr 1707...................................................... aa) Beurteilung der Union aus schottischer Sicht. . . . . . . . . . . . .. c) Inkurs: Die Unionsgarantien von 1707 und die "Sovereignty of Parliarnent" ............................................... d) Beurteilung und Bedeutung für den "Scotland Act 1998" ....... e) Die "Royal Comrnission on the Constitution" .................

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Inhaltsverzeichnis t) Sonstige Kulturtexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Inkurs: Die Church of Scotland .............................. 2. Die Entwicklungen der Jahre 1977/78 bis zu den allgemeinen Parlamentswahlen 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) "Scotland Act 1978" ....................................... b) Kulturtexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entwicklung zwischen den allgemeinen Parlamentswahlen und der Arbeitsaufnahme des Regionalparlaments 1998 ................ a) White Paper: "Scotland's Parliament" ........................ b) Auf dem Weg vom "White Paper" zum "Scotland Bill" ........ aa) Anfängliche Reaktionen auf das "White Paper". . . . . . . . . . .. bb) "White Paper": Kritik .................................. cc) Devolution - Eine grundlegende Struktur für das Vereinigte Königreich? ........................................... dd) Inkurs: Die "West Lothian Question" ..................... ee) Die Referendums-Kampagne ............................ ft) Die Abstimmung in Schottland am 11. September 1997 .... c) Das "Scotland Bill" vom 19. November 1997 ................. aa) Pressekonferenz am 18. Dezember 1997 in Glasgow ....... d) Der "Scotland Act 1998" im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Übersicht über den Inhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das schottische Parlament - Entstehung, Zusammensetzung, Geschäftsordnung (Artikel Ibis 27). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Entstehung und Wahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verwaltung........................................ (3) Geschäftsordnung ("Standing Orders") ................ bb) Gesetzgebungskompetenz - Gesetzgebungsverfahren (Artikel 28-43) ............................................ cc) Die schottische Exekutive (Artikel 44-63) ................ (1) Struktur der Regierung .............................. (2) Zuständigkeit der Regierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verschiedene finanzielle Bestimmungen (Artikel 64--72) .... ee) Steuerliche Kompetenzen (Artikel 73-80) ................. ft) Verschiedenes (Artikel 81-111) .......................... gg) Sonstiges (Artikel 112-132) und Anhänge ................ e) Ein vertiefter Blick auf ausgewählte Einzelprobleme ........... aa) Verfassungsrechtliche Fragen ............................ bb) Konsequenzen für die Arbeit des Parlamentes in Westminster cc) "Memorandum of Understanding", "Concordats" und das "Joint Ministerial Comrnittee" ........................... dd) Änderungen der Geschäftsordnung ....................... ee) Die territorialbezogenen Fachausschüsse ("Grand Comrnittees") ................................................. ft) Eigene Steuerkompetenzen ..............................

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Inhaltsverzeichnis gg) Das schottische Parlament und das "local government" ..... hh) Das schottische Parlament und die sonstigen öffentlichen Körperschaften (v.a. "quangos") ......................... ii) Das schottische Parlament und die "Scottish Legal Institutions" ................................................. jj) Streitschlichtung ("Devolution Dispute Resolution") und die Frage nach einem Verfassungsgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . .. kk) Beziehungen zur Europäischen Union .................... f) Die Zukunft des "House of Lords": Auf dem Weg zu einer Kammer der Regionen? - insbesondere der Bericht der "Roya1 Commission on Reform of the House of Lords" - .................. 4. Die Phase der ersten Legislaturperiode .......................... a) Die ersten Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Gerichtsurteile bezüglich der Arbeit des Parlamentes und der Regierung ............................................. c) Wichtige Kulturtexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Politik und Personen: Reaktionen der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das schottische Parlament zwei Jahre nach der Arbeitsaufnahme: Perspektiven und künftige Entwicklungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IH. Wales .......................................................... 1. Geschichtlicher Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung der walisischen Sprache - Literatur, Poesie, Liedgut 3. Ursprünge und Wurzeln walisischen Regionalismus (Devolution) ... 4. Die Entwicklung hin zum "Wales Act 1978" ..................... a) Der "Wales Act 1978" ...................................... b) Gründe für das Scheitern des Referendums. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Das "Welsh Office" und der "Secretary of State for Wales" ..... 5. Die Entwicklungen der Jahre 1978/79 bis zu den allgemeinen Parlamentswahlen 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Entwicklungen von den allgemeinen Parlamentswahlen 1997 bis zur konstituierenden Sitzung der Kammer am 1. Juli 1999 ...... a) White Paper: "A Voice for Wales" ........................... b) Reaktionen auf und Kritik am "White Paper" .................. c) Die Reaktion des "Constitution Unit" ......................... d) Auf dem Weg vom "White Paper" zum "Wales Act" ........... aa) Die Referendums-Kampagne ............................ bb) Die Abstimmung in Wales am 18. September 1997 ........ e) Vorlage des "Wales Bill" am 27.11.1997 - Reaktionen ......... f) Der "Wales Act" im Detail. ................................. aa) Organisation, Wahl und Zusammensetzung der Kammer .... bb) Funktionen und Kompetenzen der Kammer ............... cc) Die Geschäftsordnung und Verwaltung der Kammer ........ dd) Das Budget der Kammer ................................ ee) Weitere Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Refonn der "Welsh Public Bodies" (Art. 126 bis Art. 150) Ergänzungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vertiefter Blick auf einzelne Problemfelder . . . . . . . . . . . . . . . . Die Beziehungen zu Westminster und Whitehall . . . . . . . . . . . Das System der "executive devolution" ................... Die Kammer und die Kommunen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die neue Rolle des "Secretary of State for Wales" ......... Die Rolle der Kammer bei der wirtschaftlichen Entwicklung Wales ................................................ h) Die Wahlen zur Kammer vom 6. Mai 1999 ................... i) Die Kammer in Cardiff im Spiegel ihrer Arbeit der ersten zwei Jahre ..................................................... j) Die politischen Parteien und die öffentliche Meinung ........... k) Stellungnahme............................................ . IV. England ......................................................... 1. Einführung................................................... a) Magna Charta Libertaturn vom 15. Juni 1215 .................. b) Petition of Rights vom 7. Juni 1628 .......................... c) Habeas-Corpus-Akte von 1679 ............................... d) Declaration of Rights vom 13. Februar 1688/Bill of Rights vom 23. Oktober 1689 .......................................... e) Act of Settlement 1701 ..................................... 2. Die Geschichte des "Regionalismus" in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aktuelle Tendenzen einer verstärkten Regionalisierung in England .. a) Regional Development Agencies ............................. b) Regional Chambers ....................................... . c) Government Offices ........................................ d) Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Nordirland ...................................................... 1. Der Sonderfall Nordirland im Lichte des britischen Hegemonialstrebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vereinbarung von Belfast vom 10. April 1998 ................ 3. Die Kammer in Belfast ........................................ 4. Kompetenzen und Arbeitsweise der Kammer ..................... 5. Beurteilung ...................................................

206 206 207 207 207 208 209

C. Europa und der britische Regionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtstexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertrag von Amsterdam ..................................... b) Der Ausschuss der Regionen ................................ c) Stellung, Bedeutung und Mitwirkung der Regionen Großbritanniens im Ausschuss der Regionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

251 251 252 252 252 253

ff) gg) g) Ein aa) bb) cc) dd) ee)

211 212 213 216 218 219 219 220 222 223 223 224 226 229 231 235 238 241 242 242 245 246 247 250

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Inhaltsverzeichnis 2. Sonstige Texte und Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) NUTS .................................................... b) Wichtige Erklärungen und Konferenzen zum Thema Regionalismus ...................................................... aa) Erklärung von Bordeaux. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regionalistische Leitsätze von Brixen .................... ce) Gemeinschaftscharta der Regionalisierung ................. dd) Konferenz "Europa der Regionen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Amsterdamer Erklärung der Vertreter der europäischen Regionen und Städte vom 16. Mai 1997 ..................... ft) Politische Erklärung der konstitutionellen Regionen Bayern, Katalonien, Nordrhein-Westfalen, Salzburg, Schottland, Wallonien und Flandern, Brüssel, 28. Mai 2001 ................ gg) Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Europäisches Regieren: Ein Weißbuch (Juli 2001) ................ 3. Exkurs: Region und Regionalismus in ausgewählten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bundesrepublik Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Belgien.................................................. . c) Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Spanien.................................................. . e) Frankreich ................................................ t) Irland ..................................................... g) Stellungnahme ............................................. III. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union ............... 1. Die Bedeutung und Stellung des Europarechtes innerhalb des britischen Verfassungs-Systems und der britischen Gerichtsbarkeit ...... 2. Verteilte und geteilte Kompetenzen: Edinburgh - London - Brüssel. 3. Die Bedeutung der EU für Regionen und Kommunen im Vereinigten Königreich, insbesondere Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das schottische Regionalparlament und die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Regionale Repräsentation in Brüssel. ............................ 6. Der EuGH im schottischen Rechtssystem - Klagearten des EGV .. . 7. Wales und die Europäische Union .............................. a) Wales in Europa ........................................... b) Repräsentation in Brüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Europäische Strukturfonds ........................... . . . . . . . d) Beziehungen zu anderen europäischen Regionen. . . . . . . . . . . . . . . IV. Maßnahmen europäischer Regionalpolitik am Beispiel Großbritanniens. 1. Europäische Strukturfonds .......................... . . . . . . . . . . . a) Generelle Übersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überblick über die Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen im Vereinigten Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schottland: East of Scotland Objective 2 Programme .......

257 257 258 258 259 259 260 261 262 263 264 264 266 268 270 272 274 274 275 275 278 280 284 288 290 292 292 293 293 294 295 295 295 298 299

Inhaltsverzeichnis

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bb) Wales: West Wales and the Valleys Objectice 1 Programme 301 2. Staatliche Beihilfen und Öffentliche Auftragsvergabe ("state aids" und "public procurement") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 V. Lehren für die EU-Politik des Vereinigten Königreiches, Schottlands, Wales und Nordirlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Das Vereinigte Königreich und der Regionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textstufen britischer Regionalismusentwicklung .................. 2. Die vier Modelle und ihr verfassungsrechtliches Potential. ......... a) Schottland................................................. b) Wales .................................................... c) England ................................................... d) Nordirland .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Vereinigte Königreich auf dem Weg zu einem Föderalstaat? .... III. Das Vereinigte Königreich und die Bedeutung der Region innerhalb der EU ............................................................. IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union und die Frage nach den Legitimationsgründen des Regionalismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die grundrechtstheoretische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die integrative Legitimation .................................... 3. Die demokratietheoretische Legitimation ......................... 4. Die gewaltenteilende Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die aufgabenteilende, dezentralisierende Legitimation ............. 6. Die wirtschaftliche, entwicklungspolitische Legitimation. . . . . . . . . . . 7. Die europapolitische Legitimation ............................... V. Schlussgedanken: Regionalismus im Vereinigten Königreich - Das Phänomen im konzeptionellen Geflecht zwischen Verfassungs- und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklungsstufen des Regionalismus .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wechselwirkungen ........................................ 3. Kulturpflege als Demokratiepflege ..............................

311 311 313 313 314 315 316 318 319 320 322 325 326 328 331 332 333 335 337 339 339 340 341

Anhang 1: Schedule 5 zum "Scotland Act 1998" (Reserved Matters) ....... 343 Anhang 2: Nützliche (und teils zitierte) Internetseiten .................... 364 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Stichwortverzeichnis ............................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

2*

A. Einleitung I. Inhaltsbestimmung und Methodenwahl Regionalismus in Großbritannien! - bis vor wenigen Jahren verband sich damit als erster Eindruck der eines Paradoxons: Großbritannien, das Land ohne geschriebene Verfassung, gekennzeichnet durch einen weitgehend unitarischen Staatsautbau, und zusammengehalten von der Krone und einem starken Parlament in London, bot seinen Regionen Schottland und Wales wenig Entwicklungsmöglichkeiten in Richtung Autonomie und regionaler Selbständigkeit. Und diese wenigen waren hart erkämpft. Schottland als territoriale Einheit existierte zwar, hatte auch in gewissen, eng begrenzten Bereichen eine Sonderstellung und Sonderrechte. Echte institutionelle Mitbestimmung im Rahmen einer regionalen Selbständigkeit war damit jedoch bis vor wenigen Jahren nicht verbunden. Wales existierte als institutionelles Gegenüber zum britischen Einheitsstaat noch weniger. Während in Schottland von Beginn der (freiwilligen2) Union mit England von 1707 an ein mitunter offen zu Tage tretendes Nationalbewusstsein institutione1l3 gepflegt wurde, fand das walisische Selbstverständnis kaum Halt in spezifisch walisischen Traditionen oder Institutionen. In Sprache, Dichtkunst und Liedtradition allerdings lassen sich 1 Wird im Folgenden von Großbritannien gesprochen, so ist in der Regel England, Schottland und Wales gemeint. Nicht umfasst werden die Channel Islands und die Isle of Man, die einen rechtlichen Sonderstatus genießen. In den Bereichen der internationalen Beziehungen werden diese Gebiete jedoch von der britischen Zentralregierung mit vertreten. Das gleiche gilt für die britischen Kolonien. Der Begriff "United Kingdom" bzw. - wie hier verwendet - Vereinigtes Königreich bezieht sich auf die Union zwischen Großbritannien und Nordirland. Das Adjektiv "britisch" besitzt keine eigene juristische Definition. Es bezieht sich daher ingesamt auf alle Sachverhalte, die sowohl Großbritannien als auch Nordirland betreffen können. Darüber hinaus definiert das britische Staatsrecht noch den Begriff "British Islands" oder Britische Inseln (Interpretation Act 1978, Sched. 1) als Zusammenfassung des Vereinigten Königreiches mit den Channel Islands und der Isle of Man. (vgl. zu den Begriffen und Definitionen: Bradley/Ewing (1998), S. 38 f.) Die folgende Betrachtung wird sich jedoch auf die Verhältnisse in Großbritannien bzw. dem Vereinigten Königreich konzentrieren. 2 Vgl. zu den Hintergründen und Bedingungsfaktoren unten Kapitel BIll b. 3 Z. B. die Highlandgames, eine modeme Fortsetzung eine jahrhundertealten keltischen Tradition (vgl. hierzu http://www.scotland.de/landleut/lh-game2.htm).

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A. Einleitung

Manifestationen eines eigenständigen walisischen Kultur- und Geschichtsbewusstseins finden. 4 Mit Schottland und Wales sowie, zunehmend stärker, auch England als "Mutterland des ehemaligen Empire" als Gegenüber zum britischen Einheitsstaat ist der territoriale Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit umrissen. 5 Der thematische Untersuchungsgegenstand heißt Regionalismus. 1. Die Regionalismus-Frage im Vereinigten Königreich

Der Regionalismus schien in Großbritannien lange Zeit keinen Raum zu haben. Regionalismus - oder, wie er im Vereinigten Königreich genannt wird, "Devolution", schien mit vielen über die Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelten Verfassungsgrundsätze des Königreiches nicht übereinzustimmen. Daher wurde und wird in der gesamten Diskussion immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Vereinigten Königreich mitnichten jemals um einen "unitary state" gehandelt habe, sondern dass die präzisere Bezeichnung als "union state" den Zustand des Königreiches charakterisiere: "The unitary system is built up around one unambiguous politieal centre whieh enjoys eeonomie dominanee and pursues a more or less undeviating poliey on administrative standardisation. All areas of the state are treated alike, and all institutions are direetly under the eontrol of the centre. The union state is not the result of straightforward dynastie eonquest. Ineorporation of at least parts of its territory has been aehieved through personal dynastie union, for example by treaty, marriage or inheritanee. Integration is less than perfeet. While administrative standardisation prevails over most of the territory, the eonsequenees of personal union entail the survival in some areas of pre-union rights and institutional infrastrueture whieh preserve some degree of regional autonomy and serve as ageneies of indigenous elite reeruitrnent."

Ob und inwieweit diese Charakterisierung der Wirklichkeit gerecht wird, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Der Zustand eines zumindest in allen wesentlichen politischen und administrativen Fragen von der Regierung und dem Parlament in London abhängigen Staates bestand seit der "Union" mit Schottland im Jahre 1707 und der Annexion Wales durch die beiden "Tudor Acts" von 1536 und 1542. 4 Vgl. Royal Commission on the Constitution (1973a), S. 103; Gerdes (1980), S. 66 und S. 72. S Auf die besondere Situation in Nordirland wird nur insoweit eingegangen, als es zum Verständnis notwendig und für die Auswertung bedeutsam ist. 6 RokkanlUrwin, Introduetion: Centres and Peripheries in Western Europe, in: dies. (1982), S. 11; vgl. auch MitchelllLeicester (1998), Introduction (The UK after devolution: a union state) sowie Mitchell (1996), S. 31.

I. Inhaltsbestimmung und Methodenwahl

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Wäre es nach den britischen Konservativen gegangen, hätte sich dies bis heute nicht grundlegend geändert. Nahezu alles änderte sich jedoch im Mai 1997, als sich die Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus zugunsten der unter Tony Blair in den Wahlkampf gezogenen "Labour-Party" umkehrten. 7 Bereits während des Wahlkampfes war den Schotten im Falle des Wahlsieges die Errichtung einer gewählten Selbstverwaltungskörperschaft in Aussicht gestellt worden, wie auch den Walisern die Errichtung einer gewählten Kammer, der in einigen Bereichen Mitspracherechte eingeräumt werden sollten. Gleich nach dem Wahlsieg ging "New Labour" daran, diese Versprechen zu erfüllen. Bis vor einigen Jahren war den Briten, obwohl das Land durchaus aus Regionen besteht, der Regionalismus und seine Spielarten suspekt. Alle Macht war im Zentrum, im Parlament in London, angesiedelt; regionalistische Tendenzen, wie sie etwa im ersten schottischen Referendum von 1978 zum Ausdruck kamen, wurden lediglich als Gefahr für die Einheit des Königreiches verstanden. Insofern war die Entscheidung der 1997 neu gewählten Regierung unter Premierminister Tony Blair, ernsthaft zu versuchen, den Schotten und Walisern größere Unabhängigkeit im Rahmen der Krone einzuräumen, fast eine Sensation. Nach dem positiven Ausgang der Referenden in Schottland und Wales und der nunmehr mittlerweile ihrem Ende entgegengehenden ersten Legislaturperiode des Regionalparlamentes und der Regionalkammer kann die Debatte unter völlig neuen politischen Vorzeichen geführt werden. Nun steht nicht mehr die Machterhaltung der Zentrale in Whitehall um jeden Preis im Vordergrund, sondern es wird zum ersten Mal in der Geschichte des britischen Staates der ernst gemeinte Versuch unternommen, den Regionen - und zumindest soweit es Schottland betrifft, ursprünglich souveränen Staaten - Schottland und Wales ein erhebliches Plus an Autonomie, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung zu übertragen. Der politische Widerstand der Konservativen ist zwar nach wie vor nicht gänzlich gebrochen, jedoch sind die Mehrheitsverhältnisse in Großbritannien derzeit so klar zugunsten der Regierenden, dass sie auf den Widerstand der Opposition keine 7 Die Ergebnisse der allgemeinen Parlamentswahl im Jahr 1997 waren wie folgt (in Klammem die Ergebnisse der Wahl von 1992): Labour 419 (271) Abgeordnete = 44,4% (33,6%) 165 (336) Abgeordnete = 31,4% (42,7%) Conservative Liberal Democrats 46 (20) Abgeordnete = 17,2% (18,3%) 10 (7) Abgeordnete = 2,5 % (2,4 %) Scottish/Welsh Nationalists Referendum Party 0 (0) Abgeordnete = 2,7% (0%) Andere 1 (0) Abgeordnete = 1,7% (1,4%) Von den schottischen bzw. walisischen Nationalisten entfielen 6 Sitze auf die SNP, 4 Sitze auf Plaid Cymru.

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A. Einleitung

Rücksicht zu nehmen brauchen. Durch die Unterhauswahlen vom Juni 2001 wurde Labour grundsätzlich in diesem Kurs bestätigt. 2. Der Regionalismus in der britischen Wissenschaft Weil die Regionalismus-Debatte in Großbritannien durch die totale Ablehnung jeder Form der Dezentralisierung nahezu zum Stillstand gekommen war, wurden seit Beginn der 80er Jahre auch nur wenige wissenschaftlichen Beiträge und Stellungnahmen verfasst. Erst seitdem sich auch ab etwa 1992 - bedingt durch die Regionalpolitik der EU - auch bei den Konservativen die Erkenntnis durchzusetzen begann, dass die zumindest formale Gliederung in Regionen EU-Fördermittel in die Kasse bringen kann, meldeten sich wieder vereinzelt Juristen, Politikwissenschaftler und auch Politiker zu einzelnen Fragen der Dezentralisierung zu Wort. 8 Damit vollzieht sich in Großbritannien seit 1997 eine Entwicklung, die in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bereits Jahrzehnte zuvor vorweggenommen wurde. 9 3. Europa und die Regionalismus-Frage Europa als die Idee eines "Europas der Vaterländer" (Charies de Gaulles) war schon bei der Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahr 1957 kein Zusammenschluss wirklich homogener Staaten. Innerhalb Europas unterscheiden sich die sub-nationalen Strukturen aufgrund historischer, geographischer, politischer und nicht zuletzt auch kultureller Faktoren erheblich. Bedeutende Unterschiede bezüglich der selbständigen Kompetenzwahrnehmung, der Unabhängigkeit von der Zentralregierung und der Bedeutung innerhalb des gesamten Staatsgefüges zeigen sich beispielsweise zwischen den spanischen "Autonomen Regionen", den deutschen Bundesländern, den italienischen Regionen oder (jetzt) den britischen Regionen lO Wales, Schottland, Nord-Irland und England. Überall in Europa schließen sich Regionen zu Netzwerken zusammen und entwickeln grenzüberschreitende, überregionale und inter-regionale Ko8 Eine gute Übersicht zur neueren Regionalismus-Diskussion in Großbritannien geben Harding/Evans (1996), S. 77 ff. 9 Vgl. hierzu auch genauer unten Kapitel C 11 3. IO Ob und inwieweit tatsächlich britische "Regionen" vorliegen, soll mit dieser Arbeit untersucht werden; aus Vereinfachungsgründen soll jedoch zunächst auch in Bezug auf Großbritannien von "Regionen" gesprochen werden, da alle sonstigen Begriffe (wie etwa "sub-nationale territoriale Einheiten") eher künstlich bemüht wirken.

I. Inhaltsbestimmung und Methodenwahl

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operationen 11. Mit dem Thema Regionalismus werden Wahlkämpfe geführt und Wahlen gewonnen (wie im Mai 1997 "New Labour" in Großbritannien, bestätigt durch die Wiederwahl im Juni 2001), die Stärkung der Rechte des Ausschusses der Regionen auf Unionsebene war Schwerpunkt bei den Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag. 12 Der Regionalismus spielt bei der Verwirklichung des im EGV festgeschriebenen Subsidiaritätsprinzip eine entscheidende Rolle, und eine Vielzahl von Symposien und Tagungen sowie Monographien und Aufsätze zu den verschiedensten Facetten des Regionalismus bezeugen seine Bedeutung. 13 Daher verwundert es nicht, dass ein Schwerpunkt europäischer Politik von Beginn an die Regionalpolitik bzw. regionale Entwicklungspolitik war. 14 Dies ist bis heute so geblieben, und der gesamte Bereich der europäischen Regionalentwicklungspolitik ist nach wie vor - nach der gemeinsamen Agrar- und Landwirtschaftspolitik - der ausgabenstärkste Bereich. 15 4. Europas Einfluss auf den Regionalismus-Begriff

Der Blick auf die gesamteuropäische Entwicklung zeigt, dass Regionalismus nicht mehr nur ein Phänomen einer lokal begrenzten Entwicklung ist; Regionalismus ist im Rahmen einer innereuropäischen Wechselwirkung zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zu einem programmatischen Begriff geworden, der nicht nur retrospektiv territoriale Entwicklungen beschreibt, sondern solche Entwicklungen prospektiv skizziert und damit anstößt. Im Rahmen Europas hat Regionalismus eine Dynamik der Wechselwirkung zwischen Retrospektive und Prospektive, zwischen Phänomen und Begriff angenommen. Dieser Struktur des Regionalismus-Begriffs folgt auch diese Arbeit. 11 Beispielsweise die Euro-Regionen Maas/Rhein, Scheldemont, Middengebiet, Rhein/Waal; auch: die "Association of European Frontier Regions", "The Working Communities of the Alps", "The Conference of Peripheral Maritime Regions", vgl. zu all dem genauer: Sodupe (1999), S. 63 ff. 12 Im Rahmen der Vorbereitungen zur Regierungskonferenz von Nizza im Dezember 2000 spielte der Regionalismus und die regionale Entwicklung der Union dagegen nur eine eher untergeordnete Rolle; zu den Konsequenzen hieraus vgl. Kommission (2001), S. 17 ff. 13 Vgl. hierzu u.a. zuletzt: Vos/Boucke (2oo1a und 2001b); Bamie, Michel, The Role of Regions in the Building of Europe, Rede vor dem Ausschuß der Regionen, Brüssel 13. April 2000. 14 Vgl. zu den "Textstufen" europäischer Regionalentwicklung (Verträge, Institutionen usw.) genauer unten Kapitel C 11. 15 Im Haushaltsentwurf für 2001 sind etwa für den gesamten Bereich der Landwirtschaft € 40,9 Milliarden eingeplant, für die strukturpolitischen Maßnahmen immerhin € 32,7 Milliarden; vgl. zu den finanziellen Einzelposten ausführlich: http://europa.eu.int/comm/budget/pdf/apb2001/volumeO_de.pdf.

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A. Einleitung

5. Der kulturwissenschaftIiche Ansatz Ein Ansatz zur präzisen Analyse solcher Wechselwirkungen hat Peter Häbede mit seinen kulturwissenschaftlichen Ansatz vorgelegt; er liefert mit seiner Textstufentheorie das heuristische Handwerkszeug, um dem Regionalismus im Vereinigten Königreich im Rahmen einer gesamteuropäischen Entwicklung deuten zu können. Texte aus dem Kulturbereich Schottlands, Wales' und - eingeschränkt - Englands werden Verfassungs- und Gesetzestexten chronologisch gegenübergestellt und auf ihre Wechselwirkung hin untersucht. Damit wäre die innerbritische Regionalismusentwicklung betrachtet. Anschließend wird die Perspektive um die europäische erweitert; es werden dieser innerbritischen Entwicklung in Bezug auf Schottland und Wales die Gesetzestexte Europas (Verträge, Verfassungen anderer europäischer Länder) gegenübergestellt; dabei wird sich erweisen, dass Rechtsvergleichung als fünfte Auslegungsmethode 16 nicht nur prospektive Wirkung entfaltet, sondern auch als heuristische Methode retrospektiv Wechselwirkungen innerhalb Europas bestimmen lässt. Allein auf die textliche Ebene wird man sich aber bei der Ausweitung des Blickes auf Europa nicht beschränken können, weil auch der Nachweis der Wirksamkeit der europäischen Rechtstexte gebracht werden muss. Es wird mithin ein Blick auf die konkrete Manifestation in politischen Maßnahmen zu werfen sein. 6. Der Aufbau der Arbeit Für die Chronologie dieser Untersuchung ergibt die oben skizzierte Aufgabenstellung Folgendes: Zunächst werden die Begriffe Region, Regionalismus sowie Derivate geklärt werden müssen, um den materialen Gegenstand dieser Arbeit in den Griff zu bekommen. (I. Begriffsklärungen). Hernach muss Rechenschaft abgelegt werden über den heuristischen Ansatz, dem folgend dieser Gegenstand untersucht werden soll. (11. Der kulturwissenschaftliche Ansatz; 11.1. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes). Dabei ist insbesondere auf die verwendeten Methoden einzugehen (11.2. Textstufentheorie; 11.3. Rechtvergleichung als fünfte Auslegungsmethode). Mit diesem Werkzeug wird dann der Gegenstand betrachtet. (B. Großbritannien und der Regionalismus). Diese Betrachtung gliedert sich in vier 16 Neben den klassischen Auslegungsmethoden nach Savigny: grammatikalische, historische, teleologische, systematische Auslegung.

I. Inhaltsbestimmung und Methodenwahl

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Zeitabschnitte, für die jeweils für Schottland und Wales eine Gegenüberstellung von Verfassungs- sowie sonstigen Rechtstexten und Kulturtexten vorgenommen wird. (I. 1. Die Anfange des Regionalismus bis zum Jahr 1978; 1.2. Die Entwicklungen der Jahre 1978 bis zu den allgemeinen Parlamentswahlen 1997; 1.3. Die Entwicklungen zwischen den allgemeinen Parlamentswahlen und der Arbeitsaufnahme; 104. Die Phase der ersten Legislaturperiode). In Teil C erfolgt dann die Weitung des Blicks auf Europa mit der Methode der Rechtsvergleichung als Form der Textstufenvergleichung (c. Europa und der britische Regionalismus). Auf der einen Seite stehen dann europäische Rechtstexte und Institutionen (1.1.) und die Entwicklung in andern Mitgliedstaaten der EU (1.2.). Auf der anderen Seite stehen die Manifestationen europäischer Regionalpolitik in Großbritannien. Dabei soll durch eine Fall-Studie untersucht werden, inwieweit europäische Regionalpolitik tatsächlich zu strukturellen Veränderungen innerhalb eines Mitgliedsstaates beiträgt. Zwei Projekte, ein Ziel-I-Projekt (Eastern Scotland) sowie ein Ziel-2-Projekt (Western Wales) werden zu diesem Zweck analysiert und ausgewertet werden. Im letzten Teil sollen dann die Ergebnisse des Teils Bund C im Ganzen in den Blick genommen werden und zwar insbesondere im Hinblick auf die verschiedenen Wechsel wirkungen: Regionen - Großbritannien, 11. Regionen - Europa, III. Großbritannien - Europa, IV. Phänomen Regionalismus - Begriff Regionalismus.

I.

Damit sollten sowohl auf der heuristischen Seite wie auf der Phänomenseite beide Brennpunkte der jeweiligen Ellipse begründet etabliert worden sein: im heuristischen Konzept werden prospektive Methoden retrospektiv ihren Wert belegen. Auf der Seite des Phänomens der konkreten europäischen Entwicklungen im Regionalbereich wird die wechselseitige Verschränkung der Trinitas Region - Mitgliedsstaat - Europa beispielhaft aufgezeigt.

7. Begrenzung der Quellen Selbstverständlich kann nur hinsichtlich der Gesetzestexte der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden; auf der kulturellen Seite wird man sich auf eine repräsentative Auswahl von Texten beschränken müssen, in der berechtigten Hoffnung, dass sie das kulturelle Bewusstsein um das Phänomen authentisch bezeugen: zentrale Reden, Artikel aus auflagenstarken Zeitungen, Dichtungs- und Literaturtexte, die den Rang von Volksdichtungen haben.

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A. Einleitung

11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff Erwin Schrödinger, österreichischer Physiker, entwickelte ein scheinbares Paradoxon zur Veranschaulichung des Verhältnisses zwischen (Natur-)Wissenschaftler und Experiment in der Quantenphysik, bekannt unter der Bezeichnung "Schrödingers Katze"17; es besagt Folgendes: der Ausgang eines Experimentes wird maßgeblich von dem Verhalten des Experimentators bestimmt. Der Wissenschaftler ist nicht nur ein beobachtender Gegenüber zur Petrischale, in dem er Vorgänge aus der Natur exemplarisch simuliert; sondern er ist und bleibt immer kausaler Faktor in der Natur. Ebenso verhält es sich mit dem Untersuchungsgegenstand des Regionalismus: Regionalismus beschreibt als Begriff ein empirisch wahrnehmbares Phänomen - zugleich aber stößt er als Programm Entwicklungen auf der empirischen Seite an, die er, nachdem sie abgeschlossen sind, wiederum denotativ bezeichnet. Diese Wechselwirkung kann nur präzise aufgezeigt werden, wenn beide Seiten des Begriffs, die Seite der Empirie und die Seite der Beschreibung, möglichst klar bestimmt sind. Dies ist schon deshalb unerlässlich, weil wir bei der Untersuchung des Regionalismus nach dem kulturwissenschaftlichen Ansatz den Blick wieder auf eine Wechselwirkung fokussieren: nämlich die zwischen der Gesellschaft unter dem Blickwinkel des "Regionalismus" und der Rechtsordnung. Die Untersuchung geriete dann ins verworren Zirkuläre, wenn sie nicht die jeweils zwei Brennpunkte der Ellipse der Wechselwirkung auseinander hielte. Mithin geht es nicht darum, durch endlose Begriffsbestimmungen den Versuch zu unternehmen, aus dem "hermeneutischen Zirkel" (Gadamer)18 auszusteigen, sondern durch die Offenlegung der jeweiligen Begriffs struktur einen Verständnishorizont zu gewinnen. Deswegen ist zunächst der Begriff der "Region" zu klären und im Anschluss daran der des "Regionalismus" und des "Föderalismus". Dies sind die Begriffe, deren Kern sich wiederum im Begriff der Region erschließen. 1. Region

a) Begriffsgeschichte und Perspektivenvielfalt

Der Begriff der "Region" wurde erstmals in der frühen Neuzeit verwendet; im 15. Jahrhundert wurde er dem Lateinischen entlehnt (spätlateinisch 17

18

Vgl. Davies (1990), S. 240 f. Hirschberger (1995).

11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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"regionalis,,).19 Der lateinische Stamm "regio" bedeutet "Gegend", "Gebiet", "Landschaft", "Landstrich". Der Duden20 definiert den Begriff der Region als ein "durch bestimmte Merkmale (z. B. Klima, wirtschaftliche Struktur) gekennzeichneter räumlicher Bereich".

Das Oxford Dictionary21 bestimmt ihn wie folgt: "Region means a large tract of land; a country; a more or less defined portion of the earth's surface, now especially as distinguished by certain natural features, climatic conditions, a special fauna or flora, or the like."

Einem Bedeutungswandel war der Begriff nicht unterworfen, da er sich kontinuierlich an der empirischen Dimension der räumlichen Einheit orientierte und darüber hinaus keine dem Bedeutungswandel unterliegenden Konnotationen in sich aufnahm. In den Kulturwissenschaften wird das Phänomen der Region unter verschiedenen Aspekten betrachtet. Unter diesem Blickwinkel treten die geographisch-ethnologischen und soziologisch-politologischen wie psychologisch-anthropologischen Facetten in den Verständnishorizont des Phänomens. Diese Blickwinkel können zum einen historisch horizontal eröffnet werden: dann erhält man eine Momentaufnahme von all diesen Facetten des Phänomens; zum anderen können sie historisch vertikal eröffnet werden: das heißt, alle diese Aspekte werden noch einmal in den Blickwinkel einer historischen Entwicklung gestellt; so gehen aus diesen Einzelaspekten noch die Aspekte Geschichte und Tradition hervor. Alle aufgezählten Blickwinkel sind aber zunächst retrospektiv: sie zielen auf einen vorhandenen oder doch zumindest gewesenen Gegenstand. Im Blickwinkel der Administration und des Verfassungsrechts wird hingegen eine gestalterische Kraft des Begriffs "Region" sichtbar; hier wird der Begriff prospektiv. b) Geographie und Ethnologie

Als zwei der wichtigsten Aspekte einer Region können geographische und ethnische herangezogen werden. Verschiedene geographische Bedingungen erfordern verschiedene Anpassungen der Menschen an diese. Das Leben und Überleben im Gebirge erfordert andere Anpassungsmechanis19 20

21

Zentralinstitut für Sprachwissenschaft (1993). Duden (1999). Oxford English Dictionary (1989).

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A. Einleitung

men als das Leben in Flusslandschaften oder am Meer. Diese äußeren Lebensbedingungen haben im Laufe der Geschichte kulturelle Spezifika hervorgebracht, die auch innerhalb eines verfassungsrechtlich homogenen oder gar zentralistischen Staates überlebt haben. So gibt es im zentralistischen Frankreich bedeutende Unterschiede in der regionalen Ausprägung von der Sprache über die Kochkunst bis hin zu separatistischen Bestrebungen einzelner ethnischer Gruppen (Basken). In Deutschland gibt es unter dem ethnische Aspekt in der Hauptsache zwei Minderheiten, die Dänen in Schleswig und die Sorben in Sachsen22 • Gegenwärtig sind diese Gruppen aber unter dem geographischen Aspekt nicht mehr identisch mit einer Region. Historisch war dies in Schleswig 1848 anders; das damalige Herzogtum Schleswig gehörte seit 1640 als Lehen zu Dänemark, stand aber in Realunion mit Holstein, das zu Deutschland gehörte. Als Dänemark Schleswig 1848 in das dänische Staatsgefüge integrieren wollte, schlossen sich Schleswig und Holstein zum Zwecke der Wahrnahme der Interessen der dort lebenden Deutschen der 1848er Revolution an?3 Auch wenn dieser Entschluss nicht von praktischem Erfolg gekrönt war, zeigt sich doch, wie ethnischer und geographischer Aspekt bei der Identitätsbildung einer Region zusammenspielten. In Frankreich und Spanien spielen als ethnische Gruppe die Basken eine brisante Rolle bei der Bildung von Regionen, in Italien die Südtiroler. Geographisch stimmen die Grenzen der Regionen dieser ethnischen Gruppen nämlich nicht mit den nationalen Grenzen des jeweiligen Staates überein; so ist die Frage nach der Institutionalisierung einer regionalen Einheit für diese Gruppen nicht nur eine Frage zwischen der Region und dem jeweiligen Staat, sondern auch zwischen den zwei Grenzstaaten selbst; in dem einen Fall zwischen Spanien und Frankreich, in dem anderen Fall zwischen Österreich und Italien. In Großbritannien haben sich die Schotten schon immer einen Kern ihrer ursprünglichen Kultur bewahrt; eine (immer noch vereinzelt gesprochene) eigene Sprache, das Gälische, eine eigene, unabhängige Kirche (die "Presbyterian Church of Scotland"), aber auch Traditionen und kulturelle Bräuche, die im übrigen Königreich unbekannt sind. c) Anthropologie und Psychologie

Vom Blickwinkel der kulturellen Anthropologie spiegelt sich in der Region in erster Linie eine ethnische Identifikation sowie eine dadurch be22 23

www.sorben.de. Zum Sachverhalt siehe: Gärtemaker (1989), S. 121 f.

H. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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dingte, oft negative Abgrenzung zum Gesamtstaat wider. Diese Identifikation wird durch Sozialisation erreicht. 24 Region ist demnach ein "subjektiv erfahrenes Interaktionsfeld", in dem der Einzelne der Gesellschaft begegnet; diese Gesellschaft weist das enge Beziehungsgeflecht einer Gemeinschaft auf, die durch gemeinsame Erfahrungen, Geschichten und "Mythen" Normen, Rollen und Werte generiert. 25 Die Region wird zum Schnittpunkt individueller Lebensgeschichte und Gesellschaftsgeschichte. Durch diese Wechselwirkung - so der psychologische Standpunkt - entwickelt der einzelne Zugehörige eine "narrative Identität" (Paul Ricoeur), das heißt, kollektive Erfahrungen und Geschichten prägen die eigenen Selbstwahrnehmungs- und Deutungsmuster. Gerade in Schottland und Wales begegnen uns diese identitätsstiftenden Erzählungen in gesungenen Balladen, die entscheidende Bewährungs- und Schicksalserfahrungen der Gemeinschaft verarbeiten und tradieren?6 Sollen bei einer Region diese narrativen identitätsstiftenden Faktoren unwissenschaftlich betont und ins Licht der Wahrnehmung gehoben werden, bezeichnet man die Region meist nicht mehr mit dem Begriff der Region, sondern mit dem Begriff der "Heimat", bei dem diese Facetten konnotativ mitschwingen. 27 d) Soziologie und Politologie

Soziologisch-politologisch handelt es sich bei der Region um ein Gebiet "landsmannschaftlicher Verbundenheit", ein Gebiet "sozialräumlicher Identifikation,,?8 Dies geht über die reine ethnische Identifikation hinaus, überschneidet sich aber an einigen Stellen mit dieser; Faktoren wie gemeinsame Kultur, gemeinsame Sprache oder auch gemeinsame Geschichte bilden die verbindenden Elemente. 29 Regionales Bewusstsein kann danach ethnische Wurzeln haben, doch nicht jede ethnische Gruppe prägt sich so aus. Ein Kuropka, in: Schulz (1994), S. 22. Kuropka, in: Schulz (1994), S. 23. 26 Vgl. unten genauer: Kapitel B H Ib. 27 Kuropka, in: Schulz (1994), S. 23 f.; allerdings ist dieser Begriff heute nur noch sehr eingeschränkt verwert- und verwendbar. Für den einzelnen Menschen mag es nach wie vor so etwas wie Heimat oder heimatliche Gefühle geben. Zur Abgrenzung einer territorialen Einheit taugt der Begriff jedoch wenig. Indizien für einen abgrenzbaren territorialen Raum finden sich heute allenfalls noch in Erinnerungen und Diskussionen von nach dem 2. Weltkrieg Vertriebenen, die ihre damaligen Herkunftsgebiete noch heute pauschal als "Heimat" bezeichnen. 28 Kuropka, in: Schulz (1994), S. 25. 29 Schöller, in: Walltor/Quirin (1977), S. 66 ff., so auch problematisch in der Vertriebenenfrage. 24

25

32

A. Einleitung

gutes Beispiele hierfür ist der schweizerische Kanton Graubünden, in dem deutschsprachige, französisch- und italienischsprachige Einwohner als Graubündner zusammenleben und sich als Einheit und Kantonsbevölkerung als zusammengehörig begreifen. 30 Auch am Beispiel Schottlands lässt sich dieser Ansatz sehr treffend belegen. Die schon genannten schottischen Spezifika Kirche, Geschichte, Sprache, Kultur sowie Rechtssystem haben durch die Jahrhunderte ein schottisches Nationalbewusstsein ausgebildet, das sämtliche Versuche der Zentralregierung, aus Großbritannien einen für alle Zeiten feststehenden homogenen Nationalstaat zu bilden, überlebt hat. Aus dem Dargestellten folgt, dass eine Abgrenzung der Region sowohl durch die Dimension "Raum" als auch durch die Identitätsbezüge einer Gruppe von Menschen erfolgen kann, wobei die Aspekte der verschiedenen Identitätsbezüge selbst voneinander nicht mehr scharf abgegrenzt werden können. In der soziologischen-politologischen Facette der Betrachtung leuchtet auch die ethnologische, anthropologische und psychologische Facette mit heraus und umgekehrt: es sind verschiedene Schattierungen eines Spektrums. 31 Dieses Spektrum kann in Bezug auf die Region nun historisch horizontal als Momentaufnahme all dieser Facetten eröffnet werden oder historisch vertikal als integrierende Darstellung einer historischen Entwicklung dieser Facetten. An diesem Punkt kommen Geschichte und Tradition als neue, die anderen integrierende, Blickwinkel hinzu.

e) Geschichte und Tradition Schaut man sich im heutigen "Europa der Regionen" um, so scheint beim Blick auf die Regionen der integrierende Blickwinkel der Geschichte und der Tradition der beliebteste zu sein. Jede selbst-bewusste Region verweist in erster Linie auf ihre jahrhundertealte Geschichte als Region, und die sich in diesen Jahren ausgebildeten Bräuche und Traditionen. Insofern kommt der Region in diesem Sinne so etwas wie "Geschichtslandschaft" ZU. 32

Ein Blick auf die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass im Laufe der Geschichte eine Vielzahl von historischen Räumen im Bewusstsein der Bevölkerung nicht erhalten geblieben ist. So ist etwa das 30 31 32

SchelterIWuermeling (1995), S. 17. Vgl. umfassend zu den soziologischen Deutungsansätzen: Schulz (1993). SchelterIWuermeling, (1995), S. 17.

11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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weltliche Herrschaftsgebiet des Bistums Bamberg aus aller Bewusstsein entschwunden, und niemand verlangt ernsthaft, das Markgrafenturn Bayreuth wieder zu errichten?3 Aus dem retrospektivischen Blick der Geschichte und der Tradition ergibt sich also nicht zwingend das prospektivische, gestalterische Erfordernis einer Wiederbelebung dieser "Geschichtslandschaft". Vielmehr stellt dieser Blick auch den Abbruch von Traditionen fest. 34 In Großbritannien haben die schottischen Spezifika aber nicht nur keinen Traditionsabbruch zu beklagen, sondern sie sind immer die Haupttriebfedern für die Entwicklung zu einer echten Regionalstruktur im Vereinigten Königreich gewesen. Entscheidend ist demgemäss im historischen Blickwinkel weniger die territoriale oder politische Kontinuität, sondern offenbar vielmehr der traditionelle Selbstbehauptungs- und beteiligungs wille. f) Administrative und veifassungsrechtliche Perspektive

Administrative und verfassungsrechtliche Betrachtungsweisen der Region nehmen diesen gestalterischen, konstruktivistische Kraft entfaltenden Inhalt in ihren Regionbegriff mit auf. Region ist unter diesem Blickwinkel etwas, das gestaltet, geordnet oder sogar geschaffen werden kann. Damit hält eine Differenzierung in die "Regionalisierung von oben" (prospektivisch) und der historisch gewachsenen Region (retrospektivisch) Einzug. Aus administrativer Notwendigkeit sind in Europa Regionen gebildet worden. Sie werden mit Begriffen wie "Wirtschaftsregion", "Verkehrsregion", "Montanregion", "Grenzregion" oder auch "Arbeitsmarktregion". Hierbei handelt es sich um eine funktionale Regionen-Einteilung, die sich durchaus mit den historisch gewachsenen Regionen überschneiden können und die mit dem Wandel der Funktionen selbst einem Wandel unterworfen sind. 35 In England wurde während des 2. Weltkrieges aus verteidigungspolitischen und logistischen Gründen heraus ein regionales Zivilverteidigungssystem "konstruiert,,?6 England wurde in zehn Regionen unter der Leitung eines "Regional Commissioners" eingeteilt, denen sehr weitgehende adminisSchelterlWuermeling, (1995), S. 17. Sowohl die historisch horizontale Perspektiven der Anthropologie, Ethnologie, Geographie, Politologie und Soziologie wie die historisch vertikale Perspektive der Geschichte und der Tradition sind retrospektivische Perspektiven; denn sie blicken auf die Region als Bestehendes oder Vergangenes; jedenfalls ist ihre Zielrichtung keine gestaltende; keine die über das Empirische hinausgeht. Dies wäre aber für einen prospektivischen Blick auf das Phänomen erforderlich. 35 Haneklaus (1991), S. 297. 36 Smith (1964), S. 9 ff. 33

34

3 Mey

A. Einleitung

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trative Kompetenzen übertragen wurden. 37 1964 wurden auf der Grundlage dieser "Regionen" in England acht ökonomische Planungsregionen geschaffen. 38 Der dahinter stehende Gedanke war, dass auch die Zentralregierung in ihren Entscheidungen bezüglich regionaler Investitionen auf Informationen angewiesen ist, die am sinnvollsten "vor Ort" gesammelt und ausgewertet werden können. 39 Diese "standard planing regions" existieren in geringfügig modifizierter Form bis heute. Sie werden heute wieder verstärkt herangezogen, wenn es um die Frage einer verstärkten regionalen Gliederung Englands geht. 40 In England finden sich demnach in erster Linie konstruktivistische Regionen, deren Hauptberechtigung darin liegt, dass sie administrativ gewollt waren. 41 Bedeutsam in staatsrechtlich-verfassungsrechtlicher Hinsicht wird die Region dann, wenn sie als subnationales Gebilde exekutive und legislative Kompetenzen innehat bzw. erhalten soll oder Will. 42 Auch in der staatsrechtlich-verfassungsrechtlichen Perspektive findet sich also der eher prospektive Gehalt des Begriffs "Region", weil diese Betrachtungsweise an das entweder historisch gewachsene oder konstruierte Phänomen der Region die Frage und Antwort nach zustehenden Rechten, Kompetenzen und Aufgaben anknüpft, mithin an normative Inhalte. Nicht umsonst wird gerade in der Verfassungs- und Staatsrechtslehre in diesem Zusammenhang die Frage nach "kulturellen Menschenrechten" und "Korporationsrechten" laut. 43 37

Malanczuk (1984), S. 163.

Diese sind: South West, South East, West Midlands, East Midlands, East Anglia, North West, Yorkshire and Humberside, Northern sowie Wales, Schottland und Nordirland. 39 HansonlWalles (1980), S. 256. 40 Vgl. Kapitel B IV 3. 41 Vgl. zu diesem gesamten Komplex die sehr kritische Studie von Allen/Massey/ Cochrane (1998), die sich der Notwendigkeit einer Regionalisierung aus sozialwissenschaftlicher Sicht nähern und insbesondere die Notwendigkeit betonen, durch eine vertiefte Regionalisierung soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten zu beseitigen. 42 Aus der folgenden Untersuchung von vornherein ausgenommen sind daher die Regionen, die sich aus der Zusammenarbeit mehrerer benachbarter Staaten auf völkerrechtlicher Ebene ergeben. Solche Formen der Zusammenarbeit finden sich beispielsweise in der Wirtschafts- oder Verteidigungspolitik. Derartige Formen des Regionalismus beschreibt auch Art. 52 (1) der UN-Charta: "Diese Charta schließt das Bestehen regionaler Abmachungen oder Einrichtungen zur Behandlung derjenigen die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit betreffenden Angelegenheiten nicht aus, bei denen Maßnahmen regionaler Art angebracht sind; Voraussetzung hierfür ist, dass diese Abmachungen oder Einrichtungen und ihre Wirken mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen vereinbar sind". Vgl. hierzu genauer: Simma (1991). 38

11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

35

Mit der Arbeitsaufnahme des schottischen Regionalparlamentes bzw. der walisischen Regionalversammlung wurden in Großbritannien historisch gewachsene Regionen verfassungsrechtlich relevant. Eine verfassungsrechtliche Mitwirkungskompetenz historisch gewachsener Regionen auf gesamtstaatlicher Ebene findet sich europaweit auch in Belgien, Italien, sowie, sofern man von den Bundesländern als Regionen sprechen möchte, in Deutschland. 44 Letzteres verweist bereits auf einen Zusammenhang zwischen Regionalismus und Föderalismus den es bei der Begriffsbestimmung des Regionalismus zu klären gilt. 2. Regionalismus

Der Begriff des Regionalismus enthält die dynamisierte Betrachtungsweise der Region. Es geht um die Erfassung der Region nicht in prospektiver oder retrospektiver Hinsicht, sondern in ihrem dynamischen Charakter. Der Duden bezeichnet den "Regionalismus" als "starke Ausprägung landschaftlicher Eigenarten in Literatur, Kultur o. ä. in Verbindung mit der Bestrebung, diese Eigenarten zu wahren und zu fördem.,,45

Das Oxford English Dictionary bezeichnet "regionalism" als "the theory or practice or regional rather than central systems of administration, or of economic, cultural, or political affiliation. ,,46

Im Regionalismus-Begriff ist damit der Blickwinkel einer dynamischen Entwicklung von Retro- zu Prospektive nicht einer unter mehreren, sondern das Spezifikum des Begriffs in Abgrenzung zum Begriff der Region. Je nach Schwerpunkt der Dynamik im retro- oder prospektivischen Blick43 Vgl. hierzu zuletzt: BVerfG, 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000 (www.bverfg.de); auch: Art. 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000/C 364/01): "Die Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen." 44 Vgl. hierzu genauer Kapitel C 11 3. Bereits an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass auf europäischer Ebene die deutschen Bundesländer wie selbstverständlich als Regionen behandelt werden. Dies zeigt sich daran, dass die deutschen Bundesländer im Ausschuss der Regionen als Länder vertreten sind, dass die Länder im Rahmen der Fördervergabe der europäischen Struktur- und Regionalentwicklungspolitik erste Ansprechpartner sind, und dass überhaupt die deutschen Bundesländer wie selbstverständlich in den Plänen der Entwicklung eines Europas der Regionen gleichberechtigt neben den italienischen Regionen, französischen Regionen bzw. Departements, belgischen Regionen und Gemeinschaften, niederländischen Provinzen wie spanischen Autonomen Gemeinschaften als auch jetzt britischen Regionen genannt und diskutiert werden. 45 Duden (1999). 46 Oxford English Dictionary (1989).

3"

A. Einleitung

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winkel ist der Regionalismus-Begriff auch weniger oder mehr programmatisch. a) Sozial- und Politikwissenschaft

Der Regionalismus als dynamische Entwicklung einer geographisch bestimmbaren Einheit wird etwa seit 120 Jahren diskutiert. Historisch gesehen wird er aus dem südfranzösischen Raum kommend betrachtet, wo er von Dichterkreisen als Wiedergeburt eines heimatlich verankerten Selbstverständnisses kultureller und politischer Eigenheit verstanden wurde. 47 Er wurde auch als landschaftlich verankerter, politischer Egoismus gegenüber dem Zentralstaat aufgefasst. 48 Die sozial- und politikwissenschaftlichen Reflexionen sind dabei durch drei Bezüge charakterisiert: Durch den Bezug auf den homogenen geographischen Raum, durch den abgrenzenden Bezug dieses Raumes zum übergeordneten Raum des Staates sowie durch den Bezug zum Regionalismus als einem verändernden, programmatischen Gestaltungsprinzips, das in Spannung oder Konkurrenz zu bestehenden Ordnungsvorstellungen von Staat und Gesellschaft gesehen wird. 49 Regionalismus kann in diesem Sinne zusammenfassend definiert werden als "oppositionelle Politisierung eines subnationalen territorialen Bezugsrahmens, der in Konkurrenz zur gesamtstaatlichen Territorialität als geltenden Bezugsrahmen gesellschaftlicher und politischer Aktivitäten gesetzt wird. ,,50 Das politikwissenschaftliche Verständnis von Regionalismus ist geprägt von den Ordnungsvorstellungen bezüglich des Staates und der Gesellschaft, die sich in drei Konzeptionen gliedern lassen: (a) Konservativ organizistische Vorstellungen, die die Ganzheitlichkeit oder Einheit bestehender Gesellschaftsordnungen in Analogie zu natürlichen bzw. in historischer Evolution gewachsener Organismen sehen. 51 Diese Vorstellungen erlauben in bestimmten Bereichen eine Kulturautonomie, geben sprachlich und kulturelle abgegrenzten Regionen ein eigenständiges Entfaltungsrecht. Werden derartige Rechte verweigert, drohen separatistische Tendenzen, droht ein Auseinanderbrechen des Gesamtstaates, da die separatistischen Kräfte dann derart stark werden können. Ein 47 48

49 50 51

Kuropka. in: Schulz (1994), S. 24. Kuropka. in: Schulz (1994), S. 26. Nohlen (1991), Stichwort "Regionen/Regionalismus". v. Krosigk. in: Gerdes (1980), S. 25. Nohlen (1991), S. 586.

11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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Beispiel hierfür sind die Volksgruppenbewegungen der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. 52 (b) Rationalistische Vertragstheorien sehen die Einheit bestehender Gesellschaftsordnungen im staatliche garantierten Funktionieren einer demokratisch legitimierten gesellschaftlichen Willensbildung begründet. 53 Für den Regionalismus folgt daraus, dass in einem Stadium der regionalen Autonomie dezentrale Strukturen in politischer Willensbildung und Entscheidungsebenen vorherrschen sollten, da diese Dezentralisierung eine wichtige legitimationssichernde Wirkung entfaltet. Besonders betont wird in diesem Zusammenhang, dass der Regionalismus hier als Indikator für Legitimationsdefizite des Zentralstaates angesehen werden kann, der sich in immer stärkerer Weise in alle Lebensbereiche der Bürger hineinrnische. Der Regionalismus wie auch die "Re-Kommunalisierung der Politik,,54 werden in diesen Ansätzen als Indiz für einen gesellschaftlichen Widerstand gegen unitarisierende Norm- und Entscheidungsstrukturen angesehen. 55 (c) Unitarisch republikanische Vorstellungen und die auf dieser Traditionslinie aufbauenden soziologisch-systemtheoretischen Konzepte sehen die Einheit bestehender Gesellschaftsordnungen in der arbeitsteiligen oder funktionalen Verschränkung der das menschliche Überleben sichernden Verrichtungen begründet. 56 Für den Regionalismus folgt daraus allenfalls eine Tendenz zur Dekonzentration, für föderalistische Strukturen sehen diese Ansätze keinen Raum; wenn, dann sollten die Kompetenzen der Regionen nicht über die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen einer vertikalen Aufgabenverteilung hinausgehen. 57 b) Die verfassungsrechtliche Perspektive

In verfassungsrechtlicher Hinsicht gibt es im 20. Jahrhundert erheblich differierende Vorstellungen über das Phänomen des Regionalismus. Sie reichen von bloßer administrativer Dezentralisierung über kulturelle Autonomie und Föderalismus bis hin zum Separatismus. 58 Begriffslogisch scheidet die Vorstellung vom Regionalismus als Separatismus aus; bereits im Begriff der Region ist ein Bezug zum übergeordneten 52 53 54 55

56 57 58

Heraud (1967), S. 57 f. Nohlen (1991), S. 588. v. Beyme, zitiert nach: Nohlen (1991), S. 588. Tarrow (1978), S. 342. Nohlen (1991), S. 587. Cornford (1975). Vgl. zur Bedeutung des Regionalismus für den Welthandel: Pelkmanns (1992).

38

A. Einleitung

Raum enthalten; fällt dieser übergeordnete Raum weg, gibt es auch das Pendant der Region nicht mehr; diese mutiert einfach zu einem neuen Raum, der in keinem anderen Raumbezug mehr steht. Schon begrifflich respektiert der Regionalismus höhere staatliche Instanzen und definiert sich als Teil eines größeren Ganzen. Daher besteht das klassische Ziel des Regionalismus im Ziel weitgehender Autonomie auf regionaler Ebene; der Föderalismus hingegen strebt die Partizipation auf höherer Ebene an. Föderalismus und Regionalismus sind also abgrenzungsbedürftig. Insbesondere durch die Entwicklungen auf europäischer Ebene tritt heute verstärkt der Gedanke der Mitbestimmung der Regionen wieder in den Vordergrund. Aufgrund der auf europäischer Ebene unterschiedlichen Vorstellungen von dem, was Regionalismus und Föderalismus in den einzelnen Mitgliedsstaaten bedeuten, fand als "Kompromiss" der Begriff der Region, und damit auch der Begriff des Regionalismus, als offizieller terminus technicus Eingang in den Sprachgebrauch. c) Diskussion in StaatsrechtslehreiPolitical Science

In den Staats- und Verfassungswissenschaften steht der Begriff des Regionalismus überwiegend für die Beschäftigung mit der Bedeutung und den Konsequenzen einer regionalen Gliederung eines Nationalstaates. 59 Zunehmend spielt jedoch der europapolitische Bezug und die europapolitische Bedeutung des Regionalismus eine große Rolle. In Deutschland gibt es auffällig wenig verfassungsrechtliche Diskussionen um Regionalismus bzw. Regionalisierung; dies mag daran liegen, dass Deutschland als Bundesstaat eine föderale Ordnung besitzt, die weitgehend konfliktfrei besteht und sich in nunmehr über 50 Jahren Grundgesetz bewährt hat. Die verfassungsrechtliche Diskussion kreist daher allenfalls um den Bundesstaatsbegriff, um das Bund-Länder-Verhältnis und die konkrete Ausgestaltung desselben. 6o Auf europäischer Ebene ist die Bedeutung des Regionalismus in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gewachsen. Die Diskussion über den Regionalismus hat als Bezugspunkte in der Debatte nicht mehr die Regionen im Verhältnis zu den nationalen Grenzen, sondern im Verhältnis zur Europäischen Union. "Europa" als aus der Verfassungsentwicklung nicht mehr hinwegzudiskutierender Faktor belebt zunehmend die klassischen Dis59 Vgl. hierzu: Hesse (1995), Rn. 230; auch: Isensee, in: Isensee/Kirchhoff (1990), § 98 Rn. 305 ff. 60 Vgl. etwa Bauer in: Dreier (1998), Art. 20 (Bundesstaat), Rn. 9.

11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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kussionen über Begriffe wie "Bundesstaat", "Einheitsstaat" oder, wie im Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts geschehen, einen neu kreierten Begriff des "Staatenverbundes".61 Keating/Loughlin bezeichnen Regionalismus als "it refers to an ideology and to political movements which demand greater control over the affairs of the regional territory by the people residing in this territory, usually by means of the installation of a regional govemment. It is essentially bottom-up, decentralising (of political power), and political.,,62 Für Harding/Evans gibt es Regionalismus sowohl in politisch/kultureller Erscheinungsform als auch in technokratischer Form. Tritt Regionalismus in "politisch/kulturellem Gewand" auf, so setzt er sich in der Regel in Gegensatz zur dominanten nationalen Kultur. "Technokratische Regionalisten" hingegen vertreten die Auffassung, dass gute staatliche Regierung nur möglich ist, wenn und sofern starke Regionalstrukturen existieren. In Abgrenzung zum Nationalismus, der die Unabhängigkeit zum Ziel hat, sucht der Regionalismus einen Weg, sich unter den gegebenen Umständen zu arrangieren. 63

3. Föderalismus Um die beiden Pole zu komplettieren, zwischen denen der Regionalismus steht, muss nun noch der Föderalismus als verfassungsrechtliches Strukturprinzip in den Blick genommen werden. Eine kurze Formel ist aber kaum möglich, da auch der Begriff des Föderalismus unterschiedliche beschreibende und gestalterische Perspektiven enthält. 64 Konrad Hesse etwa definiert den Föderalismus wie folgt: 65 "Föderalismus bezeichnet als politisches Grundprinzip die freie Einung von differenzierten, grundsätzlich gleichberechtigten, in der Regel regionalen politischen Gesamtheiten, die auf diese Weise zu gemeinschaftlichem Zusammenwirken verbunden werden sollen." Den damit eng verbundenen Begriff des Bundesstaates definiert der VerfassungsrechtIer Klaus Stern wie folgt: 66 ,,(Der) Bundesstaat ist eine durch die Verfassung des Gesamtstaates geformte staatsrechtliche Verbindung von Staaten in der Weise, dass die Teilnehmer Staa61

62 63

BVerfG 89, 55. Keating/Loughlin (1997), S. 5. Harding/Evans (1996), S. 6.

64 Kimminich beklagt im Handbuch des Staatsrechtes (lsensee 1987), Bd. 1, § 26 Rn. 3, dass die Föderalismustheorie eine unendliche Vielfalt aufweise, was dazu

führe, dass gerade diese Vielfältigkeit das Hauptmerkmal des Föderalismus sei. 65 66

Hesse (1995), Rn. 219. Stern (1984), S. 644 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen.

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A. Einleitung

ten bleiben oder sind (Gliedstaaten), aber auch der organisierte Staatenverband selbst (Gesamtstaat) die Qualität eines Staates besitzt."

Nach heutiger Vorstellung hat auf staatsrechtlicher Ebene der Föderalismus seine Vollendung im Bundesstaatsprinzip gefunden. 67 In seiner Verwirklichung hatte bereits Aristoteles die wichtigste Vorkehrung gegen den undifferenzierten, nivellierenden Staat gesehen. 68 Auch in den amerikanischen Federalist Papers (1787)69 wurde der Föderalismus behandelt. Als auf dem Verfassungskonvent in Philadelphia ein Streit zwischen den zentralistischen "federalists" und den föderalistischen "republicans" ausbrach, einigten sich die Väter der amerikanischen Verfassung schließlich auf das Modell einer präsidialen Bundesrepublik, das bis heute Gültigkeit hat. Danach ist der Bund zuständig für Verteidigung, Währung, Außenpolitik, Außenhandel; der Einzelstaat für Verkehr, Kultus, Justiz, Polizei u. a. 70 In Preußen liegt den Stein-Hardenbergschen Reformen von 1808 die Idee des Föderalismus der Sache nach zugrunde. Die Städteordnung vom 29.11.1808 erweckte die Selbstverwaltung zu neuem Leben. Die Städte wurden darin zu Körperschaften des öffentlichen Rechts erklärt. Die Willensbildung wurde in die Hände der Stadtverordnetenversammlung gelegt, die von den Bürgern auf Grund allgemeinen und gleichen Wahlrechts gewählt wurde?! Obwohl eine Selbstverwaltung auch auf dem Lande geplant war, scheiterte die Umsetzung zunächst am Widerstand einer konservativen Adelsopposition. 72 Erst die Kreisordnungen von 1825-1828 schafften eine begrenzte Selbstverwaltung. Die Briten haben mit dem Begriff des "Föderalismus" bisher größte Probleme gehabt. 73 Darüber hinaus bedeutet der Begriff "federalism" - anders als im übrigen Europa - "a centralised political structure. ,,74 Vor diesem Begriffsverständnis ist auch die Aussage John Majors verständlich, der in einer Unterhausdebatte sich wie folgt äußerte: "Federalism in the Community means different things to different people, but if it implies a central govemment for the federation this is not what people in this country want. (... ) If it means decentralisation, then it sounds like subsidiarity, Vgl. hierzu ausführlich: Maunz, in: Isensee/Kirchhoff (1990), § 94. Zippelius (1999), § 38 I. 69 Der genaue Text findet sich unter: http://www.law.ou.edu/histlfederalist. 70 dtv-Atlas zur Weltgeschichte (1998), Band 2, S. 15. 71 Zippelius (1994), S. 92. 72 dtv-Atlas zur Weltgeschichte (1998), Band 2, S. 33. 73 Vgl. zur britischen "Föderalismus" bzw. "Anti-Föderalismus-Tradition" sehr ausführlich: Crozier (1994), S. 160 ff. 74 Tristan Garel-Jones, Minister of State, Foreign Office, 23. Juni 1991, zitiert nach: Michael Burges, Publius-Konferenz Regions and Devolution in the UK, University of Hull, 06.03.1998. 67

68

11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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which many in this country would find more acceptable. But in no way we permit that word to appear in the treaty until or unless it is clear what it means and that it does not mean centralisation of power...75

Diese Aussage zeigt, dass zumindest von Seiten der Konservativen in Bezug auf Europa und das politische System der Europäischen Gemeinschaften jede Form eines zentralisierend wirkenden "Föderalismus" strikt abgelehnt wurde. Erst in den letzten Jahren sind wieder vereinzelte Stimmen zu vernehmen, die auch für das Vereinigte Königreich ein föderales System etwa nach deutschem Vorbild mit einer zweiten Kammer des Parlamentes als Repräsentation der Regionen und die Schaffung von Regionen mit originären legislativen und exekutiven Kompetenzen fordern. 76 4. Abgrenzung von Regionalismus und Föderalismus In der staatsrechtlichen Diskussion wird der Regionalismus gemeinhin als Vorstufe zum Föderalismus verstanden. 77 Obschon einige typische Merkmale, die ein föderales System auszeichnen, in regionalistisch gegliederten Staaten bereits ausgebildet sind (wie etwa gewisse eigenständige Kompetenzen der Regionen), fehlt es doch insgesamt an einem System ausgewogener vertikaler Gewaltenteilung und zumeist auch an einer Repräsentation und Einflussmöglichkeit auf die gesamtstaatliche Gesetzgebung in Form einer echten unabhängigen, die Regionen bzw. Länder repräsentierenden zweiten Kammer des Parlamentes. Darüber hinaus wird der Regionalismus jedoch insbesondere von Häberle als "eigenwüchsiges und eigenständiges Strukturprinzip des heutigen Verfassungsstaates in action" bezeichnet. 78 Er möchte damit deutlich machen, dass, obzwar der Regionalismus noch nicht an den Föderalismus in seiner hoch ausdifferenzierten verfassungsrechtlichen Stellung heranreicht, er dennoch ein ernstzunehmendes, und aufgrund seiner immer stärkeren Bedeutung vor allem auf der Ebene der europäischen Politik, ein immer wichtiger werdendes Strukturelement der heutigen Verfassungsstaaten ist, dem nicht nur die Eigenart einer Vorstufe zukommt. Daher sei der Regionalismus in seiner heutigen Verfasstheit zwischen den Polen klassischer Einheitsstaat und dem föderalen Bundesstaat als eigenes Strukturprinzip anzusiedeln. 79

75 76 77 78 79

lohn Major, HC Debates, 25. Juni 1991, zitiert nach: vgl. Fn. 74. Vgl. hierzu genauer Kapitel C V. Zippelius (1998), § 38; Häberle (1998), S. 810 f. Häberle (1998), S. 810. Häberle (1998), S. 811.

A. Einleitung

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5. Inkurs: Regionalismus, Föderalismus und das Subsidiaritätsprinzip Der Föderalismus in der europäisch-nordamerikanischen Entwicklungsgeschichte des Verfassungsstaates korrespondiert mit dem von der katholischen Soziallehre entwickelten "Subsidiaritätsprinzip". 80 Der föderalen Mitbestimmung auf höchster staatlicher Eben entspricht eine Verantwortlichkeit der staatlichen Subsysteme, die Erfüllung (sozialer) Aufgaben nicht nach "oben" weiterzuleiten, sondern so weit wie nur möglich auf unterster Ebene zu erfüllen. Während das föderale System also eine Mitbestimmung auf der höchsten Ebene der staatlichen Ordnung gewährleistet, sorgt die subsidiäre Aufgabenerfüllung für eine Entlastung der obersten Strukturebene im Staat. 81 Die philosophischen Grundlagen des Subsidiaritätsprinzips wurden vor allem von Gustav Gundlach82 und Oswald von Nell-Breuning83 erarbeitet. Den ideengeschichtlichen Durchbruch erlangte das Prinzip wohl in der Sozialenzyklika "Quadragesimo Anno" von Papst Pius XI. aus dem Jahr 1931. Dort heißt es: "Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; es ist zugleich durchaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja in ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder der Sozialkörper unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen."

Nach der christlichen Soziallehre fußt das Subsidiaritätsprinzip auf dem christlichen Verständnis des Menschen als Person, als "Träger, Schöpfer und Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen".84 Da der Mensch sich und allen Mitgeschöpfen gegenüber zur Verantwortung aufgerufen ist, soll in einer Gesellschaft zunächst der Einzelmensch im Vordergrund stehen. Dies bedeutet, dass eine Gesellschaft sich von unten nach oben aufbauen soll, die gesellschaftlich höhere Einheit der gesellschaftlich niedrigeren Einheit nur dann zur Hilfe kommen soll, wenn diese die gestellten Aufgaben nur schlecht oder gar nicht erfüllen kann. 80 81 82 83

84

Kimminich (1987), S. 590. Vgl. hierzu allgemein auch: Häberle (1994). Gundlach (1964). Nell-Breuning (1964); ders. (1990). Papst Johannes XXIII., zitiert nach SchelterlWuermeling (1995), S. 40.

11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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Obwohl ursprünglich wohl nur auf verschiedene Gemeinwesen bezogen, kann und muss, da die Menschen in einem staatlichen System leben und sich staatlichen Einflüssen, Anforderungen und auch Erwartungen nicht entziehen können, das Subsidiaritätsprinzip auch auf den Staat übertragen werden. Hier gilt, dass die kleinere staatliche Einheit solange originär zuständig bleiben soll und muss, solange sie die Aufgaben hinlänglich erfüllen kann. Übersteigen die Anforderungen die Kapazitäten, ist die nächst höhere staatliche Einheit zur Unterstützung verpflichtet. Geht man davon aus, dass der Mensch Träger von originärer, unabdingbarer Freiheit und Selbstverantwortung ist (Art. 1 GG), so muss sich der Staat in seinem Handeln auch immer wieder vor dem Einzelnen legitimieren und die personale Würde achten. Ein föderal oder regional gegliederter Staat ist demnach sowohl sachgerechter, was die Erfüllung sozialer Aufgaben angeht, als auch menschengerechter, was die Übernahme von Verantwortung für menschliches Handeln angeht, denn ein zentralistischer, entmündigender Staat. 85 Denn nur in einer solchen Staatsstruktur ist es möglich, Aufgaben zunächst den kleineren Einheiten, also den Gliedstaaten oder Regionen zuzuweisen, bevor der Zentralstaat einspringt. Ganz im Sinne der katholischen Soziallehre haben in einem derartigen Staat Freiheit und Selbstverantwortung des einzelnen die besten Rahmenbedingungen. 86 In der Bundesrepublik ist dieses Prinzip grundgesetzlich nur in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ausdrücklich in Bezug auf die Verfassung der Europäischen Union erwähnt. Es kommt jedoch in der streng bundesstaatlichen Gliederung als auch in den Strukturen der Bundesländer sehr deutlich zum Ausdruck. 87 HabeT71Ulnn (1994), S. 128 ff. Vgl. hierzu auch: Höffe (1996). 87 Art. 20 I GG trifft die Strukturentscheidung für den Bundesstaat. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 55, 274/318 f. dient das Bundesstaatsprinzip der Begrenzung der politischen Macht. Das Bundesstaatsprinzip selbst wird durch viele Bestimmungen im Grundgesetz selbst konkretisiert. Dazu gehören beispielsweise die Homogenitätsklausel (Art. 28 I GG), die Kompetenzklausei (Art. 30 GG), die Kollisionsklausel (Art. 31 GG), die Mitwirkung der Länder an der Willensbildung des Bundes durch den Bundesrat (Art. 50 GG) und die Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG). Die überragende Bedeutung des Bundesstaatsprinzips zeigt sich auch darin, dass es in mehrfacher Hinsicht von der Ewigkeitsklausel des Art. 79 GO erfasst wird. Das Bundesverfassungsgericht vertritt seit der Entscheidung BVerfGE 13, 54/77 f. einen zweigliedrigen Aufbau aus dem Bund aus als Gesamtstaat und den Ländern, in dem allerdings drei Rechtskreise zu unterscheiden sind: zwischen den Organen des Gesamtstaates, zwischen den Organen des Gesamtstaates und der Gliedstaaten sowie zwischen den Gliedstaaten. Die hohe Effizienz der bundesstaatlichen Gliederung - damit auch die Erfüllung der Forderungen des Subsidiaritätsprinzips - gewährleisten innerhalb der Bundes85

86

44

A. Einleitung

Wieder in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gelangt ist das Subsidiaritätsprinzip durch den Vertrag von Maastricht vom 07.02.1992. 88 Durch den Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997 wurde zusätzlich noch ein Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verabschiedet. 89 6. "Devolution" als britischer Sonderweg - zugleich ein Blick auf das "local government"

Blickt man auf die Situation in Großbritannien, so stand dort von Beginn der Union an die zentralisierte Einheit des bestehenden Staatsgefüges im Vordergrund. Für regionale Sonderwege blieb dabei nahezu kein Platz. a) Das System des "loeal government" aa) England und Wales Allerdings hat auch die britische Regierung relativ schnell erkannt, dass angesichts der Größe der Nation nicht sämtliche Staatsaufgaben zentral aus London wahrgenommen und gesteuert werden konnten und können. Obzwar durch die Jahrhunderte noch nicht strukturell und statutorisch so gefestigt wie heute, entwickelte sich in Großbritannien ein System des "local republik Deutschland eine Reihe hoch ausdifferenzierter Mechanismen. An erster Stelle steht in diesem Zusammenhang der Bundesrat als echte zweite Kammer, in dem die Länder die im GG genannten Mitwirkungsbefugnisse wahrnehmen. Die funktionale Differenzierung nach Kompetenzarten, die die Gesetzgebungskompetenz in ausschließliche, konkurrierende und Rahmengesetzgebungskompetenz einteilt, ist für die Bedeutung und Partizipationsrechte der Bundesländer ebenfalls von vitaler Bedeutung. Auch inter-staatliche Kooperation sowohl unter den Ländern wie beispielsweise beim horizontalen Finanzausgleich als auch zwischen den Ländern und dem Bund wie beispielsweise in den Bund-Länder-Kommissionen oder dem Finanzplanungsrat, sind Kennzeichen des hochentwickelten deutschen Föderalismus. 88 Dort heißt es in Art. 5 in der Fassung des Vertrages von Amsterdam: "Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig. In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedsstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. Die Maßnahmen der Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung der Ziele dieses Vertrages erforderliche Maß hinaus." 89 Protokoll Nr. 30 zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Zur britischen Sicht: Barendt (1998), S. 81 ff.

H. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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government", das heute aus dem britischen Staatsgefüge nicht mehr wegzudenken ist. 9o "In Britain, 10cal govemment refers to the authorities and dependent agencies that are established, according to legislation and statute, under the direction of a 10cally elected council to provide services for their 10calities and to represent their interests.,,91

Im Zusammenhang mit einer Analyse des britischen Regionalismus erscheint es notwendig, auch einen Blick auf die Ebene unterhalb der Region zu werfen; denn innerhalb eines dreigliedrigen Staatsaufbaus (Zentralstaat, Region, Städte und Gemeinden) ist nicht nur das Verhältnis Zentrale - Region von Bedeutung, sondern auch das Verhältnis Region - Städte und Gemeinden. Daher soll an dieser Stelle ein kurzer Abriss über das System des "local government" in Großbritannien gegeben werden. Soweit für die Analyse des Regionalismus unter kulturwissenschaftlichen Gesichtspunkten erforderlich, wird auf einige Punkte in Teil B. dann im systematischen Zusammenhang noch genauer einzugehen sein. Im 19. Jahrhundert bestand die vornehmste Aufgabe der Städte und Gemeinden darin, sich um solche Dinge zu kümmern, die den Menschen vor Ort wichtig waren, wie etwa den Bau und die Unterhaltung von Straßen oder den Schutz vor Kriminalität. Die Aufgaben waren jedoch nicht zentral festgelegt oder gesteuert. 92 Erst im 20 Jahrhundert begann die Zentralregierung in London, so etwas wie einheitliche Strukturen auf lokaler Ebene zu schaffen. Obwohl das gesamte System originär auf Wurzeln aus der angelsächsischen Zeit zurückgeht, besitzt das gesamte System des "local government" keine verfassungsrechtliche Grundlage; es existiert lediglich "by grace and favour of the state".93 Das System gründet auf einfachen Parlamentsgesetzen, und könnte theoretisch jederzeit abgeschafft oder grundlegend verändert werden. Seine heutige Struktur geht auf die Gesetzgebung Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Durch den "Local Government Act" 1972 (LGA 1972) wurde in England und Wales die kommunale Selbstverwaltung auf zwei Ebenen geschaffen: der Ebene der "counties" und der Ebene der "distriets" .

Gray (1994), S. 12 ff. Chandler (1998), S. l. 92 Vgl. zur historischen Entwicklung des "local govemment" Chandler (1998), S. 14 ff. 93 Chandler (1998), S. 2. 90

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A. Einleitung

( 1) "County"

Ein "county" (Grafschaft) ist eine kommunale territoriale Gebietskörperschaft in England und Wales, die Teil des "local government" ist. Der LGA 1972 hat in England insgesamt 45 Grafschaften und in Wales insgesamt 8 Grafschaften geschaffen. Die Grafschaften in England wurden unterschieden in 6 sog. "metropolitan counties" (Greater Manchester, Merseyside, South Yorhshire, Tyne and Wear, West Midlands and West Yorkshire) und 39 "nonmetropolitan counties". Im Jahr 1985 wurden die "metropolitan counties" wieder abgeschafft, und ihre Funktionen auf sog. "district councils" (Rat des Distrikts) übertragen. 94 Durch den "Local Government (Wales) Act" 1994 fand auch in Wales eine Reorganisation der Kommunalverwaltung statt. Zum 1. April 1996 wurden alle existierenden Grafschaften und "districts" (Distrikte) ersetzt durch 11 Grafschaften und 11 "county boroughs" (kreisfreie Städte), die jeweils von einem unitary council (in Abgrenzung zum vorherigen "two-tier-system") verwaltet werden. (2) "District" Ein "district" (Distrikt) ist eine kommunale territoriale Gebietskörperschaft innerhalb Englands und Wales, die aus einem Teil einer Grafschaft besteht. Der LGA 1972 teilte die 6 "metropolitan" und 39 "non-metropolitan counties" in England in 36 metropolitan und 296 nonmetropolitan districts, und die 8 Grafschaften in Wales in 37 Distrikte. Durch den "Local Government Act 1985" und die Abschaffung der "metropolitan counties" wurden deren Funktionen auf die metropolitan district councils übertragen, so dass sog. "single-tier authorities" entstanden. Durch den "Local Government (Wales) Act 1994" wurden die walisischen Grafschaften und Distrikte generell abgeschafft und durch 22 "unitary authorities" (11 Grafschaften und 11 kreisfreie Städte). (3) "Parish" Unter einer "parish" (Dorfgemeinde) versteht man innerhalb Englands einen Teil eines Distrikts. Jedoch gibt es nicht innerhalb jedes Distrikts auch eigenständige Dorfgemeinden. Die meisten haben einen gewählten "parish council" (Gemeinderat), der einige eingeschränkte Verwaltungsfunktionen der lokalen Ebene (wie zum Beispiel Parkbestimmungen, Straßenbeleuchtung, lokale Umweltfragen) wahrnimmt. Eine Dorfgemeinde ist befugt, ihr Gebiet als "town" (Stadt) zu bezeichnen, so dass aus dem "parish council" 94

Local Government Act 1985.

H. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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dann ein "town council" wird. Durch den "Local Govemment and Rating Act 1997" haben die Gemeinderäte noch einige weitere Rechte wie etwa bezüglich des lokalen Transportsystems oder der Kriminalitätsprävention erhalten. In Folge des "Local Govemment Act 1992" und des "Local Govemment Wales Act 1994" wurden in Wales und großen Teilen Englands (vor allem in den "nonmetropolitan counties") sogenannte "unitary authorities" geschaffen, die das bisher vorherrschende "two-tier-system" (also eine zweigeteilte Verwaltungsgliederung zwischen Grafschaften und Distrikten) abgelöst haben. Bis heute sind in England 46 neue einheitliche "single-tier" Körperschaften geschaffen worden, während im übrigen Land die hergebrachten Strukturen beibehalten wurden. Wales gliedert sich heute in die beschriebenen 22 Grafschaften und kreisfreien Städte. (4) Greater London Bis zur Wahl des Bürgermeisters sowie einer eigenen "London Assembly" am 04.05.2000 existierte "Greater London" als besondere lokale Gebietskörperschaft neben den beschriebenen Grafschaften und Distrikten. "Greater London" bestand aus 32 Londoner Stadtbezirken ("London boroughs"), der "City of London" und den "Inner" und "Middle Temples". Durch den LGA 1972 wurde ein "Greater London Council" errichtet, durch den LGA 1985 jedoch wieder abgeschafft. Es existierten jedoch sog. "borough councils" (also eine Art Stadtbezirksrat), die alle vier Jahre gewählt wurden und zu den "unitary (single-tier) authorities" gehören. Infolge des Regierungswechsel 1997 wurde die "Greater London Authority" geschaffen, deren Hauptaufgabe es ist, für den gesamten Londoner Raum zentrale Verwaltungs- und Planungsaufgaben wahrzunehmen. An der Spitze der direkt gewählten "Greater London Authority" ("London Assembly") steht der ebenfalls direkt gewählte Bürgermeister von London ("London Mayor,,).95 Der stellvertretende Premierminister John Prescott begründete diese Veränderung wie folgt - eine Einschätzung, die die veränderten Einstellungen der Labour-Regierung bezüglich einer Stärkung der lokalen wie regionalen 95 Nach umfangreichen Vorarbeiten und zum Teil heftigen, im Vorfeld geführten politischen Auseinandersetzungen fand am 04.05.2000 die Wahl zum Bürgermeister von London sowie zur "London Assembly" statt. Obwohl der britische Premier Blair gerne einen seiner "Gefolgsleute" auf diesem Posten gesehen hätte, wählten die Londoner einen Ex-Labour, Ken Livingston, zu ihrem Bürgermeister, der sich im Vorfeld insbesondere durch äußerst kritische Bemerkungen über die Regierenden deren Unmut zugezogen hatte; vgl. zu der Londoner "Stadtregierung" http:// www.london.gov.uk (mit umfangreichen Informationen zur Stellung, Kompetenz und Arbeitsweise).

A. Einleitung

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Ebene auch über den konkreten Fall London - und damit für den in dieser Arbeit relevanten Sachverhalt - hinaus deutlich macht: "The government believes that for too long, decisions in London have been taken by central governrnent and shadowy cornmittees behind closed doors. Nobody knows who speaks for London and too often nobody does. The new authority will give Londoners a voice which will be listened to at horne and abroad. It will be the dernocratic voice of a five million London voters.,,96

bb) Schottland97 Obwohl der Begriff "local government" erst seit etwa 100 Jahren in Schottland verwendet wird, begann die lokale Selbstverwaltung in Schottland bereits im Mittelalter mit den "free burghs,,98, im 12. Jahrhundert eingerichtet durch König David I. als Handelszentren. Ende des 19. Jahrhunderts existierten auf dem schottischen Territorium 200 "burgh councils", 33 "county councils" und 869 "parish councils". Nach der ersten umfassenden Reform des "local government" 1929 wurde eine große Zahl der kleineren Körperschaften beseitigt und fünf verschiedene Einheiten errichtet: 4 "counties of cities", 33 "counties", 21 "Iarge burghs", 176 "smali burghs" und 196 "landward districts". Diese Struktur behielt Gültigkeit bis 1975. Durch den "Local Government (Scotland) Act 1973" wurde ein sog. "twotier-system" eingeführt, bestehend aus 9 "regional councils,,99 und 53 "distriet councils,,100. Mit dem "Local Government (etc.) Scotland Act 1994" wurde dieses "two-tier-system" ab April 1996 in ein "single-tier-system" umgewandelt. Dieses besteht bis heute. Derzeit existieren 29 sog. "unitary authorities" sowie drei "island councils" .101 Diese 32 lokalen Gebietskörperschaften sind verantwortlich für sämtliche Aufgaben, die von ihren Vorgängern ebenfalls wahrgenommen wurden. 102

Green Paper "New Leadership for London", Crn 3724. Vgl. hierzu auch die Zusammenfassung der schottischen Exekutive unter: Bradbury/Mawson www.scotland.gov.uk/library3/localgov/fsI2-01.asp; auch: (1997), S. 99 ff.; zur Bedeutung der Europäischen Union für das "local govemrnent": Sutclijfe (1997). 98 Burgh (schott.) = borough (lokale Selbstverwaltungskörperschaft, Stadt(teil». 99 Mit den Aufgaben: Erziehung, Sozialarbeit, Polizei, Feuerwehr, Wasser, Straßenplanung und -sicherheit, Planungsaufgaben, öffentlicher Nahverkehr. 100 Mit den Aufgaben: "local planning", ländliche Entwicklung, Wohnungsbau, Baupolizeirecht, Bibliotheken, Freizeit & Erholung. 101 Vgl. für eine Liste/Karte: www.scotland.gov.uk/library3/localgov/fsI2-02.asp. 102 V gl. zu den Auswirkungen des "Scotland Act 1998" auf die kommunale Selbstverwaltung Kapitel B 11 3 e gg. 96 97

11. Spannungsfeld Phänomen - Begriff

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b) "Devolution als britische Spielart des Regionalismus"l03

Der Begriff des Regionalismus, den wir oben skizziert haben, hat in der britische Staats- und Verfassungslehre einen viel konstruktivistischeren Charakter. 104 Er kann auf folgenden kurzen Nenner gebracht werden: ,,(Devolution is the) delegation of central govemment powers without the relinquishment of sovereignty"lOS

Devolution bezeichnet also die Übertragung von legislativen und exekutiven Aufgaben auf eine Ebene zwischen "central" und "local government", ohne jedoch die Doktrin der legislativen Suprematie ("legislative supremacy,,)I06 preiszugeben. Devolution bedeutet also eher die gewollte Verwirklichung eines Delegierungsprogramms als die gewachsene Kompetenzverteilungsstruktur in einem Staatsgefüge. Die delegierten Aufgaben können dabei sowohl legislativer als auch exekutiver Natur sein. 107 Die Ebenen, auf die delegiert wird, sind die zum großen Teil funktionell-konstruktivistisch entstandenen Regionen. Um nicht die genaue Analyse der Entwicklungen und Bedingungsfaktoren des britischen Regionalismus vorwegzunehmen (Kapitel B.), sei an dieser Stelle nur soviel gesagt: Der wesentliche Unterschied zwischen einer gewachsenen Regionalgliederung und dem britischen System der "devolution" besteht darin, dass zwar gewisse legislative und exekutive Funktionen übertragen werden, diese jedoch nicht souverän wahrgenommen werden können und jegliche Handlungen unter der Kontrolle und Jurisdiktion des "British Head of State", also der Krone, verbleiben. Mit anderen Worten, Devolution bedeutet keine föderale oder regionalistische Struktur mit gliedstaatlieh originären Zuständigkeiten, sondern setzt die unitarische Struktur voraus und behält sie auch grundsätzlich bei. 108 Während also der kontinentale Regionalismus-Begriff vornehmlich retrospektiv das empirische Phänomen der Region in seiner Entwicklung vor Augen hat, bedeutete "devolution" in Großbritannien zumindest bis noch vor kurzem die prospektive Schaffung funktioneller Regionen. Und während sich der europäische Regionalismus-Begriff im Zuge der Europäischen Union programmatisch und damit prospektiv gestalterisch öff103

104 105

106 107 108

4 Mey

Johnson, in: Ossenbühl (1990), S. 319. Bradley/Ewing (1997), S. 48. Royal Commission on the Constitution (1974a), S. 165. Vgl. hierzu ausführlich Kapitel B I 2. Calvert (1975), S. 8 f. Malanczuk (1984), S. 105.

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A. Einleitung

net, wird Großbritannien im Zuge der Europäischen Entwicklung mit der retrospektiven Facette des Regionalismus-Begriffs konfrontiert, wenn Schottland und Wales als historisch gewachsene Regionen traditionalistisch begründete Kompetenzen wahrzunehmen beginnen. Damit gerät in Bezug auf Großbritannien die normative Dimension des Regionalismus-Begriffs in den Blick; der Regionalismus auf europäischer Ebene stellt die Struktur des zentralistischen britischen Einheitsstaates in Frage, wenn Regionalismus in Großbritannien nicht auch fürderhin nur die konstruktivistische Bedeutung einer funktionellen Delegierungs-Programmumsetzung 109 haben soll, muss sich die retrospektivisch Bedeutungsdimension rechtfertigen; denn für Großbritannien ist diese Dimension nicht nur retrospektiv, sondern gestalterisch prospektiv, mithin normativ.

III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes Die Region und der Regionalismus innerhalb der EU sind idealer Gegenstand für eine Untersuchung nach dem kulturwissenschaftlichen Ansatz. Der kulturwissenschaftlicher Ansatz bietet eine Hermeneutik der Verfassungswirklichkeit, weil er gerade die Geltung der Verfassung in einem umfassenden Sinn zum Gegenstand hat 1 10. Bei der Region handelt es sich um einen abgegrenzten Kulturraum, in dem sich alle kulturellen Faktoren finden, die es auch in der staatlichen Gesamtgesellschaft gibt. Hinzu kommt das regionale Selbstbewusstsein als eigener kultureller Parameter. Konzentriert man sich auf diesen, kann man den kulturwissenschaftlichen Ansatz an einem klar definierten Gegenstand - nämlich der Region als Kulturfaktor - in Bezug auf ein verfassungsrechtliches Verständnis von Regionalismus fruchtbar machen. 1. Wechselwirkung: Verfassung und Gesellschaft "Verfassung ist nicht nur rechtliche Ordnung für Juristen und von diesen nach alten und neuen Kunstregeln zu interpretieren - sie wirkt wesentlich auch als Leitfaden für Nichtjuristen: für den Bürger. Verfassung ist nicht nur juristischer Text oder normatives "Regelwerk", sondern auch Ausdruck eines kulturellen Entwicklungszustandes, Mittel der kulturellen Selbstdarstellung des Volkes, Spiegel seines kulturellen Erbes und Fundament seiner Hoffnungen. Lebende Verfassungen als ein Werk aller Verfassungsinterpreten der offenen Gesellschaft sind der Form und der Sache nach weit mehr Ausdruck und Vermittlung von Kultur, Rahmen für kulturelle (Re-)Produktion und Rezeption und Speicher von überkomme109 Delegierung ist in diesem Kontext das genaue Gegenteil zum Subsidiaritätsprinzip. 110 Zum Begriff der Geltung siehe Zippelius (1999).

III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes

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nen kulturellen "Informationen", Erfahrungen, Erlebnissen, Weisheiten. Entsprechend tiefer liegt ihre - kulturelle - Geltungsweise. ,,111 "In die Prozesse der Verfassungsinterpretation sind potentiell alle Staatsorgane, alle öffentlichen Potenzen, alle Bürger und Gruppen eingeschaltet. Es gibt keinen Numerus clausus der Verfassungsinterpreten. (... ) (Die Verfassungsinterpretation) ist in Wirklichkeit weit mehr Sache einer offenen Gesellschaft, d. h. aller - insoweit materiell beteiligten - öffentlichen Potenzen, weil Verfassungsinterpretation diese offene Gesellschaft immer wieder von neuem rnitkonstituiert und vor ihr konstituiert wird. Ihre Kriterien sind so offen, wie die Gesellschaft pluralistisch ist. ,,112 "Die Entwicklung jeder Verfassungskultur vollzieht sich im Medium von vielgestaltigen, kulturellen Kristallisationen, die die Prozesse der Verfassungsinterpretation, vor allem auch der Verfassungsänderung und Verfassungsgebung nachhaltig bestimmen. Realistisch gesehen besorgen nämlich nicht nur eine Vielzahl von Verfassungsinterpreten im engeren und weiteren Sinn das "Geschäft" der Verfassungsauslegung; bei realistischer Betrachtung bestimmen auch zahlreiche sachliche Momente "neben", "vor" oder "nach" den juristischen Texten in einem tieferen Sinn "in" ihnen die Prozesse der Verfassungsentwicklung rnit.,,113

These des kulturwissenschaftlichen Ansatzes ist folglich, dass die Verfassung stets ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse ist, durch die gesellschaftlichen Verhältnisse bedingt, geschaffen und verändert wird, ihrerseits aber diesen gesellschaftlichen Verhältnissen entscheidend vorausgeht und sie mitprägt. Es findet demgemäß ein ständiger Prozess gegenseitiger Befruchtung statt, ein beständiger Prozess der Interpretation, Veränderung und (Neu-) Schöpfung der Verfassung. Bei diesem wechselseitigen Prozess findet sich auf der einen Seite die "offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten".1l4 Den Begriff der "offenen Gesellschaft" gewinnt Häberle in einer Auseinandersetzung mit dem kritischen Rationalismus, insbesondere mit Karl Popper. 115 Anthropologisch-erkenntnistheoretisch geht der kritische Rationalismus von der Fehlbarkeit menschlicher Erkenntnis aus 1l6. Diese gilt selbstverständlich auch für Fragen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, deswegen gilt es in diesem Bereich "die Idee des politisch-weltanschaulichen Pluralismus und die Idee der friedlichen politischen Konkurrenz,,1l7 wirksam zu machen, um totalitären Ordnungen, d. h. Ordnungen, welche 111 112 113 114 115 116 117 4*

Häberle (1998), S. 85. Häberle (1998), S. 229. Häberle (1998), S. 221. Häberle (1998), S. 225. Popper (1945). Salamun, in: Ballestrem/Ottmann (1990), S. 263. Salamun, in: Bailestrem/Ottmann (1990), S. 271.

A. Einleitung

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eine fehlbare Anschauung (Ideologie) absolut setzen, vorzubeugen. 118 Die Garantie dieser Ideen, der Schutz der individuellen Freiheit, kommt dem Staat zu: "Schrankenlose Freiheit bedeutet, dass es dem Starken freisteht, den Schwachen zu tyrannisieren und ihn seiner Freiheit zu berauben. Das ist der Grund warum wir verlangen, dass der Staat die Freiheit in gewissem Ausmaß einschränke, so dass am Ende jedermanns Freiheit vom Gesetz geschützt wird. Niemand soll der Gnade eines anderen ausgeliefert sein, aber alle sollen das Recht haben, vom Staat geschützt zu werden.,,1l9 Staat und Gesellschaft stehen in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis zur Wahrung der Freiheit. Die Gesellschaft gibt nicht nur einer Wahrheit Raum, sondern ist der Ort für die Auseinandersetzung über Wahrheit und Wahrheitsansprüche - der Staat ist dann quasi die Kartellbehörde für diesen Wettbewerb. Die offene Gesellschaft ist beim Kritischen Rationalismus ein normatives Konzept. 120 Dies unterscheidet sie von Häberles "offener Gesellschaft der Verfassungsinterpreten". Diese stellt nicht die Forderung eines (Rechts-) Philosophen dar, sondern eine Größe zum Verständnis einer gegebenen Verfassungswirklichkeit. Die andere Größe ist die Verfassung. Retrospektiv lässt sich die Verfassungswirklichkeit damit als ein Wechselspiel zwischen dem normativen Anspruch einer Verfassung und der (normativen) Kultur einer Gesellschaft verstehen. a) Kultur: Die Gesellschaft der VeJfassungsinterpreten

Der Begriff der Verfassung ist einigermaßen eindeutig. Verfassung umfasst alles Recht zur Ordnung der' Gesellschaft, zur Bestimmung des Verhältnisses der Gesellschaft und des Staates, zur Bestimmung gesellschaftlicher Faktoren untereinander und zur Ordnung staatlicher Institutionen. Verfassungen sind daher in der Regel kodifiziertes Recht, können aber auch im Einzelfall aus Gewohnheitsrecht bestehen. aa) Kulturbegriff und -funktion Während der Begriff der Verfassung einigermaßen klar ist, bedarf der Begriff der Kultur einer Klärung. Für Peter Häberle setzt die herkömmliche Verfassungslehre überwiegend einen Begriff von Kultur voraus, der sich am alltagssprachlichen Verständ118 119 120

Salarnun, in: Ballestrem/Ottmann (1990), S. 274. Popper (1945b), S. 153. Salarnun, in: Ballestrem/Ottmann (1990), S. 270.

III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes

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nis anlehnt. Danach hat die Kultur etwas mit der "Welt des Geistes" zu tun, und ihre Bestandteile werden funktionell den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kunst zugeordnet. Für den Bereich des engen positivierten Kulturverfassungsrechtes mag dieser Begriff ausreichend sein. Für die Bereiche der Verfassungsinterpretation, der Verfassungsentwicklung wie auch der Verfassungsentstehung hält Häberle diesen Kulturbegriff für zu begrenzt, weil in ihm der Einfluss der verschiedensten gesellschaftlichen Kulturphänomene auf das Rechtswesen nur unzureichend zum Ausdruck komme. Er erweitert den Begriff daher um die anthropologische und soziologische Perspektive, und bezeichnet die Kultur als "die Gesamtheit der Phänomene, die den Menschen als Teil einer Gesellschaft ausmachen und das Leben in dieser Gesellschaft bestimmen: Kenntnis, Glauben, Kunst, Moral, Gesetz, Sitten, [... ], Fähigkeiten, Gewohnheiten.,,121 Kultur lässt sich nach Häberle nämlich nicht auf das soziale oder gesellschaftlich Gegenwärtige reduzieren. Für ihn hat der Kulturbegriff drei Dimensionen: einen traditionalen Aspekt in Bezug auf die Vermittlung dessen, was war; einen innovativen Aspekt in Bezug auf die Weiterentwicklung dessen, was ist; und einen pluralistischen Aspekt in Bezug auf ein politisches Gemeinwesen, in dem verschiedene Formen von Kultur und auch verschiedene Vorstellungen von Kultur nebeneinander existieren können und müssen. 122 Diese Dimensionen waren auch Perspektiven zur Beschreibung des Phänomens des Regionalismus: die alle Perspektiven integrierende, weil historisch vertikale Perspektive der Tradition; die gestalterische Perspektive der Administration und des Verfassungsrechts und in der Abgrenzung der Region vom Gesamtstaat und anderen Regionen immer die horizontale Perspektive des Pluralismus. In diesem Sinne stellt die Region eine Kultureinheit par excellence dar. "Kultur" in Häberles Sinne bildet den Kontext und zugleich den Rahmen aller Rechtstexte und allen rechtlich relevanten Tuns im Verfassungsstaat. bb) Gesellschaft der Kulturschaffenden Kultur muss sich, um an einem gesellschaftlichen Diskurs (über die Verfassung) teilnehmen zu können, personifizieren. Wer bildet also die Gesellschaft der Verfassungsinterpreten? Nach Häberle jeder Wissenschaftler, aber auch die Literaten, die Dichter und alle sonstigen Kunstschaffenden, eigentlich "jeder Bürger des Staates", der am Selbstverständnis der Gesellschaft mitwirkt, die sich eine Verfassung gibt. 121 Häherle (l982b), S. 10. 122

Häherle (1998), S. 4 f.

A. Einleitung

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An dieser Stelle merkt Benda123 bezüglich des von Häberle gegebenen Tableaus der an der Verfassungsinterpretation real Beteiligten 124 kritisch an, dass nach Häberles Ansicht alle Kräfte des politischen Gemeinwesens Zugang zur Verfassungsinterpretation hätten. Nicht jeder jedoch könne davon Gebrauch machen und auch nicht jeder habe ein gleiches Maß an realem Einfluss. Diesem Vorwurf der Beliebigkeit der Verfassungsinterpreten lässt sich entgehen, wenn deutlich herausgestellt wird, dass nicht behauptet wird, dass jeder den gleichen Einfluss bei der Verfassungsinterpretation hat - es wird nur behauptet, dass die Möglichkeit für jeden Kulturschaffenden besteht, Einfluss zu nehmen. Ob und in welchem Maße Einfluss genommen wurde, lässt sich dann mit der später vorgestellten Textstufenanalyse präzise nachweisen. Man muss daher bei dem kulturwissenschaftlichen Ansatz sauber trennen: In erster Linie bietet er eine Hermeneutik zum Verständnis der Verfassungswirklichkeit. Nach der Bewusstwerdung der Wechselwirkung zwischen Kultur und Verfassung in der Retrospektive schließt Häberle jedoch prospektiv die Forderung an, dass die Kulturschaffenden verantwortlich mit dieser Wechselwirkung umgehen und sich im Bewusstsein um die Relevanz für die Verfassungswirklichkeit am verfassungsrechtlichen Dialog beteiligen. Diese Aufforderung ergeht an alle Kulturschaffenden und rechtfertigt sich aus dem Nachweis des Einflusses bestimmter Kulturschaffenden auf die Verfassungswirklichkeit. 125

b) Veifassung: Teil und Gegenüber der Kultur Die demokratische Verfassung ist das Ergebnis einer kulturellen Entwicklung des abendländischen Kulturkreises. Als Teil der Kultur ist auch die Verfassung keine abgeschlossene Größe, sondern eine auf Zukunft hin offene, sich in der Gegenwart wandelnde Tradition. Die Wirklichkeit der Verfassung ist mehr als die bloße Faktizität des Textes bzw. die rechtliche Norm: sie umgreift die gesellschaftliche Gestaltwerdung des Textes. Daher wird die Verfassung, als lebendiger Teil des gesellschaftlichen Selbstverständnisses, kulturell umgesetzt und gelebt. Dies geschieht nach Häberle am besten in der offenen Gesellschaft. 126 Die offene Gesellschaft konstituiert sich dadurch, dass in ihr ein aus ge wo123

124 125 126

Benda (1982), S. 877 ff. Häberle (1998), S. 221 ff. Häberle (1998), S. 229 ff. Vgl. hierzu Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, in:

ders. (1980), S. 79 ff.

III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes

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genes Verhältnis von Innovation und Rezeption besteht. Pluralismus und kulturelle Freiheit sind hierfür Grundbedingungen. Diese Grundbedingungen finden sich nun als normative Festschreibungen in der Verfassung wider. Insofern hat die Gesellschaft in der Verfassung auch ein normatives Gegenüber, dass sie an ihre eigenen normativen Existenzvoraussetzungen gemahnt. Die normative Wirkung der Verfassung geht nicht in der grammatikalischen Auslegung des Textes auf; sie geht allerdings auch nicht über den kulturellen Verständnishorizont der Gesellschaft hinaus, der sich die Verfassung verdankt. Die Verfassungswirklichkeit lässt sich nur anband der "kulturellen Wurzeln des Rechtes" erschließen. 12? Man kann den Verfassungstext nicht unabhängig von seinem kulturellen Kontext deuten. Ein Wandel der Kultur kann zu einer neuen Deutung der Verfassung führen. "Derselbe Text gewinnt in den einzelnen Rechtskulturen eine je nach Raum und Zeit unterschiedlichen Inhalt."I28

Die Hermeneutik, die Häberle vorschlägt, bezeichnet er als "kulturspezifische Verfassungsinterpretation".129 c) Historische Wurzeln des Ansatzes

Mit seiner Hermeneutik schließt Häberle an die Positivismuskritik in der Staatslehre am Anfang des Jahrhunderts an, die einem organischeren Verständnis des Staates und der Gesellschaft das Tor öffnete. Wurzeln dieses Ansatzes finden sich bei Max Weber, der die Soziologie als Kulturwissenschaft versteht 130, bei Gustav Radbruch, der als erster die Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft bezeichnet, 13l sowie bei Hermann Heller, der die Staatslehre erstmals als Kulturwissenschaft begreift und ihr die Aufgabe gibt, die Wirklichkeit des staatlichen Lebens zu erforschen. 132 Der Staat ist für Heller eine "Einheit in der Vielheit", eine soziale Wirkungseinbeit mit der Eigenschaft souveräner Gebietsherrschaft. 133 Häberle (1982b), S. 57. Häberle (1982b), S. 28. 129 Häberle (1982b), S. 227 f. 130 Häberle (1998), S. 579 (mit ausführlichen weiteren Nachweisen, Fn. 4). 131 Radbruch (1914), S. 220 ff.; Häberle (1998), S. 579 (mit ausführlichen weiteren Nachweisen, Fn. 5). 132 Heller (1983), 124 ff.; Stolleis, S. 281 f.; Häberle (1998), S. 579 (mit ausführlichen weiteren Nachweisen, Fn. 6). 133 Stolleis, S. 282. 127 128

A. Einleitung

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Auch bei Rudolf Smend finden sich Ausführungen in diese Richtung. In seiner "Integrationslehre,,134 beschreibt Smend den Staat und die Verfassung als "sinnhaftes Ineinander geistiger Prozesse", als "lebendige Hervorbringung von Menschen und Menschengruppen".135 Nur durch die Integration der verschiedenen Glieder der Gesellschaft kann ein Staat und eine Verfassung erzeugt und bewahrt werden. Praktisch bedeutet dieser Ansatz für Smend, dass nur eine durch die Glieder der Gesellschaft akzeptierte und gelebte Verfassung die politische und gesellschaftliche Kultur prägen kann und daher auch mit dem Ziel einer Harmonisierung und Verlebendigung zu interpretieren ist. 136 Diese besondere Interpretationsmethode nennt Smend "geisteswissenschaftlich".137 Damit versucht er eine Verknüpfung des historisch Gewordenen mit den konkreten Anforderungen der Verfassung, eine Verbindung des politischen Charakters des Verfassungsrechts mit dem Anspruch der Verfassung, dennoch einen verbindlichen, dauerhaften und wertgebundenen Rahmen zu garantieren. 138 Die Bedeutung von Konrad Hesse ist darin zu sehen, dass er als Schüler von Smend seine Theorien in den Prozess der Verfassungsinterpretation der Bundesrepublik Deutschland eingebracht hat. Hesse unterscheidet zwischen der Interpretation und der Aktualisierung des Verfassungsrechtes. 139 Denn es sei oftmals zweifelhaft, ob der Sinngehalt und die Tragweite etwa der Präambel, des Gleichheitssatzes und der Verfassungsgrundsätze des Art. 20 Abs. 1 GG überhaupt mit den klassischen Interpretationsmitteln erfasst werden können, oder ob hierin nicht immer wieder der Auftrag an die staatlichen Organe liege, die Ziele der Verfassung, ihre Lebendigmachung in der Gesellschaft immer wieder aufs Neue durch entsprechende Handlungen zu gewährleisten. 140 Häberle steht in der Nachfolge dieser Autoren. Gerade weil die Verfassung auf das übergreifende Ganze einer Rechtsordnung zielt, kommt der kulturwissenschaftlichen Methode innerhalb der Verfassungsrechtslehre eine große Bedeutung zu. Die Verwendung kulturwissenschaftlicher Methoden in der Verfassungslehre konstituiert die Rechtswissenschaft als eine Integrationswissenschaft, die im permanenten interdisziplinären Dialog steht:

134 135 136 137 138 139 140

Smend (1928). Zitiert nach: Stalleis (1995), S. 570. Stal/eis (1995), S. 570. Smend (1928), S. 134. Smend (1928), S. 134. Hesse (1995), Rn. 49. Stern (1984), S. 138.

III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes

57

"Sie integriert das von den einzelnen Geistes- und Sozial-, von den Norm- und Wirklichkeits wissenschaften allzu getrennt Gedachte - soweit es die Sache Verfassung betrifft.,d41

d) Der kulturwissenschaftliche Ansatz in der Kritik Wie oben schon kurz angedeutet, ist der kulturwissenschaftliche Ansatz nicht unumstritten. Isensee sieht die Gefahr, dass bei dieser Herangehensweise der normative Selbststand der Verfassung aufgegeben werde könne. Die normative Verfassung könne in den Sog der sich beständig ändernden gesellschaftlichen Verhältnisse geraten, die zu begrenzen und lenken gerade ihre Aufgabe sei. Das Dilemma zwischen dem von ihm so bezeichneten "fließenden Verfassungsstaat" und dem in Realitätsfeme erstarrten Verfassungsstaat habe die Verfassungslehre bisher noch nicht auflösen können. 142 In die gleiche Richtung zielt Böckenförde l43 . Er bemängelt, dass die Rückbindung an die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten den "geraden Weg zur Einebnung jedes fixierten, Festigkeit und Stabilität begründenden normativen Gehalts des Verfassungsrechts laufe." Dafür erhalte man eine permanente Dynamik ohne tragendes Gerüst, die "fließende Verfassung, die die Spannung von Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit in sich selbst auflöst." Dies liege daran, dass die "offene Verfassung" zu einer Überfrachtung und Überforderung des Verfassungsbegriffs und der Verfassungsfunktionen führe. In der konsequenten Abkehr vom Positivismus entwickele sich die Anreicherung des Rechtes mit materialer Politik und Zeit-Ethik. Damit drohe zugleich das spezifisch Rechtliche am Recht über seine Inhalte hinaus, seine Inhaltsgewissheit, Vollziehbarkeit und Formalität zu entgleiten. l44 Scheuner l45 meldet in einer Besprechung von Häberles "Verfassung als öffentlicher Prozess,,146, ähnlich wie Böckenförde, Bedenken gegen eine zu weite Offenheit der Verfassung und ihrer Auslegung an, da damit die Gefahr der Abschwächung der normativen Bedeutung einhergehe. Diese Offenheit beruhe darauf, dass Häberle die Verfassung nicht zum Staat, sondern zur Gesellschaft in Beziehung setze und im Staat nur mehr einen Teilaspekt der Gesellschaft erblicke. Damit verlören jedoch institutionelle 141

Häberle (1982 b), S. 53.

142 lsensee in: ders. (1987), Bd. 1, § 13 Rn. 135.

143

144 145 146

Böckenförde (1981), S. 599 ff. Böckenförde (1981), S. 600. Scheuner (1979), S. 916 f. Häberle (1978).

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A. Einleitung

Fragen wie auch eine gewisse Kontinuität ihre Grundlage. Zudem sei damit eine Umkehrung dergestalt gegeben, dass nicht mehr der Staat die überdauernde Realität sei, sondern die Verfassung. Beziehe man dann, wie Häberle, die Verfassung nur auf die Gesellschaft, so entstehe die Gefahr, dass die institutionellen Formen des Staates und ihre Rolle für die politische Entscheidungsbildung, auf der auch die Fortführung des Grundkonsenses beruhe, gegenüber dem Einfluss von sozialen Kräften unterschätzt werde und eine Verwischung der Grenzen zwischen normativer Ordnung und soziologisch-beschreibender Analyse eintrete. 147 Schlink l48 weist in Bezug auf Häberles Begriff der Öffentlichkeit - Öffentlichkeit als Spektrum aller vernünftig und gerecht Denkenden 149 ergänzt um die vernünftig und gerecht Handelnden - darauf hin, dass, bedingt durch die Notwendigkeit des aus Häberles Ansatz folgenden Konsenszwanges, gerade solche Teile der Öffentlichkeit, die sich in dem Konsens nicht wiederfinden könnten, in die Gefahr gerieten, aus dem Schutzbereich der Grundrechte hinauszufallen. Daher müsse ein Mechanismus gefunden werden, dass es bei den Grundrechten auch um die Freiheit und den Schutz solcher Positionen gehe, die gerade nicht durch den Konsens getragen und gedeckt, oder sogar gegen den Konsens gerichtet sein könnten. Dann könne die rechtswissenschaftliche und richterliche Bestimmung grundrechtlicher Freiheit und grundrechtlichen Schutzes nicht dem Konsens überlassen werden. Vor der Frage, auf welchen Konsens es genau ankomme, und vor der Aufgabe, Grundrechte auch gegebenenfalls gegen einen (vermeintlichen) Konsens zu sichern, sei der "konsensualistische Ansatz" hilflos. ISO Ähnlich wie die unter dem Stichwort "offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten" abgehandelte Kritik seitens Benda zielen all diese kritischen Auseinandersetzungen nicht auf den kulturwissenschaftlichen Ansatz als wissenschaftliche Hermeneutik der Verfassungs wirklichkeit, sondern als normatives Konzept für den Verfassungsprozess, mithin auf die prospektivische, nicht die retrospektivische Zielrichtung des kulturwissenschaftlichen Ansatzes. Als normatives Konzept bringt der kulturwissenschaftliche Ansatz in erster Linie neue Aufgaben für die wissenschaftliche Verfassungslehre, die den rechtspositivistischen Elfenbeinturm verlassen und dem "Volk aufs Maul schauen", die kulturellen Äußerungen der Gesellschaft berücksichtigen muss, sobald sie sich mit der Gestaltung der Verfassung beschäftigt. Denn die faktische Normativität der Verfassung ist zum einen durch den 147 148 149 150

Scheuner (1979), S. 916 f. Schlink (1980), S. 73 ff. Ehmke (1963), S. 71 f. Schlink (1980), S. 86.

III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes

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Wortlaut und zum anderen durch den kulturellen Horizont der Gesellschaft begrenzt. Es geht Häberle also gerade nicht darum, eine ständige Infragestellung der Verfassung durch anarchische Diskussionen beliebiger Teilnehmer zu initiieren, sondern einer fundamentalen Infragestellung der Normativität der Verfassung vorzubeugen, indem er die Gesellschaft in Gestalt ihrer Kulturschaffenden immer wieder anhält, sich ihres Verständnisses der Verfassung zu versichern. Insofern weiß er sich auch mit seinem Kritiker Böckenförde eins, der selbst sinngemäß festgestellt hat, dass die Verfassung von Voraussetzungen lebt, die sie selbst nicht garantieren kann. 151 Wenn also die Verfassung diese Voraussetzungen nicht garantieren kann (und damit auch nicht die positivistische Staatsrechtslehre), obliegt diese Garantenfunktion der Gesellschaft. Die Wahrung der Voraussetzungen geschieht durch Verständnis und Rückversicherung ihrer Geltungsbedingungen, mithin durch geistige Prozesse - die sich in einer Gesellschaft wiederum in den Kulturschaffenden kristallisieren. Diese haben einen Einfluss - dieser retrospektivische Nachweis ist von der Kritik unbestritten. Prospektivisch an diesen Einfluss auch eine Verantwortung für die Stabilität der Verfassung zu koppeln, ist der normative Gehalt des Häberleschen kulturwissenschaftlichen Ansatzes. In dieser Arbeit geht es aber in erster Linie um die retrospektische Hermeneutik des kulturwissenschaftlichen Ansatzes. 2. Die Methode zur Durchführung des kulturwissenschaftlichen Ansatzes Diese Hermeneutik muss wissenschaftlich kontrolliert verfahren; Methode zur Verständniseröffnung nach dem kulturwissenschaftlichen Ansatz ist die Textstufenanalyse. a) Spiegelung Rechtstexte - Kulturtexte: Verfahren der Textstufenanalyse

Die Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Verfassung ist nachweisbar an den jeweiligen Texten. Der geistige Horizont eines Kulturtextes spiegelt sich im zeitgleichen oder zeitlich folgenden Verfassungstext. Insofern lässt sich die Wechselwirkung auf der zeitlich horizontalen Ebene zwischen Verfassungstext und Kulturtext ablesen. 151

Böckenförde (1993), S. 11 f.

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A. Einleitung

Zugleich kann man in der chronologischen Reihenfolge der Rechtstexte auch kulturelle Veränderungen einer Gesellschaft ablesen. Hier kommt die zeitlich vertikale Ebene ins Spiel. aa) Rechtstexte Die Gestalt des Verfassungsstaates und sein Wandel wird schon am Verfassungstext deutlich (zeitlich vertikal).152 Die Textstufenanalyse dient dazu, einzelne geschriebene Verfassungen miteinander sowohl zeitlich horizontal als auch zeitlich vertikal miteinander zu vergleichen. Die durch die Textanalyse gefundenen Ergebnisse lassen dann den Schluss auf die Entwicklungsstufe und die historischen Wurzeln der jeweiligen Verfassung zu. Da oftmals älteres Gewohnheitsrecht ("law in action,,153) in der Kodifikation mündet ("law in books,,154), dient der Verfassungstextvergleich auch dazu, die einzelnen Entwicklungsschritte des Verfassungsstaates zu verdeutlichen und damit zu einem genaueren Verständnis der tragenden Prinzipien zu gelangen. 155 Was alles Verfassungstext ist, wird dabei weit gefasst. Jeder Rechtstext, der den Staat und die Gesellschaft sowie ihre Institutionen und Vertreter zueinander ordnet und definiert, fällt darunter. Nur so können auch die Vorfonnen eines demokratischen Verfassungsstaates in die Textstufenanalyse miteinbezogen werden. bb) Kulturtexte Jedoch wendet Häberle die Textstufenanalyse nicht nur auf geschriebenes Verfassungsrecht an, sondern unterzieht ebenso beispielsweise die Verfassungsinterpretation, Parteiprogramme, Urteile oder auch gesellschaftlich artikulierte Forderungen als Vorfonn von geschriebenem Verfassungsrecht einer Textstufenanalyse. Auch die von Häberle immer wieder herangezogenen Klassikertexte können fruchtbar gemacht werden, weil sie das gesellschaftliche Selbstverständnis entscheidend mitprägen. 156 Auswahlkriterium Vgl. hierzu besonders Häberle (1993), S. 3 ff. Häberle (1998), S. 303. 154 Häberle (1998), S. 343. 155 Da zum einen auch der Verfassungsstaat einer in die Zukunft hin offenen Entwicklung unterliegt, zum anderen auch immer die Kosten der jeweiligen "Weiterentwicklung" im Auge behalten werden müssen, möchte Häberle die Bedeutung des Textstufenparadigmas jedoch auch nicht überbewerten. Allerdings als Ausdruck der Hoffnung, dass in der weltweiten Rezeptionsgemeinschaft, dem "Werkstattgespräch zwischen den Verfassungen und Nationen", dem Verfassungsstaat eine Verbesserung seiner Probleme textlich und inhaltlich möglich ist, soll und kann der Ansatz gute Dienste leisten; vgl. hierzu im Übrigen ders. (1998), S. 342 ff. 156 Zum Thema Wirtschaft/Wirtschaftsverfassung vgl. Häberle (1993), S. 18. 152

153

III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes

61

für die Analyse der Kulturtexte als verfassungsrelevant ist ihre Spiegelung im Verfassungstext (zeitlich horizontal). b) Durchführung der Methode am Gegenstand des Regionalismus Mit dem Regionalismus beschränken wir uns auf ein verfassungsrechtliches Strukturprinzip - mithin werden die möglichen Quellen des Verfassungsrechts auf diejenigen beschränkt, die ausdrücklich die Region als Regelungsgegenstand haben. Auch die zu untersuchenden Kulturtexte werden durch den Gegenstand ausgewählt: neben den die Entwicklung begleitenden Zeitungsartikeln, Reden, Parteiprogramme und Artikeln auch die zentralen literarischen Klassiker zum Thema. 157 Angewandt auf die vorliegende Themenstellung "Regionalismus in Großbritannien" ergibt sich bei erster Betrachtung das Problem, dass die kodifizierten verfassungsrechtlichen Quellen zum Regionalismus nicht besonders umfangreich sind. Daher wird ein umfangreicher Schwerpunkt darauf liegen, insbesondere die einfachen Parlamentsgesetze, denen Verfassungsrang zukommt,158 einzelne staats- und verfassungsrechtlich bedeutende wissenschaftlichen Stellungnahmen, die Meinung der Parteien oder sonstige einschlägige Quellen nach o. g. Gesichtspunkten auszuwerten. Auch soll dabei ein Blick in die "Klassikertexte" bzw. einzelne Texte aus Literatur und Dichtung geworfen werden, da hierin sehr oft gesellschaftliche und staatliche Prozesse gespiegelt und kommentiert werden. 159 Die Hoffnung besteht, durch dieses Verfahren den britischen Regionalismus kulturwissenschaftlich analysieren zu können und sich dadurch einen tieferen Einblick in die englische, schottische und walisische "Volksseele" verschaffen zu können. aa) Großbritannien Bezüglich Großbritannien als Gesamtstaat bietet sich eine Vorgehensweise an, die zunächst das Hauptaugenmerk auf die geschriebenen und ungeschriebenen Quellen des Verfassungsrechtes richtet. Nach der Analyse der wichtigsten Fundstellen zum Thema sollen insbesondere die Faktoren mit in die Analyse einbezogen werden, die im Vorfeld der allgemeinen Par157 aa) Kulturtexte aus der Region - Schottland und Wales bb) Rechtstexte Europa/Rechtstexte GB Wechselwirkung Rechtstext/Kulturtext. 158 Vgl. zum Problem des Staates ohne einheitliche geschriebene Verfassung unten ausführlich Kapitel B. 159 Hierzu ausführlich: Häberle (1981); dazu auch: Häberle (1998), S. 481 ff.

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A. Einleitung

lamentswahlen 1997 die Veränderungen im Staatsautbau des Vereinigten Königreiches nicht nur katalysiert, sondern aktiv gefördert haben. Dazu zählen sowohl Veränderungen im gesamteuropäischen Umfeld wie auch veränderte Schwerpunkte in der innerbritischen Politik. Durch das Fehlen einer einheitlichen kodifizierten Verfassung kommt hier dem kulturwissenschaftlichen Ansatz besondere Bedeutung zu: Wie stehen die Wissenschaften zu regionalistischen Tendenzen und Forderungen, wie und in welchem Umfang spiegelt sich die traditionelle schottische, walisische oder irische Kultur in der Literatur oder den sonstigen "schönen Künsten" wieder, welche Meinungen vertreten die politischen Eliten oder wie äußert sich der Wunsch der Menschen nach mehr Autonomie in der "Alltagskultur,,16o? bb) Schottland Auch bezogen auf Schottland soll am Beginn einer jeden Phase (diese sind gemäß der Gliederung unterteilt in: Die Anfange des Regionalismus bis zum Jahr 1978, Die Entwicklungen der Jahre 1978 bis zu den allgemeinen Parlamentswahlen 1997, Die Entwicklungen zwischen den allgemeinen Parlamentswahlen und der Arbeitsaufnahme der Regionalvertretungen, Die Phase der ersten Legislaturperiode) zunächst eine Analyse der Rechtstexte stehen. Gerade unter dem kulturwissenschaftlichen Aspekt und den oben beschriebenen vielfaltigen Möglichkeiten, dem Phänomen des Regionalismus auf die Spur zu kommen, soll der Schwerpunkt der Analyse des schottischen Regionalismus auf den sonstigen Bedingungsfaktoren liegen. In erster Linie zu nennen sein wird hier das Wirken und der Einfluss der "Scottish National Party" (SNP). Ohne die SNP, die durch die Jahrzehnte ihres Bestehens am Ziel eines weitgehend autonomen Schottlands beständig festgehalten hat und für diese Ziele auch immer wieder bedeutende Personen des öffentlichen Lebens gewinnen konnte 161 , wären die schnellen und fundamentalen Veränderungen, die sich in den letzten Jahren vollzogen haben, wohl nicht möglich gewesen. Zudem darf der Einfluss von Literatur und Dichtung in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden. Viele schottische Dichter und Literaten 160 Vgl. zu den verschiedenen Begriffen von Kultur generell Häberle (1998), S. 2 ff. 161 So zum Beispiel den Schauspieler Sean Connery, der in den letzten Jahren zu einem der Aushängeschilder der Scottish National Party geworden ist; vgl. hierzu: FAZ vom 21. Februar 2001: "Ritter Sean Connery ist den Schotten eine Ehre"; auch: Handelsblatt 18./19. Mai 2001: "Selbstverwaltung soll die Erneuerung Großbritanniens beschleunigen"; Süddeutsche Zeitung vom 28. April 1999: "Liebesgrüße aus Schottland".

III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes

63

haben sich immer auch politisch engagiert, als Botschafter eines selbstbewussten Schottlands verstanden oder zumindest in ihren Texten die Bedeutung der schottischen Eigenständigkeiten betont und bewahrt. ce) Wales Wales unterscheidet sich insofern von Schottland, als sich, bedingt durch die unterschiedliche historische und politische Ausgangslage, ein spezifisches walisisches National - oder Regionalbewusstsein niemals in diesem Umfang entwickeln konnte. Die Bindung an England war wesentlich stärker als die Bindung Schottlands, und im Bewusstsein vieler Briten war Wales letztlich ein Teil Englands. Dies schlägt sich auch in der Analyse der Rechtstexte nieder, die nur in sehr geringem Umfang auf eigenständige walisische Traditionen und Entwicklungen Rücksicht nehmen. Insofern wird die Analyse des walisischen Regionalismus noch stärker von den sonstigen Kulturtexten abhängen. dd) England Eine Unterteilung des Vereinigten Königreiches, die zwischen England, Schottland, Wales und Nordirland unterscheidet, nimmt immer schon vorweg, dass es sich bei England (a) um eine Region handelt, die den anderen vergleichbar ist und (b) England selbst als unitarische Einheit einen festen Platz im Staats- und Verfassungssystem einnimmt. Dies ist jedoch nicht der Fall, zumindest nicht mehr, seitdem das britische "Regionalismus-Fieber" auch England angesteckt hat. Bereits oben wurde schon auf die Bedeutung des "local government" hingewiesen. Insofern existiert auch in England eine weitere vertikale Ebene staatlichen HandeIns jenseits der Zentralregierung. Zudem wurden oben auch schon kurz die sog. "standard planning regions" erwähnt. Auch diese lassen darauf schließen, dass auch in England selbst durchaus eine dezentrale Regionalgliederung in einigen Bereichen besteht. Daher sollen diese Verhältnisse mit in die Analyse einbezogen werden, um dadurch zu einer Beurteilung gelangen zu können, ob und inwieweit innerhalb Englands die Chance besteht, eine weitere Politikebene zwischen Zentrale und Städten und Gemeinden zu etablieren. Auch hierzu soll nach der Darstellung der positiv-rechtlichen Grundlagen eine Analyse sonstiger Texte und Einflussfaktoren folgen. Insbesondere wird dabei auffallen, dass auch innerhalb

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A. Einleitung

Englands eine Vielzahl von Dichtern und Literaten auch immer wieder regionalistische Themen und Tendenzen thematisiert haben. 162 3. Wechselwirkung Rechtstext/Rechtstext: Rechtsvergleichung als 5. Auslegungsmethode Häberle belässt es in seinem Ansatz jedoch nicht bei der retrospektiv orientierten Textstufenanalyse. Vielmehr zieht er insbesondere in Bezug auf eine prospektive Verfassungsentwicklung und -schöpfung die Rechtsvergleichung (als von ihm so bezeichnete "fünfte Auslegungsmethode") als weiteres Analysehilfsmittel heran. Innerhalb der "Verfassungslehre als Kulturwissenschaft" stellt der Vergleich verschiedener Verfassungen aus verschiedenen Zeiten und Räumen ein wichtiges Untersuchungsgebiet dar. Daher schlägt Häberle vor, die Rechtsvergleichung als fünfte Auslegungsmethode neben die vier klassischen Auslegungsmethoden zu stellen. 163 Rechtsvergleichung als Auslegungsmethode ist grundsätzlich prospektivisch, das heißt, der Gesetzestext soll im Wege der Rechtsvergleichung einem künftigen Verständnis der Verfassung das Tor öffnen. Hier wirken die europäischen (und weltweiten) Rechtstexte aber als kulturelle Größe, insofern sie nicht direkte rechtliche Wirkung entfalten, nicht nur als Auslegungsfaktor. Europäische Rechtstexte in Großbritannien im Kontext des Regionalismus gelesen eröffnen die kulturelle Dimension des Pluralismus. Die Erfahrung des Anderen wirkt als kultureller Faktor in Bezug auf das eigene Rechtsverständnis - diese Wirkung kann retrospektiv mit der Textstufenanalyse im Rahmen des kulturwissenschaftlichen Ansatzes nachgewiesen werden. Blickt man in einer Kombination aus Textstufentheorie, Rechtsvergleichung und der Analyse des kulturwissenschaftlichen Umfeldes erneut retrospektiv auf die Verfassungsinterpretation und -entwicklung zurück, und ergibt sich dann die Schlussfolgerung, dass die Verfassung von einem breiten gesellschaftlichen Grundkonsens getragen wird, und die Wirklichkeit des Lebens unter und mit dieser Verfassung diesen Konsens dauerhaft aufrecht erhalten kann, so ist damit die Richtigkeit des kulturwissenschaftlichen Ansatzes als ein Ansatz der Verfassungsinterpretation und -entwicklung belegt. Vgl. hierzu im Überblick: Schulz (1994), S. 109 ff. Erstmals vorgeschlagen von Häberle in: ders. (1989), 913 ff.; jetzt auch ders. (1998), S. 166 m.w.N. 162 163

III. Explikation des kulturwissenschaftlichen Ansatzes

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Es wird weder von Häberle generell noch mit dieser Arbeit der Versuch unternommen, den kulturwissenschaftlichen Ansatz als "die" alleinige Methode zur Verfassungsanalyse vorzustellen. Auf mögliche Kritikpunkte und Einwände wurde oben schon eingegangen. Allerdings bietet dieser Ansatz aufgrund der Komplexität der gesellschaftlichen Wirklichkeit und aufgrund der Vielzahl von Einflüssen (staatlich, überstaatlich, europäisch, weltweit), die in die "offene Gesellschaft" hineinströmen, ein umfassendes und in sich schlüssiges Instrumentarium, die Verfassung immer wieder neu und immer wieder aktuell diesen Einflüssen anzupassen, ohne jedoch den gesellschaftlichen Grundkonsens dadurch aufzukündigen.

5 Mey

B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches I. Verfassungstheoretischer Hintergrund 1. "Nation ohne geschriebene Verfassung"

Großbritannien besitzt als einziger Mitgliedsstaat der Europäischen Union keine geschriebene, in einem Dokument systematisch zusammengefasste Verfassung. 1 Dies führt zu der häufig geäußerten Ansicht, dass Großbritannien überhaupt keine geschriebenen Verfassungsdokumente habe. Versteht man unter einer Verfassung ein System, durch das die Beziehungen der Bürger zum Staat, die Beziehungen der staatlichen Organe untereinander wie die Beziehungen des Staates zum Bürger geregelt sind, so finden sich in Großbritannien jedoch sehr wohl wichtige, elementare Dokumente, die diese Regelungskomplexe zum Inhalt haben und die auch nach wie vor Gültigkeit besitzen. Die britische Verfassung ist nicht - wie die Verfassungen der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union - zu einem bestimmten Zeitpunkt formell beschlossen worden, sondern sie ist über Jahrhunderte gewachsen, und, sofern Bedarf bestand, immer wieder schriftlich ergänzt worden. Wichtig zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass es nach britischem Verfassungsverständnis keinen Unterschied zwischen einfachen Gesetzen und Verfassungsgesetzen gibt. Eine Normenhierarchie etwa nach deutschem Verfassungsverständnis ist dem britischen Verständnis fremd. Daher ist es nicht immer einfach, zu unterscheiden, welches Gesetz genau Bestandteil der Verfassung ist, und welche Prinzipien des "common law" ebenfalls dazu gehören. 2 Zwar hat auch in Großbritannien das "common law", also die durch die Geschichte und Rechtsprechung entwickelten gewohnheitsrechtlichen Prinzipien, durch die immer stärkere Kodifzierung von Gesetzen an Bedeutung verloren; einige staatstragenden Prinzipien sind jedoch nach wie vor nicht in Gesetzesform gegossen und werden nach wie vor aus dem "common law" abgeleitet. 1 Allerdings besaß zumindest England in Fonn der Cromwell'schen Protektoratsverfassung von 1653, entworfen vom Rat der Offiziere, einmal für 8 Jahre eine geschriebene Verfassung. Diese war jedoch nur bis 1660 gültig. 2 Vgl. hierzu weitergehend T. R. S. Allan (1993), KapitelL

I. Verfassungs theoretischer Hintergrund

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Dazu gehören insbesondere die Souveränität des Parlamentes (die im folgenden noch im Lichte der regionalen Entwicklungen der letzten Jahre zu untersuchen sein wird) und einige königliche Prärogativen wie etwa das (formelle) Recht zur Ernennung der Minister, das Recht und die Pflicht zur Unterzeichnung völkerrechtlicher Verträge, die Kriegserklärung, das Recht zu Begnadigungen oder auch Ordensverleihungen. 3 Eine weitere wichtige Rolle im britischen Verfassungsleben spielen die sog. "constitutional conventions4 ". Diese Regeln, manchmal auch als "rules of constitutional morality" bezeichnet5 , geben Rechte und erlegen Verhaltenvorschriften auf, die weder normiert noch rechtlich einklagbar sind, allgemein aber als bindend betrachtet werden. Es würde aus Gründen der Stabilität des britischen Verfassungssystems daher als schwerwiegend empfunden, gegen diese Regeln zu verstoßen. Zudem kommt ihnen in dem Sinne durchaus rechtliche Relevanz zu, als die Gerichte sie zur Begründung von Prinzipien des "common law" verwenden (können)6, zum anderen, sollte etwa ein Verstoß gegen wesentliche Prinzipien drohen, durch Beschluss eines formellen Gesetzes mit einfacher Mehrheit die Möglichkeit besteht, entweder den Verstoß oder die Einhaltung der Regeln im Gesetzeswege zu erzwingen. Zu den wichtigsten "constitutional conventions" zählen insbesondere7 : • die Ausübung der königlichen Prärogativen nur auf Empfehlung des zuständigen Ministers oder des Premierministers, • die Unterzeichung (sog. "Royal Assent") aller vom Parlament beschlossener Gesetze durch die Krone, • die jährliche Einberufung des Parlamentes, • die Ernennung des Führers der Mehrheitspartei zum Premierminister, • die Zugehörigkeit des (künftigen) Premierministers zum "House of Commons", • die parlamentarische Verantwortlichkeit der Minister, 3

Barendt (1998), S. 111.

Auch in sehr plastischen Worten durch Sir Ivor Jennings bezeichnet als "the flesh which clothes the dry bones of the law"; zitiert nach: Barendt (1998), S. 41. 5 Barendt (1998), S. 40. 6 So geschehen in dem Fall Att.-Gen. v. Jonathan Cape Ltd. [1976] QB 752: In dem allgemein als "Crossman Diaries"-Fall bekannten Verfahren ging es darum, ob es zulässig war, die Tagebücher eines vormaligen Kabinettsmitgliedes zu veröffentlichen, wenn damit die Gefahr verbunden war, dass hierdurch ein Vertrauensbruch und Geheimnisverrat drohte, ein Verstoß gegen die "convention of collective Cabinet responsibility." Der High Court ließ dieses Verfahren zu und untersagte in seiner Entscheidung die Veröffentlichung diesbezüglicher Passagen. 7 Vgl. hierzu auch: Kimmel (2000), S. 568; Barendt (1998), S. 40 ff. 4



68

B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

• der Rücktritt der Regierung nach der Annahme eines Misstrauensvotums im Unterhaus, • die Auflösung des Unterhauses durch die Krone auf Antrag des Premierministers und viele weitere. Obwohl die Unterscheidung zwischen einfachen Gesetzen und Gesetzen mit Verfassungsrang nach formellen Kriterien nicht getroffen werden kann, gibt es einen Grundkonsens, dass solche Texte, denen etwa Grundrechtscharakter 8 zukommt, ebenso Teil der Verfassung sind wie solche Gesetze, die die Gewaltenteilung betreffen, das Verhältnis zwischen den Teilen des Vereinigten Königreiches betreffen oder auch die Befugnisse der Staatsorgane an sich zum Inhalt haben. Ein den kulturwissenschaftlichen Ansatz bestätigendes Phänomen ist, dass auch ältere wie jüngere staatsrechtliche Abhandlungen, deren Verfassungsinterpretationen als maßgeblich gelten, ebenfalls zur Verfassung gerechnet werden. Als Beispiel hierfür wird im nächsten Abschnitt auf Dicey und seine Begründung der Parlamentssouveränität einzugehen sein. Zum Kernbestand der britischen Verfassungskodifikation zählen: • die "Magna Charta Libertatum" von 12159 , • die "Petition of Rights" von 1627 10, • die "Habeas-Corpus-Akte" von 1679 11 , • die "Bill of Rights" von 1689 12 , • der "Act of Settlement" von 1701 13 , • der "Union with Scotland Act" von 1707, 8 Bis zum Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention 1998 ("Humans Rights Act 1998") gab es in Großbritannien keine Kodifizierung von Grundrechten und Grundfreiheiten. Einige Rechte waren in bestimmten Gesetzen enthalten (z. B. im "Equal Pay Act 1970", im "Sex Discrimination Act 1975" oder im "Race Relation Act 1976"). Die weitaus meiste Zahl an Grundrechten war jedoch bis 1998 nicht kodifziert. Es herrschte das Verständnis vor, dass jeder Mensch frei war zu tun und zu lassen, was ihm gefiel, solange er nicht die gleichen Rechte der anderen Menschen berührte. Beispielsweise war die Meinungsfreiheit gegründet im common law; das common law garantierte eine umfassende Meinungsfreiheit, solange diese nicht zu blasphemischen oder beleidigenden Zwecken missbraucht wurde. Grenzen der Meinungsfreiheit ergaben sich beispielsweise auch aus dem "Official Secrets Act 1989" oder dem "Obscene Publications Act 1959". 9 Deutsche Übersetzung in: Kimme! (2000), S. 562 ff. 10 Deutsche Übersetzung in: Kimme! (2000), S. 565 ff. 11 Deutsche Übersetzung in: Kimme! (2000), S. 568 ff. 12 Deutsche Übersetzung in: Kimme! (2000), S. 570 ff. 13 Deutsche Übersetzung in: Kimme! (2000), S. 574 f.

I. Verfassungstheoretischer Hintergrund

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• die Römisch-Katholische-Emanzipationsakte von 1829, • die Irische Unions akte von 1800, die Gesetze über die Abtretung Nordirlands (home-rule-act) 1920 sowie den Irischen Freiheitsstatut 1922, • das" Westminster Statut" von 1931, • der "Scotland Act" von 1998 14, • der "Wales Act" von 1998 sowie • der "Human Rights Act" von 1998 15 • Nach allgemeiner Auffassung l6 werden also mittlerweile auch der "Scotland Act" 1998 und der "Wales Act" 1998 zu den Gesetzen mit Verfassungsrang gezählt. Dies ist auch sachgerecht und notwendig, da die verfassungsrechtlichen Veränderungen, insbesondere die Veränderungen im staatsorganisrechtlichen Gefüge des Vereinigten Königreiches, jedenfalls von erheblicher verfassungsrechtlicher Relevanz sind. 2. Die Stellung des Parlamentes in Westminster - Das Prinzip der Parlamentssouveränität

Bereits im vorangehenden Abschnitt wurde darauf verwiesen, dass im britischen Verfassungsrecht auch solche Arbeiten zum Corpus der Verfassungstexte gehören, die, obzwar kein Gesetz im formellen Sinne, doch die Stellung und Aufgaben bestimmter verfassungsrechtlicher Institutionen derart nachhaltig geprägt und beeinflusst haben, dass ihnen der Bedeutung nach durchaus Verfassungsrang zukommt. Dies führt zu der entscheidenden britischen Besonderheit, der Stellung des Parlamentes in Westminster. Während in Deutschland durch Art. 79 III GG einige fundamentale Grundsätze der sog. "Ewigkeitsgarantie" unterliegen 17, kann und darf nach der - zumindest noch vorherrschenden Meinung l8 - jedes Parlamentsgesetz 14 Vgl. für eine deutsche Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte des Scotland Act sowie des Wales Act: Kimmel (2000), S. 579 ff. 15 Vgl. für eine (kurze) deutsche Zusammenfassung: Kimmel (2000), S. 582; für eine erste britische Einschätzung: Jowell/Oliver (2000), S. 100 ff. 16 So: Ward, in: Jowell/Oliver (2000), S. 111 ff. 17 Jarass/Pieroth (2000), Art. 79 Rn. 5 f. 18 Im Vereinigten Königreich sind in den vergangenen Jahren die Rufe nach einer vollständigen Verfassungsreform, die auch die Einführung einer geschriebenen Verfassung vorsieht, lauter geworden. Die Regierung Blair war 1997 mit dem Ziel angetreten, alte Strukturen aufzubrechen und das Land für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu rüsten. Dazu gehörte im Wahlkampf - neben den Reformen in Wales und Schottland und einer starken Kompetenzbeschneidung des Oberhauses -

70

B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

- und damit auch solche Gesetze mit Verfassungsrang - durch einfaches Gesetz aufgehoben oder geändert werden. Diese Grundsätze von der Parlamentssouveränität wurden von dem Oxforder Verfassungsrechtler Dicey im 19. Jahrhundert wie folgt definiert: "The principle of Parliamentary sovereignty means neither more or less than this, namely, that Parliament thus defined has, under the English constitution, the right to make or unmake any law whatever; and further, that no person or body is recognised by the law of England as having a right to override or set aside the legislation of Parliament.,,19

Dicey ging davon aus, dass es in einem Gemeinwesen zur Erhaltung der Stabilität notwendigerweise einen "Souverän" mit unbegrenzter Rechtsetzungsbefugnis geben müsse?O Diceys nahm an, dass die Souveränität ihrem Wesen nach unteilbar und daher von jedweder Beschränkung freizuhalten sei. "Limited sovereignty" sei ein Widerspruch in sich?l Dem Grunde nach geht diese Lehre auf John Hobbes zurück, der in seinem "Leviathan" den unbeschränkten Herrscher sah, der notwendigerweise zur Erhaltung des Allgemeinwesens absolute Macht haben müsse. 22 Dicey unterschied zwischen "legal" und "political sovereignty".23 Die politische Souveränität haben für Dicey die Wähler, das Staatsvolk, die rechtliche Souveränität kommt dem dreigliedrigen - Krone, House of Commons, House of Lords - Gesetzgebungsorgan zu. Diceys Theorie geht soweit, sogar naturrechtliche Beschränkungen der Parlamentssouveränität ebenso abzulehnen wie die Forderung, dass das Parlament gewisse Prärogativen nicht antasten dürfe?4 Diese Lehre von der Parlamentssouveränität gliedert sich in drei Teile: a) das Parlament darf seine Nachfolger nicht binden, sei es in der Form oder im Inhalt von nachfolgenden Gesetzen; b) kein Parlamentsgesetz soll von einem Gericht des Königreiches für ungültig erklärt werden;25 auch das Versprechen, die Einführung einer geschriebenen Verfassung zu prüfen, um allen Bürgern verfasste Leistungs- und Abwehrrechte schritlich zu garantieren. Dieses Vorhaben ist nach der Umsetzung und Implementierung der Europäischen Grund- und Menschenrechtscharata durch den "Human Rights Act" 1998 wieder ausgesetzt worden, da nunmehr der europäische Menschenrechtskonsens auch für die Briten gilt und unmittelbar durch britische Gerichte Anwendung finden muss (vgl. hierzu: Lord Lester of Heme Hili, in: Jowell/Oliver (2000), S. 89 ff.). 19 Dicey (1959), pp. 39--40. 20 Vgl. Malanczuk (1984), S. 60 ff. 21 Dicey (1959), S. 68 Anm. 1. 22 Hirschmann (1995), S. 125 ff. 23 Dicey (1959), S. 68 Anm. 1. 24 Dicey (1959). S. 62 f.; hierzu auch: Bradley/Ewing (1997), S. 63 f.

I. Verfassungstheoretischer Hintergrund

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c) es besteht keine prozedurale Unterscheidung zwischen einfachen Gesetzen und Gesetzen von verfasssungsrechtlicher Bedeutung. In diese weitestgehende Souveränität bezog Dicey auch die "Acts of Union" mit Schottland 1707 und Irland 1800 mit ein. Nach dieser Auffassung ergibt sich zwingend, dass auch diese Gesetze durch das Unterhaus jederzeit aufhebbar oder änderbar sind. Für ihn war die Parlamentssouveränität "an undoubted legal fact".26 Auf dem Hintergrund dieser Theorien wird nachvollziehbar, welche spezifisch britischen Probleme jede Art von Machtteilung und Kompetenzübertragung mit sich bringt. Da das Parlament in Edinburgh echte gesetzgeberische Kompetenzen erhalten hat, und sogar über die Frage der Erhebung von Steuern entscheiden darf, und zudem das Parlament fest im britischen Verfassungsstaat verwurzelt sein soll, müssen Mittel und Wege gefunden werden, die starren Fundamente, die Dicey in den britischen "Verfassungsboden" gebaut hat, wenn auch nicht aufzuheben, so doch etwas durchlässiger zu machen?7 Diceys Souveränitätslehre ist zwar im Königreich noch immer herrschend, jedoch sind, bedingt durch innere und äußere Entwicklungen und Herausforderungen, ernstzunehmende Stimmen vernehmbar, die zumindest eine teilweise Bindung des Parlamentes an bestimmte Grundnormen und Grundsätze fordern?8 Nicht zuletzt die von Zeit zu Zeit auflebende Diskussion, ob Großbritannien nicht doch irgend wann und irgendwie eine geschriebene Verfassung bekommen sollte, nährt sich daraus. 29 Einer der ersten Gegner der unbeschränkten Parlaments souveränität war Sir Ivor Jennings 30, gefolgt von R. V. F. Heuston 31 und J. D. B. Mitche1l32. Sie argumentieren, dass es für das Parlament möglich sein müsse, seine Nachfolger "as to the manner and form,,33 zu binden. Wenn also der "Scotland Act 1998" eine Vorschrift enthalten würde, dass das schottische Parlament beispielsweise solange nicht abgeschafft werden dürfe, solange nicht die Schotten in einer Volksabstimmung dafür votiert hätten oder in 25 Vgl. hierzu Lord Dunedin in Mortensen vs. Peters: "For us, an Act of Parliament, duly passed by Lords, Commons and assented to by the King is supreme and we are bound to give effect to its terms."; (1906) 8 F (J) 93, S. 100. 26 Dicey (1959), S. 68. 27 Vgl. zur Bedeutung der Unions garantien von 1707 auch Kapitel BIll b, c. 28 Vgl. beispielsweise zum "Human Rights Act 1998" genauer Kapitel BIll c. 29 Vgl. Bamett (1997), S. 155 ff. 30 Jennings (1943). 31 Heuston (1964). 32 Mitchell (1968). 33 McFaddenlBain in: Bates (1997), S. 4.

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

beiden Häusern 2/3-Mehrheiten dafür zustande gekommen wären, so argumentieren die eben genannten Vertreter, seien alle nachfolgenden Parlamente daran gebunden. Sie unterstützen ihre Ansicht mit dem Verweis auf eine ganze Reihe von Commonwealth-Fällen34 , in denen die jeweiligen Gerichte in diesem Sinne entschieden hätten. Die Vertreter dieser Schule argumentieren, dass das Parlament normalerweise aus der Krone, dem "House of Lords" und dem "House of Commons" bestehe?5 Im Parliament Act 1911 und 1949 ist jedoch bestimmt, dass unter bestimmten Umständen das "House of Lords" ausgeklammert werden kann?6 Daher wird die Frage gestellt, ob nicht im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zusätzlich das Parlament in besonderen Fällen auch noch durch ein Referendum "fremdbestimmt" werden könne. Ähnliches könne für eine spezielle Mehrheit im "House of Commons" gelten. Zudem wird argumentiert, dass durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union in gewissen Situationen ohnehin die traditionelle Idee von der Parlamentssouveränität eine Erweiterung gefunden habe. 37 Die Traditionalisten erkennen zumindest die Commonwealth-Argumentation nicht an; diesen Fällen komme keine Autorität zu, britische Parlamentsgesetze zu beeinflussen. 38 Das Europa-Argument ist jedoch schwieriger zu widerlegen. Immerhin ist auch das Vereinigte Königreich verpflichtet, etwa Richtlinien in innerstaatliches Recht umzusetzen. Die Europäischen Verträge sehen grundsätzlich keine Möglichkeit vor, dass Mitgliedsstaaten dann in der Folge einseitig derartige Vorgaben wieder aufheben können. Der Grundsatz "paeta sunt servanda" würde zum Selbst-Widerspruch, wenn er im Völkerrecht als disponibel angesehen würde. 34 Vgl. zum Beispiel Attorney-General for New South Wales v Trethowan ([1932] AC 526); hier wurde entschieden, dass die Abschaffung der zweiten Kammer des New South Wales Gesetzgebungsorgans illegal war, da in einem früheren Gesetz ein Referendum dazu vorgesehen war. In dem südafrikanischen Fall Harris v Minister of the Interior wurde ein späteres Gesetz für ungültig erklärt, dass auf der Grundlage eines früheren Gesetzes ergangen war, das wiederum jedoch nicht formgerecht zustande gekommen war. 35 McFaddenlBain in: Bates 1997), S. 5. 36 Art. 2 Parliament Act 1911 (1 & 2 Geo. 5, c. 13). 37 Wade (1991) S. 1 und (1996) S. 568. Wade akzeptiert inzwischen, dass durch den Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften 1972 das Parlament sich selbst soweit gebunden habe, dass europäisches Recht in gewissen Bereichen Vorrang vor dem britischen Recht habe. Ebenso Bradley, in: Jowell/Oliver (2000), argumentiert, dass das Parlament solange gebunden sei, bis das Vereinigte Königreich wieder aus der Union ausgetreten sei (S. 23). 38 AddolSmith (1998), S. 41.

I. Verfassungstheoretischer Hintergrund

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Die Europäischen Verträge sind allerdings Verträge mit weitreichender innenpolitischer Relevanz. Der "European Communities Act" von 197239 bestimmt in s2 (4) unter anderem, dass "any enactment passed or to be passed (... ) shall be construed and have effect subject to the foregoing provisions of this Article."

Insofern findet hier eine Bindung sowohl der Form als auch dem Inhalt nach statt, die allerdings Dicey in dieser Schärfe im 19. Jahrhundert nicht hatte voraussehen können. Trotzdem beharren ernstzunehmende Kreise auch heute noch darauf, dass dann im Falle einer Kollision jedenfalls britisches Recht Vorrang haben müsse und in letzter Konsequenz auch ein Austritt aus der Europäischen Union erfolgen müsse. 40 Von dem nicht zuletzt durch die europäischen Entwicklungen reformierten Ansatz profitieren natürlich die Regionen Schottland, Wales und Nordirland insbesondere, da dem schottischen Parlament, der walisischen und der nordirischen Kammer damit eine wesentlich stärkere konstitutionelle Bedeutung zukommen. Der Weg zu einem schottischen Regionalparlament, das, mit einen legislativen Kompetenzen ausgestattet, auch abweichende Meinungen in Gesetzesform gießen kann, dürfte mittlerweile unumkehrbar geworden sein - soviel kann wohl nach den ersten zwei Jahren seit der Arbeitsaufnahme am 1. Juli 1999 Zeit schon festgehalten werden. Zwar gibt es theoretisch die Möglichkeit, dass das Parlament in Westminster den "Scotland Act 1998" wieder aufhebt; denn gemäß Art. 28 Abs. 7 "Scotland Act" ist auch das schottische Parlament letztlich an die Vorrangstellung des Souveräns in London gebunden. Allerdings würde dies eine Verfassungskrise derartigen Ausmaßes heraufbeschwören, die sich keine Regierung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird leisten können. 41 Zu fragen ist allerdings, welche Instanz im Zweifel dem Recht auch Geltung verschaffen könnte, d.h. dann intervenieren soll, wenn sich das Parlament nicht an seine eigene Gesetzgebung halten sollte. Es existiert in Großbritannien keine Verfassungsgerichtsbarkeit wie in der Bundesrepublik Deutschland, auch für Verwaltungsangelegenheiten ist kein eigenständiger Rechtszweig eingerichtet. Damit sind Kläger auf den einfachen Rechtsweg beschränkt, mit dem "House of Lords" in seiner Funktion als Oberstes Gericht letzter Instanz.

C. 68 (1972). Vgl. hierzu Bradley/Ewing (1997), S. 157 ff. 41 Anders dagegen nach wie vor die Situation in Nordlirland, vgl. hierzu unten Kapitel B V. 39 40

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

3. Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Großbritannien - insbesondere die "ultra-vires-Lehre" und die Grundsätze der ,Judicial review" "Judicial review is a great weapon in the hands of the judges; but the judges must observe the constitutional limits set by our parliamentary system on their exercise of this beneficent power."

Da es keine eigene, klar zugewiesene Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vereinigten Königreich gibt, ist nunmehr zu skizzieren, auf welchem Weg dann Verfassungsänderungen oder -verstöße kontrolliert, überprüft und abgeholfen werden können. a) England, Wales und Nordirland Neben dem Zivil- und Strafrechtsweg existiert in England, Wales und Nordirland kein eigener Verfassungs- oder Verwaltungsrechtsweg. Vielmehr sind hier die "ordentlichen" Gerichte gleichermaßen für zivilrechtliche wie verwaltungsrechtliche Fragen zuständig. 43 Fühlt sich der Bürger in seinen Rechten verletzt, so hat er ein zwei stufiges Verfahren zu durchlaufen: dem eigentlichen Hauptverfahren ("hearing") ist ein Vorverfahren vorgeschaltet, durch das insbesondere aussichtslose Fälle ausgesondert und Unvollständigkeiten beseitigt werden sollen. Historisch gründet sich das englische und walisische System auf dem Prinzip der "ultra vires". Eine öffentliche Körperschaft handelt "ultra vires", sofern sie eine Entscheidung trifft, die sich nicht mehr im Rahmen der ihr eingeräumten Befugnisse hält. Diese Entscheidung ist rechtswidrig. 44 Lord Diplock hat in der Entscheidung c.C.S.U. v. The Minister for the Civil Service45 drei Alternativen entwickelt, wann eine Behörde "ultra vires" handelt: "illegality", "irrationality" und "procedural impropriety". 42 In: Nottinghamshire e.e. v. Secretary of State for the Environment, H.L. 1986. 43 Vgl. zum englischen Gerichtsaufbau ausführlich: Bemstorjf (1996), § 1 IV. 44 Die Bedeutung der "judicia1 review" zeigt sich daran, dass 1981 ingesamt 533 Anträge auf Zulassung eines Verfahrens gestellt wurden, 1994 dagegen schon 3208. Viele Beobachter sehen darin ein Zeichen für die sowohl quantitativ als auch qualitativ enorm gewachsene Bedeutung dieses Verfahrens; vgl. hierzu: Bradley/Ewing (1997), S. 697; Bridges u.a. (1995), Anhang 1. 45 HL 1984.

1. Verfassungstheoretischer Hintergrund

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"Illegal" handelt sie, wenn eine falsche Stelle oder eine falsche Person handelt, oder die Körperschaft aufgrund eines unwirksamen oder unanwendbaren Gesetzes tätig wird, "irrationality" liegt ähnlich der deutschen Ermessens- und Abwägungsfehlerlehre vor, wenn die Behörde irrelevante Tatsachen ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, wenn ein Minister oder sonstiger Beamter einen unpassenden Zweck verfolgt, oder wenn etwa analog der deutschen Verhältnismäßigkeitsprüfung Tatsachen falsch gewichtet oder gänzlich außer acht gelassen werden. Eine Handlung "ultra vires" liegt auch dann vor, wenn eine wesentliche Verfahrensvorschrift außer acht gelassen wird. Da die Gerichte in den letzten Jahren ihre Kontrollbefugnis auch auf die "prerogative powers", also die nicht explizit durch Gesetz verliehenen Befugnisse (ursprünglich) der Krone erweitert haben, wird die Bezeichnung "ultra vires" nicht mehr als passend empfunden. 46 Im Wege der "judicial review" stehen dem Kläger insgesamt fünf Klagearten ("remedies") zu, wobei zwischen "prerogative orders" (certiorari, prohibition und mandamus) sowie den "non-prerogative remedies" (declaration und injunction) unterschieden wird. "Certiorari" ist wohl am ehesten vergleichbar mit der deutschen Anfechtungsklage, "prohibition" ist eine Art negativer Verpflichtungsklage auf Unterlassung einer Maßnahme oder Entscheidung, "mandamus" eine Art Verpflichtungsklage auf Vornahme einer Entscheidung oder Handlung, "declaration" ist mit der deutschen Feststellungsklage vergleichbar und "injunction" eine Art "Normerlass-" bzw. "unterlassklage". Passivlegitimiert können grundsätzlich solche staatlichen Stellen sein, die öffentlich-rechtliche Funktionen wahrnehmen und entweder durch Satzung oder die Ausübung königlicher Prärogative errichtet worden sind. Allerdings werden hiervon auch vereinzelt Ausnahmen zugelassen, wie die Entscheidung R. v. City Panel on Take-Overs and Mergers, ex p. Datafin plc aus dem Jahr 1987 zeigt. Hier wurde eine Klage gegen eine Institution zugelassen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllte, nämlich den Takeover Panel, der auf freiwilliger Basis die Einhaltung des "City Code on Take-Overs and Mergers" überwacht. 47 In Bezug auf die "quangos" ("quasi non-governmental organisations", vgl. sogleich unten) können die Gerichte nur tätig werden, wenn diese mit Außen wirkung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes tätig werden. 48 Hogan (1996). Dieser Code regelt im englischen Gesellschaftsrecht die Grundsätze, die bei Unternehmensübernahmen und -fusionen eingehalten werden sollen; vgl. hierzu ausführlich m. w.N. Farrar (1998), S. 588 ff. 48 Vgl. R. v. BBC, ex p. Lavelle (C.A. 1983). 46

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Insgesamt erweist sich das englische System des "judicial review" als relativ kompliziert, was im Vergleich zu kontinentalen Regelungen auf das Fehlen eines kodifizierten Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie einer kodifizierten Verwaltungsgerichtsordnung zurückzuführen ist. Darüber hinaus erschwert die Vielzahl öffentlicher sowie halböffentlicher Körperschaften und Institutionen sowie die Vielzahl der "quangos" die Möglichkeiten der Bürger teils erheblich, effektiven und schnellen Rechtsschutz zu erlangen, da in vielen Fällen nicht klar ist, ob überhaupt ein Fall aus dem öffentlichen Recht ("public law") vorliegt und damit ein "judicial review" statthaft ist. Das System der ,judicial review" hat während der letzten Jahre und Jahrzehnte erhebliche Veränderungen durchlaufen. 49 Die Verfahrenshäufigkeit hat seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wesentlich zugenommen, und oft finden sich die Richter mit ihren Verfahren und erwarteten Entscheidungen an der Spitze politischer Diskussionsthemen. 5o In derartigen Fällen 51 tendieren die Gerichte dann dazu, die Angelegenheit als eine der "separation of powers" zu betrachten, also letztlich die Entscheidung abzuweisen mit dem Hinweis, dass die Entscheidung dem Gesetzgeber obliege. b) Schottland "The Scottish Legal Tradition is a thing to be prized both in Scotland and beyond its borders, and the public of Scotland should be more conscious of the fact. It is in a very real sense a typical product of the Scottish ethos, and has attracted to its enthusiastic service some of the greatest figures in our country's history. (... ) The truth is that law is the reflection of the spirit of a people, and so long as the Scots are conscious that they are a people, they must preserve their law."S2 (Lord Cooper)

aa) Öffentliches Recht Auch in Schottland wurde kein eigener Gerichtszweig für verwaltungsrechtliche Fragen errichtet. Eine Ausnahme bilden lediglich sog. "statutory tribunals", also eine Art freiwilliger Schiedsgerichte, deren Entscheidungen jedoch in der Regel dann vor ordentlichen (Zivil-)Gerichten angefochten 49 Vgl. insbesondere auch zu den Auswirkungen des "Human Rights Bill 1998" auf das System der "judicial review" Stott (1998). 50 Research Paper 98/27, S. 6. 51 Vgl. z.B. Duport Steels v Sirs [1980] I All ER 529 (541). 52 Cooper (1957), S. 197 f., 199.

I. Verfassungstheoretischer Hintergrund

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werden können. 53 Ein Beispiel hierfür sind die 1946 geschaffenen "National Insurance Tribunals", die im Streitfall über Entschädigungsansprüche der Versicherten zu entscheiden haben. 54 Generell gilt nach schottischem Rechtsverständnis, dass eine Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht zwar theoretisch möglich, jedoch weder in England (und Wales) noch in Schottland eine scharfe Trennung zwischen beiden Rechtsgebieten durchführbar ist. Dazu mangelt es sowohl an einer umfassend kodifizierten Verfassung als auch an einem ausdifferenzierten System des Verwaltungsrechts sowie der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Auch in Schottland werden Behörden und Regierungsstellen deshalb vor den ordentlichen (Zivil-)Gerichten verklagt. 55 Aufgrund der durchaus empfundenen Bedrohung individueller Freiheit durch den bürokratischen und quasi allzu ständigen Staat heutiger Prägung sind jedoch Überlegungen und Forderungen nach der Schaffung eines konsistenten Systems von Verwaltungsverfahren und -prozess im Gange. 56 Durch das Fehlen eines eigenen Verwaltungsgerichtszweiges obliegt es dem "Court of Session" als oberstem schottischem Gericht, den Bürgern die Möglichkeit der "judicial review" zu eröffnen. 57 Die Verfahren der "judicial review" gleichen sich in England und Wales sowie Schottland in weiten Teilen. Zunächst muss der Bürger, um die Zulässigkeitsschranke ("locus standi") zu überwinden, sämtliche sonstigen Rechtsmittel erschöpft haben. Berufen kann sich der Kläger dann auf eine Handlung "ultra vires", er kann eine Überprüfung von Ermessensentscheidungen verlangen sowie Verfahrensmängel rügen. Die Rechtsmittel sind im Wesentlichen: "reduction", "declarator", "inderdict", "suspension" and "damWalker (2001), S. 301 ff. Walker (2001), S. 209. 55 Vgl. hierzu exemplarisch die Entscheidungen des "Court of Session"; Palmer v. Inverness Hospitals Board, 1963 S.c. 311; Peter Holmes & Son v. Secretary of State for Scotland, 1965 S.C. 1; Ayr Magistrates v. Secretary of State for Scotland, 1965 S.C. 394. 56 Vgl. Zur Reform des gesamten System der "judicial review" sowie des britischen Verwaltungsrechts im Allgemeinen Bradley/Ewing (1997), S. 702 ff. 57 Wichtige Änderungen gab es auch in Schottland durch die Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den "Human Rights Act 1998". Seine zwei Hauptprinzipien garantieren, dass sämtliche Gesetzgebung mit der Konvention übereinstimmen müssen (s. 3 (1», sowie dass alle öffentlichen Körperschaften in Übereinstimmung mit der Konvention handeln müssen. Andernfalls haben die Menschen die Möglichkeit, hiergegen gerichtlich im Wege der "judicial review" vorzugehen. Aufgrund der nach wie vor herrschenden Doktrin der Parlamentssouveränität haben die Gerichte jedoch nicht die Möglichkeit, Parlamentsgesetze für ungültig zu erklären (s. 3 (2) und 4 (6». Dies obliegt nach wie vor dem Parlament resp. der Regierung. 53

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

ages", also Reduzierung, Feststellung, Verbot, Aussetzung/ Aufschiebung und Schadensersatz. Während das englische Strafrecht mittlerweile weitgehend kodifiziert ist, beruht das schottische Strafrecht nach wie vor in Teilen auf dem "common law" und damit dem Richterrecht. 58 Als Begründer eines "modernen" schottischen Strafrechts wird vielfach David Hume angesehen, der mit seinen Werk "Commentaries on the Law of Scotland Respecting the Descriptions and Punishment of Crimes" im Jahr 1797 hierfür den Grundstein gelegt hat. 59 Durch den "Scotland Act 1998" ist die Zuständigkeit für das Strafrecht auf das schottische Parlament übergegangen. 60 Da das geltende schottische Strafrecht61 - insbesondere durch die mittlerweile erfolgte Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den "Human Rights Act 1998" - immer wieder Anpassungen ausgesetzt war, liegt derzeit dem Parlament der Entwurf eines schottischen Strafgesetzbuches vor, den einige Professoren und Mitarbeiter der Universität Edinburgh Anfang des Jahres 2001 ausgearbeitet haben. 62 Art. 1 dieses Entwurfes nimmt den Grundsatz "nulla poena sine lege" auf, womit fortan sämtliche Grundsätze und Delikte des "common law" außer Kraft treten würden. Die weiteren Paragraphen enthalten dann genaue Bestimmungen zum Tatbestand und zur Rechtsfolge der einzelnen Delikte. bb) Exkurs: Zivilrecht63 Dass das schottische Zivilrecht bis heute zumindest in seinem Kern erhalten geblieben ist, ist der Garantie in Art. xvm 64 des Unionsvertrages von Fanner (1999), S. 32 ff. Hume (1797). 60 Zur Bedeutung und den Auswirkungen auf das geltende schottische Strafrecht vgl. Jones (l997b). 61 In das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit geriet das schottische Strafrecht durch den sog. "Lockerbie-Prozeß", der, obzwar nicht auf schottischem Boden, sondern in den Niederlanden, jedoch nach schottischem Strafrecht stattfand, vgl. hierzu umfangreiche Informationen im Internet unter "www. thelockerbietrial.com". 62 Dempsey (2001), S. 139. 63 Gordon (2001), S. 110 ff. 64 Er lautet (im Original): "That the laws concerning regulation of trade, customs, and such excises to which Scotland is, by virtue of this treaty, to be liable, be the same in Scotland, from and after the union, as in England; and that all other laws in use within the kingdom of Scotland, do after the union, and notwithstanding thereof, remain in the same force as before, (except such as are contrary to, or inconsistend with this treaty) but alterable by the parliament of Great Britain; with this difference betwixt 58

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I. Verfassungstheoretischer Hintergrund

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1707 zu verdanken. Danach sollte das "public right" in die Kompetenz des vereinigten Parlamentes fallen, während das "private right" unverändert bleiben sollte. Einzig dann sollte hiervon eine Ausnahme möglich sein, sofern eine Änderung zum klaren Nutzen von Schottland erfolgen sollte. Durch Art. XIX wird der Fortbestand des "Court of Session" für Zivilsachen und des "Court of Justiciary" für Strafsachen garantiert. Das schottische Zivilrecht war schon von jeher sehr stark durch kontinentaleuropäische Einflüsse geprägt. Es fußt daher anders als das englische Zivilrecht nicht auf dem "common law", sondern ist kodifiziert. 65 Bereits im 12. Jahrhundert verbündete sich Schottland mit Frankreich zur sogenannten "Auld Alliance".66 Dies führte dazu, dass innerhalb Schottlands fortan kontinentaleuropäische Einflüsse im gesamten öffentlichen Leben spürbar wurden. Auch der Einfluss des römischen Rechtes ist spürbar. Im 14. und 15. Jahrhundert wurden schottische Juristen an Universitäten in Frankreich und Belgien ausgebildet; zurück in Schottland vermischte sich das schottische Gewohnheitsrecht mit schottischen Gesetzen und römisch-rechtlichen Einflüssen dann zum schottischen Zivilrecht. 67

Auch wenn sich dann infolge des Unionsvertrages von 1707 in der schottischen Rechtsprechung immer stärker Einflüsse des englischen "common law" bemerkbar gemacht haben - bedingt durch die Ausbildung schottischer Juristen an englischen Fakultäten68 , durch den Rückgriff auf eine umfassende englische Entscheidungspraxis in spezifischen Fällen und durch die Tatsache, dass das "House of Lords" auch in schottischen Zivilsachen oberste Revisionsinstanz ist - hat sich doch der Kern des schottischen Zivilrechts bewahrt. Unter dem hier verfolgten kulturwissenschaftlichen Ansatz ist erwähnenswert, dass nunmehr in einigen "Sheriff Courts" in Zivilverfahren seit Juli 2001 wieder Zeugenaussagen in gälischer Sprache abgegeben werden können. 69 Mittlerweile existieren auch umfangreiche Gesetzessammlungen zum Zivilund Handelsrecht, sowie zum Wirtschafts-, Verwaltungs- und Sozialrecht. 7o the laws concerning publick right, policy, and civil government, and those which concern private right, that the laws which concern pubick right, policy, and ci vii government, may be made the same throughout the whole uni ted kingdom; but that no alteration be made in laws wich concern private right, except for evident utility of the subjects within Scotland". 65 Zu den unterschiedlichen Rechtstraditionen: Sellar (2001), S. 3 ff. 66 Vgl. unten Kapitel BIll b. 67 Smith (1962a). 68 Ein Rechtsstudium in Edinburgh oder Glasgow berechtigt jedoch noch immer nicht zur Ausübung eines juristischen Berufes in England; hieran wird deutlich, wie sehr beiden Seiten immer noch daran gelegen ist, die (formelle) Eigenständigkeit auf diesem Gebiet zu wahren. 69 Vgl. hierzu Scots Law News, Ziff. 123 (www.law.ed.ac.uk/slnlindex.htm).

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Veränderungen ergeben sich im schottischen Zivilrecht durch den "Scotland Act 1998" insoweit, als nunmehr das "House of Lords" nicht mehr unumstritten letzte Instanz in allen zivilrechtlichen Fragen ist, sondern sich gemäß Art. 96 ff. "Scotland Act 1998" Entscheidungen des "Judicial Committee of the Privy Council" in Bezug auf die Auslegung des "Scotland Act 1998" beugen muss. Der "Privy Council" ist durch den "Scotland Act 1998" zum obersten Gericht für Fragen erklärt worden, die im Zusammenhang mit möglichen Streitfällen bezüglich der Auslegung des "Scotland Act 1998" sowie dessen Kompetenzregelungen auftreten könnten. 7 ! 4. "Quangos" und andere Besonderheiten vertikaler Verwaltungsgliederung im Vereinigten Königreich Die sog. "quangos", kurz für "quasi-non-governmental organisations", bildeten bisher eine faktische Zwischeninstanz zwischen "centrai" und ,,10cal government". "Quangos" sind Körperschaften und Organisationen mit planenden, administrativen und beratenden Funktionen, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts in immer ausdifferenzierterer Form Kompetenzen erhalten oder an sich gezogen haben, und dabei nur sehr eingeschränkt einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen. 72 Zu Beginn der Thatcher-Regierungszeit 1979 stellte eine parlamentarische Untersuchung fest, dass im Königreich 3068 nichtministerielle Körperschaften und Organisationen existierten, in denen ca. 40.000 Angestellte ihren Dienst verrichteten. Es fällt aufgrund deren sehr unterschiedlicher Aufgaben und Zuständigkeiten schwer, sie zu kategorisieren oder typologisieren. 73 Sie sind teilweise Ausgliederungen von Ministerien, nehmen teilweise Funktionen war, die in Deutschland etwa die Bezirksregierung bzw. der Regierungspräsident wahrnehmen, oder sind einfach entstanden, weil irgendwann einmal ein Bedürfnis bestand, ortsnah mit Informationen versorgt zu werden, ohne dass dann in regelmäßigen Abständen die weitere Existenznotwendigkeit überprüft worden wäre. "Quangos" können sowohl vom Parlament als auch von der Regierung und einzelnen Ministerien errichtet werden. Vgl. zum schottischen Zivilrecht ausführlich: Walker (2001), S. 215 ff. Vgl. hierzu auch die Rede des Lord Advocate auf der Konferenz der Strathc1yde Universität zu Fragen der "Scottish Devolution": "What Devolution means for Scots Law and Scottish Lawyers", 27.02.1998 (www.scottish-office.gov.uk"). 72 Vgl. für eine exemplarische Aufstellung von Bereichen, in denen "quangos" existieren (existierten): Gray (1994), S. 17 ff. 73 Malanczuk (1994), S. 123. 70 71

I. Verfassungs theoretischer Hintergrund

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Zu den "quangos" zählen auch die so genannten "advisory bodies", die, wie der Name schon sagt, in erster Linie beratende Funktion haben, ohne Entscheidungskompetenzen zu besitzen. Des Weiteren werden zu ihnen auch weitere "public bodies" wie "authorities", "agencies", "councils" oder "boards" gezählt, die, teils durch Parlamentsgesetz errichtet, nunmehr relativ unabhängig und vor allem unkontrolliert bestehen. 74 Die Beziehungen zwischen den "quangos" und den Ministerien bzw. dem Parlament variieren und hängen von dem Grund ihrer Errichtung bzw. den zugrunde liegenden Verordnungen oder Gesetzen ab. 75 Eine mögliche Klassifizierung und Ordnung der "quangos" schlägt die britische Regierung vor76 : An der Spitze stehen danach solche öffentlichen Körperschaften, die mit "nationalised industries and similar commercial organisations" zu tun haben. Von diesen bestehen allerdings nicht mehr besonders viele; insgesamt konzentrieren sich diese auf Unternehmen des öffentlichen Wohls bzw. der öffentlichen Grundversorgung mit Wasser, Verkehr oder Elektrizität und Gas. Eine weitere Kategorie bilden verschiedene Körperschaften, die "subject to separate and specific arrangements of accountability and financial control" sind. Hierzu gehören etwa die "Covent Garden Market Authority" oder auch die "Bank of England", ebenso die BBC oder die "Independent Television Commission". Einen großen weiteren Block bilden die "National Health Service bodies", kurz NHS. Hiervon bestanden im Jahr 1996 insgesamt 429. Sie entstanden alle infolge des "National Health Service Act 1977" und bilden heute das Rückgrat des britischen Gesundheitssystems. Den größten Block bilden sodann die "quangos" im engeren Sinne, die sich, wie schon ausgeführt, nur sehr schwer weiter klassifizieren lassen. Insgesamt wurden im April 1996 1194 solcher Körperschaften und Institutionen gezählt. Der "Wales Act 1998" überträgt der Regionalkammer die Aufgabe, das System der "quangos" grundlegend zu reformieren. Anhang 4 des "Wales Act" nennt einige derartige Körperschaften und Institutionen, die insbesondere reformiert werden sollen bzw. auf deren Bestand die Regionalkammer nunmehr Einfluss erhalten soll. Einige exemplarisch herausgegriffene Körperschaften sollen als Beispiel dienen, in wie vielen Bereichen der "quango-state" zwischenzeitlich Bedeutung erlangt hatte: 74 75 76

6 Mey

Malanczuk (1994), S. 124; Dunleavy (1997), S. 185. Bradley/Ewing (1997), S. 333. Zitiert nach: Bradley/Ewing (1997), S. 331 f.

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

• The Wales Tourist Board • The Further Education Funding Council for Wales • The Historic Building Council for Wales • The Library Advisory Council for Wales • The Welsh Development Agency 77 • The Welsh Language Board • The Welsh National Board for Nursing, Midwifery and Health Visiting • The National Library of Wales • The Arts Council of Wales • The Standing Dental Advisory Committee • Food from Britain • The Horne Grown Cereals Authority • The Milk Development Council usw. Gründe für das Anwachsen dieser exzessiven "Nebenverwaltung" liegen darin, dass zum einen diese Körperschaften vor Ort sachnah Entscheidungsgrundlagen sammeln und gegebenenfalls auch Entscheidungen treffen können, zum anderen darin, dass eine Notwendigkeit gesehen wurde, auch außerhalb der Kontrolle der Ministerien durch den Finanzminister und der Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Parlament bestimmte Entscheidungen zu treffen und auch durchsetzen zu können, was im Ministerium selbst nicht möglich gewesen wäre. 78 Damit entziehen sich die "quangos" einer effektiven parlamentarischen Kontrolle, was nicht im Sinne des Demokratieprinzips und einer effektiven Gewaltenteilung bzw. Kontrolle der Verwaltung sein kann. Dies war auch den Briten schon immer durchaus bewusst. 79 Die gerichtliche Kontrolle ist aufgrund der als eigenständigem Gerichtszweig nicht existierenden Verwaltungsgerichtsbarkeit nur sehr eingeschränkt möglich. Daher verbleiben als Kontrollmöglichkeiten eine indirekte parlamentarische Einflussnahme sowie ministerielle Weisungen. Bereits die Thatcher-Regierung versuchte, Auswüchsen des quango-Staates entgegenzutreten. So wurden Anfang der 80er Jahre insgesamt 240 "executive" und "advisory bodies" aufgelöst. Weitere "quangos" verschwan77 78 79

Vgl. hierzu genauer Kapitel B III 6 g ee. Bradley/Ewing (1997), S. 328 f. Vgl. hierzu aus den 70iger Jahren des 20. Jahrhunderts: Doig (1978), S. 86 ff.

I. Verfassungstheoretischer Hintergrund

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den in den folgenden Jahren, als die Thatcher-Regierung daran ging, die britische Wirtschaft nachhaltig umzugestalten. Viele Unternehmen wurden privatisiert, ganze Wirtschaftszweige radikal umstrukturiert oder aufgegeben. Dementsprechend wurden viele "public bodies" ebenfalls überflüssig und abgeschafft. Gleichzeitig entstanden jedoch neue, da nunmehr die privaten Wirtschaftseinheiten nach Ansicht der Regierung ebenfalls einer gewissen Regelung bedurften. So wurde beispielsweise unter dem "Gas Act 1986" ein neuer "Gas Consumer Council" geschaffen, der fortan die Aufgabe hatte, die privatisierte Gasindustrie zu überwachen. 8o Ähnliches geschah in den Bereichen Telekommunikation, Elektrizität und Wasser sowie Radio und Fernsehen. Durch die Regionalisierung Großbritanniens stellt sich die Frage nach dem System der "quangos" mit neuer Schärfe. Wie gerade schon angedeutet, hat die walisische Regionalkammer nunmehr die Aufgabe erhalten, das System der "quangos" zu überprüfen und gegebenenfalls auf die neuen Strukturen und Erfordernisse anzupassen. Das schottische Regionalparlament trägt die volle Verantwortung für sämtliche schottischen "public bodies" bzw. "quangos", und ist auch für Organisation und finanzielle Ausstattung des NHS in Schottland verantwortlich. 81 Obwohl nicht explizit im "Scotland Act 1998" enthalten, lässt sich dies doch im Umkehrschluss ableiten, da sich für diesen Bereich die Regierung in Whitehall und das Parlament in Westminster keine Rechte vorbehalten haben. Für das Gebiet Englands sind bisher noch keine größeren Reformvorhaben des "quangoSystems" bekannt geworden; in der Literatur wird ihre Reform im Zusammenhang mit einer vertieften Regionalisierung Englands diskutiert. 82 Die Reform des "quango-state,,83 gehörte mit zum Wahlprogramm der Regierung Blair für die Parlamentswahlen 1997. Zwar gibt es bis heute eine Vielzahl verschiedener Körperschaften und Institutionen, deren demokratische Legitimation in Teilen bezweifelt werden kann; dennoch hat die Regionalisierung dazu geführt, dass das gesamte System zumindest in Wales und Schottland auf den Prüfstand gestellt worden ist. In diesem Sinne trägt die Regionalisierung dazu bei, dass die Prinzipien der Gewaltenteilung, der Subsidiarität und der demokratischen Kontrolle von staatlichen Institutionen gestärkt werden und für die Bürger dieses System der "Nebenverwaltung" transparenter gemacht wird.

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83 6*

Bradley/Ewing (1997), S. 330. Vgl. hierzu auch "White Paper: Scotland's Parliament", Ziff. 6. So: Tomaney, in: Hazell (2000), S. 119 f. Dunleavy u. a. (1997), S. 184.

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

11. Schottland "Without a Parliament of our own, Scotland will continue to be Europe' s invisible nation." George Reid, SNp84

1. Von den Anf"angen schottischer Staatlichkeit bis zum Jahr 1978/79

a) Einführung

Nach diesem allgemeinen Überblick über einige Besonderheiten des britischen Rechts- und Verfassungssystems soll nun auf die historischen wie aktuellen Entwicklungen in den Regionen des Vereinigten Königreiches wesentlich präziser eingegangen werden. Gerade unter dem hier gewählten kulturwissenschaftlichen Ansatz und der als Analyseinstrument heranzuziehenden Textstufentheorie kommt der historischen Entwicklung eine entscheidenden Bedeutung zu. Worin liegen die Wurzeln des schottischen Regionalismus, und, noch grundsätzlicher, wann kann man zu ersten Mal von so etwas wie schottischer Staatlichkeit oder schottischer Nation sprechen? Welches waren die Bedingungsfaktoren, die durch die Jahrhunderte hindurch sowohl ein ausgeprägtes schottisches Nationalbewusstsein haben entstehen lassen? Mit welchen Mitteln haben es die Schotten geschafft, innerhalb des britischen Zentralstaates ihre schottisches Bewusstsein, ihre spezifischen schottischen Traditionen und Besonderheiten zu konservieren und/oder lebendig zu halten? Welche politischen und gesellschaftlichen Strömungen haben den Regionalismus lebendig gehalten und immer wieder angetrieben? Dies sind alles Fragen, die auch in der hier vorgestellten kulturwissenschaftlich-juristischen Betrachtung eine große Rolle spielen müssen, da ohne eine genaue Analyse der historischen Entwicklung und der historischen wie kulturellen Bedingungsfaktoren eine Einordnung und ein Verständnis für die jetzt sei einigen Jahren in Gang gekommenen fundamentalen Veränderungen im britischen Staatsgefüge nicht verständlich sind. Wie ist es also zu erklären, dass die Schotten als Volk, das sich seiner geschichtlichen, kulturellen und geographischen Wurzeln durch die Jahrhunderte immer bewusst gebliebenen ist, nunmehr endlich der Zentralregierung in London einen Teil ihrer Kompetenzen abgetrotzt haben? Um den Gründen hierfür auf die Spur zu kommen, muss zunächst ein Blick auf die historische Entwicklung Schottlands als einst unabhängiges 84

He Deb., 24 July 1997, c 1046.

11. Schottland

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Königreich geworfen werden. Bereits hierdurch wird klar werden, warum auch heute noch im schottischen Bewusstsein die entscheidenden Identifikationsfiguren und die entscheidenden nationenbildenden Ereignisse in den Jahrhunderten vor dem Jahr 1707 liegen.

b) Kurzer Abriss über die Geschichte Schottlands bis zum Jahr 1707 Im Folgenden soll keine historische Untersuchung der Geschichte Großbritanniens bzw. Schottlands gegeben werden, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengte. Solche Untersuchungen liegen zudem bereits vor. 85 Vielmehr soll anband einiger wichtiger, wegweisender historischer Ereignisse versucht werden, dem Phänomen der eigenständigen schottischen Nation auf die Spur zu kommen. Das eigentliche Schottland bildete sich zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert n. Chr. aus einer Vereinigung von fünf Volksstämmen: der vorindogermanischen Urbevölkerung (von dem Römern als "Pikten", die Bemalten, bezeichnet), den "Skoten" genannten keltischen Iren, die seit dem 5. Jahrhundert das Gebiet an der Westküste kolonisieren, den Briten im Südwesten, den Angelsachsen im Südosten und seit dem 9. Jahrhundert den Wikingern, die die Küstengebiete besetzten. Seit dem 10. Jahrhundert setzte sich der Name "Schottland" für die Region durch. 86 Im Jahr 843/844 n. Chr. vereinigten sich unter König Kenneth MacAlpin von Dalriada die Skoten mit den Pikten zu einem Königreich Alba ("Kingdom of Scotia"); dies wird von vielen als Ausgangspunkt einer eigenständigen schottischen Geschichte betrachtet. 87 Knapp 20 Jahre später brachte sein Enkel Duncan 11. das Gebiet der westlichen Lowlands unter die Krone. 1018 eroberte König Malcolm 11. das Gebiet Lothian und fügte den Angelsachsen damit eine schwere Niederlage zu. Damit entstand das Gebiet, das etwa das heutige Schottland umfasst. Als Ergebnis dieser Vereinigung der Gebiete von drei Volksstämmen ist das Land dreisprachig: auf den Inseln und im hohen Norden wird Skandinavisch gesprochen, nördlich des Forth gälisch und in Lothian englisch. Andrew Marr bezeichnet das damalige Schottland als "poised somewhere between a tiny multicultural empire and a rather grand tribaI federation ...88 85 Vgl. etwa (aus der deutschen Literatur) Kastendiek u. a. (1998); Ploetz (1993); Wende (1995). 86 Ploetz (1993), S. 105. 87 Marr (1992), S. 9.

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

In der Folgezeit konzentrierte sich das Hauptaugenmerk der schottischen Herrscher, die sich seit dem 11. Jahrhundert Könige nannten, darauf, die immer stärker werdenden Expansionsbestrebungen des stärkeren südlichen Nachbarn, Englands, abzuwehren. Die Dynastie der Canmores (1057 bis 1286) verschwägerte sich fortwährend mit den anglo-normannischen Königen und war damit Träger englischer Kronlehen. Die schottische Oberschicht wurde dadurch in die kirchlich-ritterliche Kulturgemeinschaft des Südens einbezogen. Im Gegensatz zu den Lowlands, in denen der englische Einfluss, bedingt durch die Eroberung Englands durch die französischen Normannen unter William the Conqueror 1066 und zunehmende Fluchtbewegungen englischer Adliger und englischer Bildungseliten in das südliche Schottland einsetzte, herrschte in den Highlands das ursprünglich keltische, eher patriarchalische als feudale Clanswesen. 89 Im 12. Jahrhundert wurde deswegen zum ersten Mal eine wachsende Kluft zwischen den rein keltischen Highlands und den zunehmend durch englische Sprache und Tradition bestimmten Lowlands (unterhalb der Linie Glasgow - Edinburgh) spürbar. Im Jahr 1192 wurden die schottischen Bistümer unmittelbar Rom unterstellt; damit einher geht die Anerkennung der Autonomie der schottischen Kirche (durch die Bulle "filia specialis") und damit eine Stärkung der schottischen Unabhängigkeit. Als im Jahr 1295 Edward I. von England die Schotten wegen eines Konflikts mit Frankreich zu Lehnsdiensten zwingen will, verbünden sich die Schotten mit Frankreich und bilden eine für England selbst bedrohliche Allianz ("Auld Alliance,,90). Diese Allianz bestimmte für die nächsten nahezu 300 Jahre die Außenpolitik Schottlands. Nachdem durch die Verwaisung des Thrones (Zweites Interregnum 1296 bis 1306) Edward I. persönlich die Herrschaft über Schottland übernommen hatte, erhoben sich die Schotten 1297 unter Führung des späteren schottischen National- und Freiheitshelden William Wallace gegen die Engländer. In der Schlacht von Falkirk 1298 wurden die aufrührerischen Schotten von den Engländern jedoch geschlagen und Wallace wegen seines "Verrates" festgenommen und 1305 unter martialischer Folter hingerichtet. Auch heute noch gilt Wallace bei vielen als Symbolfigur schottischen Widerstandes gegen den englischen Hegemonialanspruch. 91 So bezeichnet Marr (1992), S. 9. Ploetz (1993), S. 106. 90 Vgl. hierzu wesentlich genauer: www.bbc.co.uk/history/scottishhistory/europe/ features_europe_auldalliance.shtml ?survey. 91 Marr (1992), S. 12. 88

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11. Schottland

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die renommierte "Collins Encyclopaedia of Scotland" Wallace schlicht als "Patriot" und "Begründer des schottischen Nationalismus. ,,92 Als Patriot machte sich auch Robert the Bruce verdient, da er, nachdem er seinen mächtigsten Rivalen im Kampf um den schottischen Thron ermordet hatte, als König Robert I. in der Schlacht von Bannockbum 1314 Eduard 11. von England geschlagen und damit die Unabhängigkeit Schottlands gesichert hatte. Auch er gilt heute noch als Symbol schottischer Unabhängigkeit. 93 Bannockbum wurde in der Folgezeit der Union von 1707 persönlicher und politischer Wallfahrtsort zehntausender Schotten, die dort den militärischen Erfolgen ihrer einst unabhängigen Nation gedachten. 94 Robert Bumes (1759 bis 1796)95, einer der schottischen Nationaldichter, widmete Wallace und Robert the Bruce das patriotische Gedicht "Scots wha hae", das im frühen 19. Jahrhundert von schottischen Nationalisten als Kriegshymne verwendet wurde. Da es sich hierbei um ein höchst kraftvolles und patriotisches Werk handelt, dass für viele als die eigentliche schottische Nationalhymne gilt, soll es im Folgenden in voller Länge wiedergegeben werden:

Collins Encyclopaedia (1995). Collins Encyclopaedia (1995), "Robert I the Bruce". 94 Marr (1992), S. 12. 95 Bums und seine Werke sind auch heute noch fester Bestandteil der schottischen Nationalkultur. Durch den Südosten Schottlands führt eine Straße mit blauen Verkehrszeichen, die einen Dichter im Schilde führen, den Kopf von Robert Bums ("Bums Heritage Trail"). Er, nicht Walter Scott, wird als der Nationaldichter Schottlands angesehen. Sein Geburtshaus im Dorf Alloway steht nach wie vor nach den Königsschlössern von Edinburgh und Stirling auf Platz 3 der "Hitliste" des Scottish Tourist Board (Sager (1993), S. 34). Sein immens großes Werk (einige sprechen von bis zu 1000 Gedichten) sowie seine Ausdruckskraft, seine Fähigkeit, die Schönheiten der schottischen Landschaften mit politischen Inhalten und Postulaten zu kombinieren, haben nicht nur unter den schottischen Nationalisten, sondern in aller Welt mittlerweile einen regelrechten Bums-Kult ausgelöst. Schaut man im Internet unter Robert Bums, wird man auf hunderten von Seiten fündig; nahezu alle seine Gedichte sind dort mittlerweile frei abrufbar. Die amerikanische Folkloreforscherin Mary Ellen Brown äußerte sich dazu wie folgt: "The complete history for the Bums Suppers (... ) can certainly never been wirtten, for the custom was a spontaneous growth and its celebrants are now found all over the world." (Brown, 1984). Insbesondere diese Dichtungen vermittelten den "einfachen" Menschen, die nach der Union mit England von 1707 ein Stück "heimatloser" geworden waren, wieder ein Stück nationaler Identität. 92 93

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Robert Bruce's March To Bannockburn 1793 Scots, wha haewi' Wallace bled, Scots, wham Bruce has aften led, Welcorne to your gory bed, Or to Victorie! Now's the day, and now's the hour; See the front 0' battle lour; See approach proud Edward's powerehains and Slaverie! Wha will be a traitor knave? Wha can fill a coward's grave? Wha sae base as be a Slave? Let hirn turn and flee ! Wha, for Scotland's King and Law, Freedorn's sword will strongly draw, Free-rnan stand, or Free-rnan fa', Let hirn on wi' rne! By Oppression's woes and pains! By your Sons in servile chains! We will drain our dearest veins, But they shall be free! Lay the proud Usurpers low ! Tyrants fall in every foe! Liberty's in every blow! Let us Do or Die!

Die Begeisterung über die Siege der beiden schottischen Patrioten Wallace und Robert I. the Bruce kommt in wohl keinem anderen Werk schottischer Literatur und Dichtung eindrucksvoller zum Ausdruck. Für die Freiheit gekämpft und gestorben, und diese Freiheit, so verspricht der Dichter, soll fortan mit allen Mitteln verteidigt werden. Freiheit oder Tod - mit dieser Aufforderung schließt das Gedicht von Robert Burnes. Nach dem Sieg in der Schlacht von Bannockbum erfolgte 1328 ein Friedensschluss mit England; in der Folgezeit wurde Robert I. the Bruce auch vom Papst als König anerkannt. Zuvor wurde 1320 die sog. "Deklaration von Abroath" verkündet, in der die englischen Eingriffe in die schottischen Verhältnisse, begründet in der auf englischen Druck hin verhängten päpstlichen Exkommunikation - und damit kirchlichen Rechtslosstellung - von Robert 1., sehr deutlich zurückgewiesen wurden. Bannockburn wird von Donald Watt sogar als Wendepunkt schottischer Geschichte bezeichnet: hätten die Schotten keinen Erfolg erzielen können,

11. Schottland

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wäre die weitere Entwicklung Schottlands in den folgenden Jahrhunderten der Entwicklung von Wales immer ähnlicher geworden. 96 In den folgenden Jahrzehnten nach Bannockburn bis zur Übernahme der Herrschaft durch die Stuarts wurden, als Folge des abendländischen Schismas 97 , eigene schottische Universitäten gegründet. 98 Auf politischer Ebene sind diese Jahre durch fortgesetzte Streitigkeiten mit England und Adelsaufstände gekennzeichnet; 1488 wird Jakob 111. 99 in einem Aufstand unter Beteiligung des Thronfolgers getötet. Sein Nachfolger Jakob IV. 1OO heiratete 1503 Margarete Tudor, die nach dem Tod ihres Mannes 1513 in einer vernichtenden Schlacht gegen das Heer der Engländer in Flodden Field die Regentschaft für ihren noch minderjährigen Sohn übernahm. Nach der Übernahme der Herrschaft durch diesen als Jakob V. kam es, bedingt durch seinen absolutistischen Herrschaftsstil, zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Heinrich VIII. von England. 1542 wurde schließlich Maria Stuart geboren; bereits ein Jahr später schlossen das schottische und das englische Königshaus einen Vertrag, in dem festgelegt wurde, dass Maria Stuart mit dem englischen Thronfolger Edward verheiratet werden solle. Heinrich VIII. bezweckte damit eine Vereinigung beider Länder auf dem friedlichen Weg einer Heirat. Nachdem dieser Vertrag durch das schottische Parlament nicht ratifiziert wurde, kam es erneut zu kriegerischen Auseinandersetzungen und zu einem Zitiert nach: Marr (1992), S. 13. Das Schisma bezeichnet die Zeitspanne zwischen 1378 und 1417, als zwei Päpste in der westlichen Kirche gleichzeitig Anspruch erhoben, das legitime Oberhaupt der katholischen Kirche zu sein. Das große Schisma des Abendlandes hatte mit der umstrittenen Wahl des Papstes Urban VI. im Jahr 1378 begonnen. Aufgrund seines Verhaltens versagten ihm die Kardinäle den Gehorsam, erklärten seine Wahl für ungültig und wählten Clemens VII. zum Papst. Daraufhin exkommunizierte Urban Clemens und seine Anhänger und gründete ein eigenes Kardinalskollegium. Clemens VII. ging daraufhin nach Avignon und besiegelte damit das Schisma. 1417 traten die rivalisierenden Päpste zurück; gewählt wurde Martin V., womit das Abendländische Schisma beendet wurde. Das Schisma hatte allgemein die Stärkung des Konziliarismus zur Folge und verstärkte den Ruf nach Reformen, der schließlich in der protestantischen Reformation gipfelte. 98 St. Andrews 1414; Glasgow 1456; Aberdeen 1494. 99 Durch die Heirat Jakobs 111. mit der Tochter des norwegischen Königs werden die Orkney- und die Shetland-Islands als Mitgift in das Königreich eingebettet. 100 Jakob IV. geht als der wohl populärste der Stuart-Könige in die Geschichte ein: er gilt als maßvolle, gebildete Integrationsfigur, und lernt sogar die gälische Sprache, um sich besser mit den Highland-Clans arrangieren zu können. Unter seiner Herrschaft hält die Renaissance in Schottland Einzug; es findet eine Rückbesinnung auf das antike Kulturerbe statt, es entstehen prachtvolle Kirchen und PalastBauten, die die Wissenschaften und Künste erfahren eine große Förderung. Schottland machte damit einen großen "zivilisatorischen" Schritt von der Peripherie auf die Bühne der europäischen Nationalstaaten. 96 97

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Vergeltungsschlag des Herzogs von Hertford mit schweren Verwüstungen in Südostschottland. 1561 übernahm Maria Stuart schließlich den Thron. Durch ihre Heirat mit Henry Stuart Lord Damley, einem Urenkel Heinrichs VII. von England, wurde der englische Anspruch auf den schottischen Thron erheblich gestärkt. Nach dessen Tod und einer erneuten Heirat mit dem mutmaßlichen Mörder ihres Ex-Mannes wurde Maria Stuart zur Abdankung zugunsten ihres Sohnes Jakob VI. gezwungen und gefangen genommen. 1587 wurde sie schließlich, nachdem mehrere missglückte Versuche, sie zu befreien, zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen geführt hatten, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ihr Sohn, Jakob VI., ein Protestant lO1 , bemühte sich in der Folgezeit um einen Ausgleich mit Elisabeth I. von England. 1586 schlossen sich Schottland und England im Vertrag von Berwick zu einem Schutzbündnis gegen Frankreich zusammen und sicherten sich gleichzeitig die freie Religionsausübung der anglikanischen bzw. calvinistischen Konfession zu.

Mit dem Tod der kinderlosen englischen Königin Elisabeth I. 1603 kam gemäß ihres letztes Willens und mit Zustimmung des Parlaments durch Erbfolge das schottische Königshaus der Stuarts auf den englischen Thron. Damit wurde England mit Schottland in einer Personalunion verbunden. Jakob I. (der zuvor als Jakob VI. über ein Vierteljahrhundert über das durch den Reformator John Knox zum Calvinismus bekehrte Schottland geherrscht hatte) und einziger Sohn Maria Stuarts wurde zum ersten englischen Stuart-König (1603-1625). Schottland und England wurden fortan von einem gemeinsamen König regiert, mit Sitz in London. Von einer politischen Union Schottlands mit England konnte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine Rede sein, obgleich Jakob I. immer wieder versuchte, beide Seiten auch politisch und staatsrechtlich zu einen. Die Parlamente, Kirchen und auch die Gesetzgebung der Territorien blieben getrennt. Allerdings wurden durch eine Verordnung Jakobs I. fortan alle Schotten in England als Inländer behandelt, und im Gegenzug hierzu gestattete ein schottisches Parlamentsgesetz von 1607 den Engländern den Landerwerb in Schottland. Damit hatte die Personalunion zumindest zur Folge, dass die Bewohner beider Staaten im jeweils anderen Territorium rechtlich gleichgestellt wurden. 102 101 Zu jener Zeit ist die Reformation das Hauptthema in Europa. Überall spalten sich die christlichen Nationen in zwei Lager, und England hatte sich zu dieser Zeit bereits von Rom gelöst. In Schottland setzte sich unter dem starken Einfluss des Volkspredigers lohn Knox der Protestantismus ebenfalls durch; damit waren beständige Konflikte bereits mit Maria Stuart vorprogrammiert. Maria, in Frankreich streng katholisch erzogen, hielt zeitlebens an der Forderung fest, den katholischen Glauben weiterhin frei praktizieren zu dürfen. 102 Hatschek (1905), S. 180 f.

11. Schottland

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Während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts versuchten beide Seiten immer wieder, durch Verhandlungen eine politische und staatsrechtliche Vereinigung beider Staaten herbeizuführen. Dies scheiterte jedoch an nationalen Interessen; die Engländer waren nicht bereit, ihre Handelsprivilegien aufzugeben und Schottland damit den Zugang zu den kolonialen Märkten zu ermöglichen. 103 Während der Regierungszeit Oliver Cromwells wurden sowohl England als auch Schottland und Irland unter einer gemeinsamen Legislative und Exekutive vereint. Dies dauerte jedoch nur wenige Jahre (1651-1658).104 Mit dem Tod Cromwells löste sich dieser Verbund wieder auf. Während der Regentschaft von Charles 11. (1660-1685) blieben sämtliche Versuche, eine wirtschaftliche Union oder einen parlamentarischen Verbund zu schaffen, erneut erfolglos.105 Sein Versuch, den französischen Absolutismus zu kopieren und die Restauration der anglikanischen Staatskirche durch den "Act of Uniformity 1662" voranzutreiben, führte zu neuen Spannungen zwischen der Krone und dem Parlament in England, beeinflusste aber auch das Verhältnis zu Schottland. Da das englische Parlament mittlerweile stark an Bedeutung gewonnen hatte, zwang es 1679 dem König die Habeas-Corpus-Akte ab 106 . Der Nachfolger Charles des 11., Jakob 11., führte England mit seinem Versuch, als Katholik eine katholische Restauration herbeizuführen, direkt in die "Glorious Revolution" von 1688. Die Revolution nahm einen unblutigen Verlauf, Jakob 11., ein Angehöriger der Stuarts, musste jedoch abdanken und floh nach Frankreich. 107 Für Schottland bedeutete die Entmachtung der Stuarts ein Machtzuwachs des schottischen Parlamentes 108. Das schottische Parlament verabschiedete 1689 die "Scottish Claim of Right", das ähnliche Ansprüche und Forderungen enthielt wie die "Bill of Rights". Außenpolitische Umstände wie die Gefahr, dass das traditionell franzosenfreundliche Schottland im spanischen Erbfolgekrieg zwischen England und Frankreich als offene Flanke erweisen könnte, wie auch das Bemühen, die Zustimmung des schottischen Parlamentes zum "Act of Settlement" von 1701 zu erreichen, förderten die Verhandlungsbereitschaft des englischen Parlamentes, nach dem Ende der Herrschaft der Stuarts doch noch zu einer politischen Union mit Schottland zu kommen. 109 103 104

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Pryde (1962), S. 17 ff. Pryde (1962), S. 3. Malanczuk (1984), S. 35. Vgl. Kapitel B IV 1 c. dtv-Atlas zur Weltgeschichte (1998), S. 269. Kastendiek (1998), S. 71 f.

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Am 16. Januar 1707 wurde der "Union with England Act" durch das schottische Parlament verabschiedet. 110 Er bestand aus 25 Artikeln. Gleichzeitig wurde ein Gesetz verabschiedet, dass die Rechte der schottischen presbyterianischen Kirche sichern sollte {"Act for securing the protestant religion and presbyterian church government within the Kingdom of Scotland,,).I!! Es heißt dort wörtlich: "Our sovereign Lady, and the estates of parliament, considering that by the late act of parliament, for a treaty with England for an union of both kingdoms, it is provided: That the commissioners for that treaty should not treat of or conceming any alteration of the worship, discipline, and govemment of the church of this kingdom as now by law established: which treaty being now reported to the parliament and it being reasonable and necessary that the true protestant religion, as presently processed within this kingdom, with the worship, discipline, and govemment of this church, should be effectually and unalterably secured: (... )." Darüber hinaus enthält dieses Gesetz auch die Garantie, dass Schottland ein eigenes Universitätssystem behalten dürfe: "III. And further, for the greater security of the foresaid protestant religion, and of the worship, discipline, and govemment of this church, as above established, her Majesty, with advice and consent aforesaid, statutes and ordains, That the universities and colleges of Saint Andrew, Glasgow, Aberdeen and Edinburgh, as not established by law, shall continue within this kingdom for ever; (... )" Das englische Parlament verabschiedete den "Act of Union" am 6. März 1707. 112 Es ist wortgleich mit dem vom schottischen Parlament verabschiedeten Entwurf. Es enthält darüber hinaus im Anhang den Wortlaut des schottischen Gesetzes zum Schutze der Kirche. Zum Schutz der "Church of England" wurden eigene Bestimmungen verabschiedet und in den "Act of Union" eingefügt. Bezüglich der Wahl der schottischen Parlamentsabgeordneten nahm das englische Parlament Bezug auf ein Gesetz des schottischen Parlamentes, das zuvor die Rahmenbedingungen für Wahl und Auswahl der schottischen Abgeordneten im neuen gemeinsamen Parlament geregelt hatte.! 13

Kastendiek (1998), S. 72. A.P.S. XI 406, c. 7, "Act Ratifying and Approving the Treaty of Union of the Two Kingdoms of Scotland and England". 109

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Anne, c. 8, 11. Anne, c. 8. A.P.S. XI, 425.

H. Schottland

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aa) Beurteilung der Union aus schottischer Sicht "We're bought and sold for English gold; Such a parcel of rogues in a nation!" Robert Bumes zum Unionsvertrag von 1707114

Auf der schottischen Seite war die Union offensichtlich eher unpopulär. Ohne die Union bestand jedoch die realistische Gefahr, dass die katholischen Stuarts ansonsten auf den schottischen Thron zurückkehren würden. 115 In dieser Situation entschied sich das schottische Parlament, einer Vereinbarung über die Mitarbeit von 45 schottischen Abgeordneten im britischen Unterhaus (von insgesamt 558 Abgeordneten) sowie der Entsendung von 16 Peers in das Oberhaus (von insgesamt 206) zuzustimmen. Schottland behielt jedoch unter anderem seine eigene Staatskirche, sein Rechtssowie sein Schul- und Universitätswesen. Der Verlust des eigenen Parlamentes bedeutete dabei für die meisten Schotten zu diesem Zeitpunkt keinen großen Verlust, da die Kirchenversammlung der presbyterianischen Nationalkirche viel stärker als Stimme des Volkes verwurzelt war. 116 Zudem blieben den Schotten - anders als 170 Jahre zuvor den Walisern - Symbole ihrer Unabhängigkeit erhalten. Es setzte sich in den Köpfen der Schotten das Bewusstsein fest, dass es sich um eine freiwillige Union mit England handelte, so dass die Vereinbarungen jederzeit verhandelbar blieben bzw. auch aufgelöst werden konnten. Träger der Union war das schottische Bürgertum, dem sich jetzt völlig neue politische und ökonomische Entwicklungschancen boten. Zum einen wurden sämtliche Handelsschranken aufgehoben, zum anderen bestand nun die Chance, sich im gesamten (wachsenden) britischen Empire wirtschaftlichen und politischen Einfluss zu erkämpfen. 117 Mit der Union von 1707 ging die schottische staatliche Eigenständigkeit zu Ende, nicht jedoch das Bewusstsein um eine eigene schottische Identität. Im 19. Jahrhunderts wurde der Gedanke von dynastischer, lehensrechtlicher Legitimation der Macht und territorialer Vorherrschaft zunehmend durch die Idee der Volkssouveränität und der Bedeutung eines Staates als Nation abgelöst. II 8 Das Vereinigte Königreich blieb zumindest aus der Sicht des Zitiert nach: Denver u. a. (2000), S. xv. Mackie (1978), S. 257 ff. 116 Harvie (1977), S. 29 ff. 117 Kastendiek (1998), S. 72 f. 118 Philosophisch vorbereitet unter anderem durch lohn Locke und seine Abhandlung von 1689 "Two treatises of govemment". Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass 1717 in London die erste Großloge der "Freimaurer" gegründet wurde; ihre Ideale bestehen in einem umfassenden Humanismus unabhängig von 114

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

englischen Kernlandes ein territorialer Vielvölkerstaat. Unter dem Eindruck des "Problems Irland" entstand 1886 die "Scottish Horne Rule Association". Sie hatte sich ähnlich der irischen "home-rule-Bewegung" zum Ziel gesetzt, sämtliche politischen Entscheidungsprozesse wieder nach Schottland und an ein gewähltes schottisches Parlament zurückzuverlagern. Durch diese Entwicklungen kam es Ende des 19. Jahrhunderts zu einer echten Krise der Integrationsfähigkeit des Vereinigten KönigreichesY9 In Schottland fand eine Rückbesinnung auf das nach den Jakobitenaufständen 1746 120 abgeschaffte Amt des Schottlandministers statt; die neu aufbrechenden nationalistischen Tendenzen veranlassten die Zentralregierung 1885 schließlich, das heute noch bestehende "Scottish Office" einzurichten. Mit dieser Einrichtung schaffte es die Zentralregierung in London, die lauter werdenden Rufe nach Gleichbehandlung mit Irland in Fragen der Regionalautonomie zunächst weitgehend verstummen zu lassen. Bis Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die britische Regionalpolitik weiterhin von der nach wie vor ungelösten Irland-Frage bestimmt. Erst in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg und der mit der Weltwirtschaftskrise Anfang der 20er Jahre einhergehenden Rezession wurden in Schottland und Wales wieder die Frage laut, ob nicht durch nationale Selbständigkeit längerfristig derartige Krisen besser gemeistert werden könnten als in der Union mit England. Direkt nach dem Ende des 1. Weltkrieges war zuvor in Schottland der Versuch unternommen worden, die "Scottish Horne Rule Association" wieder ins Leben zu rufen. 121 Diese Organisation versuchte, insbesondere im liberal-sozialistischen Lager Unterstützung für die Forderung nach einem schottischen Parlament zu gewinnen. Darüber hinaus wurden noch andere, wesentlich radikalere Gruppen gegründet. Hierzu gehörte die Gründung der "National Party of Scotland" 1928, die 1934 mit der Anfang der 30er Jahre Religionen und Weltanschauungen und im Bewußtsein der Freiheit jedes menschlichen Individuums. Hiermit verträgt sich die Idee der absolutistischen Herrschaft eines "gottgewollten" Autokraten nicht mehr. 119 Kastendiek (1998), S. 75. 120 Der Begriff der Jakobiten geht auf die schottische Stuart-Dynastie zurück. Auch nach der Union mit England haben viele "jakobitische" Highland-Clans ihren im Exil lebenden Stuarts die Treue gehalten. Ein letztes Mal versuchten die Jakobiten im Jahr 1745/46, das "Rad der Geschichte" zurückzudrehen: Charles Edward Stuart, der bald unter dem Kosenamen "Bonnie Prince Charlie" zur romantischen Kultfigur wurde, marschierte im Herbst 1745 mit 6000 Mann Richtung London; etwa 200 km vor London kam der Zug jedoch aufgrund der Übermacht der Engländer zum stehen und begann den Rückzug. Im April 1746 wird dieses Heer bei einem Überraschungsangriff in der Nähe von Inverness vernichtend geschlagen. Charles verstirbt kinderlos, was das endgültige Ende der Stuart-Dynastie zur Folge hat. 121 Brand (1978), S. 173 ff.

Ir. Schottland

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neu gegründeten "Scottish Party" zur heute noch bestehenden "Scottish National Party" (SNP) verschmolz. Lange Zeit war innerhalb der SNP umstritten, ob sich die Verfechter eines schottischen "home rule" oder die Verfechter der Unabhängigkeit durchsetzen sollten. Die Zweitgenannten errangen schließlich die Mehrheit innerhalb der Partei, so dass sich 1942 die gemäßigteren Kräfte abspalteten und die "Scottish Union" gründeten, die später in "Scottish Convention" umbenannt wurde. Diese erreichte Ende der vierziger Jahre ihren politischen Höhepunkt, als die Hälfte der erwachsenen schottischen Bevölkerung das Gründungsdokument eines Bundes für schottischen "home rule" unterschrieb. Politisch blieb diese Mobilisierung jedoch folgenlos. 122 Bis in die sechziger Jahre hinein wurde der "offizielle" schottische Nationalismus weitgehend durch die SNP repräsentiert, die bei den allgemeinen Parlamentswahlen 1945 einen Parlamentssitz errang und auch bei Nachwahlen noch einige durchaus beachtliche Ergebnisse erzielte. Da diese Jahre jedoch von stabilen konservativen Mehrheiten im Unterhaus bestimmt wurden, gelangte die Frage nach politischer Regionalisierung nicht auf die Tagesordnung. Erst in den sechziger Jahren wandelte sich dies. Das Königreich durchlief eine Krise, bedingt durch den weitgehenden Verlust des britischen Empire und einer alle gesellschaftlichen Schichten umfassenden wirtschaftlichen Rezession. Insofern gewannen die Nationalisten an den Rändern des Königreiches an Boden, die mit allem Nachdruck die Frage stellten, warum sich die Schotten und Waliser von einem England dominieren lassen sollten, dessen Entwicklung sich nur negativ auf Schottland und Wales auswirke. 123

c) Inkurs: Die Unionsgarantien von 1707 und die "Sovereignty 0/ Parliament" Die Auswirkungen der Unionsgarantien von 1707 auf die Souveränitätslehre 124 spielt im vorliegenden Zusammenhang insofern eine Rolle, als hieran deutlich wird, dass die Doktrin der unbegrenzten Parlamentssouveränität, der sich die Schotten durch den Vertrag von 1707 nach nahezu einhelliger englischer Meinung unterworfen hatte, zumindest durch die darin gegebenen Garantien eingeschränkt werden könnte. Diese Frage nach der Parlamentssouveränität wiederum hat ganz aktuelle Bedeutung für die rechtliche Einordnung der beiden Gesetze aus dem Jahre Kastendiek (1998), S. 78. Vgl. Naim (1977); auch: Keating (1994), S. 23 ff. 124 Vgl. für den deutschen Sprachraum v.a. Malanczuk (1984), S. 70 bis 101; auch: Wiedmann (1996); vgl. für die britische Literatur stellvertretend: Bradley/ Ewing (1997), S. 79 ff. mit ausführlichen weiteren Nachweisen. 122 123

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

1998, durch die das Regionalparlament in Schottland und die Kammer in Wales geschaffen wurden. Zudem kann die Frage sehr schnell neue Aktualität erhalten, sollten die Forderungen der SNP nach schottischer Selbständigkeit - sei es in einem wie auch immer gearteten Europa der Regionen oder unabhängig hiervon - irgendwann politisch mehrheitsfähig werden.

Daher soll der Meinungsstand hier kurz zusammengefasst werden. Die gesamte Diskussion kreist im Kern um drei Fragen: a) Wie ist das Verhältnis zwischen den "fundamental or entrenched provisions" der Unions akte und der verfassungsrechtlichen Doktrin der Parlamentssouveränität? Darf sich das Parlament notfalls über die Grenzen dieser Garantien hinwegsetzen? b) Wie sollten die Unionsakte ausgelegt werden - grammatikalisch oder teleologisch? c) Wie weit reichen die Kompetenzen der schottischen Gerichte in Fragen, die die Unionsakte betreffen können? Aufgrund der großen Bedeutung der Garantien, die bezüglich des schottischen Rechtssystems, der Stellung der "Church of Scotland" und auch des schottischen Bildungssystems gegeben worden sind, ist immer wieder, vor allem von schottischer Seite, die Ansicht geäußert worden, dass es sich bei diesen Garantien um "fundamental law" handele, das eben gerade nicht einseitig durch das britische Parlament aufgehoben werden könne. 125 Zum ersten Mal in aller Deutlichkeit stellte dies der "Court of Session", das schottische Pendant zum englischen "Supreme Court of Judicature,,126, in seiner mittlerweile berühmt gewordenen Entscheidung "MacCormick v. Lord Advocate" 1953 fest. 127 Das Gericht unter Vorsitz von Lord Cooper hatte darüber zu entscheiden, ob der Titel "Queen Elizabeth 11" auch für Schottland Gültigkeit habe, da Elizabeth I. niemals Königin von Schottland war und somit ein Verstoß gegen die Garantien in Art. I des Unionsvertrages von 1707 vorlägen. Obwohl das Gericht die Berufung zurückwies und im Übrigen sich auch nicht für zuständig hielt, da es um einen Rechtsstreit aus dem Bereich des öffentlichen Rechts ging, äußerte Lord Cooper in einem obiter dicta explizit die Auffassung, dass es sich bei den Unionsgarantien von 1707 um "fundamental law" handele: "The principle of unlimited sovereignty of Parliament is a distinctively English principle which has no counterpart in Scottish constitutional law. It derives its origin from Coke and Blackstone and was widely popularised during the nineVgl. hierzu Malanczuk (1984), S. 76 ff. mit weiteren Nachweisen. Vgl. zum Supreme Court: Bemsto1jf (1996), S. 15. 127 S.c. 1953, S. 396; 1953 S.L.T. 255; vgl. hierzu im Übrigen mit weiteren Nachweisen: Bradley, in: Jowell/Oliver (2000), S. 47 f. (insbesondere Fn. 113). 125

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teenth century by Bagehot and Dicey. (... ) Considering that the Union legislation extinguished the Parliaments of Scotland and England and replaced them by a new Parliament, I have difficulty in seeing why it should have been supposed that the new Parliament of Great Britain must inherit all the peculiar characteristics of the English Parliament but non of the Scottish Parliament, as if all that happened in 1707 was that Scottish representatives were admitted to the Parliament of England. That is not what was done. Further the Treaty and the associated legislation by which the Parliament of Great Britain was brought into being (... ) contain some c1auses which expressly reserve to the Parliament of Great Britain powers of subsequent modification, and other c1auses which either contain no such power or emphatically exc1ude subsequent alteration by dec1arations that the provion shall be fundamental and unalterable in all time coming, or dec1arations of a like effect. I have never been able to understand how it is possible to reconcile with elementary canons of construction the adoption by the English constitutional theorists of the same attitude to these markedly different types of provisions. (... ) I have not found in the Union legislation any provision that the Parliament of Great Britain should be absolutely sovereign in the sense that Parliament should be free to alter the Treaty at will.,,128

Die Konsequenzen einer Verletzung von Bestimmungen, die "fundamental law" seien, lies er jedoch offen, da der ihm vorliegende Sachverhalt überhaupt nicht justiziabel gewesen sei. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1975, Gibson v. Lord Advocate 129 , hatte der "Court of Session" zu entscheiden, ob eine Verordnung der EGKommission, die den übrigen Bürgern der EG das Recht gab, innerhalb schottischer Hoheitsgewässer der Fischerei nachzugehen, und der "European Communities Act 1972", durch den diese Verordnung zum britischen Recht geworden war, gegen Art. 18 des Unionsvertrages von 1707 verstieß. Der Kläger trug vor, dass es sich bei diesem Recht um Privatrecht handele, was dem Einfluss des Parlamentes in Westminster entzogen sei und zudem nicht "of evident utility" für die Bürger Schottlands sei. Obwohl der Vorsitzende Richter Lord Keith die Klage insgesamt abwies, da es sich, wie auch im Fall MacCorrnick, um einen Gegenstand des öffentlichen Rechts handelte - auch bereits vor 1707 sei die Küstenfischerei öffentlich-rechtlich geregelt gewesen -, ist auch in dieser Entscheidung das geäußerte obiter dicta von besonderem Interesse. Lord Keith führte nämlich unter Bezugnahme auf Lord Cooper aus: "Like Lord President Cooper, I prefer to reserve my opinion on what the question would be if the Uni ted Kingdom Parliament passed an Act purporting to abolish the Court of Session or the Church of Scotland or to substitute English law for the whole body of Scots private law. I am, however, of opinion that the question whether a particular Act of the United Kingdom Parliament altering a particular aspeet of Seots private law is or is not "for the evident utility" of the subjeets 128 1953 S.L.T. 262. 129 1975 S.L.T. 134. 7 Mey

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B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

within Scotland is not a justiciable issue in this court. The making of decisions upon what must essentially be a political matter is no part of the function of the court, and it is highly undesirable that it should be. The function of the court is to adjucate upon the particular rights and obligations of individual persons, natural or corporate, in relation to other persons or, in certain circumstances, to the state. A general inquiry into the utility of certain legislative measures as regards the population generally is quite outside its competence.,,130

Auch an diesem obiter dicta wird deutlich, dass Lord Keith offenbar mit der vorherrschenden Ansicht, dass die Garantien keine unveränderbaren seien, nicht übereinstimmt. Er zieht sich jedoch insofern aus der Affäre, als er die Entscheidung, ob ein bestimmter Gegenstand zum Geltungsbereich des schottischen Privatrechts zählt, der Entscheidung des Parlamentes überlässt, das insofern jedenfalls souverän sei. Für den Fall, dass das Parlament jedoch ein Abschaffung des "Court of Session", des schottischen Privatrechts insgesamt oder der schottischen Kirche beschließen sollte, behält er sich ein Prüfungs- - und ggf. Verwerfungsrecht ausdrücklich vor. Auch Lord Keith geht damit davon aus, dass die Doktrin der uneingeschränkten Parlamentssouveränität im Prüfungsrecht der Gerichte ihre Grenze finden könne. Im Grundsatz setzt der "Court of Session" diese Rechtsprechung auch in neuer Zeit fort. In zwei Entscheidungen aus den Jahren 1991 und 1992 wies er erneut zwei auf eine angebliche Verletzung des Unionsvertrages gestützte Klagen ab. In den Entscheidungen Pringle, Petititoner 131 und Murray v. Rogers 132 , deren Klagen auf eine Verletzung des Art. 4 des Unionsvertrages gestützt waren, entschied das Gericht, dass die Einführung einer "community charge", der heftigst umstrittenen "Kopfsteuer", die in Schottland ein Jahr eher als in England und Wales in Kraft treten sollte, keinen Verstoß gegen den Unionsvertrag darstelle. 133 In der schottischen Rechts- und Verfassungslehre werden zu diesen Fragen unterschiedliche Ansichten vertreten. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1954 geht K. W. Middleton, ein damals führender schottischer Verfassungsrechtler, im Kern davon aus, dass das neue, gemeinsame Parlament als unmittelbarer Rechtsnachfolger der bei den ehemals selbständigen Parlamente anzusehen ist, und zwar in dem Sinne, dass sich keines der Parlamente aufgelöst und ihre Kompetenzen auf das neue übertragen hätte, sondern dass dieses in die Rechte und Pflichten übergangslos eingetreten sei. Dies begründete er damit, dass nach dem Unionsvertrag alle englischen und schottischen Gesetze insoweit in Kraft bleiben sollten, als sie nicht dem Unions130 1975 S.L.T. 137. 131 1991 S.L.T. 330. \32 1992 S.L.T. 221. 133 Vgl. hierzu eingehend: WalkerlHimsworth (1991), S. 45 ff.

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vertrag widersprachen. 134 Middleton gesteht zwar zu, dass es sich bei den Garantien um "fundamental law" handele; denn die ursprünglichen Nationen existierten fort. Dies belegt er mit einem Hinweis auf zwei verschiedene Nationalkirchen, zwei getrennte Rechtssysteme sowie zwei verschiedene Systeme des "local government". Er geht jedoch nicht soweit, daraus ein richterliches Prüfungs- und Verwerfungsrecht abzuleiten. Zudem lehnt er auch die Selbstbindung des Parlamentes ab, da auch das neue Parlament letztlich doch souverän sei. 135 Im übrigen ist er der Ansicht, dass der Vertrag von 1707 reversibel sei. Im Falle einer eklatanten Verletzung dieser Garantien könnten sich die schottischen Abgeordneten zu einer "convention of the estates of Scotland" erklären und dann mit einfachem Gesetz ein schottisches Parlament gründen. Dieses könnte den Unionsvertrag kündigen oder zurücknehmen, was konsequenter Weise bedeutete, dass Schottland wieder unabhängig und ein souveräner Staat sei. 136 Zu dem Zeitpunkt, als Middleton seine Ansichten in dem genannten Aufsatz veröffentlicht, bestand kein ernsthafter Anhaltspunkt, dass Schottland eines Tages versuchen könnte, den Unionsvertrag in irgendeiner Weise rückgängig zu machen. Eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Frage nach der Suprematie des Parlamentes über die ihm Unionsvertrag von 1707 festgelegten Garantien spielt die Einordnung, ob es sich bei dem Unionsvertrag um einen "echten" völkerrechtlich relevanten Vertrag handelt, oder ob sich dieser Vertrag aufgrund der seit 1603 bestehenden Personalunion zwischen beiden Staaten einer völkerrechtlichen Beurteilung entzieht. Letztgenannte Ansicht vertritt T. B. Smith in einem Aufsatz aus dem Jahr 1962. Der Unionsvertrag sei zwischen den Parlamenten ausgehandelt und durch die Parlamente ratifiziert worden, was dem herkömmlichen Verfahren, einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen Staatsoberhäuptern zu schließen, widerspreche. 137 Insofern handele es sich bei der Ratifikation um einfache innerstaatliche Gesetze. Dennoch geht Smith von der Ansicht aus, dass es sich bei den Unionsgarantien um "fundamental law" handele. Denn mit dem Vollzug des Vertrages habe er als Vertrag aufgehört zu existieren, und übrig geblieben seien bestimmte Garantien, die Verfassungsrang hätten. Daraus leitet Smith auch eine richterliche Kontrollbefugnis ab. Der Eid der Richter, ihre Tätigkeit gemäß den "laws and usages of this realrn" auszuüben, sei ein übriges Indiz hierfür: 134 135 136 137

7*

Middleton (1954), Middleton (1954), Middleton (1954), Smith (l962b), S.

S. 40. S. 54 bzw. S. 58. S. 56. 1 ff.

100 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches "If I am right that the terms of Union are constituent, then Parliament can only

legislate lawfully within the powers conferred upon it; and the Judiciary would be bound by their oath to pay regard to the fundamental law in preference to a mere Act of Parliament.,,138

Malanczuk kritisiert an dieser Auffassung, dass letztlich auch ein Eid nur im Rahmen der Verfassungsordnung Bestand haben könne. Und ein wesentlicher Punkt innerhalb dieser Verfassungsordnung sei die Verfassungspraxis in Großbritannien, dass die Richter Gehorsam gegenüber dem Parlament übten. 139 Ein derart unbestimmt formulierter Eid könne ein verfassungsänderndes Urteil alleine nicht begründen. 140 Dass eine historische Auslegung der Unionsakte eher gegen richterliche Kontrollbefugnis spricht, weil zu diesem Zeitpunkt das Bewusstsein für verfassungsrechtliche Garantien noch nicht im heutigen Umfang entwickelt war, sieht Smith auch und möchte daher die Kontrollbefugnis der Gerichte auf die wesentlichen Punkte begrenzen, die tatsächlich den verbliebenen eigenständigen Charakter Schottlands ausmachen. Er nennt hier insbesondere solche Gesetze, die die schottische Kirche oder die Arbeit und das Bestehen des "Court of Session" beträfen. 141 R. K. Murray lieferte im Jahr 1961 einen weiteren Ansatz, demzufolge sich Schottland eventuell eines Tages wieder aus der Union zurückziehen könnte. 142 Art. 1 und 2 des Unionsvertrages vereinigten die beiden Königreiche unter einem gemeinsamen Thronfolgerecht. Diese beiden Artikel seien nach zumindest englischer Auffassung quasi mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestattet. Art. 3, der die Vereinigung der Parlamente regele, sei jedoch nicht im Sinne einer ewigen Garantie zu interpretieren. Insofern habe es sich bei der Union in erster Linie rechtlich um eine Vereinigung der beiden Kronen gehandelt habe. Es lasse sich aus Art. 3 weder eine unauflösliche Vereinigung der beiden Parlamente noch eine ausdrückliche Auflösung der Parlamente entnehmen. Rechtsvergleichend führt Murray an, dass es in der Geschichte immer wieder Beispiele gegeben habe, dass Staaten sich zu einer politischen Union verbunden hätten, ohne ihre grundsätzliche Eigenständigkeit aufzugeben. Er nennt in diesem Zusammenhang die Schwedisch-Norwegische Union von 1815, die Österreich-Ungarische Union von 1867 oder die Dänisch-Isländische Union von 1918. Hierbei handele es sich um so genannte "Realunionen", die sich dadurch kennzeichneten, zwar international als eine 138

139 140 141

142

Smith (1962b), S. 16. Malanczuk (1984), S. 92. Winterton (1981), S. 269 ff. Smith (1962b), S. 17. Murray (1961), S. 161 ff.

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einheitliche Rechtspersönlichkeit angesehen zu werden, auch einen einheitlichen Monarchen nebst einheitlichem Thronfolgerecht zu haben, jedoch trotzdem innerstaatlich unterschiedliche Einheiten zu bilden. Analog interpretiert Murray den Fall der Union zwischen Schottland und England; Art. 1 und 2 des Unionsvertrages schafften hierfür die Voraussetzungen. Rechtsvergleichend zog Murray auch föderale Staaten wie Kanada, Australien oder die USA heran, in deren System er ebenfalls gewisse Analogien entdeckte. Sehr ähnlich sei die Union von 1707 der Vereinigung von Ägypten und Syrien zur Vereinigten Arabischen Republik von 1958; obwohl hier die entscheidenden Staatsorgane zusammengelegt worden seien, seien Ägypten und Syrien dennoch als eigene Einheiten im Rahmen der Vereinigten Nationen aufgetreten. 143 Das Hauptanliegen Murrays besteht offensichtlich darin, die rechtliche Stellung Schottlands dahingehend zu stärken, dass keine vollständige Aufgabe schottischer Identität und Staatlichkeit erfolgt sei, sondern Schottland innerhalb der Union ein selbständiger Teil mit eigener rechtlicher Identität geblieben sei. Diese Position bekräftigt er nochmals in einem Aufsatz aus dem Jahr 1980. Er bestreitet zwar nicht, dass die Union an sich nicht föderal angelegt war. Eine vollständige Inkorporation habe jedoch auch nicht stattgefunden, vielmehr habe der Vertrag die Basis für eine Angleichung der Institutionen geschaffen, die allerdings niemals vollständig erfolgt sei: "No systematic incorporation has ever been carried out; so that to this day the countries of England and Scotland remain legally, and to considerable extent institutionally, separate. It is hard to avoid the conclusion that some semblance of Scottish - and English - statehood continues to subsist and that this subsistence was foreseen.'d44

Inwieweit sich aus dieser Position eine richterliche Kontrollbefugnis ableiten lässt, sobald und soweit bestimmte Unionsgarantien verletzt würden, lässt Murray hingegen offen. Trotz der genannten obiter dicta in MacCorrnick und Gibson, die eine solche Möglichkeit zumindest nicht ausschließen, gebe es zu dieser Frage bisher keine explizite Gerichtsentscheidung. Mitchell hebt in seinem Verfassungslehrbuch aus dem Jahr 1968 in historischer Interpretation der Unionsbedingungen den Aspekt hervor, dass das heutige Verständnis von "ewigen Garantien" nicht mit dem Verständnis von 1707 gleichgesetzt werden dürfe. Formulierungen wie "in all time coming" oder "for ever" seien in Gesetzen des schottischen Parlamentes häufig vorgekommen, ohne hiermit einen "Ewigkeitsanspruch" begründen zu wollen. Dennoch sei klar, dass die Garantien eine Sonderstellung innerhalb des 143 144

Murray (1961), S. 163. Murray (1980), S. 40.

102 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Unionsvertrages besäßen l45 , und beispielsweise die eigenständige Gerichtsbarkeit "may be regarded as fundamental".146 Auch die Doktrin der Parlaments souveränität sei jedenfalls erst in der Folgezeit entwickelt worden. 147 Er plädiert für eine flexible Auffassung der Garantien; eine allzu rigide Interpretation könnte auch für die an sich geschützten Institutionen eher kontraproduktiv sein. Denn die Garantien dürften sicherlich nicht in dem Sinne verstanden werden, dass für alle Zukunft beispielsweise Reformen "for the better administration of justice" ausgeschlossen seien. Eine richterliche Kontrollbefugnis der Garantien lehnt Mitchell ab. Art. 18 des Unionsvertrages bilde keine Grundlage für die richterliche Prüfung, ob eine Änderung von privatrechtlichen Gesetzen durch das Parlament von offensichtlichem Nutzen für die Schotten sei. Dies sei und bleibe eine rein politische Frage, die das Parlament souverän zu entscheiden habe. 148 Im Gegensatz zu der schottischen Vielfalt an Interpretationsansätzen herrschte in England quasi von Anbeginn der Union an die Auffassung vor, dass das britische Parlament die Souveränität des englischen Parlamente geerbt habe, dass das schottische Parlament niemals souverän gewesen sei und dass sogar vor der Union in Schottland keine eigene verfassungsrechtliche Tradition bestanden habe. 149 Als Beispiel für die Gültigkeit der These Diceys "Parliament cannot bind its successors" sowie die Ansicht, dass auch der Unions vertrag insgesamt nur den Status eines einfachen Gesetzes habe, wird in Bezug auf den Unionsvertrag von 1707 der "Universities (Scotland) Act 1853" herangezogen, der die "ewige" Verpflichtung der schottischen Universitätsprofessoren zu einem Treuebekenntnis zur schottischen Kirche aufhob. ISO Darüber hinaus wird als Argument angeführt, dass die rechtliche Gleichheit der Parteien während der Verhandlungen zur Union von Beginn an nur "auf dem Papier" existierte. 1S1 Schottland war unbestritten der kleinere Part, der zusätzlich erheblichen Einfluss durch die Vereinigung der Kronen im Jahr 1603 verloren hatte. In dieser Situation sei es nicht ungewöhnlich, wenn die Kemprinzipien des dominanten Verhandlungspartners in das neue Mitchell (1963), S. 202 ff. Mitchell (1968), S. 72 f. 147 Mitchell (1963), S. 202 f. 148 Mitchell (1968), S. 90; Addo/Smith (1998) kritisieren an Mitchells Ansatz, dass dieser sich zwar theoretisch überzeugend anhöre, den praktischen Anforderungen jedoch nicht gerecht werden könne, vgl. ibid., S. 39. 149 Vgl. etwa Holdsworth (1938), S. 10. 150 Vgl. hierzu auch: Malanczuk (1984), S. 72. 151 Addo/Smith (1998), S. 48 ffi. w.N. 145

146

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Parlament übernommen würden. Zudem habe England ohnehin auch schon seit 1603 faktisch die Gesetzgebung auch in Schottland kontrolliert. Zudem sei die demokratische Partizipation der schottischen Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt eher schwach ausgeprägt gewesen, so dass der demokratische Rückhalt für eine starke Verhandlungsposition gegenüber Schottland gefehlt habe. 152 Addo/Smith kommen daher zu dem Schluss, dass "the consequence of the unequal relationship between England and Scotland touches on the importance to be attributed to the view expressed by Lord Cooper that a hard and fast attachment to the doctrine of a sovereign parliament implies that Scotland was admitted to the English Parliament rather than joining the Union as an equal. The delicacy of this matter requires considerable discretion but the evidence from historical facts would seem to suggest that Scotland was engulfed by England, even if by means of gradual and subtle political management." 153

Dennoch wohnt auch nach englischer Auffassung bestimmten Unionsvorschriften eine Art fundamentaler Charakter inne. Dieser sei jedoch rechtlich irrelevant. Allenfalls eine moralische Qualität misst ihnen Dicey bei mit der Folge, dass eine Verletzung eine ernsthafte Gefährdung der Verfassung bedeuten könne: 154 "A sovereign Parliament, in short, though it cannot be logically bound to obstain from changing any given law, by the fact that an Act when it was passed had been declared to be unchangeable, reive a warning that it cannot be changed without grave danger to the Constitution of the country."

Eine Respektierung gewisser grundsätzlicher Bestimmungen sei jedoch durch "conventions" möglich, also Regeln und Gewohnheiten, die sich einer richterlichen Überprüfung entziehen: "The immunity of the surviving fundamental principles of the Union from legislative encroachment by the Uni ted Kingdom Parliament without Scottish consent is probab7 to be regarded now as a matter of convention rather than of strict law.,,15

Nach der Ansicht von Dicey ist dies insofern logisch, als der Souverän jedenfalls auch insoweit souverän sei, solche Bestimmungen zu ändern, die seine eigene Souveränität beschränkten (als "legibus absolutus,,).156 Dicey geht damit davon aus, dass das englische Parlament bereits vor der Union souverän gewesen sei und sich diese Souveränität im britischen Parlament fortgesetzt habe. 157 152 153 154 155 156

AddolSmith (1998), S. 48. AddolSmith (1998), S. 49. DiceylRait (1920), S. 252 f. de Smith (1978), S. 33. DiceylRait (1920), S. 252 f.

104 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Ein Blick auf die in den letzten Jahren in England geführten Diskussionen hingegen zeigt, dass sich auch hier mittlerweile ernstzunehmende Stimmen finden, die von der unverrückbaren Doktrin der Parlamentssouveränität als solcher abrücken. Dies ist in erster Linie wohl auf drei Entwicklungen zurückzuführen: zum einen, und dies dürfte der in diesem Zusammenhang wichtigste Punkte sein, auf die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreiches in der Europäischen Union seit dem "European Communities Act 1972", zum anderen auf die Verabschiedung des "Human Rights Act 1998,,158 sowie auf die in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Verfassungsänderungen bezüglich Schottland, Wales und Nordirland. So bezeichnet Richter Lord Bridge das Rechtssystem als gleichwertig bedeutsam wie die an sich souveräne Aufgabe des Parlamentes, Gesetze zu erlassen: "In our society the rule of law rests upon twin foundations: the sovereignty of the Queen in Parliament in making the law and the sovereignty of the Queen's courts in interpreting an applying the law.,,159

Lord Cooke of Thomdon, ehemals Präsident des höchsten neuseeländischen Gerichtshofes, ging sogar noch weiter und verlangte, dass das moderne "common law" "should be built on two complementary and lawfully unalterable principles: the operation of a democratic legislature and the operation of independent courtS.'.J60

Sir Stephen Sedley, ein bekannter englischer Richter, stellte ein neues und sich nach wie vor entwickelndes verfassungsrechtliches Paradigma " (... ) of abi-polar sovereignty of the Crown in Parliament and the Crown in its courts, to each of which the Crown's ministers are answerable - politically to Parliament, legally to the courts"

auf. 161 Bei allen drei Stellungnahmen fällt auf, dass die Richter die Bedeutung der Gerichtsbarkeit direkt neben die Bedeutung des Parlamentes stellen. Geklärt ist damit jedoch noch nicht die entscheidende Frage, welcher Instanz im Konfliktfall die abschließende Entscheidung zusteht. Diese Frage stellt sich insbesondere angesichts des Prinzips des Vorrangs des Europarechtes, das auch in Großbritannien gilt, sowie des "Human Rights Act 1998,,162. Vgl. hierzu sehr ausführlich: Malanczuk (1984), S. 74 ff. Vgl. hierzu ausführlich: Lord Lester 0/ Herne Hill, in: Jowell/Oliver (2000), S. 89 ff.; auch: Research Paper 98/27, S. 5 ff. 159 Xv. Morgan-Grampian (Publishers) Ltd [1991] 1 AC 1,48. 160 Zitiert nach: Bradley, in: Jowell/Oliver (2000), S. 25. 161 Sedley (1995), S. 389. 157 158

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Der "Human Rights Act 1998", wirksam in vollem Umfang seit Oktober 2000, ist letztlich die Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, die das Vereinigte Königreich zwar 1951 ratifiziert, jedoch bisher noch nicht in nationales Recht umgesetzt hatte. Nichtsdestotrotz bestand auch für Bürger des Vereinigten Königreiches seit 1966 die Möglichkeit, Verstöße der britischen Regierung und des britischen Parlamentes vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen. Dessen Entscheidungen zogen immer wieder Gesetzesänderungen nach sich. Mangels Umsetzung in innerstaatliches Recht war der Anwendungsspielraum für die innerstaatlichen Gerichte jedoch gering. Nunmehr besteht seit Herbst 2000 für alle Gerichte im Vereinigten Königreich das Recht und die Pflicht, die Grundsätze der Konvention auch auf innerstaatliches Recht anzuwenden. Dass dies Auswirkungen auf die Arbeit des Parlamentes hat, liegt auf der Hand. Durch das Gesetz werden die Gerichte verpflichtet, zunächst zu versuchen, die Parlamentsgesetzte in Einklang mit der Konvention zu interpretieren. Ist dies nicht möglich, so sind die Gerichte befugt festzustellen, dass das im Streit stehende Gesetz die Individualrechte der Konvention verletze. Diese Entscheidung ist dann bindend, auch für das Parlament. 163 Wie bereits oben angedeutet, sind die Gerichte jedoch nicht befugt, aufgrund des nach wie vor geltenden Grundsatzes der "separation of power" - der entgegen dem deutschen Äquivalent nicht die absolute Unabhängigkeit der Gerichte garantiert, sondern gerade die Parlamentssouveränität meint - Parlamentsgesetze an sich für unwirksam zu erklären (s. 3 (2) und 4 (6)). Einen weiteren wichtigen Einschnitt bildete der Beitritt des Vereinigten Königreiches zu den Europäischen Gemeinschaften 1972. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte jedem Abgeordneten klar sein müssen, dass er mit seiner Zustimmung freiwillig auf bestimmte Souveränitätsrechte für sein Land verzichtete. Der Vorrang des Europarechtes galt schon zu diesem Zeitpunkt. Bestätigt wurde dieses Prinzip durch den EuGH 1978 in der "Simmenthal-Entscheidung"; der EuGH stellte in dieser Entscheidung den Grundsatz auf, dass eine Bestimmung des nationalen Rechtes, die ausdrücklich gegen abweichendes Gemeinschaftsrecht verstoße, automatisch unanwendbar sei. l64 In einem Vorabentscheidungsverfahren, vorgelegt durch das "House of Lords", bestätigte der EuGH diese Ansicht nochmals - auch und insbesondere in Bezug auf Großbritannien. 165 Das "House of Lords" in seiner Funktion als oberstes Berufungsgericht übernahm diese Entscheidung daraufhin 162 163 164

C. 42 (1998). Vgl. hierzu ferner: Bamforth (1998), S. 572 ff. EuGH Rs. 106177, Slg. 1978 (679 ff.); 1980 (2559 ff.).

106 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

in sein eigenes Urteil 166. In einem obiter dicta unterstrich Richter Lord Bridge dabei unmissverständlich die bereits oben schon geäußerte Ansicht, dass der Vorrang des Europarechtes bereits im Gemeinschaftsrecht lange vor dem Beitritt des Vereinigten Königreiches existiert habe und somit auch innerhalb des Landes gelte. 167 Viele weitere Entscheidungen in der Folgezeit bestätigten diese "landmark-decision" .168 Heute stellt sich diese Frage angesichts eines Erstarkens nationalistischer Kräfte in Großbritannien und angesichts der voranschreitenden europäischen Integration mit neuer Aktualität. So könnte eines Tages eine Auflösung der bisherigen Nationalstaaten zugunsten eines Europas der Regionen erfolgen, ein föderal verfasstes Europas auf der Grundlage der Regionen entstehen. Fraglich ist dann, welche Möglichkeiten für die Regionen bestünden, sich diesen Plänen gegebenenfalls auch gegen den Willen des Zentralstaates anzuschließen. d) Beurteilung und Bedeutung für den "Scotland Act 1998" Im Kern geht es um die Frage, ob und inwieweit sich aus dem Unionsvertrag von 1707 Bestimmungen ableiten lassen, die einer Art Ewigkeitsgarantie unterliegen. Lange Zeit wurde diese Debatte auf einem eher akademisch-theoretischen Niveau geführt. Während langer Jahrzehnte und Jahrhunderte bestand kein Anlass, sich Gedanken über die tatsächlichen Konsequenzen zu machen, die aus einer Verletzung der Unionsgarantien folgen könnten. Die inzidente Unterstellung, dass das britische Parlament letztlich von England dominiert werde, und damit schottische Interessen und Gewohnheiten zumindest potentiell permanent in Gefahr seien, hat bisher noch keine nennenswerte Bestätigung in der Praxis gefunden. Dicey sah völlig zurecht die Gefahr, dass es möglicherweise auf die tatsächliche, justiziable Verletzung der Garantien gar nicht in erster Linie ankomme. Entscheidend seien die Wirkungen, die in der Öffentlichkeit hiermit erzielt würden, die möglichen Forderungen nach Konsequenzen in den Köpfen der Menschen. Bereits aus politischen Gründen wird sich das zwar souveräne, aber dennoch vom Willen der Mehrheit der Menschen abhängige Parlament davor hüten, offensichtlich gegen den Willen der Mehrheit der Schotten zu han165 EuGH Rs. 213/89, R. v. Secretary of State for Transport, ex parte Factortame Ltd [1990] ECR 1,2433. 166 R. v. Secretary of State for Transport, ex parte Factortame Ltd [1991] 1 AC 603. 167 Vgl. hierzu eingehend: Craig, in: Jowell/Oliver (2000), S. 74. 168 Mit weiteren Nachweisen: Bradley, in: Jowell/Oliver (2000), S. 45 f.

11. Schottland

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deIn. Denn eine Verfassungskrise kann niemals im Interesse eines an sich auf Kontinuität angelegten politischen und staatlichen Systems sein. Dennoch ist die Frage nicht nur rein theoretischer Natur. Der Report der "Scottish Constitutional Convention" von 1995 169 forderte sehr explizit, dass sowohl die Rechte des schottischen Parlamentes als auch die Existenz der Parlamentes an sich niemals ohne die Zustimmung des Parlamentes selbst sowie der Mehrheit der Bevölkerung Schottlands geändert bzw. abgeschafft werden dürfe. Im später noch ausführlich zu behandelnden "White Paper: Scotland's Parliament" von 1997, das den "Scotland Act 1998" sowie das nachfolgende Referendum vorbereitete, äußerte sich die Regierung zu dieser Frage wie folgt: "Scotland will of course remain an integral part of the United Kingdom. (. .. ) The UK Parliament is and will remain sovereign in all matters: but as part of the Govemment's resolve to modemise the British constitution Westminster will be choosing to exercise that sovereignty by devolving legislative responsibilities to a Scottish Parliament without in any way dirninishing its own powers. The Govemment recognises that no UK Parliament can bind its successors. The Govemment however believe that the popular support for the Scottish Parliament, once established, will make sure that its future in the UK constitution will be secure.,,170

Art. 28 Abs. 7 des "Scotland Act 1998" lautet wie folgt: "This section does not affect the power of the Parliament of the Uni ted Kingdom to make laws for Scotland."

Grundsätzlich behält Westminster damit sein Recht, souverän auch in solchen Fragen Gesetze zu beschließen, die eigentlich in die Kompetenz des schottischen Parlamentes fallen. Praktisch darf jedoch davon ausgegangen werden, dass dieser Fall wohl, zumindest ausdrücklich gegen den Willen des schottischen Parlamentes und/oder der schottischen Bevölkerung, in dieser eklatanten Form nicht eintreten wird. 17l Die Möglichkeit, dass Schottland eines Tages wieder selbständig werden könnte, besteht damit zumindest theoretisch weiter. Dieser bisher nur theoretischen Option könnte sich das Parlament des Vereinigten Königreiches, sollte sich über einen längeren Zeitraum hinweg die Mehrheit der Schotten für eine Loslösung aus der Union aussprechen, ohnehin nicht widersetzen. Es ist auch nach englischer Auffassung unbestritten, dass Schottland, ausgestattet mit den Garantien des Unionsvertrages, tatsächlich als von England und dem Rest des Königreiches unterscheidbare territoriale Einheit, eben als Region, weiterexistierte. Gerade in den Jahren seit Scottish Consitutional Convention (1995), S. 18 f. Cm 3658 (1997), S. 12. 171 Vgl. zu den verschiedenen Mechanismen der Zusammenarbeit und Streitschlichtung genauer Kapitel B 11 3 e jj. 169

170

108 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

1989 hat sich eindrucksvoll gezeigt, dass ehemals unterdrückte Staaten, Teilstaaten und Regionen nichts Eiligeres zu tun hatten, als auch unter Inkaufnahme eines hohen Blutzolles für ihre staatliche Unabhängigkeit einzutreten und diese auch durchzusetzen. Aus den freiheitlichen Demokratien des Westens, zu denen auch unzweifelhaft das Vereinigten Königreich zählt, kam hierzu sowohl moralische, finanzielle als auch militärische Unterstützung. Insofern wäre es nur konsequent - und dies war und ist vielen Gegnern der "Devolution" auch nur zu bewusst - dass letztlich auch die Schotten auf Verlangen in die Unabhängigkeit entlassen werden müssten.

e) Die "Royal Commission on the Constitution" Als Reaktion auf die lauter werdenden Rufe nach größerer schottischer und walisischer Eigenständigkeit wurde durch die Labour-Regierung im Herbst 1968 die "Royal Commission on the Constitution" eingesetzt. Ihre Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, verfassungsrechtliche Möglichkeiten zu prüfen und auszuarbeiten, ob und inwieweit im bestehenden verfassungsrechtlichen System des Vereinigten Königreiches die Umsetzung regionaler (Teil-)Autonomie möglich sei. l72 Es handelte sich dabei nach überwiegender Auffassung um ein taktisches Mittel, zunächst Zeit zu gewinnen, da die Arbeit der Kommission auf mehrere Jahre angesetzt war. 173 Die Kommission bestand von 1969 bis 1973. Die Ergebnisse wurden in zwei verschiedenen Berichten veröffentlicht: dem später nach dem Vorsitzenden der Kommission als so genannte "Kilbrandon-Report" bezeichneten Mehrheitsbericht und in einem insgesamt 223 Seiten umfassenden, von zwei Kommissionsmitgliedern vorgelegten Minderheitsbericht, dem so genannten "Memorandum of Dissent" .174 Die größten Auseinandersetzungen, die schließlich auch zu der Abfassung des Minderheitenberichts führten, wurden in der Kommission über die Frage geführt, wie tief die Reformvorschläge in das bestehende britische Verfassungssystem eingreifen sollten und dürften. Die Mehrheit der Kommission vertrat hier die Ansicht, dass die britische Verfassung in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder Anfechtungen ausgesetzt gewesen sei, sie diese jedoch überwiegend unbeschadet überstanden habe und auch die regionalistischen Herausforderungen durchaus auf der Grundlage der bestehenden Ordnung gelöst werden könnten. 175 172 Vgl. hierzu die Formulierung des Auftrages im Bd. I des Abschlussberichtes (Report), S. iii f. 173 Der damalige "Secretary of State for Scotland" nannte als eigentlichen Zweck der Kommission "to kill devolution", zitiert nach Drucker/Brown (1980), S. 11. 174 Royal Commission on the Constitution (1973a und b).

11. Schottland

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Die Autoren des Minderheitenvotums, Lord Crowther-Hunt und Prof. Alan Peacock, vertraten die Ansicht, dass die Kommission als Verfassungskommission eingesetzt worden sei, und nicht als Kommission zur Untersuchung von "devolution".176 Dies schließe nicht aus, dass auch die Verfassung als Ganze auf den Prtifstand kommen dürfe, wolle man eine echte demokratische Kontrolle der Bürokratie und ,,full popular participation" erreichen. l77 Insofern unterbreitete die Minderheit einige Vorschläge, die über die Vorschläge der Mehrheit hinausgingen. 178 Im Unterschied zu den Empfehlungen der Mehrheit lehnten die bei den Autoren Sonderlösungen für Schottland und Wales ab und forderten gleichermaßen die Einbeziehung Englands in alle Reformvorhaben. 179 Darüber hinaus sprach sich die Minderheit gegen das von der Mehrheit favorisierte Modell der "legislative devolution" aus; denn es stehe aufgrund der Benachteiligung englischer Regionen mit dem Prinzip der Gleichheit der Rechte und Pflichten der Bürger nicht im Einklang. 180 Die Verfasser des "Sondervotums" favorisierten demgegenüber eine "executive devolution", was für Schottland und Wales im wesentlichen die Übernahme der Funktionen des "Scottish" bzw. "Welsh Office" bedeutet hätte, für England die Einrichtung von Regionalversammlungen, die die meisten Funktionen der regionalen Dienststellen der Ministerien bzw. "quangos" übernehmen könnten. 181 In der Frage der finanzierung favorisierte die Mehrheit das Modell eines zentral zugewiesenen "block grant,,182 ohne eigene Steuerbefugnisse der Regionen. Die Minderheit schlug vor, den Regionalkörperschaften in gewissen Umfang eigene Finanzierungsmöglichkeiten einzuräumen. Als Hauptergebnis ihrer Untersuchung stellte die Mehrheit fest, dass insbesondere in Schottland und Wales große Unzufriedenheit mit der erheblichen Zentralisierung, der Funktionstüchtigkeit der politischen Institutionen und den nur sehr eingeschränkten Möglichkeiten einer echten politischen Partizipation bestünde. 183 Im Idealfall sollte durch die beschriebenen VerRoyal Cmnmission on the Constitution (1973a), S. 124. Royal Commission on the Constitution (1973b), S. 2. 177 Royal Commission on the Constitution (1973b), S. 54. 178 Vgl. hierzu in aller Ausführlichkeit und mit vielen Nachweisen: Malanczuk (1984), S. 202 ff. 179 Royal Commission on the Constitution (1973b), S. 13 f. 180 Royal Commission on the Constitution (1973b), S. viii. 181 "Legislative devolution" bedeutet im Gegensatz zu "executive devolution", dass die Kammer bzw. das Parlament echte legislative Kompetenzen erhält, was die Befugnis zur Verabschiedung von Primärrecht einschließt; "executive devolution" erschöpft sich in der Regel in der Kompetenz, lediglich Ausführungsgesetze und Verordnungen zu verabschieden. 182 Vgl. hierzu genauer im Kapitel B 11 3 d dd. 183 Malanczuk (1984), S. 251. 175

176

110 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches änderungen das Nationalgefühl der Schotten und Waliser eingefangen und neutralisiert werden.

f) Sonstige Kulturtexte "Nations derive their profound hold over the feelings and imaginations of the people because they are historically embedded. They are rooted in older and more long-lasting ethnic ties, myths and sentiments from which these modern nations draw much of their emotional and cultural sustenance and much of what makes them distinctive, even unique. If nationalism is the normalization of the unique, then we should not be baffled by its global power. It satisfies the dual craving to preserve what is feIt to be a collective self and all its special culture values, while inserting that self as a political community into the community of nations by endowing it with the standard attributes of the nation." (Smith 1993) Dass es 1978 schließlich zu einem Referendum über eine schottische Teilselbständigkeit kommen konnte, ist nicht nur den beschriebenen politischen Entwicklungen zu verdanken. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, und insbesondere seit dem Ende des 2. Weltkriegs ist in Schottland das Wiedererstarken eines spezifischen schottischen Nationalbewusstseins zu beobachten. 184 Ausdruck dieses Bewusstseins ist eine starke Ausweitung der historischen Forschung, eine Neubelebung intellektueller und künstlerischer Traditionen, ein verstärktes Interesse in den ursprünglichen Sprachen (Gälisch und Schottisch) und traditionellen Bräuchen und die Überzeugung, dass es sich bei den Werken schottischer Literaten, Dramaturgen, Balladensängern und -sammlern keineswegs um provinzielle oder minderwertige Kunst handelt, sondern hierdurch ernstzunehmende, universell gültige Ansprüche auf Achtung und Würde der schottischen Kultur und Geschichte zum Ausdruck gebracht werden. 185 Der übergroße politische und kulturelle Einfluss des südlichen Nachbarn seit der Union der Kronen 1603 lässt sich nicht verleugnen. Dieser Einfluss und die damit teils verbundene Wahrnehmung Schottlands als bloßer Bestandteil des Königreiches ohne spezifische eigene Identität führten dazu, dass über die Jahrhunderte hinweg im Bereich der Literatur beispielsweise die angelsächsische Literaturszene durch englische Schriftsteller dominiert 184 Vgl. hierzu ausführlich: McCreadie, in: Crick (1991), S. 39 ff.; auch: Marr (1995), S. 50 ff. 185 McCreadie, in: Crick (1991), S. 39; insofern lag und liegt der schottische Historiker Geoffrey Barrow offensichtlich falsch, der in seiner Antrittsvorlesung an der Universität Edinburgh 1981 in außergewöhnlich pessimistischer Weise pro-

gnostizierte, dass Schottland aufgrund der übergroßen Dominanz durch den südlichen Nachbarn in Kürze in seinen Besonderheiten aufhören werde zu existieren, vgl. Barrow, G., The Extinction of Scotland, Scots Independent Ltd., Stirling 1981; vgl. hierzu auch: Williams, in: Keating/Loughlin (1997), S. 120 ff.

11. Schottland

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wurde, mit der Ausnahme von so bekannten Namen wie dem schon erwähnten Robert Bums, Sir Walter Scotts 186 oder Robert Louis Stevensons l87 • Namen wie etwa Robert Henryson l88 , William Dunbar 189 oder Gavin Douglas l90 , drei der einflussreichsten Dichter des europäischen Spätmittelalters, blieben denjenigen unbekannt, die sich in erster Linie mit Shakespeare oder Milton beschäftigten. Auch namhafte schottische Schriftsteller des 19. Jahrhunderts wie etwa James Hogg 19 \ John Galt l92 oder William Alexander l93 und Hugh MacDiarmid 194 standen lange Jahrzehnte und Jahrhunderte hinter so bekannten englischen Schriftstellern wie Jane Austen oder Charles Dickens zurück. Ein großes Problem dieser Schriftsteller bestand darin, dass sie in schottischer Sprache schrieben, einer Sprache, die seit dem 18. Jahrhundert vor allem von den Angehörigen der schottischen Mittelklasse immer mehr zugunsten des Englischen vernachlässigt worden war, da es als vulgäre und ungrammatikalische Form des Englischen verstanden wurde. 195 Eine ähnliche Einstellung herrschte lange Zeit gegenüber der gälischen Sprache vor. Weil die Sprache eines der wichtigsten Merkmale nationaler Identität ist, und beide Sprachen zwischenzeitlich nahezu ausgestorben waren, hält sich das Bewusstsein, sprachlich andere Wurzeln als England zu haben, in den Köpfen der Menschen. Verstärkte Anstrengungen während der letzten Jahrzehnte, inbesondere die gälische Sprache vor dem Aussterben zu bewahren, belegen diese Einschätzung. 196 186 Zu seinen wichtigsten Werken gehört u.a.: Ivanhoe (1791), dieses Buch behandelt des Konflikt zwischen den Normannen und Angelsachsen; die Novellen, die bestimmte Aspekte der schottischen Geschichte zum Inhalt haben, handeln insbesondere vom Konflikt zwischen der "new commercial English culture and an older Scottish culture"; hierzu gehören: Old Mortality (1816), The Reart of Midlothian (1819), St Ronan's WeIl (1824) sowie Rob Roy (1817). 187 V gl. u. a.: www.slainte.org.uk/scotauth/stevedsw.htm. 188 Vgl. ausführlich (mit weiteren links): www2.arts.gla.ac.uk/SESLL/STELLAI STARN/poetryIHENRYSON/homepage.htm. 189 www.newadvent.org/cathen/05190d.htm. 190 www.bartleby.com/212/1012.html. 191 www.cc.gla.ac.uk/hogg/htm. 192 www.slainte.org.uk/Scotauth/hoggjdsw.htm. 193 www.slainte.org.uk/scotauth/alexadsw.htm. 194 www.slainte.org.uk/scotauth/macdidsw.htm. 195 McCreadie, in: Crick (1991), S. 41. 196 Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass sich auf die Europäische Union dieses Falles angenommen hat. Seit 1983 existiert ein Programm, dass sich zum Ziel gesetzt hat, mitzuhelfen, Minderheitensprachen und Kulturen vor dem Aussterben zu bewahren. Aus diesen Mitteln wird das jährlich stattfindende "Celtic Film Festival" unterstützt, im Rahmen dessen Filme augezeichnet werden, die sich der schottischen, irischen und walisischen Kultur insbesondere annehmen, vgl. hierzu

112 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Eine weitere Quelle und Wurzel schottischer Identität und Geschichtsbildung stellen Mythen 197 dar. Keating fasst die Gründe für Mythenbildung wie folgt zusammen: "A story that people tell about themselves, and tell for two purposes. These purposes are, first, to explain the world, and, second, to celebrate identity and to express values. To what extend these explanations are true, and to what extent expressed values are realised in practice, are questions that we shall for the moment leave open."198

Die schottische Kultur ist reich an Mythen. So bilden zum Beispiel die Erfahrung staatlicher Unabhängigkeit vor 1707 und die Kämpfe gegen die englische Vorherrschaft nach der Union, gemischt mit Helden, Schurken und aufregenden Abenteuern einen idealen Nährboden für die Entstehung solcher Mythen. Die dynastischen Auseinandersetzungen des 17. und 18. Jahrhunderts mit den jakobinischen Königen und Unterstützern der StuartDynastie werden romantisiert und die Hauptbeteiligten entgegen dem Offensichtlichen als schottische Nationalhelden verehrt. Die so genannte "kailyard school" der populären Literatur im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, begründet durch Sir Walter Scott, steht für einen anderen Aspekt des mythischen Schottlands: ein gesundes, moralisches kleinstädtisches Leben, unberührt von den Hässlichkeiten und Klassenkonflikten der Industriegesellschaft. Ein populärer Mythos ist auch der so genannte "Red Clydeside", der für den Ausdruck des Protestes gegen die herrschende Adelsschicht der Arbeiterklasse steht: "The myth was that the Clydeside workers, led by SLP (Scottish Labour Party) shop stewards, enlightened by Marxists evening classes held by lohn MacLean, and fired by the examples of the Bolsheviks, had com within an ace ofrevolution.,,199

Ausdruck einer vermeintlich schottischen Überlegenheit ist auch der Mythos des "democratic intellect": Er steht für das Bewusstsein eines besonderen Bildungssystems, und wurde 1932 von Walter Elliot entwickelt: European Commission, 1st Report on the Consideration of Cultural Aspects in Europe, http://europa.eu.int/en/comm/dg10/culture/cult-asp/en/part21 chap2.html; seit 1993 existiert auf der Isle of Skye ein "Gaelic Heritage Center", dass sich der Bewahrung der ursprünglichen Kultur verschrieben hat. 197 Als Mythen werden im Allgemeinen Erzählungen vom Wirken und Leben der Götter oder bestimmter Nationalhelden bezeichnet. Die dargestellten Erlebnisse sind analog zum menschlichen Leben und zu menschlichen Beziehungen aufgebaut und daher leicht verständlich und gut nachvollziehbar. Mythen lassen sich oft nur recht schwer genau festlegen, da alte Kerne immer wieder abgewandelt und mit neuen Motiv- oder Themenkreisen kombiniert werden. 198 Keating (1991), S. 5. 199 Smout (1986), S. 259.

II. Schottland

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"fierce egalitarianism, and a respect for intellectual pre-eminence, and a lust for argument on abstract issues were the traditions of Scotland. ,,200

Grunderfahrungen des Lebens in Bezug auf das eigene Schottisch-Sein zu deuten, ist ebenfalls Ausdruck der Mythisierung der schottischen Historie. So steht "Argentinien" im öffentlichen Bewusstsein für die "schmachvolle Niederlage" der schottischen Fußballmannschaft bei der WM 1978 und nicht für den britischen Sieg über Argentinien im Falkland-Krieg. Keating meint dazu, dass im Bewusstsein der Schotten in der Regel nur "große" Niederlagen, bevorzugt gegen den südlichen Nachbarn, verankert seien?Ol Eine ähnliche Entwicklung wie auf dem Gebiet der Literatur und Dichtung vollzog sich auch auf dem Gebiet der Politik. Erst mit der Gründung der "Scottish Constitutional Convention" Ende der 80iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde nach Jahrhunderten der Abstinenz wieder der ernsthafte Versuch unternommen, umfassend die schottischen Besonderheiten im britischen Verfassungssystem herauszuarbeiten. 202 Von 1707 bis 1885, dem Jahr der Wiederbelebung des "Scottish Office", tolerierten die Schotten ein aristokratisches System in London, innerhalb dessen die schottischen Interessen durch wenige, anglophile Schotten wahrgenommen wurden. Doch im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass die Zentralregierung die schottischen Interessen offensichtlich vernachlässigte. Dies führte 1885 in Verbindung mit der irischen "home-rule-Bewegung" zur Einsetzung eines "Secretary of State for Scotland". Dennoch fühlten sich viele Schotten auch in den folgenden Jahrzehnten durch die Politik in London benachteiligt und einem demokratischen Defizit ausgesetzt. Nach dem 2. Weltkrieg prosperierte die schottische Wirtschaft, während die englische am Boden lag, das britische Empire brach auseinander, ebenso das Klassensystem der Engländer: so erhöhte sich der Druck in den 60iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf die britische Zentralregierung erheblich, dem demokratischen Defizit in Bezug auf die Regionen durch die Schaffung einer regionalen Legislative abzuhelfen. Diesen Druck übte insbesondere die Scottisch National Party (SNP) aus. Sie profitierte am stärksten von der Unzufriedenheit der Schotten. Zwischen 1966 und 1974 stieg ihr Wahlergebnis von 5% auf 30%. Ihr gereichten die großen Rohölfunde im Bereich der schottischen Nordsee zum Vorteil; sie nahm dies in dem Slogan "It's Scotland's Oil" auf203 , der heute noch - so 200 The Educational Institute of Scotland, "Is Scottish education still Scottish?", Glasgow Herald, 10. Oktober 1988. 201 Keating (1991), S. 7. 202 Vgl. zur "Scottish Constitutional Convention" Kapitel B 11 2 b. 203 Harvie (1981), S. 159 f.; Levy (1990), S. 26 f.

8 Mey

114 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

zuletzt geschehen im Wahlkampf zu den allgemeinen Parlamentswahlen im Juni 2001 - verwendet wird, um zum einen den schottischen Anspruch auf den Erlös dieser Ölförderung zu dokumentieren, zum anderen hierdurch zu belegen, dass mit diesen Geldern Schottlands Unabhängigkeit innerhalb Europas realistisch finanzierbar wäre. g) Inkurs: Die Church

0/ Scotland

Wie schon mehrfach erwähnt, verblieb nach dem Unionsvertrag von 1707 die "Church of Scotland" als eine von wenigen Facetten der schottischen Zivilgesellschaft, in der eine kollektive Identität überleben konnte?04 Ihr Einfluss während der vergangenen Jahrhunderte auf die Wertvorstellungen der schottischen Gesellschaft war sehr groß. Sie avancierte zur Staatskirche nach der schottischen Reformation im 16. Jahrhundert. Anti-katholische Ideen hatten bereits vor der Ermordung des Kardinals Beaton im Schloss St. Andrews 1546 in Schottland Einzug gehalten. Die Ermordung des Kardinals wird jedoch allgemein als Beginn der schottischen Reformation angesehen. 205 Auf einem Treffen der schottischen Kirchenprovinzen 1560 wurde John Knox "Confession of Faith" ratifiziert und damit die Loslösung von Rom festgeschrieben. 206 Damit einher ging auch das Verbot, Messen nach katholischem Ritus zu feiern. 1567 annullierte das schottische Parlament sämtliche Gesetze, Verordnungen und sonstige Rechtsquellen, die im Gegensatz zur neuen "Staatsreligion" standen. 1843 spaltete sich eine Gruppe von Separatisten unter Führung von Thomas Chalmers ab und gründete die "Free Church of Scotland". Der Grund für die Trennung lag in den scharfen Auseinandersetzungen zwischen der Vollversammlung der schottischen Kirche und den Gerichten Schottlands über die Auswahl und Zusammensetzung der kircheninternen Vollversammlung?07 1929 wurden beide Kirchen nach intensiver Vermittlung durch das "Scottish Office" wiedervereinigt. Der "Church of Scotland" kam eine wichtige Rolle im öffentlichen wie religiösen Leben ZU. 208 SO entstand beispielsweise die noch heute gültige 204

Brown (1987), S. 6.

Walker (2001), S. 138. Walker (2001), S. 138. 207 Vgl. die Entscheidungen des Court of Session in Earl of Kinnoull v. Fergusson (1841) 3 D. 778; (1842) 1 Bell 662, durch die ein Gesetz der Vollversammlung ("Veto Act") für unvereinbar mit dem "Patronage Act 1711" des Parlamentes erachtet wurde. 208 Vgl. zuletzt: FAZ vom 03.08.2001: "Warum wir dem "therapeutischen Klonen" zustimmen"; die "Church of Scotland" bricht hierin mit der bisherigen durchweg ablehnenden Haltung der katholischen und protestantischen Kirchen gegenüber 205

206

11. Schottland

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Struktur des "local government" aus den Kirchenbezirken. Die ethischen und sozialen Standards der Kirche spielten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Sozialrechts und des Erziehungswesens; auch hat sie viel für die Entwicklung der Arbeiterklasse und den hohen Standard des Erziehungswesens beigetragen. Eine wichtige Änderung von großer gesellschaftlicher Reichweite brachte die Reform des Scheidungsrechtes; vor der Reformation war eine Scheidung einzig nach den Vorschriften des kanonischen Rechts möglich, gleich nach der Reformation wurde 1573 durch Gesetz die zivilrechtliche Scheidung durch weltliche Gerichte bei Ehebruch eingeführt. Aufgrund der starken Bedeutung von Kirche und Religion im öffentlichen Leben wurde die schottische Gesellschaft lange Jahre als weniger "freizügig" als die englische angesehen. Schottische Parlamentsmitglieder durften in sozialen Fragen ohne Fraktionszwang abstimmen, und bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die Reform des Scheidungsrechts in Schottland blockiert; das Gesetz von 1966, das Homosexualität legalisierte, wurde in Schottland bisher überhaupt nicht umgesetzt, und das Gesetz von 1967, das Abtreibung unter bestimmten Voraussetzungen legalisierte, wurde nur deshalb angenommen, da es von einem schottischen MP eingebracht worden war. Neben dem gesellschaftlichen Einfluss ist der schottischen Kirche durch die "ecclesiastical courts" ein institutioneller Einfluss sicher. Dies sind Gerichte der "Church of Scotland", die kraft Gesetz errichtet wurden und offizieller Teil der Gerichtsbarkeit des Vereinigten Königreiches sind. 209 Die Kompetenzen dieser Gerichte wurden schon sehr früh durch den "General Assembly Act 1592" festgeschrieben, und nochmals bestätigt durch den "Protestant Religion and Presbyterian Church Act 1706", der Bestandteil des "Act of Union 1707" wurde. Die "Kirk-Session", die kirchlichen Gerichte, entscheiden souverän in allen Bereichen, die ihnen kraft Gesetz übertragen wurden und die einen kirchlichen oder spirituellen Bezug haben. Die Entscheidungen sind durch die ordentlichen Gerichte in der Regel nicht weiter überprüfbar?lO

jeder Fonn des therapeutischen oder experimentellen Eingriffs in das menschliche Erbgut. 209 Hierzu genauer: Donaldson (1958), ch. 27; CoxlTaylor (1976), S. 24; Murray (1958), S. 155 ff. 210 Logan v. Dumbarton Presbytery, 1995 SLT. 1228. 8*

116 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

2. Die Entwicklungen der Jahre 1977/78 bis zu den allgemeinen Parlamentswahlen 1997 a) "Scotland Act 1978"

Nachdem der Abschlußbericht der "Royal Commission on the Constitution" 1973 veröffentlicht, jedoch kein besonders breites politisches Echo hervorgerufen hatte211 , dominierten zunächst andere Probleme wie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes die Tagesordnung der Politik. Die Literatur nahm den Report mit unterschiedlichem Echo auf; einige Autoren begrüßten die Ergebnisse als wichtigen Beitrag zur verfassungsrechtlichen Diskussion212 , andere kritisierten die Mitglieder der Kommission - und auch damit die Ergebnisse - als nicht geeignet, überhaupt an der Diskussion über Verfassungsänderungen kompetent mitreden zu können?13 In der Rückschau und insbesondere auf dem Hintergrund der Entwicklungen der Jahre seit 1997 bleibt jedenfalls festzuhalten, dass die Ergebnisse und Vorschläge der Kommission sowohl 1978 als auch erneut 1997/98 in die Diskussionen und Gesetzesentwürfe maßgeblich eingeflossen sind. Begriffe wie "executive" oder "legislative devolution", das Verhältnis zur Zentralregierung in London oder auch die wichtige Frage der Finanzierung der Körperschaften sind Punkte, die über das Gelingen des Vorhabens "Regionalismus in Großbritannien" entscheidend mitbestimmen. Beide Berichte haben sich gründlich mit den Chancen und Gefahren des Regionalismus auseinandergesetzt, beide Berichte haben versucht, im Rahmen des jeweiligen Vorverständnisses einen Weg zu eröffnen, wie auch in einem zunächst unitarisch wirkenden Staat wie Großbritannien Regionalismus möglich werden könnte. Die Reaktion der offiziellen Stellen war nach der Veröffentlichung zunächst verhalten. Im Vorfeld der Parlaments wahlen vom Frühjahr 1974 spielte die Frage der "devolution" eine allenfalls untergeordnete Rolle. 214 Allerdings überraschte das Ergebnis der Wahlen insofern, als ein starker Stimmengewinn für die SNP und Plaid Cymru zu verzeichnen war. Die SNP errang insgesamt 21,9% der Stimmen in Schottland und 7 Parlamentssitze, Plaid Cymru 2 Mandate und 10,7% der Stimmen in Wales. Da keine der beiden großen Parteien die absolute Mehrheit der Sitze errungen hatte, Rose, in: Gwyn/Rose (1980), S. 145 f. Calvert (1975), S. 5: "the most valuable contribution to the literature on our constitution in recent years". 213 Stanyer (1974), S. 152: die Berichte seien "incompetently reasoned documents simply because its members show little knowlegde or understanding of modem social science, particularly political science". 214 Bogdanor (1979), S. 151. 211

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11. Schottland

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wurde eine Labour-Minderheitsregierung gebildet, die auf die Mitwirkung der Liberalen und der beiden nationalistischen Parteien angewiesen war. Während der kurzen Regierungszeit - Neuwahlen fanden bereits im Oktober 1974 statt - musste sich die Regierung daher über ihr Verhältnis zur "devolution" klar werden. Im September 1974 wurde das "White Paper: Democracy and Devolution: Proposals for Scotland and Wales,,215 veröffentlicht, in dem die Regierung, aufbauend auf den Vorschlägen des Kilbrandon-Reportes, vorschlug, in Schottland und Wales direkt gewählte Versammlungen zu bilden. Die Versammlung in Edinburgh sollte begrenzte legislative Kompetenzen erhalten. Ein eigenes Steuererhebungsrecht sollten beide Kammern nicht erhalten. Die Finanzierung sollte durch das "block grant"-System erfolgen. Nach der Auflösung des Parlamentes und den Neuwahlen im Oktober 1974 wuchs der Einfluss der SNP nochmals erheblich: mit insgesamt 30,4% der Stimmen wurde sie vor den Konservativen zur zweitstärksten Partei. Plaid Cymru gewann ein drittes Mandat hinzu, und konnte seine Stellung somit ebenfalls ausbauen. Damit war für alle Beteiligten klar, dass in der anstehenden Legislaturperiode eine parlamentarische Entscheidung bezüglich der "devolution" herbeigeführt werden musste. Zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens hielt die Regierung ihre Vorstellungen in dem Weißbuch "Dur Changing Democracy: Devolution to Scotland and Wales" vom November 1975 fest. 216 Die Vorschläge waren im Wesentlichen: Die Übertragung von "legislative devolution" auf das schottische Parlament, die Übertragung von "executive devolution" auf eine walisische Kammer, die beide nach relativem Mehrheitswahlrecht zu bestimmen seien. Die aus 142 Mitgliedern bestehende schottische Kammer sollte in genau bezeichneten Bereichen sowohl legislative als auch exekutivische Funktionen erhalten. 217 Alle Gebiete von Bedeutung für den Gesamtstaat sollten in der Kompetenz der Zentrale in London verbleiben. Das schottische Parlament sollte die Möglichkeit erhalten, Ausschüsse zu bilden, die im Gesetzgebungsverfahren bestimmte Mitwirkungsrechte erhalten sollten. 218 Abweichend von den Vorschlägen des Kilbrandon-Reportes sollte keine eigene regionale Beamtenschaft eingeführt werden, in der Hoffnung, dass Konflikte zwischen London und Edinburgh hierdurch besser gelöst werden könnten?19 Die Rolle des "Secretary of Cmnd. 5732 (1974). Cmnd. 6348 (1975). 217 Wie etwa Kommunalverwaltung, Soziales, Gesundheit, Bildung, Wohnungsbau, Umwelt und Straßenbau. 218 Malanczuk (1984), S. 210. 219 Malanczuk (1984), S. 210. 215

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118 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

State for Scotland" sollte darin bestehen, die schottische Legislative wie Exekutive zu überwachen und im Falle, dass ein Vorhaben "ultra vires" sei, derartige Vorhaben untersagen dürfen. Viel weitergehender sollte er jedoch auch die Möglichkeit haben, solche Gesetzesentwürfe mit abschließender Wirkung zu untersagen, die "unacceptable on policy grounds" seien. 22o Dies wurde damit erklärt, dass hier eben gerade kein souveränes Parlament entstehen solle, sondern lediglich, trotz der Übertragung legislativer Kompetenzen in Teilbereichen, einzig eine Institution entstehen solle, die nach wie vor der Kontrolle und der Disposition durch das Parlament und die Regierung in London unterstehe und sich somit niemals sich über das Prinzip der Parlaments souveränität hinwegsetzen dürfe. In Bezug auf die Finanzierung hielt die Regierung an der Blockfinanzierung fest. Die Versammlung in Wales sollte in solchen Bereichen, in denen das Parlament in Schottland Gesetzgebungsbefugnisse erhielt, Exekutivbefugnisse erhalten. Zudem sollte sie für die walisische Sprache zuständig sein. Die öffentliche Reaktion auf das Weißbuch war zum ersten Mal nicht verhalten oder schlicht ignorierend, sondern relativ direkt und kontrovers. Es wurden im wesentlichen die gleichen Argumente ausgetauscht, die dann fast 25 Jahre später wieder auf die Tagesordnung kamen: für die einen ging die Reform nicht weit genug, die anderen befürchteten ein Auseinanderbrechen des Staates, und aus England kamen Stimmen, dass fürderhin England benachteiligt sei, da es England an einer zusätzlichen Repräsentanz auf Regierungsebene fehle. 221 Für die SNP waren die Vorschläge lediglich ein erster Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit Schottlands. Die Mehrheit der schottischen Bevölkerung lehnte im Herbst 1976 einen derart radikalen Schritt jedoch ab und sprach sich vielmehr für die Pläne der Regierung aus. 222 Die Regierung ging relativ schnell daran, die Vorschläge in einen Gesetzesentwurf zu fassen. Um eine Mehrheit für die durchaus nicht unumstrittenen Pläne auch in den eigenen Reihen zu finden, lies sich die Regierung in der zweiten Lesung des "Scotland and Wales Bill" am 16.12.1976 darauf ein, ein Referendum in Schottland und Wales vorzuschalten. Dieser Entwurf scheiterte zunächst an Verfahrensfragen im Unterhaus, da sich die Parteien nicht über eine Begrenzung der Diskussionen einigen konnten. Der Zweitentwurf vom November 1977 wurde dann jedoch vom Parlament in zweiter Lesung verabschiedet. Während der Diskussion im Unterhaus drang Labour mit der Forderung nach einem Zustimmungs-Quorum von 40 % der 220 221 222

Cmnd. 5732 (1974), para 58. Malanczuk (1984), S. 211; auch: DruckerlBrown (1980), S. 102. Rass (1978), S. 119.

11. Schottland

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Wahlberechtigten durch, welches dann auch in Art. 85 Abs. 2 des "Scotland Act 1978" aufgenommen wurde. Nach der Überwindung der parlamentarischen Hürden wurde am 1. März 1979 ein Referendum abgehalten. 1.230.937 Schotten stimmten für die Errichtung der Versammlung, was eine absolute Stimmenmehrheit von 77.000 Stimmen bedeutete. Da jedoch ein Quorum von einer Gesamtzustimmung von 40% im Gesetz vorgesehen war, und dieses Quorum mit nur 32,9% Gesamtzustimmung deutlich verfehlt wurde, trat das Gesetz niemals in Kraft. Die Gründe für das Scheitern des Referendums waren vielfaltig. 223 Insgesamt ging es der Regierung und dem Parlament nicht wirklich um eine tatsächliche Manifestierung territorialer und kultureller Verschiedenheit innerhalb einer Nation auch auf politischer Ebene; vielmehr ging es in erster Linie darum, den aufkommenden Nationalismus in Wales und Schottland bereits im Keim zu ersticken, um den Zusammenhalt des Königreiches nicht zu gefährden. Diese Argumente - die Gefahr eines drohenden Auseinanderbrechens des Landes - wurden während der Diskussionen zum "Scotland Act 1998" genau so wieder geführt. Bedenken gegen eine verstärkte Regionalisierung wurden jedoch nicht nur von Seiten der (konservativen) Opposition geübt, auch die Regierung selbst war in dieser Frage zerstritten; innerhalb der Labour-Regierung gab es ebenfalls viele Stimmen, die den Entwurf ablehnten. Dementsprechend wurde kein Gesamtpaket geschnürt, das auch England selbst mit eingeschlossen hätte, sondern die Entwürfe für Schottland und Wales beschränkten sich darauf, den Bürgern den Anschein zu vennitteln, dass nunmehr echte Mit- und Selbstbestimmung auf regionaler Ebene möglich werde, ohne jedoch diesem Anspruch gerecht werden zu können. Dies diente allein der Eindämmung der nationalistischen Strömungen. England als größter und mit großem Abstand bevölkerungsreichster Teil des Königreiches wurde von allen Veränderungen von vorne herein ausgenommen. Denn eine verstärkte Regionalisierung auch für England hätte unweigerlich die Frage nach einer kompletten Umgestaltung des staatlichen Systems hin zu einer Art Föderalismus aufgeworfen; Föderalismus, so waren sich jedoch alle maßgeblichen politischen Kräfte einig, widerspreche dem britischen Verfassungssystem und sei daher generell abzulehnen?24 Darüber hinaus war nicht geplant, eine umfassende Regionalautonomie zu gewähren. Zwar sollten sowohl in Cardiff als auch in Edinburgh gewählte Vertretungen errichtet werden; es erfolgte jedoch keine Ausstattung mit einem umfassenden regionalen Wirkungskreis, innerhalb dessen sie in eigener 223 224

VgJ. hierzu auch: Marr (1995), S. 158 ff. Malanczuk (1984), S. 252.

120 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Verantwortung hätten tätig werden können. Die walisische Kammer erhielt keinerlei Legislativbefugnisse, das schottische Parlament sollte in einem fest definierten Bereich tätig werden können. 225 Dies ist der wohl entscheidende Unterschied zum "Scotland Act 1998", in dem genau der umgekehrte Weg gegangen wurde, nämlich die Bereiche definiert wurden, in denen Westminster und Whitehall weiterhin exklusive Zuständigkeit haben sollten, alle anderen Bereiche jedoch in die Kompetenz der Schotten fallen sollen. Bereits damals wurden Fragen diskutiert, ob und inwieweit sich Konflikte aus der "West-Lothian-Question" ergeben könnten und ob und inwieweit die Kompetenzen des "Secretary of State for Wales" bzw. "Scotland" aufgehoben oder modifiziert werden sollten. Zudem wurden auch bereits 1978 heftig die Auswirkungen auf die "Barnett-Formel" bzw. das "blockgrant-System" diskutiert. 226 Die große Unsicherheit und das große Misstrauen, das selbst die Regierung ihrem eigenen Gesetzesentwurf entgegenbrachte, waren nicht geeignet, innerhalb Schottlands eine Mehrheit für den Entwurf zu schaffen. Hinzu kamen Ängste, dass in Zukunft der wirtschaftliche starke Süden einen Gürtel Glasgow - Edinburgh bilden der übrigen Teil des Landes veröden könnte. Im Rückblick jedoch haben Labour, die Liberaldemokraten als auch die SNP aus dem Scheitern der Reform gelernt. Letztlich unterscheidet sich der "Scotland Act 1978" vom "Scotland Act 1998" nur in wenigen Punkten wie beispielsweise in der "umgekehrten" Festlegung der reservierten Kompetenzen. Viele andere Punkte jedoch, wie Fragen der Wahl, Fragen der Geschäftsordnung, der Finanzierung, der "West-Lothian-Question" oder der Stellung und Funktion des "Secretary of State for Scotland" ähneln einander sehr stark. Die Kompetenz des "Secretary of State for Scotland", Vorhaben aus Gründen der "Staatsräson" zu stoppen, findet sich im "Scotland Act 1998" jedoch nicht mehr. b) Kulturtexte

Trotz des Scheiterns des Referendums führten die öffentlichen Debatten Ende der 70iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts dazu, dass viele Schotten begannen, sich verstärkt für Aspekte ihrer eigenen Geschichte und 225 Diese werden in Anhang 10 des "Scotland Bill 1978" genauer aufgeführt und umfassen etwa: Gesundheit, Sozialfürsorge, Erziehung und Ausbildung, Wohnungsbau, local govemment, Straßenbau- und unterhaltung, Tourismus, Umweltverschmutzung u. a. 226 Sturm, in: Gerdes (1980), S. 78 ff.; vgl. zur "Bamett-Formel" Kapitel B 11 3 d dd.

11. Schottland

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Kultur zu interessieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Hierzu gehörte die Erkenntnis, dass Schottland keineswegs bis 1707, dem Jahr der politischen Union mit England, eine vollständig unterentwickelte Nation gewesen ist, wie es viele englische, aber auch schottische Historiker immer wieder behauptet hatten. 227 Obwohl aufgrund der geologischen und geographischen Voraussetzungen - Erdöl war zu diesem Zeitpunkt verständlicherweise noch kein Thema - eher wirtschaftlich arm, war Schottland während der Renaissance im 16. Jahrhundert mit seinen bereits früh gegründeten Universitäten ein Zentrum europäischer Geisteswissenschaft. Diese Jahrzehnte legten den Grundstein für die schottische Aufklärung 228 und einen außergewöhnlich intensiven intellektuellen Austausch mit anderen europäischen Wissenschaftlern und Denkern im 18. Jahrhundert und die naturwissenschaftlichen Entdeckungsleistungen im 19. Jahrhundert?29 Die weit verbreitete Annahme, dass schottische Literatur letztlich mit Bums, Scott oder Stevenson gleichzusetzen sei, wurde abgelöst durch die Erkenntnis, dass es im Laufe der Jahrhunderte auch noch andere große schottische Schriftsteller und Dichter gegeben hatte, die den genannten nicht oder nur wenig nachstehen. Namen wie Henryson, Dunbar oder Douglas wurden in diesem Zusammenhang oben schon genannt. 230 Darüber hinaus wurde vielen Schotten bewusst, welche "Schätze" sich in den überlieferten Balladen und Geschichten, sowohl in Schottisch als auch in Gälisch, verbargen. 231 Novellen und Kurzgeschichten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden wieder aufgelegt, und ein schottisches Wörterbuch und Thesaurus wurden sehr schnell Bestseller. Auf dem Gebiet der bildenden Künste wurden Maler wie Charles Mackintosh und die "Scottish Colourists", die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert die Idee eines "schottischen Europas" propagiert hatten, wiederentdeckt und für ihren spezifischen schottischen Malstil posthum gewürdigt. Gleiches geschah auf dem Gebiet der Architektur. 232 In den letzten zwanzig Jahren ist ein erheblicher Anstieg der Veröffentlichung "neuer" schottischer Literatur und Dichtung zu verzeichnen233 , Theaterstücke, die sich mit der spezifischen schottischen Situation auseinandersetzen, werden neu aufgelegt oder verfasst, und die schottisch-philosoMcCreadie, in: Crick (1991), S. 44. Vgl. hierzu auch: Augstein, Franziska, FAZ vom 09.02.2001: "Mit Rosen bestreut, Die schottische Aufklärung in zeitgenössischen Übersetzungen". 229 Davie (1964). 230 Vgl. oben Kapitel Bill f. 231 Lyle (1997), S. 9; Buchan (1984). 232 McCreadie, in: Crick (1991), S. 45. 233 Vgl. für einige Beispiele (mit Übersetzungen bzw. Erläuterungen): Schaffer (1997), S. 5 ff. 227 228

122 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

phische Tradition erfährt eine neue Wertschätzung vor allem in Fragen der nach wie vor fortschreitenden Bildungserrosion im Vereinigten Königreich. 234 Diese "dritte schottische Renaissance,,235 beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Bereich der Hochkultur?36 Insbesondere seit den 70iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist ein Trend zu beobachten, dass gerade auch in der Alltagskultur quer durch alle Altersgruppen hindurch ein neues Bewußtsein für das spezifisch Schottische entstanden ist. Ausdruck dieses Bewusstseins ist die Wiederentdeckung der schottischen Volksmusik, eines spezifisch schottischen "working-class" Humors oder die Begeisterung für schottische Sportler und Sportmannschaften, die teilweise ins fanatische abzugleiten droht. Unter der jüngeren Generation ist eine neu erwachte Begeisterung für schottische Pop- und Rockbands zu spüren, die teilweise im Wege des "cross-over" alte Lieder und Rhythmen mit modemen Stücken vermischen?37 Auf politischem Gebiet fällt die "Entdeckung Europas" für nationale schottische Interessen auf. McCreadie bringt dies folgendermaßen auf den Punkt: "To put it simply, the Scots - or rather the Scottish National Party - found Europe. (... ) In 1988 the party formally adopted yet another brilliant, three-word slogan ,Independence in Europe' and instantly transformed the Scottish debate by removing it form its parochial UK setting. If Scotland became independent, it would not be a smalI, isolated country on the European periphery, as the SNP' s opponents derisively claimed, but an active member of the community of European nations, participating in European decision-making on an equal footing with England. ,,238

"Independence in Europe" - so der neue Slogan der SNP. Durch die fortschreitende europäische Einigung sah man nun die Möglichkeit, auf diese Weise, eingebettet in die europäische Staatengemeinschaft, der Unabhängigkeitsbewegung einen neuen Impuls zu verleihen. Selbst die Gegner der SNP begannen in der Folgezeit zu realisieren, welches revolutionäre Potential in dieser Forderung steckte. 239 Unmittelbaren Einfluss hatte diese Forderung auf die Diskussionen, die in der Folgezeit innerhalb der "Scottish Constitutional Convention" abliefen 234 Hierfür stehen Namen wie James Kelman, Alasdair Gray oder William McLsvanney, vgl. Hassan (1996), S. 181 f. 235 McCreadie, in: Crick (1991), S. 45. 236 Zu den verschiedenen Kulturbegriffen: Häberle (1998), S. 3. 237 So z.B. Rock- und Popkünstler wie "Hue and Cry", "Deacon Blue and the Proclaimers", vgl. Hassan (1996), S. 181 f. 238 McCreadie, in: Crick (1991), S. 47. 239 Vgl. Lane, in: Finnie u.a. (1991).

II. Schottland

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(Fragen nach der künftigen Struktur des Vereinigten Königreiches, nach Föderalismus und/oder Regionalismus, nach den Kompetenzen eines künftigen schottischen Parlamentes). Nachdem der Scotland sowie Wales Act 1978 noch im Wesentlichen durch die Vorschläge der durch die Regierung eingesetzten Kilbrandon-Kommission geprägt sind, wird der "Scotland Act 1998" zumindest in Teilen durch Arbeiten der "Scottish Constitutional Convention" mit geprägt. Diese "Convention", gegründet Anfang der 90er Jahre, setzt sich zusammen aus einem losen Zusammenschluss von nahezu allen wichtigen Repräsentanten des öffentlichen Lebens in Schottland einschließlich 80 % aller schottischen "Members of Parliament" und "Members of European Parliament" sowie Vertretern der Kirchen, Gewerkschaften, ethnischer Minderheiten und Frauengruppen. 240 Auf ihrer Gründungsveranstaltung am 30. März 1989 verabschiedete die Versammlung eine Erklärung, aus der sich Grund und Ziel des Zusammenschlusses ergibt: "We, gathered as the Scottish Constitutiona1 Convention, do hereby acknowledge the sovereign right of the Scottish people to determine the form of govemment best suited to their needs, and do hereby declare and pledge that in all our actions and deliberations their interest shall be paramount. We further declare and pledge our actions and deliberations shall be directed to the following ends: • To agree a scheme for an Assembly or Parliament for ScotIand; • to mobilise Scottish opinion and ensure the approval of the Scottish people for that scheme; and • to assert the right of the Scottish people to secure the implementation of that scheme.,,241

Da von Seiten der damals noch konservativen Regierung in London keinerlei Ansätze in Richtung Regionalisierung oder "Devolution" gezeigt wurden, nahmen es die Schotten selbst in die Hand, ihrer Forderung nach einem Regionalparlament auch institutionell Ausdruck zu verleihen. In dem 1995 verabschiedeten Abschlussdokument "Scotland's Right, Scotland's Parliament" finden sich sehr genaue Vorschläge, wie die Zusammensetzung, Kompetenzen und Arbeitsabläufe des künftigen Parlamentes aussehen sollten. Viele der dort genannten Punkte sind in das Weißbuch 1997 sowie schließlich den "Scotland Act 1998" eingeflossen. Lediglich in einem wichtigen Punkt ist die Regierung sogar noch über die Vorschläge der Versammlung hinausgegangen: während diese noch in Anlehnung an den "Scotland Act 1978" davon ausging, dass das Regionalparlament fest Scottish Constitutional Convention (1995), App. 11. 241 Scottish Constitutional Convention (1995), "Beginnings". 240

124 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

umrissene Kompetenzen haben sollte, ist durch den "Scotland Act 1998" eine Definition dahingehend erfolgt, dass festgelegt wurde, für welche Bereiche es nicht zuständig ist. Alle übrigen Bereiche fallen damit in die originäre Zuständigkeit der Regionalvertretung. Dieses Papier muss als wichtige Textstufe auf dem Weg zum Regionalparlament gelten. Insbesondere auch als Beleg dafür, dass wichtige gesellschaftliche wie politische Veränderungen keineswegs immer nur durch die gerade herrschende politische Mehrheit initiiert und durchgeführt werden muss, sondern diese auch durchaus von einem "parapolitischen" gesellschaftlichen Konsens vorangetrieben werden können.

3. Die Entwicklung zwischen den allgemeinen Parlamentswahlen und der Arbeitsaufnahme des Regionalparlaments 1998 Nach umfangreichen Vorarbeiten in der sogenannten "Charta 88", in der Politiker von Labour, den Liberaldemokraten sowie anderer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammenwirkten, um Denkmodelle für eine neue britische Verfassungswirklichkeit zu entwerfen, sowie dem Abschlussbericht der "Scottish Constitutional Convention,,242 und dem Machtwechsel von den Konservativen hin zu Labour im Mai 1997 legte die neue Regierung im September 1997 zwei so genannte Weißbücher vor, die sich mit ganz konkreten Plänen und Vorschlägen zur Schaffung eines Parlamentes in Edinburgh und einer Versammlung in Cardiff beschäftigen. Damit wurde nach 20 Jahren wieder in Großbritannien ein großer Schritt in Richtung Föderalismus 243 unternommen, ein Schritt in Richtung echter Dezentralisierung, ein Projekt in Gang gebracht, das für die Verfassungslandschaft des Vereinigten Königreiches die größten Veränderungen gebracht hat seit dem "Home-Rule-Act" von 1920 und der damit verbundenen Abspaltung großer Teile Irlands zur (späteren) Republik Irland?44 a) White Paper: "Scotland's Parliament"

Noch vor dem erfolgreichen Ausgang des Referendums legte das "Scottish Office" im Juli 1997 ein "White Paper" vor, in dem die Ziele und Aufgaben des neu zu schaffenden schottischen Parlamentes dargestellt werden. 245 Scottish Constitutional Convention (1995). Zum gemeinsamen Verständnis wird hier der Begriff des Föderalismus verwendet. Es muss jedoch dabei im Hinterkopf behalten werden, dass die Briten mit dem Begriff des Föderalismus eher - im Gegensatz zu den Deutschen etwa - ein Mehr an Zentralismus verbinden als ein weniger, vgl. u. a. Bates (1997), S. 66. 244 Vgl. hierzu unten Kapitel B V 1. 242 243

II. Schottland

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Premierminister Blair schreibt darin in seinem Vorwort: "Scotland is a proud historic nation in the Uni ted Kingdom and the plans we put forward in this White Paper will give it an exciting new role within the United Kingdom. ,,246

Blair bezeichnet Schottland als stolze Nation mit langer Geschichte. Blair spricht nicht nur von Schottland als Region, sondern als Nation. Dies ist insbesondere deshalb so bemerkenswert, weil diese Einschätzung auf höchster politischer Ebene seit dem Unionsvertrag von 1707 bisher nur wenig bis kein Echo gefunden hat. Donald Dewar, seinerzeit "Secretary of State for ScotIand,,247, bringt das Ziel der Zentralregierung folgendermaßen auf den Punkt: "The Govemment's aim is a fair and just settlement for Scotland within the framework of the United Kingdom - a settlement which will be good both for Scotland and the United Kingdom. The Scottish Parliament will strengthen democratic control and make govemment more accountable to the people of Scotland. ,,248

Die neue Rolle und den neuen Status Schottlands umreißt er ganz kurz wie folgt: "Scotland will remain firmly part of the United Kingdom. Westminster will continue to be responsible for those areas of policy best run on a United Kingdom basis. These include foreign affairs, defence and national security and macroeconornic and fiscal matters. It follows that the UK Govemment will continue to act in many areas of public life in Scotland but in future it will be the Scottish Parliament - working within the framework of the United Kingdom - which will be responsible for much of the business of govemment in Scotland. ,,249

Die neue Rolle des schottischen Regionalparlamentes sieht er dementsprechend folgendermaßen: "The Scottish Parliament will reflect the needs and circumstances of all of the people of Scotland regardless of race, gender or disability. Scotland will no longer be the only democratic country with its own legal system but no legislature of its own. With its responsibilities, the Scottish Parliament will be in a position to encourage vigorous sustainable growth in the Scottish economy, Policies on health, housing and education will respond more directly to Scotland's needs. The ParliaThe Scottish Office, Scotland's Parliament, Cm 3658 (1997). Scottish Office (1997), S. 2. 247 Dewar, Jahrgang 1937, wurde in Glasgow geboren. Er war Mitglied im Unterhaus seit 1966, und lange Jahre Sprecher der Opposition für schottische Angelegenheiten. Von Mai 1997 bis Mai 1999 war er "Secretary of State for Scotland". Am 13. Mai 1999 wurde er als "First Minister" des schottischen Parlamentes gewählt. Dewar starb am 11.10.2000. 248 Scottish Office (1997), S. 3. 249 Scottish Office (1997), S. 3. 245

246

126 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches ment will work to protect and deve10p our unique environment and natural and built heritage and to enrich our cu1tural inheritance?50

Die Kompetenzen, die das "White Paper" dem Parlament in Edinburgh einräumt, gehen weit über diejenigen hinaus, die dem "Secretary of State for Scotland" im Rahmen der britischen Zentralregierung zustanden. Der Weißbuch gliedert sich in mehrere Teile. Nach einer kurzen Einführung und einem kurzen Abriss des historischen und politischen Hintergrundes werden die geplanten Kompetenzen aufgezählt, dann die (neue) Rolle Schottlands innerhalb des Vereinigten Königreiches beleuchtet, es wird auf die Beziehungen zur Europäischen Union eingegangen und die Beziehungen zum "local govemment" und anderen lokalen Körperschaften dargestellt. Sodann werden ausführlich die geplanten finanziellen und organisatorischen Veränderungen beschrieben. Den Abschluss bilden ein Zeitplan sowie ein Ausblick. In mehreren Anhängen werden detailliert diejenigen schottischen öffentlichen Körperschaften aufgezählt, die von den Veränderungen direkt betroffen werden, sodann die Veränderungen bei der Zuweisung der Haushaltsmittel des Gesamtstaates aufgeführt, und schließlich wird ein Abriss der geplanten Änderungen im Wahlsystem für das schottische Parlament gegeben. Als wichtigste institutionelle Veränderung schlägt das "White Paper" vor, in Edinburgh ein Regionalparlament mit 129 Abgeordneten zu schaffen, von denen 73 über Direktwahl, 56 über eine Liste gewählt werden sollen. Der Haushalt dieses Parlamentes soll mit f 14 Mrd. ausgestattet werden, wozu noch ein begrenztes Steuererhebungsrecht kommt. Über diese Vorschläge wurde in einer Volksabstimmung am 11. September 1997 entschieden. b) Auf dem Weg vom" White Paper" zum "Scotland Bill"

aa) Anfangliehe Reaktionen auf das White Paper Nachdem das "White Paper for Scotland" am 24. Juli 1997 veröffentlicht251 worden war, debattierte das Unterhaus dieses Papier am 31. Juli 1997 leidenschaftlich. Insbesondere die nach bisherigem britischem Verständnis sehr weitgehenden Kompetenzen, die auf das künftige Regionalparlament übertragen werden sollten, aber auch die künftigen Beziehungen zum Zentralstaat und zur Europäischen Union wie Bedenken bezüglich eines möglichen Auseinanderbrechens des Vereinigten Königreiches bestimmten die Debatte. 250 251

Scottish Office (1997), S. 3. Vgl. Research Paper 97/92.

H. Schottland

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MP Donald Dewar, damals noch "Secretary of State for Scotland", bemerkte zu der im Vergleich zum Gesetzesentwurf von 1978 sehr viel weitergehenden Übertragung von Kompetenzen auf das schottische Parlament: "A second and crucial difference from 1978 - (... ) - is that we have moved to define the reserved rather than the devolved powers, to ensure maximum c1arity and stability. Anyone 100king at the 1978 Act would see a somewhat grudging document, which would have required frequent updating. (... ) We wished to minimise the difficulties of interpretation an to allow for maximum flexibility in future. We have done so. ,,252

Hierin wird deutlich, dass auch Dewar durchaus bewusst war, dass mögliche Konflikte mit der Zentralregierung nicht generell ausgeschlossen werden können. Allerdings war beabsichtigt, nunmehr nicht mehr wie in dem Entwurf von 1978 die einzelnen Kompetenzen genau zu definieren, die auf das Regionalparlament übertragen werden sollten, sondern es war geplant, unter dem Gesichtspunkt einer möglichst flexiblen und stabilen - weil dauerhaften - Arbeitsweise des Parlamentes lediglich die Bereiche festzuschreiben, die jedenfalls im alleinigen Zuständigkeitsbereich der Zentralregierung verbleiben sollten. Bedenken gegen diese Regelung äußerte Michael Ancram von den oppositionellen Torries. Er argumentierte, dass das schottisches Parlament sehr bald noch mehr Macht wolle, was dann unweigerlich zu einer Schwächung der Union führe. 253 Der ebenfalls oppositionelle Tarn Dalyell äußerte sogar die Befürchtung, dass das "White Paper" nicht eine stabile Vereinbarung widerspiegele, sondern die eigentliche Absicht der Regierung auf eine neue Rolle zwischen dem status quo (ante) und der Unabhängigkeit Schottlands gerichtet sei. 254 Eindeutig positiv äußerte sich Alex Salmond für die SNP; er begrüßte insbesondere die Vorschläge für Schottlands neue Rolle innerhalb der Europäischen Union. 255 Da sich spätestens mit der Veröffentlichung des Weißbuchs abzeichnete, dass der eingeschlagene Weg bereits jetzt, bedingt durch das enorme Echo in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und vor allem bedingt durch die zu erwartende hohe Zustimmungsrate in Schottland selbst nahezu unumkehrbar war, gab sich der Vorsitzende der oppositionellen Torries, William Hague, in einem Interview mit einem Radiosender schließlich geschlagen: "If they vote for it in the referendum then they will get a Scottish Parliament and a Welsh Assembly and we will have to respect that for the future.,,256

Das von Hague erwähnte Referendum sollte nach den Vorschlägen des "White Paper" am 11. September 1997 stattfinden. Dabei sollten den Be252 253 254 255 256

Donald Dewar, He Deb vol. 299 c 460. Michael Ancram, He Deb vol. 299 c 471-479. Tarn DalyeU, He Deb vol. 299 c 485. Alex Salmond, He Deb vol. 299 c 501-502. Zitiert nach: Research Paper 98/1, S. 8.

128 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

wohnem von Schottland zwei Fragen zur Entscheidung vorgelegt werden: Zum einen die Frage, ob ein Regionalparlament generell errichtet werden solle, zum anderen die Frage, ob dieses Parlament eigene, begrenzte Steuererhebungskompetenzen bekommen solle. 257 bb) "White Paper": Kritik Neben den kontroversen Diskussionen im "House of Commons" wurde das Papier auch in der Öffentlichkeit heftig diskutiert. Vor allem von Seiten der "Law Society of Scotland" wurde Kritik an den Vorschlägen geübt. 258 Im Gegensatz zu anderen einflussreichen Gruppierungen stieß der gesamte Entwurf jedoch bei ihr auf Zustimmung. In einigen Punkten wurde die Grenzziehung zwischen den übertragenen und reservierten Bereichen kritisiert. Genannt wurde beispielsweise, dass das Parlament die Kompetenz erhalten solle, Regelungen bezüglich Kommunalwahlrecht zu treffen, die Regelungskompetenz bezüglich des Parlamentswahlrechts jedoch in Westminster verbliebe. Bezüglich der notwendigerweise mit der Übertragung von Kompetenzen einhergehenden Einschränkung der "Sovereignty of Westminster" warf die "Law Society" die Frage auf, ob nicht eine Bestimmung quasi in eine Art Präambel aufgenommen werden sollte, die trotz der weitgehenden Übertragung die absolute Stellung des Zentralparlamentes nochmals verdeutlichen sollte. Ganz unbesorgt - oder je nach Blickwinkel eher resigniert - sehen dieses Problem jedoch die Professoren der University of Strathclyde (Glasgow) William Bain und Jean McFadden. Sie vertraten die Ansicht, dass "the reality is that the doctrine of the sovereignty of Parliament will continue weIl into the next millennium, long after any Scottish Parliament will have been established, with all the implications that has for the entrenchment of the legislation. The ,popular sovereignty' of a bygone age cannot be revived.,,259

Des Weiteren wurde Kritik an den Vorschlägen zur Lösung von Kompetenzkonflikten, zur Rolle Schottlands innerhalb der EU, zur künftigen Rolle des "Secretary of State for Scotland", zu einigen finanziellen Vereinbarungen sowie zu den Steuerkompetenzen geübt. Ein genaues Eingehen auf diese Debatte erübrigt sich hier, da viele dieser Punkte später im Rahmen der Wertung und Beurteilung des "Scotland Act" nochmals zur Sprache kommen werden. Scotland Office (1997), Chapter 11, Next Steps (11.2). Memorandum of comments by the Law Society of Scotland on the white paper Scotland's Parliament, The Law Society of Scotland, September 1997. 259 Me Fadden/Bain, in: Bates (1997), S. 19 f. 257 258

11. Schottland

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In der Folgezeit vor der Publikation des "Scotland Bill" konzentrierte sich die öffentliche Diskussion insbesondere auf ökonomische Fragen. Die finanzielle Ausstattung des Parlamentes und damit zusammenhängende Verfahrensfragen wurden diskutiert260 ; ein weiterer Fokus lag auf dem Versuch, zu einem Vertrag zwischen dem DTI ("Departement of Trade and Industries"), dem "Welsh Office" und dem "Scottish Office" zu gelangen, um künftig die Verteilung von Investitionsgeldern besser koordinieren zu können. 261 cc) Devolution - Eine grundlegende Struktur für das Vereinigte Königreich? Auch die grundsätzliche Frage, inwieweit das "Modell Devolution" einen (neuen) Rahmen für das gesamte Vereinigte Königreich schaffen könne, trat wieder verstärkt in den Vordergrund?62 Insbesondere auf dem Hintergrund des zu diesem Zeitpunkt schon im parlamentarischen Verfahren befindlichen "Government of Wales Bill" und des "Greater London Authority Referendum Bill,,263 wie auch der zu diesem Zeitpunkt laufenden Friedensgespräche über den künftigen Status von Nordirland wurde die Frage lauter, ob nicht die Zeit reif sei, über einen grundlegenden Strukturwandel des Vereinigten Königreiches nachzudenken. Den radikalsten Vorschlag in diese Richtung machte David Trimble, der Vorsitzende der nordirischen "Ulster Unionist Party". Er schlug vor, einen "Rat der Britischen Inseln" einzurichten, eine Körperschaft, die sich aus Abgesandten der britischen und irischen Regierung sowie aus Repräsentanten der Regionalparlamente und Regionalkammern aus Schottland, Wales und Nordirland zusammensetzen sollte?64 Aufgrundder großen Unterschiede in den Kompetenzen der einzelnen Regionalkörperschaften fand dieser Vorschlag jedoch zunächst keinen großen Nachhall. In einen Staat wie dem Vereinigten Königreich, in dem eine Einheit, nämlich England, wesentlich größer und wirtschaftlich leistungsfähiger sei als alle anderen, HC Deb vol 302 c510-513w. Scotsman vom 5.11.97 "Beckett insists on veto over investment aid". 262 Research Paper 9811, S. 20 ff. 263 Research Paper 971114. 264 UUP Presseerklärung vom 7.10.97 "Launch of Strand 2 Talks"; auch: Financial Times vom 9.12.97 "Trimble in plea to London and Dublin"; rein formell existiert ein solcher Rat mittlerweile in Form des "British-Irlsh Council". Er ist Bestandteil des Dublin-Agreement vom Karfreitag 1998; seine Funktionen sind jedoch nicht die einer zweiten Kammer. Er soll dazu dienen, quasi an einem "Runden Tisch" in regelmäßigen Abständen Probleme des Vereinigten Königreiches und Irlands, die gemeinsam gelöst werden könnten, zu besprechen und ggf. Lösungsvorschläge zu erarbeiten, vgl. hierzu auch unten Kapitel B V 2. 260 261

9 Mey

130 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches und in dem es bisher keine verstärkten Anstrengungen bezüglich einer weitgehenden regionalen Gliederung auch Englands gebe, passe eine derartige Struktur nicht. Dennoch wurde ein derartiger ..Rat der britischen Inseln" dann doch, wenn auch mit anderer Zielsetzung, durch das Karfreitags-Abkommen von Belfast am 10. April 1998 errichtet.265 Der damalige ..Secretary of State for Wales", Ron Davies, gab sich bezüglich der weiteren Entwicklung durchaus aufgeschlossen: "Devolution is not an event, but a process,,266 Auch John Prescott, .. Secretary of State for the Environment, Transport and the Regions", stellte klar, dass für ihn die bisherigen Schritte keineswegs das Ende der Regionalentwicklung im Vereinigten Königreich darstellen sollten. Im der Diskussion über das ..White Paper on Regional Development Agencies" vom Dezember 1997 wurde er diesbezüglich sehr deutlich: "As we made dear in our manifesto, we are committed to moving, with the consent of the local people, to directly elected regional govemment in England. That complements devolution in Scotland and Wales and the creation of a Greater London assembly. Demand for directly elected regional govemment varies across England, and it would be wrong to envisage a uniform approach at this stage. ,,267 Noch weiter ging Richard Cabom, ein enger Mitarbeiter von John Prescott, der die Idee einer föderalen Struktur in die Diskussion einbrachte. Damit ist für ihn auch die sog ...West Lothian Question" zu lösen.268 dd) Inkurs: Die West Lothian Question Unter der ..West Lothian Question" wird in der britischen Regionalismusdiskussion das Problem der Repräsentation der Regionen auf der Ebene des Zentral staates verstanden. Sie ist benannt nach dem Wahlkreis von Tarn Dalyell, ein MP, der Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts dieses Problem zum ersten Mal auf die Tagesordnung gebracht hat: "Shall I still be able to vote on many matters in relation to West Bromwich but not West Lothian (... ) and will my Right Honourable Friend be able to vote on many matters in relation to Carlisle but not Cardiff?,,269 265 Vgl. hierzu genauer Kapitel B V 2. 266 Ron Davies. HC Deb vol 302 c 677. 267 HC Deb vol 302 c 359. 268 Scotsman vom 1.12.97 "Exclusive: England's regions will get horne rule; Labour promises assemblies in next Parliament"; vgl. zu diesem Problem auch: Dunleavy (1997), S. 138 f. 269 Frage von Tarn Dallyell and den damaligen Premierminister Jarnes Callaghan, zitiert nach: Denver u. a. (2000), S. 17.

11. Schottland

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Sie beinhaltet das Problem, dass auch nach der Arbeitsaufnahme eines schottischen Regionalparlamentes wahrscheinlich 59 schottische Abgeordnete im Unterhaus sitzen werden. Diese sind nicht Mitglieder des schottischen Regionalparlamentes. Ihre Sitze sind nach wie vor notwendig, da die schottischen Bürger auch in solchen Fragen repräsentiert sein müssen, in denen die Zentrale nach wie vor die alleinige Kompetenz hat. Darüber hinaus werden diese Abgeordneten jedoch auch in solchen Fragen mitstimmen, die nur England oder Wales betreffen. Dagegen haben Abgeordnete aus englischen oder walisischen Wahlkreisen nicht länger die Möglichkeit, über spezifische schottische Fragestellungen mit abzustimmen. Dies führt zu der Frage, warum dann schottische Abgeordnete überhaupt noch die Möglichkeit haben sollten, in solchen Fragen, die sie nicht betreffen, mitzustimmen. Ein partieller Ausschluss bei Abstimmungen zu solchen Fragen wäre theoretisch kein Problem, politisch jedoch durchaus, da Labour befürchtet, dass in Zukunft, wenn die Mehrheitsverhältnisse etwas knapper sein könnten, dann eine Mehrheit bei englischen oder walisischen Problemen in Frage gestellt sein könnte. Diese Frage. ist bisher nicht abschließend geklärt. Es ist also davon auszugehen, dass sie in der künftigen Diskussion weiter eine große Rolle spielen wird. Scharfe Kritik an den Vorschlägen zur "Devolution" kam in den folgenden Wochen nochmals aus den Reihen der Opposition sowohl im Unter- als auch Oberhaus. Der bereits zitiert Michael Ancram wiederholte seine Befürchtungen, dass mit diesen Vorschlägen ein Auseinanderbrechen des Königreiches drohe, und er warnte die Regierung vor einer Entwicklung, die in einem Europa der Regionen enden könne: "I warn the House that the Bill moves us significantly doser to the Europe of Regions and away from the Europe of Nations. In so doing, it is inirnical not only to Conservative Members but to the vast majority of people in Wales and the rest of the Uni ted Kingdom. ,.270

Lord Cranborne, der Oppositionsführer im "House of Lords", hatte ebenfalls argumentiert, dass ein schottisches Parlament Westminster herausfordern könne und mit solchen Kräften sympathisieren werde, die ein Europa der Regionen forderten. 271 ee) Die Referendums-Kampagne Unmittelbar nach der Veröffentlichung des "White Paper" gingen die Parteien daran, sich wahlkampftaktisch auf das Referendum einzustimmen. 270 271

9*

HC Deb vol. 302 c 689. Research Paper 98/1, S. 23.

132 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

SNP und Labour unterstützten das Referendum und das geplante "Scotland Bill" gemeinsam in der "Scotland forward"-Kampagne für ein "Yes Yes vote" ("Yes Yes" deswegen, da die Frage des Referendums zweigeteilt war: zum einen wurde um Zustimmung für das Reformvorhaben an sich geworben, zum anderen ging es um das schon beschriebene eigene Steuererhebungsrecht, nämlich gewisse Steuersätze um bis zu +/- 3 % verschieden vom restlichen Teil des Landes zu gestalten). Die schottischen Medien mit Ausnahme der "Scottish Daily Maii" (einer Zeitung, die der konservativen "Daily Mail"-Gruppe angehört) unterstützten die Kampagne ebenfalls. Der schon erwähnte Dewar, damals "Secretary of State for Scotland", versprach den Wählerinnen und Wählern, dass die Steuern, sofern Labour die Mehrheit erhalten würde, während der Labour-Regierung in Westminster nicht erhöht würden. Die britischen - insbesondere schottischen Konservativen - gingen mit der "Think-Twice-Campaign" ins Rennen. Es rallt auf, dass sich bis auf wenige prominente Torries viele bekannte Oppositionspolitiker aus der öffentlichen Diskussion und dem Stimmenfang gegen ein "Yes Yes vote" herausgehalten haben. 272 Lady Thatcher vertrat in einem Artikel im "Scotsman" die Ansicht, dass die Umsetzung der Vorschläge des Weißbuchs Instabilität hervorrufen würden?73 Von Seiten der Wirtschaft, insbesondere der "Bank of Scotland", wurde ein "Yes-No-vote" präferiert. 274 In diesem Zusammenhang wurden Befürchtungen geäußert, dass zusätzliche Steuern zu einem "braindrain" führen könnten, und zudem höhere Hürden für Investitionen in Schottland,errichten würden. 275 ff) Die Abstimmung in Schottland am 11. September 1997 Nachdem das Referendum wegen des Unfalltods von Diana, Princess of Wales, am 31. August 1997 noch fast verschoben worden wäre 276 , kam es 272 Scotsman vom 10.9.97 "Inept opposition renders Yes, No scenario an academic exercise". 273 Scotsman vom 9.9.97 "Don't wreck the heritage we all share". 274 Scotsman vom 22.8.97 "From high on the mound, a grenade tossed at De-

war".

275 Scotsman vom 26.8.97 "Scottish business wary of devolution consequences"; vgl. hierzu auch die Untersuchung von "Scotland Forward", aus der sich ergibt, dass die Mehrheit der Bevölkerung zunächst befürchtete, dass das Regionalparlament von seiner Kompetenz, die Steuern zu erhöhen, relativ bald Gebrauch machen werde, Denver u. a. (2000), S. 53. 276 Tam DalyeU forderte in der Tat, aufgrund dieses Ereignisses das Referendum zu verschieben. Donald Dewar entgegnete ihm jedoch, dass er zwar an eine Ver-

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schließlich am 11. September 1997 zu der lange erwarteten Volksabstimmung?77 Die Ergebnisse des Referendums waren eindeutig. 74,3% der Wahlbeteiligten stimmten bei einer Wahlbeteiligung von 60,4% für das Parlament (entspricht 45% aller Wahlberechtigten), 25,7% dagegen; 63,5% der Wahlbeteiligten stimmten für die Steuerkompetenzen, nur 36,5 % dagegen. 278 c) Das "Scotland Bill" vom 19. November 1997

Damit war der Weg frei, das versprochene Projekt nunmehr konkret in die Tat umzusetzen. Nach einigen Wochen der Vorbereitung brachte die Regierung am 19.11.1997 das "Scotland Bill" in das Parlament ein. aa) Pressekonferenz am 18. Dezember 1997 in Glasgow Nachdem das Gesetz veröffentlicht worden war, nahmen die Vertreter der Regierungspartei, der oppositionellen Torries, der SNP und der Scottish Liberal Democrats auf einer Pressekonferenz am 18. Dezember 1997 gemeinsam Stellung. schiebung gedacht habe, dass die Fristen und technischen Voraussetzungen jedoch eine Verzögerung nicht mehr zuließen (vgl. Denver u. a. (2000), S. 71 ff.). 277 Die schottische Tageszeitung "Heraid" hatte zum Referendumstag zu einem Gedichtwettbewerb aufgerufen. Der Gewinner, dessen Gedicht am 11.09.1997 in der Zeitung veröffentlicht wurde, war Rody Gonnan. Es soll gleichzeitig als Beispiel für modeme politische Dichtung im Folgenden wiedergegeben werden (zitiert nach: Denver u. a. (2000), S. 99 Fn. 4): "We'll keep the dividing wall A wee whilie yet, and the dyke Which is like a border Between Scotland and the rest Between ourselves And the folks next doOf But from now on Instead of forever flinging All our rubbish over it, Suppoose we keep most of it ourseives, For the sake of reconciliation, you understand Between us as Jock's wee bairns And who knows what'll emerge From the midden which develops?" 278 Vgl. zu den Ergebnissen in aller Genauigkeit und mit vielen Einzeianalysen: Denver u. a. (2000), S. 123 ff.; auch: Research Paper 97/113.

134 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Während Donald Dewar das Gesetz als historischen Meilenstein feierte, es als genuin historisches Dokument, als weitaus radikaleres Stück Gesetzgebung bezeichnete, als viele noch ein Jahr zuvor sich haben vorstellen können, und sich zudem hocherfreut zeigte, dass die Vorschläge des "White Paper" weitgehend umgesetzt werden konnten279 , akzeptierte Michael Ancram für die oppositionellen Konservativen zwar die Errichtung eines schottischen Parlamentes als Folge des klaren Wunsches der schottischen Bevölkerung. Er verwies jedoch erneut auf die bisher ungeklärten verfassungsrechtlichen Folgen für den Zusammenhalt des Gesamtstaates und gab zudem seiner Sorge Ausdruck, dass Schottlands Bedeutung innerhalb der Europäischen Union aufgrund der fehlenden Möglichkeit der schottischen Minister, direkt im Ministerrat repräsentiert zu sein, nicht ausreichend Rechnung getragen werde?80 Die SNP nahm das Gesetz mit großer Begeisterung auf. Dass die Bedenken von Ancram nicht gänzlich unbegründet sind, zeigte die Reaktion des Vorsitzenden der SNP, Alex Salmond: "The Bill was part of a process not an event in itself. This is an historie day, but it is part of a process that will lead to Independence in Europe.,,281 Die schottischen Liberaldemokraten begrüßten das Gesetz ebenfalls; ihr Vorsitzender Donald Gome kommentierte das Gesetz wie folgt: "The Scottish Parliament will mean better government first for Scotland, and then for the rest of the UK. This is the first step on a road which leads to a federal United Kingdom."282 Hier fällt im Zusammenhang mit der Regionalisierung zum zweiten Mal der Begriff "Föderalismus" bzw. "föderal". Professor Vernon Bogdanor, einer der bedeutendsten konservativen Staatsrechtler und Politikwissenschaftler, betonte, dass die Motivation, Schottland mehr eigene Kompetenzen zu geben, der Eindämmung zentrifugaler Kräfte gedient habe und Schottland nunmehr immer stärker einem föderalen Gliedstaat ähneln werde und Westminster sein Supremat nur noch unter "pathological political circumstances" werde ausüben können. 283 279 Scottish Office Press Notice vom 18.12.1997 ,,Donald Dewar unveils ,Pathway to a Parliament"'. 280 Conservative Party Press Notice vom 18.12.1997 ,,Michael Ancram explains the faults in the Scotland Bill". 281 SNP News Release vom 18.12.1997 "SNP reaction to devolution bill- part of a process not an event". 282 Scottish Liberal Democrats Press Release vom 18.12.1997 "Lib Dems welcome Scotland Bill". 283 The Times vom 22.12.1997 "The more we are together".

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Vergleicht man die verschiedenen Konzepte der wichtigsten britischen und schottischen Parteien, so geht der Plan der SNP am weitesten. Aus den Reihen der SNP wurde mehr als einmal die Forderung geäußert, dass am Ende des nunmehr begonnenen Prozesses ein unabhängiges Schottland stehen solle, das sich im Konzert der Regionen Europas gut behaupten könne. 284 Der konservative Opposition blieb keine andere Möglichkeit, als sich mit der normativen Kraft des Faktischen abzufinden. Aus den Reihen der Labour-Party wie auch der schottischen Liberaldemokraten waren Stimmen zu hören, die eines Tages den Chorruf nach einem föderalen Staat bilden könnten. d) Der "Scotland Act 1998" im Detail aa) Übersicht über den Inhalt Nachdem das "Scotland Bill" am 19.11.1997 in das Unterhaus eingebracht worden war, wurde es dort in insgesamt drei Lesungen behandelt. Dabei erfuhr die Gesetzesvorlage noch einige Änderungen im Detail, die jedoch auf die Gesamtkonzeption keinen grundlegenden Einfluss mehr hatten. Im Anschluss an das parlamentarische Verfahren im Unterhaus wurde das Gesetz dem Oberhaus zur Beratung und Zustimmung zugeleitet. Nachdem auch das Oberhaus mehrheitlich zugestimmt hatte, erfuhr es am 19.11.1998 schließlich den "royal assent" und konnte somit offiziell in Kraft treten. Da die Stellung, die Kompetenzen und die Arbeitsweise des schottischen Regionalparlamentes von zentraler Bedeutung für die Analyse und das Verständnis des britischen Regionalismus sind, wird im Folgenden ein Überblick über den "Scotland Act 1998" gegeben. 285 Die Abweichungen, die sich während des parlamentarischen Verfahrens zum "Scotland Bill" vom 19.11.1997 und zum "White Paper" ergeben haben, werden jeweils im Anschluss an ein Unterkapitel beschrieben. Da das Gesetz sehr umfangreich ist - es besteht insgesamt aus 132 Artikeln und 9 Anhängen286 - ist es erforderlich, sich auf die Grundstrukturen zu konzentrieren?87 284 Vgl. zum Beispiel das Wahlprogramm der SNP zu den allgemeinen Parlamentswahlen 1997, "Yes we can win the best for Scotland", SNP 1997, Ziff. 9. 285 Die folgenden Ausführungen orientieren sich am Scotland Act 1998. "Act" bedeutet im Gegensatz zum "Bill", dass der "Act" ein verabschiedetes Parlamentsgesetz darstellt, ein "Bill" das Gesetz beschreibt, während es sich noch im parlamentarischen Verfahren befindet. 286 Nach einer Pressenotiz des "Scottish Office" besteht es aus mehr als 40.000 Wörtern und verursachte über 60.000 Personen-Stunden, um es zu vollenden! Vgl. Scottish Office Press Notice vom 18.12.1997.

136 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

bb) Das schottische Parlament - Entstehung, Zusammensetzung, Geschäftsordnung (Artikel Ibis 27) ( 1) Entstehung und Wahl

Durch Artikel 1 (1) wird das schottische Regionalparlament errichtet: "There shall be a Scottish Par1iament"

Insgesamt hat das Regionalparlament 129 Mitglieder. Die folgenden Artikel 2 bis 10 regeln das künftige Wahlsystem. Im "White Paper" hatte die Regierung versprochen, dass das Parlament aufgrund eines fairen Wahlsystems gewählt werden sollte?88 Das neue System basiert auf einer Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Es kombiniert das traditionelle britische System mit einigen Elementen des Verhältniswahlrechts, um sicherzustellen, dass sich die Mehrheitsverhältnisse der Parteien im Parlament widerspiegeln. Generell soll alle vier Jahre eine allgemeine Parlamentswahl stattfinden (Artikel 2 (2». Artikel 3 legt die Fälle fest, in denen unter besonderen Umständen auch schon vorgezogene Wahlen stattfinden können; dies insbesondere dann, wenn das Parlament mit 2/3-Mehrheit beschließt, sich selbst aufzulösen. Bei der Wahl hat jeder Wähler zwei Stimmen: eine Stimme für den jeweiligen Wahlkreiskandidaten ("constituency member") und eine Stimme für einen sog. regionalen Kandidaten ("regional member"). Die Parteien, die an der Wahl teilnehmen, sind aufgefordert, eine Liste mit regionalen Kandidaten aufzustellen, die dann über die Zweitstimme im Wege des Verhältniswahlrechts einen Sitz im Regionalparlament erhalten können (Artikel 5-8). Die 73 Wahlkreise basieren auf dem Zuschnitt, der für die allgemeinen britischen Parlamentswahlen ebenfalls gilt. Dazu kommen aus jedem der acht neuen Wahlkreise, die für die letzten Wahlen zum europäischen Parlament geschaffen wurden 289 , jeweils sieben Abgeordnete, was dann die Gesamtzahl der Abgeordneten von 129 ergibt. 29o Diese Kombination aus dem traditionellen Mehrheitswahlrecht mit Elementen des Verhältniswahlrechtes ist neu für das Vereinigte Königreich; das 287 Vgl. hierzu auch die Analyse des "Scottish Office" vom Dezember 1997: The Scotland Bill - A Guide. 288 Vgl. Scottish Office (1997), Ziff. 8.8. 289 European Parliamentary Constituencies (Scotland) Order 1996; S.1. 1996/ 1926. 290 Diese Abgeordneten werden nach dem D'Hondschen Verfahren bestimmt, vgl. hierzu genauer Research Paper 98/1, S. 38; vgl. auch: http://www.cybersurf.co.uk/ cscoparl/briefing (gibt ein Beispiel, wie das System in der Praxis funktioniert, aufgezeigt an der Euro-Region "Lothian").

11. Schottland

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reine Mehrheitswahlrecht besteht für das Parlament in Westminster bereits seit Jahrhunderten. Allerdings hat die Erfahrung bei den allgemeinen Parlamentswahlen gezeigt, dass das reine Mehrheitswahlrecht zu ungerechten Ergebnissen führen kann. So entspricht die Anzahl der Abgeordneten einer Partei im Unterhaus nicht notwendigerweise dem prozentualen Anteil an Stimmen, die sie in den Wahlen erzielt hat. Hier versucht das neue System, die größten "Härten" zu mildern; dies unter Hinnahme der Aufgabe jahrhundertealter Traditionen. 291 Neben dem passiven Wahlrecht für alle volljährigen Schotten ermöglicht Artikel 16 (2) auch Staatsangehörigen aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die ihren ersten Wohnsitz in Schottland haben, für einen Sitz im Parlament zu kandidieren. Hier geht Schottland neue Wege; denn, soweit ersichtlich, gibt bisher kein Land der europäischen Union Bürgern aus anderen Mitgliedsstaaten in einer Regionalvertretung ein passives Wahlrecht. Schottland zeigt damit seinen festen Willen, zu einem vertrauenswürdigen und verlässlichen Partner innerhalb der Regionen Europas zu werden, zu einem Partner, der seine nationale, wirtschaftliche und politische Zukunft langfristig in einem "Europa der Regionen" sieht. (2) Verwaltung

Um eine effektive Verwaltung und Arbeitsweise zu gewährleisten, bestimmt Artikel 19, das ein Parlamentspräsident ("presiding officer") und zwei Beisitzer in der konstituierenden Sitzung aus der Mitte des Parlamentes gewählt werde solle. Artikel 21 schreibt vor, dass darüber hinaus ein sogenannter "Scottish Parliamentary Corporate Body" eingerichtet werden soll, der im Auftrag des Parlamentes die gesamten Verwaltungsaufgaben (u. a. Ausstattung mit Sachmitteln und Personal) übernimmt. Er setzt sich zusammen aus dem Parlamentspräsidenten und weiteren Abgeordneten.

291 In den Wahlen vom 6. Mai 1999 wurde wurde Labour zur stärksten Partei. Labour erreichte mit der Erststimme (Mehrheitswahl) 38,8 %, mit der Zweitstimme (Verhältniswahl) insgesamt 34% der Wählerstimmen. Dies bescherte Labour 56 Sitze, 9 weniger, als zur absoluten Mehrheit notwendig gewesen wäre. SNP wurde mit einem Anteil von 29% (bzw. 28% der Zweitstimmen) zur zweitstärksten Partei und errang insgesamt 35 Sitze. Nur drittstärkste Krafte wurden die Konservativen mit 15% sowohl der Erst- als auch der Zweitstimmen. Auf sie entfielen 18 Sitze. Auf die Liberaldemokraten entfielen mit einem Stimmenanteil von 14% (13%) der Stimmen insgesamt 17 Sitze. Darüber hinaus wurden noch drei weitere Kandidaten in Direktwahl gewählt.

138 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

(3) Geschäftsordnung (" Standing Orders")

Artikel 22 bis 27 haben die wesentlichen Vorschriften zur Geschäftsordnung zum Inhalt. Das Scottish Office meint dazu: "It will be a modem Parliament drawing on best practice from countries and re-

gions throughout the world. ,,292

Artikel 22 ermöglicht in Verbindung mit Anhang 3, dass das Parlament weitgehend frei über seine Geschäftsordnung und die Einrichtung von Ausschüssen befinden kann. Die Artikel 24-26 geben dem Parlament weitgehende Kontrollrechte, um die Arbeit der Verwaltung möglichst effektiv und bürgemah zu gestalten. Bezüglich des ersten großen Abschnitts des "Scotland Bill" ergeben sich keine Veränderungen gegenüber den Vorschlägen des "White Paper" (in Kapitel 9, Parliamentary Arrangements). Gegenüber dem "Scotland Bill" wurde eine klarstellende Änderung in Art. 4 (bezüglich der Berechnung von Sitzungsperioden) vorgenommen, die jedoch hier keine Bedeutung hat. Darüber hinaus ergaben sich während des parlamentarischen Verfahrens kleinere sprachliche Veränderungen und Klarstellungen. bb) Gesetzgebungskompetenz Gesetzgebungsverfahren (Artikel 28-43) Die Artikel 28 bis 36 sind die für die Bedeutung und Stellung des Parlamentes wohl wichtigsten Vorschriften. Artikel 28 (1) i. V.m. Artikel 29 (1) gibt dem Parlament das Recht, innerhalb der ihm zugewiesenen Kompetenzen gesetzgeberisch tätig zu werden. Diese Kompetenzen finden einzig in den sogenannten "reserved matters" ihre Schranken. Wie bereits oben erwähnt, geht der "Scotland Act 1998" den entgegengesetzten Weg zum "Scotland Act 1978". Wurden dort noch alle die Bereiche definiert, für die das Regionalparlament zuständig sein sollte, findet jetzt eine generelle Übertragung von Kompetenzen statt, beschränkt nur durch genau definierte Bereiche, die aufgrund der Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung für den britischen Gesamtstaat nach wie vor durch das Parlament in Westminster wahrgenommen werden. Artikel 29 bestimmt dies wie folgt: ,,29. - (1) An Act of the Scottish Parliament is not law so far as any provision of the Act is outside the legislative competence of the Parliament. (2) A provision is outside that competence so far as any of the following paragraphs apply292

Scottish Office (1997a), S. 3.

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(a) it would fonn part of the law of a country or territory other than Scotland, or confer or remove functions exercisable otherwise than in or as regards Scotland, (b) it relates to reserved maUers, (c) it is in breach of the restrictions in Schedule 4, (d) it is incompatible with any of the Convention rights or with Comrnunity law, (e) it would remove the Lord Advocate from his position as head of the systems of crirninal prosecution and investigation of deaths in Scotland."

Die "reserved matters" werden in Anhang 5 sehr detailliert beschrieben. Eine Wiedergabe würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen; eine gute Zusammenfassung gibt jedoch eine tabellarische Übersicht des "Scottish Office", die im Anhang abgedruckt wird. 293 Kurz zusammengefasst sind die dem Parlament in Westminster vorbehaltenen Bereiche all diejenigen - wie die Verfassung des Gesamtstaates, Außenpolitik, Verteidigungspolitik, Schutz der Außengrenzen, Stabilität der Fiskal- und Wirtschaftspolitik, Sicherheit des öffentlichen Transportwesens, Gewährleistung gleicher Marktzutrittschancen für die Marktteilnehmer -, die auch in einem Föderalstaat wie der Bundesrepublik Deutschland Angelegenheiten des Bundesstaates sind. Auch in einem föderalen System (vgl. etwa Art. 73 GG) werden Gegenstände ausschließlicher Gesetzgebung definiert, um gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen oder zu bewahren oder wenn die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine Regelungskompetenz des Bundesstaates erforderlich macht (vgl. Art. 72 Abs. 2 GG). Da die Gegenstände ausschließlicher Gesetzgebung (,,reserved matters") definiert werden, verbleibt im Übrigen ein sehr großer, nicht abschließend definierter Bereich, für den das schottische Regionalparlament ausschließlich zuständig ist. Das Parlament und die Exekutive sind unter anderem alleinverantwortlich für den gesamten Gesundheitsbereich einschließlich des "National Health Service" für Schottland, für die Bildungspolitik, für wirtschaftliche Entwicklung und Infrastruktur, für den Bereich des "local govemment", für einige Bereiche der Sozialpolitik wie Sozialarbeit und Wohnungswirtschaft, alle Bereiche der schottischen "Innenpolitik" wie das gesamte Rechtssystem, Zivilverteidigung und Notfallplanung, für die Umwelt und Umweltpolitik, für die Landwirtschafts-, Fischerei- und Forstpolitik sowie für viele Bereiche der Kulturpolitik einschließlich des Sportes. Eine detaillierte Aufstellung der Bereiche, die durch das Regionalparlament wahrgenommen werden, findet sich ebenfalls in der Broschüre des "Scottish Office"; sie 293

V gl. Anhang 1.

140 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

vermittelt einen umfassenden Eindruck, wie vieWiltig, umfassend und weitreichend die "devolved matters" sind. Während des parlamentarischen Verfahrens haben sich gegenüber dem ursprünglichen Entwurf zwei wichtige Veränderungen ergeben. Ein neuer Art. 39 schreibt vor, dass alle Mitglieder des Parlamentes weitgehend Rechnung legen müssen über ihre Einnahmen, die sie über ihre Arbeit im Parlament hinaus erzielen, um zu verhindern, dass sich einzelne Abgeordnete durch Interessengruppen kaufen oder zumindest in ihrem Abstimmungsverhalten beeinflussen lassen. Kommt der einzelne Abgeordnete dieser Pflicht nicht nach, begeht er eine Straftat (Art. 39 (6». Ein neuer Art. 40 schreibt vor, dass Verfahren gegen einzelne Mitglieder des Parlamentes oder der Regierung gegen die Körperschaft zu richten sind, dem sie angehören. cc) Die Schottische Exekutive (Artikel 44-63) Die Stellung und Funktion der schottischen Exekutive besitzt große Ähnlichkeit mit der gesamtstaatlichen Exekutive. Sie ist dem schottischen Parlament verantwortlich und für die Ausführung der vom Parlament beschlossenen Gesetze zuständig.

(1) Struktur der Regierung Der Regierung steht ein sogenannter "First Minister" vor. Der "First Minister" ist befugt, aus den Reihen des Parlamentes weitere Minister zu ernennen (Artikel 44 (l) (b) i. V. m. Artikel 47 (l» und diese auch wieder zu entlassen. Sie bilden zusammen mit dem "Lord Advocate" und dem "Solicitor General for Scotland,,294 (Art. 44 (l) (c» die schottische Regierung. Daneben hat der "First Minister" noch die Kompetenz, sogenannte "Junior Minister" zu ernennen, die die Minister unterstützen sollen. "Junior Minister" entsprechen in ihren Befugnissen und ihrer Stellung in etwa den deutschen Staatssekretären. 294 Der "Lord Advocate", assistiert durch den "Solicitor General", ist in manchen Bereichen etwa vergleichbar dem deutschen Generalstaatsanwalt. Er entspricht dem englischen "Attomey General", und hat auf Seiten der Staatsmacht die oberste Verantwortung für die Strafverfahren und die Strafvollstreckung. Darüber hinaus hat er die bedeutende Aufgabe, die Regierung in allen Rechtsfragen zu beraten. Bereits vor der Übertragung der Verantwortung für die Arbeit des "Lord Advocate" auf das Parlament in Schottland bestand eine Hauptaufgabe des "Lord Advocate" darin, Gesetzesentwürfe mit Bezug auf Schottland zu prüfen oder diie Regierung in Zivil verfahren zu beraten, an denen sie beteiligt war. Nach seiner "Unterstellung~' unter das schottische Parlament hat er nun auch die Aufgabe, das schottische Parlament und die schottische Regierung in derartigen Fragen zu beraten und an der Ausarbeitung von Gesetzesntwürfen mitzuwirken; vgl. hierzu auch: Jackson, in: Bates, S. 51 ff.

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Art. 48 (5) sichert dem "Lord Advocate" weitgehende Unabhängigkeit zu, um ihn in seiner Arbeit von Anweisungen des Parlamentes oder der übrigen Minister freizustellen. Allerdings hat das Parlament die Möglichkeit, ihn gemäß Art. 48 (2) das Vertrauen zu entziehen und ihn damit zum Rücktritt zu zwingen. (2) Zuständigkeit der Regierung

Die Artikel 52 bis 58 beschreiben die Kompetenzen der schottischen Minister. Art. 53 enthält die Grundvorschrift, nach der Mitglieder der Zentralregierung generell Exekutivfunktionen auf Mitglieder der schottischen Exekutive übertragen können. Diese sind: ,,(2) Those functions are: (a) those of Her Majesty's prerogative and other executive functions which are exercisable on behalf of Her Majesty by a Minister of the Crown, (b) other functions conferred on a Minister of the Crown by any prerogative instrument, and (c) functions conferred on a Minister of the Crown by any pre-commencement enactment."

Art. 56 gibt den Ministern die Möglichkeit, Kompetenzen in Übereinstimmung mit den Ministern der Zentralregierung auszuüben, beispielsweise im Bereich Straßenverkehrsrecht. 295 Der Zentralregierung verbleibt die Kompetenz, Verordnungen für Schottland zu erlassen, soweit sie sich auf die Umsetzung von EU-Richtlinien beziehen. Der schottischen Exekutive steht explizit kein Recht zu, Verordnungen zu erlassen, die gegen EU-Recht verstoßen oder Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention betreffen (Art. 57)?96 Art. 63 des "Scotland Act" bildet die Grundlage für die Übertragung von exekutiven Kompetenzen der Zentralregierung auf Minister der schottischen Regierung in den Bereichen, die zu den "reserved matters" von Westminster gehören?97 Dies wird als "executive devolution" bezeichnet. 298 Beispiele hierfür sind etwa die Verwaltung der Europäischen Strukturfonds oder die nukleare Zivilverteidigungsplanung. Die zuständigen schottischen 295 Art. 39, 40 des Roard Trafiic Act 1988 bezüglich Straßensicherheitsinformation und Straßenverkehrserziehung. 296 Scottish Council Foundation (1999). 297 Einen guten Überblick hierzu gibt im Einzelnen: Scotland Office (1997 a), Anlage D. 298 Research Paper 99/84, S. 12.

142 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Minister sind verpflichtet, an Stelle der Minister der Zentralregierung zu handeln und deren Aufgaben für Schottland zu erfüllen. 299 Während des Gesetzgebungsverfahrens haben sich insoweit kleinere Veränderungen ergeben, als dass ein neuer Artikel 50 nunmehr klarstellt, dass die Gültigkeit einer Handlung eines Mitgliedes der schottischen Regierung nicht davon abhängt, ob es in einem gültigen Verfahren nominiert und ernannt worden ist. Damit soll sichergestellt werden, dass auch und gerade in der Anfangszeit, in der sich alle Beteiligten erst an die für alle neuen Verfahren und Inhalte gewöhnen mussten, Rechtssicherheit geschaffen werden kann, unabhängig von den zugrundeliegenden Umständen der Ernennung. dd) Verschiedene finanzielle Bestimmungen (Artikel 64-72) Das schottische Parlament und die schottische Exekutive sind mit einem Budget ausgestattet, das in etwa dem des Scottish Office entsprach. Dies waren 1998 ca. f 15 Milliarden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit - neben den noch gesondert zu diskutierenden steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten - in den sogenannten "Scottish Consolidated Fund" (Art. 64 (1)) auch die Einnahmen der Regierungsarbeit einzubringen. Auch aus diesem Fond können dann Ausgaben bestritten werden. Der Haushalt des Parlaments und der Regierung speist sich damit aus drei Quellen: Zum einen ist gemäß Art. 64 (2) der "Secretary of State for Scotland" befugt, "von Zeit zu Zeit" Einlagen in den Fond zu tätigen, Einlagen aus Mitteln, die Westminster zur Verfügung stellt (im Rahmen der Blockfinanzierung). Daneben besteht die Möglichkeit, die Einkommensteuer um bis zu 3%-Punkte anzuheben?OO Die dritte Art der Finanzierung sind die allgemeinen Einnahmen, die aus der Regierungs- und Parlamentsarbeit entstehen. Die Zuweisung der Mittel aus Whitehall berechnet sich nach der sogenannten "Barnett-Fonnel". Sie ist im Gesetz nicht erwähnt; sie wird jedoch seit Jahrzehnten herangezogen, um den prozentualen Anteil zu berechnen, der aus dem Gesamthaushalt für Schottland, Wales und Nordirland zur Verfügung gestellt wird. 301 Wird beispielsweise der Haushalt für Gesundheit um insgesamt 1 Milliarde erhöht, so erhöht sich die Zuweisung an Schottland um 106,6 Millionen, da das Verhältnis der Bevölkerung von Schott299 300 301

Für weitere Details hierzu vgl. HimsworthlMunro (1999). Vgl. sogleich unten Kapitel B 11 3 d ee. Vgl. zur Barnett-Fonnel zuletzt ausführlich: House of Commons Research Pa-

per 011108.

11. Schottland

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land zu England und Wales 10,66% beträgt. 302 Das gleiche Verfahren würde umgekehrt auch im Falle der Reduzierung der Mittel der Einzelhaushalte angewandt werden. Auch in diesem Abschnitt haben sich im laufenden Gesetzgebungsverfahrens kleinere Veränderungen ergeben. Durch den neuen Art. 69 wird erstmals ein Rechnungsprüfer für Schottland eingesetzt, der durch die Zentralregierung nach Vorschlag durch das Regionalparlament ernannt wird. Er soll unabhängig und frei von Weisungen darauf achten, dass sämtliche Ausgaben korrekt verbucht werden und somit öffentlicher Verschwendung vorzubeugen helfen. ee) Steuerliche Kompetenzen (Artikel 73-80) Nachdem die Wähler im Referendum die begrenzten steuerlichen Kompetenzen des Regionalparlamentes befürwortet haben, hat das Parlament nun die Möglichkeit, die Einkommensteuer um bis zu 3 %-Punkte hinaufoder herabzusetzen (Art. 73 (1 b)). Einnahmen aus Zinserträgen und Dividenden sind davon jedoch ausgenommen (Art. 73 (3)). Macht das Parlament von seinem Recht Gebrauch und erhöht es die Einkommensteuer tatsächlich, so sind die Mehreinnahmen dem "Scottish Consolidated Fund" zuzuführen (Art. 77 (7)). Art. 75 definiert, wer als "Scottish taxpayer" zu gelten hat. Dies sind insbesondere unbeschränkt steuerpflichtige Schotten, aber auch solche Personen, die sich mindestens die Hälfte des Jahres in Schottland aufhalten und dort zur Einkommensteuer veranlagt werden. Wie dies genau berechnet wird, wird im Gesetz selbst umfangreich und detailliert beschrieben. Sollte sich das Steuersystem des Vereinigten Königreiches so ändern, dass dies Auswirkungen auf die steuerlichen Kompetenzen des Regionalparlamentes hat, so ist der Finanzminister der Zentralregierung befugt, Änderungen und Ergänzungen bezüglich dieser Kompetenzen vorzuschlagen (Art. 76).303 302 So zumindest nach dem Stand von 1991; vgl. Treasury Committee - Second Report HC 341 1997/98. 303 Diese Vorschrift wurde insoweit während der Diskussionen über den Gesetzesentwurf kritisiert, als dass sie quasi durch die Hintertür dem Finanzminister doch wieder die Möglichkeit gebe, unter bestimmten Voraussetzungen Einfluß auf die Entscheidungen des schottischen Parlamentes zu nehmen; Donald Dewar beruhigte diese Kritiker insofern, als er darauf hinwies, dass es keineswegs die Absicht der Regierung sei, in einem solchen Fall die schottischen Kompetenzen auszuhebeln. Vielmehr werde in einem solchen Fall zum einen das schottische Parlament in alle Entscheidungsprozesse eng mit eingebunden, zum anderen müsse es für das schottische Parlament jedenfalls mehrere Alternativen geben, aus denen es sich die güns-

144 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Durch den im Gesetzgebungsverfahren neu aufgenommenen Art. 80 schreibt das Parlament die Verpflichtung der schottischen Exekutive fest, den Ministerien sämtliche Verwaltungskosten zu ersetzen, die durch verschieden hohe Steuersätze innerhalb des Königreiches entstehen könnten. ff) Verschiedenes (Artikel 81-111) Die Artikel 81 bis 83 regeln die Besoldung der Abgeordneten und der Minister. Art. 86 legt fest, dass der Status der schottischen Abgeordneten im Unterhaus unverändert bleiben wird; sie besitzen auch weiterhin in allen Fragen volles Beteiligungs- und Stimmrecht. Die Art. 88-90 regeln den künftigen Status solcher öffentlicher Körperschaften, die sowohl Aufgaben wahrnehmen, die im Bereich der reservierten Kompetenzen liegen als auch Aufgaben, die nunmehr in den Bereich des schottischen Parlamentes fallen. 304 Die öffentlichen Körperschaften, die sich auch schon bisher ausschließlich mit Aufgaben befasst haben, die nunmehr in die alleinige Kompetenz des schottischen Parlamentes fallen, werden der legislativen Kompetenz des schottischen Parlamentes unterstellt. 305 Art. 91 überträgt dem Parlament die Aufgabe, Regelungen zu schaffen, um Beschwerden gegen Rechtsverstöße der Mitglieder des Parlamentes, der Regierung oder des Verwaltungsapparates effektiv nachgehen zu können. Wie in Kapitel B I 3 b dargestellt, gibt es in Schottland bisher noch kein einheitlich kodifiziertes, und damit nach einheitlichen Maßstäben justiziables Verwaltungsrecht. Art. 95 gibt dem "First Minister" ein Vorschlagsrecht bei der Ernennung des Vorsitzenden und der weiteren Richter des "Court of Session", des obersten Gerichtshofes des Landes. Art. 102 regelt die Folgen, falls ein Gericht feststellt, dass eine Maßnahme des Parlamentes oder der Regierung jenseits ihrer Kompetenzen war ("ultra vires"). In diesem Fall hat das Gericht die Befugnis, die Wirkungen rückwirkend aufzuheben, zu mildem oder auszusetzen. Die Regelungen in den Artikeln 92 und 97 sind gegenüber dem "Scotland Bill" neu. Art. 97 sieht die Möglichkeit vor, Gelder für solche registrierten Parteien bereit zu stellen, denen einer oder mehrere Abgeordnete tigste aussuchen könne; vgl. das Interview mit Donald Dewar, Scotsman vom 19. Dezember 1997: "Bill spells out how extra income will be protected". 304 Vgl. für einige Beispiele Scotland Office (1997 a), Annex E. 305 Vgl. für einige Beispiele Scotland Office (1997a), Annex F.

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des Parlamentes nahe stehen, aber nicht über die finanziellen Mittel verfügen, die Arbeit des Abgeordneten zu unterstützen. gg) Sonstiges (Artikel 112-132) und Anhänge Von Bedeutung im letzten Abschnitt des "Scotland Act" sind die Artikel 112 bis 116, die die Möglichkeit enthalten, sogenannte "subordinate legislation" zu erlassen, also Verordnungen, Erlasse oder sonstige Vorschriften unter dem Rang eines (formellen) Gesetzes. Der "Scotland Act" umfasst insgesamt 9 Anhänge. Der Erwähnung bedarf neben Anhang 1, der genauere Vorschriften über die Wahlkreise und die nach Verhältniswahlrecht zu bestimmenden "regional members" enthält, Anhang 5, der die umfangreichen Bereiche aufzählt, die in die ExklusivKompetenz von Westminster fallen. Anhang 6 gibt genauere Ausführungsbestimmungen für den Fall, dass sich das schottische Regionalparlament in solche Exklusiv-Kompetenzen einmischen, also "ultra vires" handeln sollte.

e) Ein vertiefter Blick auf ausgewählte Einzelprobleme Nach diesem Gesamtüberblick über den "Scotland Act" soll nunmehr ein Blick auf die Punkte geworfen werden, die besonderes Konfliktpotential in Bezug auf die verfassungsstaatliche Ordnung des Vereinigten Königreiches bergen können. aa) Verfassungsrechtliche Fragen Schottland wird auch nach seiner "Teilselbständigkeit" Bestandteil des Vereinigten Königreiches bleiben; die Königin bleibt weiterhin Staatsoberhaupt über den Gesamtstaat, und das Parlament in Westminster souverän. Obwohl die Anzahl der schottischen "Members of Parliament" seit der letzten Parlamentswahl im Juni 2001 reduziert worden ist, nehmen die gewählten Abgeordneten doch weiterhin als vollberechtigte Parlamentsmitglieder ihren Sitz wahr. 306 Auch der "Secretary of State for Scotland", der bisherige Minister für alle schottischen Angelegenheiten innerhalb der britischen Regierung, übt weiterhin sein Amt aus, wenn auch mit reduzierten Kompetenzen. Seine Hauptfunktion ist nunmehr, Schottlands Interessen innerhalb der Regierung 306 Vgl. zur "West Lothian Question" Bogdanor (1999), S. 227 ff.; Ward, in: JoweB/Oliver (2000), S. 129 ff. 10 Mey

146 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches zu repräsentieren. Das "White Paper" sieht die geänderte Rolle wie folgt (4.12):

"The role of the Secretary of State for Scotland will be to secure the passage and implementation of the legislation to establish the Scottish Parliament; and then to support its initial development. Once the Scottish Parliament is in being, and the Scottish Executive established, the responsibilities of the Secretary of State for Scotland will change. The focus will be on promoting communication between the Scottish Parliament and Executive and between the UK Parliament and Government on matters of mutual interest; and on representing Scottish interests in reserved areas." Donald Dewar würdigte die neue Rolle des "Secretary of State for Scotland" im Unterhaus mit den Worten: "My third point is that the Secretary of State for Scotland will not have what is sometimes called the governor-general role, which was at the heart of the 1978 Act and was put upon the shoulders of the Secretary of State. The Scottish Parliament and the Scottish Executive will have their own direct relationship with the Crown, rather than using the Secretary of State as an intermediary. Legislation passed by the Scottish Parliament will not need to got to the Secretary of State for consideration and approval before it is passed to the Queen for Royal Assent. It is important that we do not have such overriding decisions. It would have sullied the atmosphere and made for great difficulties. I am glad about that particular extension ... 307 Nichtsdestotrotz hat der "Secretary of State" eine wichtige Rolle im Gesetzgebungsverfahren des schottischen Parlamentes bekommen. Art. 35 (1) gibt ihm das Recht, dann einzugreifen, wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass ein Gesetzentwurf gegen internationale Verpflichtungen des Königreiches verstoßen sollte, oder Verteidigungsinteressen oder Interessen nationaler Sicherheit berührt oder sich in Bereiche einmischt, die zu den reservierten Bereichen gehören würden. Sollte ein solches Gesetz oder eine solche Maßnahme bereits beschlossen sein, so hat er gemäß Art. 58 (3) auch das Recht, die Exekutive anzuweisen, ein Gesetz einzubringen, das dieses Gesetz oder diese Maßnahme wieder aufuebt. Hierdurch findet faktisch eine Normenkontrolle speziell hinsichtlich der zentral staatlichen Interessen und Kompetenzen statt. Dieser Aufgabenbereich erklärt auch, warum der derzeitige "Secretary of State for Scotland", John Reid, insgesamt 70 Mitarbeiter hat, die nahezu ausschließlich damit beschäftigt sind, an der Schnittstelle zwischen dem Regionalparlament und Whitehall Gesetzgebungsvorschläge zu prüfen, die Arbeit des Parlamentes mit Rat und Tat zu begleiten und damit mit für einen reibungslosen Ablauf des "Modell Devolution" zu sorgen. 307

HC Deb vol 299 c 462 (31.7 .1997).

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Im Januar 2000 wurde die neue Aufgabe des "Secretary of State for Scotland" in einer sog. "Devolution Guidance Note" konkretisiert wie folgt: (3) The Secretary of State for Scotland will continue to represent Scottish interests in reserved matters within the UK Government, advising colleagues about any distinctive Scottish interests that arise for reasons other than the impact on devolved matters. He will support colleagues in presenting the UK Govemment policies in Scotland. The Secretary of State for Scotland will remain a member of most of the Cabinet committees of which he was a member before 1 July 1999, and will expect to be consulted by colleagues on the Scottish aspect of their proposals. (4) The Secretary of State for Scotland will also wish to promote the devolution settlement provided by the Scotland Act 1998, by encouraging elose working relations between UK Departments and the Scottish Executive, and between the UK and Scottish Parliaments. This does not mean that he will act as a conduit for the necessary communication between the UK Government and the Scottish Executive. Normally Departments should deal with the Scottish Executive direct. But the Secretary of State will want to keep hirnself informed about sensitive issues involve both reserved and devolved matters, (... ).'.308

Inwieweit sich die Kompetenzverteilung und die Krisenmechanismen in der Praxis bewähren, kann derzeit nur vorläufig abgeschätzt werden; angesichts der jahrhundertealten britischen Parlamentstradition dürften jedoch größere Krisen vorerst ausbleiben. Gefahr für den Zusammenhalt des Gesamtstaates droht dann, wenn sich die Kompetenzverlagerung nicht nur bewährt, sondern wenn im Anschluss daran die nationalistischen Stimmen noch lauter werden, die SNP oder ähnlich ausgerichtete Organisationen ihren Einfluss und ihr Macht weiter verstärken und ausbauen, um dann mit guten Gründen unter Verweis auf alle in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen schottischen Besonderheiten und den Erfolg des schottischen Parlamentes die Loslösung vom Königreich mithilfe der vorhandenen Körperschaften betreiben. 309 Diese Bedenken waren der Hauptgrund, weswegen die britischen Konservativen allen Plänen in Richtung Dezentralisierung skeptisch gegenüberstanden, auch wenn sie sich letztlich dem Volkswillen beugen mussten. 310 Der Chef der "Scottish National Party" (SNP) sieht keinen Grund, "warum wir, wenn das Parlament funktioniert, nicht später die gesamte Verantwortung für unser Land übernehmen sollten,,?ll Zitiert nach: Hazell (2000), S. 178. Hazell, in: ders. (2000), S. 179. 310 Lady Thateher, die nach dem Scheitern des Referendums 1978/79 die Macht im Lande übernommen hatte, warnte, wie oben schon erwähnt, während der Referendums-Kampagne immer wieder eindringlich vor einem eigenen Parlament. Dies hatte wahrscheinlich jedoch eher kontraproduktive Wirkung, da gerade Lady Thateher in Schottland als Inbegriff englischer Dominanz und Arroganz angesehen wird. 31\ Zitiert nach: Die Welt vom 13.09.1997, S. 4. 308 309

10*

148 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches Labour und die Liberaldemokraten hoffen dagegen, dass der Zusammenhalt des Königreiches eher gestärkt wird, indem die "Macht näher zum Volk gebracht wird" (Tony Blair). Die Innovationen im Verhältnis Gesamtstaat und Region, die zum Teil erheblich mit britischen Traditionen (Parlamentssouveränität, Fehlen einer einheitlichen kodifizierten Verfassung) brechen und sich an kontinentaleuropäischen und föderalen Vorstellen orientieren, stehen mithin künftig vor dem Nachweis, dass sie das Vereinigte Königreich nach dem Auseinanderbrechen des Empire als Gesamtstaat stabilisieren und an Europa anschlussfähig gemacht haben, und nicht den Prozess des Auseinanderbrechens und der Destabilisierung beschleunigen. bb) Konsequenzen für die Arbeit des Parlamentes in Westminster Bis zur Arbeitsaufnahme des Regionalparlamentes in Edinburgh und der Kammer in Cardiff waren die parlamentarischen Verhältnisse in Großbritannien vergleichsweise einfach: Das "House of Commons" als erste Kammer des Parlamentes, das die Gesetzesentwürfe diskutierte und verabschiedete, und das "House of Lords" in seiner Funktion als zweite Kammer des Parlamentes bildeten die alleinzuständige Legislative. Eine territoriale Repräsentanz erfolgte allein durch das Mehrheitswahlsystem, das sicherstellte, dass aus allen Teilen des Landes Abgeordnete im Parlament vertreten waren. Eine Vertretung der Regionen auf der Ebene des Zentralstaates war damit nach vorherrschender Auffassung entbehrlich. Seit dem 1. Juli 1999 existieren neben dem "souveränen" Parlament in London weitere Regionalparlamente und -kammern, die, soweit es Schottland und Nordirland betrifft, mit originären legislativen Kompetenzen ausgestattet sind. Dass dies erhebliche Änderungen für die tägliche Arbeit des Parlamentes in Westminster bedeutet, liegt auf der Hand. Im Mai 1999, also zwei Monate vor der Arbeitsaufnahme des Parlamentes und der Kammer am 1. Juli 1999, legte das "Commons Procedure Committee" einen Bericht vor, der sich mit den "Procedural Consequences of Devolution" beschäftigt. 312 Der Bericht setzte sich insbesondere mit den folgenden vier Punkten auseinander, die dem Komitee als besonders wesentlich erschienen: - Änderungen in der Gesetzgebungszuständigkeit, - Änderungen in der Geschäftsordnung bei der Häuser des Parlamentes, - Konsequenzen für die Arbeit der territorialbezogenen Fachausschüsse, - die künftigen Beziehungen zwischen den Abgeordneten aus Westminster und den Abgeordneten der Regionalparlamente und -kammern. 312

He 185 vom 19. Mai 1999.

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Darüber hinaus beschäftigte sich der Report auch mit der sogenannten "West-Lothian-Frage,,313 und der Reform des "House of Lords,,?14 Die größte Änderung für die tägliche Arbeit des Parlamentes in Westminster hat die Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen gebracht. Eine große Schwierigkeit bildet die Abgrenzung, für welche Bereiche das schottische Parlament genau zuständig sein soll. Die Regierung schlug in diesem Zusammenhang vor, eine Vereinbarung ("convention") zu treffen, die hierfür genauere Regelungen enthalte: "Non of the devolution legislation affects the House's ability to pass legislation on any matter. Por all public Bills, the Govemment would expect that a convention would be adopted that Westminster would not normally legislate with regard to devolved maUers without the consent of the devolved body. The Govemment is likely to oppose any Private Member's Bill which seeks to alter the law on devolved subjects in Scotland or Northem Ireland. It will remain a question of judgement for individual Members whether to introduce legislation on an issue which parliament has already decided should be devolved, unless it is dear that the proposal has the support of the devolved body concemed.,,315 Das im Oktober 1999 verabschiedete "Memorandum of Understanding" (s. u.) stellt nochmals klar, dass das Parlament in Westminster im Prinzip souverän sei und auch sämtliche Gesetze zur "Devolution" nichts an der Allzuständigkeit dem Grunde nach änderten. Dennoch werde sich auch das Parlament in Westminster einer "convention" unterwerfen, die hierzu genauere Regeln enthalte: "The United Kingdom Parliament retains authority to legislate on any issue, whether devolved or not. It is ultimately for Parliament to decide what use to make of that power. However, the UK Govemment will proceed in accordance with the convention that the UK Parliament would not normally legislate with regard to devolved matters except with the agreement of the devolved legislature. The devolved administrations will be responsible for seeking such agreement as may be required for this purpose on an approach from the UK Government.,,316 Diese "convention" wird im Anschluss an den Beitrag von Lord Sewel im Oberhaus zu dieser Frage als "Sewel Convention" bezeichnet. 317 Die Bedeutung dieser "convention" erklärte Donald Dewar in einer Ansprache vor dem schottischen Parlament wie folgt: "The usual rule will be that legislation about devolved subjects in Scotland will be enacted by the Scottish Parliament. Prom time to time, however, it may be Vgl. hierzu genauer B 11 3 b dd. 314 Vgl. hierzu genauer im Kapitel B 11 3 f. 315 Procedural Consequences of Devolution: Interim Report, HC 148 vom 13. Januar 1999, para. 15. 316 Memorandum of Understanding and Supplementary Agreements, Cm 4444, para. 13. m Vgl. HL Deb 21 July 1998, c. 791. 313

150 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches appropriate for a Westminster Act to include provisions about such matters. That might be the case, for example, where the two Administrations agree that there should be one regime of regulation with application on a UK-wide or GB-wide basis. (... ) I remind members that the Scottish Parliament will be able to amend or repeal legislation made at Westminster in so far as its provisions fall within this parliament' s competence. That is the case for existing legislation, for this session's Bill at Westminster that affect Scotland and for future acts of the UK Parliament. ,,318

Während des ersten Jahres 1999/2000 fand diese "convention" auf insgesamt zehn Gesetzesentwürfe Anwendung. Westminster legte dem schottischen Parlament den Entwurf zur Zustimmung vor, die jeweils auch erteilt wurde. 319 ce) "Memorandum of Understanding", "Concordats" und das "Joint Ministerial Committee" Neben den positives Recht darstellenden "Scotland Act" und "Wales Act" sowie weiteren Parlamentsgesetzen, die die Ausführung und Gestaltung des britischen Regionalismus regeln, haben sich in den letzten beiden Jahren weitere Mechanismen ausgebildet, um unterhalb der Ebene des formellen Gesetzes Vereinbarungen zu treffen, die eher informell bzw. als Ausdruck politischen Willens verstanden werden sollen. Diese werden als "concordats" bezeichnet. 32o Sie sind keine Verträge, die internationalem Recht unterliegen, sie sind jedoch "intended to be binding in honour only".321 Sie entstehen aus der Erkenntnis, dass die Regionalkörperschaften Mechanismen benötigen, mit Abteilungen und Einrichtungen der Zentralregierung zu einem Meinungsaustausch und einer Zusammenarbeit zu kommen, die von beidseitigem Interesse sind. Die ersten "concordats" wurden am 1. Oktober 1999 zeitgleich in London, Edinburgh und Cardiff veröffentlicht. 322 Das Dokument enthält das "Memorandum of Understanding", Vereinbarungen über ein "Joint Ministerial Committee", ein "concordat" über die Koordination in Fragen der Europäischen Union, ein "concordat" über finanzielle Hilfen für notleidende 318 Zitiert nach: Russel/Hazell, in: Hazell (2000), S. 189. 319 Vgl. hierzu und zu den einzelnen Entwürfen: Russel/Hazell, in: Hazell (2000),

S.189. 320 Der Begriff taucht erstmals im "White Paper for Wales" auf, vgl. Ziff. 3.40 und 2.24; zu den ersten Erfahrungen in der täglichen Arbeit mit dieser Form der rechtlich nicht bindenden Vereinbarung: Scott (2001), S. 21 ff. 321 Zitiert nach: Reseach Paper 99/84, S. 33. 322 Für die Version des Vereinigten Königreiches: Cm 4444; sämtliche bisher veröffentlichten "concordats" sind abrufbar unter: http://www.scotland.gov.uk/publications.

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Industriezweige sowie ein "concordat" zu den internationalen Beziehungen und ein "concordat" über Statistik. Das "concordat" zur Europäischen Union bestimmt, dass die Zentralregierung den regionalen Körperschaften umfassend alle notwendigen Informationen so zügig wie möglich zur Verfügung stellt, die in irgendeiner Weise für diese von Bedeutung sein könnten. 323 Im "concordat" über die finanziellen Hilfen für notleidende Industriezweige verpflichtet sich die Zentralregierung, mit den Regionalregierungen so bald wie möglich über die europäische Beihilfenpraxis und -politik ins Gespräch zu kommen. 324 Das "concordat" über die internationalen Beziehungen enthält Regelungen in erster Linie über konsularische Ernennungen und Vertretungen. 325 Der Lord Chancellor, Lord Irvine of Lairg, kommentierte diese Vorlagen mit den folgenden Worten: "The publication of the Memorandum of Understanding and Concordats marks a further stage in implementation of the Govemment's plans for devolution to Scotland and Wales. I am confident that these agreements will lay asolid foundation for co-operation between the UK Govemment and the devolved administrations in Scotland and Wales.,,326 Insofern führen Vorgänge und Regelungen auf der Ebene der Europäischen Union zu einer vertieften Zusammenarbeit zwischen Zentralregierung und Regionen, mithin zu einer Stärkung der Regionen. Da diese Form der Zusammenarbeit "ehrenhalber" die Gefahr in sich berge, die Kompetenzen auf dem informellen Weg wieder zurück nach Westminster zu verlegen, übte die SNP hieran heftige Kritik. 327 Donald Dewar sah sich deshalb zu folgender Verteidigung veranlasst: "The documents are not mies for procedure, designed for a nation state that is living uncomfortably with a partner that has recently been relegated to the status of next-door neighbour. As I have stressed, the Scottish people voted for devolution - not independence - and to retain the significant advantages that come from being part of the United Kingdom. (... ) The concordats are about delivering on our prornises to the people of Scotland. They are about different Administrations recognising their responsibilities. That is why they should be welcomed.,,328 Das "Memorandum of Understanding" sieht die Einrichtung eines "Joint Ministerial Committee" (JMC) vor. Es besteht aus Mitgliedern der Exeku323 Cm 4444 Ziff. B 3.2. 324 Cm 4444 Ziff. C 18. 325 Cm 4444 Ziff. D 3.25. 326 Cabinet Office Press Notice vom 01.10.99 "Lord Chancellor Publishes Concordats For Scotland and Wales". 327 SNP Press Notice vom 01.10.1999, "Publication of concordats: SNP critices London-biased documents". 328 Official Report, Scottish Parliament vom 07.10.1999, cll06.

152 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

tive der Zentralregierung, schottischen Ministern und Mitgliedern des Kabinetts der walisischen Kammer sowie Ministern der nordirischen Exekutive. Den Vorsitz in diesem Komitee hat der Premierminister. Auffällig ist, dass England als Region nicht durch eigene Vertreter repräsentiert ist. Vielmehr geht das Memorandum davon aus, dass "UK Ministers and their departments represent the interests of England in all matters" (Ziff. 1)?29 Seine Errichtung war im "White Paper" noch nicht vorgesehen; es entstand vielmehr, als die Beziehungen zwischen den einzelnen Parlamenten der verschiedenen Regierungsebenen diskutiert wurden. Baroness Ramsay, die an diesem Abend die Regierung im "House of Lords" vertrat, antwortete auf eine Anfrage nach künftigen Mechanismen der Zusammenarbeit: "It is envisaged that this would be achieved through the establishment of a Joint Ministerial Committee of which the UK Government and the devolved administrations would be members. The JMC will be an entirely consultative body, supported by a committee of officials and a joint secretariat. Further details of the standing arrangements will be announced later. ,,330

Der Hauptzweck dieses Komitees besteht darin, durch regelmäßige Sitzungen und Konsultationen eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Körperschaften und Institutionen innerhalb des Vereinigten Königreiches zu gewährleisten und rechtliche Auseinandersetzungen über den Umfang und das Prozedere der Regionalkompetenzen vermeiden zu helfen. Obwohl informell und ohne legislative oder exekutive Funktionen ausgestattet, verbindet sich mit dieser Einrichtung die Hoffnung, dass es ihr gelingen könnte, ohne großes Aufsehen in der Öffentlichkeit zu erregen, den Aufbau des gesamten neuen Beziehungsgeflechtes zwischen den verschiedenen Körperschaften der verschiedenen Staatsebenen im Hintergrund zu steuern. John Osmond, der Vorsitzende des "Institute of Welsh Affairs" in Cardiff, fasst dies wie folgt zusammen: "The new institution will be hugely important in the future governance of the United Kingdom. It will be the forum where the key relationships are worked through, where grievances are dealt with, and disputes resolved. (... ) It is hoped that the new institution will achieve the squaring of the circle of a political contradiction at the heart of the devolution exercise. (... ) Plainly it will be an innovation of some magnitude in British political governance. It is likely to become much more than the fire-fighting emergency service intimated by the Cabinet office official quoted above. Rather it is likely to develop into an essential gear box at the core of the emerging devolution machine within the new United Kingdom polity. ,,331 329 330

Cm 4444, Ziff. Al. HL deb., 28 Juli 1988, cl 1488.

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Aufgrund der Zusammensetzung des Komitees liegt der Schluss nahe, dass es sich eines Tages zu einer zweiten Kammer des britischen Parlamentes entwickeln könnte. In diese Richtung gehen auch Vorschläge von Vernon Bogdanor, der das JMC deswegen für äußerst wichtig erachtet, weil der Prozess der Devolution eine Situation der gegenseitigen Abhängigkeit schaffe, und gerade nicht in einem Prozess der zentrifugalen Auflösung ende(n dürfe)?32 Die SNP steht diesen Sitzungen eher ablehnend gegenüber. Für Alex Salmond dienen sie lediglich dazu, die schottische Exekutive in die Vorhaben der Zentralregierung einzubinden und eigenen schottischen Plänen insoweit den Stempel der Politik der Zentralregierung aufzudrücken. 333 Während des ersten Jahres (bis 30. Juni 2000) hat sich das JMC für Schottland insgesamt sechsmal getroffen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Bedeutung des Komitees eher eine symbolische ist. Es hat sich als Illusion erwiesen, dass die Vielzahl der Einzelprobleme, die sich aus dem täglichen Mit- und Nebeneinander ergeben, in derartigen Runden in der Frequenz von mehreren Wochen diskutiert und geklärt werden können. Vielmehr geht es bei der Arbeit des Komitees darum, dass auf offizieller Ministerebene auch und gerade für die Öffentlichkeit, die die vielen Diskussionen und Abstimmungsprozesse hinter den verschlossenen Türen nicht zur Kenntnis nehmen kann, gezeigt wird, dass ein ernster Wille auf allen Seiten besteht, zueinander zu finden und die Zukunft konstruktiv miteinander statt nebeneinander oder gegeneinander anzugehen. 334 Damit hat sich in der konkreten Arbeit entgegen der ursprünglichen Intention, dieses Komitee eher im Hintergrund die "Devolution"-Prozesse zu harmonisieren und zu koordinieren, für das Komitee eher die Funktion einer integrierenden Öffentlichkeitsarbeit ergeben. Zusätzlich zu den Informationen und Regelungen, die bereits in den "concordats" enthalten sind, begann das "Cabinet Office" im September 1999, weiterführende, erklärende "Devolution Guidance Notes" zu veröffentlichen. DGN Nr. 3 wurde oben bereits im Zusammenhang mit der neuen Rolle des "Secretary of State for Scotland" zitiert. Weitere beschäftigen sich etwa mit den Verfahren bei Gericht, sollte Streit über legislative Zuständigkeiten, die Verantwortlichkeit der Minister für ihre Handlungen oder die Möglichkeit für Minister der Zentralregierung, Ausschusssitzungen des Parlamentes oder der Kammer in Wales zu besuchen, entstehen. 335 Osmond (1999), S. 354 f. Bogdanor (1999), S. 284. 333 Vgl. BBC News OnIine, "Power Sharing comes to Edinburgh", 11.02.2000. 334 Zudem soll dieses Komitee nach Einschätzung von Robert Hazell dazu dienen, dem Schatzkanzler, Gordon Brown, in Schottland Profil zu verschaffen (vgl. Hazell, in: ders. (2000), S. 164). 33\

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DGN Nr. 10 ("Post Devolution Primary Legislation affecting Scotland") beschäftigt sich mit dem Problem, wie mit Gesetzesentwürfen umgegangen werden soll, die zwar durch die Zentralregierung eingebracht und auch durch das Parlament in London verabschiedet werden, jedoch erhebliche Auswirkungen auf Schottland haben und in Teilen möglicherweise auch "devolved matters", als originär schottische Angelegenheiten, regeln könnten. In einem solchen Fall muss die Regierung, bevor er Entwurf den einzelnen Fachausschüssen zugewiesen wird, zuvor abklären, ob das schottische Parlament diesen Entwürfen zustimmen soll. Im Falle der Zustimmungspflichtigkeit muss die schottische Zustimmung dann bis zur zweiten Lesung des Gesetzes im Unterhaus vorliegen. An der Vielzahl der Publikationen, Empfehlungen und konkreten Handlungsanweisungen für die Verantwortlichen in Zentralregierung und im Unter- und Oberhaus wird deutlich, dass auf Seiten der Zentrale in London zunächst große Unsicherheit herrschte, wie sich die - insoweit nur in groben Zügen vorgegebenen - Mechanismen im "Scotland Act" und "Wales Act" in der Praxis gestalten und umsetzen ließen. dd) Änderungen der Geschäftsordnung Die signifikanteste Änderung der Geschäftsordnung des Unterhauses geht mit der Änderung der Zuständigkeiten der "Secretary of State" einher. Bisher waren diese für alle Fragen und Anfragen zuständig, die im Zusammenhang mit der Gesetzgebung für ihre jeweilige "Region" standen. Nunmehr ist ein Großteil dieser Zuständigkeiten weggefallen. Dies hatte zur Folge, dass in Westminster zunächst größere Verunsicherung herrschte, welche Art von parlamentarischen Anfragen an die "Secretary of State" künftig - trotz theoretischer Allzuständigkeit auch in Zukunft - noch zulässig seien. Insbesondere das Präsidium des Unterhauses nahm zunächst eine äußerst rigide Linie ein, und schreckte auch nicht davor zurück, Abgeordneten, denen die neuen Zuständigkeiten noch nicht in allen Einzelheiten geläufig waren, das Wort zu entziehen, wenn sie sich zu Angelegenheit außerhalb ihres Kompetenzbereichs äußerten. 336 Am 25. Oktober 1999 wurde schließlich im Parlament zu Westminster ein Antrag angenommen, der genaue Regelungen enthielt, aus welchen Bereichen künftig parlamentarische Anfragen an den jeweiligen "Secretary of State" zulässig seien. 337 335 Die DGN können im Original abgerufen werden unter: http://www.cabinetoffice.gov. uk/ constitution. 336 Vgl. etwa die Anfrage des MP Fabricant vom 7. Juli 1999 an den "Secretary of State for Wales" bezüglich des Standards der Bed-and-Breakfast-Unterbringung in Wales (!), He Deb 7 July 1999, c. 1013.

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ee) Die territorialbezogenen Fachausschüsse ("Grand Committees") Nach der bisherigen Konzeption bestand die Hauptaufgabe der "Grand Committees" darin, regional bezogene Gesetzesentwürfe zu diskutieren und Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Nach der Arbeitsaufnahme der Regionalparlamente und der Kammer in Wales wurde ihre weitere Existenzberechtigung in Frage gestellt. Sie waren ursprünglich eine Art Ersatz für die nicht vorhandenen regionalen Parlamente und erschienen nunmehr überflüssig. Allerdings besteht weitgehend Einigkeit, dass es innerhalb des Parlamentes einen Ausschuss geben müsse, der sich mit spezifischen Fragen der "Devolution" befasst. Insofern sind zwar umfangreiche Diskussionen bezüglich einer Reform dieses Systems in Gang gekommen 338 , praktische Änderungen sind bisher jedoch noch nicht erfolgt. Meg Russell und Robert Hazell bezeichnen sie als "general talking shops", da ihre Kompetenzen ohnehin begrenzt seien. 339 ff) Eigene Steuerkompetenzen34o Der Entwurf von 1978 sah keine eigenen Steuerkompetenzen für das schottische Parlament vor. Die jetzige Regelung geht im Kern auf ein Papier der "Scottish Constitutional Convention" aus dem Jahr 1990 zurück, in dem vorgeschlagen wurde, dem Parlament die Kompetenz zu geben, die Einkommenssteuer um einen fest definierten Prozentsatz nach oben oder unten abweichend festsetzen zu dürfen. 34 ! Die Finanzierung des Parlamentes und seiner umfangreichen Aufgaben sollte durch die Zuweisung der gesamten schottischen Einkommensteuer sowie der Umsatzsteuer (VAT) erfolgen. In ihrem Abschlussreport vom November 1995 nahm die Constitutional Convention von der letztgenannten Forderung wieder Abstand, forderte jedoch im Gegenzug die Kompetenz des Parlamentes, die Einkommensteuer um +/- 3 % abweichend festsetzen zu dürfen. Einfluss auf die Höhe der Körperschaftssteuer sollte das Parlament dagegen nicht erhalten. 342 In ihrem Wahlprogramm aus dem Jahr 1997 nahm die Labour-Party diese Forderung auf, unter dem expliziten Hinweis, dass das Konzept auf Vgl. für den Wortlaut: RusselilHazell, in: Hazell (2000), S. 193. Vgl. hierzu RussellHazell, in: Hazell (2000), S. 194 ff. 339 HazelilRussel, in: Hazell (2000), S. 197. 340 Vgl. hierzu ausführlich: Research Paper 98/4; hierzu auch aus volkswirtschaftlicher Sicht: HealdlGeaughan (1997). 341 Scottish Constitutional Convention (1990); vgl. hierzu generell: Denver u. a. (2000), S. 32 ff. 342 Scottish Constitutional Convention (1995). 337 338

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einen Entwurf der Constitutional Convention zurückgehe. Im "White Paper" heißt es dann wörtlich: "The control of local authority expenditure, non-domestic rates and other local taxation will be devolved to the Scottish Parliament. Subject to the outcome of the referendum, the Scottish Parliament will be given power to increase or decrease the basic rate of income tax set by the UK Parliament by up to 3p. Liability will be determined by residence in Scotland. Income from savings and dividends will not be affected. The Inland Revenue will adrninister any tax variation, with the Scottish Parliament meeting the administrative costS.,,343

Es wurde prognostiziert, dass jedes Prozent ein Einnahmenplus bzw. Verlust von f, 150 Millionen bedeuten würde. Die Kompetenzen des Parlamentes sollten auf die Einkommensteuer beschränkt werden, da hier Änderungen am einfachsten durchsetzbar seien. Verschiedene Steuersätze bei der Umsatzsteuer würden größte praktische Probleme hervorrufen, zudem sei ein Konflikt mit der Europäischen Union programmiert. Änderungen bei der Körperschaftssteuer würden Investoren und schottische Unternehmen möglicherweise benachteiligen oder abschrecken. Interessanterweise lautete die Frage bei dem Referendum dann jedoch ganz global, ob die Wähler dafür seien, dass das Parlament "should have tax-varying powers". Obwohl das Oberhaus noch eine Änderung dahingehend verlangte, dass die Frage lauten sollte, ob die Wähler dafür stimmten, dass das Parlament "should have income tax-varying powers", setzte sich die Regierung mit dem ursprünglichen Entwurf durch. 344 Dies bedeutet konsequenterweise, dass dem schottischen Parlament eines Tages doch weitere Steuerkompetenzen übertragen werden könnten, ohne dass es hierfür eines erneuten Referendums bedürfte. Genau diese Vermutung trug Lord Mackay auch unwidersprochen im Oberhaus vor?45 Erhöht das schottische Parlament die Steuer in dem genannten Rahmen, fließen die sich ergebenden Mehreinnahmen dem schottischen Parlament zu. Senkt das Parlament die Steuern dagegen, werden dem schottischen Parlament im Rahmen der Block-Finanzierung die sich ergebenden Mindereinnahmen abgezogen. 346 Während der Referendumskampagne war gerade diese Frage heftigst umstritten. Um nicht das Gesamtvorhaben "Regionalparlament" zu gefährden, hatte die Regierung, wie schon beschrieben, den Wählern in Schottland 343 344 345 346

Scottish Office (1997), S. x-xi. Vgl. Research Paper 98/4, S. 18 m. w.N. HL Deb 21. Juli 1997, c. 1212. HL Deb 1. Juli 1997, c. 150.

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zwei Fragen zur Abstimmung vorgelegt, die Frage nach den Steuerkompetenzen also von der Frage nach dem Parlament an sich abgetrennt. Von Seiten der Konservativen wurde diese Steuerkompetenz scharf und teilweise sogar polemisch kritisiert. Sie fürchteten eine "extra Tartan Tax imposed uniquely on Scotland. The tax would make Scotland the highest taxed part of the UK and less attractive place for companies to locate; penalising those on lower wages; taxing Scottish savings - including pensioner's hard-earned life savings - at a 15 % higher rate; undermining the competitiveness of Scotland's financial institutions; creating inflationary pressures as workers seek higher wages to pay the extra tax; and creating an unprecented differential tax regime within the Uni ted Kingdom - the precursor of separatism. ,,347

Auf die Idee, dass das Parlament gegebenenfalls die Steuer auch senken könnte, was dann einen entsprechenden positiven Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung haben könnte, kam auf Seiten der Konservativen offensichtlich niemand. Auch von Seiten der parteiunabhängigen Kampagne "Think Twice" wurde für eine Ablehnung plädiert?48 Der Vorsitzende, Donald Findlay QC, erklärte dies im August 1997 kurz und knapp "Think Twice ... or pay the price!".349 Bedenken wurden auch von Seiten der "Bank of Scotland" laut, dass ein System von verschiedenen Steuersätzen den Verhältnissen in Großbritannien nicht angemessen sei?50 Auch innerhalb der Industrie war das Vorhaben umstritten. Sowohl das "British Retail Consortium,,351 als auch die "Confederation of British Industry in Scotland" (CBI)352 plädierten überwiegend ebenfalls für eine Ablehnung. 353 Die kritischen Stimmen konnten die Wählerinnen und Wähler jedoch nicht überzeugen; sie stimmten mit fast 2/3 Mehrheit für den Vorschlag der Regierung. Berechtigte Bedenken gegen eine einseitige Erhöhung bleiben bestehen. Insbesondere dürfte eine eillseitige Erhöhung weder zu einem verantwortlicheren Umgang mit den eingenommenen Geldern führen, noch sind die 347 Fighting for Scotland: The Scottish Conservative and Unionist Manifesto, April 1997, S. 47. 348 Vgl. hierzu auch: Denver u. a. (2000), S. 57 ff. 349 "Think Twice" Pressenotiz vom 7. August 1997: "No no campaign launched with challenge to Dewar". 350 Sir Bruce Pattullo, Governor of the Bank of Scotland, in: Scotsman vom 22. August 1997: "From high on The Mound, a grenade tossed at Dewar". 351 Scots bank governor raises fear of extra tax, Financial Times vom 23. Mai 1997. 352 CBI Scotland opposes tax-raising power plan, Financial Times vom 9. Juni 1997. 353 Vgl. hierzu auch: Denver u. a. (2000), S. 66 ff.

158 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Bedenken ganz von der Hand zu weisen, dass für potentielle Investoren und bereits ansässige Unternehmen die Betriebskosten steigen dürften. Auch die Anwendung des Art. 75 "Scotland Act 1998", der die Steuerpflicht detailgenau regelt, dürfte in der praktischen Anwendung Schwierigkeiten machen, da er, wie fast alle Steuergesetze, trotz der Detailgenauigkeit noch Umgehungsmöglichkeiten offen lässt?54 In den bisherigen zwei Jahren seiner Tätigkeit hat das schottische Parlament noch keinen Versuch unternommen, von seiner Steuerkompetenz Gebrauch zu machen. Insofern sind viele Bedenken vor allem von Seiten der Gegner der "Devolution" an sich, dass das Parlament als erste Amtshandlung die Steuern erhöhen würde, unberechtigt gewesen. Auch den Abgeordneten selbst ist bewusst, welche weitreichenden Folgen eine einseitige Änderung der Steuersätze haben würde. Insofern handelt es sich bisher um eine Kompetenz, die eher symbolisch unterstreicht, dass das Parlament auch in finanzieller Hinsicht einen gewissen eigenen Handlungsspielraum hat, den es jedoch sehr verantwortungsvoll nutzt. gg) Das schottische Parlament und das "local government" Das Verhältnis zwischen dem "local government" und den sonstigen vertikalen Verwaltungs- und Regierungsebenen wird durch das Prinzip der ultra vires bestimmt. Die örtlichen Behörden dürfen also nur insoweit tätig werden, wie es ihnen durch Gesetz oder Verordnung gestattet ist. Die Kompetenzen des "local government" richten sich in erster Linie nach dem "Local Government (Scotland) Act 1973" sowie dem "Local Government (Scotland) Act 1994", der in Schottland, wie ebenfalls schon dargestellt, das System des "local government" grundlegend reformiert hat hin zu einer einheitlichen Struktur von nunmehr noch 32 "local authority areas", dem schottischen Pendant zu den englischen Grafschaften. 355 Spezifische einzelne Kompetenzen finden sich auch in einer Vielzahl von Einzelgesetzen wie etwa dem "Social Work (Scotland) Act 1968" oder dem "Education (Scotland) Act 1980". Nach der Konzeption des "Scotland Act 1998" haben das schottische Parlament und die schottische Exekutive die Zuständigkeiten übernommen, die zuvor das Parlament in Westminster und der "Secretary of State for Scotland" in Bezug auf die lokalen Gebietskörperschaften hatten. Daher hat das schottische Parlament nun die Möglichkeit, formelle Gesetze in Bezug auf das "local government" zu beschließen, soweit ihr Inhalt nicht unter die in Anhang 5 des "Scotland Act 1998" genannten, dem Parlament in West354 355

Vgl. zur berechtigten Kritik Research Paper 98/4, S. 24 ff. Vgl. Kapitel A 11 6 a aa.

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minster vorbehaltenen Bereiche hineinragt. Das Parlament kann Gesetze beschließen oder ändern, die örtliche Steuern oder die finanzielle Ausstattung der Gemeinden im allgemeinen betreffen. Die schottische Exekutive, d.h. die schottische Regierung, hat die Funktionen übernommen, die zuvor dem "Secretary of State for Scotland" zustanden. Sie ist befugt, im Bereich des Kommunalrechts Verordnungen zu erlassen und die "Rechtsaufsicht" über die Gemeinden auszuüben. Die praktischen Konsequenzen dieser Kompetenzübernahmen fasst das "White Paper" wie folgt zusammen: "The Bill (i. e. der Gesetzesentwurf zum "Scotland Act 1998") does not amend the existing body of local govemment legislation. The practical implications of these powers are summarised in the White Paper. The Scottish Parliament will have general responsibility for legislation and policy relating to local govemment. The Scottish Parliament will have the power to set the framework within which local govemment operates and to legislate to make changes to the powers, boundaries and functions of local authorities. The Scottish Executive will be responsible for supporting local authority current expenditure and for controlling and allocating capital allocations to Scottish councils. It will also be responsible for the system of local taxation.,,356

Zusätzlich zu den schon beschriebenen Kompetenzen hat die schottische Regierung eine Reihe weiterer Kompetenzen übernommen; so die Möglichkeit gemäß Art. 211 des "Local Government (Scotland) Act 1973", nach dem der "Secretary of State" die Möglichkeit hat(te), Untersuchungen und Kontrollen bezüglich aller ordnungsgemäßer Entscheidungen der lokalen Behören anzuordnen und im Fall eines festgestellten Verstoßes gegen satzungsmäßige Pflichten per gerichtlich überprüfbarer Verwaltungsanweisung zur Abhilfe oder Korrektur anzuhalten. Diese Möglichkeit wurde bisher im Vereinigten Königreich sehr selten wahrgenommen, da sie nach allgemeiner Meinung einen erheblichen Eingriff in das gewachsene Vertrauensverhältnis sowie das fein ausbalancierte Kräfteverhältnis zwischen "central" und ,,10cal government" darstellt. Das schottische Parlament ist durch die "Charta der kommunalen Selbstverwaltung" des Europarates vom 15.10.1985 357 gebunden, die durch die britische Regierung im Juni 1997 unterzeichnet worden und im Frühjahr 1998 durch das Parlament in London ratifiziert worden ist. Diese Charta legt bestimmte Mindeststandards fest, um eine Teilautonomie der kommunalen Selbstverwaltung zu garantieren. Obwohl diese Standards nach allgemeiner Meinung im Vereinigten Königreich eingehalten sind, wurde sie Rouse of Commons (l997b), Ziff. 6.5. Vgl. für den Text (in deutscher Fassung): www.dstgb.de/index_inhalt/ homepage/europa/verstecktes/eks/index.html. 356 357

160 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

dennoch als "an expression of trust that could help underpin central-Iocal relations" verstanden. 358 Aufgrund der bis vor wenigen Jahren nicht vorhandenen regionalen Zwischenebene spielten die Kommunen als einzige weitere echte (relativ) einheitliche Verwaltungsebene im Vereinigten Königreich eine große Rolle. Die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften haben dabei Aufgaben übernommen oder übertragen bekommen, die die Bürger in ihrer unmittelbaren Daseinsvorsorge betreffen. In diesem Bereich muss das schottische Parlament große Sensibilität walten lassen, um sich die durchaus vorhandenen Sympathien des "local government" für die Schaffung dieser neuen Regierungs- und Verwaltungsebene nicht schnell zu verscherzen. 359 Alan Alexander, Professor für "Local and Public Management" an der Universität Strathclyde, brachte dies wie folgt auf den Punkt: "The structure and processes of a Parliament for Scotland will not be written on a clean sheet. The new institution will have to find an effective and credible place in the pattern of existing Scottish institutions. Of these institutions, one of the most significant, because it has a role in the development of public policy and the delivery of public services, and because it is popularly eIected, is local govemment. There is a degree of apprehensiveness in Scottish local govemment about the effects of the establishment of a Parliament in Edinburgh and of a Scottish Govemment on the powers, autonomy and position of local authorities. This apprehensiveness is shared by many, including the present author, who are enthusiastic about the devolution project. ,,360

Einige Kommentatoren haben während der Diskussion über das "White Paper" sowie das "Scotland Bill" die Möglichkeit für das schottische Parlament betont, den örtlichen Verwaltungskörperschaften Kompetenzen zu entziehen. 361 Für diejenigen, die eine starke Stellung der kommunalen Selbstverwaltung befürworten, stelle diese Möglichkeit daher eine Bedrohung dar, vor allem auch auf dem Hintergrund der Reform des "local government" von 1994, durch die in einigen Bereichen ein Vakuum entstanden sei. Die traditionell starke Stellung des "local government" ist dem schottischen Parlament wie auch der schottischen Regierung selbstverständlich bekannt. Aufgrund des auch im "Scotland Act 1998" enthaltenen SubsidiariZitiert nach: Research Paper 98/5, S. 7. Die "Confederation of Scottish Local Authorities (COSLA)" hat auf die Pläne von Labour zur Errichtung des Parlamentes durchweg positiv reagiert. Von Seiten von COSLA wurde in diesem Zusammenhang die Hoffnung auf eine gute und konstruktive Partnerschaft mit dem schottischen Parlament und der schottischen Regierung zum Ausdruck gebracht, vgl. die Presseerkärung von COSLA vom 25.07.1997 "Better Scottish govemment - better local govemment", zitiert nach Research Paper 98/5, S. 16. 360 Alexander (1997), S. 22. 361 So z.B. Douglas (1997), S. 19 f.; vgl. auch Midwinter (1997). 358

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tätsgedankens und der Einsicht, dass viele Dinge vor Ort, in den Kommunen und Städten, am besten geregelt werden können und sollen, liegt es nahe, dass ähnlich den zwischen der schottischen Exekutive und der Zentralregierung abgeschlossenen "concordats" auch ein derartiges Papier zwischen den Spitzenvertretern der Kommunalverwaltungen und der schottischen Exekutive bzw. dem Regionalparlament geschlossen werden wird, in dem die näheren Umstände künftiger Zusammenarbeit zum Wohle beider Seiten geregelt werden. hh) Das schottische Parlament und die sonstigen öffentlichen Körperschaften (v. a. "quangos,,)362 Durch die generelle Übertragung von Exekutivfunktionen, die zuvor dem "Secretary of State" zukamen, wurden gemäß Art. 53 "Scotland Act 1998" der schottischen Regierung die Allzuständigkeit für die sonstigen schottischen öffentlichen Körperschaften übertragen. Sie fallen darüber hinaus nunmehr in die legislative Kompetenz des schottischen Parlamentes?63 Spezielle Vorschriften bezüglich möglicher Einzelkompetenzen enthält das Gesetz hingegen nicht. Einzig die Art. 23-25 des "Scotland Act 1998" sehen die Möglichkeit vor, alle öffentlichen Körperschaften im Bereich des schottischen Parlamentes zu Stellungnahmen und Anhörungen bezüglich aller originären Kompetenzen des Parlamentes auffordern zu dürfen. Im Gegensatz zum "Wales Act 1998" enthält der "Scotland Act 1998" keine Beschränkung, Reformen der öffentlichen Körperschaften nur auf bestimmte Gruppen zu beschränken. 364 Insofern ist das schottische Parlament frei in seinen Möglichkeiten, eine umfassende Reform der sonstigen öffentlichen Körperschaften, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in der Wahrnehmung einer Vielzahl von staatlichen Aufgaben eine erhebliche Eigendynamik entwickelt haben, zu beschließen. Regelungen finden sich im "Scotland Act 1998" bezüglich sogenannter "cross-border public bodies". Dies sind solche Körperschaften, die Gemeinschaftsaufgaben sowohl der Zentralregierung als auch der schottischen Regierung wahrnehmen. Die Art. 88 bis 90 "Scotland Act. 1998" verpflichten einen Minister der Zentralregierung, seinen schottischen Kollegen in alle Entscheidungen bezüglich dieser Körperschaften mit einzubeziehen. Art. 90 362 Im Anhang des White Paper findet sich eine Auflistung der Public Bodies, die in den Prozess mit einbezogen werden. 363 Eine umfangreiche Aufzählung der Körperschaften, die hiervon erfasst sind, findet sich zum einen in dem vom Scottish Office herausgegebenen "The Scotland Bill- A Guide" wie auch im Anhang 3 des Research Papers 98/1, S. 85 ff. 364 Vgl. zum Reformbedarf und zur Reform der "quangos" sehr ausführlich Research Paper 96/72.

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162 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches gibt die Möglichkeit, die Zuständigkeit ganz auf die schottischen Behörden übergehen zu lassen, sofern sich herausstellt, dass die Körperschaft in Bereichen tätig ist, die in die Kompetenz des schottischen Parlamentes oder der schottischen Regierung fallen?65 ii) Das schottische Parlament und die "Scottish LegalInstitutions" Es wurde oben bereits ausführlich darauf eingegangen, dass auch schon bisher das schottische Rechtssystem in weiten Teilen dem Grunde nach eine eigene Rechtsordnung darstellte. Durch das schottische Regionalparlament hat sich daran nichts geändert; die Verantwortung für die Strafgesetzgebung und die Gerichte ist jedoch nunmehr auf das Parlament übergegangen und der "Lord Advocate" ist nunmehr Mitglied der schottischen Exekutive. Obwohl innerhalb des Vereinigten Königreiches schon bisher zwei verschiedene Systeme des materiellen wie formellen Straf- und Strafprozessrechtes existierten, war zumindest in Bezug auf das materielle Strafrecht eine gewisse Einheitlichkeit auszumachen. Sowohl die Tatbestände als auch die jeweiligen Sanktionen sind sehr ähnlich. Nunmehr hat das schottische Parlament die alleinige Kompetenz, sowohl Tatbestände als auch das Strafmaß mit Geltung für das schottische Territorium zu ändern. Gordon Jackson wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, welche Konsequenzen es im Ernstfall hätte, sollte das schottische Parlament beispielsweise einen Beschluss zur Wiedereinführung der Todesstrafe fassen. Immerhin gebe es derartige Beispiele in den Vereinigten Staaten, wo in einigen Bundesstaaten die Todesstrafe existiere. Anders als in den Vereinigten Staaten, in denen in derartigen Unterschieden die lange föderale Tradition zum Ausdruck komme, würde dies im Vereinigten Königreich zu einer Zerreißprobe führen, die die Gefahr des Auseinanderbrechens des Landes berge. Hierdurch - wie auch durch einen eher schleichenden Prozess abweichender Gesetzgebung, durch den sich weniger gravierende Gegensätze langsam aufbauen könnten - gerade der Grundkonsens des Landes möglicherweise in größte Gefahr. Einen Ausweg aus dieser Gefahr hat sich der Gesetzgeber selbst vorbehalten: das Prinzip der nach wie vor bestehenden absoluten Parlamentssouveränität des Parlamentes in Westminster. Sollte dies in einem derartigen Fall tatsächlich geschehen, sollte das Parlament von seinem Vorrecht Gebrauch machen, könnte dies jedoch ebenfalls zu unabsehbaren Folgen für den Zusammenhalt des gesamten Landes führen. Die normative Möglich365 Vgl. hierzu die Auflistung solcher "cross-border public bodies" in: Scottish Office (1997a), Anhang E.

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keit bedeutet insofern - wie bereits oben im Zusammenhang mit der generellen Frage nach Inhalt und Aktualität dieses Prinzips angesprochen nicht, dass es zum einen aus politischen und praktischen Gründen auch opportun wäre, von diesem Recht Gebrauch zu machen, zum anderen damit der Prozess der "Devolution" höchstwahrscheinlich am Ende und damit gescheitert wäre. Den anderen Ausweg bietet der mittlerweile gefundene Grundkonsens in diesen Fragen, die mittlerweile in innerstaatliches Recht umgesetzte "Europäische Menschenrechtskonvention". Diese hat Geltung im gesamten Königreich, und diese verbietet derartige Sanktionen ohnehin generell. Darüber hinaus muss auch das schottische Parlament alle fünf Jahre von seinen Bürgern neu gewählt werden, was auch unter dem demokratietheoretischen Aspekt Exzesse vermeiden hilft. Im "Scotland Act 1978" war weder das Amt des "Lord Advocate" noch die Einsetzung eines mit seiner Verantwortung ausgestatteten Ministers vorgesehen. Vielmehr sollte es gemäß Art. 20 Abs. 6 "Scotland Act 1978" nach freiem Ermessen des Parlamentes einen juristischen Berater geben, der ähnliche Befugnisse wie der "Lord Advocate" erhalten sollte, jedoch ohne Stimmrecht im Parlament. 366 Nunmehr ist der "Lord Advocate", dessen Amt und Funktion sich bis zum Jahr 1483, und damit bis weit vor den "Act of Union 1707" oder die Errichtung des "Court of Session" 1532 zurückverfolgen lässt, und der im englischen Recht kein direktes Pendant hat, Mitglied der schottischen Exekutive. Er trägt einem Generalstaatsanwalt vergleichbar die Verantwortung für das gesamte Strafverfahren. Kritisiert wird in der Literatur, dass es durch seine Stellung als Mitglied der Exekutive zu einem Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz kommen könne. 367 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass zum einen auch in anderen demokratischen Rechtsstaaten der oberste Bundesanwalt entweder Mitglied der Regierung ist oder zumindest von dieser resp. dem Regierungschef ernannt wird, zum anderen das Beispiel in Großbritannien gezeigt hat, dass auch ein "Lord Advocate", der einer anderen Partei als der Regierungspartei sein Amt nicht zu amtsfremden Zwecken missbraucht hat. 368 Seit der Zugehörigkeit des "Lord Advocate" zur schottischen Regierung gehören folgerichtig auch seine Funktionen nunmehr zu den übertragenen Feldern, damit in die Kontrolle und Kontrollbefugnis des Regionalparlamentes. Probleme können jedoch auftauchen, wenn der "Lord Advocate" für Strafverfahren zuständig ist, deren materielle Grundlagen nicht im schotti366 367 368 11*

Jackson, in: Bates (1997), S. 54. Jackson, in: Bates (1997), S. 55. Jackson, in: Bates (1997), S. 55.

164 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

sehen Recht, sondern im Recht des Vereinigten Königreiches zu finden sind. Hierzu gehören zum Beispiel Vergehen und Verbrechen nach dem "Misuse of Drugs Act 1971" oder dem "Companies Act". Um das Nebeneinander von zwei verschiedenen Systemen des Strafrechtes zu verhindern, ist der "Lord Advocate" innerhalb des schottischen Territoriums auch für die Verfolgung derartiger Straftaten zuständig. Dies erfordert ein gewisses Maß an Kooperation, insbesondere für den Fall, dass unterschiedliche Parteien in Edinburgh und London die Regierungsverantwortung haben sollten. Bisher ist ein derartiger Konfliktfall noch nicht aufgetreten. Daneben ist die Verwaltung der Gerichte in die Kompetenz des Regionalparlamentes übergegangen. jj) Streitschlichtung ("Devolution Dispute Resolution") und die Frage nach einem Verfassungsgerichtshof369 Art. 29 "Scotland Act 1998" stellt die Regel auf, dass ein Gesetz des schottischen Parlamentes dann unwirksam ist, wenn es außerhalb seiner legislativen Kompetenz liegt. Bevor ein Gesetzesentwurf in das Parlament eingebracht werden kann, muss der Parlamentspräsident ("Presiding Officer") gemäß Art. 31 entscheiden, ob er innerhalb dieses Rahmens liegt. Der "Advocate General", der "Lord Advocate" und der "Attorney General" sind befugt, diese Frage dem "Judicial Committee" des Privy Council37o vorzulegen (Art. 33). Während dieser Zeit soll das Gesetzgebungsverfahren ausgesetzt werden. Zusätzlich hat der "Secretary of State" die Möglichkeit, in einigen strengen Ausnahmefällen den Presiding Officer anzuweisen, das Gesetz nicht der Krone zur Zustimmung vorzulegen ("Royal assent"). Im Bereich der Exekutive ist der "Secretary of State" befugt, gemäß Art. 58 eine Handlung zu untersagen, die gegen internationale Verpflichtungen verstößt. Nach dieser Vorschrift hat der "Secretary of State" auch die Möglichkeit, die Exekutive anzuweisen, internationale Verpflichtungen einzuhalten. Das "Judicial Committee" des "Privy Council" ist schließlich befugt, über Kompetenzkonflikte abschließend zu entscheiden?7l 369 Vgl. hierzu: Research Paper 99/84 S. 11 f.; vgl. auch die ergänzenden Regelungen im "Wales Act 1998", Anhang 8, Teil 3. 370 Der Privy Council war das höchste Gericht in Streitigkeiten mit Kolonien und überseeischen Gebieten, auch in verfassungsrechtlichen Fragen. Bereits im "Scotland Act 1978" sollte der Privy Council als letzte Instanz entscheiden, ebenso gemäß Artikel 51 des "Govemment of Ireland Act 1920". Mitglieder des Privy Council sind neben Richtern des House of Lords auch Richter aus einigen Commenwealth-Staaten. 371 Vgl. hierzu genauer: McFaddenlLazarowicz (1999); ebenso: Lord Hope of Craighead (1999); auch: iones (1997), S. 293 ff.

H. Schottland

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Während des Gesetzgebungsverfahrens der ersten "Scotland Bill 1978" wurde sogar im "House of Lords" die Frage diskutiert, ob nicht nunmehr die Zeit gekommen sei, wie in anderen Ländern auch ein Verfassungsgericht zu schaffen. 372 Diese Idee fand jedoch keine Mehrheit. Insofern konnte entweder das "House of Lords" selbst oder eben der "Privy Council" diese Funktion übernehmen?73 Letztlich wurde die Funktion dem "Privy Council" übertragen, da dieser aufgrund seiner Stellung und seiner historisch zugewiesenen Aufgaben der Ort für Entscheidungen über Fragen der "Devolution" ist. 374 Obwohl im Laufe der vergangenen 25 Jahre auch außerhalb des "House of Lords" immer wieder Stimmen laut wurden, die zur verbindlichen Lösung derartiger Konfliktfälle die Schaffung eines Verfassungsgerichtes forderten 375 , dessen Spruchkörper sich aus Richtern aus allen Teilen des Landes zusammensetzen sollten, und das entweder im Bedarfsfall oder permanent zusammentreten sollte, fand diese Forderung bisher noch keinen Widerhall in der politischen Praxis. Die Ablehnung der Schaffung eines Verfassungsgerichts hängt vermutlich neben den geschilderten historischen Gründen in erster Linie damit zusammen, dass mit dieser Einrichtung endgültig dokumentiert wäre, dass das Vereinigten Königreich tatsächlich kein so einheitlicher Staat ist, wie es viele, insbesondere Konservative, aber auch eine nicht zu unterschätzende Gruppe innerhalb Labour, immer noch gerne hätten. Neben der Klärung staatsorganisationsrechtlicher Fragen fiele dem Verfassungs gericht folgerichtig auch die Klärung möglicher Verstöße gegen die "Bill of Rights" oder den "Human Rights Act 1998" zu. Damit würde das gesamte bisherige, über Jahrhunderte gewachsene Gerichtssystem erheblich umgestaltet. 376 Blickt man die bisherige erste Legislaturperiode des Regionalparlamentes an, so sind derartig tiefgreifende Konflikte von verfassungsrechtlicher Bedeutung bisher ausgeblieben. Rufe nach der Schaffung eines Verfassungsgerichtes werden somit erst dann wieder politische Relevanz bekommen, wenn sich die nunmehr gefundenen Schlichtungsmechanismen in der Praxis als unbrauchbar erweisen.

Lord Wilberforce, HL vol. 390 c. 1087 (18. April 1978). Vgl. hierzu auch: Boyd, in: Bates (1997), S. 21 ff. 374 Vgl. Kapitel B H 3 e jj. 375 Vgl. statt aller: Scottish Constitutional Convention (1995). 376 Vgl. zu den Auswirkungen des "Human Rights Act 1998" auf das britische Rechtssystem im allgemeinen und zu den Auswirkungen auf das englische Zivilrecht im speziellen Theusinger (2001), S. 48 ff. 372 373

166 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

kk) Beziehungen zur Europäischen Union "Decisions taken in the EU have a huge impact on vital Scottish Interests, which is why Scotland needs to develop a voice at the European level." Dr. Al/an Macartney, MEp377

Die veränderten Beziehungen Schottlands und Wales zur Europäischen Union haben im Vorfeld der Verabschiedung des "Scotland Act" bzw. "Wales Act" zu einer heftigen Auseinandersetzung geführt, ob und inwieweit die Position Schottlands und Wales auf europäischer Ebene fürderhin geschwächt oder gestärkt werde. Von Seiten der konservativen Opposition wurde im Unterhaus die Befürchtung geäußert, dass durch die neue Rolle Schottlands eine Schwächung des schottischen Einflusses herbeigeführt wird, insbesondere dann, wenn sich Schottland und die Zentralregierung nicht auf eine gemeinsame Position einigen könnten?78 Der Vorsitzende von Playd Cymru, dem walisischen Pendant zur schottischen SNP, Dafydd Wigley, stellte dagegen die Vorteile der Regionalisierung heraus: "The clout of Wales in the EU will be that much stronger if we have a Parliament that can have credible voice in Brussels. Catalonia and the Länder governments in Germany have successfully developed their prosjects within Europe and it is essential that Wales likewise has that opportunity.,,37

Obwohl die Gestaltung der Beziehungen zur EU generell in der Kompetenz der Zentralregierung verbleibt, soll die schottische Exekutive so eng wie möglich am Entscheidungsprozess in allen Fragen, die die Europäische Union betreffen, beteiligt werden. Minister der schottischen Regierung können an Treffen des Ministerrates teilnehmen und in bestimmten Fällen für den Gesamtstaat abstimmen. Darüber hinaus hat das schottische Parlament die Kompetenz, Gesetzesvorlagen aus Brüssel zu prüfen und Stellungnahmen zu ihnen abzugeben. Zudem ist die schottische Exekutive verpflichtet übertragene Kompetenzen betreffende Gesetze umzusetzen. 380

377 SNP Presseerklärung "Scottish Office Frozen out of Europe: Efforts to stifte voice must be resisted" vom 06.l0.1997. 378 Michael Ancram, HC Deb 31 July 1997, c. 475. 379 HC Deb 4 June 1997, c. 460. 380 Genauer soll auf diese organisatorischen Fragen in Kapitel C eingegangen werden.

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f) Die Zukunft des "House of Lords": Auf dem Weg zu einer Kammer der Regionen? - insbesondere der Bericht der "Royal Commission on Reform of the House of Lords" -

Bereits oben wurde verschiedentlich festgehalten, dass konsequenterweise mit der Errichtung einzelner Regionalkammern und -parlamente nunmehr eine zweite Parlamentskammer auf der Ebene des Zentralstaates geschaffen werden sollte, um hierdurch zu gewährleisten, dass die Regionen in entsprechender Weise Mitbestimmungsrechte in einzelnen Bereichen erhalten, die sie unmittelbar betreffen, und die noch in der alleinigen Kompetenz der Zentralregierung liegen. Dies ist sowohl unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten wünschenswert und könnte im übrigen auch dazu führen, gewisse zentrifugale Kräften, die nach Einschätzung einiger Beobachter und Kommentatoren keineswegs ihren Kampf für Selbständigkeit aufgegeben haben, stärker in die Politik der Zentrale in London einzubinden und ihnen damit das Argument mangelnder Mitbestimmung zu entziehen. 381 Ein zentraler Punkt im Rahmen der von Labour nach dem Machtwechsel versprochenen Verfassungsreform war neben des Ausbaus der Devolution eine umfassende Reform des Oberhauses, des "House of Lords". Labour vertritt die Ansicht, dass eine reformierte zweite Kammer des Parlamentes, die künftig wesentlich stärker als bisher die Interessen der Regionen repräsentieren sollte, wesentlich zum Erfolg des Programmes zur Verfassungsreform beitragen könnte?82 Im Januar 1999 wurde zu diesem Thema ein Weißbuch veröffentlicht, in dem zu dieser Frage wie folgt Stellung genommen wird: "By the time a fully refonned second chamber can be put in place, there will be devolved institutions in Scotland, Wales and Northern Ireiand. London will have its directly elected Authority. English regionalism will be increasingly recognised through Regional Development Agencies and regional chambers. (... ) One question therefore arises is whether the second chamber should have some overt role as the representative of the regions, or of the regional bodies. This is a very common role for second chambers overseas. (... ) The second chamber could provide a forum where diversity could find expression and dialogue, and where such an expression could work towards strengthening the Union?83

Konkrete Probleme und Fragen der Realisierung bezüglich Zusammensetzung, Wahl und Aufgaben des "House of Lords" wurden durch ein Dokument der "Royal Commission" zu diesem Thema aufgeworfen. 381 Vgl. beispielsweise das bissige Interview des englischen Politikwissenschaftlers Norman Davies, in: Der Spiegel 1612001, S. 138 f. 382 Vgl. hierzu ausführlich: Research Paper 99/7. 383 White Paper: Modernising Parliament: reforming the House of Lords, Cm 4183, para 7.8-9.

168 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Die "Royal COInmission on Refonn of the House of Lords" wurde im Februar 1999 durch die Regierung in London eingesetzt. Sie stand unter dem Vorsitz von Lord Wakeham. In einem sog. "consultation document" fasste die Kommission im März 1999 die Fragen zusammen, die im Kern beantwortet werden müssten, damit die Refonn in einer "Länderkammer" münden könne: "Should the refonned Second Chamber contain representatives of the nations and regions of the United Kingdom? If so, should they be directly or indirectly elected, or nominated? Taking account of the asymmetric nature of devolution within the Uni ted Kingdom, what influence should rest with the relevant executive authority, the relevant national/regional Assembly, all those holding elected office within the relevant area and the relevant electorate? Should any representatives of the nations and regions of the United Kingdom act as delegates serving interests of those nations and regions, or of the relevant Parliament and Assembly, or executive; or should they be encouraged to fulfil a broader representative role? (... ), might MEPs have the right to contribute to relevant debates in the refonned Second Chamber or to attend relevant committees?,,384

Die Aufgabe der Kommission bestand darin, konkrete Vorschläge auszuarbeiten, wie in Zukunft eine refonnierte zweite Kammer die Interessen der Regionen vertreten könne und wie konkret ihre Zusammensetzung und Einflussmöglichkeiten aussehen sollten. Die Kommission hatte den Auftrag, innerhalb von zehn Monaten einen Bericht zu fertigen. Dementsprechend hatte die Kommission nur wenig Zeit, mit den neu geschaffenen Regionalinstitutionen in Schottland, Wales und Nordirland Rücksprache zu halten bzw. deren Stellungnahmen und erste Erfahrungsberichte einzuholen. Spärlich fielen deshalb die Antworten auf die Anfragen der Kommission aus. Als große Befürworter - wenngleich sicherlich mit unterschiedlicher Motivation - innerhalb des Konsultationsprozesses traten jedoch die fünf wichtigsten Regionalparteien, "The Alliance Party of Northern Ireland", "Plaid Cymru", "The Scottish Conservative and Unionist Party", die SNP sowie die "Welsh Liberal Democrats" auf?85 Trotz der kurzen Zeit, die die Kommission für die Ausarbeitung ihres Abschlußberichtes hatte, widmete sie einen großen Abschnitt den künftigen Möglichkeiten verstärkter Repräsentation der Nationen und Regionen innerhalb einer refonnierten zweiten Kammer?86 384 Zitiert nach: Research Paper 99/85, S. 44 f.; vgl. auch: Research Paper 02/02 sowie das "White Paper" der Regierung vom November 2001 ("The House of Lords Completing the Refonn", Cm 5291). 385 Rusell/Hazell, in: Hazell (2000), S. 214 ff. 386 Vgl. für eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte des Berichtes: Oliver, in: Jowell/Oliver (2000), S. 284 f.

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"The reformed second chamber should be so constructed that it could playa valuable role in relation to the nations and regions of the United Kingdom, whatever pattern of devolution and decentralisation might emerge in the future. ,,387

In welcher Fonn und in welcher Zusammensetzung dieses Ziel verwirklicht werden soll, war unter den Mitgliedern umstritten. Jedenfalls ging es jedoch allen darum, "at least a proportion of the members of the second chamber should provide a direct voice for the various nations and regions of the United Kingdom.,,388

Dieser Anteil der Mitglieder der zweiten Kammer sollte direkt gewählt werden, jedoch gegenüber den nach wie vor ernannten Mitgliedern die Minderheit bilden. Bezüglich des Verhältnisses der gewählten und ernannten Mitglieder schlug die Kommission drei Modelle vor; die Vorschläge reichten hier von insgesamt 12% der Mitglieder bis zu 35% der Mitglieder, die künftig (von 550 insgesamt) direkt gewählt werden sollten. Die Kommission präsentierte drei konkrete Vorschläge, von denen die Mehrheit ein Modell favorisierte, nach dem insgesamt 87 Mitglieder direkt in den Regionen gewählt werden und für insgesamt 15 Jahre mandatiert werden sollten. Dass zumindest ein nicht ganz unwesentlicher Teil der Mitglieder direkt von den Menschen in den Regionen gewählt werden müsste, stand jedoch für alle Mitglieder fest, da es ansonsten an ausreichender Rückkoppelung und Legitimität fehlen würde. 389 Konkrete Vorschläge, wie künftig eine Rückkoppelung an die Bevölkerung in der Region stattfinden könne, machte die Kommission jedoch nicht. Das deutsche Modell des Bundesrates wurde verworfen, ebenfalls wurde der Ansatz verworfen, dass die Mitglieder durch die Kammern und Parlamente bestimmt werden könnten; es bestand die Befürchtung, dass diese dann nur noch als Sprachrohr der Parlamente und nicht mehr der Bürger oder ihres eigenen Gewissens auftreten könnten. 390 Bezüglich der konkreten Arbeit der zweiten Kammer schlug die Kommission vor, in einem nächsten Schritt ein sogenanntes "Devolution Committee" innerhalb des "House of Lords" einzusetzen, das auch Sitzungen in den Regionen abhalten könnte. 391 Die Kompetenzen dieses Ausschusses sollten jedoch auf die Prüfung der Beziehungen zwischen den einzelnen 387 Royal dation 25. 388 Royal dation 27. 389 Royal 390 Royal 391 Royal 26.

Commission on the Reform of the House of Lords (2000), recommenCommission on the Reform of the House of Lords (2000), recommenCommission on the Reform of the House of Lords (2000), para 11.31. Commission on the Reform of the House of Lords (2000), para 6.17. Commission on the Reform of the House of Lords (2000), para 6.22-

170 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Institutionen ganz allgemein beschränkt sein ohne die Möglichkeit, die Auswirkungen gewisser Gesetze auf die Regionen prüfen zu können. Obwohl diese Vorschläge zu den nächsten Schritten innerhalb des Abschlussberichtes eine zentrale Rolle einnahm, reagierte das "House of Lords" sehr verhalten. Insgesamt wurde zwar mehrheitlich die Tatsache begrüßt, dass sich die Kommission mit diesen Fragen beschäftigt habe, auf die Vorschläge wurde aber nicht konkret eingegangen noch wurden sie sich gar zu eigen gemacht. Einzig der Vorschlag der Kommission, einen Ausschuss einzurichten, der sich mit allen verfassungsrechtlichen Fragen künftiger Gesetzgebung beschäftigen soll, wurde bisher umgesetzt. Seine Aufgabe soll sein, "to examine the constitutional implications of all public bills (... ) and (... ) keep under review the operation of the constitution.,,392

Auch die Regierung in London reagierte eher verhalten auf den Bericht. Derzeit ist sie damit beschäftigt, ein "Joint Parliamentary Committee" auf den Weg zu bringen, um nunmehr endlich der Debatte um die Reform des Oberhauses neue Impulse zu verleihen. 393 Das Oberhauses ist den territorialen und verfassungsrechtlichen Veränderungen bisher wenig gewogen. Insgesamt ist nach wie vor eine Mehrheit innerhalb des Oberhauses gegen grundlegende Reformen eingestellt. Sollte sich künftig jedoch erweisen, dass der eingeschlagene Weg, den Regionen eine größere Eigenständigkeit und Mitbestimmung zu verleihen, erfolgreich in dem Sinne sein wird, den Zusammenhalt des Königreiches eher zu stärken als zu schwächen, wird sich auch das Oberhaus verstärkt mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit es mit seiner Zusammensetzung und seinen Mechanismen noch in dieses reformierte Verfassungsmodell hineinpasst. Die Frage wird dann virulent, soweit sich die zweite Kammer des Parlamentes nach wie vor jeder demokratischen Kontrolle erfolgreich entziehen kann und ob diese Tatsache mit den übrigen (erfolgreichen) Reformvorhaben in Einklang zu bringen ist. 394 4. Die Phase der ersten Legislaturperiode Nachdem das Parlament am 6. Mai 1999 gewählt worden war - nach einer langen Phase kontroverser Diskussionen, nach einer langen Phase der Unsicherheit, ob das Referendum erfolgreich verlaufen würde und einer langen Phase der Vorbereitung, als schließlich klar war, dass der "point of no Liaison Committee: Third Report, HL 81, 26. Juni 2000, para. 2. Russel/Hazell, in: Hazell (2000), S. 218. 394 Vgl. hierzu auch: Russell (2000); vgl. für eine Zusammenfassung der Entwicklungen seit 1997 auch: House of Cornmons Research Paper 01/77. 392 393

11. Schottland

171

return" überschritten war - wurde das schottische Regionalparlament, das erste Parlament auf schottischem Boden seit knapp 300 Jahren, am 1. Juli 1999 schließlich feierlich in Anwesenheit der Königin eröffnet. Die Abgeordneten hatten am 13. Mai 1999 bereits den vorherigen "Secretary of State for Scotland", Donald Dewar, mit 71 Stimmen zu ihrem ersten "First Minister" gewählt hatten, Labour war am 14. Mai 1999 eine Art Koalitionsvertrag mit den Liberaldemokraten eingegangen und noch im Mai 1999 waren sämtliche Minister und "Junior-Minister" ernannt worden. Dewar legte bereits am 16. Juni acht Gesetzesentwürfe vor, mit denen sich das Parlament zu aller erst beschäftigen musste. 395 Es würde zu weit gehen, nunmehr in allen Einzelheiten die einzelnen Schritte der Arbeitsaufnahme nachzeichnen zu wollen. Eines kann jedoch mit Sicherheit festgestellt werden: das Parlament und die Exekutive haben in den bisherigen zwei Jahren ihres Bestehens eine zuvor nicht für möglich gehaltene Arbeitsdynamik entwickelt. 396

a) Die ersten Schritte Nachdem alle Mitglieder gewählt, die Minister ernannt und das Parlament feierlich eröffnet worden war, ging es nun darum, eine möglichst reibungsarme und schnelle Arbeitsaufnahme zu gewährleisten. Zu Beginn kam es, wie nicht anders zu erwarten, zu gewissen Konfusionen. Eine der aller ersten Auseinandersetzungen im Parlament wurde über die Zuschüsse geführt, die die einzelnen Abgeordneten für die Ausstattung ihres Büros mit Sach- und Personalmitteln erhalten sollten. Hitzig wurde darüber gestritten, ob diejenigen Abgeordneten, die direkt gewählt und somit einen Wahlkreis repräsentierten, einen größeren Betrag erhalten sollten als die Listenkandidaten ohne einen Wahlkreis im Hintergrund. Dieser Streit wurde in der Öffentlichkeit mit großem Unverständnis aufgenommen, da der Eindruck entstanden war, dass es auch den Abgeordneten des Regionalparlamentes in erster Linie um die eigene Versorgung ginge?97 Auch für die Mitglieder der schottischen Regierung dauerte es einige Zeit, bis sie sich an die neuen Verfahren und Abläufe gewöhnt hatten. Mittlerweile funktioniert die Arbeitsteilung zwischen Parlament und Regierung gut, und das Parlament wird heute als lebendige "Arena" beschrieben, in dem kontrovers zur Sache gestritten, aber zugleich das übergeordnete Ziel, 395 Education Standards Bill, Transport Bill, Ethical Standards in Public Life Bill, Public Finance and Accountability Bill, Adults with Incapacity Bill und drei Entwürfe zu einer LandrefoITn. 3% Vgl. für eine Übersicht über die bisherigen Gesetze des schottischen Parlamentes (mit Volltextabfrage ): http://www .scotland-legislation.hmso.gov.uk. 397 Leicester, in: Hazell (2000), S. 20 f.

172 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

den Bedürfnissen und Wünschen der schottischen Bevölkerung gerecht zu werden, nicht aus dem Auge verloren wird?98 Folgende "Executive Departements" wurden eingerichtet (im Vergleich zu den früheren Departements des Scottish Office):399 The Scottish Office Departments

Scottish Executive Departments

Horne Department

lustice Department

Department of Health

Health Department

Agriculture, Environment and Fisheries Dept

Rural Affairs Department

Development Department

Development Department

Education Department

Education Department

Business and Industry Department

Enterprise and Lifelong Learning Department

Finance Group

Finance

Corporate Services

Corporate Services

Executive Secretariat

Executive Secretariat

Das Parlament benötigte einige Wochen, bis es dann schließlich folgende (ständigen) Ausschüsse einsetzte: • Standards, • Finance, • Audit, • Procedures, • European, • Equal Opportunities, • Public Petitions, • Subordinate Legislation. Darüber hinaus wurden noch einzelne Fachausschüsse eingesetzt, deren Auftrag den oben genannten Departements der Regierung nachgebildet wurden, zusätzlich noch ein Ausschuss für Fragen des "local government". Die 398 399

Leicester, in: Hazell (200ü), S. 35. Diese Übersicht ist entnommen aus: Leicester, in: Hazell (200ü), S. 19.

11. Schottland

173

Ausschüsse erhielten weitreichende Kompetenzen: unter anderem Kontrollmöglichkeiten der Arbeit des Parlamentes sowie das Recht, Gesetzesvorschläge auszuarbeiten und einzubringen. Diese Möglichkeit wurde während des ersten Jahres jedoch noch nicht genutzt; sämtliche Gesetzesvorschläge und Entwürfe wurden während des ersten Jahres von der Regierung eingebracht. 4OO Den Arbeitseifer, den das Parlament von Beginn an an den Tag legte, war enorm. Allein während des ersten Jahres wurden nahezu 8.500 mündliche und schriftliche Anfragen an die Regierung gerichtet, über 40 offizielle Stellungnahmen von Ministern zu wichtigen Fragen abgegeben und Dutzende Anfragen an Minister in Ausschüssen gerichtet und beantwortet. Donald Dewar stellte dazu in einer Vorlesung an der University of Edinburgh fest, dass allein in den ersten vier Monaten seit Eröffnung des Parlamentes mehr Anfragen an die Exekutive gerichtet worden seien als in Westminster während eines ganzen Jahres. 401 Bis Mitte Mai 2000, so wurde geschätzt, hatte die Exekutive mehr "consultation papers" veröffentlicht als sie bisher überhaupt Arbeitstage hatte. 402 Viele Abgeordnete und Minister haben offenbar den Arbeitsanfall und die Anforderungen dieses Amtes unterschätzt. Als Folge wird mit wachsender Frustration festgestellt, dass weder die finanziellen noch personellen Ressourcen vorhanden sind, um mit diesen An- und Herausforderungen fertig zu werden. 403 Auf der andere Seite zeigt diese Resonanz jedoch auch, wie groß das Bedürfnis geworden war, endlich viele Dinge eigenständig diskutieren und selbständig viele Politikbereiche regeln zu dürfen. Insofern scheint der ministerielle Apparat derzeit Opfer seines eigenen Erfolges zu werden. Das erste Gesetz des schottischen Parlamentes kam mehr oder weniger zuHillig und auf großen öffentlichen Druck zustande, obwohl es überhaupt nicht im politischen Programm der Regierung vorgesehen war: der "Mental Health (Scotland) Act 1999". Er war eine Reaktion auf die Entlassung eines psychisch kranken Straftäters aus einem Krankenhaus, welches festgestellt hatte, nichts mehr für ihn tun zu können. Um diese offenbare Gesetzeslücke zu schließen, beschloss das Parlament am 8. September 1999 Gegenmaßnahmen; nur fünf Tage später trat es nach dem obligatorischen "Royal Assent" in Kraft. Leicester, in: Hazell (2000), S. 21. John P. Mackintosh memorial lecture, 09.11.1999, University of Edinburgh, zit. nach: Leicester, in: Hazell (2000) S. 22. 402 Vgl. hierzu: www.scotland.gov.uklviews/consult.asp (Liste aller Veröffentlichungen). 403 Leicester, in: Hazell (2000), S. 22 f. 400

401

174 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Seitdem wurden bis August 2001 insgesamt 24 Gesetze ("Acts") diskutiert und verabschiedet. Inhaltlich erstreckt sich die Gesetzgebungstätigkeit auf so verschiedene Gebiete wie das jährliche Haushaltsgesetz (2000 asp 2; 2001 asp 4), das Verkehrswesen, das Bildungswesen oder auch zu "ethical standards in public life".404 Bezüglich der neuen Rolle des "Secretary of State for Scotland" kam es anfänglich ebenfalls zu Irritationen und Missstimmungen. Der "Secretary of State" ist nach wie vor von Seiten des Zentralstaates der wichtigste Repräsentant und einer der wichtigsten Schnittstellen zur Zentralregierung. Da angenommen wird, dass es sich bei ihm um ein "Auslaufmodell" handelt, setzte sich lohn Reid, der Nachfolger Dewars in diesem Amt, herber Kritik aus, als er von den zur Verfügung stehenden Mitteln einen großen Betrag abzweigte, um seine eigene Behörde finanziell auszustatten. Eine öffentliche Auseinandersetzung mit Dewar schloss sich an, in der es um die Frage ging, wer von beiden der wichtigere schottische Politiker sei. Dies führte schließlich dazu, dass Tony Blair aus London ein Machtwort sprach und auch innerhalb Labour endgültig klarstellte, dass die schottischen Interessen am besten vor Ort und ihm Rahmen der gewählten Institutionen wahrgenommen werden. Mittlerweile liegen erste Gerichtsentscheidungen vor, die direkt mit Handlungen des Parlamentes bzw. einzelner Abgeordneter zu tun haben.

b) Erste Gerichtsurteile bezüglich der Arbeit des Parlamentes und der Regierung Verschiedene Gerichte des Vereinigten Königreichs haben mittlerweile klargestellt, dass es sich bei dem schottischen Parlament um eine Institution handelt, die durch ein Gesetz entstanden ist und an die Vorgaben dieses Gesetzes gebunden ist - was zunächst banal klingt, jedoch im Rahmen der beschriebenen "Sovereignty of Parliament" nach britischem Verständnis nicht so selbstverständlich ist. Die Gerichte haben jedoch anerkannt, dass es sich beim schottischen Regionalparlament eben gerade nicht um ein Parlament handelt, dass im so verstandenen Sinne "souverän" ist, sondern dass es zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn es gegen Bestimmungen des "Scotland Act 1998" verstößt. In der Entscheidung Whaley vs. Lord Watson entschied der "Court of Session" Ende November 1999, dass das Parlament allerdings insoweit souverän sei, als es selbst bestimmen könne, wann und inwieweit ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung vorliege, wenn ein Mitglied des Parlamentes 404 Eine jeweils aktualisierte Übersicht mit der Möglichkeit, sämtliche Gesetze im Volltext abzurufen, gibt es im Internet unter: www.scotland-Iegislation.hmso.gov.uk.

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175

einen privaten Gesetzesentwurf einbringt, an dem Dritte außerhalb des Parlamentes und der Regierung mitgewirkt haben, ohne dies jedoch zu ausdrücklich zu erklären: "What I consider is being attempted by the petitioners is to achieve, by a roundabout method, the obstruction of the legitimate presentation of a Bill to the Parliament which must be allowed to regulate its own affairs and determine whether or not, in its opinion, the member is competent to present it. 405 Obwohl die hiergegen eingelegte Berufung zum "Court of Appeal" ebenfalls keinen Erfolg hatte, stellte der Richter fest: "It (the Parliament) is a body which, like any other statutory body, must work within the scope of those powers. If it does not do so, then in an appropriate case the court may be asked to intervene and will require to do SO.,,406 Durch den "Scotland Act 1998" ist die Europäische Menschenrechtskonvention für Schottland verbindlich geworden, bevor sie es für das übrige Königreich wurde. Hieraus ergab sich eine Entscheidung des "Court of Appeal", der Artikel 172 des "Road Traffic Act 1988" für rechtswidrig erklärte, da er gegen das Recht des Einzelnen verstoße, sich in einem Strafverfahren nicht selbst belasten zu müssen. 407 Diese Entscheidungen tragen im Einzelfall dazu bei Kompetenz- und Zuständigkeitsbereiche in Schottland voneinander abzugrenzen. Es wird aber wohl noch eine ganze Weile dauern, bis die Grenzen zwischen übertragenen und reservierten Kompetenzen eindeutig geklärt sind - hierfür können sich in der Praxis Regeln herausbilden, die gegebenenfalls sogar zu einer Anpassung des "Scotland Act 1998" führen. 408 c) Wichtige Kulturtexte

Eröffnungsansprache von Donald Dewar am 01.07.1999 Der bereits oben mehrfach erwähnte Donald Dewar eröffnete als erster "First Minister" das schottische Parlament am 01.07.1999 offiziell mit einer eindrucksvollen, emotionalen und optimistischen Ansprache: '" There shall be a Scottish Parliament'. Through long years, those words were first a hope, then a belief, then a promise. Now they are a reality. This is a moment anchored in our history." 405 Es ging vorliegend um ein Gesetz des MSP Mike Watson, der die Jagd generell per Gesetz verbieten lassen wollte; vgl. Whaley vs. Lord Watson [2000], Session cases 125, S. 133. 406

407

A.a.O., S. 348. Art. 172 schreibt die Verpflichtung des Fahrzeughalters vor, den Fahrer des

Fahrzeuges zu nennen, sofern er während der Tat nicht erkannt oder direkt zur Verantwortung gezogen worden ist; vgl. Brown vs. Procurator Fiscal [2000] SLT 379. 408 Vgl. hierzu: Leicester, in: Hazell (2000), S. 28.

176 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches "This (die Einsetzung eines demokratisch gewählten Parlamentes, Anm. d. Verf.) is more than our politics and our laws. This is about who we are, how we carry ourselves. In the quiet moments today, we rnight hear some echoes from the past: The shout of the welder in the din of the great Clyde shipyards: The speak of the Means, with its soul in the land; The discourse of the enlightenment, when Edinburgh and Glasgow were a light held to the intellectual life of Europe; The wild cry of the Great Pipes; And back to the distant cries of the battles of Bruce and Wallace. The past is part of uso But today there is a new voice in the land, the voice of a democratic Parliament. A voice to shape Scotland, a voice for the future." "A Scottish Parliament. Not an end: a means to greater ends. And those too are part of our mace. Woven into its symbolic thistles are these four words: , Wisdom. Justice. Compassion. Integrity.' Bums would have understood that. (... ) Timeless values. Honourable aspirations for this new forum of democracy, born on the cusp of a new century.,,409

Insbesondere unter dem kulturwissenschaftlichen Ansatz zeigt dieser Ausschnitt, dass die Eröffnung des schottischen Parlamentes kein wirkungsloser, rein verwaltungstechnischer Akt war, sondern die Schaffung einer unabhängigen, demokratisch gewählten und mit umfangreichen Kompetenzen ausgestatteten Körperschaft empfunden wurde als ein Wiederauferstehen der schottischen Nation, der schottischen Demokratie, der schottischen Geschichte und Kultur - dieser verfassungsrechtlich höchst bedeutsame Vorgang hatte also hier eine umfassende kulturelle Dimension. Dewar nimmt in dieser Rede geradezu poetisch Bezug auf Symbole schottischen Nationalbewusstseins, auf die schottische Schifffahrtstradition, auf den Klang der Dudelsäcke, das schottische Musikinstrument schlechthin, und erinnert an die oben schon erwähnten Schlachten von Bruce und Wallace im 13.114. Jahrhundert. Auch Robert Bums spricht er an als bedeutenden Vertreter schottischer Kultur. Damit verankert er das Parlament mitten in der schottischen Nation, als Abschluss und zugleich Neubeginn einer mehr als 300-jährigen schottischen Geschichte, die weitgehend von Westminster fremdbestimmt worden war. Weisheit, Gerechtigkeit, Mitgefühl, Aufrichtigkeit. Diese vier Leitwörter innerhalb der symbolischen, ineinander gewobenen Disteln seien Auftrag und Verpflichtung zugleich. Auftrag und Verpflichtung, endlich, nach mehr als 300 Jahren Fremdbestimmung, die Demokratie in Schottland neu zu beleben. Dewar geht allerdings nicht soweit, hierin die Basis und den Ausgangspunkt für einen neuen schotti409 Zitiert nach: Donald Dewar 1937-2000; http://www.scottish-parliarnent.uk/ msps/biographies/dewar.htm.

11. Schottland

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sehen Separatismus zu sehen. Vielmehr möchte er, dass das schottische Parlament innerhalb des politischen Systems des Vereinigten Königreiches seine Rolle und seinen Platz finden wird: "Today, we look forward to the time when this moment will be seen as the turning point: the day when democracy was renewed in Scotland, when we revitalised our place in this our United Kingdom.,,410

d) Politik und Personen: Reaktionen der Medien Um die Wechselwirkung von Kultur im weitesten Sinne und den juristischen, verfassungsrechtlichen Vorgängen manifest zu machen, soll auch ein Blick auf die Ereignisse jenseits des Parlaments geworfen werden, auf die Reaktionen wichtiger Protagonisten und der Medien in diesem Geschehen. Den ersten größeren Skandal mit den Medien löste der Parlamentspräsident, Sir David Steel, aus, als er in einer Rede vor Repräsentanten der "Church of Scotland" weiten Teilen der schottischen Presse vorwarf, weniger an der Sache als vielmehr an Personalien und Startschwierigkeiten interessiert zu sein, und dies kurz auf den Nenner des "bitch journalism" brachte. 411 Die Kritik war aus seiner Sicht insofern berechtigt, als dass die Medien, allen voran die schottischen Boulevardblätter mit dem "Daily Record" an der Spitze keine Gelegenheit ausließen, ihren Spott und Hohn über gewisse Startschwierigkeiten des Parlamentes auszuschütten. Nachdem diese Auseinandersetzung beinahe überwunden war, startete der "Observer" die nächste Breitseite gegen das Parlament, indem er enthüllte, dass die Firma "Beattie Media" offenbar versucht habe, Einfluss auf Minister der neuen schottischen Regierung zu nehmen. So habe die Firma etwa den Sohn des "Secretary of State", Kevin Reid, als Lobbyisten angestellt. Zudem sei auch der zuständige Minister für Finanzen, Jack McConnell, in eine PR-Kampagne der Firma verwickelt gewesen. Dieser Vorfall war insofern prekär, als das Parlament ja explizit mit dem hohen Anspruch angetreten war, Fehler, die von einzelnen Mitgliedern des Parlamentes und der Regierung in London gemacht worden waren, nicht zu wiederholen und für politische und moralische Integrität zu stehen. Als wäre dies der Skandale für die Anfangsmonate nicht genug gewesen, musste im Dezember 1999 der engste Mitarbeiter Donald Dewars, der maßgeblich zum Sieg Labours in den Parlamentswahlen beigetragen hatte, zurücktreten. Er hatte angeblich gegenüber Journalisten falschlicherweise behauptet, dass die GeDewar, a. a. O. Sir David Steel, Who speaks for the People of Scotland?, A speech to the Church and Nation Cornrnittee of the Church of Scotland, 06.09.1999, zitiert nach: Leicester, in: Hazell (2000), S. 29. 410 411

12 Mey

178 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

sundheitsministerin Todesdrohungen erhalten habe, da sie sich für eine Lockerung der Abtreibungsregeln ausgesprochen habe. Am 27. Januar 2000 titelte der "Scotsman" darautbin schlicht: "Scottish Executive in Disarray". Eine weitere Niederlage im öffentlichen Ansehen erlitt das Parlament, als Wendy Alexander, Minister für Soziales und Lokales, den Vorstoß der Regierung kundtat, dass diese beabsichtige, Art. 28 des "Local Government Act 1986" zu streichen, der den lokalen Körperschaften verbiete, öffentlich Homosexualität zu fördern. Hiergegen formierte sich Anfang 2000 eine machtvolle Koalition aus Medienvertretern, Kirchenvertretern und Unternehmern, die Ende Januar dazu führte, dass eine große Mehrheit der Schotten diesen Plan ebenfalls ablehnten. Trotzdem brachte die Regierung den Entwurf im Parlament ein, dem am 21. Juni 2000 dann auch mehrheitlich zugestimmt wurde. Die Tatsache, dass sich in dieser Frage das Parlament über die große Mehrheit der Schotten hinwegsetzte und in einer - sicherlich emotional und ideologisch belasteten Frage - seinen eigenen Willen durchsetzte, war manchen Schotten ein Zeichen dafür, dass das Parlament hier eine große Chance ausgelassen hatte, in der Praxis zu zeigen, dass es tatsächlich Rücksicht auf die Interessen der Bürger nimmt und auch gewillt ist, diesen Interessen gemäß zu handeln. 412 Mitten in diese Turbulenzen hinein wurde bekannt, dass der über alle Parteigrenzen hinweg geschätzte und anerkannte Donald Dewar sich einer schweren Herzoperation unterziehen müsse. Dewar kehrte zwar nach der Sommerpause nochmals für kurze Zeit in das Kabinett zurück, verstarb jedoch am 11. Oktober 2000. Die Lücke, die er hinterlässt, ist groß. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit es seinem Nachfolger, John Reid, gelingt, seinen Platz auszufüllen und weiterhin erfolgreich und mit Augenmaß, zugleich aber wenn nötig auch Härte und Konsequenz, das "Projekt Devolution" voranzutreiben. Die Reaktion der schottischen Bevölkerung spiegelt diese teils turbulenten Anfangsmonate und Jahre wieder. Im Juni 2000 waren nach einer Umfrage der Tageszeitung "Heraid" 78 % der Schotten der Ansicht, dass das Parlament bisher für sie im täglichen Leben noch keine großen Veränderungen gebracht habe. Zuvor hatten sich im April 2000 insgesamt 62 % der Schotten dafür ausgesprochen, dem Parlament größere Kompetenzen einzuräumen. Dem entspricht auch das Umfrageergebnis vom Februar 2000, in dem sich 27% der Schotten für Unabhängigkeit, 46% für die Beibehaltung des "Modells Devolution" und 22 % für die Abschaffung des Parlamentes aussprachen. 413 412 413

Curtice, in: Hazell (2000), S. 225. Vgl. zu diesen Zahlen genauer: Curtice, in: Hazell (2000), S. 223 ff.

11. Schottland

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e) Das schottische Parlament zwei Jahre nach der Arbeitsaufnahme: Perspektiven und künftige Entwicklungen414

Nach den unruhigen Anfangsmonaten sind das Parlament und die Regierung mittlerweile in ruhigere Fahrwasser geglitten. Viele Verfahren haben sich eingespielt: es werden beständig Gesetze zu meist wenig öffentlich diskutierten Themen verabschiedet, und die Koordination mit der von Labour geführten Zentralregierung funktioniert reibungslos. Das Parlament hat sich in den vergangenen Monaten insbesondere Themen wie der wirtschaftlichen Entwicklung Schottlands angenommen und versucht damit nun tatsächlich, die Interessen und Sorgen der schottischen Bürger in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen. Graham Leicester, Direktor der "Scottish Council Foundation", beurteilt die beiden ersten Jahre des neuen Parlamentes insgesamt sehr positiv, gibt jedoch grundsätzlich zu bedenken: "The danger is now that we settle for this comfortable rniddle ground. We will have heated debates about the cost of the new Parliament building and what the institution could do if it were only granted additional powers from Westminster. That has always been the siren call. In practice, from health to education to transport to the digital infrastructure there is no shortage of powers in Scotland - just a reluctance to use them in ways that rnight upset the status quo. The big opportunity, to hamess the passion and energy released by devolution to transform Scotland for the new century, is still there. But the formal institutions will need to be bolder in the corning years if they are to grasp it. If not, we may yet find the energy elsewhere.,,415

Dem Parlament stellen sich neue Herausforderungen: Zum einen ist innerhalb Schottlands ein Niedergang der Presselandschaft zu beobachten.416 In einem Land von der Größe Schottlands spielt die Presse eine wichtige Rolle; sie ist ein vitales Instrument, um politische Prozesse und Vorhaben zu kommunizieren. Der "Scotsman", der bisher eine der wenigen seriösen Zeitungen auf dem schottischen Zeitungsmarkt war, steht vor dem finanziellen Ruin. Dies würde bedeuten, dass dann der "HeraId", ein Blatt aus Glasgow, mehr oder weniger das Monopol auf dem regionalen Zeitungsmarkt innehätte. Darüber hinaus führt ein beständiger Kampf auf dem Markt der Boulevardblätter dazu, dass das Niveau der Berichterstattung insgesamt an Sachlichkeit verliert und auch der Ton der Auseinandersetzung nicht unbedingt zu einer differenzierten Diskussion wichtiger Sachfragen einlädt. 414 Vgl. hierzu auch: Leicester (2001). Leicester (2001), "Overall Comments/Next Steps". 416 Leicester (2001), "The Media". 415

12*

180 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Eine weitere Gefahr droht weniger der künftigen Arbeit des schottischen Parlamentes als vielmehr seiner Bindung an das Königreich - und dies ausgerechnet von Seiten der Engländer. In einem Interview für den "Spiegel" äußert sich der englisch Historiker Norman Davies auf die Frage, ob Großbritannien eines Tages zusammenbrechen werde, wie folgt: "Es wird auseinanderbrechen, aber es ist schwer vorherzusagen, wann. In Wahrheit leiden wir schon länger unter dem Verlust unseres Selbstbewusstseins und unseres Selbstverständnisse als Briten, wobei es erstaunlich ist, dass sich diese starke Identität seit Churchill in nur ein, zwei Generationen in Luft aufgelöst hat. Das Empire war der Zement des Britenturns, und als es zerbröselte, ging der Sinn für das Britenturn verloren. Gleichzeitig fühlen sich die Briten heute mehr als Schotten, Waliser, Iren oder Engländer. Ich habe schon einmal geschrieben, dass der letzte britische Premier Tony Blair heißen wird.,,417

Für ihn liegt die Zukunft der Briten, einerlei ob als Vereinigtes Königreich oder getrennt als Engländer, Schotten oder Waliser, in der EU. Gleichzeitig beobachtet er innerhalb Englands einen wachsenden Nationalismus, eine Rückbesinnung auf das "Mutterland": "Die Engländer haben ein immer ausgeprägteres Gefühl, englisch zu sein. Aber der Kollaps des Vereinigten Königreiches und das unvermeidliche Ende der Monarchie werden sie aufwecken. Das wird eine kalte Dusche sein, und sie werden endlich den Glauben an all die englischen Mythen verlieren. Aber soweit ist es noch nicht.,,418

Timothy Garton Ash stellt in einem Beitrag für die FAZ sogar die ernst gemeinte Frage, ob die Wahlen vom 7. Juni 2001 die letzten britischen Wahlen gewesen seien. 419 Nach Ansicht der britischen Konservativen saugten die fortschreitende Europäisierung und die Dezentralisierung "dem stolzen Herzen des Britenturns den Lebenssaft aus". Dies, so Ash, führe dazu, dass die Konservativen nunmehr dazu übergegangen seien, die englischen Ressentiments zu artikulieren und mehr oder weniger heimlich die Glut des englischen Nationalismus zu entfachen. Die Partei, die behaupte, sich der britischen Union verschrieben zu haben, habe viel dazu beigetragen, sie zu unterminieren. Er schließt seinen Beitrag mit den wahrhaft prophetischen Worten: "Wie die englischen Konservativen behaupten, stellt das "föderale Europa" die größte Gefahr für Britannien dar. In Wirklichkeit könnte es zu seiner Rettung beitragen. Das alte, zentralisierte Vereinigte Königreich ist tot. Es lebe das föderale Königreich! "

Sollte sich das Modell "Devolution" in Schottland innerhalb der nächsten Jahre als Erfolg erweisen, und gelingt es den Schotten, sich innerhalb der 417 Der Spiegel 1612001, "Thatcher hat dieses Land ruiniert", S. 138 f. 418 Der Spiegel, 1612001, S. 139. 419 FAZ vom 01.06.2001: "Noch schlägt das stolze Herz".

III. Wales

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Europäischen Union eine eigene Stimme zu verschaffen und sich damit auch von der wirtschaftlichen Entwicklung (bzw. dem wirtschaftlichen Niedergang) Englands zu großen Teilen abzukoppeln, wird dieser Nationalismus auch auf Seiten der Schotten noch ansteigen. Dann könnten Rufe innerhalb Englands lauter werden, die eine Konzentration auf den "englischen Patienten" fordern und damit das Auseinanderbrechen des Königreiches noch beschleunigen würden.

III. Wales 1. Geschichtlicher Hintergrund

Nach diesem relativ ausführlichen Blick auf die Situation in Schottland soll nun ein vergleichender Blick auf Wales geworfen werden. Die Kompetenzen der Regionalkammer in Cardiff sowie die Stellung innerhalb des Verfassungssystems des Vereinigten Königreiches sind schwächer ausgebildet als die Kompetenzen des Regionalparlamentes in Edinburgh, was auf die unterschiedliche Stellung und den unterschiedlichen Einfluss Schottlands und Wales im Laufe der Jahrhunderte britischer Verfassungsentwicklung und -geschichte zurückzuführen ist. Wales hatte nie ein Schottland vergleichbares nationales Selbstbewusstsein, und die frühe Abhängigkeit von England ließ vertiefte walisische Traditionen - oder gar Rufe nach mehr Eigenständigkeit oder gar Unabhängigkeit - gar nicht erst derart entschieden laut werden. Insofern ist es notwendig, auch hier zunächst einen kurzen Blick auf die Geschichte Wales zu werfen, die die walisische Identität als vertikale Kategorie regionaler Identitätsbildung integriert. 42o Die keltische Bevölkerung der ehemals römischen Provinz Britannien wurde seit dem 5. Jahrhundert durch einwandernde germanische Stämme nach Westen abgedrängt. Auf der walisischen Halbinsel überlebten die Briten, die sich selbst "Cymry" nennen. 421 Ihre keltische Sprache ist ein stark vom Lateinischen geprägter Zweig des Brythonischen. Das geographisch stark zerklüftete Land gliederte sich in eine Vielzahl von kleinen Stammesstaaten, die in der Folgezeit jede politische längerfristige Einigung des Landes verhinderten. Seit dem 10. Jahrhundert bildete sich unter englischem Einfluss eine Bischofskirche nach römischen Vorbild heraus. Die walisischen Regionen Gwynedd, Powys und Dyfed wurden im Ploetz (1998). Der Begriff "Wales" setzt sich erst im 12. Jahrhundert durch, da die Engländer die Bewohner "Waliser" genannt haben. Er leitet sich von dem Begriff (Dialekt) welsh = fremd ab; vgl. Webster's Third New International Dictionary (1961). 420 421

182 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

10. Jahrhundert vorübergehend durch Hywel Dda geeint, zerfielen jedoch sehr bald wieder. Anstelle systematischer Eroberung drangen sporadisch einzelne englische Adlige nach Wales vor, um sich seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert vor allem an der Ostgrenze und der Südküste festzusetzen. Sie betrachteten sich als Nachfolger der walisischen Kleinkönige, in deren Familien sie sehr oft eingeheiratet hatten. In ihrem Einflussbereich blieb die politische Zersplitterung also erhalten. Von den in den unbesetzten Gebieten regierenden Fürsten gelang es nur den Fürsten von Nordwales (den "Gwynedd"), ihre Machtposition zu sichern. Seit 1189 war es den "Gwynedd" gelungen, die Vorherrschaft im freien Wales zu erlangen. Diesen Fürsten ist es in der Folge ihrer Vorherrschaft zu verdanken, dass in lateinischer und walisischer Sprache Aufzeichnungen walisischer Rechtsbücher überliefert sind. 422 1282 eroberte Edward I. nach Auseinandersetzungen mit den walisischen Fürsten Wales und regierte es bis 1301 selbst, bis er seinen ältesten Sohn zum Fürsten von Wales ernannte. 423 Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keine politische Vereinigung mit England stattfand, wuchs der kulturelle und wirtschaftliche Einfluss Englands von 1282 an stetig. Walisische Abgeordnete wurden aber zunächst noch nicht zum englischen Unterhaus zugelassen. Anfang des 15. Jahrhunderts versuchte der heute noch als Nationalheld verehrte Owain Glyndwr, nach einem Aufstand in Wales ein eigenes Verwaltungssystem und ein eigenes Parlament einzurichten. Diese Pläne scheiterten jedoch am Widerstand einzelner einflussreicher Adliger. 424 Nachdem der englische Thron durch die Tudors, die ursprünglich aus Wales stammten, bestiegen worden war, kam es 1536 zu dem ersten sogenannten "Tudor Act", durch den Wales vollständig mit England verbunden und eingegliedert wurde. 425 Damit war die politische Vereinigung von Wales mit dem Königreich vollzogen. Der zweite "Tudor Act" von 1543 enthält im wesentlichen Ausführungsbestimmungen. 426 Sie sind heute, abgesehen von einigen zwischenzeitlichen Änderungen, nach wie vor formell in Kraft. 427 Hierdurch wurden 422 Vgl. mit Bildern und Quellenausschnitten: http://www.llgc.org.uk/drych/ drych_s006.htm. 423 Seit diesem Ereignis trägt der jeweilige britische Thronfolger den Titel "Prince of Wales". Dieser Bezeichnung wird heute jedoch keine tatsächliche Bedeutung mehr beigemessen. Die Bedeutung sei vielmehr in erster Linie zeremonieller Natur, ein Indiz, dass vor Jahrhunderten Wales einmal ein staatsrechtlich eigenständiges Gebilde gewesen sei, vgl. hierzu Hatschek (1905), S. 173. 424 Vgl. hierzu: Jenkins, in: Andrews (1970), S. 24. 425 27 Hen. 8, c. 26. 426 34 & 35 Hen. 8, c. 26. 427 Malanczuk (1984), S. 27.

III. Wales

183

"We1shmen to Englishmen, Welsh land to English land, and We1sh administration to English administration"

assimiliert. 428 Die walisischen Bürger wurden in ihren Rechten und Pflichten den englischen vollständig gleichgestellt. Darüber hinaus wurde Wales in zwölf Grafschaften eingeteilt, unter Einführung der gleichen Verwaltungsstruktur wie in England. Endlich erhielt Wales auch eine Repräsentation im Unterhaus. Bis auf einige Sonderregelungen zum Schutz der walisischen Sprache betrieb England in der Folgezeit eine vollständige Inkorporierung Wales in allen Lebensbereichen. Deutlich wird dies exemplarisch beispielsweise am "Wales und Berwick Act 1747", der vorschrieb, dass der Begriff "England" im öffentlichen Sprachgebrauch auch immer gleichbedeutend mit Wales sei. 429 Maitland interpretiert dies als Beweis, dass nunmehr die Inkorporation vollzogen gewesen sei. 43o Nach anderer Auffassung sei im englischen Verfassungsrecht eine Unterscheidung zwischen England und Wales sogar vollkommen unbekannt. 431 Zwischen 1543 und 1830 existierte in Wales so etwas wie eine eigene Gerichtsbarkeit. Die 1543 errichteten "Courts of Great Session" wendeten das englische Recht an, waren jedoch eigenständig. 1830 wurden sie wieder abgeschafft, und in Wales fortan ein einheitliches Gerichtssystem für England und Wales eingeführt. 432 In einigen wenigen Bereichen wurde auch nach der Eingliederung Wales in das englische Staats- und Verwaltungssystem versucht, Wales einen letzten Rest an Eigenständigkeit zu belassen. Dies manifestierte sich beispielsweise im "Sunday Closing (Wales) Act 1881". Mit Hilfe dieses Gesetzes wurden innerhalb Wales andere Regelungen bezüglich des Alkoholausschanks getroffen als in England. Dieses Gesetz wird in der Literatur als Anerkenntnis einer besonderen kulturellen Identität Wales gewertet. 433 Auch im Bereich des Erziehungswesens wurde Wales eine gewissen Eigenständigkeit eingeräumt. So wurden in Wales 1889 die "county councils" zu den ersten örtlichen Erziehungsbehörden im Königreich. 434 Das Anerkenntnis eines Sonderstatus von Wales im Erziehungsbereich wurde nochmals bestätigt durch die Einsetzung des "Welsh Department of the Board of 428 429 430 431 432 433 434

Jenkins, in: Andrews (1970), S. 29. 20 Geo. H, c. 42, sec. 3. Malanczuk (1984), S. 28. Gladstone, in: Bogdanor (1979), S. 121, zitiert nach: Malanczuk (1984), S. 28. Carter, in: Andrews (1970), S. 39. Malanczuk (1984), S. 29. Morgan (1970), S. 98 ff.

184 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Education" 1906. Hierbei handelte es sich um die erste Regierungsabteilung, die eigens zur Verwaltung von Wales gegründet worden ist. 435 Die Stellung der walisischen Kirche steht in ihrer Bedeutung für das Nationalbewusstsein weit hinter der schottischen Kirche zurück. Dennoch diente auch die walisische Kirche Anfang des 19. Jahrhunderts der nationalen Identitätsstiftung, insbesondere als es zu einem Konflikt mit der anglikanischen Staatskirche kam, die nur eine Minderheit der Bevölkerung repräsentierte. Ihre privilegierte Stellung wurde mit dem "Welsh Church Act 1914" beseitigt. Seitdem existieren die anglikanische Kirche und die walisische Kirche gleichberechtigt nebeneinander. 2. Die Bedeutung der walisischen Sprache Literatur, Poesie, Liedgut Während die gälische Sprache in Schottland heute im öffentlichen Leben weitgehend keine Rolle mehr spielt, bedeutet für Wales die walisische Sprache die einzig verbliebene Möglichkeit, walisische Kultur und Geschichte im Bewusstsein der Bevölkerung wach zu halten. Versuche Englands im 19. Jahrhundert, die englische Sprache per Gesetz zur alleinigen Schulsprache zu machen, scheiterten, und mit dem "Welsh Language Act 1967" wurde der Gebrauch der walisischen Sprache vor Gericht und im Verkehr mit Behörden ganz offiziell gestattet. 1975 musste auch die Post der Forderung nach Zweisprachigkeit nachgeben ebenso wie die Regierung, die 1975 auf Druck der walisischen Nationalisten zweisprachige VerkehrsWegweiser gestattete. Anfang der 80er Jahre ging die Regierung auch auf eine Forderung der walisischen Nationalisten nach einem eigenen Femsehkanal in walisischer Sprache ein. 436 Das Hauptproblern der walisischen Sprache besteht heute also weniger in ihrer Diskriminierung - diese ist aufgehoben, und eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen schützen ihren öffentlichen Gebrauch ausdrücklich. Es liegt vielmehr daran, dass die Sprache aktiv nur noch von einer ganz kleinen Minderheit der Bevölkerung verwendet wird. Der Rückgang derjenigen, die Walisisch beherrschen, wird auf wirtschaftliche und soziale Entwicklungen während des 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgeführt. Während der Industrialisierung wurde Englisch zur dominierenden Sprache, und viele Menschen sahen keine Notwendigkeit mehr, sich mühsam in die Geheimnisse der walisischen Sprache einzuarbeiten. 1901 sprach noch etwa gut die Hälfte der Bevölkerung walisisch, 1950 nur noch 28,9%, und 1971 sogar nur noch 20,84%.437 Nach neuesten Umfragen dürfte sich dieser Trend fortgesetzt ha435 436

Vgl. hierzu Malanczuk (1984), S. 29. Stephens. S. 180 f.

III. Wales

185

ben. Diese Entwicklung zeigt, dass kulturelle Spezifika letztlich auch dann einem Wandel unterliegen, wenn kein besonderer politischer Druck von außen ausgeübt wird, Veränderungen vorzunehmen, sondern gesellschaftliche Entwicklungen vielmehr "schleichend" einen Wandel verursachen. Die gesetzlich abgesicherte Stellung der walisischen Sprache im öffentlichen Leben Wales zeigt, dass das Vereinigte Königreich durchaus aus Fehlern der Vergangenheit - Art. 17 des "Tudor Act 1536" verbot die Verwendung der walisischen Sprache vor Gericht und bei Eidesleistungen und wurde durch den "Welsh Court Act 1942" abgeschafft - gelernt hat und der "kulturimperialistische" Impetus der Engländer in Wales heute verschwunden ist. Heute liegt die Verantwortung für die Pflege und Erhaltung der walisischen Sprache allein bei der walisischen Regionalkammer. Ihre Aufgabe wird es in den nächsten Jahren sein, in der Bevölkerung das Bewusstsein für die eigenen sprachlichen Wurzeln wach zu halten und dem Absinken der walisischen Sprache - ähnlich der Entwicklung in Schottland - in die völlige Bedeutungslosigkeit entgegenzuwirken. Die walisische Literatur und Dichtung kann für sich in Anspruch nehmen, die älteste überlieferte Literatur und Dichtung einer regionalen Landessprache in Europa zu besitzen. Einzelne Quellen sind bis zum 6. Jahrhundert nachweisbar. 438 Die ersten nachweisbaren Überlieferungen der Artus-Sage sind in walisisch abgefasst und verbreiteten sich in der Folgezeit sehr schnell in ganz Europa. 439 Ein Großteil der Werke ist jenseits der Grenzen von Wales unbekannt geblieben, weil die Sprache die Rezeption auf diese kleine Region begrenzt. Die Eigenheiten der walisischen Sprache, die sich - mit Ausnahme des Bretonischen mit den gleichen sprachgeschichtlichen Wurzeln - von allen anderen europäischen Sprachen erheblich unterscheidet, hat eine weitere Verbreitung des umfangreichen Werkes walisischer Dichter und Literaten verhindert.

Im 20. Jahrhundert gelang es schließlich einigen walisischen Dichtern und Schriftstellern, auch außerhalb von Wales einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erreichen, indem sie neben dem Walisischen das Englische als Prosa- und Poesiesprache verwendeten. 44o Zu nennen ist in diesem Zusammenhang Sir Dwen Morgan Edwards (1858-1920), der in vielen Büchern, Stephens, S. 145 f. und S. 160. So etwa Werke der walisischen Dichter Taliesin und Aneirin, vgl. www. britannia.com ("Welsh Literature" - Introduction). 439 www.britannia.com ("Welsh Literature" - § 3 Early Welsh Poetry). 440 Vgl. hierzu ausführlich: www.britannia.com (Stichwort: "Welsh Literature"); zu nennen sind hier etwa aus den Anfangsjahren des Jahrhunderts einige bedeutende walisische Geschichtswerke sowie ein Werk zur walisischen Grammatik: Rhys, John/Jones, Brynmor, The Welsh People, 1900; Edwards, üwen, Wales, 1901; Lloyd, J. E., A History of Wales form the Earliest Times to the Edwardian Con437

438

186 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Essays und als Herausgeber verschiedener Zeitschriften immer wieder versuchte, unter seinen Landsleuten das Bewusstsein für die walisischen Spezifika zu fördern. 441 Neben Edwards gilt auch Robert Ambrose Jones (18481906) als einer der "Väter" des walisischen Nationalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 442 Er versuchte seinen Landsleuten ein Bewusstsein dafür zu geben, dass die Sprache ein wesentliches Merkmal der Kultur und Staatlichkeit eines Volkes ist. Politisch relevant wurde John Saunders Lewis (1893-1985), der es bei bloßem literarischem Schaffen nicht beließ, sondern 1925 mit zu den Begründern von "Plaid Cymru" gehörte, deren Vorsitzender er von 1926 bis 1939 war. Neben bedeutenden literarischen Werken wandte er sich während des 2. Weltkrieges öffentlich gegen die Einziehung walisischer Wehrpflichtiger, um für den Erhalt des englischen Empire zu kämpfen. 443 Eine Radioansprache Lewis vom 13. Februar 1962 ("Fate of the Language") wird als Wendepunkt in der Einstellung der walisischen Bevölkerung zu ihrer eigenen Sprache gesehen. Er verlangte von seinen Landsleuten, "to make it impossible to conduct local or central government business without the We1sh language. ,,444

Der daraufhin abgehaltene Sitzstreik der neu gegründeten "Welsh Language Society" ("Cymdeithas Yr laith Gymraeg") auf einer vielbefahrenen Brücke in Aberystwyth leitete den Prozess der legalen und moralischen Anerkennung der walisischen Sprache im öffentlichen Leben ein. Viele andere bedürften der Erwähnung; festzuhalten bleibt, dass gerade im 20. Jahrhundert die Dichter und Literaten einen wesentlichen, wenn nicht den wesentlichen Anteil an der Bewahrung der walisischen Sprache sowie an der Bewahrung der historischen wie kulturellen Wurzeln des walisischen Volkes hatten. 445 Ohne ihren Einfluss wären wahrscheinlich die noch darzustellenden politischen Entwicklungen mit der Schaffung des "Welsh Office", dem ersten Referendum über mehr Unabhängigkeit von 1978 oder schließlich die Schaffung der walisischen Regionalkammer entweder mit größerer Verzögerung oder vollständig anders verlaufen. quest, 1911; Morris-Jones, John, A Welsh Grammar, Historical and Comparative, 1913. 441 So etwa als Herausgeber der Zeitschrift "Cymru Fydd", das Journal der walisischen Nationalbewegung oder die vier Geschichtsbücher "Gwerin", die den Menschen ein neues Bewusstsein für ihre eigene Geschichte und ihre eigenen kulturellen Wurzeln lieferten, vgl. www.britannia.com ("Welsh Literature" - § 16 20th Century). 442 www.britannia.com ("Welsh Literature" - § 16 20th Century). 443 www.britannia.com ("Welsh Literature" - § 16 20th Century). 444 Wie vor. 445 Vgl. für einige Beispiele auch: Schaffer (1997), S. 71 ff.

III. Wales

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3. Ursprünge und Wurzeln walisischen Regionalismus (Devolution) Rufe nach mehr walisischer Eigenständigkeit wurden seit der Vereinigung mit England im 16. Jahrhundert erstmals wieder im Rahmen der allgemeinen Parlamentswahlen im Jahr 1886 laut. Wie in Schottland beeinflusst durch die nordirische "home-rule-Bewegung,,446, versuchten maßgebliche walisische Politiker, auch für Wales eine verstärkte Dezentralisierung oder sogar Regionalisierung durchzusetzen. Die Bewegung "Cymru Fydd", was soviel wie "Neues Wales" bedeutet, wurde 1887 zu dem Zweck gegründet, eine auf föderalen Strukturen gegründete Teilselbständigkeit Wales durchzusetzen. Politische Mehrheiten fanden sich für dieses Vorhaben vorläufig jedoch nicht. Nichtsdestotrotz wurde durch den "Local Government Act 1888" und den "Welsh Disestablishment Act 1914" zum einen der politische Einfluss der zumeist englischen Großgrundbesitzer wie auch der Einfluss der anglikanischen Kirche empfindlich beschnitten. Im Jahr 1919/20 fand eine sogenannte "Speakers Conference" statt, deren Vorschläge aufgrund der divergierenden Meinungsbildung jedoch nicht umgesetzt wurden. 447 Die Vorschläge reichten dabei von bloßer Dezentralisierung gewisser Exekutivfunktionen bis hin zu partieller Selbständigkeit. Durch die auch Großbritannien erfassende Weltwirtschaftskrise Anfang der zwanziger Jahre erlahmte das Interesse der Labour-Party an den Regionalismus-Fragen bis nach dem 2. Weltkrieg. Wie soeben schon erwähnt, wurde 1925 "Plaid Cymru" 448, die nationalistische Partei Wales gegründet. Sie bildet heute das walisische Pendant zur schottischen SNP. In den Anfangsjahren ging es "Plaid Cymru" jedoch primär um die Pflege der walisischen Sprache und Kultur denn um politische Selbständigkeit. Rufe nach größerer Selbständigkeit wurden auch von walisischer Seite erst wieder nach dem zweiten Weltkrieg laut. Die in den fünfziger Jahren gegründete Bewegung "Parliament for Wales", getragen von Angehörigen aus allen politischen Lagern, sammelte insgesamt 250.000 Unterschriften zugunsten eines walisischen Parlamentes mit legislativen und fiskalischen Kompetenzen. Obwohl diese Vorschläge nicht umgesetzt wurden, trug die große Anzahl der Unterstützer doch dazu bei, den Druck auf die Regierung in London zu erhöhen, sich endlich ernsthaft mit den Vorschlägen auseinanderzusetzen. Damit trug diese Bewegung dazu bei, dass 1964 das "Welsh Office" unter dem Vorsitz des "Secretary of State for Wales" gegründet wurde. In den Jahren 1966/68 wurden diese Fragen nach walisischer Selbständigkeit erneut virulent, als bei Nachwahlen zum Zum "horne-role" in Nordirland vgl. Kapitel B V I. Vgl. Research Paper 97/60, S. 5. 448 Vgl. die Homepage von Plaid Cymru: http://www.plaidcymru2001.com bzw. http://www .plaidcymru.org. 446 447

188 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Unterhaus in drei Wahlkreisen die Kandidaten von "Plaid Cymru" die Mehrheit erhielten. 4. Die Entwicklung hin zum "Wales Act 1978" 1968 wurde unter Premierminister Wilson die "Royal Commission on the Constitution" eingesetzt, die 1973 unter dem Vorsitzenden Lord Kilbrandon ihren Abschlußbericht vorlegte. Die Mitglieder dieser Kommission vertraten bezüglich des Ausmaßes der "Devolution", wie schon oben dargestellt449 , extrem unterschiedliche Positionen. Sie kamen einzig darin überein, dass weder Separatismus noch Föderalismus eine Lösung dieser Frage bieten könnte. Von den 13 Mitgliedern, die den Abschlußbericht unterzeichnet haben, stimmten sechs für legislative "Devolution", drei forderten einen direkt gewählten beratenden "Welsh Advisory Council", zwei schlugen die Übertragung exekutiver Funktionen vor, und weitere zwei forderten, dass bei der Übertragung exekutiver Funktionen in Wales und Schottland auch England in fünf Regionen geteilt und mit entsprechenden Funktionen ausgestattet werden müsse. 450 Die Labour-Minderheitsregierung publizierte im Jahr 1974 ein "Green Paper,,451 und ein "White Paper,,452. Darin schlug Labour vor, sowohl in Schottland als auch in Wales direkt gewählte Kammern zu schaffen, wobei die schottische Kammer legislative Kompetenzen erhalten, die walisische Kammer jedoch auf die Ausübung von Exekutivgewalt beschränkt sein solle. Da die Debatte über diese Fragen nun nicht mehr abriss, und die Forderungen nach politischen Taten nicht mehr zu ersticken waren, brachte Labour im November 1977 das "Wales Bill" auf den parlamentarischen Weg, das nach langen, kontroversen Diskussionen schließlich am 31. Juli 1978 durch königliche Zustimmung zum "Wales Act 1978" wurde. 453 Die im "Wales Act 1978" vorgesehenen Veränderungen wurden jedoch nie realisiert; der "Wales Act 1978" wurde infolge des fehlgeschlagenen Referendums vom 1. März 1979 am 26. Juni 1979 durch das Unterhaus wieder aufgehoben. Für einen Erfolg des Referendums hätte es einer Zustimmung von 40% der Wähler bedurft. Bei einer Wahlbeteiligung von 58,8% stimmten jedoch nur insgesamt 20,3 % für die Vorschläge der Regierung. Vgl. oben Kapitel BIll e. Wie vor. 451 Labour Party (1974). 452 Democracy and Devolution: proposals for Scotland and Wales, Cmnd 5732, September 1974. 453 Vgl. zu den Stationen der parlamentarischen Debatte mit FundsteIlen die genaue Aufstellung in Research Paper 97/60, S. 6 ff. 449

450

III. Wales

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a) Der" Wales Act 1978" Der "Wales Act 1978" sah vor, der Kammer die Befugnisse der "executive devolution" zu übertragen. 454 Die Kompetenz zur Verabschiedung von primären Gesetzen war nicht vorgesehen. Die Bereiche, für die die Kammer zuständig sein sollte, waren im Gesetz genau genannt (u. a. local government, Erziehung und Ausbildung, Gesundheitswesen, Umwelt, Strukturentwicklung, Straßenverkehr, Wasserwesen und Tourismus). Neben der Kammer sollten Ausschüsse für jedes Hauptzuständigkeitsgebiet errichtet werden, die für die Umsetzung und Ausführung der Beschlüsse der Kammer verantwortlich sein sollten. Der "Secretary of State" bzw. andere Minister sollten keine Gesetzgebungszuständigkeit in den übertragenen Sachgebieten haben; ausgenommen hiervon war die Kompetenz, durch Sekundärgesetzgebung internationale Verpflichtungen des Königreiches zu erfüllen. Die Finanzierung der Kammer sowie ihrer Aufgaben sollte durch die Zuweisung der Mittel vom Finanzministerium erfolgen ("block grant"). Die Kammer sollte jedoch auch in den Gebieten, die ihre zur Ausführung übertragen werden sollten, keine Allzuständigkeit besitzen. Die Möglichkeiten der Intervention durch Westminster und Whitehall sollten beträchtlich sein. Viele Kompetenzen wurden durch spezifische Vorschriften eingeschränkt, die den Ministern in Whitehall Interventionsmöglichkeiten gaben, wenn sie der Meinung waren, dass das entsprechende Vorhaben entweder nicht "dem öffentlichen Interesse entsprach" oder gegen internationale oder sonstige Verpflichtungen des Königreiches zu verstoßen drohte. In den Bereichen Regionalentwicklung und Wasserwirtschaft sollten der Regierung sogar noch weitergehende Interventionsmöglichkeiten vorbehalten bleiben. Auch die Zuständigkeit für den "National Health Service" war mehr theoretisch gestaltet, da die Regierung in London nach wie vor die Kompetenz behielt, bestimmte Ziele vorzugeben. Die Regierung erhielt darüber hinaus die Möglichkeit, Richtlinien in Bezug auf die Zuständigkeit für bestimmte öffentliche Körperschaften der Regionalentwicklung (u. a. die "Welsh Development Agency"455) zu erlassen, an die sich die Kammer zu halten habe. 456 Primäre Legislativkompetenzen und/oder ein begrenztes Steuererhebungsrecht waren nicht vorgesehen.

454 Vgl. zu den Begriffen "executive devolution" und "legislative devolution" auch oben Kapitel BIll e. 455 V gl. hierzu genauer unten Kapitel B III 6 g ee. 456 Vgl. zur Kritik an diesen Plänen: The Constitution Unit (1978); auch: Research Paper 97/60, S. 10 ff.

190 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

b) Gründe für das Scheitern des Referendums

Ein wesentlicher Grund für das Scheitern des Referendums bestand neben der Höhe des zu erfüllenden Quorums von 40% darin, dass sich selbst innerhalb der Labour-Party keine einheitliche Interpretationslinie herausbildete, wie mit den Vorschlägen im "Wales Act 1978" umzugehen sei. Die gesamte Diskussion der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts über vertiefte "Devolution" in (jedoch nicht nur) Wales war nach Ansicht vieler letztlich ein Ausfluss einer internen Labour-Debatte. Obwohl die walisische Labour-Party ab Mitte der sechziger Jahre immer wieder Forderungen nach vertiefter "Devolution" vorbrachte, gab es insbesondere von Parlamentsabgeordneten aus dem industrialisierten Süden von Wales abweichende Stimmen. Diese innerparteiliche Opposition führte schließlich dazu, anstelle der direkten Umsetzung der neugeschaffenen regionalen Kompetenzen eine Volksabstimmung vorzuschalten. Die Strategie der Devolution-Gegner ging damit auf; das Quorum von 40% der Wahlberechtigten war utopisch, und eine Zustimmung wurde während der Referendums-Kampagne um so unwahrscheinlicher, je zerstrittener Labour die immerhin die einzigen maßgeblichen Befürworter des Gesetzes waren - in den Augen der Öffentlichkeit auftrat. Auch die Unterstützung des Referendums durch Plaid Cymru war eher bescheiden, da deren Anhängerschaft sich bei den vorangegangenen Parlamentswahlen 1974 lediglich auf knapp 11 % der Wähler summiert hatte. 457 Bogdanor gibt für diesen relativ geringen Einfluss von Plaid Cymru folgende interessante Erklärung: das Hauptsymbol walisischer Unabhängigkeit, die Sprache, wirkt in der Regel desintegrierend, wohingegen die Symbole der schottischen Unabhängigkeit, das eigenständige Justizsystem, die Church of Scotland und das eigenständige Erziehungs- und Bildungssystem tendenziell eher integrierende Wirkung haben. 458 Der "Constitution Unit Report: An Assembly for Wales" aus dem Jahre 1996 bringt die Gründe für das Scheitern des Referendums folgendermaßen auf den Punkt (Ziff. 38 und 39): "The events surrounding the devolution debate in the 1970s might seern to have little relevance to the circurnstances of the 1990s. The Labour Govemrnent 19741979 was particularly weak and susceptible to events. lts slirn and disappearing rnajority rendered it vulnerable to its own backbenchers and, eventually, enabled it to govem only thanks to the Lib/Lab pact. lt was against this backdrop that the Govemrnent's devolution policy was developed by a Cabinet which was deeply divided on the issue, and not fully in control of Parliarnent or its own backbenchers. The Govemrnent could not afford to alienate the nationalists or the Libe457 458

Vgl. hierzu Research Paper 97/60 S. 8. Bogdanor (1997), S. 102.

III. Wales

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rals, and rushed out first a Green Paper and then a White Paper on devolution before the October 1974 election. (... ) Despite the unusual political background, there are a number of lessons which can be learnt from the devolution debate of the 1970s: • the dominance of Scotland; • the intra-party divisions; • the unreality of the parliamentary debates; • the poor quality of the public debate; • the confused issues in the referendum campaign. ,,459

c) Das" Welsh Office" und der "Secretary of State for Wales"

Das "Welsh Office" wurde im Jahre 1964 gegründet. Damit erhielt Wales zum ersten Mal in der Geschichte die Möglichkeit, seine Interessen auf Ministerebene direkt vorzubringen und Einfluss auf die Gestaltung der Politik des Gesamtstaates zu nehmen. Ursprünglich nur zuständig für die Bereiche Regional- und Wirtschaftsplanung, Wohnungspolitik und Straßenbau und -unterhaltung, übernahm das "Welsh Office" über die Jahre hinweg immer mehr Funktionen von anderen Ministerien, die in direktem Bezug zu Wales standen. 46o Der zuletzt recht umfangreiche Aufgabenkatalog des "Welsh Office" führte dazu, dass sich die Zahl der Mitarbeiter und Angestellten des "Welsh Office" im Jahr 1997 auf 2.500 belief. 5. Die Entwicklungen der Jahre 1978/79 bis zu den allgemeinen Parlamentswahlen 1997 Trotz des Scheiterns des Referendums wurden die Pläne für mehr regionale Selbständigkeit nicht dauerhaft zu den Akten gelegt. 1983 wurde Neil Kinnock, bis dahin als Gegner einer verstärkten Regionalisierung bekannt, zum Vorsitzenden der Labour Party gewählt. Auch er konnte sich den Rufen nach Regionalisierung nicht dauerhaft widersetzen, als nach einigen Jahren Regierungszeit der Thatcher-Administration klar wurde, dass diese Regierung eindeutig England-zentriert vorging. Dies veranlasste einen walisischen Abgeordneten des Unterhauses zu folgender sarkastischer Bemerkung: "Wales has its nationalist party and so does Scotland. We can now see clearly that England does as well".461 459 Constitution Unit (1996). 460 Eine gute Übersicht über die Kompetenzverteilungen zwischen Whitehall, dem Welsh Office und dem Local Govemment gibt: The Constitution Unit (1996).

192 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Ein weiterer Grund für die wieder aufgelebten Forderungen nach größerer regionaler Unabhängigkeit liegt darin, dass die industriellen Umstrukturierungen infolge der Regierungspolitik von Margret Thatcher besonders in Wales zu Arbeitslosigkeit und Verödung ganzer Landstriche geführt hatten. 462 In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wuchs zudem die Bedeutung der europäischen Regionalpolitik beträchtlich. Das Schlagwort vom "Europa der Regionen" wurde in die Diskussion eingebracht, und seit 1988 wurden die Regionen als Partner im Prozess der Verwaltung und Verteilung der Mittel der verschiedenen Regionalfonds akzeptiert. Insbesondere "Plaid Cymru" nahm dies zum Anlass, mit dem Slogan "Wales in Europe" zum einen auf die gewachsene Bedeutung der "Region Wales" hinzuweisen, zum anderen aber auch in einem derartig verfassten Europa eine Alternative zu einer vertieften sub-nationalen Gliederung zu sehen, für die es Mitte bis Ende der 80er Jahre von Seiten der Regierung jedenfalls keinerlei Unterstützung gab. 463 Eine weitere wichtige Rolle in den Diskussionen dieser Jahre spielten Überlegungen, dass die große Zahl von "quangos", oder auch NDPBs non direct elected public bodies - mittlerweile zu einem demokratischen Defizit geführt habe, das nur noch durch eine Unterstellung dieser Körperschaften unter eine Regionalregierung bzw. Regionalkammer behoben werden konnte. 464 In keinem anderen Teil des Vereinigten Königreiches wurde derart viel Geld durch nicht gewählte Körperschaften verwaltet wie in Wales, nämlich ein Drittel des gesamten Budgets des "Welsh Office".465 Im Zusammenhang mit der Diskussion einer grundlegenden Reform des "local government" forderte die "Wales Labour Party" 1989 dann erneut mit allem Nachdruck eine gewählte Selbstverwaltungskörperschaft für Wales. 466 Dieser Forderung schlossen sich auch die Liberaldemokraten und "Plaid Cymru" an. 1990 verabschiedete Labour ein Dokument, in dem ein Regionalparlarnent nicht nur für Wales, sondern auch für England gefordert wurde, um künftig solche Aufgaben wahrzunehmen, die bisher in Whitehall und Westminster verankert waren. 467 Nachdem Labour in ihrem Wahlprogramm von 1992 diese Forderungen dahingehend konkretisiert hatte, dass die Kammer aus 76 Mitgliedern be461

462 463

464 465 466 467

Zitiert nach: Western Mail, 8. Juni 1992. Alys (1996), S. 97 f. Vgl. hierzu: Research Paper 97/60, S. 19. Vgl. hierzu: Morgan/Roberts (1993), S. 23. iones, in: Osmond (1994), S. 42. Welsh Labour Party (1989). Vgl. hierzu: Labour Party (1990).

III. Wales

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stehen und im Wesentlichen exekutive, jedoch nicht legislative Funktionen wahrnehmen solle, und nachdem im Jahr 1993 die Welsh Labour Party einen Zwischenreport verabschiedet hatte, in dem diese Forderungen weiter verfeinert worden waren468 , verabschiedete die Welsh Labour Party im Mai 1995 einen endgültigen Forderungskatalog,469 der im Mai 1996 nochmals ergänzt wurde. 47o Labour schlug hierin im Wesentlichen folgendes vor: • ein Jahr nach der Regierungsübernahme sollte ein Gesetz verabschiedet sein, dass die Einrichtung der Kammer ermögliche; • die Kammer wird die volle Verantwortung für das Budget und die bisherigen Kompetenzen des bisherigen Welsh Office erhalten; • diejenigen "quangos", die bisher dem Welsh Office unterstanden, werden künftig direkt der Kammer unterstellt; zudem erhält die Kammer die Kompetenz, strukturelle Reformen im System der "quangos" vorzunehmen; • die Kammer soll keine Kompetenz zur Verabschiedung von primären Gesetzen haben, soll jedoch eine umfassende Zuständigkeit zur Verabschiedung von Ausführungsgesetzen bekommen; • der "Secretary of State for Wales" soll nicht abgeschafft werden; vielmehr soll er seinen Kabinettssitz behalten und künftig vermittelnd und koordinierend die Politiken der Zentrale und der Regionalkammer begleiten; • auf der Ebene der Europäischen Union soll der "Secretary of State" künftig auch im Ministerrat Teilnahme- und Stimmrecht dann haben, wenn Tagesordnungspunkte mit Bezug zu Wales behandelt würden; • die Notwendigkeit eines Referendums wurde nicht gesehen, da das Mandat des Unterhauses für die Gesetzesänderung ausreiche; • am bisherigen Wahlsystem soll festgehalten werden. Bei diesen Vorschlägen fällt auf, dass Labour letztlich in vielen Punkten auf die Regelungen im "Wales Act 1978" zurückgegriffen hat. Zwei wesentliche Änderungen wurden noch vor den Wahlen 1997 beschlossen: zum einen sollte die Kammer in einer Mischung Verhältnis- und Mehrheitswahl gewählt werden, zum anderen setzte sich die Absicht durch, trotz großer Bedenken aufgrund der Erfahrungen aus dem Jahr 1979 nunmehr doch ein weiteres Referendum abzuhalten. 471 468

469 470 \3 Mey

Welsh Labour Party (1993). Welsh Labour Party (1995). Welsh Labour Party (1996).

194 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Noch einen Monat vor der Wahl im Mai 1997 veröffentlichte "New Labour" nochmals ein Manifest, das allein Wales gewidmet war. Darin äußerte sich Labour äußerst kritisch zum Verhalten der Regierungspartei und brachte seine Vorstellungen wie folgt auf den Punkt: "The Conservatives seem opposed to the very idea of democracy. They support hereditary peers, unaccountable quangos and secretive government. They have debased democracy through their MPs who have taken cash for asking questions in the House of Commons. They are opposed to the development of decentralised government. [... ] Labour will bring a fresh start for Wales. We will, with the consent of the people of Wales, legislate for a Welsh assembly. Wales has its own distinct national culture, its own institutions and the Welsh Office administers a budget of i 7 billion covering key areas of Welsh life. We will act to decentralise power throughout Britain. Subsidiarity is as sound a principle in Britain and Wales as it is in Europe. Our proposal is for devolution, not federation. By devolving power, Parliament will be deciding that some parts of the UK should be governed in a distinct manner. A sovereign Westrninster Parliament will devolve power to Wales and Scotland. The Union will be strengthened and the threat of separatism removed. ,,472

Das Wahl programm der Liberaldemokraten stimmte im Wesentlichen mit den Vorschlägen von Labour überein, ging jedoch insofern darüber hinaus, als es auch für Wales eine Kammer mit originären legislativen Kompetenzen forderte sowie der Möglichkeit, die Einkommenssteuer um +/- 3 % zu verändern. 473 Am weitesten ging "Plaid Cymru,,474: Ihre Forderungen fußten auf einem Zwei-Punkte-Programm. Zunächst sollte ein echtes Parlament mit allen Gesetzgebungskompetenzen geschaffen werden, danach sollte Wales, abgesichert durch ein Referendum, binnen einer Übergangszeit von fünf Jahren Vollmitglied der Europäischen Union werden. In diesem Sinne war es die Absicht von "Plaid Cymru", die kleinere Union (nämlich das Vereinigte Königreich) durch die größere Union (nämlich die EU) zu ersetzen. Das Manifest der regierenden Konservativen widersetzte sich allen Plänen zur Errichtung einer Regionalkammer. 475 Erneut schürten die Konservativen die Ängste vor einem Auseinanderfallen des Königreiches und 471 Western Mail vom 6.6.1996, "No re-run of '79 poIl, says Labour" bzw. Ron Davis, Pressenotiz vom 27.6.1996: Labour to hold a referendum on Welsh Assembly". 472 New Labour: Because Wales deserves better, April 1997. 473 Liberal Democrat Manifesto: Make the Difference, April 1997. 474 Plaid Cymru Manifesto: Plaid Cymru's programme for the new millenium, April 1997; zum Hintergrund und zur Entwicklung der politischen Strategie in den 80iger und 90iger Jahren auch: Lynch (1995). 475 Conservative Party Manifesto: Opportunity and Prosperity for Wales, April 1997.

III. Wales

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warnten vor der Errichtung eines weiteren Regierungsebene, die lediglich Geld koste, jedoch keinerlei Nutzen habe. Dies habe dann wiederum negative Auswirkungen auf Investitionen und Arbeitsplätze. Das einzige Zugeständnis, dass von Seiten der regierenden Konservativen im Vorfeld der Wahlen 1997 gemacht wurde, war, dass William Hague, der damalige "Secretary of State for Wales", einige Veränderungen in der Geschäftsordnung des "Welsh Grand Committee" vorschlug. Diese Veränderungen, die im März 1996 auch verabschiedet wurden476 , sehen für die Mitglieder die Möglichkeit vor, kurze Debatten zu Wales betreffenden Themen im Unterhaus zu initiieren sowie die Möglichkeit der Teilnahme aller Minister der Regierung an den Sitzungen des Grand Committee. Die Voraussetzungen für die Parlamentswahlen waren damit klar. Sollte Labour den Regierungswechsel in London schaffen, würden künftig substantielle Veränderungen im Staatsaufbau des Königreiches vorgenommen werden, sollten die Torries die Regierungsmacht nochmals verteidigen können, würde bis auf kleinere, mehr oder weniger unwesentliche Änderungen in der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Institutionen der Zentralregierung letztlich alles beim alten bleiben.

6. Die Entwicklungen von den allgemeinen Parlamentswahlen 1997 bis zur konstituierenden Sitzung der Kammer am 1. Juli 1999 Wales parallel zu Schottland zu betrachten macht insbesondere im Hinblick auf die prospektive Wechselwirkung von Region - Zentralstaat - Europa Sinn. Ähnliche Ansinnen, Voraussetzungen und Konzepte führen unterschiedlich schnelle und unterschiedlich fundamentalen Entwicklungen.

a) White Paper: "A Voice tor Wales" Zur Vorbereitung auf das Referendum im Herbst 1997 legte die britische Regierung auch für Wales ein Weißbuch vor, in dem sie ihre Pläne für eine walisische Versammlung mit Sitz in Cardiff vorstellte. 477 Die Vorschläge blieben hinter denen für Schottland zurück; dies liegt hauptsächlich daran, dass Wales von seiner rechtlichen und politischen Stellung innerhalb des Königreiches niemals eine solch starke Bedeutung wie Schottland entwickeln konnte und auch der Wunsch, mehr Eigenständigkeit zu erhalten, nicht derart offensiv vorgebracht wurde wie in Schottland etwa von der SNP. Wales wurde seit der Union im 16. Jahrhundert als Teil Eng476 477

13*

HC Deb vol 273, c. 703-756. A Voice for Wales, 22. Juli 1997, Cm 3718.

196 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

lands angesehen und die Verschmelzung mit England war von Beginn an wesentlich ausgeprägter als bei Schottland. Anders als in Schottland hat es in Wales nie ein eigenständiges Parlament gegeben, das durch Vertrag oder Annexion mit dem englischen verschmolzen wäre. Schon immer hat die Zentrale in London die Verwaltung der walisischen Angelegenheiten übernommen. Erst im 20. Jahrhundert hielt auch in Wales so etwas wie "administrative devolution", d.h. die Verlagerung einzelner Abteilungen von Ministerien oder sonstigen staatlichen Behörden nach Wales, Einzug. 1907 wurde das "Welsh Department of the Board of Education" errichtet, und in den sechziger Jahren wurde das "Welsh Office" errichtet, verantwortlich für Kommunales, Wohnungsbau und Wohnungswirtschaft sowie den Straßenbau. In der Folgezeit wurden mehr und mehr Aufgaben an das Welsh Office übertragen, so dass der "Secretary of State for Wales" für viele Bereiche der öffentlichen Versorgungswirtschaft die Verantwortung trug. Das Budget des "Secretary of State for Wales" betrug 1997 f: 7 Milliarden. Die Exekutivfunktionen oblagen lokalen Verwaltungskörperschaften und "quangos", von denen nur erstere direkt dem Volk verantwortlich sind. Daher schlug die Regierung im "White Paper" die Errichtung einer direkt gewählten Kammer vor, der die Verantwortungsbereiche des "Secretary of State for Wales" weitgehend übertragen wurden. Die Kammer setzt seitdem die Regeln für die ihr unterstehenden öffentlichen Körperschaften und kontrolliert und steuert die "quangos". Zudem beschließt sie detaillierte Ausführungs gesetze in Bereichen, die ihr durch Parlamentsgesetze übertragen wurden. Bedeutend ist ihre Funktion als "Stimme Wales", da sie in allen Bereichen, die Wales sowohl im Rahmen des Vereinigten Königreiches als auch im Rahmen der Europäischen Union betreffen, ein Anhörungsrecht hat und ihr auch ein Vorschlagsrecht eingeräumt wurde. Im Wesentlichen wurden die Vorschläge des "White Paper" in den "Government of Wales Act 1998" eingearbeitet, so dass eine weitergehende Auseinandersetzung an dieser Stelle nicht erfolgt.

b) Reaktionen auf und Kritik am " White Paper" Der neue "Secretary of State for Wales", Ron Davies, äußerte sich in der Diskussion im Parlament bei der Vorstellung des "White Paper" wie folgt: "Wales will continue to share the same framework of laws as England, including the primary legislation made for it by Parliament, and it will remain firmly part of the United Kingdom. But the new Assembly will assume many of the functions and powers that I currently exercise. It will have at its disposal the staff and budget of the Welsh Office, now some f 7 billion; it will deterrnine policies and set standards for major public services; it will bring forward secondary 1egislation

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197

where necessary to implement those policies, and it will assurne responsibility for unelected bodies in Wales, and have powers to refonn them and bring them to account. That means that, in future, decisions on schools, health care and other key services will be taken by people directly elected by, and accountable to, Welsh voters, and therefore responsive to their views. [... ] Above all else, the Assembly will provide a clear and distinctive voice for Wales.,,478 Bereits aus diesen wenigen Sätzen werden die mit der Einrichtung der Kammer angestrebten Ziele deutlich; letztlich geht es Labour darum, sämtliche Politikbereiche transparenter, kontrollierbarer und damit auch verantwortlicher zu gestalten. Allerdings stieß das "White Paper" nicht bei allen Labour-Mitgliedern auf ungeteilte Zustimmung. Der Abgeordnete Alan Williams etwa bemängelte, dass auch eine walisische Regionalkammer den wirtschaftlichen Abstieg in den 80er Jahren nicht hätte verhindern können. Zudem kritisierte er, dass das "White Paper" keine ausreichenden Vorschläge bezüglich der Abschaffung der "quangos" enthalte. 479 Der Abgeordnete Denzil Davies kritisierte, dass die Vorschläge plötzlich in einem halbföderalen System münden könnten, und zudem die "Bamett-Formel" nicht länger anwendbar sein könne. Michael Ancram, nunmehr Mitglied der Opposition, beschrieb die Vorschläge sehr drastisch als großes verfassungsrechtliches Chaos und kritisierte, dass der "Secretary of State for Wales" künftig nur noch als "messenger boy" zwischen dem Kabinett und der Regionalkammer fungiere, sowie Wales künftig innerhalb des Vereinigten Königreiches keinerlei bedeutende Rolle mehr spielen werde. 48o Von Seiten der britischen und walisischen Wirtschaft wurde eine neutrale Position eingenommen. Allerdings äußerte sich die "Confederation of British Industry Wales" dahingehend besorgt, dass die Kosten der Kammer auf Kosten von Investitionen gehen könnten und zudem die wirtschaftlichen Interessen nicht ausreichend repräsentiert sein könnten. 481 Von Seiten der "Wales Development Agency" wurden die Vorschläge ausdrücklich begrüßt. Diese Institution äußerte die Hoffnung, dass die Kammer ihr Hauptaugenmerk auf die wirtschaftliche Entwicklung von Wales legen werde und verstärkte Maßnahmen im Bereich Aus- und Weiterbildung einleiten werde. Denn bisher sei Wales im Hinblick auf die Verteilung öffentlicher Fördermittel immer weit schlechter als etwa Schottland behandelt worden. 482 478 479 480 481

He Deb vol 298 c. 753-755. He Deb vol 298 c. 1145. He Deb vol 298 c. 756-757. Western Mail vom 27.08.1997 "Business presents shopping list to ensure that

its interests are reflected".

198 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

c) Die Reaktion des "Constitution Unit"

Nachdem das "White Paper" in Umlauf gebracht worden war, veröffentlichte die unabhängige "The Constitution Unit,,483 einen Kommentar zum "White Paper", in dem sie im wesentlichen die folgenden Punkte kritisierte: • keine echten legislativen Kompetenzen; • die Blockfinanzierung; • die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen der Kammer und dem Parlament, da diese auf extreme Kooperation angelegt sei, was sehr schnell zu instabilen Verhältnissen führen könne; • die Stellung des "Secretary of State for Wales" als quasi "Governor General", da er aufgrund der fehlenden Kompetenz der Kammer, primäre Gesetze zu verabschieden, innerhalb der Zentralregierung die Verantwortung trage, dass diese den Interessen Wales gerecht werden; • der Report warnt vor einer Überreaktion gegenüber den "quangos", da hierin durchaus regionale Kompetenz vorhanden sei, so dass im einzelnen geprüft werden müsse, ob tatsächlich Handlungsbedarf gegeben sei; • Wales sei nach der Errichtung der Kammer in Westminster überrepräsentiert; die Zahl der walisischen Abgeordneten müsse daher, wie auch die der schottischen, angepasst werden. Von Seiten der Wissenschaft und Forschung gab Professor Keith Patchett zu bedenken, dass eine Kammer, der im wesentlichen lediglich ausführende Kompetenzen zukommen, nur sehr wenig Möglichkeiten habe, auf das Gesetzgebungsverfahren in Westminster Einfluss zu nehmen. Diese Aufgabe könne aber auch den "Secretary of State for Wales" leicht überfordern, so dass dann insgesamt eine Schwächung der Position Wales drohe. 484 Von Seiten der Kommunen wurde trotz grundsätzlicher Vorbehalte gegen diese neue Zwischeninstanz Zustimmung signalisiert. Das "local government" erhofft sich von der neuen Regierungsebene eine Stärkung der eigenen Position als Ansprechpartner und Exekutivorgan "vor Ort".485

482 Western Mail vom 10.09.1997 "Potential for growth can be realised with correct targeting of budget millions". 483 hup:/ /www.ucl.ac.uk/constitution-unit. 484 Zitiert nach: Research Paper 97/129, S. 28. 485 Western Mail vom 10.09.1997 "Councils go for it".

III. Wales

199

d) Auf dem Weg vom" White Paper" zum" Wales Act"

aa) Die Referendums-Kampagne Nachdem die Frage nach der Notwendigkeit eines Quorums mehrheitlich verneint worden war486 , begannen die einzelnen Parteien, ihre Positionen dem Wahlvolk zu kommunizieren. Die Regierung verhielt sich zumindest in finanzieller Hinsicht neutral. Nachdem innerhalb von Labour Differenzen über das Abstimmungsverhalten beigelegt worden waren, die das Ergebnis wie schon bereits 1978 durchaus hätten gefährden können487 , sprachen sich sowohl "New Labour" als auch "Welsh Labour" für ein klares "Ja" aus. Dem schlossen sich Plaid Cymru, die Liberaldemokraten sowie die walisischen Grünen in einer gemeinsamen Erklärung vom 29. August an. 488 Vor allem aus den Kreisen der Hochfinanz wurden Stimmen laut, im Referendum gegen die Pläne der Regierung zu stimmen. 489 Sie befürchtete künftige Konflikte zwischen Nord- und Südwales und erhebliche Beeinträchtigungen der Handlungsfähigkeit der Kammer über den Diskussionen über das "local government" sowie die öffentlichen Finanzen. 49o Dem schlossen sich die Konservativen an, wenngleich es auch in ihrem Lager einige Stimmen gab, die öffentlich für eine Zustimmung zu den Plänen warben. 491 bb) Die Abstimmung in Wales am 18. September 1997 Das Ergebnis der Abstimmung vom 18. September 1997 war sehr knapp: nur 50,3% der Wähler stimmten mit "Ja", 49,7% stimmten mit "Nein". Die Wahlbeteiligung lag bei nur 50,12%. Die Analysen ergaben, dass Wales bei dieser Abstimmung zwischen Ost und West gespalten war: die östliche Hälfte des Landes, traditionell stärker durch England beeinflusst, stimmte mit "Nein", während der westliche Teil des Landes überwiegend mit "Ja" votierte. Bedenken, dass die Legitimität der Kammer aufgrund einer Zustimmung von nur ca. 25 % der wahlberechtigten Bevölkerung auf schwachen Füßen stehen könnte, wurden zwar geäußert, von der Regierung jedoch als nicht

He Deb vom 21.7.1997, vol 581

cI269/1271. Vgl. etwa Western Mail vom 26.06.1997 "Flowers of dissent rising higher"; Western Mail vom 10.09.1997 "The personal touch crucial in the hang-up". 488 Western Mail vom 30.08.1997 "Joint Declaration on Devolution Referendum". 489 Financial Times vom 22.07.1997 "Money speaks against assembly". 490 Western Mail vom 17.09.1997 ,,20 questions we're all asking". 491 Western Mail vom 10.09.1997 "Labour rebels Friends of Thatcher". 486 487

200 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

schwerwiegend abgetan. Immerhin hätten 1978 80% der Wähler die Vorschläge abgelehnt; daher sei dieses Ergebnis mehr als zufriedenstellend und zeige die insgesamt große Zustimmung der Bevölkerung.492 e) Vorlage des" Wales Bill" am 27.11.1997 - Reaktionen

Das "Government of Wales Bill" wurde am 27.11.2997 in das Unterhaus eingebracht. Es enthält im wesentlichen die Vorschläge des "White Paper", in Gesetzesform gegossen. Die Kammer erhält darin den offiziellen Namen "National Assembly of Wales". Der Vorsitzende des "Executive Committee" erhält den Titel "First Secretary". Die Reaktionen auf die Vorlage des Gesetzesentwurfes waren beinahe vorhersehbar: Michael Ancram für die Opposition bemängelte, dass der Entwurf keine Garantie gebe, dass Wales auch künftig eine starke Rolle innerhalb des Vereinigten Königreichs spielen könne und zudem würde auf die Menschen in Wales nun eine lange Zeit der Unsicherheit bezüglich der weiteren Finanzierung öffentlicher Einrichtungen und der Stabilität der Regionalkammer zukommen. 493 Die Liberaldemokraten begrüßten den Entwurf, wiesen aber zugleich darauf hin, dass nicht nachgelassen werden dürfe, weiterhin für die Übertragung von primären legislativen Kompetenzen zu werben als auch mittelfristig die Position eines "Prime Ministers for Wales" geschaffen werden solle. 494 Auch "Plaid Cymru" begrüßte den Entwurf dem Grunde nach. "Plaid Cymru" kritisierte jedoch, dass der Entwurf keine Regelungen enthalte, die das Verhältnis von solchen "quangos" regelten, die ihre Arbeit in Wales verrichteten, jedoch einzig Westminster und der Zentralregierung unterständen. 495 Zudem enthalte der Gesetzesentwurf keine Vorschriften, die die Teilnahme von Mitgliedern der Kammer oder der Exekutive an Sitzungen des EU-Ministerrates regelten. Analog zum "Scotland Act 1998" wurde der "Wales Act 1998" in drei Lesungen im Unterhaus kontrovers behandelt; nach der mehrheitlichen Zustimmung durch das Unterhaus wurde die Vorlage dem Oberhaus zugeleitet. Nachdem auch das Oberhaus dem Gesetz zugestimmt hatte, erhielt der "Wales Act 1998" am 31.07.1998 auch den notwendigen "royal assent" und konnte damit offiziell in Kraft treten. Ron Davies, zitiert nach Research Paper 97/129, S. 30. Rede vom 29.11.1997, zitiert nach: Research Paper 97/129, S. 34. 494 Liberal Democrats Presseerklärung vom 27.11.1997 "Welsh Liberal Democrats welcome publication of Wales Bill- but will seek amendments". 495 Zitiert nach: Research Paper 97/129, S. 35. 492 493

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201

f) Der" Wales Act" im Detail

Der "Government of Wales Act" besteht insgesamt aus 159 Artikeln und ist damit um genau 27 Artikel umfangreicher als der "Scotland Act". Darüber hinaus enthält er noch 18 Anhänge. Es handelt sich um ein umfangreiches, komplexes Gesetz, das die einzelnen Funktionen, Kompetenzen und Arbeitsweisen der Regionalkammer genauestens regelt. Die Detailregelungen sind wesentlich präziser ausgefallen als im "Scotland Act"; die Kompetenzen und Entscheidungsmöglichkeiten der Kammer sind daher wesentlich enger auszulegen als die des schottischen Parlamentes. Zwischen dem "Scotland Act" und dem "Wales Act" bestehen inhaltlich grundSätzlich drei große Unterschiede: • während das schottische Regionalparlament weitgehende Kompetenzen in allen Gebieten hat, die nicht explizit Westminster vorbehalten sind, ist es im Falle Wales genau umgekehrt: die Bereiche, für die die walisische Kammer zuständig ist, sind im "Wales Act" genau aufgeführt; • die walisische Kammer ist lediglich befugt, übertragene Legislativfunktionen wahrzunehmen, keine primären; • sämtliche Kompetenzen sind auf die Kammer als Körperschaft übertragen; sie ernennt keine eigenständige Exekutive, die eigenständige Kompetenzen ausüben kann, sondern übt sowohl legislative als auch exekutive Funktionen als einheitliche Körperschaft aus. Sie ist allerdings befugt, einige Funktionen auf Ausschüsse oder den "First Secretary" zu übertragen. aa) Organisation, Wahl und Zusammensetzung der Kammer Art. 1 Abs. 1 errichtet die Kammer formell: "There shall be an Assembly for Wales to known as the National Assembly for Wales or Cynulliad Cenedlaethol Cymru (but referred to in this Act as the Assembly)". Gemäß Art. 2 i. V. m. Anhang 1 "Wales Act" hat die Versammlung 60 Mitglieder, gewählt direkt vom Volk in einer Mischung aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht auf vier Jahre (Art. 3 Abs. 2). Die Kammer hat im Gegensatz zum schottischen Parlament nicht das Recht, sich vor Ablauf der Wahlzeit selbst aufzulösen. Bei der Wahl hat jeder Wähler zwei Stimmen (Art. 4 Abs. 1): eine Stimme für den Kandidaten seines Wahlkreises und eine Stimme für eine Parteiliste (Art. 4 Abs. 2 und 3). Von den 60 Mitgliedern der Kammer wer-

202 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

den so 40 aus den bestehenden Wahlkreisen gewählt, 20 auf der Basis des Verhältniswahlrechtes bestimmt. Die genaue Auswahl der 20 nach Verhältniswahlrechtes zu bestimmenden Abgeordneten erfolgt auf der Grundlage der Prozente der Zweitstimmen zusammen mit der Anzahl der gewonnen Wahlkreise. Grundlage hierfür sind die fünf Wahlkreise, die für die Wahlen zum Europäischen Parlament gebildet wurden (jetzt: "Assembly electoral regions"). Dies bedeutet, dass auch in Wales zum ersten Mal in der britischen Geschichte das Verhältniswahlrecht praktiziert wird. 496 Zwar nicht in der reinen Form, wie wir es beispielsweise aus Deutschland kennen, wo immerhin 50% aller Bundes- und Landtagsabgeordneten rein über die Liste gewählt werden; aber immerhin eine entscheidende Änderung gegenüber dem bisher vorherrschenden reinen Mehrheitswahlrecht. Passiv wahlberechtigt sind gemäß Art. 13 des "Wales Act 1998" alle Briten, Iren und sonstigen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union. Davon ausgenommen sind gemäß Art. 12 solche Personen, die unter den "House of Commons Disqualification Act 1975" fallen. Dazu gehören u. a. Richter, Militärangehörige, Polizeiangehörige und Mitglieder fremder Parlamente sowie einige andere Personen in offiziellen Staatsämtern. Gemäß Art. 52 wählt die Kammer bei ihrer konstituierenden Sitzung aus ihre Mitte den Kammervorsitzenden sowie seinen Stellvertreter. Da die Wahl bzw. Ernennung einer Exekutive ähnlich der schottischen Regierung im "Wales Act" nicht vorgesehen ist - was insofern Sinn macht, als schon der Schwerpunkt der Kammer als solcher exekutivisch angelegt ist -, sieht der "Wales Act" die Einrichtung eines "Executive Committee", verschiedener Fachausschüsse, eines Regionalausschusses sowie eines "Secondary legislation scrutiny Committee", einer Art interner Rechtmäßigkeitskontrollausschuss, vor. Gemäß Art. 53 wählt die Kammer aus ihrer Mitte einen "Assembly First Secretary" sowie weitere "Assembly Secretaries". Diese bilden zusammen gemäß Art. 56 das "Executive Committee". Dieser Ausschuss hat gleichsam die Aufgaben eines Kabinetts. Darüber hinaus setzt die Kammer weitere Fachausschüsse ein (Art. 57). Diese übernehmen viele Funktionen der täglichen Arbeit, wie etwa die Vorbereitung einzelner Gesetzesvorlagen oder die Überwachung einzelner öffentlicher Körperschaften. Art. 58 sieht die Einsetzung eines "Subordinate Legislation Scrutiny Committee" vor. Dieser Ausschuss ist damit befasst, als zusätzliches Organ 496

Vgl. hierzu auch Research Paper 97/129, S. 41.

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der Selbstkontrolle dafür Sorge zu tragen, dass zum einen die Gesetzesvorlagen rechtmäßig sind und sich im Bereich der Kompetenzen der Kammer bewegen, zum anderen die Kammer auf solche Punkte aufmerksam zu machen, die möglicherweise von besonderer Bedeutung für die Arbeitsweise und -fähigkeit der Kammer sein könnten. Art. 61 fordert die Einsetzung von Regionalausschüssen, die mit beratender Stimme die Interessen der jeweiligen Regionen von Wales vertreten sollen.

bb) Funktionen und Kompetenzen der Kammer Eine generelle Übertragung von Kompetenzen erfolgt durch Art. 21: "The Assembly shall have functions which are (a) transferred to, or made exercisable by, the Assembly by virtue of this Act, or (b) conferred or imposed on the Assembly by or under this Act or any other Act."

Die wesentlichen Gebiete, in denen die Kammer zunächst Kompetenzen wahrnimmt, bestimmt Art. 22 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang 2 des "Wales Act". Diese sind: Landwirtschaft, Forst, Fischerei und Ernährung; Pflege von Denkmälern und historischen Gebäuden; Kulturpolitik; wirtschaftliche Entwicklung; Bildungspolitik; Umweltpolitik; Gesundheitspolitik; Straßenbau und -unterhaltung; Wohnungspolitik; "local government"; bestimmte Bereiche der Sozialpolitik; Sport und Erholung; Tourismus; Regionalplanung; Transportwesen; Schutz vor Überschwemmungen und Flutkatastrophen sowie die walisische Sprache. Anders als im Falle Schottlands werden also hier die Gebiete, in denen die walisische Kammer Kompetenzen erhält, abschließend aufgezählt. Alle anderen Gebiete verbleiben exklusiv in der Kompetenz der Zentralregierung bzw. des Parlamentes in London. Ein Blick auf die vormaligen Kompetenzen des "Secretary of State for Wales,,497 zeigt, dass die Kammer letztlich nur für die Gebiete und Aufgabenfelder zuständig ist, die zuvor vom Secretary of State ausgeübt wurden. Grundsätzlich werden im Vereinigten Königreich Anordnungen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften ("orders", "rules" and "regulations") unter dem Stichwort "secondary legislation" zusammengefasst. Für die Ausarbeitung und den Erlass dieser Sekundärgesetze ist die Kammer nunmehr 497

Vgl. oben Kapitel B III 4 c.

204 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

in den Bereichen zuständig, die ihr in eigener Verantwortung übertragen wurden. Sie werden zusammengefasst als "Assembly Orders".498 Im Bereich der Kommunalverwaltung hat die Kammer die Verantwortung dafür übernommen, dass die örtliche Selbstverwaltung im Einklang mit der "Europäischen Charta für lokale Selbstverwaltung" gefördert und weiterentwickelt wird. Zudem soll die Kammer gemäß Art. 28 dafür sorgen, dass die Zusammenarbeit zwischen den lokalen Körperschaften und anderen öffentlichen Körperschaften intensiviert wird. Die Versammlung hat auch die Kompetenz erhalten, gewisse Aufgaben, die bisher noch von anderen "public bodies" wahrgenommen werden, auf "local authorities" zu übertragen. Obwohl sie für die finanzielle Ausstattung dieser lokalen Körperschaften verantwortlich ist, gehen ihre Kompetenzen nicht so weit, Funktionen von diesen abzuziehen. Dies ist auch künftig nur durch Parlamentsgesetz möglich. Art. 27 gibt der Kammer die Kompetenz, Richtlinien über den walisischen Gesundheitsdienst zu erlassen. Dies ist insofern eine große Verantwortung, als in Großbritannien nach wie vor eine kostenfreie medizinische Grundversorgung besteht ("NHS"), auf die jeder Einwohner Anspruch hat, die jedoch zunehmend aufgrund der allgemeinen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen in die Diskussion gekommen ist.

Nicht beabsichtigt ist, wie auch schon im Falle Schottlands, solche Funktionen zu übertragen, die für die Sicherheit und den Zusammenhalt des gesamten Königreiches wichtig sind, zum Beispiel die Außen- und Verteidigungspolitik, das Recht der Steuern und Abgaben, Wirtschaftspolitik, soweit sie das gesamte Land betrifft, die Fiskalpolitik, die soziale Sicherheit sowie die Rundfunkpolitik. ce) Die Geschäftsordnung und Verwaltung der Kammer Das Personal wurde vom "Welsh Office" abgezogen, und behielt den Status als "Civii Service", das britische Gegenstück zum deutschen Berufsbeamtenturn. Daneben wurde ein sogenanntes "Executive Committee" eingerichtet, das aus den Vorsitzenden der Versammlungs-Unterausschüsse bestehen wird. Es soll ähnlich dem Kabinett der Zentralregierung arbeiten. Zusätzlich hat die Kammer regionale Unterkomitees eingerichtet, um sicherzustellen, dass alle Probleme der walisischen Bevölkerung auch zu den zuständigen Stellen gelangen. Die Kammer ist ein "Crown Body". Das heißt, dass die Krone formell nach jeder Wahl die Versammlung eröffnen sollte. Die konstituierende Sit498

Vgl. hierzu auch ausführlich House of Commons (1997c), Ziff. 4.22-4.25.

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zung der Kammer am 12. Mai 1999 wurde durch den ,,secretary of State for Wales" geleitet. Nach dem Beschluss einer Geschäftsordnung wurden seine Aufgaben formell auf die Versammlung übertragen und die Anwesenden nahmen ihre Arbeit auf. dd) Das Budget der Kammer Die Versammlung wurde mit einem Startbudget von f 7 Milliarden ausgestattet - genau die Summe, für die zuvor noch der "Secretary of State for Wales" die Verantwortung trug. Darüber hinaus sollen die Ausgaben insgesamt auch weiterhin nicht steigen, wenn auch von diesem Betrag noch zusätzlich die Arbeit des "Secretary of State for Wales" finanziert werden muss. Die Anpassung des Budgets erfolgt, wie in Schottland, nach der BarnettFormel ("spending to the block"). Das Verhältnis der Bevölkerung von Wales zu England ist derzeit 6,02%. Das bedeutet, dass für den Fall, dass zum Gesundheitsbudget Englands f 1 Milliarde hinzugefügt würde, das Gesundheitsbudget in Wales um f 60,2 Millionen aufgestockt würde. Wie und für welchen Zweck diese Mittel im Rahmen der "public services" eingesetzt werden, kann die Kammer weitgehend selbständig entscheiden. Dies bedeutet im Sinne der verstärkten Dezentralisierung und der Schaffung nachvollziehbarer politischer Entscheidungen, dass sich die Kammer damit der Kontrolle durch ihre Wähler aussetzen wird. Bisher war es so, dass der Haushalt des "Secretary of State for Wales" lediglich einmal im Jahr im "House of Commons" zur Sprache kam, wenn der Secretary seinen Ausgabenplan vorgelegt hat. Eigenverantwortung bedeutet auch die Möglichkeit der Schwerpunktsetzung. In diesem Sinne hofft die Regierung, dass durch die Nähe zum walisischen Volk die Akzeptanz politischer Entscheidungen erhöht werden kann. ee) Weitere Bestimmungen Art. 90 bis 103 sehen die Einsetzung eines "Auditor General for Wales" vor. Seine Aufgabe ist es, sämtliche finanziellen Transaktionen der Kammer zu prüfen und dafür Sorge zu tragen, dass keine Gelder fehlgeleitet werden. Art. 100 gibt ihm dabei sogar die Möglichkeit, die Arbeit der Kammer dahingehend zu untersuchen, ob die Mittelverwendung den Grundsätzen der Sparsamkeit und Effektivität entsprochen hat.

206 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

ff) Die Reform der "Welsh Public Bodies" (Art. 126 bis Art. 150) Die Überwachung und Reform der walisischen "quangos" ist eine Hauptaufgabe der Kammer. Bereits das "White Paper" hatte hierzu umfassende Vorschläge unterbreitet499 . Im Wesentlichen geht es darum, die Notwendigkeit vieler einzelner "quangos" zu überprüfen beziehungsweise ihre Arbeitsweise zu überwachen (vgl. Art. 74 i. V.m. Anhang 5, Art. 145 Wales Act).500 Ausgenommen hiervon sind solche Körperschaften, die gerichtliche oder quasi-gerichtliche Aufgaben wie etwa Schiedsfunktionen wahrnehmen. Zu den "public bodies" gehört auch der "National Health Service" (NHS). Die Kontrolle über den NHS liegt nun auch bei der Kammer. Der NHS steht in der Kritik, ineffektiv und zu teuer zu sein. Hier soll die Kammer die Möglichkeit erhalten, durch strukturelle Neuausrichtung im Gesundheitsbereich eine deutliche Effektivitätssteigerung zum Nutzen aller herbeizuführen (vgl. Art. 28 und Art. 148 "Wales Act,,).501 gg) Ergänzungsvorschriften Art. 151 bis Art. 153 geben dem "Secretary of State" beträchtliche Kompetenzen, in solche Gesetze durch Verordnung einzugreifen, die vor oder mit dem "Wales Act" in Kraft getreten sind und in Zukunft auch Geltung für das Gebiet von Wales haben, wenn ihm dies "to be appropriate in consequence of this Act" erscheint (Art. 151 Abs. 1).

House of Commons (l997c), Ziff. 3.14 bis 3.22. Das "Constitution Unit" teilt die quangos in Wales in fünf Kategorien ein: "Executive Bodies" (z.B. die Welsh Developmemt Agency, Welsh National Board for Nursing), die für solche zentralen Aufgaben zuständig sind, die ansonsten direkt durch die zuständigen Minister wahrgenommen werden müssten; "Advisory Bodies" (z. B. Agricultural Advisory Panel, Welsh Ecoriomic Council), die für Know-how Transfer verantwortlich zeichnen, der durch die einzelnen Ministerien nicht geleistet werden kann; "Tribunals" (z.B. Mental Health Tribunal for Wales, Agricultural Land Tribunal), die quasi gerichtliche Entscheidungsbefugnisse in bestimmten, fest definierten Bereichen haben; "NHS Bodies", die zentralen Verwalter der staatliche garantierten Gesundheitsversorgung; "Training and Enterprise Councils", die sich im wesentlichen vor Ort um die Aus- und Fortbildung Arbeitsloser und Arbeitssuchender kümmern. 501 Vgl. hierzu sehr ausführlich und mit weiteren Nachweisen: Research Paper 97/130, S. 15 ff. 499

500

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g) Ein vertiefter Blick auf einzelne Problemfelder

aa) Die Beziehungen zu Westminster und Whitehall Sowohl das "White Paper" als auch der "Wales Act 1998" lassen keinen Zweifel daran, dass das Parlament in Westminster weiterhin souverän bleibt und weiterhin sämtliche primären Gesetze erlassen wird. Insofern ist es notwendig, Mechanismen zu erarbeiten, die eine enge Abstimmung zwischen der Kammer in Wales und dem Parlament in London erlauben. Eine Möglichkeit hierfür sieht Art. 31 "Wales Act" vor, der dem "Secretary of State" die Aufgabe und Möglichkeit überträgt, sich mit der Kammer über die jeweiligen Regierungsentwürfe abzustimmen. Das "White Paper" fasst diese Möglichkeit folgendermaßen (Ziff. 3.38): "It will be open the Assembly to debate the programme and to prepare a response. The Secretary of State for Wales will be able to attend Assembly debates an the legislative programme. The Assembly will also have a general capacity to debate matters of interest to Wales, and to make its views known to Parliament."

Anders als im Falle Schottlands soll die Zahl der walisischen Parlamentsabgeordneten in Westminster nicht sinken. s02 bb) Das System der "executive devolution" Scharfe Kritik am System der "executive devolution" kam vom "Constitution Unit". Hauptansatzpunkt der Kritik war, dass die Kammer letztlich keinerlei wirklich eigenständigen Entscheidungsspielraum habe, da sie in allen Entscheidungen von dem Funktionieren der Kooperation mit der Regierung und dem Parlament abhänge: "Executive devolution is unlikely to be stable or long lasting, because it is so heavily dependent on cooperation between Cardiff and Westminster: - a well intentioned Westminster Parliament rnight confer broad delegated powers; a different Parliament (perhaps controlled by a different party) rnight leave no room for local discretion or choice); - Welsh bills risk losing their place in the intense Whitehall competition for legislative time, when the UK govemment may have a different agenda and other priorities; - in future Welsh comrnittees in the Westminster Parliament can still be packed with non-Welsh MPs (as happened under the previous govemment) in order to get the govemment' s legislation through; - schemes for Welsh legislation will be prepared in Whitehall by officials who no longer share responsibility for their implementation in Wales: the cruciallink and feedback - between administration and legislation will be broken. ,,503 502

House of Commons (1997c), Ziff. 3.37.

208 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches Der walisische Verfassungsrechtier Keith Patchett fordert deswegen, auch der walisischen Kammer die Befugnis zum Erlas primärer Gesetze zu geben. Dies sei insbesondere deswegen unabdingbar, da die eigentlichen Veränderungen und Fortschritte eben durch diese Gesetze erreicht würden. Verordnungen und Erlasse seien lediglich Hilfsmittel bei der Durchsetzung. Daher drohe die Gefahr, dass die "Stimme Wales" nicht genügend Gehör in Westminster finden werde und zudem auch große Schwierigkeiten drohten, wenn die Kammer versuche, ihre eigenen Vorstellungen bezüglich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Wales durchzusetzen; im Übrigen habe Labour in keinem einzigen der Dokumente zur Kammer in Cardiff ein Argument genannt, warum hier eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Schottlands Parlament gerechtfertigt sei. 504 Labour sah diese Gefahr einer Benachteiligung Wales durchaus; aufgrund der historischen Sonderstellung Wales rechtfertigte Labour diese andere Vörgehensweise jedoch zunächst. Die Regelungen sind denen im "Wales Act 1978" sehr ähnlich. Die politische Mehrheit, auch für Wales ein Regionalparlament mit echten legislativen Kompetenzen zu schaffen war jedoch weder 1977/78 noch 1997/98 vorhanden. Nichtsdestotrotz ist die Kammer jedoch ein bedeutender Schritt auf dem Weg dorthin. Weitere Entwicklungen benötigen Zeit; Zeit auch, um die ersten Ergebnisse zu analysieren und auszuwerten, um dann über weitere Schritte nachzudenken. Sollte Labour an ihren Plänen einer noch weitergehenderen Verfassungsreform festhalten und eines Tages auch innerhalb Englands eine echte, demokratisch gestützte Regionalstruktur entstehen und auch die Reform des "House of Lords" konkretere Züge annehmen, wird auch für Wales die Frage nach mehr Souveränitätsrechten seiner Kammer neu gestellt werden. cc) Die Kammer und die Kommunen Viele Vertreter der Kommunen sehen die Schaffung einer neuen staatlichen Zwischeninstanz kritisch. Viele Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Daseinsvorsorge sind über die Jahre in die Verantwortung des "local govemment" gestellt worden, und der Einfluss der Kommunen auf viele "quangos" war erheblich gewachsen. Die Kompetenzen der Kommunen sind im wesentlichen geregelt durch den "Local Govemment Act 1972", den "Local Govemment (Wales) Act 1994" sowie durch weitere spezielle Gesetze wie den "Children Act 1989" oder den "Education Act 1996". Viele Aufgaben wie die Überwachung des "local govemment" oder der Finanzierung ihrer Aufgaben wurden bisher durch den "Secretary of State" 503 504

Hazell (1997), S. 1 ff. Hazell (1997), S. 17.

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wahrgenommen. Nunmehr ist die Kammer hierfür federführend verantwortlich. Die künftige Zusammenarbeit zwischen der Kammer und dem "local government" ist in Art. 113 sowie Art. 28 "Wales Act" geregelt. Art. 113 gibt der Kammer die generelle Kompetenz, ein Konzept zu entwickeln, um zu einer für beide Seiten konstruktiven Zusammenarbeit zu gelangen. sos Wie bereits oben erwähnt, ist die Kammer hingegen nicht befugt, Aufgaben vom "local government" abzuziehen. Die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe der Kammer in diesem Zusammenhang ist die Befugnis, für die Finanzierung der öffentlichen Aufgaben der Kommunen zu sorgen; ca. 85 % aller Ausgaben der Kommunen in Wales werden durch diese Zuweisungen bestritten. s06 Lokale Steuern wie die "council tax" oder die "uniform business rate" (eine Art Gewerbesteuer) sind vom Einfluss und der Kontrolle durch die Kammer jedoch ausgenommen. Wie die Zusammenarbeit in Zukunft funktionieren wird, bleibt zunächst noch abzuwarten. Ein Blick auf die wichtigsten Verordnungen und Entscheidungen der Kammer der letzten zwei Jahre seit der Arbeitsaufnahme zeigt jedoch, dass die Kammer ihre Aufgabe durchaus ernst nimmt. S07 Unter den bishe~08 über 500 verabschiedeten "measures of secondary legislation" befindet sich eine beträchtliche Zahl, die Bezug zum "local government" hat. Dies reicht von der "Local Authorities (Calculation of Council Tax Base) (Wales) (Amendment) Regulation 1999"s09 bis hin zu so doch speziellen Vorschriften wie den "The Local Authorities' Traffic Orders (Exemptions for Disabled Persons) (Wales) Regulations 2000"SIO. dd) Die neue Rolle des "Secretary of State for Wales" Der "Secretary of State for Wales" hatte bisher in folgenden Bereichen Kompetenzen im Range eines Ministers der Zentralregierung: sll Wirtschaftliche Entwicklung; Landwirtschaft, Forst, Fischerei und Ernährung; Industrie und Fortbildung; Erziehungswesen; "local government"; Gesundheitsvorsorge und Sozialfürsorge; Wohnungswirtschaft; Umwelt; Raumordnung 505 Vgl. für eine beispielhafte Auflistung der künftigen Aufgaben der Kammer in diesem Bereich: House of Commons (l997c), Ziff. 3.6. 506 Research Paper 97/130, S. 31. 507 Vgl. die Aufstellung (mit der Möglichkeit des vollständigen Abrufes) unter http://www.wales-Iegislation.hmso.gov.uk. 508 Stand: November 2001. 509 No. 2935 (W. 27) 1999. 510 No. 1785 (W. 122) 2000. 5!! Eine detailliertere Liste findet sich im "White Paper" (House of Commons 1997c) unter Anhang A. !4 Mey

210 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

und Landesplanung; Transport und Straßen; Kunst, Wissenschaft, die walisische Sprache; Denkmalschutz sowie Sport und Erholung. Durch die oben beschriebene Abgabe vielfältiger Kompetenzen an die Kammer nach Cardiff sind dem "Secretary of State for Wales" viele Aufgaben entzogen worden. Er soll jedoch nicht abgeschafft oder eingespart werden, sondern weiterhin seinen Sitz und sein Mitspracherecht innerhalb des Kabinetts behalten. Dies soll die Berücksichtigung der Interessen Wales gleichberechtigt auch auf Regierungsebene in London gewährleisten. Der "Secretary of State" repräsentiert auf Regierungsebene Wales weiterhin, und vor allen bei 'Entscheidungen des Kabinetts in Haushaltsfragen und der Formulierung der Grundlinien der Politik soll er die Interessen Wales zur Geltung bringen. Er ist dabei nicht durch Entscheidungen der Kammer gebunden. Allerdings ist er aufgefordert, eng und vertrauensvoll mit der Kammer zusammenzuarbeiten und mit ihr gegenseitig Informationen auszutauschen. S12 Im Verhältnis zur Krone ist er bezüglich des "Privy Council"S13 weiterhin der Ansprechpartner und übernimmt auch weiterhin gewisse Repräsentationsaufgaben. Der "Wales Act 1998" belässt dem "Secretary of State" erhebliche Kompetenzen, von denen die wichtigsten nachfolgend nochmals zusammengefasst werden: (1) Gemäß Art. 3 Abs. 3, Art 36 Abs. 5 hat er das Recht, nach Rückspra-

che mit der Kammer Daten für Wahlen und Abstimmungen einseitig zu ändern.

(2) Gemäß Art. 12 hat er das Recht, bestimmte Personengruppen von der passiven Wahlberechtigung ausschließen zu lassen. (3) Gemäß Art. 17 darf er auf die Höhe der Besoldung der Mitglieder der Kammer Einfluss nehmen. (4) Gemäß Art. 22 hat er das Recht, in Abstimmung mit der Kammer zu veranlassen, dass weitere Funktionen übertragen bzw. Kompetenzen entzogen werden. (5) Art. 31 verpflichtet ihn, die Kammer beständig über die aktuellen Gesetzesvorlagen der Zentralregierung zu unterrichten. Vgl. hierzu: The Procedural Consequences of Devolution, HC 185, 1998/99. Die zentrale Exekutive zerfällt in Großbritannien traditionell in drei Gruppen: den Privy Council, die Ministerien und das "Department of State". Historisch gesehen ist der Privy Council ein Überbleibsel der "curia regis", aus der alle staatliche Gewalt ursprünglich hervorgegangen ist. Hauptsächlich ist er heute eine Körperschaft, die die Zustimmung der Krone zur Politik der Regierung gibt. Die Quelle der Autorität des Privy Council ist entweder die Prärogative der Krone oder bestimmte Kompetenzen, die ihm vom Parlament übertragen wurden; vgl. hierzu und zur Funktionsweise des Privy Council farnes' Introducion into English Law, S. 121. 512 513

III. Wales

211

(6) Gemäß Art. 76 hat er das Recht, an allen Sitzungen der Kammer mit beratender Stimme teilzunehmen; ein Stimmrecht hat er jedoch nicht. Zudem steht ihm ein umfangreiches Akteneinsichtsrecht zu. (7) Der "Secretary of State" teilt der Kammer jährlich gemäß Art. 80 bis 83, 88 die Haushaltsmittel zu; zuvor zieht er von diesem Budget seine eigenen Kosten ab. Er ist auch berechtigt, Kredite an die Kammer zu vergeben.

(8) Gemäß Art. 90 Abs. 6, 96, 146, 147 stehen ihm spezifische Überwachungs-, Ernennungs- und Abberufungskompetenzen in Bezug auf den obersten Rechnungsprüfer ("Auditor General") zu. Paul Murphy, der gegenwärtige "Secretary of State", beschreibt diese Aufgaben in einem Artikel für die "Western Maii" kurzgefasst wie folgt: "Devolution is not simply about the creation of the National Assembly in Cardiff but also about how the National Assembly fits into the Government and parliamentary structure of the rest of the United Kingdom. In many ways my presence in the Cabinet is an indicator of the link between the different parts of the United Kingdom itself. By being present as a Member of the Cabinet, as representing Wales, that shows to the world, as it were, that we are still part of the United Kingdom.,,514 ee) Die Rolle der Kammer bei der wirtschaftlichen Entwicklung von Wales Obwohl die großen wirtschaftlichen Unterschiede innerhalb des Königreiches in den letzten Jahrzehnten nicht zuletzt dank erheblicher Strukturbeihilfen der Europäischen Union deutlich verringert werden konnten, bleibt Wales bezüglich des wirtschaftlichen Wachstums des Landes weiterhin Entwicklungsgebiet. In einigen Teilen des Landes liegt die Arbeitslosigkeit weit über dem Landesdurchschnitt, und die sozialen Verhältnisse in manchen Teilen der Region tun ein übriges dafür, dass das Pro-Kopf-BSP in Wales nur bei 84% des Landesdurchschnitts liegt. Um die in manchen Teilen noch rückständige Wirtschaft Wales an die gesamtstaatliche Wirtschaftsentwicklung heranzuführen, soll die Kammer die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen helfen, um Wales zu einem interessanten Investitionsstandort innerhalb der Europäischen Union werden zu lassen. Zudem soll es eine genuine Aufgabe der Kammer sein, auf allen staatlichen und überstaatlichen Ebenen für die "Region Wales" zu werben. Des Weiteren soll sie die Entwicklung eines modemen Ausbildungs- und Fortbildungssystems fördern, um auch im Bereich der Arbeitsmarktpolitik den hohen Wettbewerbsanforderungen im europäischen Umfeld gewachsen 514

14*

Paul Murphy, Western Mail vom 28. Oktober 1999.

212 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

zu sein. Zur Wettbewerbsfahigkeit gehört auch der Ausbau der Infrastruktur, um den Anschluss an die wichtigen sonstigen nationalen und internationalen Wirtschaftsmärkte halten zu können. Um Wales auch im Tourismusbereich interessant zu machen, hat die Kammer im Bereich Denkmalschutz und Städteplanung und -erhaltung weitreichende Eigenkompetenzen erhalten. Um diese Ziele zu ermöglichen und zu erreichen, sollen die Aufgaben und Kompetenzen der "Welsh Development Agency" (WDA)515 dahingehend erweitert werden, dass ihr die Funktionen der "Land Authority for Wales" (LAW) und des "Development Board for Rural Wales" (DBRW) zusätzlich übertragen werden. Die WDA wird danach der zentrale Ansprechpartner für alle Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung in Wales sein. Bei der WDA handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die 1976 unter dem "Welsh Development Agency Act" geschaffen wurde. Ihre Hauptaufgaben bestehen im wesentlichen in der Unterstützung bereits ansässiger Industrien in allen Fragen staatlicher Förderung, in der internationalen Werbung für Investitionen in Wales sowie in der Schaffung eines investitionsfreundlichen Umfeldes innerhalb Wales. Die Hauptaufgabe der LAW bestand darin, in strukturschwachen Gebieten Wirtschaftsentwicklung zu betreiben durch den Handel mit günstigen Immobilien sowohl im gewerblichen als auch privaten Bereich. Bei dem DBRW handelte es sich ebenfalls um ein "quango", das seit 1977 mit der Aufgabe betraut war, sich um das ökonomische und soziale Wohlergehen der Bürger Wales zu kümmern. Aufgabe der Kammer ist es nunmehr nach ihrer Wahl, gemäß Art. 126 bis 139 des "Wales Act" den politischen Rahmen für die WDA zu schaffen, ihr konkrete Aufgabenstellungen vorzugeben, für ihre finanzielle Ausstattung zu sorgen sowie die politische Kontrolle auszuüben. h) Die Wahlen zur Kammer vom 6. Mai 1999

Die größte Überraschung der Wahlen zur walisischen Regionalkammer war, dass es Labour nicht gelang, die absolute Mehrheit zu erzielen. 516 Dies war in erster Linie auf das starke Abschneiden der walisischen Nationalisten "Plaid Cymru" zurückzuführen. Labour erreichte mit einem Stimmenanteil von 37,6% insgesamt 27 der insgesamt 40 Wahlkreismandate, mit einem Stimmenanteil von 35,5 % ein weiteres Mandat über die Regionalliste. Damit verfehlte Labour die absolute Mehrheit um genau drei ManVgl. zur WDA eingehend: Morgan (1997). Vgl. hierzu die genaue Auflistung der Ergebnisse in Osmond, in: Hazell (2000), S. 42; vgl. für genaue Statistiken auch: Research Paper 99/51. 515

516

III. Wales

213

date. "Plaid Cymru" gewannen insgesamt 17 Sitze, die Konservativen neun und die Liberaldemokraten sechs Sitze. Es war relativ schnell klar, dass sich die Vorstellungen von "Plaid Cymru" mit den Vorstellungen der Konservativen nicht in Einklang bringen lassen würden. Da Labour jedoch auch zunächst kein offizielles Koalitionsangebot machte, in vielen Politikbereichen jedoch mit "Plaid Cymru" und den Liberaldemokraten übereinstimmte, bildete Labour zunächst bis Oktober 2000 eine Minderheitsregierung, die anfänglich, abhängig von den einzelnen Sachfragen, von Abgeordneten der "Opposition" unterstützt wurde. Erst im Oktober 2000 wurde eine fonnelle Vereinbarung ("Partnership Agreement") zwischen Labour und den Liberaldemokraten über eine Koalition geschlossen. 517 i) Die Kammer in Cardiff im Spiegel ihrer Arbeit der ersten zwei Jahre

Für John Osmond, den Direktor des "Institute for Welsh Affairs" in Cardiff, ist die Kammer in Cardiff bisher eine "constitutional convention by other means".518 Die "Constitutional Convention" in Schottland, in der die schottischen Politiker insgesamt acht Jahre Zeit hatten, die Arbeit des Parlamentes und eine von Vertrauen geprägte Zusammenarbeit vorzubereiten, habe die Grundlage gebildet, dass nunmehr in Edinburgh das Regionalparlament einigennaßen effektiv arbeiten könne. In Wales jedoch "we had nothing Iike that. We had no constitutional convention. We had no platfonn for being able to build sufficient trust to enter a coalition.,,519

Das erste Jahr der Kammer bis Sommer 2000 habe ihn sehr stark an eine "constitutional convention" erinnert. Während dieser Zeit habe die mit relativ geringen Kompetenzen ausgestattete Kammer begonnen, sich im politischen Leben des Königreiches und vor allem Wales einen Platz zu verschaffen und die Gegenstände und Themen festzulegen, die für die Zukunft von Bedeutung sein würden. 52o Bedingt durch das enge Korsett an Zuständigkeiten und Möglichkeiten, aktiv in die Gesetzgebung einzugreifen, erscheint die Arbeit der Kammer zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung als blass. Das erste Ereignis, das die Kammer zum ersten Mal überhaupt in das öffentliche Bewusstsein der Menschen im Königreich brachte, geschah am 9. Februar 2000: die Kammer entzog dem "First Secretary" und vonnaligen "Secretary of State for Wales", Alun Michael, das Vertrauen. Bis zu diesem Zeitpunkt exis517 518

519 520

Osmond, in: HazeII (2000), S. 44. Osmond, in: HazeII (2000), S. 37. Morgan (2000), S. 4. Osmond, in: HazeII (2000), S. 76.

214 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

tierte die Kammer in der öffentlichen Wahrnehmung lediglich als weitere "Außenstelle" von Westminster und Whitehall. Lord Elis-Thomas, der "Presiding Officer" der Kammer, kommentierte dies mit den Worten: "This is the first day of devolution".521 Ursache für den Entzug des Vertrauens war zum einen die Kritik am Führungsstil Michaels, die eher an den autoritären Stil des ehemaligen "Secretary of State" erinnerte522 , zum anderen seine zögerliche Haltung, den Prozess der "Devolution" aktiv voranzutreiben. Michael zog sich im Verhältnis zur Zentrale in London auf den Standpunkt zurück, dass nunmehr zunächst eine Phase der Ruhe und Kontinuität einkehren müsse. Diese Auffassung widersprach der bereits zitierten Ansicht von Ron Davies, der die "Devolution" als Prozess ansah. 523 Michael vertrat zudem die Ansicht, dass Wales innerhalb der Europäischen Union noch lange keine eigenständige Rolle spielen werde: "Let's not fool ourselves. Self-govemment within Europe is not an option. The European Union is still a union of member-states. Our European partners do not want to see a proliferation of statelets within the United Kingdom, the Balkanisation of one of their own members. They want to see a United Kingdom - like federalised Germany or regionalised Spain - capable of representing a common position in the Council of Ministers which reconciles the divergent interests of different parts of this idiosyncratic member state. A strong Whales in a strong United Kingdom - that is what devolution is about.,,524

Michaels Nachfolger, Rhodry Morgan, vertritt in dieser Frage eine weitaus offensivere Position. Er hält den Prozess der "Devolution", einmal begonnen, für derart stark, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre eine schriftliche Verfassung im Vereinigten Königreich verabschiedet werden müsse, um diese Kräfte zum Nutzen aller zu kanalisieren. Auch in Bezug auf die Rolle Wales innerhalb der Europäischen Union vertritt Morgan eine wesentlich entschiedenere Position. In einer Ansprache anlässlich einer Ausstellungseröffnung in der Nationalbibliothek, in der im Sommer 2000 ein Brief und das Siegel des bereits oben erwähnten walisischen Nationalhelden Owain Glyndwr525 ausgestellt wurde, den er 1406 an den französischen König Charles VI. geschrieben und um Beistand während seines Aufstandes gegen Heinrich IV. gebeten hatte, erklärte Morgan: Western Mail, 10. Februar 2000. Vgl. zu einzelnen Beispielen Osmond, in: Hazell (2000), S. 42 f. 523 Davies (1999). 524 Alun Michael, Vortrag an der Universität von Aberystwyth, November 1999, The Dragon on our Doorstep: New Politics for a New Millenium in Wales, Institute of Welsh Politics. 525 V gl. Kapitel B III 1. 521

522

III. Wales

215

"The political vision set out in the Penal Letter is as relevant today as it was 600 years ago. Owain Glyndwr was setting out his vision for Wales as anation - a nation with a future national existence set in a European context and not solely boud up with its nearest neighbour - England. His vision included a nation with organised institutions including Universities in the North and South where young people could be trained to run the institutions of the State. ,,526

Einige Wochen später präzisierte er seine Absichten nochmals in einem Artikel für die "Western Maii": "Owain Glyndwr wanted a country uni ted in a properly organised society with representation from aB parts of Wales. He envisaged a Welsh future in a European context. (... ) Six centuries later we are starting to think in those terms again.,,527

Ein wesentliches Ergebnis der Arbeit der Anfangszeit war die Erhöhung der Zuweisungen aus Whitehall im Rahmen der Europäischen Strukturfonds in Höhe von f 2 Milliarden über das Budget der "Bamett-Formel" hinaus. In Wales leben 65 % der Bevölkerung in einem "Ziel-l-Gebiet". 528 Eine der Hauptaufgaben der Kammer besteht darin, für die Ausarbeitung der Anträge und der Förderprogramme zu sorgen sowie deren Umsetzung in Wales federführend zu begleiten. Die parlamentarische Arbeit der Kammer kam zunächst nur schleppend in Gang. Dies lag unter anderem an einigen Vorschriften des "Wales Act 1998" sowie der diesen begleitenden Geschäftsordnung der Kammer ("standing orders"). Es dauerte beinahe das gesamte erste Jahr, bis sich die Abgeordneten an die neuen Verfahren gewöhnt hatten, bis sich Mechanismen herausgebildet hatten, die es ermöglichten, dem enormen Arbeitsanfall einigermaßen Herr zu werden. Ein Ergebnis dieser langen Startphase ist, dass die Rechtssysteme in England und Wales begonnen haben, langsam auseinander zu driften. Osmond nennt dies "devolution by default".529 Denn seit der Arbeitsaufnahme der Kammer in Wales werden die meisten Ausführungsvorschriften, die mit Bereichen zu tun haben, für die nunmehr die Kammer zuständig ist, von Seiten der Zentrale nur noch mit Geltung für England verabschiedet. Kommt die Kammer ihrer Aufgabe nicht nach, Ausführungsvorschriften auch für Wales zu erlassen, entstehen unterschiedliche Rechtssysteme. Der "Business Secretary" Andrew Davies nannte hierfür im März 2000 als Hauptgründe die zeitliche und inhaltliche Abhängigkeit von Whitehall und BrüsseI, die Notwendigkeit, das komplizierte und langwierige Verfahren in der 526 Pressemitteilung der Kammer vom 7. April 2000. 527 Morgan, "Time to shed the cloak of political invisibility", Western Mail vom 17. April 2000. 528 Vgl. hierzu genauer unten Kapitel C IV b. 529 Osmond, in: HazeB (2000), S. 56.

216 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Kammer korrekt zu durchlaufen sowie die Notwendigkeit, die meisten Gesetze zweisprachig zu erlassen. Bis zum September 2001 hat die Kammer trotz aller vermeintlichen Schwierigkeiten ein erhebliches Arbeitspensum erledigt: Nachdem im Jahr 1999 - dem ersten halben Jahr ihres Bestehens - bereits 56 "statutory instruments", also Gesetzesentwürfe unter dem Rang eines formellen Parlamentsgesetzes, diskutiert und in Kraft gesetzt worden waren, waren es im Jahr 2000 schon insgesamt 225 und bis September 2001 sogar schon 244. Dies zeigt, dass sich die Kammer während der zwei Jahre ihres Bestehens mittlerweile sehr gut in die Arbeitsweisen und Anforderungen hineingefunden hat und erste Anfangsschwierigkeiten als überwunden gelten können. 53o j) Die politischen Parteien und die öffentliche Meinung

Unter regionalistischen Gesichtspunkten bedeutsam ist die Tatsache, dass, wie oben ausgeführt, "Plaid Cymru" bei den Wahlen die mit Abstand zweitstärkste Partei wurde. Um ihre Chancen auf Wiederwahl zu stärken, gab sich Labour im Februar 2000 ein neues Logo "Welsh Labour - the True Party for Wales". Es geht für Labour in den kommenden zwei Jahren bis zur Wahl 2003 darum, die Menschen davon zu überzeugen, dass die Politik der Kammer ihnen auch tatsächlich nutzt. Insofern wird für den Ausgang der Wahl entscheidend sein, welche Fortschritte bis dahin in den zentralen Bereichen Gesundheit, Bildung und wirtschaftliche Entwicklung erzielt werden können. "Plaid Cymru" steckt insofern in einem Dilemma, als es dieser Partei schwer fällt, ein eigenes Profil ZU entwickeln. "Plaid Cymru" will in der öffentlichen Wahrnehmung nicht in einem Atemzug mit der konservativen Opposition genannt werden, muss aber auch darauf achten, in einigen Punkten ihr spezifisch nationales Profil zu schärfen. Das Hauptziel, welches sie von allen in der Kammer vertretenen Parteien unterscheidet, ist nach wie vor die nationale Unabhängigkeit in einer reformierten Europäischen Union. Der im August 2000 gewählte neue Vorsitzende, Ieuan Wyn Jones, bringt die Vorstellungen seiner Partei wie folgt auf den Punkt: "I believe that to secure fuH national status within the European Union would be an accurate description of our aspiration in the modern world. If secured now it would give us the same status as say Ireland or Denmark. In the future, much will depend on how the European Union evolves. In any event, we must aspire to whatever status that will best enable Wales to fuHy deveiop our potential as a nation. ,,531 530 Vgl. für eine VoHtextabfrage sämtlicher "statutory instruments": www.waleslegislation.hmso.gov.uk.

III. Wales

217

Die Konservativen beschränken sich bisher darauf, die Rolle der einzig verbliebenen echten Opposition zu spielen. Die Liberaldemokraten sind seit Oktober 2000 in einen Koalitionsvertrag mit Labour eingebunden, der ihnen aufgrund ihrer Größe jedoch keinen großen eigenen Spielraum lässt. Sie sind daher zumeist auf die Rolle des Mehrheitsbeschaffers reduziert. Eine Umfrage unter der walisischen Bevölkerung im Juli 2000 ergab eine steigende Zustimmung für Labour und "Plaid Cymru", eine fallende Zustimmung für die Konservativen sowie einen dramatischen Einbruch bei den Zustimmungswerten für die Liberaldemokraten. 532 Trotz der Startschwierigkeiten und des schwachen Presseechos unterstützt nach wie vor eine Mehrheit der Waliser die Kammer. Im März 2000 sprachen sich insgesamt 53 % der Befragten für die Beibehaltung der Kammer aus, nur 36% für deren Abschaffung. 533 In einer weiteren Umfrage sprachen sich im Sommer 2000 immerhin 43 % der Befragten dafür aus, der Kammer legislative Kompetenzen zu übertragen. Im Gegenzug waren nur 28 % der Befragten der Meinung, dass die Kammer mit den gegenwärtigen Kompetenzen weiterarbeiten solle. Diese Ergebnisse zeigen, dass sich die Zustimmung zum Prozess der "Devolution" dem Grunde nach nicht geändert hat. Nach wie vor ist die Mehrheit der Befragten der Ansicht, dass die Einrichtung der Kammer ein richtiger Schritt war. Dies ist aus der Sicht der Unterstützer umso erfreulicher, als die Kammer an einem Kommunikationsdefizit leidet. Dieses ist bedingt durch die Struktur der Medien in Wales. Bis auf die Tageszeitung "Western MaiI", deren Verbreitung auch nur sehr schwach ist, existiert derzeit in Wales keine "seriöse" Tageszeitung. Der Zeitungsmarkt wird weitgehend von Boulevardblättern und den englischen Tageszeitungen beherrscht. Meldungen über die Kammer finden sich in den Boulevardblättern nur, wenn sich hieraus auf dem Skandalmarkt Kapital schlagen lässt, und das Interesse der überregionalen Zeitungen an den Details der Arbeit der Kammer ist gering. Die drei walisischen Fernsehsender - BBC Wales, S4C und HTV - zeigen zwar Interesse an manchen Debatten, räumen der Berichterstattung über die Arbeit auch einen gewissen Raum ein, schaffen es jedoch nicht, die Menschen mit vertieften Hintergrundinformationen zu versorgen. Die Medien in England, an der Spitze die BBC, räumen der Berichterstattung über Wales nur ebenfalls minimal Zeit ein. Wird ein Thema diskutiert, geschieht dies meist eher unsachlich oder gar polemisch. Nachdem der "First Secretary" Rhodry Morgan im August 2000 auf BBC 2 während ei531 leuan Wyn Jones, A New Leader for a New Era, Leadership Election Statement, Juli 2000 (zu beziehen über: www.plaidcymru.org). 532 Vgl. zu den genauen Ergebnissen Osmond, in: Hazell (2000), S. 64. 533 Osmond, in: Hazell (2000), S. 65.

218 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

nes Interviews mit einem sehr tendenziösen Bericht über die Arbeit der Kammer konfrontiert worden war, machte er einige Tage in einem Zeitungsartikel seiner Verärgerung über die Medien folgendermaßen Luft: "Their choice of politicians to interview was odd, with two die-hard anti-devolutionists like Llew and Helen Mary lones, who favours independence. People in England would have seen two people, both of whom don't seem happy about devolution. The report implied that most people are fed up the Welsh Assembly. In fact, as the recent HTV poIl showed, the attitude to the Assembly is quite positive. If anything, a lot of people think it should have more powers. Not only was the Newsnight piece a stitch-up, but it was badly stitched (... ).,,534

k) Stellungnahme

Vergleicht man die Beurteilungen, die bezüglich der Arbeit des schottischen Regionalparlamentes abgegeben worden sind, und die kritischen Stimmen, die sich mittlerweile bezüglich der Arbeit der Kammer in Wales zu Wort gemeldet haben, so fallen in beiden Fällen gewissen Startschwierigkeiten ins Auge. Für alle Beteiligten waren die Arbeitsabläufe und Strukturen neu, es gab letztlich keine Vorbilder. Im Falle der Kammer in Wales kommt noch hinzu, dass ihre Kompetenzen deutlich hinter den Kompetenzen des Parlamentes in Schottland zurückbleiben. Insofern hatte es die Kammer doppelt schwer, sich in der Außenwahrnehmung entsprechend deutlich zu positionieren. Umso erstaunlicher ist es, dass die Menschen keineswegs aus Desinteresse oder aufgrund des Verdachts größerer Geldverschwendung der Kammer den Rücken gekehrt haben, sondern nach wie mehrheitlich die Arbeit unterstützen und zu einem nicht geringen Teil auch die Übertragung von echten legislativen Kompetenzen befürworten. Im Gegensatz hierzu ist "Plaid Cymru" bisher nach wie vor die einzige Partei, die sich als Fernziel die Unabhängigkeit des Landes auf ihre Fahnen geschrieben hat. Dieses Ziel hindert "Plaid Cymru" jedoch nicht daran, trotzdem zum jetzigen Zeitpunkt konstruktiv an der Lösung der gemeinsamen Aufgaben zum Wohle der Menschen in Wales mitzuarbeiten, und sei es auch unter dem Risiko, dabei an Schärfe und Profil zu verlieren. Anders als in Westminster geht es in der Kammer um die Sache, um das gemeinsame Ziel, das Beste für das Land und die Menschen zu erreichen. Dass hierbei die Arbeit durch das enge Korsett des "Wales Act 1998" und die entsprechenden Geschäftsordnungen oftmals mehr behindert als gefördert wird, ist ein Feld, dass dem Grunde nach analysiert ist, dessen Lösung jedoch noch aussteht.

534

Wales on Sunday, 13. August 2000.

IV. England

219

Insofern bietet es sich an, hier nochmals auf den Beginn zurückzukommen, nämlich auf die Aussage Osmonds, dass die Kammer letztlich eine "constitutional convention by other means" sei. Sie kann und soll in ihrer derzeitigen Verfasstheit nur am Beginn eines Prozesses stehen, an dessen Ende entweder ein föderal verfasstes Großbritannien stehen wird oder sich die Nationalstaaten heutigen Zuschnitts in einem Europa der Regionen aufgelöst haben werden.

IV. England England is hardly mentioned in the devolution legislation, and yet England is, in many respects, the key to the success of devolution. (Vemon Bogdano,.s35)

1. EiIÜührung

Der Titel dieser Arbeit lautet "Regionalismus in Großbritannien - kulturwissenschaftlich betrachtet". Das Vereinigte Königreich besteht heute im Kern aus England, Schottland, Wales und Nordirland. 536 Aus dem kurzen Überblick über die schottische Geschichte bis zum Jahr 1707 ist deutlich geworden, dass diese ohne die Geschichte und geschichtlichen Entwicklungen in England einen vollständig anderen Weg genommen hätte. Durch die "Acts of Union" im Jahr 1707 wurde Schottland formal mit England zu einer Union vereinigt; die wesentlichen Verfassungsdokumente, die bis heute Gültigkeit haben, sind damit auch Teil der schottischen Geschichte und des schottischen Rechtssystems geworden. Für Wales gilt das gleiche, nur mit dem Unterschied, dass die gemeinsame Geschichte mit England bereits 170 Jahre früher begonnen hat. Daher ist es wichtig, eine Analyse der wichtigsten Quellen der britischen (englischen) Verfassung unter der Fragestellung vorzunehmen, ob und inwieweit in diesen Quellen Bezug genommen wird auf Unterschiede beziehungsweise Gemeinsamkeiten zwischen den vorbenannten Gliedern des Vereinigten Königreiches und ob und inwieweit sich hieraus dann gegebenenfalls für diese Glieder Erkenntnisse für und Ansprüche auf eine vertiefte regionale Selbständigkeit ableiten lassen. Großbritannien besitzt keine in einer Urkunde zusammengefasste Verfassung. Die Neugliederung eines Landes in Regionen mit exekutiven wie legislativen Kompetenzen spielt jedoch staats- und verfassungsrechtlich eine 535 536

Bogdanor (1999).

Vgl. oben Kapitel A, Fußnote 1.

220 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

wichtige Rolle, ändert es doch die Machtverhältnisse und Zuständigkeiten teilweise erheblich. Insofern lohnt ein Blick auf die vorhandenen Quellen des Verfassungsrechtes auch Unter dem Blickwinkel, ob und inwieweit sich überhaupt Ansätze ableiten lassen, die auf eine partielle Selbständigkeit einzelner Landesteile verweisen und damit von verfassungsrechtlicher Seite des Prozess der Regionalisierung decken.

a) Magna Charta Libertatum vom 15. Juni 1215537 Den politischen und historischen Hintergrund für die Magna Charta bilden Auseinandersetzungen zwischen König Johann I. VOn England (11991216) und den geistlichen und weltlichen Fürsten des Reiches. 538 Das Ziel der Verhandlungen bestand darin, zum einen die Machtbefugnisse des Königs, die immer weiter ausgedehnt worden waren, zu beschneiden und damit zu einer institutionellen Reform des Reiches zu gelangen. Der König war durch verschiedene Niederlagen und den Kampf um das französische Thronerbe sowie ein zwischenzeitliches Zerwürfnis mit dem Papst geschwächt. Die Gunst der Stunde nutzten der geistige wie weltliche Adel, um dem König erhebliche Rechte abzutrotzen. Dazu zählen Bestimmungen über eine Reform des Lehnsrechtes wie über die "Reform" des Strafprozesses (Ziff. 20, 21, 38, 39, 40), Bestimmungen über die Ein- und Ausreise VOn Kaufleuten (Ziff. 41), zum Beamtenrecht (Ziff. 45) als auch Bestimmungen über die Vereinheitlichung von Maßen und Gewichten. Gleich in Ziffer 1 garantiert die Charta der englischen Kirche umfassende Freiheit und eigene Jurisdiktion. Unter regionalistischen Gesichtspunkten enthält die Magna Charta keine Bestimmungen, die direkt auf eine irgendwie geartete territoriale Gliederung Bezug nehmen. Allerdings enthält die Vorschrift (Ziff. 61), die die Umsetzung der Reformen vorschreibt, Ansätze, die später in einem englischen Parlament mÜnden. Danach sollen aus dem Kreis der Barone diese 25 beliebige Barone des Königreiches auswählen, die ,,( ... ) verpflichtet sein sollen, den Frieden und die Freiheiten, die Wir Ihnen durch diese gegenwärtige Charta zugestanden und bestätigt haben, zu beachten und einzuhalten und dafür Sorge zu tragen, dass sie beachtet werden (... ).539

Kommt der König dem Antrag nicht nach, unterwirft er sich sogar Zwangsmaßnahmen. Damit erkennt der König erstmals an, dass seine Gewalt nicht absolut, sondern wegen eines festgeschriebenen Verfahrens kon537 538 539

Statute 25 Edw. 1, 1297. Vgl. Wende (1995), S. 42 ff. Zitiert nach Mayer-Tasch (1975), Magna Charta, Ziff. 61.

IV. England

221

trollierbar und seine Einhaltung der Garantien auch durch Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden können. Der Geltungsbereich der Magna Charta erstreckt sich auf das damalige englische Königreich. Schottland ist damit zu diesem Zeitpunkt nicht von der Geltung erfasst; in der Unionsakte von 1707 finden sich explizit keine Regelungen, wie mit den vorhandenen Verfassungsdokumenten umgegangen werden solle, ob und inwieweit sie nunmehr auch für Schottland Geltung haben sollten. Im Umkehrschluss zu den Regelungen in Art. XVIII der Unionsakte, der das öffentliche Recht künftig in die alleinige Kompetenz des nunmehr gemeinsamen Parlamentes legt und lediglich das schottische Straf- und Zivilrecht unangetastet lässt, ließe sich jedoch sagen, dass hier letztlich auch eine Adaption der bisher geltenden Vorschriften vorgenommen werden sollte. Dies entspricht auch ganz dem englischen Verständnis der Unionsakte, das, wie oben dargestellt, darauf abstellt, dass letztlich das englische Parlament weiterbestanden habe und das schottische Parlament beigetreten bzw. sich aufgelöst habe und die Abgeordneten dann durch das englische Parlament aufgenommen worden sind. 54o Demgegenüber ist nach schottischem Verständnis die Magna Charta zumindest formell nicht Teil des schottischen Rechts geworden. Gesetze des englischen Parlaments, die vor der Union von 1707 beschlossen und in Kraft getreten sind, sind nach dieser Auffassung von keinerlei Bedeutung für das schottische Rechtssystem, es sei denn, sie wurden wie etwa der "Treason Act 1351,,541 durch ein späteres Gesetz des dann gemeinsamen Parlamentes für wirksam erklärt. 542 Letztlich ist diese Unterscheidung heute nur noch von untergeordneter praktischer Bedeutung, da die in der Magna Charta verbrieften Rechte mittlerweile in einer Vielzahl von Einzelgesetzen jedenfalls mit Gültigkeit für das gesamte Königreich erneut kodifiziert worden sind. Die Bedeutung der Magna Charta liegt daher in erster Linie in ihrer symbolischen Kraft, in ihrer Stellung als ältestes erhaltenes Verfassungsdokument Englands; die schottische Interpretation verwundert insofern nicht, als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Magna Charta an eine Union mit England in keiner Weise zu denken war, und ein großer Teil des schottischen Rechts- und Selbstverständnisses gerade auf den Unterschieden zum englischen System fußt. Die Ablehnung einer automatischen Sukzession sämtlicher Gesetze ist daher nachvollziehbar. 540 Zum Streit um die rechtliche Bedeutung der Unionsakte von 1707 vgl. Kapitel BIll b, C. 541 25 Edw. 3, c. 2. 542 Treason Act 1707,7 Anne, c. 21, § l.

222 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Wales wurde mit England erst durch die "Tudor Acts" aus den Jahren 1535/1542 verschmolzen. Art. 11 des Tudor Acts 1535 (Cap. XXVI - 1535) schreibt ausdrücklich vor, dass vom Inkrafttreten des Gesetzes an in Wales das gleiche Recht gelte wie in England; er schließt bestehendes Recht ausdrücklich mit ein. Damit wurde die territoriale Geltung der Magna Charta von diesem Moment an auf Wales erweitert. Alle in der Folgezeit verabschiedeten Gesetze und Verfassungsdokumente gelten damit automatisch sowohl in England als auch in Wales.

b) Petition of Rights vom 7. Juni 1628 Da die Könige Jakob I. und Karl I. neue finanzielle Mittel benötigten, um ihr Engagement im Dreißigjährigen Krieg fortzuführen, erhielt das Parlament Gelegenheit, fortgesetzte Kritik an der Amtsführung der Könige zu üben. Im Zuge dieser Kritik trotzte das Parlament im Jahre 1628 Karl I. die sog. "Petition of Rights" ab. Sie enthält im wesentlichen Zusagen, dass ohne Zustimmung des Parlamentes keine "Abgaben oder Beihilfen" durch den König erhoben werden dürfen, sowie dass Verhaftungen ohne Angabe des Grundes nicht mehr vorgenommen werden dürften. Zudem wurde die Anwendung des Kriegsrechtes im eigenen Land untersagt. Auch in diesem Dokument findet sich unter regionalistischen Gesichtspunkten wenig Brauchbares. Festzuhalten ist jedoch, dass gegenüber 1215 nunmehr zum einen ein echtes Parlament errichtet worden ist und dass dessen Stellung mittlerweile so stark geworden ist, dass es dem König erneut erhebliche Befugnisse abnehmen konnte. Dies führte zu einer Eindämmung des drohenden monarchischen Absolutismus durch eine künftige finanzielle Abhängigkeit der Krone vom Steuerbewilligungsrecht des Parlaments sowie eine Bindung der königlichen Gewalt an das Recht. Hier liegen die Wurzeln des modernen parlamentarischen Rechtsstaates in Großbritannien. Bezüglich der Weitergeltung in Schottland nach dem "Act of Union 1707" gilt hier das bereits zur Magna Charta gesagte. Es handelt sich bei den königlichen Zugeständnissen in der "Petition of Rights" im Wesentlichen um künftige Rechte des Parlamentes. Da das englische Parlament nach der vorherrschenden englischen Ansicht nicht aufgelöst worden ist, sondern nur den Namen gewechselt und zudem noch schottische Abgeordnete aufgenommen hatte, gingen sämtliche Recht und Pflichten des vorherigen englischen Parlamentes auf das nunmehr gemeinsame Parlament über. 543 543

Vgl. zu dieser Diskussion schon oben Kapitel BIll c.

IV. England

223

Da im Jahr 1628 die staatsrechtliche Inkorporation Wales abgeschlossen war, erstreckt sich die Geltung der "Petition of Rights" auch auf das Gebiet von Wales. c) Habeas-Corpus-Akte von 1679

Durch die Habeas-Corpus-Akte wurde ein umfassender Schutz jedes Engländers vor willkürlicher Verhaftung erreicht. Danach durfte fortan eine Verhaftung nur noch durch einen ordnungsgemäßen richterlichen Befehl erfolgen, und der Verhaftete erhielt einen Anspruch, innerhalb von 24 Stunden dem Richter vorgeführt zu werden. Unter regionalistischen Gesichtspunkten spielt auch die Habeas-CorpusAkte keine Rolle. Zur Geltung in Schottland und Wales gilt das soeben zur "Petition of Rights" gesagte. d) Declaration 0/ Rights vom 13. Februar 1688/ Bill 0/ Rights vom 23. Oktober 1689

Mit der "Bill of Rights" erhält die "Dec1aration of Rights" vom Februar 1688 Gesetzeskraft. Die "Dec1aration of Rights" war die Antwort des Parlamentes auf die Politik Jakobs 11. von England, der mit Hilfe von ihm bestellter Ratgeber, Richter und Untergebenen versucht hatte, die protestantische Religion und die Gesetze und Freiheiten des Königreiches zu untergraben. Nachdem er während der "Glorious Revolution" 1688 vom Parlament abgesetzt worden war und ins Exil nach Frankreich geflohen war, erließ das Parlament die "Dec1aration of Rights", mit der weitere Beschränkungen der Macht der Krone verbunden waren. Am 23. Oktober 1689 wurde sie Gesetz. 544 544 Die "Bill of Rights" enthält im Wesentlichen die folgenden 13 Bestimmungen: (I) der König darf ohne Zustimmung des Parlamentes keine Gesetze aussetzen; (2) die angemaßte Befugnis, von der Einhaltung von Gesetzen zu entbinden, ist ungesetzlich; (3) willkürliche Gerichtshöfe sind ungesetzlich; (4) die Erhebung von Geldern für die Krone ohne Zustimmung des Parlamentes ist nicht gestattet; (5) alle Untertanen haben das Recht, ohne Furcht vor Verfolgung Petitionen an die Krone zu richten; (6) die Unterhaltung eines stehenden Heeres ohne Zustimmung des Parlamentes ist ungesetzlich; (7) es ist Protestanten erlaubt, Waffen zu tragen; (8) die Wahl der Parlamentsmitglieder ist frei; (9) Freiheit der Rede im Parlament (Indemnitätsprinzip);

224 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Der englischen "Bill of Rights" entspricht im Wesentlichen der vom schottischen Parlament 1689 beschlossene "Scottish Claim of Right".545 Auch er wurde infolge der "Glorious Revolution" und dem Sturz des schottischen Königs James VII. erlassen. Der infolge der Revolution nunmehr auf den Thron gekommene König William akzeptierte die Beschränkungen der königlichen Privilegien. Die Bedeutung der "Bill of Rights" bzw. des schottischen Pendant liegt darin, dass hier in England und Schottland der Wechsel vom Absolutismus zu einer parlamentarischen Monarchie vollzogen wurde. Das Parlament war nunmehr nicht mehr vom Willen des Königs abhängig, und seine Rechte wurden nochmals empfindlich eingeschränkt. Innerhalb Wales erhielt die "Bill of Rights" mit ihrer Verabschiedung Gesetzeskraft.

e) Act 0/ Settlement 1701 546 Durch den "Act of Settlement" von 1701 wurde durch das englische Parlament eine erneute Regelung der protestantischen Erbfolge vorgenommen; dazu wurde festgelegt, dass jeder Monarch in Zukunft der "Gemeinschaft der Kirche von England", also der anglikanischen Kirche angehören muss. Die Thronfolge stehe ausschließlich Mitgliedern des Hauses Hannover zu. Das schottische Parlament fasste hierzu keinen eigenen Beschluss; es ließ die Nachfolgefrage offen. Damit bestand für England die Gefahr, dass Schottland nach dem Tod der kinderlosen Königin Anne, einer Tochter Jakobs 11., eine katholische Restauration versuchen könnte. Dies förderte die Bereitschaft des englischen Parlamentes, mit dem schottischen Parlament in Verhandlungen über eine staatsrechtliche und politische Union einzutreten. Die von Königin Anne 1702 eingeleiteten Unionsverhandlungen scheiterten jedoch zunächst. 547 Das 1703 neu gewählte schottische Parlament zeigte zunächst wenig Interesse, auf das Angebot zu Verhandlungen einzugehen. Vielmehr (10) es dürfen weder übennäßige Bürgschaftsleistungen noch übennäßige Geldstrafen noch grausame Strafen auferlegt werden; (11) die Geschworenen sollen ordnungsgemäß in Listen aufgenommen werden und ausgewechselt werden; (12) alle Zusagen und Versprechungen aus Geld- und Verfallstrafen sind vor einem Urteil ungesetzlich und nichtig; (13) zur Abhilfe aller Mißstände und zur Änderung, Bestätigung und Aufrechterhaltung der Gesetze werden häufig Parlamentssitzungen abgehalten. 545 APS IX, 38. 546 12 & 13 Will. 3, c. 2. 547 Brown (1971), S. 42 ff.

IV. England

225

erließ es eine Reihe von Gesetzen, die sich direkt oder indirekt gegen England richteten. 548 Dazu zählt der "Anent Peace and War Act", durch den das schottische Parlament seine Zustimmung zu solchen Kriegserklärungen, Friedensverträgen und Handelsabkommen verlangte, die auch für Schottland verbindlich sein sollten. Durch ein anderes Gesetz erlaubte das schottische Parlament die Einfuhr französischen Weins nach Schottland, obwohl sich England gerade im Krieg mit Frankreich um die spanische Erbfolge befand. Nochmals zugespitzt wurde die Situation, als das schottische Parlament 1704 den "Act for the Security of the Kingdom" verabschiedete. 549 Dieser Akt war gegen den englischen "Act of Settlement" gerichtet, da sich das schottische Parlament hierin die Befugnis gab, nach dem Tod von Königin Anne einen anderen als den englischen Thronfolger zum König zu wählen, sofern nicht bis zu diesem Zeitpunkt Gesetze in Kraft getreten seien, die die Stellung der schottischen Kirche und anderer schottischer Institutionen sichern, Garantien bezüglich schottischer Handelsinteressen enthalten sollten und vom englischen Parlament "a free communication of trade, the freedom of navigation, and the liberty of plantations" zugestanden worden seien. 55o Auf diese Forderungen reagierte das englische Parlament mit dem "Alien Act" von 1705.551 Sein Zweck bestand darin, das englische Königreich vor den neuerlichen Anfechtungen durch das schottische Parlament zu schützen: "An Act for the effectual securing of the Kingdom of England from apparent dangers that may arise from several Acts lately passed in the Parliament of Scotland."

Für den Fall, dass sich das schottische Parlament der Erbfolgeregelung im "Act of Settlement" nicht anschließe, wurde den schottischen Bürgern angedroht, dass sie den Status der Gleichberechtigung in England verlieren sollten und zudem die Einfuhr von Vieh, Kohle und Leinen aus Schottland verboten werden solle. Bevor es zu einem Krieg der Parlamente kam, setzten sich in beiden Häusern die vermittelnden Parteien durch. Dadurch kam es 1706 zur erneuten Aufnahme von Unionsverhandlungen, die im Entwurf eines Unionsvertrages mündeten. 552

548

549 550 551 552 15 Mey

Malanczuk (1984), S. 36; Pryde (1962), S. 51 f. A.P.S. XI, 130 ff. Zitiert nach: Malanczuk (1984), S. 37; vgl. auch Thomson (1938), S. 254. 3 & 4 Anne, c. 6. Vgl. hierzu Brown, S. 110 ff.

226 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

2. Die Geschichte des "Regionalismus" in England Da der Schwerpunkt der Analyse auf den Entwicklungen in Wales und Schottland liegt, soll an dieser Stelle nur kurz auf die geschichtliche Entwicklung des Regionalismus im "Kernland" des Vereinigten Königreiches, in England, eingegangen werden. 553 Erste ernstzunehmende Ansätze einer regionalen Verwaltungsgliederung können in England erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts beobachtet werden. Zuvor gab es weder von Seiten der Zentralregierung in London noch von Seiten einzelner Landesteile ein Interesse, Zuständigkeiten auf regionaler Basis abzuwickeln. Während der ersten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts wurden verschiedentlich Entwürfe zu einer umfassenden Neugliederung des Staats- und Verwaltungssystems unterbreitet, ohne jedoch in die Praxis umgesetzt zu werden. 554 Während des 1. Weltkrieges wurde es notwendig, die Produktion, Verteilung und Versorgung im ganzen Land sicherzustellen. Zu diesem Zweck wurden regionale Diensstellen und Ausschüsse eingeführt, die vor Ort die logistischen Probleme lösen sollten. 555 Mitte der zwanziger Jahre kann zum ersten Mal so etwas wie ein systematischer Ansatz zur Umsetzung einer Regionalverwaltung beobachtet werden. 1925 wurden England und Wales in zehn Regionen aufgeteilt; die "Civil Commissioners" waren beauftragt, für die Aufrechterhaltung der Kommunikation, der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und Energie sowie der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung im Krisenfall zu sorgen. In enger Zusammenarbeit mit dem "local government" sollte so ein Mechanismus geschaffen werden, der es im Krisenfall erlaubte, schnell und flexibel auf die Bedürfnisse im Lande reagieren zu können. 556 Einen wesentlichen Einschnitt für die Entwicklung regionaler Strukturen in England bedeutete die Einführung des Zivilverteidigungssystems während des 2. Weltkrieges. England wurde in insgesamt zehn Regionen eingeteilt; sie standen unter der Leitung jeweils eines "Regional Commissioners", der erhebliche administrative Kompetenzen erhielt. 557 Er hatte die wichtige Aufgabe, im "Ernstfall", der jedoch nie eintrat, die volle Verantwortung über die Regierungs- und Verwaltungs stellen zu übernehmen, die mittlerweile durch die meisten Ministerien innerhalb dieser Regionen gebildet worden waren. Obwohl dieses System unmittelbar nach dem Krieg wie553 Vgl. S. 162 ff. 554 Smith 555 Smith 556 Smith 557 Smith

hierzu die ausführliche Zusammenfassung bei Malanczuk (1984), (1965b), (1965a), (l965a), (1965a),

S. S. S. S.

7 ff. 9 ff. 10. 12 f.

IV. England

227

der abgeschafft worden war, da das "local govemment" um seine eigenständigen Kompetenzen besorgt war, wird es doch im Rückblick als erster Ansatz einer systematischen Regionalgliederung Englands gesehen. 558 Obwohl formal aufgelöst, wurden die gerade erste aufgebauten Außenstellen der Ministerien beibehalten. Dies erwies sich auf unter dem Gesichtspunkt des Wiederaufbaus nach dem Krieg als durchaus sinnvoll. 1946 wurde ein System von insgesamt neun "Standard Regions" entworfen, denen sich die Ministerien anpassen mussten. Ausgenommen wurden jedoch die "quangos", deren Zuständigkeit nach wie vor unabhängig von den Grenzen der "Standard Regions" waren. Während der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden unter der Herrschaft der konservativen Regierung viele der ministeriellen Außenstellen wieder aufgelöst, da zum einen ein erheblicher Zwang zu Einsparungen innerhalb der Einzelhaushalte der Ministerien bestand, zum anderen ein radikaler Abbau der staatlichen Wirtschaftskontrolle erfolgte. 559 Darüber hinaus zeigte sich hier bereits ein grundsätzliches Misstrauen der Konservativen gegen zu starke regionale Eigenständigkeit. Da die Region als Ebene effektiver Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben nun jedoch ihre Tauglichkeit grundsätzlich unter Beweis gestellt hatte, führte die Labour-Regierung 1964 ein System von zunächst sechs, ein Jahr später dann acht "planning regions" ein. 56o Ihr Hauptzweck war es, die Grundlage dafür zu schaffen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in allen Landesteilen gefördert werden könne; dafür schien es sinnvoll, in allen Teilen des Landes unter gleichen Regeln Institutionen zu schaffen, die eine gerechte und nachhaltige Verteilung der knappen Ressourcen garantieren könnten. 561 Um diesen Anforderungen nachkommen zu können, wurden sogenannte beratende "Regional Econornic planning Councils" eingesetzt, die jedoch 1979 im Zusammenhang mit der schon erwähnten Reduzierung der quangos unter der Thatcher-Regierung wieder abgeschafft wurden. 562 Ihre Funktion ähnelte den unten zu besprechenden "Regional Chambers", die nunmehr seit Ende 1998 wieder existieren. Sie sollten in beratender Funktion bei der Umsetzung der Regionalpläne mitwirken. Auch ihre Zusammensetzung ähnelte stark den heutigen "Regional Chambers"; die Räte bestanden aus VerVgl. hierzu die Analyse in Taylor (1979), S. 690 ff. Malanczuk (1984), S. 164. 560 Diese waren (in Klammem der Sitz der Verwaltungsorgane): South West (Bristol), South East (London), West Midlands (Birmingham), East Midlands (Nottingham), East Anglia (London), North West (Manchester), Yorkshire and Humberside (Leeds), Northem (Newcastle). 561 HansonfWalies (1980), S. 256. 562 HansonfWalies (1980), S. 193. 558

559

15*

228 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

tretern des "local government", der regionalen Wirtschaft, der Gewerkschaften und der Bildungseinrichtungen. Sie wurden durch den zuständigen Minister des "Departement of Economic Affairs", später durch den Minister des "Departement of the Environment" ernannt. Daneben wurden sogenannte "Regional Economic Planning Boards" geschaffen; diese sollten dazu dienen, diejenigen Aktivitäten und Aufgaben der Ministerien zu koordinieren, die einen Regionalbezug haben. Mitglieder waren leitende Beamte der ministeriellen Außenstellen, die mit Aufgaben der Regional- und Wirtschaftsplanung befasst waren. Festzuhalten bleibt, dass bereits Mitte der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts versucht wurde, ein gewisses Maß an Dezentralisierung in die Region hinein durchzuführen. Es hatte sich zu diesem Zeitpunkt die Erkenntnis durchgesetzt, dass Regionalplanung und damit regionale Wirtschaftsförderung nur dann sachgerecht durchgeführt werden kann, wenn zumindest ein Minimum an Beteiligung durch die betroffene Region stattfindet. Als Instrument der Wirtschaftsplanung habe dieses System jedoch versagt. 563 Gründe hierfür liegen in dem nicht geklärten Verhältnis zur Kommunalverwaltung. Die Regionalplanung und ihre sie begleitenden Institutionen sollten ohne Einbeziehung des "local government" erfolgen und arbeiten. Folge der Arbeit dieser Institutionen war jedoch, dass hier planungsrechtliche Vorgaben entwickelt wurden, die dann durch das "local government" umgesetzt werden mussten. Dies führte zu Kollisionen mit den dem "local government" obliegenden Aufgaben der Stadt- und Raumplanung. 564 Zudem reagierte das "local government" sehr zurückhaltend auf regionalistische Tendenzen, befürchtete es doch nicht ganz zu Unrecht eine damit einhergehende Beschneidung von Kompetenzen. 565 Angeregt wurde hierdurch in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts schon die Debatte um gewählte regionale Kammern oder Parlamente. 566 Die Argumente, die damals von den Befürwortern einer vertieften Regionalisierung vorgebracht wurden, erinnern stark an die heute ebenfalls wieder zu diesem Thema geführte Debatte. Es gab diejenigen, die eine Reaktion auf gewachsenes Regionalbewusstsein forderten 567 , diejenigen, die die lokalen Einheiten für zu klein erachteten, um gewissen gewachsenen Aufgaben der Daseinsvorsorge Herr zu werden568 , oder auch diejenigen, die aus generellen staats- und demokratierechtlichen Überlegungen heraus die 563 564 565 566

567 568

Johnson (1981), S. 15. Buxton (1973), S. 171 ff. Jackson (1976), S. 21 f. Malanczuk (1984), S. 169. Vgl. hierzu die Literatumachweise bei Malanczuk (1984), S. 3, Fn. 12. Harvey/Bather (1977), S. 463 ff.

IV. England

229

Einführung einer weiteren demokratisch legitimierten Verwaltungsebene forderten. 569 Die darautbin eingesetzte "Royal Commission on Local Government in England", die sogenannte Redcliffe-Maud-Kommission, vertrat in ihrem Abschlußbericht die Auffassung, die "planning regions" in acht Provinzen umzuwandeln. In diesen Provinzen sollten "provincial councils" eingerichtet werden, deren Mitglieder jedoch nicht direkt vom Volk gewählt werden sollten, um die Stellung des "local government" nicht zu schwächen. Dessen Stellung sollte sogar noch gestärkt werden durch die Möglichkeit, die Mehrzahl der Repräsentanten in diesen Räten zu bestimmen. 57o Die Hauptkompetenzen sollten im Bereich der regionalen Wirtschaftsplanung liegen und auch gewisse Aufgaben aus den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur mit einschließen. Eine Umsetzung dieser Vorschläge erfolgte nicht. Vielmehr wurde eine genaue Prüfung mit dem Argument versagt, dass man erst die Ergebnisse der Kilbrandon-Kommission abwarten müsse. So wurden 1972 umfassende Reformen des "local government" verabschiedet, ohne die Vorschläge der Redcliffe-Maud-Kommission in irgendeiner Weise aufzugreifen. Die 1974 dann wieder an die Macht gekommene Labour-Regierung sah sich ebenfalls außerstande, offensiv für die Verwirklichung dieser Vorschläge einzutreten. In den folgenden Jahren wurden die Idee des "single regional level of government" nochmals durch Redcliffe-Maud sowie Wood aufgegriffen, die 1978 prophezeiten: "No one can do more than speculate about the prospects of one emerging before the end of the century but there are good grounds for expecting some significant developments. ,,571

Es bedurfte weiterer 20 Jahre, um diese Voraussage wahr werden zu lassen. Und, nicht nur die Voraussage, sondern auch die Umsetzung der Vorschläge der Kommission. 3. Aktuelle Tendenzen einer verstärkten Regionalisierung in England572 Nimmt man die Eingangs zitierten Worte Bogdanors ernst, so kann und wird der Prozess der Regionalisierung nur Erfolg haben, wenn England HarveylBather (1977), S. 465. Report of the Royal Commission on Local Government in England, Cmnd. 4040, para. 283. 571 Redcliffe-MaudlWood (1978), S. 155. 569

570

230 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

ebenfalls mit festen, demokratisch legitimierten regionalen Parlamenten oder Kammern in die Regionalstruktur des Vereinigten Königreiches eingebunden wird. 573 Dies schon deshalb, weil England sowohl territorial als auch vom Bevölkerungsanteil her gesehen den weitaus größten Teil des Königreiches bildet. Angesichts der derzeitigen Überrepräsentation schottischer Parlamentarier im Unterhaus, der zeitweiligen Fixierung der Innenpolitik auf die Durchsetzung der Reformen in Schottland, Wales und Nordirland sowie der jetzt geschaffenen Möglichkeit, tatsächlich "vor Ort" Aufgaben wahrnehmen und konkrete Ergebnisse kommunizieren zu können, was zuvor allenfalls durch quangos oder andere direkt der Zentralregierung unterstehende Beamten möglich war, verwundert es nicht, dass der Innenminister Jack Straw Anfang 2000 ein zunehmendes englisches "National"Bewusstsein zu erkennen glaubte. 574 England selbst wird von außen sehr häufig als weitgehend homogenes Gebilde gesehen. Historisch gesehen verlief die Entstehung Englands auch weitgehend homogen; landsmannschaftliche Besonderheiten, bedingt durch historische, geographische oder religiöse Besonderheiten existieren zwar, prägen aber das Bewusstsein der Bevölkerung nicht derart, dass sich innerhalb Englands natürliche Grenzen aufgrund dieser Besonderheiten geradezu aufdrängen würden. Die im vorgehenden Kapitel beschriebenen Grenzen zwischen den "Standard Regions" gründeten weniger auf gewachsenen historischen oder kulturellen Grenzen als vielmehr auf zentraler administrativer Planung. Insofern gibt es zwei Möglichkeiten, innerhalb Englands eine funktionierende Regionalstruktur zu errichten: Entweder die Einrichtung eines englischen Parlamentes oder die Einrichtung regionaler Kammern, etwa ausgerichtet an den derzeitigen Grenzen der "Regional Development Agencies". Die erste Alternative wird in zwei Varianten diskutiert: entweder anstelle des heutigen Parlamentes in Westminster oder zusätzlich, spiegelbildlich zum Parlament in Edinburgh. 575 Kritisiert werden derartige Pläne mit dem Argument, dass aufgrund der beschriebenen Größe Englands hier letztlich nur die Dominanz Westminsters in eine Dominanz des englischen Regionalparlamentes umgewandelt würde, was zu keiner echten Stärkung der übrigen Landesteile führen würde. 576 572 Vgl. hierzu auch die vierteljährlichen Berichte von Tomaney/Hetherington, zuletzt Februar 2001; zu den Entwicklungen unter der konservativen Regierung bis 1997: Hogwood (1995). 573 Bradbury/Mawson, S. 180 ff., auch: S. 273 ff. 574 Vgl. Guardian vom 1l. Januar 2000. 575 Vgl. hierzu: Tomaney, in: Hazell (2000), S. 118. 576 Tomaney, in: Hazell (2000), S. 118.

IV. England

231

Innerhalb der derzeit noch regierenden Labour-Administration scheint sich die Überzeugung durchgesetzt zu haben, dass regionale Kammern jedenfalls eher der Vorstellung echter Dezentralisation entsprechen würden. Die Zeitplan für die Umsetzung dieses Vorhabens wurde bereits zu Anfang der Regierungszeit auf mindestens zwei Legislaturperioden festgesetzt. 577 a) Regional Development Agencies

Als ersten Schritt baute die Regierung im April 1999 sogenannte "Regional Development Agencies" auf. 578 Diese sind: • South West of England Development Agency, • South of England Development Agency, • East of England Development Agency, • Advantage West Midlands, • East Midlands Development Agency, • North West Development Agency, • Yorkshire Forward, • One North East. Ihre Grenzen entsprechen, bis auf wenige Änderungen, im Wesentlichen den Grenzen der ehemaligen "Standard Regions". Erste Überlegungen der Labour-Party, auch innerhalb Englands administrative und gegebenenfalls auch legislative Regionalstrukturen zu schaffen, wurden bereits Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch John Prescott geäußert. Die jetzt umgesetzten Pläne für RDAs in England wurden bereits vor der Machtübernahme durch Jack Straw entwickelt. 579 Das Hauptergebnis dieser Untersuchungen war, dass sehr wohl eine Art Regionalstruktur auch innerhalb Englands existiere, dass die Aufgabenwahrnehmung jedoch zum Teil sehr unsystematisch und willkürlich sei und zudem jede Art der demokratischen Kontrolle und Legitimierung entbehre. Zu viele öffentliche Aufgaben würden durch "quangos" wahrgenommen. Dem gelte es Abhilfe zu schaffen, vor allem auch deshalb, da zum einen Wettbewerb zwischen den Regionen Innovationen schaffe und zudem die Umsetzung der Ziele der europäischen Regionalpolitik effizienter und damit auch effektiver werden könne. Tomaney, in: Hazell (2000), S. 121. Vgl. hierzu ausführlich: Research Paper 98/7 und, generell zu Fragen des "Regional Government in England", Research Paper 98/9. 579 Vgl. hierzu: Labour Party (1995); Labour Party (1996); zum ganzen ausführlich: TomaneylHetherington (2001), S. 4 ff. 577

578

232 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Anfang 1997 fasste Labour diese Pläne in ihrem Wahl programm wie folgt zusammen: "The Conservatives have created a tier of regional govemment in England through quangos and govemment regional offices. Meanwhile local authorities have come together to create a more co-ordinated regional voice. Labour will build on these developments through the establishment of regional chambers to co-ordinate transport, planning, econornic development, bids for European funding and land use planning. Demand for directly elected regional govemment so varies across England that it would be wrong to impose a uniform system. In time we will introduce legislation to allow the people, region by region, to decide in a referendum whether they want directly elected govemment. Only where clear popular consent is established will arrangements be made for elected regional assemblies. ,,580

Kurz nach der Regierungsübernahme äußerte sich John Prescott hierzu erneut wie folgt: "The Govemment is committed to move to directly-elected regional govemment in England, where there is demand for, alongside devolution in Scotland and Wales and the creation of the Greater London Authority. But we are not in the business of imposing it.,,581

Auch hieran wird nochmals deutlich, dass die Regierung zwar grundsätzlich die Absicht hat, direkt gewählte Regionalkammern auch für England zu beschließen, dies jedoch keinesfalls gegen den Willen der Menschen im Land zu tun. Als erster Schritt auf dem Weg zur Regionalisierung Englands wurden schließlich im April 1999 die schon benannten "Regional Development Agencies" geschaffen. Sie werden überwiegend als Idee und politisches "Kind" von John Prescott angesehen. 582 Ihre Hauptaufgaben liegen zunächst offiziell darin, die ökonomischen Entwicklungsdefizite einzelner Regionen aufzudecken, zu analysieren und in Zusammenarbeit mit den übrigen RDAs sowie der Zentralregierung am Abbau dieser Defizite zu arbeiten. 583 Dazu sollen die RDAs intensiv mit der Wirtschaft zusammenarbeiten. Tatsächlich ist es derzeit so, dass die allermeisten Funktionen, die die RDAs ausüben, abgeleitete Kompetenzen des DETR sind. Dies führt dazu, dass im Tagesgeschäft die ursprünglich als Hauptaufgabe vorgesehene strategische Zusammenarbeit mit den übrigen RDAs eher in den Hintergrund tritt und sich die einzelnen RDAs hauptsächlich mit der Umsetzung lokal begrenzter Förderprogramme beschäftigen. Dies hängt insbesondere mit der 580 Zitiert nach: Tomaney, in: Hazell (2000), S. 120. 581 DETR (1997a), S. 7. 582 Tomaney/Hetherington (2001), S. 6. 583 Vgl. hierzu: DETR (1997b).

IV. England

233

Art der Finanzierung zusammen; zum einen ist das eigene Budget der RDAs sehr begrenzt (weniger als I % aller Ausgaben für Regionalentwicklung), zum anderen sind die RDAs überwiegend damit betraut, die Gelder, die durch zentralstaatliche Förderprojekte frei werden, in der Region einzusetzen. 584 Dementsprechend empfahl das ,,select Committee on Environment, Transport and Regional Affairs" bereits im Herbst 1999, den RDAs ähnlich wie dem Parlament in Schottland und der Kammer in Wales eine bestimmte Summe ("block grant") zur weitestgehend freien Verfügung zu überlassen. 585

Der Vorstand der einzelnen RDAs ist dem Innenminister direkt verantwortlich. Er besteht aus ca. 13 Mitgliedern, die wiederum alle bereits Funktionen in regionalen Organisationen oder quangos hatten. Zu ihnen gehören Vertreter lokaler Behörden und der privaten Wirtschaft, ein Vertreter aus dem Bereich Aus- und Fortbildung sowie ein Vertreter der Gewerkschaften. Die RDAs selbst sind aus bereits vorhandenen quangos gebildet worden (in erster Linie "English Partnerships" und der "Rural Development Commission") sowie einer Vielzahl von anderen Behörden und Institutionen, die sich der Regionalentwicklung verschrieben hatten. Vor der Errichtung der RDAs beschäftigten sich insgesamt zwei "Select Committees" mit den Fragen der praktischen Integration der RDAs in die vorhandenen Strukturen. Dabei wurde auf folgende Probleme hingewiesen: - die ungeklärte Kompetenzverteilung zwischen den RDAs und den vorhandenen regional Government Offices 586 ; - die ungeklärte Frage, welches Verhältnis die RDAs zu einer künftigen, wie auch immer gearteten Regionalkammer haben werden; - die sehr begrenzten Kompetenzen der RDAs; - die fehlende Möglichkeit, das knappe Budget aus eigenen Kräften aufzubessern sowie - die fehlenden Kompetenzen, in Schlüsselfragen wie Bildung und Ausbildung eigenständige Programme in die Wege leiten zu können. 587 Von den Konservativen als "super-quangos" geschmäht, werden sie doch zunehmend als Schlüssel gesehen, um das Tor zur Errichtung von gewählten Regionalkammern zu öffnen. 584 Vgl. die Übersicht über die finanzielle Ausstattung der einzelnen RDAs in: LGA 2000, DETR. 585 House of Commons (1999), para. 47. 586 Vgl. zu den Regional Government Offices eingehend: Hogwood (1995), S. 271 ff. 587 LGA 2000 (auch: Tomaney, in: Hazell (2000), S. 127).

234 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Darüber hinaus besteht ihr erster Verdient darin, zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte des Landes in jeder englischen "Region" eine Körperschaft unter Einbeziehung der regionalen Wirtschaft zu bilden, die unter Einschluss bereits vorhandener Körperschaften eben gerade kein "superquango" bildet, sondern sich tatsächlich der Absicht verschrieben hat, mit Hilfe einer individuell ausgearbeiteten "Regional Economic Strategy" (RES)588 die wirtschaftliche Entwicklung der Region massiv voranzutreiben und damit Ungleichheiten abbauen zu helfen. Die RDAs gelten heute schon als die wichtigsten Akteure in Fragen der Regionalentwicklung; es bleibt daher mit großem Interesse abzuwarten, welche Rolle sie in einem künftigen System der "English Devolution" übernehmen werden und ob auf ihrer Grundlage eines Tages tatsächlich englische Regionalkammern aufgebaut werden können. Während politische Beobachter innerhalb der Regierung entgegengesetzte Meinungen bezüglich der Intensivierung dieses angefangenen Prozesses ausmachen - auf der einen Seite Premierminister Blair als zumindest nicht offensiven Befürworter englischer Regionalkammern, auf der anderen Seite John Prescott sowie der ehemalige Minister für Umwelt, Transport und die Regionen, Richard Caborn, den Blair pikanterweise aufgrund seines wohl zu offensiven Auftretens in das "Departement of Trade and Industry" (DTI) versetzt hat - wächst offenbar der Druck in den "Regionen", sich endlich ernsthaft mit der Frage nach Regionalkammern auseinanderzusetzen. In einem Artikel im "Guardian" vom 26. Mai 2000 unterstützten einige bekannte Abgeordnete wie auch Regierungsmitglieder ausdrücklich diese Forderung. 589 Die derzeitige noch gültige offizielle Position der Regierung ist in einem Papier des "Departement of Environment, Transport and the Regions" (DETR) vom Juli 2000 festgehalten: "Labour recognises the legitimate aspirations of the English regions and believes that the essential next step for those regions which wish to do so should be facilitated towards fully fledged direcdy elected regional authorities which could help renew democracy, modemise the constitution and empower citizen. (... ) Labour intends, as soon as practicable, to move to direcdy elected regional government where and when there is a clear demand for it. The way forward will include proposals to: - request that the existing regional assemblies and chambers, working closely with the regional partners, develop detailed proposals for elected assemblies in their respective regions; (... ) 588 In der Literatur werden die RES hingegen als zu uniform kritisiert; die individuellen Eigenheiten und Erfordernisse der einzelnen "Regionen" seien eben gerade nicht ausreichend analysiert und berücksichtigt worden; vgl. zu diesen Diskusssionen Benneworth (2000), S. 22 ff.; Robson u. a. (2000). 589 The Guardian vom 26. Mai 2000, S. 3.

IV. England

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- development of regional govemance structures should not result in adding a new tier of govemment to the English system and would require a move to a predominantly unitary system of local govemment as presently exists in Scotland and Wales."s9o

Die Konservativen lehnen nach wie vor jede Art von verstärkter Regionalisierung in England ab. Ihr Ziel ist es vielmehr, die RDAs wieder zu entfernen, die Regional Government Offices aufzulösen und deren Kompetenzen in die Hände des "local government" zu legen. 59 ! Die Liberaldemokraten befürworten dem Grunde nach jede Art der Regionalisierung. Sie gehen jedoch noch weiter als die gegenwärtigen Pläne der Regierung und treten sogar für begrenzte Steuerkompetenzen und die Möglichkeit, in begrenztem Umfang auch legislativ tätig werden zu können, ein. Am Ende der Regionalisierung sollen auch die englischen Regionen als zentrale Akteure in einem sich entwickelten "föderativen" Großbritannien zu sehen sein. 592 Tomaney kritisiert an Labour und den Liberaldemokraten, dass zwar der gute Wille grundsätzlich sowohl bei Labour als auch bei den Liberaldemokraten als auch bei einer ganzen Reihe von regionalen Interessengruppen zu spüren sei, tatsächlich eines Tages mit dem Projekt "English Devolution" Ernst zu machen, keine dieser Parteien oder Gruppierungen jedoch bisher das gesamte komplexe Geflecht von bereits existierenden Strukturen, dem Einfluss der "quangos" sowie den nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Konsequenzen durchdacht und konsistente Vorschläge zur Umsetzung gemacht habe. 593 Das derzeitige Modell hat den Vorzug, dass es die verfassungsmäßige Ordnung des Königreiches unangetastet lässt. Erst die Einrichtung gewählter Körperschaften würde erneut erhebliche Veränderungen des Staatsorganisationsrechtes nach sich ziehen. Die bisherigen Erfahrungen in Schottland und Wales zeigen jedoch, dass die Verfassung des Königreiches insgesamt derartigen Veränderungen gewachsen ist. b) Regional Chambers

Parallel zur Schaffung der RDAs wurden sogenannte "Regional Chambers" errichtet. Diese dürfen nicht mit gewählten, demokratisch legitimierten Parlamenten verwechselt werden. Es handelt sich bei diesen Kammern um einen freiwilligen Zusammenschluss von lokalen Repräsentanten und 590 591 592 593

Zitiert nach: Tomaney, in: Hazell (2000), S. 122. Manifesto "Believing in Britain", The Conservative Party, September 2000. Vgl. Liberal Democrats (2000). Tomaney, in: Hazell (2000), S. 124.

236 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

einigen Repräsentanten der regionalen Wirtschaft, Gewerkschaften und anderer (privater) Organisationen. Ihre originäre Aufgabe besteht darin, die Arbeit der RDAs zu überwachen. Obwohl oben bereits festgestellt wurde, dass die RDAs generell dem Minister und damit dem Parlament verantwortlich sind, fordert der "Regional Development Agencies Act 1998", dass die RDAs "have regard to the view of the Regional Chamber in fonnulating its economic strategy and to give an ac count of itself to the Chamber."

Obwohl es sich bei diesen "Regional Chambers" um eine freiwillige Einrichtung handelt - was bedeutet, dass ihre Einrichtung den "Regionen" nicht per Gesetz obliegt - sollen die "Regional Chambers" in ihrer Zusammensetzung ein ausgewogenes Verhältnis von lokalen und regionalen Vertretern aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens repräsentieren. 594 Die "Regional Chambers" arbeiten bisher noch auf keiner gesetzlich vorgeschriebenen satzungsmäßigen Grundlage. Dies führt in einigen Regionen dazu, dass zwischen der jeweiligen RDA und der Kammer sogenannte "Concordats" geschlossen werden, um die gegenseitigen Beziehungen festzuschreiben. 595 Inwieweit diese "Regional Chambers" tatsächlich politischen Einfluss ausüben können, bleibt zunächst abzuwarten. Dass ihr ein gewisser Einfluss zukommt, zeigt sich an einem Beispiel aus der Region "West Midlands" und dem Bereich der RDA "Advantage West Midland". Deren Chef trat im Juli 2000 zurück, nachdem die Kammer den Entwurf der "Regional Economic Strategy" als zu vage zurückgewiesen hatte. Die "Regional Chamber" war verärgert, während der Entwurfsphase nicht ausreichend zu den Plänen und Zielen gehört worden zu sein. 596 Dementsprechend folgert While in seiner Untersuchung, dass in den Regionen ein ernst zu nehmender Wille vorhanden sei, den Kammern mehr Mitsprache einzuräumen. 59? Unbestritten ist, dass es sich bei diesen Kammern um keine politischen Parlamente handelt. Aufgrund ihres freiwilligen Status und ihrer politischen Unabhängigkeit bilden sie jedoch ein größeres Forum als der enge Vorstand der jeweiligen RDA, um wirtschaftliche Defizite in der Region zu analysie594 Einen tabellarischen Überblick über die Errichtung und Zusammensetzung der Kammern in allen acht "Regionen" gibt While (2000), S. 329 ff. 595 Das erste "Concordat" wurde in Yorkshire zwischen der RDA und der "Regional Chamber" geschlossen; diese führte in einigen Regionen wie Yorkshire dann dazu, dass mittlerweile die RDA auch mit regionalen Gewerkschaften Vereinbarungen geschlossen hat, um diese in die Arbeit der RDA besser einbinden zu können. 596 Financial Times, 6. Juli 2000. 597 While (2000), S. 344.

IV. England

237

ren und mit entsprechendem Know-how ausgerüstet konstruktive Vorschläge zur ihrer Beseitigung zu unterbreiten. 598 Unter dem Gesichtspunkt demokratischer Kontrolle kann zumindest festgehalten werden, dass in allen Kammer die Vertreter der kommunalen Gebietskörperschaften ("local authority repräsentatives") die Mehrheit haben und insoweit zumindest eine Art indirekter Kontrolle möglich ist. Sollten diese "Regional Chambers" jedoch eines Tages mit umfassenderen Kompetenzen ausgestattet werden, so wird die Frage der demokratischen Legitimation und Kontrolle nochmals an Bedeutung gewinnen. Über die "Regional Chambers" hinaus beginnen überall im Land Gruppierungen, für die Schaffung demokratisch gewählter Regionalparlamente zu werben. Ein gutes Beispiel hierfür ist die "Campaign for a North East Assembly" (CNA). Sie wurde bereits 1992 ins Leben gerufen und wird von einer Vielzahl von Repräsentanten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens getragen und unterstützt. 599 Im Zusammenhang mit den geplanten Referenden in Wales und Schottland veröffentlichte die CNA die "Declaration of the North".600 Hierin forderte sie die Regierung auf, endlich Ernst mit den Plänen einer vertieften englischen Regionalisierung zu machen. Ihrer beständigen Lobbyarbeit ist es auch zu verdanken, dass im Bereich der RDA "North East" die höchste Zustimmung der Bevölkerung zur Errichtung eines Regionalparlamentes erzielt wird. 60l Im Sommer 1997 gründete die CNA die "North East Constitutional Convention" (NECC) unter Vorsitz des Bischofs von Durharn, Michael Turnbull. Ihr Hauptziel besteht darin, einen Entwurf für eine direkt gewählte Kammer zu präsentieren und hierfür eine möglichst breite Unterstützung in der Bevölkerung zu erzielen. 602 Beeinflusst wurde die CNA hierbei von der existierenden "Scottish Constitutional Convention", deren Lobbyarbeit zu einem Erfolg des Referendums beitragen sollte. 598 Sie erinnern in ihrer Aufgabe und Zusammensetzung ein wenig an den abgeschafften Bayerischen Senat; dessen Aufgabe war es ebenfalls, in erster Linie aus der Sicht von Praktikern zu Vorhaben der Landesregierung Stellung zu nehmen und dadurch einen gewissen "praktischen Sachverstand" in die Debatte einzubringen. 599 Brunn (1996), S. 234. 600 New Statesman, 14. November 1997. 601 The Economist, 27. März 1999; vgl. zu einer Analyse der Bedingungsfaktoren für die regionalen Eigenheiten Nordenglands auch: Jewell (1994). Jewell führt als einer der Gründe u. a. auch an, dass die "Church of England" nach wie vor in zwei Provinzen aufgeteilt sei, nämlich Canterbury und York. Die nördlich Provinz bezeichnete sich Anfang der 80iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts als "the most continuous, most sutained and most influential insitutional expression of "northern separatism", an enduring reflection of nortern identity." (JeweIl, S. 152). 602 Tomaney (2000), S. 383 ff.

238 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Auch in anderen "Regionen" Englands zeigen sich ähnliche Entwicklungen. Im Bereich der RDA "Yorkshire Forward" wurde die "Campaign for Yorkshire" (CFY) 1998 gegründet; auch ihr Hauptanliegen besteht darin, für die Errichtung einer gewählten Kammer zu werben. 603 Ähnliche Projekte laufen auch in den West Midlands und in North West. 604 Um ihre Forderungen auch auf der Ebene der Zentralregierung deutlich hörbar vortragen zu können, gründeten diese genannten Organisationen 1999 die gemeinsame "Campaign for the English Regions" (CFER). Ihr Hauptziel liegt darin, soweit auf die Regierung Einfluss zu nehmen, dass sie in ihrem Wahlprogramm für die nächste Legislaturperiode das Ziel eines Referendums in jeder der "Regionen" über die Einrichtung von Regionalparlamenten aufnehme. 6os

c) Govemment O!fices606 Neben den RDAs und den "Regional Chambers" existiert als dritte Säule der Regionalverwaltung in jeder "Region" ein sogenanntes "Government Office" (GO). Sie wurden unter Premierminister John Major 1994 geschaffen, um eine bessere Koordinierung der Vielzahl von Maßnahmen und Aufgaben der Zentralregierung für und in der Region zu gewährleisten. Mittlerweile haben sich die Tories jedoch, wie bereits dargestellt, von dieser Idee wieder abgewandt und fordern deren Abschaffung. Die Position von Labour geht dahin, die Rolle der "Government Offices" zu stärken, um eines Tages tatsächlich sämtliche regionalen öffentlichen Körperschaften zusammenführen zu können. 607 Zunächst ist es jedoch ihr Ziel, durch eine Stärkung der Rolle und des Einflusses der "Government Offices" diese zum zentralen Ansprechpartner für alle Fragen der Regierungspolitik in und für die "Region" auszubauen. Darüber hat Labour auf der Ebene der Zentralregierung mittlerweile ebenfalls einige Änderungen vorgenommen: So wurde Anfang April 2000 eine neue Institution geschaffen, die "Regional Co-ordination Unit" (RCU), deren Hauptaufgabe es ist, die tägliche Arbeit der regionalen Körperschaften zu beobachten und diese zentral an die entsprechenden Regierungsstellen vermitteln zu können. Sie untersteht der Aufsicht durch den "Deputy Prime Minister" John Prescott. http://www.cfy.org.uk. The Times, 7. Juli 2000. 605 http://www.cfer.org.uk; auch wenn sie dieses Ziel im Rahmen der allgemeinen Parlamentswahlen 2001 verfehlte, wird diese Bewegung doch nicht nachlassen, dafür nachhaltig auch in den nächsten Jahren zu werben und zu streiten. 606 Ausführlich: Hogwood (1995). 607 PIU (2000). 603

604

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Eine Stärkung der Rolle der GOs bedeutet nach Auffassung von Labour keineswegs, dass damit eine Entscheidung gegen gewählte Kammern in den Regionen getroffen werde. Auch nach der Errichtung derartiger Kammern bleibe die Notwendigkeit bestehen, dass die Zentralregierung in der Region präsent bleibe. John Prescott schlug in diesem Zusammenhang vor, dass dann die GOs die Basis für einen "regional civil service" - also eine Art regionaler Beamtenschaft - bilden könnten. 608 Die Aufgabe der "Government Offices" ist es derzeit, für die Ministerien DETR, "Departement of Trade and Industry" sowie "Departement for Education and Employment" und bei Bedarf auch für weitere Ministerien auf regionaler Ebene Aufgaben der Zentralregierung wahrzunehmen. Diesen Ministerien gegenüber sind die GOs berichts- und rechenschaftspflichtig. Die Offices nehmen jedoch nur bestimmte Funktionen war; eine Zuständigkeit für Landwirtschaft, Gesundheit oder Bildung haben sie nicht. Diese Aufgaben werden nach wie vor durch "quangos" bzw. andere "non-departemental bodies" wahrgenommen. Der Performance and Innovation Unit Report 2000 "Reaching Out: The Role of Central Government and the Regional and Local Level,,609 setzt hier an und fordert eine wesentliche Ausweitung der Kompetenzen der GOs sowie eine Vereinfachung der umständlichen Kontroll-Strukturen (Berichtspflicht gegenüber mehreren Ministerien anstelle einer zentralen Kontrollinstanz). So fordert der Bericht beispielsweise, dass künftig die gesamte Verantwortlichkeit für alle Fragen im Zusammenhang mit den europäischen Regionalfonds auf die GOs übertragen werden solle. 610 Die Rolle des jeweiligen "Government Office" solle in Zukunft sein, die gesamte (Regional-)Politik der Zentralregierung auf regionaler Ebene zu bündeln und gleichzeitig jedoch auch umgekehrt von der Region her Einfluss auf die Politik der Zentralregierung zu nehmen, wenn hierfür das Erfordernis besteht. 611 Der Unterschied zu den RDAs liegt darin, dass diese unabhängig von dem Einfluss der Zentralregierung agieren sollen und darüber hinaus die Führungsrolle in Fragen der Repräsentation der Region übernehmen sollen. Einige Stimmen in der Literatur befürchten, dass durch eine Stärkung der Rolle der "Government Offices" mitnichten auch eine Stärkung des Prozesses der "Devolution" einhergehen würde, sondern dass hierin die Gefahr einer noch stärkeren Zentralisierung liege. Immerhin könnten die GOs dann Journal (Newcastle), 19. Februar 2000. Vgl. zum "PIU" ausführlich: www.cabinet-office.gov.uk/innovation/about/ about.shtml. 610 PIU (2000), para 3.140; vgl. hierzu auch: PIU (1999). 611 Tomaney, in: Hazell (2000), S. 136. 608

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240 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

auch dazu benutzt werden, den Einfluss der Zentralregierung in der Region nur noch zu verstärken. 612 Damit ist klar, dass die GOs kein Instrument zur weiteren Devolution sind, sondern ein Gegengewicht zu dieser Entwicklung bilden. Der englische Staats- und Verwaltungsaufbau ist gegenwärtig komplex: an der Spitze das Parlament in London, darunter eine bunte Mischung aus Außenstellen der Zentralregierung, dem RDA, der regionalen, nicht gewählten Kammer, sowie einer Vielzahl von quangos und anderen "non-departemental bodies". Die Aufgabenteilung zwischen diesen ist teilweise abgestimmt, teilweise aber auch völlig willkürlich. Dies wird beispielsweise daran deutlich, dass die Regierung nicht davon ablässt, neue staatliche Institutionen zu schaffen, deren Aufgaben entweder mit den bereits vorhandenen Institutionen - hier: den RDAs - kollidieren, ohne jedoch gleichzeitig Mechanismen der Zusammenarbeit mit zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist die Schaffung eines "National Learning and Skills Council" (LSC), vorbereitet durch ein Weißbuch aus dem Jahr 1999.613 Diese Institution hat einen erheblichen Einfluss auf die Arbeit der RDAs, da sie die gleiche Zielgruppe ansprechen. Gleichzeitig hat die RDA jedoch keinerlei Möglichkeit, die Aktivitäten der LSC zu kontrollieren oder ihre eigenen Aktivitäten mit der LSC zu koordinieren. Um die Regionalstrukturen in England zum einen zu vereinfachen und zum anderen effektiver zu gestalten, muss zunächst präzise klar gestellt werden, welche Bereiche von welchen Institutionen wahrgenommen werden sollen. Sodann könnten man herangehen, die Vielzahl von "quangos" und sonstiger jenseits der Zuordnung zu einem bestimmten Ministerium befindlicher öffentlicher Körperschaften entweder zu reduzieren, oder der Kontrolle und dem Einfluss der jeweiligen Gebietskörperschaft zu unterstellen. Ebenfalls eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt die territoriale Verteilung der Fördermitte1. 614 Besonders im Nordosten wurde die Ungerechtigkeit der "Barnett-Formel" gerügt, die dazu geführt habe, dass nunmehr in Schottland, Wales und Nord-Irland pro Kopf eine größere Summe öffentlicher Mittel bereitgestellt würden als im Nordosten, obwohl hier die Bedürfnisse aufgrund strukturell bedingter Nachteile wesentlich größer seien. Diese Debatte wurde zusätzlich angeheizt, als der Haushalt der North East RDA gekürzt wurde, während der Haushalt der South East RDA um 7% aufgestockt wurde. 615 612 613 614 615

LGA 2000; Tomaney (2000), S. 137. DfEE (1999). Vgl. hierzu: House of Commons (1997). The Guardian, 13. März 2000.

IV. England

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Auch die Kommunen bilden einen wichtigen Teil dieses Prozesses. In der Öffentlichkeit war lange Zeit der Eindruck vorherrschend, dass das "local government" sämtliche Pläne einer vertieften Regionalisierung geschlossen ablehne. Tatsächlich jedoch ist das "local government" derartigen Vorhaben im Norden wesentlich freundlicher gestimmt als im Süden.616 Der Report der "Local Government Association" fordert daher von der Regierung: ,,( ... ) the Government needs to recognise the diversity of the regions by reforming its own presence in the regions to allow for the growth of cross-cutting regional policies to be designed outside a Whitehall straitjacket.,,617

Auf der obersten Ebene der Zentralregierung jedoch scheint in dieser Frage Uneinigkeit zu herrschen. Blair befürwortet als Alternative die Stärkung der Bürgermeister der Städte durch Direktwahl. Andere gehen sogar noch weiter und fordern, generell potentielle Befugnisse der Regionen gleich in die Hände der Städte und Gemeinden zu legen. 618 d) Schlussbemerkungen

Die Entwicklungen, die seit 1997 in England abgelaufen sind, sowie die grundsätzliche Absicht der derzeitigen Regierung, den Prozess der Devolution nach den Veränderungen in den übrigen drei Landesteilen mitnichten abzubrechen, lassen jedoch die begründete Hoffnung entstehen, dass über das "ob" einer vertieften Regionalisierung im Grundsatz Einigkeit besteht, viele organisatorische und - zunächst politische - Weichenstellungen jedoch einfach Zeit brauchen, um tatsächlich sowohl im Parlament als auch unter der Bevölkerung eine Mehrheit zu erzielen. Die Beispiele aus dem Jahr 1978 in Schottland und Wales haben eindrucksvoll gezeigt, dass die Menschen keineswegs gewillt sind, ohne größeres Nachdenken scheinbaren Versprechungen der Regierung aufzusitzen, wenn diese nicht einstimmig und konsistent vorgetragen werden. Die Tatsache, dass während des Wahlkampfes zu den allgemeinen Parlamentswahlen 2001 der Regionalisierung Englands eine allenfalls marginale Rolle zukam, die Torries jede Form einer weitergehenden Regionalisierung klar ablehnten, und Labour letztlich den derzeitigen status quo zunächst halten will, ist ein Zeichen dafür, dass nun zur Weiterkonzipierung und Planung ein wenig langsamer getreten wird. 619 Es hat sich in den vergangenen LGA (2000). LGA (2000), S. 24. 618 Todd (2000), S. 34. 619 Vgl. hierzu aus der englischen Presse exemplarisch: The Times vom 22. Mai 2001: ,,McLeish refuses to rule out tax autonomy"; The Times vom 23. Mai 2001: 616 617

16 Mey

242 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Jahrzehnten gezeigt, dass sowohl Umsetzung als auch Akzeptanz derartiger tiefgreifender Reformen Zeit brauchen. Mit der Schaffung der "Regional Development Offices", der "Regional Chambers" und der "Government Offices" ist ein erster Schritt getan worden; weitere werden folgen, sobald dieses Thema, bedingt entweder durch innenpolitischen oder außenpolitischen Druck wieder verstärkt auf die Tagesordnung treten wird. Derzeit ist die Regierung damit beschäftigt, andere innenpolitische Themen wie die Reform des Sozial- und Bildungssystems anzugehen oder, von erheblicher außen- wie innenpolitischer Bedeutung, das Referendum über den Beitritt zur Europäischen Währungsunion vorzubereiten.

v. Nordirland 1. Der Sonderfall Nordirland im Lichte des britischen Hegemonialstrebens Irland spielt im vorliegenden Zusammenhang insofern eine Rolle, als Irland mit Inkrafttreten der Irischen Verfassung am 6. Dezember 1922 faktisch aus dem britischen Herrschaftsbereich ausgeschieden ist, was durch die neue Irische Verfassung vom 29. Dezember 1937 nochmals bekräftigt wurde. Irland wird hierin als souveräner, demokratischer Staat mit einem Präsidenten als Staatsoberhaupt bezeichnet. Als Staatsgebiet wird die gesamte Insel bezeichnet; der Geltungsbereich ist jedoch auf die 26 unabhängigen Grafschaften beschränkt. Nordirland wird hiervon weder erfasst noch überhaupt der Verwaltung durch die Republik Irland unterstellt. Großbritannien betrachtet Nordirland nach wie vor als Teil des Vereinigten Königreiches. Auf dem Hintergrund der seit mittlerweile über 200 Jahren andauernden blutigen Konflikte scheint sich seit 1998 jedoch eine gewisse Entspannung abzuzeichnen. Mit der Vereinbarung vom Mai 1998620 scheint der Weg für einen dauerhaften Frieden geebnet, wenn auch viele Detailfragen wie die endgültige Entwaffnung der militanten Gruppierungen noch nicht gelöst sind. Eine genaue Studie der Situation und der geschichtlichen Faktoren, die Irland mit Nordirland in diesen Jahrhunderte langen Bürgerkrieg geführt haben, würde eine alleinige Untersuchung rechtfertigen. Der Vollständigkeit halber soll daher im Folgenden lediglich auf die wichtigsten Punkte im Zu"Party chiefs try to blur Scottish battle lines"; The Times vom 25. Mai 2001: "How devolution took sparkle out of Scottish campaign"; The Times vom 30. Mai 2001: "The issue that dare not speak its name". 620 Belfast Agreement: An Agreement reached at the Multi-Party Talks on Northem Ireland, Cm. 3883, 10. April 1998.

V. Nordirland

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sammenhang mit der Vereinbarung vom Mai 1998 hingewiesen werden, um zumindest die Faktenbasis für die Beurteilung des Regionalismus im Vereinigten Königreich im Abschlusskapitel zu komplettieren. Auf eine Darstellung der bewegten Geschichte Irlands (u. a. Irische Unionsakte von 1800621 , Home-Rule-Bills von 1886 und 1893, Govemment of Ireland Act 1914622 , Govemment of Ireland ("Home-Rule") Act 1920, Irisches Freiheitsstatut von 1922, Northem Ireland Constitution Act 1973) sowie eine Detailanalyse der Kompetenzen und Arbeitsweise der Regionalkammer wie etwa im Falle Schottlands wird an dieser Stelle bewusst verzichtet. 623 Als wichtig zum Verständnis für die Entwicklungen in Nordirland seit 1997 sei nur auf folgende Hauptereignisse hingewiesen: 624 Seit dem "Govemment of Ireland Act 1920" existierten auf dem Gebiet der irischen Insel zwei Parlamente, ein Parlament für die sechs nördlichen Provinzen625 , ein Parlament für den übrigen Teil Irlands. Eine Kooperation und Abstimmung zwischen beiden erfolgte im sog. "Council of Ireland" . Da die katholische "Sinn Fein" dieses Gesetz ignorierte, kam es 1922 nach einem erbitterten Bürgerkrieg zur formellen Abspaltung des südlichen Teiles ("Irish Free State"). Nach britischem Verständnis handelte es sich um "a self-goveming Dominion within the British Empire".626 Die nördlichen Provinzen behielten ihr Parlament und ihre Regierung gemäß dem Gesetz von 1920. Die verfassungsmäßige Stellung Nord-Irlands als wesentlicher Teil des Vereinigten Königreiches wird auf den "Act of Union 1800" zurückgeführt. Die irische Verfassung von 1937 erklärte den südlichen Teil "Eire" zum souveränen Staat. Das System der Selbstverwaltung in Nordirland bestand im wesentlichen in dieser Form bis zum Jahr 1972, als nach einem Ausbruch neuerlicher 621 Art. 1 "Union with Ireland Act 1800" bestimmte, dass die Königreiche Irland und Great Britain seien ab 1. Januar 1801 "and forever after, be united into one kingdom, by the name of the United Kingdom of Great Britain and Ireland." Das irische Parlament wurde aufgelöst, und in Westminster wurden insgesamt 100 Sitze für Abgeordnete aus Irland geschaffen. 622 Der "Govemment of Ire1and Act 1914" sah unter anderem die Einrichtung eines Zwei-Karnmem-Parlamentes in Irland vor; er trat jedoch aufgrund des 1. Weltkrieges nicht in kraft. 623 Vgl. hierzu u.a. m. w.N. Bradtey/Ewing (1997), S. 42 ff.; auch: Helle (1994). 624 Eine sehr ausführliche Analyse der geschichtlichen und politischen Rahmenbedingungen bis zum Karfreitagsabkommen 1998 gibt: Research Paper 98/57, Northem Ireland: political developments since 1972; sehr instruktiv inbesondere zu den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und deren Selbstverständnis: Boyte, in: Crick (1991), S. 68 ff. 625 Grafschaften Antrim, Armagh, Down, Fermanagh, Londonderry und Tyrone. 626 Zitiert nach: Bradtey/Ewing (1997), S. 43. 16*

244 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

Gewalt das System des "home-rule" durch ein System des "direct-rule" abgelöst wurde (Northern Ireland (Temporary Provisions) Act 1972). Eine kurze Phase der Regierungsverantwortung durch eine vom Volk gewählte Kammer 1973 endete erneut in Straßenschlachten und in ihrer Absetzung durch die Regierung in London. Der Status Nord-Irlands wurde durch den "Northern Ireland Constitution Act 1973" nochmals klargestellt. Art. 1 stellt fest: "It is hereby declared that Northem Ireland remains part of Her Majesty's dominions and ofthe Uni ted Kingdom, and as it is hereby affirmed that in no event will Northem Ireland or any part of it cease to be part of Her Majesty's Dominion and of the United Kingdom without the consent of the majority of the people of Northem Ireland (... )."

Hieraus folgt, dass grundsätzlich eine Wiedervereinigung mit dem südlichen Teil der Insel nicht gegen den Willen der Mehrheit der Nordiren herbeigeführt werden kann. Umgekehrt folgt hieraus jedoch nicht, dass die Nordiren das Recht haben, mehrheitlich für eine Loslösung aus dem Verbund des Königreiches zu optieren und diese dann auch durchzuführen. Diese Möglichkeit wurde den Menschen erst durch das "Anglo Irish Agreement" vom November 1985 eingeräumt. 627 Die 70er und 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts sind im wesentlichen bestimmt durch den blutigen Kampf der IRA gegen die "britischen Besatzer". Im Dezember 1993 kam es in London zu einer Vereinbarung der beiden Premierminister Großbritanniens und Irlands, dass nunmehr nochmals ein Versuch unternommen werden solle, zu einer friedlichen Lösung des gesamten Konflikts zu kommen. Zudem sicherte der britische Premierminister zu, dass das Vereinigten Königreich sich einer Vereinigung Irlands dann nicht in den Weg stellen werde, wenn es hierfür eine Mehrheit in beiden Teilen gebe. Im August 1994 verkündete die IRA einen einseitigen Waffenstillstand, den sie jedoch im Februar 1996 wieder aufkündigte.

627

Zitiert nach: Research Paper 98/57, S. 9.

V. Nordirland

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2. Die Vereinbarung von Belfast vom 10. April 1998 This is a day we should treasure, a day when agreement and accommodation have taken the place of difference and division. Today is about the promise of a bright future, a day when we hope a line can be drawn under the conflict of the past. We must all seize this wonderful opportunity. (Bertie Ahern, lrish Prime Minister628 )

Seit dem Regierungswechsel 1997 sind auch in Bezug auf die Nordirland-Frage bedeutende Fortschritte erzielt worden: Die relativ bald nach der Regierungsübernahme vom Mai 1997 in Gang gekommenen Gespräche zwischen den verfeindeten Parteien unter Vermittlung des vormaligen amerikanischen Senators George Mitchell endeten am Karfreitag, den 10. April 1998, nach äußerst zähen und vielfach vom Abbruch bedrohten Verhandlungen in dem sogenannten "Good-Friday-Agreement".629 Es sieht die Errichtung einer von den Bürgern Nordirlands gewählten Kammer mit 108 Abgeordneten vor, die in begrenztem Umfang legislative und exekutive Funktionen wahrnehmen soll. Darüber hinaus sieht es die Errichtung eines sog. "North/South Ministerial Council" "to develop the consultation, co-operation and action within the island of Ireland" vor. Um die Zusammenarbeit zwischen dem Vereinigten Königreich und der Republik Irland zu stärken und mögliche Konflikte schon im Ansatz zu beheben, sieht die Vereinbarung zusätzlich die Errichtung eines "British-Irish Couneil" sowie die Einsetzung einer "British-Irish Intergovernmental Conference" vor. Der "British-Irish Council", bestehend aus Mitgliedern der britischen, schottischen, walisischen und nord-irischen sowie irischen Regierungen soll in erster Linie dazu dienen, Informationen auszutauschen und Vereinbarungen vorzubereiten, die im allseitigen Interesse sind. Dies können Bereiche sein wie öffentliche Verkehrsverbindungen, Umweltfragen, Gesundheitsfragen oder Fragen der Europäischen Union. Die "British-Irish Intergovernmental Conference" mit Mitgliedern aus der britischen und irischen Regierung soll dazu dienen, "to promote bilateral co-operation on all matters of mutual interest within the competence of both Governments." Ein wichtiger Bestandteil der Vereinbarung ist, dass sämtliche paramilitärischen Gruppen entwaffnet werden sollen. Dieser Prozess kam jedoch nur schleppend in Gang und ist bis heute nicht abgeschlossen. Erschwert wird er insbesondere auch dadurch, dass, nachdem die IRA dem Grunde nach ihre Zustimmung zu der Vereinbarung signalisiert hatte, sich Splittergrup628 629

Zitiert nach: The Daily Mirror vom 11. April 1998, S. 2. Abrufbar unter: http://www.ni-assembly.gov.uk/agreement.htm.

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pen bildeten, die sämtliche Vereinbarungen ablehnten und mit Terroranschlägen fortfuhren. 63o

3. Die Kammer in Belfast Auch der Errichtung der Kammer in Nordirland wurde ein Referendum vorgeschaltet, bei dem am 22. Mai 1998 in Nordirland 71 % und in der Republik Irland 94% der Wählerinnen und Wähler mit "Ja" stimmten. In Nordirland lag die Zustimmungsrate unter den Katholiken bei nahezu 100%, während die Protestanten eher gespaltener Ansicht waren. 631 Somit war der Weg frei für die ersten Wahlen am 25. Juni 1998. Die insgesamt 108 Mitglieder wurde im Wege des Verhältniswahlrechts aus den bestehenden 18 Westminster-Wahlkreisen gewählt. Stärkste Partei wurde die ,,social Democratic and Labour Party", gefolgt von der "Ulster Unionist Party", der DUP und Sinn Fein. Auf ihrer konstituierenden Sitzung am 1. Juli 1998 wählte die Kammer den Vorsitzenden der Ulster Unionist Party, David Trimble, zu ihrem ersten "First Minister". Dennoch dauerte es bis Dezember 1998, bis sich die Parteien und Gruppierungen endlich auf eine Struktur der Exekutive einigen konnten. Während der Monate zuvor war es der Kammer nicht gelungen, aufgrund ihrer großen inneren Zerstrittenheit sich auf die Aufstellung einer Kandidatenliste zu einigen. Für Wilford/Wilson war diese Zeit in Anlehnung an Clausewitz gekennzeichnet von der Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. 632 Die Einigung über die Struktur bedeutete jedoch nicht, dass sich die Parteien und Gruppierungen auch über deren Besetzung einig waren. Aufgrund der besonderen Vereinbarung im Belfast-Agreement sollte die Exekutive von allen im Parlament vertretenen Parteien und Gruppierungen nach dem Verfahren D'Hondt bestimmt werden. Dieser Vorschrift lag die Idee einer All-Parteien-Regierung zugrunde, die nach Ansicht der Verfasser des Belfast-Agreement wohl am besten den Weg in ein friedliches Miteinander ebnen könnte. So dauerte es nochmals fast ein Jahr, bis sich die Abgeordneten schließlich am 29. November 1999 auf zehn Kandidaten für die Exekutive einigen konnten. 633 630 Vgl. den Anschlag der "RealIRA" am 15. August 1998, bei dem insgesamt 29 Menschen getötet wurden; WilfordlWilson, in: Hazell (2000), S. 82. 631 Vgl. hierzu genauer: WilfordlWilson, in: Hazell (2000), S. 79 ff. 632 WilfordlWilson, in: Hazell (2000), S. 81. 633 Es wurden folgende Departments eingerichtet: Culture, Arts and Leisure; Enterprise, Trade and Investment; Environment; Higher and Further Education, Training and Employment; Finance and Personnei; Agriculture and Rural Development;

V. Nordirland

247

Am 2. Dezember 1999 wurden die Kompetenzen offiziell auf die Kammer übertragen, so dass sie fortan arbeitsfähig hätte sein können. Am gleichen Tag trafen sich der North/South Ministerial Council und der Britishlrish Council zu ihren konstituierenden Sitzungen. Bereits am 11. Februar 2000 wurde die Kammer jedoch bereits wieder "suspendiert", um einem Rücktritt David Trimbles zuvor zu kommen; aufgrund der systembedingten Tatsache, dass in der Exekutive Vertreter aller im Parlament vertretenen Parteien zusammenarbeiten mussten und aufgrund der großen Belastung, die von der bis heute nicht geklärten Frage der Entwaffnung der paramilitärischen Einheiten ausging, bestand zu diesem Zeitpunkt die Gefahr, dass sich die gesamte Kammer auflösen könnte und dann eine "Rückkehr auf die Straße" erfolgen könne, die das gesamte Karfreitagsabkommen zunichte machen würde. Nachdem sich die Wogen geglättet hatten, wurde die Kammer 29. Mai 2000 wieder eingesetzt. Sie erhielt ihre alten Kompetenzen zurück. Seitdem hat die Kammer ihre Arbeit aufgenommen; sie sieht sich jedoch nach wie vor großen politische Schwierigkeiten gegenüber. Die Entwaffnung ist noch immer nicht abgeschlossen, was im Sommer 2001 nach einer langen Phase der Drohung zum endgültigen Rücktritt des "First Minister" David Trimble geführt hat. Die jährlich immer wieder unter dem Schutz eines großen Militär- und Polizeiaufgebotes durchgeführten sog. "Oranier-Märsche" des protestantischen Oranierordens634, die hiermit an den Sieg Wilhe1ms von Oranien gegen den katholischen James 11. im Jahr 1690 erinnern wollen, und die jedes Jahr erneut von Seiten der Katholiken als Provokation aufgefasst werden, da sie bewusst und gewollt durch rein katholische Wohngebiete führen was Anfang Juli 2001 wieder zu Straßenschlachten mit Toten und Verletzten geführt hat - zeigen sehr gut, dass auch innerhalb der Bevölkerung der Wille, zu einem dauerhaften Frieden und einer dauerhaften Aussöhnung zu gelangen, noch sehr schwach ausgeprägt ist. 4. Kompetenzen und Arbeitsweise der Kammer An den beschriebenen Schwierigkeiten, überhaut zu einer funktionierenden Arbeitsaufnahme der Kammer zu gelangen, wurde schon deutlich, dass es sich bei diesem "devolution scheme" um ein besonderes Modell handelt: in den Kompetenzen ähnelt es dem schottischen Parlament, einige VorRegional Development; Social Development; Education; Health, Social Services and Public Safety. 634 Vgl. zum Oranier-Orden ausführlich die homepage des Ordens unter: www. grandorange.org.uk.

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schriften bezüglich der Arbeitsweise sind jedoch den spezifisch nordirischen Anforderungen angepasst. Die Grundlage hierfür schuf die Vereinbarung von Belfast, in der es gleich zu Beginn heißt: ,,1. This agreement provides for a democratically elected Assembly in Northem Ireland which is inclusive in its membership, capable of exercising executive and legislative authority, and subject to safeguards to protect the rights and interests of all sides of the community. (... )

3. The Assembly will exercise full legislative and executive authority in respect of those matters currently within the responsibility of the six Northem Ireland Govemment Departments, with the possibility of taking on responsibility for other matters as detailed elsewhere in this agreement. 4. The Assembly - operating where appropriate on a cross-community basis will be the prime source of authority in respect of all devolved responsibilities."

Präzisiert werden diese Vorstellungen durch den "Northem Ireland Act 1998" (NIA). Art. 4 NIA differenziert zwischen "excepted", "reserved" und "transferred matters". Die "excepted matters" werden in Anhang 2 beschrieben, die "reserved matters" in Anhang 3, die "transferred matters" sind alle sonstigen Angelegenheiten und Gebiete. Damit ähnelt auch diese Regelung den Vorschriften zum schottischen Parlament: die Kammer hat dem Grunde nach eine Zuständigkeit für alle Gebiete, die nicht ausdrücklich der Krone, resp. dem Parlament in London, vorbehalten sind. Art. 6 NIA fasst dies nochmals wie folgt: ,,(1) A provision of an Act is not law if it is outside the legislative competence for the Assembly.

(2) A provision is outside that competence if any of the following paragraphs apply: (a) it would form part of the law of a country or territory other than Northem Ireland, or confer or remove functions exercisable otherwise than in or as regards Northem Ireland; (b) it deals with an excepted matter and is not ancillary to other provisions (. .. ) dealing with reserved or transferred matters; (c) it is incompatible with any of the Convention rights; (d) it is incompatible with Community law; (e) it discriminates against any person or class of person on the ground of religious belief or political opinion; (f) ( ... ). ( ...)."

V. Nordirland

249

Durch Art. 6 Abs. 1 NIA wird die nordirische Kammer damit den Grundsätzen der ultra vires unterstellt. Die Kammer kann solange nahezu unbeschränkt - auch primär - legislativ tätig werden, solange sie nicht Bereiche berührt, die außerhalb ihrer Kompetenz sind. Doch ist diese Regelung, anders als etwa im Falle Schottlands, nicht abschließend. Anders als das schottische Parlament kann die nordirische Kammer gemäß Art. 8 NIA trotzdem auch in reservierten oder ausgenommenen Bereichen legislativ tätig werden, wenn hierfür die Zustimmung des "Secretary of State", und damit der Zentralregierung vorliegt. Diese Möglichkeit ist ebenfalls ein Zugeständnis an die spezifisch nordirische Situation. In Anhang 2 werden diejenigen Bereiche aufgeführt, die zu den sogenannten "excepted matters" gehören, also zu solchen Bereichen, die jedenfalls grundsätzlich nicht durch Gesetze der nordirischen Kammer berührt werden dürfen. Hierzu zählen die Institutionen des Vereinigten Königreiches wie die Krone und das Parlament genauso wie die Regelung der auswärtigen Beziehungen einschließlich der Beziehungen zur Europäischen Union, Fragen der inneren und äußeren Sicherheit und viele andere Detailbereiche. Zu den "reserved matters", also den Bereichen, in denen das Parlament und die Regierung in London all- und alleinzuständig zählen u. a. die Übertragung von Funktionen auf Minister der Zentralregierung in Bezug auf Nordirland, Regelungen bezüglich solcher Gegenstände und Liegenschaften, die im Eigentum der Krone stehen, Regelungen bezüglich Handelsschifffahrt und Luftverkehr, das Strafrecht, die Zivilverteidigung, viele wirtschaftliche Fragen mit Bedeutung für das gesamte Königreich und viele andere Bereiche. Aus diesen Aufzählungen wird deutlich, dass letztlich ähnlich wie im Fall Schottlands generell solche Bereiche von der Kompetenz der Kammer ausgenommen sind, in denen eine einheitliche Regelung zum Erhalt einheitlicher Lebensverhältnisse wünschenswert sind, und solche Bereiche, die Ausdruck der Souveränität des Gesamtstaates sind, wie etwa die Außenoder die Verteidigungspolitik. Viele Regelungsbereiche fallen dennoch in die im Übrigen weitgefassten Kompetenzen der Kammer, nicht zuletzt auch aufgrund der weiten Möglichkeit, in an sich reservierten oder ausgenommenen Bereichen Verordnungen zu erlassen. Diese Möglichkeit gibt Art. 77 NIA. 635

635

Vgl. hierzu genauer Resarch Paper 98/77, 11. F.

250 B. Die Anwendung des Ansatzes: Das Beispiel des Vereinigten Königreiches

5. Beurteilung

Fonnal steht Nordirland im Prozess der Devolution mit an der Spitze; die Wahrnehmung regionaler Kompetenzen und die Arbeit der Kammer scheiterte jedoch immer wieder an den nordirischen Spezifika. Insofern bleibt mit Spannung abzuwarten, ob und wann sich die Parteien in Nordirland insoweit zusammenfinden werden, um diese neugewonnen Freiheiten und Möglichkeiten konstruktiv zum Nutzen aller Bürger einzusetzen. Derzeit636 zeichnet sich eine solche Tendenz noch nicht wirklich ab; die Schwierigkeiten in der Frage der Entwaffnung637 , die Verpflichtung zu gemeinsamen Mehrheitsentscheidungen und ein über Jahrhunderte gewachsenes, tiefsitzendes Misstrauen zwischen den Bevölkerungsgruppen der Protestanten und Katholiken verhindern derzeit noch einen schnellen Auf- und Ausbau einer effektiven Regionalverwaltung. Eine Alternative zu einer Zusammenarbeit, auch und gerade auf parlamentarischer Ebene, besteht nicht, will man nicht den Krieg auf der Straße fortsetzen. Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile auch in den Köpfen von Sinn Fein, dem politischen AnTI der lRA, durchgesetzt. Die Umsetzung in reale Politik, die Überwindung des gegenseitigen Misstrauens wird jedoch noch geraume Zeit in Anspruch nehmen. Hat die Kammer dann tatsächlich im beschriebenen Umfang begonnen, ihre weitgehenden Kompetenzen auch wahrzunehmen und umzusetzen, werden im Vereinigten Königreich vier verschiedene Modelle existieren, mit denen die Regierung ihr Wahlversprechen von 1997, nämlich in den "Regionen" Regionalverwaltungen und -parlamente zu schaffen, eingelöst haben wird.

November 2001. The Times vom 07.08.2001: "IRA arnrs pledge fails to break deadlock"; "The crucial moment after eight years". 636 637

c. Europa und der britische Regionalismus I. Hinführung Nachdem sowohl das Phänomen als auch der Begriff der Region und des Regionalismus - bzw. in diesem spezifischen Kontext der "Devolution" im Vereinigten Königreich dargestellt worden sind, soll nunmehr ein Blick auf dieses Spannungsverhältnis auf der Ebene der Europäischen Union geworfen werden. Dabei soll auf dem Hintergrund der darzustellenden positiv-rechtlichen Grundlagen versucht werden, zu einer europarechtlichen Einordnung des Begriffs der Region und des Regionalismus zu gelangen; anschließen wird sich ein Überblick über die verschiedenen Maßnahmen europäischer Regionalpolitik sowie deren Gestaltung und Umsetzung im Einzelfall. In einem kurzen rechtsvergleichenden Inkurs werden im Anschluss hieran die föderalen, regionalen oder dezentralen Rahmenbedingungen vertikaler Gewaltenteilung in verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union untersucht. Den Schwerpunkt dieses Kapitels bildet eine Untersuchung des Verhältnisses der Regionen Schottland und Wales zu Europa und in Europa. 1 An dieser Fallstudie wird die enorme Bedeutung der Region in der Europäischen Union heutigen Zuschnitts deutlich. Die Regionen profitieren in erheblichem Umfang von Subventionen aus Brüssel, gekleidet in die verschiedenen Maßnahmen europäischer Regional- und Strukturpoli tik. Anhand dieser Analyse wird deutlich werden, welche administrativen und legislativen Veränderungen sich im Königreich seit der Arbeitsaufnahme des Regionalparlamentes und der -kammer in Edinburgh und Cardiff ergeben haben. Die Zuständigkeiten für die Beantragung, Durchführung und Evaluation der Maßnahmen europäischer Regionalpolitik liegen nunmehr nicht mehr beim "Secretary of State" und damit in den Händen der Zentralregierung, sondern bei den gewählten Gebietskörperschaften in diesen. Das Beispiel Schottland und Wales lässt auch erkennen, welchen generellen Begriffs- und Phänomenwandel die Region innerhalb der Europäischen Union seit ihrer Gründung erfahren hat und welchen Bedeutungswandel sie sich gegen den teilweise erheblichen Widerstand der Nationalstaaten erkämpfen mussten.

1

MitchelI, in: Keating/Loughlin (1997), S. 413 ff.

252

C. Europa und der britische Regionalismus

Die Europäische Union bietet den meisten Regionen die Möglichkeit, den negativen "Abwehrbegriff' der Region gegenüber dem Zentral staat zu ergänzen um einem positiven Begriff der Region als verfassungsrechtliches Strukturelement einer föderalen, demokratischen Gesamtstruktur. Da dies jedoch auf Kosten des Einflusses der Zentralstaaten geht, verbleibt die Region in einem Spannungsfeld zwischen Wunschdenken und Wirklichkeit, die nach wie vor so aussieht, dass in aller Regel die National- und Zentralstaaten sowohl als Ansprechpartner als auch als Träger der Europäischen Union fungieren.

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht 1. Rechtstexte

a) Vertrag von Amsterdam

Der EG-Vertrag in der Fassung von Amsterdam erwähnt die Region an mehreren Stellen: Art. 7 Abs. 2 EGV sieht vor, dass der Rat und die Kommission unter anderem von einem Ausschuss der Regionen mit beratender Stimme unterstützt werden. Art. 263 bis 265 EGV enthalten die genauen Vorschriften zur Zusammensetzung und Arbeit des Ausschusses der Regionen. Die Art. 158 bis 162 EGVenthalten die vertragliche Grundlage für die verschiedenen Strukturfonds, deren Ziele, Anwendung und Durchführung in und mit den Regionen verwirklicht werden. Obwohl die Region hierin nicht explizit erwähnt wird, ist eine weitere zentrale Vorschrift in diesem Zusammenhang Art. 5 EGV in Verbindung mit Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Das in Teil A schon ausführlich dargestellte Subsidiaritätsprinzip ist von Seiten der Union grundsätzlicher Ausdruck des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. I S. 2, 249 EGV, Art. 5 EUV) und Grenzziehung vor einer immer stärkeren Verlagerung von Kompetenzen nach Brüssel. Soweit die Verträge der Gemeinschaft keine Befugnis zum Tätigwerden verleihen, ist eine Rechtsetzung der Gemeinschaft ausgeschlossen. Aus liberaler Sicht bietet sich Europa in diesem Sinne als Spielfeld möglichst vieler konstruktiver Kräfte, nämlich der Regionen. Dass dies unweigerlich immer wieder zu Konflikten mit dem Anspruch der meisten Regierungen der Zentral staaten führen muss, alleiniger Träger der Volkssouveränität zu sein, wird an der täglichen Arbeit in Brüssel sehr deutlich; die Trias Region - Zentralstaat - Europäische Union wird noch lange ein Spannungsfeld bleiben, in dem sich in den nächsten Jahren die Struktur

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

253

aller drei Elemente verändern muss, um zu einem gedeihlichen Miteinander zu kommen. 2

b) Der Ausschuss der Regionen3 Bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat sich in der Wissenschaft die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Lösung von Sachfragen auf EU-Ebene die Mitwirkung der Regionen voraussetze. 4 Daneben könne die europäische Integration erst auf der Grundlage von sog. "Regionalstaaten" ihre volle Kraft entfalten. 5 Danach dauerte es noch fast 15 Jahre, bis im Vertrag von Maastricht der Ausschuss der Regionen eine sowohl rechtliche als auch institutionelle Grundlegung erhielt. Vorausgegangen waren jahrelange intensive Diskussionen zwischen den Vertretern der europäischen Städte und Regionen6 , ein 1983 von R. Luster, G. Pfennig und Fr. Fugmann vorgelegter "Verfassungsentwurf für eine Europäische Union", in dem die Einsetzung eines "Unionsregionalrates" zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Regionalisierung gefordert wurde 7 , und auch die Präambel zum Vertragsentwurf zur EU vom 14.02.19848 enthielt die Forderung nach regionaler und kommunaler Beteiligung am Integrationsprozess. Die Entschließung des Europäischen Parlamentes vom 18.11.1988 zur Regionalpolitik der Gemeinschaft und zur Rolle der Regionen 9 machte deutlich, dass "jeder programmatische Fortschritt bei der europäischen Einigung mit einer Institutionalisierung der demokratischen Vertretung der Regionen verbunden ist und den Regional- und Lokalbehörden die Funktionen zuerkannt werden müssen, die notwendig sind, um aktiv an der Verwirklichung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Einheit Europas teilnehmen zu können.,,10

Zuvor war mit Wirkung zum 01.08.1988 bereits ein Beirat der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bei der EG-Kommission eingerichtet worden. I I Vgl. hierzu auch: Kommission (2001). Auch: Loughlin (1996), S. 147 ff. 4 Esterbauer, in: ders. u. a. (1977), S. 223 ff. 5 Vgl. zur Geschichte des Ausschuss der Regionen ausführlich: GrabitzlHilj (2000), vor Art. 198a-c, Rn 8 ff. 6 Vgl. hierzu sogleich unten die "Regionalistischen Leitsätze von Brixen" aus dem Jahr 1978 oder die Gemeinschaftscharta der Regionalisierung aus dem Jahr 1988. 7 Luster (1988), S. 23 ff. 8 ABI. 1984 C 77/33. 9 ABI. 1988 C 326/289. 10 Zitiert nach: GrabitzlHilj (2000), vor Art. 198 a-c, R. 9. 2

3

254

C. Europa und der britische Regionalismus

Auf der sogleich noch genauer darzustellenden 12 Konferenz "Europa der Regionen" im Oktober 1989 in München 13 wurde die Forderung und der Anspruch nach einer Mitwirkung der "Länder, Regionen und Autonomen Gebietskörperschaften,,14 ebenfalls sehr deutlich erhoben. Auch die Resolution der "Versammlung der Regionen Europas" in Straßburg am 05.12.90 15 bekräftigte diese Forderung nochmals. Es war schließlich die deutsche Delegation, die 1991 in die Regierungskonferenz zur Politischen Union den Vorschlag zur Institutionalisierung eines "Regionalausschusses" mit beratendem Charakter einbrachte, was schließlich in den Formulierungen der Art. 198a-c Getzt: Art. 263 bis 265 EGV) mündete. Seit der Neufassung des Maastrichter Vertrages durch den "Amsterdamer Vertrag" wurden die Kompetenzen des Ausschusses deutlich aufgewertet: es erfolgte eine stärkere Einbindung im Gesetzgebungsverfahren (Art. 265 Abs. 1 EGV), und eine Anhörung des Ausschusses durch die Kommission und den Ministerrat bei Gesetzesvorhaben zu den Bereichen Umweltschutz, Transport/Verkehr, soziale Angelegenheiten und berufliche Bildung ist nunmehr verbindlich vorgeschrieben. Der Ausschuss ist nun auch offizieller Ansprechpartner für das Europäische Parlament und kann, soweit er dies für zweckdienlich erachtet, auf ein Initiativrecht (Art. 265 Abs. 5 EGV) zurückgreifen. Ein Klagerecht vor dem EuGH ist dem Ausschuss aber nach wie vor versagt. Die rechtspolitische Bedeutung des Ausschuss der Regionen 16 ist vor allem in der Tatsache zu sehen, dass sich durch den Ausschuss das Gewicht der Stellungnahmen der Regionen erhöht hat. Um Probleme beantworten oder lösen zu können, müssen auch die "Betroffenen vor Ort" gehört werden können. Der Ausschuss der Regionen stellt damit idealiter das Bindeglied zwischen der Union und den Bürgern in der Region dar. Dem Vorwurf der "folkloristischen Schaubühne"17 entkräftet der Ausschuss mittlerweile durch die Bilanz seiner Arbeit. 18 Dabei kann er sich auf die Unterstützung durch die Kommission verlassen. Kommissionspräsident Romano Prodi erklärte im Februar 2000 vor den Mitgliedern des Ausschusses folgendes: ABI. 1988 L 247/23. VgI. Kapitel C 11 2 a dd. 13 VgI. hierzu auch Borchmann (1990), S. 879 ff. (Abdruck der Entschließung der Konferenz von München). 14 Die Entschließung ist abgedruckt u. a. bei Knemeyer (1990), 453 f. 15 Abgedruckt bei Borkenhagen (1992), S. 251 ff. 16 Nach GrabitzlHilj (2000), vor Art. 198a-c, Rn 20 ff. 17 Isensee (1994), S. 132. 18 VgI. die ausführlichen Tätigkeitsberichte des AdR unter: http://www.cor.eu. int/corz_de.htm. 11

12

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

255

"In den nächsten Jahren werden die regionalen Institutionen ein im Vergleich zur Vergangenheit immer größeres Gewicht erhalten. ( ... ) Es ist an der Zeit, dass wir uns klar werden, dass Europa nicht nur von den europäischen Institutionen verwaltet wird. Ihre konstituierenden Elemente, die Faktoren, die ihr Funktionieren ermöglichen, sind auch die nationalen Regierungen und die Zivilgesellschaft sowie die von diesem Ausschuss vertretenen Körperschaften, die Regionen und Kommunen. (... ) Europa muss von den Bürgern für die Bürger geschaffen werden. Und niemand kann diese Botschaft besser als die Mitglieder des Ausschusses der Regionen an die Bürger weiterleiten.,,19

Als Gremium, das in der Lage ist, die widerstrebende Interessen der Regionen zunächst zu bündeln und ihnen dann Gehör zu verschaffen, hat sich der Ausschuss der Regionen bewährt. Auch wenn er bisweilen als "Subsidiaritätsgewissen der Europäischen Gemeinschaft,,2o verspottet worden ist, liegt seine Bedeutung nicht zuletzt genau darin. Denn ohne eine Rückbindung an die Regionen und die Möglichkeit dieser, auf die sie vital betreffenden Entscheidungen und Politiken auf oberster Ebene Einfluss nehmen und gegebenenfalls auf zentralistische Fehlentwicklungen aufmerksam machen zu können, bestünde die Gefahr, dass die Union diesen ohne Zweifel vorhandenen Fehlentwicklungen zu starker Zentralisierung erliegen könnte. Wie sich die Stellung und Bedeutung des Ausschusses der Regionen weiterentwickeln werden, wird in erster Linie von den innerstaatlichen Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten zu weitergehender, vertiefter Regionalisierung und Dezentralisierung abhängen. Obwohl es bisher an konkreten Plänen zu einer weiteren Stärkung der Kompetenzen des Ausschusses mangelt, ist doch nicht auszuschließen, dass angesichts der neuen Herausforderungen, denen sich die Union in den nächsten Jahren aufgrund der Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten gegenübersieht und der damit verbundenen Gefahr einer zunehmenden Konzentrierung Forderungen laut werden, den Ausschuss der Regionen zu einer echten zweiten Kammer des Parlamentes aufzuwerten. c) Stellung, Bedeutung und Mitwirkung der Regionen Großbritanniens

im Ausschuss der Regionen

Wie auch Deutschland, Frankreich und Italien entsendet Großbritannien insgesamt 24 Mitglieder in den Ausschuss der Regionen (Art. 263 Abs. 2 EGV). Bis 1997 richtete sich die Auswahl der Mitglieder nach dem "European Communities (Amendment) Act 1993". Dieser schrieb in Abschnitt 6 vor, 19 Zitiert nach der Selbstdarstellung (Rolle des AdR) unter: http://www. cor.eu.int. 20 Erich Teufel, zitiert nach: Grabitz/Hilf (2000), vor Art. 198a-c, Rn 22.

256

C. Europa und der britische Regionalismus

dass die AdR-Kandidaten zum Zeitpunkt ihrer Ernennung einer lokalen Körperschaft angehören müssen. Eine weitere Rechtsgrundlage hierfür existierte darüber hinaus nicht. Die europäischen und internationalen Interessen der wichtigsten britischen Zusammenschlüsse des "local government" wurde durch das "Local Government International Bureau (LGIB)" vertreten. Ihr gehörten an für England und Wales die "Association of County Councils" (Verband der Grafschaften), die "Association of District Councils" (Verband der Distrikträte) und die "Association of Metropolitan Authorities" (Verband der städtischen Behörden). Für Schottland gehörten ihr an die "Convention of Scottish Local Authorities" (Kongress der schottischen Lokalbehörden) und für Nordirland die "Association of Local Authorities for Northern Ireland" (Verband der lokalen Körperschaften in Nordirland). In Zusammenarbeit mit dem LGIB verständigten sich die einzelnen Verbände auf eine Kandidatenliste auf der Grundlage der geographischen Verhältnisse und des politischen Gleichgewichts. Danach beschloss die Zentralregierung über die Verteilung der Sitze für die vier Landesteile des Vereinigten Königreiches. Das Umweltministerium nahm zunächst in der von den Verbänden vorgeschlagenen Mitgliedsliste einige Änderungen vor, weil die Zentralregierung in Bezug auf das politische Gleichgewicht im Ausschuss andere Vorstellungen hatte. 21 Darüber hinaus fiel es der Zentralregierung schwer zu akzeptieren, dass der nationalen Delegation nur gewählte Mitglieder lokaler Gebietskörperschaften angehören sollten. Das Parlament in London konnte jedoch durch das LGIB in einer mit Nachdruck geführten Kampagne davon überzeugt werden, dass Gesetz zu ändern, durch das der Vertrag von Maastricht umgesetzt wurde. 22 Seitdem ist gesetzlich verankert, dass nur solche Mitglieder ernannt werden können, die auch ein gewähltes politisches Mandat ausüben. 23 Dieses Verfahren wurde im Jahr 1998 nochmals einer Revision unterzogen. Wurden bisher, wie gerade dargestellt, die Vertreter Schottlands (5 von 24) im Ausschuss der Regionen zentral von London aus bestimmt24 , liegt diese Kompetenz seit 1999 grundsätzlich alleine bei der schottischen Legislative. Die schottische Exekutive unterbreitet nunmehr dem schottischen Parlament Vorschläge, die Mitglieder für den "Ausschuss der Regionen" und den Wirtschafts- und Sozialausschuss zu bestimmen. Bates, in: Bates (1997), S. 64. Bates, in: Bates (1997), S. 64. 23 Vgl. CdR 162/97 (EN) W/hi; auch: hup://www.cor.eu.int (Studien und Stellungnahmen). 24 Bates, in: Bates (1997), S. 65. 21

22

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

257

Ein ähnliches Verfahren gilt für Wales. Auch hier schlägt das Exekutivkomitee mögliche Mitglieder der Kammer vor, die diese dann grundsätzlich ernennt. Gegenüber der Europäischen Union behält jedoch der Außenminister formell das Recht, die Mitglieder zu benennen?S Ob und inwieweit er von den Vorschlägen abweichen wird, bleibt abzuwarten. Eine Ablehnung eines Vorschlages würde jedoch bedeuten, dass die diesbezüglich bestehende Kompetenz des Parlamentes bzw. der Kammer unterlaufen würde. Insofern ist das Vorschlagsrecht ein mögliches Einfallstor für die Souveränität des Gesamtstaates gegenüber den Regionen. Derzeit setzt sich die Delegation des Vereinigten Königreiches aus Mitgliedern zusammen, die zum einen der walisischen und nordirischen Kammer angehören, einem Minister der nordirischen Regierung, einem Mitglied des schottischen Parlamentes, Mitgliedern der neu errichteten "regional assemblies", sowie einer Vielzahl unterschiedlicher lokaler Gebietskörperschaften?6 Damit ist nunmehr gewährleistet, dass auch die Regionen Einfluss und Mitspracherechte haben und die Arbeit des Ausschusses direkt in den neu errichteten regionalen Körperschaften reflektiert werden kann. 2. Sonstige Texte und Erklärungen Schaut man sich im heutigen Europa27 um, so findet man auf der Ebene der Mitgliedsstaaten regionalistische Strukturen der verschiedensten Art. Auf der Ebene der Europäischen Union findet sich keine allgemeingültige Definition dessen, was Region und Regionalismus sind. a) NUTS

Sehr formell hat sich die Union für administrativ-institutionelle Abgrenzungskriterien entschieden, die sog. NUTS ("Nomenclature of Units for Territorial Statistics,,).28 Die EU unterscheidet im Rahmen der Regionalpolitik drei verschiedene Regionalebenen. In Großbritannien sind dies: 25 Vgl. Art. B 3.29 Concordat on Co-Ordination of European Union Policy Issues (www.scotland.gov.uk/library2/memorandum/mous-06.htm). 26 Eine aktuelle Liste der Mitglieder des Vereinigten Königreiches kann abgerufen werden unter: hup://www.cor.eu.int. 27 Der Begriff "Europa" steht im Folgenden in erster Linie für das Europa der Europäischen Union, da die hier behandelte Region/Regionalismus insbesondere in diesem Rahmen und auf dieser Ebene von großer bis größter Bedeutung ist. 28 Schink (1992), S. 389. 17 Mey

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C. Europa und der britische Regionalismus

• NUTS I (Gebiete der jeweiligen RDA in England bzw. jetzt zusätzlich Schottland, Wales und Nordirland), • NUTS 11 ("group of counties"), • NUTS III ("counties, local authorities"). Dies zeigt, dass die auf der Ebene der EU vorgenommene Einteilung lediglich nach Gemeinschaftszwecken vorgenommen worden ist und im britischen Staatsautbau bisher so noch nicht vorgesehen war. Lediglich in Bezug auf NUTS I ergibt sich jetzt eine gewisse Anpassung, indem Schottland und Wales sowie Nordirland nunmehr als Regionen in diesem Sinne geIten. 29

b) Wichtige Erklärungen und Konferenzen zum Thema Regionalismus aa) Erklärung von Bordeaux Neben dieser sehr funktionalen Regionsbestimmung haben sowohl die Mitgliedsstaaten als auch die Regionen sowie auch beispielsweise der Europarat versucht, sich dem Thema in verschiedenen Erklärungen und Konferenzen zu nähem?O In der "Erklärung von Bordeaux" des Europarates 31 vom 01.02.1978 heißt es: 32 ,,1. Als wesentlicher Bestandteil des Staates ist die Region ein Grundelement des Reichtums eines Landes. Sie bezeugt dessen kulturelle Mannigfaltigkeit. Sie gibt Anregungen für die wirtschaftliche Entwicklung (... ). 29 In Deutschland ist dies: die Kreisebene (NUTS III), die Bezirksebene (NUTS 11) sowie die Landesebene (NUTS I), vgl. Commission of the European Communi-

ties (1987). 30 Das Thema Regionalismus und Regionalisierung ist keines, das nur etwa innerhalb der Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union Relevanz hätte. Vielmehr hat sich auch die (damalige) KSZE in verschiedenen Konferenzen und Akten direkt und indirekt damit beschäftigt. Ein weiteres Eingehen hierauf würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen, daher vgl. hierzu: Häberle (1994), S. 220 f., 223; ders., EuGRZ 1990, S. 239 ff.; ders., EuGRZ 1991, S. 250 ff. 31 Zuvor hatte sich der Europarat erstmals in der "Erklärung von Galway" im Oktober 1975 nach einer Konferenz mit den Regionalbehörden der europäischen Randgebiete mit dieser Thematik befasst. Sie betont, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den Randregionen Europas langsamer vorangehe als in den Zentralregionen, und beklagt darüberhinaus: "die Auffassung der Europäischen Gemeinschaft über die Regionalpolitik verkennt vollständig die Region als lebendige Gemeinschaft; im Plan der europäischen Gemeinschaft spielt die Region nur eine passive Rolle, nämlich nur als Verwaltungsrahmen wirtschaftlicher Tätigkeit"; zitiert nach Esterbauer (1978), S. 209 ff. 32 Zitiert nach: Häberle (1994), S. 219.

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

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2. Als Erben der Geschichte Europas und des Reichtums seiner Kulturen stellen die Regionen Europas den unersetzlichen und unvergleichlichen Wert der europäischen Zivilisation dar. ( ... ) 3. Das Recht jedes Europäers auf "seine Region" ist Teil seines Rechtes auf Verschiedenheit. Dieses Recht zu bestreiten hieße die Identität des europäischen Menschen in Frage stellen, und letztlich auch Europas selbst. 4. Der Begriff der Region, manchmal verschieden von Land zu Land, bedeutet (... ) im allgemeinen eine menschliche Gemeinschaft, die innerhalb der größten gebietsmäßigen Einheit des Landes lebt. Eine solche Gemeinschaft ist gekennzeichnet durch eine geschichtliche oder kulturelle, geographische oder wirtschaftliche Homogenität oder eine Kombination dieser Kennzeichen, die der Bevölkerung Einheit verleiht in der Verfolgung gemeinsamer Ziele und Interessen (... )". 5. Ein Staat, der nicht die Mannigfaltigkeit der Region erkennen kann, aus denen er zusammengesetzt ist, ist auch unfähig, die Mannigfaltigkeit der europäischen Gemeinschaft festzustellen. 6. Durch Entwicklung und Selbstverwaltung auf den verschiedenen Ebenen, d.h. regional, örtlich und andersartig, fördert der Staat das Verantwortungsbewusstsein bei den Bürgern. (... )"

bb) Regionalistische Leitsätze von Brixen Durch die "Regionalistischen Leitsätzen von Brixen" vom Herbst 1978 33 wurde ein umfangreicher Katalog an Leitsätzen und Forderungen aufgestellt, durch die den europäischen Regionen eine Vielzahl von Garantien und Rechten eingeräumt werden sollten. Dazu zählen das Recht auf regionale Eigenart, das Recht auf regionale Selbstbestimmung, die Forderung nach regionaler Demokratie und Selbstbestimmung als Garantie für Volksnähe und Kontrolle zentralstaatlichen Handeins, die Forderung nach freien kulturellen und sprachlichen Ausdrucksformen wie auch die Forderung nach einem "Europa der Regionen" als Garant für eine stabile, auf Freiheit beruhende Einheit mit einem nachhaltigen europäischen Gemeinschaftsbewusstsein. cc) Gemeinschaftscharta der Regionalisierung Das Europäische Parlament hat sich mehrfach ebenfalls mit dieser Thematik befasst und am 18.11.1988 die "Gemeinschaftscharta der Regionali33 Die Leitsätze von Brixen gehen zurück auf eine Resolution der Bayerischen Staatskanzlei bzw. eine Studientagung zum Thema "Regionalismus in Europa", vgl. hierzu Esterbauer (1979), S. 328 ff. Sie stehen zwischen national-verfassungsstaatlichen und internationalen und europarechtlichen Texten und wurden auf einem sowohl wissenschaftlichen wie auch politischen Forum erarbeitet, vgl. hierzu auch Häberle (1994), S. 221 f. 17*

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C. Europa und der britische Regionalismus

sierung,,34 verabschiedet. Sie ist kein politisches Dokument und entfaltet somit keine rechtliche Verbindlichkeit. Als qualifizierte Stellungnahme einer hochrangigen europäischen Institution kommt ihr jedoch trotzdem erhebliche Bedeutung und Wirkkraft zu. Art. 1 Nr. I dieser Charta definiert: "Eine Region ist ein Gebiet, das aus geographischer Sicht eine deutliche Einheit bildet, oder aber ein gleichartiger Komplex von Gebieten, die ein in sich geschlossenes Gefüge darstellen und deren Bevölkerung durch bestimmte gemeinsame Elemente gekennzeichnet ist, die die daraus resultierenden Eigenheiten bewahren und weiterentwickeln möchte, um den kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt voranzutreiben." Nach Art. 1 Nr. 2 der Charta sind gemeinsame Elemente, die eine Region auszeichnen, die Sprache, Kultur, geschichtliche Tradition sowie Interessen im Bereich der Wirtschaft und des Verkehrswesens. Art. 1 Nr. 3 legt fest, dass es auf eine Bezeichnung oder rechtlich-politische Stellung, die diese Einheiten in den einzelnen Mitgliedsstaaten haben können, nicht ankomme. Die Charta begnügt sich jedoch nicht mit allgemeinen Definitionen auch wenn diese sehr offen gehalten sind (so der die Region charakterisierende Begriff "gemeinsame Elemente") - sondern fordert in Art. 2 die Mitgliedsstaaten auf, "unter Berücksichtigung des Bevölkerungswillens, der geschichtlichen Tradition und der Notwendigkeit einer effizienten und ihren Aufgaben entsprechenden Verwaltung (... ) auf ihren Hoheitsgebieten Regionen im Sinne von Artikel 1 der Charta zu institutionalisieren bzw. beizubehalten, wo sie bereits bestehen." Art. 2 der Charta spricht einen Auftrag an die Mitgliedsstaaten aus, sich mit dem Erreichten keinesfalls zufrieden zu geben, vielmehr aktiv an der vertieften Regionalisierung Europas zu arbeiten. Im Folgenden normiert die Charta sogar Maximen, wie die Regionen mindestens beschaffen sein sollten. Art. 3 Abs. 3 fordert eine volle Rechtspersönlichkeit für Regionen, und in Art. 4 ist vorgesehen, dass die Grenzen unter Berücksichtigung des Bevölkerungswillens festgeschrieben werden sollen. dd) Konferenz "Europa der Regionen" In der Entschließung der Teilnehmer der Konferenz "Europa der Regionen" am 18./19.10.1989 in München heißt es unter anderem: 35 34 Entschließung zur Regionalpolitik und zur Rolle der Regionen, AbI. EG Nr. C 326/289 und C 326/296 (Anlage Gemeinschaftscharta der Regionalisierung); auch: Schmidt, Symposium zur Europäischen Charta der Kommunalen Selbstverwaltung, DÖV 1988, S. 1011 ff.

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

261

"Die Regierungschefs und Präsidenten der in München versammelten Länder, Regionen und autonomen Gemeinschaften, ( ... ) bekunden ihre gemeinsame Absicht ( ... ), sich dabei von folgenden politischen Zielsetzungen leiten zu lassen: (1) Europas Reichtum ist die Vielfalt seiner Völker und Volksgruppen, seiner Kulturen und Sprachen, Nationen, Geschichte und Traditionen, Länder, Regionen und Autonomen Gemeinschaften. Ziel unserer Politik ist es, diese Vielfalt zu erhalten und zu fördern ( ... ). (3) Subsidiarität und Föderalismus müssen die Architekturprinzipien Europas sein ( ... ). Die künftige Europäische Union sollte in drei Stufen gegliedert sein: Europäische Gemeinschaften, Mitgliedsstaaten, Länder oder Regionen oder Autonome Gemeinschaften ( ... ). Das (sie. die Zuweisung von Aufgaben nach dem Subsidiaritätsprinzip zur selbständigen Erledigung) gilt vor allem für die Bereiche regionale Entwicklung, Erziehungs-, Bildungs-, Medien- und Kulturpolitik, Umweltschutz, Gesundheitswesen, innere Sicherheit."

Gefordert wird darüber hinaus ein Initiativ-, Anhörungs- und Mitwirkungsrecht der Länder, Regionen und autonomen Gemeinschaften bei der Willens bildung und Entscheidung auf europäischer Ebene wie etwa die Schaffung einer repräsentativen Institution, ein eigenständiges Klagerecht vor dem EuGH sowie eine Absicherung dieser Rechte in den Verträgen bzw. einer künftigen Europäischen Verfassung. 36 ee) Amsterdamer Erklärung der Vertreter der europäischen Regionen und Städte vom 16. Mai 1997 Ein weiteres wichtiges Dokument europäischer Regionen und Städte mit konkreten Forderungen an den Ministerrat wurde im Mai 1997 in Amsterdam verabschiedet. Auf Einladung des Ausschusses der Regionen trafen sich dort zur Vorbereitung der Regierungskonferenz zur Revision des Maastricht-Vertrages über 200 Vertreter europäischer Regionen und Städte. Von Seiten des Vereinigten Königreiches nahmen daran unter anderen so unterschiedliche Vertreter wie ein Abgesandter des Suffolk County Council, des 35 Zitiert nach: Knemeyer, (1990), 453 f.; vgl. hierzu auch: Häberle (1991 b), S. 264; auch: Borchmann, DÖV 1990, S. 879 ff. (Bericht). 36 Auch in den weiteren Regelungen der Charta ist zu erkennen, dass das Europäische Parlament mit dieser versucht, eine Art "Modell-Verfassung für Regionen" vorzulegen. Vorschriften über eine zu wählende Regionalversammlung und Regionalregierung mit einem Präsidenten (Art. 6), oder Vorschriften über die Wahl dieser Versammlung (Art. 7), die Selbstverwaltungsgarantie (Art. 11 Abs. 1), über die Verteilung der Gesetzgebungsbefugnisse (Art. 11 Abs. 2 lit. a, Art. 12 Abs. 2), über die Errichtung unabhängiger Instanzen im Falle der Notwendigkeit von Streitschlichtung (Art. 15), über Vorschriften bezüglich der Finanzverteilung und Partizipationsklauseln auf nationaler wie europäischer Ebene zeigen, dass hier erstmals der Versuch gemacht wurde, tatsächlich die Grundzüge einer Verfassung für die Regionen zu erarbeiten; vgl. hierzu eingehend: Häberle (1994), S. 223 ff.

262

C. Europa und der britische Regionalismus

Edinburgh City Council, des Gwynedd County Council, ein Vertreter der englischen "Region" South East oder auch die Bürgermeister von Manchester und Liverpool teil. Die Abschlusserklärung enthält ein klares Bekenntnis zur Rolle und Bedeutung der Regionen innerhalb der Union sowie konkrete Forderungen an den Ministerrat, die Kompetenzen des Ausschusses der Regionen auszuweiten und zu stärken: ,,2. To overcome these challenges (i. e.: Reform der Institutionen, Beschleunigung der Entscheidungsprozesse, höhere Effektivität), we are convinced that Europe needs the complete support of the regional and local authorities in all their diversity and autonomy. (... ) We wish to contribute to the creation of a political union of the peoples of Europe, in which decisions will be taken at the level which is most appropriate and dosest to ordinary people, in accordance with the principle of subsidiarity. The more regional and local authorities are involved in shaping Europe, the better they, together with the members of the European Parliament, are able to function as a mediator between Europe and the general public. The less the regional and local authorities are involved, the less they will be able to help ward off scepticism, generated by a feeling of remoteness. 3. Regional responsibility and local self-government are the sine qua non for a Europe which fosters unity and safeguards cultural diversity. The regional and local authorities are the necessary answer and complement to globalisation and Europeanisation. People find their identity and roots, and a sense of security, in their horne regions and localities. Europe only has a future if all levels work together. Policies can only be drawn up through coordination, and not confrontation, between the local, regional, national and supranational levels. This coordination must take subsidiarity as its guiding principle, reflecting the particular features of each Member State.'.37

Subsidiarität, kulturelle Vielfalt gepaart mit regionaler Selbstbestimmung und das Verständnis der Region als Antwort und Ergänzung auf und zu einer fortschreitenden Globalisierung und Europäisierung - Stichworte, die das Selbstverständnis und Erwartungen der europäischen Regionen und Städte sehr deutlich zum Ausdruck bringen und gleichzeitig Forderungen und Erwartungen formulieren, das eigene Selbstverständnis und die eigene Bedeutung innerhalb einer vitalen und zukunftsoffenen Union zu stärken. ff) Politische Erklärung der konstitutionellen Regionen Bayern, Katalonien, Nordrhein-Westfalen, Salzburg, Schottland, Wallonien und Flandern, Brüssel, 28. Mai 2001

Infolge der weitgehenden Vernachlässigung der regionalen Interessen auf der Regierungskonferenz von Nizza vom Dezember 2000 lud der Präsident 37 Committee of the Regions (1997); die deutsche Fassung findet sich unter CdR 154/97 (DE).

H. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

263

der belgisehen Region Flandern, Patrick Dewael, zusammen mit den vorgenannten weiteren "konstitutionellen Regionen" am 22. Februar 2001 nach Brüssel zu einem Kolloquium ein, das sich das Ziel gesetzt hatte, die derzeitige und künftige Rolle der konstitutionellen Regionen Europas zu beleuchten. 38 Da diese Konferenz nach Ansicht der Vertreter der teilnehmenden Regionen sehr erfolgreich war, entschlossen sich diese, den Prozess der Konsultation fortzusetzen. Dieser mündete in eine politische Erklärung der vorgenannten konstitutionellen Regionen vom 28. Mai 2001. 39 Im Kern geht es dabei um die künftige Rolle und Stellung der Regionen in einem sich vergrößernden Europa und die Mitwirkung der Regionen an der Vorbereitung der nächsten Regierungskonferenz im Jahr 2004. Die Regionen wollen sich nicht länger mit der Rolle des Zuschauers begnügen; sie fordern eine aktive Beteiligung an der Debatte über die Zukunft der Europäischen Union, eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips als Leitprinzip in der Debatte über Kernaufgaben und Kompetenzabgrenzungen sowie eine wesentlich stärkere Einbeziehung der Regionen in den institutionellen Rahmen, hier insbesondere eine wesentliche Stärkung der Kompetenzen des Ausschusses der Regionen sowie ein direktes Klagerecht vor dem EuGH, wie es Mitgliedsstaaten zusteht. Darüber hinaus wird gefordert, eine Teilnahme von konstitutionellen Regionen an den Arbeiten des Rates zu verstärken. Die Erklärung schließt mit den Worten: "Die sieben konstitutionellen Regionen dieser Initiative beabsichtigen, diese Deklaration anderen konstitutionellen Regionen vorzustellen, die offen für ihre Ziele sind. Die Kooperation zwischen Regionen wird ein Schlüsselfaktor für eine echte Einflussnahme auf die europapolitische Agenda sein."

Festzuhalten ist, dass Schottland sich hier zusammen mit deutschen und österreichischen Bundesländern, einer autonomen spanischen Gemeinschaft sowie belgisehen Regionen als "konstitutionelle Region" versteht, als Region also, die auf verfassungsrechtlich abgesichertem Fundament existiert und weitgehende autonome Kompetenzen wahrnehmen kann. Diese Selbsteinschätzung gibt auch die Position des schottischen Parlaments wieder. gg) Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Europäisches Regieren: Ein Weißbuch (Juli 2001)40 Ebenfalls als Reaktion auf die von vielen als unbefriedigend empfundenen Ergebnisse der Regierungskonferenz von Nizza legte die Kommission im 38 Ein Protokoll dieses Kolloquiums inkl. aller Redebeiträge findet sich unter: www.flanders.be/public/authority/govemment/news/index.asp. 39 http://europa.eu.intlfuturm/documents/contrib/dec280501_de.htm.

C. Europa und der britische Regionalismus

264

Juli 2001 ein "Weißbuch" vor, dass sich mit der Reform des "europäischen Regierens" befasst. Es soll helfen, eine öffentliche Debatte in allen Mitgliedsstaaten und unter allen Bürgern der Union zu entfachen, wie künftig das vielzitierte Demokratiedefizit oder eine zunehmende Entfremdung zwischen den Organen der Union und den Bürgern überwunden werden kann. 41 Eine derartige umfassende Einladung zur Diskussion und Reform betrifft folgerichtig auch die Regionen und ihre Möglichkeiten der Repräsentation und Partizipation. Die Kommission unterbreitet diesbezüglich einige Reformansätze, die gleichermaßen die europäischen Institutionen wie auch die Mitgliedsstaaten und die Regionen betreffen. Kernpunkte sind hier die intensivere Einbindung der Regionen und Kommunen in die Politikgestaltung, eine größere Flexibilität in der Umsetzung von einzelnen Vorschriften, angepasst an die jeweiligen Verhältnisse vor Ort sowie die Stärkung der Gesamtkohärenz der Politik. Um dies zu erreichen, soll künftig auch der Ausschuss der Regionen eine wesentliche stärkere Rolle spielen. 42 Insgesamt erhofft sich die Kommission am Ende dieses umfassendsten Konsultationsprozesses ihrer Geschichte, den "Grundsätzen des guten Regierens" (Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Effektivität sowie Kohärenz,,)43 ein gutes Stück näher zu kommen und so die künftigen Herausforderungen, bedingt durch die Erweiterung der Union sowie eine damit notwendig werdende umfassende Reform der Institutionen, bedingt aber auch durch Herausforderungen der wirtschaftlichen Globalisierung oder den internationalen Terrorismus künftig effektiver, bürgernäher und kohärenter bewältigen zu können.

3. Exkurs: Region und Regionalismus in ausgewählten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Um den britischen Regionalismus rechtsvergleichend einordnen zu können, soll nun ein Blick auf die föderale bzw. regionalistische Gliederung einiger wichtiger Mitgliedsstaaten der EU geworfen werden. a) Bundesrepublik Deutschland

Spricht man über Regionalismus und Regionen in Deutschland, so ist zunächst zu betonen, dass zumindest dem deutschen Staatsorganisationsrecht 40

41 42 43

Kommission Kommission Kommission Kommission

(2001). (2001), S. 9. (2001), S. 18. (2001), S. 13.

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

265

der Begriff der Region fremd ist. 44 Gebräuchlich ist der Begriff in Deutschland allenfalls in den Bereichen Raumordnung und Landesplanung (z. B. § 9 ROG bzw. Art. 2 Nr. 2 BayLPIG). Region im Sinne dieser Vorschriften sind kleinere territoriale Einheiten, die die Grundlage für Raumplanung und Raumentwicklung bilden. Eine echte staatsorganisationsrechtliche Funktion kommt ihnen dabei jedoch nicht zu. Deutschland ist in Länder eingeteilt, die Länder haben mit der Billigung des Grundgesetzes originär dazu beigetragen, dass die Bundesrepublik Deutschland am 24.05.1949 als Föderalstaat errichtet wurde, und heute nehmen die Länder mehr denn je in den verschiedenen Institutionen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene die ihnen im Grundgesetz bzw. den Europäischen Verträgen verliehenen Kompetenzen wahr. Aus der Sicht des Europarechts wäre es also plausibel, die Region hier mit dem Bundesland gleichzusetzen, insbesondere deshalb, weil auf europäischer Ebene der Begriff der Region konstitutive Bedeutung erlangt hat. Aus eben dieser Tatsache, dass der Begriff der Region europapolitisch zu interpretieren ist, ergibt sich für die Gebietskörperschaften in Deutschland das Problem einer eindeutigen Abgrenzung von Kompetenzen und Zuständigkeiten. Von Seiten der Kommunalverbände wird kritisiert, dass die Bundesländer selbst eine Gleichsetzung mit den Regionen vornähmen, um ihre Position gegenüber den Kommunen zu stärken. Eine Einflussnahme durch die Kommunen scheitere sehr oft am Widerwillen der Länder. 45 Es ist daher notwendig, auch auf nationaler Ebene den europarechtlichen Begriff der Region im Zusammenhang mit der konkreten Funktion zu bestimmen. Da in Deutschland eine dezentrale Staats- und Verwaltungsgliederung besteht, besteht keine Notwendigkeit einer neuen Gliederung. Vielmehr können die vorhandenen Strukturen funktionalisiert werden. Bezieht man in diese Überlegungen die erwähnte "Gemeinschaftscharta der Regionalisierung" mit ein, so sprechen gute Gründe dafür, die Länder tatsächlich als Regionen im dortigen Sinne zu verstehen. Sie sind zwar nicht - oder jedenfalls nicht primär - in ihren konkreten Grenzen historisch gewachsen, und sind auch nicht durch Sprache und Kultur abgrenzbar, sie nehmen jedoch legislative und administrative Funktionen und Kompetenzen wahr, verfügen über eine originäre finanzielle Ausstattung und sind über den Bundesrat an Entscheidungen auf der Bundesebene beteiligt. Sie entsprechen damit in ihrem Selbstverständnis einem "Baustein eines föderal verfassten Europas". Dieses Selbstverständnis findet seit der Neufassung des Art. 23 GG nunmehr auch seine verfassungsrechtliche Bestätigung im Grundgesetz. Zudem hat ihr Bestehen in den jetzigen Grenzen seit über 44 45

Schink (1991), S. 390 f. Haneklaus (1991), S. 295 ff.

266

C. Europa und der britische Regionalismus

50 Jahren zu so etwas wie einem regionalen Patriotismus geführt. Insbesondere über ihre traditionelle Kulturpolitik definieren sich zum Beispiel die Bayern und Baden Württemberger als Kultureinheit. Unterhalb der Ebene der Länder existiert noch ein ausdifferenziertes Gefüge von Regierungsbezirken, Landkreisen, Städten und Gemeinden. Insbesondere die Kommunen haben Angst, Kompetenzen zu verlieren und schalten sich verstärkt in die Diskussion ein, beispielsweise durch die Forderung nach der Aufnahme eines Grundrechtes auf kommunale Selbstverwaltung in das Grundgesetz. 46 Zu dieser Entwicklung gehört auch, dass zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen Bemühungen im Gange sind, durch diesbezügliche Zusammenschlüsse von Kreisen stärker regionalbezogene Gelder zu erhalten und auf regionalbezogene Probleme hinzuweisen. 47 Dies ist jedoch im Grundgesetz so nicht vorgesehen und birgt die Gefahr der Aushöhlung; denn auf die Kommunen und Kreise treffen die Merkmale der Gemeinschaftscharta jedenfalls nicht zu. b) Belgien

Gemäß Art. 1 der neuen belgischen Verfassung ist Belgien ein föderaler Staat. 48 Der belgische Föderalismus zeigt sich neben den in der Verfassung in Art. 2 festgeschriebenen drei Gemeinschaften, die in erster Linie durch ihr gemeinsames Sprachgebiet abgrenzbar sind (die flämische Gemeinschaft mit dem niederländischen Sprachgebiet, die französische Gemeinschaft und die deutschsprachige Gemeinschaft), in der durch Art. 3 der Verfassung vorgenommenen Konstituierung von drei Regionen als gebietskörperschaftliche Einheiten. Sie decken sich nicht vollständig mit den drei Gemeinschaften. Die Regionen sind: - die flämische Region (niederländischer Sprachraum, umfasst 57,6% der Bevölkerung), - die wallonische Region (französischer und deutscher Sprachraum, umfasst 32,5 % der Bevölkerung), - die Region Brüssel, die die 19 Gemeinden der Hauptstadt Brüssel umfasst (9,9% der Bevölkerung). 46 Vgl. die Forderungen der Amsterdamer Erklärung vom Mai 1997. Bisher ist diese Forderung jedoch ungehört verhallt; in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union fand sie jedenfalls bisher keinen Eingang, auch wenn sie von der deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas ausdrücklich begrüßt und unterstützt wurde, vgl. hierzu: www.bundestag.de/ftp/pdf/anlagelO.pdf. 47 Vgl. hierzu die Pressemitteilung der nordrheinwestfaIischen Landesregierung unter: www.nrw.de/politik/europa_reg.htm. 48 Art. I der Be1gischen Verfassung lautet: "Belgien ist ein Föderalstaat, der sich aus den Gemeinschaften und den Regionen zusammensetzt."

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

267

Die erste Verfassung Belgiens im Jahr 1831 gab dem Vielvölkerland die Struktur eines Einheitsstaates. Damals wie heute war Belgien jedoch kein Einheitsstaat. Die französischsprachige Gemeinschaft gehört dem romanischen Kulturkreis an, die niederländischsprachige Gemeinschaft dem germanischen. Belgien wurde, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung dem germanischen Sprach- und Kulturraum angehörte, über lange Jahrzehnte von der Politik, Sprache und Kultur des südlichen Wallonien dominiert. Gegen diese Dominanz entstand in der Mitte des 19. Jahrhunderts die für die Erhaltung der eigenen Kultur und Sprache eintretende flämische Bewegung.49 Nachdem im Laufe eines Jahrhunderts das Niederländische in Verwaltungsangelegenheiten, im Justizbereich und auch in den Schulen als gleichwertig anerkannt worden war, wuchsen die Forderungen der Flamen nach mehr Autonomie auch in kulturellen und politischen Angelegenheiten. Nach dem 2. Weltkrieg wuchs schließlich, bedingt durch zunehmende Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen und Forderungen nach Autonomie auf beiden Seiten die Erkenntnis, dass eine tiefgreifende Verfassungsreform notwendig wurde, um den Zusammenhalt des Staates zu gewährleisten. Diese wurde zwischen 1970 und 1996 in mehreren Schritten vollzogen. 50 Die Eigenart des belgischen Staates besteht in der "doppelten Regionalstruktur". Die Gemeinschaften und Regionen sind wie die gesamtstaatliche Ebene mit gleichwertigen Gesetzgebungskompetenzen ausgestattet. Sie haben die ihnen durch die Verfassung oder Sondergesetz ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben. Die Restkompetenzen stehen dem zentralen Gesetzgeber zu. Die Abgrenzung findet durch das Prinzip der gegenseitigen Exklusivität statt. Dies bedeutet, dass die regionalen bzw. gemeinschaftlich gesetzgebenden und administrativen Befugnisse den nationalen Organen entzogen sind, und umgekehrt die Regionen und Gemeinschaften in den Kompetenzen des Zentral staates von der Mitwirkung ausgeschlossen sind. Bis auf wenige AusnahmeflHle darf jedes konkrete Verhältnis und jede konkrete Situation nur von einem der Beteiligten Normgeber geregelt werden. Dies dient dazu, die Autonomie der Gemeinschaften und Regionen zu gewährleisten. Die Kompetenzen der Regionen (Art. 39, 134 belgische Verfassung) liegen in erster Linie im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Durch die letzte Verfassungsreform erhielten sie jedoch auch die Kompetenz zum Abschluss internationaler Verträge. Auch eine eigene Steuerhoheit in einigen Bereichen haben die Regionen nunmehr. Die Befugnisse der Gemeinschaften sind in Art. 127 ff. der belgischen Verfassung geregelt. Zu den wichtigsten gehören die kulturellen Angelegen49 Vgl. hierzu ausführlich: www.ned.univie.ac.at/publicaties/taalgeschiedenis/dtl vlaams.htm. 50 Alen (1995), S. 33 ff.

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C. Europa und der britische Regionalismus

heiten, das Unterrichtswesen, die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinschaften und auch hier der Abschluss von internationalen Verträgen. In institutioneller Hinsicht unterscheidet sich die Struktur der Gemeinschaften und Regionen nicht von der nationalen Ebene. Jede Untereinheit hat ein eigenes Regionalparlament, dessen Beschlüsse durch die Regionalregierung ausgeführt werden. Eine Ausnahme hierzu bildet nur die niederländischsprachige Seite, wo der flämische Rat und die flämische Exekutive sowohl die Zuständigkeiten der Gemeinschaft wie auch der Region ausübt. Auf französischsprachiger Seite existieren parallel der Rat und die Exekutive der französischen Gemeinschaft wie der wallonischen Region. Darüber hinaus verfügt Belgien auf gesamtstaatlicher Ebene noch über einen Senat, eine zweite Kammer des Parlamentes. Sie umfasst Vertreter der Regionen und hat damit quasi den Status einer Länderkammer. 51 Als Besonderheit des belgisehen Staatsmodells kann festgehalten werden, dass hier der Föderalismus mit nur zwei bzw. drei Teilgebieten verwirklicht wird. c) Italien

Art. 114 der italienischen Verfassung schreibt vor, dass die Republik in Regionen, Provinzen und Gemeinden unterteilt sein soll. Insgesamt besteht der italienische Staat heute aus 20 Regionen, von denen fünf52 einen Sonderstatus genießen. Nachdem der faschistische Staat 1947 untergegangen war, wurde durch die neue Verfassung die Grundlage für weitgehende Regionalisierung geschaffen. Die Einrichtung der Regionen verzögerte sich jedoch bis Ende der 60er Jahre, da die regierenden Christdemokraten durch zuviel Autonomie in den Regionen das Erstarken einer parlamentarischen Links-Opposition befürchteten. Tatsächlich funktionsbereit waren die Regionen erst mit der Übertragung von Kompetenzen und Vollmachten in den Jahren 1972 bzw. 1977. Zu den Organen der Region gehört das direkt gewählte Regionalparlament und die Regionalregierung. Das Parlament verfügt über die Gesetzgebungs- und Ordnungsgewalt der Region. Die Kompetenzen der Regionen sind legislativ und exekutiv. Die Legislativkompetenzen erstrecken sich gemäß Art. 117 italienische Verfassung in erster Linie auf regionalbezogene Sachverhalte wie Fremdenverkehr, Handwerk, Landwirtschaft, öffentlicher Verkehr, Stadt- und Raumplanung, Orts51

52

Art. 67 ff. Belgische Verfassung. Sizilien, Sardinien, Aosta-Tal, Trient-Oberetsch, Friaul-Julisch-Venetien.

H. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

269

polizei, öffentliche Wohlfahrt, Umwelt- und Energiepolitik sowie die Einteilung der Gemeinden. Die Kompetenzen der Regionen mit Sonderstatus umfassen einige Bereiche ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz, die über die Kompetenzen der übrigen Regionen hinausgehen (z. B. Regionalverwaltung oder Ordnung des Krankenhauswesens). Jedoch reichen auch ihre Kompetenzen nicht soweit, als dass von einer föderalistischen Struktur gesprochen werden könnte. Die Bereiche, die eine föderalistische Gliederung auszeichnen, wie etwa wichtige Bereiche in Kultur und Wissenschaft oder der Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung fallen weder in die Kompetenz der Regionen mit Sonderstatus noch der übrigen Regionen. Auch gerichtliche Zuständigkeiten fehlen. Die wichtigste Funktion der Regionen mit Sonderstatus besteht in ihrer Schutzfunktion für ethnisch-linguistische Minderheiten, was am Beispiel Südtirols sehr deutlich wird. Das legislative Tätigwerden der Regionen ist einer Präventivkontrolle durch den Zentralstaat ausgesetzt. Zudem hat der zentrale Gesetzgeber grundsätzlich immer die Rahmengesetzgebungskompetenz, was dazu führt, dass die Regionen auch in den Bereichen, in denen sie tätig werden dürfen, oftmals nur ergänzende und ausfüllende Funktion haben. Nicht zuletzt dürfen die Regionalgesetze nicht im Widerspruch zum Wohle der Nation stehen; diesen unbestimmten Rechtsbegriff legt die Zentralgewalt bzw. das Verfassungsgericht aus. Auch in finanzieller Hinsicht verbleibt den Regionen relativ geringer Handlungsspielraum. Ein Großteil der Einnahmen besteht aus Zuweisungen des Zentralstaates, und die Ausgaben sind in großem Umfang gebunden (Art. 119 italienische Verfassung). Größere finanzielle Spielräume für eigene Verwendungen und Investitionen bestehen damit nicht. In Italien besteht auf der Ebene des Zentral staates eine zweite Kammer, der Senat (Art. 57 ff. Italienische Verfassung). Er ist auf regionaler Grundlage gewählt und formell gleichberechtigt, da jedes Gesetz beide Kammern des Parlamentes passieren muss. Trotz der regionalistischen Ausrichtung ist der Senat jedoch bisher nicht zu einer echten Kammer der Regionen geworden; vielmehr wird er oftmals als "Verdopplung der Abgeordnetenkammer" kritisiert, was sämtliche Entscheidungsprozesse unnötig verlängere. 53 Italien gliedert sich des Weiteren in 95 Provinzen und ca. 8000 Gemeinden. Insbesondere durch das Fortbestehen einer relativ starken Provinzverwaltung wird der weitere Auf- und Ausbau der regionalen Kompetenzen behindert. 54 Bedingt durch die erheblichen Kontrollbefugnisse des Zentral staates und den zu geringen Kompetenzbereich hat sich Italien daher bisher nicht zu 53 54

SchelterIWuermeling (1995), S. 56. SchelterIWuermeling (1995), S. 57.

270

C. Europa und der britische Regionalismus

einem echten Föderalstaat entwickelt. Erschwert wird die Entwicklung hin zu einer echten föderalen Gliederung darüber hinaus auch durch eine starke In-Homogenität zwischen den Regionen. Das historische Gefälle von Nord nach Süd in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Geographie und die in den letzten Jahren immer wieder von maßgeblicher politischer Seite geäußerten Forderungen nach einer Dreiteilung des Landes in Nord-, Mittelund Süditalien lassen eine Regionalisierung jenseits der bestehenden Regionen auf der Grundlage wirtschaftlicher, sozialer und geographischer identität denkbar erscheinen. d) Spanien

Bis zum Tode Francos war Spanien geprägt durch einen traditionell zentralistischen Staatsaufbau. 55 Erst mit der Wende zur Demokratie im Jahr 1978 erfolgte eine radikale territoriale Dezentralisierung des Landes. In der 1978 durch Referendum angenommenen Verfassung wird eine Aufteilung des Staates in Gemeinden, Provinzen und Autonome Gemeinschaften vorgenommen. 56 Heute besteht Spanien aus insgesamt 17 Autonomen Gemeinschaften. Zwischen diesen gibt es erhebliche territoriale und strukturelle Unterschiede. So sind etwa die drei Gemeinschaften Katalonien, Baskenland und Galizien durch den höchsten Grad an Autonomie und Autonomieanspruch gekennzeichnet. 57 Unabhängig von ihrer historischen Entwicklung genießen jedoch alle Regionen im Rahmen ihres Autonomiestatus die gleiche Stellung. 55 Vgl. hierzu ausführlich: Lluch, in: Esterbauer/Pernthaler (1991), S. 103 ff.; Busch (1988), S. 5 ff. 56 Vgl. Art. 137 der Verfassung; das Autonomiemodell beruht darüber hinaus auf dem Recht auf Autonomie, das in Artikel 2 der Spanischen Verfassung garantiert wird. Art. 2 lautet: "Die Verfassung gründet sich auf die unauflösliche Einheit der spanischen Nation, gemeinsames und unteilbares Vaterland aller Spanier; sie anerkennt und gewährleistet das Recht auf Autonomie der Nationalitäten und Regionen, aus denen sie sich zusammensetzt, und auf die Solidarität zwischen ihnen." Die Verwirklichung dieses Prinzips hängt vom Willen der Territorien ab, sich innerhalb des Staates autonom zu organisieren. Jedes Territorium, das sich als Autonome Gemeinschaft konstituieren wollte, konnte die territoriale Abgrenzung durchführen und die statutgebende Phase einleiten; vgl. hierzu ausführlich Villal6n (1985), S. 195 ff. 57 Dieser Anspruch äußert sich teils sogar in einem offenen Konflikt mit dem Zentralstaat, in einem Anspruch auf einen eigenen "nationalen Staat". Dies wird besonders im Baskenland deutlich, in der der Konflikt um nationale Unabhängigkeit nach wie vor viele Opfer fordert und eine politische Lösung nach wie vor nicht in Sicht ist.

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

271

Der spanische Regionalismus ist durch ein hohes Maß an Flexibilität gekennzeichnet. Die Einrichtung und Errichtung der autonomen Gemeinschaften erfolgte nicht von oben nach unten, sondern die Verfassung gibt den Einheiten die Verantwortung und Entscheidung über ein Autonomiestatut und dessen Ausgestaltung. Dabei steht das Prinzip der Autonomie in enger Einheit mit dem Prinzip der nationalen Einheit; das Prinzip der nationalen Einheit - durch Art. 2 der Verfassung verankert - bildet den Rahmen, innerhalb dessen sich die Autonomie entwickeln kann. 58 Autonomie bedeutet dabei nicht Souveränität, diese liegt gemäß Art. 1 Abs. 2 der spanischen Verfassung beim gesamten Volk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht. Unter dem Vorbehalt der Zustimmung des spanischen Parlamentes haben mittlerweile alle Autonomen Gemeinschaften ein eigenes Regionalstatut ausgearbeitet. In diesen werden als institutionelle Grundlage der Namen, die Abgrenzung, die Organe und Zuständigkeiten der jeweiligen Gemeinschaft in Übereinstimmung mit der spanischen Verfassung niedergelegt. Mitunter kommt es aber dennoch zu Kompetenzüberschreitungen seitens der Autonomen Gemeinschaften oder des Zentralstaates. Die Gemeinschaften verfügen über ein frei gewähltes Parlament, über eine Regierung und einen eigenen Verwaltungsapparat. Wie in einem Gliedstaat kann die Gemeinschaft im Rahmen ihrer Kompetenz 59 Gesetze ohne Genehmigung der staatlichen Ebene verabschieden. In gewissen Kernbereichen behält sich die Zentralregierung jedoch die ausschließliche Gesetzgebung vor; dazu gehören u. a. die internationalen Beziehungen, die Verteidigung und Streitkräfte, die Justizverwaltung, das Handelsrecht, Strafrecht und Prozessrecht, das Zoll- und Tarifwesen und Fragen der Staatsangehörigkeit. 6o Die Regionen besitzen eine eingeschränkte Finanzhoheit; sie haben eigene Finanzierungsmechanismen und werden an den Staatseinnahmen ungebunden beteiligt (vgl. Art. 156-158 der spanischen Verfassung). In ihrer territorialen Untergliederung unterscheiden sich die Gemeinschaften ebenfalls stark. In manchen Gemeinschaften existiert nur eine Provinz, manche Gemeinschaften verfügen über mehrere Provinzen. Die Repräsentation der Gemeinschaften auf gesamtstaatlicher Ebene erfolgt durch den Senat. Obwohl er in Art. 69 Abs. I der Verfassung als Kammer der territorialen Repräsentation bezeichnet wird, ist er faktisch in erster Linie eine Vertretung der Provinzen; denn nur ein fünftel der MitglieLOpez Guerra (1992), S. 298 f. Art. 148 der Verfassung nennt einen umfangreichen Katalog an Zuständigkeiten, innerhalb derer die Gemeinschaften tätig werden können. 60 Art. 149 der Verfassung nennt einen 32 Ziffern umfassenden Katalog der ausschließlichen Zuständigkeiten. 58

59

272

C. Europa und der britische Regionalismus

der werden von den Autonomen Gemeinschaften gewählt. Auch die Stellung des Senates ist nicht mit der etwa des deutschen Bundesrates vergleichbar: am Zustandekommen der Gesetze ist er nur untergeordnet beteiligt. Spätestens in der zweiten Lesung kann sich das Parlament über ein Veto des Senats hinwegsetzen. Der spanische Verfassungsstaat stellt sich damit nicht als föderalistischer Staat dar. Dazu fehlt es ihm an unverzichtbaren Wesensmerkmalen der Bundesstaatlichkeit wie Staatsqualität und Verfassungsautonomie. Auch ist die Mitwirkung der Autonomen Gemeinschaften auf zentralstaatlicher Ebene ist unzureichend. Zudem fehlt es an der Gleichstellung der Gemeinschaften, weder in den Aufgaben noch in der Finanzierung. Er kann jedoch durchaus als "Vorform eines möglichen Bundesstaates,,61, als eine Form "des Prä-Föderalismus ..62 bezeichnet werden. e) Frankreich Art. 1 der französischen Verfassung von 1958 stellt gleich zu Beginn klar: "Frankreich ist eine unteilbare, laizistische, demokratische und soziale Republik. "

Die Betonung auf "unteilbar" findet sich in den französischen Verfassungen seit 1789.63 Sie ist zugleich Ausdruck und Spiegelbild der traditionellen Zentralisierung des französischen Verwaltungssystems. Seit jeher gilt die Vorstellung, dass der Zentralstaat seine Macht mit den Regionen oder sonstigen Gebietskörperschaften teilen müsste, als nicht gewollte Schwächung der Nation. 64 Da sich jedoch auch Frankreich nicht vollständig regionalistischen Tendenzen verschließen konnte, erfuhr die französische Verwaltungsorganisation in den Jahren 1982-1985 eine grundlegende Veränderung. Bis zu der Dezentralisierungsreform waren insgesamt 95 Departements und 36.000 Gemeinden die wichtigsten Verwaltungsebenen unterhalb des Zentralstaates. Heute existiert daneben eine aus 22 Regionen bestehende vollwertige neue Verwaltungsebene65 , die jedoch in der Verfassung der Republik an keiner Stelle Erwähnung findet. Damit hängt die Existenz der Regionen an sich sowie ihre Kompetenzen von einer einfachen Parlamentsmehrheit ab. Häberle (1983), S. 12. Villalon (1985), S. 240. 63 Zur Geschichte der französischen Verfassung vgl. allgemein: Hartmann (1985). 64 SchelterlWuermeling (1995), S. 60. 65 Hinzuzuzählen sind noch die vier Regionen Guadeloupe, Guyana, Martinique und La Reunion, die aufgrund ihrer Lage in Übersee jedoch einen Sonderstatus besitzen. 61

62

11. Das Phänomen und der Begriff "Region" im Europarecht

273

Die Regionen werden durch Regionalräte vertreten, die seit 1986 in allgemeiner und direkter Wahl gewählt werden. Allerdings blieb durch die Einführung der Regionalebene die Existenz der Departements und Gemeinden unberührt. Die wesentlichen Aufgaben der Regionen liegen in den Bereichen Raumordnung, regionale Wirtschaftsförderung und berufliche Bildung. Zudem wurden ihnen Bereiche der Schulpolitik, Umwelt- und Kulturpolitik sowie der regionalen Infrastrukturpolitik übertragen. Die Zentralregierung übt über die Gebietskörperschaften seit der Reform von 1982-1985 keine direkte (Präventiv-)Kontrolle mehr aus. Sie wird nur noch rechtsaufsichtlich tätig. Auch die Exekutivgewalt ist von der Zentralregierung (in Person des Präfekten, dem bisherigen Vertreter der Zentralregierung in der Rolle des Chefs der Regionalverwaltung) auf den Präsidenten des Regional- bzw. Departementparlamentes übergegangen. Obwohl neben dem Parlament auf der Ebene des Zentralstaates eine zweite Kammer, der Senat, existiert (Art. 24 der Verfassung), findet hier keine echte Repräsentation und Mitbestimmung im Sinne einer echten Regional- bzw. Departementvertretung auf Zentralstaatsebene statt. Vielmehr werden im Senat sämtliche Gebietskörperschaften repräsentiert, wobei die kommunalen Wahlmänner, die die Senatoren wählen, stark überrepräsentiert sind. Jedoch wirkt der Senat bei der Gesetzesberatung und -verabschiedung maßgeblich mit (Art. 45 der Verfassung), so dass zumindest in kleinem Rahmen eine indirekte Einflussnahme der Regionen möglich ist. Obwohl Frankreich nunmehr seit etwa 20 Jahren ebenfalls über eine regionale Gliederung verfügt, kann Frankreich weder als ein föderal noch regional gegliederter Staat bezeichnet werden. Auch die Departements können nicht als "Region" im hier vertretenen Sinne gelten, da sie kein einziges der geforderten Kriterien 66 erfüllen. Vielmehr ist ihre Hauptfunktion nahezu ausschließlich auf die Wahrnehmung von zentralen Verwaltungstätigkeiten beschränkt. Den Gebietskörperschaften steht grundsätzlich keinerlei legislative Kompetenz zu; diese wird ausschließlich von den Institutionen des Zentralstaates wahrgenommen. Die Regionen haben zwar den gleichen Status einer territorialen Körperschaft mit Verwaltungsautonomie wie die Gemeinden und Departements. Der Begriff der "Region" ist jedoch irreführend; denn auch diese Gebietskörperschaften erfüllen die hier geforderten Kriterien an den Status als "Region" nicht. Damit kann Frankreich als zwar verwaltungstechnisch dezentralisierter Staat bezeichnet werden, eine echte Tendenz zu föderalen oder regionalen Strukturen besteht jedoch nach wie vor nicht.

66

18 Mey

Vgl. Kapitel A 11 1.

274

c.

Europa und der britische Regionalismus

f) Irland

Eine echte regionale Gliederung besteht auch in Irland nicht. Die formelle Einteilung in vier Provinzen (Connaught, Leinster, Munster, Ulster) hat heute keinerlei funktionelle Bedeutung mehr. Vielmehr existiert hier, wie in Großbritannien, das System des "local govemment". Die Republik Irland besteht auf dieser Ebene aus insgesamt 26 "counties", die den britischen Grafschaften sehr ähnlich sind. Insgesamt bestehen 34 Verwaltungsbezirke, da einige der 26 "counties" weiter unterteilt sind. Diese 34 "administrative counties" besitzen die klassischen kommunalen Verwaltungskompetenzen, wobei ihr Handeln der Kontrolle durch den Zentralstaat unterliegt. Die Zusammenfassung einiger "counties" zu sogenannten "planning regions" spielt unter regionalistischen Gesichtspunkten keine Rolle; Bedeutung kommt diesen "planning regions" heute nur noch für Zwecke der Europäischen Union zu, da sie die Funktion der NUTS I wahrnehmen. Daneben gibt es noch einige staatliche Behörden und Institutionen, die dezentral gegliedert sind und deren Einflussbereich mehrere "counties" umfasst. Dies führt jedoch nicht dazu, dass in Irland von einer echten Regionalstruktur gesprochen werden kann. Damit gehört die Republik Irland zu den unitarischen Staaten innerhalb der Europäischen Union. Ob und inwieweit die Regionalentwicklungen in Großbritannien zum einen Irland beeinflussen können und ob und inwieweit eine verstärkte Regionalisierung die Chance böte, den Konflikt um Nordirland beizulegen, müsste Gegenstand einer eigenen Untersuchung sein. Im Rahmen dieser Arbeit wurde in Kapitel B schon kurz auf die aktuelle Situation in Nordirland eingegangen. g) Stellungnahme

Aus den dargestellten "Kurzporträts" ausgewählter Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wird deutlich, wie vielfältig die Landschaft in Europa in Bezug auf den Regionalismus ist. Sie reicht über die föderale Bundesrepublik Deutschland und das komplizierte Geflecht aus Regionen und Gemeinschaften in Belgien, den begrenzten Regionalismus mit vorwiegend ortsbezogener Bedeutung in Italien, den autonomen Gemeinschaften in Spanien mit relativ weitgehenden eigenständigen Kompetenzen und dem traditionell eher zentralistisch ausgerichteten Strukturen mit begrenzt dezentraler Verwaltungsgliederung in Frankreich bis hin zur Republik Irland, die unitarisch ausgerichtet durch eine starke Stellung der kommunalen Gebietskörperschaften gekennzeichnet ist.

III. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union

275

Trotz dieser Vielfalt ist die Bedeutung der europäischen Regionalpolitik, wie am Beispiel der Strukturfonds noch darzustellen sein wird und am Beispiel ausgewählter Konferenzen und Deklarationen zum Thema Regionalismus aufgezeigt wurde, in den letzten Jahren und Jahrzehnten beständig gewachsen. Jeder Mitgliedsstaat versucht, auf dem Hintergrund seiner individuellen Geschichte und seines individuellen Staatsverständnisses föderale, regionale oder auch nur dezentrale Gliederungen durch- und umzusetzen, teils aus der Erkenntnis, dass es hierfür gute praktische Argumente gibt, teils aus historisch und politische gewachsenen Überzeugungen. Hinsichtlich der Partizipation an europäischen Regionalförderprogrammen oder der Teilnahme etwa an Sitzungen des Ausschusses der Regionen ist jeder Mitgliedsstaat darauf bedacht, im Rahmen der von der Union vorgenommen Gliederung in NUTS I bis III die entsprechenden Strukturen darstellen zu können. In den Staaten, in denen keine "echte" Gliederung in Länder oder Regionen zu verzeichnen ist, werden diese Aufgaben in der Regel von den lokalen Gebietskörperschaften wahrgenommen. Während der letzten dreißig Jahre ist innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Tendenz hin zur Schaffung föderaler oder regionaler Strukturen zu verzeichnen. Das Vereinigten Königreich ist wie oben dargestellt ein Beispiel. Aber auch die gewachsene Stellung der deutschen Bundesländer über den neuen Artikel 23 des Grundgesetzes ist zu nennen, die Entwicklungen in Belgien zwischen den Jahren 1970 und 1996, die Übertragung der Kompetenzen auf die Regionen in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Italien, die Schaffung der autonomen Gemeinschaften in Spanien durch die neue Verfassung von 1978 oder auch, in geringerem Umfang, die Veränderungen in der französischen Verwaltungsgliederung in den Jahren 1982 bis 1985. Festzuhalten bleibt nach dieser kurzen, exemplarischen Synopse jedenfalls, dass sich zumindest auf der Ebene des Phänomens "Regionalismus" innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten in den letzten 30 Jahren tiefgreifende Veränderungen vollzogen haben, die sich ebenso tiefgreifend auf die Institutionen und Politikfelder der Europäischen Union ausgewirkt haben, wie sie gleichermaßen von ihnen inspiriert worden sind.

IH. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union 1. Die Bedeutung und Stellung des Europarechtes innerhalb des britischen Verfassungs-Systems und der britischen Gerichtsbarkeit Das komplizierte Verhältnis des Vereinigten Königreichs zu Europa, geprägt von Misstrauen und der Angst vor einem "europäischen Zentral- und Superstaat", der dem Vereinigten Königreich nach dem Verlust des Empires 1S*

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C. Europa und der britische Regionalismus

auch noch den Verlust staatlicher Souveränität bescheren könnte, würde durchaus ebenfalls eine eigene Untersuchung rechtfertigen. Gründe für das äußerst gespaltene Verhältnis zur Europäischen Union gibt es viele, und auch selbst diejenigen, die 1972 den Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften befürwortet und gegen erbitterten Widerstand auch durchgefochten haben, haben dies weniger aus emotionaler oder ideeller Überzeugung für ein gemeinsames Europa auf dem Hintergrund gemeinsamer kultureller Wurzeln getan, als vielmehr um der handfesten wirtschaftlichen Vorteile willen, die eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft versprachen. 67 Entscheidend ist, dass das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland 1972 ordentlicher Vertragspartner sämtlicher europäischer Verträge geworden ist. Bereits im Costa/ENEL-Urteil68 stellte der EuGH unmissverständlich fest, dass das Recht der Gemeinschaften in keinem Fall von wie auch immer beschaffenem nationalem Recht überwunden werden könne, damit auch nicht von verfassungsrechtlichen Vorschriften einzelner Mitgliedsstaaten. Daraus folgt der uneingeschränkte Vorrang des Europarechtes vor dem nationalen Recht. 69 Die Art und Weise, wie insbesondere die Gerichte der Mitgliedsstaaten mit diesem Faktum umgehen, differiert jedoch. In einem Bericht, den der EuGH im Rahmen der Vorbereitung der Neufassung des Vertrages von Amsterdam vorlegte, weist er darauf hin, dass "the success of Community law in embedding itself so thoroughly in the legal life of the Member States is due to its having been perceived, interpreted and applied by the nations, the administrations and the courts and tribunals of all the Member States as a uniform body of rules upon which individuals may rely in their national courtS.,,70

Hieraus wird klar, dass der EuGH davon ausgeht, dass Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit nur dann zu erreichen sind, wenn auch die nationalen Gerichte und Institutionen sich dem Vorrangprinzip und dem vom EuGH entwickelten Prinzip der direkten Geltung einzelner Vorschriften unterwerfen. Das Vereinigte Königreich ist den Europäischen Gemeinschaften beigetreten, als die Costa/ENEL-Entscheidung schon ergangen war. Insofern war 67 Eine Diskussion mit ganz ähnlichen Strukturen ist derzeit wieder zu beobachten, da es um den Beitritt des Landes zur Europäischen Währungsunion und damit die Aufgabe des britischen "Pfundes" als Währung geht. 68 EuGH 6/64, 1964, 1251 ff. 69 Vgl. hierzu sehr ausführlich: Oppermann (1999), Rn. 615 ff. mit vielen weiteren Nachweisen. 70 Report of the Court of Justice on Certain Aspects of the Application of the Treaty on European Union, May 1995, zitiert nach: Craig/de Burca (1998), S. 193.

III. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union

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es auch für das Königreich eine Frage der "acquis communautaire", dieses Prinzip freiwillig zu akzeptieren. Dass dies nicht sofort und nicht ohne größere Diskussionen gelang, und letztlich bis heute für viele vor allem konservative Politiker und Wissenschaftler das Problem des Verhältnisses zwischen Vorrang des Europarechtes und dem Prinzip der Parlamentssouveränität nicht abschließend gelöst ist, liegt auf der Hand. 71 Eine endgültige Klärung dieses Verhältnisses brachte die Factortame-II-Entscheidung des "House of Lords". Die britische Firma Factortame Ltd. versuchte in diesem Fall, einzelne Bestimmungen des "Merchant Shipping Act 1988" wegen Verstoßes gegen einzelnen Bestimmungen des EG-Vertrages zu Fall zu bringen. 72 Das oberste britische Gericht gab den Klägern Recht und entschied in diesem Fall, dass dieses, nach dem Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften verabschiedete Parlamentsgesetz, in Teilen gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoße und somit in Teilen rechtswidrig sei. 73 Bis heute wird in der britischen Literatur diskutiert, "whether the House of Lords decided on the basis of sophisticated statutory construction or recognised a genuinely new constitutional rule, giving priority to Community law over any type of national law, but the latter view seems more convincing, also in the light of later UK case law.,,74

Nach dieser Entscheidung wurde der Diskussion über die Möglichkeit des Parlamentes in Westminster, über mögliche Gesetze, die im Gegensatz zu britischem Verfassungsrecht und britischer Verfassungstradition stehen, an sich die Grundlage entzogen. Dies hatte Lord Bridge in der erwähnten Factortame-II-Entscheidung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: "If the supremacy (... ) of Community law over the nationallaw of member states was not always inherent in the EEC Treaty it was certainly weIl established in the jurisprudence of the European Court of Justice long before the UK joined the Community. (... ) Thus, whatever limitation of its sovereignty Parliament accepted when it enacted the European Communities Act 1972 was entirely voluntary. Under the terms of the Act of 1972 it has always been clear that it was the duty of a United Kingdom court (... ) to override any rule of national law found to be in conflict with any directly enforceable rule of Community law. Similarly, when decisions of the ECJ have exposed areas of UK statute law which failed to implement Council directives, Parliament has always loyally accepted the obligation to make appropriate and prompt amendments."75

71 Vgl. zur Diskussion in Großbritannien: Lord Stuart (1991); Oppenheimer (1994); Schmidt-Steinhauser (1994). 72 Vgl. hierzu auch sehr ausführlich: Bradley/Ewing (1997), S. 142 ff. sowie S. 155 ff. 73 Case C 213/89 R v Transport Secretary, ex p Factortame Ltd (Il) [1991] 1 AC 603 (ECJ and HL). 74 Zitiert nach: Craig/de Burca (1998), S. 198 m.w.N. 75 Factortame-Il [1991] 1 AC 603, 658 f.

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C. Europa und der britische Regionalismus

Anfangs hatten Kritiker und Skeptiker des Beitritts noch gehofft, dass das Prinzip der Parlaments souveränität einen effektiven Schutzwall gegenüber "ungeliebtem" Gemeinschaftsrecht darstellen werde. Spätestens seit der Factortame-II-Entscheidung steht jedoch fest, dass dieses ungeschriebene und selbst im eigenen Land umstrittene Prinzip nur sehr ungenügend gegen dieses zu "schützen" vermag. Dieser Entscheidung kommt unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der Parlaments souveränität eine erhebliche Bedeutung zu. Durch sie wird höchstrichterlich festgestellt, dass sich das britische Parlament, zumindest so lange, wie das Land Mitglied der Europäischen Union ist, dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts unterwerfen muss. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auch auf das hier behandelte Thema, den Regionalismus in Großbritannien. Sollte nämlich die Europäische Union eines Tages durch Verordnung oder Richtlinie die Stellung und den Einfluss der Regionen weiter stärken und erhöhen, so würde dies die Stellung Schottlands, Wales und Nordirlands ebenfalls unmittelbar betreffen. Insofern hat diese Entscheidung nunmehr ganz offiziell der Europäischen Union ein Einfallstor eröffnet, durch das sie auch auf innerbritische Verhältnisse in nicht unerheblichem Maße Einfluss nehmen könnte. Inwieweit dies eines Tages geschehen wird, und inwieweit derartige Vorhaben aufgrund des in Grundsatzfragen immer noch geltenden Einstimmigkeitsprinzips durch die Zentralregierung mitgetragen werden wird, bleibt zwar abzuwarten. Reformen zur Modifizierung des Einstimmigkeitsprinzips stehen jedoch nicht erst seit der Neufassung des Vertrages von Nizza, der zum Zeitpunkt de Endfassung dieser Arbeit noch nicht von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert worden ist, ganz oben auf der Tagesordnung europäischer Staatsorganisationspolitik.

2. Verteilte und geteilte Kompetenzen: Edinburgh - London - Brüssel In der vor allem britischen Literatur finden sich zwei Ansätze, das Verhältnis zwischen diesen drei Koordinaten zu beschreiben: das "layered cake model" und das Modell der "multi-level governance". Unter dem erstgenannten Modell ist ein System zu verstehen, innerhalb dessen jede Ebene eine Anzahl gesetzlich festgelegter Kompetenzen hat: "local government" kann nur innerhalb der ultra-vires-Doktrin handeln, das schottische Parlament wird innerhalb des "Scotland Act 1998" tätig, im Übrigen handelt das Parlament in London souverän. Schwierigkeiten tauchen auf, wenn versucht wird, die Gemeinschaftsebene mit einzubeziehen. Denn die Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten der Gemeinschaft und den Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten sind insoweit fließend, als diese

III. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union

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gleichzeitig die Kompetenzen der Gemeinschaft gemeinsam in Verträgen festlegen. In Bezug auf die Regionen sind dann Zuständigkeiten der Gemeinschaft nicht klar von Zuständigkeiten des Zentralstaates zu trennen. 76 Der zweitgenannte Ansatz versteht dieses System weniger als systematische Anordnung verschiedener Handlungsebenen als vielmehr als zwar vielschichtige, aber miteinander verwobene Handlungsstruktur. 77 Dieser Ansatz bestreitet nicht die Existenz verschiedener, grundsätzlich unabhängiger Handlungsebenen, er setzt sie vielmehr voraus. Herausgestellt wird hier jedoch die Notwendigkeit zu Kooperation und die partielle gegenseitige Abhängigkeit bei der Lösung bestimmter Sachfragen, da nur wenige Politikbereiche existierten, in denen eine Ebene abschließend entscheiden und handeln könne. Entscheidungen auf der einen Ebene hätten in aller Regel Auswirkungen auf Entscheidungen anderer Ebenen. "Local govemment", das "Scottish Office", andere Teile der Zentralregierung und die Europäische Union hätten in einer Vielzahl von Projekten die Effektivität derartiger Zusammenarbeit bewiesen, innerhalb derer die einzelnen Beiträge der Beteiligten gar nicht mehr im Nachhinein genau abgegrenzt werden könnten. 78 R. Rhodes baut auf dem Modell der "multi-level govemance" auf und weist nach, dass bereits das vielschichtige Verhältnis zwischen "centrai" und "local govemment" gegen die Einschätzung des Vereinigten Königreiches als "unitary state" spreche?9 Er sieht in dieser Beziehung ein "Spiel", in dessen Rahmen fünf Schlüsselressourcen für die Kooperation zwischen den Ebenen ausschlaggebend sind: Rechtliche Ressourcen, finanzielle Ressourcen, demokratische Legitimation, Informationen und Know-how. Jede Regierungsebene besitzt einige dieser Ressourcen, jeweils abhängig vom jeweiligen Kontext. Den Ausschlag wird in der Regel diejenige Ebene geben, die die größten jeweiligen Ressourcen aufbieten kann. Fundamentale Änderungen in dieser bisherigen "Zweierbeziehung" entstanden durch das schottische Parlament, dass zudem auf eine eindeutige demokratische Legitimation verweisen kann. Damit tritt ein neuer "Mitspieler" auf den Plan, der wesentlich mächtiger auftreten können wird als es das "Scottish Office" jemals konnte. 80

Der Optimismus der Schotten, künftig eine größere Rolle innerhalb der Europäischen Union wahrnehmen zu können, fußt unter anderem auf den Erfahrungen und Entwicklungen, die die Europäische Regionalpolitik in MitchelllLeicester (1998), Ziff. 2 (Regions in aglobaI context). Vgl. hierzu: Marks u.a. in: Marks u.a. (1997). 78 Rosenau (1997), Kapitel 2. 79 Rhodes, in: Meny/Wright (1985), S. 34; hierzu auch: Mitchell, in: Keating/ Loughlin (1997), S. 407. 80 Vgl. hierzu auch: MitchelllLeicester (1998), Kapitel 2. 76

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C. Europa und der britische Regionalismus

den letzten Jahren und Jahrzehnten erfahren hat. Bereits vor dem offiziellen Anerkenntnis der Region als Partner der Union im Vertrag von Maastricht begannen die Regionen spätestens seit Mitte der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, Netzwerke zu bilden und den Prozess der Lobbyarbeit deutlich zu intensivieren. 81 Viele Regionen begannen, Büros in Brüssel zu eröffnen, um näher am Geschehen zu sein und so einen Informationsvorsprung zu erhalten. Zudem darf die symbolische Bedeutung wohl nicht unterschätzt werden. 1988 existierten 15 Regionalbüros in Brüssel, zehn Jahre später schon 163, von denen 32 dem Vereinigten Königreich zugerechnet werden können. 82 Schottland eröffnete seine erste Vertretung in Brüssel 1991 , Wales folgte 1992. 83 Darüber hinaus unterhalten einige lokale Gebietskörperschaften wie etwa die "Convention of Scottish Local Authorities", das "Nottingham Office" oder auch die "Association of London Government" eigene Büros. Dazu kommen mittlerweile Büros sämtlicher acht englischer "Regional Development Agencies".

3. Die Bedeutung der EU für Regionen und Kommunen im Vereinigten Königreich, insbesondere Schottland Der Einfluss der Union84 auf Politikbereiche unterhalb der Ebene des Zentralstaates ist erheblich. 85 Die Wege, auf denen dies geschieht, sind nicht nur auf rechtliche Maßnahmen beschränkt, wie etwa die Pflicht zu innerstaatlicher Umsetzung von Richtlinien, womit im lokalen Bereich auch durchaus die Gemeinden befasst sein können, sondern gehen weit darüber hinaus: 86 zu nennen ist der gesamte Prozess der wirtschaftlichen Integration, die Vertiefung und der Ausbau des Binnenmarktes, die Einführung einer gemeinsamen Währung - wenngleich das Vereinigte Königreich in diesem Bereich noch an seiner zögerlichen Haltung festhält - und, als wohl wichtigstes Instrument, die europäischen Struktur- und Regionalfonds. 87 McAleaveylMitcheli (1994); Weyand, in: Jeffery (1997). Research Paper 97/126, S. 14. 83 Vgl. hierzu sogleich Kapitel C III 7 b. 84 Neben dem Einfluss der EU auf die Regionen übt die verstärkte Globalisierung ebenfalls einen erheblichen Druck sowohl auf die Nationalstaaten als auch die unterhalb dieser angesiedelten Regionen aus. Stichworte hierfür sind etwa der GAlT, MNE's, die technischen Möglichkeiten wie etwa das Internet (Arbeit losgelöst von Zeit und Ort). Eine eingehende Beschäftigung mit diesen Globalisierungsfaktoren wie auch deren Auswirkungen auf staatliches wie sub-staatliches Handeln würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen, vgl. hierzu jedoch Keating (1997), S.I1. 8S Vgl. hierzu einige Fallstudien: Garmise (1997), S. 1 ff.; McAleavey (1993); Armstrong (1995); sehr ausführlich hierzu: JoneslKeating (1995), S. 89 ff. 86 Audit Commission (1991), S. 7. 81

82

III. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union

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Eine Untersuchung aus dem Jahre 1991 zeigt, dass, obwohl die öffentliche Debatte in Schottland weitgehend die Bedeutung der Strukturfonds in das Zentrum des "europäischen Interesses" stellt, der Einfluss des "europäischen Gesetzgebers" bereits zu diesem Zeitpunkt erheblich war und seitdem noch gewachsen ist. Über 75 % der Abteilungen des zu dieser Zeit noch bestehenden "Scottish Office" hatten in ihrer täglichen Arbeit Bezug zu europäischen Politikfeldern; ein Viertel der Mitarbeiter nannte die Beschäftigung mit Angelegenheiten der Gemeinschaft als wesentlichen Teil ihrer Arbeit in der Abteilung. Über 300 verschiedene Bereiche und Felder innerhalb des "Scottish Office" wurden in dieser Studie benannt, die in ihrer Arbeit Bezug zu solchen Angelegenheiten hatten. 88 Die Beschäftigung bezog sich dabei auf eine Vielzahl von verschiedenen Bereichen, von der Landwirtschafts- und Fischereipolitik über umwelt- und energiepolitische Fragen bis hin zu sozialen und infrastrukturellen Fragestellungen. 1992 waren knapp 100 Mitarbeiter des "Scottish Office" ausschließlich mit europarechtlichen und -politischen Angelegenheiten beschäftigt; diese Zahl liegt heute wesentlich höher, da die Europäische Union ihre Politikfelder und vor allem die Anzahl der Gesetzgebungsakte seitdem wesentlich ausgebaut hat. Dieses Zusammenspiel der einzelnen Bereiche und Kräfte zu meistem, dürfte in den nächsten Jahren für die Mitarbeiter der schottischen Exekutive, die in diesen Bereichen sämtliche Funktionen des ehemaligen "Secretary of State for Scotland" übernommen haben, eine große Herausforderung darstellen. Vor allem von Seiten der SNP wurde und wird immer das ökonomische Argument ins Feld geführt, dass Schottland mit seinem Bruttoinlandsprodukt sowie seinen erheblichen Ölreserven in der Nordsee hinter anderen Mitgliedsstaaten keineswegs zurückstehen brauche. Dieses Argument, durch das die SNP ihre Forderung nach Unabhängigkeit zu untermauern versucht, wurde zuletzt im Unterhauswahlkampf im Frühjahr 2001 wieder verstärkt vorgebracht: "After decades of scaremongering from some, implying would lag far behind our European friends and neighbours, the old scare stories don't scare anyone anymore. People now know Scotland is a rich nation, more than capable of paying its way, and are confident of their own ability to contribute to a robust and thriving economy.,,89 87 Randbemerkung: Die Bedeutung dieser Fonds zeigte sich gerade im Juli 2001 wieder, als der bayrische Autokonzern BMW seine Standortentscheidung für ein neues Werk bekannt gab: es wurde trotz heftiger Intervention der bayrischen Staatsregierung eben nicht Augsburg gewählt, sondern die Wahl fiel auf Leipzig, und zwar mit der expliziten Begründung, dass von einem Investitionsvolumen von ca. 2 Milliarden DM hier bis zu 28 % der Summe durch Regionalfonds der EU zuschussfähig sei, da Leipzig innerhalb der Grenzen eines förderfähigen Gebietes liege. 88 Scottish Office (1991).

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c.

Europa und der britische Regionalismus

Eine Untersuchung Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts dagegen zeigte, dass von der europäischen Integration auch ebenso strukturschwache Gebiete profitieren; als Beispiel hierfür wurden etwa das englische Sheffield und Liverpool angeführt. 9o Neuere Untersuchungen der Europäischen Kommission zeigen, dass durch Erfolge im Rahmen der europäischen Struktur- und Regionalpolitik, insbesondere das Anwerben von fremdem Kapital, in Regionen mit niedrigeren Kosten und dem damit einhergehenden Know-how-Transfer erhebliche Fortschritte in der Entwicklung bisher "rückständiger" Regionen erzielt werden konnten. 91 Dies zeigt, dass die wirtschaftliche Integration und der Ausbau und die Vertiefung des Binnenmarktes mit allen hiermit einhergehenden Freiheiten erste Erfolge verzeichnet, die gerade nicht nur den "großen" Unternehmen zugute kommen, sondern aktive Regionalentwicklungspolitik ermöglicht. Für das Vereinigte Königreich und insbesondere Schottland und Wales bedeutet dies, dass beide nunmehr Verantwortung dafür tragen, sich im Konzert der europäischen Regionen zu profilieren, ihre spezifischen Standortvorteile aufzuzeigen und damit um fremdes Kapital zu werben. Derartige Kampagnen sind während der vergangenen Jahre verstärkt angelaufen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang insbesondere Wales, das mittels des Internet verstärkt versucht, ausländisches Kapital anzulocken. 92 Geworben wird insbesondere mit der hohen Qualifikation der Arbeitskräfte, einer exzellenten Infrastruktur, modemen Industriezweigen, einem hohen Innovationspotential wie auch der schönen natürlichen Gegebenheiten und Landschaften. Der Wettbewerb um "foreign inward investment", also ausländisches Investitionskapital, hat neben der globalen Dimension gerade auch eine europäische Dimension, die in den nächsten Jahren noch wachsen dürfte. Wie am Beispiel Wales gezeigt, geht es in einem Europa, das wirtschaftlich, rechtlich und sozial immer weiter zusammenwächst, nunmehr für die Regionen nahezu existentiell darum, sich im Konzert der Regionen nicht nur Gehör zu verschaffen, sondern durch spezifische Eigenheiten, die positiv in die Wagschale potentieller Investoren zu werfen sind, einen Vorsprung zu erarbeiten, der dann bei Investitionsentscheidungen den Ausschlag geben kann. SNP, Manifesto/Ol (www.snp.org.uk). Cheshire (1990), S. 311 ff. 91 Komrnisison (2000), S. 2. 92 Vgl. etwa: www.businessonline.wales.gov.uk; www.wda.co.uk; www.invest-inwales.com. 89 90

III. Das Vereinigte Königreich und die Europäische Union

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Bis 1998 wurde dieser Prozess im Vereinigten Königreich durch die Zentralregierung gesteuert. Da die jeweiligen "Secretary of State" Mitglied der gleichen Regierung waren, konnte insbesondere der Finanzminister für einen gewissen Ab- und Ausgleich zwischen den Zahlungs strömen in die Regionen sorgen. Nachdem nunmehr sowohl Schottland als auch Wales in diesen Bereichen weitgehendst selbständig agieren und reagieren dürfen, ist dieser Ausgleichsmechanismus entfallen. Ein weiterer Vorteil dieser neuen Freiheiten ist, dass nunmehr, losgelöst vom moderierenden Arm des Finanzministers und des "Departement of Trade and Industry (DTI)", ein verstärktes Maß an demokratischer Kontrolle möglich geworden ist. Die Menschen vor Ort spüren direkt Erfolge und Misserfolge, und können hierauf mit demokratischen Mitteln Einfluss nehmen. Im Bereich der staatlichen Subventions- und Beihilfenpolitik ist geplant, zwischen den Beteiligten ein freiwillig selbstbindendes "concordat" zu schließen, um einen selbst zerstörerischen Wettlauf zwischen den Regionen weitgehend zu verhindern. 93 Für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe ist dies mittlerweile geschehen. 94 Von vielen wird die Frage des möglichst zeitnahen Beitritts des Vereinigten Königreiches zur Euro-Zone als für die schottische und walisische Wirtschaft von größerer Bedeutung erachtet als die Frage nach der "devolution" selbst. 95 Gerade in der Frage der Anziehung ausländischen Kapitals spielt diese Frage eine wesentliche Rolle. Das Interesse des Regionalparlamentes und der Kammer wie auch aller Schotten und Waliser sollte daher dringend darauf gerichtet sein, an den Vorbereitungen zu einem möglichst baldigen Beitritt des Landes mitzuwirken. Ohne ausländisches Kapital, das nur unter bestimmten Rahmenbedingungen angeworben werden kann, auf die die "Werbenden" oft nur begrenzt Einfluss nehmen können - wie die Frage nach dem "ob" des EURO - wird es künftig schwer werden, die gewünschte Rolle unter den übrigen europäischen Regionen zu erreichen bzw. zu behaupten.

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MitchelllLeicester (1999), Kap. 3. Vgl. hierzu Kapitel C IV 2. MitchelllLeicester (1999), Kap. 3.

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4. Das schottische Regionalparlament und die EU "Most of us want Scotland to in the Premier Division of legislative regions or nations within EU Member States. ( ... ) We must be outward looking. We may be geographically peripheral, but we have a central role in the European tradition. We should have a central role in the European future." lack McConnelt 6

Gleich nachdem die Regierung die Vorschläge zur Regionalisierung veröffentlicht hatte, begann eine intensive Debatte, welche Vor- und Nachteile hieraus für die Stellung von Schottland und Wales innerhalb Europas zu ziehen sein könnten. Von Seiten der Konservativen wurden Befürchtungen laut, dass durch die Vorschläge eine Marginalisierung der Interessen herbeigeführt werden könnte. Michael Ancram warf in einer Debatte im Unterhaus die Frage auf, was passiere, wenn sich die schottische Regierung mit der Zentralregierung dauerhaft auf keine gemeinsame Position in bestimmten Fragen einigen könne, und ob die schottischen Interessen dann gänzlich ignoriert würden. 97 Begrüßt wurden die Vorschläge der Regierung zur "Devolution" auch und gerade unter dem europapolitischen Aspekt von Seiten "Plaid Cymru" und der SNP. Dafydd Wigley, der damalige Vorsitzende von "Plaid Cymru", brachte die Bedeutung folgendermaßen auf den Punkt: "The clout of Wales in the EU will be that much stronger if we have a Parliament that can have credible voice in Brusse1s. Catalonia and the Länder govemments of Germany have successfully developed their prospects within Europe and it is essential that Wales likewise has that opportunity.,,98

Im Juli 1997 hob Donald Dewar, der spätere "Scottish First Minister", und damalige "Secretary of State for Scotland", die Bedeutung des Regionalparlamentes für die Stellung Schottlands innerhalb der EU folgendermaßen hervor: "I am aware ( ... ) of the active role played by many constitutional structures below nation state level, such as the German Länder, the Spanish autonomous provinces and the Italian provinces. There are a lot of them, and they all work extremely effective1y on behalf of the areas that they represent. There is areal and positive virtue from a Scottish point of view, in having the Scottish Parliament involved at that 1evel.,,99 96 Zitat aus einer Rede des schottischen Ministers lack McConnell (Erziehung, Europa und Auswärtige Beziehungen), Edinburgh Dezember 2000, zitiert nach: BrownlBort (2001). 97 HC Deb., 31. Juli 1997, c. 475. 98 HC Deb., 4. Juni 1997, c. 460.

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Viele der Bereiche, die nunmehr in die Kompetenz des schottischen Parlamentes fallen, fallen auch in die legislative Kompetenz der Union. Genannt seien hier nur die wichtigen Bereich Landwirtschaft und Fischerei. Die europäische Dimension scheint somit zu einem wichtigen Faktor zu werden, dem schottischen Parlament Selbständigkeit und Dauerhaftigkeit zu gewährleisten. Da sich jedoch das Königreich als ganzes nicht vollständig aus den Pflichten der Union verabschieden kann und wird, musste ein Weg gefunden werden, zu einer konstruktiven Aufgabenteilung zu gelangen, ohne ständig in Grundsatzfragen den Schlichter anrufen zu müssen. Künftige gewisse grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten sind dabei nicht auszuschließen, da die Interessen Großbritanniens von denen eines in diesen Fragen dann relativ selbständig agierenden Schottlands bisweilen stark divergieren dürften, denkt man nur an den Strukturfond oder die einzelnen Mitwirkungsrechte. Vor dem Inkrafttreten des "Scotland Act 1998" wurden die besonderen schottischen Interessen auf Gemeinschaftsebene weitgehend von der Regierung in London wahrgenommen. Die Gesamtverantwortung oblag dem "European Secretariat", dem "European Secretary" im Kabinett. Ihm oblag die Verantwortung, in relevanten Situationen die entsprechenden anderen "Fachministerien" zu unterrichten und mit in die Entscheidung einzubeziehen. Dadurch war der Informationsfluss in Richtung des "Scottish Office" gewährleistet. Auch bisher konnten Mitarbeiter des "Scottish Office" in Arbeitsgruppen der Kommission und des Rates mitwirken, und in Sitzungen des Fischerei- und Landwirtschaftsrates konnte ein "Scottish Office Minister" das Königreich vertreten. Zudem war gewöhnlich ein offizieller Mitarbeiter des "Scottish Office" dem UKREp 100 zugeordnet, sowie über eine bereits seit einigen Jahren existierende schottische Vertretung in Brüssel war der informelle Informationsfluss gewährleistet. Vorbereitet durch das "White Paper", und dann später umgesetzt durch den "Scotland Act 1998" wurde dieses System reformiert. Der Grundsatz, dass die Beziehungen zur Europäischen Union in der abschließenden Verantwortung der Regierung und des Parlamentes des Königreiches bleiben, bleibt jedoch bestehen. Dies ist insofern ein berechtigtes Anliegen, als die Mitgliedsstaaten die Vertragspartner des EU-Vertrages wie des EG-Vertrages sind und dies auch in absehbarer Zukunft trotz aller Revisionen bleiben werden. Dies bedeutet konkret, dass für den Fall, dass beispielsweise Schottland im Rahmen seiner Kompetenzen - etwa auf den Gebieten Transport, Landwirtschaft, Gesundheit - Richtlinien nicht oder nicht rechtzeitig umsetzen sollte, eine hierfür auferlegte Strafe im Außenverhältnis das Ver99

100

He Deb., 31. Juli

1997, c. 464. United Kingdom Permanent Representation.

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einigte Königreich zu tragen und zu verantworten hätte. Interne Rückgriffsansprüche bleiben hiervon zwar unberührt, ändern jedoch nichts an der generellen Einstandspflicht. Dies gilt ebenso für alle sonstigen Entscheidungen mit europarechtlicher Relevanz. Sollte also das schottische Parlament eigenständig bestimmte von der EU festgelegte Quoten in der landwirtschaftlichen Produktion verändern oder beispielsweise bestimmte gegen EU-Recht verstoßende Subventionen beschließen, würde dies als Verstoß des gesamten Vereinigten Königreiches gegen höherrangiges EU-Recht ausgelegt. Durch die Schaffung eines schottischen Parlamentes und einer schottischen Regierung wurde das "Scottish Office" nicht aufgelöst. Es besteht nach wie vor, wenn auch einige seiner früheren Kompetenzen nach Schottland direkt verlagert wurden. Im Rahmen der Beziehungen zur Union spielt es jedoch nach wie vor eine wichtige Rolle. Mitglieder des "Scottish Office" sollen in Zukunft verstärkt, und nicht nur wie bisher in landwirtschaftlichen Fragen, als Vollmitglieder das Königreich im Ministerrat vertreten können. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass hier aufgrund der Vertragssouveränität der Mitgliedsstaaten Mitglieder des "Scottish Office" nur für das Königreich als ganzes sprechen und handeln können. Ebenso wurde eine erweiterte Mitarbeit in allen relevanten Komitees, eine volle Einbeziehung des "Scottish Office" in Diskussionen mit den anderen betroffenen Kabinettskollegen, sowie eine erweiterte Repräsentationsmöglichkeit im Rahmen des UKREP und innerhalb der Kommission mittlerweile verwirklicht. Da viele Gesetze und Regulierungen der Union erheblichen Einfluss auf Schottland haben, und somit auch auf Bereiche, für die das schottische Parlament nunmehr zuständig ist, werden sowohl die schottische Exekutive als auch das Regionalparlament so weit wie möglich und so intensiv wie möglich in den Entscheidungsprozeß der britischen Regierung mit einbezogen. Die Exekutive zeichnet dafür verantwortlich, dass die Vorlagen, die Schottland betreffen, auch um- und durchgesetzt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Souveränität der Regierung in Westminster soweit aufgegeben wird, dass Schottland alleine entscheiden kann. Die Gesamtverantwortung sowie die Prüfungs- und Kontrollkompetenz verbleibt in London. Das schottische Regionalparlament hat umgehend nach seiner Konstituierung als einen der ersten Ausschüsse ein "European Committee" eingesetzt. Seine Hauptaufgaben bestehen darin, Gesetzesentwürfe und -vorschläge aus Brüssel zu sichten und zu prüfen, und Vorschläge zu erarbeiten, die die schottischen Interessen noch optimaler berücksichtigen. Darüber hinaus ist dieser Ausschuss damit beauftragt, die Verbindung zu den Parlamentsausschüssen in Westminster herzustellen und zu halten, ins-

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besondere zum "House of Commons European Scrutiny Committee".lOl Auf diesem Wege soll es gelingen, die schottischen Interessen so früh wie irgend möglich in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. Enge Abstimmungen in einem Stadium, da die Entwürfe noch der Prüfung durch die Mitgliedsstaaten unterliegen, soll und kann am effektivsten Gewährleisten, dass die schottischen Interessen zumindest auf der Ebene des Zentralstaates Gehör finden. Um eine vertrauensvolle und zum beiderseitigen Nutzen führende Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten zu gewährleisten, wurde in das schon erwähnte "Memorandum of Understanding and supplementary agreements" auch ein "Concordat on Co-ordination of European Union Policy Issues" mit aufgenommen. 102 Hierin finden sich im Wesentlichen die schon genannten Verfahrens vereinbarungen bezüglich der Teilnahme von Mitgliedern der schottischen Exekutive bei Sitzungen des Rates und anderen Institutionen der EU (Ziff. B 3.12), Regelungen von Verfahrensfragen, um in der Regel gemeinsame Stellungnahmen bezüglich der Vorlagen der EU zu erreichen (B 1.3, 1.4), Regelungen bezüglich eines möglichst umfassenden gegenseitigen Austausches von Informationen (B 3.2), bezüglich der Repräsentation des Königreiches und der Regionen in Brüssel (B 3.26 ff.) sowie bezüglich der innerstaatlichen Umsetzung von Verpflichtungen durch die Mitgliedstaat in der Union (B 3.16 ff.). Ähnliches wurde bezüglich Wales vereinbart, mit dem Unterschied, dass hier als Ansprechpartner für die Zentralregierung nicht die schottische Exekutive, sondern "assembly cabinet" fungiert. Die schottische Exekutive kann durch die schottischen Gerichte direkt verantwortlich gemacht werden. Sollten durch Versäumnisse der schottischen Exekutive dem Königreich von Seiten der Union Strafen auferlegt werden, wird diese im Wege des innerstaatlichen Regresses die Exekutive verantworten und tragen müssen. Sollte es zwischen den Regierungen in Fragen der Europapolitik zu Differenzen kommen, und sollten diese nicht im informellen Gespräch gelöst werden können, bieten sich hierfür zwei Mechanismen der Konfliktlösung an, die bereits in Kapitel B. eingehend beleuchtet worden sind: das "Joint Ministerial Committee" und das "Judicial Committee of the Privy Council".103 Das JMC wird dann hinzugezogen 101 Dieser Ausschuss ist als "standing committee" laufend damit betraut, sämtliche Entwürfe aus Brüssel zu prüfen und Stellungnahmen zu allen relevanten Texten abzugeben. 102 Vgl. für den Text: www.scotland.gov.uk/library2/memorandum/mous-04.htm. 103 Vgl. bezüglich möglicher Konflikte in der Interpretation von Verpflichtungen in Fragen der Europäischen Union auch die Regelungen im "Concordat on Co-ordination of European Policy Union Issues", B 3.8 (www.scotland.gov.uk/library/ memorandum/mous-06.htm).

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werden müssen, wenn die moderierende Funktion des nach wie vor am Kabinettstisch in Whitehall sitzenden "Secretary of State for Scotland" nicht mehr ausreicht, um Konfliktfelder auszuräumen. Kommt es dagegen zu Konflikten bezüglich der Interpretation des "Scotland Act 1998" oder des "Wales Act 1998", so ist hierfür gemäß der Architektur der "Devolution" das "Judicial Committee of the Privy Council" zuständig. Dies kann sehr schnell passieren, etwa dann, wenn die schottische Regierung der Ansicht ist, dass bestimmte Gesetze oder Verordnungen der EU etwa das Verhältnis zwischen Schottland und der Zentralregierung berühren und gegebenenfalls gegen den "Scotland Act 1998" verstoßen könnten. Die Rolle des "Judicial Committee" wird in einem solchen Fall über die rein rechtliche hinausgehen; da die Entscheidung dieser Kammer abschließend ist, wird ihr eine hochpolitische Funktion zukommen, da sie letztlich über Grenzen und Möglichkeiten der Autonomie entscheiden wird.

5. Regionale Repräsentation in Brüssel Die Zahl der regionalen Büros in Brüssel ist in den letzten Jahren erheblich angewachsen ist. Das Vereinigten Königreich hat an dieser Entwicklung einen erheblichen Anteil gehabt. Neben dem allgemeinen Wunsch, vor Ort präsent zu sein, und damit die Bedeutung der eigenen Region zu unterstreichen, ist es vor allem die Absicht der Regionen, Lobbyarbeit zu betreiben. Derartige Lobbytätigkeit kann sich auf die großen Linien der Politik beziehen genauso wie auf bestimmte spezifische Ausschnitte von besonderem Interesse für die Region oder den Versuch, bestimmte sonstige Entscheidungen der Kommission oder des Rates in eine bestimmte Richtung zu lenken. 104 Schottland ist mit einem eigenen Büro seit 1991 präsent. Es trug bis 1998 den Namen "Scotland Europa". Vorausgegangen waren kontroverse Debatten innerhalb der Zentralregierung ob der Notwendigkeit eines eigenen Büros und ob der Gefahr, dass dieses Büro künftig in Konkurrenz zur offiziellen Repräsentation des Königreiches, der UKREP, auftreten könnte. Die Vorteile, die insbesondere durch Ed Weeple, einem Staatssekretär in der Wirtschaftsabteilung des "Scottish Office" sowie durch den damaligen "Secretary of State for Scotland" selbst, lan Lang, herausgestellt wurden, sowie Bestrebungen Nordirlands, noch vor Schottland ein eigenes Büro in Brüssel zu eröffnen 105 , bewogen jedoch die Regierung schließlich, ihre Unterstützung für das Büro "Scotland Europa" zu erklären. 106 105

Vgl. hierzu: AndersenlEliassen (1991), S. 178 f. The Scotsman vom 18.01.1991: "Ulster overtakes Scotland in race to Brus-

106

Vgl. hierzu: MitchelilLeicester (1999), Kap. 5.

104

sels".

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Als Vorteile wurden insbesondere herausgestellt: - eine mächtige und effektive Lobbyarbeit für die Interessen der schottischen Wirtschaft; - eine Stärkung des schottischen Profils in Brüssel; - eine Stärkung des Informationsflusses; - eine Stärkung des Einflusses schottischer Unternehmen in EG-Angelegenheiten. Als mögliche Nachteile galten die Gefahr von Interessenkonflikten zwischen der offiziellen Regierungsmeinung und schottischen Partikularinteressen, ein schon beschriebener Konflikt mit der UKREP sowie die Möglichkeit, die Regierung durch eigenen Einfluss bei künftigen Verhandlungen unter Druck setzen zu können. 107 In den folgenden Jahren wurde das "Scotland Europa" nicht zu einer Organisation ausgebaut, die offensiver Lobby tätigkeit nachging; es wurde jedoch zu einer wichtigen Quelle von Informationen, genereller Repräsentation und Ort, an dem Mitarbeiter und Beamte des "Scottish Office" und sonstiger offizieller Stellen sich umfassend über Angelegenheiten von europäischem Interesse kundig machen konnten. Nach dem Übergang der Kompetenzen auf das schottische Parlament und die schottische Regierung ist auch die Zuständigkeit für derartige Lobbyarbeit nach Edinburgh übergegangen. Nach einigen internen Konsultationen entschied sich die schottische Exekutive, das "Scotland House" mit seinen Funktionen beizubehalten und in ein neues Büro, das "Scotland House", mit erweiterten Aufgaben zu überführen. Das "Scotland House" bildet künftig zusätzlich zu seinen bisherigen Funktionen die Außen stelle der schottischen Exekutive in Brüssel. Eine Repräsentation des schottischen Parlamentes erfolgt jedoch nicht, wenngleich es auch als Ansprechpartner in allen Angelegenheiten europäischer Politik für das Regionalparlament fungieren soll. 108 Seine neuen Funktionen werden durch das "Scottish Office" wie folgt zusammengefasst: "The office will assist the Executive in supporting the European responsibilities of the Scottish Parliament. It will provide infonnation to facilitate scrutiny of European legislation; it will assist visits to Brussels by Parliamentary European decision-makers of Scottish issues and perspectives; it will ensure that the Scottish dimension is fed in early as European proposals are being fonnulated. It will work to build Scottish links with other European regions and their Member states. ,,109 107

108 19 Mey

MitchelilLeicester (1999), Kap. 5. Scottish Office News Release vom 9. Februar 1999.

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Erwähnt wird in diesem Zusammenhang mit keiner Silbe das künftige Verhältnis zur UKREP. Offensichtlich wird hier unterstellt, dass zum einen UKREP weiterhin das gesamte Land offiziell repräsentieren wird, zum anderen, dass die Funktion des "Scotland House" darin bestehen wird, spezifische schottische Interessen insoweit in die Diskussion einzubringen, als sie über die offiziellen Interessen des Landes hinausgehen. Auf informeller Basis ist ohnehin mit einem regen Austausch von Informationen zu rechnen; dies war zu Zeiten des ehemaligen "Scotland Europa" auch schon der Fall. Eine Gefahr für dieses Gefüge kann dann entstehen, sobald Schottland beginnen sollte, sich auf die Lobbyarbeit zu beschränken und das "Scotland House" als Basis für eine Politik zu sehen, die eigene diplomatische Anstrengungen entwickelt, um quasi durch die "Hintertür" der EU Einfluss auf Entscheidungen der Zentralregierung zu nehmen. Ein derartiges Verhalten könnte zu einer echten Zerreißprobe für das "Projekt Devolution" werden, da die Zentralregierung es nicht zulassen kann und wird, dass Schottland auf diesem Wege langfristig seinen "Ausstieg" aus dem Gefüge des Königreiches vorbereiten könnte. Andererseits wird es auch im Interesse der Zentralregierung liegen, der schottischen Exekutive zumindest in wirtschaftlichen Fragen weitgehend freie Hand zu lassen, da eine prosperierende schottische Wirtschaft die Gesamtausgaben des Staates jedenfalls nicht unerheblich senkt und damit allen Bürgern zugute kommt. 6. Der EuGH im schottischen Rechtssystem - Klagearten des EGV llO

Gemäß Art. 234 EGV besteht die Möglichkeit für Gerichte der Mitgliedsstaaten, im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens eine Entscheidung des EuGH dann zu beantragen, wenn es eine Entscheidung unter den dort genannten Voraussetzungen für notwendig erachtet. Diese Möglichkeit besteht für schottische Gerichte gleichermaßen. Von dem autonom gemeinschaftsrechtlich bestimmten Gerichtsbegriff und den dazu durch den EuGH entwickelten Kriterien sind im Falle Schottlands auch die Tribunale umfasst. 111 Sie sind auf gesetzlicher Grundlage dauerhaft errichtet, ihren Entscheidungen und Urteilen wohnt ein obligatorischer Charakter inne und ihr Verfahren läuft nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in richterlicher Unabhängigkeit ab. 112 Scottish Office News Release vom 09.02.1999. Vgl. zu den Klagemöglichkeiten der Regionen allgemein: van Nuffel (2001). III Vgl. für Beispiele für Vorabentscheidungsverfahren: Walker (2001), S. 353, Fn. 80; vgl. zum Begriff "Gericht" CallieslRuffert - Wegener (1999), Art. 234 Rn. 11 ff.; vgl. für eine Vorlage eines Tribunals: Special Commissioners on Income Tax: Case 208/80 Lord Bruce. 112 CallieslRuffert - Wegener (1999), Art. 234 Rn. 11 m. w. N. 109 110

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Gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV muss das Gericht die strittige Frage der Übereinstimmung mit dem Europarecht dann vorlegen, wenn die Entscheidung nicht mehr im ordentlichen Rechtsweg angefochten werden kann. Hierunter fallen im Rahmen des schottischen Rechtssystems Entscheidungen des "High Court of Justiciary" in Strafsachen und Entscheidungen einiger Untergerichte, bei denen ein Rechtsmittel wegen des geringen Streitwertes nicht mehr möglich ist. 113 Art. 226 EGV (Vertragsverletzungsverfahren) hat nur indirekt Bedeutung für Schottland. Der Begriff "Staat" meint hier den Mitgliedsstaat. Mitgliedsstaat der Union ist vorliegend das Vereinigte Königreich, Schottland bildet in diesem Rahmen nur eine territoriale Untergliederung ohne eigene mitgliedsstaatliche Verantwortung. Bedeutung erlangen können Entscheidungen des EuGH nach Art. 226 Abs. 2 EGV insofern, als, wie bereits beschrieben, im Außenverhältnis zwar das Vereinigten Königreich auch für mögliche Strafen gerade stehen muss, diese jedoch im Innenverhältnis im Falle eines Verstoßes Schottlands gegen Verpflichtungen (etwa die verspätete Umsetzung einer Richtlinie) des EGV-Vertrages, die jetzt beim schottischen Parlament und der schottischen Regierung liegen, an Schottland zum internen Ausgleich weitergegeben werden. 114

Ähnliches gilt für den praktisch wenig bedeutsamen Art. 227 EGV und die Möglichkeit für einzelne Mitgliedsstaaten, Klage gegen einen anderen Mitgliedsstaat wegen einer möglichen Vertrags verletzung zu erheben. Auch hier ist Schottland weder aktiv- noch passivlegitimiert, noch aktiv oder passiv parteifähig. Im Rahmen des Art. 230 EGV besteht die Möglichkeit, die Handlungen der Organe der Europäischen Union auf ihre objektive Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Art. 230 Abs. 2 EGV richtet sich erneut ausschließlich an die Mitgliedsstaaten. Art. 230 Abs. 4 EGV erweitert die aktive Parteifähigkeit auf natürliche und juristische Personen. Der Begriff der "juristischen Person" ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ein gemeinschaftsrechtlicher, der nicht notwendigerweise mit den Definitionen in den einzelnen Mitgliedsstaaten identisch sein muss. 115 Er umfasst jedoch zumin113 Vgl. etwa S.A. Magnavision N.V. v. General Optical Council [1987] 2 C.M.L.R. 262. 114 van Nuffel (2001) weist jedoch darauf hin, dass weder der Vertrag noch die Verfahrensvorschriften des EuGH Regeln darüber enthalten, durch wen der jeweilige Mitgliedsstaat repräsentiert werden soll und muss. Insofern dürfte der Gerichtshof eine Klage, zu der nach innerstaatlichem Recht eine Region oder autonome Gemeinschaft durch den Mitgliedsstaat nicht als unzulässig abweisen. Eine derartige Befugnis besitzt die schottische Exekutive jedoch derzeit nicht. 115 Vgl. EuGH 135/81 (Agences de voyages ./. Kommission), Slg. 1982, 3799, Rn. 10. 19*

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dest alle solchen Körperschaften, Verbände und Kapitalgesellschaften, denen nach nationalem Recht Rechtspersönlichkeit verliehen wurde. Darüber hinaus zählen auch die Länder der Bundesrepublik Deutschland 116, die Regionen Belgiens 117 und Italiens 118 sowie überhaupt alle nach nationalem Recht partei - und prozessfähigen Gebietskörperschaften dazu. 119 Aus dem eben dargestellten folgt, dass damit sowohl Schottland, als auch Wales und Nordirland künftig ein Klagerecht vor dem EuGH dann haben, wenn sie sich durch eine Verordnung, Richtlinie oder sonstige Entscheidung eines Organs der Union in ihren Rechten verletzt fühlen. 120 7. Wales und die Europäische Union

a) Wales in Europa Obwohl die generelle Zuständigkeit für alle europäischen Grundsatzfragen bei der Regierung in London verblieben ist, gibt es doch viele Bereiche der Europapolitik, die Wales direkt betreffen und eine Stellungnahme vor Ort erforderlich machen. Daher soll die Kammer so eng wie möglich mit der Zentrale zusammenarbeiten. Auf Regierungsebene vertritt der "Secretary of State for Wales" weiterhin die Interessen Wales, jedoch hat die Kammer auch die Möglichkeit bekommen, selbst und unabhängig Stellung zu beziehen und diese auch vortragen zu können. Dazu hat die Kammer die Möglichkeit, alle relevanten Dokumente und Gesetzesvorlagen, die im Rat oder der Kommission diskutiert und vorgelegt werden, zu prüfen und so darauf einzuwirken, dass die walisischen Interessen nachhaltig berücksichtigt werden. Dazu zählt auch die Beratung des "Secretary of State", wenn dieser an Sitzungen des Ministerrates teilnimmt: "Wherever it is responsible for the activity in Wales, the Assembly will have a role to play in the delegations at the Council of Ministers through keeping them advised of its views. This will supplement existing arrangements whereby the Secretary of State may himself participate in Council meetings and promote agreed UK objectives.,,121 116 EuGH 132 u. 143/96 (Freistaat Sachsen und Volkswagen ./. Kommission), Slg. 1999, 3663. 117 EuGH 62 u. 72/87 (Executif regional Wallon ./. Kommission), Slg. 1988, 1573, Rn. 8. 118 EuGH 288/97 (Regione autonoma Friuli Venezia Giulia ./. Kommission), Slg. 1999, 1871. 119 CallieslRuffert - Cremer (1999), Art. 230 Rn. 25 m. w.N. 120 Vgl. zu der Diskussion, ob und inwieweit Richtlinien und Verordnungen zulässige Klagegegenstände sein können: CallieslRuffert - Cremer (1999), Art. 230 Rn. 27 ff. m. w. N.

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Zudem trägt die Kammer nunmehr die Verantwortung dafür, dass die entsprechenden Vorlagen aus Brüssel innerhalb Wales umgesetzt werden und ihnen auch Geltung verschafft wird. Sollte die Kammer dieser Pflicht nicht oder nur unzureichend nachkommen, wird sie auch für mögliche finanzielle Strafen in Anspruch genommen werden können. Art. 22 i. V. m. Anhang 3 Ziff. 5 "Wales Act 1998" belässt die Gesamtverantwortung jedoch bei der Zentralregierung. Eine Möglichkeit, künftig das gesamte Königreich in Sitzungen des EUMinisterrates zu repräsentieren, ist jedoch für Mitglieder der Kammer bzw. der Exekutivorgane nicht vorgesehen worden. Wie bereits oben erwähnt, soll es jedoch im Einzelfall für den "Secretary of State for Wales" in Zukunft auch weiterhin möglich sein, an einschlägigen Sitzungen des Ministerrates teilzunehmen und das Königreich in geeigneten Fragen auch zu vertreten.

b) Repräsentation in Brüssel Neben der Repräsentation im Rahmen des UKREP existierte bereits vor der Arbeitsaufnahme der Kammer schon seit 1992 eine eigene walisische Vertretung (das "Wales European Centre") in Brüssel, die jedoch ähnlich der schottischen Vertretung nicht auf Regierungsebene arbeitete und lediglich gewisse Lobby-Tätigkeiten ausübte. Auch nach der Wahl der Kammer repräsentiert das UKREP weiterhin Wales auf Regierungsebene. Ähnlich wie in Schottland ist die Zuständigkeit für das "Wales European Centre" jedoch nunmehr auf die Kammer übergegangen. Ausweislieh der Selbstdarstellung auf der Homepage lautet sein Hauptziel: "To give Wales an edge in Europe.,,122 Die Hauptaufgaben dieses Büros liegen in der Informationsbeschaffung, in der Repräsentation vor Ort, als Ansprechpartner für die europäischen Institutionen, es soll jedoch auch der allgemeinen "Imagepflege" dienen und eine breite Unterstützung bei transnationalen Partnerschaften bieten. c) Europäische Struktuifonds

Bisher war das "Welsh Office" für alle Fragen im Zusammenhang mit den Europäischen Regionalfonds 123 zuständig. Nunmehr sind alle damit zusammenhängenden Fragen an die Kammer nach Cardiff übertragen worden. HC Deb., 4. November 1997, c. 69. www.weic.demon.co.uk. 123 Siehe zu diesem wichtigen Mittel europäischer Regionalpolitik die Fallstudie in Kapitel C IV 1 b. 121

122

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C. Europa und der britische Regionalismus

Damit ist die Kammer dafür verantwortlich, die Mittel zu beantragen, für ihre Verteilung und zielgerichteten Einsatz zu sorgen und auch die politische Verantwortung für den Einsatz zu tragen. Das dieser Bereich nicht ganz unwesentlich ist, zeigt sich an der Höhe der bis zum Jahr 199912000 zugesagten Mittel: f 1,28 Milliarden. d) Beziehungen zu anderen europäischen Regionen

Sowohl von Seiten der Europäischen Union als auch von Seiten der Zentralregierung wird der Aufbau inter-regionaler Verbindungen und Zusammenschlüsse ausdrücklich begrüßt und gefördert. Auf der Ebene der EU gibt es hierfür sogar eine Gemeinschaftsinitiative im Rahmen der Strukturfonds (INTERREG).124 Wales ist derzeit noch assoziiertes Mitglied der "Four Motors Group", bestehend aus Baden-Württemberg, Katalonien, der Lombardei sowie der Region Rhone-Alpes. 125 Neben der Zusammenarbeit in einer Vielzahl von Einzelinitiativen, kulturellen Programmen und dem umfänglichem persönlichen wie technischen Wissenstransfer profitiert Wales von dieser Zusammenarbeit unmittelbar auch wirtschaftlich. Bereits 1995 betrug das Investitionsvolumen aus diesen vier Regionen nach Wales ca. f 200 Millionen. Dies führte zu einer Schaffung von über 3.500 neuen Arbeitsplätzen. 126 Darüber hinaus versucht Wales mittlerweile auch über die Grenzen der EU hinaus durch Städtepartnerschaften sowie internationale Kontakte (Ontario, Kanada, und New South Wales, Australien) ihre Stellung als gewichtiges Mitglied im "Konzert" der europäischen Regionen zu unterstreichen. 127 Die Kammer ist derzeit dabei, derartige Verbindungen auszubauen, um zum einen künftig gerade die wirtschaftlichen Vorteile derartiger Verbindungen noch stärker ausnutzen zu können, zum anderen um so die Stellung als selbstbewusste, eigenständige europäische Region noch weiter auszubauen.

Vgl. hierzu sogleich genauer in Kapitel C IV 1 a. Keating/Loughlin (1997), S. 398 f. 126 Wales Affairs Se1ect Committee, Wales in Europe, HC 393 - ii 1994-95. 127 Loughlin/Jörg (1996), S. 64; vgl. hierzu auch: FAZ vom 9. Oktober 1998: "Wales ist keine Mondlandschaft mehr. Aufschwung am keltischen Rand des Vereinigten Königreichs". 124

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IV. Maßnahmen europäischer Regionalpolitik am Beispiel Großbritanniens 295

IV. Maßnahmen europäischer Regionalpolitik am Beispiel Großbritanniens 128 1. Europäische Strukturfonds

a) Generelle Übersicht Unterschiede in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Regionen, bedingt durch Unterschiede in Geographie, Klima oder Bevölkerungsstruktur sind unvermeidlich. Ohne ein Minimum an sozialer und wirtschaftlicher Kohäsion würde der gemeinsame Markt jedoch nicht effektiv funktionieren können. Dies war den Gründungsstaaten der Europäischen Gemeinschaften von Anfang an bewusst. Daher wurde in den Römischen Verträgen von 1957 bereits das Ziel der Angleichung der gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensverhältnisse aufgenommen. Der gegenwärtige EG-Vertrag in der Fassung von Amsterdam definiert die Hauptziele europäischer Regionalentwicklungspolitik in Art. 158 EGV: "Die Gemeinschaft entwickelt und verfolgt weiterhin ihre Politik zur Stärkung ihres wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, um eine harmonische Entwicklung der Gemeinschaft als Ganzes zu fördern. Die Gemeinschaft setzt sich insbesondere zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete oder Inseln, einschließlich der ländlichen Gebiete, zu verringern. " Um diese Ziele zu erreichen, hatte die Union für den Planungszeitraum 1994--1999 drei Strukturfonds sowie das Finanzinstrument für die Anpassung der Fischerei (FIAF) aufgelegt. Art. 2 VO 2081/93 129 erwähnt drei Strukturfonds: den europäischen Fond für Regionalentwicklung (EFRE) , den europäischen Sozialfond (ESF) und die Abteilung Ausrichtung des europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL).J30 Für die Strukturfonds wurden bis Ende 1999 sechs vorrangige Ziele festgesetzt: - Ziel 1: Förderung der Entwicklung und der strukturellen Anpassung der Regionen mit Entwicklungsrückstand; Vgl. hierzu in Übersicht auch: Kommission (1998). L 193/5 (englische Fassung). 130 Das darüber hinaus noch existierende "Finanzinstrument für die Anpassung der Fischerei" ist kein Strukturfond im eigentlichen Sinne. Aber es kann im Rahmen der Programme der Strukturfonds Strukturmaßnahmen im Fischereibereich mit finanzieren. 128 129

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- Ziel 2: Umstellung der von der rückläufigen industriellen Entwicklung schwer betroffenen Regionen; - Ziel 3: Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und Erleichterung der beruflichen Eingliederung von Jugendlichen und der von der Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt bedrohten Personen; - Ziel 4: Erleichterung der Anpassung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an die industriellen Wandlungsprozesse und an Veränderungen der Produktionssysteme; - Ziel 5a: Beschleunigung der Anpassung der Agrarstrukturen im Rahmen der Refonn der gemeinsamen Agrarpolitik und Vereinfachung der Anpassungsmaßnahmen der Fischereistrukturen im Rahmen der Revision der gemeinsamen Fischereipolitik; - Ziel 5b: Erleichterung der Entwicklung und der strukturellen Anpassung der ländlichen Gebiete l3l Für den Zeitraum 2000 bis 2006 wurden nunmehr nur noch drei vorrangige Ziele definiert: 132 - Ziel I: Förderung der Entwicklung und der strukturellen Anpassung der Regionen mit Entwicklungsrückstand; dies sind auf NUTS-II-Ebene angesiedelte Regionen, deren Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner unter 75 % des Gemeinschaftsdurchschnitts liegt. - Ziel 2: Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Umstellung der Gebiete mit strukturellen Schwierigkeiten; die hier umfassten Industriegebiete sind auf NUTS-III-Ebene angesiedelt, die Förderfähigkeit ist an die Erfüllung von drei Hauptkriterien gebunden: eine über dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegende Arbeitslosenquote, ein über dem Gemeinschaftsdurchschnitt liegender Anteil an in der Industrie beschäftigten Erwerbstätigen sowie ein Rückgang an Arbeitsplätzen in diesem Sektor. Die ebenfalls umfassten ländlichen Gebiete sind ebenfalls auf NUTS-IIIEbene angesiedelt und müssen einen hohen Anteil an in der Landwirtschaft Beschäftigten aufweisen, verbunden mit einer über dem Durchschnitt liegenden Arbeitslosenquote oder einer abnehmenden Bevölkerungszahl. Die umfassten städtischen Gebiete müssen mindestens einem der folgenden Kriterien entsprechen: überdurchschnittliche Langzeitarbeitslosenquote, hohes Annutsniveau, schlechte Umweltbedingungen, hohe Kriminalitätsrate oder niedriges Bildungsniveau der Bevölkerung. Für den Bereich der noch umfassten Fischereisektorgebiete gilt, dass 131 Zusätzlich wurde für den Beitritt Schwedens, Finnlands und Österreichs ein neues Strukturfondziel ausgestellt, das Ziel 6 mit der Förderung der Entwicklung der sehr dünn besiedelten Gebiete. 132 Art. 1 der VO Nr. 1260/99, L 161/1.

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diese Gebiete eine hohe Beschäftigungsquote im Fischereisektor und Umstrukturierungsprobleme aufweisen müssen. - Ziel 3: Unterstützung der Anpassung und Modemisierung der Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungspolitiken und -systeme; dieses Ziel wird hauptsächlich durch den Europäischen Sozialfond umfasst und finanziert. Der Anwendungsbereich ist dementsprechend breit definiert, und das sowohl im Hinblick auf aktive Arbeitsmarktpolitiken zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Förderung der sozialen Eingliederung oder die Förderung von Bildungs- und Weiterbildungssystemen als auch Maßnahmen zur Gleichstellung von Männem und Frauen. Die drei bisherigen Strukturfonds bleiben erhalten. Das FlAF ist nunmehr ebenfalls ein Strukturfond. Es soll Begleitmaßnahmen zur gemeinsamen Fischereipolitik im gesamten Gemeinschaftsgebiet finanzieren. Im Rahmen des Zieles 1 werden die früher unter Ziel 6 förderfähigen Gebiete im Laufe des Zeitraumes 2000 bis 2006 integriert (Art. 3 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 Verordnung 1260/99). Das neue Ziel 2, in dessen Mittelpunkt die wirtschaftliche und soziale Umstellung steht, fügt die Ziele alten Ziele 2 und 5b des Zeitraumes 1994 -1999 zusammen (Art. 4 i. V.m. Art. 6 Abs. 2 Verordnung 1260/99). Das neue Ziel 3 fügt die bisherigen Ziele 3 und 4 zusammen und ist im Zusammenhang mit dem reformierten Abschnitt zur Beschäftigung im Vertrag von Amsterdam (Art. 136 ff.) zu sehen (Art. 5 i. V.m. Art. 6 Abs. 2 Verordnung 1260/99). Die Maßnahmen des einstigen Ziels 5a werden über die neuen Programme nunmehr unter Ziel 1 aus der Abteilung Ausrichtung des EAGFL unterstützt. Darüber hinaus gab es im Planungszeitraum 1994-1999 insgesamt 13 sogenannte Initiativen, die auf die Durchführung von Maßnahmen mit einem besonderen Interesse für die Gemeinschaft abzielten. Im aktuellen Planungszeitraum wird die Anzahl der Initiativen auf 4 begrenzt und gemäß Art. 20 VO 1260/99 auf folgende Themen präzisiert: 1. grenzüberschreitende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit zur Förderung einer harmonischen und ausgeglichenen Entwicklung und Raumplanung im Gemeinschaftsgebiet (INTERREG); 2. wirtschaftlicher und sozialer Wiederautbau mit akuten Problemen konfrontierter Städte und Stadtgebiete zur Förderung nachhaltiger städtischer Entwicklung (URBAN); 3. ländliche Entwicklung über lokale Aktionsgruppen (Leader +); 4. transnationale Zusammenarbeit für neue Praktiken zur Bekämpfung jeglicher Art der Diskriminierung und ungleicher Chancenverteilung im Hinblick auf den Arbeitsmarkt (EQUAL).

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Die gesamte Politik der Strukturfonds steht unter vier Leitprinzipien: a) Konzentration: Die gesamten Mittel werden nur noch auf drei genau definierte Ziele verteilt; b) Partnerschaft: Bei der Planung der einzelnen Programme müssen alle wirtschaftlichen und sozialen Akteure beteiligt sein. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die gewählten Strategien auch erfolgreich sind. Insbesondere sollen neben staatlichen Stellen und der Kommission auch andere Behörden, öffentliche und private Körperschaften auf regionaler und lokaler Ebene mit einbezogen werden, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen; c) Kofinanzierung: Die Gewährung von Globalzuschüssen bildet die Ausnahme. Es ist vielmehr die Absicht der Kommission, die Mitgliedsstaaten, aus den Förderanträge gestellt werden, zur finanziellen Beteiligung an den Maßnahmen anzuhalten. Dies soll dem verantwortungsvollen Umgang mit den EU-Mitteln dienen und zudem auch das Problembewusstsein in den Mitgliedsstaaten schärfen. Die Höchstsätze der Kofinanzierung durch die Strukturfonds betragen in Ziel-I-Gebieten maximal 75 % der Investitionssumme, in Ziel-2 und Ziel-3-Gebieten maximal 50% der Gesamtkosten des Projektes; d) Subsidiarität: Auch für diesen Bereich gilt das Prinzip der Subsidiarität. So sollte, bevor Förderanträge gestellt werden, immer zunächst versucht werden, mit Hilfe nationalstaatlicher Maßnahmen strukturelle wirtschaftliche oder soziale Probleme in den Griff zu bekommen. Die Grenze hierfür bilden jedoch die Art. 87 ff. EGV, die Regelungen über staatliche Beihilfen. 133

b) Überblick über die Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen im Vereinigten Königreich 134 Exemplarisch soll das soeben ausgeführte an zwei konkreten Maßnahmen im Vereinigten Königreich aufgezeigt werden. 135 Daran wird auch deutlich werden, welche Veränderungen sich nunmehr in der Vorbereitung, Verwal133 Die Art. 87 ff. EGV sind in engem Zusammenhang mit Art. 3 Abs. Ig EGV zu sehen. Staatliche Beihilfen sind ein Mittel, um bestimmte Industriezweige zu stützen oder wieder wettbewerbsfahig zu machen. Die Gefahr besteht darin, durch erhebliche Mittelzuwendungen zu einer Wettbewerbsverzerrung zu gelangen, die wiederum dann den Wettbewerb im Binnenmarkt behindern könnte. Insofern ist die europäische Beihilfenkontrolle von erheblicher praktischer Bedeutung, vgI. hierzu zum einen die VO Nr. 659/99 (AbI. L 8311) vom 22.3.1999 sowie die ausführliche Kommentierung in GrabitzlHilf - v. Wallenberg (2000), Art. 87 ff. 134 Eine Liste aller ERDF-Programme findet sich im Internet unter: www. inforegio.cec.eu.int/wbpro/prord/prorda/prordauk.htm.

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tung und Begleitung der einzelnen Programme in Schottland und Wales ergeben haben. Um eine möglichst vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit zwischen den beteiligten staatlichen Stellen zu gewährleisten, wurde bereits im Herbst 1999 ein "Concordat on European Structural Funds" zwischen der Zentralregierung und der schottischen Exekutive geschlossen.13 6 Dort wird nochmals ausdrücklich festgeschrieben, dass künftig die schottische Exekutive sämtliche Funktionen im Bezug auf die Strukturfondprogramme in Schottland ausübt, die zuvor durch die einzelnen Whitehall-Ministerien bzw. das "Scottish Office" wahrgenommen worden waren (Ziff. 3). Die bezieht sich insbesondere auf den Planungszeitraum 2000-2006 und darüber hinaus. Nachfolgend soll ein Blick auf das "East Scotland Objective 2 Programme,,137 sowie das "West Wales and the Valleys Objective 1 Programme,,138 geworfen werden. aa) Schottland: East of Scotland Objective 2 Programme Das "East of Scotland Programme 2000-2006" basiert im Wesentlichen auf dem "Eastern Scotland Objective 2 1997-1999" Programm 139 und setzt dieses fort. Es umfasst eine Population von ca. 1,14 Millionen Menschen und erstreckt sich auf die Gebiete zwischen Alloa, Falkirk, Dunfermline, Teilen von Edinburgh sowie Arbroath und Dundee. Die Region leidet insbesondere an überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und unterdurchschnittlichem Wachstum. Das letztgenannte Programm hatte zum Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen durch die Erhöhung der Wettbewerbsfahigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen und Forschung und technische Entwicklung zu fördern. Konkret ging es dabei um die Entwicklung einer Infrastruktur, die kleineren und mittleren Unternehmen zu Ansiedlung oder weiteren Investitionen verhelfen könnte sowie die Schaffung eines technischen wie sozialen Umfeldes inklusive entsprechend qualifizierter Arbeitskräfte, um die Region zu einem attraktiven Forschungsstandort in Bezug auf kleinere und mittlere Unterneh135 Vgl. zu weiteren illustrierten Beispielen: European Commission, Dri ving Regional Development, EU Structural Funds Programmes in the UK, Brüssel 1998: Office for Official Publications; weitere Analysen und Fallbeispiele auch unter: www.inforegio.org. 136 www.scotland.gov.uk/concordats/esf.asp. 137 Vgl. hierzu sehr ausführlich mit allen erforderlichen Unterlagen und Dokumenten: http://www.esep.co.uk. 138 Vgl. hierzu ebenfalls sehr ausführlich mit allen Unterlagen und Dokumenten: http://www.wefo.wales.gov.uk. 139 ERDF 97.09.13.003, vgl. hierzu http://www.inforegio.org.

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men zu gestalten. Insgesamt waren hierfür € 326,5 Millionen vorgesehen, wovon € 139,9 Millionen aus Mitteln der europäischen Strukturfonds kommen sollten. 140 Das derzeit aktuelle "East of Scotland Objective 2 Programme 2000-2006" wird einen wesentlich größeren finanziellen Umfang haben: von den vorgesehenen Gesamtkosten in Höhe von € 650,4 Millionen wird die Europäische Union insgesamt € 250,5 Millionen beisteuern. Die "East of Scotland European Partnership (ESEP)" bildet dabei das Verwaltungszentrum des Programms in Schottland. Sie ist diejenige Verwaltungsbehörde, die den gesamten Ablauf des Gesamtprogramms überwacht und begleitet. In ihr sind Vertreter der Europäischen Kommission, der schottischen Exekutive, der lokalen Gebietskörperschaften, der Universitäten und anderer Bildungseinrichtungen sowie eine Vielzahl von Vertretern aus Industrie und Handwerk (auch: Vertreter von quangos wie dem "Enterprise Trust" oder aus "environmental agencies") zusammengeschlossen, um den Prozess der Umsetzung und Evaluierung der einzelnen Maßnahmen vorzubereiten, zu begleiten und zu kontrollieren. ESEP hatte den Programmzeitraum 1994/99 unter folgende Vision und folgendes Ziel gestellt: "A dynamic, innovative and competitive East of Scotland Programme Area where people and businesses are weIl equipped to face the challenges of new and emerging European and international markets." "To promote sustainable economic development in the East of Scotland which is founded on the key principles of enterprise, learning and social justice.,,141 Beides gilt auch im Programmzeitraum 200012006 fort. Das Ziel besteht darin, durch die Förderung von Industrie, Bildung und Ausbildung sowie die Schaffung entsprechender Infrastruktur in der nach wie vor von hoher Arbeitslosigkeit Strukturveränderungen geprägten Region nachhaltiges Wachstum zu initiieren und zu fördern. Unterhalb der ESEP sind einige Ausschüsse eingerichtet worden, die den genauen Ablauf der einzelnen Programme und Maßnahmen vorbereiten, steuern und überwachen. Die Art. 35 VO (EG) 1260/1999 142 sieht vor, dass unterhalb der obersten Verwaltungsbehörde ein sogenannter Begleitausschuss eingerichtet werden soll, der quasi als "Exekutive" die konkreten Managementfunktionen übernimmt. Dies ist vorliegend das sog. "Programme Monitoring Committee", das den gesamten Prozess unterhalb des ESEP koordiniert und überwacht. Diesem steht ein Mitglied der schottischen Exekutive vor. Unterhalb dieses Ausschusses wurden noch weitere Ausschüsse eingerichtet. Dies ist zum einen das sog. "Programme Manage140 79,12% sollte der ERDF beitragen, 20,88% der ESF. 141 Vgl. hierzu http://www.esep.co.uk (Executive Summary). 142 L 161/1 vom 26.06.1999.

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ment Executive" (PME). Diese Vereinigung betreut, leitet und überwacht den genauen Ablauf der einzelnen Programme. Die PME bereitet die Programmdokumente vor, stellt die einzelnen Anforderungskriterien für die Bezuschussbarkeit auf, nimmt Förderungsanträge entgegen und prüft sie auf Förderfähigkeit, und steht während der gesamten Laufzeit als Ansprechpartner für sämtliche Beteiligten zur Verfügung. Hat ein Antrag diese Hürde genommen, so entscheiden verschiedene weitere Fachausschüsse ("Thematic Advisory Groups"), ob die einzelnen Anträge und Projekte tatsächlich förderfähig sind und legen sie dann einem weiteren Ausschuss, dem "Programme Management Committee" zur Entscheidung vor. Bis zur Arbeitsaufnahme des schottischen Regionalparlamentes zum 1. Juni 1999 war die Zuständigkeit und Kompetenz für alle Maßnahmen rund um die Strukturfonds beim "Scottish Office", damit auf der Ebene der Zentralregierung, angesiedelt. Nunmehr liegt die alleinige Verantwortung bei der schottischen Exekutive und beim schottischen Parlament. Parlament und Regierung haben somit nunmehr die Möglichkeit zu beweisen, dass die Verwaltung "vor Ort", beim Bürger und bei den Unternehmen, tatsächlich die erhofften Effektivitäts-, und damit auch finanziellen Vorteile bringt. Ob und inwieweit dies gelingen wird, kann derzeit noch nicht beurteilt werden. Die schottische Regierung geht das gesamte Projekt jedoch mit großem Elan an; eine offensive und engagierte Öffentlichkeitsarbeit sind nur ein Ausdruck hierfür. 143 bb) Wales: West Wales and the Valleys Objective 1 Programme Ähnlich wie in Schottland die ESEP wurde am 1. April 2000 das "Welsh European Funding Office" (WEFO) als oberste Verwaltungsbehörde gegründet, um nunmehr in eigener Verantwortung, losgelöst vom Einfluss des "Secretary of State for Wales", die Verwaltung und Abwicklung der Mittel aus den Strukturfonds vornehmen zu können. l44 Das Personal besteht aus Mitgliedern der aufgelösten "Welsh European Programme Executive" und Mitarbeitern der Regionalkammer. Die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen und Ziele erfolgt hier durch sogenannte "Partnerships". Sie sind unterhalb des Begleitausschusses 143 So wurden sämtliche Anfragen des Verfassers von Seiten von ESEP regelmäßig binnen weniger Tage erschöpfend beantwortet; auch das Internetangebot (www.esep.org.uk) ist sehr umfang- und hilfreich. Insbesondere mit Hilfe dieses Mediums erhofft sich die Regierung offensichtlich, den Verwaltungsaufwand und somit die Verwaltungskosten zugunsten eines straffen und effektiven Programmablaufs reduzieren zu können. 144 Vgl. hierzu die homepage: www.wefo.wales.gov.uk.

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("Monitoring Committee") mit der konkreten Umsetzung der Pläne beauftragt. Sie konstituieren sich durch ein gemeinsames Interesse an einem bestimmten Thema oder einer bestimmten Region. Jeweils ein Drittel der Mitglieder kommt aus dem öffentlichen Sektor, dem privaten Sektor sowie von freiwilligen und/oder sozialen Verbänden und Organisationen. Bisher wurden zu diesem Zweck so unterschiedliche "Partnerships" wie etwa "AgriFood" , "Finance for SME's", "Innovation/R&D", "International Trade" oder verschiedene territorial bezogene "Partnerships" gegründet. 145 Seit 1999 erfüllt das Gebiet "West Wales and the Valleys" die Voraussetzungen eines Ziel-I-Gebietes. Der westliche Teil von Wales umfasst ein großes und von den natürlichen Gegebenheiten sehr unterschiedliches Gebiet mit nahezu zwei Millionen Einwohnern, was zwei Drittel der Einwohner Gesamt-Wales entspricht. Dieses Gebiet erfüllt die Ziel-I-Gebiets-Kriterien aufgrund seines unterdurchschnittlichen BIP sowie einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenquote. Es mangelt an einer gut ausgebauten Infrastruktur sowie an großen und mittelgroßen Unternehmen, die entsprechende Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Zudem ist dieses Gebiet durch den Wegzug qualifizierter Arbeitskräfte gekennzeichnet. Daher soll die Aufgabe dieses Ziel-I-Programmes darin bestehen, bei der Erreichung fünf genau festgelegter Ziele zu helfen: - die Entwicklung eines Industriestandortes, der innovative Unternehmen anlockt; - Unterstützung bei Bildung und Weiterbildung im Erwachsenenbereich; - Wiederaufbau lebenswerter Gemeinden und Städte; - Hilfe bei der Schaffung einer gleichermaßen sozialen wie wettbewerbsflihigen Gesellschaft, in der die Menschen Zugang zu Bildungs- Weiterbildungsprogrammen sowie qualifizierten Arbeitsplätzen haben; - der Erfolg dieser Maßnahmen soll allen Bürgern in diesem Gebiet zugute kommen können. Erreicht werden sollen diese Ziele durch Stärkung und Unterstützung kleinerer und mittlerer Unternehmen (SME - small and mediumsized enterprises), durch verschiedenste Bildungs- und Ausbildungsprogramme, Investitionen in die Infrastruktur sowie Investitionen in die Gemeinde- und Stadtentwicklung. Am 16. Juli 2001 waren insgesamt bereits 306 einzelne Projekte und Maßnahmen unter diesem Ziel-I-Programm beantragt, geprüft und bewilligt. Dies zeigt, dass die Nachfrage nach Unterstützung sehr groß ist, zugleich aber offensichtlich auch der Wille bei allen beteiligten Behörden, 145 Vgl. hierzu genauer: Objective 1 Programme for West Wales and the Valleys 2000-2006, Summary, June 2000, über: www.wefo.wales.gov.uk.

IV. Maßnahmen europäischer Regionalpolitik am Beispiel Großbritanniens 303

Gruppen, Unternehmen und auch Einzelpersonen vorhanden ist, aus den zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste für Wales herauszuholen. 146

2. Staatliche Beihilfen und Öffentliche Auftragsvergabe ("state aids" und "public procurement") Staatliche Beihilfen und der Sektor der öffentlichen Beschaffung bzw. Auftragsvergabe sind zwei weitere Maßnahmen, um verschiedenen Industriezweigen staatliche Hilfen zukommen zu lassen, um entweder deren Wettbewerbsfähigkeit zu steigern oder der Region indirekt zu helfen, in der sie angesiedelt sind. Bis zu einem bestimmten Grad sind solche Maßnahmen erwünscht; die Grenze derartigen Markteingriffs ist erreicht, wenn durch den Eingriff der Wettbewerb auf dem Binnenmarkt in Gefahr zu geraten droht. Unkontrollierte und unlimitierte nationale Beihilfen gefährden den Wettbewerb in dem gemeinsamen Markt. Art. 3 lit. g EGV überträgt der Gemeinschaft die Zuständigkeit für die Schaffung eines Systems, das den Wettbewerb innerhalb der Gemeinschaft vor Verfälschungen schützt. Hierzu gehören neben Vorschriften zum Kartellrecht (Art. 81, 82 EGV) auch Bestimmungen über staatliche Beihilfen, die die Mitgliedsstaaten gewähren. Die Zuständigkeit der Union für diesen Bereich überrascht nicht. Negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt wie etwa unkontrollierter Wettbewerb zwischen den Regionen, unkontrollierte Ressourcenallokation, oder ganz allgemein eine Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen wären andernfalls vorprogrammiert. 147 Unbeachtet der Regelungen in den Art. 87 bis 89 EGV belief sich die Gesamtsumme aller staatlichen Beihilfen im Jahr 1993 innerhalb der Gemeinschaft auf 43,9 Milliarden ECU, im Jahr 1994 auf 42,8 Milliarden. 148 Deutschland gab von 1992 bis 1994 jährlich ca. 2,6 % des BIP zur Unterstützung bestimmter Industriezweige aus, das Vereinigte Königreich im gleichen Zeitraum nur 0,4 % des BIP. 149 146 Nordirland war bis zum Ablauf des Planungszeitraums 1994 Fördergebiet, bei zum Ablauf des Planungszeitraums 1999 von einigen Initiativen erfasst; da Nordirland jedoch derzeit weder die Kriterien für ein Ziel-I-Gebiet noch für ein Ziel-2Gebiet erfüllt, erhält es derzeit für einzelne (kleinere) Maßnahmen noch ein sog. Übergangsunterstützung ("phasing out"), die jedoch spätestens mit Ablauf des Planungszeitraums 2006 ebenfalls enden wird. 147 Kobia (1996), S. 3. 148 Oppermann (1999), Rn. 1150. 149 Gemessen am gemeinschaftsweiten Durchschnitt von 1,7% ist der überdurchschnittliche Wert der Bundesrepublik mit den Kosten der Wiedervereinigung erklärbar; der weit unterdurchschnittliche Wert innerhalb des Vereinigten Königreiches ist wohl am einfachsten erklärbar mit der sehr zurückhaltenden Politik der damaligen konservativen Regierung, sich in den Wettbewerb auf den vermeintlich freien Märk-

304

C. Europa und der britische Regionalismus

Der EG-Vertrag in der Fassung von Amsterdam definiert die Beihilfe als solche nicht. Die Politik der Kommission als auch die Rechtsprechung des EuGH zeigen jedoch, dass hier letztlich sämtliche Maßnahmen - nicht notwendigerweise ausschließlich finanzieller Natur - umfasst sind, die in irgendeiner Weise geeignet sein könnten, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verfalschen. 150 In der Entscheidung Italien gegen Kommission aus dem Jahr 1974 stellte der EuGH bereits ausschließlich auf die Folgen der einzelnen Maßnahmen ab. 151 Insofern können staatliche Beihilfen entweder nach Zielen (z. B. regionale, soziale, umweltpolitische, industriepolitische Ziele) oder nach Maßnahmen (z. B. Kredite, günstige Zinssätze, öffentliche Beschaffung, direkte Subventionen, Steuererleichterungen, Schutzgesetze) unterschieden werden. 152 Staatliche Beihilfen sind jedoch nicht generell untersagt. Art. 87 Abs. 2 EGV nennt einzelne Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind, Art. 87 Abs. 3 EGV solche Beihilfen, die als vereinbar angesehen werden können. Art. 87 Abs. 3a) EGV nennt als ein Beispiel hierfür Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht. Im Rahmen der Vorschrift des Art. 88 EGV 153 , der Maßnahmen gegen unstatthafte Beihilfen regelt, sind die Mitgliedsstaaten insoweit frei, im Einzelfall auch nationalstaatlieh Beihilfen zu gewähren. Innerhalb des Vereinigten Königreiches ist hierfür auf der Ebene der Zentralregierung das "Department of Trade and Industry" (DTI)154 zuständig. Das DTI hat in den vergangenen Jahren immer wieder eigene, nationale Programme aufgelegt, um Gelder unter Mithilfe einzelner sonstiger Fachministerien in solche Gebiete des Vereinigten Königreiches zu transferieren, die an Strukturproblemen leiden. Hierzu zählt beispielsweise der "Urban Partnership Fund", der "Derelict Land Grant", der "City Grant" oder auch "English Estates".155 Auf der kommunalen Ebene steht den Städten und ten durch staatliche Subventionen einzuschalten; vgl. hierzu: Fünfte Untersuchung (1997), S. 25. 150 EuGH 61/79 Arnrninistrazione delle finanze dello stato v Denkavit, [1981] 3 C.M.L.R., 694. 151 EuGH [1974] 2 C.M.L.R. 593. 152 WyattlDashwood (1993), S. 522; EvanslMartin (1991), S. 81 geben eine umfangreiche Übersicht über einzelne Maßnahmen und Ziele, in denen die Beihilfen entweder genehmigt oder abgelehnt worden sind. 153 Auch: VO Nr. 659/1999, L 83/1 vorn 22.03.1999; diese Verordnung enthält die genauen Regelungen, die anzuwenden sind, sofern ein Mitgliedsstaat gegen die Beihilfevorschriften des EGV verstößt oder zu verstoßen droht. 154 http://www.dtLgov.uk; vgl. hierzu auch die Studie von Cini (1997).

IV. Maßnahmen europäischer Regionalpolitik am Beispiel Großbritanniens 305

Gemeinden ein eigenes Budget zu, um gezielt vor Ort bestimmte Missstände angehen zu können. 156 Die schon erwähnte öffentliche Auftragsvergabe stellt grundsätzlich eine weitere Möglichkeit dar, strukturschwachen Regionen zu helfen. 157 Regionale Wirtschaftsentwicklung sollte darauf ausgerichtet sein, langfristiges Wachstum und möglichst optimale Ressourcenallokation zu schaffen. In vielen Regionalentwicklungsprogrammen - so auch in den beiden zuvor beschriebenen Programmen in Schottland und Wales - wird der Schwerpunkt auf die Entwicklung einer konkurrenzfähigen mittelständischen Wirtschaft gelegt. Der Mittelstand stellt überall in Europa die meisten Arbeitsplätze zur Verfügung, und bildet damit das Rückgrat volkswirtschaftlichen Wohlstandes. Der EGV enthält hierzu keine expliziten Vorschriften. Die Gleichstellung aller EG-Unternehmen bei der Vergabe nationaler öffentlicher Bauund Lieferaufträge ist jedoch von erheblicher wirtschaftlicher wie politischer Bedeutung. Öffentliche Aufträge machen unter Einbeziehung öffentlicher Unternehmen ca. 15 % des gemeinschaftsweiten BIP aus. 158 Vorschriften wie das Diskriminierungsverbot (Art. 12 EGV), die Art. 28 ff., Art. 49 ff. oder auch Art. 43 ff. EGV können jedoch herangezogen werden, um den Missbrauch in diesem Bereich zu verhindern. 159 Darüber hinaus hat die Kommission einige Richtlinien erlassen, die einen allzu exzessiven Gebrauch dieses Mittels verhindern sollen. 160 Aus praktischen Gründen gelten die Regelungen in den Richtlinien erst ab bestimmten Auftragsvolumen (€ 5 Mill. bei Bauaufträgen, € 200.000,- bei Liefer- und Dienstleistungsverträgen und € 400.000,- bis 600.000,- in einigen anderen speziellen Sektoren). Wird dieses Volumen nicht erreicht, greifen die nationalen Vorschriften. 155 VgI. zum "Derelict Land Grant" beispielsweise die Seite des North East Lincolnshire Council unter: www.nelincs.gov.uk/gifts/heritage/departmencoC environmenCdereli.htm. 156 Chandler (1996), S. 74. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Schwerpunkt derartiger Programme darauf liegt, zu einer "lokalen Partnerschaft" zwischen öffentlichen Körperschaften und privaten Unternehmen zu gelangen, um bestimmte Projekte realisieren zu können. Hierzu zählt die Möglichkeit der Städte und Gemeinden, etwa sog. "rnicro-Ioans" zu vergeben, oder auch im Bereich des Wagniskapitals tätig zu werden; vgI. hierzu genauer: Bovis (1996), S. 17. 157 VgI. hierzu die detaillierte Analyse in: Bovis (1996), S. 33 ff. 158 Oppermann (1999), Rn. 1619. 159 Fernandez-Martin (1996), S. 35. 160 Lieferkoordinierungsrichtlinie (ABI. 1993, L 199/1); BaukoordinierungsRichtlinie ( ABI. 1993, L 199/54); Dienstleistungsrichtlinie (ABI. 1992, L 209/1); Änderungs-Richtlinie (ABI. 1997, L 328/1). Darüber hinaus existiert in den Bereichen Wasser, Energie, Verkehr und Telekommunikation noch die sog. "SektorenRichtlinie" (ABI. 1993, L 199/84), die die Auftragsvergabe in diesen Bereichen koordinieren soll.

20 Mey

306

C. Europa und der britische Regionalismus

Das gegenwärtige öffentliche Auftragswesen im Vereinigten Königreich basiert in erster Linie auf den Grundsätzen, die 1995 durch das "White Paper: Setting New Standards: A Strategy for Government Procurement" aufgestellt wurden. 161 Bis 1992 erfolgte die öffentliche Auftragsvergabe überwiegend nach sogenannten "preference schemes"; dies bedeutete, dass öffentliche Aufträge in der Regel bei Preis gleichheit und Gleichheit auch der sonstigen Bedingungen an Unternehmen vergeben wurden, die in strukturschwachen Regionen angesiedelt waren. Eine besonderes "preference scheme" garantierte darüber hinaus, dass ein bestimmter Prozentsatz dieser öffentlichen Aufgaben an Unternehmen in Nordirland flossen. 162 Nach dem der Europäische Binnenmarkt Realität geworden war, wurden diese speziellen Programme nicht mehr angewandt, obwohl sie von ihrem Zweck nach auf Regionalentwicklung angelegt waren. Untersuchungen der Europäischen Kommission zeigten in der Folgezeit, dass derartige Sonderprograrnme keineswegs den gewünschten Erfolg hatten. Der Effekt auf die Regionalentwicklung war überwiegend minimal, sowohl im Hinblick auf das Volumen derartiger Verträge als auch im Hinblick auf ein tatsächliches Wachstumsplus der jeweiligen Region. 163 Heute erfolgt die Vergabe, wie schon angedeutet, nicht mehr nach regionalen Kriterien, sondern in erster Linie nach dem Kriterium des "best practice procurement".I64 Dies bedeutet das Streben nach einem möglichst hohen "value for money"; die Qualität für einen möglichst günstigen Preis ist jedoch nicht das alleinige Kriterium. Kriterien wie der Einfluss auf die Unternehmensentwicklung, die Möglichkeit der Sicherung und/oder Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Einfluss auf die Umwelt spielen bei der Auswahlentscheidung ebenfalls eine Rolle. Das Kriterium des Regionalbezugs wurde daher abgelöst durch weitere Kriterien, die nunmehr nicht mehr einen territorialen Bezug haben, sondern neben dem Preis-Leistungs-Verhältnis als wichtigstem Entscheidungspunkt individueller auf die einzelne Unternehmenssituation eingehen. Um einzelne Maßnahmen besser abstimmen zu können, wurde zwischen der schottischen Regierung, der walisischen Kammer, der nordirischen Regierung und der Regierung in London (Department of Trade and Industry) jeweils ein "Concordat on Co-ordination of EU, International and Policy Issues an Public Procurement" geschlossen. 165 In diesem werden unter Be161 Cm 2840, HMSO 1995; vgl. auch: http://www.dti.gov.uk/procual-5.htm. Konkretisiert wurden einzelne Grundsätze durch das "White Paper: Modernising Government", Cm 4310, HMSO 1999. 162 Bovis (1996), S. 36. 163 Bovis (1996), S. 36. 164 DTI - General Public Procurement Principles - www.dti.gov.uk/procual5.htm.

V. Lehren für die EU-Politik

307

zugnahme auf das schon erwähnte "Concordat on the Co-ordination of European Union Policy Issues" Regelungen getroffen, um den gegenseitigen Informationsfluss, die Ausarbeitung einer gemeinsamen Politiklinie des Vereinigten Königreiches, die Teilnahme an EU- und WTO-Treffen und die Umsetzung internationaler oder europäischer Bestimmungen zu verbessern und zu koordinieren (Ziff. 2 des "concordat"). Generell gilt unter dem Aspekt der Devolution, dass die Beziehungen zur Europäischen Union wie auch die Entwicklung und Pflege der internationalen Beziehungen und Abkommen auf diesem Gebiet in die Verantwortung des Zentralstaates fallen, die Umsetzung und Entwicklung entsprechender Maßnahmenkataloge jedoch in die Verantwortung der einzelnen Regionalparlamente bzw. Regierungen fallen. Insofern bilden diese (generell rechtlich nicht bindenden) "concordats" eine notwendige Grundlage, um auch in diesem wichtigen Feld zu einer möglichst reibungsfreien Zusammenarbeit zu gelangen.

V. Lehren für die EU-Politik des Vereinigten Königreiches, Schottlands, Wales und Nordirlands Insgesamt scheint die Regierung in Whitehall auf einen auf die Zukunft hin offenen Prozess zu setzen. Anders als in manchen kontinentaleuropäischen Ländern ist die Erfahrung, Partikularinteressen mit in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen zu müssen, noch sehr gering. Sollte sich die nunmehr existierenden Mechanismen nicht bewähren, müsste über neue Formen der Zusammenarbeit nachgedacht werden. Da Schottland nach derzeitiger Gesetzeslage mit einem eigenen Parlament viel fester als beispielsweise die deutschen Länder in die Bundesrepublik in das Königreich integriert bleiben wird, kann und will die Regierung in London in den grundSätzlichen Fragen der Europapolitik keine weiteren Zugeständnisse machen. Wie sich die Situation darstellen wird, sollten die europäischen Nationalstaaten eines Tages in einer wirklichen politischen Union aufgehen, bleibt abzuwarten. Möglicherweise werden sich dann einige der heute noch drängenden Fragen von selbst erledigt oder erledigt haben. Eine irische Studie aus dem Jahr 1996 sieht die britischen Schwierigkeiten in manchen Beziehungen zu Brüssel und die verfassungsrechtlichen Veränderungen als zwei Seiten der gleichen Medaille: "The common point at issue is sovereignty. At European level it centres on the extent to which sovereignty is to be shared extemally with other nation states. At national level it revolves around the question as to how it is to be shared inter165 Vgl. für den Text zwischen der schottischen Regierung und dem DTI: www.scotland.gov.uk/concordat.

20'

308

c. Europa und der britische Regionalismus

nally within the nation state. Looked at form the vantage of the British state as currently constituted, there is a dual concern. Sovereignty could be simultaneously drained from the centre in two opposite directions: outward towards Europe and inwards towards the regions. Britain has a double constitutional problem. The key (... ) lies in the debate about Britain, rather than in the debate about Europe. The solution to the first is the precondition for the solution to the second.,,166

Ein Souveränitätsverlust erfolgt gleich von zwei Seiten: von Seiten der Regionen und von Seiten der Europäischen Union. Unter diesen Umständen wird der noch bestehende verfassungsrechtliche Konsens nur dann gewahrt bleiben, wenn alle Beteiligten versuchen, sich auf ihre originären Zuständigkeiten zu beschränken, diese Beschränkung jedoch im Gegenzug auch von den übrigen Beteiligten respektiert wird. Die bedeutet konkret, dass die schottische Regierung das Primat der Zentralregierung in wesentlichen Fragen der Europapolitik akzeptieren muss, und darauf verzichten sollte, sich zu stark auf diplomatischen Wege in die Geschicke der Union hineinzudrängen. Im Gegenzug hierfür muss die Zentralregierung die gewachsene Bedeutung der Regionen innerhalb der Union akzeptieren und versuchen, mit dieser gewachsenen Rolle und Bedeutung konstruktiv zum Wohle des gesamten Landes umzugehen. Die Europäische Union schließlich sollte akzeptieren, dass in diesem Bereich nationale Empfindlichkeiten bestehen können, deren Ignorierung zu ernsthaften Verfassungskrisen innerhalb dieser Länder führen könnte. Insgesamt wird es in Zukunft also noch stärker als bisher darauf ankommen, die Europäische Union in erster Linie als Fakt und als Chance zu begreifen, die allen Mitspielern Möglichkeiten und Chancen bieten kann, jeweils im Rahmen der eigenen Kompetenzen und Möglichkeiten ein optimales Ergebnis zu erzielen. Dies alles spielt sich zu einer Zeit ab, in der im Vereinigten Königreich, bedingt und katalysiert durch sowohl Entwicklungen der Union als auch innerhalb des Landes durch die "Devolution" Fragen nach britischer Identität, nach demokratischer Legitimation und Legitimität mit neuer Schärfe gestellt werden. In dieser Situation stellt sich unweigerlich die Frage nach der staatlichen Zukunft des Vereinigten Königreiches erneut. Mitchell/Leicester schlagen in dieser Situation die Schaffung eines Integrationsmodells vor, das zwar föderalistische Elemente enthält, jedoch nicht die Schaffung eines echten föderalen Systems etwa nach deutschem Vorbild bedeuten würde. Es soll ein System sein, 166

Gillespie (1996).

V. Lehren für die EU-Politik

309

"which builds on existing identities and which provides a coherent framework in which practitioners and electors know who is responsible for what and how and why the democratic elements in the system apply.,,167

Sie nennen dieses Konzept "a rolling programme of asymetric devolution". Es bedeutet konkret, dass die nunmehr gefundenen Mechanismen und Strukturen beibehalten und gefestigt werden sollten, um so flexibel auch auf künftige Veränderungen und Herausforderungen reagieren zu können, wie es die britische Verfassung auch während der vergangenen Jahrhunderte ennöglicht hat. Derzeit gibt dieses "Programm" also den status quo wieder. Andere, nach englischem Verständnis radikalere Autoren fordern neben der Verabschiedung einer geschriebenen Verfassung und der Umwandlung des "House of Lords" in eine zweite Kammer (der Regionen) den Ausbau der Kompetenzen der Regionen hin zu einer Stellung vergleichbar den deutschen Bundesländern. 168 Damit würde das Vereinigten Königreich innerhalb kürzester Zeit von einem unitarischen Staat zu einem Föderalstaat werden. Auf politischer Ebene finden diese Vorschläge jedoch derzeit noch keinen Widerhall. Während des Wahlkampfes zu den allgemeinen Parlamentswahlen im Juni 2001 wurde das Thema "Devolution" von den großen Parteien - mit Ausnahme der SNP in Schottland und "Plaid Cymru" in Wales - geradezu auffällig demonstrativ vennieden. Die Konservativen, die sich gerade mehr oder weniger widerwillig in den Volks willen gefügt hatten, forderten explizit in ihrem Wahlprogramm, sämtliche vorsichtigen Reformen einer tieferen Regionalisierung innerhalb Englands sofort rückgängig zu machen, und von Seiten von Labour finden sich, nach teils recht vollmundigen Versprechungen noch im Wahlkampf 1997, bezüglich Englands und einer weiteren Übertragung von Kompetenzen an die walisische Kammer oder die weitere Refonn des Oberhauses nahezu keinerlei Aussagen. Optimisten könnten dieses Verhalten damit erklären, dass nunmehr zunächst, nach derart tiefgreifenden Veränderungen, die konkrete Umsetzung und die Akzeptanz Zeit brauchen; Pessimisten könnten dieses Verhalten daMitchelllLeicester (1999), Kap. 7. Olowotoyeku (1999), S. 57 ff.; hierzu insbesondere auch sehr ausführlich: Fazal (1997), S. 123 ff., 147 ff., 174 ff.; Fazal analysiert die Möglichkeiten einer föderalen Gliederung des Vereinigten Königreiches sehr genau und an einer Vielzahl von Einzelbeispielen; er sieht in einer "föderalen Lösung" insbesondere auch einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise des Königreiches sowie eine Lösung für das "Irische Problem". Der Devolution in Nordirland prognostiziert er ein Scheitern, da aufgrund der Verpflichtung zu gemeinsamen Mehrheiten und aufgrund der tiefsitzenden Gegensätze und eines tiefsitzenden Misstrauens auf beiden Seiten, das die Protestanten befürchten lässt, dass hiermit ein Beginn einer Übernahme durch den Süden ohne Schutz stattfinden könnte, und die Katholiken befürchten lässt, dass mit der Devolution eine Rückkehr zur "home-rule-Politik" stattfinden werde, mit den entsprechenden Repressionen und Diskriminierungen, eine gemeinsame Politik nahezu ausgeschlossen sei (S. 210 f.). 167 168

310

c.

Europa und der britische Regionalismus

mit erklären, dass Labour entweder die Kraft oder der Wille oder beides verlorengegangen sind, nunmehr zügig an der Umsetzung weiterer Reformen zu arbeiten, um das Königreich tatsächlich eines Tages zu einer Art Föderalstaat zu machen. Wie bereits oben schon beschrieben, dürfte die Wahrheit wohl in der Mitte liegen. Es ist mittlerweile weithin bekannt, dass Toni Blair selbst gegenüber den Veränderungen eher neutral bis leicht ablehnend gesinnt ist. Er hat sich jedoch in die guten Argumente der Befürworter der "Devolution" in seiner eigenen Partei und Regierung gefügt und sie sich zu eigen gemacht. Derzeit bestimmen andere Themen die politische Landschaft im Vereinigten Königreich, unter anderem die für die weiteren Entwicklung der Europäischen Union wichtige Frage des Beitritts des Königreiches zur Europäischen Währungsunion. Allein schon aufgrund der Präsenz und den politischen Gewichts der SNP oder von "Plaid Cymru" wird das Thema "Devolution" jedoch auf der Tagesordnung der Politik bleiben. Die aufgezeigten Tendenzen in einigen Teilen Englands, in denen Regionalbewusstsein durchaus lebendig ist 169 , werden ebenfalls mittelfristig dafür sorgen, dass der Regierung keine Alternative bleiben wird, als das Projekt "Regionalismus in England" wieder mit neuem politischen Willen aufzugreifen.

169

Vgl. Kapitel B IV 3.

D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick I. Hinführung Im Anschluss an den ausführlichen empirischen Teil soll nun die Klammer der Ausgangsfragestellung, die sich in der Spannung zwischen Phänomen und Begriff bewegte, geschlossen werden. Nachdem das Phänomen als Faktum eingehend beleuchtet wurde, gilt es daher, dieses wieder begrifflich zu systematisieren. In der Exposition wurde dieser Arbeit zum Ziel gesetzt, die Region und den Regionalismus kulturwissenschaftlich zu betrachten. Dabei wurden verschiedene Perspektiven entworfen, die es ermöglichen sollten, eine Klammer um drei Wechselwirkungen zu schließen, die den Kern des kulturwissenschaftlichen Ansatzes in Bezug auf den Gegenstand Vereinigtes Königreich und Europa bilden: zum einen die Wechselwirkung zwischen kulturellem Bewusstsein und Rechtsentwicklung innerhalb Großbritanniens; zum anderen um die Wechselwirkung zwischen der Rechtsentwicklung in Europa und den einzelnen Regionen innerhalb Europas; zum wieder anderen um die Wechselwirkung zwischen der Region als Kulturphänomen und der Region als Gegenstand des Rechts auf europäischer Ebene. Der Umfang der Untersuchung, der diese Wechselwirkungen umreißt, wird durch die Region als eine im weitesten Sinne kulturelle Größe begrenzt: sie wurde am Beispiel Großbritanniens in bezug auf Schottland, Wales und England sowie skizzenhaft Nordirland zunächst hauptsächlich geographisch verortet, ethnisch und sprachlich näher bestimmt und inhaltlich durch einige Beispiele aus der Literatur und Geschichte veranschaulicht. Es sind ausführlich die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen vorgestellt worden, die sich in den letzten Jahren im Vereinigten Königreich von Großbritannien in Sachen Regionalismus/Devolution vollzogen haben. In diesem Zusammenhang wurden auch weitere Entwicklungen wie die Veränderungen in der Doktrin der Parlaments souveränität oder bezüglich des "House of Lords" beleuchtet: sie werden vom Regionalismus beeinflusst und katalysiert. Der historische Chronologie als vertikaler Verschränkung aller anderen Aspekte kam dabei eine logische Bedeutung zu. In Bezug auf die das Bewusstsein prägende Nationalgeschichte ist der Blick retrospektivisch, in Bezug auf die aus diesem Nationalbewusstsein hervorgegangenen Rechtstexte wird dieser Blick prospektivisch.

312

D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

Teil C befasste sich mit dem Phänomen der Region bzw. des Regionalismus im heutigen Europa; der Schwerpunkt lag hier in der Darstellung des nicht immer konfliktfreien Verhältnisses zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU, unter besonderer Berücksichtigung der neuen Rolle Schottlands und Wales im Rahmen dieses Beziehungsgeflecht. Mit der europarechtlichen Ebene kam eine weitere Rechtsebene als Pol für Wechselwirkungen hinzu; zudem stößt die Existenz verschiedener Regionen in verschiedenen Entwicklungsstufen in jedem einzelnen Mitgliedsstaat der Europäischen Union - durch Vergleich - sowie auf der Ebene des Europarechts neue Wechselwirkungen an. Zu fragen bleibt, welche Leistungen der Begriff der Region, des Regionalismus bzw. der "Devolution" in Europa und dem Vereinigten Königreich respektive Schottland, Wales, England und Nordirland inhaltlich retrospektiv und programmatisch prospektiv erbringen kann. Die in Teil Bund C erhobenen Ergebnisse müssen daher nunmehr systematisch der vorangestellten Heuristik zugeordnet werden. Als hermeneutisches Werkzeug hierfür wurde im Einleitungsabschnitt mit retrospektivem Blick auf vergangene Entwicklungen die Textstufentheorie vorgestellt, mit prospektivem Blick auf mögliche künftige Entwicklungen und Veränderungen die Rechtsvergleichung als fünfte Auslegungsmethode. Im Folgenden soll daher - gleichsam als Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick - versucht werden, mit Hilfe des vorgestellten Instrumentariums einige Ergebnisse und Schlussfolgerungen zu erarbeiten, die sowohl in Bezug auf den Regionalismus bzw. die "Devolution" im Vereinigten Königreich von Bedeutung sind, die jedoch gleichermaßen auch für das Verhältnis zwischen diesem und Europa bedeutsam sind als auch, isoliert betrachtet, Hinweise für eine neue Rolle der (konstitutionellen) Regionen in einem Europa liefern können, das möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft weit über 20 Mitgliedsstaaten haben wird, und sich daher einem intensiven Konsultationsprozess bezüglich der Reform der Institutionen und der "European Governance" generell ausgesetzt sieht. 1 Hierbei werden auch die bisherigen Arbeiten von Peter Häberle zum gemeineuropäischen konstitutionellen Regionalismusrecht2 nochmals aufgegriffen, um die Erfahrungen des Vereinigten Königreiches zu integrieren.

1 2

Kommission (2001). Vgl. hierzu insbesondere: Häberle (1997), S. 209 ff. sowie S. 257 ff.

H. Das Vereinigte Königreich und der Regionalismus

313

11. Das Vereinigte Königreich und der Regionalismus 1. Textstufen britischer Regionalismusentwicklung

Geht man vom derzeitigen status quo aus, so handelt es sich im Falle des Vereinigten Königreiches um einen Staat, der konstitutionell abgesicherte Regionalstrukturen aufweisen kann. Sowohl dem "Scotland Act 1998", dem "Wales Act 1998" als auch dem "Northern Ireland Act 1998" kommt eine konstitutionelle Bedeutung zu; sie gehören zum Kembestand der "Verfassung" des Königreiches. Die zweimalige Suspendierung der nordirischen Kammer und damit auch Suspendierung des Karfreitags-Abkommens ändern hieran nichts; es steht außer Frage, dass es auch im Falle Nordirlands letztlich keine echte Alternative zu den nunmehr gefundenen Regelungen gibt. Nachdem Nordirland, Schottland und Wales mit unterschiedlicher Bedeutung und unterschiedlicher Dauer ehemals eigene Staaten, Königreiche oder Fürstentümer waren, alle jedoch im Laufe der letzten 500 Jahre durch und an England angegliedert wurden, unternahm das nunmehr Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland erstmals gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den sieben Ulster-Provinzen den Versuch, ein "home-rule-System" aufzubauen. Dieses System, das mit - teils jahrzehntelangen - Unterbrechungen heute wieder nach dem Karfreitagsabkommen von 1998 als Regionalparlament und Regionalregierung existiert, wurde von Seiten der Schotten seit Beginn an eifersüchtig beäugt. Wie dargestellt, gab es auch in Schottland durchaus während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Bestrebungen, Schottland auch in administrativer Hinsicht größere Eigenständigkeit zu verschaffen. Es dauerte jedoch bis Ende der 70er Jahre, bis die politischen Konstellationen und das gesamtgesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld so günstig waren, dass die Regierung den ernsthaften Versuch wagen konnte, den Menschen in Wales und in Schottland einen Entwurf vorzulegen, der ihnen eine Regionalkammer bzw. ein Regionalparlament beschert hätte. Die Gründe für das Scheitern der Referenden wurden weiter oben behandelt. Fest steht jedoch, dass ohne diesen Vorstoß - und die damit in Verbindung stehenden wissenschaftlichen und politischen Grundlagenarbeiten nach den Parlamentswahlen von 1997 die Regierung unter Premierminister Blair wohl nicht in der Lage gewesen wäre, so schnell und effektiv einen erneuten Versuch in Richtung "Devolution" zu wagen.

314

D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

2. Die vier Modelle und ihr verfassungsrechtliches Potential Die Veränderungen, die sich seit 1997 bzw. der Verabschiedung der jeweiligen Teilgesetze 1998 innerhalb des Verfassungssystems des Vereinigten Königreiches vollziehen, sind fundamental. Timothy Gordon Ash geht sogar so weit zu prognostizieren, dass die allgemeinen Parlarnentswahlen vom 7. Juni 2001 die letzten britischen Wahlen gewesen sein könnten. 3 Durch die Übertragung der Kompetenzen weg von Westminster habe, so zumindest die Auffassung der britischen Konservativen, der schleichende Tod Großbritanniens eingesetzt. Beschleunigt werde der Tod nur noch durch die fortschreitende Integration in die Europäische Union. 4 Entgegen anfänglicher Befürchtungen, dass das Projekt "Devolution" mangels Akzeptanz oder aufgrund administrativer und verfassungsrechtlicher Schwierigkeiten scheitern könne, scheint auch nach Meinung der britischen Konservativen in den britischen "Regionen" eine erhebliche Akzeptanz entstanden zu sein. Diese Akzeptanz besteht trotz des äußerst komplizierten verfassungsrechtlichen Systems, auf dessen Grundlage die verschiedenen Teil-Gesetze verabschiedet wurden. Gemeinsam sind den Regionalparlamenten in Edinburgh und Belfast und der Kammer in Cardiff in erster Linie drei Punkte: sie bestehen jeweils aus nur einer Kammer, sie sind alle drei auch unter Zuhilfenahme des Verhältniswahlrechtes gewählt worden und unterstehen nach wie vor dem "souveränen" Parlament in Westminster. 5 Damit sind die Gemeinsamkeiten jedoch auch schon nahezu erschöpft. In der Praxis dominieren die Unterschiede. Dies beginnt schon bei der unterschiedlichen Bezeichnung ("Parliament", "Assembly"), setzt sich in der Wahmehmung höchst unterschiedlicher Kompetenzen fort, geht über die unterschiedliche Stellung und Zusammensetzung einer regionalen "Exekutive" bis hin zu höchst unterschiedlichen Regelungen zu der jeweiligen Geschäftsordnung. 6 Interessant und einer eigenen Erwähnung wert sind die Unterschiede in der Bezeichnung. Bereits in der Bezeichnung wird deutlich, welche Stellung die jeweilige Körperschaft im Verfassungssystem einnimmt. Seit Beginn der "home-rule"-Debatte gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde zum Teil heftig darüber gestritten, welche und in welchem Umfang Kompeten3 4

S 6

Süddeutsche Zeitung vom 01.06.2001, S. 15. Wie vor. Vgl. hierzu genauer: Ward, in: Jowell/Oliver (2000), S. 113 ff. Ward, in: Jowell/Oliver (2000), S. 118 ff.

11. Das Vereinigte Königreich und der Regionalismus

315

zen auf eine dezentrale Körperschaft übertragen werden sollten. Bereits seit dieser Zeit wurde der Begriff "Parliament" für diejenigen Körperschaften benutzt, die eigene legislative Kompetenzen erhalten sollten, und der Begriff "Assembly" oder "Council" für solche Körperschaften, die letztlich nur exekutiv-administrative Funktionen erhalten sollten. Die Begriffsvielfalt - und die darin zum Ausdruck kommende unterschiedliche Stellung der einzelnen Beteiligten - spiegelt sich auf in den Bezeichnungen für die weiteren Funktionen: Der "Scotland Act 1998" benutzt die Begriffe "Executive", "First Minister" und "Ministers", der "Wales Act 1998" die Begriffe "Executive Committee", "Assembly First Secretary" und "Assembly Secretaries", und der "Northern Ireland Act 1998" die Begriffe "Northern Ireland Assembly", "Executive Committee", "First Minister" sowie "Deputy First Ministers". Diese Begriffsvielfalt dient zum einen der Differenzierung der unterschiedlichen Stellung und Kompetenzen, zum anderen der Abgrenzung zur Regierung und zum Parlament in London, wo vom "Prime Minister", dem "Cabinet" oder ganz allgemein dem "Parliament" die Rede ist. Unabhängig von diesen Unterschieden ist allen drei Parlamenten bzw. Kammern jedoch gemeinsam, dass sie in der Geschichte des Vereinigten Königreiches eine bisher noch nicht da gewesene institutionelle Regionalisierung verkörpern, die jedenfalls auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Auswirkungen auf die allermeisten Politikbereiche haben werden und staatsorganisationsrechtliche Veränderungen gebracht haben, die eigentlich nach den gescheiterten Referenden von 1978/79 schon längst für alle Zeiten als erledigt betrachtet worden waren. Die Unterschiede können als verschiedene Entwicklungsstufen der Regionalisierung gedeutet werden. Mehr "Devolution" als vom historischen und kulturellen Regionalbewusstsein der Bevölkerung getragen wird ist nicht möglich - deswegen besitzen die Schotten und die Iren mit ihrem am profiliertesten historisch und kulturell abgrenzenden Nationalbewusstsein die mit den meisten Kompetenzen ausgestatteten Parlamente und repräsentieren die progressivere der Devolution, während Englands und Wales Bewusstsein von historisch und kulturell vom Zentralstaat gelöster Identität noch nicht so groß ist und sich daher auch politisch-institutionell bescheidener präsentiert. a) Schottland

Kehrt man an den Beginn der Arbeit und an die hier aufgestellte These zurück, dass sich der verfassungsrechtliche wie kulturelle "Reifegrad" eines Landes an der Spiegelung von Rechts- und Kulturtexten ablesen lässt, so hat Schottland mittlerweile den höchsten Reifegrad innerhalb des Vereinigten Königreiches erreicht. Die umfangreichen Vorarbeiten in der "Royal Commission on the Constitution" 1973, in der "Charta 88" und im Ab-

316

D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

schlussbericht der "Scottish Constitutional Convention", die im Land selbst vorgenommen wurden, das überwältigende Echo des Weißbuches von 1997 und die relativ hohe Zustimmung beim Referendum Ende 1997 wie auch in vielen Umfragen der letzten Jahren für das Regionalparlament zeigen, dass die schottische Gesellschaft nicht nur "reif' für größere Unabhängigkeit war, sondern dass hier eine Entwicklung ihren vorläufigen Abschluss gefunden hat, die die Richtigkeit des Textstufenansatzes belegt. Ohne das jetzt bestehende Parlament in seiner konkreten Ausgestaltung vor Augen gehabt zu haben, nahm die Forderung nach politischer Selbstbestimmung gerade im Laufe des 20. Jahrhunderts wieder zu. Die Einsetzung des "Secretary of State for Scotland" 1885 korrespondierte mit einem wieder erwachenden schottischen Nationalbewusstsein, das sich in den in Teil B geschilderten (kulturellen) Ausdrucksformen kanalisierte. 7 Die Gründung der SNP tat hierfür ein übriges. Der "Scotland Act 1998" weist alle Merkmale eines Gesetzes mit Verfassungsrang auf. Er greift fundamental in das bisherige Machtgefüge im Staat ein, und weist einem neu geschaffenen Regionalparlament legislative Kompetenzen zu. Das Konzept, einem Volk, dass alle Merkmale nicht nur einer Region, sondern zumindest soziokulturell einer Nation in sich vereint, zumindest ein gewisses Maß an politischer Mitbestimmung und Eigenständigkeit dauerhaft vorzuenthalten, hat im heutigen Europa Zukunft. In der Folge des Zusammenbruchs des Kommunismus in den Staaten Ost- und Mittelosteuropas haben derartige Versuche zu blutigsten Kriegen und Auseinandersetzungen geführt. Der "Reifegrad" der schottischen Gesellschaft hätte derartige Gewaltausbrüche nicht zugelassen; derartige Entwicklungen in anderen Teilen Europas zeigen jedoch, dass sich die dauerhafte und repressive Unterdrückung "natürlicher" nationaler Gefühle nicht dauerhaft aufrecherhalten lässt. Insofern war die Entscheidung der Regierung Blair nicht nur ein Zeichen der Vernunft, sondern auch logisch und folgerichtig; Schottland hatte während der vergangenen Jahrzehnte gezeigt, dass es durchaus in der Lage war, aus eigener Kraft die intellektuellen Vorarbeiten zu leisten - und damit auch die notwendigen Sach- und Personalmittel zur Verfügung zu stellen um den "Traum" eines eigenen Parlamentes Wirklichkeit werden zu lassen. b) Wales Wales wurde bereits im 16. Jahrhundert durch die beiden "Tudor Acts" formell mit England zu einer politischen Einheit verbunden. 8 Auch zuvor 7

8

Kapitel B II 2 b. Kapitel B III 1.

11. Das Vereinigte Königreich und der Regionalismus

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fand bereits ein wesentlich intensiverer kultureller wie politischer Einfluss von jenseits der Grenze auf das politische wie gesellschaftliche System in Wales statt, als es in Schottland jemals der Fall gewesen ist. Insofern ist das walisische "Nationalbewusstsein" weit weniger ausgeprägt als etwa das schottische. Die Identifikation mit dem spezifisch "Walisischen" fand in erster Linie durch und über die Sprache statt. In diesem Bereich fand dementsprechend eine umfassende Gesetzgebungstätigkeit statt. Bedingt durch die enge Nachbarschaft mit England - und die damit schon sehr früh einhergehende politische und gesellschaftliche Inkorporation - konnte diese sprachliche Identifikation jedoch nicht verhindern, dass auch im kulturell-sozialen Bereich das typisch "Englische" immer weiter vordrang und selbst viele walisische Künstler und Schriftsteller, um überhaupt über die Grenzen Wales hinaus Beachtung finden zu können, ihre Werke notgedrungen in englischer Sprache verfassten. Die Partei, die heute wie keine andere für die walisischen Interessen steht, "Plaid Cymru", wurde als Interessengruppe zur Bewahrung der walisischen Sprache gegründet, und hat sich erste später einer echten politischen Interessenvertretung zugewandt. Durch den "Wales Act 1998" wurden der Kammer keine originären legislativen Kompetenzen verliehen. Nichtsdestotrotz kommt auch dem "Wales Act 1998" Verfassungsrang zu. Die Art und Weise, wie auch durch dieses Gesetz in die Struktur des Staates eingegriffen wird, bedeutet fundamental, dass auch Wales Status als Region in ihrer Andersartigkeit nach langem Kampf nunmehr anerkannt wird. Sehr bezeichnend für die Unterschiede im "Reifegrad" zwischen der Entwicklung in Schottland und Wales ist die Aussage von John Osmond, dass es sich bei der Kammer um "a constitutional convention by other means" handele. 9 Die schottische Zivilgesellschaft hat aus eigener Kraft Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts unter Mitwirkung quasi aller wichtiger gesellschaftlicher Gruppen ihren Willen zur Regionalisierung unter Beweis gestellt - und durch die Vorlage eines "politischen Programms", der beschriebenen "Scottish Constitutional Convention", auch ihre Fähigkeit zur Umsetzung aufgezeigt - Verantwortung für die Menschen in Schottland zu übernehmen. In Wales hat es eine derartige Bewegung nicht gegeben. Forderungen nach "legislative devolution" kamen erst auf, als klar wurde, dass innerhalb des Vereinigten Königreiches em mehrschichtiges Modell der "Devolution" umgesetzt werden sollte. Die Bezeichnung der Kammer als "constitutional convention by other means" spielt sehr treffend auf den unterschiedlichen Entwicklungsstand in 9

Osmond, in: Hazell (2000).

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D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

den beiden Regionen an. Schottland hatte bereits aus eigener Kraft konkrete Modelle vorgelegt, gestützt durch die Mehrheit der Bevölkerung; Wales hingegen hatte diese Initiativkraft nicht gezeigt. Insofern ist die nunmehr gefundene Form der "executive devolution" Ausdruck genau dieses noch im Aufbau befindlichen Bewusstseins und Willens, tatsächlich umfassend Verantwortung für die eigenen Belange tragen zu können. Gleichzeitig spiegelt diese Form eine Textstufe wieder, die auch hier mit dem weniger entwickelten gesellschaftlichen Bewusstsein korrespondiert. c) England

Bei Schottland, Wales und Nordirland handelt es sich um (ursprünglich) historisch wie kulturell selbständige Gebiete. England als Region zeigt kein homogenes, identifizierbares Nationalbewusstsein. England definiert sich, anders als beispielsweise Schottland oder Wales, in erster Linie über den Nationalstaat, über das Vereinigte Königreich als solches. Dies verwundert insofern nicht, als die Gleichsetzung England mit dem Vereinigten Königreich nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch oftmals dominiert, sondern auch im öffentlichen Bewusstsein vielen Engländern ihre spezifisch englische Tradition wenig bewusst ist. England definierte sich Jahrhunderte lang über das Empire, über den Aufstieg und Fall als Weltmacht. Ein eigenständiges Regionalbewusstsein würde eine Beschränkung seiner selbst bedeuten, zugleich eine Korrektur des Alleinvertretungsanspruchs darstellen. Dennoch gibt es in Teilen Englands Tendenzen, die eine Unterteilung des Landes selbst wiederum in Regionen befürworten und fordern. Hierbei fällt auf, dass derartige Forderungen aus solchen Teilen des Landes, wie beispielsweise "North-East" oder "South-West" kommen, in denen Ansätze für eigenes regionales Bewusstsein historisch ohnehin vorhanden sind. Die bisherigen Reformansätze ("Regional Development Agencies", "Regional Chambers" und "Government Offices") zeichnen sich daher eher bescheiden aus. Die für den Fall einer zweiten Legislaturperiode angekündigten weiterreichenden Reformen sind bisher gänzlich ausgeblieben. Wie schon dargestellt, ist derzeit auch nicht damit zu rechnen, dass es in den nächsten Jahren auf diesem Gebiet ähnlich radikale Einschnitte wie in den anderen Landesteilen geben wird. Die Gründe hierfür sind wohl in erster Linie im Status Englands als "Mutterland" des Empire zu suchen. Auffällig im Unterschied zu Schottland, Wales und Nordirland ist, dass sich England in Bezug auf Europa und die Europäische Union sehr distanziert verhält. Die Europäische Union wird nicht als Chance betrachtet, sondern als Gegenüber, teils sogar als Bedrohung der eigenen Interessen. Es

11. Das Vereinigte Königreich und der Regionalismus

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bleibt abzuwarten, wie sich die Bevölkerung in der noch in der laufenden Legislaturperiode bis zum Jahr 2004 anstehenden Volksabstimmung zur Frage des Beitritts zur Europäischen Währungsunion verhalten wird. Von Seiten der Regierung werden immer wieder die wirtschaftlichen Vorteile der Europäischen Union und einer Mitgliedschaft im gemeinsamen Währungssystem in den Vordergrund gestellt, doch gerade die Abberufung von Robin Cook als zuständigem Minister für Europaangelegenheiten und seine Ersetzung durch den eher als europakritisch einzustufenden Jack Straw nach der allgemeinen Parlamentswahl im Juni 2001 zeigen, dass auch innerhalb der Regierung Rücksicht genommen wird auf nach wie vor sehr gespaltene Haltung großer Teile der englischen Bevölkerung. d) Nordirland

Unter dem Textstufenargument erweist sich Nordirland - wie an dem kurzen Exkurs gesehen - als mit Schottland weitgehend gleichauf; eine differenzierte Stellungnahme ist dennoch schwierig, da andere Faktoren - insbesondere religiöse und historische - eine Einordnung in die gewonnenen Kategorien erheblich erschweren. Die Beurteilung des nordirischen status quo ist daher weniger ein staats- und verfassungsrechtliches Problem, als vielmehr ein Problem des faktisch Möglichen. Im Falle Nordirlands korrespondiert der legislative Anspruch eben gerade nicht mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Im Falle Nordirlands handelt es sich jedoch auch nicht um eine Region im klassischen Sinne. Bedingt durch fundamentale historische Einschnitte und den "Kolonialismus" der Engländer treten hier Gegensätze zutage, gegen die die Schotten stets gefeit waren bzw. in die sich die Waliser lange gefügt haben. Diese spezifische Situation würde daher eine eigene Studie rechtfertigen. Für Nordirland bietet die Regionalisierung jedoch jedenfalls die Möglichkeit, nach Jahrhunderten andauernden blutigen Kämpfen zwischen den Protestanten und Katholiken nunmehr zum einen im Wege der politischen Auseinandersetzung zu einer Befriedung der ehemals verfeindeten Gruppierungen zu gelangen, zum anderen dem Blutvergießen damit ein Ende zu bereiten. Der gesellschaftliche Reifegrad steht hinter der politischen Möglichkeit, einer sehr weitgehenden Textstufe, derzeit jedenfalls noch weit zurück.

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D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

3. Das Vereinigte Königreich auf dem Weg zu einem Föderalstaat?

Die Vennutung, dass sich das Vereinigte Königreich nunmehr, nachdem viele Forderungen der Regionen Wirklichkeit geworden sind, auf dem Wege zu einem Föderalstaat befinde, konnte durch die Untersuchung nicht belegt werden. Hierzu fehlt es immer noch an so wesentlichen Elementen wie einer eigenen verfassungsgebenden Gewalt der Regionen oder einem substantiellen Mitwirkungsrecht auf der Ebene des Zentral staates. Zudem mangelt es an einer substantiellen Finanzautonomie und der Beschränkung des Zentralstaates auf die Rechtsaufsicht über die Regionen. 10 Am ehesten erfüllt noch Schottland als Region einige Spezifika, die einen Föderalstaat kennzeichnen: die Schotten können sich auf eine Jahrhunderte alte Tradition an Eigenstaatlichkeit berufen, besitzen eigene Staatlichkeitselemente wie eine eigene Flagge, ein in Teilen eigenes Rechtssystem, ein eigenes Staats- und Geschichtsverständnis wie auch eine eigene Staatskirche. Außerhalb der reservierten Aufgabe kann das Parlament relativ selbständig Gesetze verabschieden; zudem besitzt das Parlament eine sehr eingeschränktes Recht, Steuern zu erheben. Nichtsdestotrotz stehen weitergehenden Souveränitätsrechten bzw. einer echten föderalen Gliederung zwei Haupthindernisse entgegen: die nach wie herrschende Theorie der absoluten Parlamentssouveränität und das Fehlen einer zweiten Kammer des Parlamentes, durch die die Regionen respektive Länder echte parlamentarische Mitwirkungsrechte ausüben könnten.

Im Unterschied zu bloßen Dezentralisierungsstrukturen, wie sie etwa nach wie vor in Frankreich vorherrschen, kann im Falle des Vereinigten Königreiches jedoch mit guten Argumenten von einer im politisch-rechtlichen Sinne echten regionalen Gliederung gesprochen werden. Hierfür spricht der schon erwähnte Verfassungsrang der die Regionen konstituierenden Gesetze, die vonnalige Selbständigkeit Schottlands (und in Teilen auch Wales und Nordirlands), die Schaffung klarer Organstrukturen, die eine weitgehend reibungsfreie Kompetenzverteilung zwischen den einzelnen Körperschaften gewährleisten (sollen), der Abschluss freiwilliger Vereinbarungen in sensiblen Politikbereichen mit gesamtstaatlicher Relevanz (deren Bruch jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Auswirkungen haben kann), Verfahren zur Konfliktregelung sowie, zumindest im Falle Schottlands, ein eingeschränktes Steuererhebungsrecht. 11 10

11

Häberle (1997), S. 234. Vgl. zu diesen Kriterien genauer Häberle (1997), S. 235.

11. Das Vereinigte Königreich und der Regionalismus

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Häberle nennt als mögliche Anforderung an Regionalismus-Strukturen u. a. "kleine" Homogenitätsklauseln respektive eine Art "Regionalismustreue" als Analogie zur Bundestreue im Föderalismus. 12 Struktur und Arbeitsabläufe innerhalb des schottischen Parlaments ähneln denen in Westminster und Whitehall insofern, als hier eine echte, durch das Parlament gewählte Exekutive besteht. Das Gleiche gilt für die nordirische Kammer. Die "Exekutive" der walisischen besteht in dem beschriebenen "Executive Committee" sowie verschiedenen Fachausschüssen, die die Beschlüsse der Kammer vorbereiten bzw. dann umsetzen. Insofern kann zumindest mit Blick auf die beiden "echten" Parlamente in Edinburgh und Belfast durchaus von einer Homogenität gesprochen werden. Ob und inwieweit sich eine Art "Regionalismustreue" , verstanden als Wille der Regionen, mit der Zentralregierung konstruktiv und zum Wohle des Gesamtstaates zusammenzuarbeiten, und auf solche Handlungen zu verzichten, die den Zusammenhalt des Gesamtstaates gefährden könnten, als dauerhaft durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Die derzeitigen Strukturen der Zusammenarbeit - sei es durch "concordats", das "Joint Ministerial Committee" oder die vielen Kanäle der informellen Zusammenarbeit und Abstimmung - lassen jedoch darauf schließen, dass das Handeln der allermeisten Beteiligten von dem Willen geprägt ist, das "Projekt Devolution" zu einem dauerhaften Erfolg zu führen. Es wurde in Teil B. schon kurz darauf eingegangen, dass die ersten zwei Jahre (bis Sommer 2001) der Arbeit sowohl des schottischen Parlamentes als auch der walisischen Kammer - die nordirische Situation ist hier aufgrund der äußeren Belastungen unterschiedlich zu beurteilen - sowie die Zusammenarbeit mit den Institutionen in Whitehall und Westminster als erfolgreich bezeichnet werden können und damit den eingeschlagenen Weg als richtig und notwendig bestätigen. Insofern ist derzeit zumindest von einem Willen aller Beteiligten zur "Regionalismustreue" auszugehen. Formaljuristisch ist Möglichkeit einer Weiterentwicklung des Regionalismus zum Föderalismus jederzeit möglich, jedoch von vielen Faktoren abhängig. Die gesetzlich Verschränkung von Region und Zentralstaat, die die Homogenität befördert, legt aber eine stabilisierende Grundlage zur Fortführung der "Devolution" unter Abwendung der Gefahr des Separatismus.

12 21 Mey

Häberle (1997), S. 235.

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D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

III. Das Vereinigte Königreich und die Bedeutung der Region innerhalb der EU "Wenn der Regionalismus als "dritte Kraft" in den europäischen Integrationsbemühungen bezeichnet wird, so muss man das Gewicht dieser dritten Kraft voll erkennen. (... ) Durch diesen Regionalismus sollten sich nicht gerade primär die Staatskanzleien, nicht die Diplomatien, nicht die Bürokratien Europas näherkommen, sondern sich vielmehr die Völker und Völkerschaften Europas begegnen. Es handelt sich um eine Integrationsbewegung von der Basis her, (... ). Da die Staaten und ihre Instrumente diese Annäherung der Völker kaum zu leisten vermögen, so versucht man nun über den Weg des Regionalismus einer europäischen Einigung näher zu kommen. Der Regionalismus ist nicht anti staatlich, er ist vielmehr eine subsidiäre Kraft im Einheitsstreben Europas. ,,13 Felix Ermacora

Im Abschnitt C. III wurden exemplarisch verschiedene Modelle des Föderalismus (Bundesrepublik Deutschland), Regionalismus (Belgien, Spanien, Italien, Vereinigtes Königreich) und bloßen Dezentralismus (Frankreich, Republik Irland) in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vorgestellt. Historisch ergab diese Darstellung, dass auf politisch-verfassungsrechtlicher Ebene, abgesehen von der Bundesrepublik Deutschland, die ein föderales System bereits seit 1949 besitzt, erst seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Anstrengungen unternommen wurden, zu einer regionalen Gliederung des Gesamtstaates zu gelangen (in Belgien zwischen 1970 und 1996, in Italien 1972/1977, in Spanien nach Ende der Franco-Diktatur 1978 sowie in Frankreich Anfang bzw. Mitte der achtziger Jahre). In diesen Zeitraum fällt auch das erste Referendum in Schottland und Wales in den Jahren 1978/79. Auch das Vereinigte Königreich konnte sich den aktuellen regionalistischen Tendenzen auf europäischer Ebene nicht länger entziehen, die ihre Entsprechung innerhalb des Königreiches fanden. Seit etwa 30 Jahren hat regionales Gedankengut in Europa erheblich an Attraktivität gewonnen, und schlug sich in vielen Mitgliedsstaaten der Union auch verfassungs- und staatsorganisationsrechtlich nieder. Für die Europäischen Gemeinschaften bzw. die Europäische Union stellt sich hierbei das Problem, dass sie letztlich die Interessen und Vorstellungen der einzelnen Mitgliedsstaaten integrieren und Rücksicht auf die verschie13

Felix Ermacora, zitiert nach: Riedl, in: Wallthor/Quirin 1977, S. 58 ff. (59).

III. Das Vereinigte Königreich und die Bedeutung innerhalb der EU

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denen Entwicklungsstufen nehmen muss. Sie versucht dies mit einem nicht unproblematischen Spagat zwischen dem einerseits politisch und rechtlich nicht besonders starken Ausschuss der Regionen und der immer stärker wachsenden Bedeutung der Regionalpolitik in den übrigen Institutionen der Union. Innerhalb der Mitgliedsstaaten unterscheiden sich die Regionalismusvorstellungen, wie exemplarisch dargestellt, teils erheblich. Die Spannbreite der Entwicklungsstufen reicht von wenig Regionalbewusstsein und Regionalismus als politisch und kulturellem Phänomen (Frankreich) über mehr Regionalbewusstsein und Regionalismus (Italien, Spanien) bis hin sehr viel Regionalbewusstsein und Regionalismus mit separatistischen Tendenzen (Vereinigtes Königreich). Mit der im Einleitungskapitel A vorgestellten Textstufentheorie verbindet sich der Gedanke, dass sich bereits an den Verfassungstexten sehr viel von den verfassungsstaatlichen Problemen und ihrer Umsetzung in die Wirklichkeit ablesen lässt. Für den Bereich des Regionalismus gilt diese Theorie wohl auf europäischer Ebene uneingeschränkt. Bis zur Reform des EG-Vertrages in Maastricht 1992 waren die Regionen nicht institutionell repräsentiert, und seitdem sind die Kompetenzen des Ausschusses der Regionen (z. B. Art. 265 EGV) beständig erweitert worden, wenngleich auch noch viele Wünsche, wie gezeigt, offen sind. Damit einhergegangen sind große Veränderungen innerhalb der Mitgliedsstaaten der Union, bis hin zu dem beschriebenen Zusammenschluss einiger "constitutional regions", also solcher Regionen, die einen verfassungsrechtlich abgesicherten Status in Anspruch nehmen können, mit dem Ziel, künftig eine noch stärkere Partizipation an allen Politikfeldern der EU zu erreichen. Flankiert wird die europäische Regionalpolitik von einer Vielzahl einzelner Programme und Maßnahmen, die die wirtschaftliche Entwicklung einzelner Regionen fördern sollen. Nachdem sowohl die Definition der Ziele und Maßnahmen als auch die innerstaatliche Umsetzung in vielen Mitgliedsstaaten anfänglich noch kompliziert und langwierig war, wurde spätestens durch die "Agenda 2000" und die damit einhergehende umfassende Reform der Strukturfonds und Initiativen eine erhebliche Vereinfachung erreicht. Mit der gewachsenen Bedeutung der Region (bzw. der Länder oder autonomen Gemeinschaften oder sonstiger vergleichbarer Gebietskörperschaften) innerhalb der Europäischen Union wächst auch die Möglichkeit, dem allenthalben kritisierten Demokratiedefizit der Union abzuhelfen. Die politische Repräsentanz des Bürgerwillens durch das Europaparlament wird von den Menschen nur sehr zögerlich als solche akzeptiert; dies liegt wohl auch an seinen nach wie vor beschränkten Möglichkeiten, auf die alltägliche Ar21*

324

D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

beit - und damit die alltäglichen Arbeitsergebnisse - von Kommission und Rat Einfluss zu nehmen, und damit eine konkrete Rückbindung an die Erfahrungsschätze der Repräsentierten zu erfahren. Trotz des Budgetrechtes produzieren Rat und Kommission häufig Vorlagen, die bei vielen Menschen auf Unverständnis oder sogar Ablehnung stoßen und somit der Integration und Akzeptanz nicht förderlich sind. Hier bestünde für die Regionen die Möglichkeit, einzuhaken und sich als Repräsentations- und Exekutivinstitution zu profilieren. Ihre diesbezügliche Bedeutung wird mittlerweile von der Kommission, wie an dem Weißbuch "Europäischen Regieren" deutlich wird, auch erkannt. Inwieweit dies zu neuen Konflikten, insbesondere innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten, führen kann und wird, bleibt zunächst abzuwarten. Auffällig ist, dass in Staaten, in denen die Länder oder Regionen einen hohen Entwicklungsstand genießen, innerstaatliche Kompetenzkonflikte einschlägig verfahrens- und verfassungsrechtlich geregelt sind. Das Verhältnis von Bundesstaat und Ländern in Fragen der Europäischen Union ist in Deutschland durch Art. 23 GG geregelt, im Vereinigten Königreich durch die beschriebenen "concordats", die sich in den bisher zwei Jahren ihrer Wirksamkeit in der Praxis bewährt haben. 14 Schottland ist mittlerweile Teil eines umfassenden Netzwerkes von Regionen in Europa; Wales und Nordirland sind diesbezüglich noch nicht ganz so weit vorangeschritten. Im Fall Nordirlands liegen die Gründe in erster Linie in den nach wie vor lähmenden politischen Unsicherheiten und Konfessionskonflikten, Wales beginnt erst seit der Arbeitsaufnahme der Kammer 1999, Zugang zu regionalen Netzwerken zu finden - in erster Linie, um sich als Wirtschaftsstandort zu profilieren. 15 Die Region als Keimzelle kultureller Identität und ongmarem sozialen Bezugsrahmen ist auch in der offenen Gesellschaft, in der Verfassung des Pluralismus, nicht wegzudenken. Im Gegenteil erweist sich die Region gerade in einer Welt, in der Märkte zunehmend globalisiert sind, in der die Menschen häufig das Gefühl haben, dass viele Ereignisse in anderen Teilen der Welt das Leben vor Ort beeinflussen, ohne dass die Möglichkeit einer irgendwie gearteten Einflussnahme besteht, als identitätsstiftende soziale Größe. 16 Ohne den Willen der Menschen in Schottland, nach beinahe 300 Jahren wieder ein eigenes Parlament zu haben, das in vielen Bereichen weitgehend autonome Entscheidungen treffen kann, wären die Veränderungen nicht möglich gewesen. 14 15 16

Vos/Boucke (2001 b), S. 66. Vgl. etwa die Werbeseite im Internet www.bigwales.com. Lipp (1990), S. 169 ff.; Blumenwitz. in: Lipp (1984), S. 89 ff.

IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union

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Die Grenzen des Nationalstaates sind auf europäischer Ebene vielfach zu Marginalien geworden. Da erscheint es vielen Menschen folgerichtig, wenn, gerade auf dem Hintergrund der Jahrhunderte langen englischen Dominanz, nunmehr schottische, walisische oder nordirische Interessen direkt an den Ort des Geschehens, sprich: in die Institutionen der Union hineingetragen werden können. Diese Möglichkeiten, bisher noch eingeschränkt und rudimentär, sollen in den nächsten Jahren erheblich ausgebaut werden.

IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union 17 und die Frage nach den LegitimationsgrÜDden des Regionalismus Haben sich nicht - wie etwa in Deutschland - die Länder originär zu einem Bundesstaat zusammengeschlossen, sondern sind die Regionen entweder - wie in Großbritannien - ursprünglich vor Jahrhunderten einmal selbständig gewesen, nunmehr aber seit mehreren hundert Jahren in einem weitgehend homogenen Staat aufgegangen, oder hat, wie etwa im Falle Frankreichs, eine echte Regionenbildung niemals in diesem Umfang stattgefunden, und werden jetzt die Rufe einiger Gebiete nach mehr regionaler Selbständigkeit lauter, so sollten für die Legitimität dieses Verlangen Legitimationsgründe herangezogen werden können. Derartige Gründe können zum einen aus Selbstaussagen der Regionen abgeleitet werden, zum anderen lassen sie sich aus den Gliederungsstrukturen der Verfassungsstaaten der heutigen Entwicklungsstufe gewinnen Für Peter Häberle erschließt sich die Legitimation des Regionalismus in sieben Gründen: 18 a) der grundrechtstheoretischen Legitimation; b) der integrativen Legitimation; c) der demokratietheoretischen Legitimation; d) der gewaltenteilenden Legitimation; e) der aufgabenteilenden, dezentralisierenden Legitimation, f) der wirtschaftlichen, entwicklungspolitischen Legitimation sowie

g) der europapolitischen Legitimation. In diesen sieben Thesen sind für Häberle alle entscheidenden Bedingungsfaktoren enthalten, die sich im Laufe der verfassungsrechtlichen Beschäftigung mit dem Phänomen des Regionalismus herauskristallisiert ha17 18

Vos/Boucke (2001 b). Häberle (1994), S. 236 ff.

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D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

ben. Inwieweit sie in Bezug auf Großbritannien Gültigkeit haben, und inwieweit sie die Entwicklung des Regionalismus innerhalb Großbritanniens gestalterisch legitimieren, kann auf der Grundlage der in Teil B. gewonnenen Ergebnisse beurteilt werden. Hilfreich hierbei ist der Fragenkatalog, der zur Vorbereitung der schon mehrfach erwähnten Konferenz der konstitutionellen Regionen vom Februar 2001 in Brüssel den teilnehmenden Regionen präsentiert wurde. Er enthielt im wesentlichen folgende Fragen: (1) Worin liegt der Hauptnutzen der Region als solcher? (2) Wie gestaltet sich ihr konkreter institutioneller und gesetzlicher Rahmen? (3) Welche Erfahrungen gibt es im Zusammenspiel mit anderen Regionen? Differenzierte Antworten lieferten Nordrhein-Westfalen, Salzburg, Katalonien, Flandern und Schottland. Im Folgenden soll versucht werden, zum einen die genannten Legitimitätsgründe am Beispiele Großbritanniens aufzuzeigen; an geeigneter Stelle wird in diesem Zusammenhang auch auf einige Ergebnisse der belgischen Studie einzugehen sein. 1. Die grundrechtstheoretische Legitimation

Viele Verfassungen der westlichen Demokratien stellen den Menschen, ausgestattet mit Würde und freier Selbstbestimmung, an den Beginn aller Staatlichkeit. 19 Alle Staatsgewalt geht von den Menschen aus, vor ihnen hat sie sich immer wieder aufs neue zu rechtfertigen und legitimieren. Des weiteren gehen viele Verfassungen davon aus, dass bestimmte kulturelle, religiöse, ethnische oder auch historische und geographische Gegebenheiten eines Staates unter dem besonderen Schutz der Verfassung stehen. 2o Dieses Schutzes bedürfte es nicht an sich21 , sondern dieses Schutzes bedarf es um der Menschen, um ihrer Würde und ihrer freien Selbstbestimmung willen. Insofern liegt der Schluss nahe, hier den Hebel für eine grundrechtstheoretische Legitimation des Regionalismus anzusetzen. 19 Art. I Abs. I Grundgesetz; Art. lAbs. 2 i. V. m. Art. 10 Spanische Verfassung; Kapitel I § 1, Kapitel 2 § 1 Schwedische Verfassung; Abs. 2 Declaration of Independence (USA). 20 Art. 6 Grundgesetz. 21 Soweit man nicht staats theoretisch soweit gehen möchte, dass Staaten an sich einen Wert besitzen und Staaten an sich um ihrer selbst willen keiner weiteren und immer neuen Legitimation bedürfen. Die Gefahr einer totalitären Entwicklung liegt dann jedoch sehr nahe.

IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union

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Sicherlich kann man nicht ohne weiteres so weit gehen, den Regionalismus aus der Menschenwürde abzuleiten. Immerhin bedarf es nicht notwendigerweise regionalistischer Strukturen, um die eben genannten Schutzzwecke zu erreichen. Auch innerhalb eines Zentralstaats kann der Standard ausreichend gesetzt sein, um partielle kulturelle oder ethnische Autonomie zu gewährleisten. Dennoch bietet die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit das Einfallstor, um zumindest in den Bereichen der kulturellen Freiheit und Kulturautonomie zu einer grundrechtlichen Legitimation zu finden. Ohne die Rückbindung an das historische und kulturelle Gewordensein, ohne die Möglichkeit einer Rückbesinnung auf bestimmte, kulturell, religiös und historisch gewachsene Werte und Rahmenbedingungen ist die Bildung staatlicher Gemeinschaften kaum möglich. 22 Damit ist der grundrechtstheoretische Ansatz von seiner individuellen Seite ins Kollektive gewendet, im Sinne eines "status corporativus", der Garantie bestimmter Korporationsrechte. 23 Die Formulierung in Ziff. 3 der "Erklärung von Bordeaux,,24 aus dem Jahr 1978 zeigt sehr deutlich, dass hier durchaus der Wille (und das Bewusstsein) vorhanden waren, dass der Begriff der Region mit dem Recht auf Verschiedenheit und dem Recht auf Identität jedes einzelnen Menschen in engem Zusammenhang steht. Insofern wird hier die korporative Dimension der Kulturautonomie angesprochen. Damit wird jedoch auch der kulturelle Minderheitenschutz integriert, der als ein wesentliches, konstituierendes Merkmal des Regionalismus gelten muss. Es wurde im Verlauf der Untersuchung bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es dem Vereinigten Königreich an einer einheitlichen, geschriebenen Verfassungsurkunde nach kontinentaleuropäischem Vorbild mangelt. Nichtsdestotrotz ist ein gemeinsamer Kodex an Freiheitsrechten auch dem 22 Wer diese These angesichts der Globalisierung und weltweiten Wanderungsbewegungen für provinziell oder tendenziell chauvinistisch hält, sei darauf verwiesen, dass gerade heute die Tendenz zu einer verstärkten Regionalisierung und Rückbesinnung auf bestimmte gewachsene Fundamente angesichts des fortschreitenden Auseinanderbrechens bisher geltender Werte und Orientierungssätze ein Zeichen für die Bindungslosigkeit der Menschen darstellen und ihr Bedürfnis zeigen, "vor Ort" zumindest ein Gefühl für Tradition und Heimat zu bewahren, vgl. hierzu weitergehend: Lipp (1990), S. 158 ff. 23 Häberle (1994), S. 238. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Erklärung von Bordeaux aus dem Jahre 1978, in der in Ziff. 3 formuliert wurde: "Das Recht jedes Europäers auf seine Region ist Teil seines Rechtes auf Verschiedenheit. Dieses Recht zu bestreiten hieße die Identität des europäischen Menschen in Frage zu stellen, und letztlich auch Europa selbst." (zitiert nach: Häberle (1994), S. 219). 24 Vgl. Kapitel C 11 2 a aa.

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D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

britischen Verfassungssystem immanent. Hierfür steht nicht zuletzt der ebenfalls schon erwähnte "Human Rights Act 1998". Insofern liegt der Schluss nahe, den Regionalismus respektive die "Devolution" aus der Menschenwürde, aus der Freiheit des Einzelnen und dem Schutz kultureller Freiheiten sowie Minderheitenrechten abzuleiten. Dieser Schluss ist keinesfalls so gewagt, wie es auf den ersten Blick erscheint. Insbesondere der Jahrhunderte lange Kampf der Schotten um regionale Selbständigkeit - für manche andere Kampf um nationale Selbständigkeit wurzelt in dem Gefühl der Menschen, historische und kulturell eben nicht Briten zu sein, eben nicht der Nation des Vereinigten Königreiches anzugehören, sondern aufgrund der originären geschichtlichen Entwicklung, aufgrund kultureller Verschiedenheiten sowie tatsächlicher Unterschiede in Sprache, Religion und auch Rechtssystem einen legitimen Anspruch auf staatliche Teil-, respektive Selbständigkeit zu besitzen. Sich über diesen Anspruch mit dem Argument des gegenwärtig Faktischen hinwegsetzen zu wollen, endet in der Regel entweder mit der Entmachtung der Machthaber - wie sehr gut an den ehemaligen Satellitenstaaten der ehemaligen Sowjetunion oder auch am Zerfall des ehemaligen Jugoslawien abzulesen ist - oder, weniger blutig, aber nichtsdestotrotz sehr eindrucksvoll, mit der demokratischen Abwahl der Regierung. Und dies mit einem Ergebnis, dass in der Deutlichkeit keinen Zweifel am Willen der Menschen lässt. 25 2. Die integrative Legitimation Im Zusammenhang mit dem Regionalismus wird immer wieder betont, dass regionale Selbstbestimmung die demokratische Integration, die Identifikation der Bürger mit den politischen Institutionen verstärke. 26 Findet eine Identifizierung "vor Ort" statt, eine Identifizierung mit den soziokulturellen Bedingungsfaktoren der Region, so hat dies positive Auswirkungen auch auf den Zusammenhalt des gesamten Staatsgefüges. 27 2S Die britischen Konservativen spielen im politischen Leben Schottlands keine Rolle; sie haben bei der letzten Parlamentswahl im Juni 2001 keinen einzigen schottischen Wahlkreis für Westminster gewinnen können. 26 So Ziff. 10 der Regionalistischen Leitsätze der Tagung von Brixen, vgl. Kapitel C II 2 a bb. 27 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass die Identifikation nicht derart weit gehen darf, dass am Ende separatistische Bewegungen stehen. Die Gefahr hierfür ist auch im gegenwärtigen Europa der Europäischen Union virulent, schaut man etwa nur in das Baskenland, nach Korsika oder - wie von einigen Teilen der Scottish National Party gefordert - auch nach Schottland. Insofern kommt es darauf an, dass die Bürger dem Zentral staat als solchem zunächst positiv gesinnt gegenüber stehen.

IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union

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Die integrative Funktion des Regionalismus kann auch darin liegen, die Solidarität der Regionen im Blick auf den Gesamtstaat zu stärken. 28 Lässt man die Gefahr des partiellen Separatismus beiseite, so dürfte den Regionen nämlich in der Regel an stabilen gesamtstaatlichen Rahmenbedingungen gelegen sein. Die integrative Wirkung wirkt somit nach bei den Richtungen, von den Regionen zum Gesamtstaat und, durch die weitgehende Gewährung regionaler Autonomie, auch vom Gesamtstaat zu den Regionen. Auf diesen Punkt wurde im Verlaufe der Arbeit schon verschiedentlich in anderen Zusammenhängen eingegangen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zum einen die Gefahr des Separatismus entgegen einigen sehr pessimistischen Äußerungen einiger englischer StaatsrechtIer und Historiker derzeit nicht besonders groß sein dürfte, da die SNP entgegen ihren Hoffnungen nicht die Unterstützung in der Bevölkerung findet, die ihr die Möglichkeit geben würde, noch stärker zu polarisieren, zum anderen die Stellung der walisischen Kammer und auch die öffentlich geäußerten Einschätzungen und Forderungen von "Plaid Cymru" derzeit selbiges ebenfalls nicht befürchten lassen. Vielmehr funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen politischen Ebenen weitgehend reibungslos, und es hat sich sowohl in der Bevölkerung als auch unter den führenden politischen Kräften die Erkenntnis durchgesetzt, dass der nunmehr erreichte status quo vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre und schnelle weitere nicht minder radikale - Reformen diesen eher gefahrden als ihm nützen würden. Durch die Regionalisierung und die Stärkung der Bedeutung der Regionen kann es auch gelingen, zu neuen, modemen Formen der Regierung zu gelangen. Durch die Einbeziehung einer Vielzahl von politischen und gesellschaftlichen Akteuren in die politischen Entscheidungsprozesse werden die Ergebnisse der Politik, messbar an der Akzeptanz in der Bevölkerung und sozioökonomischen Größen, verbessert. Eine verstärkte Einbeziehung im Rahmen der europäischen Politik könnte nach Meinung der in der Genter Studie befragten Regionen daher auch eine erhöhte Akzeptanz der Entscheidungen der Europäischen Gemeinschaften erreichen und auf dieser Ebene zu "neuen" Formen der Politik führen. In diesem Bereich äußert sich die schottische Regierung noch sehr vorsichtig. Aufgrund der bisher lediglich zweijährigen Erfahrung mit dem Modell "Devolution" und der partiellen Teilselbständigkeit könne hierzu noch keine endgültigen Aussagen getroffen werden. Dennoch versuche Schottland in vielen Bereichen, die Herausforderungen und Chancen der Europäischen Union anzunehmen und an deren Politikfeldem aktiv mitzuwirken, unter anderem durch Mitgliedschaft 28 Vgl. Art. 227 Abs. 2 der Verfassung von Portugal, der von der "Verstärkung der nationalen Einheit" spricht.

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D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

in vielen europäischen Regionalorganisationen wie der "Working Party of Regions", der "Conference for the First Ministers of Regions", der "Assembly of European Regions" oder der "Conference of Peripheral and Maritime Regions". In Bezug auf die Möglichkeiten der Verwaltungsmodernisierung sieht die schottische Regierung als oberste Priorität, dass Verhältnis zum "local government" und einige Bereiche innerhalb des "local government" neu zu gestalten. 29 Eine integrative Legitimation kann der Regionalismus auch aus der Stärkung des Demokratieprinzips erfahren. In diesem Zusammenhang ist in den Selbstaussagen der Regionen des öfteren vom vielzitierten "Demokratiedefizit" innerhalb der EU die Rede; die Regionen verstehen sich dagegen als Akteure, die zum Abbau dieses Defizits einen entscheidenden Beitrag liefern könnten. Aufgrund ihrer Nähe zu den Menschen vor Ort könnten viele politische Prozesse und Entscheidungen durch die Regionen und Länder einfacher und präziser kommuniziert werden und dadurch auch die Identifikation der Menschen mit diesen Prozessen und Entscheidungen erhöht werden. Vos/Boucke merken hierzu an, dass gerade in diesem Bereich die Regionen und Länder teils einer Idealvorstellung unterliegen würden; Indizien hierfür seien zum einen die oft niedrige Wahlbeteiligung bei Wahlen zu den Regional- oder Länderpariamenten30 sowie die Notwendigkeit für die Regionen und Länder, oftmals die gleichen Politikbereiche wie die Zentralregierung aufgreifen zu müssen, da diese einfach die Menschen am meisten beschäftigten (wie beispielsweise Wirtschaftspolitik, Arbeitslosigkeit, Raumplanung). Durch den "Scotland Act 1998" wurde die Möglichkeit geschaffen, in bestimmten Bereichen Referenden abzuhalten. Von dieser Möglichkeit wurde bisher jedoch noch kein Gebrauch gemacht. Das schottische Parlament hat einen Petitionsausschuss eingerichtet, an den bisher einige Hundert Petitionen gerichtet wurden. Da das schottische Parlament als Produkt der "civil society" gesehen wird, existieren innerhalb des Parlamentes ca. 30 sog. "Cross Party Groups", in denen parteiübergreifend gesellschaftlich relevante Vorgänge analysiert und ggf. Handlungsempfehlungen gegeben werden. Als Gäste werden zu diesen Sitzungen immer wieder auch sonstige Repräsentanten der "civil society" hinzugezogen.

Vos/Boucke (2001 b), S. 77 f. So betrug die Wahlbeteiligung bei den allgemeinen Parlamentswahlen im Vereinigten Königreich 1997 71 %, bei den Wahlen zum schottischen Regionalparlament lediglich 59%, und die Wahlbeteiligung beim schottischen Referendum 1997 nur 60,7% (2oo1b, S. 80). 29

30

IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union

331

3. Die demokratietheoretische Legitimation

Mit dem demokratietheoretischen Argument ist häufig der Minderheitenschutz verbunden. Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn sich für politische Entscheidungen Mehrheiten finden, die dann auch, getragen von der Mehrheit, umgesetzt werden. Ein stabiles demokratisches System braucht stabile Mehrheiten, um nicht im Chaos der verschiedensten Partikularmeinungen und -interessen zu versinken. Da in einem Staat diese Mehrheiten jedoch oftmals auf Kosten von Minderheiten zustande kommen können, die weder die Möglichkeit noch die Mittel einer Einflussnahme haben, gehört zur Demokratie unmittelbar der Grundsatz des Minderheitenschutzes. Der Verwirklichung eines nachhaltigen Minderheitenschutzes kann der Regionalismus dienen. Dies wird schon deutlich in den "Regionalistischen Leitsätzen" von Brixen (1978).31 Dort heißt es in Ziff. 11: "Der vermehrte Zugang der Bevölkerung zum politischen System durch die regionale Ebene vermehrt die demokratische Substanz des Systems, solange dieser mehrfache Zugang auch einer sachgerechten Gewaltenteilung entspricht."

Weiter heißt es in Ziff. 19: "Mehr Demokratie - Regionale Demokratie verwirklicht mit kleineren überschaubaren und dem Bürger einsichtigeren Gemeinschaften mehr Volksnähe als nur zentrale Demokratie großer Systeme."

Damit steht eine demokratietheoretische Legitimation des Regionalismus nicht nur fest, sondern es liegt sogar der Schluss nahe, dass gerade aus demokratietheoretischen Überlegungen heraus eine verstärkte Regionalisierung zwingend notwendig ist. Ob und inwieweit durch eine vertiefte Regionalisierung eine steigende Identifikation mit dem Gesamtstaat stattfindet, ist mit Blick auf das Vereinigte Königreich umstritten. Auf der einen Seite finden sich solche Kräfte, die in der Regionalisierung den Anfang eines Prozesses sehen, an dessen Ende die vollständige staatliche Unabhängigkeit steht. Zu diesen Kräften gehört in Schottland die SNP, "Plaid Cymru" in Wales spricht sich nicht in dieser Deutlichkeit für die Unabhängigkeit Wales aus, sehr wohl jedoch für wesentlich weitgehendere Kompetenzen der Kammer und der Exekutive, als es heute der Fall ist. Wie Umfragen in Schottland zeigen, ist die Zufriedenheit der Menschen mit dem nunmehr erreichten status quo jedoch relativ hoch. Die Mehrheit spricht sich gegen eine Unabhängigkeit aus, und spricht sich für die Beibehaltung des nunmehr gefundenen Systems aus. 32 Ähnliches gilt für 31

Esterbauer (1979), S. 328 ff.

332

D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

Wales, wo sich im Februar 2000 immerhin 57 % der Befragten für den erreichten status quo oder die Übertragung von Kompetenzen nach schottischem Vorbild aussprachen, und nur 11 % für eine walisische Unabhängigkeit eintraten. 33 Insofern kann aus diesen Zahlen durchaus abgelesen werden, dass die Menschen zumindest unter den derzeitigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen mehrheitlich für den Verbleib im Vereinigten Königreich votieren. Inwieweit sich dies unter geänderten Rahmenbedingungen ändern könnte, wurde am Schluss von Teil B. schon kurz angesprochen. 34 Die vierte zentrale These der belgischen Studie vom Frühjahr 2001 bestätigt die verbreitete Annahme, dass die Regionen Garanten kultureller Vielfalt sind. Die Regionen verstehen sich auf der einen Seite als Bewahrer ihrer historischen und kulturellen Wurzeln, versuchen jedoch auf der anderen Seite, wohlwissend um diese Wurzeln sich trotzdem für ein offenes Europa, für ein Europa der vielen Kulturen und Gemeinschaften stark zu machen. Für viele Regionen gehört die Kulturpolitik zu den genuinen Aufgaben, für die oftmals ein erhebliches Budget zur Verfügung steht. Im Falle Schottlands gilt dies gleichermaßen. Von Seiten der schottischen Exekutive werden in vielen Bereichen des öffentlichen Kulturlebens Projekte gefördert, seien es die international bekannten "Highland Games", Festivals wie die "Celtic Connections" oder das jährliche "Royal National Mod"-Festival für gälische Musik. Als besonders wichtig erachtet die schottische Exekutive die Bewahrung und Förderung der gälischen Sprache wie auch des schottischen Dialektes, des "Scots". Die zentrale Verwaltung dieser Aktivitäten obliegt einem "quango", dem "Scottish Arts Council".35 4. Die gewaltenteilende Legitimation

Ein wesentliches Element der Demokratie ist die Gewaltenteilung, sowohl vertikal als auch horizontal. Die vertikale Gewaltenteilung verwirklicht sich im heutigen Verfassungsstaat wohl am prägnantesten und weitgehendsten im Föderalismus. 36 Insofern kommt dem Regionalismus aufgrund der schon aufgezeigten strukturellen Nähe zum Föderalismus - unabhängig davon, ob man ihn als Vorform des Föderalismus versteht - ähnliche WirCurtice, in: Hazell (2000), S. 228. Curtice, in: Hazell (2000), S. 238. 34 B VI. 35 Vos/Boucki (2001 b), S. 69 f. 36 Hesse (1995), S. 59 ff.; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (1999), Art. 20 GG (IV Rn. 74 ff.); aus der britischen Literatur: Burrows (1980); Fazal (1997); Olowotoyeku (1999). 32

33

IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union

333

kung zu?? Er kann und soll dazu dienen, Machtkonzentration auf der Ebene des Zentralstaates zu kontrollieren und durch die Ausübung eigener, originärer Kompetenzen dieselbe begrenzen. Zieht man das Argument der vertikalen Gewaltenteilung heran, um damit den Regionalismus zu legitimieren, und verbindet sich hiermit die Hoffnung, gegen Machtakkumulation ankämpfen zu können und dem Subsidiaritätsprinzip zur Geltung zu verhelfen, befindet sich das Vereinigte Königreich zumindest auf einem Weg, der mittlerweile als wohl unumkehrbar, aber auch als durchaus von ersten Erfolgen gekennzeichnet bezeichnet werden kann. Zum ersten Mal in der Geschichte des Vereinigten Königreiches hat das Parlament in Westminster freiwillig legislative Kompetenzen abgegeben; darüber hinaus wurden auch umfangreiche exekutive Funktionen an Körperschaften außerhalb des Parlaments- und Regierungsapparates in London übertragen. Die Akzeptanz der Bevölkerung sowie erste politische Erfolge und die mittlerweile erfolgte Konsolidierung zeigen, dass auch in einem Staat, der zuvor in allen wesentlichen Bereichen von London aus zentral regiert worden ist, gegen den Widerstand einflussreicher politischer Gruppierungen und Parteien umfassende regionale Reformen möglich sind. Am vorläufigen Ende dieser Reformen steht eine breite Akzeptanz der Bevölkerung, ein neues, ausgewogeneres System der "checks and balances" sowie die Bestätigung, dass die Veränderungen das Königreich keineswegs zum Auseinanderbrechen gebracht haben. Gewaltenteilung sorgt für ein mehr an Kontrolle, ein mehr an Bemühen, den gesellschaftlichen Konsens nicht aus den Augen zu verlieren bzw. ihn immer wieder auf das Neue zu suchen, sowie eine Stärkung des gesamten politischen Systems. Gerade viele Menschen in Schottland und Wales waren der Bevormundung, der beschriebenen englischen Arroganz überdrüssig geworden. 5. Die aufgabenteilende, dezentralisierende Legitimation Innerhalb des gewalten teilenden Legitimationsargumentes spielt erneut das Subsidiaritätsprinzip eine entscheidende Rolle. Denn wird es konsequent nicht nur auf der Ebene der Europäischen Union umgesetzt, sondern auch innerhalb der Mitgliedsstaaten, so muss dies nach den oben gegebenen Definitionen zu einer gebietskörperschaftlich organisierten Sub-Struktur führen. Eine klare Aufgabendifferenzierung zwischen Zentralstaat und Gliedstaat (bzw. Region) führt zu transparenten Entscheidungen, führt zu Entscheidun37

Häberle (1994), S. 239.

334

D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

gen, die je nach Ebene für die Menschen logisch und verständlich sind. So liegt es nahe, dass über Fragen der regionalen Infrastruktur oder regionalen Wirtschaftsförderung idealiter vor Ort entschieden wird, wohingegen beispielsweise über Fragen der Verteidigung oder der Staatsangehörigkeit auf der Ebene des Zentralstaates entschieden werden sollte. Genau dies ist durch den "Scotland Act 1998" sowie - in geringerem Umfang - den "Wales Act 1998" geschehen. Um diese Entscheidungen und Kompetenzen auch geordnet und auf der Basis von Recht und Gesetz wahrnehmen zu können, ist die Schaffung legislativer und exekutiver Kompetenzen vor Ort unabdingbar. Nach den Aussagen in der belgischen Studie vom Anfang des Jahres 2001 verstehen sich die Regionen als "watchdogs" oder "guardians" des Subsidiaritätsprinzips, wenngleich in vielen Bereichen oft noch die institutionellen Möglichkeiten, wie etwa ein eigenes, spezifisches Klagerecht vor dem EuGH, fehlen. Schottlands erste Sorge während der ersten zwei Jahre der "Devolution" bestand darin, sich im Europa der Regionen seinen spezifischen Platz zu erkämpfen und auf nationaler Ebene die entsprechenden Mechanismen und Institutionen zu schaffen, um diesen Platz auch innenpolitisch kommunizieren zu können. Schottland legt nach seinen eigenen Angaben großen Wert darauf, neben der Repräsentation in den einzelnen Organen der Union auch informell zu vielen Regionen der Union Kontakt zu haben und zu halten?8 Nach ihren eigenen Aussagen in der belgischen Studie verstehen sich die Regionen dank ihrer Kompetenz "vor Ort" als Garanten effizienter und bürgernaher Politik. Um dies zu garantieren, müssen die Kompetenzen zwischen der Zentralregierung und den Regionen klar abgegrenzt sein. Vos und Boucke, die Autoren der Studie, stellen in diesem Zusammenhang auch eine Beziehung zwischen der "Kompetenz vor Ort" und sozialem Zusammenhalt fest: ,,( ... ) where civil society as weIl as the social partners are organised on a regional basis, and contact also takes place between the government and civil society, a sort of regional social space takes shape and naturally expands the regional government's knowledge of the local situation.,,39

Diese Aussage ist aus der Sicht Schottlands insoweit zutreffend, als die allermeisten öffentlichen Organisationen (auch: "quangos") eine primär regionale Ausrichtung haben und somit im öffentlichen Leben als "schottische Institution" präsent sind. Dies gilt gleichermaßen für den "Scottish Council for Voluntary Organisations" wie den "Scottish Trade Union Congress" oder die halb-autonomen Ableger der großen Parteien ("Scottish La38 39

Vos/Boucke (2001 b), S. 57 f. Zitiert nach: Vos/Boucke (200 1a).

IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union

335

bour Party", Scottish Conservative Party", "Scottish Liberal Democrats"). Auch im Sportbereich sind viele Bereiche in Schottland autonom (als markantestes Beispiel sei hierfür nochmals auf die schottische Fußball-Nationalmannschaft hingewiesen).4o 6. Die wirtschaftliche, entwicklungspolitische Legitimation Regionalismus lässt sich auch unter wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Gesichtspunkten legitimieren. Neben der Tatsache, dass einige Verfassungstexte europäischer Staaten und Erklärungen zum Thema Regionalismus auf europäischer Ebene die entwicklungspolitische und wirtschaftliche wie wirtschaftspolitische Bedeutung der Regionen betonen41 , spielen die Regionen, wie aufgezeigt, sowohl im Bereich der europäischen Regionalentwicklung und -förderung eine zentrale Rolle, als auch innerhalb einiger Mitgliedstaaten in Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung strukturschwacher Gebiete oder Länder. 42 Die Region oder das Land kann als "Instanz vor Ort" die Rahmenbedingungen für attraktive Investitionsstandorte schaffen. Dies kann zu Standortwettbewerben führen, die wiederum allgemeine Besserungen der Lebensund Arbeitsbedingungen nach sich ziehen. 43 Ein Wettbewerb zwischen den Regionen, der in einem freien oder zumindest weitgehend unreglementierten Markt stattfindet, kann daher auch ohne die Einflussnahme eines Zentralstaates oder der Europäischen Regionalpolitik zu deutlichen wirtschaftlichen Verbesserungen einer Region führen. Dies alleine - und hier kommt auch wieder das Subsidiaritätsprinzip ins Spiel44 - reicht aus, um den Regionalismus unter wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Gesichtspunkten zu legitimieren. Vos/Boucke (2001 b), S. 65 f. Vgl. etwa die schon erwähnten "Leitsätze von Brixen", die zur Abgrenzung der Regionen auch wirtschaftliche Kriterien heranziehen; oder vgl. die Verfassung von Spanien, die in Art. 138 Abs. 1 von der Aufgabe der Herstellung eines angemessenen und gerechten wirtschaftlichen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Teilen des Staatsgebietes spricht; näher hierzu auch: Häberle (1994), S. 240. 42 Erwähnt sei in diesem Zusammenhang das hochdifferenzierte System des deutschen Länderfinanzausgleiches, vgl. hierzu Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (1999), Art. 107 GG. 43 Vgl. Kapitel C III 3. 44 Denn: was auf der unteren Ebene erledigt werden kann, soll dort auch erledigt werden, m. a. W., sind die Regionen und Länder aus eigener Kraft in der Lage, durch entsprechende Infrastrukturmaßnahmen oder die Schaffung günstiger steuerlicher Konditionen die entsprechenden investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, so bedarf es einer subsidiären Unterstützung nicht mehr. 40 41

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D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

Wie die ersten Arbeitsergebnisse sowohl des Regionalparlamentes als auch der Kammer zeigen, haben sich beide von Beginn ihrer Arbeit an zum Ziel gesetzt, insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung sowohl Schottlands als auch Wales mit erheblichen Anstrengungen und finanzielle Ressourcen voranzutreiben. Hierzu gehört die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Regionen in gleichem Maße wie auch der Versuch, durch strukturpolische Maßnahmen vor Ort und unter Ausnutzung der zur Verfügung stehenden europäischen Fördermittel die Attraktivität des jeweiligen Investitionsstandortes zu heben und auszubauen. Obwohl gerade im Bereich der europäischen Strukturfonds die Leitkompetenz, wie dargestellt, nach wie vor beim DTI liegt, gelingt es den Regionen dennoch nunmehr in weitgehend eigener Regie, für die Auswahl der einzelnen Förderziele und -programme zu sorgen und diese auch umzusetzen. Gleichermaßen versucht insbesondere Wales, durch verschiedene Aktivitäten (zum Beispiel das Engagement als assoziiertes Mitglied in der "four-motors-group" oder die intensive Nutzung neuer Medien und Kommunikationsfelder) ausländisches Kapital anzulocken. Versucht man, Prinzipien der Privatwirtschaft auf diese Konstellation zu übertragen, so könnte man zu dem Schluss kommen, dass kleinere Einheiten sowohl für mehr Transparenz als auch größere Kostenkontrolle sorgen können. Innerhalb des britischen Einheitsstaates spielten Wales und Schottland zwar in gewissen Bereichen auch in früheren Jahren eine Sonderrolle - so flossen auch vor 1998/99 schon mehr Fördermittel pro Kopf nach Schottland als nach England - jedoch hing und hängt dies mit den besonderen strukturellen Gegebenheiten zusammen. 45 Die Möglichkeit, bestimmte Fehlentwicklungen unmittelbar vor Ort zu diagnostizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten, und damit auch den Menschen im Lande gegenüber transparente Handlungs- und Entscheidungsaltemativen aufzuzeigen, war durch das System der "Regional Offices" nur bedingt möglich. Nunmehr jedoch sind die Kompetenzen und damit auch Verantwortlichkeiten relativ klar bestimmt. Damit wird es möglich, Missständen und Fehlentwicklungen schneller und effektiver auf die Spur zu kommen und diesen damit auch schneller abzuhelfen. 46 45 Die wirtschaftliche Entwicklung sowohl Schottlands als auch Wales hinkte in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig hinter der wirtschaftlichen Entwicklung Englands hinterher; einzig der industrialisierte Süden Schottlands um die beiden Zentren Glasgow und Edinburgh herum können vom Pro-Kopf-Einkommen und vom BSP pro Einwohner mit den wirtschaftlich starken Zentren Englands im Süden und Nord-Westen mithalten. Für Wales gilt ähnliches analog. 46 Vgl. hierzu auch ausführlich: Dudek (2001); MartinlPearce (1999); Backel Jones (2000); Lynch (1998).

IV. Konstitutionelle Regionen in der Europäischen Union

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Auch dieser Legitimationsgrund wird in der Genter Studie aufgegriffen und belegt. Die Regionen selbst verweisen hierin auf ihre große sozioökonomische, volkswirtschaftliche Bedeutung. Regionen und Länder sind in der Lage, durch eine Vielzahl von Maßnahmen Investitionsanreize zu schaffen und durch Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Kommunikation auch den Rahmen hierfür bereitzustellen. Wichtig zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass es den hier befragten wirtschaftlich eher starken Regionen nicht in erster Linie darum geht, in einen beständigen Wettbewerb zu allen anderen Regionen einzusteigen, da dies die Gefahr birgt, in sozialer und finanzieller Hinsicht zu einem "race to the bottom" zu führen. Diese Einschätzung führt die befragten Regionen zu der Einsicht, die finanziell und wirtschaftlich schwächeren Regionen daher nicht "auszubluten", sondern langfristig zu versuchen, durch Solidarität und Hilfe - in Deutschland existiert hierfür das Instrument des Länderfinanzausgleichs - zu einer Angleichung der Lebensverhältnisse zu gelangen. Obgleich die Kompetenzen der schottischen Regierung in diesem Bereich, wie bereits dargestellt, relativ eingeschränkt sind, kann die Regierung doch in gewissem Umfang Einzelrnaßnahmen im Bereich der SME fördern (Infrastruktur, Transport, Kommunikation, Werbung um "foreign inward investment"). Einige dieser Aufgaben sind erneut an "quangos" delegiert wie etwa "Scottish Enterprise" , "Locate in Scotland" oder "Highland Enterprise". Im Bereich der Bildung und Ausbildung sind die Kompetenzen jedoch weitgehender, da dieser Bereich in die Verantwortung der Regierung fällt (zuständig hierfür ist das "Department for Enterprise and Lifelong Learning"). Da nahezu alle Bereiche der schottischen Zivilgesellschaft auch auf schottischer Ebene organisiert sind, können und werden diese Organisationen eng in sämtliche Projekte zur Verbesserung des "human ressource capital" mit einbezogen. 47

7. Die europapolitische Legitimation Argumente für eine verstärkte Regionalisierung finden sich auf der europapolitischen Ebene hauptsächlich zwei: Zum einen kann es sich ein Mitgliedsstaat rein wirtschaftlich mittlerweile fast nicht mehr leisten, sich nicht am Rennen um die europäischen Regional-Förderrnittel zu beteiligen. Zum anderen baut das "Europäische Haus" auf kultureller Vielfalt und Einheit auf. Es sei in diesem Zusammenhang nochmals auf die bereits erwähnte "Erklärung von Bordeaux" verwiesen48 , die von der Region als wesentlichem Bestandteil eines Staates und Zeuge der kulturellen Mannigfaltigkeit dieses 47

48 22 Mey

Vos/Boucki (2001 b), S. 73 f. Kapitel C 11 2 b aa.

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D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

Staates spricht, und die Region aufgrund ihrer Stellung innerhalb der Geschichte Europas und des Reichtums ihrer Kultur als unersetzlichen und unvergleichlichen Bestandteil der europäischen Zivilisation bezeichnet. In Ziff. 5 heißt es dann: "Ein Staat, der nicht die Mannigfaltigkeit der Regionen erkennen kann, aus denen er zusammengesetzt ist, ist auch unfähig, die Mannigfaltigkeit der europäischen Gemeinschaft festzustellen. ,,49

Europa kann nur als "Europa der Regionen" ein echtes Fundament haben. Kulturelle Vielfalt, historisches Bewusstsein, geographische Einzigartigkeit, ethnographische Spezifika - dies alles und noch viel mehr kann sich nur in und auf der Ebene der Region entfalten. Und dieses Fundament ist notwendiger denn je, will die Union die auf beständige Erweiterung und Vertiefung setzende Politik mit Erfolg durchhalten. Die Bedeutung Europas für die Regionen haben in erster Linie die Regionen selbst relativ schnell erkannt. Neben den ausbaubaren Möglichkeiten politischer Partizipation spielen im Verhältnis Union - Region vor allem die Strukturfonds eine wesentliche Rolle. Der Umfang der Fördennittel aus Brüssel hat seit bestehen der Fonds beständig zugenommen, und über den Erfolg der meisten Projekte besteht mittlerweile kaum noch Zweife1. 5o Daneben definieren sich die Regionen, wie ausführlich am Beispiel Schottlands und Wales gezeigt, in erster Linie über kulturelle Faktoren wie Geschichte, Sprache, Religion oder Literatur und Musik. Die Wurzeln der europäischen Kultur, der gemeinsamen europäischen Geschichte, sind daher nicht in den oftmals durch viele zufällige Entwicklungen geschaffenen Nationalstaaten zu suchen, sondern in den innerhalb dieser Staaten existierenden Ländern, Regionen oder Gemeinschaften, die für sich eine originäre Kulturimmanenz sowie eine weitgehend ungebrochene Geschichtsoriginalität in Anspruch nehmen können. Schottland erfüllt diese Merkmale jedenfalls, Wales mit gewissen Einschränkungen ebenfalls. Die Regionen spielen eine ebenfalls zentrale Rolle in der Umsetzung von Richtlinien der Gemeinschaft. Sofern die mitgliedsstaatlichen Verfassungen diese Möglichkeit vorsehen, kommt der regionalen Ebene in diesem Bereich zunehmende Bedeutung zu. Dies insbesondere deshalb, da Bereiche wie Strukturpolitik, Transport oder Bildung- und Erziehung typischerweise zu den Kernaufgaben der Regionen zählen. In diesem Zusammenhang wird 49 Ein neueres Zeugnis für dieses Argument findet sich in der Verfassung von Sachsen von 1992. Art. 12 lautet: "Das Land strebt grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit an, die auf den Ausbau nachbarschaftlicher Beziehungen, auf das Zusammenwachsen Europas und auf eine friedliche Entwicklung in der Welt gerichtet ist." 50 Kommission (2000).

V. Schlussgedanken: Regionalismus im Vereinigten Königreich

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die mangelnde Einbeziehung in Entscheidungsprozesse der Gemeinschaft kritisiert. Insbesondere die hier befragten Regionen und Länder halten den Ausschuss der Regionen in seiner heutigen Verfassung für nicht geeignet, eine echte Mitsprache in den wesentlichen Diskussionen und Entscheidungen zu gewährleisten. Die schottische Exekutive betont in diesem Zusammenhang insbesondere die Möglichkeit, über die Verwaltung und Verteilung der Strukturfonds zu entscheiden. Diese Verantwortung fallt in die RessortZuständigkeit des "Scottish Executive Development Departement (SEDD)", das diese Aufgabe in enger Abstimmung mit dem DTI, jedoch unter Berücksichtigung der spezifisch schottischen Bedürfnisse verantwortungsvoll wahrnimmt. Im übrigen werden die Beziehungen in diesen Fragen, wie schon in Teil C ausführlich dargestellt, durch das "Concordat on Co-ordination of European Union Policy Issues" geregelt. 51

V. Schlussgedanken: Regionalismus im Vereinigten Königreich Das Phänomen im konzeptionellen Geflecht zwischen Verfassungs- und Europarecht "Whatever the future of political devolution in Ireland, Scotland and Wales (and it will be different in each), the reality of cultural devolution can scarcely be denied, and underlies the increasing confidence with which the demand for political devolution has been asserted. Put another way, the demands for political devolution have helped to recover, and create, an independent history in which cultural avatars are grounded. Cultural continuity may be a figment but it can be reasserted imaginatively, against the brute facts of political effacement, defeat and loss, and in the face of actual discontinuity and a splintered populace. It is the vigour of this imaginative cultural effort, (... ), that is impressive.,,52

1. Entwicklungsstufen des Regionalismus Im empirischen Teil dieser Arbeit haben sich drei verschiedene Entwicklungsstufen des Regionalismus im Vereinigten Königreich ergeben. Die diachronen Entwicklungen in England, Wales und Schottland geben Entwicklungsstufen wieder, die sich auch auf europäischer Ebene (Frankreich, Deutschland, Belgien) wiederfanden. Exemplarisch am "Phänomen Großbritannien" ist die rasche Entwicklung, die der Regionalismus in seiner fortgeschrittensten (Schottland) wie auch in seiner langsamsten Stufe (England) nahm - das Phänomen des Regionalismus als verfassungsrechtlich relevante Entwicklung etablierte sich irreversibel erst mit dem Antritt der Labour-Regierung. Daher lassen sich die unterschiedlichen Tempi und Richtungen der 51 52 22*

Kapitel C III 4. Schaffer (1997), S. xxvii.

340

D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

vier Regionalentwicklungen mit einem Fokus auf die letzten fünf Jahre im Vereinigten Königreich sehr genau studieren. Mit der in Teil C skizzierten Entsprechung auf europäischer Ebene kam der Untersuchung Großbritannien daher Pars-pro-toto-Qualität zu - insbesondere, was die als Fragestellung dieser Arbeit aufgestellten Wechselwirkungen anging: die Wechselwirkung zwischen Phänomen und Begriff/Konzept; die ihr entsprechende im kulturwissenschaftlichen Ansatz begründete Wechselwirkung zwischen gesellschaftlich-politischer Wirklichkeit und Verfassungsrecht und die Wechselwirkung verschiedener verfassungsrechtlicher Realitäten durch Rechtsvergleichung. 2. Die Wechselwirkungen Textstufentheoretisch konnte die Wechselwirkung zwischen Verfassungsrecht und gesellschaftlich-politischer Realität erwiesen werden: die diachronen Entwicklungen in England, Wales und Schottland (sowie als Exkurs: Irlands) fanden in ihrem jeweiligen Entwicklungsstand sowohl formal als auch inhaltlich in den entsprechenden verfassungsrechtlichen Dokumenten ihren Niederschlag - zu Beginn erschließt sich der Stand der Regionalismusentwicklung noch im Diskussionsstatus als programmatische Absichtserklärung einer Interessengruppe, in seinem am weitest entwickelten Stadium als verfassungsrechtlich relevanter Gesetzestext. Diese wiederum spiegeln auch die "offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten,,53 wider - die erreichte Textstufe findet ihr Echo und ihre Grundlage in dem Gespräch von Literaten, Wissenschaftlern, Politikern und Kirchenvertretern. Da sowohl die Anzahl der Vertreter in der Gesellschaft der Verfassungsinterpreten durch das Phänomen Region begrenzt war (eben auf Schotten, Engländer, Waliser) als auch der Gegenstand der Verfassungstexte (eben auf den Regionalismus), ließ sich diese Wechselwirkung besonders klar herausdestillieren. Der "Exkurs Irland" hat jedoch gezeigt, wie tief sitzende nationale und religiöse Konflikte innerhalb einer Region (Regelung des Konfessionenkonflikts, Frage der Entwaffnung etc.) eine solche klare Bestimmung und den Nachweis der Wechselwirkung erschweren. Die Region als empirisches Phänomen jedoch - so hat zumindest die Beschreibung der klaren Wechselwirkung an Schottland, England und Wales ergeben - bildet eine Kultureinheit.

53

Häberle (1980).

V. Schlussgedanken: Regionalismus im Vereinigten Königreich

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3. Kulturpflege als Demokratiepflege

Demokratietheoretisch konnte dies mit den Legitimationsgründen des Regionalismus fruchtbar gemacht werden: insbesondere der Repräsentationsund der Subsidiaritätsgedanke lässt die Region als wichtigen Bestandteil eines demokratischen Gefüges begreifen - oder um an einen Gedanken earl Schmitts anzuknüpfen (ohne jedoch dessen Radikalität, was den existentiellen Einsatz für den eigenen politischen Verband angeht, zu unterstützen): das Bestehen einer kämpferischen Vielfalt ist Voraussetzung für den Bereich des Politischen. 54 Umso gewichtiger wird das Argument der Vielfalt demokratietheoretisch dann, wenn die Bezugsgröße dieser Regionen größer wird und je weiter diese Bezugsgröße von den Regionen selbst entfernt ist: ein rechtlich völlig homogenisiertes und zentralisiertes Europa könnte die Menschen in ihren identitätsstiftenden Kultureinheiten nicht mehr wirklich repräsentieren. Region- und Regionalismuspflege kann mithin als Demokratiepflege begriffen werden - ohne sie verlöre Europa an kultureller Bodenhaftung. 55 Zugleich ist Europa als empirische Größe mit allen seinen rechtlichen und faktischen Entwicklungsstufen hinsichtlich des Regionalismus schon von jeher eine Garant und Förderer der kleinen Kultureinheit Region: wie gezeigt, ist es gerade der Blick auf Europa und gerade die Präsenz auf europäischer Ebene, die den Schotten politisches Selbstbewusstsein und Rückrat gegenüber dem britischen Zentral staat verleihen. Mit Europa kommt sowohl in das Wechselspiel von Nationalstaat und Region als auch in die Wechselwirkung von Konzept und Wirklichkeit eine dritte Größe: Europa gibt der Region die Möglichkeit zum Vergleich mit anderen Text- und Entwicklungsstufen des Regionalismus - so wird durch Rechtsvergleichung nicht nur die Interpretation des eigenen Standpunkts gefördert, sondern auch dessen konzipierende Weiterentwicklung. Europa als "Dritter im Bunde" des Regionalismus muss nicht nur seine demokratische Bodenhaftung bewahren und bewähren, sondern erweitert 54 Schmitt (1963); wenngleich Schmitts Personenverbände natürlich auf der Ebene des Staates und nicht der Region angesiedelt sind, kann der Grundgedanke, dass der "status belli" als Ausweis der menschlichen Natur und Konstituant des Bereiches des Politischen ist und dass die Einrichtung in einem homogenen Weltstaat, in einem saturierten Status quo zu einer Absage und Abschaffung des Politischen führt, auch und gerade auf der Ebene der Region und der Ebene Europas Anwendung finden. Europa solle - so könnte man Schmitt eine europarechtliche Position unterstellen kein Hobbesscher Leviathan werden. Dazu Meier (1998), S. 40 ff., 47 ff. 55 In Bezug auf Entwicklungsländer und Kleinstaaten wurde bereits der Gedanke von kulturellen Menschenrechten respektive einer umfassenden Bürgerrechts- und Menschenrechtskultur entwickelt (vgl. hierzu Häberle 1998, S. 36 ff.). Dies gilt natürlich auch für die vielgestaltige Kulturstruktur Europas.

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D. Zusammenfassung, Auswertung und Ausblick

durch die Möglichkeit der Rechts- und Realitätsvergleichung die untersuchten, dialektischen Wechselwirkungen um eine dritte Dimension - bewirkt gleichsam eine katalytische trinitarische Struktur. Dies konnte diese Arbeit am Beispiel Großbritanniens hoffentlich retrospektiv belegen - für die Prospektive bleibt es die Verpflichtung der Europa-, Nationalstaats- und Regionalpolitik.

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998" RESERVED MATTERS PART I GENERAL RESERVATIONS The Constitution 1. The following aspects of the constitution are reserved matters, that is(a) the Crown, including succession to the Crown and a regency, (b) the Union of the Kingdoms of Scotland and England, (c) the Parliament of the United Kingdom, (d) the continued existence of the High Court of Justiciary as a criminal court of first instance and of appeal, (e) the continued existence of the Court of Session as a civil court of first instance and of appeal. 2. - (l) Paragraph 1 does not reserve(a) Her Majesty's prerogative and other executive functions, (b) functions exercisable by any person acting on behalf of the Crown, or (c) any office in the Scottish Administration. (2) Sub-paragraph (1) does not affect the reservation by paragraph 1 of honours and dignities or the functions of the Lord Lyon King of Arms so far as relating to the granting of arms; but this sub-paragraph does not apply to the Lord Lyon King of Arms in his judicial capacity. (3) Sub-paragraph (1) does not affect the reservation by paragraph 1 of the management (in accordance with any enactment regulating the use of land) of the Crown Estate. (4) Sub-paragraph (1) does not affect the reservation by paragraph 1 of the functions of the Security Service, the Secret Intelligence Service and the Govemment Communications Headquarters. 3. - (1) Paragraph 1 does not reserve property belonging to Her Majesty in right of the Crown or belonging to any person acting on behalf of the Crown or held in trust for Her Majesty for the purposes of any person acting on behalf of the Crown. (2) Paragraph 1 does not reserve the ultimate superiority of the Crown or the superiority of the Prlnce and Steward of Scotland.

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Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

(3) Sub-paragraph (1) does not affect the reservation by paragraph 1 of(a) the hereditary revenues of the Crown, other than revenues from bona vacantia, ultimus haeres and treasure trove, (b) the royal arms and standard, (c) the compulsory acquisition of property held or used by a Minister of the Crown or government department. 4. - (1) Paragraph 1 does not reserve property held by Her Majesty in Her private capacity. (2) Sub-paragraph (1) does not affect the reservation by paragraph 1 of the subject-matter of the Crown Private Estates Acts 1800 to 1873. 5. Paragraph 1 does not reserve the use of the Scottish Seal.

Political parties 6. The registration and funding of political parties is a reserved matter.

Foreign affairs etc. 7. - (1) International relations, including relations with territories outside the United Kingdom, the European Communities (and their institutions) and other international organisations, regulation of international trade, and international development assistance and co-operation are reserved matters. (2) Sub-paragraph (1) does not reserve(a) observing and implementing international obligations, obligations under the Human Rights Convention and obligations under Community law, (b) assisting Ministers of the Crown in relation to any matter to which that sub-paragraph applies.

Public service 8. - (1) The Civil Service of the State is a reserved matter. (2) Sub-paragraph (1) does not reserve the subject-matter of(a) Part I of the Sheriff Courts and Legal Officers (Scotland) Act 1927 (appointment of sheriff clerks and procurators fiscal etc.), (b) Part III of the Administration of Justice (Scotland) Act 1933 (officers of the High Court of Justiciary and of the Court of Session).

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

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Defence 9. - (1) The following are reserved matters(a) (b) (c) (d) (e)

the defence of the realm, the naval, military or air forces of the Crown, inc1uding reserve forces, visiting forces, international headquarters and defence organisations, trading with the enemy and enemy property.

(2) Sub-paragraph (1) does not reserve(a) the exercise of civil defence functions by any person otherwise than as a member of any force or organisation referred to in sub-paragraph (1)(b) to (d) or any other force or organisation reserved by virtue of sub-paragraph (l)(a),

(b) the conferral of enforcement powers in relation to sea fishing.

Treason 10. Treason (inc1uding constructive treason), treason felony and misprision of treason are reserved matters.

PART II SPECIFIC RESERVATIONS Preliminary 1. The matters to which any of the Sections in this Part apply are reserved matters for the purposes of this Act. 2. A Section applies to any matter described or referred to in it when read with any illustrations, exceptions or interpretation provisions in that Section. 3. Any illustrations, exceptions or interpretation provisions in a Section relate only to that Section (so that an entry under the heading "exceptions" does not affect any other Section).

Reservations

Head A - Financial and Economic MaUers Al. Fiscal, economic and monetary policy Fiscal, economic and monetary policy, inc1uding the issue and circulation of money, taxes and excise duties, governrnent borrowing and lending, control over

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Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998" United Kingdom public expenditure, the exchange rate and the Bank of England.

Exception

Local taxes to fund local authority expenditure (for example, council tax and non-domestic rates). A2. The currency Coinage, legal tender and bank notes. A3. Financial services Financial services, including investment business, banking and deposit-taking, collective investment schemes and insurance.

Exception

The subject-matter of section 1 of the Banking and Financial Dealings Act 1971 (bank holidays). A4. Financial markets Financial markets, including listing and public offers of securities and investments, transfer of securities and insider dealing. AS. Money laundering The subject-matter of the Money Laundering Regulations 1993, but in relation to any type of business.

Head B - Horne Affairs BI. Misuse of drugs The subject-matter of(a) the Misuse of Drugs Act 1971, (b) sections 12 to 14 of the Criminal Justice (International Co-operation) Act 1990 (substances useful for manufacture of controlled drugs), and (c) Part V of the Criminal Law (Consolidation) (Scotland) Act 1995 (drug trafficking) and, so far as relating to drug trafficking, the Proceeds of Crime (Scotland) Act 1995. B2. Data protection The subject-matter of(a) the Data Protection Act 1998, and (b) Council Directive 95/46/EC (protection of individuals with regard to the processing of personal data and on the free movement of such data). Interpretation

If any provision of the Data Protection Act 1998 is not in force on the principal appointed day, it is to be treated for the purposes of this reservation as if it were.

B3. Elections Elections for membership of the Rouse of Commons, the European Parliament and the Parliament, including the subject-matter of(a) the European Parliamentary Elections Act 1978, (b) the Representation of the People Act 1983 and the Representation of the People Act 1985, and (c) the Parliamentary Constituencies Act 1986,

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

347

so far as those enactments apply, or may be applied, in respect of such membership. The franchise at local government elections. B4. Firearms The subject-matter of the Firearms Acts 1968 to 1997. B5. Entertainment The subject-matter of(a) the Video Recordings Act 1984, and (b) sections 1 to 3 and 5 to 16 of the Cinemas Act 1985 (control of exhibitions). The c1assification of films for public exhibition by reference to their suitability for viewing by persons generally or above a particular age, with or without any advice as to the desirability of parental guidance. B6. Immigration and nationality Nationality; immigration, inc1uding asylum and the status and capacity of persons in the United Kingdom who are not British citizens; free movement of persons within the European Economic Area; issue of travel documents. B7. Scientific procedures on live animals The subject-matter of the Animals (Scientific Procedures) Act 1986. B8. National security, interception of communications, official secrets and terrorism National security. The interception of communications; but not the subject-matter of Part III of the Police Act 1997 (authorisation to interfere with property etc.) or surveillance not involving interference with property. The subject-matter of(a) the Official Secrets Acts 1911 and 1920, and (b) the Official Secrets Act 1989, except so far as relating to any information, document or other artic1e protected against disc10sure by section 4(2) (crime) and not by any other provision of sections 1 to 4. Special powers, and other special provisions, for dealing with terrorism. B9. Betting, gaming and lotteries Betting, garning and lotteries. BIO. Emergency powers Emergency powers. Bll. Extradition Extradition. B12. Lieutenancies The subject-matter of the Lieutenancies Act 1997.

348

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

Head C - Trade and lndustry Cl. Business associations The creation, operation, regulation and dissolution of types of business association. Exceptions

Interpretation

The creation, operation, regulation and dissolution of(a) particular public bodies, or public bodies of a particular type, established by or under any enactment, and (b) charities. "Business association" means any person (other than an individual) established for the purpose of carrying on any kind of business, whether or not for profit; and "business" includes the provision of benefits to the members of an association. C2. Insolvency In relation to business associations(a) the modes of, the grounds for and the general legal effect of winding up, and the persons who may initiate winding up, (b) liability to contribute to assets on winding up, (c) powers of courts in relation to proceedings for winding up, other than the power to sist proceedings, (d) arrangements with creditors, and (e) procedures giving protection from creditors. Preferred or preferential debts for the purposes of the Bankruptcy (Scotland) Act 1985, the Insolvency Act 1986, and any other enactment relating to the sequestration of the estate of any person or to the winding up of business associations, the preference of such debts against other such debts and the extent of their preference over other types of debt. Regulation of insolvency practitioners. Co-operation of insolvency courts.

Exceptions

In relation to business associations(a) the process of winding up, including the person having responsibility for the conduct of a winding up or any part of it, and his conduct of it or of that part, (b) the effect of winding up on diligence, and (c) avoidance and adjustment of prior transactions on winding up. Floating charges and receivers, except in relation to preferential debts, regulation of insolvency practitioners and co-operation of insolvency courts.

Interpretation

"Business association" has the meaning given in Section Cl of this Part of this Schedule, but does not include any person whose estate may be sequestrated under the Bankruptcy (Scotland) Act 1985 or any public body established by or under an enactment.

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

349

"Winding up", in relation to business associations, includes winding up of solvent, as weH as insolvent, business associations. C3. Competition Regulation of anti-competitive practices and agreements; abuse of dominant position; monopolies and mergers. Exception

Regulation of particular practices in the legal profession for the purpose of regulating that profession or the provision of legal services.

Interpretation

"The legal profession" means advocates, solicitors and qualified conveyancers and executry practitioners within the meaning of Part 11 of the Law Reform (MisceHaneous Provisions) (Scotland) Act 1990. C4. Intellectual property Intellectual property.

Exception

The subject-matter of Parts land 11 of the Plant Varieties Act 1997 (plant varieties and the Plant Varieties and Seeds Tribunal). CS. Import and export control The subject-matter of the Import, Export and Customs Powers (Defence) Act 1939. Prohibition and regulation of the import and export of endangered species of animals and plants.

Exceptions

Prohibition and regulation of movement into and out of Scotland of(a) food, animals, animal products, plants and plant products for the purposes of protecting human, animal or plant health, animal welfare or the environment or observing or implementing obligations under the Comrnon Agricultural Policy, and (b) animal feeding stuffs, fertilisers and pesticides for the purposes of protecting human, animal or plant health or the environment. C6. Sea fishing Regulation of sea fishing outside the Scottish zone (except in relation to Scottish fishing boats).

Interpretation

"Scottish fishing boat" means a fishing vessel which is registered in the register maintained under section 8 of the Merchant Shipping Act 1995 and whose entry in the register specifies a port in Scotland as the port to which the vessel is to be treated as belonging. C7. Consumer protection Regulation of(a) the sale and supply of goods and services to consumers, (b) guarantees in relation to such goods and services, (c) hire-purchase, including the subject-matter of Part III of the Hire-Purchase Act 1964, (d) trade descriptions, except in relation to food, (e) misleading and comparative advertising, except regulation specifically in relation to food, tobacco and tobacco products,

350

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998" (f) price indications,

(g) trading stamps, (h) auctions and mock auctions of goods and services, and (i) hallmarking and gun barrel proofing. Safety of, and liability for, services supplied to consumers. The subject-matter of(a) the Hearing Aid Council Act 1968, (b) the Unsolicited Goods and Services Acts 1971 and 1975, (c) Parts I to III and XI of the Fair Trading Act 1973, (d) the Consumer Credit Act 1974, (e) the Estate Agents Act 1979, (f) the Timeshare Act 1992, (g) the Package Travel, Package Holidays and Package Tours Regulations 1992, and (h) the Commercial Agents (Council Directive) Regulations 1993. Exception

The subject-matter of section 16 of the Food Safety Act 1990 (food safety and consumer protection). CS. Product standards, safety and liability Technical standards and requirements in relation to products in pursuance of an obligation under Community law. Product safety and liability. Product labelling.

Exceptions

Food, agricultural and horticultural produce, fish and fish products, seeds, anima! feeding stuffs, fertilisers and pesticides. In relation to food safety, materials which come into contact with food. C9. Weights and measures Units and standards of weight and measurement. Regulation of trade so far as involving weighing, measuring and quantities. CIO. Telecommunications and wireless telegraphy Telecommunications and wireless telegraphy. Internet services. Electronic encryption. The subject-matter of Part 11 of the Wireless Telegraphy Act 1949 (electromagnetic disturbance).

Exception

The subject-matter of Part III of the Police Act 1997 (authorisation to interfere with property etc.).

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

351

cu. Post Office, posts and postal services The Post Office, posts (including postage stamps, postal orders and postal packets) and regulation of postal services. C12. Research Councils Research Councils within the meaning of the Science and Technology Act 1965. The subject-matter of section 5 of that Act (funding of scientific research) so far as relating to Research Councils. C13. Designation of assisted areas The subject-matter of section 1 of the Industrial Development Aet 1982. C14. Industrial Development Advisory Board The Industrial Development Advisory Board. CIS. Protection of trading and economic interests The subjectmatter of(a) section 2 of the Emergency Laws (Re-enaetments and Repeals) Aet 1964 (Treasury power in relation to action damaging to economic position of Uni ted Kingdom), (b) Part 11 of the Industry Act 1975 (powers in relation to transfer of eontrol of important manufacturing undertakings), and (e) the Proteetion of Trading Interests Aet 1980.

Head D - Energy DI. Electricity Generation, transmission, distribution and supply of electricity. The subject-matter of Part 11 of the Electricity Act 1989. Exception

The subject-matter of Part I of the Environmental Protection Aet 1990. D2. Oil and gas Oil and gas, including(a) the ownership of, exploration for and exploitation of deposits of oil and natural gas, (b) the subject-matter of seetion 1 of the Mineral Exploration and Investment Grants Act 1972 (contributions in connection with mineral exploration) so far as relating to exploration for oil and gas, (c) offshore installations and pipelines, (d) the subject-matter of the Pipe-lines Act 1962 (including section 5 (deemed planning pennission)) so far as relating to pipelines within the meaning of section 65 of that Act, (e) the applieation of Seots law and the jurisdiction of the Scottish courts in relation to offshore activities,

352

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998" (i) pollution relating to oil and gas exploration and exploita-

tion, but only outside controlled waters (within the meaning of seetion 30A(1) of the Control of Pollution Act 1974), (g) the subject-matter of Part 11 of the Food and Environment Proteetion Act 1985 so far as relating to oil and gas exploration and exploitation, but only in relation to activities outside such controlled waters, (h) restrictions on navigation, fishing and other activities in connection with offshore activities, (i) liquefaction of natural gas, and (j) the conveyance, shipping and supply of gas through pipes.

Exceptions

The subject-matter of(a) seetions 10 to 12 of the Industry Act 1972 (credits and grants for construction of ships and offshore installations), (b) the Offshore Petroleum Development (Scotland) Act 1975, other than seetions 3 to 7, and (c) Part I of the Environmental Proteetion Act 1990. The manufacture of gas. The conveyance, shipping and supply of gas other than through pipes.

03. Coal Coal, including its ownership and exploitation, deep and opencast coal mining and coal mining subsidence. Exceptions

The subject-matter of(a) Part I of the Environmental Proteetion Act 1990, and (b) sections 53 (environmental duties in connection with planning) and 54 (obligation to restore land affected by coalmining operations) of the Coal Industry Act 1994.

04. Nuclear energy Nuclear energy and nuclear installations, inc1uding(a) nuclear safety, security and safeguards, and (b) liability for nuc1ear occurrences. Exceptions

The subject-matter of(a) Part I of the Environmental Protection Act 1990, and (b) the Radioactive Substances Act 1993.

05. Energy conservation The subject-matter of the Energy Act 1976, other than seetion 9. Exception

The encouragement of energy efficiency other than by prohibition or regulation.

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

353

Head E - Transport EI. Road transport The subject-matter of(a) the Motor Vehic1es (International Circulation) Act 1952, (b) the Public Passenger Vehic1es Act 1981 and the Transport Act 1985, so far as relating to public service vehic1e operator licensing, (e) section 17 (traffie regulation on special roads), section 25 (pedestrian crossings), Part V (traffie signs) and Part VI (speed limits) of the Road Traffie Regulation Aet 1984, (d) the Road Traffie Aet 1988 and the Road Traffic Offenders Aet 1988, (e) the Vehic1e Exeise and Registration Aet 1994, (f) the Road Traffie (New Drivers) Act 1995, and

(g) the Goods Vehic1es (Licensing of Operators) Act 1995. Regulation of proper hours or periods of work by persons engaged in the carriage of passengers or goods by road. The eonditions under which international road transport services for passengers or goods may be undertaken. Regulation of the instruction of drivers of motor vehic1es. Exceptions

The subject-matter of sections 39 and 40 (road safety information and training) and 157 to 159 (payments for treatment of traffic casualties) of the Road Traffic Act 1988. E2. Rail transport Provision and regulation of railway services. Rail transport seeurity. The subjeet-matter of the Channel Tunnel Act 1987. The subject-matter of the Railway Heritage Act 1996.

Exceptions

Grants so far as relating to railway services; but this exception does not apply in relation to(a) the subject-matter of section 63 of the Railways Aet 1993 (government financial assistanee where railway administration orders made), (b) "railway services" as defined in section 82(1)(b) of the Railways Act 1993 (carriage of goods by railway), or (e) the subject-matter of section 136 of the Railways Act 1993 (grants and subsidies).

Interpretation

23 Mey

"Railway services" has the meaning given by section 82 of the Railways Aet 1993 (exc1uding the wider meaning of "railway" given by seetion 81(2) of that Act).

354

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998" E3. Marine transport The subject-matter of(a) the Coastguard Act 1925, (b) the Hovercraft Act 1968, except so far as re1ating to the regulation of noise and vibration caused by hovercraft, (c) the Carriage of Goods by Sea Act 1971, (d) section 2 of the Protection of Wrecks Act 1973 (prohibition on approaching dangerous wrecks), (e) the Merchant Shipping (Liner Conferences) Act 1982, (f) the Dangerous Vessels Act 1985, (g) the Aviation and Maritime Security Act 1990, other than Part I (aviation security), (h) the Carriage of Goods by Sea Act 1992, (i) the Merchant Shipping Act 1995, (j) the Shipping and Trading Interests (Protection) Act 1995, and (k) sections 24 (imp1ementation of international agreements relating to protection of wrecks), 26 (piracy) and 27 and 28 (international bodies concerned with maritime matters) of the Merchant Shipping and Maritime Security Act 1997.

Navigational rights and freedoms. Financial assistance for shipping services which start or finish or both outside Scotland. Exceptions

Ports, harbours, piers and boatslips, except in relation to the matters reserved by virtue of paragraph (d), (f), (g) or (i). Regulation of works which may obstruct or endanger navigation. The subject-matter of the Highlands and Islands Shipping Services Act 1960 in relation to financial assistance for bulk freight services. E4. Air transport

Regulation of aviation and air transport, including the subjectmatter of(a) the Carriage by Air Act 1961, (b) the Carriage by Air (Supplementary Provisions) Act 1962, (c) the Carriage by Air and Road Act 1979 so far as relating to carriage by air, (d) the Civil Aviation Act 1982, (e) the Aviation Security Act 1982, (f) the Airports Act 1986, and (g) sections 1 (endangering safety at aerodromes) and 48 (powers in relation to certain aircraft) of the Aviation and Maritime Security Act 1990,

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

355

and arrangements to compensate or repatriate passengers in the event of an air transport operator's inso1vency. Exceptions

The subject-matter of the following seetions of the Civil Aviation Act 1982(a) seetion 25 (Secretary of State's power to provide aerodromes), (b) seetion 30 (provision of aerodromes and facilities at aerodromes by local authorities), (c) seetion 31 (power to carry on ancillary business in connection with local authority aerodromes), (d) section 34 (financial assistance for certain aerodromes), (e) section 35 (facilities for consultation at certain aerodromes), (f) seetion 36 (health control at Secretary of State's aerodromes and aerodromes of Civil Aviation Authority), and (g) sections 41 to 43 and 50 (powers in relation to land exercisable in connection with civil aviation) where land is to be or was acquired for the purpose of airport development or expansion. The subject-matter of Part 11 (transfer of airport undertakings of local authorities), seetions 63 and 64 (airport byelaws) and 66 (functions of operators of designated airports as respects abandoned vehieIes) of the Airports Act 1986. The subject-matter of seetions 59 (acquisition of land and rights over land) and 60 (disposal of compulsorily acquired land) of the Airports Act 1986 where land is to be or was acquired for the purpose of airport development or expansion. ES. Other matters Transport of radioactive material.

Technical specifications for public passenger transport for disabled persons, ineIuding the subject-matter of(a) seetion 125(7) and (8) of the Transport Act 1985 (Secretary of State's guidance and consultation with the Disab1ed Persons Transport Advisory Committee), and (b) Part V of the Disability Discrimination Act 1995 (public transport). Regulation of the carriage of dangerous goods. Interpretation

23*

"Radioactive material" has the same meaning as in seetion 1(1) of the Radioactive Material (Road Transport) Act 1991.

356

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

Head F - Social Security Fl. Social security schemes Schemes supported from central or 10cal funds which provide assistance for social security purposes to or in respect of individuals by way of benefits. Requiring persons to(a) establish and administer schemes providing assistance for social security purposes to or in respect of individuals, or (b) make payments to or in respect of such schemes, and to keep records and supply information in connection with such schemes. The circumstances in which a person is liable to maintain himself or another for the purposes of the enactments relating to social security and the Child Support Acts 1991 and 1995. The subject-matter of the Vaccine Damage Payment Scheme. Illustrations

National Insurance; Social Fund; administration and funding of housing benefit and council tax benefit; recovery of benefits for accident, injury or disease from persons paying damages; deductions from benefits for the purpose of meeting an individual's debts; sharing information between governrnent departments for the purposes of the enactments relating to social security; making decisions for the purposes of schemes mentioned in the reservation and appeals against such decisions.

Exceptions

The subject-matter of Part 11 of the Social Work (Scotland) Act 1968 (social welfare services), section 2 of the Chronically Sick and Disabled Persons Act 1970 (provision of we1fare services), section 50 of the Children Act 1975 (payments towards maintenance of children), section 15 of the Enterprise and New Towns (Scotland) Act 1990 (industrial injuries benefit), and sections 22 (promotion of welfare of children in need), 29 and 30 (advice and assistance for young persons formerly looked after by local authorities) of the Children (Scotland) Act 1995.

Interpretation

"Benefits" inc1udes pensions, allowances, grants, loans and any other form of financial assistance. Providing assistance for social security purposes to or in respect of individuals inc1udes (among other things) providing assistance to or in respect of individuals(a) who qualify by reason of old age, survivorship, disability, sickness, incapacity, injury, unemployment, matemity or the care of children or others needing care, (b) who qualify by reason of low income, or (c) in relation to their housing costs or liabilities for local taxes.

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

357

F2. Child support The subject-matter of the Child Support Acts 1991 and 1995.

Exception

The subject-matter of sections 1 to 7 of the Family Law (Scotland) Act 1985 (aliment).

Interpretation

If section 30(2) of the Child Support Act 1991 (collection of payments other than child support maintenance) is not in force on the principal appointed day, it is to be treated for the purposes of this reservation as if it were.

F3. Occupational and personal pensions The regulation of occupational pension schemes and personal pension schemes, including the obligations of the trustees or managers of such schemes.

Provision about pensions payable to, or in respect of, any persons, except(a) the persons referred to in section 81(3), (b) in relation to a Scottish public authority with mixed functions or no reserved functions, persons who are or have been a member of the public body, the holder of the public office, or a member of the staff of the body, holder or office. The subject-matter of the Pensions (Increase) Act 1971. Schemes for the payment of pensions which are listed in Schedule 2 to that Act, except those mentioned in paragraphs 38A and 38AB. Where pension payable to or in respect of any class of persons under a public service pension scheme is covered by this reservation, so is making provision in their case(a) for compensation for loss of office or employment, for their office or employment being affected by constitutional changes, or circumstances arising from such changes, in any territory or territories or for loss or diminution of emoluments,or (b) for benefits in respect of death or incapacity resulting from injury or disease. Interpretation

"Pension" includes gratuities and allowances. F4. War pensions Schemes for the payment of pensions for or in respect of persons who have a disablement or have died in consequence of service as members of the armed forces of the Crown.

The subject-matter of any scheme under the PersonalInjuries (Emergency Provisions) Act 1939, sections 3 to 5 and 7 of the Pensions (Navy, Arrny, Air Force and Mercantile Marine) Act 1939 or section 1 of the Polish Resettlement Act 1947. Illustration Interpretation

The provision of pensions under the Naval, Military and Air Forces Etc. (Disablement and Death) Service Pensions Order 1983. "Pension" includes grants, allowances, supplements and gratuities.

358

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

Head G - Regulation of the Professions GI. Architects Regulation of the profession of architect. G2. Health professions Regulation of the health professions. Exceptions

The subject-matter of(a) seetion 21 of the National Health Service (Scotland) Act 1978 (requirement of suitable experience for medical practitioners), and (b) section 25 of that Act (arrangements for the provision of general dental services), so far as it relates to voeational training and disciplinary proceedings.

Interpretation

"The health professions" means the professions regulated by(a) the Pharmacy Act 1954, (b) the Professions Supplementary to Medicine Aet 1960, (e) the Veterinary Surgeons Aet 1966, (d) the Medical Act 1983, (e) the Dentists Act 1984, (f) the Opticians Act 1989, (g) the Osteopaths Act 1993, (h) the Chiropractors Act 1994, and (i) the Nurses, Midwives and Health Visitors Act 1997. G3. Auditors Regulation of the profession of auditor.

Head H - Employment Hl. Employment and industrial relations Employment rights and duties and industrial relations, including the subject-matter of(a) the Employers' Liability (Compulsory Insuranee) Act 1969, (b) the Employment Agencies Act 1973, (e) the Pneumoconiosis etc. (Workers' Compensation) Act 1979, (d) the Transfer of Undertakings (Protection of Employment) Regulations 1981, (e) the Trade Union and Labour Relations (Consolidation) Act 1992, (f) the Industrial Tribunals Act 1996, (g) the Employment Rights Aet 1996, and (h) the National Minimum Wage Act 1998. Exception

The subject-matter of the Agricultural Wages (Scotland) Aet 1949.

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

359

82. 8ealth and safety The subject-matter of the following Parts of the Health and Safety at Work etc. Act 1974(a) Part I (health, safety and welfare in connection with work, and control of dangerous substances) as extended or applied by section 36 of the Consumer Protection Act 1987, sections 1 and 2 of the Offshore Safety Act 1992 and section 117 of the Railways Act 1993, and (b) Part 11 (the Employment Medical Advisory Service). Exception

Public safety in relation to matters which are not reserved. 83. Job search and support The subject-matter of(a) the Disabled Persons (Employment) Act 1944, and (b) the Employment and Training Act 1973, except so far as relating to training for employment.

Exception

The subject-matter of(a) sections 8 to lOA of the Employment and Training Act 1973 (careers services), and (b) the following sections of Part I of the Enterprise and New Towns (Scotland) Act 1990 (Scottish Enterprise and Highlands and Islands Enterprise)(i) section 2(3)(c) (arrangements for the purpose of assisting persons to establish themselves as self-employed persons), and (H) section 12 (disclosure of information).

Head J - Health and Medicines J1. Abortion Abortion. J2. Xenotransplantation Xenotransplantation. J3. Embryology, surrogacy and genetics Surrogacy arrangements, within the meaning of the Surrogacy Arrangements Act 1985, including the subject-matter of that Act. The subject-matter of the Human Fertilisation and Embryology Act 1990. Human genetics. of-

J4. Medicines, medical supplies and poisons The subject-matter (a) the Medicines Act 1968, the Marketing Authorisations for Veterinary Medicinal Products Regulations 1994 and the Medicines for Human Use (Marketing Authorisations Etc.) Regulations 1994, (b) the Poisons Act 1972, and (c) the Biological Standards Act 1975.

360

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998" Regulation of prices charged for medical supplies or medicinal products which (in either case) are supplied for the purposes of the health service established under section 1 of the National Health Service (Scotland) Act 1978.

Interpretation

"Medical supplies" has the same meaning as in seetion 49(3) of the National Health Service (Scotland) Act 1978. "Medicinal products" has the same meaning as in section 130(1) of the Medicines Act 1968. J5. Welfare foods Schemes made by regulations under section 13 of the Social Security Act 1988 (schemes for distribution of welfare foods).

Head K - Media and Culture KI. Broadcasting The subject-matter of the Broadcasting Act 1990 and the Broadcasting Act 1996.

The British Broadcasting Corporation. K2. Public lending right The subject-matter of the Public Lending Right Act 1979. K3. Government Indemnity Scheme The subject-matter of sections 16 and 16A of the National Heritage Act 1980 (public indemnities for objects on loan to museums, art galleries, etc.). K4. Property accepted in satisfaction of tax The subject-matter of sections 8 and 9 of the National Heritage Act 1980 (payments to Inland Revenue in respect of property accepted in satisfaction of tax, and disposal of such property).

Head L - Miscellaneous LI. Judicial remuneration Determination of the remuneration of(a) judges of the Court of Session, (b) sheriffs principal and sheriffs, (c) members of the Lands Tribunal for Scotland, and (d) the Chairman of the Scottish Land Court. L2. Equal opportunities Equal opportunities, including the subject-matter of(a) the Equal Pay Act 1970, (b) the Sex Discrirnination Act 1975, (c) the Race Relations Act 1976, and (d) the Disability Discrirnination Act 1995.

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998" Exceptions

361

The encouragement (other than by prohibition or regulation) of equal opportunities, and in particular of the observance of the equal opportunity requirements. Imposing duties on(a) any office-holder in the Scottish Administration, or any Scottish public authority with mixed functions or no reserved functions, to make arrangements with a view to securing that the functions of the office-holder or authority are carried out with due regard to the need to meet the equal opportunity requirements, or (b) any cross-border public authority to make arrangements with a view to securing that its Scottish functions are carried out with due regard to the need to meet the equal opportunity requirements.

Interpretation

"Equal opportunities" means the prevention, elimination or regulation of discrimination between persons on grounds of sex or marital status, on racial grounds, or on grounds of disability , age, sexual orientation, language or social origin, or of other personal attributes, including beliefs or opinions, such as religious beliefs or political opinions. "Equal opportunity requirements" means the requirements of the law for the time being relating to equal opportunities. "Scottish functions" means functions which are exercisable in or as regards Scotland and which do not relate to reserved matters. L3. Control of weapons Control of nuclear, biological and chemical weapons and other weapons of mass destruction. L4. Ordnance survey The subject-matter of the Ordnance Survey Act 1841. L5. Time Timescales, time zones and the subject-matter of the Summer Time Act 1972. The calendar; units of time; the date of Easter.

Exceptions

The computation of periods of time. The subject-matter of(a) section 1 of the Banking and Financial Dealings Act 1971 (bank holidays), and (b) the Term and Quarter Days (Scotland) Act 1990. L6. Outer space Regulation of activities in outer space.

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

362

PART 111 GENERAL PROVISIONS Scottish public authorities 1. - (1) This Schedule does not reserve any Scottish public authority if some of its functions relate to reserved matters and some do not, unless it is a cross-border public authority.

(2) Sub-paragraph (1) has effect as regards(a) the constitution of the authority, inc1uding its establishment and dissolution, its assets and liabilities and its funding and receipts, (b) conferring or removing any functions specifically exercisable in relation to the authority. (3) Sub-paragraph (2)(b) does not apply to any function which is specifically exercisable in relation to a particular function of the authority if the particular function relates to reserved matters. (4) An authority to which this paragraph applies is referred to in this Act as a Scottish public authority with mixed functions.

2. Paragraph I of Part I of this Schedule does not reserve any Scottish public authority with functions none of which relate to reserved matters (referred to in this Act as a Scottish public authority with no reserved functions).

Reserved bodies 3. - (1) The reservation of any body to which this paragraph applies has effect to

reserve-

(a) its constitution, inc1uding its establishment and dissolution, its assets and liabilities and its funding and receipts, (b) conferring functions on it or removing functions from it, (c) conferring or removing any functions specifically exercisable in relation to it. (2) This paragraph applies to(a) a body reserved by name by Part 11 of this Schedule, (b) each of the councils reserved by Seetion C12 of that Part, (c) the Commission for Racial Equality, the Equal Opportunities Commission and the National Disability Council.

Anhang 1: SCHEDULE 5 zum "Scotland Act 1998"

363

Financial assistance to industry 4. - (1) This Schedule does not reserve giving financial assistance to commercial activities for the purpose of promoting or sustaining economic development or employment. (2) Sub-paragraph (1)(a) does not apply to giving financial assistance to any activities in pursuance of apower exercisable only in relation to activities which are reserved, (b) does not apply to Part I of this Schedule, except paragraph 9, or to a body to which paragraph 3 of this Part of this Schedule applies, (c) is without prejudice to the exceptions from the reservations in Sections E2 and E3 of Part 11 of this Schedule. (3) Sub-paragraph (1) does not affect the question whether any matter other than financial assistance to which that sub-paragraph applies is reserved.

Interpretation 5. - (1) References in this Schedule to the subject-matter of any enactment are to be read as references to the subject-matter of that enactment as it has effect on the principal appointed day or, if it ceased to have effect at any time within the period ending with that day and beginning with the day on which this Act is passed, as it had effect immediately before that time. (2) Subordinate legislation under section 129(1) may, in relation to the operation of this Schedule at any time before the principal appointed day, modify the references to that day in sub-paragraph (1).

Anhang 2: Nützliche (und teils zitierte) Internetseiten 1 Europa http://europa.eu.int (offizielle Seite der Europäischen Union) http://www.cor.eu.int/home.htm (Ausschuss der Regionen) http://europa.eu.inticommlregionaCpolicy/index_en.htm (Inforegio - vielfältige Informationen zur europäischen Regionalpolitik) http://curia.eu.int/de/index.htm (EuGH)

Vereinigtes Königreich http://www.ukonline.gov.uk (Einstiegsseite in das britische Parlamentssystem) http://www.parliament.uk ("House of Commons" und "House of Lords") http://www.cabinet-office.gov.uk (Regierung des Vereinigten Königreiches) http://www.dti.gov.uk http://www.ucl.ac.uk/constitution-unit (renommierte Forschungsstelle zum britischen Verfassungsrecht) http://www.parliament.uk/commons/lib/research/rpintro.htm ("Research Papers" des "House of Commons") http://www.britannia.com (der "britische Brockhaus" online)

Schottland http://www.scottish.parliament.uk (Schottisches Regionalparlament) http://www.scotland-Iegislation.hmso.gov.uk (Alle Gesetze der schottischen Parlaments im Volltext) http://www .scotland.gov. uk (schottische Exekutive)

1 Der Verfasser möchte darauf hinweisen, dass die folgende Liste keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und erheben kann; die mittlerweile nicht mehr zu überschauende Vielzahl von offiziellen und privaten Seiten im Internet, die sich mit nahezu allen Facetten des Regionalismus in Europa und dem Vereinigten Königreich beschäftigen, zwingt dazu, eine sehr subjektive kleine Auswahl zu treffen. Viele der genannten Seiten enthalten links, die wiederum auf weitere sinnvolle Seiten führen.

Anhang 2: Nützliche (und teils zitierte) Internetseiten

365

http://www.scotland.de (Private deutsche Seite mit interessanten Infonnationen über Schottland) http://www.scottishlaw.org.uk (Fundgrube für schottisches Recht mit vielen weiteren links) http://www.scotcourts.gov.uk (offizielle Seite der schottischen Gerichte) http://www.snp.org (Scottish National Party) http://www.esep.co.uk (,,Bast Scotland Objective 2 Programme") http://www.scottishpolicynet.org.uk (Forschungsinstitut zum schottischen Regionalismus) http://www.rampantscotland.com (über 10.000 links bezogen auf Schottland; Newsletter zur schottischen Regionalpolitik)

Wales http://www.wales.gov.uk (Kammer in Wales) http://www.wales-Iegislation.hmso.gov.uk (Alle Gesetze der walisischen Kammer im Volltext) http://www.plaidcymru.org (Plaid Cymru in Wales) http://www.invest-in-wales.com (Werbung für den Wirtschaftsstandort Wales) http://www.wda.co.uk ("Welsh Development Agency") http://www.wefo.wales.gov.uk ("West Wales and the Valleys Objective I Programme")

England http://dmoz.org/Regional/Europe/United_Kingdom/England/Govemment (umfangreiche links von und für England) http://www.cfy.org.uk ("Campaign for Yorkshire" für eine gewählte Kammer in Yorkshire und Humberside)

Nordirland http://www.ni-assembly.gov.uk (Nordirische Kammer) http://www.grandorange.org.uk (Seite des Oranierordens)

London http://www .london.gov.uk (Londoner Stadtregierung)

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Stichwortverzeichnis Act of Settlement 224 Amsterdamer Erklärung 261 ff., 266 Ausschuss der Regionen 252, 253 ff., 323, 339 Bamett-Forme1 120, 142, 197, 205, 215, 240 Begriff (Heimat) 31 Begriff (Kultur) 52, 53, 122 Begriff (offene Gesellschaft) 51,58 Begriff (Regionalismus/Region) 25 ff., 37 ff., 49, 50, 251 ff., 265, 273, 312, 327 Begriff (Verfassung) 52, 57, 291 Beihilfen 151,222,283,298, 303 f. Be1fast-Agreement 242,245 ff., 317 Belgien 35, 79, 266 ff., 274 f., 292, 322,339 Bill of Rights 223 Blair, Tony 23, 47, 69, 83, 125, 148, 174,180,234,241,310,313,316 block-grant 109, 117, 120, 142, 156, 189,233 Britische Verfassung 66, 108, 309 Bundesrepublik Deutschland 32, 56, 73, 139, 264 ff., 275, 292, 322 Burnes, Robert 87, 88,93 Church of Scotland 30, 96 f., 114 ff., 177, 190 Common Law 66 ff., 78 f., 104 Concordats 150 ff., 153, 161, 236, 307, 321,324 Constitutional Conventions 67,213 Costa/ENEL-Urteil 276 Court of Session 77, 79, 96 ff., 100, 114, 144, 163, 174,343,347,360

Davies, Ron 130, 196, 197,214 Declaration of Rights 223 Dewar, Donald 125, 127, 132, 134, 141, 144, 146, 149, 151, 157, 171, 173 ff., 284 Dezentralismus 322 Dicey, A. V. 68, 70 f., 73, 97, 102 f., 106 Direct Rule 244 District 45, 46 f., 48, 256 Entwicklungsstufen (des Regionalismus) 339 ff. Erklärung von Bordeaux 258, 327 Europäische Einigung 122,253, 322 Europäischer Gerichtshof (EuGH) 105 f., 254, 261, 263, 276, 290, 291 f., 304, 334 Europarecht, europarechtlich 104 ff., 251 ff., 257, 265, 275 ff., 281, 286, 291, 312, 339 ff. Executive Devolution 109, 117, 141, 189,207, 318 Factortame-II-Entscheidung 106,277 f. First Minister 125, 140, 144, 171, 175, 246,247,284,315,330 Föderalismus (föderal, föderalistisch) 28, 35, 37 ff., 49, 101, 106, 119, 124, 130, 134 f., 139, 148, 162, 180, 187, 197, 219, 251, 252, 261, 264 ff., 268 ff., 272 ff., 308 f., 310, 320 f., 332 Foreign Inward Investment 282, 337 Frankreich 30, 79, 86, 90 f. 223, 225, 255, 272 ff., 320, 322 f., 325, 339

390

Stichwortverzeichnis

Gälisch 30, 79, 85, 89, 110 f., 121, 184, 332 Gemeinschaftscharta des Regionalismus 253, 259 f., 265 Gerichtsbarkeit (britische) 73, 74, 82, 104, 115, 183, 275 ff. Glyndwr,Owain 182,214 f. Govemment Offices 229, 233, 235, 238 ff., 318 Habeas Corpus Akte 223 Hague, William 127, 195 Home-rule 69, 94 f., 113, 124, 130, 187, 233, 244, 309, 313, 314 Homogenitätsklausel 43, 321 House of Commons (Unterhaus) 23 f., 68, 70, 93, 95, 118, 126, 128, 131, 135, 137, 142, 146, 148, 154, 166, 182 f., 188, 191, 193, 194, 200, 202, 204 f., 230, 284, 287 House of Lords 70, 72, 73, 79 f., 105, 131, 148 f., 152, 164 f., 167 ff., 208, 277, 309, 341 Identitätsbildung 30, 181 IRA 244 ff., 250 Irland 71, 91, 94, 124, 243 f., 274 ff., 340 Italien 24, 30, 32, 35, 255, 270 ff., 274 f., 292, 204, 322 f. Jakob I. 90,222 Joint Ministerial Committee 287, 321 Judicial review 74 ff.

150 ff.,

Kilbrandon-Report 108, 117 Konstitutionelle Regionen 325 ff. kulturwissenschaftlich (Kulturwissenschaft) 26 ff., 45, 50 ff., 61, 63 ff., 68,79,84,176,311,340 kulturwissenschaftlicher Ansatz 26 ff., 50, 57 f.

Law Society of Scotland 128 Legislative Devolution 109, 116 f., 189, 317 Legitimationsgründe (des Regionalismus) 325 ff. Local govemment 44 ff., 63, 99, 115, 120, 126, 139, 158 ff., 172, 178, 187, 191 f., 199, 203, 208 f., 226 ff., 234, 241, 256, 274, 278 f., 330 Lord Advocate 80, 96, 139, 140 f., 162 f., 164 Magna Charta Libertaturn 220 ff. Mehrheitswahl 136 f., 140, 148, 193, 201 f. Memorandum of Understanding 149, 150 ff., 287 Methode/Methodenwahl 21 ff., 26 f., 56, 59 ff., 64, 312 Morgan, Rhodry 214,217 NUTS 257 f., 274 f., 296 Öffentliche Auftragsvergabe (public procurement) 303 ff. Öffentlichkeit 44, 58, 78, 106,· 128, 152, 190, 241 Offene Gesellschaft (der Verfassungsinterpreten) 51, 52, 54, 57 f., 65 Parish 46 f., 48 Parlamentssouveränität (parliamentary sovereignty) 68, 69 ff., 77, 95, 98, 104 f., 118, 148, 278, 311, 320 Petition of Rights 222 f. Phänomen (Kultur) 53, 68, 311, 323 Phänomen (Regionalismus/Region) 25 ff., 27, 28 ff., 33 f., 37, 49, 62, 251, 252 ff., 275, 311 f., 323, 325, 339 ff. Phänomen (schottische Nation) 85 Plaid Cymru 23, 116 f., 168, 186 ff., 190, 192, 194, 199 f., 212 f., 216 f., 218,284,309 f., 317, 329, 331

Stichwortverzeichnis Prescott, John 47, 130, 231 f., 234, 238 f. Privy Council 80, 164 f., 210, 287 f. Quangos 75 f., 80 ff., 109, 161, 192 ff., 196 ff., 200, 206, 208, 227, 230 ff., 315, 239, 300, 334, 337 Rechtsvergleichung (als fünfte Auslegungsmethode) 27, 64 ff., 312, 340, 341 Regional Chambers 167, 227, 229, 232, 235 ff., 242 Regional Development Offices 229, 231 ff., 238 ff., 258 Regionale Repräsentation 288 ff. Regionalismustreue 321 Regionalistische Leitsätze (von Brixen) 259 Reid, John 146, 174, 177 f. Reserved Matters 138 f., 141, 147, 248 f., 343 ff. Robert the Bruce 87 f., 176 Royal Commission on the Constitution 22,49, 108 ff., 116, 188, 315 Salmond, Alex 127, 134 Schottische Identität 93 Scotland-Act 1978 116 ff., 123, 138, 163,354,360 Scotland-Act 1998 48, 71, 73, 78, 80, 83, 106 f., 120, 123 f., 135, 138, 147, 158 ff., 164, 174, 175,200,278,285, 288, 313 f., 316, 330, 334, 343 ff. Scott, Sir Walter 87,111 f. Scottish Constitutional Convention 123 f., 155 f., 165,237,316 f. Scottish National Party (SNP) 23, 62, 84, 95 f., 113, 116, 117 f., 120, 122, 127, 132 ff., 137, 147, 151, 153, 166, 168, 187, 195, 281 f., 284, 309 f., 316, 329, 331

391

Scottish Office 94, 113, 114, 125 f., 129, 134 f., 138 f., 142, 161 f., 172, 279,281,285 f., 288 ff., 299 Secretary of State for Scotland 77, 108, 113, 120, 125 ff., 132, 142, 145 ff., 153, 159, 174,281,284,288, 316 Secretary of State for Wales 120, 130, 154, 187, 191, 193, 195 ff., 203, 205 f., 207, 209 f., 213, 289, 297 Sinn Fein 243, 246, 250 Solicitor General for Scotland 140 Sovereignty of Parliarnent (Parlamentssouveränität) 68 ff, 77, 95 ff., 98, 102, 104 f., 118, 128, 148, 174, 278, 311,320 Spanien 30, 270 ff., 275, 322 f., 335 Strukturfonds 141, 215, 252, 275, 281, 293 f., 295 ff., 323, 336, 338 f. Stuart, Maria 89, 90 Textstufen 25 ff., 54, 59, 60, 64, 84, 148, 312 f., 316, 319, 323, 340 Thatcher, Lady Margret 132,147,191 Trimble, David 129, 246 f. Tudor Acts 22, 182, 185, 222, 316 Ultra-vires-Lehre 74 f., 77, 118, 144 f., 158,249,278 Verfassungssystem (britisches) 63, 67, 84,108,113,119,181,314,328 Verhältniswahl 136 f., 145, 202, 246 Vertrag von Amsterdam 44, 252, 297 Vertrag von Maastricht 44, 253, 254, 280 Wales-Act 1998 77, 161, 164, 196, 200, 202, 207, 210, 215, 218, 288, 293,313,315,317,334 Wallace, William 86 ff., 176 Wechselwirkung 25 ff., 50, 54, 59, 61, 64,177,195,311 f., 340 ff.

392

Stichwortverzeichnis

Welsh Deve10pment Agency (WDA) 212,282 Welsh Office 109, 129, 187, 191 ff., 196, 204, 293 West-Lothian-Question 120, 130 ff. Westminster (Parliament) 69, 73, 83, 97, 107, 125, 128, 131, 134, 137, 139, 142, 145, 148 ff., 154, 158, 162, 173, 179, 189, 192, 194, 198,200 f., 207, 208, 214, 218, 230, 243, 246, 277, 286, 314, 321, 328, 333 Whitehall 23, 83, 120, 142, 146, 189, 191, 192, 207, 214, 215, 241, 288, 299, 307, 321

White Paper 83, 107, 117, 124 ff., 130 f., 134 ff., 146, 150, 152, 159 ff., 167 f., 188, 191, 195 ff., 206

Zentralismus 124 Zentralregierung (central govemment) 24, 32, 34, 40, 45, 48, 63, 113, 125 ff., 141 ff., 151 ff., 161, 166 f., 174, 179, 186, 198, 200, 203 f., 209 f., 226, 230, 232, 238 ff., 249, 265, 271, 273, 278, 283, 287 f., 290, 293,299,321,334