Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen im Verhältnis vertikaler Gewaltenteilung [1 ed.] 9783428551682, 9783428151684

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gestattet das Primärrecht die Schaffung von Agenturen mit umfangre

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Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen im Verhältnis vertikaler Gewaltenteilung [1 ed.]
 9783428551682, 9783428151684

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Schriften zum Europäischen Recht Band 177

Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen im Verhältnis vertikaler Gewaltenteilung

Von Nicolas Sölter

Duncker & Humblot · Berlin

NICOLAS SÖLTER

Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen im Verhältnis vertikaler Gewaltenteilung

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 177

Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen im Verhältnis vertikaler Gewaltenteilung

Von Nicolas Sölter

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

Die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Sommersemester 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany

ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-15168-4 (Print) ISBN 978-3-428-55168-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-85168-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

„Who’s going to protect the states? My court? Ha – we’re feds!“ Antonin Scalia

Danksagung Die vorliegende Arbeit entstand in einem Umfeld, das Muße für akademisches Arbeiten erst ermöglicht hat. Hierfür danke ich allen voran meinen Eltern. Sie haben mir in diesem wie in jedem anderen Lebensabschnitt stets festen Halt und großes Zutrauen gegeben. Ebenso danke ich meiner Lebensgefährtin Friederike für ihre Bereitschaft, die Auswüchse des Schreibprozesses zu jeder Zeit mitzutragen. Mit großer Verbundenheit blicke ich auf den Rat und die Unterstützung von Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann zurück, der meine Arbeit bis zu seinem Tode mit Interesse und wachem Geist begleitet hat. Dank gilt ganz besonders auch Prof. Dr. Markus Kotzur, der mir von vornherein großen Freiraum belassen, meine Gedanken aber auch immer wieder durch kritische Reflexion bereichert und geordnet hat – ein Betreuungsverhältnis, wie ich es mir nicht besser hätte wünschen können. Prof. Dr. Armin Hatje hat durch die Ratschläge eines echten Kenners des europäischen Verfassungs- wie Verwaltungsrechts maßgebliche Denkanstöße beigetragen. Dafür wie für die rasche Begutachtung danke ich auch ihm an dieser Stelle herzlich. Für die Ermöglichung eines viermonatigen Forschungsaufenthalts in Oxford gilt mein Dank Prof. Jennifer Payne vom Merton College sowie Prof. Dr. Reinhard Bork. Diesen besonderen Ort erlebt zu haben, wird mir immer eine teure Erinnerung sein. Die zügige Erstellung des Manuskripts wäre ohne die finanzielle Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung, deren ideelle Förderung überdies regelmäßig das eigene Sichtfeld erweitert hat, nicht möglich gewesen. In dem Bewusstsein, dass eine so zeit- und kostenintensive Ausbildung wie die meine nur wenigen ermöglicht wird, sei der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem für die Förderung maßgeblich aufkommenden deutschen Volk an dieser Stelle Dank gesagt. Für die Übernahme der Druckkosten danke ich dem Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort, dessen Hilfe ich als erstaunlich unkompliziert empfunden habe. Für die Unterstützung im Rahmen der redaktionellen Durchsicht, bei Stilfragen ebenso wie Denkprozessen bedanke ich mich bei Ryan Crimmins, Edward A.­ David, Susi Rosalind Forderer, Dr. Frederik Heinz, Dr. Tim Peters, Stephanie Rid­ ley, Katharina Schuwalski sowie Annika Sölter. Ich schließe mit einem besonderen Dank an meine Freunde Oke Johannsen und Bastian Schneider, die, obgleich beide anderen Rechtsgebieten zugewandt, auch zu später Stunde stets bereit waren, Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und mich aus Sackgassen herauszuführen. Speyer, im Winter 2016

Nicolas Sölter

Inhaltsübersicht Einleitung

23

A. Zur Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. These und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Erster Teil

Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

30

A. Agenturbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 C. Entwicklung, Gründe und bisherige Rechtsgrundlagenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 D. Funktionale Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 E. Einordnung: Institutionengefüge der Europäischen Union/Normenhierarchie . . . . . . 83 F. Einordnung: direkter/indirekter Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 G. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Zweiter Teil

Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

94

A. Zur primärrechtlichen Begründungsbedürftigkeit der Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . 94 B. Umstrittene Meilensteine: Die Rechtssachen ENISA und Leerverkaufsverordnung . 107 C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 D. Art. 290 f. AEUV als Ermächtigungen zur Schaffung unabhängiger Einrichtungen . 212 E. Agenturisierung als Vertragsabrundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

10

Inhaltsübersicht Dritter Teil



Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

237

A. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 B. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs zwischen Direktive, Sammelbegriff und Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 D. Institutionelles Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Gesamtbewertung

296

A. Zusammenfassung der Ergebnisse de lege lata in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 B. Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 C. Summary of Results . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

Inhaltsverzeichnis Einleitung

23

A. Zur Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. These und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Erster Teil

Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

30

A. Agenturbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Regulierungs- und Exekutivagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Alternative Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 C. Entwicklung, Gründe und bisherige Rechtsgrundlagenwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Das Aufkommen europäischer Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Umstrittene Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Der Wandel in der Wahl der Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 D. Funktionale Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Errichtung und Befugniszuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Begriffsabgrenzung: Delegation/Übertragung – Attribution/Zuweisung . . . . . . . 50 III. Überblick über die Befugnisse von Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Übergeordnete Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Die Funktionen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Informatorische, unterstützende und koordinierende sowie de facto rechtsetzende Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Rechtsverbindliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 aa) Gegenüber mitgliedstaatlichen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 bb) Gegenüber Privatsubjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

12

Inhaltsverzeichnis d) Exekutive Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 e) Quasi-judizielle Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Konsequenzen für den Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 IV. Die Meroni-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Die „Doktrin“ des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Übertragbarkeit auf Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 V. Das Romano-Urteil: Erlass von Rechtsakten normativen Charakters durch Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

E. Einordnung: Institutionengefüge der Europäischen Union/Normenhierarchie . . . . . . 83 F. Einordnung: direkter/indirekter Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 G. Zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Zweiter Teil

Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

94

A. Zur primärrechtlichen Begründungsbedürftigkeit der Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. Generelle Zulässigkeit und Verhältnis zur Organverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Institutionelle Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Kompetenzielle Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Rechtspersönlichkeit und Organisationsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Stellen ohne eigene Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Stellen mit eigener Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 III. Gegenstand der Kompetenzabgrenzung und Wahl der richtigen Rechtsgrundlage 105 B. Umstrittene Meilensteine: Die Rechtssachen ENISA und Leerverkaufsverordnung . 107 I. Die Rechtssache ENISA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Vorbringen der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Würdigung durch den Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Kritik und Betrachtung der Schlussanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Aufgaben ohne Harmonisierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Bezug zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bei präventiver Angleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Abgrenzung von Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV) zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Inhaltsverzeichnis

13

d) Erlass rechtsverbindlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 e) Agenturisierung als implied power von Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV) . . 115 II. Die Leerverkaufsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. ESMA- und LeerverkaufsVO im Kontext des ESFS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Art. 28 LeerverkaufsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Zulässigkeit hinsichtlich der Meroni-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4. Art. 290 f. AEUV als Attributionsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 5. Art. 114 AEUV und die rechtsverbindliche Adressierung von Privatsubjekten 126 a) Schlussanträge von Generalanwalt Jääskinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Würdigung durch den Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Zur Bedeutung des Effektivitätsprinzips bei der Ermittlung institutionell-rechtlicher Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Abgrenzung und Verbindung von Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Schwerpunktermittlung und Verfahrenskombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Aufspaltung von Befugnisbündeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4. Auseinanderfallen von Gründungsrechtsakt und weiteren Befugniszuwei­sungen 142 5. Ergänzende und vorsorgliche Abstützung auf Art. 352 AEUV . . . . . . . . . . . . 144 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Art. 114 AEUV als geschriebene Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Errichtung und Funktionieren des Binnenmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Binnenmarktbezug und Entscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Abgrenzung zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz und Verhältnis zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Wahl der Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Keine Beschränkung auf materielle Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 e) Zur Gleichsetzung von sekundärrechtlicher Attribution und potenzieller tertiärer Angleichungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 f) Angleichungswirkung administrativer Einzelfallmaßnahmen . . . . . . . . . . 166 g) Vorbeugende Harmonisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

14

Inhaltsverzeichnis 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 IV. Art. 114 AEUV i. V. m. ungeschriebenen Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Ungeschriebene Kompetenzen im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Implied-Powers-Lehre als Auslegungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Breite und Tiefe der Ausdehnung geschriebener Kompetenzen . . . . . . . . 181 b) Der Begriff des Annexes als logischer Fallstrick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Die Resulting-Powers-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4. Das Verhältnis ungeschriebener Kompetenzen zu Art. 352 AEUV . . . . . . . . . 183 5. Maßstab der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 6. Dienende Funktion in Bezug auf instrumentale Begrenzungen . . . . . . . . . . . 187 7. Prüfung der einzelnen Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Errichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Befugniszuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Informatorische, unterstützende, koordinierende sowie rechtsetzende Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Rechtsverbindliche Entscheidungen und Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 8. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 V. Sonstige Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Institutionell-rechtliche Maßnahmen als Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Einzelne Politiken und ausgewählte Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Verkehrspolitik, Art. 90 ff. AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Wettbewerbspolitik, Art. 103 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Gesundheitspolitik, Art. 168 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Umweltpolitik, Art. 192 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 e) Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Art. 85, 88 AEUV . . . 209 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

D. Art. 290 f. AEUV als Ermächtigungen zur Schaffung unabhängiger Einrichtungen . 212 E. Agenturisierung als Vertragsabrundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 I. Voraussetzungen und Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Erforderlichkeit eines Tätigwerdens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Rechtsfolge: „geeignete Vorschriften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Institutionelle Neuschöpfung zwischen Vertragsabrundung und Vertragsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Inhaltsverzeichnis

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1. Art. 352 AEUV als begrenzte Einzelermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Abgrenzung gegenüber Art. 48 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Keine Unterschiede zu sonstigen Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Quantitative Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 III. Demokratische Qualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Dritter Teil

Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

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A. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 II. Normativer Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Die Formulierung des Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 EUV und der Topos des einheitlichen Vollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Prozedurale Absicherung als Aufgabe von Normativität . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. Transnationaler Bezug des Regelungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 III. Subsidiarität und Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 IV. Agenturen als subsidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 B. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 I. Der Maßstab des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 II. Erforderlichkeit und Angemessenheit  – fehlende Operabilität jenseits von Subsidiaritätserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 III. Abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs zwischen Direktive, Sammelbegriff und Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 I. Normative Anhaltspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Art. 291 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) „Durchführung“ als Handlungsform mit begrenztem Trägerkreis . . . . . . . 267 b) Mehrwert einer analogen Anwendung auf Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Art. 197 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

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Inhaltsverzeichnis 3. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. „Trennungsprinzip“ als Beschreibung der kompetenziellen Gesamtschau . . . . . 277 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

D. Institutionelles Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 I. Erlass- und Entwicklungsmonopol der Kommission nach Art. 290 f. AEUV . . . 281 1. Art. 290 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Art. 291 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 II. Art. 17 EUV als Zuständigkeitsvermutung zulasten von Agenturen . . . . . . . . . . 287 III. Spezielle primärrechtliche Vollzugsbefugnisse der Kommission . . . . . . . . . . . . . 289 IV. Weitere Abgrenzung zu Organen und Gebot der Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 V. Rückbindung an die Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Gesamtbewertung 296 A. Zusammenfassung der Ergebnisse de lege lata in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 B. Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 C. Summary of Results . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

Abkürzungsverzeichnis Hinsichtlich der verwendeten Abkürzungen wird auf H. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Aufl. 2012, verwiesen. Der Ergänzung und Übersichtlichkeit halber seien nachstehend die wichtigsten Abkürzungen erklärt: anderer Auffassung a. A. AA Auswärtiges Amt a. a. O. am angegebenen Ort ABl. Amtsblatt Abs. Absatz ACER Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (englisch: European Agency for the Cooperation of Energy Regulators) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV a. F. alte Fassung AG Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) AJIL American Journal of International Law AMF Autorité des marchés financiers Anm. Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts AöR Aufl. Auflage ausf. ausführlich BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bayerische Verwaltungsblätter BayVBl. BEREC Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (englisch: Body of European Regulators of Electronic Communica­tions) BGBl. Bundesgesetzblatt BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht bspw. beispielsweise BVerfG Bundesverfassungsgericht CCPA Croatian and Comparative Public Administration Cahiers de droit européen CDE CdT Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union (französisch: Centre de Traduction) Cedefop Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (französisch: Centre Européen pour le Développement de la Formation Professionnelle) Europäische Polizeiakademie (englisch: European Police College) CEPOL s. EFCA CFCA CML Rev Common Market Law Review Gemeinschaftliches Sortenamt (englisch: Community Plant Variety Office) CPVO ders. derselbe dies. dieselbe DÖV Die Öffentliche Verwaltung

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Abkürzungsverzeichnis

Europäische Agentur für den Wiederaufbau (englisch: European Agency for Reconstruction) Europäische Agentur für Flugsicherheit (englisch: European Aviation Safety EASA Agency) Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen (englisch: European AsyEASO lum Support Office) Europäische Bankenaufsichtsbehörde (englisch: European Banking Autho­rity) EBA ebd. ebenda ECDC Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (englisch: European Centre for Disease Prevention and Control) Europäische Chemikalienagentur (englisch: European Chemicals Agency) ECHA Europäische Verteidigungsagentur (englisch: European Defence Agency) EDA s. EUA EEA Europäische Fischereiaufsichtsagentur (englisch: European Fisheries ConEFCA trol Agency, vormals Community Fisheries Control Agency) Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (englisch: European Food EFSA Safety Authority) EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (englisch: European Institute EIGE for Gender Equality) EIOPA Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (englisch: European Insurance and Occupational Pensions Authority) European Journal of International Law EJIL EL Ergänzungslieferung European Law Journal ELJ ELRev. European Law Review EMA Europäische Arzneimittelagentur (englisch: European Medicines Agency) EMCDDA European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction Europäische Menschenrechtskonvention EMRK EMSA Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (englisch: European Maritime Safety Agency) endg. endgültig ENISA Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (englisch: European Network and Information Security Agency) Entsch. Entscheidung EP Europäisches Parlament EPA s. CEPOL EPIN European Policy Institutes Network ERA Europäische Eisenbahnagentur (englisch: European Railway Agency) European Supervisory Authorities ESA ESFS European System of Financial Supervision ESMA Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (englisch: European Securities and Markets Authority) Europäischer Ausschuss für Systemrisiken (englisch: European Systemic ESRB Risk Board)  et al. et alii/aliae/alia EAR

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Europäische Stiftung für Berufsbildung (englisch: European Training Foundation) Europäische Umweltagentur (englisch: European Environment Agency/EEA) EUA Gericht der Europäischen Union EuG EuGH Europäischer Gerichtshof EuGRZ Europäische Grundrechte Zeitschrift s. ISS EUISS Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen Eu-LISA im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (englisch: European Agency for the operational management of large-scale IT systems in the area of freedom, security and justice) Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und FremdenfeindlichEUMC keit (englisch: European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia) Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz EU-OSHA (englisch: European Agency for Safety and Health at Work) Europarecht (Zeitschrift) EuR EURATOM Europäische Atomgemeinschaft EUROFOUND Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (englisch: European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions) Europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit (englisch: European Eurojust Union Agency for Criminal Justice Cooperation) Europol Europäisches Polizeiamt EurUP Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht Satellitenzentrum der Europäischen Union (englisch: European Union SatelEUSC lite Centre) Vertrag über die Europäische Union EUV EUZBLG Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht s. EDA EVA EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) FG Festgabe Fn. Fußnote Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (englisch: European FRA Union Agency for Fundamental Rights) Frontex Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (aus dem Französischen: Frontières extérieures) FS Festschrift GA Generalanwalt GEREK s. BEREC GG Grundgesetz ggü. gegenüber GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GSA Agentur für das Europäische GNSS (englisch: European GNSS Agency) HABM Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle/ englisch: Office for Harmonization in the Internal Market/OHIM) ETF

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Abkürzungsverzeichnis

Hervorh. Hervorhebung HRN Hamburger Rechtsnotizen Hrsg. Herausgeber i. d. F. in der Fassung i. d. R. in der Regel i. e. id est im engeren Sinne i. e. S. Institute for Monetary and Financial Stability IMFS insb. insbesondere IntVG Integrationsverantwortungsgesetz im Rahmen i. R. i. S. im Sinne ISS Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien (englisch: European Union Institute for Security Studies) in Verbindung mit i. V. m. Jura Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ Juristen Zeitung KOM Dokumente der Europäischen Kommission Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft KritV Kredit & Rating Praxis KRP lit. litera MJ Maastricht Journal of European and Comparative Law MS Mitgliedstaat(en) mit weiteren Nachweisen m. w. N. NJW Neue Juristische Wochenschrift Natur und Recht NuR NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht s. HABM OHIM OJLS Oxford Journal of Legal Studies Pt. Punkt RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals REACH Revue du Marché Commun RevMC RFSR Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Recht der Internationalen Wirtschaft RIW RL Richtlinie Rn. Randnummer Rs. Rechtssache s. siehe S. Seite sog. sogenannt Spstr. Spiegelstrich SRB Single Resolution Board StoffR Zeitschrift für Stoffrecht u. a. unter anderem UAbs. Unterabsatz verb. Rs. verbundene Rechtssache(n)

Abkürzungsverzeichnis

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Verf. Verfasser Verw. Die Verwaltung – Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwaltungswissenschaften VerwArch Verwaltungsarchiv vgl. vergleiche VO Verordnung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VVDStRL Vertrag über eine Verfassung für Europa VVE Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZaöRV zum Beispiel z. B. Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZBB ZEuS Zeitschrift für Europarechtliche Studien ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZHR Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik ZIS ZUR Zeitschrift für Umweltrecht ZVersWiss Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

Einleitung A. Zur Thematik Die Dynamik der europäischen Integration besteht nach Jean Monnet in kleinen Schritten von nachhaltiger Bedeutung.1 Ihre wissenschaftliche Begleitung vermag Entwicklungen vielfach weder zu prognostizieren, noch die Tragweite aktueller Integrationsschritte ohne Verzögerung zu erkennen. So wurde die Gründung des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung im Jahre 19752 kaum als folgenschwer für das künftige Erscheinungsbild eines vereinten Europas wahrgenommen.3 Blickt man dagegen auf die heutige Anzahl der Agenturen – es sind nach der weitestgehenden Definition nicht weniger als 40 –4, zudem auf die Vielschichtigkeit ihrer Aufgaben und Befugnisse, muss die Errichtung dieser ersten Agentur der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als Ausdruck eben jener unprätentiösen, aber kraftvollen Dynamik betrachtet werden. Für ein System, das anstelle einzelner qualitativer Sprünge auf das stete Walten endogener Triebkräfte baut, konnte denn auch ein institutioneller Gesamtentwurf die längste Zeit nachrangig bleiben.5 Während für die Bildung von Nationalstaaten, ihrem Souveränitätsanspruch entsprechend, das Ringen um Institutionalisierung im Vordergrund stand, lag ein Wesensmerkmal des frühen europäischen Integrationsprozesses in dem pragmatischen Ansatz, der Geltung von Recht gegenüber der Errichtung es vollziehender Einrichtungen Vorrang einzuräumen. Mag das Lissabonner Re 1 Die prägnante Formel wird Monnet immer wieder zugeschrieben, so bei A. Grimmel/ C. Jacobeit, Politische Theorien der Europäischen Integration, S. 99; F. Knipping, Die „­ Méthode Monnet“ der europäischen Integration: Mythos und Realität, in: Baumann/Braukmann/Matthes (Hrsg.), FS Koubek, S. 363, 369. Ein wörtlicher Nachweis findet sich – soweit ersichtlich – dagegen nicht. Inhaltlich kann Monnet gleichwohl als Vater dieser als neofunktionalistisch beschriebenen Integrationsmethode angesehen werden, hat er sie doch als Vorsitzender der Pariser Schumann-Plan-Konferenz sowie als Präsident der Hohen Behörde der Montanunion praktisch maßgeblich geprägt. 2 VO (EWG) Nr. 337/75 des Rates vom 10.2.1975 über die Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop), ABl. EWG L 39, S. 1, zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 2051/2004 des Rates vom 25.10.2004, ABl. EG L 355, S. 1. 3 Das ist freilich auch den nur schwachen Befugnissen der ersten Agenturen geschuldet (vgl. aber die frühe Beobachtung durch M. Hilf, ZaöRV 36 (1976), S. 551–585). 4 S. die offizielle Aufzählung, abrufbar unter: http://europa.eu/about-eu/agencies/index_de. htm (22.10.2016); A. Musa zählt für 2013 ohne Nachweis 44, dies., CCPA 14 (2014), S. 317, 330. 5 W. Wessels, Jean Monnet – Mensch und Methode, Überschätzt und überholt?, Reihe Politikwissenschaft/Institut für höhere Studien (Wien), 74, 2001, S. 9, abrufbar unter: http://www. ihs.ac.at/publications/pol/pw_74.pdf (29.2.2016); vgl. auch J.  Pinder, Positive Integration and Negative Integration: Some Problems of Economic Union in the EEC, The World Today, Vol. 24 No. 3 (1968), S. 88–110, insb. S. 97 ff.

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Einleitung

formvertragswerk nunmehr auch vielen als abschließendes Institutionengefüge erscheinen, haben sich hierin tatsächlich zahlreiche offene Fragen organisationsrechtlicher Natur erhalten. Zu diesen zählt die Frage nach den Rechtsgrundlagen der Agenturisierung6. Das Integrationskonzept der kleinen Schritte, gepaart mit einer dynamischen Auslegung vertraglicher Vorgaben, befördert an dieser Stelle seit vielen Jahren eine die ursprüngliche Verwaltungskonzeption der Europäischen Union hinterfragende Rechtspraxis. Durch die jüngste Welle institutioneller Neuschöpfungen im Zuge der Finanzmarktkrise tritt dies umso deutlicher hervor, als bspw. die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Author­ ity, ESMA) qualitativ nur noch wenig mit jenem Zentrum für Berufsbildungsförderung gemein hat: Hier geht es nicht mehr allein um Informationsbeschaffung oder Beratung, sondern um zum Teil  grundrechtsintensive Entscheidungen, die den Unionsbürger unmittelbar und verbindlich adressieren. Die Heranziehung von Art. 114 AEUV zur Schaffung solcher qualitativ neuarti­ gen Agenturen erstaunt nicht nur auf den ersten Blick. Angesichts der herausragenden praktischen Bedeutung der Binnenmarktklausel dürften nur wenige Vorschriften der Verträge bestehen, die dem europarechtlich Interessierten vertrauter erscheinen. Lässt der Wortlaut der Norm auch einen sehr weiten Anwendungsbereich als Rechtsgrundlage materiellen Rechts erahnen, fragt es sich, wie eine Angleichung mitgliedstaatlicher Rechts- und Verwaltungsvorschriften durch Maßnahmen institutionell-rechtlicher Natur erfolgen soll. Denn das mitgliedstaatliche Recht wird durch die Schaffung von Stellen, die im Wesentlichen verwaltend auftreten, zunächst einmal überhaupt nicht berührt. Klärungsbedürftig ist ebenfalls der insofern naheliegende, aber mit Blick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung bedenkliche Ansatz, der Union Verwaltungskompetenzen nach der Implied-Powers-Lehre zuzusprechen. Die Frage, inwiefern „Sachkompetenzen“ eine organisationsrechtliche Dimension zukommt, ist freilich nicht auf Art. 114 AEUV beschränkt. Eine kaum überschaubare Vielzahl spezieller Kompetenznormen ermächtigt zu so weit gefassten Rechtsfolgen wie „Maßnahmen“. Entsprechend wurde bereits eine ganze Reihe politikfeldbezogener Vorschriften 6 Der Begriff wird zur Beschreibung sowohl des verwaltungspolitischen Trends in seiner Gesamtheit als auch der Schaffung einzelner Agenturen verwendet; zu ersterem Gebrauch vgl. J.  Gal, ZVersWiss 2013, S.  325; R.  Priebe, EuZW 2015, S.  268; zum österreichischen Verwaltungsrecht vgl. F.  Ohler, Neue Wege in der Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik zwischen Bund und Bundesländer [sic], S.  19, abrufbar unter: http://www.rat-fte.at/ tl_files/uploads/Studien/Technopolis_NEUE_WEGE_BUND_BUNDESLAENDER2004.pdf (29.2.2016); zu letzterem Gebrauch vgl. S. Hobe/O. Heinrich/I. Kerner/A. Froehlich, Entwicklung der Europäischen Weltraumagentur als „implementing agency“ der Europäischen Union: Rechtsrahmen und Anpassungserfordernisse, bspw. S.  81 f. Angeführt wird der Begriff auch bei GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 19. Dem entspricht eine verbreitete Verwendung des Begriffs „Agencification“ in der englischsprachigen Europarechts­ wissenschaft, vgl. bspw. M. Scholten/M. van Rijsbergen, German Law Journal 15 (2014), S. 1223–1256.

A. Zur Thematik

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zur Gründung von Agenturen herangezogen.7 Durch die modale Vorgabe der Rechtsangleichung und einen kaum eingrenzbaren Regelungsbereich gestaltet sich Art. 114 AEUV für den Fragenkreis gleichwohl als Brennspiegel. Dass der Wahl der Rechtsgrundlage eine politische Tragweite zukommt, verdeutlicht das Verfahren um die kompetenzielle Ausstattung der ESMA. Art. 352 AEUV, dessen Vorgängernormen die längste Zeit für die Errichtung von Agenturen bemüht wurden, setzt einen einstimmigen Ratsbeschluss voraus. Die Errichtung der Finanzmarktaufsichtsagenturen wäre demnach angesichts britischen Widerstands jedenfalls im erfolgten Umfang kaum möglich gewesen.8 Die Eröffnung von Verfahren nach dem Mehrheitsprinzip durch Kompetenznormen wie Art.  114 AEUV wirkt dagegen als Katalysator einer immer ambitionierteren Agenturpolitik.9 Ein Ende des Trends, Unionsrecht außerhalb der gemeinhin als originäre Verwaltungseinrichtung der Union verstandenen Kommission direkt zu vollziehen, ist nicht in Sicht. Erweitert man den Fokus von einer isolierten Betrachtung einzelner Rechtsgrundlagen auf eine Gesamtschau des europäischen Verfassungsrechts, scheinen hierdurch grundlegende Direktiven der Europäischen Verträge angeschnitten. Als dritter Weg neben dem mitgliedstaatlichen und dem unionalorganschaftlichen Vollzug hat das Agenturmodell das Potenzial, die auf begrenzten Einzelermächtigungen und nominell auf Subsidiarität fußende vertikale Gewaltenteilung der Verträge in erheblichem Maße infrage zu stellen. Die Weite der einzelnen vertraglichen Ermächtigungen berührt übergeordnete Aspekte der Kompetenzverteilung vor allem deshalb, weil ihre Offenheit hinsichtlich der kompetenziellen Ausstattung von Agenturen vielfach als Präjudiz für die Prüfung weiterer normativer Vorgaben dient. Das gilt einerseits für die hinlänglich diskutierte, bislang in erster Linie an der Meroni-Rechtsprechung10 festgemachte Frage nach der generellen Zulässigkeit weitreichender Agenturbefugnisse, insbesondere solcher zu Ermessensentscheidungen. Andererseits lässt sich, wie zu zeigen sein wird, ein positives Ergebnis der Rechtsgrundlagenprüfung kaum je durch die generellen Schranken der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit einfangen. Obgleich also der Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung auf den einzelnen Rechtsgrund 7 Etwa für die Europäische Umweltagentur die Kompetenz zur Erreichung umweltpolitischer Ziele (Art. 130s EGV, jetzt Art. 192 AEUV), für die Agenturen zur Flugsicherheit, Seefahrt und Bahn die Kompetenzen zur gemeinsamen Verkehrspolitik (Art. 80 Abs. 2 EG, jetzt Art. 100 Abs. 2 AEUV; Art. 71 Abs. 1 EG, jetzt Art. 91 Abs. 1 AEUV), für die Behörde für Lebensmittelsicherheit die Kompetenz im Bereich des Gesundheitswesens (Art.  152 Abs.  4 lit. b. EG, jetzt Art. 168 Abs. 4 lit. b. AEUV), für das Europäischen Institut für Gleichstellung die Kompetenzen zu Antidiskriminierungsmaßnahmen und zu Maßnahmen betreffend den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (Art. 13 Abs. 2 EG, jetzt Art. 19 Abs. 2 AEUV; Art. 141 Abs. 3 EG, jetzt Art. 157 Abs. 3 AEUV), vgl. M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 612; ausführlich dazu u. 2. Teil C V. 8 S. GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 58; N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 157. 9 R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 722; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 614. 10 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde  – Meroni I), Slg.  1958, 9 ff.; Rs. C-10/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni II), Slg. 1958, 51 ff.

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Einleitung

lagen liegt, sollen die Ergebnisse in Bezug zur Kompetenzordnung im umfassenden Sinne gesetzt werden. Im Gegensatz dazu hat sich das Schrifttum bislang vor allem mit Legitimation, Kontrolle und abstrakt zulässiger Machtfülle von Agenturen beschäftigt.11 Zwar hat auch die Heranziehung von Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage ein Echo erfahren, die Auseinandersetzung blieb jedoch meist auf den engen Zusammenhang der jeweiligen Agenturgründung beschränkt oder wurde nur nachrangig behandelt.12 Der EuGH scheint die Bestimmung der Grundlagen und Grenzen des Agenturmodells durch eine weitgehende Rücknahme der Meroni-Rechtsprechung und die Billigung der beschriebenen Rechtsgrundlagenwahl eher noch zu erschweren.13 In Zeiten einer latenten Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise mag das politisch nachvollziehbar sein. Aufgegeben wird allerdings eine Konturierung unionaler Kompetenzen, die zu zeichnen der Anspruch einer Rechtsgemeinschaft14 sein sollte. Hinzu kommt, dass sowohl die Interpretation einzelner Vorschriften als auch die Abmessung am vertraglichen Gesamtgefüge bis dato unter einer Vernach­ lässigung der Besonderheiten des Agenturmodells leiden. So hat sich für die Unterscheidung zwischen der Zuweisung einzelner Befugnisse und der eigentlichen Errichtung bisher noch keine einheitliche Terminologie, geschweige denn eine abschließende systematische Erfassung herausgebildet. In der Folge werden die verschiedenen Aspekte oftmals pauschal und ohne nähere Betrachtung als bloße Annexe materiell-rechtlicher Regelungen eingeordnet oder mit organschaftlichen Vollzugsformen gleichgesetzt. Bedenklich ist ferner der Gebrauch gewohnter Argumentationsmuster durch Rechtsprechung und Lehre, insbesondere der Topoi von einheitlicher Anwendung und praktischer Wirksamkeit des Unionsrechts, die sich schon ihrem Wesen nach nicht unreflektiert auf institutionell-rechtliche Kompetenzen übertragen lassen. Hier ist zu hinterfragen, welche Leitlinien ihre Be 11 Vgl. statt vieler M. Chamon, CML Rev 48 (2011), S. 1055–1075; Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen; S.  Griller/A. Orator, Meroni Revisited  – Em­ powering European Agencies between Efficiency and Legitimacy, New Models of Governance Working Paper 04/D40; A. C.  Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europä­ ischer Agenturen; M. Scholten, The Political Accountability of EU and US Independent Reg­ ulatory Agencies. Die grundlegende Untersuchung von D. Fischer-Appelt geht in Teilen auf Rechtsgrundlagen ein, vgl. dies., Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 78–180. 12 Vgl. jüngst zur Gründung der ESA insb. N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 155 ff.; T. O. Koslowski erörtert die Zulässigkeit dagegen auch hinsichtlich relevanter Verfassungsstrukturprinzipien, vgl. ders., Die Europäische Banken­ aufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 103 ff.; eine grundlegende, wenn auch knappe Untersuchung findet sich bei R. Vetter, DÖV 2005, S. 721–731; eine ausführliche Behandlung leisten P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 64–88, Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7–30, dies., Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 150–198, sowie C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 39–88. 13 Vgl. EuGH (Große Kammer) v. 22.1.2014, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349–355. 14 Ausführlich zu diesem von W. Hallstein geprägten Begriff u. 2. Teil C. I. (Fn. 228).

A. Zur Thematik

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rechtigung gerade aus der eingangs beschriebenen ursprünglichen konzeptionellen Abwesenheit unionseigener Vollzugsgewalt schöpfen und daher für die Schaffung einer solchen außer Acht bleiben müssen. Die Auseinandersetzung mit dem einschlägigen Schrifttum verdeutlicht überdies eine erstaunliche Ambivalenz: Vielfach wird die Schaffung immer neuer Agenturen unter teils drastischen Vergleichen als Auswuchs eines demokratieabstinenten Leviathans beschrieben.15 Die anschließenden Versuche einer Einhegung enden dann jedoch zumeist in einem Klagen über fehlende vertragliche Vorgaben. Verbreitet ist insbesondere die Auffassung, das Ausufern des Agenturmodells kollidiere „eigentlich“ mit dem Grundsatz der Subsidiarität bzw. mit einem generellen Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs. Wie mit diesen (fraglichen) Direktiven operiert werden soll, bleibt dagegen im Ungefähren. Die Kritik scheint damit in Teilen die Grenzen dessen zu verlassen, was Rechtsauslegung zu rechtfertigen vermag. Dass es möglicherweise eine Konzeptlosigkeit der Verträge selbst ist, die eine gemeinhin als unbefriedigend empfundenen Rechtspraxis begünstigt, gibt Anlass zur Diskussion, ob offene Fragen und Wertungswidersprüche de lege lata für eine Vertragsänderung fruchtbar gemacht werden sollten. Bereits ein erster kritischer Zugang offenbart, dass die beschriebenen „kleinen Schritte“ selbst in einer zunächst so formalistisch anmutenden Frage wie der Wahl der Rechtsgrundlage eine erhebliche Dynamik für die europäische Verfassungswirklichkeit entfalten können. Bei ihrem Abgleich mit den Vorgaben des Primärrechts verfolgt die vorliegende Arbeit einen funktionalen Ansatz: Die verschiedenen Tätigkeiten von Agenturen werden kategorisiert und an einzelnen Kompetenznormen ebenso wie an Strukturvorgaben der Verträge gemessen. Dass man die Rechtsprechung des EuGH zu den Befugnissen von Agenturen mittlerweile durchaus als Festlegung auf ein Laissez-faire begreifen kann, wird insoweit nicht als Hindernis, sondern als Aufforderung zu ihrer Hinterfragung verstanden.16

15 M. Brenner etwa sieht die Gefahr eines „Krebsgeschwürs“ und eines „organisationsrechtlichen Fluchs“, vgl. ders., in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 193, 195; differenzierter K. F. Gärditz, AöR 135 (2010), S. 251, 260; vgl. die allgemeine Kritik zur Entpolitisierung der europäischen Verwaltung, ders., JZ 2010, S. 198, 200. 16 Die Situation ähnelt derjenigen nach der Errichtung des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt. So sprach H.  Jung der Diskussion um die Grenzen der Ermächtigung nach Art.  308 EGV (ex-Art.  235 EGV), auf die das Harmonisierungsamt gestützt worden war, nach der einstimmigen Verabschiedung der MarkenVO im Rat jede praktische Bedeutung ab, vgl. ders., in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS Everling (Bd. I), S. 611 – Die Frage nach der Rechtsgrundlage brauche nicht mehr ernsthaft vertieft zu werden. Zu Recht stellte R. Uerp­ mann klar, dass eine rechtliche Analyse auch dort, wo Entwicklungen „kaum en bloc verworfen werden können“ im Interesse von „Korrekturen von Fehlentwicklungen“ sinnvoll bleibt, ders., AöR 125 (2000), S. 551, 558.

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Einleitung

B. These und Gang der Untersuchung Der folgenden Untersuchung liegt die These zugrunde, dass der kompetenzielle Dreiklang des Art. 5 EUV – das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, das Subsidiaritätsprinzip sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit  – der Schaffung von Agenturen kaum entgegensteht, sondern den Verträgen insgesamt nur allgemeine Mindestvorgaben entnommen werden können, die sich auf die Qualität von Befugnissen und die Anforderungen an die Steuerung und Kontrolle durch die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten beziehen. Bedingt durch einen Wandel in der Auslegung der vormals nur als „Sachkompetenzen“ verstandenen politikfeldbezogenen Kompetenznormen steht der Union die Schaffung unabhängiger Einrichtungen in den Grenzen ihrer materiellen Zuständigkeiten mittlerweile nahezu völlig frei. Das gilt umso mehr bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH in Bezug auf die Binnenmarktklausel. Insbesondere ist keine generelle Vermutung der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit für den Vollzug von Unionsrecht jenseits von Art. 5 EUV festzustellen. Das europäische Verfassungsrecht nach Lissabon steht damit in Widerspruch zu einem vermeintlich tradierten Kerngehalt vertikaler Gewaltenteilung. Beim Beweis dieser These sollen vertragliche Wertungswidersprüche – insbesondere in Bezug auf die Vorgaben zum Vollzug durch die Kommission – ebenso aufgezeigt werden wie Diskrepanzen zwischen der Operabilität von Art. 5 EUV und den dahinterstehenden Ideen. Die Untersuchung erfolgt in drei Teilen: Bevor näher auf die eigentlichen Rechtsfragen eingegangen wird, gilt es zu klären, was überhaupt unter dem Begriff der Agentur zu verstehen ist, wie sich Agenturen unterscheiden lassen und welche Entwicklung der Gründungsprozess insbesondere in Bezug auf die Rechtsgrundlagenwahl bislang genommen hat. In diesem ersten Teil sind auch die beiden Teilaspekte der „Agenturgesetzgebung“ – die Errichtung und die Befugniszuweisung – rechtstheoretisch zu erfassen. Sodann wird der Versuch einer Kategorisierung der vielfältigen Aufgaben und Tätigkeiten von Agenturen unternommen. Mit der Meroni- und Romano-Rechtsprechung17 des EuGH werden überdies die wesentlichen richterlichen Grundpfeiler zur zulässigen Reichweite von Befugnissen unabhängiger Einrichtungen aus der Frühphase der europäischen Integration dargestellt. Seinen Abschluss findet dieser vor allem deskriptive Teil mit der Einordnung des Agenturmodells in das Institutionengefüge der Union und die hergebrachte Dichotomie von direktem und indirektem Vollzug. Im zweiten Teil erfolgt die Untersuchung von Agenturen im Hinblick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nach Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EUV. Den Ausgangspunkt bilden Überlegungen zur generellen Zulässigkeit sekundärrechtlich geschaffener Einrichtungen und  – die Regulierungsagenturen von ab 17 EuGH, Rs. C-98/80 (Giuseppe Romano v. Institut national d’assurance maladie-invalidité), Slg. 1981, 1241; zur Meroni-Rechtsprechung s. o. Fn. 10.

B. These und Gang der Untersuchung

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hängigen, nachgeordneten Stellen abgrenzend – zum Fehlen einer hinreichenden allgemeinen Organisationsautonomie der Union. Sodann werden mit den Rechtssachen ENISA18 und Leerverkaufsverordnung19 die beiden für diesen Bereich wesentlichen Judikate dargestellt und vor dem Hintergrund abweichender Schlussanträge diskutiert. Im Folgenden richtet sich der Blick auf die Rechtsgrundlagen selbst. Vorüberlegungen werden zum Effektivitätsprinzip als Auslegungsmaxime institutionell-rechtlicher Kompetenzen und zu organisationsrechtlichen Konkurrenzverhältnissen von Einzelermächtigungen angestellt. Es folgt die Untersuchung der organisationsrechtlichen Reichweite von Art. 114 AEUV, wobei ein Schwerpunkt auf der Auslegung nach der Implied-Powers-Doktrin liegt. Anschließend richtet sich der Blick auf sonstige Rechtsgrundlagen spezieller Politikbereiche, ohne dass eine erschöpfende Darstellung angestrebt wird. Schließlich werden als bereichsübergreifende Vorschriften Art.  290 f. AEUV (hier nur als Einzelermächtigungen) und die praktisch überaus bedeutsame Vertragsabrundungsklausel, Art. 352 AEUV, erörtert. Mit dem dritten Teil wird die aufgezeigte Weite der Rechtsgrundlagen in Bezug zu kompetenz- und organisationsrechtlichen Verfassungsstrukturprinzipien gesetzt. Im Rahmen von Art.  5 EUV zählen dazu das Subsidiaritätsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ein besonderes Augenmerk wird auf die argumentative Verflochtenheit der Begründungsmuster des Unionsgesetzgebers hinsichtlich Einzelermächtigung, Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität gelegt. Anknüpfend soll beleuchtet werden, was sich hinter der vielfachen Behauptung eines generellen Vorrangs des mitgliedstaatlichen Vollzugs jenseits von Art. 5 EUV verbirgt. Bei der Auseinandersetzung mit diesem „Trennungsprinzip“ erfährt vor allem Art.  291 AEUV  – nun nicht als Rechtsgrundlage, sondern gleichsam als Sperre für Agenturgründungen – eine nähere Betrachtung. Mit dem heuristischen Topos vom institutionellen Gleichgewicht wird zudem kurz auf die wesentlichen horizontalen Begrenzungen für Agenturen, insbesondere bei der Mitwirkung an Rechtsetzungsverfahren, eingegangen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden in Thesen zusammengefasst und schließlich in einem „Agentur-Artikel“ für einen Reformvorschlag fruchtbar gemacht.

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EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771. EuGH (Große Kammer) v. 22.1.2014, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349–355.

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Erster Teil

Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund Der Frage nach einer Rechtsgrundlage geht die Frage voraus, was diese überhaupt leisten soll. Der Terminus „Agentur“ ist griffig, primärrechtliche Veranlagung wie praktische Erscheinung des Agenturmodells sind dagegen umso schwieriger zu fassen. Im folgenden Teil sollen daher Definition, Typologie, Entwicklung und Funktionen von Agenturen beleuchtet werden. Mit der Meroni- und der Romano-Rechtsprechung1 werden außerdem schon an dieser Stelle die einschlägigen richterrechtlichen Leitlinien auf ihre Aktualität hin überprüft. In Bezug auf allgemeine Verfassungsstrukturprinzipien gilt es darüber hinaus, den Standpunkt von Agenturen im Gefüge der Unionsorgane und der europäischen Mehrebenenverwaltung2 zu verorten.

A. Agenturbegriff Eine offizielle und einheitlich verwendete, geschweige denn vertragliche Definition des Begriffs „Agentur“ existiert bislang nicht.3 Zwar erweitert die deutsche Fassung des AEUV den Institutionenkreis aus Organen (Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 EUV) und Einrichtungen (bspw. beratende Ausschüsse) in den Vorschriften über den gerichtlichen Rechtsschutz um die Kategorie der „sonstigen Stellen4, unter die Agenturen uneinheitlich gefasst werden.5 In einigen nordischen und slawischen 1 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde  – Meroni I), Slg.  1958, 9 ff.; Rs. C-10/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni II), Slg. 1958, 51 ff.; Rs. C-98/80 (Giuseppe Romano v. Institut national d’assurance maladie-invalidité), Slg. 1981, 1241. 2 Zum Begriff s. statt vieler E. Pache, Verantwortung und Effizienz in der Mehrebenenverwaltung, VVDStRL 66 (2007), S. 106, 108–112. 3 E. Vos, Independence, Accountability and Transparency of European Regulatory Agencies, in: Geradin/Muñoz/Petit (Hrsg.), Regulation through Agencies in the EU, S. 122. 4 Vgl. Art. 263 Abs. 1 S. 2, Abs. 5, Art. 265 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, Art. 267 Abs. 1 lit. b sowie Art. 277 AEUV. 5 S. nur Ch. Gaitanides, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 263 AEUV Rn. 14; S. Hobe/O. Heinrich/I. Kerner/A. Froehlich, Entwicklung der Europäischen Weltraumagentur als „implementing agency“ der Europäischen Union: Rechtsrahmen und Anpassungserfordernisse, S. 64; wohl auch W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn.  476 ff., wo jedoch auf die fehlende Stringenz der Begrifflichkeiten hingewiesen und eine Unterscheidung hinterfragt wird (kritisch auch C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 132). In offiziellen Dokumenten und im Sekundärrecht scheinen die Organe der Union Agenturen demgegenüber als

A. Agenturbegriff

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Fassungen findet der Agenturbegriff sogar eine ausdrückliche Erwähnung.6 Näher bestimmt werden die „sonstigen Stellen“ bzw. „agencies“ allerdings nicht. Immer wieder gab es deshalb Bestrebungen von Seiten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, zu einem einheitlichen Rechtsrahmen und einer begrifflichen Klärung der Agenturen zu finden.7 In der gemeinsamen Erklärung dieser Organe vom 19.7.2012 wurden schließlich zahlreiche Merkmale fixiert.8 Da die bereits bestehenden Agenturen jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten, auf der Grundlage verschiedener Vertragsregime und nur punktuell errichtet wurden, kann die unverbindliche Erklärung freilich nur für künftige Gründungen oder Änderungen Maßstäbe setzen.9 Die folgende Definition des Agenturbegriffs fußt daher vor allem auf Induktionen des Schrifttums. Für die Eigenschaft als Agentur ist es zunächst unerheblich, ob die Einrichtung als Agentur bezeichnet wird.10 Dass bspw. ebenso „Behörden“11, „Stiftungen“12, „Ämter“13 und „Stellen“14 Agenturen sein können, ergibt sich bereits aus der Abwesenheit eines fixen primärrechtlichen Agenturmodells, das eine entsprechende Bezeichnung vorsehen könnte. Nicht eine formelle Einordnung, sondern gemein„Einrichtungen“ aufzufassen, vgl. Art. 19 Abs. 1 S. 1 der VO (EG) Nr. 1592/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit, ABl. EG 2002 L 240/1. 6 So insbesondere in der englischen Fassung („offices and agencies“), zu den weiteren Fassungen s. den Sprachvergleich bei S. Hobe/O. Heinrich/I. Kerner/A. Froehlich, Entwicklung der Europäischen Weltraumagentur als „implementing agency“ der Europäischen Union: Rechtsrahmen und Anpassungserfordernisse, S. 64 (dort Fn. 303). 7 S. die Mitteilung der Kommission zu den Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2002) 718 endg., den (gescheiterten) Entwurf der Kommission für eine interinstitutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die Europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2005) 59 endg., und die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zu möglichen Perspektiven europäischer Agenturen, KOM (2008) 135 endg. 8 Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 19.7.2012 zu den dezentralen Agenturen, vgl. insb. Anhang: Gemeinsames Konzept, I. 1. 9 Ähnlich: Mitteilung der Kommission zu den Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2002) 718 endg., S. 3. 10 S. W. Kilb, EuZW 2006, S. 268, 269; S. Kirste, VerwArch 2011, S. 268, 271 f.; M. Wittin­ ger, EuR 2008, S. 609. 11 Etwa die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit oder jüngst die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA sowie die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA. 12 Bspw. die Europäische Stiftung für Berufsbildung ETF. 13 So das Gemeinschaftliche Sortenamt. Keine Agentur der Europäischen Union bildet dagegen das Europäische Patentamt, da dieses keine Unionseinrichtung ist, sondern auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dem Europäischen Patentübereinkommen, geschaffen wurde, A. Hatje/S. v. Förster, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 1, § 10 Rn. 210. 14 Z. B. die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht EMCDDA.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

same Eigenschaften führen abstrahierend zum Agenturbegriff.15 Angesichts verbreiteter Verwirrung nicht nur unter juristischen Laien sollen künftige Agenturen jedoch auch als solche bezeichnet werden,16 wobei jüngere Gründungen wie der als Agentur ausgestaltete17 Ausschuss für die einheitliche Abwicklung an der Ernsthaftigkeit dieses Anliegens zweifeln lassen.18 Gewöhnlich beschreibt der Begriff „Agentur“ eine im Wege der Rechtsetzung geschaffene Fachbehörde, die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist.19 Ergänzend können der Zweck der Durchführung bestimmter, in den jeweiligen Gründungsrechtsakten genau präzisierter Aufgaben sowie eine gewisse organisatorische und finanzielle Autonomie herausgearbeitet werden.20 Das hervorstechende Merkmal der eigenen Rechtspersönlichkeit ist erfüllt, wenn die Einrichtung selbst Inhaber von Rechten und Pflichten sein und vor Gericht als Partei auftreten kann.21 Klauseln in ihren Gründungsrechtsakten verleihen Agenturen in den Mitgliedstaaten allgemein die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach der jeweiligen Rechtsordnung zuerkannt wird.22

15 Dies gilt nicht für Exekutivagenturen, die mittlerweile auf einem einheitlichen sekundär­ rechtlichen Rahmen fußen, s. u. B. I. 16 Europäisches Parlament, Rat und Kommission haben sich, „um Verwirrung bei den Bürgern und den beteiligten Akteuren zu vermeiden“, bereiterklärt, für künftige Agenturen den einheitlichen Begriff „Agentur der Europäischen Union für…“ zu verwenden sowie eine Angleichung bestehender Agenturen an diese Begrifflichkeit zu sondieren, s. die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 19.7.2012 zu den dezentralen Agenturen, Anhang: Gemeinsames Konzept, I. 1. 17 S. Art. 42 Abs. 1 S. 2 der VO (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der VO (EU) Nr. 1093/2010. 18 S. Art. 1 Abs. 2 S. 1 ebd. Ebenso wenig hat sich die Kommission in ihrem Vorschlag für eine VO des Rates über die Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft vom 17.7.2013 (KOM (2013) 534 endg.) an diesen Vorsatz gehalten. Dem ist zugutezuhalten, dass der einschlägige Art. 86 AEUV von einer „Europäischen Staatsanwaltschaft“ und nicht etwa von einer „Europäischen Strafverfolgungsagentur“ spricht. 19 A. Haratsch/Ch. Koenig/M. Pechstein, Europarecht, 9. Aufl., Rn. 323. 20 S. bereits die Mitteilung der Kommission zu den Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2002) 718 endg., S. 3; s. auch M. Brenner, in: Ipsen/ Stüer (Hrsg.), FS  Rengeling, S.  193, 196; A.  Orator, The competence entanglements of the EU Fundamental Rights Agency, in: Kammerlander (Hrsg.), Expertenforum SpringerRecht.at, S. 123, 125; vgl. G. Sydow, VerwArch 97 (2006), S. 1, 4. 21 S. den Entwurf der Kommission für eine interinstitutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die Europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2005) 59 endg., S. 13. 22 S. bspw. für Cedefop Art. 1 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 337/75 des Rates vom 10.2.1975 über die Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop), ABl. EWG L 39, S. 1.

A. Agenturbegriff

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Allen bisherigen Agenturen ist zudem gemein, nur für bestimmte, auf einzelne Politiken der Union bezogene Aufgaben zuständig zu sein; in Abgrenzung zur Kommission sind sie keine im Rahmen der Verbandskompetenz potenziell allzuständigen Verwaltungsbehörden. Wie noch darzustellen sein wird, erlaubt diese Spezialisierung jedoch keine Rückschlüsse auf das Verhältnis von Agenturen und Kommission in einzelnen Politikbereichen. Autonom ist eine Einrichtung dann, wenn sie institutionell verselbständigt, d. h. nicht Bestandteil eines Organs ist.23 Das bedeutet freilich nicht, dass Agenturen keinerlei Kontrolle durch Organe unterliegen: Eine Abhängigkeit besteht zunächst einmal gegenüber dem Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments, der die Budgets der Agenturen genehmigt, aber auch im Verhältnis zu speziellen Sachausschüssen, die die Tätigkeiten von Agenturen überwachen.24 Wechselseitige Abhängigkeiten finden sich insbesondere zwischen Agenturen und Kommission, die als wichtiger Akteur in den einzelnen Verwaltungsnetzwerken durch eine vor allem informelle Kontrolle ihre allgemeine Aufsichtsfunktion gem. Art. 17 Abs. 1 S. 2 EUV ausübt.25 Einen Sonderfall bildet die Europäische Verteidigungsagentur, die als eine der wenigen Agenturen nicht nur primärrechtlich ausdrücklich vorgesehen ist, sondern in Art. 45 Abs. 1 EUV zugleich dem Rat unterstellt wird. Auch gegenüber den Mitgliedstaaten sind Agenturen keineswegs derart autonom, wie es etwa bei der EZB der Fall ist. Vielmehr üben in den Verwaltungsräten der Agenturen Gesandte der Mitgliedstaaten Stimmrechte aus und können so die Wahrung nationaler Interessen sicherstellen.26 Institutionelle Verselbständigung meint damit vor allem eine formelle Verselbständigung. Ebenfalls können Agenturen in funktionaler Hinsicht als autonom beschrieben werden: Zieht man – in einem untechnischen Sinne27 – die allgemeine privatrechtliche Definition des Begriffs „agency“ des Common Law28 heran, ergibt sich die Autonomie aus der Rollenverteilung von „agent“ und „principal“. Verbildlicht man sich die Agentur als Agenten, nehmen nicht etwa Kommission oder Rat, sondern vielmehr die Union insgesamt die 23 D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 39; A. C. Hansen-Noot­ baar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 24. 24 S. Bredt, Die demokratische Legitimation unabhängiger Institutionen, S. 413. 25 D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 253; M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 298 AEUV Rn. 5. 26 G. Majone/M. Everson, Institutional reform: independent agencies, oversight, coordina­ tion and procedural control, in: De Schutter/Lebessis/Paterson (Hrsg.), Governance in the European Union, S. 151. 27 Technisch wäre dies nur gerechtfertigt, wenn Agenturen die Union völkerrechtlich verpflichten könnten, da es bei dem Institut der privatrechtlichen Agency (vergleichbar dem der deutschen Stellvertretung nach §§ 164 ff.  BGB, vgl. K.  Zweigert/H.  Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 3.  Aufl., § 32) um Rechtswirkungen zwischen gleichrangigen Rechts­ subjekten geht. 28 S. G. H. L. Fridman, Law of Agency, 7. Aufl., S. 11: „Agency is the relationship that exists between two persons when one, called the agent, is considered in law to represent the other, called the principal, in such way as to be able to affect the principal’s legal position in respect of strangers to the relationship by the making of contracts or the disposition of property.“

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Stellung des Prinzipals ein; Agenturen handeln nicht für die Organe der Union, sondern für die Union selbst. Dessen ungeachtet zählen die Organe der Union zu den wichtigsten Adressaten ihrer Maßnahmen. Zum Teil wird ferner das Merkmal der Errichtung durch den Unionsgesetzgeber in die Definition einbezogen.29 Gehalt und Verfahren richten sich nach der jeweiligen Rechtsgrundlage.30 Als dem Unionsgesetzgeber gem. Art.  288 i. V. m. 296 Abs. 1 AEUV zur Verfügung stehende Handlungsformen erscheinen lediglich Verordnungen (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und Beschlüsse (Art. 288 Abs. 4 AEUV) passend. Richtlinien, die gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV durch die Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen, kommen dagegen schon deshalb nicht in Betracht, weil Agenturen der Europäischen Union begriffsnotwendig unionale Einrichtungen darstellen.31 Die umfangreichste kompetenzielle Ausgestaltung von Agenturen eröffnet die Handlungsform der Verordnung. Zahlreiche Befugnisse bestehender Agenturen begründen Rechtswirkungen gegenüber Mitgliedstaaten und Privatsubjekten, was eine nach Art. 288 Abs. 2 S. 1 AEUV nur Verordnungen zukommende allgemeine Geltung voraussetzt.32 Dort, wo Agenturen lediglich informatorisch oder unterstützenden tätig werden, können allerdings ebenso Beschlüsse hinreichend sein. Für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist diese Feststellung zwingend, sind dort doch mehrere Einrichtungen als Agenturen anerkannt,33 zugleich aber Gesetzgebungsakte gem. Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 S. 3, Art. 31 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 EUV ausgeschlossen.34 Wesentlich ist die Erkenntnis, dass Agenturen nicht unmittelbarer primärrechtlicher Natur sind. Zwar sehen die Verträge bestimmte Agenturen ausdrücklich vor; sie ersetzen aber in keinem Fall deren sekundärrechtliche Gründung. Bspw. setzt Art. 88 AEUV das Bestehen von Europol voraus, bestimmt aber in Abs. 2 dessen legislative Errichtung und Ausgestaltung. Darin besteht ein wichtiger Unterschied zu den Organen, deren Existenz das Primärrecht unmittelbar anordnet. Mit Blick auf die Binnenorganisation ist allen bisherigen Agenturen eine duale Struktur aus mindestens einem Kollegial- und einem monokratischen Organ ge 29

Vgl. M. Scholten/M. van Rijsbergen, German Law Journal 15 (2014), S. 1223, 1227. So erfolgt die Gründung i. d. R. durch das Europäische Parlament und den Rat, für den Bereich der GASP ist aber auch eine Gründung nur durch den Rat gem. Art. 26 Abs. 2 UAbs. 1 EUV möglich (s. A. C.  Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 24 f., dort Fn. 13). 31 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 106; vgl. Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 239 f. 32 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 106. 33 Dies sind das Europäische Institut für Sicherheitsstudien, das Satellitenzentrum der Europäischen Union sowie die Europäische Verteidigungsagentur. 34 Für den RFSR besteht dagegen mittlerweile die Möglichkeit zum Erlass von Verordnungen (s. dazu u. 2. Teil C. V. 2. e)). Auch dort fanden sich aber Beispiele für Errichtungen per Beschluss, s. den Beschluss des Rates vom 28.2.2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität (2002/187/JI), ABl. EG 2002 L 63/1; vgl. auch T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 106. 30

A. Agenturbegriff

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mein.35 Bereits die VO (EWG) Nr. 337/75 des Rates vom 10.2.197536, durch die mit dem Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung die erste Agentur gegründet wurde, sah einen Verwaltungsrat aus 30 Mitgliedern37 sowie einen Direktor38 vor. Diese duale Struktur wurde bis zu den jüngsten Agenturgründungen stark modifiziert (etwa durch eine Verschlankung des Verwaltungsrates)39 und um weitere Gremien40 ergänzt. Zu nennen sind vor allem die internen Beschwerdekammern von Agenturen, die über Befugnisse zu rechtsverbindlichen Entscheidungen verfügen.41 Im Kern wurde die duale Struktur jedoch beibehalten,42 wobei Alternativen hinsichtlich Effizienz, Legitimation und Kontrolle auch kaum denkbar erscheinen.43 Sie gewährleistet neben einer schlanken operativen Führung durch den Direktor als rechtlichen Vertreter der Agentur die Herrschaft von Kommission, Europäischem Parlament und Mitgliedstaaten, indem diese über den Verwaltungsrat die inhaltliche Arbeit der Agentur durch strategische Weisungen an den Direktor steuern.44

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A. Hatje/S. v. Förster, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 1, § 10 Rn. 204; S. Kirste, VerwArch 2011, S. 268, 271. 36 ABl. EWG L  39, S.  1, zuletzt geändert durch VO (EG) Nr.  2051/2004 des Rates vom 25.10.2004, ABl. EG L 355, S. 1. 37 Art. 4 f. ebd. 38 Art. 6 f. ebd. 39 A. Hatje/S. v. Förster, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 1, § 10 Rn. 205. 40 So bspw. im Falle der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden ACER durch einen Regulierungsrat, vgl. Art. 14 VO (EG) Nr. 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, ABl. EU 2009 L 211/1. 41 S. bspw. Art. 47 f. VO (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27.7.1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, ABl. EG 1994 L 227, S. 1, zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 15/2008 des Rates vom 20.12.2007 zur Änderung der VO (EG) Nr. 2100/94 bezüglich der Berechtigung zur Stellung des Antrags auf gemeinschaftlichen Sortenschutz, ABl. EU 2008 L 8, S. 2. 42 Vgl. A. Pilniok, Governance im europäischen Forschungsförderverbund, S. 31. So besteht etwa die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA gem. Art. 6 der VO (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 (ABl. EU 2010 L 331/48) neben dem Verwaltungsrat (Art. 47) und einem Exekutivdirektor (Art. 53) auch aus einem Rat der Aufseher (Art. 43), einem Vorsitzenden (Art. 48) und einem Beschwerdeausschuss (Art. 60). 43 Zur Bedeutung der Entscheidungsstrukturen von Agenturen für ihre demokratische Kontrolle vgl. statt vieler D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 218 ff. 44 Ausführlich Th. Hustedt/A. Wonka/M. Blauberger/A. E. Töller/R. Reiter, Verwaltungsstrukturen in der Europäischen Union  – Kommission, Komitologie, Agenturen und Verwaltungsnetzwerke, S. 164–166; s. dort auch zu Stimmrechten von Vertretern gesellschaftlicher Gruppen.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

B. Typologie I. Regulierungs- und Exekutivagenturen Während sich Agenturen nach dem Vertrag von Maastricht noch durch eine Zuordnung zu den verschiedenen Säulen unterscheiden ließen,45 werden Agenturen (die Agenturen der Europäischen Atomgemeinschaft46 außer Acht gelassen) nach dem Vertrag von Lissabon nunmehr vorrangig in Regulierungs- und Exekutivagenturen unterteilt.47 Eine Regulierungsagentur, vormals auch als Gemeinschaftsagentur bezeichnet,48 wird von der Kommission definiert als eine „autonome Rechtsperson, die von der Legislativbehörde zu dem Zweck geschaffen wurde, aktiv an der Regulierung eines Wirtschaftssektors auf europäischer Ebene und an der Umsetzung einer Gemeinschaftspolitik mitzuwirken“49. Exekutivagenturen werden im Gegensatz dazu von der Kommission zu dem Zweck errichtet, unter ihrer Aufsicht und Verantwortung lediglich bestimmte Aufgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung von Unionspolitiken wahrzunehmen.50 Während Regulierungsagenturen also auf 45 So war etwa Europol bis zum Europol-Beschluss des Rates vom 6.4.2009 (209/371/JI, ABl. EU L 121/37) eine Agentur der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres. Zu dieser Differenzierung s. P. Craig, EU Administrative Law, 2. Aufl., S. 153; Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 372. 46 Die Europäische Atomgemeinschaft verfügt über zwei Agenturen: das Europäische gemeinsame Unternehmen für den ITER und die Entwicklung der Fusionsenergie als Agentur der Europäischen Atomgemeinschaft (s. die Entscheidung des Rates Nr.  2007/198/Euratom vom 27.3.2007, ABl. L 090, 30.3.2007, S. 58) sowie die bereits 1958 gegründete Euratom Versorgungsagentur ESA (zuletzt reformiert durch den Beschluss des Rates Nr. 2008/114/EG,­ Euratom vom 12.2.2008 über die Satzung der Euratom-Versorgungsagentur, ABl. L 41/15). 47 Vgl. nur die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 11.3.2008 – Europäische Agenturen – Mögliche Perspektiven, KOM (2008) 135 endg., S. 4; vgl. ferner D.  Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., S. 214; W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 480; W. Kilb, EuZW 2006, S. 268, 269 f.; E. Peuker, Bürokratie und Demokratie in Europa, S. 32; A. Pilniok, Governance im europäischen Forschungsförderverbund, S. 31; vgl. auch die Erläuterung der unklaren Abgrenzung zur fraglichen Kategorie der „dezentralisierten Agenturen“ bei M. Scholten, The Political Account­ ability of EU and US Independent Regulatory Agencies, S. 51 f. 48 So bei W. Schenk, Strukturen und Rechtsfragen der gemeinschaftlichen Leistungsverwaltung, S. 183; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 611; nach wie vor auch bei M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 13 EUV Rn. 38. 49 Entwurf der Kommission für eine interinstitutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die Europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2005) 59 endg., S. 12; weniger deutlich noch in KOM (2002) 718 endg., S. 4: „Der Begriff ‚europäische Regulierungsagentur‘ bezeichnet Agenturen, deren Aufgabe es ist, durch Handlungen, die zur Regulierung eines bestimmten Sektors beitragen, aktiv an der Wahrnehmung der Exekutivfunktion mitzuwirken.“ – Hier wird das entscheidende Kriterium einer legislativen Errichtung unterschlagen. 50 S. den Entwurf der Kommission für eine interinstitutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die Europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2005) 59 endg., S. 12.

B. Typologie

37

einem eigenständigen Legislativakt beruhen, können Exekutivagenturen vereinfacht außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens durch die Kommission eingerichtet werden. Die Möglichkeit hierfür wurde mit der auf Art. 308 EGV (≈ Art. 352 AEUV) gestützten Rahmenverordnung (EG) Nr.  58/2003 des Rates51 und dem darin festgelegten Statut der Exekutivagenturen geschaffen. Die Errichtung durch den europäischen Gesetzgeber als entscheidendes Abgrenzungskriterium ist vor allem angesichts der missverständlichen Präfixe „Regulierung“ und „Exekutiv“ zu betonen, da  – anders als unter dem gleichlautenden US-amerikanischen Begriff (regulatory agencies) und dem Regulierungsbegriff der meisten Mitgliedstaaten  – auch solche Regulierungsagenturen existieren, denen eine reine Beobachtungsfunktion zukommt.52 Sie nehmen nicht zwingend Regulierungsaufgaben im eigentlichen Wortsinne wahr.53 Zugleich erfüllen Regulierungsagenturen administrative Aufgaben, sodass auch sie exekutiver Natur sind.54 Nicht weniger missverständlich erscheint die zunehmend von der Kommission favorisierte Bezeichnung der Regulierungsagenturen als „dezentralisierte“55 bzw. „dezentrale Agenturen“56. Eine Dezentralisierung bzw. Dekonzentration57 lässt sich allein topografisch behaupten. Das Bild einer Auslagerung zuvor bei einer zentralen Behörde gebündelter Befugnisse wäre dagegen eine Verzerrung.58

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Vom 19.12.2002, ABl. EG 2003 L 11/1. D. Geradin/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S. 11. 53 Missverständlich ist in dieser Hinsicht die Einordnung bei Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 373 f. Gleichwohl finden sich mit den ESA mittlerweile auch „echte“ Regulierungsagenturen der Union, s. u. D. III. 3. c), d), 4. 54 Th. Groß, EuR 2005, S. 54, 57; Zum Begriff der Regulierung s. auch P. Craig, EU Administrative Law, 2. Aufl., S. 149; G. Sydow, VerwArch 2006, S. 1, 4. Unklar ist insofern die Abgrenzung bei T. O. Koslowski, der auf die Befugnisse abstellt (die tertiärrechtliche Gründung aber auch erwähnt), vgl. ders., Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 106. 55 S. die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 11.3.2008, Europäische Agenturen  – mögliche Perspektiven, KOM (2008) 135 endg., S.  4. So auch vereinzelt die Bezeichnung im Schrifttum, etwa bei D. Geradin/N. Petit, The Devel­ opment of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S. 39; B. Germond, The Maritime Dimension of European Security: Seapower and the European Union, § 7 („decentralised agencies“); vgl. auch Th. Groß, EuR 2005, S. 54, 55; ein Alleinstellungsmerkmal bezweifelnd M. Scholten, The Political Accountability of EU and US Independent Regulatory Agencies, S. 52. 56 S. nur die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 19.7.2012 zu den dezentralen Agenturen; K.  Michel, Institutionelles Gleich­ gewicht und EU-Agenturen, S. 97. 57 So die Bezeichnung bei S. Augsberg, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Euro­ päischen Union, § 6 Rn. 77. 58 Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 46; So aber die Darstellungen bei M. Brenner, in: Ipsen/ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, und D. Curtin, Challenging Executive Dominance in European Democracy, Amsterdam Centre for European Law and Governance Working Paper Series 2013–09, S. 8. 52

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Zum einen fehlt es der Union, wie Art. 291 AEUV belegt, schon an einer a priori allzuständigen, „zentralen“ Vollzugsstelle.59 Zum anderen verlagern weder Kommission noch Rat Befugnisse auf Regulierungsagenturen. Darin, dass derartige Zuweisungen vielmehr durch den übergeordneten, in seiner Zusammensetzung relativen Unionsgesetzgeber erfolgen, liegt schließlich das Unterscheidungsmerkmal zu den Exekutivagenturen. Ausgehend von einem zumindest deskriptiv nicht zu bestreitenden Regelfall des mitgliedstaatlichen Vollzugs von Unionsrecht gestaltet sich der Vorgang im Gegenteil als eine Zentralisierung von Verwaltung,60 aus Unionsperspektive dagegen als Partikulierung des direkten Vollzugs.61 Gleiches gilt für den Begriff der Externalisierung62: Agenturen gleich welchen Typs sind nicht etwa privat- oder völkerrechtliche, also jenseits der Hoheitszuweisungen an die Union kreierte Einrichtungen, sondern Einrichtungen der Union selbst. Zumindest dort, wo der Vollzug zuvor den Mitgliedstaaten oblag, ließe sich aus unionaler Sicht also vielmehr von einer Internalisierung sprechen. Der Ausdruck „Externalisierung“ vermag allenfalls das Phänomen der Exekutivagenturen zu beschreiben, sofern man die Perspektive der Kommission einnimmt.63 Exekutivagenturen teilen mit den Regulierungsagenturen nur wenige Rechtsfragen. Ihr Status wird von einer einzigen sekundärrechtlichen Grundlage bestimmt, wohingegen für Regulierungsagenturen kein festes normatives Gerüst besteht. In Verbindung mit dem jeweiligen Errichtungsbeschluss der Kommission wahrt die Rahmenverordnung die gesetzgeberische Verantwortung in hinreichen 59 Das lässt die These unbeschadet, dass der Kommission nach Art. 17 EUV eine zentrale Rolle innerhalb des direkten Vollzugs zukommen muss, vgl. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 136; ausführlich dazu u. 3. Teil D. II. 60 So auch S. Augsberg, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 6 Rn. 77; Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 46; G. Sydow, „Jeder für sich“ oder „einer für alle“? – Verwaltungsmodelle für die Europäische Union, in: Bauschke u. a. (Hrsg.), Pluralität des Rechts – Regulierung im Spannungsfeld der Rechtsebenen, S. 9, 21–24; s. auch W. Schenk, der als Dezentralisierung richtigerweise die Übertragung von Zuständigkeiten auf nationale öffentliche Einrichtungen versteht, ders., Strukturen und Rechtsfragen der gemeinschaftlichen Leistungsverwaltung, S. 179. 61 Vgl. die Beschreibung „cutting ‚the executive into smaller pieces‘ or, in other words, dispersing the locus of the executive branch within and beyond the nation state border“ bei M. Scholten/M. van Rijsbergen, German Law Journal 15 (2014), S. 1223 f. m. w. N. Treffend ist auch die Bezeichnung als Polyzentrik, weil mit ihr keine Einheit im Ursprung suggeriert wird, vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 15. 62 So die Beschreibung bei M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 194. 63 Vgl. „Die Reform der Kommission, Ein Weißbuch“ – Teil I, Aktionsplan, KOM (2000) 200 endg. III.2. Dort wird Externalisierung definiert als „vollständige oder teilweise Delegierung von Aufgaben oder Tätigkeiten der Kommission“ und somit verdeutlicht, dass Regulierungsagenturen nicht hierunter fallen, wobei der Definition ein „durch die Kommission“ zuzufügen ist. Zum gewählten Begriff der Delegierung, der für Regulierungsagenturen gleichfalls unpassend ist, s. u. D. II. Unzutreffend ist aus denselben Gründung auch der Begriff „Out­ sourcing“, wie er sich bei M.  Brenner findet, ders., in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 202.

B. Typologie

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dem Maße.64 Zudem fallen Exekutivagenturen in funktionaler Hinsicht qualitativ zurück: Die Zuständigkeit von Exekutivagenturen beschränkt sich auf Aufgaben, die unmittelbar mit der administrativen Betreuung von Projekten der Union einhergehen.65 Ihr Standort richtet sich nach den Hauptdienstorten der Kommission.66 Außerdem werden sie nur befristet eingerichtet.67 Hinsichtlich Kontrolle, Ernennung von Mitarbeitern und Budgetierung ist eine enge Angliederung an die Kommission vorgesehen.68 Mit Rücksicht auf diese Andersartigkeit – um nicht zu sagen rechtliche Unbedenklichkeit  – soll auf Exekutivagenturen in der folgenden Untersuchung nicht weiter eingegangen werden. Wo von „Agentur“ die Rede ist, sind allein Regulierungsagenturen gemeint.69 Abgrenzungsprobleme bestehen hierbei nicht, da Exekutivagenturen durch ihre auf der Rahmenverordnung (EG) Nr. 58/2003 fußenden Gründungsrechtsakte stets als solche bezeichnet sind.70

II. Alternative Ansätze Eine weitere Unterscheidung zwischen den einzelnen Regulierungsagenturen ist vor allem in funktionaler bzw. kompetenzieller Hinsicht möglich, etwa durch eine Eingrenzung von Agenturen mit der Befugnis zu rechtsverbindlichen Entscheidungen.71 So tritt Craig für eine Unterteilung in „Decision-Making Agencies“, 64

G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, S. 69. Art. 6 der RahmenVO (EG) Nr. 58/2003 (Fn. 51). Beispielhaft sei hier die Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles und Kultur genannt. Wie jede Exekutivagentur entscheidet sie nicht selbst über die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Maßnahmen, sondern ist auf die Durchführung konkreter Projekte wie etwa „Sokrates“ (Aktionsprogramm für die allgemeine Bildung) oder das bekannte „Erasmus“-Programm beschränkt, s. Art. 4 des ihr zugrundeliegenden Beschlusses der Kommission vom 14.1.2005 Nr. 2005/56/EG, ABl. EU 2005 L 24/35. 66 Art. 5 Abs. 1 der RahmenVO (EG) Nr. 58/2003; W. Kilb, EuZW 2006, S. 268, 269. Mit Ausnahme der in Luxemburg ansässigen Exekutivagentur für Gesundheit und Verbraucher (EAHC) haben sämtliche Exekutivagenturen ihren Sitz in Brüssel. 67 Art. 3 Abs. 1, 2 der RahmenVO (EG) Nr. 58/2003; W. Kilb, EuZW 2006, S. 268, 269. 68 S. insb. Art. 20 ff. der RahmenVO (EG) Nr. 58/2003 (Fn. 51); s. auch die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 11.3.2008 – Europäische Agenturen – Mögliche Perspektiven, KOM (2008) 135 endg., S. 3; zur Übersicht s. auch W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 507 ff. 69 Dem entspricht, dass Regulierungsagenturen zum Teil auch als „gewöhnliche Agenturen“ bezeichnet werden, vgl. die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 11.3.2008, Europäischen Agenturen – mögliche Perspektiven, KOM (2008) 135 endg., S. 4. 70 S. die offizielle Auflistung der derzeit sechs Exekutivagenturen unter http://europa.eu/ about-eu/agencies/index_de.htm (29.2.2016). 71 Dies leisten u. a. D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 46 ff., W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn.  495 ff., A. C.  Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 40 ff., und M. Weller, Regulierungsagenturen der Europäischen Union, S. 11 ff. Wie noch darzustellen sein wird, ist die Unterteilung in 65

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

„Quasi-Regulatory Agencies“ sowie „Information and Co-Ordination Agencies“ ein.72 Hier begegnet einem jedoch die Schwierigkeit, dass die Aufgaben und Befugnisse von Agenturen nicht nur in ihrer Gesamtheit vielschichtig sind, sondern dass ebenso den einzelnen Agenturen, deren Aufgabenfelder über informatorische bzw. unterstützende Tätigkeiten hinausgehen, jeweils Kompetenzen verschiedener rechtlicher Qualitäten zugewiesen wurden. Wie zu zeigen sein wird, können bspw. die meisten Agenturen, die normkonkretisierend in Erscheinung treten, zugleich Einzelfallentscheidungen treffen. Sie unterfielen somit zwei, mit Blick auf meist außer Acht gelassene informatorisch-unterstützende Funktionen sogar drei oder mehr Kategorien. Auch ergeben sich aus dem Begriff der rechtsverbindlichen Entscheidung zahlreiche Abgrenzungsschwierigkeiten sowie ein Bedürfnis nach weiterer Differenzierung – so hinsichtlich der Adressaten (Organe, mitgliedstaatliche Behörden, Privatsubjekte), der rechtlichen Wirkung (Begriffspaare abstrakt/konkret, generell/individuell), des Verhältnisses zu den besonderen Handlungsformen der delegierten Rechtsakte und der Durchführungsrechtsakte sowie der jeweiligen verfahrensrechtlichen Rolle der Agentur (Vorschlagsrecht, rechtlich bindende­ Initiative, Initiativmonopol, Letztentscheidungskompetenz). Eine weitere Unterteilung der Regulierungsagenturen wäre angesichts dieser vielfältigen Kombinationen formalistisch, ihr Mehrwert jedenfalls für die vorliegende Untersuchung gering. Aus der immer weiteren Fragmentierung ergäbe sich letztlich nicht mehr als eine Bestandsaufnahme bisheriger Ausprägungen des Agenturmodells. Im Folgenden soll daher generell auf das oben abstrahierte Agenturmodell und die den Agenturen zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse abgestellt werden. Allein eine solche Trennung ermöglicht i. S. eines Baukastensystems deduktive Schlüsse für künftige Agenturisierungen. Wo im Folgenden von „schwachen“ und „starken“ Agenturen die Rede ist, dienen diese Begriffe lediglich der Beschreibung von Polen des Agenturmodells – von Einrichtungen mit bloß informatorisch-unterstützender Funktion bis hin zu solchen mit Entscheidungs- und exekutiven Rechtsetzungsbefugnissen. Angemerkt sei, dass das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT)73 offiziell eine Sonderstellung in der Typologie der Agenturen einnimmt, inInformations- und Koordinationsagenturen, wie sie etwa von R. Uerpmann (und zustimmend von A. Pilniok, Governance im europäischen Forschungsförderverbund, S. 33 f.) vorgenommen wird, heute nicht mehr ausreichend, da hierdurch rechtsverbindliche Entscheidungen außer Acht gelassen werden, vgl. ders., AöR 125 (2000), S. 551, 662. 72 P. Craig, EU Administrative Law, 2. Aufl., S. 149 ff.; ähnlich E. Chiti, ELJ 2013, S. 93, 95; S. Griller/A. Orator, ELRev 35 (2010), S. 3, 9–15; dies., Meroni Revisited – Em­powering European Agencies between Efficiency and Legitimacy, New Models of Governance Work­ ing Paper 04/D40, S. 3; zustimmend K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  105–107; ähnlich die Reduzierung auf funktionale „Grundformen“ bei D.  Rie­ del, in: Schmidt-Assmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 110–122; vgl. auch A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 324. 73 Errichtet durch die VO (EG) Nr. 294/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.3.2008, ABl. EU 2008 L 97/1.

C. Entwicklung, Gründe und bisherige Rechtsgrundlagenwahl

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dem es als „unabhängige Einrichtung der EU“ bezeichnet wird.74 Ein tatsächliches Alleinstellungsmerkmal ist allerdings nicht festzustellen.75

C. Entwicklung, Gründe und bisherige Rechtsgrundlagenwahl I. Das Aufkommen europäischer Agenturen Auf Entwicklung und Gründe des Agenturwesens sei hier nur kurz eingegangen.76 Über einen Zeitraum von mittlerweile vierzig Jahren ist ein zunächst schubweiser, mittlerweile dagegen steter zahlenmäßiger Anstieg77 festzustellen, der mit einer erheblichen qualitativen Aufwertung einherging. Für die rechtliche Beurteilung ist der Umstand maßgeblich, dass dieser Prozess bislang weder einer dezidierten „Agenturpolitik“ noch einem konsistenten Rechtsrahmen folgte, sondern zumeist aus spezifischen Bedürfnissen einzelner Sachbereiche hervorging 74 S. die Übersicht „Agenturen und sonstige Einrichtungen der EU“, http://europa.eu/abouteu/agencies/index_de.htm (29.2.2016). 75 In einer E-Mail vom 13.2.2015 an den Verf. begründete M. Gryszko, Media Officer des EIT, diese Sonderstellung damit, EIT würde im Gegensatz zu „dezentralisierten Agenturen“ (i. e. Regulierungsagenturen, s. o.) keine technische, wissenschaftliche oder vollziehende Tätigkeit in Unterstützung der Kommission zukommen. EIT würde lediglich „Europas Fähigkeit zur Entwicklung neuer Technologien durch ein ‚pooling‘ der besten Wissenschafts-, Geschäftsund Bildungsressourcen fördern“. Wie noch zu zeigen sein wird, erfüllt aber auch eine ganze Reihe klassischer Regulierungsagenturen Unterstützungsaufgaben zugunsten verschiedener, auch mitgliedstaatlicher und privater Akteure, vielfach ohne über die Gewährleistung eines informatorischen Netzwerks hinauszugehen. EIT verfügt mit einem Verwaltungsrat und Exekutivausschuss einerseits und dem Direktor andererseits zudem sowohl über Kollegialorgane als auch über ein monokratisches Organ. Es ist demnach als Regulierungsagentur einzuordnen. W. Frenz listet EIT entsprechend als eine von vielen „Informations- und Netzwerkagenturen“ auf, vgl. ders., Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 504. Für S. Kirste fügt sich EIT als „Informationsagentur“ in das System der Europäischen Agenturen ein, ders., VerwArch 2011, S. 268, 284. 76 An entsprechenden Darstellungen besteht kein Mangel, s. nur Ch.  Görisch, Jura 2012, S.  42 ff.; A. C.  Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 37 ff.; A. Hatje/S. v. Förster, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 1, § 10 Rn. 205; Th. Hustedt/A. Wonka/M. Blauberger/A. E. Töller/R. Reiter, Verwaltungsstrukturen in der Europäischen Union  – Kommission, Komitologie, Agenturen und Verwaltungsnetzwerke, S. 146–155; R. D. Kelemen/G. Majone, in: Peterson/Shackleton (Hrsg.), The Institutions of the European Union, S. 220 ff.; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 100–105. 77 Abgeschafft wurde bislang lediglich die Europäische Agentur für den Wiederaufbau (EAR) für die durch die Kriege in den Neunzigerjahren verwüsteten Gebiete im Balkan. Die durch die VO (EG) Nr.  2667/2000 des Rates vom 5.12.2000 über die Europäische Agentur für Wiederaufbau gegründete Agentur stellte ihre Tätigkeit zum 31.12.2008 ein. Abgelöst wurde ferner 2007 die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) durch die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA/VO EG Nr. 168/2007 des Rates vom 15.2.2007, ABl. EU 2007 L 53/1).

42

1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

und sich dementsprechend vielfältiger rechtlicher Grundlagen und Ausgestaltungen bediente.78 Es bleibt abzuwarten, inwiefern die interinstitutionellen Bemühungen um eine Vereinheitlichung der Ausgestaltung von Agenturen künftig einen anderen Befund rechtfertigen werden.79 Möchte man den Entstehungsprozess näher unterteilen, lässt sich die Gründung des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung und der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Jahr 1975 als erste Phase ausmachen.80 Hier kam es noch zu keiner Zuweisung hoheitlicher Befugnisse.81 Die Tätigkeiten jener Agenturen waren vielmehr auf das Angebot von Informationen und Unterstützungsmaßnahmen im Bereich der Sozialpolitik beschränkt.82 Als zweite Phase werden allgemein die zahlreichen und ganz unterschiedlichen Gründungen der neunziger Jahre beschrieben.83 Darunter fallen die Europäische Umweltagentur, die Europäische Stiftung für Berufsbildung, die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, die Europäische Arzneimittelagentur, das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt bzw. das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum84, das Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union, das Gemeinschaftliche Sortenamt, die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sowie die Europäische

78

Th. Hustedt/A. Wonka/M. Blauberger/A. E. Töller/R. Reiter, Verwaltungsstrukturen in der Europäischen Union – Kommission, Komitologie, Agenturen und Verwaltungsnetzwerke, S. 157; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 103; vgl. R. Priebe, EuZW 2015, S. 268, 269. 79 Zu den Schritten im Einzelnen s. o. Fn. 7, 8; vgl. auch M. Scholten, The Columbia Journal of European Law Online, abrufbar unter: http://www.cjel.net/wp-content/uploads/2013/02/ Scholten-edited-and-rev1.pdf (29.2.2016). 80 D. Geradin/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S.  37; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 100. Von einer ersten Generation ist die Rede bei Th. Hustedt/A. Wonka/M. Blauberger/A. E. Töller/R. Reiter, Verwaltungsstrukturen in der Europäischen Union  – Kommission, Komitologie, Agenturen und Verwaltungsnetzwerke, S. 151; von einer ersten Welle bei A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 323. 81 Vgl. D. Geradin/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S. 37. 82 K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 100; D. Geradin, Columbia Journal of European Law 11/1 (2004–2005), S. 1, 8. 83 S. statt vieler A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 323. 84 Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt wurde durch Art.  2 der VO des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. EU 2015 L 341/21) in „Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum“ umbenannt.

C. Entwicklung, Gründe und bisherige Rechtsgrundlagenwahl

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Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.85 Gemeinsamkeiten lassen sich hier jenseits der beschriebenen Definition des Agenturbegriffs nicht mehr ausmachen. In dieser Phase treten Agenturen jedoch zunehmend als Expertengremien auf, die insbesondere in Zulassungsverfahren über wissenschaftliche Gutachten an Einzelfallentscheidungen mitwirken (so die Europäische Arzneimittelagentur) und diese zum Teil auch selbst treffen (so das Harmonisierungsamt und das Sortenamt).86 Ohne tatsächliche Zäsur unterscheidet das Schrifttum sodann eine dritte, mit dem Millennium einsetzende Phase der Agenturisierung.87 Sie umfasst die Europäische Agentur für den Wiederaufbau, die Europäische Behörde für Lebens­ mittelsicherheit, die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, das Satellitenzentrum der Europäischen Union, die Europäische Agentur für Flugsicherheit, die Agentur für das Europäische GNSS, die Europäische Eisenbahnagentur, die Europäische Fischereiaufsichtsagentur, die Europäische Agentur für Netzund Informationssicherheit, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen, die Europäische Chemikalienagentur, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen.88 In diesen Zeitraum fällt überdies die Errichtung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde sowie der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung. Eine Sonderstellung hinsichtlich der Rechtsgrundlagen nehmen die seit Mitte der neunziger Jahre errichteten Agenturen der ehemaligen zweiten und dritten Säule der Union ein.89 So bestehen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und 85 So auch die Unterteilung bei D. Geradin/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S.  37; K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 100 f.; vgl. auch Th. Hustedt/A. Wonka/M. Blauberger/A. E. Töller/R. Reiter, Verwaltungsstrukturen in der Europäischen Union  – Kommission, Komitologie, Agenturen und Verwaltungsnetzwerke, S. 151 f. 86 K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 101; vgl. auch D. Gera­ din/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S. 37 f. 87 So D. Geradin/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S.  38; Th. Hustedt/A. Wonka/M. Blauberger/A. E. Töller/R. Reiter, Verwaltungsstrukturen in der Europäischen Union – Kommission, Komitologie, Agenturen und Verwaltungsnetzwerke, S. 152–154; A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 323; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 101–103. 88 So K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 101–103, die jedoch die Agentur für Wiederaufbau (ohne Angabe eines Grundes) der zweiten Phase zuordnet. 89 E. Chiti bezeichnet sie als „administrative bodies presenting a marked transnational char­ acter“, ders., ELJ 2013, S. 93, 94.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Sicherheitspolitik nunmehr die Europäische Verteidigungsagentur, das Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien sowie das Satellitenzentrum der Europäischen Union. Für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts lassen sich Europol, Eurojust, Frontex bzw. die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache90, die Europäische Polizeiakademie und die vor kurzem errichtete Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im RFSR ausmachen.91 Geplant ist zudem die Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft in Form einer Agentur, für die der AEUV mit Art. 86 bereits eine ausdrückliche Rechtsgrundlage vorhält.92

II. Umstrittene Zweckmäßigkeit Als wesentlicher Grund für die Schaffung von Agenturen wird vielfach eine Ressourcenknappheit der Kommission genannt, die zu einer Übertragung spezieller und vor allem personal- bzw. zeitintensiver Aufgaben zwinge.93 Insbesondere der BSE-Skandal und der Korruptionsskandal der Kommission Santer ließen Forderungen nach einer umfassenden Reform unter dem Gesichtspunkt der „Dezentralisierung“ laut werden.94 Neben einer Forcierung des Modells der Exekutivagenturen95 reagierte die Kommission mit dem viel beachteten Weißbuch „Europäisches Regieren“, das die Schaffung unabhängiger Regulierungsstellen auf Feldern von besonderer Komplexität vorsieht.96 Als Vorteile des Rückgriffs auf 90 Die Umbenennung erfolgt durch die VO des Europäischen Parlaments und des R ­ ates über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004, der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 und der Entscheidung 2005/267/EG des Rates (KOM (2015) 671 final). Die Agentur wird teils den Agenturen der vormals ersten Säule zugeordnet, so durch A. Fischer-Lescano/T. Tohidipur, ZaöRV 2007, S. 1219, 1231. Ebd. wird als Grund für die Einordnung genannt, Frontex habe nicht die Koordination der nationalen Polizeien zur Aufgabe. Es finden sich jedoch auch Einordnungen in die vormals erste Säule bzw. den RFSR, so bei F. Lay, Das Europäische Parlament in der Justiz- und Innenpolitik der Europäischen Union – Entscheidungsprozesse in ausgewählten Fallstudien, S. 43. Die Frage hat mit Auflösung der Säulenstruktur an Bedeutung verloren. Typologisch steht Frontex den Agenturen des RFSR näher. 91 Zum Ganzen vgl. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 104 f. 92 S. den Vorschlag der Kommission für eine VO des Rates über die Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft vom 17.7.2013, KOM (2013) 534 final. 93 So bei D. Chalmers, European Union Public Law, S. 66; D. Geradin, Columbia Journal of European Law 11/1 (2004–2005), S. 1, 8. 94 D. Chalmers, European Union Public Law, S. 66; Th. Hustedt/A. Wonka/M. Blauberger/ A. E. Töller/R. Reiter, Verwaltungsstrukturen in der Europäischen Union – Kommission, Komitologie, Agenturen und Verwaltungsnetzwerke, S. 149; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 618. 95 S. den Vorschlag der Kommission für eine VO des Rates zu einem Statut für Exekutivagenturen, KOM (2000) 788 endg. 96 D. Chalmers, European Union Public Law, S. 66; s. „Europäisches Regieren – Ein Weißbuch“, KOM (2001) 428 endg., ABl. EG 2001 C  287/1, 20; kritisch dazu Ch.  Möllers, in: Joerges/Meny/Weiler (Hrsg.): Symposium: Responses to the European Commission’s White Paper on Governance, abrufbar unter: http://www.eui.eu/Documents/RSCAS/Research/Online

C. Entwicklung, Gründe und bisherige Rechtsgrundlagenwahl

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Agenturen benennt das Weißbuch insbesondere die Bündelung von Expertise,97 eine verbesserte Sichtbarkeit der EU-Politik in den jeweiligen Sektoren, Kosteneinsparungen für die Wirtschaft und die Möglichkeit für die Kommission, sich auf ihre Kernaufgaben zu besinnen.98 Das Aufkommen europäischer Agenturen entspricht damit der Ratio nach dem Trend zahlreicher nationaler Verwaltungsorganisationen, der vor allem in den achtziger und neunziger Jahren unter dem Schlagwort „New Public Management“ propagiert wurde.99 Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Untersuchung ist die starke Betonung der Aufgabenteilung zwischen Agenturen und Kommission: Durch die Trennung der „technischen“ von den „politischen“ Fragen sollen konsistente Regulierungen ermöglicht werden, die sich weitgehend unabhängig von politischen Stimmungslagen an einem hohen Schutzniveau orientieren.100 Für den Rat ist die Schaffung von Agenturen insoweit von Interesse, als die Alternative zumeist in einer weiteren Aufwertung der Kommission besteht.101 Die offiziell angeführten Gründe blieben freilich nicht unbestritten. So wird im Gegensatz zu den behaupteten Effizienzgewinnen in vielen Fällen die Schaffung von Doppelstrukturen beobachtet, die eher dem mitgliedstaatlichen Proporz­ denken denn verwaltungspolitischer Zweckmäßigkeit geschuldet sind.102 Auch die Zuspitzung, es würde nunmehr für jedes auf europäischer Ebene zu lösende Problem nonchalant eine eigene Agentur gegründet, erscheint nach der vorstehenden Aufzählung nicht gänzlich unbegründet.103 Ebenso kritisch werden die konkreten Ausgestaltungen der einzelnen Agenturen beäugt.104 Genannt sei als ein Beispiel von vielen nur der Umstand, dass die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (European Network and Information Security Agency, ENISA) zwar ihren Sitz in Heraklion auf Kreta hat (hierüber konnte die griechische Regierung frei bestimmen), „zur Verbesserung der operativen Effizienz“ jedoch eine Symposia/Mollers%28de%29.pdf (29.2.2016), der einen Widerspruch zwischen postulierter Dezentralisierung und dem tatsächlichen Ringen der Kommission um Machterhalt aufzeigt (S. 8); s. ferner bereits „Die Reform der Kommission, Ein Weißbuch“ – Teil II, Aktionsplan, KOM (2000) 200 endg./2. 97 Mit Verweis auf die konzeptionelle Unterscheidung von technokratischer Kommission und politischem Rat kritisch zu dieser Begründung: M. Shapiro, Journal of European Public Policy 4 (1997), S. 276, 281 f. 98 „Europäisches Regieren  – Ein Weißbuch“, KOM (2001) 428 endg., ABl. EG 2001 C 287/1, 20. 99 Th. Hustedt/A. Wonka/M. Blauberger/A. E. Töller/R. Reiter, Verwaltungsstrukturen in der Europäischen Union – Kommission, Komitologie, Agenturen und Verwaltungsnetzwerke, S. 147; A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 318. 100 D. Geradin, Columbia Journal of European Law 11/1 (2004–2005), S. 1, 8. 101 A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 320. 102 Einen guten Überblick über die Kritik an der unkoordinierten und nicht stets durch sachliche Erwägungen zu erklärenden „Agenturitis“ vermittelt M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 610 f. 103 So T.  Groß, EuR 2005, S.  54, 67; zustimmend M.  Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 194. 104 S. etwa zur Europäischen Grundrechteagentur ebd., S. 195.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Außenstelle im Großraum Athen geschaffen werden musste.105 Schließlich bedarf es keiner tiefgreifenden Untersuchung, um das Spannungsverhältnis zwischen einer weitgehend unabhängigen, auf „wissenschaftlichen“ Grundsätzen fußenden Regulierung zum Demokratieprinzip zu betonen.106

III. Der Wandel in der Wahl der Rechtsgrundlage So vielfältig wie die Agenturen sind auch die Rechtsgrundlagen, auf die zu ihrer Schaffung in Ermangelung einer organisationsrechtlichen Generalermächtigung zurückgegriffen wurde. Im Detail verdeutlicht den Wandel der Rechtsgrundlagenwahl die als Anhang beigefügte Übersicht. Maßgeblich ist die Beobachtung, dass nach einer ursprünglichen Bemühung der Vertragsabrundungsklausel zunehmend und nunmehr fast ausschließlich spezielle, politikfeldbezogene Kompetenznormen Verwendung finden – seit Gründung der ENISA auch die Binnenmarktklausel als alleinstehende Rechtsgrundlage.107 Bereits für die Gründung der Euro­ päischen Arzneimittelagentur stand mit dem Kommissionsvorschlag ein Rückgriff auf Art.  100a  EWG (≈ Art.  114 AEUV) im Raum.108 Letztlich wurde indes mit Art. 235 EWG (≈ Art. 352 AEUV) der „konservative Weg“ gewählt.109 Die Praxis, vormals als rein materiell-rechtlich verstandene Rechtsgrundlagen zur Schaffung selbständiger Einrichtungen zu bemühen, erhob die Kommission – nachdem schon seit der Gründung der Europäischen Umweltagentur im Jahr 1990 entsprechend verfahren wurde – in ihrer Mitteilung vom 11.12.2002 zu den Rahmen­bedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen zum allgemeinen Modus Operandi: „Da eine Regulierungsagentur als Instrument zur Durchführung einer bestimmten gemeinschaftspolitischen Maßnahme dient, muss der Rechtsakt zur Gründung der Agentur auf genau der Bestimmung aus dem Vertrag fußen, die die Rechtsgrundlage dieser politischen Maßnahme bildet. Im Übrigen wurde genau dieser Ansatz bei der Errichtung der jüngs­ ten Regulierungsagenturen für die Bereiche Lebensmittelsicherheit und Verkehr verfolgt; in diesen Fällen ist der Gemeinschaftsgesetzgeber von der bis dahin geltenden Vorgehensweise abgewichen, die darin bestand, als Rechtsgrundlage systematisch den Artikel 308 des EG-Vertrags heranzuziehen. Bildet für eine bestimmte Maßnahme allerdings genau dieser Artikel 308 die Rechtsgrundlage, so muss angesichts des bestehenden institutionellen Rahmens der Rechtsakt zur Errichtung der Agentur selbstverständlich auf ebendiesem Artikel basieren.“110 105 Vgl. VO (EU) Nr. 526/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2013 über die Agentur der Europäischen Union für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 460/2004, ABl. EU 2013 L 165/41, Erwägungsgründe 4–7. 106 Eingehend hierzu Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen. 107 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 147–149. 108 ABl. EG 1990 L 330/1, Erwägungsgrund 1. 109 ABl. EG 1993 L 241/1, letzter Erwägungsgrund; D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 87 f. 110 Mitteilung der Kommission v. 11.12.2002: Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2002) 718 endg., S. 8.

D. Funktionale Betrachtung

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Als Grund für diesen Wandel lassen sich unschwer die im Vergleich zu den speziellen Kompetenznormen deutlich höheren Hürden der Vertragsabrundungsklausel ausmachen.111 Sie bestehen mittlerweile nicht mehr nur in Form des Einstimmigkeitsquorums. Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerfG werden an das euphemistisch als „schwerfällig“112 bezeichnete Verfahren insbesondere durch innerstaatliche Vorbehalte zusätzliche Anforderungen gestellt, was die Reaktionsfähigkeit des Unionsgesetzgebers tatsächlich in erheblichem Maße hemmt. Das dargestellte Interesse der Kommission gilt nach den Entwicklungen im Zuge des Lissabonner Reformvertrags daher mehr denn je.113

D. Funktionale Betrachtung Im Folgenden sollen die Funktionen von Agenturen beschrieben, kategorisiert und rechtlich eingeordnet werden. Mit Blick auf den übergeordneten Untersuchungsgegenstand der Rechtsgrundlagen wird zudem ein besonderer Schwerpunkt auf die Natur des zugrundeliegenden Sekundärrechts gelegt. Mit „Funktion“ oder „Aufgabe“ werden dabei diejenigen Tätigkeiten von Agenturen beschrieben, die über Maßnahmen zur bloß internen Organisation hinausgehen.114 „Befugnis“ meint dagegen die rechtliche Gestattung dieser außenwirksamen Handlungen.115 Da Funktionen und Aufgaben freilich durch Befugnisse umschrieben werden, können die Begriffe zumeist synonym verwendet werden.

I. Errichtung und Befugniszuweisung Die Frage nach Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen bezieht sich auf zwei voneinander zu trennende Akte: Die Errichtung einer Agentur als solche sowie die Zuweisung von Befugnissen an sie.116 Während beide Akte vielfach ohne Weiteres 111

Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 147 f. So ebd., S. 148. 113 Vgl. u. 2. Teil E. III. 114 S. Cassese, Le basi del diritto amministrativo, 3. Aufl., S. 124–125; s. die hier verwendete englische Übersetzung bei E. Chiti, CML Rev 37 (2000), S. 309, 312: „By ‚function‘ we mean, in negative terms, ‚the part of the activity going beyond organization, procedures and acts‘; in positive terms, ‚the activity seen in its ‚macro‘ aspects‘, in its global normative order, while the activity seen in its ‚micro‘ terms consists of procedures and acts.“ 115 Vgl. Creifelds/Weber (Hrsg.), Rechtswörterbuch, 21. Aufl.; Stichwort Befugnis. 116 GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 27; Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7, 11; dies., Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 139 f.; von „zwei Fragen“ ist die Rede bei M. Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, S.  58; vgl. auch K.  Heuterkes, Rechtsfähige Organisationseinheiten in der Verwaltungsstruktur Frankreichs, Deutschlands und der Europäischen Gemeinschaften, S. 182; M. H. Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 41. 112

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

einheitlich behandelt werden,117 wird die Wesensverschiedenheit dort, wo eine nähere Betrachtung erfolgt, nicht bestritten.118 Eine solche Sicht ist zwingend, da die Errichtung, ein Akt der Verwaltungsorganisation, auch ohne die Befugniszuweisung denkbar ist.119 Diese Trennung darf indes nicht mit der Frage vermengt werden, inwieweit sich der eine Akt zum anderen als Annex verhalten kann, da diese Möglichkeit eine Trennung gerade voraussetzt.120 Fischer-Appelt fügt dieser Unterscheidung den vorgelagerten Schritt der Kompetenz zur Wahrnehmung einer Aufgabe durch die Union hinzu.121 Das ist im Sinne eines Prüfungsschritts berechtigt. Tatsächlich ist dieser Aspekt aber bereits von der Befugniszuweisung umfasst. Denn wo von einem typischer-, aber nicht notwendigerweisen Zusammenfallen der „drei Schritte“ die Rede ist,122 gilt dies nur für das Verhältnis von Errichtung und Befugniszuweisung und wird auch nur in­ soweit belegt.123 Zwar lässt sich der materiell-rechtliche Gehalt einer unionalen Befugnis (Was wird vollzogen?) von dem institutionell-rechtlichen Gehalt (Von wem wird vollzogen?) unterscheiden. So ist es bspw. möglich, dass eine Verordnung zunächst von der Kommission oder den Mitgliedstaaten und erst sodann von einer Agentur vollzogen wird. Eben dieser institutionell-rechtliche Schritt wird mit der Befugniszuweisung gegangen. Jedoch muss gleichermaßen dieser Zuweisungsakt den Tatbestand der jeweiligen Rechtsgrundlage erfüllen und erscheint insofern als neuer, einheitlich materiell-institutioneller Rechtsakt. Die Kompetenz zur Wahrnehmung einer Aufgabe durch die Union bildet also keinen abstrahierbaren Akt, sondern die Voraussetzung einer jeden Befugniszuweisung. Befugnissen kommt damit ein ebenso materiell- wie institutionell-rechtlicher Gehalt zu. Der Begriff „Befugniszuweisung“ enthält sowohl den eigentlichen Zuweisungsakt als auch die Befugnis selbst. Der Akt der bloßen Errichtung gleichsam befugnisloser Agenturen lässt sich zwar analytisch herausarbeiten, kann sich aber tatsächlich nicht in zulässiger Weise ereignen. Schon das Europäische Zentrum für die Förderung der Berufsbildung wurde als erste Agentur mit der VO (EWG) Nr. 337/75124 einerseits er­richtet (Art.  1 Abs.  1) und erhielt durch denselben Rechtsakt andererseits die Aufgabe der Förderung der Berufsbildung (Art. 2, 3). Diese Praxis wurde bei allen folgenden Agenturisierungen beibehalten, besteht rechtlich doch keine Alternative: Die 117

S. bspw. M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 612 ff. Vgl. B. Remmert, EuR 2003, S. 134, 137; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 140. 119 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 140. 120 Ebd., S. 140. 121 D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 83 f. 122 Ebd., S. 84. 123 Gleiches gilt für die Ausführungen von A. C. Hansen-Nootbaar, die einerseits die Gründung (S.  99–136) und andererseits die Delegation von Befugnissen (S.  137–144) diskutiert, vgl. dies., Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen. 124 S. Fn. 22. 118

D. Funktionale Betrachtung

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Kompetenzordnung der Union ist eine ziel- und aufgabenbezogene125 – eine allgemeine Kompetenz zur Schaffung neuer Einrichtungen sehen die Verträge nicht vor. Die Errichtung von „Vorratsagenturen“ in Anlehnung an das im Privatrecht gängige Modell der Vorratsgesellschaften126, die zum Zwecke der beschleunigten Unternehmensgründung zunächst lediglich als leere Hülle gegründet werden, ist der Union angesichts eines fehlenden konkreten Zwecks und damit fehlender in Betracht kommender Rechtsgrundlagen verwehrt.127 Daran ändert auch die Möglichkeit ungeschriebener Kompetenzen nichts, da entsprechende Prüfungen letztlich immer auf den Zweck der Errichtung jenseits ihrer selbst, nämlich auf die Funktionen der Agentur, abstellen. Isolierte Befugniszuweisungen, d. h. Zuweisungen an bereits errichtete Agenturen, sind dagegen möglich und werden vom Unionsgesetzgeber auch praktiziert.128 Ein solcher Fall liegt etwa mit Art. 28 der VO (EU) Nr. 236/2012 des Euro­päischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps129 (LeerverkaufsVO) vor, mit der der ESMA Befugnisse außerhalb ihres Gründungsrechtsakts übertragen wurden. Zumindest bei Rechtsgrundlagen mit weit gefassten Rechtsfolgen und fehlenden instrumentalen Vorgaben kann nach dieser Betrachtung nicht auf die Errichtung als solche abgestellt werden. Eine andere Auffassung liefe auf die allgemeine Unzulässigkeit von Agenturen hinaus, was mittlerweile zu Recht nicht mehr vertreten wird.130 Anders mag es sich bei Rechtsgrundlagen verhalten, die dem Unionsgesetzgeber im jeweiligen Regelungsbereich spezifische Methoden an die Hand geben. Zwar lässt sich bspw. bei Art. 114 AEUV ebenso eine mittelbare Angleichungswirkung der Maßnahmen hierauf gestützter Institutionen diskutieren. Deren Tragfähigkeit erscheint allerdings fraglich, da weder die Errichtung noch die Befugniszuweisung als notwendige Zwischenschritte selbst Angleichungsmaßnahmen sein können, wenn man Rechtsangleichung generell-abstrakt versteht.131

125

Vgl. Ch.  Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, S. 65 ff. 126 S. hierzu A. Wimber, Die Behandlung von Vorrats- und Mantelgesellschaften, insb. S. 33–84. 127 Eben hierin sah GA Kokott den Grund für die Rechtswidrigkeit der Heranziehung von Art. 114 AEUV für die Gründung der ENISA, vgl. dies., Schlussanträge vom 22.9.2005, Rs. C-217/04, Rn. 36. Insofern ist es nicht erforderlich, auf den fehlenden Sinn gleichsam kompetenzloser Agenturen abzustellen, vgl. Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 140 f.; dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 11 f. 128 Ebd., S. 11; s. auch D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 84. 129 ABl. EU 2012 L 86/1. 130 S. u. 2. Teil A. I. 131 Zum Ganzen ausführlich u. 2. Teil C. III. 3.; vgl. H. Siekmann, der für den „bloßen Errichtungsakt“ die Notwendigkeit eines förmlichen Gesetzes bezweifelt, um sodann auf die der Agentur zu übertragenden Befugnisse abzustellen, ders., IMFS Working Paper Series 40/2010, S. 54, abrufbar unter: http://econstor.eu/bitstream/10419/97756/1/IMFS_WP_40.pdf (29.2.2016).

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Das maßgebliche Kriterium bei der Ermittlung der Rechtsgrundlage bilden damit i. d. R. die Tätigkeiten der jeweiligen Agentur. Die Qualität von Befugniszuweisungen ist ferner für die Überprüfung an den Maßstäben der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, also für das „konkrete Ob“ und das „Wie“, entscheidend. Ebenfalls bemisst sich die Beurteilung hinsichtlich demokratischer Legitimation, Rechtsstaatlichkeit und notwendiger Rückkopplung an die Organe in erster Linie an den Funktionen und verfahrensrechtlichen Ausgestaltungen der jeweiligen Agentur. Wie noch zu zeigen sein wird, bestehen dort allerdings wichtige Wechselwirkungen mit der internen Ausgestaltung  – einem wesentlichen Aspekt der Errichtung.

II. Begriffsabgrenzung: Delegation/Übertragung – Attribution/Zuweisung Bevor die Funktionen von Agenturen im Einzelnen betrachtet werden, verlangt der ihnen zugrundeliegende Akt nach begrifflicher Klärung. Es wurde gezeigt, dass die Errichtung von (Regulierungs-)Agenturen132 wesensnotwendig sekundärrechtlich erfolgt und ihnen ebenso sekundärrechtlich Befugnisse zugewiesen werden. Der letztere, zumeist mit der Errichtung zusammenfallende Akt wird in der Literatur gemeinhin als „Delegation“ oder „Befugnisübertragung“ bezeichnet.133 In Anbetracht unterschiedlicher Zuschreibungen, mit denen die Rechtstheorie den Begriff der Delegation versehen hat, vor allem aber angesichts unterschiedlicher kompetenzrechtlicher Anforderungen an „Delegationen“ im europäischen Ver­ fassungs- und Verwaltungsrecht kann der Delegationsbegriff jedoch nicht ohne Hinterfragung übernommen werden. Die Begriffsklärung verdeutlicht zudem we 132 Hier gilt es zu beachten, dass Exekutivagenturen nicht von dem in dieser Darstellung verwendeten Agenturbegriff umfasst werden. Ihre Natur gebietet eine abweichende begriffliche Würdigung, vgl. Th. v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 320 f. 133 S. u. a. J. Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S. 451–492; B. Braams, Koordinierung als Kompetenzkategorie, S. 101; S. Griller/A. Orator, Meroni Revisited – Empow­ ering European Agencies between Efficiency and Legitimacy, New Models of Governance Working Paper 04/D40, u. a. S.  3; G.  Majone/M.  Everson, Institutional reform: independent agencies, oversight, coordination and procedural control, in: De Schutter/Lebessis/Paterson (Hrsg.), Governance in the European Union, u. a. S. 151; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 124–138; A. Pilniok, Governance im europäischen Forschungsförderverbund, S. 33; M. Thatcher, Journal of European Public Policy, S. 790–809; eine unechte i. S. einer nicht endgültigen Delegation erkennend: S.  Augsberg, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 6 Rn. 75 f.; (mit Verweis auf die Meroni-Rechtsprechung) G. Gornig/Ch. Trüe, JZ 1993, S. 884, 886 m. w. N. Der Begriff „Befugnisübertragung“ findet auch in offiziellen Dokumenten Verwendung, s. bspw. bzgl. der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden ACER Art.  16 (Ausübung der Befugnisübertragung) der VO (EU) Nr. 347/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.4.2013 zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur und zur Aufhebung der Entscheidung Nr. 1364/2006/EG und zur Änderung der VOen (EG) Nr. 713/2009, (EG) Nr. 714/2009 und (EG) Nr. 715/2009, ABl. EU 2013 L 115/39.

D. Funktionale Betrachtung

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sentliche Unterschiede der Regulierungsagenturen zu den Konstellationen der Exekutivagenturen und der Betrauung völkerrechtlicher Einrichtungen. Die Verträge geben für die Zuweisung von Befugnissen an Agenturen keine Terminologie vor. In Art.  291 Abs.  2 AEUV ist lediglich für Durchführungsbefugnisse von einer „Übertragung“ auf Kommission und Rat die Rede,134 wohingegen in Art. 290 Abs. 3 AEUV „delegierte Rechtsakte“ genannt werden. Dass auch die Zuweisung von Befugnissen an Agenturen zumeist als „Delegation“ beschrieben wird, entspricht dem allgemein weiten Gebrauch des Delegationsbegriffs in der Europarechtswissenschaft und in der Rechtsprechung des EuGH.135 In Kontrast dazu stehen ältere, an das klassische Staatsrecht angelehnte Konzepte. Abgesehen vom sehr weiten Delegationsbegriff der Wiener Schule136, deren „reine Rechtslehre“ sich für einen Verfassungsverbund nur mit Mühe fruchtbar machen lässt, ist vor allem die Systematik Triepels137 als grundlegend auszumachen. Zu ihr wurde das Phänomen der europäischen Agenturen bereits verschiedentlich in Bezug gesetzt.138 Ausgangspunkt ist dort die Abgrenzung von Delegation und Mandat: Als Delegation sei im öffentlichen Recht ein Rechtsakt zu bezeichnen, „durch den der Inhaber einer staatlichen oder gemeindlichen Zuständigkeit, also der Staat, die Gemeinde selbst oder eines der Staats- oder Gemeindeorgane seine Kompetenz ganz oder zum Teil auf ein anderes Subjekt überträgt“.139 Delegation bedeute demnach Verfügung, d. h. gleichermaßen Ab- und Zuschiebung von Zuständigkeit, „beides beruhend auf dem Willen dessen, der an Zuständigkeit verliert“.140 Der Verfügende 134

Vgl. zu Art. 155 Spstr. 4 EGV D Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 100. 135 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 371. Zur Rechtsprechung vgl. F. Wettner, Die Amtshilfe im Europäischen Verwaltungsrecht, S. 138 (dort Fn. 108). Teils wird in der deutschen Fassung der Urteile des EuGH nur von einer Übertragung gesprochen, wo im Englischen der Begriff „delegation“ Verwendung findet, s. EuGH, Rs. C-240/90 (Deutschland/Kommission), Slg. 1992, S. 5383, 5435 (D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 100). Zum Schrifttum s. H. C. H. Hofmann/G. C. Rowe/A. H. Türk, Administrative Law and Policy of the European Union, S. 222–224; K. Lenaerts, ELRev 18 (1993), S. 23, 24 f. 136 S. H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre (1925), S. 236, 248 ff.; ders., Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts, 2. Aufl. (1928), S. 116–120; A. Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft (1926), S.  42 ff. Als „Delegation“ wird dort die das gesamte Rechtssystem durchziehende „Berufung“ der höheren Norm durch die niedere aufgefasst; kritisch hierzu H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 65 ff. 137 H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht. 138 So durch C. Franzius, Gewährleistung im Recht, S. 294 f. (dort Fn. 365); Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 371; Ch.  Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 266–269; F. Wettner, Die Amtshilfe im Europäischen Verwaltungsrecht, S. 134 ff.; vgl. auch schon allgemein zu den dort verwendeten Begriffen in Bezug auf vertragsfremde Einrichtungen der EG R. H. Lauwaars, Lawfulness and Legal Force of Community Decisions, S. 147 f. 139 H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 23; dies aufgreifend etwa T. Reinhardt, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 20; B. Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, S. 202. 140 H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 23.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

wird (wie allgemein) als Delegant, der Empfänger als Delegatar bezeichnet. Dieser Konstellation stellt Triepel die Ausübung einer fremden Kompetenz entgegen, die er als Mandat bezeichnet.141 Die sekundärrechtliche Ausstattung von Agenturen mit Befugnissen wird – soweit ersichtlich – unisono nicht als Delegation in diesem engen Sinne verstanden.142 Dem ist zuzustimmen: Das entscheidende Wesensmerkmal echter Delegation ist dort die Aufgabe der Zuständigkeit durch den Deleganten. Diese könne zwar bedingt, befristet oder widerrufbar erfolgen, müsse aber insoweit einen gänzlichen Übergang der Kompetenz bilden.143 Tatsächlich ist ein solcher Übergang bei Agenturisierungen nicht festzustellen: In der Regel werden Zuständigkeiten hier viel eher geschaffen denn übertragen; eine „Übertragung“ erfolgt nicht von einer Institution auf die andere, sondern konstitutiv vom Unionsgesetzgeber auf eine unionale Einrichtung.144 Gegen eine solche Unterscheidung könnte nun die teils vertretene Sicht angeführt werden, die durch Sekundärrecht zugewiesenen Befugnisse seien nicht neu, sondern bereits im Vertrag angelegt.145 Dies wird selbst für Zuweisungen auf der Grundlage von Art. 352 AEUV behauptet.146 Vertragliche Anlagen sind indes nicht mehr als Möglichkeiten: Die konkrete kompetenzielle Ausstattung einer Agentur ist nicht nur prozedural durch das jeweilige Gesetzgebungsverfahren bedingt. Ihre materielle Rechtmäßigkeit wird – insbesondere über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  – maßgeblich auch durch im Wandel befindliche Lebenssachverhalte bestimmt. Abstrakte primärrechtliche Anlagen führen damit je nach Zeitpunkt zu ganz unterschiedlichen Manifestationen. Von ihnen kann nicht a priori auf einen festen Bestand an potenziellem Sekundärrecht geschlossen werden.147 Aber selbst dort, wo – wie bei der Gründung der Umweltagentur148 – Befugnisse auf eine Agentur verlagert werden, die bislang einem Organ zustanden, geschieht dies anders als im Falle der Exekutivagenturen nicht nach dem Willen jenes Organs, sondern auf Veranlassung des Unionsgesetzgebers  – eines „Verfassungs 141

Ebd. Vgl. Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  371; zustimmend K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 125; allgemein für sekundärrechtlich erst zu begründende Kompetenzen F. Wettner, Die Amtshilfe im Europäischen Verwaltungsrecht, S. 136–138; kritisch auch C. Franzius, Gewährleistung im Recht, S. 294 f. Eine Vermengung normativer Vorgaben der Verträge mit dieser semantischen Frage findet sich bei Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 267. 143 H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 51 f. 144 F.  Wettner, Die Amtshilfe im Europäischen Verwaltungsrecht, S.  136 f.; so wohl auch Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 371; so auch zur Zuweisung von Durchführungsbefugnissen an die Kommission Ch. Möllers, EuR 2002, S. 483, 493. 145 D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 101. 146 Ebd. 147 Ähnlich zur Zuweisung von Durchführungsbefugnissen an die Kommission Ch. Möllers, EuR 2002, S. 483, 493. 148 S. P.  Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S.  246; hierzu näher u. 2. Teil A. I. 2. 142

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akteurs in Wahrnehmung seiner eigenen Rechtsetzungskompetenz“149 (zu einem Zusammenfallen von Organ und Unionsgesetzgeber kommt es nunmehr nur noch im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, wo der Rat Agenturen per Beschluss errichten kann)150. Dabei gibt dieser keinerlei Zuständigkeiten aus der Hand. So ist es dem Unionsgesetzgeber bspw. unbenommen, selbst Zulassungsspezifikationen für Luftfahrzeuge festzulegen, obwohl er bereits die Flugsicherheitsagentur mit dieser Aufgabe betraut hat. Eine hierüber hinausgehende „Delegation der gesetzgebenden Gewalt“ wäre auch normenhierarchisch nicht zu erklären.151 Da also lediglich eine Zuschiebung, nicht aber eine Abschiebung von Zuständigkeit erfolgt, fehlt es am Wesensmerkmal echter Delegation.152 Ebenso wenig liegt jedoch eine Mandatierung vor, handeln Regulierungsagenturen doch im eigenen Namen und werden ihnen ihre Tätigkeiten darüber hinaus zugerechnet.153 Es sind daher weitere Abstufungen angezeigt, wie sie Triepel mit der Unterscheidung von „echten“ und „unechten Delegationen“ herausgearbeitet hat. Auf die Fallgruppen unechter Delegation soll an dieser Stelle jedoch nicht im Detail eingegangen werden. Sie vermögen die kompetenzielle Ausstattung von Agenturen nur mit Mühe zu beschreiben. Zwar ließe sich die soeben angeführte Übertragung von Aufgaben mit legislativem Bezug als „konservierende Delegation“ einordnen, bei der sich der Unionsgesetzgeber als Delegant die Ausübung ausdrücklich oder stillschweigend vorbehält.154 Wie noch zu zeigen sein wird, tragen aber nur die wenigsten Tätigkeiten von Agenturen direkt zur unionalen Gesetzgebung bei. Eine Ausübung administrativer Tätigkeiten ist durch den Unionsgesetzgeber in seiner Gesamtheit dagegen nicht denkbar.155 Anderes mag nach Art. 291 Abs. 2 AEUV für Rat und Kommission gelten. Diese Institutionen handeln bei Agenturisierungen jedoch nicht selbst als Deleganten.156 Innerhalb der unechten Delegationen ließe sich die fragliche Operation am ehesten als „delegatio a iure“ beschreiben:157 Denn die Übertragung erfolgt – anders 149

GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 91. A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 327. 151 Vgl. H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 58 f. Zum zulässigen Rahmen der Einbindung von Agenturen in legislative Prozesse s. u. 3. Teil D. 152 Vgl. H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 3: „Denn es ist etwas anderes, wenn jemand aus seiner Kompetenz ein Stück abtrennt und auf einen andern [sic] ablädt, etwas anderes, wenn das Gesetz eine Kompetenz begründet, namentlich wenn diese vorher noch keinem andern [sic] gehört hat.“ 153 D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 101. 154 H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 53, s. für den vorliegenden Zusammenhang insb. S. 58. 155 Vgl. ebd., S. 61. 156 Vgl. allerdings Fn.  30 zum Zusammenfallen von Rat und Gesetzgeber im Bereich der GASP. 157 Zu diesem dem Kirchenrecht entstammenden Konzept vgl. H.  Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 62 m. w. N. 150

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

als bei völkerrechtlichen Gründungen, an denen die Union teilnimmt – nicht etwa zwischen vergleichbaren Subjekten, sondern auf dem übergeordneten Feld gesetzgeberischer Kreation. Die Befugnisse verbleiben ungeachtet der Rechtspersönlichkeit von Agenturen in der Sphäre des Unionsrechts, da sich jene Rechtspersönlichkeit gerade von der Union ableitet.158 Das Präfix „de“ suggeriert jedoch eine Abschiebung von Befugnissen, deren Ausbleiben etwa im Hinblick auf das institutionelle Gleichgewicht bei Agenturisierungen gerade wesentlich ist. Wie schon Esmein für die „delegatio  a iure“ allgemein festgestellt hat, sollte anstatt von „délégation“ daher besser von „attribution législative“ die Rede sein.159 Auch für das europäische Agenturwesen sind die Begriffe der Attribution bzw. der Befugniszuweisung oder Betrauung vorzugswürdig.160 Hierdurch wird die Ungleichartigkeit von Zuweisendem und Empfänger hinreichend ausgedrückt.

III. Überblick über die Befugnisse von Agenturen Während sich der Begriff der Agentur wie beschrieben konturieren lässt, sind die den Agenturen zugewiesenen Befugnisse mittlerweile kaum mehr zu über­ blicken. Aus diesem Grund beschränkt sich der Anspruch dieses Abschnitts auf eine Kategorisierung, wodurch auch die Einordung künftiger Gründungen ermöglicht wird. Dafür gilt es zunächst, einige übergeordnete Begriffe – nunmehr in Bezug auf die Handlungen von Agenturen selbst – zu klären. 1. Übergeordnete Begriffe Vorstehend wurden Agenturen als Einrichtungen mit administrativer Funktion beschrieben. Die Begriffe der Verwaltung und des Vollzugs können allerdings lediglich als grobe Raster dienen. So gestaltet sich die schon in den nationalen Rechtsordnungen problematische Eingrenzung des Verwaltungsbegriffs im Unionsrecht umso schwieriger. Die Negativdefinition, nach der als Verwaltung diejenigen Tätigkeiten zu bezeichnen sind, die weder der Gesetzgebung noch der Rechtsprechung dienen, bringt mangels klarer Trennlinien zwischen unionaler Legislative und Exekutive kaum einen Gewinn.161 Ungeachtet vereinzelter Befugnisse 158

Vgl. R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 568 f. S. A. Esmein, Éléments de droit constitutionnel, 8. Aufl., Bd. 2, S. 86; so auch zitiert bei H. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 61. 160 Vgl. die Wortwahl „entrust“ bei D. Geradin/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working­ Paper 01/04 (2004), u. a. S. 41. 161 M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 11; vgl. D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 241 f. Eine Verschränkung lässt sich auch in vertikaler Hinsicht feststellen, da innerstaatliche Behörden vermehrt am unionalen Gesetzgebungsprozess beteiligt werden, s. A. Hatje, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323, 337. 159

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von Agenturen zur (faktischen) Rechtsetzung dürften – dem gröbsten Verständnis von „Verwaltung“ folgend – bislang gleichwohl sämtliche Funktionen verwaltender Natur sein. Denn auch wenn die Weite einzelner Konkretisierungsbefugnisse bedenklich erscheinen mag, besteht doch stets ein durch sekundärrechtliche Normen beträchtlich verengter Spielraum. Gemeinhin enger umschrieben wird dagegen der Vollzugsbegriff: Dieser umfasst nach allgemeinem Verständnis allein Konkretisierungen normativer Vorgaben im Einzelfall.162 Schlichtes Handeln, insbesondere die für die Netzwerkfunktion von Agenturen so bedeutsamen informellen Maßnahmen, werden vielfach nicht als derartige Konkretisierungen eingeordnet.163 Im Unionsrecht besteht mit dem weiten Terminus der Durchführung daneben ein „eigenständiger Zentralbegriff“.164 Das unklare Verhältnis von Agenturmaßnahmen zur Handlungsform der Durchführungsrechtsakte i. S. d. Art.  291 AEUV lässt es jedoch geboten erscheinen, diesen Ausdruck mit Umsicht zu verwenden. Im Folgenden wird daher ein weiter Vollzugsbegriff in Anlehnung an das Steinsche Verständnis vom Vollzug als „That“165 zugrundegelegt, der ebenso einzelne rechtlich unverbindliche Handlungen umfasst. Dadurch wird einer Verwaltungspraxis Rechnung getragen, die sich in zunehmendem Maße innovativer, im Verhältnis zu klassischen Weisungen jedoch vielfach funktionsäquivalenter Handlungsformen bedient.166 Dazu können schon bloße Auskünfte, etwa zu Auslegungsfragen, aber auch mit „Koordinierung“ titulierte Maßnahmen zählen, wenn mit ihnen direkt auf einzelne Entscheidungen mitgliedstaatlicher Behörden Einfluss genommen wird.167 Nicht als Vollzug können dagegen normsetzende, d. h. für Agenturen vor allem normkonkretisierende Maßnahmen verstanden werden. Das gilt unabhängig von einer rechtlichen Verbindlichkeit oder einer bloß faktischen Wirkung, solange die Wirkung auf eine Vielzahl von Fällen gerichtet ist. Darunter dürfte der Großteil der informatorischen Tätigkeiten mit unbestimmtem Empfängerkreis zu fassen sein.168

162

So auch für den mitgliedstaatlichen Vollzug Ch. Möllers, EuR 2002, S. 483, 496. M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 12. 164 G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 1, § 12 Rn. 13. 165 L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland (1870), S. 7, 14. 166 Vgl. D. Curtin/M. Egeberg, West European Politics 31 (2008), S. 639, 650; Th. Opper­ mann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 27. 167 Vgl. M. Ruffert, The many faces of rule-making in the EU, in: Fahey (Hrsg.), The Actors of Postnational Rule-Making, 3.3.2.2., 3.4; zum Vollzugsbegriff in Bezug auf Agenturen vgl. die abweichende Definition bei Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 176 f. 168 So wohl auch Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 178. 163

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

2. Handlungsformen Erschwert wird die Betrachtung der Funktionen von Agenturen durch den Umstand, dass sich eine durchgehende Kategorisierung hoheitlicher Handlungs­ formen im Unionsrecht bislang noch nicht herausgebildet hat. Eine allgemeine Form für rechtsverbindliche Einzelfallentscheidungen, die dem deutschen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 VwVfG oder der (auch normative Maßnahmen umfassenden) französischen Decision exécutoire169 entspräche, sehen die Verträge nicht vor.170 Zu denken wäre insofern jedoch an die in Art. 288 AEUV vorgesehenen Rechtsakte, insbesondere an Beschlüsse nach Art.  288 Abs.  4 AEUV. Dem Wortlaut zufolge stehen diese Handlungstypen allerdings nur den Organen zu. Gleichwohl finden sich im Schrifttum Stimmen, die die Vorschrift (mehr oder weniger deutlich im Wege der Analogie) für Agenturen öffnen wollen.171 Ausgangspunkt der Forderung insbesondere nach einer direkten Anwendung ist eine Charakterisierung von Art. 288 AEUV als eine „besonders flexible und offene“ Vorschrift.172 Dem ist insoweit zuzustimmen, als die Norm lediglich über verbindliche Handlungsformen der Organe Auskunft gibt.173 Eine abschließende Aufzählung leistet sie nicht, sodass sie schwächeren, d. h. unverbindlichen Handlungsformen nicht entgegensteht.174 Diese übereinstimmend angenommene Offenheit müsse sich der genannten Ansicht nach ebenso auf den Kreis der Institutionen erstrecken, der somit um die Agenturen zu erweitern sei.175 Die Annahme, den Organen müssten gleichfalls unverbindliche Handlungsformen gestattet sein, ist jedoch nicht etwa Ausdruck einer „besonderen Offenheit“, sondern nichts weiter als ein Schluss nach dem argumentum a maiore ad minus. Dieser Schluss kann für den Kreis der Träger gerade nicht entsprechend gezogen werden. Anderenfalls ergäbe schon der in Art.  132 AEUV niedergelegte Handlungsformenkatalog für die EZB wenig 169

Zur ggü. § 35 VwVfG größeren Weite s. H. D. Jarass, DÖV 1981, S. 813, 819 f. Vgl. A. Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 320, 408. 171 So D. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., § 5 Rn.  24; D.  Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S.  118 f.; E.  Gurlit, ZHR 2013, S. 862, 881; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 139; wohl auch P. Szczekalla, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 5 Rn. 74; vgl. auch M. Lehmann/C. Manger-Nestler, ZBB 2011, S. 2, 14; a. A. bzgl. Art. 249 EG A. v. Bogdandy/J. Bast/F. Arndt, ZaöRV 62 (2002), S. 77, 137. 172 S. K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  139; so auch zu Art. 189 EWGV D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 118. 173 Zwar werden in Abs.  5 auch explizit als unverbindlich gekennzeichnete Empfehlungen und Stellungnahmen genannt. Es erscheint jedoch fernliegend, dass der Union hierdurch sonstige unverbindliche Handlungen, vor allem schlichtes Verwaltungshandeln, gänzlich verschlossen bleiben soll. 174 K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 139; so auch zu Art. 249 EGV Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 254; ähnlich E. Gur­ lit, ZHR 2013, S. 862, 875; vgl. A. Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 404–407. 175 S. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 139. 170

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Sinn.176 Schließlich erscheinen Agenturen im Vergleich zu den Organen hinsichtlich ihrer geringeren demokratischen Legitimation keineswegs als ein Minus. In der Konsequenz müssten sie aber sogar zur Annahme von Verordnungen und Richtlinien befugt sein.177 Eine direkte Anwendung ist damit abzulehnen.178 Ebenso verfehlt erscheint es jedoch, Agenturen durch einen Umkehrschluss von jeder der in Art. 288 AEUV genannten Handlungsformen auszuschließen. Der Wortlaut legt dies auf den ersten Blick zwar nahe, da die „Einrichtungen und sonstigen Stellen“ anders als in anderen Vorschriften keine Erwähnung finden. Allerdings ist gerade jenen Vorschriften zu entnehmen, dass die „Einrichtungen und sonstigen Stellen“ grundsätzlich zu funktionsäquivalenten Entscheidungen befugt sein müssen, wenn etwa in Art. 263 Abs. 5 AEUV von einer „Rechtswirkung gegenüber diesen Personen [natürlichen oder juristischen Personen]“ die Rede ist.179 Der fehlende terminologische Zusammenhang von Handlungsform und Rechtsschutz zeigt jedoch, dass Art. 288 AEUV einen letztlich nur geringen Mehrwert bietet.180 Wie vor allem für die „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ in Art. 263 Abs.  4 AEUV leidlich bekannt,181 hält der AEUV einen stringenten Rückgriff auf jene Bestimmungen nicht durch. Dann aber stellt sich die Frage, worin für die Agenturen genau eine Regelungslücke bestehen soll. Eine Erweiterung von Art. 288 AEUV um den Kreis sonstiger Institutionen mag im Interesse einer Systematisierung wünschenswert erscheinen. Rechtliche Folgen sind hieran aber keine geknüpft. Das vertragliche Rechtsschutzsystem definiert die tauglichen Klagegegenstände wie gezeigt vielmehr selbst.182 Art. 288 AEUV ließen sich überdies keinerlei Zulässigkeitsvoraussetzungen für Befugniszuweisungen, etwa hinsichtlich eines Mindestmaßes an Legitimation und Kontrolle, entnehmen.183 Insbesondere verhülfe eine Analogie nicht über das Erfordernis einer Einzelermächtigung hinweg. Die Bestimmungen in Art. 288 AEUV werden von Vorschriften aufgegriffen, die Agenturen in keiner Weise adressieren, so vor allem von Kompetenz­

176

Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 47; so schon zu Art. 110 EGV a. F. D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 101. 177 Dies im Hinblick auf das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts ablehnend K. Mi­ chel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 142 f. 178 So auch zu Art.  249 EGV D.  Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 100 f. 179 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 79 f.; Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 47. 180 Ähnlich Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 254 f. 181 Vgl. EuGH, Rs. C-583/11 P (Inuit Tapiriit Kanatami), EuZW 2014, 22, Rn.  45–61; vgl. auch den erstinstanzlichen Beschluss des EuG, Rs.  T-18/10 (Inuit Tapiriit Kanatami), Slg. 2011, II-5599, Rn. 38–56; vgl. zum Ganzen die Darstellung bei A. Arnull, in: Arnull/Chalmers (Hrsg.), The Oxford Handbook of European Union Law, S. 391–398. 182 Vgl. A. Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 434 f. 183 Ähnlich Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 255.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

normen. Dementsprechend ist eine analoge Anwendung mangels Regelungslücke abzulehnen.184 Mit Blick auf die soeben genannte Wertung in Art. 263 Abs. 5 AEUV ist daraus jedoch keineswegs zu folgern, Agenturen könnten keine Maßnahmen ergreifen, die den Handlungsformen des Beschlusses sowie der Empfehlungen und Stellungnahmen hinsichtlich ihrer Wirkung entsprechen.185 Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen erscheint es denn auch unproblematisch, wenn im einschlägigen Sekundärrecht sowie in den Entscheidungen des EuGH Handlungen von Agenturen wie die Maßnahmen der ESMA nach Art. 28 LeerverkaufsVO als „Beschlüsse“ bezeichnet werden.186 Das Schweigen von Art. 288 AEUV sagt wiederum noch nichts über die Rechtmäßigkeit entsprechender Zuweisungen im Einzelfall aus. Hier wird insbesondere die allgemeine Problematik der Rechtswirkung adressatenloser Beschlüsse erheblich.187 Zu denken wäre weiterhin an die spezifisch exekutiven Handlungskategorien des delegierten Rechtsakts nach Art. 290 AEUV sowie des Durchführungsrechtsakts nach Art. 291 Abs. 2–4 AEUV. Diese stehen dem deutlichen Wortlaut nach jedoch nur der Kommission bzw. der Kommission und dem Rat zur Verfügung.188 Hinzu kommt, dass der Begriff der Durchführung zum Teil sehr weit verstanden wird und insbesondere normsetzende Tätigkeiten umschließt.189 Angesichts einer insgesamt widersprüchlichen Systematik der Verträge wird „Durchführung“ – sofern man den Begriff an Art. 291 AEUV festmacht – zunehmend sogar ausschließlich als Normkonkretisierung aufgefasst.190 Ohne dem problematischen Verhältnis von Art. 291 AEUV zum Agenturmodell vorzugreifen, ist mithin festzuhalten, dass sich der Begriff der Durchführung für eine systematische Erfassung der ganz unterschiedlichen Funktionen von Agenturen nur bedingt eignet. Etwas anderes gilt für die seltenen Fälle, in denen Agenturen unmittelbar an den genannten Handlungen der Organe mitwirken, wie es sich nunmehr bei der Erarbeitung tech 184 So auch zu Art. 249 EGV ebd., S. 254 f.; zu Art. 288 AEUV im Ergebnis wohl auch ders., Jura 2012, S. 42, 47; vgl. M. Vogt, Die Entscheidung als Handlungsform des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 24 f. 185 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 254 f. 186 S. Art. 28 Abs. 2 LeerverkaufsVO bzw. EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 u. a. Rn. 28; so auch Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 47; vgl. Ch. Ohler, JZ 2014, S. 249, 251; M. Vogt, Die Entscheidung als Handlungsform des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 24 f. 187 Vgl. in Bezug auf Art. 28 LeerverkaufsVO Ch. Ohler, JZ 2014, S. 249, 251. 188 So wohl auch K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 115 f.; a. A. wohl A. Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 404–407, der sämtliches „Verwaltungshandeln der Eigenverwaltung der Union“ hiervon als erfasst ansieht, ohne dabei jedoch auf Maßnahmen von Agenturen einzugehen. 189 M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 10 f.; Ch. Möllers, EuR 2002, S. 483, 503; zur Abgrenzung ggü. den delegierten Rechtsakten vgl. nur A.  Glaser, Die Entwicklung des Euro­ päischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 34–39 m. w. N. 190 S. hierzu die Darstellung u. 3. Teil C. I. 1.

D. Funktionale Betrachtung

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nischer Regulierungs- oder Durchführungsstandards beobachten lässt (dazu sogleich). Auch dort erlassen Agenturen aber selbst keine delegierten Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte. 3. Die Funktionen im Einzelnen a) Informatorische, unterstützende und koordinierende sowie de facto rechtsetzende Tätigkeiten Fast allen Agenturen kommt die Aufgabe zu, Stellungnahmen und Empfehlungen abzugeben sowie die hierfür erforderlichen Informationen nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu beschaffen, zu verwalten191 und auszuwerten. Mit derartigen informatorischen Tätigkeiten adressieren Agenturen zumeist die Kommission, vielfach aber ebenso mitgliedstaatliche Behörden oder Privatakteure.192 Allgemein bildet der Austausch von Informationen in einer immer komplexeren Mehrebenenverwaltung ein entscheidendes, ja unverzichtbares Steuerungsmedium, um eine möglichst einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu gewährleisten.193 Wo im Folgenden von informatorischen Tätigkeiten die Rede ist, sind nur Tätigkeiten gemeint, die nicht formalisiert in solche Verfahren eingebettet sind, an deren Ende rechtserhebliche Maßnahmen stehen. Anderenfalls müssten bspw. auch die technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESA) als informatorisch bezeichnet werden, dürfen diese doch einzig Beurteilungen „technischer Art“, nicht dagegen strategische oder politische Entscheidungen beinhalten.194 Da die Kommission beim Erlass entsprechender delegierter Rechtsakte bzw. Durchführungsrechtsakte jedoch nur in engen Grenzen von ihnen abweichen kann, sie somit rechtserheblich sind,195 erscheint eine Differenzierung zwingend.

191 Diese Unterscheidung kann insofern angestellt werden, als nicht jede Agentur originär Informationen beschafft, sondern Informationen vielfach lediglich aufbereitet und in Netzwerkstrukturen bereitgestellt werden. So beschreibt A. Braun die EEA etwa als „Informations­ maklerin, weil sie das Wissen, das sie vermittelt, nicht selbst durch eigene Forschungsleistung zusammengetragen hat“, dies., Bundesbehörden und europäische Agenturen als Akteure in Risikoverfahren des Umwelt- und Gesundheitsschutzrechts, S. 233 ff. 192 Vgl. zu EUMC und EMCDDA Th. Groß, EuR 2005, S. 54, 58. 193 A. Hatje, EuR 1998, Beiheft 1, S. 7, 15. 194 S. den jeweiligen Art.  10 Abs.  1 UAbs.  2, Art.  15 Abs.  1 UAbs.  1 S.  2 der VO (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010, ABl. EU 2010 L  331/12 (EBA), der VO (EU) Nr.  1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010, ABl. EU 2010 L  331/48 (EIOPA), sowie der VO (EU) Nr.  1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010, ABl. EU 2010 L  331/84 (ESMA) (ESA-VOen). 195 Vgl. u. d), 2. Teil B. II. 4., 3. Teil D. I.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Eine Abgrenzung von rechtserheblichen zu schlichten informatorischen Tätigkeiten gestaltet sich dort schwierig, wo Informationen faktisch rechtliche Bindungen auslösen und Agenturen entgegen ihrer formalen Stellung die Rolle des Hauptakteurs einnehmen. Die aus der konzeptionellen Begründung der Agenturen folgenden Monopole auf Expertise in den jeweiligen Politiken lassen die rechtliche Qualität von Maßnahmen vielfach als Kriterium verblassen, wie geringe Abweichungsquoten der Letztentscheidungen von Gutachten und Stellungnahmen zeigen. Auf diese Weise vermag der „Mantel der Expertise“ die eigentliche Entscheidungsgewalt zu verdecken.196 Das ist etwa bei den Zulassungsspezifikationen (bspw. technischen Detailregelungen) der Flugsicherheitsagentur für die Musterzulassung von Luftfahrzeugen bzw. Luftfahrzeugteilen zu beobachten.197 Jene Spezifikationen sind rechtlich zwar als unverbindlich zu qualifizieren. Sie berühren neben dem Zulassungsverfahren durch die Flugsicherheitsagentur jedoch auch den Vollzug durch die mitgliedstaatlichen Stellen. Dort entfalten sie, vor allem im Wege der Selbstbindung, de facto Rechtswirkungen.198 In diese Grauzone können je nach Ausgestaltung und Verwaltungspraxis auch sonstige Mitteilungen und insbesondere unverbindliche Leitlinien fallen, die allerdings gleichermaßen von Seiten der Kommission herausgegeben werden.199 Obgleich die Verträge in Art. 288 Abs. 5 AEUV nur unverbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen (der Organe) nennen, schaffen insbesondere die Gründungsverordnungen der ESA durch ein prangerartiges Verfahren bei Nichtbefolgung eine quasi-bindende Wirkung.200 Im jeweiligen Art. 16 Abs. 3 UAbs. 1 heißt es sogar ausdrücklich: „Die zuständigen Behörden und Finanzinstitute unternehmen alle erforderlichen Anstrengungen, um diesen Leitlinien und Empfehlungen nachzukommen.“ Ein weiteres Beispiel für die Dominanz von Expertise in Entscheidungsprozes­ sen bildet die Europäische Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA). Sie ist Teil des Entscheidungsverfahrens zur Arzneimittelzulassung nach der VO (EWG) 2309/93201. Hiernach erarbeitet ein Expertenausschuss der EMA auf Antrag eines Herstellers wissenschaftliche Gutachten über die Zulassungsfähigkeit von Arzneimitteln, welche sodann die Grundlage für Entscheidungs 196

D. Chalmers, European Union Public Law, S. 66 („cloak of ‚expertise‘“). Vgl. Art. 14 der VO (EG) Nr. 1592/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit, ABl. EG 2002 L 240/1. 198 D.  Riedel, in: Schmidt-Assmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 107 f.; s. auch E. Chiti, ELJ 2013, S. 93, 97. 199 Vgl. M. Ruffert, The many faces of rule-making in the EU, in: Fahey (Hrsg.), The Actors of Postnational Rule-Making, 3.3.2.2., 3.4.; vgl. auch E. Chiti, ELJ 2013, S. 93, 95 f. 200 S. Art. 16 Abs. 3 der jeweiligen ESA-VO (Fn. 194); M. Ruffert, The many faces of rulemaking in the EU, in: Fahey (Hrsg.), The Actors of Postnational Rule-Making, 3.3.2.2. 201 VO des Rates vom 22.7.1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln, ABl. EG 1993 L 214/1. 197

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entwürfe der Kommission bilden. Die Entscheidung über die Zulassung verbleibt letztlich bei einem Komitologieausschuss. Insoweit greift ein Sechsaugenprinzip, dessen Ergebnis formell durch eine enge Einbindung von Kommission und Mitgliedstaaten legitimiert ist.202 In der Praxis tritt die EMA dagegen als der überragende Akteur auf. Kommission und Komitologieausschuss folgen schon mangels eigener wissenschaftlicher Ressourcen in aller Regel den Gutachten des Expertenausschusses.203 In der Literatur wird daher der Vorwurf eines systematischen „rubber-stamping“ durch die Kommission laut,204 was umso problematischer erscheint, als die EMA bei ihren Gutachten vielfach nicht nur wissenschaftlichen, sondern auch wertenden Erwägungen insbesondere verbraucherschutzpolitischer Natur folgt.205 Den Stellungnahmen der Sachverständigenausschüsse der Kommission wird mittlerweile zum Teil  sogar eine Art rechtliche Bindungswirkung zugesprochen.206 So dürfen die Organe nach der Entscheidung des EuG in der Rechtssache Pfizer Animal Health SA von Ergebnissen wissenschaftlicher Gutachten nur noch insoweit abweichen, als sie dies durch ein anderes Gutachten oder andere ebenso beweiskräftige Informationen rechtfertigen können.207 Die Entscheidung dürfte auf Agenturen zu übertragen sein, die demnach einerseits intern stärker an ihre Experten gebunden sind, andererseits eine Aufwertung im Gefüge der Institutionen erfahren.208 Die Beispiele verdeutlichen: Die Bezeichnung von Tätigkeiten als „informa­ torisch“ kann euphemistisch geraten; die formal-rechtliche Qualität lässt per se noch keine Rückschlüsse auf verfassungsrechtliche Spannungen zu.209 Sofern informatorische Tätigkeiten tatsächlich Bindungswirkung entfalten, werden sie daher im Folgenden als exekutive De-facto-Rechtsetzung von den schlichten informatorischen Tätigkeiten wertend abgegrenzt.210 Ferner sei betont, dass durch Erhebungen wie durch Veröffentlichungen von Daten bereits schlichte informa 202 Zum Ganzen s. B. Collatz, Die neuen europäischen Zulassungsverfahren für Arzneimittel, S. 56 ff. 203 Th. Gehring/M. A. Kerler/S. Krapohl, in: Tömmel (Hrsg.), Die Europäische Union: Gov­ ern­ance und Policy-Making, S. 240 f. A. Braun zeigt Risikoverfahren auf, in denen der EMA die „Federführung“ zukommt, dies., Bundesbehörden und europäische Agenturen als Akteure in Risikoverfahren des Umwelt- und Gesundheitsschutzrechts, S. 233, Fn. 116; vgl. auch E. Chiti, CML Rev 37 (2000), S. 336 f. 204 Vgl. E. M. Busuioc, in: Ambrus/Arts/Hey/Raulus (Hrsg.), The Role of „Experts“ in International and European Decision-Making Processes, S. 399 f. m. w. N.; Ch. Joerges, KritV 1991, S. 416, 431 f.; zur Bindungswirkung s. E. Chiti, ELJ 2013, S. 93, 98. 205 E. Vos, CML Rev 37 (2000), S. 1113, 1132; vgl. E. Chiti, CML Rev 37 (2000), S. 336 f. 206 So M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 622. 207 EuG, Urt. v. 11.9.2002, Rs.  T-13/99 (Pfizer Animal Health SA/Rat und Kommission), Slg. 2002, II-3305, Rn. 199 f. 208 M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 622; vgl. auch Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 279. 209 So die Annahme bei K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 110; differenzierend E. Chiti, ELJ 2013, S. 93, 99 f. 210 Vgl. ebd., S.  95; Th.  Groß ordnet sie dagegen den Entscheidungsbefugnissen zu, vgl. ders., EuR 2005, S. 54, 58.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

torische Tätigkeiten in Rechtspositionen, insbesondere in Grundrechte, eingreifen können.211 Über die beschriebenen informatorischen Funktionen hinausgehende unterstützende Tätigkeiten bestehen in kaum zu überschauender Vielfalt: Hier lassen sich etwa Ausbildungsmaßnahmen212, die Betreuung bzw. Gewährleistung von Informationssystemen213 oder Maßnahmen klassischer Leistungsverwaltung214 anführen. All diese Tätigkeiten können wiederum sowohl den Organen und mitgliedstaatlichen Stellen als auch Privatsubjekten zugutekommen und machen zumeist als Service für sämtliche dieser Akteure die eigentliche Netzwerkfunktion von Agenturen aus. Agenturen werden zudem unterstützend tätig, indem sie Maßnahmen des dezentralen Unionsrechtsvollzugs durch die mitgliedstaatlichen Behörden in einigen Bereichen koordinieren und die Befolgung unionsrechtlicher Vorgaben durch Privatsubjekte überwachen. Wie im Falle der informatorischen Tätigkeiten muss jedoch auch hier hinsichtlich der rechtlichen Bindungswirkung unterschieden werden. Unverbindliche Koordinierungsmaßnahmen üben nahezu alle Agenturen aus. So fungiert die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (European Maritime Safety Agency, EMSA) als „Netzwerkverwalter“, indem sie ein gemeinschaftliches Überwachungs- und Informationssystem für den Schiffsverkehr betreibt und damit die Reaktionsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Behörden verbessert.215 Eine derart unverbindliche Koordinierung kann allerdings ebenso mittelbar erfolgen: Wo die EMSA bspw. Ausbildungsmaßnahmen organisiert, technische Infrastruktur vorhält und nicht zuletzt in ihren internen Gremien – wie alle Agenturen – personell mit den Mitgliedstaaten verflochten ist, entstehen Räume der informellen Abstimmung und ein Behördennetzwerk mit „überschießenden dynamischen Bindungseffekten“216.217 Koordinierungstätigkeiten mittels rechtsverbindlicher Entscheidungen, wie sie insbesondere die ESA vornehmen,218

211

K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 145. So fungiert etwa CEPOL als Einrichtung für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung. 213 Bspw. kommt EU-LISA die Aufgabe des operativen Managements von IT-Systemen wie Eurodac, dem Schengen Information System (SIS II) oder dem Visa Information System (VIS) zu. 214 Zu nennen ist hier etwa die EAR, der die Durchführung der Gemeinschaftshilfe für den Wiederaufbau der Bundesrepublik Jugoslawien (Unterzeichnung der Verträge, Abschluss von Finanzierungsabkommen, Auftragsvergabe, Zahlungen etc.) oblag, vgl. Art.  2 Abs.  1 lit.  c i. V. m. Art. 1 der VO (EG) Nr. 2667/2000 des Rates vom 5.12.2000 über die Europäische Agentur für den Wiederaufbau, ABl. EG 2000 L 306/7. 215 D.  Riedel, in: Schmidt-Assmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 117. 216 So K.-H. Ladeur, NuR 1997, S. 8, 13. 217 D.  Riedel, in: Schmidt-Assmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 118; vgl. auch E. Chiti, ELJ 2013, S. 93, 96 f.; D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 64 ff. 218 S. u. c). 212

D. Funktionale Betrachtung

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sind hiervon vor allem deshalb zu unterscheiden, weil der Rechtserfolg hinsichtlich seiner Vorrang- und Ersetzungsfunktion gegenüber Maßnahmen nach mitgliedstaatlichem Recht zu abweichenden primärrechtlichen Beurteilungen führen kann. Genannt sei hier nur die abweichende Intensität des Eingriffs in die mitgliedstaatliche Verwaltung, die sich auf die Prüfung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit auswirkt. Selbiges gilt für Kontrollbefugnisse von Agenturen gegenüber mitgliedstaatlichen Behörden.219 Informatorische, unterstützende und koordinierende Tätigkeiten sind damit vielschichtig und lassen sich oftmals nicht trennscharf voneinander abgrenzen. Sie können letztlich sämtlich dem Begriff der Unterstützung zugeordnet werden.220 Entscheidend sind die ihnen gemeinsamen Elemente der fehlenden unmittelbaren rechtlichen Verbindlichkeit und einer tendenziell geringen Eingriffswirkung hinsichtlich der Entscheidungskompetenzen dritter Stellen. In Kenntnis dieser Unschärfe sollen Agenturen mit Befugnissen zu „lediglich“ informatorischen, unterstützenden und koordinierenden Tätigkeiten gleichwohl als schwache Agenturen bezeichnet werden. b) Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs In unterschiedlicher Ausgestaltung obliegt Agenturen in einzelnen Bereichen mittlerweile die Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs von Unionsrecht. Waren solche Befugnisse ursprünglich ein Vorrecht der Kommission,221 ist nunmehr etwa die EMSA befugt, im Rahmen von Kontrollbesuchen die rechtmäßige Anwendung der Vorschriften des Gemeinschaftssystems der Hafenstaatkontrolle durch die nationalen Seeschifffahrtsbehörden zu überprüfen,222 und kann die Flugsicherheitsagentur der Kommission durch Inspektionen der nationalen Luftfahrtbehörden ein Bild über die Einhaltung luftfahrtrechtlicher Bestimmungen­ verschaffen223. Eine Kontrolle erfolgt außerdem durch Berichtspflichten der mitgliedstaatlichen Behörden gegenüber einzelnen Agenturen. Informationspflichten der Mitgliedstaaten erwachsen bereits aus dem Prinzip der loyalen Zusammenarbeit224 und 219

S. u. b). S. KOM (2002) 718 endg., S. 9; Th. Groß, EuR 2005, S. 54, 57; vgl. auch A. Kreher, Journal of European Public Policy 4:2 (1997), S. 225, 236–238. 221 S. M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 145 ff. 222 Art. 2 lit. b i) VO (EG) Nr. 1406/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.6.2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, ABl. EG 2002 L 208/1. 223 Art. 16 VO (EG) Nr. 1592/2002 (s. o. Fn. 5). Die Europäische Eisenbahnagentur (ERA) kann dagegen nicht von sich aus, sondern nur auf Verlangen der Kommission Überprüfungen vornehmen, s. Art. 13, 15 VO (EG) Nr. 881/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur, ABl. EU 2004 L 164/1. 224 K. Heußner, Informationssysteme im Europäischen Verwaltungsverbund, S. 295 ff. 220

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

existieren in gewissem Umfang schon gegenüber schwachen Agenturen, für deren Netzwerkfunktion ein Informationsaustausch mit den zuständigen Behörden unerlässlich ist.225 Es besteht jedoch ein Unterschied zwischen Berichtspflichten, deren Zweck sich in einem entsprechenden Bericht gänzlich erschöpft, die also lediglich der Schaffung eines gemeinsamen Wissensbestands dienen, und solchen Berichtspflichten, die auf Rechenschaft i. S. eines Ist-Soll-Vergleichs und damit auf die Einhaltung unionsrechtlicher Verpflichtungen abzielen. Berichtspflichten letzteren Charakters bilden ein Instrument der Vollzugskontrolle. Sie sind häufig rechtsverbindlichen Entscheidungen von Agenturen vorgeschaltet. Als Beispiel lässt sich insbesondere die Finanzmarktaufsicht anführen: Die drei ESA können im Interesse einer kohärenten Anwendung der verbindlichen Rechtsakte der Union auf Antrag verschiedener Akteure, aber auch ex officio, bei angeblichen Unionsrechtsverletzungen Untersuchungen durchführen.226 Diese Untersuchungen sind der erste Schritt eines eigenständigen Vertragsverletzungsverfahrens. Die jeweilige mitgliedstaatliche Behörde wird dabei zur unverzüglichen Übermittlung sämtlicher Informationen verpflichtet, die die Agentur als für die Untersuchung erforderlich ansieht.227 Einen Mittelweg gehen die ESA-Verordnungen mit dem bereits erwähnten Regime der Leitlinien und Empfehlungen.228 Diese sind zwar nicht bindend; mitgliedstaatliche Behörden werden (ebenso wie private Finanzinstitute) indes selbst bei nur beabsichtigter Nichtentsprechung durch ein ­„naming and ­shaming“229 einem erheblichen Informations- und Begründungsdruck unterworfen.230 Bereits an dieser Stelle zeigt sich, dass Agenturen nicht nur „neben“ Kommission und mitgliedstaatlichen Behörden stehen und deren Vernetzung ermöglichen. Sie treten ebenso als Teil einer zumindest potenziell antagonistischen Beziehung dieser Akteure auf – dies namentlich auf Seiten der Kommission.231 Die berechtigte Feststellung einer „offenen heterarchischen dynamischen Form der Ko­operation und Koordination“, die sich den hergebrachten Schemata hierar­

225

Ein solcher Informationsaustausch verbirgt sich etwa hinter dem weiten Begriff „Zusammenarbeit“, s. bspw. für die EUA Art. 4 Abs. 2, 4 VO (EWG) Nr. 1210/90 des Rates vom 7.5.1990 zur Errichtung einer Europäischen Umweltagentur und eines Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes, ABl. EG 1990 L  120/1 (deutlicher in Art.  4 der konsolidierten VO (EG) Nr.  401/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2009 über die Europäische Umweltagentur und das Europäische Umweltinformationsund Umweltbeobachtungsnetz). 226 S. Art. 17 Abs. 2 der jeweiligen ESA-VO (Fn. 194). 227 Ebd. 228 S. Art. 16 ebd. 229 M. Ruffert, The many faces of rule-making in the EU, in: Fahey (Hrsg.), The Actors of Postnational Rule-Making, 3.3.2.2. 230 S. Art. 16 Abs. 3 der jeweiligen ESA-VO (Fn. 194); P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 72. 231 Zu diesem Antagonismus und den Durchbrechungen in der Rechtspraxis vgl. D.  Chal­ mers, European Union Public Law, S. 64 f.; M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 145 ff.

D. Funktionale Betrachtung

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chischer staatlicher Verwaltungen entzieht,232 gilt im europäischen Verwaltungsverbund233 eben nur partiell. Aufgrund dieser Rollenunterschiede von Agenturen erscheint es zu kurz gegriffen, Kontrollbefugnisse als Teil der oben beschrieben Unterstützungsaufgaben einzuordnen.234 Fraglos unterstützen Agenturen gleichermaßen hier, nur eben zugunsten eines spezifischen Akteurs, der Kommission, und zugunsten eines spezifischen Interesses, der einheitlichen Implementierung von Unionsrecht. c) Rechtsverbindliche Entscheidungen Nach wie vor dienen Agenturen überwiegend der Vorbereitung von Entscheidungen dritter Stellen, insbesondere der Kommission. Mittlerweile verfügen einige Agenturen aber auch selbst über Entscheidungsbefugnisse. Mit „Entscheidungen“ sind hier solche Rechtsakte zur Regelung eines Einzelfalls gemeint, die im Verhältnis zu Dritten rechtsverbindlich sind.235 Nicht als Entscheidungen sind somit Maßnahmen mit bloß interner rechtlicher Verbindlichkeit zu verstehen (etwa dienstrechtliche Entscheidungen).236 Auszuklammern sind ferner solche ohne subordinationsrechtlichen Charakter (z. B. Abschlüsse von Verträgen im Rahmen der Umsetzung eines Hilfsprogramms237 oder der Bedarfsdeckung). Wie soeben gezeigt, können Rechtserfolge wie Kooperationspflichten allerdings ebenso aus Tätigkeiten von Agenturen erwachsen, die nicht unmittelbar auf diesen Rechtserfolg, sondern auf die tatsächliche Vornahme einer Handlung abzielen. „Rechtsverbindliche Entscheidungen“ meint daher allein solche Maßnahmen, die final auf einen unmittelbaren Rechtserfolg gerichtet sind. Es sei daran erinnert, dass ihrer teilweisen Einordnung als Beschlüsse i. S. v. Art. 288 Abs. 4 AEUV nach den obigen Ausführungen nicht zu folgen ist. aa) Gegenüber mitgliedstaatlichen Behörden Über ihre beschriebene Netzwerkfunktion hinaus greifen Agenturen teils direkt in den Vollzug von Unionsrecht durch mitgliedstaatliche Behörden ein. Im Rahmen der Finanzmarktaufsicht sind für die nationalen Stellen mittelbar bereits die Verpflichtungen von Privatsubjekten durch die spezifische Aufsicht verbindlich, etwa das von der ESMA ausgesprochene Verbot, in einen bestimmten Leerverkauf 232

K.-H. Ladeur, NuR 1997, S. 8, 13. Näher zu diesem Zentralbegriff u. F. 234 So aber die Kommission, s. KOM (2002) 718 endg., S. 9. 235 W.  Frenz spricht von „Entscheidungsagenturen“, ders., Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn. 496; s. auch Th. Groß, EuR 2005, S. 54, 57. 236 Ebd., S. 58. 237 Vgl. etwa Art. 2 lit. c VO (EG) Nr. 2667/2000 des Rates vom 5.12.2000 über die Euro­ päische Agentur für Wiederaufbau, ABl. EG 2000 L 306/7. 233

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

einzutreten.238 In diesen Fällen wird die jeweilige Stelle zwar nicht zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet. In Gestalt einer Vorrangwirkung der Agenturentscheidungen hinsichtlich bereits erlassener oder künftiger Rechtsakte239 greifen die Agenturen allerdings in den mitgliedstaatlichen Rechtskreis ein. Sowohl die drei ESA als auch die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Agency for the Cooperation of Energy Regulators, ACER) können mitgliedstaatliche Behörden allerdings ebenso unmittelbar verpflichten. Für die ESA gilt dies in zwei Fällen: Bei der Feststellung einer Krisensituation durch den Rat240 sowie in Wahrnehmung ihrer Rolle als Schlichtungsinstanzen bei Streitigkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden241.242 Auf dem Feld der Finanzmarktaufsicht treten Agenturen insofern als den mitgliedstaatlichen Behörden übergeordnete Einrichtungen auf. Auch hier agieren sie im beschriebenen Antagonismus als Teil des unionalen Pols,243 was die sogleich zu skizzierenden Selbsteintrittsrechte nochmals verdeutlichen. Die Finanzmarktaufsicht durch Agenturen ist damit wesentlich als eine Aufsicht über den mitgliedstaatlichen Vollzug konstruiert. Das gilt eingeschränkt auch für den Bereich der Energieregulierung, wo ACER bei Streitigkeiten über den Zugang zu grenzüberschreitenden Infrastrukturen im Verhältnis zu den nationalen Regulierungsbehörden eine Art zweite Instanz bildet.244 bb) Gegenüber Privatsubjekten Schon seit längerem sind einzelne Agenturen zu rechtsverbindlichen Entscheidungen gegenüber Privatsubjekten befugt. Hier lassen sich zunächst das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum, das Gemeinschaftliche Sortenamt, die Europäische Agentur für Flugsicherheit sowie die Europäische Chemikalien 238

S. u. 2. Teil B. II. 2. S. die jeweiligen Art. 17 Abs. 7, Art. 18 Abs. 5, Art. 19 Abs. 5 der einzelnen ESA-VOen (Fn. 194). 240 S. den jeweiligen Art. 18 Abs. 3 ebd.: „… kann die Behörde [die jeweilige ESA, Anm. d. Verf.] die zuständigen Behörden durch Erlass von Beschlüssen im Einzelfall dazu verpflichten, […] die Maßnahmen zu treffen, […] indem sie sicherstellt, dass Finanzinstitute [im Falle der ESMA: Finanzmarktteilnehmer, Anm.  d. Verf.] und zuständige Behörden die in den genannten Rechtsvorschriften festgelegten Anforderungen erfüllen.“ 241 S. den jeweiligen Art. 19 Abs. 3 ebd.: „Erzielen die zuständigen Behörden […] keine Einigung, so kann die Behörde […] einen Beschluss mit verbindlicher Wirkung für die betreffenden zuständigen Behörden fassen, mit dem die zuständigen Behörden dazu verpflichtet werden, zur Beilegung der Angelegenheit bestimmte Maßnahmen zu treffen oder von solchen abzusehen, um die Einhaltung des Unionsrechts zu gewährleisten.“ 242 S. hierzu näher G. Baur/M. Boegl, BKR 2011, S. 177, 183 f.; U. Häde, EuZW 2011, S. 662 f. 243 W. Frenz/Ch. Ehlenz konstatieren einen unvermeidbaren Eingriff in die mitgliedstaatliche Souveränität, dies., EuZW 2011, S. 623. 244 Art.  7–9 VO (EG) Nr.  713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009, ABl. EU 2009 L 211/1; s. P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 75 f. 239

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agentur (ECHA) nennen.245 Letztere bildet ein Beispiel für Entscheidungsbefugnisse von Agenturen ohne Ermessensausübung: Als zentrale Stelle für das harmonisierte Chemikalienrecht nach REACH246 entscheidet die ECHA autonom über die Registrierung von Chemikalien. Dabei überprüft sie die Anträge einzig auf Vollständigkeit der vorzulegenden Informationen. Sobald umfangreichere Bewertungen anzustellen sind, erfolgt eine enge Einbindung der Mitgliedstaaten und im Falle abweichender Beurteilungen eine Verlagerung der Entscheidung auf die Kommission.247 Die rechtsverbindlichen Entscheidungen sind also an klare Vorgaben des Unionsgesetzgebers geknüpft und erscheinen als bloß technischer Vollzug. Die Möglichkeit einer eigenständigen Politik der Agentur besteht nicht. Weniger deutlich ist dies im Falle der ESA. Vorab ist zu betonen, dass – wie vorstehend beschrieben – bei der neuen unionalen Finanzmarktaufsicht nicht der Weg einer „alltäglichen“ supranationalen Aufsicht („Day-to-Day Supervision“) gegangen wurde, sondern ein Regel-Ausnahme-Verhältnis von unionaler und nationaler Aufsicht zugunsten Letzterer besteht („Intervention-based Supervision“).248 Für eine unionale Alleinaufsicht hat sich der Unionsgesetzgeber allerdings im Falle des neuen Rechtsrahmens zur Aufsicht von Kreditratingagenturen entschieden. Die ursprüngliche Fassung der VO (EG) Nr.  1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009249 sah noch eine nationale Aufsicht vor, die durch Aufseher-Kollegien mit Unterstützung der ESMA bzw. des Committee of European Securities Regulators (CESR), einem Vorläufer der ESMA, koordiniert wurde. Seit der ersten Novelle aus dem Jahr 2011250 übt die ESMA nunmehr die alleinige Aufsicht über Kreditratingagenturen aus.251 245 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 81. Dass der EuGH an dieser Stelle auch die Europäische Arzneimittelagentur nennt, ist nicht nachvollziehbar. Deren Expertenausschuss erarbeitet lediglich wissenschaftliche Gutachten über die Zulassungsfähigkeit von Arzneimitteln, während die eigentliche Entscheidung bei einem Komitologie-Ausschuss verbleibt, s. Th. Groß, EuR 2005, S. 54, 58; G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, S. 224 ff. Zur gleichwohl faktisch überragenden Rolle der EMA im Zulassungsverfahren s. Th. Gehring/M. A. Kerler/S. Krapohl, Risikoregulierung im europäischen Binnenmarkt: Regulierungsagenturen, Normungsinstitute und Komitologie-Ausschüsse, in: Tömmel (Hrsg.), Die Europäische Union: Governance und Policy-Making, S. 240 f. 246 Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, s. VO (EG) Nr. 1907/ 2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2006, ABl. EU 2006 L 396/1 – zugleich Gründungsrechtsakt der ECHA. 247 Th. Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, S. 96 ff. 248 S. P. Schammo, OJLS 32/4 (2012), S. 771–797; P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 75 f. 249 ABl. EU 2009 L 302/1. 250 VO (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2011 zur Änderung der VO (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. EU 2011 L 145/30. Mittlerweile wurde mit der VO (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2013 (ABl. EU 2013 L 146/1) bereits die zweite Änderung vorgenommen, die jedoch vor allem Fragen der Transparenz, des Wettbewerbs, der Haftung und der Unabhängigkeit von Kreditratingagenturen zum Gegenstand hat, s. hierzu K.-H. Bächstädt/M. Henn, KRP 2/2013, S. 20–24. 251 P. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 7. Aufl., § 20 Rn. 884.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Für die übrige Finanzmarktaufsicht steht den drei Agenturen die Befugnis zu rechtsverbindlichen Entscheidungen gegenüber Privatsubjekten nur in enumerativ aufgeführten Fällen unter weitgehenden Reservaten der mitgliedstaatlichen Aufsichten zu: Bei Nichteinhaltung unionsrechtlicher Vorgaben durch die mitgliedstaatlichen Behörden sind sie zur Verpflichtung von privaten Marktakteuren auf Einhaltung der sie bindenden unionsrechtlichen Bestimmungen befugt.252 Stellt der Rat einen Krisenfall fest und kommt eine mitgliedstaatliche Behörde den Beschlüssen der ESA nicht nach, können die ESA selbst Marktteilnehmer per Beschluss auf die Einhaltung der sie unmittelbar bindenden unionsrechtlichen Bestimmungen verpflichten.253 Gleiches gilt in Fällen von Meinungsverschiedenheiten zwischen den zuständigen Behörden.254 Die Maßnahmen der ESA genießen in allen Fällen Vorrangwirkung gegenüber den Beschlüssen der mitgliedstaatlichen Behörden.255 Die Gründungsrechtsakte ergänzendes Sekundärrecht eröffnet weitere Kompetenzen, deren prominentestes Beispiel Art. 28 LeerverkaufsVO, die Befugnis der ESMA zur Verhängung von Offenlegungspflichten und Verboten bei Leerverkäufen, sein dürfte.256 Die Arbeitsteilung zwischen ESA und mitgliedstaatlichen Behörden als bloße operative Unterstützung („operational support“) seitens der Agenturen zu beschreiben,257 erscheint zusammenfassend als Untertreibung. Die Befugnisse der ESA stehen vielmehr in deutlichem Kontrast zu „ermessensfreien“ Befugnissen, wie sie etwa die ECHA ausübt. Anders als dort hat sich der Unionsgesetzgeber bei der Finanzmarktaufsicht in erheblichem Maße unbestimmter Rechtsbegriffe bedient. Hinzu kommt, dass die potenzielle Tragweite der Entscheidungen meist über die bloße Rechtsgewährung hinausgeht und insbesondere erhebliche Auswirkungen für Dritte zeitigen kann. Wo bspw. die ESMA bei einer Bedrohung der ordnungsgemäßen Funktionsweise der Finanzmärkte eine Transaktion unterbindet,258 ist zum einen die Feststellung des Vorliegens dieser Voraussetzung deutlich komplexer und sind zum anderen die möglichen Auswirkungen mit Blick auf die Sensi-

252

S. den jeweiligen Art. 17 Abs. 6 der ESA-VOen (Fn. 194). S. den jeweiligen Art. 18 Abs. 4 ebd. 254 S. den jeweiligen Art. 19 Abs. 4 ebd. 255 S. die jeweiligen Art. 17 Abs. 7, Art. 18 Abs. 5, Art. 19 Abs. 5 ebd. 256 Dazu ausführlich u. 2. Teil B. II. 2. 257 S. P.  Schammo, OJLS 32/4 (2012), S.  771–797; P.  v.  Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 75 f. 258 Die Voraussetzungen werden durch die Delegierte VO (EU) Nr. 918/2012 der Kommission vom 5.7.2012 zur Ergänzung der VO (EU) Nr.  236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps im Hinblick auf Begriffsbestimmungen, die Berechnung von Netto-Leerverkaufspositionen, gedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, Meldeschwellen, Liquiditätsschwellen für die vorübergehende Aufhebung von Beschränkungen, signifikante Wertminderungen bei Finanzinstrumenten und ungünstige Ereignisse; erlassen auf der Grundlage von Art. 30 i. V. m. Art. 42 LeerverkaufsVO, konkretisiert. Auch diese Zergliederung der unbestimmten Rechtsbegriffe läuft jedoch wiederum auf unbestimmte Rechtsbegriffe hinaus, s. u. 2. Teil B. II. 3. 253

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bilität der Finanzmärkte deutlich gravierender, als es bei einer bloßen Vollständigkeitsprüfung eines Antrags auf Chemikalienregistrierung der Fall ist. Dasselbe gilt für die Entscheidungsbefugnisse des im Rahmen der Bankenunion geschaffenen Ausschusses für die einheitliche Abwicklung.259 Eine wesentliche Tätigkeit des Ausschusses besteht zunächst in der Vorbereitung von Entscheidungen über Re­strukturierungen bzw. Liquidationen durch Rat und Kommission.260 Hierzu erstellt der Ausschuss Abwicklungspläne für Kreditinstitute, die der Aufsicht durch die EZB unterstehen.261 Dabei verfügt er nicht nur über weitreichende Untersuchungsbefugnisse, sondern kann nach Durchführung eines Anhörungsverfahrens auch Mindestanforderungen an die Eigenmittelausstattung der Institute festlegen.262 Bei der Sicherung des durch Rat und Kommission beschlossenen Abwicklungskonzepts ist der Ausschuss unter anderem befugt, Gläubiger und Anteilseigner zur Beteiligung an den Abwicklungskosten zu verpflichten.263 Die Beispiele verdeutlichen, dass Agenturen keineswegs auf die Rolle von Netzwerkverwaltern beschränkt sind, sondern zum Teil  über erhebliche Spielräume verfügen und damit auch im tatsächlichen Wortsinn „entscheiden“.264 d) Exekutive Rechtsetzung Eine neue Rolle spielt das Agenturmodell durch die formalisierte Einbettung in exekutive Rechtsetzungsverfahren. Der Präzedenzfall besteht wiederum in der Schaffung der ESA. Wie vorstehend dargestellt, spielen Agenturen mit ihren Expertise-Monopolen schon seit längerem eine bedeutende Rolle bei der Schaffung generell-abstrakter Normen. In den Gründungsverordnungen der ESA sind sie dagegen erstmals mit Verfahrensrechten beim Erlass von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten nach Art.  290 bzw. Art.  291 AEUV durch die Kommission ausgestattet.265 Ist die Kommission auf den jeweiligen Gebieten zum Erlass von delegierten Rechtsakten bzw. Durchführungsrechtsakten ermächtigt, so wird diese Ermächtigung auf die Billigung von Entwürfen der Agenturen beschränkt. Die letztliche Entscheidung verbleibt demnach zwar bei der Kommission. Sie darf allerdings nur nach Ablauf eines formalisierten Widerspruchsverfahrens von den sog. technischen Regulierungsstandards bzw. tech 259

Zur Errichtung s. Fn. 17. Art. 18 Abs. 7 VO (EU) Nr. 806/2014 (Fn. 17). 261 Art. 7 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2 ebd. 262 Art. 12 ebd. 263 Art.  27 ebd.; so auch zusammenfassend A.-K.  Kaufhold, in: Schmidt/Wollenschläger (Hrsg.), Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl., S. 650 f. 264 J.  Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S.  451, 455 ff.; A.  Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 330; vgl. auch Ch. Ohler, JZ 2014, S. 249, 250. 265 N. Kohtamäki, EuR 2014, S.  321, 329; vgl. N.  Moloney, EU Securities and Financial­ Markets Regulation, 3. Aufl., S. 907. 260

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nischen Durchführungsstandards der jeweiligen ESA abweichen bzw. Rechtsakte ohne vorangehende Standards erlassen.266 Eine befriedigende Einordnung dieses Phänomens wurde noch nicht geleistet. Ungeklärt ist die Zulässigkeit vor allem im Hinblick auf die der Kommission nach Art.  290 f. AEUV zukommende Stellung.267 Der Begriff der exekutiven Recht­ setzung, der weitgehend dem des executive rulemaking268 entspricht, verdeutlicht die jedenfalls als Alleinstellungsmerkmal auszumachende rechtlich-formalisierte Stellung in Abgrenzung zu den bereits beschriebenen (weitgehend)  unverbindlichen Gutachten und Stellungnahmen. Dass es letztlich nicht die Agentur, sondern die Kommission ist, die Recht setzt, spricht nicht gegen die Bezeichnung als Rechtsetzung. Denn obgleich der Unionsgesetzgeber – wohl mit Blick auf die sogleich darzustellende Meroni-Rechtsprechung – die Verantwortlichkeit weiterhin bei der Kommission belassen hat, gestaltet sich der letztliche Rechtsakt doch als das gemeinsame Werk beider Akteure. e) Quasi-judizielle Handlungen Der Vollständigkeit halber seien schließlich die quasi-judiziellen Handlungen erwähnt, die Agenturen über ihre internen Widerspruchs- und Beschwerdeausschüsse ausüben.269 Mit dem Vertrag von Lissabon hat sich die Frage nach einem Rechtsprechungsmonopol des EuGH erledigt: Neben Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 EUV steht normativ gleichrangig (Art. 1 Abs. 3 S. 2 EUV) Art. 263 Abs. 5 AEUV, der vorgeschaltete interne Beschwerdeverfahren für die „Einrichtungen und sonstigen Stellen“ ausdrücklich für zulässig erklärt.270 Letztere Vorschrift erübrigt die Suche nach Rechtsgrundlagen für entsprechende Befugnisse, sodass sie im Folgenden außer Betracht bleiben können.

266

S. die jeweiligen Art. 10–15 der einzelnen ESA-VOen (Fn. 194). Dazu näher u. 3. Teil D. I. 268 Zum Begriff s. E. Chiti, ELJ 2013, S. 93, 94 ff.; D. Curtin/H. Hofmann/J. Mendes, ELJ 2013, S.  1–21. Ebd. wird auch eine alternative, weite Verwendung des Begriffs beschrieben (und verworfen), worunter dann bspw. auch das Agenda Setting bzw. die faktische Vorbereitung von Beschlüssen allgemein fielen, ebd., S. 2 f. 269 Zur Bezeichnung vgl. statt vieler K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 137. 270 Ebd.; schon nach alter Rechtslage ein Rechtsprechungsmonopol des EuGH ablehnend D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 128 m. w. N.; R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 574; vgl. auch EuGH, Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt), Slg. 1977, 741 Rn. 21. 267

D. Funktionale Betrachtung

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4. Konsequenzen für den Gang der Untersuchung Der Blick auf ihre Funktionen verdeutlicht die Vielgestaltigkeit der Agenturen. Sie auf die Rolle von Hilfsarbeitern der Kommission zu reduzieren, erschiene ebenso verfehlt wie die pauschale Einordung als mächtige Sonderverwaltungen. Ihre Rolle wechselt je nach kompetenzieller Ausstattung vielmehr von der eines Zentrums für Informationsnetze über die einer Vermittlungs- bis hin zu der einer Entscheidungs- und Normierungsstelle.271 Die Unterscheidung von schwachen Agenturen mit lediglich unterstützenden Funktionen und starken Agenturen mit Befugnissen zu rechtsverbindlichen Entscheidungen, Kontrollen und exekutiver Rechtsetzung kann ebenfalls nur als eine vereinfachende Schablone gebraucht werden. Entscheidend ist die Erkenntnis, dass die Prüfung von Rechtsgrundlagen und sonstigen primärrechtlichen Vorgaben zunächst die logische Trennung der Errichtung als solcher von den verschiedentlich zugewiesenen Aufgaben erfordert. Wie noch zu zeigen sein wird, liegt der Fokus jenseits der Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit von Agenturgründungen auf den konkreten Funktionen. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass Agenturen praktisch nie über nur eine einzige Befugnis, sondern stets über ganze Kompetenzkataloge verfügen. So wird etwa der ENISA in ihrer Gründungsverordnung ein Kompetenzkatalog mit ganzen elf Buchstaben zugewiesen, der von der Erhebung geeigneter Informationen zur Risikoanalyse über die Sensibilisierung von Nutzern in Fragen der Netz- und Informationssicherheit bis hin zu Maßnahmen für eine bessere Zusammenarbeit der Union mit Drittländern reicht.272 Derartige Kompetenzkataloge werden im Folgenden auch als Befugnisbündel bezeichnet.273 Sie führen insbesondere im Zusammenhang der Verbindung von Rechtsgrundlagen zu zahlreichen Fragen.274 Dort, wo eine Differenzierung entbehrlich ist, werden die Akte der Errichtung und Befugniszuweisung nachstehend mit dem Begriff der Agenturisierung zusammengefasst, der zugleich den verwaltungspolitischen Trend der Agenturgründung in seiner Gesamtheit beschreibt.275

271 Eine ähnliche Beschreibung (ohne Anführung normsetzender Kompetenzen) findet sich hinsichtlich der Rolle der Kommission in Vereinheitlichungsverfahren bei G. Sydow, Die Verwaltung 2001, S. 517, 533 f. 272 S. Art.  3 VO (EG) Nr.  460/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.3.2004 zur Errichtung der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit, ABl. EU 2004 L 77/1. 273 Vgl. die Bezeichnung als „Kompetenzbündel“ bei Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 178. 274 Dazu näher u. 2. Teil C. II. 275 Vgl. die o. in der Einleitung, Fn. 6, angeführten Nachweise zum Gebrauch des Begriffs im Schrifttum.

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IV. Die Meroni-Rechtsprechung Der rechtliche Rahmen europäischer Agenturen ist seit jeher richterlich geprägt. Darin mag einer der Gründe liegen, weshalb auch der Vertrag von Lissabon keinen Anspruch auf eine umfassende Regelung des Agenturmodells erhebt.276 Den umstrittenen Fixpunkt des richterlichen „Agenturrechts“ bildet die Meroni-Rechtsprechung aus dem Jahr 1958, in der sich der EuGH erstmals mit Fragen zur Zuweisung von Befugnissen an vertraglich nur mittelbar vorgesehene Einrichtungen auseinandersetzte.277 Für die Frage nach heutigen Rechtsgrundlagen lassen sich den Entscheidungen zwar keine direkten Aussagen entnehmen. Die durch die Meroni-Rechtsprechung geleistete Begrenzung von Befugniszuweisungen behandelt jedoch Aspekte, ohne die die funktionale Betrachtung der Agenturen unvollständig bliebe und Konflikte mit Verfassungsstrukturprinzipien nicht beschrieben werden könnten. 1. Sachverhalt Der zugrundeliegende Sachverhalt sei hier nur kurz umrissen:278 Die ursprünglich als private Einrichtungen in Form von societés cooperatives nach belgischem Handelsrecht gegründeten sog. Brüsseler Organe, bestehend aus dem Gemeinsamen Büro der Schrottverbraucher sowie der Ausgleichskasse für eingeführten Schrott, wurden von der Hohen Behörde gem. Art.  53 Abs.  1 lit.  b  EGKS-Vertrag279 angesichts einer erheblichen Angebotsknappheit auf dem Schrottmarkt mit der Verwaltung eines verpflichtenden Ausgleichsmechanismus für die unterschiedlichen Preise des importierten und in der EGKS erzeugten Schrotts beauftragt.280 Den Brüsseler Organen kamen dabei die Ausgestaltung des Mechanismus mittels Bestimmung der Preise, Einsparprämien, Ausfuhrmengen und Abrechnungsperioden sowie die Einziehung der Beiträge zu.281 Vollstreckbare Titel konn-

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Vgl. A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 325. EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde  – Meroni I), Slg. 1958, S.  9; Rs. C-10/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni II), Slg. 1958, S. 51; zur Ersatzfunktion für vertragliche Vorschriften vgl. statt vieler S. Griller/A. Orator, Meroni Revisited – Empowering European Agencies between Efficiency and Legitimacy, New Models of Governance Working Paper 04/D40, S. 6. 278 Ausführlich bei J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen in der Europäischen Union, S. 98 ff. 279 Jetzt ≈ Art. 187 AEUV (ex-Art. 171 EGV). 280 Entscheidung Nr.  22/54 der Hohen Behörde vom 30.3.1954, ABl. EGKS 1954/4, S.  286, erweitert durch Entscheidung Nr.  14/55 der Hohen Behörde vom 26.3.1955, ABl. EGKS 1955/8, S. 685; vgl. J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen in der Europäischen Union, S. 98 ff. 281 Art. 3, 4 Entscheidung Nr. 22/54 der Hohen Behörde vom 30.3.1954, ABl. EGKS 1954/4, Art.  5 Entscheidung Nr.  14/55 der Hohen Behörde vom 26.3.1955, ABl. EGKS 1955/8, S. 687. 277

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ten auf Antrag der Brüsseler Organe allein durch die Hohe Behörde ergehen.282 Die Kontrollrechte der Hohen Behörde wurden im Verlauf der Etablierung des Systems gestärkt, etwa durch die Teilnahme eines ständigen Vertreters an den Sitzungen der Organe des Gemeinsamen Büros und der Kasse,283 durch ein Entscheidungsrecht der Hohen Behörde in Pattsituationen284 sowie durch ein Erzwingungsrecht zur Befassung mit Vorschlägen der Hohen Behörde und ein Selbsteintrittsrecht im Falle der Nichtbefolgung285. In den Erwägungsgründen der Entscheidung Nr. 14/55 der Hohen Behörde heißt es entsprechend deutlich, „daß die Behörde die Verantwortung für das geordnete Arbeiten der finanziellen Einrichtung trägt und daher die Möglichkeit erhalten muß, jederzeit einzugreifen“286. Mit ihren Nichtigkeitsklagen wandten sich die italienischen „Meroni & Co., Indus­trie Metallurgie, S. P.A“ und „Meroni & Co., Industrie Metallurgie, Società in accomandita semplice“ gegen Bescheide der Hohen Behörde wegen nicht termingerechter Beitragszahlungen an die Kasse und machten u. a. geltend, die Hohe Behörde habe den Brüsseler Organen zu Unrecht Befugnisse übertragen, die nach dem Vertrag nur ihr selbst zustünden.287 2. Die „Doktrin“ des Gerichtshofs Den einzelnen Kriterien für die Übertragung von Kompetenzen ging in den Meroni-Entscheidungen die Frage voraus, ob die Hohe Behörde außervertragliche Stellen überhaupt mit Befugnissen betrauen durfte (da sich die Konstellation der Brüsseler Organe wesentlich von der der Regulierungsagenturen unterscheidet, können die Begriffe „Übertragung“ bzw. „Delegation“ Verwendung finden). Zwar erlaubte Art. 53 lit. b EGKS-Vertrag die Schaffung „finanzieller Einrichtungen“ durch die Hohe Behörde bei einstimmiger Zustimmung des Rates. Über die Möglichkeit der Betrauung mit Befugnissen gab die Vorschrift dagegen keine Auskunft.288 Als erste bedeutende Aussage ist daher die Klarstellung des Gerichtshofs zu nennen, dass von Art. 53 EGKS-Vertrag die Möglichkeit für die Hohe Behörde umfasst ist, „unter ihrer Aufsicht und unter Bedingungen, die sie selbst festsetzt, gewissen privatrechtlichen Verbänden mit eigener Rechtspersönlichkeit und Entscheidungsgewalt bestimmte Befugnisse zu übertragen“.289 282 Art. 4 Abs. 2 Entscheidung Nr. 22/54 der Hohen Behörde vom 30.3.1954, ABl. EGKS 1954/4. 283 Art. 8 der Entscheidung Nr. 14/55 (Fn. 281). 284 Art. 9 Abs. 2 ebd. 285 Art. 9 Abs. 3 ebd. 286 Ebd., Erwägungsgrund 8. 287 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde  – Meroni I), Slg. 1958, S.  34; Rs. C-10/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni II), Slg. 1958, S. 73. 288 S. ausführlich G. Breulmann, Normung und Rechtsangleichung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, S. 226. 289 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni I), Slg. 1958, S. 14 (8. Leitsatz).

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Sodann galt es für den Gerichtshof zu klären, ob im vorliegenden Fall eine Übertragung vorlag. Denn es erschien zweifelhaft, ob sich die Hohe Behörde die Beschlüsse der Brüsseler Organe nicht vielmehr zu eigen machte und damit nach wie vor selbst die Verantwortung trug.290 Hierfür sprach vor allem der genannte Passus in den Erwägungsgründen, der die Verantwortung für das „geordnete Arbeiten“ nicht den Brüsseler Organen, sondern der Hohen Behörde zuwies. Letztlich war es die Klagebeantwortung der Hohen Behörde, die den EuGH zur Feststellung einer Verlagerung von Befugnissen veranlasste.291 Darin schilderte die Hohe Behörde, sie übernehme die von den Brüsseler Organen mitgeteilten Angaben, ohne von sich aus „etwas hinzufügen zu können“292. Dass der Gerichtshof die subjektive Haltung der Hohen Behörde bzw. die Nutzung ihrer Rechte für maßgeblich erklärte, erstaunt mit Blick auf die deutlichen Kontroll- und Mitentscheidungsrechte, nach denen immerhin die Möglichkeit bestand, „die Beschlüsse von der Zustimmung der Hohen Behörde abhängig [zu] machen“293. Die Argumentation trägt jedoch insofern auch allgemein, als es ein Organ andernfalls durch eine rein faktische Entäußerung eigener Rechte selbst in der Hand hätte, über den zulässigen Rahmen von Kompetenzverschiebungen zu bestimmen.294 Für Übertragungen von Befugnissen stellte der EuGH die folgenden Grenzen auf: (1) Es dürfen „keine weiterreichenden Befugnisse übertragen werden  […], als sie der übertragenden Behörde nach dem Vertrag selbst zustehen (allgemeiner Grundsatz) [sic]“.295 (2) Eine Übertragung darf sich „nur auf genau umgrenzte Ausführungsbefugnisse beziehen, deren Ausübung in vollem Umfang von der Hohen Behörde beaufsichtigt wird“.296 Unzulässig ist daher eine Übertragung solcher Befugnisse, „die nach freiem Ermessen auszuüben sind und die einen weiten Ermessensspielraum voraussetzen“ und daher „je nach Art ihrer Ausübung, die Verwirklichung einer ausgesprochenen Wirtschaftspolitik“ ermöglichen.297 (3) Die übertragende Behörde muss „auch dann, wenn sie zur Übertragung ermächtigt ist, eine Entscheidung erlassen, aus der diese Übertragung ausdrücklich hervorgeht“.298

290

Ebd., S. 36 ff. Ebd., S. 39. 292 Ebd., S. 38. 293 So Art. 9 der Entscheidung Nr. 14/55 (Fn. 281). 294 Vgl. auch die Ausführungen zum Ermessen bei EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni I), Slg. 1958, S. 46 ff. 295 Ebd. (8. Leitsatz). 296 Ebd. (8. Leitsatz). 297 Ebd., S. 43 f. 298 Ebd., S. 15 (9. Leitsatz). 291

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(4) Die in Art. 3 EGKS-Vertrag verankerte „Garantie des Gleichgewichts der Gewalten“ verbietet eine „Übertragung von Befugnissen mit Ermessensspielraum auf andere Einrichtungen als solche, die im Vertrag zur Ausübung und Kontrolle dieser Befugnisse im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten vorge­ sehen sind“.299 In Anlehnung an den allgemeinen Rechtsgrundsatz nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse habet300 (Nr. 1 der vorstehenden Grundsätze) zog der Gerichtshof zudem den überaus relevanten Schluss, dass eine Stelle bei der Ausübung der ihr übertragenen Kompetenzen an dieselben Pflichten gebunden sein muss wie das übertragende Organ im Falle der eigenen Ausübung.301 Im kon­kreten Fall wäre die Hohe Behörde, hätte sie die übertragenen Befugnisse selbst ausgeübt, an die Vorschriften des EGKS-Vertrags wie Begründungs-, Berichts- und Veröffentlichungspflichten sowie insbesondere an die Kontrolle durch den Gerichtshof gebunden gewesen.302 Da keine entsprechenden Pflichten für die Brüsseler Behörden vorgesehen waren, lag für den EuGH schon aus diesem Grund eine Verletzung der Verträge vor.303 Durch Art. 263 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, 5, Art. 265 Abs.  1 S.  2, Abs.  3, Art.  267 Abs.  1 lit.  b sowie zu Art.  277 AEUV wurde die Rechtsschutzgarantie gegenüber den Handlungen von „Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union“ als zentraler Grundsatz der Meroni-Entscheidungen nunmehr vertraglich fixiert.304 Der Streit um die Fortgeltung der Meroni-Grundsätze konzentriert sich denn auch maßgeblich auf die Aussagen zum Gleichgewicht der Gewalten und zu Ermessensübertragungen. Die Ausführungen des Gerichtshofs zu Letzterem erscheinen mit Blick auf die oben erläuterte Frage, ob überhaupt eine Befugnis­zuweisung vorliegt, zunächst verwirrend. An beiden Stellen ist von einer Zuweisung von Verantwortung die Rede: Einerseits läge eine (generell zulässige, s. o.) Befugniszuweisung vor, da die Hohe Behörde nicht für die Entscheidungen der Brüsseler Organe „verantwortlich“ bleibe.305 Andererseits sei eine Übertragung von Befugnissen unzulässig, wenn sie durch die Einräumung eines weiten Ermessensspielraums „eine tatsächliche Verlagerung der Verantwortung“ bewirke.306 Diesem Widerspruch (Delegationen sind generell zulässig, es verbleibt jedoch kein zulässiger Umfang) 299

Ebd. (10. Leitsatz). Corpus iuris civilis (D. 50, 17, 54); gleichfalls in diesen Kontext einordnend A. Orator, Empowering European Agencies: Perspectives and limits of European democratic legitimacy, in: Eberhard/Lachmayer/Ribarov/Thallinger (Hrsg.), Perspectives and Limits of Democracy. Proceedings of the 3rd Vienna Workshop on International Constitutional Law, S. 23, 32; zuvor schon J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen in der Europäischen Union, S. 102. 301 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni I), Slg. 1958, S. 39 f. 302 S. Art. 15, 17, 47 und 33 EGKS-Vertrag; EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni I), Slg. 1958, S. 39 f. 303 S. ebd. 304 Ch. Ohler, JZ 2014, S. 249. 305 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni I), Slg. 1958, S. 39. 306 Ebd., S. 44. 300

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liegt die oben dargestellte triepelsche Unterscheidung zwischen Delegation und Mandat zugrunde.307 Während Entscheidungen im Falle von Delegationen solche der vertragsfremden Stelle darstellen, macht sich die übertragende Behörde bei einer Mandatierung die Entscheidung der vertragsfremden Stelle zu eigen.308 Insofern gibt es zwei Anwendungsbereiche des Begriffs „Verantwortung“: Einerseits die Abgrenzung von Delegation und Mandat, andererseits die Abgrenzung von zulässiger und unzulässiger Delegation. Zulässig sei eine Übertragung nur dann, wenn sich die Kontrolle der Entscheidungen nach objektiven Maßstäben  – der Gerichtshof benutzte selbst den Begriff der objektiven Tatbestandsmerkmale309 – bemisst, das Ermessen also bei der übertragenden Behörde verbleibt. Die Ausübung der Befugnisse dürfe durch die Übertragung nicht wesentlich beeinflusst werden, weswegen das übertragende Organ die Einhaltung der von ihm aufgestellten Tatbestandsmerkmale kontrollieren müsse.310 Dass eine solche Verlagerung anderenfalls gegen eine „Garantie des Gleichgewichts der Gewalten“ verstieße, entnahm der Gerichtshof Art. 3 EGKSVertrag, dessen Ziele „allgemein für die ‚Organe der Gemeinschaft … im Rahmen der jedem von ihnen zugewiesenen Befugnisse und im gemeinsamen Interesse‘“ gälten, wodurch auch Individualschutz vermittelt werde.311 Unklar bleibt, wie die Begriffe „freies Ermessen“ bzw. „weiter Ermessensspielraum“ als Unzulässigkeitskriterien einzugrenzen sind.312 Die Argumentation, die eine unzulässige Verlagerung der Verantwortung mit fehlender objektiver Bemessung gleichsetzt, scheint zwar einen Graubereich nicht zuzulassen. Dies wird deutlich, wo – ohne Attribut – davon die Rede ist, dass „an die Stelle des Ermessens der übertragenden Behörde […] das Ermessen derjenigen Stelle [tritt], der die Befugnisse übertragen worden sind“.313 Dass hierdurch eine echte Trennschärfe aber noch nicht gewonnen ist, zeigt die vielfach schwierige Abgrenzung von Ermessensentscheidung und tatbestandlich gebundener Entscheidung.314 Sie wird nicht zuletzt durch das sehr unterschiedliche Begriffsverständnis der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen erschwert. Differenziert man etwa nach deutschem Verständnis zwischen kognitivem Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite, voluntativem Ermessen auf Rechtsfolgenseite und einem darüber hinausgehenden (wirtschafts-) politischen Ermessen, so erschiene ebenso der Ausschluss bloß letzteren Ermessens 307

Vgl. Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 371. J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen in der Europäischen Union, S. 103. 309 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni I), Slg. 1958, S. 46. 310 J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen in der Europäischen Union, S. 104. 311 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni I), Slg. 1958, S. 44. 312 C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 117 ff.; vgl. Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 6 Rn. 22; G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, S. 67. 313 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni I), Slg. 1958, S. 44. 314 So jüngst im Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Befugnisse der ESMA, s. u. 2. Teil B. II. 3. 308

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mit den Ausführungen des EuGH vereinbar.315 Die Ausübung gewisser Ermessensentscheidungen wird vor allem dort als zulässig erachtet, wo eine strenge Aufsicht bzw. eine Steuerungsmöglichkeit durch Rat und Kommission gewährleistet ist.316 Dass den Agenturen Ermessen nicht per se verwehrt ist, scheint nunmehr auch Art.  263 Abs.  2 Alt.  5 AEUV zu belegen, der die „Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen“ i. S. d. Art. 263 Abs. 1 S. 2 AEUV nicht vom Anfechtungsgrund des Ermessensmissbrauchs ausnimmt.317 Konsens besteht wohl dahingehend, dass sich dieses Problem nicht abstrakt lösen lässt, sondern letztlich eine wertende Betrachtung des Einzelfalls erfordert.318 Eine Ermessens- und damit eine unzulässige Verantwortungsverlagerung sah der EuGH im vorliegenden Fall als gegeben an. Ermessensentscheidungen lägen insbesondere mit der Festsetzung der Preise und Prämien vor, denn diese seien „im Ergebnis keine bloßen Rechenoperationen, die sich auf objektive, von der Hohen Behörde festgesetzte Tatbestandsmerkmale stützen würden“, sondern setzten „vielmehr einen Bewertungsspielraum voraus“, wie er für Abwägungen im Rahmen einer „komplexen Wirtschaftspolitik“ erforderlich sei.319 3. Übertragbarkeit auf Agenturen Zur Übertragbarkeit der Meroni-Rechtsprechung auf moderne Regulierungsagenturen hat sich in der Literatur eine beträchtliche Meinungsvielfalt herausgebildet. Nach bald sechzig Jahren der Diskussion erscheint der Sinn weiterer Erörterungen zweifelhaft. Im Zusammenhang mit der Suche nach Rechtsgrundlagen von Agenturen wird den Meroni-Grundsätzen zudem entgegengehalten, primärrechtliche Kompetenznormen stellten  – soweit ihre Voraussetzungen erfüllt sind – eine verfassungsrechtlich hinreichende Überwindung dar.320 In der Tat verlief die Beschäftigung des Schrifttums mit europäischen Agenturen seit jeher stark „Meroni-fixiert“; sonstige Ansätze wie die Betrachtung von Rechtsgrundlagen wurden hierüber weitgehend vernachlässigt.321 Die Aussagen der MeroniRechtsprechung deshalb in eine modellhafte Konkurrenz zu den Anforderungen von Kompetenznormen zu setzen, wäre jedoch nicht weniger verfehlt, werden vertragliche Kompetenzen durch gegenläufige Rechtsgrundsätze oder primärrecht 315 C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 118 f.; vgl. allgemein zur richterlichen Kontrolldichte bei Verwaltungshandeln schon W. v. Simson, in: Schwarze (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht im Werden, S. 23–41. 316 W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 472; B. Remmert, EuR 2003, S. 134, 141; R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 570. 317 K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  132; s. auch B.  Holz­ nagel/P. Schumacher, in: Joost/Oetker/Paschke (Hrsg.), FS Säcker (2011), S. 737, 751. 318 Vgl. B. Remmert, EuR 2003, S. 134, 141. 319 EuGH, Rs. C-9/56 (Meroni/EGKS Hohe Behörde – Meroni I), Slg. 1958, S. 46. 320 P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 81. 321 Ebd.

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liche Normenkollisionen i. S. extrinsischer Korrekturen doch erst definiert.322 Die Meroni-Grundsätze stehen nicht neben dem geltenden Vertragsrecht, sondern bieten der heutigen Rechtslage eine Projektionsfläche. Dem entspricht das Bedürfnis nach einem steten Abgleich mit dem geltenden Primärrecht. Im Rahmen dieses Abgleichs wird einer Übertragbarkeit der Meroni-Ent­schei­ dungen entgegengehalten, der zugrundeliegende Sachverhalt habe wenig mit aktuellen Agenturisierungsprozessen gemein.323 Tatsächlich besteht mit der privatrechtlichen Form der Brüsseler Organe ein wesentlicher Unterschied zu heutigen Agenturgründungen.324 Die Genehmigung durch die Hohe Behörde entspricht eher der Einrichtung einer Exekutivagentur durch die Kommission denn einer institutionellen Neuschöpfung im Wege des Gesetzgebungsverfahrens.325 Ebenso wenig ist zu bestreiten, dass die Entscheidungen in einem rechtlichen Rahmen ergingen, der sich stark vom Lissabonner Vertrag unterschied. Genannt seien insbesondere die erheblichen Rechtsschutzdefizite des EGKS-Vertrags sowie die Aufnahme und Stärkung des Demokratieprinzips im Zuge diverser Vertragsreformen.326 Angesichts einer mittlerweile beachtlichen Bedeutung europäischer Agenturen in einem komplexen Verwaltungsverbund scheint die richterliche Interpretation einer speziellen Norm, Art. 53 EGKS-Vertrag, aus der Frühphase der Integration über Gebühr aufgeladen.327 Dem ist entgegenzuhalten, dass insbesondere die Leitsätze keineswegs auf private Stellen verengt sind, sondern der Gerichtshof sie im Gegenteil allgemein formuliert hat. So ist es naheliegend, den Aussagen über „Befugnisübertragungen“, „Delegationen“ und „Ermessen“ auch einen Bezug zu Einrichtungen öffentlichen Rechts zuzusprechen.328

322 In diese Richtung geht denn auch P. v. Cleynenbreugel selbst, der sich aber für einen Neuanfang bei der Suche nach aussagekräftigen verfassungsrechtlichen Grenzen ausspricht (und hierbei im Ergebnis zu einer weitgehenden Übereinstimmung bzw. Aktualisierung der MeroniGrundsätze gelangt), vgl. ebd., S. 83. 323 J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen in der Europäischen Union, S. 105 f. 324 S. Augsberg, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 6 Rn. 76; J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen in der Europäischen Union, S. 105 f.; vgl. auch P. v. Cley­ nenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 81 f. 325 Vgl. M. Scholten/M. van Rijsbergen, German Law Journal 15 (2014), S. 1223, 1250. 326 S. M. Ruffert, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 399, 403. 327 G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, S. 67. 328 So auch J. Kühling, EuZW 2008, S. 129. Dies zumal das Agenturmodell keine genuine Erfindung der europäischen Integration ist: Vor allem hinsichtlich US-amerikanischer federal agencies, die seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts erheblich an Bedeutung gewannen, und mit denen in den Vereinigten Staaten heftige verfassungsrechtliche Kontroversen, u. a. auch hier zum Prinzip der Gewaltenteilung (vgl. nur zur National Recovery Administration: A. L. A. Schechter Poultry Corp. v. United States, 295 U. S. 495), einhergingen, erscheint eine Sensibilität für die Potenziale und Gefahren dieses Verwaltungsmodells naheliegend. Bleibt die Möglichkeit der Kenntnis auch Mutmaßung: Die Annahme rechtsvergleichender Studien liegt insbesondere dort nahe, wo richterliche Rechtsschöpfung ein bis dato fremdes „Gleichgewicht der Gewalten“ kreiert. Eine Gegenüberstellung der traditionell „flexiblen Strukturen“ des britischen Verwaltungsaufbaus zum hergebrachten deutschen Modell bei Darstellung der jewei­ligen

D. Funktionale Betrachtung

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Für die Spezialität der Meroni-Rechtsprechung wird ferner die Einmaligkeit ihrer Aussagen ins Feld geführt: Bei entsprechenden Gelegenheiten habe der EuGH von einem ausdrücklichen Rückgriff auf die Meroni-Entscheidungen abgesehen und so deren Verbindlichkeit für Agenturen zurückgewiesen bzw. deren Grundsätze deutlich gelockert.329 Einen wesentlichen Streitpunkt bildet insoweit das Gutachten zum Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt aus dem Jahr 1977.330 Bei jenem Fonds handelte es sich um eine gemeinsame „internationale öffentlichrechtliche Anstalt“ der EG und einiger Mitgliedstaaten. Tatsächlich bewegte sich der EuGH dort in der Terminologie der Meroni-Rechtsprechung, ohne diese ausdrücklich zu zitieren. Zu beachten ist jedoch die Unterschiedlichkeit der streitgegenständlichen Einrichtungen: Diese liegt weniger in der einerseits privat- und andererseits öffentlich-rechtlichen Natur, sondern in der Tatsache, dass es sich bei dem Stilllegungsfonds nicht um eine gemeinschafts-, sondern um eine völkerrechtliche Einrichtung handelte. Für den Gerichtshof standen Fragen über die Reichweite der EG-Außenzuständigkeiten im Vordergrund.331 Da der EuGH in der Sache keineswegs mit der Meroni-Rechtsprechung brach, wird das Gutachten teils sogar als deren Bestätigung angeführt.332 Ohnehin widerspricht der Einwand, der Gerichtshof habe seine Meroni-Rechtsprechung in späteren Entscheidungen nicht ausdrücklich aufgegriffen, den Tatsachen. In den Rechtssachen C-154 und 155/04 (Alliance for Natural Health), die mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit eine „klassische“ Regulierungsagentur zum Gegenstand hatten,333 nahm der EuGH auf die in den Meroni-Entscheidungen aufgestellten Grundsätze explizit Bezug.334 Gleiches gilt für die Leerverkaufsentscheidung, in der der Gerichtshof ausführt: „Unter diesen Umständen kann aus dem Urteil Romano nicht abgeleitet werden, dass für die Übertragung von Befugnissen auf eine Einrichtung wie die ESMA andere Voraussetzungen als die im Urteil Meroni/Hohe Behörde genannten  […] gelten.“335 Die Einbeziehung nationaler Agenturen leistet Ch. Knill, The Europeanisation of National Admin­ istrations, Patterns of Institutional Change and Persistence, S. 61 ff. 329 So G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, S. 67. 330 EuGH, Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt), Slg. 1977, 741 ff. 331 So wohl auch Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  370 (dort Fn.  383). Zu den Unterschieden s. außerdem die Anmerkung von H. Weis, EuR 1977, S.  278, 283 f. Die Unterscheidung zwischen „international body“ und „internal body“ wird auch vorausgesetzt durch K. Lenaerts, ELRev. 18 (1993), S. 23, 37 ff. 332 So inter al. bei C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 90. 333 U. Uetzmann, HanseLR 2012, S. 29, 30. 334 Slg. 2005, I-6451, Rn.  90; hierauf bezugnehmend M.  Chamon, CML Rev 48 (2011), S. 1055, 1059; W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 468, Fn. 739. 335 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn.  66; vgl. ferner EuGH, Rs. C-147/13, EuZW 2015, 548, Rn. 56–63. Im letzteren Urteil prüft der Gerichtshof Befugnisse des Europäischen Patentamts, das nicht unionsrechtlich, sondern durch das Europäische Patentübereinkommen geschaffen wurde. Der Gerichtshof verneint die Anwendbarkeit der MeroniGrundsätze, da die Mitgliedstaaten dem Europäischen Patentamt auf völkerrechtlicher Basis Befugnisse selbst übertragen hätten, ebd. Rn. 62 f.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Zweifel an der grundsätzlichen Übertragbarkeit auf öffentlich-rechtliche Stellen sind demnach nicht aufrechtzuerhalten.336 Ungeachtet der intensiven Diskussion in der Literatur haben sich die Organe der Europäischen Gemeinschaften und der Union lange Zeit an der Meroni-Rechtsprechung orientiert und tun es – mit erheblichen Abstrichen – noch immer.337 Die Tatsache, dass es bislang zu keinen Urteilen kam, die als umfassende Fortsetzung oder Konkretisierung der Meroni-Entscheidungen aufzufassen wären,338 dürfte denn auch maßgeblich diesem Gehorsam geschuldet sein.339 So blieben bisherige Ausgestaltungen von Agenturen teils mit Verweis auf die Rechtslage hinter dem verwaltungspolitisch Gewünschten zurück.340 Eine faktische Abkehr von den Meroni-Schranken ist hinsichtlich einiger der jüngsten Agenturgründungen, insbesondere der ESA, zu beobachten.341 Diffus hat auch der EuGH in seiner noch darzustellenden Leerverkaufsentscheidung einerseits die fehlende Übertragbarkeit ob des öffentlich-rechtlichen Charakters von Agenturen betont,342 die Übertragung an anderer Stelle wiederum ausdrücklich bejaht343 und Befugnisse auf eben diese Voraussetzungen überprüft.344 Durch die

336 Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7, 22; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EUAgenturen, S. 126; Ph. Nicolaides/N. Preziosi, Discretion and Accountability: The ESMA-Judge­ ment and the Meroni Doctrine, Bruges European Economic Research Papers 30/2014, S. 22. 337 J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen in der Europäischen Union, S. 98. Immer wieder erkennt etwa die Kommission in ihren Dokumenten die Gültigkeit der Meroni-Rechtsprechung für aktuelle Agenturgründungen an, vgl. etwa den Entwurf für eine Interinstitutionelle Vereinbarung zur Festlegung von Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen vom 25.2.2005, KOM (2005) 59 endg., S. 7. 338 G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, S. 67. 339 Noch sehr deutlich hat die Kommission die Meroni-Leitsätze in ihrer Mitteilung zu Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen anerkannt: „Denkbar ist ebenso, den Regulierungsagenturen unter bestimmten Voraussetzungen eigene Entscheidungsbefugnis zuzuerkennen. Allerdings sei nachdrücklich darauf hingewiesen, dass sich aus den Grundsätzen des geltenden Rechtssystems der Gemeinschaft bestimmte Sachzwänge hinsichtlich des Umfangs einer solchen Befugnis ergeben. So können die Regulierungsagenturen lediglich dazu befugt sein, Einzelfallentscheidungen im Rahmen genau abgesteckter gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften zu erlassen, mithin also nicht ermächtigt sein, allgemein geltende Maßnahmen mit normativer Wirkung festzulegen, obgleich die von ihnen getroffenen Entscheidungen im Ergebnis dazu führen könnten, dass daraus verbindliche Normfestlegungen entstehen“, KOM (2002) 718 endg., S. 9. 340 S. für den Vorschlag zu einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (KOM (2007) 530 endg. v. 19.9.2007) J. Kühling, EuZW 2008, S. 129. 341 Zur Debatte zwischen „Traditionalisten“ und „Reformern“ innerhalb der Kommission s. S. Griller/A. Orator, ELRev. 35 (2010), S. 3, 20, die noch 2010 eine baldige Loslösung für nicht wahrscheinlich hielten. 342 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 43. 343 Ebd. Rn. 66. 344 Ebd. Rn.  53. Von einer Relativierung bei gleichzeitig „unbestrittenem Fortbestehen“ spricht daher auch N. Kohtamäki, EuR 2014, S. 321, 328; ebenso M. Skowron, EuZW 2014, S. 349, 350.

D. Funktionale Betrachtung

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dortige Billigung weitreichender Kompetenzen verlieren die Meroni-Grundsätze jedenfalls an Kontur. Dieser Ansatz, eine Übertragbarkeit der Grundsätze zwar zu bejahen, sie nach Zweckmäßigkeitserwägungen aber möglichst weit auszulegen und insbesondere die genaue Darlegung einer tatsächlichen Verletzung des institutionellen Gleichgewichts zu verlangen, scheint sich auch in der Lehre durchzusetzen.345 Zwischen den Zeilen wird die Diskussion nicht zuletzt von der normativen Kraft einer faktisch weit vorangeschrittenen Agenturisierung dominiert: ­„Meroni pur“ geböte die Rückabwicklung wichtiger Bestandteile eines Verwaltungsmodells, dessen Fortbestehen im Interesse aller maßgeblichen unionalen Verfassungsakteure zu liegen scheint.346

V. Das Romano-Urteil: Erlass von Rechtsakten normativen Charakters durch Agenturen Bei der Auseinandersetzung mit den kompetenziellen Grenzen des Agentur­ modells wurde in einem Atemzug mit der Meroni-Rechtsprechung über lange Zeit das Romano-Urteil des EuGH von 1981347 genannt. Dort hatte sich der Gerichtshof anlässlich einer Vorlage durch das Tribunal du travail de Bruxelles mit den Befugnissen der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer zu befassen. Jene Verwaltungskommission wurde durch Art. 80 der VO Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu 345 So etwa J.  Kühling, EuZW 2008, S.  129, der dafür plädiert, die Kommission solle es durch weite Befugnisübertragungen auf eine Aktualisierung der Meroni-Rechtsprechung ankommen lassen. M. Ruffert spricht sich gegen eine Subsumtion unter die Meroni-Rechtsprechung aus, die die Entwicklung des Unionsrechts seit 1958 nicht reflektiert, ders., in: MüllerGraff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 399, 403 f. S. Griller und A. Orator treten für ein „cautious reassessment“ der Doktrin im Sinne einer Flexibilisierung ein, dies., ELRev 35 (2010), S. 3, 31; s. außerdem (auf die Output-Legitimation abstellend) G. Hermes, in: Bauer/ Huber/Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, S. 457, 469–473; die Berücksichtigung der Rechtspraxis als Motiv im Rahmen einer möglichen Auslegung fordernd: M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 620; die Doktrin unter Verweis auf die „großzügige Haltung“ des EuGH im Grundsatz anerkennend H. Siekmann, Die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht, S. 95, 112. Ch. Calliess sieht die Meroni-Rechtsprechung dagegen nur noch insoweit als relevant an, als sie sich mit dem Gehalt der van der Vecht-Entscheidung und des Romano-Urteils überschneidet. Entscheidend seien daher das Kriterium eines unbeeinträchtigten Rechtsschutzes sowie die „absolute Grenze“, dass es nicht zu einer Übertragung von „Befugnissen von politischer Tragweite“ komme, ders., in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 13 EUV Rn. 57; insg. ablehnend, da zumal bei Regulierungsagenturen vertikale Spannungen als maßgeblich erachtend M. Weller, Regulierungsagenturen der Europäischen Union, S. 34–42. 346 Im Ergebnis ähnlich M.  Chamon, CML Rev 48 (2011), S.  1055, 1059 f.; vgl. auch P.  v.  Cleynenbreugel, der mit dem Modell des operational supports auf der Grundlage von Art. 114 AEUV die Doktrin als überholt ansieht, ders., 21 MJ 1 (2014), S. 81 f 347 EuGH, Rs. C-98/80 (Giuseppe Romano v. Institut national d’assurance maladie-invalidité), Slg. 1981, 1241.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

und abwandern348, eingesetzt und mit der Behandlung von Verwaltungs- und Auslegungsfragen im Zusammenhang mit dem Rechtsakt betraut. Bei der Rückforderung einer Invaliditätsentschädigung hielt sich das belgische Institut national d’assurance maladie-invalidité an einen Beschluss der Verwaltungskommission349, was im Verhältnis zu der ursprünglichen Versicherungsleistung zur Anwendung zweier unterschiedlicher Wechselkurse führte. Der EuGH stellte die Ungültigkeit jenes Beschlusses fest, da „eine Stelle wie die Verwaltungskommission vom Rat nicht ermächtigt werden kann, Rechtsakte mit normativem Charakter zu erlassen“.350 Als Gründe führte er neben Art. 155 EG a. F., der den Rat dazu ermächtigte, der Kommission die Befugnis zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften zu übertragen, das Rechtsschutzsystem der Verträge an.351 Beschlüsse der Verwaltungskommission könnten für Sozialversicherungsträger bei der Durch­ führung von Gemeinschaftsrecht allenfalls ein Hilfsmittel darstellen, die Träger jedoch nicht auf die Anwendung einer bestimmten Methode oder einer bestimmten Auslegung verpflichten.352 Das Romano-Urteil wurde zum Teil als Bestätigung der Meroni-­Rechtsprechung hinsichtlich durch den Rat errichteter Institutionen angesehen.353 Inwieweit es diese Interpretation tatsächlich rechtfertigt, kann mittlerweile dahinstehen. Die Begründung des Romano-Urteils findet in den aktuellen Verträgen keine Grundlage mehr. Die Stellung der Kommission und die Möglichkeit der Übertragung von Durchführungsbefugnissen – nunmehr auf der Grundlage von Art. 291 AEUV – gebietet allenfalls eine Begrenzung, nicht dagegen einen generellen Ausschluss der „Durchführung“ durch sonstige Stellen.354 Insbesondere gestattet Art.  277 AEUV („von […] einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union erlassenen Rechtsakts mit allgemeiner Geltung“) ausdrücklich den Erlass von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung durch Einrichtungen und sonstige Stellen der Union.355 Mit eben dieser Begründung hat auch der Gerichtshof eine Fortgeltung des Romano-Urteils in seiner Leerverkaufsentscheidung abgelehnt.356 Aus der Entscheidung könnten keine über die Meroni-Rechtsprechung hinausgehenden Voraussetzungen für die Übertragung von Befugnissen auf Agenturen abgeleitet 348

Vom 14.6.1971, ABl. EG 1971 L 149, S. 2. Beschluss Nr.  101 der Verwaltungskommission der EWG vom 29.5.1975, ABl. EWG 1976 C 44, S. 3. 350 EuGH, Rs. C-98/80 (Giuseppe Romano v. Institut national d’assurance maladie-invalidité), Slg. 1981, 1241 Rn. 20. 351 Ebd. 352 Ebd. 353 P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 80. 354 Hierzu ausführlich u. 3. Teil C. I. 1., D. I. 2. 355 M. Ruffert, The many faces of rule-making in the EU, in: Fahey (Hrsg.), The Actors of Postnational Rule-Making, 3.3.2.3; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agen­ turen, S. 135; a. A. Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 47; A. Orator, EuZW 2013, S. 852, 855; kritisch auch J. Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S. 451, 470. 356 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 65. 349

E. Einordnung: Institutionengefüge der EU/Normenhierarchie

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werden.357 Zu ergänzen ist, dass sich Art. 277 AEUV dieses Ergebnis nicht nur entnehmen lässt, sondern die Vorschrift den Erlass von Rechtsakten mit allgemeiner Gültigkeit im Einklang mit der Meroni- und Romano-Rechtsprechung an die Eröffnung gerichtlichen Rechtsschutzes durch den EuGH bindet. Das Romano-Urteil kann heute also keine uneingeschränkte Gültigkeit mehr beanspruchen.358 Daraus ist allerdings nicht zu folgern, die Übertragung von Befugnissen zu generell-abstrakten Rechtsakten auf Agenturen sei unbeschränkt möglich. Wie noch zu zeigen sein wird, kann je nach Ausgestaltung der Befugnis insbesondere das Kompetenzgefüge der Organe in vertragswidriger Weise gestört werden.359 Im Hinblick auf delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte ist das Fortbestehen zumindest eines Aspekts von Romano also durchaus aktuell.

E. Einordnung: Institutionengefüge der Europäischen Union/Normenhierarchie Für die Einordnung des Phänomens der Agenturen in das institutionelle Gesamtgefüge der Europäischen Union wird überwiegend auf den Begriff der tertiären Organisationseinheit zurückgegriffen.360 Dieser entstammt der grundlegenden Unterteilung unionaler Einrichtungen durch Hilf361, die, wie die nachstehenden Überlegungen verdeutlichen sollen, für die hier vorgenommene funktionale Betrachtung allerdings nur mit Vorbehalten genutzt werden kann. Da insbesondere im Zuge der Prüfung möglicher Angleichungswirkungen von Agenturmaßnahmen der Begriff der tertiären Maßnahme Verwendung finden soll und dort der Normenhierarchie bzw. der Unterscheidung schrittweiser Normsetzungsakte eine besondere Bedeutung zukommt, sei an dieser Stelle eine kurze semantische Klärung unternommen. Nach Hilf können unionale Einrichtungen in primäre, sekundäre, tertiäre sowie im Umfeld der Union stehende Organisationseinheiten unterteilt werden. Als­ 357

Ebd. Rn. 66. K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  135 f.; Ch.  Ohler, JZ 2014, S. 249, 250. 359 Zur Vorsicht mahnend auch Ch. Ohler, JZ 2014, S. 249, 250 f. 360 S. etwa W.  Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn.  443 („Tertiärebene“); V. H.  Hel­ fritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union, S.  58 f.; M. Wittinger, EuR 2008, S. 611. Als eine Alternative hierzu gestaltet sich das sog. „Kern-Schalen-Modell“ E.  Schmidt-Aßmanns, nach dem sich die europäische Verwaltung in mehrere Organisationsschichten auftrennen lässt. Die Agenturen gruppieren sich dabei ebenso wie Ämter und Ausschüsse um einen Kern aus Kommission und mitgliedstaatlichen Verwaltungen, s. ders., in: Blankenagel et al. (Hrsg.), FS Häberle, S. 395, 396; s. auch die Darstellung bei J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. CII. 361 M.  Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, S.  7–223; ders., in: Hood/Schuppert (Hrsg.), Verselbständigte Verwaltungseinheiten in Westeuropa, S.  308, ­310–313. 358

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

primäre Organisationseinheiten werden Einrichtungen bezeichnet, die in den Verträgen nicht nur eine ausdrückliche Erwähnung finden, sondern bereits unmittelbar durch die Verträge entstehen, also keines (sekundärrechtlichen) Gründungsaktes bedürfen.362 Primäre Einrichtungen sind folglich insbesondere die Organe.363 Hiervon werden die sekundären Organisationseinheiten unterschieden. Diese sind zwar ebenfalls ausdrücklich primärrechtlich vorgesehen, ihnen fehlt es jedoch an „konkreten Vorgaben“, sodass zu ihrer Errichtung wie kompetenziellen Ausgestaltung mindestens ein weiterer, sekundärrechtlicher Schritt notwendig ist.364 Zu ihnen werden auch diejenigen Stellen gezählt, die auf der Organisationshoheit der primären Organisationseinheiten beruhen, also bspw. Dienststellen der Kommission oder Generalsekretariate.365 Tertiäre Organisationseinheiten, unter die gemeinhin die Agenturen gefasst werden, sind im Gegensatz dazu Institutionen, für welche die Verträge keine expliziten Rechtsgrundlagen bereithalten.366 Die Kategorie der im Umfeld der Union stehenden Einrichtungen umfasst schließlich Organisa­ tionseinheiten, die durch den Gebrauch der umfassenden Rechts- und Völkerrechtsfähigkeit der Union geschaffen werden.367 Nach dem Ansatz von Hilf bemisst sich die Einordnung einer Einrichtung also ausschließlich nach ihrem Gründungsakt,368 genau genommen nach ihrem Maß an primärrechtlichem „Vorgesehen-Sein“. Die Befugnisse der einzelnen Einrichtung bleiben demgegenüber ebenso unbeachtet wie etwaige modellhafte Gemeinsamkeiten hinsichtlich Struktur, Hierarchie oder Kontrolle. So kommt es denn auch, dass Agenturen entgegen der verbreiteten Auffassung nach den genannten Definitionen keineswegs per se als tertiäre Organisationseinheiten bezeichnet werden können. Vielmehr muss das bei aller Vielfalt definitorisch als einheitlicher Institutionentyp darstellbare Agenturmodell aufgespalten werden. Denn anders als noch zum Zeitpunkt des Aufkommens der diskutierten Kategorisierung benennt das Primärrecht mittlerweile einige Agenturen ausdrücklich, ohne jedoch ihre Existenz unmittelbar anzuordnen. Diese Agenturen wären nach Hilf als sekundäre Einrichtungen zu bezeichnen.369

362

M. Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, S. 13–65. Ebd., S. 13. 364 Ebd., S. 65. 365 W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 442. 366 M. Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, S. 109. 367 Ebd., S. 164 f. 368 V. H. Helfritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union, S. 59. 369 W.  Frenz ordnet die Europäische Verteidigungsagentur sogar der Primärebene zu, vgl. ders., Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 441. Das vermag nicht zu überzeugen, da der derzeitige Gründungsrechtsakt (Gemeinsame Aktion 2004/551/GASP des Rates vom 12.7.2004 über die Einrichtung der Europäischen Verteidigungsagentur, ABl. EU 2004 L  245/17) in Art.  1 Abs. 1 die Einrichtung konstitutiv anordnet („wird…eingerichtet“) und die ausdrückliche Nennung in Art. 42 Abs. 3 UAbs. 2 S. 2 EUV noch nicht auf die Überflüssigkeit eines entsprechenden Rechtsakts schließen lässt. 363

E. Einordnung: Institutionengefüge der EU/Normenhierarchie

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Es erscheint allgemein fraglich, ob der Unterscheidung von sekundären und tertiären Organisationseinheiten ein Mehrwert zukommt. Primärrechtlich vorgesehen sein muss eine durch Sekundärrecht zu schaffende Institution nämlich in jedem Fall, sofern sie über Rechtspersönlichkeit verfügen soll.370 Dass die Unterscheidung von ex- und implizitem Vorgesehen-Sein in den Verträgen in einem systematischen Bewusstsein erfolgt wäre, darf als sehr unwahrscheinlich gelten. Denn bei den ausdrücklich benannten Agenturen handelt es sich keineswegs um solche mit besonders weitreichenden Befugnissen oder von herausgehobener Bedeutung. Der Kontrast bspw. zwischen dem lediglich unterstützenden und koordinierenden Eurojust, für das in Art.  85 AEUV eine ausdrückliche Rechtsgrundlage besteht, zu den neuen, auf Art. 114 AEUV gestützten Finanzaufsichtsbehörden mit ihren umfangreichen Entscheidungs- und De-facto-Rechtsetzungsbefugnissen macht dies deutlich. Missverständlich erscheint am Modell Hilfs zudem, dass Agenturen, obgleich sekundärrechtlich geschaffen, als tertiäre Einrichtungen bezeichnet werden, wohingegen primärrechtlich geschaffene Einrichtungen auch als primäre Einrichtungen benannt werden. Durch den „Einschub“ der sekundären Organisationseinheiten gerät eine Entsprechung der normenhierarchischen Einordnung der Gründungsrechtsakte durcheinander: Sowohl sekundäre wie tertiäre Einrichtungen entstehen sekundärrechtlich, werden aber verschiedenen Kategorien zugeordnet. Die fehlende begriffliche Kohärenz setzt sich in funktionaler Hinsicht fort: Erlassen primäre Einrichtungen verbindliche Rechtsakte, die sie unmittelbar auf Vorschriften der Verträge stützen, so werden diese Rechtsakte gemeinhin als Sekundärrecht bezeichnet.371 Für exekutive Handlungen auch der Organe findet darüber hinaus zunehmend der Begriff des Tertiärrechts Verwendung.372 Dieser ist nur dort angebracht, wo exekutiven Tätigkeiten tatsächlich eine rechtliche Wirkung zukommt. Angesichts einer teilweisen Einbeziehung von Auslegungsmitteilungen der Kommission373 harrt er allerdings einer abschließenden Konturierung.374 Jedenfalls sind hier neben Einzelfallentscheidungen ebenso Rechtsakte nach Art. 290 f. AEUV, also Maßnahmen der exekutiven Rechtsetzung, zu verorten.375 Wie gezeigt, wirken Agenturen immer stärker – in Ausnahmen sogar mit einer die Kommission bindenden Wirkung – an diesen Handlungsformen mit. „Tertiäre Einrichtungen“ nehmen also am Erlass von Tertiärrecht teil. Vor allem die fehlende Weisungsunterworfenheit der Agenturen lässt sie dabei im Einzelfall nicht nur auf einer Ebene mit den primären Organisationseinheiten stehen – in Ausnahmefällen erscheinen sie vielmehr als die bedeutenderen Akteure, wie es das Beispiel der Flugsicherheitsagentur im Verfahren der Musterzulassung veranschaulicht hat. Unabhängig 370

S. u. 2. Teil A. II. 2. I. Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, S. 485 Rn. 13. 372 So etwa bei Th. Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, S. 10. 373 So durch Th. Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S. 255 f. 374 Th. Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, S. 10. 375 Statt vieler I. Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 15 Rn. 9. 371

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

von der Bezeichnung wird deutlich, dass die normenhierarchische Einordnung der Maßnahmen von der normenhierarchischen Einordnung des Gründungsrechtsakts der handelnden Institution entkoppelt ist. Dies gilt freilich nur „nach unten“: Die Kommission etwa kann sowohl an sekundärrechtlichen Maßnahmen (vor allem durch ihr Initiativrecht) mitwirken, als auch auf der Grundlage sekundärrechtlicher Ermächtigungen nach Art.  290 f. AEUV tertiärrechtliche Maßnahmen ergreifen. Gleichzeitig sind Agenturen – wie noch zu zeigen sein wird – von jeder direkten Mitwirkung an der Entstehung von Sekundärrecht ausgeschlossen. Mit Rücksicht auf die vielfältigen informellen bzw. rechtlich nicht bindenden Maßnahmen sämtlicher Einrichtungen erscheint es sinnvoll, aus der herkömmlichen Normenhierarchie die Begriffe der „sekundären“ und „tertiären Maßnahme“ zu entwickeln. Ihre Definitionen entsprechen denen des jeweiligen rechtserheblichen Pendants: Sekundär sind solche Maßnahmen, zu deren Erlass die handelnde Einrichtung unmittelbar primärrechtlich befugt ist. Tertiär sind dagegen Maßnahmen, deren zugrundeliegende Befugnis sekundärrechtlicher Natur ist. Da (Regulierungs-)Agenturen sämtliche Befugnisse durch Sekundärrecht zugewiesen werden, selbst wenn sie bereits vertraglich umrissen sind, stellen Handlungen von Agenturen stets tertiäre Maßnahmen dar.376 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die herkömmliche Bezeichnung der Institutionengattungen die Gefahr von Missverständnissen bei der normenhierarchischen Einordnung sowohl der Gründungsrechtsakte als auch der hierauf gestützten Maßnahmen birgt. Sinnvoller erscheint es insofern, die Kategorien der sekundären und tertiären Organisationseinheiten zu verschmelzen und damit sämtliche sekundärrechtlich geschaffenen Einrichtungen als sekundäre Organisations­ einheiten zu bezeichnen. Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem die Erkenntnis wesentlich, dass Organe und Agenturen gleichermaßen am Erlass tertiärer Maßnahmen mitwirken können, das Modell Hilfs also eine nur kreatorische, nicht aber funktionale Hierarchie der Organisationseinheiten abbilden kann.

F. Einordnung: direkter/indirekter Vollzug   Soll das Agenturmodell nicht nur am Wortlaut einzelner Vorschriften, sondern am Gesamtgefüge des Primärrechts bemessen werden, ist weiterhin die Beantwortung der Frage unerlässlich, welchem Hoheitsträger die Tätigkeiten von Agenturen zuzurechnen sind: Erfolgt die Umsetzung von Unionsrecht hier durch die Union selbst (direkter Vollzug), durch die Mitgliedstaaten (indirekter Vollzug)377 376 Etwas anderes ergibt sich freilich für die hier ausgeklammerten Exekutivagenturen, da diese auf der Grundlage von Sekundärrecht, also tertiärrechtlich entstehen. Für ihre Handlungen wäre dann der Begriff der quartären Maßnahme angezeigt. 377 Zur Unterteilung in direkte und indirekte Vollzugsformen s. statt vieler D. Curtin/M. Ege­ berg, West European Politics 31 (2008), S. 639, 648 f.; W. Kössinger, Die Durchführung des

F. Einordnung: direkter/indirekter Vollzug  

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oder wird vielmehr ein Mittelweg beschritten? Die Einordnung ist nicht nur für Fragen von Rechtsschutz, Haftung und demokratischer Legitimation mehr als bloße Begriffsjurisprudenz.378 Zwar kennen die Verträge kein allgemeines Verbot der Mischverwaltung.379 Jedenfalls bei belastendem Verwaltungshandeln verlangen die genannten Aspekte aber eine Trennung der Sphären.380 Vor allem für die Prüfung der Kompetenzausübungsschranken381 der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit ist eine genaue Zuordnung für die Annahme vertikaler Spannungen grundlegend. Die Beantwortung fällt im heutigen europäischen Verwaltungsverbund schon deshalb schwer, weil bereits die herkömmliche Dichotomie von direktem und indirektem Vollzug als allzu holzschnittartig erachtet und daher zunehmend hinterfragt wird.382 Die mannigfaltigen Verwaltungsverfahren, die sich im Laufe der Integration sektorspezifisch herausgebildet haben, weisen häufig keine klare Zuordnung zur mitgliedstaatlichen oder supranationalen Ebene auf, sondern gestalten sich als kooperativer Verbund beider Ebenen im Sinne des kooperativen Verfassungsstaats nach Häberle.383 Vor allem das kaum zu überblickende Ausschusswesen verschränkt die Vollzugsformen vertikal in beide Richtungen.384 Dort wahren die innerstaatlichen Behörden eine Mitsprache bei den internen Entscheidungsfindungen der Kommission.385 Der Kommission wiederum gewähren institutionalisierte „Partnerschaften“386 insbesondere mit regionalen und lokalen Behörden einen Ein-

Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat, S. 16, 18; J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 25–36. 378 R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 563 f. 379 Ch. Rung, Strukturen und Rechtsfragen europäischer Verbundplanungen, S. 20 m. w. N.; vgl. auch zum EGV R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 563 f. 380 Vgl. R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 564. 381 Zur Bezeichnung s. Ch. Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 69; zur Prüfung s. u. 3. Teil A., B. 382 So bereits E. Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 15; zustimmend Th. Groß, EuR 2005, S. 54; s. auch D. Curtin/M. Egeberg, West European Politics 31 (2008), S. 639, 649 f.; J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. 25; G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 8; ders., Die Verwaltung 2001, S. 517, 542; J. P. Terhechte, in: ders. (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 1 Rn. 22; zu den zahlreichen Verschränkungen im Einzelnen vgl. A. Hatje, in: Müller-Graff/ Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323–339. 383 Vgl. P. Häberle, Der kooperative Verfassungsstaat – aus Kultur und als Kultur: Vorstudien zu einer universalen Verfassungslehre. 384 A. Hatje, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323, 331. 385 Ebd.; E. Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 1, 17 ff.; grundlegend hierzu EuGH, Rs. 25/70 (Köster), Slg. 1970, 1161, insb. Rn. 9 f. 386 Vgl. grundlegend zum Begriff Art. 4 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24.6.1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente, ABl. EG 1988 L 185/9.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

fluss bis hin zur Entscheidung über einzelne strukturpolitische Maßnahmen.387 Zudem konnte die Neigung mitgliedstaatlicher Behörden festgestellt werden, bei der Durchführung von Unionsrecht unter Außerachtlassung ministerialer Hierarchien nur vermeintlich zuständige Stellen der Kommission als maßgeblich anzuerkennen, was zu einer Vermengung von Hierarchien und damit zu einem faktischen „Doppelhut“ der zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden führt.388 In diese Praxis spielt eine weitgehende fachliche Überforderung mitgliedstaatlicher Verwaltungen beim Vollzug von Unionsrecht hinein, der die innerstaatlichen Exekutiven zunehmend mit der Schaffung spezialisierter Stellen zu begegnen suchen.389 Hinzu kommt, dass der innerstaatliche Verwaltungsaufbau mittlerweile in einigen Bereichen durch Sekundärrecht determiniert wird, wofür der in der Dienstleistungsrichtlinie vorgesehene Einheitliche Ansprechpartner nur das prominenteste Beispiel bildet.390 Schließlich unterliegen interne Verwaltungsabläufe wie externe Verwaltungsverfahren seit Langem gleichermaßen vielfältigen unionsrechtlichen Vorgaben.391 Es kann somit festgehalten werden, dass sich der direkte und der indirekte Vollzug keineswegs als monolithische Blöcke begreifen lassen, sondern Gebilde darstellen, die auf vielgestaltige Weise miteinander verbunden sind. Bei Sydow wird jedoch deutlich, dass „Verflechtung und prozedurale Interaktion“ hinsichtlich konkreter Verfahren in der Regel gleichwohl nicht mehr als Nuancen des indirekten oder direkten Vollzuges darstellen: Kooperationen erfolgen mit wenigen Ausnahmen entweder durch die Beteiligung mitgliedstaatlicher Behörden an supranationalen Verfahren oder durch die Beteiligung supranationaler Behörden an mitgliedstaatlichen Verfahren.392 Die Verflechtung unionaler und mitgliedstaatlicher Elemente in der europäischen Verwaltungspraxis, für die sich der Begriff des Verwaltungsverbundes (composite administration393/integrated 387

A. Hatje, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323, 331 f. m. w. N.; s. auch R. Hell, EG-Regionalpolitik in Sachsen-Anhalt, S. 218 ff.; E. Schmidt-Aßmann, EuR 1996, S. 270, 271. 388 D. Curtin/M. Egeberg, West European Politics 31 (2008), S.  639, 649 f.; vgl. auch A. Hatje, EuR 1998, Beiheft 1, S. 7, 15. 389 D. Curtin/M. Egeberg, West European Politics 31 (2008), S. 639, 649 f. Dies entspricht dem Konzept der Kommission für eine Verbundverwaltung als Ersatz für die bisherige Komitologie, Ch. Möllers, in: Joerges/Meny/Weiler (Hrsg.): Symposium: Responses to the European Commission’s White Paper on Governance, abrufbar unter: http://www.eui.eu/Documents/ RSCAS/Research/OnlineSymposia/Mollers%28de%29.pdf (29.2.2016). 390 A. Hatje, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323, 331; vgl. Art. 6 der RL 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. EU 2006 L 376/36; s. auch M. Kotzur, Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts: Organe und Zuständigkeiten, in: Tsatsos (Hrsg.), Die Unionsgrundordnung – Handbuch zur Europäischen Verfassung, S. 422. 391 A. Hatje, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323, 331–334. 392 G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 11; ders., Die Verwaltung 2001, S. 517, 525 ff., insb. S. 531. 393 Den Begriff von der europäischen Integration abstrahierend A. v. Bogdandy/Ph. Dann, German Law Journal 9 (2008), S. 2013 ff., insb. S. 2015–2017.

F. Einordnung: direkter/indirekter Vollzug  

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a­ dministration394) durchgesetzt hat,395 macht eine Zuordnung zwar schwierig, in den meisten Fällen aber keineswegs unmöglich. Lässt man die informatorischen und kommunikativen Kooperationen außer Acht, blickt man also nicht auf den Prozess der Entscheidungsfindung, sondern auf die Entscheidung als solche, so verbleiben als echte Graustufen die wenigen Kooperationen, in denen Mitentscheidungs-, Veto- oder Selbsteintrittskompetenzen bestehen.396 Dass Kooperationsformen die Unterscheidung von direktem und indirektem Vollzug nicht gänzlich auflösen können, ist schließlich aus den genannten Gründen des Rechtsschutzes, der Haftung397 und der demokratischen Legitimation zwingend.398 Insofern besteht zumindest für rechtserhebliches Handeln ein Bedürfnis nach klarer Zuweisung von Verantwortlichkeit,399 die es bei der rechtlichen Würdigung diffuser Verbundstrukturen herauszuarbeiten gilt.400 Die Herausforderung ist also eine vor allem analytische. Die Unterscheidung von direktem und indirektem Vollzug mag an Kontur verloren haben, sodass sie für deskriptive Studien durch komplexere Modelle zu ersetzen ist. Steht dagegen gerade die Zulässigkeit administrativer Erscheinungen infrage, kann die rechtliche Einordnung nicht den tatsächlichen Ausgestaltungen folgen. 394 D. Curtin/M. Egeberg, West European Politics 31 (2008), S.  639, 649 f.; H. C. H.  Hof­ mann/A. H. Türk, Conclusions: Europe’s integrated administration, in: dies. (Hrsg.), EU Administrative Governance, S. 573–591. 395 Der Begriff dürfte zurückgehen auf A. v. Bogdandy, Der Staat 40 (2001), S. 3, 18; s. statt vieler nur Th. v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 610–612.; Th. Groß, EuR 2005, S. 54; A. Hatje, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323, 335; eine Aufzählung der zahlreichen terminologischen Varianten findet sich bei G.  Sydow, Verwaltungskooperation, S. 5 ff., und J. P. Terhechte, in: ders. (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 1 Rn. 22; zu den Ausprägungen s. W. Kahl, Der Staat 50 (2011), S. 353–387; s. auch den hieran angelehnten Begriff „Vollzugsverbund“ bei A. Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S.  530 f.; zur deskriptiven Einordnung des Phänomens im englischen Sprachraum vgl. G.  della  Cananea, Law and Contemporary Problems 68 (2004), S. 197–217. 396 S. G. Sydow, Die Verwaltung 2001, S. 517, 525 ff.; W. Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 17; s. als ein Beispiel die Verwaltung der Strukturfonds bei B. Schöndorf-Haubold, Die Strukturfonds der Europäischen Gemeinschaft, S. 467 ff.; ferner zur Mischverwaltung im Rahmen der Arzneimittelzulassung und der Zulassung von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln A. v. Arnauld, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, S. 100. 397 Vgl. hierzu GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 73 mit Verweis auf EuG, T-411/06 (Sogelma/AER), Slg. 2008, II-2771, Rn.  33–57; zur haftungsrechtlichen Verselbständigung von Agenturen und zur Möglichkeit eines wenigstens subsidiären Durchgriffs auf die Union vgl. bereits R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 580, 585. 398 Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 11. 399 Zum Gebot der Zuweisung von Verantwortlichkeit s. D.  Chalmers, European Union­ Public Law, S. 65 f.: „A world in which national administrations justify themselves to and are held to account by a Commission can not only create mixed loyalties, but also loosen the duty of those national administrations to account to other parts of their government and to their­ domestic constituencies.“ 400 Ähnlich Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 11; M. Weller, Regulierungsagenturen der Europäischen Union, S. 42.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Auf den ersten Blick erscheint die Frage, ob sich der Vollzug von Unionsrecht durch Agenturen als direkter oder indirekter Vollzug gestaltet, einfach: Agenturen sind Einrichtungen der Union, die durch die Union selbst geschaffen werden und deren Recht vollziehen. Die Union bedient sich folglich weder Privater noch sonstiger Hoheitsträger, sondern implementiert ihre Rechtsakte insoweit „direkt“. Bei näherer Betrachtung wird gleichwohl eine andere Einordnung denkbar: Der Sinn zahlreicher Agenturen besteht eher in einer besseren Koordinierung und Abstimmung des mitgliedstaatlichen Vollzugs als in dessen Ersetzung (externe Verflechtung).401 Unter ihrem unionsrechtlichen Gewand finden sich zudem Binnengremien, in die Vertreter der zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden in beträchtlichem Maße formalisiert eingebunden sind.402 Das gilt insbesondere für die zumeist als Leitungsgremien fungierenden Verwaltungsräte.403 Demnach findet keineswegs eine von den Mitgliedstaaten entkoppelte Willensbildung statt (interne Verflechtung).404 Im Schrifttum stößt man daher verbreitet auf die Tendenz, Agenturen  – ähnlich der kooperativen Struktur der deutschen kommunalen Zweck­ verbände –405 als eine Art „Zwitter“ von direktem und indirektem Vollzug oder als eine bloße Ergänzung des indirekten Vollzugs zu begreifen.406 Vereinzelt wird daraus sogar gefolgert, Befugniszuweisungen an Agenturen bildeten keine Über­ tragungen von Aufgaben auf die supranationale Ebene.407 401

Vgl. Th.  Groß, EuR 2005, S.  54, 58 f.; A. Pilniok, Governance im europäischen Forschungsförderverbund, S. 32; zu den Gutachten der Arzneimittelagentur vgl. A. Hatje, in: MüllerGraff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323, 333. 402 M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 623; vgl. auch A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 320; M. Weller, Regulierungsagenturen der Europäischen Union, S. 41 f. 403 M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 623. 404 Th. Groß bezeichnet dies als „dezentralisierte Integration“, ders., EuR 2005, S. 54, 55. 405 Th. Groß, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, S. 356 f.; ders., EuR 2005, S. 54, 59. 406 S. S.  Augsberg, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 6 Rn. 73; J. Fleischer, in: Jann/Döhler (Hrsg.), Agencies in Westeuropa, S. 212 („Diener vieler Herren“), insb. auch S. 243; Th. Groß, EuR 2005, S. 54, 57; K. Lenaerts, ELRev 18 (1993), S.  23, 46; E.  Schmidt-Aßmann, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), FS Häberle, S.  395, 401; zustimmend A. Pilniok, Governance im europäischen Forschungsförderverbund, S. 32; vgl. auch A. Kreher, Journal of European Public Policy 4:2 (1997), S. 225, 228, der jedoch entgegen der Zitierung durch Pilniok lediglich betont, dass mit Agenturisierungen in der Regel keine völlige Ersetzung mitgliedstaatlicher Verfahren einhergeht; ähnlich die Ausführungen D. Riedels speziell zur Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, ders., in: Schmidt-Assmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 119 f. („Kompromißmodell“). Schon bzgl. der Luftsicherheitsagentur wird ebd. jedoch eine „neue Generation“ ausgemacht, die eine „umfassende sektorale Aufgabenstellung“ aufweist, ebd. S. 125. Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim warnen dagegen allgemein vor einer praktischen Beeinträchtigung von Zurechnung durch Verbundstrukturen, dies., Europarecht, 6. Aufl., § 12, Rn. 11. 407 In dieser Deutlichkeit soweit ersichtlich nur A. Pilniok, Governance im europäischen Forschungsförderverbund, S. 32. Nach Th. Groß „entziehen“ die Agenturen „den Mitgliedstaaten keine Zuständigkeiten“, wobei der Kontext dieser Aussage dafür spricht, dass hier auf Zuständigkeiten im engeren Sinne, d. h. auf solche für ganze Regelungsbereiche, abgestellt wird, vgl. ders., EuR 2005, S. 54, 57.

F. Einordnung: direkter/indirekter Vollzug  

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Eine solche Sichtweise vermag nicht zu überzeugen. Zwar ist nicht zu bestreiten, dass Agenturen überwiegend komplementär zum indirekten Vollzug agieren. Dort handeln sie dessen ungeachtet supranational. Der Umstand, dass Agenturen bloß sektoral in Erscheinung treten, kann über die qualitative Zuordnung ihrer Tätigkeiten keinen Aufschluss geben. Wenn für Agenturen etwa i. S. d. beschriebenen Mischformen Veto- oder Selbsteintrittskompetenzen408 bestehen, kann lediglich das abstrakte Verfahren in seiner Gesamtheit, nicht aber die einzelne Maßnahme einer Agentur als Mischform gelten. Sobald Agenturen etwa im Wege einer interventionsbasierten Aufsicht Entscheidungen an sich ziehen, gerät der Prozess zu einer direkten Implementierung, zu einem „Selbsteintritt à l’européenne“409. Eine entsprechende Festlegung lässt sich schließlich dem Primärrecht selbst entnehmen: Art. 263 Abs. 1 S. 2, Art. 265 Abs. 1 S. 2, Art. 267 Abs. 1 lit. b, Art. 277 AEUV weisen die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen von „Einrichtungen und sonstigen Stellen“ jedenfalls in letzter Instanz (vgl. Art.  263 Abs.  5 AEUV) dem Gerichtshof zu. In dieser Hinsicht ist es schwer vorstellbar, wie sich eine Einordnung als indirekte Vollzugsform durchhalten ließe. In den genannten Vorschriften werden die Einrichtungen und sonstigen Stellen schließlich auch als solche „der Union“ bezeichnet. Ebenso wenig gebietet die interne Verflechtung eine abweichende Bewertung. Zwar kanalisieren die jeweiligen Entscheidungen auch den Willen der mitgliedstaatlichen Behörden. Jedoch machen sich die Einrichtungen diesen Willen nach ihren internen Verfahren zu eigen, wie dies ebenso für die Internalisierung mitgliedstaatlichen Willens durch den Rat oder durch Komitologieverfahren gilt. Diese Ausgestaltung ist nach dem konzeptionellen Ausschluss eines fachlichen Weisungsrechts der Kommission sogar zwingend, müssen doch auch Maßnahmen von Agenturen durch zumindest einen Legitimationsstrang gespeist werden.410 Dass dies der Einordnung als direkter Vollzugsform nicht entgegensteht, belegt vor allem die Verfasstheit der repräsentativen Binnengremien nach dem Kollegial­ prinzip. Beschlüsse werden dort nach dem Mehrheitsprinzip getroffen411  – ein Kernmerkmal von Supranationalität.412

408 Zur Bezeichnung einzelner Agenturbefugnisse als Selbsteintrittskompetenz s. J. A. Käm­ merer, NVwZ 2011, S. 1281, 1285. 409 So die Bezeichnung der Selbsteintrittsrechte der ESA bei J. A. Kämmerer, NVwZ 2011, S. 1281, 1285. S. dort auch die weiteren Ausführungen zur Kennzeichnung von Maßnahmen der ESA als supranational. 410 Zum Alternativitätsverhältnis von fachlichem Weisungsrecht der Kommission und der Ernennung der Mitglieder des Verwaltungsrats durch die Mitgliedstaaten s. Th. Groß, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, S. 357; kritisch hierzu B. Remmert, EuR 2003, S. 134, 142. 411 S. bspw. für den Rat der Aufseher der ESMA Art. 44 Abs. 1 ESMA-VO; vgl. J. A. Kämme­ rer, NVwZ 2011, S. 1281, 1284 f. 412 H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 499.

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1. Teil: Agenturen im Europäischen Verwaltungsverbund

Die Handlungen von Agenturen sind mithin eine Form des direkten Vollzugs413 bzw.  – weiter gefasst  – der „direkten unionalen Verwaltung“. Gleichwohl zeigt der Befund, dass sich vertikale Spannungen hier nicht in Schwarz und Weiß malen lassen. Wo Agenturen mit Aufgaben betraut werden und in bislang rein indirekt ausgestaltete Prozesse eintreten, begeben sich die Mitgliedstaaten keineswegs jedweden Einflusses, sondern unterwerfen sich sektoral dem Mehrheitsprinzip. Agenturen können daher durchaus als „hybride Akteure“ bezeichnet werden.414 Da zum Wesen der Agenturen gleichwohl eine Unabhängigkeit auch gegenüber den übrigen Unionseinrichtungen besteht, ergibt sich ein Unterschied insbesondere zu Zuweisungen an die Kommission. Möchte man dieser rechtlichen Verselbständigung von Agenturen im Verhältnis sowohl zur Union als auch zu den Mitgliedstaaten Ausdruck verleihen, bietet sich unter Rückgriff auf die deutsche Verwaltungslehre der Terminus der mittelbaren Unionsverwaltung an.415

G. Zusammenfassende Thesen Aus den vorstehenden Ausführungen lassen sich die folgenden wesentlichen Thesen festhalten: (1) Seit der Schaffung des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung als erster Agentur haben Agenturgründungen in Anzahl und Qualität

413 So auch K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 93 f.; M. Ruf­ fert, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 399; wohl auch R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 563 („Verlust an staatlicher Eigenständigkeit“) sowie Th. Oppermann/ C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 10, wo von einer integrationspolitischen Verschiebung der Balance zwischen Union und Mitgliedstaaten die Rede ist und Agenturgründungen als „Ausbau der EU-Verwaltung“ beschrieben werden; vgl. auch G. Hermes, in: Bauer/Huber/Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, S. 457, 487. 414 So W. Kahl, Der Staat 50 (2011), S. 353, 359; den Begriff aufgreifend G. Sydow, in: Hatje/ Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 40. 415 Diese Bezeichnung ist nicht mit dem Begriffspaar „unmittelbarer/mittelbarer Vollzug“ zu verwechseln, das bekanntlich der Unterscheidung des Vollzugs von unmittelbar anwendbarem Unionsrecht vom Vollzug mittels innerstaatlichem Ausführungsrecht dient, s. hierzu Ch.  Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S.  30 m. w. N. Der Begriff der mittelbaren EU-Verwaltung geht wohl auf Th. Oppermann zurück (s. Th.  Oppermann/C.-D.  Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 6, Rn.  27) und lehnt sich an den deutschen Terminus der mittelbaren Staatsverwaltung an, R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 553 (der die Bezeichnung übernimmt) m. w. N.; s. auch Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 43. Der Begriff der Mittelbarkeit wird gleichwohl unterschiedlich und teils missverständlich verwendet, was seiner Entsprechung zum Begriff der Direktheit geschuldet ist, etwa wenn der „unmittelbare Vollzug des Unionsrechts durch die Behörden der EU“ in einen Gegensatz zum mitgliedstaatlichen Vollzug gestellt wird (so bei Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettes­ heim, a. a. O., § 12 Rn. 1). J. Schwarze verwendet beide Begriffspaare synonym, ders., Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. CI.

G. Zusammenfassende Thesen  

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stetig zugenommen. Agenturen sind heute keine Randerscheinungen, sondern auf zahlreichen Feldern zentrale Akteure des europäischen Verwaltungsverbunds. (2) Die Praxis der Wahl der Rechtsgrundlage für Agenturisierungen hat einen grundlegenden Wandel erfahren. Eine Abstützung auf die Vertragsabrundungsklausel erfolgt nur noch in Ausnahmefällen. Erklärte Politik der Organe ist vielmehr eine grundsätzliche Heranziehung von Kompetenznormen der jeweiligen Politikbereiche, was insbesondere die Binnenmarktklausel einschließt. (3) Bei der kompetenziellen Ausstattung von Agenturen handelt es sich nicht um Delegationen. Aufgrund der Superiorität des zuweisenden Akteurs (Unions­ gesetzgeber) im Verhältnis zum Empfänger (legislativ errichtete Agentur) ist vielmehr von einer Attribution bzw. Zuweisung zu sprechen. (4) Agenturen beschränken sich nicht mehr auf die Vorbereitung verbindlicher Entscheidungen dritter Stellen, sondern treffen diese gleichermaßen gegenüber Mitgliedstaaten wie Privatsubjekten zunehmend selbst. Vielfach agieren sie als Verwalter von Behördennetzwerken, teilweise treten sie aber auch als den nationalen Behörden übergeordnete Stellen auf. (5) Die Mitgestaltung abstrakt-genereller Maßnahmen ist für Agenturen nicht nur durch die unverbindliche Gewährung von Informationen möglich. Bedingt durch weitgehende Monopole wissenschaftlicher Kapazitäten dominieren einzelne Agenturen Bereiche der europäischen Verwaltung über ihre rechtlich vorgesehene Rolle hinaus. So kann auch formal unverbindlichen Gutachten und Stellungnahmen eine faktische Bindungswirkung zukommen. Mit den Finanzaufsichtsagenturen wurden Agenturen nunmehr explizit eigene Rechte bei der Erarbeitung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten gewährt. (6) Die über lange Zeit für die Schaffung unabhängiger Einrichtungen wegweisende Meroni-Rechtsprechung ist auf moderne Regulierungsagenturen zu übertragen, woraus sich jedenfalls ein Verbot von weitreichenden Ermessens­ entscheidungen politischen Charakters ergibt. Tatsächlich stellen Rechtsprechung wie Gesetzgeber diese Grenze allerdings zunehmend infrage. (7) Mit Blick auf die sekundärrechtliche Natur ihrer Gründungsrechtsakte und sonstiger Befugniszuweisungen sind Regulierungsagenturen – unabhängig von ausdrücklichen Erwähnungen in den Verträgen – in Abkehr von der vorherrschenden Begrifflichkeit als sekundäre Organisationseinheiten, ihre Handlungen dagegen als tertiär(rechtlich)e Maßnahmen zu bezeichnen. (8) Agenturen sind trotz zahlreicher externer wie interner Verflechtungen mit mitgliedstaatlichen Behörden dem direkten Vollzug von Unionsrecht zuzuordnen.

Zweiter Teil2

Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen In diesem Teil  wird das Agenturmodell am Maßstab des Prinzips begrenzter Einzelermächtigungen untersucht. Es gilt zunächst zu klären, inwieweit organisationsrechtliche Maßnahmen der Union überhaupt an jenem Maßstab zu bemessen sind. Angesprochen ist damit die Frage nach einer allgemeinen Organisationsautonomie der Union. Mit dem ENISA-Urteil und der Leerverkaufsentscheidung erfahren sodann die beiden wichtigsten jüngeren Judikate des Gerichtshofs zu diesem Themenkreis eine Erörterung. Die gewonnenen Erkenntnisse werden schließlich für eine Untersuchung der einzelnen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen genutzt.

A. Zur primärrechtlichen Begründungsbedürftigkeit der Agenturen Nähert man sich dem Recht der europäischen Agenturen, erstaunt mit Blick auf die praktische Bedeutung ihre knappe Würdigung in den Verträgen: 55 Artikel zählt der EUV, ganze 358 der AEUV, kein einziger widmet sich allgemein dem Agenturmodell. So findet sich denn auch keine Vorschrift, die sowohl explizit als auch generell zu Agenturgründungen ermächtigt. Bevor auf die Frage eingegangen werden kann, inwieweit Normen schlüssig zu Agenturisierungen ermächtigen, ist die allgemeine konzeptionelle Zulässigkeit der Gründung unabhängiger sekundärrechtlicher Organisationseinheiten im institutionellen Gefüge der Verträge – zunächst unter weitgehender Außerachtlassung der einzelnen Verfassungsstrukturprinzipien1 – zu klären. Insbesondere hat eine normative Abgrenzung zu solchen Einrichtungen zu erfolgen, die sich nach allgemeiner Anschauung auf die sogenannte Organisationsautonomie der Organe stützen lassen. Schließlich wird auf die Bedeutung der Wahl der richtigen Rechtsgrundlage eingegangen.

1

Diesen widmet sich der dritte Teil.

A. Zur primärrechtlichen Begründungsbedürftigkeit der Agenturen  

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I. Generelle Zulässigkeit und Verhältnis zur Organverfassung 1. Institutionelle Betrachtung Ob die Gründung vertraglich nicht ausdrücklich vorgesehener Einrichtungen generell zulässig ist, war für die Europäische Gemeinschaft lange Zeit umstritten.2 Für die Europäische Union wird dies mittlerweile einhellig bejaht.3 Bereits das Hauptargument für einen institutionellen Numerus clausus, Art. 7 Abs. 1 EGV, der eine Wahrnehmung der der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben lediglich durch die enumerierten Organe vorsah, ist durch Art. 13 Abs. 1 EUV überholt.4 Hierin werden in UAbs. 1 nicht mehr nur die Organe, sondern es wird ein „institutioneller Rahmen“ auf die Verträge verpflichtet. UAbs. 2 listet wiederum nicht diesen institutionellen Rahmen, sondern einzig die Organe auf, sodass eine Vertragsänderung gem. Art. 48 EUV zur Schaffung neuer Einrichtungen auch nur insoweit erforderlich ist.5 An einigen Stellen setzen die Verträge das Agenturmodell zudem voraus. Das gilt zum einen für die bereits genannten Vorschriften über den gerichtlichen Rechtsschutz. Einzelne Agenturen erfahren zudem eine explizite Nennung, so die Europäische Verteidigungsagentur (Art. 42 Abs. 3 UAbs. 2, Art. 45 EUV), Eurojust (Art. 85 AEUV) sowie Europol (Art. 88 AEUV).6 Die Bezeichnung von Agenturen als „vertragsfremde Einrichtungen“7 erscheint demnach mittlerweile verfehlt. 2

U.  Everling lehnte die Übertragung von Hoheitsrechten auf „nachgeordnete Behörden“ ohne ausdrückliche Ermächtigung mit der Begründung ab, die Vertragspartner hätten auf die Ausübung der ursprünglich ihnen zustehenden Befugnisse nur verzichtet, weil feststand, „von wem und unter welchen Voraussetzungen diese Hoheitsrechte ausgeübt werden sollten“, ders., in: Hallstein/Schlochauer (Hrsg.), FS Ophüls, 1965, S. 33, 42. Hierbei bezog er sich allein auf von der Kommission errichtete Stellen; die Argumentation zwingt jedoch ebenso zu einer Ablehnung sekundärrechtlich errichteter Stellen. 3 P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 244–248; M.  Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S.  193, 197; W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn.  458; Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 236 f.; S. Kirste, VerwArch 2011, S. 273–275; K. Michel, DÖV 2011, S. 728, 731; dies., Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 111 f.; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 722. 4 H. Weis entnahm Art. 4 Abs. 1 EGV (Art. 7 Abs. 1 EGV) nicht nur eine dem Gemeinschaftsgesetzgeber nicht zur Disposition stehende Organverfassung, sondern auch ein ihm vorgegebenes institutionelles Gleichgewicht, ders., EuR 1980, S. 273, 279. 5 So im Ergebnis auch K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 111; vgl. A. Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 13 EUV Rn. 37; zur Diskussion um einen änderungsfesten Kern der Gemeinschafts- bzw. Unionsorgane s. M. Heintzen, EuR 1994, S. 35–49. 6 S. zu diesen im Vertrag genannten Einrichtungen A. Hatje/S. v. Förster, in: Hatje/MüllerGraff (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 1, § 10 Rn. 197 ff. 7 Die Bezeichnung war nach alter Rechtslage gängig und mangels primärrechtlicher Erwähnung von Agenturen berechtigt, s. statt vieler R. Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertrags­ fremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht (1979). Auch unter dem Lissabon­ ner Vertrag findet der Begriff Verwendung, so etwa bei R.  Streinz, Europarecht, 9.  Aufl., Rn. 439.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Gleichwohl ist festzustellen, dass die Verträge für die Gründung sonstiger Agenturen nicht nur keine ausdrückliche Grundlage bereitstellen, sondern auch nicht zum Schluss der Zulässigkeit zwingen. So ließe sich nach wie vor argumentieren, die Nennung von Agenturen im Einzelnen führe zur Unzulässigkeit von Agenturgründungen im Allgemeinen.8 Denn insofern ergäbe die Nennung von „Einrichtungen und sonstigen Stellen“ – etwa in Art. 263 Abs. 1 AEUV – gleichfalls einen Sinn. Ebenso wenig führt Art. 263 Abs. 5 AEUV an dieser Stelle weiter: Nach dieser Vorschrift können in Gründungsrechtsakten von Einrichtungen und sonstigen Stellen Bedingungen für die Erhebung von Klagen durch natürliche oder juristische Personen gegen Handlungen dieser Institutionen vorgesehen werden. Ein Gründungsrechtsakt ist – wie bspw. Art. 88 Abs. 2 AEUV belegt – jedoch auch für vertraglich ausdrücklich vorgesehene Einrichtungen und sonstige Stellen erforderlich. Art. 263 Abs. 5 AEUV könnte sich damit ebenso gut nur auf diese Fälle beziehen.9 Gleiches gilt für die Art. 277 AEUV zu entnehmende Zulässigkeit des Erlasses normativer Rechtsakte durch Einrichtungen und sonstige Stellen. Einen Zirkelschluss bildet der Verweis auf die offen formulierten Kompetenzen der Organe, die teils als Argument für eine Kreationsbefugnis angeführt werden.10 Werden den Organen Befugnisse erst durch bestimmte Kompetenznormen zugewiesen, so führt die Offenheit der Art. 13 ff. EUV auf die Frage nach der generellen Zulässigkeit zurück. Die Annahme einer „grundsätzlichen Integrationsoffenheit der Verträge“ erscheint ebendeshalb als Notargument.11 Wenig überzeugend ist es ferner, an dieser Stelle die Erwähnung einer „offenen, effizienten und unabhängigen europäischen Verwaltung“ in Art. 298 Abs. 1 AEUV anzuführen.12 Schließlich stützen sich auf eine solche Verwaltung nach dieser Vorschrift doch gerade „die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union“, um deren Bestand es geht. Noch in dem entsprechenden Art. III-304 VVE war zwar von „Ämtern und Agenturen“ die Rede.13 Zum einen wurde diese Formulierung aber nicht in den AEUV übernommen, zum anderen ergäbe auch sie schon im Hinblick auf die vertraglich ausdrücklich genannten Agenturen einen Sinn. Damit lässt sich

8 Darstellend Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  236 f. m. w. N.; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 143. 9 Anders A. Hatje/S. v. Förster, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 1, § 10 Rn. 13, die hierin eine Bestätigung der Vertragskonformität sehen. Zuzustimmen ist dens. insoweit, als sich der Vorschrift ebenso wenig ein Verbot sonstiger Gründungen entnehmen lässt. 10 So aber D. Fischer-Appelt, die (unter Verweis auf A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Rn. 180; M. Hilf, ZaöRV 1976, S. 551, 558 f.) von ex-Art. 4 Abs. 1 EGV die Befugnisse umfasst sieht, „die der Vertrag den Organen und Einrichtungen mittelbar über bestimmte Kompetenznormen zuweist“, dies., Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 81; C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 101. 11 So aber D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 81. 12 So K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 112. 13 Zur Wortlaut- und Nummerierungsgeschichte vgl. U.  Reithmann, in: v.  d.  Groeben/ Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 298 AEUV Rn. 1.

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festhalten, dass die Verträge die Gründung unbenannter Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit weder ausdrücklich zulassen noch verbieten.14 Die Frage hat ihre Bedeutung vielmehr insofern verloren, als nach nunmehr 40 Jahren des Agenturisierungsprozesses  – einer longa consuetudo, in die alle wichtigen Vertragsreformen seit dem Fusionsvertrag fallen  – jedenfalls von einer gewohnheitsrechtlichen primärrechtlichen Zulässigkeit ausgegangen werden kann.15 Im Rahmen von Klagen gegen einzelne Errichtungen und Befugniszuweisungen wird die generelle Zulässigkeit durch die Mitgliedstaaten schon seit den Meroni-Entscheidungen nicht mehr angezweifelt. Eine opinio iuris der Herren der Verträge fehlt allein hinsichtlich des kompetenziellen Ausmaßes. Die Rechtsprechung des EuGH setzt die generelle Zulässigkeit ohnehin seit eben jenen Entscheidungen voraus.16 Ihre Hinterfragung ist nicht zuletzt angesichts einer praktisch fernliegenden Rückabwicklung des bestehenden Agentursystems auf einen akademischen Wert begrenzt.17 Die sich bei einem Ausblenden dieser Verfassungswirklichkeit offenbarende Aktualität des Streitstands verdeutlicht aber, dass sich Praxis und Lehre auf eine Lesart verständigt haben, die keineswegs zwingend ist und daher über eine Einhegung ihrer selbst nachzudenken anregt.18

14 A. Hatje/S. v. Förster, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 1, § 10 Rn. 13; Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 236 f. Überwiegend wird den Verträgen dagegen die Zulässigkeit entnommen, vgl. statt vieler Ch.  Gö­ risch, Jura 2012, S. 42, 43. Ch. Keune vermengt diese Frage nach der allgemeinen Zulässigkeit mit dem Bedürfnis nach einer Rechtsgrundlage, dies., Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 144. 15 Vgl. R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 557 m. w. N. Die gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Gründung von Agenturen diskutiert auch V. H. Helfritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union, S. 138. Die Ablehnung ebd. bezieht sich wohl nur auf die Funktion von Gewohnheitsrecht als Ersatz einer Rechtsgrundlage i. S. einer Einzelermächtigung, die in der Tat nicht überzeugen kann. 16 S. EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771; Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349. Nur mit Einschränkungen lässt sich das Gutachten des EuGH zum Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt anführen, da dort eine internationale öffentlich-rechtliche Anstalt und somit vor allem Außenkompetenzen der Gemeinschaft in Rede standen, s. EuGH, Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt), Slg. 1977, 741 Rn. 5 (so aber angeführt bei Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 237). 17 S. bspw. P.  Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S.  245: „Selbst die Annahme eines  […] beschränkten Verselbständigungsverbots lässt sich schon nicht mit dem empirischen Befund der  […] erfolgten institutionellen Entwicklungen […] in Einklang bringen“; s. auch W. Kilb, EuZW 2006, S. 268, 273, der eine Rückabwicklung des Agenturmodells als illusorisch bezeichnet. 18 Ähnlich schon die Ausführungen von R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 557 f. m. w. N.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

2. Kompetenzielle Betrachtung Die normative Erfassung des Agenturmodells im institutionellen Gefüge bliebe unvollständig, ließe man den kompetenziellen Rahmen für vertraglich vorgesehene Einrichtungen außer Acht. Insoweit ist zwischen der soeben festgestellten abstrakten Zulässigkeit der Institution „Agentur“ als solcher und ihren denkbaren Befugnissen zu unterscheiden. Das ergibt sich nicht erst aus den Voraussetzungen einzelner Rechtsgrundlagen, sondern  – wie es der Meroni-Rechtsprechung zugrunde lag – schon aus den primärrechtlichen Kompetenzen der Organe. Im Zentrum der Diskussion über die grundsätzliche Zulässigkeit von Befugniszuweisungen steht einerseits Art. 17 EUV, der in Abs. 1 S. 5 nicht den Agenturen, sondern der Kommission Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen nach Maßgabe der Verträge zuweist. Andererseits scheinen die durch den Lissabonner Reformvertrag eingeführten Art. 290 f. AEUV in Bezug auf Agenturen mehr neue Fragen aufzuwerfen als Unklarheiten zu beseitigen. Das gilt insbesondere für Art. 291 AEUV, der die „Durchführung“ von Unionsrecht allein den Mitgliedstaaten sowie Kommission und Rat zu erlauben scheint. Der Kreis an Problemen – insbesondere mögliche Umkehrschlüsse und deren Reichweite – sei an dieser Stelle nur angesprochen. Er soll unter den Stichworten vom Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs und vom institutionellen Gleichgewicht an anderer Stelle näher erörtert werden.19 Grundlegend für die folgende Untersuchung ist die Feststellung, dass keine der genannten Vorschriften Zuweisungen an Agenturen grundsätzlich sperrt. Art.  17 Abs.  1 S.  5 EUV verweist auf die Gesamtheit des Primärrechts („nach Maßgabe der Verträge“), über dessen Gehalt die Vorschrift daher nur schwerlich eine Aussage treffen kann.20 Wo  – wie oben eingewandt  – ein solcher Verweis noch kein hinreichendes Argument für die generelle Zulässigkeit sein kann, lässt er ebenso wenig auf eine generelle Unzulässigkeit schließen. Für Art.  291 AEUV kann auf die bereits bei den Handlungsformen angeführte Wertung der Vorschriften über den gerichtlichen Rechtsschutz verwiesen werden. Durch die Nennung der „Einrichtungen und sonstigen Stellen“ werden Befugniszuweisungen dort als allgemein vertragskonform vorausgesetzt. Art.  291 AEUV kann in Bezug auf Zuweisungen an sonstige Stellen dementsprechend jedenfalls keine absolute Sperrwirkung zukommen.21 Weiterhin sei schon an dieser Stelle die These aufgestellt, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Befugnis einer Agentur genuin zugewiesen wird oder ob diese Befugnis zunächst einer anderen Einrichtung (bspw. einem Organ) zustand. 19

Vgl. u. 3. Teil C., D. So schon in Bezug auf Art. 155 EGV a. F. D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 81 f.; vgl. M. Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, S. 315. 21 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 79 f.; vgl. ausf. u. 3. Teil C. I. 1. 20

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Ein gegenteiliges „Ausgründungsverbot“ liefe auf eine Bestandsgarantie vor allem für die Kommission hinaus und erklärte damit einen Hauptzweck des Agenturmodells von vornherein für rechtswidrig.22 Einem solchen Verbot wurde bei den bisherigen Agenturisierungen auch weder entsprochen, wie bspw. die Gründung der Europäischen Umweltagentur „zulasten“ der Generaldirektion XI (Umwelt) der Kommission zeigt, noch ist hierfür ein normativer Grund ersichtlich.23 Das gilt jedoch nur insoweit, wie der Zuweisungsakt der Befugnis normenhierarchisch entspricht: Organe können sich der ihnen primärrechtlich zugewiesenen Kompetenzen nicht sekundärrechtlich entledigen.24 Der europäische Gesetzgeber vermag also bspw. die gem. Art.  108 AEUV ausdrücklich der Kommission zugedachte Rolle bei der Beihilfenaufsicht – unabhängig von Fragen des zulässigen Ermessensumfangs  – zumindest nicht gänzlich einer Agentur zuzuweisen.25 Für diese Grenze wird neben den ausdrücklichen speziellen primärrechtlichen Zuweisungen eine weitergehende Beschränkung durch das institutionelle Gleichgewicht diskutiert, das Bartodziej insoweit treffend als eher kompetenzielles Gleichgewicht bezeichnet.26 Auf diesen Fragenkreis wird bei der Diskussion der Verfassungsstrukturprinzipien im dritten Teil  näher eingegangen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Gründung und kompetenzielle Ausstattung von Agenturen unter dem Lissabonner Reformvertrag im Grundsatz weniger denn je auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt.

II. Rechtspersönlichkeit und Organisationsautonomie Durch die noch immer starke Fixierung auf die Meroni-Entscheidungen unterschlägt das Schrifttum vielfach wichtige Unterschiede zwischen den verschiedenen primärrechtlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Einrichtungen. So hilfreich Oberbegriffe wie „vertragsfremde Einrichtungen“27 oder „untergeordnete Stellen“28 als Mittel zur Abgrenzung gegenüber den Organen scheinen, so missverständlich kann eine Bezugnahme etwa der privatrechtlichen Brüsseler Organe bei der Betrachtung von Regulierungsagenturen sein. Die Genehmigung der Brüsseler 22

P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 246. Ebd. Ders. stellt jedoch darauf ab, dass die „institutionelle Identität“ der Kommission nicht von der Struktur der nachgeordneten Dienststellen ihrer eigenen Verwaltung abhänge, was in diesem Kontext nicht trägt. Die Ausführungen verkennen die institutionelle Unabhängigkeit von Regulierungsagenturen (auf die ders. auch konkret Bezug nimmt), die freilich hinsichtlich der spezifischen Kompetenz funktional durch eine Anbindung an die Kommission relativiert wird, aber eben nicht mit der engen Angliederung von nachgeordneten Ämtern und Exekutivagenturen gleichgesetzt werden kann (s. o. 1. Teil A., B. I.). 24 P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 247. 25 Dazu näher u. 3. Teil D. 26 P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 250. 27 Ch. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 13 EUV Rn. 31, 47 ff. (klarstellend in Rn. 56). 28 W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 458. 23

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Organe und die Übertragung von Befugnissen auf der Grundlage von Art. 53 des EGKS-Vertrages betraf eine privatrechtliche Einrichtung, die durch Akte der Hohen Behörde herangezogen wurde.29 Hinzu kommt, dass die Befugnisse bereits der Hohen Behörde übertragen worden waren, die Übertragung auf die Brüsseler Organe das vertikale Kompetenzgefüge insofern allein mittelbar betraf. Die Schaffung der öffentlich-rechtlichen Regulierungsagenturen erfolgt dagegen in Abgrenzung zu den Exekutivagenturen begriffsnotwendig nicht durch die Kommission, sondern durch den Unionsgesetzgeber. Parlament und Rat betrauen nicht etwa zunächst die Kommission, sondern unmittelbar eine dritte Einrichtung mit Kompetenzen.30 Ein Zwischenschritt per Tertiärrecht wird nicht gegangen. Agenturen nehmen aus unionaler Sicht Verwaltungsaufgaben überdies zumeist originär war. Auch aus mitgliedstaatlicher Perspektive erscheinen Agenturmaßnahmen dort, wo Befugnisse nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zuvor vielfach nur potenziell (Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV) den Mitgliedstaaten zustanden, weniger als übertragene denn als „neue“ Verwaltungstätigkeiten.31 Diese Verschiedenartigkeit der Konstellationen führt zu der Frage nach normativen Unterschieden in Bezug auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Im Folgenden sollen Agenturen daher mit jenen sonstigen „vertragsfremden“ Einrichtungen abgeglichen werden, deren Gründung allgemein auf die Organisationsautonomie der Organe gestützt wird. 1. Stellen ohne eigene Rechtspersönlichkeit Es ist allgemein anerkannt, dass die Schaffung von Ämtern mit logistisch-organisatorischen Hilfsfunktionen und interinstitutionellen Ämtern grundsätzlich von der Kompetenz der Organe zu ihrer Binnenstrukturierung umfasst ist.32 Diese Einrichtungen sind zwar in unterschiedlichem Umfang verselbständigt, weisen aber keine eigene Rechtspersönlichkeit auf.33 Ihre Gründung erfolgt in der Rechtsform des Beschlusses, was keinesfalls mit den ebenfalls als Beschluss ergehenden Ratsentscheidungen auf der Grundlage von Art.  31 EUV und Errichtungen von Exekutivagenturen durch die Kommission zu verwechseln ist.34 Eine entsprechende Organisationsautonomie ergibt sich für die Kommission bereits aus dem 29

M. Chamon, CML Rev 48 (2011), S. 1055, 1059. In diesem fehlenden Zwischenschritt sieht U.  Häde den Grund für die Unanwendbarkeit der Meroni-Grundsätze im Falle der europäischen Finanzaufsichtsbehörden, ders., EuZW 2011, S. 662, 663 f.; ähnlich Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 373. 31 Vgl. P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 81 f. 32 M.  Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S.  193, 197; G.  Sydow, VerwArch 2006, S. 1, 10; zur komplexeren Bewertung in Bezug auf das selbstständig agierende, organisatorisch indes der Kommission unterstellte Amt für Betrugsbekämpfung OLAF vgl. W. Schenk, Strukturen und Rechtsfragen der gemeinschaftlichen Leistungsverwaltung, S. 319 f. 33 G. Sydow, VerwArch 2006, S. 1, 6 f. 34 Ebd., S. 12. 30

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ihr Geschäftsordnungsautonomie verleihenden Art. 249 Abs. 1 AEUV.35 Die hiernach erlassene Geschäftsordnung der Kommission36 sieht in Art. 20 denn auch die Einrichtung „besonderer Verwaltungsstrukturen“ unter Übertragung „genau umschriebener Aufgaben“ und unter Festlegung der Befugnisse und Arbeitsbedingungen durch die Kommission vor, „um speziellen Anforderungen gerecht zu werden“. Alternativ wird eine entsprechende Kompetenz im Wege der ImpliedPowers-Doktrin aus den einzelnen Kompetenzen der Organe abgeleitet, sofern diese anderenfalls keiner zweckmäßigen Anwendung zugänglich wären.37 Wiederum werden die vertraglich fixierten Geschäftsordnungsgewalten zum Teil nicht als Ausgangspunkt, sondern als Ausprägung einer internen Organisationsgewalt betrachtet, die unabhängig von Normierungen für sämtliche Unionseinrichtungen bestehe.38 Diesen Ansatz verfolgt auch der EuGH.39 Wenig überzeugend ist insofern der Verweis auf Art. 287 Abs. 4 UAbs. 5 AEUV40, nach dem die Geschäftsordnung des Rechnungshofs der Genehmigung des Rats bedarf. Ebendort wird die Bestimmung einer Geschäftsordnung durch den Rechnungshof zuvor gerade angeordnet, sodass der Umkehrschluss auf eine gleichsam übergeordnete Autonomie fehlgeht. Unabhängig von der Herleitung ist einer internen Organisationsautonomie der Organe im Ergebnis gleichwohl zuzustimmen. Es ist kein normativer Grund ersichtlich, für verselbständigte Stellen ohne Rechtspersönlichkeit eine gesonderte Rechtsgrundlage zu verlangen, sofern eine umfassende Kontrolle und Zurechnung gewährleistet ist. Entsprechendes gilt erst recht für nachgeordnete Stellen, die lediglich die organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass ein Organ die ihm in den Verträgen zugewiesenen Aufgaben erfüllen kann (Materialbeschaffung und­ -erhaltung, Personalauswahl etc.). Die Kompetenz zu solchen Errichtungen enthalten bereits implizit die Organbestimmungen.41 Es handelt sich um Strukturierungen schlichter Handlungen der Union, die keiner gesonderten Einzelermächtigung bedürfen.42 Die Schaffung derartiger Stellen verhält sich insbesondere gegenüber der mitgliedstaatlichen Sphäre neutral. 35

W. Schroeder, in: Niedobitek (Hrsg.), Europarecht – Grundlagen der Union, § 8 Rn. 30; zu den Grenzen vgl. W. Schenk, Strukturen und Rechtsfragen der gemeinschaftlichen Leistungsverwaltung, S. 324. 36 ABl. EG 2000 L 308/26. 37 So die früher vorherrschende Herleitung, vgl. M. Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, S. 112, 301; auch vertreten von Ch. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 40; weniger deutlich die insofern zitierten Ausführungen bei C.-D. Ehlermann, EuR 1973, S. 193, 206. 38 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 233; C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 40. 39 EuGH, Rs. C-58/94 (Niederlande/Rat), Slg. 1996, I-2169, Rn. 37; Rs. C-301/02 P (Tralli/ EZB), Slg. 2005, I-4071, Rn. 57. 40 So für die Vorgängernorm Art. 248 Abs. 4 UAbs. 5 S. 2 EGV Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 234. 41 G. Sydow, VerwArch 2006, S. 1, 12. 42 Ebd.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

2. Stellen mit eigener Rechtspersönlichkeit Eine andere Beurteilung ist für solche Stellen angezeigt, die über eigene Rechtspersönlichkeit verfügen. Ihre Schaffung geht schon begrifflich über die bloße Selbstorganisation einer Einrichtung hinaus, sodass eine Stützung sowohl von Regulierungs- wie von Exekutivagenturen auf die Organisationsautonomie einzelner Organe nicht in Betracht kommt.43 Aber auch die Funktionseinheit „Unionsgesetzgeber“ kann Stellen mit eigener Rechtspersönlichkeit nicht aus eigener Machtvollkommenheit ins Leben rufen. Darüber, dass insoweit vielmehr ein institutioneller Gesetzesvorbehalt44 besteht, es also einer primärrechtlichen Grundlage bedarf, herrscht Konsens.45 Die Gründe für das Fehlen entsprechender Organkompetenzen wie einer „allgemeinen Organisationskompetenz“ als Verbandskompetenz werden dagegen uneinheitlich beurteilt.46 Einen Zirkelschluss bildet die Annahme, die Implementierung von Agenturen sei einzelnen Organen schon deshalb verwehrt, weil die bereits von Agenturen wahrgenommenen Aufgaben per Sekundärrecht zugewiesen wurden.47 Die bisherige 43 Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  234, 254 f.; ders., Jura 2012, S. 42, 44. 44 Zum Begriff s. statt vieler H.-H. Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, S. 240 ff. 45 M.  Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, S.  60 f.; M.  Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 197; D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 84 ff.; Ch. Gö­ risch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 234; ders., Jura 2012, S. 42, 44; S. Kirste, VerwArch 2011, S. 268, 273; N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 155 f.; T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 110; K. Michel, DÖV 2011, S. 728, 729; Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 373; D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 252; G. Sydow, VerwArch 2006, S. 1, 10 f., s. hier insb. die Klarstellung, dass frühere Aussagen, die dem Rat eine „allgemeine Errichtungskompetenz“ zuschrieben (so M. Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, S.  304 ff.), keine Kompetenz zur Errichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteter Stellen per Beschluss qua Organisationshoheit meinten, sondern sich – der nicht differenzierenden Terminologie vor Einführung des Mitentscheidungsverfahrens folgend – auf die Funktion des Rates als europäischem Gesetzgeber bezogen; C. U. Tree­ ger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 39, s. auch zur allgemeinen Organisationskompetenz ebd., S. 40–42; vgl. V. H. Helfritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union, S. 137 ff.; ohne Festlegung dagegen K.  Heuterkes, Rechtsfähige Organisationseinheiten in der Verwaltungsstruktur Frankreichs, Deutschlands und der Europäischen Gemeinschaften, S. 186 f.; missverständlich H. Siekmann, der dies für Informationsagenturen verneint, sich dem Zusammenhang nach jedoch auch auf Exekutivagenturen oder nachgeordnete Ämter beziehen könnte, ders., IMFS Working Paper Series 40/2010, S. 54, abrufbar unter: http://econstor.eu/bitstream/10419/97756/1/IMFS_ WP_40.pdf (29.2.2016). 46 Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 373. 47 So wohl das Argument ebd.: „Wenn die Aufgaben erst kraft Sekundärrechts geschaffen werden, liegen die damit verbundenen Handlungsbefugnisse ebenfalls außerhalb der Organisationsgewalt der Gemeinschaftsorgane.“

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Praxis der sekundärrechtlichen Agenturisierung ist eben dem zu erörtertenden institutionellen Gesetzesvorbehalt geschuldet. Dieser lässt sich aber nicht durch seine eigenen Ausprägungen begründen. Ohne an dieser Stelle auf den fraglichen normativen Gehalt des institutionellen Gleichgewichts einzugehen, erscheint es vielmehr geboten, ein Mindestmaß der im Primärrecht verankerten Verteilung von Entscheidungsbefugnissen und damit von Verantwortung zu bewahren. Gestünde man Organen ein Alleinentscheidungsrecht für Agenturgründungen zu, erschiene diese Verteilung gefährdet. So könnte insbesondere die Kommission zulasten von Europäischem Parlament und Rat versuchen, die neu geschaffenen Einrichtungen den Kontrollmöglichkeiten jener Organe zu entziehen und zugleich ihre Rolle durch weitgehende Koordinierungsbefugnisse zu stärken.48 Die Einbindung der an den Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe gewährleistet demgegenüber schon prozedural eine tendenziell ausgewogenere Einbettung von Agenturen in das institutionelle Gefüge.49 Zwar ist der Einwand berechtigt, auch im Gesetzgebungsverfahren bestehe die Gefahr einer Vereinnahmung zugunsten eines bestimmten Organs – namentlich zugunsten des Rates.50 Gleichwohl stellt die Gründung im Wege des Gesetzgebungsverfahrens gegenüber einer Organentscheidung ein Plus an Beteiligung der übrigen Organe dar. Somit lässt sich die Diversifizierung der Entscheidungsgewalt als ein Grund für einen institutionellen Gesetzesvorbehalt anführen. Als zwingend erscheint der Vorbehalt im Hinblick auf die demokratische Legitimation,51 was durch die zunehmenden Befugnisse von Agenturen zu rechtsverbindlichen Entscheidungen und exekutiver Rechtsetzung verstärkt wird. Die im Vergleich zu exekutiven Rechtsakten höhere Legitimationswirkung legislativer Errichtungen ist bereits in vielen nationalen Rechtsordnungen die maßgebliche Begründung für einen institutionellen Gesetzesvorbehalt.52 Sie muss erst recht für die europäischen Agenturen gelten, besteht für diese im Primärrecht doch zum einen kein spezifischer Rechtsrahmen und wird die Frage der Vollzugskompetenzen zum anderen um eine (für Bundesstaaten zusätzliche) vertikale Dimension ergänzt. Schließlich erscheint jede unionale Vollzugskompetenz zumindest im Bereich der geteilten Zuständigkeiten zugleich als Ersetzung möglicher parlamentarisch legitimierter Einrichtungen der Mitgliedstaaten.53 Für Regulierungsagenturen bildet nicht zuletzt ihre gesteigerte Unabhängigkeit einen Unterschied zu den tertiärrechtlich errichteten Stellen. Sie mögen mit der Kommission eng verwoben sein, stehen zu ihr trotz vielfacher Kontrolle ange 48

D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 86. Vgl. ebd. 50 Mit diesem Einwand verwirft D. Fischer-Appelt das Argument ebd. gänzlich. 51 Ebd., S. 85 f.; Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 373; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 621. 52 D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 85. 53 Vgl. generell zum Verdrängungseffekt bei der Wahrnehmung geteilter Zuständigkeiten W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 623. 49

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

sichts einer fehlenden Fachaufsicht aber in einem eher gleichrangigen Verhältnis. Zwar bestehen gegenüber den Organen Unterrichtungs- und Rechenschaftspflichten, üben Kommission oder Rat die Disziplinargewalt über die Leitung sowie teilweise eine Rechtsaufsicht aus und verfügen durch Verfahren der Planung und Bewertung über indirekte Kontrollmechanismen.54 Eine direkte Einflussnahme auf Tätigkeiten von Agenturen ist jedoch nur vereinzelt und nur dort möglich, wo die Gründungsrechtsakte wie im Falle des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung eine besondere Anbindung statuieren.55 Diesen qualitativen Unterschied verdeutlicht ein Blick auf die Versorgungsagentur der Europäischen Atomgemeinschaft. Für sie ist in Art. 53 des Euratom-Vertrags eine Fachaufsicht durch die Kommission vorgesehen, was bereits für die Agenturen der ersten Generation nicht übernommen wurde.56 Es würde der komplexen und verschiedentlich ausgestalteten Beteiligung der Organe und Mitgliedstaaten an den Entscheidungsprozessen von Agenturen nicht gerecht, hierin sogleich ein Legitimationsdefizit des Agenturmodells zu erblicken. Dennoch wird deutlich, dass Regulierungsagenturen nicht allein formal durch ihre Rechtspersönlichkeit etwas wesentlich anderes als nachgeordnete Stellen bilden, sondern insbesondere funktional nicht einem einzelnen Organ zugewiesen sind.57 Sie sind entgegen vielfacher Bezeichnung58 keine „nachgeordneten Stellen“, sondern selbst für die Ausübung der ihnen zugewiesenen Befugnisse verantwortlich. Regulierungsagenturen treten damit neben, nicht hinter die Organe.59 Eine derartige Abweichung von dem ausdrücklich in den Verträgen zugrundegelegten Institutionengefüge muss auf den Willen der Mitgliedstaaten zurückführbar sein. Der Unionsgesetzgeber hat dem Erfordernis vertraglicher Rechtsgrundlagen bei sämtlichen bisherigen Agenturgründungen entsprochen.60 Auch die Praxis der Errichtung von Exekutivagenturen auf Grundlage der sekundärrechtlichen Rahmenverordnung steht dem Befund nicht entgegen, wurde die Verordnung doch ihrerseits auf die Flexibilitätsklausel gestützt.61

54

Vgl. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 148 ff. D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 263. 56 Ebd.; G. Hermes, in: Bauer/Huber/Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, S. 457, 463 (s. dort auch die Ausnahme für die Agentur für Zusammenarbeit). 57 R. Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 13 EUV, Rn. 7 f. 58 So etwa bei Ch. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 13, die dabei jedoch zutreffend feststellt, dass die etablierten rechtlich verselbständigten Agenturen „weniger Teil eines vertikalen Verwaltungsunterbaus der EG-Organe, als vielmehr Ausdruck einer sich entwickelnden Struktur der mittelbaren Gemeinschaftsverwaltung [sind], die locker an die EG-Organe angebunden ist“. 59 Sie können daher auch als „Satelliten“ der Organe beschrieben werden, vgl. M. Wittinger, EuR 2008, S. 609 ff. 60 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 235; s. auch die Darstellung o. 1. Teil C. III. 61 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 235. 55

A. Zur primärrechtlichen Begründungsbedürftigkeit der Agenturen  

105

III. Gegenstand der Kompetenzabgrenzung und Wahl der richtigen Rechtsgrundlage Schließlich soll das Prinzip begrenzter Einzelermächtigungen anhand der „Schlüsselnorm“62 des europäischen Kompetenzgefüges, Art. 5 EUV, näher in Bezug zum Untersuchungsgegenstand „Agentur“ gestellt werden. Das Erfordernis einer Rechtsgrundlage gestaltet sich in Art. 5 EUV als erster Schritt einer umfassenden Kompetenzprüfung: Bevor das „konkrete Ob“ (Subsidiarität, Abs. 3) und das „Wie“ (Verhältnismäßigkeit, Abs. 4) einer Errichtung oder Zuweisung überprüft wird, ist mit der Suche nach einer Kompetenznorm das „generelle Ob“ zu klären.63 In Abgrenzung zu der oben diskutierten grundsätzlichen Zulässigkeit des Agenturmodells ist dieser erste Schritt genauer als das „generelle Ob des konkreten Organisationsrechtsakts“ zu verstehen. Die nunmehr durch Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 2 S. 2 EUV unterstrichene mitgliedstaatliche Reserve begründet dabei eine negative Zuständigkeitsvermutung zulasten der Union.64 Bei Zweifeln über die Abgrenzung von Verbandskompetenzen ist somit zugunsten einer mitgliedstaatlichen Zuständigkeit zu entscheiden.65 Das mag insoweit erstaunen, als es schon dem Wesen nach nicht in der Kompetenz der Mitgliedstaaten stehen kann, eine unionseigene Einrichtung zu errich­ ten. Eine solche Kompetenz kann streng genommen also weder übertragen werden, noch bei den Mitgliedstaaten verbleiben. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gilt dessen ungeachtet ebenso hier. Es unterscheidet – anders als das Subsidiaritätsprinzip  – auch nicht etwa zwischen geteilten und ausschließlichen Zuständigkeiten, sondern steht dieser Unterscheidung vielmehr voran; es regelt die Abgrenzung, nicht die Ausübung von Kompetenzen.66 Folglich muss eine jede Maßnahme, auch eine solche, die die Mitgliedstaaten per definitionem nicht selbst ausüben können, von einer Übertragung ableitbar sein.67 Das scheinbare 62 So die Bezeichnung bei Ch. Calliess, König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 15. 63 Ch. Calliess gliedert die Trias des Art. 5 EUV in eine „Kann-Frage“ (Abs. 2), eine „ObFrage“ (Abs. 3) und eine „Wie-Frage“, ders., Jura 2001, S. 314 ff.; ders. in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 5. Diese Formulierung ist insoweit missverständlich, als letztlich auch das „Ob“ i. S. d. Abs. 3 eine Frage des Könnens i. S. einer Feinsteuerung der Kompetenzverteilung darstellt. Teils erfolgt auch eine Unterteilung von Einzelermächtigung und Subsidiarität in die Frage nach dem Bestand einer Zuständigkeit und das Sollen ihrer Ausübung, so bei GA Fennelly, Schlussanträge vom 15.6.2000, Rs. C-376/98 und C-74/99 (Deutschland/Parlament und Rat), Slg. 2000, I-8419 Nr. 131. 64 Ch. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 7. 65 Zur Diskussion um eine konstitutive Wirkung s. Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), EVV, Art. I-11 Rn. 9 (Art. I-11 Abs. 2 S. 2 VVE entspricht Art. 5 Abs. 2 S. 2 EUV). 66 R. Streinz/Ch. Ohler/Ch. Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, 3. Aufl., S. 106. 67 S. den berechtigten Hinweis von P. v. Cleynenbreugel, Agenturgründungen seien entgegen vielfach abweichender Darstellung keine (direkte) Übertragung von Kompetenzen durch die Mitgliedstaaten auf Agenturen, sondern eine Frage der Interpretation begrenzter Einzelermächtigungen, ders., 21 MJ 1 (2014), S. 79.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Paradoxon löst sich auf, indem man die hinter der Form stehende Funktion von Agenturen in den Blick nimmt: Am Ende der organisationsrechtlichen Vorgänge stehen Tätigkeiten, die man mit „Verwaltung“, teils mit „Vollzug“ umschreiben kann. Wie schon die Erscheinung von Agenturen als Hybriden des direkten und indirekten Vollzugs verdeutlichte, ist die Abgrenzung von Kompetenzen zur Ausgestaltung von Agenturen damit im Kern eine Abgrenzung administrativer Kompetenzen. Wiederum genügt es dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nicht, dass nach dieser vertikalen Abgrenzung überhaupt eine Verbandskompetenz der Union besteht.68 Geboten ist vielmehr die Wahl der richtigen Rechtsgrundlage durch den Unionsgesetzgeber.69 Der Grund dafür besteht in den je nach Vorschrift unterschiedlichen Verfahren und Handlungsformen.70 Das verdeutlicht der einschlägige Vergleich von Art.  114 und Art.  352 AEUV besonders anschaulich: Erstere Norm sieht das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, mithin das Mehrheitsprinzip vor, während die Letztere einen einstimmigen Beschluss verlangt, was einem Vetorecht jedes Mitgliedstaats gleichkommt.71 Eine genaue Bestimmung der Rechtsgrundlage ist zudem angesichts einzelner Harmonisierungsverbote zwingend, wie insbesondere das erste Urteil des Gerichtshofs zur Tabakwerberichtlinie72 mit seiner Abgrenzung der Binnenmarktklausel von der Kompetenz im Bereich des Gesundheitswesens veranschaulicht.73 Hinzu kommt, dass ein Offenhalten der Rechtsgrundlage auf eine Machtverschiebung zugunsten des mit unterschiedlichen Mehrheiten und zumeist letztentscheidenden Rates hinausliefe.74 Es wird deutlich, dass die Wahl der Rechtsgrundlage gleichermaßen horizontale wie vertikale Spannungen auslösen kann.75 Wie der EuGH in seiner Entscheidung in der Rs. Rindfleisch-Etikettierungen betont hat, kann sich die Wahl der Rechtsgrundlage aus diesem Grund auch nicht etwa nach dem „Wunsch eines Organs, am Erlaß eines bestimmten Rechtsakts intensiver beteiligt zu werden […]“ ergeben.76 Sie muss nach ständiger Rechtsprechung auf objektiven, gerichtlich nachprüf-

68

M. Nettesheim, in: v. Bogdandy/Bast (Hrsg.), EuVerfR, S. 434. Ch.  Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4.  Aufl., Art.  5 EUV Rn.  9; U.  Häde, EuZW 2011, S.  662, 663; M.  Ruffert, Jura 1994, S.  635 ff., insb. 642; M.  Ullrich, ZEuS 2000, S. 243, 246 f.; zur Judikatur s. S. Breier, EuR 1995, S. 46 ff. 70 M. Nettesheim, in: v. Bogdandy/Bast (Hrsg.), EuVerfR, S. 435. 71 Vgl. Ch. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 9; zu den unterschiedlichen Verfahren s. auch G. Langguth, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, Art. 5 EUV Rn. 5; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 722. 72 EuGH, Rs. C-376/98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I-8419. 73 Ebd., s. insb. Rn. 84–106; näher hierzu Ch. Calliess, Jura 2001, S. 311 ff.; ders., in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 9. 74 M. Ruffert, Jura 1994, S. 642. 75 Ch. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 9; s. bereits M. Nettesheim, EuR 1993, S. 243 ff. 76 EuGH, Rs. C-269/97 (Rindfleisch-Etikettierung), Slg. 2000, I-2257, Rn. 44. 69

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

107

baren Umständen beruhen.77 Insbesondere aus der noch darzulegenden verbreiteten Alter­nativität von Rechtsgrundlagen78 ergibt sich, dass Erwägungen politischer Opportunität bei der Rechtsgrundlagenwahl außer Betracht bleiben müssen.

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rechtssachen ENISA und Leerverkaufsverordnung B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung Die vorstehenden Überlegungen mündeten in zwei maßgeblichen Entscheidungen, in denen der Gerichtshof den skizzierten Wechsel in der Rechtsgrundlagenwahl von der Flexibilitäts- hin zur Binnenmarktklausel überprüfte. Sowohl anlässlich der Gründung der ENISA wie der kompetenziellen Ausstattung der ESMA untersuchte der Gerichtshof die Heranziehung der Binnenmarktklausel. Beide Judikate nehmen auch in Bezug auf allgemeine Maßstäbe für Agenturen eine herausgehobene Stellung ein.

I. Die Rechtssache ENISA Erstmals konfrontiert sah sich der EuGH mit der Frage nach der organisationsrechtlichen Tauglichkeit der Binnenmarktklausel (damals noch Art.  95  EG) sowie generell mit der Gründungsverordnung einer Regulierungsagentur anlässlich der Schaffung der ENISA.79 Mit seinem Urteil aus dem Jahr 200680 wies der Gerichtshof die auf die Unzulässigkeit der Rechtsgrundlagenwahl zielende Nichtigkeitsklage des Vereinigten Königreichs ab. Das Verfahren war eine erste Demonstration der verfassungsrechtlichen Tragweite der Fragestellung. So erkennt Ohler in seinem Ausgang sogar eine Neuvermessung des europäischen Verfassungsrechts in Sachen Verwaltungsorganisation.81 Das Vorbringen der Beteiligten und 77 EuGH, Rs. C-300/89 (Titandioxid), Slg. 1991, I-2867, Rn. 10; Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, I-5755, Rn. 25; Rs. C-271/94 (Parlament/Rat), Slg. 1996, I-1689, Rn. 14; Rs. C-22/96 (Parlament/Rat), Slg. 1998, I-3231, Rn. 23; Rs. C-42/97 (Parlament/Rat), Slg. 1999, I-869, Rn. 36; verb. Rs. C-164/97 und C-165/97 (Parlament/Rat), Slg. 1999, I-1139, Rn. 12; EuGH, Rs. C-269/97 (Rindfleisch-Etikettierung), Slg. 2000, I-2257, Rn. 43; Rs. C-336/00 (Huber), Slg. 2002, I-7699, Rn. 30; Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Slg. 2002, I-11453, Rn. 93; Rs. C-338/01 (Kommission/Rat), Slg. 2004, I-4829, Rn. 54; Rs. C-110/03 (Belgien/ Kommission), Slg. 2005, I-0000, Rn. 78; Rs. C-347/03 (Regione autonoma Friuli-Venezia G ­ iulia), Slg. 2005, I-0000, Rn. 72; EuGH, Rs. C-147/13, EuZW 2015, 548, Rn. 68. 78 Vgl. u. C. II. 79 V. Randazzo, CML Rev 44 (2007), S. 155. 80 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771. 81 Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 372; ähnlich K. Gutman, Columbia Journal of European Law 13 (2006), S. 147, 174; V. Randazzo, CML Rev 44 (2007), S. 155 („‚constitutional‘ sig­ nificance“); eine „große Bedeutung für die legislative Praxis“ sieht U. Hansmann, DVBl. 2006, S. 835, 838; allgemein zur Bedeutung der Fragestellung im Kontext der Leerverkaufsentscheidung J. Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S. 451, 485.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

die Schlussanträge von Generalanwältin Kokott gehen ebenfalls auf zahlreiche diskussionswürdige Facetten ein, was Anlass zu einer genauen Betrachtung der Rechtssache gibt. 1. Sachverhalt Mit seiner Klage wandte sich das Vereinigte Königreich gegen die mittlerweile reformierte82 VO (EG) Nr. 460/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.3.2004 zur Errichtung der ENISA (ENISA-VO)83, durch die der ENISA zugleich ein Aufgabenkatalog übertragen wurde. Für die Argumentation von Gesetzgebungsorganen wie Gerichtshof ist insbesondere Art. 1 Abs. 2 maßgeblich, der die Agenturgründung mit der RL 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmen-RL)84 verknüpft. Mit dieser Rahmen-RL soll ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsdienste und zugehöriger Einrichtungen geschaffen werden. Dazu zählen vor allem Bestimmungen über die Aufgaben der mitgliedstaatlichen Regulierungsbehörden sowie über spezielle Verfahren zur Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des harmonisierten Rechtsrahmens. So werden die Mitgliedstaaten bspw. auf eine Förderung der Harmonisierung der Nutzung von Funkfrequenzen und auf Transparenz in Verfahren über die Installation von Kommunikationsnetzen verpflichtet.85 Der ENISA kommt die Aufgabe zu, „die Kommission und die Mitgliedstaaten zu unterstützen und folglich mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten, um diesen dabei zu helfen, die Anforderungen an die Netz- und Informationssicherheit […] zu erfüllen und damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten“.86 Im Zentrum stehen die Informationsbeschaffung und -analyse, die Beratung und Unterstützung von Europäischem Parlament, Kommission und mitgliedstaatlichen Stellen sowie die Förderung der Zusammenarbeit der verschiedenen (auch privaten) Akteure.87 Damit ist die ENISA als schwache Agentur einzuordnen, die insbesondere keinerlei rechtsverbindliche Entscheidungen treffen kann.88 Die Wahl von Art. 95 EG als Rechtsgrundlage wird in Erwägungsgrund 10 mit dem Erfordernis „unterschiedlicher Formen der technischen und organisatori-

82

Durch die VO (EU) Nr.  526/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2013 über die Agentur der Europäischen Union für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 460/2004, ABl. EU 2013 L 165/41. 83 ABl. EU 2004 L 77/1. 84 ABl. EG 2002 L 108/33. 85 Art. 9 Abs. 2, Art. 11 Rahmen-RL. 86 Art. 1 Abs. 2 ENISA-VO. 87 Art. 3 ENISA-VO. 88 M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 613.

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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schen Durchführung durch die Mitgliedstaaten und die Kommission“ begründet. Da es für diese technisch komplexen Aufgaben „keine Patentlösung“ gebe, bedürfe es eines beratenden und unterstützenden Fachzentrums auf europäischer Ebene. 2. Vorbringen der Beteiligten Das Vereinigte Königreich richtete sich ausdrücklich nicht gegen die Schaffung der ENISA als solche, sondern gegen die Heranziehung von Art. 95 EG anstelle von Art. 308 EG (≈ Art. 352 AEUV).89 Art. 95 EG sei nur dann die passende Rechtsgrundlage, wenn die erlassene Maßnahme ein Ziel verfolge, das durch den gleichzeitigen Erlass identischer Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten erreicht werden könne. Nur dann harmonisiere die Verordnung tatsächlich die nationalen Rechtsordnungen. „Tue“ die Verordnung dagegen „etwas“, das nicht durch den gleichzeitigen Erlass identischer Rechtsvorschriften auf Ebene der Mitgliedstaaten erreicht werden könnte, treffe sie also Regelungen in Bereichen, die nicht in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten fallen, handele es sich nicht um eine Harmonisierungsmaßnahme.90 Maßnahmen, die dieses Kriterium nicht erfüllen, könnten allein dann auf Art. 95 EG gestützt werden, wenn es sich um bloße Nebenbestimmungen handele oder sie der Durchführung von Harmonisierungsmaßnahmen dienten.91 Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs zielen die Aufgaben der ENISA in keinerlei Hinsicht auf die auch nur indirekte Angleichung nationaler Rechtsvorschriften, da sie lediglich nicht bindende Ratschläge erteilen dürfe.92 Insofern läge keine Angleichung nationaler Rechtsvorschriften, sondern die Schaffung einer „Gemeinschaftseinrichtung mit Beratungsfunktion“ vor. Dies genüge den Anforderungen des Art. 95 EG nicht, da eine Gemeinschaftsmaßnahme noch nicht allein deshalb eine Harmonisierungsmaßnahme sei, weil sie sich positiv auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken könne.93 Schließlich könne ein mittelbarer Rechtsangleichungserfolg der Ratschläge auch deshalb nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden, weil den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Rahmen-RL ein Ermessen zustehe, das im Gegenteil sogar zu einer Vergrößerung der Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen führen könne.94 Lediglich aus der Unterstützungsfunktion für die Kommission ließe sich ein Kontext zur Harmonisierung ableiten. Da es insofern aber wohl nur um technische Forschung gehe, sei diese Verbindung zu mittelbar.95 Ebenso wenig gebiete der Erlass der Rahmen-RL eine abweichende Beurteilung, denn die 89

EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 21. Ebd., Rn. 12. 91 Ebd., Rn. 13. 92 Ebd., Rn. 14. 93 Ebd., Rn. 15. 94 Ebd., Rn. 16. 95 Ebd., Rn. 17. 90

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Tätigkeit der ENISA erschöpfe sich nicht in deren Anwendungsbereich und diese werde nicht durch die Beratungsfunktion der ENISA, sondern durch die zuständigen mitgliedstaatlichen Stellen durchgeführt.96 Schließlich sah das Vereinigte Königreich die Begründung der Verordnung im Hinblick auf Hindernisse für den Binnenmarkt als unzureichend an, da bloß die Möglichkeit einer heterogenen Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Netzsicherheit aufgezeigt worden sei.97 Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission hielten dem Vorbringen eine weite Auslegung der Binnenmarktklausel entgegen. Die Vorschrift umfasse nicht allein Maßnahmen, die selbst eine Harmonisierung bewirkten, vielmehr reiche es aus, dass sie als „Angleichung geringer Intensität“ eine Harmonisierung „beträfen“.98 Die Schaffung der Agentur falle insofern unter einen „erweiterten Harmonisierungsbegriff“.99 Der Umstand, dass Rahmen-RL, weitere Einzelrichtlinien und ENISA-VO selbständige Rechtsakte bilden und nicht zeitgleich erlassen wurden, könne für die Beurteilung keinen Ausschlag geben. Denn die ENISAVO solle die Durchführung dieser Richtlinien als ergänzende Maßnahme gerade erleichtern.100 Auch sei es vom Harmonisierungsbegriff umfasst, wenn eine Maßnahme  – gleichsam präventiv  – das Ziel der Verhütung „ineffiziente[r] Lösungen und uneinheitliche[r] Entwicklungen der Regelungen der Mitgliedstaaten“ und „zukünftiger Handelshemmnisse“ verfolge.101 Hilfsweise führten die Gesetzgebungsorgane die Möglichkeit einer Stützung auf „implizite Befugnisse“ an, da die Schaffung der Agentur „als zur Erreichung der mit den Einzelrichtlinien verfolgten Ziele unerlässlich“ angesehen werden könne.102 Der Forderung nach einer Bemühung der Vertragsabrundungsklausel entgegneten sie konsequenterweise deren tatbestandliche Subsidiarität.103 3. Würdigung durch den Gerichtshof Der Gerichtshof greift im Ausgangspunkt auf seine Entscheidung zu Rauch­ aromen in Lebensmitteln104 zurück und betont, dass aus der ENISA-VO objektiv und tatsächlich der Zweck hervorgehen müsse, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern.105 Damit un 96

Ebd., Rn. 18. Ebd., Rn. 20. 98 Ebd., Rn. 22, 25, 29. 99 Ebd., Rn. 38. 100 Ebd., Rn. 26. 101 Ebd., Rn. 30, 40. 102 Ebd., Rn. 28. 103 Ebd., Rn. 33. 104 EuGH, Rs. C-66/04, Slg. 2005, I-10553; s. hierzu H. Rieckhoff, Der Vorbehalt des Gesetzes im Europarecht, S. 182 ff. 105 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 42. 97

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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terstreicht er seine bereits erwähnte ständige Rechtsprechung, nach der die Wahl einer Rechtsgrundlage – insbesondere hinsichtlich Ziel und Inhalt des Rechtakts – auf objektiven und gerichtlich nachprüfbaren Umständen beruhen muss.106 Bemerkenswert ist, dass die modale Vorgabe der Angleichung unerwähnt bleibt. Vielmehr betont der Gerichtshof  – dem Rückgriff auf frühere Judikate entsprechend  – den Ermessensspielraum des Gemeinschaftsgesetzgebers „hinsichtlich der zur Erreichung eines angestrebten Ergebnisses am besten geeigneten Angleichungstechnik“, der sich dem Ausdruck „Maßnahmen zur Angleichung“ entnehmen lasse. Ein solches Ermessen bestehe insbesondere in Bereichen, „die durch komplexe technische Besonderheiten gekennzeichnet sind“.107 Adressat einer Maßnahme nach Art.  95  EG müssten nicht zwingend die Mitgliedstaaten sein; vielmehr könne der Gesetzgeber „aufgrund seiner Sachwürdigung die Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig erachten, deren Aufgabe es ist, in Situationen, in denen der Erlass von nicht zwingenden Begleit- und Rahmenmaßnahmen zur Erleichterung der einheitlichen Durchführung und Anwendung von auf Artikel 95 EG gestützten Rechtsakten geeignet erscheint, zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses beizutragen.“108 Voraussetzung dafür sei ein „enger Zusammenhang“ zwischen den Aufgaben der Einrichtung und den Bereichen, auf die sich die Harmonisierungsmaßnahmen beziehen.109 Ein solcher Zusammenhang läge insbesondere dann vor, wenn die Einrichtung den nationalen Behörden bzw. Wirtschaftsteilnehmern Dienstleistungen erbringe, „die sich auf die einheitliche Durchführung der Harmonisierungsmaßnahmen auswirken und deren Anwendung erleichtern können“.110 Einen solchen Zusammenhang sieht der EuGH angesichts eines engen Bezuges der Tätigkeiten der ENISA zu den Harmonisierungsvorschriften der Rahmen-RL und weiterer Einzelrichtlinien als gegeben an. Die Errichtung der Agentur sei daher keine isolierte Maßnahme, sondern füge sich in einen die Verwirklichung des Binnenmarktes bezweckenden Regelungskomplex ein, dies zudem in einem Bereich komplexer technischer Zusammenhänge.111

106

S. o. 2. Teil A. III. EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 43 unter Verweis auf EuGH, Rs. C-66/04, Slg. 2005, I-10553, Rn. 45; s. auch EuGH, Urt. v. 4.5.2016, Rs. C-547/14 (Philip Morris Brands u. a.), Rn. 63. 108 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 44. 109 Ebd., Rn. 45. 110 Ebd. 111 Ebd., Rn. 60 f., 63. 107

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

4. Kritik und Betrachtung der Schlussanträge a) Aufgaben ohne Harmonisierungsfunktion Dreh- und Angelpunkt der Argumentation des Gerichtshofs bildet die Verknüpfung von Agenturgründung und eigentlicher Harmonisierungsmaßnahme. Dabei scheint der Gerichtshof zunächst einen strengen Maßstab anzulegen, wenn er verlangt: „Die [Hervorh. d. Verf.] einer solchen Einrichtung übertragenen Aufgaben müssen […] in engem Zusammenhang mit den Bereichen stehen, auf die sich die Rechtsakte zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen.“112 Die Subsumtion erfolgt dagegen stark selektiv. So listet der EuGH die zahlreichen Bereiche auf, in denen die ENISA die Durchführung einzelner Harmonisierungsmaßnahmen unterstützt.113 Unbeachtet bleiben dagegen diejenigen Aufgaben, die wie die Förderung der Zusammenarbeit zwischen privaten Akteuren keinen Bezug zur Rechtsangleichung aufweisen.114 Das ist umso unbefriedigender, als sich Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen mit diesem Argument des Vereinigten Königreichs ausführlich ausein­ andersetzte: In einem ersten Schritt nahm sie eine Trennung der spezifisch die Errichtung betreffenden Bestimmungen von den Befugnissen vor.115 Erstere könnten offensichtlich nicht unmittelbar zu einer Harmonisierung beitragen, sondern verfolgten auf den ersten Blick ein abweichendes Ziel. Diese Trennung verwarf Ko­ kott letztlich allerdings als irreführend, da die Errichtung lediglich ein Mittel zum Zweck bilde. Die ENISA-VO verfolge daher einen einzigen Zweck, der einzig den Regelungen über die Aufgaben entnommen werden könne.116 Im Ergebnis fehle jedoch selbst denjenigen Aufgaben, durch die die mitgliedstaatliche Umsetzung der Richtlinien unterstützt werden sollen, eine hinreichende Angleichungsfunktion, sodass die potenziellen Harmonisierungsbeiträge der ENISA-VO nicht ausreichten.117 Ihren Schlussanträgen legte Kokott damit keine isolierte Betrachtung von Errichtung und Befugniszuweisungen zugrunde, sondern eine Gesamtschau des Zwecks, den sie mit dem zugewiesenen Aufgabenkatalog gleichsetzte.

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Ebd., Rn. 45. Ebd., Rn. 47–55. 114 Auf den fehlenden Zusammenhang wies GA Kokott in ihren Schlussanträgen vom 22.9.2005 hin, Rs. C-217/04, Rn. 30; vgl. Art. 3 lit. c, e, i ENISA-VO. 115 GA Kokott, Schlussanträge vom 22.9.2005, Rs. C-217/04, Rn. 26. 116 Ebd., Rn. 27. 117 Ebd., Rn. 33. 113

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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b) Bezug zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bei präventiver Angleichung Damit sah es die Generalanwältin jedenfalls hinsichtlich der Errichtung als möglich an, etwas auf der Grundlage der Binnenmarktklausel zu schaffen, das nicht durch den gleichzeitigen Erlass identischer Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten erreicht werden könnte. Dennoch hielt Kokott die Prüfung dieser vom Vereinigten Königreich vorgetragenen Entsprechungshypothese keineswegs für generell entbehrlich. Vielmehr fehle es einer Maßnahme, deren „wesentliches Charakteristikum“ die „Schaffung von etwas Neuem“ sei, allgemein an dem notwendigen Bezug zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen.118 Eine Ausnahme bestehe für Nebenbestimmungen und der Durchführung dienende Vorschriften, aber auch für solche Maßnahmen, die als „vorbeugende Harmonisierung im Vorgriff auf zu erwartende innerstaatliche Regelungen“ erlassen würden. Hiervon seien „mehrstufige Modelle mit Zwischenschritten“ erfasst, also solche Maßnahmen, die nicht unmittelbar, sondern nur im Ergebnis ihrer Anwendung eine Harmonisierung bewirkten, bspw. Vorgaben für Prozesse im Vorfeld mitgliedstaatlicher Rechtsetzung.119 Was also ein Weniger an Unterschieden durch künftige, zum Zeitpunkt des Erlasses der Harmonisierungsmaßnahme nicht im Einzelnen vorherzusehende Verfahren bewirke, sei – obwohl es als etwas Neues neben das mitgliedstaatliche Recht trete – mit der Angleichung bereits bestehenden Rechts gleichzusetzen. Diese Ausnahme sei im Falle der ENISA angesichts einer großen Ungewissheit des Angleichungserfolgs und eines nur vagen Bezuges zu den eigentlichen Harmonisierungsmaßnahmen jedoch nicht erfüllt.120 c) Abgrenzung von Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV) zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz Beachtenswert an den Schlussanträgen ist die Begründung der vergleichsweise restriktiven Auslegung der Binnenmarktklausel: Das Argument, eine Agenturgründung könne schon allein deshalb keine Angleichungsmaßnahme sein, weil eine gemeinschaftsrechtliche Agentur nicht durch den gleichzeitigen Erlass identischer Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten geschaffen werden könne,121 mag zunächst formalistisch erscheinen. Dem Verständnis von Art. 95 EG als Kompetenznorm für jedwede Maßnahme zur Beseitigung von Binnenmarkthemmnissen hielt Kokott aber auch die Entstehungsgeschichte der Norm entgegen. Die Auslegung dürfe nicht auf eine „allgemeine Kompetenz zur Regelung des Binnenmarktes“ hinauslaufen, die 118 GA Kokott zitierte insofern GA Stix-Hackl (Rs. C-436/03 (Parlament/Rat), Slg.  2005, I-0000, Rn. 96), Schlussanträge vom 22.9.2005, Rs. C-217/04, Rn. 21. 119 Ebd., Rn. 25, mit Verweis auf die Schlussanträge ders. vom 8.9.2005 in der Rs. C-66/04 (Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat), Slg. 2005, I-0000, Rn. 32 f. 120 GA Kokott, Schlussanträge vom 22.9.2005, Rs. C-217/04, Rn. 33 ff. 121 Ebd., Rn. 21.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

bis dato nicht nur durch den EuGH, sondern im Rahmen der Verhandlungen zur Einheitlichen Europäischen Akte auch von Seiten der Mitgliedstaaten abgelehnt worden war. So war insbesondere ein entsprechender Vorschlag der Kommission nicht übernommen worden.122 Aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ergebe sich zudem, dass weder die geringere Eingriffsintensität noch eine möglicherweise überlegene Sinnhaftigkeit von Unterstützungsmaßnahmen im Vergleich zu vollwertigen Angleichungsmaßnahmen eine andere Beurteilung rechtfertigten.123 Tatsächlich erscheint die Annahme eines gerichtlich nicht voll überprüfbaren Ermessensspielraums des Unionsgesetzgebers hinsichtlich der Angleichungstechnik mit Blick auf die Abgrenzung zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz problematisch. Ein solcher Spielraum mag in Bereichen technischer Komplexität mit Rücksicht auf die Grenzen gerichtlicher Expertise geboten erscheinen. Mit ihm einher geht aber eine deutliche Aufweichung des Grundsatzes der objektiven Kontrolle der für die Wahl der Rechtsgrundlage ausschlaggebenden Gründe. So stößt die Vagheit des Kriteriums der technischen Komplexität in der Literatur auf Bedenken, der Gerichtshof lasse dem Unionsgesetzgeber in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung künftig weitgehend freie Hand.124 Diese Bedenken werden dadurch verstärkt, dass sich der Gerichtshof die Annahmen der Gesetzgebungsorgane bei seiner Subsumtion weitgehend unverändert zu eigen macht.125 d) Erlass rechtsverbindlicher Entscheidungen Eine grundlegende Aussage scheint das Urteil in Bezug auf die Qualität von Agenturmaßnahmen zu treffen. Schließlich konstatiert der EuGH, Art. 95 EG sei eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Schaffung solcher Gemeinschafts­ einrichtungen, „deren Aufgabe es ist, in Situationen, in denen der Erlass von nicht zwingenden Begleit- und Rahmenmaßnahmen [engl. non-binding supporting and framework measures; franz. mesures d’accompagnement et d’encadrement non contraignantes] zur Erleichterung der einheitlichen Durchführung und Anwendung von auf Art. 95 EG gestützten Rechtsakten geeignet erscheint, zur Verwirklichung des Harmonisierungsprozesses beizutragen“126. Es stellt sich die Frage, ob der Gerichtshof die Reichweite der Kompetenznorm für Befugniszuweisungen an Agenturen mit der Formel der „nicht zwingenden Begleit- und Rahmenmaßnahmen“ abschließend bestimmen wollte. Hiergegen spricht, dass im Folgenden eine Prüfung des Merkmals „nicht zwingend“ ausbleibt.127 Allerdings ist die 122

Ebd., Rn. 41. Ebd., Rn. 38 f. 124 S. U. Hansmann, DVBl. 2006, S. 835, 838 f.; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 613. 125 S. EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 46–66. 126 Ebd., Rn. 44. 127 Th. Pötzsch, in: Baum et al. (Hrsg.), FS Klaus J Hopt, S. 2367, 2372. Im Ergebnis ebenso P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 70, der in den Ausführungen sogar ein Argument für die Zulässigkeit derartiger Maßnahmen sieht. 123

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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ENISA nicht zu rechtsverbindlichen Entscheidungen befugt, sodass sich die Prüfung nicht auf das Ergebnis ausgewirkt hätte. Dem ENISA-Urteil kann mithin durchaus ein Verbot der Stützung von Agenturbefugnissen zu rechtsverbindlichen Maßnahmen auf die Binnenmarktklausel entnommen werden. Diese Aussage ist mittlerweile allerdings ohne Belang, da sie der Gerichtshof in seiner sogleich darzustellenden Leerverkaufsentscheidung revidiert hat. e) Agenturisierung als implied power von Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV) Kryptisch bleibt das Urteil in Bezug auf die Frage, ob die ENISA auf den ausdrücklichen Gehalt von Art. 95 EG oder nicht vielmehr auf eine der Norm zu entnehmende ungeschriebene Kompetenz gestützt werden konnte.128 Vordergründig lässt der EuGH keinen Zweifel daran, dass die Vertragsnorm selbst die Rechtsgrundlage bildet, wenn er prüft, „ob also die Schaffung der Agentur sowie die dieser durch die Verordnung zugewiesenen Ziele und Aufgaben als ‚Maßnahmen zur Angleichung‘ im Sinne von Art. 95 EG angesehen werden können“129. Dasselbe gilt für die Feststellung, „dass die Verordnung zu Recht auf Art. 95 EG gestützt ist“130. Im Gegensatz zu Entscheidungen, in denen der Gerichtshof ungeschriebene Kompetenzen anerkannt hat, bleibt zudem die Wendung von der „vernünftigen und zweckmäßigen Weise der Anwendung“131 ungenutzt. Diese Sicht wird durch die Betonung des Ermessensspielraums unterstützt, da ein solcher bei einer ungeschriebenen Kompetenz überflüssig wäre.132 Gleichwohl relativiert der EuGH seine Maßstäbe durch die Prüfung, „ob die Aufgaben der Agentur die Durchführung der Gemeinschaftsbestimmungen  […] begleiten und sich in diesen Rahmen einfügen“133. Das lässt vor allem deshalb hellhörig werden, weil im Vorfeld des Urteils durch das Schrifttum ein ungeschriebener Gehalt der Binnenmarktklausel für Agenturisierungen diskutiert wurde.134 Als Indiz für eine implied power kann zudem der Ansatz der Gesamtschau von Rahmen-RL und ENISA-VO angesehen werden. Hier scheint der EuGH Letztere als qualitatives Minus und damit als Annex einzuordnen.135 128 K. Gutman, Columbia Journal of European Law 13 (2006), S. 147, 176 f.; U. Hansmann, DVBl. 2006, S. 835, 839; T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 125; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 613. 129 U. Hansmann, DVBl. 2006, S. 835, 839; vgl. EuGH, Rs. C-217/04, Slg.  2006, I-3771, Rn. 59. 130 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 67. 131 S. hierzu u. C. IV. 132 U. Hansmann, DVBl. 2006, S. 835, 839. 133 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 59. 134 Ähnlich U.  Hansmann, DVBl. 2006, S.  835, 839; zur Diskussion der Implied-PowersDoktrin vgl. u. C. IV. 135 U.  Hansmann, DVBl. 2006, S.  835, 840. Eine Annexkompetenz erkennt darin wohl N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 160; eine große

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

II. Die Leerverkaufsentscheidung Knappe acht Jahre später bekräftigte der EuGH die in der ENISA-Entscheidung vertretene organisationsrechtliche Dimension der Binnenmarktklausel – nunmehr Art. 114 AEUV.136 Die Wahl der Rechtsgrundlage bildet in der Rechtssache C-270/12 betreffend die Rechtmäßigkeit von Befugnissen der ESMA im Zusammenhang mit Leerverkäufen zwar nur einen von vier Klagegründen. Das Urteil in dieser Hinsicht als bloße Bestätigung der ENISA-Rechtsprechung zu verstehen, missachtete jedoch die erheblichen Unterschiede beider Sachverhalte: Während die ENISA mit lediglich informatorischen Befugnissen ausgestattet wurde, handelt es sich bei der ESMA um eine Agentur mit der Kompetenz zu rechtsverbindlichen Entscheidungen.137 Vor allem angesichts der Befugnis, Privatsubjekte auf der Grundlage unbestimmter Rechtsbegriffe verbindlich zu adressieren, stellt der Fall für den zulässigen Umfang von Attributionen eine Zuspitzung dar, in deren Ausgang man eine deutliche Abkehr von der Meroni-Doktrin sehen mag.138 Denn auch für diesen ungleichen Zwilling der ENISA wies der Gerichtshof eine Nichtigkeitsklage des Vereinigten Königreichs  – wiederum entgegen dem Votum des Generalanwalts – ab. Die Klage zielte dabei nicht auf den Errichtungsakt selbst, sondern auf Art. 28 LeerverkaufsVO, eine spezielle Befugniszuweisung in einer separaten Verordnung. Die Billigung der Rechtsgrundlagenwahl gewinnt vor dem Hintergrund an Brisanz, dass das Vereinigte Königreich der LeerverkaufsVO im Rat nicht zugestimmt hatte, der Rechtsakt bei einer Abstützung auf Art. 352 AEUV aller Voraussicht nach also gescheitert wäre.139 Begreift man die Leitsätze des EuGH als Axiome, lässt sich in der Leerverkaufsentscheidung tatsächlich ein gewisser Endpunkt der Diskussion um eine Einhegung des Agenturwesens sehen. Die an entscheidenden Stellen konzeptlose Begründung und erhebliche Tragweite lassen es dagegen geboten erscheinen, dieses auch in der Literatur verbreitet kritisch aufgenommene140 Judikat zu hinter­fragen.

Nähe zu Annexkompetenzen erkennend K. Michel, DÖV 2011, S. 728, 729; vgl. Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 194. 136 Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349. 137 Zur Andersartig von ENISA und EBA, deren Kompetenzen denen der ESMA aus ihrem Gründungsrechtsakt entsprechen, vgl. T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 103 ff. 138 Vgl. J. Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S. 451, 472 ff.: M. Scholten/M. van Rijsbergen, German Law Journal 15 (2014), S. 1223, 1250 f. 139 R. van Gestel, MJ 2014, S. 188. 140 Vgl. J. Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S. 451–492; P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 64, 78; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 196; N. Kohtamäki, EuR 2014, S. 321, 328; M. Scholten/M. van Rijsbergen, German Law Journal 15 (2014), S. 1223–1255; N. Sölter, HRN 2014, S. 105–111.

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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1. ESMA- und LeerverkaufsVO im Kontext des ESFS Die ESMA ist ein Kind der durch die US-Immobilienkrise im Jahr 2007 ausgelösten globalen Finanzmarktkrise. Zur Eindämmung akuter Fehlentwicklungen und Prävention künftiger Krisen suchte die Union durch ein Bündel an institutionellen und materiellen Reformen die Regulierung des europäischen Finanzmarktes auf neue Beine zu stellen. Den mikroprudentiellen – also die Aufsicht einzelner Institute betreffenden – Teil des neu geschaffenen Europäischen Systems der Finanzaufsicht (European System of Financial Supervision, ESFS)141 bilden drei für einzelne Bereiche des Finanzmarkts geschaffene Regulierungsagenturen, die ESA. Zu ihnen zählen die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European ­Banking Author­ ity, EBA)142 sowie die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pen­ sions Authority, EIOPA)143. Der ESMA, die durch die VO (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010144 (ESMA-VO) errichtet wurde, kommen verschiedene Aufgaben der Wertpapier- und Marktaufsicht zu. Die Heranziehung von Art. 114 AEUV für die Gründungsverordnungen aller drei ESA sah sich ob der bereits darin festgelegten weitreichenden Befugnisse von Beginn an Bedenken ausgesetzt. So wurden im Rahmen der Verhandlungen diesbezüglich Prüfvorbehalte angemeldet.145 Beachtlich ist, dass der Unionsgesetzgeber anders als in den ebenfalls auf Art. 114 AEUV gestützten „Post-ENISA-Agenturen“ ECHA und ACER im Falle der ESA ausdrücklich auf das ENISA-Urteil Bezug nahm. Die kompetenziellen Unterschiede fanden dabei keine Erwähnung.146 Einer der wichtigsten Bausteine der reformierten Finanzmarktaufsicht ist die LeerverkaufsVO. Durch sie soll dem Handel mit bestimmten, in Krisensituationen die Instabilität der Finanzmärkte verschärfenden Finanzprodukten Schranken gesetzt werden.147 Dazu zählen insbesondere Leerverkäufe.148 Der LeerverkaufsVO 141 Einen guten Überblick über die Strukturen und Rechtsprobleme des ESFS geben J. A. Kämmerer, NVwZ 2011, S. 1281 ff., und Ch. Waldhoff/P. Dieterich, EWS 2013, S. 72 ff.; s. ferner M. Lehmann/C. Manger-Nestler, EuZW 2010, S. 87 ff.; umfassend N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, zur neuen institutionellen Struktur s. S. 115 ff.; zum Geltungsbereich, zu alternativen Modellen und Rechtsgrundlagen (insb. zu den Grenzen einer Übertragung im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit) s. M. Herdegen, WM 2012, S. 1889 ff. 142 Errichtet durch VO (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010, ABl. EU 2010 L 331/12. 143 Errichtet durch VO (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010, ABl. EU 2010 L 331/48. 144 ABl. EU 2010 L 331/84. 145 Th. Pötzsch, in: Baum et al. (Hrsg.), FS Klaus J. Hopt, S. 2367, 2370. 146 S. Erwägungsgrund 17 der ESA-Verordnungen, P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 72. 147 Zur Einordnung in den weiteren Rahmen materiell-rechtlicher Neuerungen der Finanzmarktregulierung s. M. Parmentier, EuZW 2014, S. 50 ff. 148 Die verschiedenen Finanzprodukte definiert Art. 2 LeerverkaufsVO. Gem. dessen lit. b bezeichnet der Begriff „‚Leerverkauf‘ im Zusammenhang mit Aktien oder Schuldinstrumenten,

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

waren uneinheitlich und teils zeitlich beschränkt Verbote und Auflagen von Seiten der Mitgliedstaaten vorausgegangen. In Deutschland etwa wurden gewisse Leerverkäufe durch das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte149 verboten und Ermächtigungsgrundlagen für weitere Verbote durch das Bundesfinanzministerium und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geschaffen. In Frankreich untersagte die Autorité des mar­ chés financiers (AMF) kurzzeitig den Handel mit Leerverkäufen mit Bezug zum französischen Kapitalmarkt,150 während die britische Financial Services Author­ ity (FSA) lediglich Offenlegungspflichten151 einführte.152 Die LeerverkaufsVO soll derart unkoordinierte Regulierungen nunmehr in einheitliche Bahnen lenken. Hierbei spielt die ESMA eine entscheidende Rolle: Für die Anwendung der durch die LeerverkaufsVO vorgesehenen Instrumente, etwa der Anordnung von Melde- und Offenlegungspflichten oder der befristeten Beschränkung von Leerverkäufen, sind zwar gem. Art.  18 ff. LeerverkaufsVO die jeweiligen nationalen Behörden zuständig. Dabei haben sie die ESMA allerdings nicht nur über sämtliche Maßnahmen zu unterrichten (Art. 26 LeerverkaufsVO), sondern unterliegen auch ihrer Koordinierung. Die Koordinierungsfunktion erfüllt die ESMA zunächst durch einen Mechanismus gegenseitiger Stellungnahmen. Diese erfolgen im Falle abweichender Auffassungen über die Zulänglichkeit von Maßnahmen der mitgliedstaatlichen Behörden, wobei die streitigen mitgliedstaatlichen Maßnahmen automatisch einer Befristung unterliegen (Art. 27 LeerverkaufsVO).

die sich zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung nicht im Eigentum des Verkäufers befinden, einschließlich eines Verkaufs, bei dem der Verkäufer zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung die Aktien oder Schuldinstrumente geliehen hat oder eine Vereinbarung getroffen hat, diese zu leihen, um sie bei der Abwicklung zu liefern […]“. Einen guten Überblick über die durchaus kontroverse Diskussion zur Rolle der Leerverkäufe in der Finanzmarktkrise geben A. Horovitz/M. Schütte/B. Hendricks/S. Müller/M. Otte, „Ist ein Verbot von Wertpapier-Leerverkäufen bzw. ungedeckten Credit Default Swaps sinnvoll?“, ifo Schnelldienst 63 (13), 2010, S. 3–18, abrufbar unter http://www.cesifo-group.de/ifoHome/publications/ journals/ifo-Schnelldienst/Archiv/sd2010.html (29.2.2016). 149 BGBl. 2010, Teil 1 Nr. 38, S. 945. 150 S. das Communiqué der AMF „Ventes à découvert: Interdiction des transactions non sécurisées et transparence des positions courtes sur titres du secteur financier“ vom 20.9.2008, abrufbar unter: http://www.amf-france.org/Actualites/Communiques-de-presse/AMF/annee_2008. html?docId=workspace%3A%2F%2FSpacesStore%2Ff7cfed3d-bd1c-4c0d-ac0b-eae80bf29 dab&langSwitch=true (29.2.2016). 151 S. die Mitteilung der FSA „Extension of the short selling disclosure obligation“ 09/10 vom 26.6.2010, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/pubs/policy/ps09_10.pdf (29.2.2016). 152 Zum Überblick über die verschiedenen mitgliedstaatlichen Regulierungen s. ESMA, Dokument v. 24.7.2012, Update on Measures Adopted by Competent Authorities on Short Sellings, ESMA/2011/39a.

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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2. Art. 28 LeerverkaufsVO Den Streitgegenstand bildete nicht dieses abgestufte Verfahren in seiner Gesamtheit, sondern dessen letzte Stufe, die Eingriffsbefugnisse gem. Art. 28 LeerverkaufsVO153. Danach kann die ESMA selbst Privatsubjekte zur Meldung und Offenlegung von Leerverkäufen verpflichten (Abs. 1 lit. a) sowie Verbote und Bedingungen für den Handel mit solchen Finanzprodukten aussprechen, deren Wirkung darin besteht, dass der Adressat im Falle eines Kurs- oder Wertverlustes eines anderen Finanzinstruments einen finanziellen Vorteil erzielt (Abs. 1 lit. b). Gem. Art.  28 Abs.  2 LeerverkaufsVO sind derartige Maßnahmen allerdings nur dann zulässig, wenn die in Rede stehenden Finanzprodukte die ordnungsgemäße Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union bedrohen und die Auswirkungen grenzübergreifend sind (lit. a). Zudem darf keine mitgliedstaatliche Behörde Maßnahmen ergriffen haben, um der Bedrohung zu begegnen, bzw. getroffene Maßnahmen der mitgliedstaatlichen Behörden dürfen der Bedrohung nicht in angemessener Weise gerecht werden (lit.  b). Anforderungen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit – etwa die Vermeidung einer Aufsichtsarbitrage – werden in Abs. 3 spezifiziert. Die Handlungen der ESMA gem. Art. 28 LeerverkaufsVO sind auf drei Monate befristet, wobei die Möglichkeit zu einer Verlängerung besteht (Abs. 10). Ferner sind sie an Konsultations-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gekoppelt (Abs. 4 ff.). Für die Beurteilung der Wahl der Rechtsgrundlage erscheint vor allem die Tatsache erheblich, dass eine auf Art. 28 LeerverkaufsVO gestützte Maßnahme Vorrang vor allen etwaigen früheren Maßnahmen der mitgliedstaatlichen Behörden genießt (Abs. 11). 3. Zulässigkeit hinsichtlich der Meroni-Rechtsprechung Zwar lassen sich für den Qualitätssprung von informatorisch-unterstützend tätigen Agenturen hin zu Einrichtungen mit Entscheidungskompetenzen ältere Beispiele benennen,154 doch veranschaulicht Art.  28 LeerverkaufsVO besonders deutlich, dass sich die Aufgaben europäischer Agenturen mittlerweile auf die klassische Eingriffsverwaltung erstrecken. Die ESMA begleitet danach nicht etwa Entscheidungsprozesse dritter Stellen. Vielmehr adressiert sie selbst Privatsubjekte

153 Auf die Norm verweist der Aufgabenkatalog des Errichtungsaktes durch Art.  9 Abs.  5 i. V. m. Art. 1 Abs. 2 ESMA-VO. 154 Hierzu zählen z. B. die Europäische Chemikalienagentur, die Europäische Arzneimittelagentur, das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum, das Gemeinschaftliche Sortenamt oder die Europäische Agentur für Flugsicherheit (s. Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 81).

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

mit imperativen Maßnahmen von potenziell weitreichenden Konsequenzen und bindet dabei zugleich die mitgliedstaatlichen Behörden.155 In anderem Zusammenhang bejahte der EuGH in der vorliegenden Entscheidung zudem, dass Art.  28 LeerverkaufsVO in „eng umgrenzten Fällen“ den Erlass von Rechtsakten mit allgemeiner Geltung gegenüber natürlichen oder juristischen Personen gestatte.156 Die Rüge des Vereinigten Königreichs, dies verletze das im Romano-Urteil aufgestellte Verbot entsprechender Rechtsakte, verwirft der Gerichtshof – wie vorstehend beschrieben – unter Verweis auf Art. 263 Abs. 1, Art. 277 AEUV durch die gänzliche Aufgabe dieses Verbots.157 Es lag nahe, durch Art.  28 LeerverkaufsVO die Grenzen des „weiten Ermessens“ und der „ausgesprochenen Wirtschaftspolitik“ i. S. d. Meroni-Rechtsprechung als überschritten anzusehen.158 So erscheinen die in Abs.  2 verwendeten Formulierungen von einer „Bedrohung der ordnungsgemäßen Funktionsweise und Integrität der Finanzmärkte“, der „Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union“ sowie der Angemessenheit mitgliedstaatlicher Maßnahmen nicht zuletzt deshalb überaus subjektiv, weil sie voraussetzen, dass die mitgliedstaatlichen Stellen bei ihrer Beurteilung zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind.159 Gleiches gilt für die Konkretisierung der Verhältnismäßigkeit in Abs. 3, wenn die ESMA etwa die Beeinträchtigung der „Effizienz der Finanzmärkte“ mit dem „Nutzen der Maßnahme“ abwägen soll.160 Zwar mögen sich die Befugnisse der ESMA auf einen sehr speziellen Bereich der Finanzwirtschaft beziehen. Für die Beurteilung als „ausgesprochene Wirtschaftspolitik“ erscheint es indes angebracht, neben der Weite des regulierten Bereichs auch die Tragweite einzelner Regulierungsmaßnahmen als entscheidend anzusehen. Die der ESMA zur Verfügung stehenden Instrumente können in angespannten Marktsituationen ganz erhebliche Auswirkungen für die Finanzmärkte zeitigen, was für eine „ausgesprochene Wirtschaftspolitik“ spricht.161 Für den EuGH bewegt sich der Rechtsakt dagegen im zulässigen Rahmen. Irri­ tierend ist der erste Ansatz der Begründung: Zunächst verweist der Gerichtshof auf die privatrechtliche Natur der Brüsseler Organe der Meroni-Konstellation, um dessen ungeachtet im Anschluss Art. 28 LeerverkaufsVO auf die Voraussetzungen jener Rechtsprechung zu überprüfen.162 Der Hinweis auf die Unterschiede 155 In dieser doppelten Bindungswirkung sieht M. Busuioc einen Unterschied der ESA zu allen vorangegangenen Regulierungsagenturen, dies., ELJ 2013, S. 111, 112. Eine weitere Spezifik bilden die Kompetenzen im Verfahren um den Erlass von delegierten Rechtsakten (Art. 290 AEUV) und Durchführungsrechtsakten (Art. 291 AEUV) durch die Kommission, vgl. u. 4. 156 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 64. 157 Ebd., Rn. 65 f.; s. hierzu o. 1. Teil D. V. 158 So das Vereinigte Königreich in seinem ersten Klagegrund, EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 27 ff. 159 So das Vereinigte Königreich ebd., Rn. 28. 160 So das Vereinigte Königreich ebd., Rn. 31 f. 161 So das Vereinigte Königreich ebd., Rn. 31, 33. 162 Ebd., Rn. 43 ff.

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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der streitigen Einrichtungen beider Fälle ist jedoch nicht als Verneinung der Anwendbarkeit der Meroni-Kriterien zu verstehen. Mit ihrer ausdrücklichen Prüfung dürfte der EuGH eher den verbreiteten und auch in den Schlussanträgen von Generalanwalt Jääskinen deutlich gewordenen Zweifeln an der Übertragbarkeit auf Agenturen begegnen.163 Eine – demnach auch für Agenturen unzulässige – Übertragung von Ermessensentscheidungen sei angesichts der kumulativen Voraussetzungen für Maßnahmen der ESMA indes nicht gegeben.164 Dass die ESMA lediglich „Tatsachenbeurteilungen technischer Art“ vorzunehmen habe, zeige insbesondere Art. 24 der VO EU Nr. 918/2012165, ein delegierter Rechtsakt, mit dem die Kommission die in Art. 28 Abs. 2 LeerverkaufsVO aufgeführten Voraussetzungen näher konkretisiert hat.166 Dieses Ergebnis erscheint wenig überzeugend. Ein unbestimmter Rechtsbegriff ist noch nicht deshalb besser zu überprüfen, weil er in weitere, vergleichbar ­unbestimmte Rechtsbegriffe zerfällt.167 So ist die Umschreibung „drohende schwere finanzielle, monetäre oder budgetäre Instabilität eines Mitgliedstaat oder des Finanzsystems eines Mitgliedstaats“ durch den delegierten Rechtsakt kaum mehr als eine Anreicherung der in Art. 28 Abs. 2 LeerverkaufsVO genannten Voraussetzungen um ebenso auslegungsbedürftige Attribute.168 Die Konkretisierung dürfte nach der Meroni-Rechtsprechung überdies bereits deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die objektiven Tatbestandsmerkmale danach in dem Übertragungsakt der übertragenden Behörde selbst festgelegt werden müssen, eine Festlegung durch dritte Stellen  – etwa durch die Kommission im Wege eines delegierten Rechtsakts  – dagegen nicht genügt.169 Dass die ESMA vor Erlass den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board,

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M. Skowron, EuZW 2014, S. 349, 350; im Ergebnis auch N. Kohtamäki, EuR 2014, S. 321, 328. Jääskinen hatte zwar eine Relevanz der Meroni-Entscheidungen auch für Regulierungsagenturen festgestellt, diese aber insbesondere hinsichtlich der durch den Vertrag von Lissabon eingeführten Rechtsschutzvorschriften relativiert, vgl. ders., GA  Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 68–88. 164 Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 48. 165 Delegierte VO (EU) Nr. 918/2012 der Kommission vom 5.7.2012 zur Ergänzung der VO (EU) Nr.  236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps im Hinblick auf Begriffsbestimmungen, die Berechnung von Netto-Leerverkaufspositionen, gedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel, Meldeschwellen, Liquiditätsschwellen für die vorübergehende Aufhebung von Beschränkungen, signifikante Wertminderungen bei Finanzinstrumenten und ungünstige Ereignisse; erlassen auf der Grundlage von Art. 30 i. V. m. Art. 42 LeerverkaufsVO. 166 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 52. 167 M. Skowron, EuZW 2014, S. 349, 351. Der Rat hielt der Nichtigkeitsklage entgegen, ein Ermessen bestehe für die ESMA schon deshalb nicht, weil sie unter bestimmten Umständen (Bedrohung für die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder der Stabilität des Finanzsystems der Union) dazu verpflichtet sei, die fraglichen Maßnahmen zu ergreifen, EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 37. 168 M. Skowron, EuZW 2014, S. 349, 351 f. 169 Ebd., S. 352.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

ESRB)170 und nur gegebenen­falls andere zuständige Behörden konsultiert,171 gebietet keine abweichende Verortung der Verantwortlichkeit.172 Schließlich begründet diese Konsultationspflicht keine Mitentscheidungsrechte dritter Stellen, sodass selbst im Falle abweichender Auffassungen ein politisches Ermessen bei der ESMA verbleibt.173 Hier wird das Dilemma der Grenze vom weiten Ermessen deutlich, das sich vor allem aus dem Bezug zur ENISA-Rechtsprechung ergibt: Nach dieser besteht ein Ermessen des Unionsgesetzgebers zu Agenturgründungen zwecks Angleichung insbesondere in solchen Bereichen, die „durch komplexe technische Besonder­ heiten gekennzeichnet sind“.174 Dort entziehen sich Entscheidungen schon aufgrund fehlender gerichtlicher Expertise weitgehend einer objektiven Kontrolle. Schließlich besteht in der Komplexität gerade die konzeptionelle Begründung, mit der der EuGH einen dekonzentrierten Vollzug als vom legislativen Ermessen erfasst ansieht. Dann aber bildet es einen Widerspruch, die Entscheidungen entsprechender Stellen zugleich als gerichtlich überprüfbare „Tatsachenbeurteilung technischer Art“175 zu bezeichnen.176 Wären sie es, bestünde kein Grund, die übliche Aufgabenteilung von Informationsbeschaffung (Agentur) und Entscheidung (Kommission) aufzugeben. 170 Errichtet durch die VO (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB-VO); auch EU-Systemrisiko-Rat genannt; dabei handelt es sich um einen bei der EZB angesiedelten Ausschuss der Europäischen Union, der über keine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt und mit den Aufgaben der Früherkennung, Prävention und Bekämpfung von systemischen Risiken des Finanzmarktes einen integralen Bestandteil des ESFS bildet. Der ESRB soll insbesondere ein abgestimmtes Handeln der ESA gewährleisten, s. Art. 3 Abs. 2 lit. e und g ESRB-VO. 171 Art. 28 Abs. 4 LeerverkaufsVO. 172 So aber wohl der EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 50 ff. 173 Ähnlich P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 77 f.; im Ergebnis auch N. Kohtamäki, EuR 2014, S. 321, 328; M. Skowron, EuZW 2014, S. 349, 351. 174 S. Fn. 107. 175 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 52. 176 Im Ergebnis ebenfalls ablehnend N. Kohtamäki, EuR 2014, S. 321, 328. M. Busuioc bezieht ihre Feststellung, die Grenzen der Meroni-Rechtsprechung seien lediglich bis an ein Maximum gedehnt worden, allein auf die (nicht streitgegenständliche) Rolle der ESMA hinsichtlich des Erlasses delegierter Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte durch die Kommission (Art. 10 ff. ESMA-VO). Nur dort bleibe die Kommission der „ultimate decision-maker“. Gleichwohl sieht Busuioc auch in diesem Zusammenhang die Gefahr einer faktischen Verantwortungsverlagerung durch eine nicht zu leistende Überprüfbarkeit, dies., ELJ 2013, S. 111, 123. Das (dem US-amerikanischen Modell der regulatory agencies entspringende) „get-tech­ nology-out-of-politics theme“ im Zusammenhang von Kommission und Agenturen grundsätzlich für absurd hält M. Shapiro, da sich bereits die Kommission selbst als technokratisches Organ in Abgrenzung zu dem politischen Organ Rat legitimiert, hier somit das Technische von dem Technischen separiert werde, ders., Journal of European Public Policy 4 (1997), S. 276, 281 f. Dies manifestiert sich auch in der mittlerweile teilrechtlichen Qualität der Stellungnahmen von Sachverständigenausschüssen der Kommission, vgl. M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 621–623.

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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Diese Widersprüchlichkeit unterstreicht das Schräder-Urteil des EuG aus dem Jahr 2008, dem eine Nichtigkeitsklage gegen die Verwehrung von Sortenschutz durch das Gemeinschaftliche Sortenamt zugrunde lag.177 Dort erkennt das Gericht bei „komplexen Prüfungen“ einen Spielraum des Gemeinschaftlichen Sorten­ amts an.178 So dürfe der Gemeinschaftsrichter „die wirtschaftliche oder technische Beurteilung seitens der Verwaltung nicht durch seine eigene ersetzen“.179 Somit wird die ständige Rechtsprechung zur eingeschränkten Justiziabilität behördlicher Sachverhaltsbeurteilungen180 auf das Tätigkeitsfeld der Agenturen erstreckt.181 Grundsätzlich stellt zudem Art. 261 AEUV klar, dass dem Gerichtshof die Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung in den jeweiligen sekundärrechtlichen Zuweisungen von Befugnissen zu „Zwangsmaßnahmen“ erst übertragen werden muss, ihm eine solche Kontrolle andernfalls damit nicht zusteht.182 Das im Leerverkaufs-Urteil bemühte Narrativ von politischer Kommission und rein wissenschaftlich agierenden Agenturen lässt sich allgemein schon dort hinterfragen, wo Agenturen lediglich informatorische und unterstützende Tätigkeiten ausüben. Denn neben der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und der Ermessensausübung besteht vor allem bei der Gewichtung von Erkenntnissen und dem agenda setting im Rahmen eigener Projekte regelmäßig ein breiter Spielraum. Dem entspricht ein näherer Blick auf die internen Strukturen bspw. der Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA): Dort verpflichten sich die Mitglieder des Verwaltungsrats, des Beirats sowie der geschäftsführende Direktor nicht etwa – wie die wissenschaftlichen Gremien der EFSA – nur zu einer von „jedem äußeren Einfluss“ unabhängigen Amtsführung183, sondern zu einem unabhängigen Handeln im öffentlichen Interesse.184 Nach dem gesetzgeberischen Verständnis hat das Führungspersonal die Agentur also keineswegs als einen „Automaten“ zu begreifen, der gleichsam abgeschirmt von der öffentlichen Debatte Dienste erbringt. Vielmehr sind auch Agenturen politischen Konflikten und komplexen Abwägungsprozessen ausgesetzt, die Wertungen jenseits der Empirie erfordern.185 177 K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 130 („Spannungsverhältnis“ zur Meroni-Rechtsprechung). 178 EuG, Rs. T-187/06, Slg. 2008, II-03151, Rn. 59 ff. 179 Ebd., Rn.  61 f.; vgl. auch EuGH, C-525/04 P (Spanien/Lenzing), Slg.  2007, I-9947, Rn. 57; EuG, Rs. T-201/04 (Microsoft/Kommission), Slg. 2007, II-3601, Rn. 88. 180 S. EuGH, verb. Rs. 56/64 und 58/64 (Consten und Grundig/Kommission), Slg. 1966, Rn. 429; Rs. 55/75 (Balkan-Import-Export), Slg. 1976, 19, Rn. 8; Rs. 9/82 (Øhrgaard und Delvaux/Kommission), Slg. 1983, 2379, Rn. 14; Rs. C-225/91 (Matra/Kommission), Slg. 1993, I-3203, Rn. 24 f.; Rs. C-157/96 (National Farmers’ Union u. a.), Slg. 1998, I-2211, Rn. 39. 181 K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 130. 182 Ch.  Görisch, Jura 2012, S.  42, 49; K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EUAgenturen, S. 131. 183 S. Art. 37 Abs. 2 VO (EG) 178/2002 des EP und des Rates, ABl. EU 2002 L 31/1. 184 S. Art. 37 Abs. 1 ebd. 185 M. Everson/Ch. Joerges, Re-conceptualising Europeanisation as a public law of collisions: comitology, agencies and an interactive public adjudication, in: Hofmann/Türk (Hrsg.), EU Administrative Governance, S. 529 f.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Es besteht ein rechtlich schwer zu fassender Graubereich, von dem einzig gebundene Entscheidungen ohne Zweifel auszunehmen sind  – so die Zulassung einer Chemikalienregistrierung nach Überprüfung des Antrags auf Vollständigkeit durch die ECHA. Maßnahmen letzterer Kategorie bilden, wie aufgezeigt,186 allerdings die Ausnahme. Der EuGH hat sich für das andere Extrem entschieden: Die Unzulässigkeit politischen Ermessens vermag nur noch solche Befugnisse auszuschließen, die evident politischen Charakters sind, die also offensichtlich „leithafte, einzelfallübergreifende gestalterische Vorstellungen für einen ganzen Politikbereich“ zum Gegenstand haben.187 4. Art. 290 f. AEUV als Attributionsbeschränkung Auf eine bis dato kaum diskutierte Fragestellung machte das Vereinigte Königreich mit dem Klagegrund des Verstoßes gegen Art.  290 f. AEUV aufmerksam: Bilden jene Vorschriften eine abschließende Regelung für delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte? Können entsprechende Befugnisse also nur auf die Kommission bzw. auf den Rat, nicht aber auf sonstige Einrichtungen der Union übertragen werden?188 Versteht man Durchführungsrechtsakte zumindest auch als einzelfallbezogene Entscheidungen, so ist diese Frage jedenfalls für Art. 291 AEUV zu verneinen. Auf den Umstand, dass anderenfalls ein Widerspruch zum nunmehr ausdrücklich für „Einrichtungen und sonstige Stellen“ gewährleisteten Rechtsschutz entstünde, wurde bereits eingegangen.189 Auch der Gerichtshof lehnt einen Umkehrschluss aus Art.  291 AEUV unter Verweis auf Art.  263 Abs.  1 S. 2, Abs. 4, Art. 265 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, Art. 267 Abs. 1 lit. b sowie Art. 277 AEUV ab.190 Ob dies ebenso für Maßnahmen gilt, die den delegierten Rechtsakten nach Art. 290 AEUV entsprechen, erscheint weniger deutlich. Von den genannten Vorschriften zwingt hier nur Art. 277 AEUV zu einem entsprechenden Ergebnis. Der

186

S. o. 1. Teil D. III. 3. So die Formulierung bei P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S.  306; ähnlich D.  Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 109; ebenso einen Rückfall auf Evidenz beobachtend K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 134; D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 279. 188 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 69. 189 S. o. 1. Teil D. V., 2. Teil A. I. 1. 190 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn.  80. Ein Widerspruch zu Art. 267 AEUV ergibt sich zwar noch nicht aus der Norm selbst, da insofern auch eine Auslegung durch eine Einrichtung oder sonstige Stelle in Fällen der Vorbereitung rechtsverbindlicher Entscheidungen von Organen denkbar sind. Aus Art. 277 AEUV ergibt sich jedoch, dass Art. 263 AEUV Rechtsakte auch von Einrichtung und sonstigen Stellen voraussetzt. 187

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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EuGH hat die Chance ungenutzt gelassen, die schwer miteinander zu vereinbarenden vertraglichen Vorgaben durch eigene Leitlinien zu ordnen und ist der Inbezugsetzung von Art.  28 LeerverkaufsVO zu Art.  290 f. AEUV mit der Begründung ausgewichen, die Befugnisse der ESMA entsprächen nicht den delegierten Rechtsakten, weil sie als Teil des Regelwerks zur Finanzmarktaufsicht nicht isoliert betrachtet werden dürften.191 Es stellt sich die Frage, wie Maßnahmen nach Art. 290 f. AEUV frei von Bezügen zu Regelwerken einzelner Politiken sein sollen. In der engen Verknüpfung zum Basisrechtsakt besteht schließlich die eigentliche Konzeption dieser tertiären Handlungsformen, wozu im Übrigen das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip zwingen.192 Weitere Bedenken hinsichtlich Art.  290 f. AEUV ergeben sich im Falle der ESMA  – und angesichts eines identischen Systems gleichermaßen bei den anderen beiden ESA –193 aus den bereits angesprochen Befugnissen zum Setzen von Standards mit Rechtswirkung gegenüber der Kommission.194 Mit ihnen wurden Agenturbefugnisse erstmals ausdrücklich jenen Vertragsnormen zugeordnet.195 Delegierten Rechtsakten gehen im einschlägigen Regelungsbereich gem. Art. 10 ff. ESMA-VO „technische Regulierungsstandards“, Durchführungsrechtsakten gem. Art. 15 ESMA-VO „technische Durchführungsstandards“ von Seiten der ESMA voraus. Bei diesen Standards handelt es sich zwar nur um Entwürfe, die erst mit Billigung der Kommission zu verbindlichen Rechtsakten werden. Angesichts eines nur beschränkten Abänderungs- und Initiativrechts der Kommission kommt der ESMA allerdings die entscheidende Rolle in der Regulierungspraxis zu.196 Außerdem dürfte die Unterscheidung technischer Regelungen von

191 Vgl. ebd., Rn. 83 ff. N. Kohtamäki sieht hierdurch zu Recht die tatsächliche Notwendigkeit der Regelung von Leerverkäufen über den primärrechtlichen Rahmen gestellt, dies., EuR 2014, S. 321, 330. 192 Vgl. zur Durchführung M. Liebmann, Zulässigkeit und Bedeutung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten am Beispiel der Lebensmittelinformationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011, S. 66 f. 193 Für die EBA s. Art.  10 ff., 15 VO (EU) Nr.  1093/2010 des EP und des Rates vom 24.10.2010 zur Errichtung einer Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, ABl. EU L 331/12, für die EIOPA s. Art. 10 ff., 15 VO (EU) Nr. 1094/2010 des EP und des Rates vom 24.10.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, ABl. EU L 331/48. 194 S. N. Kohtamäki, EuR 2014, S. 321, 329 f.; C. Ohler, ZVersWiss 2012, S. 431, 445 f. In diesem Fragenkomplex sieht M. Busuioc auf den zweiten Blick die eigentliche primärrechtliche Brisanz der Finanzmarktaufsicht. Den rule-making powers komme im Vergleich zu den nur in Ausnahmefällen anwendbaren Eingriffsbefugnissen eine größere Folgenschwere zu, dies., ELJ 2013, S. 111, 113; eine gute Übersicht über diese Kompetenzen bietet E. Chiti, ELJ 2013, S. 93 ff.; ähnlich zur EBA N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union (zur neuen institutionellen Struktur s. S. 180 f.). 195 N. Kohtamäki, EuR 2014, S. 321, 329. 196 N.  Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S.  180; G. Baur/M. Boegl sehen hierin eine deutliche Stärkung der Aufsichtsbehörden ggü. der Kommission, dies., BKR 2011, S. 177, 182 f.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

wesentlichen Regelungen – wie schon die bestehenden Komitologieverfahren zeigen – in der Praxis kaum durchzuhalten sein.197 Es erstaunt daher, dass diese Ausgestaltung keiner gerichtlichen Überprüfung zugeführt wurde, zumal ihr in der alltäglichen Finanzmarktaufsicht eine deutlich größere Bedeutung zukommen dürfte als den nur in Ausnahmefällen anwendbaren Eingriffsbefugnissen nach Art.  28 LeerverkaufsVO.198 Auf den Fragenkreis zu Art. 290 f. AEUV wird bei der Betrachtung des umstrittenen Trennungsprinzips und des institutionellen Gleichgewichts noch näher einzugehen sein.199 5. Art. 114 AEUV und die rechtsverbindliche Adressierung von Privatsubjekten a) Schlussanträge von Generalanwalt Jääskinen Generalanwalt Jääskinen bewertete den vierten Nichtigkeitsgrund der Klage des Vereinigten Königreichs, die Untauglichkeit der Binnenmarktklausel als Rechtsgrundlage, zutreffend als im Verhältnis zu den sonstigen Aspekten „logisch vorrangig“ und stellte sie daher den anderen Gründen voran. Die seltene Ausführlichkeit seiner Abwägung gebietet einen näheren Blick auf die Schlussanträge. Der Generalanwalt begann seine Prüfung mit einer Einordnung der ESMA in den weiten Kontext des Agenturmodells und betonte deren herausgehobene kompetenzielle Stellung auch im Verhältnis zu sonstigen Regulierungsagenturen mit Entscheidungsbefugnissen.200 Die eigentliche Errichtung der ESMA erfuhr unter Verweis auf die ENISA-Rechtsprechung folgerichtig keine Beanstandung.201 Ein entscheidendes Differenzierungskriterium sei demgegenüber der Umstand, dass mit der ESMA eine Agentur erstmals anstelle der zuständigen nationalen Behörde verbindliche Entscheidungen gegenüber individuellen Rechtsträgern erlassen könne. Tatsächlich lässt sich eine entsprechende Ersetzungsfunktion bereits bei ACER ausmachen.202 Nach Jääskinen komme Maßnahmen gem. Art. 28 Abs. 11 LeerverkaufsVO jedoch anders als solchen der ACER ausdrücklich Vorrang vor allen etwaigen früheren Maßnahmen einer zuständigen nationalen Behörde zu.203

197

Ebd., S. 183. So bzgl. aller ESA M. Busiuoc, ELJ 2013, S. 111, 113. 199 S. 3. Teil C. I. 1., D. I. 200 GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 19 ff. 201 Ebd., Rn. 34, 53. 202 A. Orator, EuZW 2013, S. 852, 853 (s. Art. 8 Abs. 1 lit. a VO (EG) Nr. 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, ABl. EU 2009 L 211/1). 203 GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 24. 198

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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Dass diese Konstellation ein Novum sei, habe auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung anerkannt.204 Obgleich der Generalanwalt seiner Untersuchung die weite Auslegung des Gerichtshofs nach dem ENISA- und Raucharomen-Urteil zugrundelegte, sah er in Art. 114 AEUV angesichts dieser Andersartigkeit in casu keine taugliche Stütze: Art.  28 LeerverkaufsVO sei keine Maßnahme zur Angleichung mitgliedstaatlicher Vorschriften, sondern eine Verlagerung von Eingriffszuständigkeiten auf die Unionsebene.205 Jääskinen belegte den fehlenden Bezug zum mitgliedstaatlichen Recht mit dem für die Eingriffsbefugnisse vorgesehenen Entscheidungs­prozess und der rechtlichen Qualität der Maßnahmen. So spreche schon die Voraussetzung für ein Tätigwerden der ESMA, dass diese zu einer von der Beurteilung der jeweils zuständigen mitgliedstaatlichen Behörde abweichenden Einschätzung gelangen müsse, für eine Ersetzung mitgliedstaatlicher Maßnahmen, was deren Angleichung ausschließe.206 Ihre Vorrangwirkung lasse die Agenturmaßnahmen im Verhältnis zu Maßnahmen der nationalen Behörden als Aliud erscheinen.207 Zudem grenzte Jääskinen die Befugnisse nach Art. 28 LeerverkaufsVO von jenen Vollzugskompetenzen ab, die der Gerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung als von Art. 114 AEUV umfasst bewertet hatte, etwa die von der Kommission im vorliegenden Rechtsstreit bemühte eigene Kompetenz, die Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten im Umgang mit gefährlichen Produkten zu vereinheitlichen.208 In den streitigen Befugnissen der ESMA sah der Generalanwalt nicht etwa die Erlaubnis zur Entwicklung spezifischer Regelungen für bestimmte Finanzprodukte, sondern zu einem Eingreifen in die Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Finanzmarkt, der in die Zuständigkeit einer mitgliedstaatlichen Behörde falle.209 So erschien es ihm denn auch „schwer vorstellbar“, wie ein Eingriff, der sich in einer Ge- bzw. Verbotswirkung für den jeweiligen Einzelfall erschöpfe, die mitgliedstaatlichen Vorschriften beeinflussen sollte.210 Art. 28 LeerverkaufsVO bilde eher einen „Notfall-Entscheidungsmechanismus auf Unionsebene“, der mitgliedstaatliche Maßnahmen nicht harmonisiere, sondern ersetze.211 Taugliche Rechtsgrundlage für Eingriffskompetenzen wie Art.  28 LeerverkaufsVO sei damit nicht Art.  114 AEUV, sondern Art.  352 AEUV, dessen Voraussetzungen Jääskinen im vorliegenden Fall als erfüllt ansah.212 Die Wahl der 204 Ebd. Der Einwand bei A. Orator ist jedoch insofern berechtigt, als sich entsprechende Befugnisse mit gleicher Vorrangwirkung bereits in den Gründungsverordnungen der ESA finden lassen (s. Art. 19 (Abs. 5) der jeweiligen ESA-VO), vgl. ders., EuZW 2013, S. 852, 853. 205 GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 39. 206 Ebd., Rn. 40. 207 Ebd. 208 Vgl. Art. 13 der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.12.2001 über die allgemeine Produktsicherheit, ABl. EG 2002 L 11/4. 209 GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 45. 210 Ebd., Rn. 50. 211 Ebd., Rn. 51 f. 212 Ebd., Rn. 54 ff.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Vertragsabrundungskompetenz hätte schließlich eine erhöhte demokratische Mitwirkung ermöglicht, die nicht zuletzt deswegen geboten erscheine, als bei der Anwendung der Befugnisse nach Art. 28 LeerverkaufsVO durch den Rat der Aufseher kein Vetorecht bestehe.213 b) Würdigung durch den Gerichtshof Wie schon im ENISA-Urteil widerspricht der Gerichtshof dem mit der Frage befassten Generalanwalt. Mit Art. 28 LeerverkaufsVO galt es für den EuGH erstmals, Art. 114 AEUV auf eine Organisationskompetenz für starke Agenturen zu überprüfen. Das Vereinigte Königreich hatte die Tauglichkeit insofern bestritten, als es in Art. 28 LeerverkaufsVO eine Ermächtigung auch zu Einzelfallbeschlüssen gegenüber natürlichen und juristischen Personen erblickte, was der Gerichtshof (mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift wenig überraschend) ausdrücklich bestätigt.214 Der Gerichtshof beginnt seine Prüfung, indem er an die beiden Voraussetzungen der Kompetenznorm erinnert: die Angleichungswirkung hinsichtlich der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten und den materiellen Bezug zur Errichtung und zum Funktionieren des Binnenmarkts.215 Sodann betont der EuGH unter Verweis auf frühere Judikate wiederum den weiten Ermessensspielraum des Unionsgesetzgebers hinsichtlich der Angleichungstechnik in Bereichen von technischer Komplexität, insbesondere die daraus folgende Möglichkeit von Agenturgründungen. Unter Rückgriff auf das Urteil zur Produktsicherheitsrichtlinie216 führt er aus, „dass es auf bestimmten Gebieten möglich ist, dass die Angleichung nur der allgemeinen Vorschriften nicht ausreicht, um die Einheit des Marktes zu gewährleisten“. Daher sei der Begriff der „Maßnahmen zur Angleichung“ so auszulegen, „dass er auch die Befugnis des Unionsgesetzgebers umfasst, Maßnahmen hinsichtlich eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktkategorie und gegebenenfalls auch Einzelmaßnahmen hinsichtlich dieser Produkte vorzuschreiben“.217 Aus den Erwägungsgründen der LeerverkaufsVO ergebe sich, dass es sich angesichts der verschiedenen mitgliedstaatlichen Reaktionen im Zuge der Finanzmarktkrise tatsächlich um einen Rechtsakt mit dem Ziel der Harmonisierung handele, wogegen auch nicht die Form der Verordnung spreche.218 Eine Auseinandersetzung mit den gerade diese Begründung bezweifelnden Überlegungen des Generalanwalts verweigert der EuGH. Stattdessen stellt er auf

213

Ebd., Rn. 58.; zur Tragfähigkeit dieser Sichtweise vgl. u. E. III. EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 97 f. 215 Ebd., Rn. 100. 216 EuGH, Rs. C-359/92 (Deutschland/Rat), Slg. 1994, I 3681, Rn. 37. 217 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 106 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-359/92 (Deutschland/Rat), Slg. 1994, I-3681, Rn. 37. 218 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 108 ff. 214

B. Umstrittene Meilensteine: Die Rs. ENISA und Leerverkaufsverordnung  

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die Notwendigkeit der Eingriffsbefugnisse als „letztes Mittel“ gegen „ernsthafte Bedrohungen“ für die Integrität der Finanzmärkte ab.219 Im zweiten Prüfungspunkt hebt der Gerichtshof erneut seine ständige Rechtsprechung hervor, nach der aus dem Rechtsakt objektiv und tatsächlich der Zweck hervorgehen müsse, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. Wie bereits im Falle der ENISA schließt sich dem jedoch keine substantiierte Prüfung des Inhalts der Verordnung an. Vielmehr folgt hier ebenfalls eine Rezitation der Erwägungsgründe.220 Es wird deutlich, dass der Gerichtshof dem Unionsgesetzgeber hinsichtlich beider Voraussetzungen von Art.  114 AEUV einen weiten Spielraum gewährt und, sich selbst widersprechend, die Erwägungsgründe als subjektives Element letztlich für maßgebend erklärt.221

III. Zusammenfassung Aus der Gesamtschau beider Urteile und der angeführten früheren Entscheidungen lassen sich folgende Leitlinien des Gerichtshofs zur Wahl der Rechtsgrundlage im Allgemeinen sowie zur generellen und agenturspezifischen Weite von Art. 114 AEUV entnehmen: (1) Dem Unionsgesetzgeber kommt im Rahmen von Art. 114 AEUV hinsichtlich der Wahl der am besten geeigneten Angleichungstechnik ein Ermessensspielraum zu. Dies gilt insbesondere in Bereichen von technischer Komplexität. (2) Der EuGH unterlässt eine separate Prüfung von Errichtung und Befugniszuweisung und stellt allein auf den Befugniskatalog der jeweiligen Agentur ab. Dies gilt jedenfalls dort, wo eine Errichtung nicht als isolierte Maßnahme erscheint, sondern sich in einen auf Art. 114 AEUV gestützten Regelungskomplex einfügt bzw. die Aufgaben der Agentur in engem Zusammenhang zu den harmonisierten Bereichen stehen. Eine solche materielle Verknüpfung erscheint in Anbetracht der Voraussetzungen der Norm allerdings stets zwingend. (3) Adressat einer auf Art.  114 AEUV gestützten Maßnahme müssen nicht notwendigerweise die Mitgliedstaaten sein. Der Unionsgesetzgeber kann auf 219

Ebd., Rn. 108. Ebd., Rn. 113 ff. In der Literatur finden sich vereinzelt Stimmen, die einen positiven Binnenmarkteffekt bezweifeln bzw. befürchten, dass die LeerverkaufsVO trotz einzelner positiver Aspekte der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte eher abträglich ist, s. F. Schlimbach, Leerverkäufe, S. 210. 221 Ebenso verfährt i.R.d. Prüfung der Voraussetzungen von Art. 114 AEUV hinsichtlich der Errichtung der EBA N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 158. 220

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Art. 114 AEUV auch solche Maßnahmen stützen, deren Effekt nicht durch den gleichzeitigen Erlass identischer Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten erzielt werden könnte. Damit kann die Union per Rechtsangleichung „etwas Neues“ schaffen. (4) Der notwendige Zusammenhang zum harmonisierten Bereich besteht bereits dann, wenn die überwiegende Anzahl der Befugnisse der Rechtsangleichung dient. Ein überschießender Aufgabenteil rechtfertigt insofern keine andere Beurteilung. Die Gewichtung der jeweiligen Aufgabenteile wird nicht überprüft. (5) Reicht die Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf einem bestimmten Gebiet nicht aus, um die Einheit des Binnenmarktes zu gewährleisten, so umfasst der Begriff „Maßnahmen zur Angleichung“ den Erlass von Einzelmaßnahmen. (6) Im Widerspruch zu seinem ausdrücklich aufrechterhaltenen Postulat überprüft der Gerichtshof die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage zumeist nicht anhand objektiver und gerichtlich überprüfbarer Umstände, sondern anhand der Erwägungsgründe. (7) Sind Maßnahmen von Agenturen Teil eines Regelwerks, so entsprechen sie weder delegierten Rechtsakten noch Durchführungsrechtsakten, sodass eine Unzulässigkeit der Befugniszuweisung aus einem Umkehrschluss aus Art.  290, 291 AEUV nicht in Betracht kommt. Im Verhältnis zu den Schlussanträgen beider Generalanwälte ergibt sich insgesamt das Bild einer großzügigen gerichtlichen Kontrolle, deren Fundament der Ermessensspielraum des Unionsgesetzgebers bildet. Durch eine weite und inkonsistente Auslegung der Meroni-Doktrin werden vermeintliche Grenzen der Agenturisierung zurückgenommen. Die ENISA- und die Leerverkaufsentscheidung wirken damit als eine carte blanche für weitere Zuweisungen an Agenturen, jedenfalls soweit es sich um vergleichbar schwache bzw. interventionsbasierte Ausgestaltungen handelt.222

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen Im Folgenden wird die aufgezeigte Praxis von Gesetzgeber und Rechtsprechung mit den vertraglichen Rechtsgrundlagen abgeglichen. Dabei sind die Kompetenznormen einzelner Politikbereiche aufgrund ihrer Spezialität sowie der vielfach geringeren Mehrheitserfordernisse vorrangig gegenüber dem ebenfalls infrage kommenden Art. 352 AEUV zu prüfen.223 An gegebener Stelle erfolgt eine Dif 222 Ähnlich P.  v.  Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S.  70 („open-ended reading of Article 114 TFEU“). 223 P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 252.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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ferenzierung anhand der im ersten Teil224 beschriebenen Befugniskategorien. Wie die soeben betrachteten Urteile verdeutlichen, erfahren zahlreiche Problemlagen eine Zuspitzung in der Binnenmarktklausel, die nicht zuletzt aufgrund ihrer überragenden praktischen Bedeutung eine herausgehobene Behandlung verdient. Mit Rücksicht auf die kaum überschaubare Fülle an Rechtsgrundlagen – es bestehen derer in EUV und AEUV insg. 118 –225 können im Übrigen nur die wichtigsten in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen einzeln untersucht werden. Ein Schwerpunkt wird vielmehr auf verallgemeinerungsfähige Aussagen gelegt. Zuvor sollen aber die übergeordneten Fragen Antworten finden, ob vertragliche Vorschriften auch hinsichtlich ihres institutionell-rechtlichen Gehalts durch den Auslegungsgrundsatz des effet utile erweitert werden können und inwieweit die Abstützung einer Maßnahme auf mehrere Rechtsgrundlagen zulässig bzw. geboten ist.

I. Zur Bedeutung des Effektivitätsprinzips bei der Ermittlung institutionell-rechtlicher Kompetenzen Das ENISA-Urteil, vor allem aber das Leerverkaufs-Urteil folgen einer Interpretation von Art.  114 AEUV, die sich weitgehend vom Wortlaut der Vorschrift löst. Implizit stellt der EuGH Zweckmäßigkeitsaspekte über die modale Vorgabe der Rechtsangleichung, wenn er die Eingriffsbefugnisse der ESMA als u­ ltima­ ratio zu Recht den eigentlichen Angleichungsmaßnahmen entrückt. Während in der Rechtssache ENISA eine Argumentation mit implied powers nahezuliegen scheint, wird bei der Prüfung von Art. 28 LeerverkaufsVO zwischen den Zeilen die Behauptung einer organisationsrechtlichen Geltung des Effektivitätsprinzips deutlich.226 Namentlich Lenaerts, als damaliger Vizepräsident am Leerverkaufs-Urteil beteiligt, hatte die Entwicklung organisationsrechtlicher Kompetenzen aus allgemein legislativen Kompetenzen bereits in einem älteren Aufsatz als „‚effet utile‘ interpretation of the Treaty provision serving as the legal basis for the establish­ ment of the body at hand“ bezeichnet.227 Diese Argumentation, nach der den Beschränkungen der Vertragsvorschriften eine nur bedingte Aussagekraft zukäme, muss mit Blick auf die Herleitung der normativen Kraft von Effektivitätserwägungen auf Bedenken stoßen. 224

S. dort D. III. 3. S. A6-0013/2008, Bericht über den Vertrag von Lissabon 2007/2286 (INI), Anlage 2–4, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT +A6-2008-0013+0+DOC+XML+V0//DE#title3 (29.2.2016). Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren sehen nach dieser Auflistung 85, besondere Gesetzgebungsverfahren 33 Rechtsgrundlagen vor. 226 Beide Urteile in die Tradition des effet utile rückend C. D.  Classen, in: v.  d.  Groeben/ Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 123. 227 K. Lenaerts, ELRev 18 (1993), S. 23, 41 f.; vgl. auch M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 198. 225

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Gem. Art. 2 EUV beruht die Union auf dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Bereits die Formel Hallsteins von der Rechtsgemeinschaft228 hat den Prozess der Integration von seiner Frühzeit an geprägt und ist zu einem Schlüsselbegriff der Europarechtswissenschaft geworden.229 Bei allen begrifflichen und genealogischen Überschneidungen wird die Herrschaft des Rechts230 übereinstimmend als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal des Unionsrechts gegenüber dem Völkerrecht betrachtet.231 Kein anderes Prinzip hat die Eigendynamik der europäischen Integration derart befördert und weitreichende Rechtsfortbildungen vergleichbar legitimiert. Das gilt insbesondere für seine wichtigste Ausprägung, das Prinzip der praktischen Wirksamkeit. Kaum ein Meilenstein in der Judikatur des EuGH ist denkbar, stellte man das argumentative Fundament des effet utile infrage; die Supranationalität als vorläufiges Ergebnis des europäischen Integrationsprozesses ist zu großen Teilen die Addition auf jenem Rechtsprinzip fußender richterlicher Rechtsschöpfungen, begründeten sie im Einzelnen die Autonomie des Gemeinschaftsrechts232, dessen unmittelbare Wirkung233 oder die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung234.235 Im ersten Zugriff mag diese Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit verwundern. Wo das Rechtsstaatsprinzip nach herkömmlichem Verständnis

228 W.  Hallstein, Der unvollendete Bundesstaat, 1969, S.  33–38 (dort bezeichnet ders. die EWG noch als „Phänomen des Rechts in dreifacher Hinsicht“ („Schöpfung des Rechts“, „Rechtsquelle“ und „Rechtsordnung“)); ders., Die Europäische Gemeinschaft, 5. Aufl. 1979, S. 53–61 (hier tritt als viertes Element „Rechtspolitik“ hinzu). 229 Vgl. A. v. Bogdandy/J. Bast, in: dies. (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., S. 37. 230 Vgl. J. Gerkrath („prééminence du droit“/„règne de la loi“), L’émergence d’un droit constitutionnel pour l’Europe. Modes de formation et sources d’inspiration de la constitution des Communautés et de l’Union européenne, S. 347. Die Betonung von Vorrang bzw. Herrschaft entspricht eher der englischen Fassung von Art. 2 EUV („rule of law“), weniger der französischen („l’État de droit“) oder der deutschen, wobei die Begriffe allgemein synonym zu ver­ stehen sind (G. Köbler, Rechtsenglisch, 8. Aufl., S. 439; Stichwort „rule of law“), „Rechtstaatlichkeit“ also keineswegs Staatsqualität des Verpflichteten voraussetzt. 231 Vgl. A. v. Bogdandy/J. Bast, in: dies. (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., S. 37. Diese Unterscheidung soll nicht über den völkerrechtlichen Ursprung des Effektivitätsprinzips hinwegtäuschen, wohl aber die qualitative Steigerung i. S. eines „effet maximal“ ggü. der dortigen Verwendung als klassisches Auslegungsprinzip verdeutlichen; vgl. Th. v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, S. 145–147. Zur Unterscheidung zwischen einer Anwendung auf Gründungsverträge internationaler Organisationen und sonstige völkerrechtliche Verträge vgl. ebd., S. 218. 232 EuGH, Rs. 26/62 (van Gend en Loos), Slg. 1963, 1, 27; Rs. 6/64 (Costa/E. N. E. L.), Slg. 1964, 1251, 1269 f.; EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P (Kadi u. a./Rat und Kommission), Slg. 2008, I- 6351, Rn. 282. 233 EuGH, Rs. 26/62 (van Gend en Loos), Slg. 1963, 1, 27. 234 EuGH, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 (Frankovic), Slg. 1991, I-5357, Rn. 33 ff. 235 Vgl. A. v. Bogdandy/J. Bast, in: dies. (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., S. 38; zur Übersicht s. M. Kotzur, Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts: Organe und Zuständigkeiten, in: Tsatsos (Hrsg.), Die Unionsgrundordnung – Handbuch zur Europäischen Verfassung, S. 424 f.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

133

hoheitliche Machtausübung beschränkt, ist es für die wirksame Entfaltung der Herrschaft des Unionsrechts gerade konstitutiv.236 Die Gründe für diese nur scheinbar gegenläufigen Bedeutungen liegen in der Entwicklung der Union als Hoheitsträger ohne Zwangsmittel: Während die Macht eines Staates sowohl auf Regelungs- wie auf Zwangsgewalt fußt, gründet sich die der Union im Ursprung allein auf Erstere.237 Hier wird die klassische Trennung bedeutsam, der zufolge die Union das Recht setzt und die Mitgliedstaaten dieses Recht vollziehen. Der Umstand, dass das Unionsrecht damit völkerrechtlichen Regimen vergleichbar238 in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen steht, hat die Judikatur des EuGH wie kein anderer Sachzwang geprägt. Denn soll das Unionsrecht dennoch mehr als ein Katalog von Programmsätzen sein, ist eine Stärkung des Rechts durch die Postulate von Eigenständigkeit, Vorrang und einheitlicher Geltung unumgänglich.239 Supranationale Rechtsstaatlichkeit bedeutet damit zumindest auch die Kompensation eines Vollzugsdefizits. Scheuing erklärt diesen Aspekt treffend mit der Feststellung, dass die „Herrschaft des Rechts“ als Abkehr von einer „Herrschaft der Willkür“ nicht nur eine „Bindung an das Recht [sic]“, sondern ebenso eine „Bindung des Rechts selbst [sic]“ bedeuten muss.240 Ein solcher Gehalt des Rechtsstaatsprinzips lässt sich zum einen für das materielle Recht begründen. Wo etwa eine innerstaatliche Stelle durch die Berufung auf mitgliedstaatliches Recht die Durchsetzung der Grundfreiheiten vereitelt, muss die Herrschaft des Unionsrechts der Stelle eine solche Berufung bekanntermaßen versagen.241 Von besonderer Bedeutung ist der Grundsatz der einheitlichen und effektiven Durchsetzung zudem hinsichtlich der sich stark unterscheidenden innerstaatlichen Verwaltungsverfahren. Dem trug der EuGH durch die Entwicklung einer ganzen Reihe allgemeiner Rechtsgrundsätze Rechnung,242 für die das allgemeine Diskriminierungsverbot bei der Ausgestaltung des Vollzugs nur ein Beispiel von vielen bildet.243 236

Vgl. A. v. Bogdandy/J. Bast, in: dies. (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., S. 38. Insofern ist der Begriff der Rechtsgemeinschaft zumindest hinsichtlich der rechtlichen Begründung des Prinzips der Wirksamkeit dem vertraglichen Terminus „Rechtsstaatlichkeit“ vorzuziehen. 238 Zur Beschränkung des Völkerrechts auf die ihm zukommende Normativität angesichts staatlicher Vollzugsmonopole und dem daraus erwachsenden Effektivitätsgebot s. R.  Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, S. 63, sowie A. Verdross/ B. Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., § 68–70. 239 Zum Ganzen mit Ableitung aus dem völkerrechtlichen Effektivitätsgebot s. W. Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S. 80–95. 240 D. H. Scheuing, in: Schwarze (Hrsg.), Bestand und Perspektiven des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 47. 241 So die Konstellation bei EuGH, Rs. 92/78 (Simmenthal/Kommission), Slg.  1979, 777, Rn. 39; Rs. C-213/89 (Factortame), Slg. 1990, I-2433, Rn. 18. 242 Eingehend hierzu A. Hatje, EuR 1998, Beiheft 1, S. 7–27, s. insb. S. 11–13. 243 Vgl. etwa EuGH, verb. Rs. 205 bis 215/82 (Deutsche Milchkontor/Deutschland), Slg. 1983, 2633, Rn. 22. 237

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Mit der im ENISA-Urteil gewählten Konstruktion vom engen Zusammenhang zwischen Organisationsrechtsakt und harmonisiertem Rechtsrahmen läge es nun nahe, Akte wie die Reform der Finanzmarktaufsicht mit dem EuGH als einheitlich materielles, prozedurales wie institutionelles Recht anzusehen und die gewählte Rechtsgrundlage entsprechend gänzlich unter Wirksamkeitsaspekten auszulegen. Wo etwa Art.  28  LeerverkaufsVO der ESMA die Kompetenz einräumt, natürlichen oder juristischen Personen Verbote und Bedingungen für Transaktionen und Eintritte auszusprechen, ist der materielle Gehalt die schlichte Folge der Befugnis, bestimmt diese doch über die Voraussetzungen und damit über die Verbindlichkeit entsprechender Maßnahmen. Ein direkter Vollzug durch Agenturen könnte auch als ein Plus gegenüber klassischen Formen der Sicherstellung einer wirksamen Durchsetzung angesehen werden, wie sie der effet utile etwa durch Ermessensdirektiven mitgliedstaatlicher Verwaltungsentscheidungen leistet.244 Der Gegenbeweis der Behauptung, die einheitliche und wirksame Durchsetzung des Unionsrechts wäre andernfalls beeinträchtigt, ließe sich in den meisten Fällen schließlich kaum führen. Eine derart pauschale Betrachtung ignorierte jedoch den aufgezeigten Ursprung des Prinzips der praktischen Wirksamkeit. Ihm kann nur dort Normativität zukommen, wo das Unionsrecht aus der eigenen Sphäre heraustritt, also durch einen Rückgriff auf innerstaatliche Institutionen in Konflikt mit mitgliedstaatlichem Recht zu geraten droht. Eine Rechtfertigung von unionsinternem institutionellen Recht ist auf der Grundlage des Prinzips der praktischen Wirksamkeit daher nicht denkbar. Freilich können Organisationsformen ineffektiv, untechnisch gesprochen „unwirksam“ sein, können etwa Agenturen in ihrer Tätigkeit durch mitgliedstaatliche Behörden beeinträchtigt werden. Praktisch unwirksam wäre deshalb aber nicht das Recht, durch das diese europäischen Institutionen geschaffen wurden, sondern jenes, mit dessen Vollzug sie betraut sind.245 Denn das ihnen zugrunde­ liegende institutionelle Recht hat seinen Gehalt in jenem Moment entfaltet, in dem die Institution durch das Recht selbst zu bestehen und über die zugewiesenen Befugnisse zu verfügen beginnt. Für die Anwendbarkeit des Effektivitätsprinzips bleibt somit das Kriterium des Vollzugsdefizits entscheidend. Durch eine supranationale Verwaltung wird das Defizit der Union an Zwangsmitteln aber nicht kompensiert, sondern im jeweiligen Regelungsbereich vielmehr gänzlich überwunden – in nuce: Aus einem Vollzugsdefizit kann keine Vollzugskompetenz erwachsen. Das Prinzip der praktischen Wirksamkeit vermag eine extensive Auslegung bei der Ermittlung institutionellrechtlicher Kompetenzen daher nicht zu rechtfertigen.246 Dementsprechend kommt 244 Vgl. nur für §§ 48, 49 VwVfG M. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 8 Aufl., § 48 Rn. 261–289 m. w. N. 245 Ähnlich F. Becker, der die Wirkung des Effektivitätsprinzips auf abstrakt-generelle Fragen beschränkt sieht, ders., CML Rev 44 (2007), S. 1035, 1056. 246 Hiervon ist die weit verbreitete Kritik am effet utile in Bezug auf mitgliedstaatliche Verwaltungsvorgaben zu unterscheiden, wie sie bspw. bei Th. v. Danwitz deutlich wird („Verwirk-

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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dem Wortlaut von Kompetenznormen bei der folgenden Untersuchung eine gesteigerte Bedeutung zu.

II. Abgrenzung und Verbindung von Rechtsgrundlagen Gestattet eine spezielle Sachkompetenz generell Agenturisierungen, ist dem Unionsgesetzgeber keineswegs ein „Generalschlüssel“ zu jedweder Ausgestaltung der Agentur an die Hand gegeben. Vielmehr ergibt sich in einem System begrenzter Einzelermächtigungen aus einer Kompetenz immer auch eine spiegelbildliche Beschränkung der Maßnahme.247 Da bei Agenturgründungen nicht Zuweisungen einzelner Befugnisse, sondern ganzer Befugnisbündel die Regel sind, ist regelmäßig eine Abstützung auf verschiedene Rechtsgrundlagen zu erwägen. Das jüngste Beispiel der entsprechenden Praxis bildet die Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im RFSR, die auf der Grundlage von Art. 74, 77 Abs. 2 lit. a, b, Art. 78 Abs. 2 lit. e, Art. 79 Abs 2 lit. c, Art. 82 Abs. 1 lit. d, Art. 85 Abs. 1, Art. 87 Abs. 2 lit. a sowie Art. 88 Abs. 2 AEUV errichtet wurde.248 Die verschiedenen Rechtsgrundlagen und Bestandteile institutionell-rechtlicher Maßnahmen potenzieren sich zu einer Vielzahl denkbarer Konstellationen, aus denen sich ein entsprechend umfangreicher Komplex an Abgrenzungsfragen ergibt. Klärungsbedürftig ist etwa, ob jede einzelne Befugnis der gewählten Kompetenznorm isoliert betrachtet genügen muss und inwieweit eine Hinzuziehung ergänzender Rechtsgrundlagen oder eine Aufspaltung des Rechtsakts möglich bzw. er­ forderlich ist. Um die spezifischen Fragen im Hinblick auf Agenturen beantworten zu können, sei der allgemeine Diskussionsstand zu Normenkonkurrenzen im Folgenden holzschnittartig vorangestellt.

lichung selbstgesetzter Integrationsvorstellungen“), ders., DVBl. 1998, S. 421, 428 f.; vgl. auch die allgemein gehaltenen Ausführungen in Bezug auf die EIOPA bei Ch. Keune, die eine Erweiterung von Art. 114 AEUV im Wege des effet utile im Ergebnis ebenfalls ablehnt, dies., Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 234–243. 247 Vgl. für die Gründung eines europäischen Kartellamts nach Art. 87 EGV a. F. P. Bartodz­iej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 253. 248 Die vorherigen Fälle sind die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Art. 37, 95, 133, 152 Abs. 4 lit. b EG (Art. 43, 114, 207, 168 Abs. 4 lit. b AEUV)), Frontex (Art. 62 Pt. 2 lit. a, Art. 66 EG (Art. 74, 77 AEUV)), das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (Art. 13 Abs. 2, Art. 141 Abs. 3 EG (Art. 19 Abs. 2, Art. 157 Abs. 3 AEUV)) und das Europä­ ische Unterstützungsbüro für Asylfragen (Art. 74, 78 Abs. 1, 2 AEUV). In den Gründungsverordnungen werden teils auch dann mehrere Vertragsvorschriften angeführt, wenn diese einzelne Politikbereiche lediglich umschreiben, ohne selbst Kompetenznorm zu sein, so im Falle von CEPOL und Eurojust mit Art. 30 Abs. 1 lit. c bzw. Art. 31, Art. 34 Abs. 2 lit. c EUV a. F. (jetzt einheitlich in Art. 87 Abs. 2 bzw. Art. 85 AEUV geregelt).

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

1. Konstellationen Das Verhältnis von Rechtsgrundlagen zueinander ist ein Verhältnis auf dreierlei Ebenen.249 Als Banalität gestaltet sich die Erkenntnis, dass die Bestimmung dieses Verhältnisses nur dort erforderlich wird, wo mehrere Rechtsgrundlagen ihren Voraussetzungen und ihrer Rechtsfolge nach einschlägig sind. Da aber gerade bei weit gefassten Befugnisnormen eine Einhegung oft nur über ihre „inneren“ Merkmale zu leisten ist, können schon Tatbestand und Rechtsfolge als erste Ebene der Abgrenzung bezeichnet werden. Anders als bei der Frage, ob überhaupt eine Rechtsgrundlage erfüllt ist, ist bei Einschlägigkeit mehrerer Rechtsgrundlagen nicht der Bestand, sondern die Bestimmung der Rechtsgrundlage fraglich.250 Berührt werden hier in erster Linie die Verfahrensrechte der Organe, weswegen sich die Bezeichnung als horizontale Kompetenzabgrenzung herausgebildet hat.251 Die Bezeichnung darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der Wahl zwischen mehreren Rechtsgrundlagen eine vertikale Dimension zukommen kann – etwa dort, wo die eine Rechtsgrundlage im Gegensatz zur anderen einen Harmonisierungsausschluss252 oder ein Informationsrecht nationaler Parlamente253 vorsieht. Das vertikale Verhältnis ist zudem erheblich über die mitgliedstaatliche Beteiligung durch den Rat berührt, dessen Zustimmungsquoren die Einzelermächtigungen verschiedentlich festlegen. Sind mehrere Rechtsgrundlagen erfüllt, richtet sich der Blick zunächst auf ihr systematisches Verhältnis. Dem Primärrecht lassen sich für einzelne Kompetenznormen sowohl generell als auch in Bezug auf einzelne Vorschriften Spezialitäts- und Subsidiaritätsverhältnisse entnehmen.254 Hinzu kommen die Formeln von Spezialität255

249 Allgemein wird ein zweistufiges Modell vertreten, s. etwa M. Ullrich, ZEuS 2000, S. 243, 247 f. m. w. N. Bei einer rein dogmatischen Betrachtung von Konkurrenzen ist dies auch berechtigt. Im Folgenden soll dagegen die Interdependenz von Tatbestand, Rechtsfolge und Zuordnung bei Konkurrenz dargestellt werden. Nur vor einem solch umfassenden Ansatz erschließen sich Problemlagen und insb. die Lösungsversuche des EuGH. 250 Vgl. W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 81; M. Nettesheim, EuR 1993, S. 243 f. Zum Begriffspaar der horizontalen und vertikalen Kompetenzabgrenzung s. auch GA Kokott, Schlussanträge vom 26.3.2009, Rs. C-13/07 (WTOBeitritt Vietnams), nicht in amtl. Slg., Rn. 113; zur Relativierung durch Harmonisierungsausschlüsse vgl. Ch. Calliess, König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 24 f. 251 Vgl. EuGH, Rs. C-301/06 (Vorratsdatenspeicherung I), Slg. 2009, I-593, Rn. 56 (s. die Anm. von W. Frenz, DVBl. 2009, S. 374 f.); W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 3539; W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 81. 252 Ch. Calliess, König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 24 f. 253 Inter al. Art. 81 Abs. 3 UAbs. 3, Art. 114 Abs. 4–10, Art. 352 Abs. 2 AEUV. 254 So schon zum EWGV M. Nettesheim, EuR 1993, S. 243, 246 f. 255 Nach der klassischen Methodenlehre ist Spezialität anzunehmen, wenn der Anwendungsbereich der einen Norm völlig in dem der anderen aufgeht, ein Tatbestand also alle Merkmale eines anderen Tatbestandes enthält und darüber hinaus noch mindestens ein zusätzliches Merkmal aufweist (statt vieler K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 267 f.).

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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und Subsidiarität256 nach der klassischen Methodenlehre.257 Zu betonen ist, dass Subsidiarität freilich ebenso tatbestandlich vorliegen kann, so ausdrücklich im Fall von Art. 352 AEUV. Eine generelle Trennung der Ebenen lässt sich daher nicht durchhalten. Kann gleichwohl ein methodisches Vorrangverhältnis ermitteln werden, liegt sog. unechte Normenkonkurrenz vor.258 Sie bildet die zweite Ebene der Abgrenzung. Gelingt eine Abgrenzung weder tatbestandlich noch methodisch, stehen die Rechtsgrundlagen einander auf der dritten Ebene, der echten Normenkonkurrenz, gegenüber.259 2. Schwerpunktermittlung und Verfahrenskombination Der EuGH würdigt die ganz unterschiedlichen Verhältnisse von tatbestandlicher Einschlägigkeit, unechter sowie echter Konkurrenz regelmäßig nicht isoliert, sondern mit Bezug aufeinander und grenzt die Konstellationen dabei nicht immer eindeutig voneinander ab. Einen Ausgangspunkt setzt der EuGH in ständiger Rechtsprechung mit seiner Behandlung echter Normenkonkurrenz: Umfasse eine Maßnahme zwei Zielsetzungen oder zwei Komponenten (besser: mehrere Zielsetzungen oder Komponenten) und könne eine Zielsetzung bzw. Komponente als Haupt-, die andere(n) als Nebensache(n) ausgemacht werden, sei bei der Ermittlung der Rechtsgrundlage allein die Hauptsache ausschlaggebend.260 Anders als in Konstellationen, in denen sich eine Hauptsache ermitteln lässt, gestalte es sich nach dem EuGH bei einer Maßnahme, „die mehrere Zielsetzungen zugleich hat oder mehrere Komponenten umfasst, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen nebensächlich

Zusätzlich ist zu verlangen, dass die Vorschriften demselben Rechtsgut – hier: demselben Ziel – dienen. Für den erfassten Bereich kommt der engeren Vorschrift ggü. der allgemeineren dann Derogationswirkung zu (hinsichtlich der Rechtsfolge einschränkend ebd., S. 267). 256 Subsidiarität liegt nach allgemeinem Verständnis vor, wenn die Tatbestände zwar unterschiedliche Merkmale aufweisen, sich jedoch aus dem Zweck der Regelungen ein Vorrangverhältnis ergibt, M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 286; R. Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 5. Aufl., S. 100. 257 Diese lassen sich jedenfalls in der Rechtsprechung des EuGH nicht eindeutig nachweisen; in der Literatur wird dessen ungeachtet weitgehend wie selbstverständlich mit ihnen operiert, vgl. M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 286; A. Middeke, DVBl. 1993, S. 769, 771; Th. Schröer, EuR 1991, S. 356, 364 (dort Fn. 76); vgl. auch die Darstellungen bei M. Ullrich, ZEuS 2000, S. 243, 248 m. w. N., 255 m. w. N., 261. 258 W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 81. 259 Ebd. 260 EuGH, Urteil v. 12.11.2015, Rs. C-121/14 (Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat), noch nicht in d. amtl. Slg. veröffentlicht, Rn.  68; Rs. C-155/07 (Parlament/Rat), Slg.  2008, I-8103, Rn.  35 mit Verweis u. a. auf EuGH, C-155/91 (Kommission/Rat), Slg.  1993, I-939, Rn. 19, 21; Rs. C-36/98 (Spanien/Rat), Slg. 2001, I-779, Rn. 59.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

ist“.261 Sofern hinsichtlich des Regelungsgegenstandes eine Kompetenznorm nicht hinreichend umfassend ist, sei eine doppelte Abstützung angezeigt.262 Betont sei, dass der Gerichtshof das Kriterium der untrennbaren Verbundenheit nicht durchgehend aufrechterhält.263 Richtigerweise handelt es sich dabei auch nicht um eine Voraussetzung für die Kombinierbarkeit von Rechtsgrundlagen, sondern um eine negative Voraussetzung für die Aufspaltung des Rechtsakts, was insbesondere für eine separate Anwendung von Art. 352 AEUV erheblich wird. Von dem Gebot einer mehrfachen Rechtsgrundlage hat der EuGH in seinem Titandioxid-Urteil wiederum eine Ausnahme aufgestellt: Der Rückgriff auf eine doppelte Rechtsgrundlage sei ausgeschlossen, wenn sich die durch die ver­schiedenen Rechtsgrundlagen jeweils angeordneten Verfahren nicht miteinander vereinbaren lassen.264 Der Grund hierfür bestehe in der Wahrung der vertraglich vorgesehenen Organbeteiligung (im konkreten Fall des Europäischen Parlaments).265 Die genauen Voraussetzungen der Vereinbarkeit von Verfahren sind allerdings umstritten. Im Ergebnis kann weder die Kombination verschiedener Vorschriften unter Anwendung der hinsichtlich des jeweiligen Verfahrensaspekts strengsten Vorgabe266 noch die alleinige Anwendung des insgesamt strengeren Verfahrens267 überzeugen. Um die faktische Entstehung neuer Rechtsgrundlagen durch ein „Rosinenpicken“ bei den verfahrensrechtlichen Vorgaben zu vermeiden,268 ist eine Kombination nur dort möglich, wo die Verfahren nur unerheblich voneinander abweichen und die

261 EuGH, Rs. C-155/07 (Parlament/Rat), Slg. 2008, I-8103, Rn. 36 mit Verweis auf EuGH, Rs. C-164/97 und C-165/97 (Parlament/Rat), Slg. 1999, I-1139, Rn. 14; Rs. C-338/01 (Kommission/Rat), Slg. 2004, I-4829, Rn. 57; Rs. C-94/03 (Kommission/Rat), Slg. 2006, I-1, Rn. 52; Rs. C-178/03 (Kommission/Parlament und Rat), Slg. 2006, I-107, Rn. 57. 262 Ebd.; vgl. auch H.-H. Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 114 AEUV, Rn. 22 unter Verweis auf EuGH, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1988, 855, Rn. 14, 22. 263 Das Kriterium außer Acht lassend EuGH, verb. Rs. C-164/97 u. C-165/97 (Schutz des Waldes), Slg.  1999, I-1138, Rn.  14; dazu J.  Gundel, EuR 2003, S.  100, 103; das Kriterium aufgreifend EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco [Investments] und Imperial­ Tobacco), Slg. 2002, I-11453, Rn. 94. 264 EuGH, Rs. C-300/89 (Titandioxid), Slg.  1991, I-2867, Rn.  17–21; Rs. C-164/97 und C-165/97 (Parlament/Rat), Slg. 1999, I-1139, Rn. 14; Rs. C-338/01 (Kommission/Rat), Slg. 2004, I-4829, Rn. 57; Rs. C-94/03 (Kommission/Rat), Slg. 2006, I-1, Rn. 52; Rs. C-178/03 (Kommission/Parlament und Rat), Slg. 2006, I-107, Rn. 57; EuGH, Rs. C-155/07 (Parlament/Rat), Slg. 2008, I-8103, Rn. 37. 265 EuGH, Rs. C-300/89 (Titandioxid), Slg. 1991, I-2867, Rn. 19 f. 266 J. Gundel, EuR 2003, S. 100 ff. 267 U. Everling, EuR 1991, S. 179, 181; ähnlich GA Stix-Hackl, Schlussanträge vom 9.10.2001, Rs. C-93/00, Slg. 2001, I-10119, Rn. 78 (so auch zitiert bei M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 293); vgl. auch allgemein A. v. Bogdandy/I. Venzke, In Whose Name?: A Public Law Theory of International Adjudication, S. 145 f. 268 So der Einwand bei A. Middeke, DVBl. 1993, S. 769, 771; zustimmend S. Himmelmann, EG-Umweltrecht und nationale Gestaltungsspielräume, S. 97; M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 293.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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Balance von Europäischem Parlament und Rat nicht gefährdet erscheint.269 Davon ist auszugehen, wenn nur eine der Vorschriften eine Anhörung des Wirtschaftsund Sozialausschusses oder des Ausschusses der Regionen anordnet. Denn gem. Art. 304 Abs. 1, Art. 307 Abs. 1 AEUV ist eine solche Anhörung in den nicht vorgesehenen Fällen ohnehin stets fakultativ und berührt somit nicht die horizontale Machtverteilung.270 Komplex gestaltet sich die Behandlung von Konstellationen, in denen Rechtsgrundlagen in echter Normenkonkurrenz zueinander stehen und aufgrund unterschiedlicher Verfahren nicht kumulativ herangezogen werden können. Eine kontroverse Diskussion des Schrifttums hat dazu unterschiedliche Ansätze hervorgebracht. Letztlich scheinen aber alle zur Ergänzung vorgeschlagenen Kriterien – sei es ein Vorrang der „integrationsfreundlicheren Norm“271 oder sachlich-gegenständlicher Kompetenznormen272 – zumindest in Einzelfällen nicht um die wertende Ermittlung eines centre de gravité der Maßnahme umhinzukommen.273 Entsprechend wird überwiegend vorgeschlagen, anhand der objektiven Zielsetzung und des materiellen Regelungsgehalts der Maßnahme einen Schwerpunkt zu ermitteln.274 269 Eine Kombination grds. ablehnend S. Himmelmann, EG-Umweltrecht und nationale Gestaltungsspielräume, S. 97; E. Klein/A. Haratsch, DÖV 1994, S. 133, 135; M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art.  94, 95  EG-Vertrag, S.  293; A.  Middeke, DVBl. 1993, S.  769, 771; W. Schroeder, EuZW 2001, S. 489, 493; M. Ullrich, ZEuS 2000, S. 243, 253 f.; a. A. J. Gundel, EuR 2003, S. 100, 107–109. 270 M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 293. 271 In diesem Sinne noch zum EGV M. Bungenberg, Art. 235 EGV nach Maastricht, S. 166; ablehnend A. Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 2. Aufl., S. 74; W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 88 („demokratiefreundlichere Rechtsgrundlage“); T.  Reher/M.  Schöner, EWS 1998, S.  294 f.; vgl. M.  Zuleeg, NJW 1993, S. 31, 32 f.; kritisch A. Epiney, JZ 1992, S. 564, 569; U. Voß/G. Wenner, NVwZ 1994, S. 332, 335 f.; Th.  v.  Danwitz, Produktwerbung in der Europäischen Union zwischen gemeinschaftlichen Kompetenzschranken und europäischem Grundrechtsschutz, S. 28. 272 Hierfür plädiert M. Nettesheim, EuR 1993, S. 243, 248 f.; ders., Jura 1994, S. 337, 338 f.; vgl. auch R. Barents, CML Rev 30 (1993), S. 85, 97 ff.; M. Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 111; Ch. Zacker, Abfall im gemeinschaftlichen Umweltrecht, S. 207. 273 Das starke subjektive Element dieser Prüfung ist freilich wenig zufriedenstellend, s. bereits L. Krämer, CML Rev 24 (1987), S. 659, 683; I. Pernice, Die Verwaltung 1989, S. 1, 31; Th. Schröer, EuR 1991, S. 356, 367. Überzeugend sind daher die Ausführungen bei M. Lud­ wigs, in letzter Konsequenz trotz eines Spannungsverhältnisses zum Grundsatz der objektiven Überprüfbarkeit die Wahl der Rechtsgrundlage durch den Unionsgesetzgeber als Indiz für die Schwerpunktermittlung heranzuziehen, ders., Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 308; vgl. auch H. D. Jarass, EuZW 1991, S. 530, 532. 274 A. Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 2. Aufl., S. 72 f.; M. Ullrich, ZEuS 2000, S. 243, 258; ebenso für eine Schwerpunktbetrachtung plädierend W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 624; E. Klein/A. Haratsch, DÖV 1994, S. 133, 136; U. Voß/G. Wenner, NVwZ 1994, S. 332, 337; vgl. auch S. Dünnes-Zimmermann, Gesundheitspolitische Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S.  224 f.; a. A. V.  Götz, in: Götz/Martínez Soria (Hrsg.), Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 98; zusammenfassend M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 297.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Hiervon ausgehend werden Fallgruppen gebildet, die dann einzelnen Rechtsgrundlagen zugeordnet werden können, so bspw. genuin umweltschützende Maßnahmen Art. 192 AEUV, produktbezogene Vorschriften regelmäßig Art. 114 AEUV.275 Praktisch löst der EuGH das Konkurrenzproblem allerdings vielfach, indem er seine Prüfung (paradigmatisch für Art. 114 AEUV) auf die Voraussetzungen einer einzelnen Rechtsgrundlage beschränkt.276 3. Aufspaltung von Befugnisbündeln Fraglich ist nun, wie sich dieses grobe Raster auf institutionell-rechtliche Maßnahmen übertragen lässt. Nimmt man etwa den umfangreichsten Fall eines institutionellen Sekundärrechtsakts, die Gründung einer Agentur, bestehend sowohl aus Errichtung wie Befugniszuweisung(en), lassen sich bereits diese beiden Komponenten unterscheiden. Zunächst ist festzuhalten, dass die bloße Errichtung ihrem Wesen nach von vornherein aus der Betrachtung fallen muss. Wie im ersten Teil277 dargestellt, lässt sich die Errichtung einer Agentur ohne jedwede Befugnis zwar sehr wohl denken. Sie wird in der ziel- und aufgabenfixierten Kompetenzordnung der Union aber keiner Rechtsgrundlage entsprechen. Um die Voraussetzung einer beliebigen Rechtsgrundlage zu erfüllen, muss die Errichtung damit stets als mit zumindest einer Befugniszuweisung untrennbar verbunden angesehen werden. Ob sie dabei als Nebensache einzuordnen ist, sie somit durch eine Befugniszuweisung über die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage hinweg „mitgetragen“ werden kann, ist gleichbedeutend mit der für jede Kompetenznorm einzeln zu beantwortenden Frage nach deren spezifisch institutionellem Gehalt. Die Abstützung auf mehrere Rechtsgrundlagen kann somit nicht aus der Errichtung, sondern nur aus den zuzuweisenden Befugnissen folgen. Ist damit eine funktionale Betrachtung ausschlaggebend, richtet sich der Blick auf die zu übertragenden Befugnisbündel. Hier könnte eine übergeordnete Zielsetzung im Wege einer Gesamtbetrachtung sowohl quantitativ wie qualitativ ermittelt werden. So ließe sich mit einem quantitativen Ansatz bspw. für die Befugnisse der ENISA anführen, ihnen könne in der Mehrzahl ein enger Bezug zum harmonisier 275 A. Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 2. Aufl., S. 74–78; M. Ullrich, ZEuS 2000, S. 243, 258 f.; Produktnormen generell Art. 114 AEUV zuordnend M. Ruffert, Jura 1994, S.  635, 640 f.; differenzierend W.  Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4.  Aufl., Art.  114 AEUV Rn.  86 f.; zusammenfassend M.  Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art.  94, 95 EG-Vertrag, S. 297. 276 S. nur EuGH, Rs. C-380/03 (British American Tobacco), Slg. 2006, I-11573, Rn. 36 ff.; Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Slg. 2002, I-11453, Rn. 63 ff.; W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 624 m. w. N.; vgl. auch M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EGVertrag, S. 308. 277 S. dort D. I.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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ten Rechtsrahmen entnommen werden, beziehen sich die meisten doch auf Fragen der Netz- und Informationssicherheit innerhalb des Binnenmarktes.278 Andererseits könnte ein solcher Gesamtbezug qualitativ, gleichsam im Hinblick auf den Stellenwert der verschiedenen Tätigkeiten ermittelt werden. Nach beiden Ansätzen fiele im Beispielsfall der ENISA die als nachrangig erscheinende Aufgabe aus der Betrachtung, einen Beitrag auch zur Zusammenarbeit der Union mit Drittländern und internationalen Organisationen zur Förderung eines Gesamtkonzepts für Fragen der Netz- und Informationssicherheit zu leisten.279 Das erscheint bedenklich, denn diese Befugnis dient offenkundig nicht der Rechtsangleichung im Binnenmarkt und entspricht somit für sich genommen nicht dem tatsächlich gewählten Art. 114 AEUV. Wiederum können die einzelnen Befugnisse jeweils verschiedene Zielsetzungen in sich vereinen. Somit ließe sich die Systematik des EuGH auch im Wege einer Einzelbetrachtung in Anschlag bringen. Beispielhaft ließe sich prüfen, ob mit der Befugnis der ECHA, bei einem Verdacht auf gefährliche Stoffeigenschaften über die Durchführung ökotoxikologischer Untersuchungen zu entscheiden,280 neben dem Binnenmarktziel nicht auch die in Art. 191 AEUV niedergelegten umweltpolitischen Ziele verfolgt werden. Insoweit wäre für die Zuweisung neben der tatsächlich bemühten Binnenmarktklausel an eine (kumulative) Heranziehung von Art. 192 AEUV zu denken. Legt man also eine Einzelbetrachtung zugrunde, ist der zu übertragende Kompetenzkatalog in die einzelnen Befugnisse aufzuspalten, jedes individuell auf die vorgesehene Rechtsgrundlage zu überprüfen und die Gesamtmaßnahme nur bei einer Entsprechung aller Befugnisse als zulässig zu erachten. An einer Gesamtbetrachtung erscheint bedenklich, dass durch die Mehrheit solche Befugnisse „mitgetragen“ werden, die für sich genommen an den Hürden der Rechtsgrundlage scheiterten bzw. das strengere Verfahren der Vertragsabrundungsklausel durchlaufen müssten. Generell kann sich der Unionsgesetzgeber dem Einstimmigkeitserfordernis nach Art. 352 AEUV nicht durch eine Anreicherung eines an und für sich hierauf zu stützenden Rechtsakts um solche Aspekte entziehen, die einer speziellen Kompetenznorm entsprechen. Treffend ist insoweit die allgemeine Feststellung durch Generalanwältin Kokott im Verfahren um den WTO-Beitritt Vietnams: „Ist hingegen die Gemeinschaft nur für einzelne Komponenten einer von ihr in Aussicht genommenen Handlung zuständig, wohingegen andere Komponenten in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen (vertikale Kompetenzabgrenzung) [sic], so kann die Gemeinschaft sich nicht kurzerhand im Wege einer Schwerpunktbetrachtung insgesamt für zuständig erklären. Ansonsten 278

Vgl. Art. 3 ENISA-VO. Art. 3 lit. j ENISA-VO. 280 Zum Verfahren der Stoffsicherheitsbeurteilung (CSA) s. die „Leitlinien in Kürze zur Registrierung“ der ECHA, abrufbar unter https://www.echa.europa.eu/documents/10162/13632/ nutshell_guidance_registration_de.pdf (29.2.2016), S. 14–16. 279

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

würde sie den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung unterlaufen […].“281 Dieser Auffassung entspricht der gegen die Gründung der ENISA geltend gemachte Einwand, die Tätigkeiten jener Agentur erstreckten sich weit über den Anwendungsbereich des harmonisierten Rechtsrahmens hinaus.282 Folglich ist eine Gesamtbetrachtung von Befugnisbündeln abzulehnen.283 Vielmehr müssen die Schwerpunkte der einzelnen Befugnisse jeweils den Anforderungen der gewählten Rechtsgrundlage entsprechen. Daraus ergibt sich im Einzelfall die Notwendigkeit einer Kombination von Rechtsgrundlagen oder einer Auf­spaltung in mehrere Gesetzgebungsvorhaben.284 Dort, wo die Aufspaltung der Maßnahme zum Formalismus geriete und ein Verweis auf Art. 352 AEUV die Zweckmäßigkeit der Anwendbarkeit der Sachkompetenz infrage stellte, ist allerdings die Prüfung ungeschriebener Kompetenzen angezeigt. 4. Auseinanderfallen von Gründungsrechtsakt und weiteren Befugniszuweisungen Eine solche Einzelbetrachtung fügt sich ein in die Erkenntnis, dass die Rechtsgrundlage des Gründungsrechtsakts eine Agentur hinsichtlich weiterer Befugniszuweisungen grundsätzlich nicht begrenzt.285 Zwar bestehen begründete Bedenken gegen die sekundärrechtliche Schaffung potenziell allzuständiger Behörden, worauf unter dem Stichwort vom institutionellen Gleichgewicht noch einzugehen sein wird. Davon kann bei einem Hinausgehen über den Regelungsgehalt einer einzelnen Rechtsgrundlage aber keineswegs zwingend die Rede sein. Vielmehr wäre es formalistisch, Agenturen an einzelne Rechtsgrundlagen zu binden und den Unionsgesetzgeber so trotz grundsätzlicher Zuständigkeit stets auf die Errichtung einer weiteren Agentur zu verweisen. Verhält sich die Errichtung, wie beschrieben, hinsichtlich der Ermittlung der Rechtsgrundlage für sich genommen neutral, so kann es hinsichtlich des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung keinen Unterschied machen, ob eine Befugnis auf eine bestehende oder auf eine neue Agen 281

GA Kokott, Schlussanträge vom 26.3.2009, Rs. C-13/07 (WTO-Beitritt Vietnams), nicht in amtl. Slg., Rn.  113. So auch hierauf bezugnehmend allgemein zum Regelungsbereich H.-H.  Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3.  Aufl., Art.  114 AEUV Rn.  22; wohl a. A., dem Kontext nach jedoch auf untrennbare bzw. einheitliche Maßnahmen abstellend Th. v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, S. 440. 282 So das Vorbringen des Vereinigten Königreichs, EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 18. 283 Vgl. die allgemeine Unterscheidung von zieldiffusen Rechtsakten und Rechtsakten, deren Komponenten verschiedenen Bereichen zugeordnet werden können, bei J. Gundel, EuR 2003, S. 100, 105. 284 Ähnlich Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 178 f. 285 So für ursprünglich auf die Vertragsabrundungsklausel gestützte Agenturen im Falle nachträglicher Einführungen spezieller Kompetenznormen Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 248.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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tur übertragen wird. Eine Grenze können freilich sonstige organisationsrechtliche Vorgaben des Primärrechts bilden.286 Dagegen steht die interne Ausgestaltung einer bestehenden Agentur separat übertragenen Befugnissen mittlerweile nicht mehr im Wege. Durch die Einführung von Art. 263 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, 5 AEUV ist die Übertragung von Befugnissen zu rechtsverbindlichen Entscheidungen nämlich auch dann zulässig, wenn keine Beschwerdekammer vorgesehen ist.287 Das belegt die allein fakultative Schaffung „besonderer Bedingungen“ für den Rechtsschutz in Art. 263 Abs. 5 AEUV.288 Dass die Rechtsgrundlage der Errichtung selbst keinen Ausschlag hinsichtlich weiterer Zuweisungen geben kann, verdeutlicht das Verfahren um Art. 28 LeerverkaufsVO. Die Behauptung der Nichtigkeit wurde dort zwar auf die Einschlägigkeit der Flexibilitätsklausel anstatt der Binnenmarktklausel gestützt. Nicht geltend gemacht wurde dagegen, dass die ESMA auf der Grundlage von Art. 114 AEUV errichtet wurde und der Unionsgesetzgeber bereits deshalb hinsichtlich weiterer Befugniszuweisungen an eben diese Vorschrift gebunden sei. Wurde vorstehend festgestellt, dass sich der Unionsgesetzgeber durch eine Bündelung von Maßnahmen in einem einzelnen Gesetzgebungsvorhaben den Voraussetzungen von Einzelermächtigungen nicht entziehen kann, ist spiegelbildlich ebenso wenig ein Grund dafür ersichtlich, ihn bei Aufspaltungen schlechter zu stellen. Eine getrennte Übertragung von Befugnissen in mehreren Gesetzgebungsvorhaben nach verschiedenen Rechtsgrundlagen ist also grundsätzlich zulässig. Erwogen wurde ein solches Vorgehen für die Grundrechteagentur. Der Entwurf der Kommission sah neben einer Errichtung und Befugniszuweisung nach Art. 308 EGV einen separaten Rechtsakt auf der Grundlage von Art. 30, 31 und 34 EUV a. F. vor.289 Das hätte den Vorteil gehabt, der Agentur eine Tätigkeit auch im Bereich der ehemaligen dritten Säule zu ermöglichen, auf die sich Art. 308 EGV nicht erstreckte.290 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dem Unionsgesetzgeber eine Bündelung von Maßnahmen nach verschiedenen Rechtsgrundlagen nur möglich ist, 286

Etwa die Prinzipien der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, vgl. ausführlich u. 3. Teil A., B. 287 Vgl. zum EGV statt vieler z. B. der EASA S. Fritzsche, Das europäische Luftverkehrsrecht und die Liberalisierung des transatlantischen Luftverkehrsmarktes, S. 161. 288 Vgl. O. Suhr, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 88 AEUV Rn. 8. 289 Vorschläge für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, ihre Tätigkeiten in den Bereichen nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union auszuüben, KOM (2005) 280 endg., S. 9. 290 Vgl. S. Eckhardt, Die Akteure des außergerichtlichen Grundrechtsschutzes in der Europäischen Union, S. 290–293; positiv zur Wahl von Art. 308 EGV dagegen Ph. Alston/J. H. H. Wei­ ler, EJIL 9 (1998), S. 658, 681–683; A. Orator, The competence entanglements of the EU Fundamental Rights Agency, in: Kammerlander (Hrsg.), Expertenforum SpringerRecht.at, S. 123, 132 f.; kritisch J. M. Schlichting/J. Pietsch, EuZW 2005, S. 587, 589.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

wenn diese Rechtsgrundlagen keine wesentlich abweichenden Verfahren anordnen. Im Übrigen sind Befugnisse in getrennten Rechtsakten einzeln oder in entsprechend differenzierten Bündeln zu übertragen. 5. Ergänzende und vorsorgliche Abstützung auf Art. 352 AEUV Fraglich ist, ob die Möglichkeit der Kumulation Art. 352 AEUV einschließt, d. h. ob eine Befugniszuweisung zugleich auf speziellen Kompetenznormen und der Vertragsabrundungsklausel beruhen kann. Ein solches Vorgehen bildet in der Gesetzgebungspraxis bei sonstigen Rechtsakten keine Seltenheit und ist vom EuGH bislang nicht beanstandet worden.291 Unter den bestehenden Agenturen findet sich die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die sowohl auf Art.  235 EGV a. F. (≈  Art.  352 AEUV) als auch auf Art. 213 EGV a. F. (≈ Art. 337 AEUV) gestützt wurde. Da letztere Vorschrift allein der Kommission Befugnisse zur Informationsgewinnung verleiht, ist jedoch von einer bloßen Betonung der nur informatorischen Aufgaben der Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auszugehen.292 Voran steht die Frage, ob ein Rückgriff auf Art. 352 AEUV nicht bereits durch dessen tatbestandliche Subsidiarität verwehrt ist, wenn eine spezielle Rechtsgrundlage zwar besteht, aber im konkreten Fall nicht erfüllt ist. Eine entsprechende Auffassung findet sich im älteren Schrifttum.293 Sie wird heute jedoch zu Recht abgelehnt.294 Ihr ist entgegenzuhalten, dass die Union dann auf Feldern, auf denen ihr Kompetenzen in Gänze fehlen, über umfangreichere Kompetenzen verfügte als dort, wo immerhin begrenzte Kompetenznormen bestehen.295 Die Flexibilitätsklausel dient ihrem Sinn und Zweck nach gerade der Überwindung derartiger Defizite, wofür auch die Formulierung der „erforderlichen Befugnisse“ spricht.296 Dasselbe ergibt nicht zuletzt ein Umkehrschluss aus Art. 352 Abs. 3 AEUV, der eine Begrenzung allein für Harmonisierungsmaßnahmen vorsieht. Dass eine Maßnahme den Regelungsbereich oder das Ziel einer speziellen Rechtsgrundlage lediglich berührt, sagt demnach noch nichts über eine Anwendung von Art.  352 291 S. EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P (Kadi u. a./Rat und Kommission), Slg. 2008, I-6351, Rn. 211–216; s. auch J. Gundel, EuR 2003, S. 100, 108. 292 A.  Orator, The competence entanglements of the EU Fundamental Rights Agency, in: Kammerlander (Hrsg.), Expertenforum SpringerRecht.at, S. 123, 129. 293 E.  Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung (Hrsg.), Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Kommentar, Art. 235 Rn. 4. 294 S. nur M.  Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3.  Aufl., Art.  352 Rn.  21; C. U.  Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 72–74. 295 M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 17. 296 M.  Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art.  352 Rn.  21; vgl. auch T. Kahnert, Rechtsetzung im Europäischen Gesellschaftsrecht – Harmonisierung, Wettbewerb, Modellgesetze, S. 26 f.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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AEUV aus. Für Errichtungen und Befugniszuweisungen ist dies vor allem dann entscheidend, wenn zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen einer speziellen Rechtsgrundlage erfüllt sind, ihre Rechtsfolge aber keine institutionell-rechtliche Maßnahme zulässt (so bei auf Richtlinien beschränkten Ermächtigungen wie Art. 115 AEUV). In diesen Fällen instrumentaler Unzulänglichkeit ist dem Unionsgesetzgeber der Rückgriff auf Art. 352 AEUV unbenommen.297 Unklar bleibt, ob in derartigen Fällen zusätzlich zu Art. 352 AEUV auf die dem Ziel oder dem Regelungsbereich nach einschlägige, aber eben unzulängliche spezielle Ermächtigung zurückzugreifen ist. Im Schrifttum wird dies überwiegend als möglich, teils sogar als erforderlich erachtet.298 Auch der EuGH hat ein solches 297 EuGH, Rs.  8/73 (Hauptzollamt Bremerhaven/Massey-Ferguson), Slg.  1973, 897, 907, Rn.  3 ff.; U.  Everling, EuR 1976 (Sonderheft), S.  2, 13 f.; D.  Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 97 f.; M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 23; T. Kahnert, Rechtsetzung im Europäischen Gesellschaftsrecht – Harmonisierung, Wettbewerb, Modellgesetze, S. 26 f.; C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 74–77. Im angeführten Schrifttum ist uneinheitlich von „formeller“, „formaler“ sowie „instrumentaler Unzulänglichkeit“ die Rede. 298 M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 24; als „begrüßenswert“ erachtet dies D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 97 f.; als möglich P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 253. Undeutlich bleiben jedoch die Anforderungen der Literatur an das genaue Vorgehen. So wird im Interesse gerichtlicher Überprüfbarkeit lediglich die Angabe der speziellen Ermächtigungen im Rechtsakt sowie die ausführliche und nachvollziehbare Begründung des gesamten Rechtsakts nach Art. 296 AEUV verlangt (so M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 24). Mit dem entscheidenden Blick auf das Verfahren bleibt dann Art. 352 AEUV maßgebend. Das wäre – wie beschrieben – jedoch einzig dort zulässig, wo sich die jeweiligen Verfahren miteinander vereinbaren lassen, was für nur wenige Vorschriften zutrifft, so für Art. 115 AEUV (M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 294). Nicht mit dem im Art. 352 AEUV angeordneten Verfahren kompatibel ist insbesondere das ordentliche Gesetzgebungsverfahren. Zwar geht das Einstimmigkeitserfordernis nach Art.  352 AEUV unter Wahrung der Zustimmung des Europäischen Parlaments hierüber hinaus; auch eine Anwendung der Subsidiaritätskontrolle gem. Abs. 2 erscheint als formalisierte Sicherung eines allgemeingültigen Prinzips eher als Gewinn. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gestaltet sich in Anbetracht seiner differenzierten Ausgestaltung durch mehrere Lesungen, das Instrument des Vermittlungsausschusses sowie die relativ höhere Gewichtung des Europäischen Parlaments gleichwohl als Aliud (so im Ergebnis wohl auch GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Fn. 80). Zu betonen ist, dass eine Kumulation von Art. 352 AEUV und speziellen Befugnisnormen gerade bei zu vereinbarenden Verfahren nicht justiziabel sein dürfte. So stellte das EuG in der Rechtssache CMA CGM fest, dass „der Klagegrund eines Fehlers bei der Wahl der Rechtsgrundlage zurückzuweisen [ist], da der angebliche Fehler den Klägerinnen nicht die Verfahrensgarantien entzogen hat, die in den einschlägigen Verfahrensvorschriften vorgesehen sind, und sich nicht nachteilig auf ihre Rechtslage ausgewirkt hat“ (EuG, Rs. T-213/00 (CMA CGM u. a./Kommission), Slg. 2003, II-913, Rn. 103; vgl. allgemein zur Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern M. Vogt, Die Entscheidung als Handlungsform des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 289). Problematisch erscheint zudem, ob die so doppelt abgestützten Rechtsakte nach innerstaatlichem Recht als Vertragsabrundung anzusehen sind, in Deutschland also bspw. die parlamentarischen Beteiligungsrechte nach dem Integrations­ verantwortungsgesetz (IntVG) auslösen. Soll auf das „strengere Verfahren“ und damit auch auf Art. 352 Abs. 2 AUEV zurückgegriffen werden, erscheint das jedenfalls geboten.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Vorgehen in seinem ersten Kadi-Urteil gebilligt.299 Eine solche ergänzende Abstützung ist aber bereits in Anbetracht der inneren Voraussetzungen der Flexibilitätsklausel abzulehnen. Mit Verweis auf den Wortlaut („die hierfür erforderlichen [Hervorh. d. Verf.] Befugnisse“) erscheint es zwar denkbar, dass die Verträge nur hinsichtlich der Gesamtmaßnahme keine hinreichende Rechtsgrundlage vorsehen dürfen, die Norm sich damit nur auf den die spezielle Rechtsgrundlage überschießenden Teil des Befugnisbündels erstreckt und im Übrigen subsidiär zurücktritt. Ein „soweit“ („en tant que“, „as far as“) findet sich jedoch weder im Wortlaut der deutschen noch der französischen oder englischen Sprachfassung.300 Der Ansatz ließe sich ohnehin vor allem für spaltbare Rechtsakte fruchtbar machen, die in Teilen spezielle Kompetenznormen erfüllen. Für diese ist jedoch eine Trennung in mehrere Gesetzgebungsvorhaben geboten, um die sachnähere Vorschrift nicht zu umgehen. Das verlangt nicht zuletzt der systematische Ausnahmecharakter der Vertragsabrundung, der auch in der ständigen Rechtsprechung des EuGH eine Betonung findet.301 Erfüllt eine Maßnahme insgesamt nicht die Voraussetzungen spezieller Kompetenznormen, ist sie somit einzig auf Art. 352 AEUV zu stützen.302 Noch über die geschilderte Auffassung hinaus geht der teilweise vertretene Ansatz, die Vertragsabrundungsklausel könne auch für solche Rechtsakte herangezogen werden, die einer speziellen Kompetenznorm gänzlich genügen.303 Hierfür werden Rechtssicherheit und Effektivität staatlichen Handelns ins Feld geführt.304 299 S. EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P (Kadi u. a./Rat und Kommission), Slg. 2008, I-6351, Rn. 211–216, insb. Rn. 216. 300 Franz.: „sans que ceux-ci n’aient prévu les pouvoirs d’action requis à cet effet“; Engl.: „and the Treaties have not provided the necessary powers“. Gleiches gilt für Art. 308 EG und Art.  235  EWG. Unverständlich ist daher die Argumentation bei M.  Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 294 m. w. N. 301 EuGH, Rs. C-22/96 (Parlament/Rat), Slg. 1998, I-3231, Rn. 23 mit Verweis auf Rs. 45/86 (Kommission/Rat), Slg. 1987, 1493, Rn. 13; Rs. C-271/94 (Edicom), Slg. 1996, I-1689, Rn. 13; Rs. C-268/94 (Portugal/Rat), Slg. 1996, I-6177, Rn. 21. 302 M. Rossi, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), 4. Aufl., Art. 352 AEUV Rn. 67–69.; a. A. P. Bar­ todziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S.  253; M.  Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art.  94, 95  EG-Vertrag, S.  294, 309; C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 73 f. Ein anderes Ergebnis geriete insbesondere in Konflikt mit Art. 352 Abs. 3 AEUV. Der Absatz zeigt, dass bei Vertragsabrundungen Kompetenzbeschränkungen im jeweiligen Regelungsbereich allgemein keine Berücksichtigung finden, indem einzig eine Fortgeltung von Harmonisierungsausschlüsseln angeordnet wird (vgl. W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 3443). 303 So C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 73 f. 304 Ebd., S. 73. Nur scheinbar lässt sich dafür die Entscheidung in der Rechtssache Hauptzollamt Bremerhaven gegen Massey Ferguson GmbH aus dem Jahre 1973 ins Feld führen. Zwar gestand der EuGH dort dem Rat trotz Einschlägigkeit spezieller Ermächtigungen den „Rückgriff auf das Verfahren des Artikels 235 [EGV a. F.] im Interesse der Rechtssicherheit“ zu; dies allerdings nur vor dem Hintergrund einer konkreten Rechtsunsicherheit durch den Wandel der Reichweite spezieller Rechtsgrundlagen, EuGH Rs. 8/73 (Hauptzollamt Bremerhaven/Massey Ferguson), Slg. 1973, 897, 907, Rn. 4. Ebenso konnte der Gerichtshof an besagter Stelle keine Umgehung von Verfahrensvorschriften feststellen.

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Dem ist mit den vorstehenden Erwägungen erst recht nicht zuzustimmen. Eine solche Sicht muss insbesondere nach dem Demokratieprinzip auf Bedenken stoßen, würde über erhöhte Anforderungen an den actus contrarius eine Maßnahme doch gleichsam zementiert, für die sich die Mitgliedstaaten auf eine flexiblere Gesetzgebung verständigt haben.305 Ein und derselbe Rechtsakt kann demnach in keinem Fall sowohl auf speziellen Ermächtigungen als auch auf Art. 352 AEUV beruhen.306 6. Ergebnis Damit ergeben sich für die Abgrenzung und Verbindung von Kompetenznormen bei Agenturisierungen die folgenden Grundsätze: (1) Den Gegenstand der Betrachtung bilden allein die zuzuweisenden Befugnisse. (2) Zunächst ist zu prüfen, ob sämtliche Befugnisse jeweils dasselbe übergeordnete Ziel verfolgen bzw. in demselben Regelungsbereich stehen. Ist dies der Fall, können die Befugnisse gemeinsam nach der allein dieser Hauptsache entsprechenden Rechtsgrundlage übertragen werden, sofern die allgemeinen kompetenzrechtlichen Anforderungen erfüllt sind. (3) Unzulässig ist eine Gesamtbetrachtung, die im Wege der Schwerpunktermittlung eine Übertragung auch solcher Befugnisse ermöglichte, die für sich genommen an den Voraussetzungen der gewählten Rechtsgrundlage scheiterten. (4) Lässt sich keine Hauptsache ermitteln, ist eine Abstützung auf die den gleichrangigen Zielsetzungen entsprechenden Rechtsgrundlagen erforderlich. Ebenfalls ist die Abstützung auf mehrere Rechtsgrundlagen erforderlich, wenn keine Rechtsgrundlage den gesamten Kompetenzkatalog erfasst, aber sämtliche Befugniszuweisungen die Voraussetzungen zumindest je einer Rechtsgrundlage erfüllen. Beides gilt jedoch nur dann, wenn sich die durch die verschiedenen Rechtsgrundlagen angeordneten Verfahren miteinander vereinbaren lassen. Anderenfalls ist eine Aufspaltung in verschiedene Gesetzgebungsvorhaben erforderlich. (5) Die (kumulative) Abstützung auf spezielle Kompetenznormen schließt die Anwendung der Flexibilitätsklausel aus. Art. 352 AEUV ist wiederum nur insoweit einschlägig, wie eine abspaltbare Teilmaßnahme auf keine spezielle Kompetenznorm gestützt werden kann. 305 Vgl. H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl. (1929), S. 9; allgemein hierzu auch G. Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), S. 247–287, insb. S. 249, 257 f.; dies. werden in ähnlichem Kontext zu Art. 352 AEUV angeführt bei A. Orator, EuZW 2013, S. 852, 854. 306 So auch H. Siekmann, IMFS Working Paper Series 40/2010, S. 55, abrufbar unter: http:// econstor.eu/bitstream/10419/97756/1/IMFS_WP_40.pdf (29.2.2016); a. A. C. U.  Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 73 f.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

III. Art. 114 AEUV als geschriebene Kompetenz Art. 114 AEUV bildet für den Agenturisierungsprozess mittlerweile die praktisch bedeutendste Kompetenznorm. Beginnend mit der ENISA-VO im Jahre 2004 wurden nunmehr acht der dreizehn jüngsten Agenturgründungen auf die Binnenmarktklausel gestützt. Auch die Tatsache, dass jene Agenturen auf ganz unterschiedlichen Politikfeldern – so gleichermaßen in den Bereichen der Chemikalienwie der Finanzmarktaufsicht – installiert und mit verschiedentlich weit reichenden Befugnissen ausgestattet wurden, unterstreicht die Bedeutung der Vorschrift.307 Bevor im dritten Teil  ein Abgleich mit Verfassungsstrukturprinzipen des Unionsrechts erfolgt, soll diese Praxis nachstehend isoliert im Hinblick auf die gewählte Rechtsgrundlage hinterfragt werden. Dabei wird in einem ersten Schritt der ausdrückliche Gehalt von Art. 114 AEUV geprüft, um sodann mögliche ungeschriebene Kompetenzen in den Blick zu nehmen. Soweit auf die ältere Rechtsprechung des EuGH abgestellt wird, ist diese durch die Urteile in den Rechtssachen ENISA und LeerverkaufsVO teilweise überholt. Da der Gerichtshof in beiden Urteilen allerdings mit früheren Entscheidungen argumentiert, zielt die folgende Untersuchung auch darauf ab, Inkonsistenzen jener Rechtsprechung aufzuzeigen. 1. Anwendungsbereich308 Die Methode der Rechtsangleichung bildet ein zentrales Instrument des europäischen Integrationsprozesses.309 Die Verträge geben der Union das Mittel der Harmonisierung in zahlreichen Politikbereichen zur Verfolgung der ihr in Art. 3 EUV zugewiesenen Ziele an die Hand, so in Art. 53 AEUV für die Diplomanerkennung oder in Art. 113 AEUV für die indirekten Steuern.310 Dass die Rechtsangleichung selbst nicht als Ziel in Art. 3 EUV benannt wird, verdeutlicht ihre dienende Funktion: Sie ist ein Mittel zu vielerlei Zwecken, keineswegs darf sie die Union dagegen l’art pour l’art betreiben.311 Insofern gestaltet sich die Kapitelüberschrift der 307

Ähnlich K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 120. Der Begriff „Anwendungsbereich“ wird teils mit tatbestandlichen Voraussetzungen gleichgesetzt (s. bspw. EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 100). Da eine trennscharfe Abgrenzung „innerer“ und „äußerer“ Gehaltszuweisungen angesichts der Interdependenz von funktional-finalem Tatbestand und Konkurrenzen nicht möglich ist, soll der Begriff hier gleichwohl die äußere Umgrenzung der Norm, i. e. ihr Verhältnis zu anderen Vorschriften sowie ihre Bereichsausnahmen, umschreiben. 309 K. Hailbronner, Der nationale Alleingang im EG-Binnenmarkt, S. 8 f. 310 Eine Übersicht der diversen Angleichungsermächtigungen findet sich bei H. G. Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Vor. Art. 114–118 Rn. 4. 311 So die Formulierung bei W. Hallstein, RabelsZ 28 (1964), S. 211, 214; ebenso Th. v. Dan­ witz, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch d. EU-Wirtschaftsrechts, B. II., Rn. 87; D.-E. Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 1; Th. Oppermann/C. D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 33 Rn. 1; zu Art. 100 a EWG vgl. U. Everling, in: Baur/Hopt/Mailänder (Hrsg.), FS Steindorff, S. 1155 ff., insb. S. 1163 ff. 308

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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Art. 114–118 AEUV, „Angleichung der Rechtsvorschriften“, als wenig geglückt, ermächtigen die Normen doch nicht umfassend, sondern einzig in Bezug auf den Binnenmarkt zur Rechtsangleichung.312 Art. 114 AEUV stellt auch in diesem Bereich eine zwar generelle, nicht aber ausschließliche Ermächtigung dar.313 Speziellere Angleichungsermächtigungen wie Rechtsgrundlagen für Maßnahmen ohne Angleichungscharakter gehen der Binnenmarktklausel vor (Abs. 1 S. 1: „Soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist“).314 Richtigerweise wurden daher bspw. die Seeverkehrsagentur und die Flugsicherheitsagentur nicht auf die Binnenmarktklausel, sondern auf den die Seeschifffahrt und die Luftfahrt betreffenden Art. 80 Abs. 2 EG (Art. 100 Abs. 2 AEUV), und die Eisenbahnagentur auf den allgemein den Verkehr betreffenden Art. 71 Abs. 1 EGV (Art. 91 Abs. 1 AEUV) gestützt. Gem. Art. 114 Abs. 2 AEUV wird der Anwendungsbereich zudem durch Bereichsausnahmen für Bestimmungen über die Steuern, die Freizügigkeit sowie die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer beschränkt.315 Schwierige Abgrenzungsfragen stellen sich für Kompetenznormen, deren Regelungsgehalte sich, wie dies etwa bei Art. 192316 und Art. 207 AEUV317 der Fall ist, mit dem des Art. 114 AEUV überschneiden können, ohne dabei speziell oder subsidiär zu sein. Hier ist mit der oben dargelegten Auffassung auf den Schwerpunkt der einzelnen Agenturbefugnis abzustellen.318 Möchte man in Art. 114 AEUV eine organisationsrechtliche Ermächtigung sehen, so verdeutlicht das Verhältnis zu den übrigen Rechtsgrundlagen den Bedarf nach Konturierung. Ob ein Rechtsakt etwa auf die Binnenmarkt- oder auf die Vertragsabrundungsklausel zu stützen ist, entscheidet schließlich nicht die „Agentur­ politik“ der Kommission, sondern das primärrechtlich angeordnete Verhältnis

312 H. G. Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Vor. Art. 114–118 AEUV Rn. 1. 313 Ebd., Art. 114 AEUV Rn. 2. 314 H.-H. Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 15; D.-E. Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 4. 315 H. G. Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 2. 316 Dazu ausf. A. Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 2. Aufl., S. 64 ff.; (zum Verhältnis von Art. 100a und Art. 130s EGV) A. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, S. 239 ff. 317 Vgl. EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco), Slg.  2002, I-11 453, Rn.  94 ff.; W. Schroeder, EuZW 2001, S. 489, 493 f.; Ch. Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union, S. 502 ff. 318 S. II.; so auch allgemein H. G. Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 2; W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 624; vgl. W. Kahl, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art.  114 AEUV Rn.  83; für eine zweistufige „Bilanzierungstheorie“ plädierend ders., in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 92 ff., insb. S. 98 ff. und S. 105 ff. Zu den in verschiedentlich ausgestalteten Verfahren liegenden Gründen der Auseinandersetzungen s. auch J. Gundel, EuR 2003, S. 100, 103 ff.; T. Stein, EWS 2001, S. 12 ff.; J. Ph. Terhechte, EuZW 2009, S. 199 ff.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

beider Vorschriften. Für diese praktisch wichtigste Konkurrenz verengt sich die Abgrenzung auf den Umfang von Art. 114 AEUV als speziellere Norm.319 2. Errichtung und Funktionieren des Binnenmarktes a) Allgemeines Die Ermächtigung durch Art.  114 AEUV erstreckt sich mit denjenigen Bereichen des Binnenmarktes, für deren Regelung keine speziellen Kompetenz­ normen bereitstehen, auf ein weites Feld: Art.  26 AEUV definiert den Binnenmarkt als „einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist“. Die Angleichungskompetenz zielt jedoch nur auf diejenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, „welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben“. Bei einem wörtlichen Verständnis wären wohl kaum einschlägige Fälle denkbar, da originär mitgliedstaatliche Vorschriften selten die Errichtung und das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts zum Gegenstand haben dürften. Allgemein wird die missverständliche Formulierung daher so gelesen, dass nicht die mitgliedstaatlichen Vorschriften, sondern die auf Art. 114 AEUV gestützten Maßnahmen der Union dieses Ziel verfolgen müssen.320 Dabei ergibt sich aus dem Vergleich mit Art. 115 AEUV („… die sich unmittelbar [Hervorh. d. Verf.] auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken.“) ein weniger strenger Maßstab: Die Auswirkungen von Maßnahmen nach Art.  114 AEUV müssen zwar substantiell und konkret sein, können den Binnenmarkt aber auch nur mittelbar betreffen.321 Einschränkend wirkt das Merkmal ferner insoweit, als dem Unionsgesetzgeber schon hiernach keine allgemeine Kompetenz zur Binnenmarktregulierung zukommt.322 Eine Auslegung, nach der jedwede Betroffenheit des Binnenmarktes 319 S. EuGH, Rs. C-436/03 (Parlament/Rat), Slg. 2006, I-3733, Rn. 36; Rs. C-271/94 (Telematik-Netze), Slg. 1996, I-1689, Rn. 13; H.-H. Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 17. 320 H. G. Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 7.; H.-H.  Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3.  Aufl., Art.  114 AEUV Rn.  10; W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 20. Bspw. in der Rs. C-359/92 ((Deutschland/Rat) Slg. 1994, I-3681, Rn. 37) hat der EuGH die mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften ohne weitere Begründung durch Maßnahmen des Rates ausgetauscht. Der Begriff „Funktionieren“ verdeutlicht, dass die Kompetenz zur Rechtsangleichung mit der Errichtung des Binnenmarktes nicht endet, es sich bei dem Harmonisierungsprozess vielmehr um eine Daueraufgabe handelt, S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 127. 321 GA Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-350/92 (Spanien/Rat), Slg. 1995, I-1985, Rn. 45; W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 20. 322 Ebd. Rn. 24.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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genügte, verstieße nach der Klarstellung des EuGH in seinem ersten Urteil zur Tabak­werberichtlinie gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.323 Vielmehr muss die Maßnahme nach einer Gesamtbetrachtung zu einer Verbesserung des Binnenmarktes beitragen, wodurch binnenmarktbehindernde, binnenmarktperiphere und binnenmarktneutrale Maßnahmen ausscheiden.324 Der Ausschluss solcher negativen Binnenmarkteffekte325 wird für Agenturen vor allem im Kontext von Normkonkretisierungsbefugnissen relevant. Dort ist der Nachweis zu führen, dass die jeweilige regulatorische Maßnahme den Abbau von Hemmnissen für die Grundfreiheiten oder spürbarer Wettbewerbsverfälschungen bewirkt. Treten andere Ziele in den Vordergrund, ist ein Rückgriff auf Art.  114 AEUV unzulässig. b) Binnenmarktbezug und Entscheidungskompetenzen Die Unterscheidung von Regelung und Vollzug führt bei der Binnenmarktklausel nicht erst hinsichtlich der Angleichungswirkung zu Problemen. Konzeptionell bildet den Maßstab für das Binnenmarktkriterium materielles Recht. Für verwaltende Tätigkeiten, wie sie Agenturen ausüben, ist dagegen unklar, womit genau dem Binnenmarkt gedient werden soll. Einerseits ließe sich auf die tertiäre Maßnahme selbst, andererseits auf die sekundärrechtliche Befugnis abstellen. Zunächst ist zu betonen, dass das Erfordernis des positiven Binnenmarkteffekts nicht mit einer totalen Liberalisierung gleichzusetzen ist.326 Beschränkende Vorschriften anzugleichen, bedeutet gerade keine Abschaffung, sondern eine Nivellierung dieser Vorschriften.327 Der positive Binnenmarkteffekt entsteht durch den erzielten Gewinn für den Wettbewerb, etwa in Form verringerter Marktzugangs-

323

Vgl. EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Slg. 2000, I-8419, Rn. 83. A. Hatje, in: v. Bogdandy/Bast (Hrsg.), EuVerfR, S. 801, 839; M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art.  94, 95  EG-Vertrag, S.  210 ff.; W.  Kahl, in: Bernreuther/Freitag/Leible/Sippel/Wanitzek (Hrsg.), FS Spellenberg, S. 697, 709 f.; ders., in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 26; binnenmarktperiphere Regelungen als umfasst ansehend H. D. Jarass, AöR 121 (1996), S. 173, 178 f. Derartige Negativeffekte erkannte der EuGH in der Tabakwerberichtlinie (RL 98/43/EG des EP und des Rates vom 6.7.1998). Der EuGH erklärte die auf Art. 95 EG gestützte Richtlinie für rechtswidrig, da sie nicht den „…tatsächlichen Zweck [hatte]  […], die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern“, sondern vielmehr i. S. einer negativen Regulierung auf die Verbesserung der menschlichen Gesundheit abzielte, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Slg. 2000, I-8419, Rn. 83 ff., 115. 325 Zum Begriff s. W.  Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4.  Aufl., Art.  114 AEUV Rn. 26. 326 GA Fennelly, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Slg. 2000, I-8419, Rn. 86; H.-H. Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 29 ff. 327 Ebd. Rn. 29 f. 324

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

kosten. Die für Art. 114 AEUV erforderliche Zweckdienlichkeit liegt also nicht in dem letztlichen harmonisierten Beschränkungsniveau, sondern in der Überwindung der Differenz verschiedener Niveaus.328 Einzelfallbezogene Maßnahmen auf der Grundlage harmonisierter Vorschriften oder – wie im Falle der Agenturen – auf der Grundlage „harmonisierenden“ Sekundärrechts können diesen Effekt nicht erzielen. Freilich mag man sich gerade im Bereich der Finanzmarktaufsicht Einzelfallentscheidungen vorstellen, die i. S. eines akuten Krisenmanagements zum Funktionieren des Binnenmarktes beitragen. Aus der Unzulässigkeit weiten Ermessens nach der Meroni-Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass derartige Interventionen nur die sich im Einzelfall aus der Nivellierung ergebende Folge abbilden können.329 Deutlicher wird das am Beispiel gebundener Entscheidungen, wie sie die ECHA trifft: Im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Chemikalien wird einzig die Vollständigkeit der durch den Hersteller vorgelegten Dokumente überprüft. Dort erscheint es fernliegend, bspw. in einem negativen Bescheid wegen fehlender Unterlagen eine Verbesserung von Marktfunktionen zu erkennen. Abzustellen ist vielmehr auf die sekundärrechtliche Befugnis, die für den Binnenmarkt einen kohärenten Vollzug bedeutet.330 Dass sich etwa das harmonisierte Chemikalienrecht nach REACH nicht allein auf materiell-rechtliche Vorschriften erstreckt, sondern die ECHA als zentrale Schaltstelle die Registrierung, Bewertung, und Zulassung chemischer Stoffe auch implementiert, erscheint i. S. einer einheitlichen Anwendung des harmonisierten Chemikalienrechts plausibel.331 Aus dem Grundsatz gerichtlicher Überprüfbarkeit der Rechtsgrundlagenwahl ergibt sich, dass sowohl das Ziel positiver Binnenmarkteffekte als auch der tatsächliche Regelungsgehalt der Maßnahme objektiven Kriterien standhalten müssen.332 Wie das ENISA- und das Leerverkaufs-Urteil gezeigt haben, relativiert der EuGH seine Judikatur diesbezüglich aber insofern, als er dem Unionsgesetzgeber vielfach wirtschaftspolitische Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume zuerkennt.333 Die Kontrolle von Agenturgründungen steht damit in großer Nähe zu einer vom Gerichtshof immer wieder befolgten Maxime, die auf Art. 33 Abs. 1 EGKS-Vertrag zurückgeht. Nach jener Vorschrift erstreckt sich die gerichtliche Nachprüfung grundsätzlich nicht auf „die Würdigung der sich aus den wirtschaft-

328 Ebd. m. w. N.; a. A. wohl M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 97; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 168. 329 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 127. 330 Insoweit ist der überwiegenden Ansicht des Schrifttums, nach der eine Rechtsangleichung auch bei materieller Gleichwertigkeit der mitgliedstaatlichen Niveaus möglich ist, letztlich zuzustimmen, vgl. statt vieler M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 97. 331 Vgl. Erwägungsgrund 2 und insb. 9., 44 der VO (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2006, ABl. EU 2006 L 396/1. 332 H.-H. Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 22. 333 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 114 f.

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lichen Tatsachen oder Umständen ergebenden Gesamtlage“.334 Im Hinblick auf die allgemein zu unterstellende Überlegenheit zentraler Verwaltungslösungen für den Marktzugang dürften Agenturen als Schaltstellen, subsidiäre Aufsichten oder Netzwerkverwalter dieser Evidenzprüfung335 regelmäßig standhalten. Dementsprechend hat der EuGH die gesetzgeberischen Annahmen in den Erwägungsgründen der ENISA- und ESMA-VO336 nicht hinterfragt.337 Das Kriterium des Binnenmarktbezugs lässt es dem Unionsgesetzgeber damit weitgehend unbenommen, Agenturen Entscheidungskompetenzen zuzuweisen. Auf keine Bedenken stoßen insbesondere die durch Agenturen in vielfältiger Weise ausgeübten Maßnahmen von abstrakt-genereller Wirkung, d. h. normkonkre­ tisierende sowie informatorische Tätigkeiten. 3. „Maßnahmen zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ Auf Schwierigkeiten stößt die Heranziehung von Art. 114 AEUV für institutionell-rechtliche Akte dagegen beim Kriterium der „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften“. Hier verengt sich der Handlungsspielraum des Unionsgesetzgebers nicht etwa durch weitere sachbezogene Anforderungen, sondern durch eine modale Vorgabe, die Agenturen als zulässiges Instrument fraglich erscheinen lässt. a) Abgrenzung zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz und Verhältnis zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Der vertraglich nicht definierte Begriff der Rechtsangleichung steht nach allgemeinem Verständnis für „die Anpassung innerstaatlicher Vorschriften an einen unionsrechtlich vorgegebenen Standard“.338 Als überwiegend synonym werden die in den verschiedenen Rechtsgrundlagen verwendeten Begriffe „Koordinierung“ 334 Vgl. zu dieser Praxis A. Hatje, in: v. Bogdandy/Bast (Hrsg.), EuVerfR, S. 801, 808 unter beispielhaftem Verweis auf EuGH, Rs. C-233/94 (Deutschland/Parlament und Rat), Slg. 1997, I-2405, Rn. 55 f. Zur Kontrollmaxime des EGKS-Vertrags s. eingehend H. Matthies, ZaöRV 16 (1955/56), S. 427–450. 335 Vgl. W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 626. 336 S. insb. die Erwägungsgründe 10 und 11 der ENISA-VO sowie bspw. Erwägungsgrund 8 der VO (EU) Nr.  1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010, ABl. EU 2010 L 331/84; vgl. Ch.  Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 156–158. 337 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 114 f. 338 H. G.  Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6.  Aufl., Vor. Art.  114–118 AEUV Rn. 1; s. auch Th. v. Danwitz, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch d. EU-Wirtschaftsrechts, B. II., Rn. 85 ff.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

(bspw. Art.  52 Abs.  2, Art.  53 Abs.  1, 2 AEUV) und „Harmonisierung“ (bspw. Art.  113 AEUV) verstanden.339 Da „Koordinierung“ im hier untersuchten Kontext ebenso nichtregelnde Maßnahmen von Agenturen meint,340 sollen im Folgenden allgemein nur die Begriffe der Rechtsangleichung und Harmonisierung verwendet werden. Wie der EuGH in seiner Entscheidung zur Tabakwerberichtlinie aus dem Jahr 2000 betont hat, ist bei der Auslegung des Kriteriums der Angleichungswirkung insbesondere die Unterscheidung von Art.  114 AEUV (dort: Art.  100a  EG) zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz zu beachten.341 Die Norm stellt, auch nach zahlreichen Reformierungen, eine bewusste Entscheidung der Mitglied­ staaten gegen die 1985 durch die Kommission vorgeschlagene Befugnis zum Erlass jeglicher die Verwirklichung des Binnenmarktes fördernder Rechtsakte dar.342 Die insoweit vorgesehene Formulierung „The Council, acting by  a qualified­ majority on a proposal from the Commission and after consulting the European Parliament and the Economic and Social Committee, shall adopt all necessary measures for the ­establishment and functioning of the internal market.“ (Art.  2 S. 1) unterscheidet sich von Art. 114 AEUV maßgeblich durch die Absenz einer Mittelvorgabe. Eine Ausweitung ist daher nur insoweit zulässig, wie sie die Vorgabe des Mittels „Rechtsangleichung“ achtet.343 Das gilt umso mehr, als es sich bei der Wahrnehmungskompetenz für den Binnenmarkt gem. Art. 4 Abs. 2 lit. a AEUV um eine geteilte Zuständigkeit handelt, sich durch jede Ausübung dieser Zuständigkeit also der Bereich der Kompetenzen der Mitgliedstaaten verkleinert.344 Denn aufgrund des Vorrangs der übergeordneten Ebene nach Art. 2 Abs. 2 S. 2, 3 AEUV dürfen die Mitgliedstaaten hier nur tätig werden, sofern und soweit die Union ihre Kompetenz nicht oder nicht mehr wahrnimmt. Soll das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nicht leerlaufen, muss die Abgrenzung zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz die Auslegung von Art. 114 AEUV bedingen.345 339 K.-D. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 5. Aufl., Rn. 806; H. G.  Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Vor. Art.  114–118 AEUV Rn.  1; S.  Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S.  124. Zur Unterscheidung von Koordinierung und Rechtsangleichung s. dagegen noch EuGH, Rs. 41/84, Slg.  1986, 1, sowie die Erläuterung bei E.  Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S.  90 (insb. Fn. 265). 340 S. o. 1. Teil D. III. 3. a). 341 EuGH, Rs. C-376/98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I-8419, Rn. 84. 342 H.-H. Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 10; der Kommissionsvorschlag vom 16.9.1985 ist abgedruckt bei C. D.  Ehlermann, CML Rev 1987, S. 361, 405. 343 GA Kokott, Schlussanträge vom 22.9.2005, Rs. C-217/04, Rn. 41. 344 W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 623. 345 Im Ergebnis ebenso M.  Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art.  94, 95  EG-Vertrag, S. 150 f.; ähnlich W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 623, 624 ff., wobei die Bedeutung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung missverständlich beschrieben wird: Durch die „Wirkungsweise von Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV“ spiele das Prinzip keine unmittelbare Rolle mehr (S. 626). Das ist insofern unzutreffend, als das Prinzip seinen Gehalt gerade im Rahmen

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Teils wird dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung bei der Auslegung weit gefasster Kompetenznormen über den beschriebenen Gehalt als Rechtsregel346 hinaus die Funktion eines Auslegungsprinzips zugeschrieben.347 So sei eine extensive Auslegung insbesondere der Binnenmarkt- und der Flexibilitätsklausel ausgeschlossen, um mitgliedstaatliche Handlungsspielräume zu wahren. Dabei wird zum Teil die Feststellung des Gerichtshofs in seinem ersten Urteil zum Tabakwerbeverbot angeführt, nach der eine weite Auslegung i. S. einer allgemeinen Kompetenz zur Regelung des Binnenmarktes nicht nur dem Wortlaut widerspräche, sondern auch mit dem Grundsatz unvereinbar wäre, dass die Befugnisse der Gemeinschaft auf Einzelermächtigungen beruhen.348 Nach Ludwigs spreche der EuGH mit dieser Trennung von Kompetenznorm einerseits und Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung andererseits Letzterem einen „über das formale Er­ fordernis des Bestehens einer ausdrücklichen vertraglichen Ermächtigung hinausgehenden Gehalt als Auslegungsprinzip zu“.349 Dies bestätige zudem Rn. 107 der Urteilsgründe, wonach die Heranziehung der Binnenmarktklausel für Bestimmungen zur Beseitigung von lediglich geringfügigen Wettbewerbsverzerrungen gegen das Prinzip verstoße.350 Es stellt sich die Frage, was der genaue, jenseits der Rechtsregel stehende Gehalt als Auslegungsprinzip sein soll. Im Ergebnis geht das Plädoyer nicht über eine Restriktion hinaus. Das Gebot der restriktiven Auslegung weit gefasster Kompetenznormen ergibt sich aber bereits unmittelbar aus der Rechtsregel vom Vorbehalt einer mitgliedstaatlichen Ermächtigung. Wo eine Ermächtigung nicht festgestellt werden kann oder in Zweifel steht, ist eine Kompetenz der Union zu verneinen.351 Das ist die sich unmittelbar aus Art. 5 EUV ergebende Richtschnur

der Auslegung von Art. 114 AEUV entfaltet. Ist Art. 114 AEUV erfüllt, kommt dem Prinzip freilich keine Bedeutung (mehr) zu (so dann auch zutreffend: „Ein Beitrag zur Verwirklichung des Binnenmarktes liegt ebenso wie die übrigen Voraussetzungen des Art. 114 AEUV vor. Damit ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung […] gewahrt.“ (ebd.)). 346 B. de Witte, The Role of Institutional Principles in the Judicial Development of the European Union Legal Order, in: Snyder (Hrsg.), The Europeanisation of Law: The Legal Effects of European Integration, S. 83, 85. 347 H.-P. Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, S. 120; wohl auch Th. v. Danwitz, DVBl. 1998, S. 421, 429; A. Dashwood, ELRev 21 (1996), S. 113, 123; M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 150 f.; ablehnend in Bezug auf Art. 235 EGV M. Bungenberg, Art. 235 EGV nach Maastricht, S. 123–132; s. ferner H.-P. Folz, Demokratie und Integration – Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof über die Kontrolle der Gemeinschaftskompetenzen, S. 267 ff. 348 EuGH, Rs. C-376/98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I-8419, Rn.  83, angeführt bei M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 150 f. 349 Ebd., S. 151. 350 Ebd. (EuGH, Rs. C-376/98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I-8419, Rn. 107). 351 H.-P. Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, S. 120.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

a priori einer jeden Rechtsgrundlagenwahl.352 Nichts anderes ist den angeführten Aussagen des EuGH zu entnehmen: Ein Verständnis vom Willen der Mitgliedstaaten mag sich nicht allein aus dem Wortlaut der Binnenmarktklausel ergeben. Da der Wortlaut vielmehr im Kontext der Ablehnung einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz gelesen werden muss, ist eine extensive Lesart nicht von der Ermächtigung gedeckt. Soll sich die Funktion des „Auslegungsprinzips der begrenzten Einzelermächtigung“ in einem Verbot einer extensiven, Wortlaut wie Telos überdehnenden Auslegung erschöpfen, ist die Behauptung eines solchen Prinzips eine semantische.353 Unabhängig davon ist jede Auslegung von Art.  114 AEUV unzulässig, die über das vorgegebene Mittel der Rechtsangleichung hinausgeht. b) Wahl der Handlungsform Hinsichtlich der Wahl der Handlungsform suggeriert der Begriff der Rechtsangleichung auf den ersten Blick das Erfordernis einer Richtlinie. Richtlinien bilden das Paradigma von Art. 114 AEUV. Indem sie gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV Ziele vorgeben, zugleich aber bei der Umsetzung den mitgliedstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlassen, wird eine die Rechtsverein­heitlichung kennzeichnende Uniformität des Rechts vermieden und eine die Rechtsangleichung prägende Wahrung der mitgliedstaatlichen Identität des Rechts erhalten.354 Gleichwohl hat sich im Zuge einer weiten Auslegung des Angleichungsbegriffs die Auffassung durchgesetzt, dass ebenso Verordnungen und Entscheidungen unter den Begriff der Angleichungsmaßnahme fallen können.355 Dafür spricht bereits der Wortlaut, nach dem zu „Maßnahmen“, nicht zu „Richtlinien“ ermächtigt wird.356 In diesem Zusammenhang wird mittlerweile auch das Postulat des EuGH aus dem ENISA-Urteil357 angeführt, das dem Unionsgesetzgeber insbesondere in Bereichen technischer Komplexität bei der Wahl der Handlungsform einen Ermessensspielraum hinsichtlich der zur Erreichung des angestrebten Ergebnisses am besten geeigneten Angleichungstechnik zuerkennt.358 Die Annahme eines solchen Ermessensspielraums hatte der Gerichtshof tatsächlich bereits in seiner Rauch-

352 Ähnlich W. Schroeder, der aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung lediglich den Ausschluss einer Kompetenz-Kompetenz erkennt und das Gebot einer Restriktion ablehnt, ders., EuR 1999, S. 452, 456 f. 353 Ähnlich Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 244. 354 Vgl. W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 13. 355 GA Saggio, Schlussanträge zu EuGH, Rs. C-319/97 (Kortas), Slg. 1999, I-3143, Rn. 14; H. G. Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Vor. Art. 114 AEUV Rn. 21; W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 13; zur überkommenen Auffassung vgl. H. v. d. Groeben, NJW 1970, S. 359, 361. 356 Vgl. Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 240. 357 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 45. 358 So bei W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV, Rn. 28.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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aromen-Entscheidung vertreten.359 Eine Beschränkung auf Richtlinien ist schließlich durch einen Umkehrschluss aus Art. 115 AEUV abzulehnen, wo als Mittel zur Harmonisierung ausdrücklich allein Richtlinien vorgesehen sind.360 Somit ist weder das für Errichtungen wie Befugniszuweisungen gebotene Mittel der Verordnung verwehrt, noch kann schon mit Blick auf die gestattete Handlungsform der „Maßnahmen“ auf die Unzulässigkeit institutionell-rechtlicher Akte geschlossen werden.361 Auch diese Auslegung weitet die Norm jedoch nicht derart, dass eine Angleichungswirkung entbehrlich würde. c) Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung Der Etablierung von Agenturen auf der Grundlage von Art. 114 AEUV könnte die Unterscheidung von Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung entgegenstehen. Nach einer engen Auslegung lässt sich „Angleichung“ nur als Veränderung des mitgliedstaatlichen Rechts verstehen; die vollständige Ablösung der mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in dem jeweiligen Sachbereich durch eine einheitliche unionale Regelung scheint den Wortlaut dagegen zu überdehnen.362 So lässt sich gerade die Ablehnung einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz dahingehend verstehen, dass durch eine grundsätzliche Wahrung der mitgliedstaatlichen Rechtsetzungsbefugnis den verschiedenen Regulierungsniveaus in kompetenziell schonender Form begegnet werden soll. Ob dieser Weg mit Agenturen gegangen wird, erscheint fraglich. Allgemein treten die unionalen Rechtsakte hier neben die mitgliedstaatlichen Vorschriften, anstatt sie direkt zu verändern. Zudem werden durch Befugniszuweisungen an Agenturen Zuständigkeiten nationaler Stellen vereinzelt gänzlich verdrängt. Teilweise werden vereinheitlichende Angleichungen jedoch als allgemein zulässig angesehen. So ist Rechtsvereinheitlichung nach Schreiber „die zwar intensivste, aber dennoch eine zulässige Form der Rechtsangleichung“.363 Zwar sei ein solches Vorgehen in der Regel nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unzulässig; gleichwohl ergebe sich „kein zwingender Grundsatz, daß den Mitgliedstaaten bei der Rechtsangleichung ein gewisser Entscheidungsspielraum verbleiben muß.“364 Eine Vereinheitlichung sei demnach zulässig, sofern sie die Vertragsziele

359

EuGH, Rs. C-66/04 (Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat), Slg.  2005, I-10553, Rn. 45. 360 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 240. 361 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 156. 362 So bereits H. v. d. Groeben, NJW 1970, S. 359, 361; s. auch Th. v. Danwitz, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch d. EU-Wirtschaftsrechts, B. II., Rn. 86; W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 13. 363 S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 125. 364 Ebd.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

ausreichend berücksichtige und die unionalen und mitgliedstaatlichen Interessen in einen gerechten Ausgleich bringe.365 Nach dieser Sicht verschwimmen allerdings die Merkmale der Angleichungswirkung und des Binnenmarktbezugs. Im Ergebnis wird Ersteres mit Letzterem gleichgesetzt, was Art. 114 AEUV auf eine allgemeine Binnenmarktkompetenz hinauslaufen ließe. Auch diese wäre als geteilte Zuständigkeit durch die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit begrenzt, sodass ihre Anwendung einen gerechten Interessenausgleich erforderte. Schon aus diesem Grund kann der Gehalt des Angleichungskriteriums nicht auf einen bloßen Interessenausgleich reduziert werden.366 Der Ansicht ist im Ergebnis gleichwohl dahingehend zuzustimmen, als sich das Angleichungskriterium nicht durch die Unterscheidung von Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung definieren lässt. Gegen das Differenzierungskriterium „Vereinheitlichung“ sprechen schon grundlegende Annahmen, so maßgeblich die beschriebene Offenheit von Art.  114 AEUV in Bezug auf Handlungsformen: Soll Art.  114 AEUV nach ganz überwiegender Auffassung auch zu Verordnungen und Richtlinien mit weitreichenden bindenden Vorgaben ermächtigen, wird die Abgrenzung von Angleichung und Vereinheitlichung obsolet.367 Verordnungen leisten durch das sie kennzeichnende Merkmal der unmittelbaren Wirkung und allgemeinen Geltung stets eine Vereinheitlichung.368 Trennschärfe ist selbst durch ein restriktives, allein das Instrument der Richtlinie zulassendes Verständnis nicht zu gewinnen: Richtlinien entfalten im Rahmen ihrer verschiedentlich umfangreichen Zielvorgaben Bindungswirkung. Mag das harmonisierte Recht letztlich formal mitgliedstaatlicher Natur bleiben, ist es gleichwohl unional determiniert und hinsichtlich des spezifischen Gehalts der Richtlinie insofern vereinheitlicht.369 Ob eine Rechtsangleichung als solche oder als Rechtsvereinheit­ lichung erscheint, hängt also stets von der Weite des Blickfelds ab und bildet damit eine normative Frage.370 Das Kriterium verblasst insbesondere durch die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien.371 Durch sie erfolgt in letzter Konsequenz eine Ersetzung mitgliedstaatlicher Vorschriften, was bei Erlass des Gesetzgebungs-

365

So ebd. Ähnlich R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 729. 367 W.  Frenz/Ch.  Ehlenz, EuZW  2011, S.  625; W.  Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 4. Aufl., Art. 115 AEUV Rn. 13; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S.  163 f.; S.  Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 125. 368 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 163 f.; vgl. M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 195 f. 369 M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 195; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 164. 370 Ähnlich W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 625, die eine Möglichkeit der Begrenzung dieser Weite durch Art. 114 AEUV selbst sehen, ohne näher auf deren Ausgestaltung einzugehen. Insoweit käme nur eine Begrenzung über das Binnenmarktkriterium in Betracht, dessen Überprüfung jedoch ebenfalls zunehmend als bloße Evidenzkontrolle erscheint. 371 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 164. 366

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akts jedoch nicht prognostiziert werden kann. Soll sich die Wahl der Rechtsgrundlage gerade nach objektiven Kriterien bemessen, muss die nur ex post festzustellende (fehlende) Umsetzung durch die Mitgliedstaaten außer Betracht bleiben. d) Keine Beschränkung auf materielle Rechtsakte Errichtungen und Befugniszuweisungen nach Art. 114 AEUV wären unzulässig, wenn als Angleichungsmaßnahmen allein materiell-rechtliche Regelungen zu verstehen wären. Durch die Gründung und kompetenzielle Ausstattung von Agenturen werden nicht etwa Sachfragen, sondern Organisations-, Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen geregelt. Unbeachtlich ist insofern die Offenheit des Maßnahmebegriffs. Von dessen Weite allein darf noch nicht auf den Umfang des Angleichungskriteriums geschlossen werden.372 Für einen grundsätzlichen Ausschluss von Organisationsrechtsakten spricht der teleologisch enge Bezug der Vorschrift zur sachlich-regelnden Tätigkeit der Mitgliedstaaten.373 Eine solche Sicht scheint die systematische Auslegung zu stützen: Die auf Abs. 1 folgenden Absätze beziehen sich auf Sachmaterien, nicht dagegen auf Organisationsfragen.374 Tatsächlich ist aber keine derartige Einschränkung festzustellen. Der Bezug der Folgeabsätze kann allenfalls ein Indiz sein. Wortlaut und Telos sind insoweit offen. Insbesondere kann nicht vom Kreis der Angleichungsobjekte auf eine zwingend materiell-rechtliche Natur von Angleichungsmaßnahmen geschlossen werden. Objekt der Angleichung bilden nach Art.  114 AEUV die „Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“. Beide Bezugspunkte sind nicht formell zu bestimmen; entscheidend sind nach Sinn und Zweck vielmehr die von ihnen ausgehenden Funktionsstörungen für den Binnenmarkt.375 Zu den Rechtsvorschriften zählen daher neben staatlichen Gesetzen im formellen wie materiellen Sinne, Verordnungen, Kollektivverträgen und autonomen Satzungen auch nationales Gewohnheitsrecht, ungeschriebene Rechtsgrundsätze sowie Case Law.376 Unter „Verwaltungsvorschriften“ sind verbindliche Entscheidungen übergeordneter Behörden an nachgeordnete Funktionsträger von generell-abstrakter Wirkung zu verstehen, bspw. Verwaltungsverordnungen oder auch ständige Verwaltungspraxis.377 Ihnen selbst muss keine Außenwirkung zukommen, solange sie mittelbar negative 372 Vgl. T. O.  Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 122. 373 R. v. Borries, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS Everling (Bd. I), S. 127, 133; T. O. Kos­ lowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S.  122; S.  Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 122. 374 Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 373. 375 H.-H. Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 34. 376 Th.  Oppermann/C.-D.  Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6.  Aufl., § 32 Rn.  12; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 127. 377 C. D.  Classen, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 115.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Binnenmarkteffekte hervorrufen können.378 Daher können – für den europäischen Verwaltungsverbund besonders bedeutsam – ebenso interne Verwaltungsvorschriften den Gegenstand von Harmonisierungsmaßnahmen bilden.379 Entscheidend ist, dass Verwaltungsvorschriften im Unterschied zu Vorschriften über Rechtssätze schon nach allgemeinem Begriffsverständnis keinen materiellen Bezug aufweisen müssen.380 Daraus ergibt sich jedoch allein, dass Angleichungsmaßnahmen einen Bezug zum Organisationsrecht, mit Blick auf das Angleichungsobjekt der mitgliedstaatlichen Vorschriften namentlich zum mitgliedstaatlichen Organisationsrecht, aufweisen können. Ermöglicht werden die innerstaatlichen Verwaltungen strukturierende Maßnahmen wie die (nicht auf die Binnenmarktklausel gestützte) Verpflichtung zur Einrichtung eines Einheitlichen Ansprechpartners.381 Erkenntnisse über den Aufbau einer Eigenverwaltung der Union oder über die Zulässigkeit einzelfallbezogener Entscheidungen ergeben sich demgegenüber nicht. Insbesondere kann nicht gefolgert werden, dass Angleichungsmaßnahmen nicht normativ sein müssen.382 Die Attribute „normativ“ und „materiell-rechtlich“ sind zwar eng miteinander verknüpft und werden teils synonym verwendet.383 Die Unterscheidung wird jedoch maßgeblich, wenn man Normativität i. S. außenwirksamer Vorgaben, materiell-rechtliche Maßnahmen dagegen als Sachregelungen begreift. Denn bei einer Mehrzahl von Hoheitsträgern können auch solche Vorgaben als normativ verstanden werden, die keinen sachlichen Gegenstand, sondern Strukturen und Verfahren der jeweils anderen Einheit regeln. Organisations- oder verfahrensrechtlichen Vorgaben der Union gegenüber den Mitgliedstaaten ist dementsprechend ein normativer Charakter zuzuerkennen. e) Zur Gleichsetzung von sekundärrechtlicher Attribution und potenzieller tertiärer Angleichungsmaßnahme Etwas anderes kann für Vorgaben gelten, die die Organisation der Union selbst zum Gegenstand haben. Dort gebietet das Angleichungskriterium zunächst eine Betrachtung der verschiedenen Akteure und Handlungen. So ist für Agenturen zwischen der Errichtung und der verschiedentlich umfangreichen Befugniszuweisung

378

M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 97. H.-H. Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 34. Zur eingeschränkten Reichweite des Harmonisierungsausschlusses nach Art. 197 Abs. 2 S. 4 AEUV s. u. 3. Teil C. I. 2. 380 Vgl. Creifelds/Weber (Hrsg.), Rechtswörterbuch, 21. Aufl.; Stichwort Norm. 381 Die DienstleistungsRL wurde auf Art.  47 Abs.  2 S.  1, 3, Art.  55 EGV (≈ Art.  53, 62 AEUV) gestützt. 382 Vgl. R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 729. 383 Vgl. Creifelds/Weber (Hrsg.), Rechtswörterbuch, 21. Aufl.; Stichwort Norm; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 729. 379

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durch den Unionsgesetzgeber einerseits und der Ausübung der Befugnisse durch die Agentur andererseits zu unterscheiden. Die Errichtung einer Agentur als solche kann keine Angleichung mitgliedstaatlicher Vorschriften im engen Sinne des Wortes bewirken.384 Agenturen sind Einrichtungen der Union, ihre Errichtung erfolgt zwangsläufig durch die Union. Weder im Ursprung noch im Ziel wird die Sphäre des mitgliedstaatlichen Rechts tangiert. So ist wiederholend festzustellen, dass jedenfalls dieser Teilaspekt einer Agenturgründung den Tatbestand von Art.  114 AEUV nicht erfüllen kann. Wie aufgezeigt, findet eine Errichtung jedoch nie isoliert statt.385 Angesichts der zwingenden Akzessorietät wäre die fehlende Angleichungswirkung unschädlich, wenn die jeweilige Befugniszuweisung als Harmonisierungsmaßnahme einzuordnen wäre. Allerdings vermögen Befugniszuweisungen für sich genommen mitgliedstaatliches Recht ebenso wenig unmittelbar anzugleichen. Denn auch die zugewiesene Kompetenz verbleibt  – ungeachtet ihrer Ausübung  – in der unionalen Sphäre.386 Wie durch das Vereinigte Königreich in der Rechtssache ENISA dargelegt, handelt es sich um neues, die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen überlagerndes Recht, das die Mitgliedstaaten folglich nicht durch den zeitgleichen Erlass identischer Rechtsvorschriften schaffen könnten.387 Für Teile der Literatur kann Art. 114 AEUV schon aus diesem Grund nicht als Rechtsgrundlage für Agenturisierungen dienen.388 Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Gründung und kompetenzielle Ausstattung von Agenturen für sich genommen keine Angleichung mitgliedstaatlicher Vorschriften bewirken kann. Auch Maßnahmen von Agenturen selbst weisen einen Angleichungserfolg jedenfalls nicht insoweit auf, als mit ihnen direkt mitgliedstaatliche Vorschriften verändert würden.389 Das gilt insbesondere für einzelfallbezogene Entscheidungen: Dort können zwar Ge- und Verbote für mitgliedstaatliche Stellen entstehen, dies aber nur bezogen auf den konkreten Sachverhalt und nicht durch eine Veränderung des innerstaatlichen Rechts.390 Ein weniger deutliches Bild ergeben tertiäre Maßnahmen informatorischer und normkonkretisierender Natur. Zwar können Agenturen durch sie ebenso wenig unmittelbar auf Vorschriften einwirken: Selbst bei den weitestgehenden Normkonkretisierungsbefugnissen, den Kompetenzen der 384 Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  240; Ch.  Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 159; E. Vos, CML Rev 37 (2000), S. 1113, 1122. 385 S. o. 1. Teil D. I. 386 Vgl. zu den Adressaten Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7, 14. 387 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 11 f. 388 D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 88; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 729; vgl. auch U. Häde, EuZW 2011, S. 662, 663. 389 Ähnlich Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 159 f., die einen solchen Erfolg aber für rechtlich verbindliche Maßnahmen der EIOPA anerkennt. Unklar bleibt, wie rechtliche Verbindlichkeit mit einer Angleichung von Vorschriften gleichgesetzt werden kann. 390 A. A. ebd.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

ESA zum Erlass technischer Regulierungs- und Durchführungsstandards, steht das Letztentscheidungsrecht der Kommission zu.391 Allerdings wirken die ESA dort immerhin direkt an Rechtsetzungsprozessen mit. Teils wird daher unter Verweis auf das ENISA-Urteil ein Erst-recht-Schluss gezogen: Erkenne der EuGH bereits in den schwachen Befugnissen der ENISA einen potenziellen Beitrag zur Rechtsangleichung, müsse das erst Recht für eine derart konkrete Einbindung von Agenturen bei der Normgebung gelten.392 Dem ist insofern beizupflichten, als abgesehen von Fällen, in denen die Agentur der Kommission nicht innerhalb bestimmter Fristen einen entsprechenden Entwurf vorgelegt hat,393 die Mitwirkung der Agentur immerhin condicio sine qua non für den finalen Rechtsakt ist. In geringerem Maße kann zudem durch Gutachten, Studien und Handbücher die Angleichung mitgliedstaatlichen Rechts zumindest beabsichtigt und tatsächlich gefördert werden. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass die nationalen Gesetzgeber oder sonstige normsetzende Stellen auf neue Erkenntnisse von Agenturen mit der Anpassung bestehender Vorschriften reagieren. Dass der Erfolg solcher Förderungen jedoch ein höchst mittelbarer ist, gilt umso mehr, als die überwiegenden Adressaten mitgliedstaatliche Behörden bilden. Diese mögen ihrerseits teils zu exekutiver Rechtsetzung oder quasi-bindenden Rundschreiben befugt sein. In der Regel können sie auf die einschlägigen Vorschriften der Mitgliedstaaten aber nicht selbst einwirken.394 Die hier aufkommende Frage nach dem Kriterium der Unmittelbarkeit von Angleichungsmaßnahmen harrt einer eingehenden Behandlung durch die Wissenschaft, obgleich sie schon in der Raucharomen-Entscheidung des EuGH deutlich hervortrat.395 Im Zusammenhang mit den europäischen Agenturen hat sich insbesondere Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen zum Verfahren um die ENISA mit der Zulässigkeit mehraktiger Harmonisierungen beschäftigt.396 Aus dem Schrifttum findet sich eine nähere Erörterung bei Keune.397 Den Ausgangspunkt der Diskussion bildet die Erkenntnis, dass Angleichungsmaßnahmen mitgliedstaatliche Vorschriften nicht derart unmittelbar verändern müssen, als jedweder Zwischenschritt unzulässig wäre. Eine absolute Unmittelbarkeit ist schon deshalb nicht zu verlangen, weil bereits die paradigmatische Angleichung per Richtlinienerlass das mitgliedstaatliche Recht angesichts der 391

Ebd. T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 136. 393 Vgl. Art. 10 Abs. 3, Art. 15 Abs. 3 der jeweiligen ESA-VO. 394 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 175 m. w. N. zur rechtlichen Einordnung von Rundschreiben der BaFin. 395 EuGH, Rs. C-66/04 (Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat), Slg.  2005, I-10553, Rn. 47–50. 396 GA Kokott, Schlussanträge vom 22.9.2005, Rs. C-217/04, Rn. 34–36. 397 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 159–163; in der Kommentarliteratur klingt das Problem lediglich an, vgl. statt vieler C. D. Classen, in: v. d. Groeben/ Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 120 ff. 392

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Umsetzungsbedürftigkeit letztlich nur mittelbar berührt.398 Dem ließe sich entgegenhalten, dass Richtlinien gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV immerhin eine unmittelbare, wenn auch möglicherweise aufgeschobene Verpflichtung zur Harmonisierung begründen und (zunächst) keine sonstigen Rechtserfolge zeitigen. Allerdings lässt die Angleichung per Verordnung die nationalen Vorschriften für sich genommen ebenfalls unberührt und gelangt bereits durch den Anwendungsvorrang zum Ziel.399 Dementsprechend ist keine Unmittelbarkeit dahingehend zu verlangen, dass die mitgliedstaatlichen Vorschriften direkt verändert werden müssten. Daraus lässt sich jedoch keineswegs folgern, dass jede noch so fernliegende Harmonisierungsmöglichkeit dem Angleichungskriterium genügt. Insoweit ist auch der Wortlaut der Binnenmarktklausel kaum fruchtbar zu machen.400 Richtig ist, dass die Formulierung nicht den sicheren Eintritt eines Harmonisierungserfolgs verlangt, sondern sich durch die Wendung „Maßnahmen zur Angleichung“ mit der bloßen Verfolgung des Harmonisierungszwecks begnügt.401 Da die Wahl der Rechtsgrundlage nach den vorstehenden Annahmen hinsichtlich des Zwecks des Rechtsakts allerdings einer objektiven Überprüfung standhalten muss, hat sich auch eine entsprechende Intention in der tatsächlichen Wirkung auszudrücken. Zutreffend ist die Beobachtung, dass das Primärrecht zum Teil selbst von der Möglichkeit einer mittelbaren Rechtsangleichung ausgeht.402 So können der Kommission durch Basisrechtsakte nach Art.  290 f. AEUV Konkretisierungsbefugnisse übertragen werden, was die Binnenmarktklausel mit Art.  114 Abs.  4 und 5 AEUV ausdrücklich aufgreift („Harmonisierungsmaßnahme durch […] die Kommission“).403 Darin ist die Wertung enthalten, dass schon die bloße Festlegung der wesentlichen Bestimmungen durch den Unionsgesetzgeber im Basisrechtsakt eine „Maßnahme zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ ist, obgleich die mitgliedstaatlichen Vorschriften von ihr noch nicht berührt werden.404 Pauschal ist die Abstützung mehraktiger Harmonisierungsverfahren auf Art. 114 AEUV daher nicht abzulehnen. Allerdings erscheint es nicht weniger problematisch, aus der Gestattung im Speziellen (Art. 290 f. AEUV) auf die allgemeine Zu 398

So das Argument bei Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 161; dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 12. 399 In diese Richtung wiederum Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7, 14 f., 16. 400 So auch Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 159. 401 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 242; ders., Jura 2012, S. 42, 45; V. Randazzo, CML Rev 44 (2007), S. 155, 164; vgl. auch K. Heuterkes, Rechtsfähige Organisationseinheiten in der Verwaltungsstruktur Frankreichs, Deutschlands und der Euro­ päischen Gemeinschaften, S. 182 f.; Ch. Keune will dem Wort „zur“ dagegen gerade das Er­ fordernis eines unmittelbaren Angleichungseffekts entnehmen, was im Ergebnis allerdings verworfen wird, vgl. dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 12. 402 Vgl. Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 162. 403 Ebd.; so auch schon EuGH, Rs. C-66/04 (Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat), Slg. 2005, I-10553, Rn. 50. 404 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 162.

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lässigkeit zu schließen. Auch die Aussagen der Raucharomen-Entscheidung des Gerichtshofs lassen keinen solchen Schluss zu. Zwar waren die streitgegenständlichen Harmonisierungen (die Befugnis zur Erstellung einer Positivliste für Produkte mit Raucharomen) „durch mehrere Schritte gekennzeichnet“.405 Jedoch handelte es sich um eine Durchführungsbefugnis der Kommission und damit gerade um die vertraglich im Speziellen für zulässig erklärte Konstellation.406 Ob die angleichungsfördernde Wirkung tertiärer Maßnahmen von Agenturen insoweit als Anknüpfungspunkt genügt, erscheint fraglich: Die Rechtsgrundlage der jeweiligen Agenturmaßnahme bildet die sekundärrechtliche Attribution, nicht Art. 114 AEUV. Die Binnenmarktklausel wiederum ermächtigt einzig den Unionsgesetzgeber, nicht durch ihn errichtete Stellen. Nun von der Wirkung der tertiären Maßnahme einer Agentur auf die der sekundärrechtlichen Maßnahme des Unionsgesetzgebers zu schließen, hieße, beide Maßnahmen gleichzusetzen und damit bei der Rückverfolgung der Agenturmaßnahme auf die gem. Art. 5 Abs. 2 EUV erforderliche mitgliedstaatliche Ermächtigung einen Schritt zu überspringen. Das ist nicht nur unter dem Aspekt der Mittelbarkeit problematisch: Die Angleichungswirkung des sekundärrechtlichen Übertragungsakts ist überdies lediglich potenzieller Natur.407 Denn dass die Agentur von ihrer Befugnis Gebrauch macht, ist in der Zuweisung lediglich angelegt, nicht aber gewährleistet. Insofern würden „Angleichungsmaßnahmen ins Leere“ ermöglicht. So hat auch Generalanwältin Kokott die Zulässigkeit einer nur mittelbaren Rechtsangleichung i. S. eines „mehrstufigen Modells mit Zwischenschritten“408 in ihren Schlussanträgen zum ENISAUrteil zwar grundsätzlich bejaht, die ENISA-VO angesichts der Vagheit des Harmonisierungserfolgs jedoch nicht als Angleichungsmaßnahme eingeordnet: Es sei nicht vorhersehbar, „ob und in welcher Form ENISA zur Rechtsangleichung beitragen wird“, sodass nicht auszuschließen sei, „dass die Potenziale der Rechtsangleichung, über die ENISA verfügt, praktisch nicht ausgeschöpft werden“.409 Die Verordnung sei daher „weniger ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Angleichung mitgliedstaatlichen Rechts als ein Schritt ins Ungewisse“.410 Die Agentur werde „gewissermaßen ‚auf Vorrat‘ errichtet, in der Erwartung, dass sie nützliche Ergebnisse hervorbringe“.411 Zu betonen ist, dass sich Generalanwältin Kokott dabei argumentativ auf die Abhängigkeit des Angleichungserfolgs von der Kooperation mitgliedstaatlicher Stellen, sonstiger Institutionen und Interessenvertreter stützt. Eine entsprechende Abhängigkeit besteht aber selbst im Falle der technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards, namentlich gegenüber der 405 Vgl. EuGH, Rs. C-66/04 (Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat), Slg. 2005, I-10553, Rn. 8 ff., 47–50. 406 Vgl. ebd. 407 Vgl. Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 44. 408 GA Kokott, Schlussanträge vom 22.9.2005, Rs. C-217/04, Rn. 25. 409 Ebd., Rn. 34. 410 Ebd., Rn. 36. 411 Ebd.

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Kommission, die allein über delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte entscheidet. Der Unionsgesetzgeber gibt seine Kompetenz zur Harmonisierung auch dort mit ungewissem Erfolg aus der Hand. Dieser Sichtweise ließe sich entgegenhalten, die Unzulässigkeit einer solchen Entäußerung führe letztlich zur Unzulässigkeit von Agenturen im Allgemeinen. In Ermangelung einer generellen Organisationsermächtigung sieht sich der Unionsgesetzgeber bei der Schaffung von Agenturen – von den wenigen ausdrücklichen Ermächtigungen abgesehen – stets auf ziel- und aufgabenbezogene Rechtsgrundlagen verwiesen. Vergegenwärtigt man sich die vertragliche Wertung für eine Zulässigkeit des Agenturmodells, ergibt sich daraus gleichsam ein Zwang zu mittelbaren Maßnahmen, trägt institutionelles Sekundärrecht doch auch im Falle der übrigen Rechtsgrundlagen nur mittelbar zur Erreichung der jeweiligen Ziele bei. Ebenso scheint ein Wertungswiderspruch vorzuliegen, wenn der Kommission mit der auf Art. 308 EG (≈ Art. 352 AEUV) gestützten Rahmenverordnung über Exekutivagenturen zulässigerweise die Befugnis zur selbständigen Schaffung neuer Stellen mit Rechtspersönlichkeit eingeräumt und damit ein weiteres Relais zwischen Sekundärrechtsakt und letztlichem Effekt geschaltet wird. Allerdings besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der dort bemühten Vertragsabrundungsklausel und Art. 114 AEUV gerade darin, dass sich letztere Vorschrift nicht allein mit einer Zielverfolgung begnügt, sondern eine konkrete Methode vorgibt. Eine solche modale Einschränkung ist nicht nur Art. 352 AEUV, sondern auch der ganz überwiegenden Anzahl der speziellen Rechtsgrundlagen fremd. Der Ausschluss mittelbarer Rechtsangleichungen führt damit keineswegs zur Unzulässigkeit von Agenturgründungen im Allgemeinen. Damit ist festzuhalten, dass zwar die Binnenmarktklausel keinen sicheren Angleichungserfolg verlangt, was ohnehin kaum praktikabel wäre,412 es jedoch einer Überdehnung gleichkäme, jede noch so geringe Harmonisierungsmöglichkeit als „Maßnahme zur Angleichung“ zu behandeln. Hier wird vielmehr das Tor zu einem inhärenten Gehalt der Norm aufgestoßen. Beachtlich scheint mit Blick auf den Sinn und Zweck von Harmonisierungskompetenzen indes die rechtliche Neutralität des Nichtgebrauchs zugewiesener Befugnisse. Rechtsangleichung ist, wie betont, kein Selbstzweck, sondern ein Instrument politikfeldbezogener Ziele, im Falle von Art. 114 AEUV der Errichtung und des Funktionierens des Binnenmarktes. Dann aber liegt es mit dem argumen­ tum a fortiori nahe, auch solche Maßnahmen zu gestatten, die die eigentliche Angleichung lediglich fördern oder vorbereiten.413 Als eine solche Maßnahme ließe sich im vorliegenden Kontext sowohl der sekundärrechtliche als auch der tertiäre Schritt einordnen. In diese Richtung ging auch die Argumentation des Europä 412

Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 242; ders., Jura 2012, S. 42, 45. 413 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 160 f.; dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 12; N. Sölter, HRN 2014, S. 105, 109.

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ischen Parlaments im Verfahren um die ENISA: Dürfe der Unionsgesetzgeber eine Angleichung bewirken, müsse dies erst recht für eine hinter diesem Erfolg zurückbleibende Maßnahme gleicher Stoßrichtung gelten.414 Ein solcher Schluss, der sich nahe an der noch zu diskutierenden ImpliedPowers-Doktrin415 bewegt, ließe außer Acht, dass eine Ausdehnung konzeptionell legislativer Kompetenzen auf den administrativen Bereich in einem System begrenzter Einzelermächtigungen keineswegs leichtfertig angenommen werden kann. Schließlich ließe sich unter dem Deckmantel der Vorbereitungsmaß­nahmen ein (sektoraler) supranationaler Verwaltungsunterbau schaffen, der im Hinblick auf das hergebrachte Verständnis vertikaler Gewaltenteilung im Verhältnis zur Rechtsangleichung keineswegs als Minus erscheint. Außerdem stellt die Verlagerung der Angleichungsbefugnis vom Unionsgesetzgeber auf unabhängige Einrichtungen nicht nur eine institutionelle, sondern auch eine verfahrensmäßige Veränderung dar: Die Befugnisausübung durch Agenturen erfolgt entkoppelt von dem in Art.  114 AEUV vorgegebenen ordentlichen Gesetzgebungsverfahren.416 Gleiches gilt zwar für Harmonisierungsbefugnisse der Kommission. Dort ordnen die Verträge die Möglichkeit wie beschrieben aber gerade ausdrücklich an. Die Schaffung von Angleichungsmöglichkeiten für Agenturen bildet im Verhältnis zu unmittelbaren Angleichungsgesetzgebungen also ein Aliud.417 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass weder sekundärrechtliche Errichtungen und Befugniszuweisungen noch tertiäre Maßnahmen von Agenturen einen hinreichenden Bezug zur Rechtsangleichung aufweisen. Zwar können durch Agenturisierungen Möglichkeiten zur Harmonisierungsförderung entstehen. Diese sind hinsichtlich des letztlichen Angleichungserfolgs allerdings nicht nur ungewiss, sondern weisen durch die Schaffung von Verwaltungsstrukturen auch einen stark von Angleichungsmaßnahmen abweichenden Charakter auf. Insgesamt würde der Begriff der Rechtsangleichung damit überdehnt. f) Angleichungswirkung administrativer Einzelfallmaßnahmen Ungeachtet dieser grundsätzlichen Unzulässigkeit sprechen im Speziellen weitere Bedenken gegen die Angleichungswirkung rechtsverbindlicher Entscheidungen. Der Aspekt hat durch die jüngste Generation von Agenturen eine Verschärfung erfahren. So übernehmen die ESA (in geringerem Umfang ebenso ACER)418 414 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 22, 26; s. dazu auch A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 127. 415 S. u. IV. 416 J. Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S. 451, 482 ff. 417 Ähnlich N. Sölter, HRN 2014, S. 105, 109. 418 P. v. Cleynenbreugel vertritt dies ebenso für die ECHA, stellt in der Begründung aber zutreffend auf die Befugnisse der Kommission ab, welche die ECHA lediglich ergänzt, ders., 21 MJ 1 (2014), S. 75 f. Die angeführten Art. 27 Abs. 7, Art. 30 Abs. 5 der REACH-VO ((EG)

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in dicht harmonisierten Rechtsrahmen nicht mehr nur informelle Netzwerkfunktionen, sondern eine „operative Unterstützung“419. Damit überlassen sie den nationalen Aufsichtsbehörden den Großteil der alltäglichen Finanzmarktaufsicht, können jedoch ergänzend – im Einzelfall heißt das ersetzend – Entscheidungen an sich ziehen.420 Cleynenbreugel hat hierzu das Konzept eines sekundärrechtlichen Dreiklangs bestehend aus der Einbettung der Agentur in einem harmonisierten Rechtsrahmen (i. S. d. ENISA-Entscheidung), der Zurückhaltung in der alltäglichen Aufsicht sowie der ergänzenden supranationalen Intervention in Ausnahmefällen herausgearbeitet, wie es sich in den Gründungsrechtsakten von ESA und ACER ausmachen lässt.421 Daran erscheint vor allem die Angleichungswirkung von unmittelbar Privatsubjekte adressierenden Maßnahmen problematisch, zu der auf der Basis der Binnenmarktklausel auch die ECHA ermächtigt wurde. Hier spielen weder mitgliedstaatliche Vorschriften noch mitgliedstaatlicher Vollzug eine Rolle; vielmehr adressieren Unionseinrichtungen den Unionsbürger eigenständig.422 Den Bezugspunkt der Maßnahmen bilden nicht die mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sondern konkret-individuelle Rechtsverhältnisse. Die Angleichungswirkung rechtsverbindlicher Entscheidungen ist damit sowohl hinsichtlich Adressat wie Objekt zu hinterfragen. In einem ersten Zugriff scheint die Begrenzung des Adressatenkreises von Maßnahmen nach Art. 114 AEUV auf die Mitgliedstaaten naheliegend: Die Festlegung der „Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ ist offenkundig Sache derselben. Die Eingrenzung scheitert allerdings aus denselben Gründen, mit denen schon der Ausschluss rechtsvereinheitlichender Maßnahmen abgelehnt wurde. Die Öffnung der Norm für Verordnungen und die Anerkennung einer unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zwingen zu der Annahme, dass der Unionsgesetzgeber „Angleichungen“ vornehmen kann, ohne sich an die Mitgliedstaaten zu wenden.423 Für Richtlinien gilt das nur faktisch, da sie dem eindeutigen Wortlaut von Art. 288 Abs. 3 AEUV zufolge zunächst an die Mitgliedstaaten gerichtet werden müssen. Der Feststellung des EuGH in seinem ENISA-Urteil, der Wortlaut von Art. 114 AEUV erlaube nicht den Schluss, „dass die vom Gemeinschaftsgesetzgeber auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassenen Maßnahmen nur an die Mitgliedstaaten gerichtet sein dürften“424, ist also dahingehend zuzustimmen, Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2006, ABl. EU 2006 L 396/1) beziehen sich auf Privatsubjekte. 419 Zum euphemistischen Begriff s. o. 1. Teil D. III. 3. c) bb). 420 P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 75; deskriptiv grundlegend P. Schammo, OJLS 32/4 (2012), S. 771–797. 421 P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 76. In den ESA-VOen entsprechen diesem Dreiklang nach demselben Art. 1 Abs. 2, Art. 9 und Art. 17–19, in der GründungsVO von ACER (VO (EG) Nr. 713/2009) Art. 1 Abs. 2, Art. 7 sowie Art. 8–9. 422 Konkrete Defizite des mitgliedstaatlichen Vollzugs bilden im Falle der ESA gleichwohl eine Voraussetzung für rechtsverbindliche Entscheidungen, s. o. 1. Teil D. III. 3. c) bb). 423 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 190. 424 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 44.

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dass nicht der Wortlaut, wohl aber die konsentierte Weite auf Rechtsfolgenseite zu einem offenen Adressatenkreis zwingt.425 Keine Abhilfe leistet die Überlegung dagegen im Hinblick auf das Angleichungsobjekt, die mitgliedstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Wie bereits anhand des ENISA- und des Leerverkaufs-Urteils deutlich wurde, behandelt der Gerichtshof diesen Bezugspunkt nachlässig. Schon in seinem Urteil zur Produktsicherheitsrichtlinie hatte der EuGH eine Angleichungswirkung bei Befugnissen der Kommission zu Einzelfallentscheidungen bejaht, ohne die Verknüpfung zum mitgliedstaatlichen Recht plausibel darzulegen.426 Durch die vom Rat auf die Binnenmarktklausel (Art. 100a EWG) gestützte RL 92/59/EWG über die allgemeine Produktsicherheit427 wurden zwar grundsätzlich die Mitgliedstaaten mit der Umsetzung betraut. Der Kommission kam jedoch die Befugnis zu, die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen zu verpflichten, „geeignete vorläufige Maßnahmen“ zu treffen.428 Der Gerichtshof begründete seine Billigung mit den folgenden Ausführungen: „Auf bestimmten Gebieten und insbesondere dem der Produktsicherheit ist es jedoch möglich, daß die Angleichung nur der allgemeinen Vorschriften nicht ausreicht, um die Einheit des Marktes zu gewährleisten. Daher ist der Begriff der ‚Maßnahmen zur Angleichung‘ so auszulegen, daß er auch die Befugnis des Rates umfasst, Maßnahmen hinsichtlich eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktkategorie und gegebenenfalls auch Einzelmaßnahmen hinsichtlich dieser Produkte vorzuschreiben.“429 Offen bleibt daran insbesondere, wie sich die Formulierung „allgemeine Vorschriften“ („règles­ générales“; „general laws“) zu Art. 114 AEUV verhält. Schließlich ist dem Angleichungsobjekt nach dem Wortlaut der Vorschrift weder ein solches Attribut zu entnehmen, noch scheint es nachvollziehbar, wie „Einzelmaßnahmen“ Vorschriften im Speziellen angleichen sollten. Sieht man das Case Law des EuGH nicht als Norm erster Ordnung an, sprechen gegen diese Annahmen bereits grundsätzliche Erwägungen zur Unterscheidung von Recht und Vollzug: Auch nach der oben dargestellten weiten Auslegung der „Vorschriften“ zwingt der Begriff nämlich insoweit, als allein abstrakt-gene 425

So auch Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 190. EuGH, Rs. C-359/92 (Deutschland/Rat), Slg. 1994, I-3681, s. insb. Rn. 37. 427 RL vom 29.6.1992, ABl. L 228/24. 428 Art. 6 lit. d bis h ebd.; vgl. S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 122. Beispiele für weitere Befugnisse zu rechtsverbindlichen Entscheidungen der Kommission bilden die RL 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.3.2001 über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates, ABl. EG 2001 L 106/1, zur Übersicht s. M. Herdegen, RIW 1992, S. 89–92; vgl. ferner RL 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. EG 2001 L 311/67, sowie die VO (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.1.1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten, ABl. EG 1997 L 43/1; dazu M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 9, Fn. 53. 429 EuGH, Rs. C-359/92 (Deutschland/Rat), Slg. 1994, I-3681, Rn. 37. 426

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relle Regeln angeglichen werden können.430 Zuzugeben ist, dass deshalb Maßnahmen nach Art.  114 AEUV selbst nicht abstrakt-genereller Natur sein müssen.431 Zwar wird das Objekt, die notwendigerweise abstrakt-generelle mitgliedstaatliche Vorschrift, typischerweise durch eine Norm eben dieser Qualität angeglichen bzw. verdrängt.432 Jedoch ist es ebenso denkbar, dass der Unionsgesetzgeber Mitgliedstaaten Änderungen innerstaatlicher Vorschriften durch die Handlungsform des Beschlusses aufgibt.433 Solche konkret-individuellen Maßnahmen können ebenso (un)mittelbar auf Normen einwirken wie Richtlinien.434 Aus der Qualität der Angleichungsmaßnahme darf aber nicht auf die Qualität des Angleichungsobjekts geschlossen werden. Einzelfallentscheidungen gegenüber Privatsubjekten oder nicht normierungsbefugten Stellen können nicht unter den Begriff der Vorschriften subsumiert, bspw. Verwaltungsakte also nicht „ange­ glichen“ werden. Dem entspricht, dass ein beachtlicher Teil des Schrifttums auch die Angleichung durch administrative Einzelfallentscheidungen ablehnt.435 Das er 430 M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 196; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 127; s. auch R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 728 f.; vgl. Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 168. 431 M.  Klepper, Vollzugskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft aus abgeleitetem Recht, S. 62; N. Sölter, HRN 2014, S. 105, 110; anders („Grundsatz der generellen Wirkung“) G. Holch, NJW 1968, S. 1548 ff.; wohl nur hinsichtlich administrativer Einzelfallentscheidungen anders und damit zustimmungswürdig S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 132 f. 432 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 174. 433 Ebd.; M. Klepper, Vollzugskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft aus abgeleitetem Recht, S. 62. 434 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 174. 435 J.  Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S.  451, 485 ff.; K. F.  Gärditz, AöR 135 (2010), S.  251, 275; M.  Herdegen, Bankenaufsicht im Europäischen Verbund, S.  64; H.-H.  Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3.  Aufl., Art.  114 AEUV Rn.  35; Ch.  Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S.  176–179; differenzierend dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 15 f.; M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 237 f.; Ch. Ohler, JZ 2014, S. 249, 252; auf den Zuständigkeitsverlust der Mitgliedstaaten abstellend ders., EuZW 2006, S. 369, 374; N. Sölter, HRN 2014, S. 105, 110; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 728 f.; im Ergebnis ebenso U. Häde, EuZW 2011, S. 662, 663; M. Wittin­ ger, die für Fälle des Vollzugs gegenüber dem Bürger „eine primärrechtlich eindeutige Begründung der Agenturkompetenzen“ fordert, dies. EuR 2008, S.  609, 620; im Kontext der Diskussion um ein Europäisches Kartellamt ähnlich P.  Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 251. Wenig verständlich sind insoweit die Ausführungen von A. C. Hansen-Nootbaar, die eine Heranziehung von Art. 114 AEUV gerade nur im Falle einer Befugnis der Agentur „zum Erlass verbindlicher Einzelfallentscheidungen“ für zulässig hält (da sodann von einem unmittelbaren Einfluss auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen die Rede ist, sind hiermit wohl Entscheidungen ggü. nationalen Behörden gemeint), dies., Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 129; uneindeutig auch H. Siekmann, der Art. 95 EG für die Gründung der ESA mit Verweis auf das ENISAUrteil erfüllt sieht, jedoch keine Differenzierung anhand der Befugnisse vornimmt, ders., IMFS Working Paper Series 24/2009, abrufbar unter: http://www.imfs-frankfurt.de/fileadmin/user_ upload/pdf/Working%20Paper%20Nr.%2024.pdf (29.2.2016), S.  19–21; zweifelnd M.  Leh­ mann/C.  Manger-Nestler, ZBB 2011, S.  2, 7.  Hinsichtlich der Verwaltung von Zulassungs­

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gibt sich nicht erst aus dem Terminus der Vorschriften, sondern bereits aus dem Sinn von Rechtsangleichung: Einzelfallentscheidungen sind Rechtsfolgen von Normen.436 Da sie die jeweilige Konsequenz von Feststellungen über die questio facti und die questio iuris abbilden, fallen sie gezwungenermaßen unterschiedlich aus. Gerade in dieser Unterschiedlichkeit besteht ihre Funktion als Entscheidung nicht über eine Vielzahl von Sachverhalten, sondern über den Einzelfall. Durch einzelfallbezogenes Verwaltungshandeln werden also nicht die diesen Entscheidungen vorgelagerten Vorschriften angeglichen, sondern die Feststellungen im Einzelfall selbst ersetzt. Dasselbe gilt für Kontrollbefugnisse von Agenturen. Auch sie dienen allenfalls der einheitlichen Durchführung angeglichen Rechts, nicht aber der Angleichung selbst. Die Schlussfolgerung Generalanwalt Jacobs, die Binnenmarktklausel könne „nur zum Erlass solcher Maßnahmen herangezogen werden, mit denen einheitliche Bestimmungen festgelegt werden, deren Anwendung auf Einzelfälle anschließend Sache der nationalen Behörden ist“437, verdient daher auch mehr als zwanzig Jahre nach dem Urteil zur Produktsicherheitsrichtlinie Zustimmung.438 Die in der Literatur vertretenen Gegenauffassungen decken sich argumentativ weitgehend mit den auf Zweckmäßigkeit und politischen Sachzwängen beruhenden Erwägungen des EuGH bzw. berufen sich gerade auf diese.439 Beispielhaft ist die durch van Gestel aufgeworfene rhetorische Frage: „Whoever feels that ­Article 28 [der LeerverkaufsVO] aims to ensure financial stability on the capi­ tal markets instead of furthering the approximation of rules to protect the inter­ nal market should ask himself: what exactly is the difference between the two? Is ­financial stability not a prerequisite for the proper functioning of the internal mar­ ket?“440 Das Credo scheint zu lauten: „Was der Finanzmarktstabilität dient, dient der Errichtung und dem Funktionieren des Binnenmarkts.“ Das mag man noch teiverfahren durch Agenturen geht D. Fischer-Appelt von der Tauglichkeit der Binnenmarktklausel (Art. 100a EWG) für Entscheidungsbefugnisse von Agenturen aus, sofern das harmonisierte Zulassungsverfahren die mitgliedstaatlichen Zulassungen gänzlich ausschließt, dies., Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 88. Gänzlich a. A. K. Fischer/Th. Fetzer, EurUP 2003, S. 50, 57, sowie Th. Pötzsch, der in bindenden Entscheidungen der ESA nur die jeweilige Sicherstellung sieht, „dass den im Gemeinschaftsrecht festgelegten Anforderungen entsprochen wird“, ders., in: Baum et al. (Hrsg.), FS Klaus J. Hopt, S. 2367, 2372; wohl a. A. R. van ­Gestel, MJ 2014, S. 192. 436 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 127. 437 GA Jacobs, Schlussanträge vom 8.6.1994, Rs. C-359/92, Slg. 1992, I-3681, Rn. 36. Die Nichtigkeit von Art. 9 ProduktsicherheitsRL wurde dort nur deshalb verneint, weil GA Jacobs keine Befugnis zu Entscheidungen im Einzelfall sah, s. S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 127. 438 So auch Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7, 15. 439 S. etwa K. Fischer/Th. Fetzer, EurUP 2003, S. 50, 57; R. van Gestel, MJ 2014, S. 192; T. O.  Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S.  136; C. Manger-Nestler, GPR 2014, S. 141, 143; K. Michel, DÖV 2011, S. 728, 730; dies., Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 203. 440 R. van Gestel, MJ 2014, S. 192.

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len. Entscheidend ist, dass eben nicht alles, was der Errichtung und dem Funktionieren des Binnenmarkts dient, Art. 114 AEUV genügt. Ein solches Verständnis käme im Gegenteil einer Aufgabe des Merkmals der Rechtsangleichung gleich und stünde damit in Widerspruch zu Wortlaut, Telos und Entstehungsgeschichte. Auch wenn grundsätzlich der Einwand berechtigt ist, die Formulierung „Maßnahmen zur Angleichung“ verlange nicht den Eintritt eines bestimmten Harmonisierungserfolges,441 geht er an dieser Stelle ins Leere. Denn steht allgemein infrage, wie groß die Ungewissheit des Erfolgseintritts, die Distanz von Maßnahme und letztlicher Angleichung sein darf, ist ein Harmonisierungserfolg bei der Übertragung von Befugnissen zu rechtsverbindlichen Entscheidungen von vornherein ausgeschlossen. Soll die Wahl der Rechtsgrundlage einer objektiven Betrachtung standhalten, muss die Maßnahme zur Erreichung des Ziels aber zumindest ge­eignet erscheinen, die Zielerreichung also wenigstens fördern. Im Rahmen der „Maßnahmen zur Angleichung“ ist dieses Ziel nicht die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts, sondern das instrumentelle Nahziel der Angleichung. Die Zuweisung von Entscheidungs- und Kontrollbefugnissen scheidet damit generell als ungeeignet aus. g) Vorbeugende Harmonisierungsmaßnahmen Für die Funktionen von Agenturen bedeutsam ist ferner die Frage, ob Art. 114 AEUV zu vorbeugenden Harmonisierungsmaßnahmen ermächtigt. Als vorbeugende Angleichung gestalten sich bspw. die regulatorischen Tätigkeiten der ESA: Die Agenturen sollen auch auf solchen Gebieten einen harmonisierten Rechtsrahmen konkretisieren, auf denen noch keine mitgliedstaatlichen Normen gesetzt wurden. Solche Konstruktionen erscheinen sinnvoll: Der Unionsgesetzgeber wartet die sich aus den unterschiedlichen Niveaus mitgliedstaatlicher Recht­setzung ergebenden negativen Effekte für den Binnenmarkt nicht ab, sondern begegnet ihnen präventiv. Für diesen Zweck sind Regulierungsagenturen als in der Regel dauerhafte, für einen umgrenzten Bereich zuständige Experteneinrichtungen in besonderem Maße geeignet. Gerade auf Feldern technischer Komplexität können sie flexibel auf Entwicklungen reagieren, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Gründungsrechtsakts nicht im Einzelnen zu erfassen sind, etwa das Erscheinen neuer Produktkategorien auf regulierten Märkten. Der EuGH hat das Instrument der vorbeugenden Rechtsangleichung bereits im Jahr 1995 gebilligt und dies seither in ständiger Rechtsprechung bestätigt.442 Auf die Binnenmarktklausel könne demnach ebenso zur Vorbeugung heterogener Entwicklungen der nationalen 441 So allgemein zur Heranziehung von Art. 114 AEUV für Agenturisierungen Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 242. 442 EuGH, Rs.  C-350/92 (Spanien/Rat), Slg.  1995, I-1985, Rn.  35; Rs. C-376/98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I-8419, Rn.  87; Rs. C-377/98 (Niederlande/Parlament und Rat), Slg. 2001, I-7079, Rn. 15; Rs. C-491/01 (British American Tobacco [Investments] und Impe-

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Rechtsvorschriften zurückgegriffen werden, sofern die Entstehung von Handelshemmnissen wahrscheinlich sei und die präventive Maßnahme deren Vermeidung bezwecke.443 Zum Teil wird vertreten, Agenturisierungen bildeten grundsätzlich vorbeugende Harmonisierungsmaßnahmen, da in den Mitgliedstaaten keine ihren Gründungsrechtsakten entsprechenden Regelungen bestünden.444 Diese Sichtweise mutet nicht nur formalistisch an, sie verkennt auch, dass das den Agenturen zugrundeliegende Sekundärrecht der Kategorie der vorbeugenden Harmonisierung gänzlich entrückt ist, soweit es institutionell-rechtliche Regelungen der Unionsverwaltung betrifft.445 Die Gründung europäischer Agenturen durch die Mitgliedstaaten ist ausgeschlossen, weswegen ihr nicht vorgegriffen werden kann. Abzustellen ist damit auf die Tätigkeiten von Agenturen bzw. den mittelbaren Effekt des ihnen zugrundeliegenden Sekundärrechts. Grundsätzlich erscheint das Instrument der vorbeugenden Rechtsangleichung nicht erst hinsichtlich des Angleichungseffekts, sondern bereits hinsichtlich des Binnenmarktkriteriums problematisch. Dort kann eine Behinderung der Grundfreiheiten oder eine Wettbewerbsverfälschung nicht festgestellt, sondern nur prognostiziert werden. Nach Auffassung des EuGH in anderem Zusammenhang genügt eine lediglich abstrakte Gefahr dem Tatbestand der Binnenmarktklausel jedoch nicht, da dies zu einer faktischen Unmöglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Rechtsgrundlagenwahl führte.446 Gleichwohl erklärt der Gerichtshof und mit ihm die überwiegende Literatur vorbeugende Harmonisierungsmaßnahmen in ständiger Rechtsprechung für zulässig, sofern negative Effekte für den Binnenmarkt absehbar und wahrscheinlich sind.447 Daraus ergibt sich ein dreifaches Prog-

rial Tobacco), Slg. 2002, I-11453, Rn. 61; EuGH, Rs. C-436/03 (Europäische Genossenschaft), Slg. 2006, I-3733, Rn. 39. 443 EuGH, Rs. C-436/03 (Europäische Genossenschaft), Slg. 2006, I-3733, Rn. 39. 444 So wohl die Annahme bei Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7, 14. 445 Das wird auch bei Ch. Keune, deutlich, wenn die Rede davon ist, dass entsprechende Regelungen in den Mitgliedstaaten nicht bestehen können, vgl. dies., Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 168; dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 14. 446 EuGH, Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament u. Rat), Slg. 2000, I-8419, Rn. 84; s. auch die Anm. von B. Wägenbaur, EuZW 2000, S. 701 f.; W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 625. 447 EuGH, Rs. C-350/92 (Spanien/Rat), Slg. 1995, I-1985, Rn.  35; Rs. C-377/98 (Niederlande/Parlament und Rat), Slg. 2001, I-7079, Rn. 15; Rs. C-491/01 (British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco), Slg. 2002, I-11453, Rn. 61; Rs. C-434/02 (Arnold André), Slg. 2004, I-11825, Rn. 31; Rs. C-210/03 (Swedish Match), Slg. 2004, I-11893, Rn. 30; verb. Rs. C-154/04 und C-155/04 (Alliance for Natural Health u. a.), Slg. 2005, I-6451, Rn. 29; Rs. C-380/03 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2006, I-11573, Rn. 38, sowie Rs. C-301/06 (Vorratsdatenspeicherung I), Slg. 2009, I-593, Rn. 64; N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 158; W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art.  114 AEUV Rn.  18; H.  Siekmann, IMFS Working Paper Series 40/2010, S.  59 f., abrufbar unter: http://econstor.eu/bitstream/10419/97756/1/IMFS_WP_40.pdf (29.2.2016); vgl. Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 167 ff.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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nosebedürfnis für den Unionsgesetzgeber: Er muss absehen, dass die Mitgliedstaaten erstens überhaupt tätig werden, dass sie zweitens unterschiedlich tätig werden und dass sich drittens aus diesen Unterschieden negative Wirkungen für den Binnenmarkt ergeben. Auf offene Fragen stößt diese Rechtsprechung vor allem im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung vorbeugender Harmonisierungen: Wie weit eine Angleichungsmaßnahme im Einzelnen gehen darf, hängt entscheidend vom Maß der von den mitgliedstaatlichen Vorschriften bewirkten Wettbewerbsverzerrungen und Handelsbeschränkungen ab.448 Auch für die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit ist nicht etwa die Gefahr durch die Abwesenheit von Normen, sondern die Gefahr durch die Unterschiedlichkeit bestehender Normen ausschlaggebend.449 Voraussetzung einer jeden Harmonisierungsmaßnahme ist insoweit der Befund, dass die Mitgliedstaaten das angestrebte Ziel selbst nicht ausreichend verwirklichen können.450 Weiterhin sprechen in systematischer Hinsicht Art. 116, 117 AEUV gegen die Möglichkeit vorbeugender Maßnahmen nach Art. 114 AEUV: Mit dem Konsultationsverfahren nach Art. 117 Abs. 1 AEUV soll ausdrücklich drohenden Wettbewerbsverzerrungen durch den „Erlass oder die Änderung einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift“ entgegengewirkt werden. Die Art. 114 ff. AEUV differenzieren also durchaus zwischen repressiven und präventiven Maßnahmen.451 Zu betonen ist, dass Art.  114 AEUV nach allgemeiner Auffassung allerdings keineswegs den Bestand anzugleichender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften in sämtlichen Mitgliedstaaten erfordert. Überwiegend wird es bereits als ausreichend erachtet, wenn nur in einem einzigen Mitgliedstaat eine Regelung besteht.452 Dem ist zuzustimmen, da schon dann ein Unterschied zur Rechtslage in den übrigen Mitgliedstaaten vorliegt, aus dem Beeinträchtigungen für das Funktionieren des Binnenmarktes erwachsen können. Damit ist die Angleichung bei lückenhaftem Vorschriftenbestand als eine Form der repressiven Harmonisierung einzuordnen, die sich innerhalb des Wortlauts verorten lässt. Spiegelbildlich kann nicht auf die Zulässigkeit vorbeugender Rechtsangleichung geschlossen werden. Erinnernswert ist in diesem Zusammenhang die Feststellung von Generalanwalt Fennelly in seinen Schlussanträgen zum Verfahren um die Tabakwerberichtlinie, der Bin-

448

M. Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, S. 89. Vgl. S.  Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S.  125; einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip wegen „Überantwortung staatlicher Aufgaben und umfassender Gesetzgebungszuständigkeiten“ erkennt in der präventiven Rechtsangleichung M. Seidel, EuR 2006, S. 26, 42. 450 Vgl. G. Nicolaysen, Europarecht II, S. 306 f. 451 S. W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 18. 452 A. Dashwood, ELRev 21 (1996), S. 113, 120; W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 18 m. w. N.; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 167 f. 449

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nenmarkt sei „kein wertfreies Synonym für eine allgemeine Wirtschaftsregulierung“,453 der sich der Gerichtshof mit großer Deutlichkeit anschloss.454 Die Abstützung von Maßnahmen zur vorbeugenden Rechtsangleichung überdehnt demnach den geschriebenen Gehalt der Binnenmarktklausel und rückt die Vorschrift in eine bedenkliche Nähe zur Vertragsabrundungsklausel.455 Das gilt jedenfalls insoweit, wie in keinem Mitgliedstaat eine spezifische Regelung absehbar geplant ist.456 Folgt man den vorstehenden Ausführungen zur allgemein fehlenden unmittelbaren Angleichungswirkung von Agenturisierungen, so ist eine Abstützung auf den geschriebenen Gehalt von Art. 114 AEUV für Befugnisse zur vorbeugenden Harmonisierung umso weniger möglich. Hier fehlt nicht nur ein Mindesteffekt an Rechtsangleichung, sondern bereits ihr Bezugspunkt.457 Der Sinn vorbeugender Rechtsangleichung erscheint mit Blick auf das Telos der Binnenmarktklausel gleichwohl überzeugend, weshalb an gegebener Stelle auf die Zulässigkeit nach dem ungeschriebenen Gehalt von Art. 114 AEUV zurückzukommen ist. 4. Ergebnis Der Errichtung und kompetenziellen Ausstattung von Agenturen kommt eine allenfalls mittelbare und potenzielle Angleichungswirkung zu. Unmittelbar lässt sich allein ein innerunionaler Rechtserfolg verzeichnen, der dem Bezug von Art. 114 AEUV zum Recht der Mitgliedstaaten nicht genügt. Insbesondere ermächtigt die Norm den Unionsgesetzgeber nicht zur Betrauung von Agenturen mit Befugnissen zu rechtsverbindlichen Entscheidungen oder zur Kontrolle von Maßnahmen mitgliedstaatlicher Behörden. Denn hiermit wird nicht das Ziel der Rechtsangleichung, sondern eine Vollzugsvereinheitlichung verfolgt. Die Binnenmarktklausel bildet damit jedenfalls hinsichtlich ihres geschriebenen Gehalts keine taugliche Rechtsgrundlage für Agenturisierungen.

453 GA  Fennelly, Schlussanträge zu den verb. Rs. C-376/98 und C-74/99 vom 15.6.2000, Slg. 2000, I-8423, Rn. 83. S. auch die treffende Zusammenfassung bei T. Stein: „Der bloße Gebrauch des Wortes ‚Binnenmarkt‘ ist nicht das ‚Sesam öffne dich‘ für jeglichen Gemeinschaftsrechtsakt“, ders., EWS 2001, S. 12. 454 EuGH, Rs. C-376/98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I-8419, Rn. 84–106; die extensiven Aspekte des Urteils betonend A. Somek, Individualism: An Essay on the Authority of the European Union, S. 114; zustimmend P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 67. 455 A. C.  Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 129 f.; M. Seidel, EuR 2006, S. 26–45; a. A. statt vieler (auf die nationale Regelbarkeit abstellend) H. W. Wahlers, AG 1990, S. 448, 453 f.; a. A. A. Dashwood, ELRev 21 (1996), S. 113, 120; C. D.  Ehlermann, CML Rev 24 (1987), S.  361, 385; zu diesem Argument ausführlich Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 169–172. 456 So die vermittelnde Ansicht von M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EGVertrag, S. 95 f. 457 A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 129 f.

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IV. Art. 114 AEUV i. V. m. ungeschriebenen Kompetenzen Seit langem sind im Unionsrecht jedoch ungeschriebene Kompetenzen458 anerkannt. Ausgehend von einer entsprechenden Debatte über die Vollzugskompetenzen der Kommission nach der Produktsicherheitsrichtlinie wird auch bei der Suche nach Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen ein Rückgriff auf ungeschriebene Kompetenzen vertreten.459 Stellungnahmen der Kommission460 lassen eine solche Annahme ebenso wie die Rechtsprechung des EuGH461 zumindest offen.462 Dabei begegnen einem mit unterschiedlichen Zuschreibungen die Begriffe der implied powers, der resulting powers sowie der Annexkompetenzen. Vor

458

Der Begriff „ungeschriebene Kompetenzen“ wird teils mit Verweis auf ungeschriebenes Verfassungsrecht zugunsten des Begriffs „stillschweigende Zuständigkeiten“ (N. Achter­ berg, DÖV 1966, S. 695 f.) bzw. mit Verweis auf das Wesen der Implied-Powers-Doktrin als Auslegungsmethode zugunsten des Begriffs „stillschweigend mitgeschriebene Kompetenzen“ (D. Ehlers, Jura 2000, S. 323–329) abgelehnt. Die Vorstellung, inhärente Zuständigkeiten (so die Bezeichnung durch das BVerfG, s. BVerfGE 89, 155, 210 (Maastricht)) seien „stiller“ als ungeschriebenes Verfassungsrecht, erscheint jedoch nicht weniger hinterfragungswürdig, ergeben sich doch beide Formen der Kompetenz nicht unmittelbar aus dem Verfassungstext, können inhärente Kompetenzen diesem im Wege der Auslegung aber immerhin entnommen werden. Da auch der Kontext der Untersuchung keine Gefahr von Missverständnissen birgt, sollen inhärente Zuständigkeiten im Folgenden auch als „ungeschriebene Kompetenzen“ bezeichnet werden. 459 U. Hansmann, DVBl. 2006, S. 835, 840; M. Herdegen, Bankenaufsicht im Europäischen Verbund, S.  63; T. O.  Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 132–134, 136; N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S.  160 f.; K.  Michel, DÖV  2011, S.  728, 729 f.; dies., Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 119; mit uneindeutiger Trennung von geschriebenem und ungeschriebenem Gehalt wohl auch D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 237–250; (restriktiv) R. Vetter, DÖV  2005, S.  721, 729; R.  Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 165 f.; Vollzugskompetenzen der Union als Annex von Art. 114 AEUV generell bejahend: M. Klepper, Vollzugskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft aus abgeleitetem Recht, S. 63 ff.; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S.  145; s. ferner M.  Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 201; M. H. Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 46–48; M. Kment, JuS 2011, S. 211, 213; generell ablehnend und eine direkte Anwendung der Norm sowie sonstiger spezieller Ermächtigungen vertretend Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 243; ablehnend und auf die Vertragsabrundungsklausel abstellend V. H. Helfritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union, S.  137. Zur Diskussion über das Urteil zur ProduktsicherheitsRL vgl. die Darstellung bei M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 238–241. 460 Die Kommission stellt üblicherweise auf die Rechtsgrundlagen als solche ab, was angesichts der Natur der Implied-Powers-Lehre als Auslegungsmethode (dazu sogleich) jedoch unschädlich ist, s. etwa die Mitteilung der Kommission v. 11.12.2002 „Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen“, KOM (2002) 718 endg., S. 8. 461 S. insb. EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 59; eher für eine direkte Anwendung von Art. 114 AEUV sprechend EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 97 ff. (T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 135). 462 S. o. B. I. 4. e).

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der Untersuchung von Art. 114 AEUV auf ungeschriebene Kompetenzen institutionell-rechtlichen Gehalts ist neben der Frage nach der generellen Existenz solcher Kompetenzen und ihrer Herleitung auf die Abgrenzung dieser verschiedenen Begriffe einzugehen. 1. Ungeschriebene Kompetenzen im Unionsrecht Im Gegensatz zu ihrem konkreten Bestand ist die Existenz ungeschriebener Kompetenzen im Unionsrecht mittlerweile überwiegend anerkannt.463 Als grundlegend gelten die Ausführungen des EuGH zur Festlegung der Kohlepreise durch die Hohe Behörde, für die der EGKS-Vertrag keine ausdrückliche Kompetenz vorsah. In seiner berühmten Fédéchar-Entscheidung aus dem Jahr 1956 vertrat der Gerichtshof, „ohne sich dabei an eine extensive Auslegung zu begeben“, die Zulässigkeit der „Anwendung einer sowohl im Völkerrecht als auch im innerstaatlichen Recht allgemein anerkannten Auslegungsregel […], wonach die Vorschriften eines völkerrechtlichen Vertrages oder eines Gesetzes zugleich diejenigen Vorschriften beinhalten, bei deren Fehlen sie sinnlos wären oder nicht in vernünftiger und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten.“464 Zwar werden implied powers dort nicht als solche benannt, mit der Definition der Auslegungsregel ungeschriebener Kompetenzen greift der Gerichtshof aber deutlich auf die völkerrechtliche Implied-Powers-Doktrin465 zurück.466 In einigen weiteren Judikaten be-

463 Mit Verweis auf die Flexibilitätsklausel wurden ungeschriebene Kompetenzen über lange Zeit bestritten, S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 138 f. Das Verhältnis führt weiterhin zu Rechtfertigungs- und Abgrenzungsfragen (dazu sogleich); ablehnend wohl M. Wittinger, die den Grundsatz in der Vertragsabrundungsklausel enthalten sieht, dies., EuR 2008, S. 609, 614. 464 EuGH, Rs. 8/55 (Fédération Charbonnière de Belgique/Hohe Behörde  – Fédéchar), Slg. 1955/56, 302, 312. 465 Die Lehre von den implied powers geht auf das Urteil des US-Supreme Court im Fall McCulloch v. Maryland zurück, 4 Wheaton Reports (1819), 316, 421. Als für das Völkerrecht grundlegend gilt weiterhin IGH v. 11.4.1949 (Bernadotte-Fall), ICJ-Reports 1949, 174, 182. Dabei handelt es sich nach mittlerweile herrschender Auffassung jedoch nicht um einen Fall der implied powers, sondern der resulting powers (dazu sogleich u.), s. C. Th. Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EWG), S. 27. Als „echter Fall“ der implied powers kann jedoch etwa die Billigung der Errichtung eines Verwaltungsgerichts für Streitigkeiten zwischen den Vereinten Nationen und ihren Bediensteten (IGH v. 13.7.1954, ICJ-Reports 1954, 47 ff.) angesehen werden. 466 Irreführend ist insofern die (auf S. Schreiber Bezug nehmende, dieser jedoch nicht entsprechende, s. dies., Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 140 f.) Formulierung bei T. O. Koslowski, der lediglich von einer „inhaltlichen Übereinstimmung mit der vorgenannten Lehre“ spricht, ders., Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 127. Denn obgleich der Gerichtshof den Begriff der implied powers meidet, ist mangels eines anderen in Betracht kommenden Verständnisses von der „im Völkerrecht anerkannten Auslegungsregel“ sehr wohl ein ausdrücklicher Verweis auf die Lehre der implied powers und nicht etwa eine eigenständige, aber deckungsgleiche Lehre zu erkennen.

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kräftigte der EuGH diesen Rückgriff,467 wobei die vergleichsweise geringe Anzahl eine restriktive Handhabung zeigt.468 Eher freigiebig erscheint dagegen die vielfach kritisierte Annahme einer (mittlerweile in Art. 83 Abs. 2 AEUV ausdrücklich normierten)469 Unionskompetenz zu strafrechtlichen Maßnahmen in solchen Bereichen des Umweltschutzes, in denen diese zur Absicherung der Wirksamkeit von Harmonisierungsmaßnahmen erforderlich sind.470 Für den Bestand ungeschriebener Kompetenzen im Falle ausdrücklicher Aufgaben-, aber fehlender Befugniszuweisungen ist insbesondere die Entscheidung zum Mitteilungs- und Abstimmungsverfahren über die Wanderpolitik gegenüber Drittländern471 von Bedeutung. Die Kommission hatte auf diesem Politikfeld ein Koordinierungsverfahren auf der Grundlage von Art. 118 EGV errichtet, das Informationspflichten der Mitgliedstaaten vorsah. Die gewählte Rechtsgrundlage gewährte der Kommission aber lediglich die Förderung einer engen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in sozialen Fragen, nicht dagegen die Befugnis zu rechtserheblichem Handeln. Der EuGH billigte die Maßnahme der Kommission gleichwohl mit der folgenden Erwägung: „Weist eine Bestimmung des EWG-Vertrages […] der Kommission eine bestimmte Aufgabe zu, so ist davon auszugehen, daß sie ihr dadurch notwendigerweise auch die zur Erfüllung dieser Aufgabe unerläßlichen Befugnisse verleiht; andernfalls würde der Bestimmung jede praktische Wirksamkeit genommen. […] Zur Erfüllung dieser Aufgabe muß die Kommission die Mitgliedstaaten zwangsläufig auch zur Mitteilung der unerläßlichen Informationen verpflichten können.“472 Zugleich betonte der Gerichtshof die Begrenztheit dieser Kompetenz auf das zur Zielverwirklichung unerlässliche Maß.473 Die Entscheidung stieß in der Literatur auf Kritik, erkannte der EuGH doch trotz Fehlens einer ausdrücklichen Befugnis eine ungeschriebene Kompetenz an, was

467 EuGH, Rs. 20/59 (Italien/Hohe Behörde), Slg. 1960, 687, 708; Rs. 45/86 (Kommission/Rat), Slg. 1987, 1517, Rn. 20; Rs. C-295/90 (Kommission/Rat), Slg. 1992, I-4230, Rn. 18; s. ferner EuGH, Gutachten 2/94 (EMRK-Beitritt), Slg. 1996, I-1783, Rn. 25. 468 S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 141. 469 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 129; O.  Suhr, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EAUV/AEUV, 4. Aufl., Art.  83 AEUV Rn.  23 ff.; die Norm nur bei restriktiver Auslegung („gravierendes Vollzugsdefizit“) für verfassungsgemäß erklärend BVerfGE 123, 267 – Lissabon, Rn. 362. 470 EuGH, Rs. C-176/03 (Kommission/Rat), Slg.  2005, I-7907, Rn.  48; kritisch dazu etwa T. Pohl, ZIS 2006, S. 213, 217–221. Allerdings beeilte sich der Gerichtshof in seiner Entscheidung zur Meeresverschmutzung durch Schiffe, diese Kompetenz durch eine mitgliedstaatliche Ausgestaltungshoheit zu begrenzen und so den Fortbestand des mitgliedstaatlichen Strafrechtsmonopols klarzustellen, s. EuGH, Rs. C-440/05 (Kommission/Rat), Slg. 2007, I-9128, Rn. 70; T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 128. 471 EuGH, verb. Rs. 281, 283–285, 287/85 (Bundesrepublik Deutschland u. a./Kommission), Slg. 1987, 3203. 472 Ebd., 3253 f. 473 Ebd., 3254 f.; s. auch S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 141.

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mit der allgemeinen Abgrenzung von implied powers zur Flexibilitätsklausel (dazu sogleich) kaum zu vereinbaren ist.474 2. Implied-Powers-Lehre als Auslegungsmethode Die allen Entscheidungen zu entnehmende Begrenzung ungeschriebener Kompetenzen auf das zur Zielverwirklichung unerlässliche Maß verdeutlicht die mit dem völkerrechtlichen und innerstaatlichen Verständnis übereinstimmende Einordnung der Lehre von den implied powers als Auslegungsmethode475. Ungeschriebene Kompetenzen können der Union – das erklärt sich mit Blick auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung noch leichter als für Bundesstaaten – keineswegs derart erwachsen, dass sie den ausdrücklichen Rechtsgrundlagen gleichsam entrückt wären. Vielmehr ist stets eine Ableitung von geschriebenen Kompetenzen nachzuweisen.476 Nur so kann eine Begrenzung gewährleistet werden. Bildet also die unzulängliche Ausübbarkeit der ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz die Rechtfertigung für die ungeschriebene Kompetenz, kann sich die ungeschriebene Kompetenz auch nur auf das für eine sinnvolle Ausübung der ausdrücklich zugewiesenen Kompetenz Unerlässliche erstrecken.477 Daraus folgt eine strenge Erforderlichkeitsprüfung, wobei der jeweilige Umfang nach den klassischen Auslegungsmethoden zu ermitteln ist.478 Der Rahmen für ungeschriebene Kompetenzen ist im Unionsrecht zudem insofern enger als in staatlichen Rechtssystemen, als der Schluss von Ziel- und Auf-

474

Eine Auslegung contra legem sieht H.-P. Folz, Demokratie und Integration  – Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof über die Kontrolle der Gemeinschaftskompetenzen, S. 270. Mit Verweis auf den Kontext der Entscheidung sieht ein Großteil der Literatur diese gleichwohl als mit der Flexibilitätsklausel und dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung vereinbar an, so I. Boeck, Die Abgrenzung der Rechtsetzungskompetenzen von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten in der Europäischen Union, S. 47 f., 70 f.; A. Dashwood, ELRev 21 (1996), S. 113, 124; M. Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, S. 88; M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 239 (Fn. 1188); vgl. N. Emiliou, ELRev. 1994, S. 488, 503 ff. 475 So grundlegend E.  Küchenhoff, DVBl. 1951, S.  585 ff., 617 ff.; ders., AöR 82 (1957), S. 413 ff.; s. ferner C. Th. Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EWG), S.  28; W.  Meng, Das Recht der Internationalen Organisationen – eine Entwicklungsstufe des Völkerrechts, S. 97; ähnlich, aber weniger deutlich bereits H. Triepel, in: van Calker et al. (Hrsg.), FG Laband, S. 249 ff., insb. S. 257–269. 476 C. Th. Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EWG), S. 26. 477 F. Jürgens, Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 174 f. 478 C. Th. Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EWG), S. 28. Zum Erfordernis einer strengen Auslegung vgl. auch R. Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, S. 155 ff., 165 ff.

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gabenbestimmungen auf Befugniszuweisungen konzeptionell unzulässig ist.479 Letztere sind im Verhältnis zu Ersteren zumeist speziell, was eine Gleichsetzung von Kompetenzen mit Zielen bzw. Aufgaben ausschließt.480 So kann bspw. dem Ziel der Vollbeschäftigung in Art. 3 Abs. 3 S. 2 EUV keine ungeschriebene Kompetenz zu umfangreichen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen entnommen werden.481 Vielmehr bilden einzig Kompetenznormen einen tauglichen Ausgangspunkt für entsprechende Ableitungen.482 Wie die Entscheidung zur Wanderpolitik gegenüber Drittländern zeigt, kann es hinsichtlich der Einordnung als Befugnisoder bloße Aufgabenzuweisung allerdings zu Abgrenzungsproblemen kommen. Die Prüfung von implied powers hat im Unionsrecht somit in zwei Schritten zu erfolgen: Zunächst ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob überhaupt eine Befugniszuweisung vorliegt. Nur im gegebenen Fall erfolgt die Auslegung unter dem eigentlichen Aspekt der Ausübbarkeit, anhand dessen der erforderliche Umfang der ggf. impliziten Befugnis zu ermitteln ist.483 In der Literatur leidet die Prüfung ungeschriebener Kompetenzen im untersuchten Kontext dagegen vielfach an einer Verkennung dieser Natur als Auslegungsmethode. Das zeigt sich vor allem dort, wo die Einordnung als Annex nicht als Ergebnis einer Auslegung verstanden, sondern einzig durch das Gewicht des fraglichen Annexes im Verhältnis zu der geschriebenen Kompetenz ermittelt wird.484 Die Folge ist eine stark normative Betrachtung, die sich weitgehend von der geschriebenen Kompetenz löst. Sie führt zu der generellen Frage, ob sich Vollzug im Verhältnis zu Rechtsetzung als Minus oder Aliud gestaltet, ohne Kriterien für diese Unterscheidung zu benennen. Diese Sackgasse ist in der gängigen Definition der 479 F. Jürgens, Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 174. 480 R. Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, S. 180 ff. 481 F. Jürgens, Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 174. 482 Ebd. 483 Vgl. R.  Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, S. 165 ff.; C. Th. Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EWG), S. 29. 484 So bei M.  Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S.  198 f.; U.  Hansmann, DVBl. 2006, S.  835, 840; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 145. Zwar ergänzt dies. dies durch die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Regelung des Annexes „zur wirksamen und einheitlichen Anwendung der Gemeinschaftsregelung“. Mit Gemeinschaftsregelung ist hier aber wohl nicht die primärrechtliche Kompetenz (im Satz zuvor noch als „ausdrücklich vorgesehene Kompetenz“ bezeichnet), sondern die sekundärrechtliche Regelung gemeint. Die Prüfung ungeschriebener Kompetenzen löst sich somit von den geschriebenen Kompetenzen. S. ferner hierauf Bezug nehmend, die Maßstäbe aber stark restriktiv auslegend R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 729; ebenfalls nicht auf die geschriebene Kompetenz, sondern auf die danach erlassene Regelung stellt T. O. Koslowski ab, s. ders., Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S.  129, 133 f., 136. Der Ansatz einer Auslegung von Art. 95 EG findet sich bei M. Ludwigs, der sodann jedoch nicht etwa auf Kontext oder Telos der Norm, sondern ebenfalls auf verwaltungspolitische Zweckmäßigkeit eingeht, ders., Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 241.

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Annexkompetenz bereits angelegt (dazu sogleich). Zu einem Zirkelschluss geraten Prüfungen dort, wo nicht die geschriebene primärrechtliche Kompetenz, sondern das hiernach gerade fraglicherweise erlassene Sekundärrecht ausgelegt wird.485 Ob etwa eine Verordnung in einem harmonisierten Regulierungsbereich zweckmäßig nur durch eine Agentur implementiert werden kann, ist im Einzelfall anders zu beurteilen als die Frage, ob die zugrundeliegende vertragliche Kompetenz anderenfalls keiner sinnvollen Ausübung zugänglich wäre. Versteht man die Zweckmäßigkeit der geschriebenen Befugnis als die konkrete Zweckmäßigkeit, wurzelt ein solches idem per idem bereits in der Implied-Powers-Doktrin selbst. 3. Typologie Vielfach werden implied powers als Oberbegriff dessen betrachtet, was im deutschen Verfassungsrecht vor allem im Speziellen geläufig ist: Der Annexkompetenz als Zuständigkeit für den Erlass von Vorbereitungs- und Durchführungsmaßnahmen, der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs als Zuständigkeit für die Regelung einer benachbarten Materie sowie der Kompetenz aus der Natur der Sache als Zuständigkeit zur Regelung solcher Fragen, die ihrem Wesen nach nur durch die Union geregelt werden können.486 Eine entsprechende Abgrenzung hat sich im Unionsrecht nicht herausgebildet.487 Im Gegenteil wird die begriffliche Klärung durch die gleichzeitige Bemühung sowohl jenes Dreiklangs als auch der Unterscheidung von implied powers und resulting powers in der Literatur zusätzlich erschwert. Beide Unterteilungen stellen die Wissenschaft bereits für sich genommen vor kaum lösbare Abgrenzungsfragen,488 deren Beantwortung nicht das Anliegen dieser Untersuchung ist. Ein grober Blick auf maßgebliche Merkmale und Schnittmengen ist allerdings im Hinblick auf das Verhältnis zu Art.  352 AEUV zwingend.

485

So bei M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 198; ebenso bei S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 145, die auf die „wirksame und einheitliche Anwendung der Gemeinschaftsregelung“ abstellt; darauf bezogen wohl auch R. Vetter, DÖV 2005, S.  721, 729; T. O.  Koslowski begründet die Annahme von Annexkompetenzen für die Vollzugsbefugnisse der EBA mit Zweckmäßigkeitserwägungen zum sekundärrechtlichen Rahmen der Bankenaufsicht, s. ders., Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 129, 133 f. 486 So bei M. Nettesheim, in: v. Bogdandy/Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., S. 412; vgl. S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 138. 487 M. Nettesheim, in: v. Bogdandy/Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., S. 412 (dort Fn. 93). 488 U. Hansmann, DVBl. 2006, S. 835, 839. Dazu grundlegend N. Achterberg, DÖV 1966, S. 695, 697 f.

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a) Breite und Tiefe der Ausdehnung geschriebener Kompetenzen Für die im deutschen Verfassungsrecht geläufige Trichotomie hat Maunz als maßgebliches Abgrenzungskriterium ungeschriebener Kompetenzen die Dimensionen von Breite und Tiefe der „Ausdehnung der geschriebenen Kompetenz“ ausgemacht:489 Während Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs als Erweiterung ausdrücklicher Kompetenzen auf verwandte Kompetenzen in die Breite gingen, vertieften Annexkompetenzen lediglich bestehende Kompetenzen, worin keine eigentliche Schaffung neuer Kompetenzen zu erkennen sei.490 Dieser Ansatz blieb nicht unbestritten.491 In Ansehung einer kaum zu überschauenden Vielzahl abweichender Definitionen findet sich in der Literatur denn auch die pragmatische Haltung, auf eine Unterscheidung dieser beiden Untergruppen gänzlich zu verzichten.492 Das lässt sich angesichts der allgemeinen Anerkennung der verschiedenen ungeschriebenen Kompetenzen im Allgemeinen auch auf das Unionsrecht übertragen.493 Das Kriterium der Dimension ist jenseits einer strikten Typologie dennoch insofern zu beachten, als sich hiernach die Auslegung und Vertiefung einer ausdrücklichen Kompetenz von der Begründung einer gänzlich neuen Kompetenz im Wege der Gesamtschau des Kompetenzgefüges zumindest im Ansatz unterscheiden lässt. b) Der Begriff des Annexes als logischer Fallstrick Wo – wie im Falle der ENISA – für institutionell-rechtliche Maßnahmen nach Art. 114 AEUV der Begriff des Annexes diskutiert wird, ist Vorsicht geboten. Ungeachtet der Frage, ob Annexkompetenzen einen Unterfall der implied powers darstellen,494 leidet die Diskussion um ungeschriebene Kompetenzen exekutiver Natur an der Verwendung dieses Begriffs. Unter ihn werden gemeinhin Vorbereitungsoder Durchführungsmaßnahmen gefasst. Teils wird ohne nähere Prüfung aus der generellen Akzeptanz von Annexkompetenzen auf den Bestand im Speziellen geschlossen.495 Wo die Vollzugsdimension einer Kompetenznorm aber gerade infrage 489

A. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, 75. EL, Art. 70 Rn. 65 mit Verweis auf die Vorauflagen. Ebd. Rn. 71. 491 Vgl. N. Achterberg, DÖV 1966, S. 695–701; J. Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl., Art. 70 Rn. 44. 492 Ebd. („[E]ine Frage eher terminologischer Art“) m. w. N. 493 Vgl. T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 129. 494 So R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 729; vgl. K. Fischer/Th. Fetzer, EurUP 2003, S. 50, 57 (dort Fn. 41). Zur Abgrenzung der verschiedenen Begriffsgruppen s. L. Sloot, Die Lehre von den implied powers im Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 47–49. 495 Das ist bei T. O. Koslowski zu beobachten, der die Annahme eines Annexes einzig aus der allgemeinen Anerkennung von Annexkompetenzen und der fehlenden Einschlägigkeit anderer Kompetenznormen als Art. 352 AEUV ableitet, s. ders., Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 129–136, insb. S. 133. Nach N. Kohtamäki habe der EuGH „als letzte Autorität des Unionsrechts“ Annexkompetenzen im Wege der Rechtsfortbildung anerkannt, weswegen diese eine hinreichende Grundlage für die Errichtung der ESA bildeten, s. dies., Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 160 f. 490

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steht, gerät die Operation leicht zu einer logisch unzulässigen Vorwegnahme der Antwort. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Einordnung als Annex als Voraussetzung einer implied power beschrieben wird.496 Tatsächlich wird so lediglich ein ausfüllungsbedürftiger Begriff durch einen anderen ersetzt. Zu betonen ist zudem der Unterschied der untersuchten Konstellation zur Annexkompetenz im deutschen Recht: Dort erfolgen unter diesem Begriff Schlüsse von geschriebenen Gesetzgebungskompetenzen auf ungeschriebene Gesetzgebungs­ kompetenzen sowie von geschriebenen Verwaltungskompetenzen auf ungeschriebene Verwaltungskompetenzen.497 Im vorliegenden Zusammenhang soll dagegen eine Verwaltungskompetenz die Annexkompetenz einer Gesetzgebungskompetenz bilden.498 Ungeachtet der Tatsache, dass sich die Definitionen der implied powers und der Annexkompetenzen teils überschneiden, ist in der folgenden Untersuchung daher von einer Verwendung des Annexbegriffs abzusehen. c) Die Resulting-Powers-Doktrin Resulting powers bilden keinen Unterfall, sondern eine Erweiterung der Lehre von den implied powers. Danach können ungeschriebene Ermächtigungen aus Rechts- oder Gesetzesanalogien zu einzelnen oder zu sämtlichen Vorschriften einer Verfassung oder aus „evident höherwertigen Bundesinteressen“ erwachsen.499 Ihnen steht damit mehr als den implied powers die Kompetenz kraft Natur der Sache nahe, hat doch auch sie solche Materien zum Gegenstand, die der Regelung der mitgliedstaatlichen Ebene dem Wesen nach nicht zugänglich sind und wird in beiden Fällen nicht auf einzelne ausdrückliche Kompetenzen, sondern auf eine Gesamtschau des Kompetenzgefüges abgestellt.500 Wo resulting powers aus Analogien zu ausdrücklichen Kompetenzen erwachsen, besteht zudem eine Nähe zur Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Denn auch im Falle Letzterer wird nicht die Zweckmäßigkeit der ausdrücklichen Kompetenz, sondern die des Kompetenzgefüges insgesamt betrachtet. Da die Ausdehnung einer geschriebenen Kompetenz mithin in die Breite geht, kann die Lehre von den resulting powers

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So bei M. H. Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 47. R. Wahl/D. Groß, DVBl. 1998, S. 2, 12; den Rückgriff auf Annexkompetenzen für den Gesetzesvollzug durch Art. 83 ff. GG als überflüssig erachtend J. Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 6. Aufl., Art. 70 Rn. 48. 498 So der Hinweis von R. Wahl/D. Groß, DVBl. 1998, S. 2, 12; bekräftigend D. Groß, Die Produktzulassung von Novel Food, S.  186 f.; M.  Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art.  94, 95 EG-Vertrag, S. 240. 499 S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 138 m. w. N. (dort Fn. 526). Vgl. den Ausgangspunkt im US-amerikanischen Verfassungsrecht in der Entscheidung des US Supreme Court Juilliard v. Greenman (1884), 110 US-Reports, S. 421 ff. 500 S.  Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S.  138. Zur Kompetenz Kraft Natur der Sache s. K. Harms, Der Staat 33 (1994), S. 409 ff. 497

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im Gegensatz zur Lehre von den implied powers nicht als Methode zur Auslegung einzelner Normen bezeichnet werden. d) Ergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei der Ermittlung ungeschriebener Kompetenzen sowohl eine Ableitung aus einer spezifischen Vorschrift als auch eine Ableitung aus einem (Gesamt-)Gefüge von Vorschriften denkbar ist. Diesen Unterschied zeichnet die Unterteilung in implied powers und resulting powers am deutlichsten, sodass im Wesentlichen mit diesem Begriffspaar gearbeitet werden soll. Insbesondere der Begriff der Annexkompetenz ist dagegen im hier diskutierten Kontext als irreführend zu verwerfen. 4. Das Verhältnis ungeschriebener Kompetenzen zu Art. 352 AEUV Für das Gemeinschaftsrecht wurde der Bestand ungeschriebener Kompetenzen im Hinblick auf Art. 235 EGV bezweifelt, da die Norm insofern eine abschließende Regelung bzw. eine „Kanalisierung“ enthalte.501 In der Tat schaffen sowohl die Flexibilitätsklausel, nunmehr Art.  352 AEUV, als auch die Implied-Powerssowie die Resulting-Powers-Doktrin gleichermaßen Abhilfe beim Fehlen einer hinreichenden ausdrücklichen Befugnis. Für die implied powers hat jedoch bereits Nicolaysen die Eigenschaft als Auslegungsmethode als maßgeblichen Unterschied herausgestellt: Während implied powers im Kern502 der Ergänzung bestehender Befugnisse dienen, kann die Union mit der Flexibilitätsklausel Befugnisse auch dort an sich ziehen, wo diese gänzlich fehlen, jedoch zur Verwirklichung der allgemeinen vertraglichen Zielbestimmungen erforderlich sind.503 Insofern ist die Interpretation bestehender Kompetenzen von der „echten“ Kompetenzerweiterung zu unterscheiden. Die Herleitung ungeschriebener Kompetenzen als implied powers wird mittlerweile dementsprechend ganz überwiegend als mit Art.  352 AEUV vereinbar angesehen.504 501 Zusammenfassend J. Becker, Die Anwendbarkeit der Theorie von den implied powers im Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 122 ff.; R. Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, S. 177–182; s. auch M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 614. 502 Auch für die Lehre von den implied powers wird eine Beschränkung auf „Erweiterungen in die Vertikale“ mit Verweis auf ihre Bezeichnung als „auxiliary power“ oder „coefficient power“ bestritten, s. N. Achterberg, DÖV 1966, S. 695, 697. 503 G. Nicolaysen, EuR 1966, S. 129, 136; s. auch V. Engström, Constructing the Powers of International Institutions, S. 53. 504 Vgl. R.  Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, S. 188–191; Ch. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, S. 73; O. Dörr, EuZW 1996, S. 39 f.; N. Emiliou, ELR 1994, S. 500; U. Hansmann, DVBl. 2006, S. 835, 840; F. Jürgens, Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S.  175; W.  Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S.  86;

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Ein anderes Bild ergibt sich der obigen Definition zufolge für die Theorie von den resulting powers. Dass sich ihr Wesen geradezu konträr zu grundsätzlichen Annahmen der unionalen Kompetenzordnung verhält, zeigt schon ihre Begründung im Verfassungsrecht der Vereinigten Staaten. Insbesondere die Ausführungen des U. S. Supreme Court in seiner Entscheidung Cohens v. The Bank of ­Virginia verdeutlichen, dass Kompetenzen hier nicht einzelnen Ermächtigungen durch die Gliedstaaten, sondern dem Kompetenzaggregat eines souveränen Staates entnommen werden.505 Obgleich für die Union nicht weniger als für einen Bundesstaat Materien bestehen, die nicht erst aufgrund einer Zuweisung, sondern schon ihrem Wesen nach sinnvoll nur durch die höhere Ebene geregelt werden können, wird die Annahme von resulting powers im Unionsrecht daher überwiegend abgelehnt.506 Einem Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ließe sich zwar entgegenhalten, dass die Lehre von den resulting powers im Wege der Analogie ebenfalls auf geschriebene Kompetenzen zurückgreift und sich die Annahme einer impliziten Zuständigkeit vielfach sogar durch mehrere geschriebene Kompetenzen rechtfertigen lässt.507 Dieser Einwand wirkt jedoch gekünstelt, würde die Annahme von resulting powers das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung tatsächlich doch in sein Gegenteil verkehren. Denn gerade darin, dass der Gemeinschaft nicht schon aus einer Interpretation des „Zwischenraums“ ausdrücklicher Ermächtigungen neue Kompetenzen erwachsen, liegt die eigentliche Aussage dieses Prinzips.508 Für seine Kehrseite, Art. 352 AEUV, verbliebe mit der Lehre von den resulting powers kein Anwendungsbereich. Eben diese Vorschrift dient der Schaffung solcher Befugnisse, die einzelnen Vorschriften nicht im Wege der Auslegung entnommen werden können, sondern erst hinsichtlich der Ziele als erforD. Scharf, Die Kompetenzordnung im Vertrag von Lissabon – Zur Zukunft Europas: Die Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, S.  10, abrufbar unter http://www2.jura.unihalle.de/telc/Heft3.pdf (29.2.2016); S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 141; L. Sloot, Die Lehre von den implied powers im Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 76–79. Dagegen sieht M. Wittinger die Implied-Powers-Doktrin als in der Flexibilitätsklausel ausdrücklich enthalten an, bezieht sich dabei jedoch missverständlicher Weise auf die Fédéchar-Entscheidung, dies., EuR 2008, S. 609, 614; differenzierend V. Eng­ ström, Constructing the Powers of International Institutions, S. 53; a. A. auch V. H. Helfritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union, S. 137. 505 Cohens v. The Bank of Virginia, 20 U. S. (6 Wheat.) 264 (1821): „It is to be observed that it is not indispensable to the existence of every power claimed for the Federal Government that it can be found specified in the words of the Constitution, or clearly and directly traceable to some one of the specified powers. Its existence may be deduced fairly from more than one of the sub­ stantive powers expressly defined, or from them all combined. It is allowable to group togeth­er any number of them and infer from them all that the power claimed has been ­conferred.“; vgl. W. W. Willoughby, The Constitutional Law of the United States (Vol. 1), S. 66. 506 Ch.  Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S.  218; dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 18; R. Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 161 ff.; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 140; ähnlich bereits H. Schmitt v. Sydow, EuR 1974, S. 62, 73. 507 R. Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, S. 214. 508 S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 140.

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derlich erscheinen.509 Die Lehre von den resulting powers wird für das Unionsrecht folglich zu Recht abgelehnt.510 Für ungeschriebene Kompetenzen als Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen ist demnach eine Beschränkung auf die Auslegung einzelner Befugnisnormen zwingend. 5. Maßstab der Auslegung Damit gilt es zu klären, wann eine Vorschrift sinnlos und nicht in vernünftiger und zweckmäßiger Weise anwendbar (Fédéchar) bzw. wann eine Befugnis als zur Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich anzusehen ist (Wanderpolitik). Im Falle von Art.  114 AEUV drängt sich in diesem Zusammenhang zunächst die reiche, kaum zu überblickende Gesetzgebung auf, die bereits auf den expliziten Gehalt der Norm gestützt wurde. Unbedarft ließe sich festhalten: „Sinnlos“ kann die Vorschrift für sich genommen keineswegs sein, scheint doch ihre überragende praktische Bedeutung zu belegen, dass bereits die geschriebene Kompetenz einer vernünftigen und zweckmäßigen Anwendung zugänglich ist. Schon weniger einfach ließe sich vertreten, Art. 114 AEUV enthalte dem Wortlaut nach alle zur Erfüllung der für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlichen Befugnisse. Schließlich ist es gerade Kern der Norm, die Wahrnehmung dieser Aufgabe auf das Instrument der Rechtsangleichung zu beschränken. Angesprochen ist damit die Frage, ob sich die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Vorschrift nach einer abstrakten oder einer konkreten Betrachtung richtet. Die genannte Definition des Gerichtshofs legt eine abstrakte Betrachtung nahe: Abgestellt wird allgemein auf eine Beinhaltung derjenigen Vorschriften, bei deren Fehlen die vertraglichen Vorschriften – von einem konkreten Fall ist nicht die Rede – sinnlos wären. In den einzelfallbezogenen Diskussionen in der Literatur ist dagegen vielfach eine konkrete Betrachtung zu beobachten. Dort ließen sich zahlreiche Ausführungen auf die petitio principii reduzieren, ob eine Norm hinsichtlich der fraglichen Maßnahme eine Kompetenz gewährt; die Argumentation scheint vom Ergebnis her zu erfolgen.511

509

Ebd. Statt vieler Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 243; R. Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 163 f.; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 140. 511 Deutlich wird das vor allem bei T. O.  Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 133, der anlässlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit der EBAVO ((EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010, ABl. EU 2010 L 331/12) im Anschluss an die Ablehnung von Art. 115, 291 AEUV als Rechtsgrundlagen feststellt: „Aus diesen Gründen ist die Annahme einer der Vorschrift des Art. 114 AEU innewohnenden Annexkompetenz die einzig denkbare Lösung, außerhalb von Art. 352 AEU die EBA zu rechtfertigen.“, um sodann ohne nähere Begründung fortzufahren: „Dabei ist der zulässige Umfang dieses Annexes noch näher zu bestimmen.“; s. auch K. Fischer/Th. Fetzer, 510

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Eine derartiges Verständnis von implied powers führte die unionale Kompetenz­ ordnung ad absurdum: Hat die Prüfung der Norm ergeben, dass keine ausdrück­liche Kompetenz besteht, darf allein daraus noch nicht auf eine fehlende Zweckmäßigkeit der Vorschrift und damit auf eine ungeschriebene Kompetenz geschlossen werden. Die Überlegungen zu Art.  114 AEUV verdeutlichen das besonders anschaulich: Art.  114 AEUV enthält zwar eine Aufgabenzuweisung, die Rechtsangleichung im Binnenmarkt. Dabei handelt es sich aber zugleich um eine Zuweisung des konkreten Instruments zur Aufgabenwahrnehmung. Befugnisgewährung und -begrenzung gehen Hand in Hand. Führt nun das Angleichungskriterium zu einer Untauglichkeit für die in Rede stehende Maßnahme, stellte es eine Über­ dehnung der Ermächtigung durch die Mitgliedstaaten dar, das Kriterium schon aus diesem Grund durch die Annahme einer ungeschriebenen Kompetenz zu überwinden. Die Beurteilung, ob eine Vorschrift eine zweckmäßige Anwendung erlaubt, kann sich daher zumindest nicht ausschließlich anhand des Einzelfalls bemessen.512 Es wird deutlich, dass das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die Implied-Powers-Doktrin nur in der Theorie ohne Konflikt auskommen. Bei Lichte betrachtet handelt es sich beim Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nach der Systematik der allgemeinen Rechtstheorie zwar um eine Rechtsregel.513 Es enthält einen verbindlichen normativen Gehalt. Die Lehre von den implied powers dient als Auslegungsmethode demgegenüber allein zur Interpretation bestehender Normen. Somit kann weder von einem Widerspruch noch von einer Kollision die Rede sein.514 Mit der europäischen Verfassungswirklichkeit hat diese Betrachtung aber nur wenig zu tun. Sie verkennt, dass sich der Gehalt einer Norm nicht zuletzt nach den Auslegungsmethoden des Rechtsanwenders bemisst und namentlich der europäische Integrationsprozess von einem judicial activism geprägt ist. In der Verfassungsrechtsgeschichte der Vereinigten Staaten ist gerade die ImpliedPowers-Doktrin als „schier unerschöpfliches Reservoir“ einer weitreichenden Zentralisierung auszumachen.515 Daher erscheint die Mahnung des BVerfG in EurUP 2003, S. 50, 57; vgl. allgemein zur Gefahr der petitio principii durch die unbedarfte Anwendung des Zweck-Mittel-Schlusses bei der Ermittlung ungeschriebener Kompetenzen R. Böhm, Kompetenzauslegung und Kompetenzlücken im Gemeinschaftsrecht, S. 166. 512 Überzeugend ist daher bspw. die Prüfung von Art. 95 EG (nicht dagegen das Ergebnis) bei M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 240 f. 513 B. de Witte, The Role of Institutional Principles in the Judicial Development of the European Union Legal Order, in: Snyder (Hrsg.), The Europeanisation of Law: The Legal Effects of European Integration, S. 83, 85. 514 Ch.  Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, S.  73; O. Dörr, EuZW 1996, S. 39 f.; F. Jürgens, Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 175; M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 239; R. Priebe, Entscheidungsbefugnisse, S. 164; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S.  139; L.  Sloot, Die Lehre von den implied powers im Recht der Europäischen Gemeinschaften, S.  63–72; in diesem Sinne auch schon R. v. Borries, EuR 1994, S. 263, 268. 515 So K. Loewenstein, Verfassungsrecht und Verfassungspraxis der Vereinigten Staaten, S. 76.

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seiner Maastricht-Entscheidung berechtigt, die „dynamische Erweiterung der bestehenden Verträge“ nach dem „Gedanken der inhärenten Zuständigkeiten“ dürfe nicht zu einem Verwischen von Vertragsänderung und begrenzt eingeräumten Hoheitsbefugnissen führen.516 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gebietet bei der Prüfung ungeschriebener Kompetenzen damit Umsicht.517 Dem wird nur dann entsprochen, wenn eine Norm nicht schon wegen fehlender Einschlägigkeit im Einzelfall als nicht in zweckmäßiger Weise anwendbar betrachtet wird. Unzweckmäßigkeit ist vielmehr erst dann festzustellen, wenn eine Funktionsstörung in einem Regelungsbereich, den die jeweilige ausdrückliche Kompetenz ihrem Sinn und Zweck nach abdecken soll, typisch erscheint. Für die vorliegende Fragestellung ergibt sich, dass das Gelingen einer Rechtsangleichung nicht nur hinsichtlich der im Gesetzgebungsvorhaben gewählten Konstruktion, sondern allgemein hinsichtlich der Harmonisierung auf dem jeweiligen Politikfeld (z. B. Finanzmarktaufsicht) davon abhängen muss, bspw. durch informatorische oder unterstützende Tätigkeiten einer Agentur begleitet zu werden. 6. Dienende Funktion in Bezug auf instrumentale Begrenzungen Unklar bleibt, ob das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung eine Überwindung des Angleichungskriteriums gänzlich ausschließt, was der Union Maßnahmen zum Aufbau einer Eigenverwaltung auf der Grundlage von Art. 114 AEUV weiterhin verwehrte. Anerkannt ist die Funktion des Prinzips als Auslegungsgrenze für die Handlungsformen i. S. d. Art. 288 AEUV.518 So führt etwa Schreiber aus: „Selbst wenn sich die in einer Vertragsnorm vorgesehene Handlungsform als zur Erreichung des angestrebten Zieles untauglich erweist, ist es […] unzulässig, auf andere Rechtsakte zurückzugreifen. Stellt eine Kompetenznorm einem Organ nämlich nur eine ganz bestimmte Handlungsform zur Verfügung, so wird dadurch eine Gewaltbegrenzung bewirkt.“519 516 BVerfGE 89, 155, 210 (Maastricht); s. m.W.n. Ch. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4.  Aufl., Art.  5 EUV Fn.  49; zur dann greifenden Ultra-Vires-Kontrolle s. BVerfGE 123, 267, 353 f.; Ch.  Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 12. 517 A.  v.  Bogdandy/J.  Bast, EuGRZ 2001, S.  441, 444; M.  Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 197; U. di Fabio, CML Rev 39 (2002), S. 1289, 1294 (s. dort auch Fn. 12); M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art.  94, 95  EG-Vertrag, S.  239 f.; H. D.  Jarass, AöR 121 (1996), S. 173, 177; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 729; vgl. auch R. Wahl/D. Groß, DVBl. 1998, S. 2, 12 f.; keine Gefahr einer zu weiten Kompetenzzuweisung sieht dagegen W. Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S. 86. 518 M.  Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S.  197; C. Th.  Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EWG), S. 29; H.-P. Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, S. 61; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 139. 519 Ebd.

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Daran erscheint unverständlich, warum eine solche Gewaltbegrenzung nur hinsichtlich der Qualität von Handlungsformen i. S. d. Art.  288 AEUV festzustellen sein soll. Art.  288 AEUV bestimmt den Gehalt der verschiedenen, durch einen großen Teil der Einzelermächtigungen zugewiesenen Grundtypen an Handlungsformen. Insoweit werden Teilgehälter der vertraglichen Kompetenzzuweisungen verallgemeinert und vor (bzw. tatsächlich hinter) die Klammer gezogen. Durch die Bestimmung der Richtlinie wird bspw. ein Teil der Ermächtigung in Art. 83 Abs. 1 AEUV beschrieben, wenn diese Vorschrift das Europäische Parlament und den Rat zum Erlass von Richtlinien im Bereich besonders schwerer Kriminalität ermächtigt. Art. 83 Abs. 1 AEUV und Art. 288 Abs. 3 AEUV sind als Vorschriften des Primärrechts dabei gleichrangig. Handlungsformen nach Art. 288 AEUV sind also nicht mehr als eine der Praktikabilität geschuldete Kategorisierung bestimmter Zuweisungen, die sich in ihrer Zuweisungs- und Begrenzungsfunktion nicht von anderen Tatbestandsmerkmalen einer primärrechtlichen Kompetenznorm unterscheiden. Ob durch das Wort „Richtlinien“ in Art. 83 Abs. 1 AEUV oder durch die Formulierung „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“: Wo nicht allgemein von „Maßnahmen“ oder ähnlich weiten Rechtsfolgen die Rede ist, wird eine Gewaltbegrenzung bewirkt.520 Die Feststellung eines „begrenzten Anwendungsrahmens“521 der Lehre von den­ implied powers im Unionsrecht allein hinsichtlich der Kategorie „Handlungsformen i. S. d. Art. 288 AEUV“ erscheint somit willkürlich. Soll ungeschriebenen Kompetenzen ein Anwendungsfeld verbleiben, lässt sich aber ebenso wenig eine kategorische Begrenzung durch jedwede Einschränkung der Rechtsfolge annehmen. Eine Durchbrechung kann vielmehr dort erfolgen, wo kein entgegenstehender Wille der Mitgliedstaaten ermittelt werden kann. Auch wenn die historische Auslegung für das Primärrecht der Union nur stark eingeschränkt möglich ist, dürfte ein entgegenstehender Wille im Falle der Beschränkung auf eine bestimmte Handlungsform nach den obigen Erwägungen in der Regel festzustellen sein. Gleiches gilt mit der beschriebenen Ablehnung einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz für das Kriterium „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“ in Art. 114 Abs. 1 S. 2 AEUV. Andererseits werden gerade diese instrumentalen Begrenzungen für die Annahme einer Funktionsstörung regelmäßig ursächlich sein. Sachgerecht und mit dem Willen der Mitgliedstaaten vereinbar erscheint es eher, die Handlungsformen insoweit ernst zu nehmen, als ungeschriebene Kompetenzen ihnen gegenüber eine dienende bzw. vertiefende Funktion erfüllen müssen. Dem entspricht die Nähe der Lehre von den implied powers zur teleologischen Aus-

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Unklar ist insoweit die Feststellung bei M.  Eekhoff, „die Entscheidungsbefugnis“ (dem Kontext nach sind damit Vollzugs- und Aufsichtsbefugnisse gemeint) sei von Art. 95 EG erfasst, dies., Die Verbundaufsicht, S. 197. Dies mag für den Begriff „Maßnahmen“ zutreffen, nicht dagegen für Rechtsangleichungsmaßnahmen. 521 So H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 436.

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legung.522 Im Ergebnis bildet dies eine Annäherung an den in der Literatur vorherrschenden qualitativen Ansatz, demzufolge das Gewicht des „Annexes“ im Verhältnis zur geschriebenen Kompetenz entscheidend sei.523 Anders als vielfach angenommen, ist allein damit aber noch keine hinreichende Begründung einer ungeschriebenen Kompetenz geleistet. Vielmehr ist neben der dienenden Funktion eben auch die fehlende zweckmäßige Ausübbarkeit nachzuweisen. Ungeschriebene Kompetenzen können einer Vorschrift demnach nur insoweit entnommen werden, wie sie der jeweiligen Handlungsermächtigung dienen. Bei Art. 114 AEUV gilt es dabei, sich des Bezugs von Rechtsangleichungsmaßnahmen zum Recht der Mitgliedstaaten zu vergegenwärtigen. Lässt der EuGH einen Rückgriff auf ungeschriebene Kompetenzen in seinem ENISA-Urteil auch offen, erscheint die dortige Forderung nach dem engen Zusammenhang der auf Art. 114 AEUV gestützten Agentur zu den Bereichen, auf die sich die Rechtsakte zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten beziehen,524 insoweit zwar nicht als hinreichend, wohl aber als zwingend. 7. Prüfung der einzelnen Aspekte a) Errichtung Die Untersuchung des schriftlichen Gehalts von Art.  114 AEUV hat verdeutlicht, dass die Errichtung einer Agentur unter keinerlei Gesichtspunkten die Angleichung mitgliedstaatlicher Vorschriften bewirkt. Hinsichtlich des Errichtungsakts selbst kommt für die Binnenmarktklausel folglich allein die Abstützung auf einen ungeschriebenen Gehalt in Betracht. Diese Möglichkeit wird teils mit dem Einwand der Wesentlichkeit des Errichtungsakts verneint. So ist der Akt nach Keune Ausfluss der Entscheidung, Befugnisse gerade durch eine Agentur und nicht etwa durch sonstige Stellen wahrnehmen zu lassen.525 Daran erscheint berechtigt, dass bei Gründungen von Agenturen in der Regel stark auf die Vorzüge der spezifischen Organisationsform, insbesondere die Unabhängigkeit, abgestellt wird. Für die Begründung nach der Implied-Powers-Doktrin erscheint es zudem schwer vorstellbar, dass Befugnisse allein durch eine Agentur in zweckmäßiger Weise ausgeübt werden können.526 Sofern auf eine einheitliche Implementierung 522 Zur Nähe der Implied-Powers-Doktrin (wie auch des Grundsatzes des effet utile) zur teleo­ logischen Auslegung s. W.  Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S.  87, m. w. N. (dort Fn. 260). 523 S. die Nachweise o. 3. b). 524 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 45. 525 Ch.  Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S.  223; dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 19. 526 R. Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S.  165; vgl. Ch.  Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 223–229.

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abgezielt wird, steht schließlich stets die Kommission als gleichsam subsidiärer Träger zur Verfügung.527 Etwaige Nachteile von Zuweisungen an die Kommission sind zwar mit Blick auf die größere Anfälligkeit für politische Einflussnahmen nicht zu leugnen. Sie werden bspw. für den Bereich der Wettbewerbsaufsicht allerdings durch das Primärrecht selbst in Kauf genommen,528 sodass allein daraus kaum auf eine unzweckmäßige Ausübung der jeweiligen Kompetenznorm zu schließen ist. Ohne die eigenständige Begründungsbedürftigkeit des Errichtungsakts zu hinterfragen, erscheint eine derartige Betrachtung allzu formalistisch. Die Gründung einer Einrichtung mit Rechtspersönlichkeit mag über die Zuweisung einer Befugnis an eine bereits bestehende Einrichtung hinausgehen. Die Errichtung selbst kann allerdings weder Spannungen in vertikaler noch in horizontaler Hinsicht auslösen. Auf Bedenken etwa im Hinblick auf das institutionelle Gleichgewicht oder mitgliedstaatliche Vollzugsreservate stoßen Agenturen erst dort, wo aus ihrem Bestand Handlungen erwachsen. So bezieht sich auch das Argument Keunes von der Wesentlichkeit der Ausübung einer Befugnis gerade durch eine Agentur bei näherer Betrachtung nicht auf den Errichtungs-, sondern auf den Zuweisungsakt. Schließlich gälte es nicht weniger für Situationen, in denen es zur Wahl zwischen einer Zuweisung an eine bereits bestehende Agentur und an die Kommission kommt. Dem organisationsrechtlichen Umfang anderer politikfeldbezogener Rechtsgrundlagen oder der Vertragsabrundungsklausel soll an dieser Stelle nicht vorgegriffen werden. Schon hier sei aber darauf hingewiesen, dass die Errichtung dort allgemein als von den Rechtsfolgen der „Maßnahmen“ oder „Vorschriften“ erfasst angesehen wird – dies richtigerweise überwiegend ohne einen Rückgriff auf die Implied-Powers-Doktrin. Der Einwand, die Errichtung könne keine Rechtsangleichung bewirken, lässt sich letztlich entsprechend auf alle sonstigen Rechtsgrundlagen übertragen. Denn selbst wenn diese in der Mehrzahl keine modalen Vorgaben leisten, können dieselben Ausführungen zu sachbezogenen Zielen angebracht werden. So kann ein Errichtungsakt bei abstrakter Betrachtung etwa ebenso wenig einem „der Ziele der Verträge“ nach Art. 352 AEUV dienen. Das vermögen nur die Tätigkeiten der errichteten Agentur. Eine strenge Interpretation ließe damit keinerlei Raum für Errichtungen. Dieses Ergebnis mag im Hinblick auf die Rechtsgrundlagen im Einzelnen vertretbar, ja sogar geboten erscheinen. Dann aber wäre nicht zu erklären, auf welcher Basis die vertraglich vorausgesetzten „sonstigen Stellen“ errichtet werden könnten. – Die teleologische Aufladung des Errichtungsakts liefe auf eine allgemeine Unzulässigkeit von Agenturgründungen hinaus. Die Frage, ob sich der Errichtungsakt auf ungeschriebene Kompetenzen stützen lässt, kann dementsprechend in der Regel dahinstehen. Für Rechtsgrund 527 Ähnlich R.  Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Euro­ päischen Gemeinschaftsrecht, S. 165. 528 Dazu näher u. V. 2. b).

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lagen mit modalen Beschränkungen wie Art. 114 AEUV ist sie bei entsprechender Begründung dagegen zu bejahen. Zuzugeben ist, dass Kompetenznormen nach dieser Betrachtung in eine bedenkliche Nähe zu einer allgemeinen Organisationskompetenz der Union rücken. Andererseits beruhen die jeweiligen Maßnahmen gerade auf Einzelermächtigungen, sodass jene Systementscheidung nicht grundsätzlich hinterfragt wird. Eine Eingrenzung muss daher über eine restriktive Gewährung ungeschriebener Verwaltungskompetenzen allgemein, d. h. in Bezug auf Befugniszuweisungen, erfolgen. b) Befugniszuweisungen aa) Informatorische, unterstützende, koordinierende sowie rechtsetzende Tätigkeiten Wie bei der Diskussion des Angleichungsbegriffs dargestellt, können sowohl informatorische, unterstützende, koordinierende als auch rechtsetzende Tätigkeiten von Agenturen zur Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Vorschriften beitragen.529 Das Kriterium der dienenden Funktion in Bezug auf das vertraglich gewährte Instrument kann hier also im Einzelfall erfüllt sein. Das Defizit der (doppelten) Mittelbarkeit vermag die Implied-Powers-Methode gerade zu überwinden, wenn die Binnenmarktklausel anderenfalls keiner sinnvollen Ausübung zugänglich wäre. Mit der sinnvollen Ausübbarkeit wird das Tor zum schwierigsten, weil am stärksten von Wertungen abhängigen Prüfungspunkt aufgestoßen. Für seine Erfüllung lässt sich in Bezug auf Agenturen regelmäßig anführen, dass in Bereichen von hoher technischer Komplexität weder der Unionsgesetzgeber (Expertise-)Kapazitäten für Detailregelungen aufbringen kann (Sinn und Zweck der Art. 290, 291 AEUV), noch die Kommission es jedenfalls dann kann, wenn sie den selbstauferlegten Pfad der Fokussierung auf ihre Kernaufgaben konsequent beschreiten will. Auch kann mit dem im Einzelfall schwer zu widerlegenden Bedürfnis nach einer unabhängigen Verwaltung argumentiert werden. Die Beurteilung der Erforderlichkeit entsprechender Attributionen auf Agenturen gerät an dieser Stelle letztlich zu einer verwaltungspolitischen Glaubensfrage,530 auf die das Recht kaum Antworten zu geben vermag. Sofern das Ziel der Rechtsangleichung verfolgt wird, droht jedenfalls keine Überdehnung der Norm auf die Weite einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz.531 Solche ungeschriebenen Kompetenzen bleiben jedoch stark begrenzt. Für schwache Agenturen ist insbesondere zu beachten, dass die Informationen, die 529

S. o. III. 3. Zu den berechtigten Zweifeln am Expertise-Topos s. o. B. II. 3. 531 A. A. Ch. Keune, die in der Wahrnehmung von Kompetenzen gerade durch eine Agentur einen wesentlichen Bestandteil sieht, dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 19. 530

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Unterstützung und die Koordinierungstätigkeiten nicht auf einen einheitlichen Vollzug, sondern auf die Rechtsetzung abzielen müssen. Diese Trennung dürfte in der Praxis gleichwohl kaum aufrechtzuerhalten sein, werden doch etwa Gutachten gleichermaßen eine relevante Grundlage für Einzelfallentscheidungen wie für allgemeine Entscheidungen sein. Wie mitgliedstaatliche Behörden die Dienstleistungen einer Agentur nutzen, ist ex ante nicht überprüfbar. Der Gehalt der ungeschriebenen Kompetenz ist daher nicht schon dann verlassen, wenn eine Agenturmaßnahme, ohne zuvor in einer mitgliedstaatlichen Vorschrift aufgegangen zu sein, kausal für eine Einzelfallentscheidung wird. Er ist vielmehr erst dann verlassen, wenn der zugrundeliegende Rechtsakt eben dies intendiert. Für exekutive Rechtsetzungsbefugnisse von Agenturen ist an die berechtigte Absage des EuGH an eine auf Art.  114 AEUV gestützte „europäische Verbotsgemeinschaft“532 zu erinnern. In der Rechtspraxis dürften Agenturen  – ihrem Zweck als Experteneinrichtungen entsprechend – Regulierungen gerade auch auf neuartige Sachverhalte erstrecken. Nicht erst hinsichtlich der in der Meroni-Rechtsprechung aufgezeigten Grenzen sowie Aspekten demokratischer Legitimation ist daher entscheidend, dass es sich bei den Beiträgen von Agenturen lediglich um Standards „technischer Art“ handeln darf, die „keine strategischen oder politischen Entscheidungen“ beinhalten, sondern „durch die Gesetzgebungsakte, auf denen sie beruhen“533 zu begrenzen sind. In engen Grenzen ergibt sich aus der Implied-Powers-Doktrin ferner die Zulässigkeit vorbeugender Harmonisierungsmaßnahmen. Vorstehend wurde für derartige Maßnahmen das dreifache Bedürfnis nach einer Prognose durch den Unionsgesetzgeber aufgezeigt, das sowohl das Angleichungs- als auch das Binnenmarktkriterium überdehnt.534 Ungeschriebene Kompetenzen können dort Abhilfe leisten, wo sich erhebliche Gefährdungen für das Funktionieren des Binnenmarktes durch das rasche Auftreten neuartiger Phänomene plausibel machen lassen. Denn der geschriebene Gehalt von Art. 114 AEUV ist dann im spezifischen regulatorischen Bereich keiner sinnvollen Ausübung zugänglich. Es wäre vielmehr formalistisch, bei einem als nahezu sicher anzusehenden Erlass unterschiedlicher Vorschriften durch die Mitgliedstaaten den Binnenmarkt durch ein Zuwarten zu gefährden.535 Im Übrigen können präventive Harmonisierungen auf der Basis von Art.  352 AEUV erlassen werden.536 Diese gesteigerte Reaktionsmöglichkeit des 532

S. o. III. 2. a). Die Bezeichnung geht zurück auf T. Stein, EWS 2001, S. 12. Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 der ESA-VOen (technische Regulierungsstandards). Für die technischen Durchführungsstandards s. zudem Art. 15 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 der ESA-VOen: „Die technischen Durchführungsstandards sind technischer Art und beinhalten keine strategischen oder politischen Entscheidungen, und ihr Inhalt dient dazu, die Bedingungen für die Anwendung der genannten Rechtsakte festzulegen.“ 534 S. o. III. 3. g). 535 H. W. Wahlers, AG 1990, S. 448, 453. 536 Dabei ist die Übertragung etwaiger Harmonisierungsausschlüsse durch Art. 352 Abs. 3 AEUV zu beachten; zur Rechtsangleichung nach Art.  352 AEUV allgemein vgl. W.  Frenz, 533

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Unionsgesetzgebers ist allerdings nicht dahingehend misszuverstehen, dass Agenturen eigenmächtig reagieren könnten: Sie sind hier wie allgemein an die präzise umschriebenen sekundärrechtlichen Befugnisse gebunden, um nicht das Feld einer „ausgesprochenen Wirtschaftspolitik“ zu betreten. bb) Rechtsverbindliche Entscheidungen und Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, ob Art. 114 AEUV eine ungeschriebene Kompetenz für Befugniszuweisungen über rechtsverbindliche Entscheidungen und Kontrollen des mitgliedstaatlichen Vollzugs entnommen werden kann. Die Problematik wird teils mit der Ermittlung allgemeiner Vollzugs- bzw. Verwaltungskompetenzen gleichgesetzt.537 Es sei daher nochmals betont, dass rechtsverbindliche Entscheidungen und Kontrollen lediglich einen Teil der exekutiven Funktionen darstellen und nach den vorstehenden Ausführungen von informatorisch-unterstützenden und normkonkretisierenden Tätigkeiten zu unterscheiden sind. Nach dem Gesagten lassen sich Art. 114 AEUV entsprechende ungeschriebene Kompetenzen nur dann entnehmen, wenn rechtsverbindliche Entscheidungen und Kontrollen eine Vertiefung der Rechtsangleichungsbefugnis darstellten und die Norm im jeweiligen Regelungsbereich anderweitig nicht sinnvoll zur Anwendung gelangen könnte. In der Literatur finden sich dagegen vielfach wertende Erwägungen, die sich von einer Auslegung der geschriebenen Kompetenz entfernen. Wenn für Koslowski etwa „nicht ersichtlich [ist], warum Vollzugsbefugnisse, die auch gegenüber Privaten wirken, aus dem Bereich des Annexes bereits a priori ausgeklammert werden sollten, solange dadurch nicht die Rechtsschutzposition der Adressaten verkürzt wird“,538 reduziert er eine für die vertikale Gewaltenteilung zentrale Frage auf den Aspekt des Rechtsschutzes.539 Die Betrachtung des Rechtsschutzes ist überdies kein Aspekt der Ermittlung der Rechtsgrundlage, sondern der zulässigen Qualität von Befugniszuweisungen. So kann sich die rechtliche Bewertung einer Rechtsschutzverkürzung keineswegs nach abweichenden Mehrheitserfordernissen im Gesetzgebungsverfahren bemessen. Ebenso wenig kann die Rede davon sein, dass Befugnisse „a priori“ von einer unionalen Kompetenz ausgeklammert werden. A priori muss eine Kompetenz nach der aus Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EUV folgenden Last vielmehr erst dargelegt werden, als ungeschriebene Kompetenz namentlich im Wege der Auslegung der ausdrücklichen Vorschrift. Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 3427–3429. Zur Einschlägigkeit der Norm bei materieller oder instrumentaler Unzulänglichkeit spezieller Kompetenznormen s. o. II. 5. 537 So bei M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 197–199; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 142 f. 538 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 133. 539 Vgl. R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 729.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Die eigentliche Auslegung lässt es ebenfalls vermissen, einzig die Vorzüge eines Vollzugs durch Agenturen darzulegen.540 Denn dadurch wird nicht mehr als eine von der Kompetenznorm losgelöste politische Beurteilung angestellt.541 In Anlehnung an die Ausführungen zur Unbeachtlichkeit des effet utile für innerunionale Organisationsrechtsakte kann nicht aus jedem Vollzugsdefizit auf die Unzweckmäßigkeit einer Rechtsgrundlage geschlossen werden. Unzweckmäßigkeit mit dem Zurückbleiben hinter dem Zweckmäßigsten gleichzusetzen hieße nämlich, Vollzugskompetenzen stets auch dort einzuräumen, wo die Verträge die Union bewusst auf Instrumente der Rechtsetzung verweisen.542 Die teils erhobene Forderung, an ungeschriebene Kompetenzen für organisatorische und verfahrensrechtliche Maßnahmen geringere Anforderungen zu stellen und im Wege der Implied-Powers-Lehre „eine sinnvolle, den mit den materiellen Kompetenzzuweisungen verfolgten Zwecken förderliche Ausübung der materiellen Kompetenzen zu ermöglichen“543, ist daher abzulehnen.544 Teile des Schrifttums wollen demgegenüber je nach Ausgestaltung der Entscheidungs- bzw. Kontrollbefugnis als Regel- oder Ausnahmebefugnis differenzieren.545 Ein „ergänzender Charakter“ könne nur im letzteren Fall festgestellt werden, was etwa für unionale Stellen als Streitschlichtungsinstanzen anzunehmen sei.546 Regelungen wie Art. 9 der Produktsicherheitsrichtlinie, die Kommissionsbefugnisse gem. der Arzneimittelrichtlinie oder die Eingriffsbefugnisse der EBA, welche die Zuständigkeit für Entscheidungen im Einzelfall grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten belassen, könnten demnach auf eine der Binnenmarktklausel zu entnehmende ungeschriebene Kompetenz gestützt werden.547 Dafür wird ange 540

Vgl. T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 133 f. Vgl. zur ENISA-Entscheidung des EuGH die Ausführungen bei Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374. 542 Zutreffend sind daher die Warnungen anlässlich der durch den EuGH in seiner ENISA-Entscheidung aufgestellten Kriterien für eine Heranziehung von Art. 95 EG bei Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374: „Uneinheitlicher Vollzug droht nämlich immer, wenn die Behörden der Mitgliedstaaten zuständig sind. Schon in einem Bundesstaat wie der Bundesrepublik Deutschland lässt sich kein einheitlicher Vollzug herstellen, umso mehr trifft dies in einer Gemeinschaft von 25 höchst verschiedenen Mitgliedstaaten mit jeweils eigener Verwaltungspraxis zu.“ 543 So P. Strohmaier, Die Befugnisse von Rat und Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Einsetzung von Ausschüssen, S. 159 f.; das Angleichungskriterium gänzlich aufgebend K. Fischer/Th. Fetzer, EurUP 2003, S. 50, 57. 544 S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 142. 545 So M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 198 f.; ähnlich T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 133 f.; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 144 f. 546 Vgl. M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 198 f.; T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 134; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 144 f. 547 Zu Art. 9 ProduktsicherheitsRL sowie zur ArzneimittelRL s. S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S.  144 f.; zu den Befugnissen der EBA s. T. O.  Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S.  133 f.; K. Michel, DÖV 2011, S. 728, 730. 541

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führt, dass unionale Entscheidungsbefugnisse, die lediglich als letztes Mittel vorgesehen sind, im Vergleich zum restlichen Harmonisierungsrechtakt – gleichsam i. S. einer Schwerpunktbetrachtung  – als „Annex“ zu bewerten seien.548 Allerdings vermag auch dieser Mittelweg die argumentativen Defizite nicht zu überwinden: So stellen seine Vertreter einzig auf die kaum zu bestreitende Tatsache ab, dass Funktionsstörungen des Binnenmarktes nicht allein auf unterschiedlichen Vorschriften, sondern ebenso auf der uneinheitlichen Anwendung unionaler Vorschriften beruhen.549 Gerade darin besteht jedoch der Preis der mitgliedstaatlichen Ablehnung einer allgemeinen Binnenmarktklausel. Soll sich die Begrenzung der ungeschriebenen Vollzugskompetenz in der Notwendigkeit eines ausnahmsweise zentralisierten Vollzugs erschöpfen, ist zudem zu bedenken, dass dem Unionsgesetzgeber der Nachweis drohender Funktionsstörungen des Binnenmarktes durch Vollzugsdefizite regelmäßig gelingen wird.550 Das zeigt schon die Annahme, dass eine mit Befugnissen zur exekutiven Rechtsetzung ausgestattete Agentur die Normkonkretisierungen als fachnächste Instanz zweckmäßigerweise durch eigene Vollzugsbefugnisse absichern sollte.551 Gleich ob Regel oder Ausnahme: Rechtsverbindliche Entscheidungen gestalten sich ebenso wie Kontrollbefugnisse als Konsequenzen der harmonisierten Vorschriften für den Einzelfall und bilden damit ein Aliud zur Rechtsangleichung. Mit ihnen würden Harmonisierungen nicht vertieft, sondern die Kompetenz zur Regelung des Binnenmarktes im Gegenteil verbreitert. Kompetenzen zu administrativen Einzelfallentscheidungen bilden im Verhältnis zu Art.  114 AEUV folglich allenfalls eine unzulässige resulting power.552 Sollen Agenturen im Zusammenhang mit Harmonisierungsmaßnahmen Befugnisse zu rechtsverbindlichen Entscheidungen zugewiesen werden, ist mithin Art.  352 AEUV die einschlägige Rechtsgrundlage. 8. Ergebnis Fördert eine Agentur den Harmonisierungsprozess, so besteht ein Bezug zur Rechtsangleichung nach Art.  114 AEUV. Eine solche Förderung ist nur für informatorische, unterstützende sowie rechtsetzende Tätigkeiten denkbar. Wo der 548

So S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 145. Ebd., S. 144. 550 Ähnlich zu den durch den EuGH in seiner ENISA-Entscheidung aufgestellten Grundsätzen Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374. 551 So T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 133 f. 552 Ähnlich auch Th. v. Danwitz zu einer auf Art. 100, 100a EGV (≈ Art. 115, 114 AEUV) gestützten allgemeinen Vereinheitlichung des mitgliedstaatlichen Verwaltungsrechts, ders., Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 441. Dies ist freilich nur eingeschränkt mit den hier in Rede stehenden Vollzugsbefugnissen zu vergleichen, wäre dort doch einerseits eine Angleichungsfunktion nicht zu bestreiten und kann für einzelne Vollzugsbefugnisse eher der Nachweis positiver Binnenmarkteffekte gelingen. 549

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Nachweis gelingt, dass die Rechtsangleichung ohne derartige Begleitmaßnahmen nicht nur in der spezifischen Ausgestaltung des Einzelfalls, sondern für den jeweiligen Teilaspekt der Sachmaterie „Binnenmarkt“ generell nicht gelingen wird, Art.  114 AEUV somit nicht in zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen kann, ist eine Abstützung sowohl der Errichtung als auch der Übertragung entsprechender Befugnisse auf Art. 114 AEUV i. V. m. implied powers möglich. Denn insoweit wird weder das Politikfeld, der Binnenmarkt, noch das der Union durch die Norm an die Hand gegebene Instrument, die Rechtsangleichung, verlassen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, eröffnet die Binnenmarktklausel dem Unionsgesetzgeber damit eine ungeschriebene Kompetenz zur mittelbaren Rechts­ angleichung. Nach keiner Auslegungsmethode kann im Wege ungeschriebener Kompetenzen dagegen eine allgemeine Binnenmarktkompetenz geschaffen werden. Insbesondere durch Befugnisse zu rechtverbindlichen Entscheidungen oder zur Kontrolle der mitgliedstaatlichen Umsetzung wird der Bereich der Rechtsangleichung verlassen. Eine entsprechende Kompetenz wäre als resulting power einzuordnen und stünde folglich in Widerspruch zu Art. 352 AEUV. Allgemein ergeben sich für die Abstützung von Agenturisierungen auf ungeschriebene Kompetenzen die folgenden Voraussetzungen: (1) Die ausgelegte Vorschrift ist im Hinblick auf die Tätigkeit der Agentur die sachnächste. (2) Die Vorschrift weist der Union nicht bloß eine Aufgabe, sondern auch eine Befugnis zu (falls nur Aufgabenzuweisung → Art. 352 AEUV). (3) Die ausdrücklich zugewiesene Befugnis erlaubt die Agenturisierung nicht. (4) Die Agenturisierung dient ausschließlich der Ausübung der ausdrücklichen Befugnis und leistet insoweit einen zumindest mittelbar-potenziellen Beitrag. (5) Zu der Agenturisierung besteht keine vergleichbar wirksame und mit der ausdrücklichen Befugnis zu vereinbarende Alternative, sodass die ausdrückliche Befugnis trotz Eröffnung des Anwendungsbereichs insoweit keiner sinnvollen Anwendung zugänglich ist. Abschließend ist zu betonen, dass auch ungeschriebene Kompetenzen den Ausübungsschranken der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 4 EUV unterliegen.553

553 F. Jürgens, Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 175.

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V. Sonstige Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen Für Agenturen, die auf der Grundlage sonstiger spezieller Rechtsgrundlagen errichtet wurden, finden sich zahlreiche Beispiele. Den Präzedenzfall bildet die Europäische Umweltagentur, die im Jahre 1990 mit der auf Art.  130s  EG (≈ Art.  192 AEUV) gestützten VO (EWG) Nr.  1210/90 des Rates554 errichtet wurde. Mir ihr wurde erstmals eine Gründung außerhalb der Vertragsabrundung vorgenommen. Die Literatur erachtet den Rückgriff auf spezielle Kompetenznormen für institutionell-rechtliche Maßnahmen  – teils unter starken Vorbehalten einer strukturellen Begrenzung555 – mittlerweile allgemein als zulässig556 und ordnet die Schaffung von Einrichtungen und Verwaltungszuständigkeiten dabei als „Korrelat“ der Kompetenzen zum Erlass materiellen Rechts ein.557 Nach den vorstehenden Überlegungen zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und zum Fehlen einer allgemeinen Organisationskompetenz ist jedoch richtigerweise danach zu unterscheiden, inwieweit die jeweilige Rechtsgrundlage eine organisationsrechtliche Komponente enthält.558

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Vom 7.5.1990 zur Errichtung einer Europäischen Umweltagentur und eines Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes, ABl. EG 1990 L 120/1 (konsolidierte Fassung der Änderungen erfolgt durch VO (EG) Nr. 401/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2009 über die Europäische Umweltagentur und das Europäische Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetz, ABl. EU 2009 L 126/13). 555 Statt vieler vgl. Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 374. 556 S. M.  Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS  Rengeling, S.  193, 199; D.  Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S.  89–93; W.  Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 464; Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 237–243; A. C.  Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S.  120– 122; A. Hatje/S. v. Förster, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Enzyklopädie Europarecht, Bd. 1, § 10 Rn. 12, 204; S. Kirste, VerwArch 2011, S. 268, 274 f.; (das Ergebnis durch die Rechtspraxis als „vorgegeben“ ansehend) M. H. Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 49; T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 111; R. Vetter, DÖV 2005, S. 723–725; in Bezug auf die Voraussetzungen der Rechtsgrundlagen zustimmend, im Hinblick auf die Abgrenzung zur Vertragsänderung jedoch eine quantitative Begrenzung fordernd M. Wittinger, EuR 2008, S. 612–614; wohl auch K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 117 f.; R. Priebe, EuZW 2015, S. 268, 269; für Art. 87 EGV a. F. (Art.  103 AEUV) bejahend P.  Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 252–257; a. A. U. Häde, der einzig Art. 352 AEUV für einschlägig erachtet, dies jedoch nur im Hinblick auf Art. 114 AEUV begründet, ders., EuZW 2011, S. 662 f. 557 So die Formulierung bei Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 372, 373; dies aufgreifend M. Bren­ ner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 198. 558 So auch M.  Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, S. 64; Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 237–243; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 117.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

1. Institutionell-rechtliche Maßnahmen als Rechtsfolge Am leichtesten fällt diese Differenzierung dort, wo organisationsrechtliche Maßnahmen schon der Rechtsfolge nach ausscheiden. Abgesehen von wenigen Ausnahmen559 sehen Kompetenznormen institutionelle Maßnahmen nicht ausdrücklich vor. Wie vorstehend ausgeführt, kommen sie nicht in Betracht, wenn Rechtsgrundlagen wie Art. 115 AEUV allein den Erlass von Richtlinien gestatten.560 Bei Kombinationen des Maßnahmebegriffs mit Handlungsformen i. S. d. Art.  288 AEUV ist dagegen auf die letztere, speziellere Umschreibung abzustellen. Wenn bspw. Art.  46 AEUV die Union dazu ermächtigt, „alle erforderlichen Maßnahmen“ „durch Richtlinien oder Verordnungen“ zu treffen, rückt die Möglichkeit von Verordnungen in den Vordergrund.561 Da auch Beschlüsse für organisationsrechtliche Maßnahmen hinreichend sein können, lässt Art.  28 EUV (Erlass der „erforderlichen Beschlüsse“) für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ebenso Agenturisierungen zu.562 In zahlreichen Ermächtigungen findet sich dagegen ausschließlich der sehr weite Begriff der Maßnahme.563 Soweit ersichtlich, bestehen heute keine Zweifel mehr daran, dass die Kompetenz der Union dort ebenfalls über materiell-legislatives Handeln hinausgeht. Insbesondere die Abgrenzung zu den Handlungsformen nach Art. 288 AEUV spricht dafür, dass derart offene Begriffe gleichermaßen Einzelfallregelungen umfassen.564 Offen erscheint auch der Begriff des Tätigwerdens, wie er sich u. a. in Art. 192 Abs. 1 AEUV findet. Dieses Verständnis weit gefasster Rechtsfolgen hatte der EuGH bereits seiner Entscheidung zu Art.  9 der Produktsicherheitsrichtlinie zugrundegelegt, in der er wie beschrieben eine auf Art.  100a Abs.  1 EGV gestützte Verlagerung der Entscheidungsbefugnis von den Mitgliedstaaten auf die Kommission billigte.565 „Maßnahmen“ i. S. d. Norm seien nicht nur allgemeine Vorschriften, sondern auch „Einzelmaßnahmen“.566 Nach dieser bis dato nicht vertretenen567 Lesart begründet 559

Solche bilden bspw. Art. 160, 187 AEUV. S. o. 1. Teil A. 561 S. auch die Formulierung in Art. 207 Abs. 2 AEUV: „Das Europäische Parlament und der Rat erlassen durch Verordnungen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die Maßnahmen …“ 562 Vgl. o. 1. Teil A. Auf Art. 28 EUV wurden das Europäische Institut für Sicherheitsstudien, das Satellitenzentrum der Europäischen Union sowie die Europäische Verteidigungsagentur (die in Art. 42 Abs. 3 UAbs. 2 S. 2, 45 EUV jedoch auch ausdrücklich erwähnt wird) gestützt. Dass Art. 28 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 EUV auf ein „operatives Vorgehen“ abstellt, scheint dem nicht entgegenzustehen, da auch eine Agenturisierung als eine operative Maßnahme aufgefasst werden kann. 563 So etwa in etwa Art. 48 Abs. 1, Art. 70, 122 Abs. 1, Art. 133, 136 Abs. 1, Art. 138 Abs. 2, Art. 149 Abs. 1 („Anreizmaßnahmen“), Art. 153 Abs. 2 lit. a, Art. 192 Abs. 2 lit. b AEUV. 564 W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 463; H. D. Jarass, AöR 1996, S. 182. 565 EuGH, Rs. C-359/92, Slg. 1994, I-3681. 566 Ebd., Rn. 37. 567 Vgl. nur die grundlegende Untersuchung bei R. Priebe, Entscheidungsbefugnisse vertragsfremder Einrichtungen im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 80 ff.; ebenso U. ­Everling, in: Hallstein/Schlochauer (Hrsg.), FS Ophüls, S. 33, 42. 560

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ein Großteil der vertraglichen Ermächtigungen nicht nur Gesetzgebungs-, sondern ebenso Vollzugskompetenzen.568 Aus der grundsätzlichen Zulässigkeit der Agenturisierung folgt, dass eine Begrenzung des Agenturmodells nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung damit faktisch weitgehend aufgegeben wird. Der naheliegenden Betrachtung, im Verhältnis von sach- bzw. zielbezogenen Rechtsgrundlagen und ausdrücklichen Kompetenzen zum direkten Vollzug ein Regime zu erblicken, dass der Trennung zwischen Gesetzgebungs- und Verwaltungs­ kompetenzen der Art. 70 ff. GG und Art. 83 ff. GG entspricht, hat der Gerichtshof damit eine Absage erteilt, der die Lehre überwiegend gefolgt ist.569 Dort, wo Kompetenznormen den Erlass von „Vorschriften“ ermöglichen, ist eine Begrenzung auf materielles Recht nur scheinbar festzustellen. Der semantische Gehalt des Begriffs „Vorschriften“ legt einen solchen Ausschluss zwar nahe.570 Schon in seinem Gutachten zum Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt sah der EuGH die Errichtung einer internationalen öffentlich-rechtlichen Anstalt jedoch als „zweckdienliche Vorschrift“ i. S. d. Art.  75 Abs.  1 lit.  c EGV a. F. (≈ Art. 91 Abs. 1 lit. d AEUV) an.571 Zuzugeben ist, dass der Fokus dort eher auf den Außenkompetenzen der Gemeinschaft lag.572 Sollen sich diese aber gerade nach den Zuständigkeiten im Innenverhältnis bemessen,573 dürfte in der Konsequenz zumindest ein Indiz für eine organisationsrechtliche Dimension des Vorschriftenbegriffs zu erkennen sein.574 Diese Sichtweise unterstützen Art.  187 f. AEUV: Art. 187 AEUV sieht für Programme der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration ausdrücklich die Gründung „gemeinsamer Unternehmen“ sowie die Schaffung „anderer Strukturen“ vor. Art. 188 AEUV wiederum gibt dafür das Verfahren vor und bezeichnet die institutionell-rechtlichen Akte dabei als „Bestimmungen“.575 Anstelle dieser „Bestimmungen“ finden sich in der französischen Sprachfassung dagegen „dispositions“, in der englischen „pro­ 568 Mahnend dazu R. Wahl/D. Groß, DVBl. 1998, S. 2, 12, vgl. ebd. Fn. 92 mit Verweis auf B. Langeheine, EuR 1988, S. 235 ff.; dessen ungeachtet finden sich auch danach Stimmen in der Literatur, die von dem Erfordernis einer ausdrücklichen Bezeichnung als Vollzugskompetenz ausgehen, so bspw. W. Berg, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), FS Häberle, S. 417, 429. 569 J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 19; U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 522; G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 38 (vgl. ebd. jedoch auch die Betonung der Begrenzung durch den Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). 570 Der Duden beschreibt diesen mit „Anweisung, deren Befolgung erwartet wird und die ein bestimmtes Verhalten oder Handeln fordert“, http://www.duden.de/rechtschreibung/Vorschrift (o.V., 29.2.2016). 571 EuGH, Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt), Slg.  1977, 741, Rn. 5. 572 D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 254. 573 EuGH, Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt), Slg. 1977, 741, erster Leitsatz. 574 D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 254 m. w. N. zur jüngeren Rechtsprechung; vgl. Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 238. 575 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 238.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

visions“, was an sonstigen Stellen der Verträge dem deutschen Begriff der „Vorschriften“ entspricht.576 Daraus mag man nicht schließen können, der Begriff der Vorschriften und Bestimmungen umfasse auch an sonstigen Stellen institutionellrechtliche Maßnahmen. Gleichwohl wird deutlich, dass den Herren der Verträge nicht schon mit der Verwendung dieser Ausdrücke eine Begrenzung auf materielle Rechtsakte vor Augen stand.577 Vielmehr liegt die Absicht zur Klarstellung nahe, dass der Unionsgesetzgeber auf verbindliche Rechtsakte i. S. d. Art. 288 AEUV zurückgreifen kann.578 Schwierig gestaltet sich die Frage nach einem institutionell-rechtlichen Gehalt bei Rechtsgrundlagen, die lediglich die Koordinierung von Programmen oder die Förderung der Zusammenarbeit gestatten. So finden sich zahlreiche Vorschriften, nach denen die Union die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten „fördert“, deren Maßnahmen „unterstützt“ oder „ergänzt“.579 Zu Agenturisierungen, die ausschließlich auf derartige Rechtsgrundlagen gestützt wurden, ist es bislang nicht gekommen.580 Für eine Zulässigkeit auch dort spricht der Umstand, dass sich die Tätigkeiten von Agenturen je nach zugewiesenem Befugniskatalog gerade (nur) auf die Bereiche der Koordinierung und Kooperation erstrecken. Gleichwohl wurde eingewandt, die Errichtung einer Stelle mit eigener Rechtspersönlichkeit gehe über derartige Formulierungen weit hinaus.581 Dem ist vor allem deshalb zuzustimmen, weil das Primärrecht an vielen Stellen neben derart programmatisch formulierten Normen Ermächtigungen zu Maßnahmen, Vorschriften oder sonstigen weitergehenden Akten nennt. Als ein Beispiel dieser typischen Abschichtung lässt sich Art. 168 AEUV anführen, der für die Gesundheitspolitik der Union in seinem Abs. 2 UAbs. 1 eine Förderung und Unterstützung mitgliedstaatlicher 576 S. bspw. die Sprachfassungen von Art.  91 Abs.  1 lit.  d AEUV. Auch an anderen Stellen wird mit dem Begriff „Vorschriften“ auf Rechtsakte Bezug genommen, die anderenorts keine Begrenzung auf normative Maßnahmen erkennen lassen, so etwa Art. 103 AEUV, dessen Abs. 1 zu „Richtlinien und Verordnungen“ ermächtigt, die sodann in Abs. 2 als „Vorschriften“ bezeichnet werden. 577 M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 199; Ch. Görisch, Demokra­ tische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 238; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 724; vgl. auch M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 612; zur a. A. im älteren Schrifttum s. statt vieler R. v. Borries, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS Everling (Bd. I), S. 127, 140. 578 R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 724; im Ergebnis auch D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 248–250. Dass die Verwendung der zahlreichen offenen Ausdrücke nicht ohne jede Systematik erfolgt, ergibt sich auch aus dem Harmonisierungsausschluss für die Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung und Ergänzung nach Art. 2 Abs. 5 UAbs. 2 AEUV. 579 S. bspw. Art. 147 Abs. 1 AEUV. 580 Beobachten lässt sich dagegen eine (nicht zu beanstandende) Kombination mit weitergehenden Befugnisnormen, so bei der Gründung des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen EIGE. Der dort neben Art. 141 Abs. 3 EG („Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit“; ≈ Art. 157 Abs. 3 AEUV) herangezogene Art. 13 Abs. 2 EGV (≈ Art. 19 Abs. 2 AEUV) erlaubte lediglich „Fördermaßnahmen“ zur Unterstützung mitgliedstaatlicher Maßnahmen. 581 So D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 90.

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Tätigkeiten vorsieht und erst im vierten und fünften Absatz zum Erlass verschiedener Maßnahmen ermächtigt. Dass sich Agenturisierungen nur aus den letzteren Absätzen ergeben können, ist freilich bereits deshalb zwingend, weil der Erstere keinerlei Verfahren vorsieht.582 Aus diesem Grund konnte bspw. die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Jahr 1975 nicht auf der Grundlage von Art. 118 EWG (≈ Art. 156 AEUV) errichtet werden, obgleich die Vorschrift die Förderung einer engen Zusammenarbeit „insbesondere auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und der Arbeitsbedingungen“ vorsah.583 Für die Ausgestaltung als Agentur i. e. S. war der Rückgriff auf die Vertragsabrundungsklausel allerdings auch deshalb erforderlich, weil Art.  118  EWGV lediglich die Kommission adressierte. Problematisch erscheinen Kombinationen des weiten Maßnahmebegriffs mit schwächeren Formulierungen wie „Förderung“, „Unterstützung“ oder „Koordinierung“. So ergibt sich für den Bereich der Sozialpolitik nunmehr ein komplexeres Bild als zum Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung zur Verbesserung der Lebensund Arbeitsbedingungen: Art. 153 Abs. 2 lit. a AEUV ermächtigt das Europäische Parlament und den Rat zum Zweck zahlreicher, in Art. 153 Abs. 1 AEUV enumerierter sozialpolitischer Ziele zu „Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten durch Initiativen zu fördern, die die Verbesserung des Wissensstands, die Entwicklung des Austauschs von Informationen und bewährten Verfahren, die Förderung innovativer Ansätze und die Bewertung von Erfahrungen zum Ziel haben“; für den Bereich des Verbraucherschutzes sieht Art.  169 Abs.  2 lit.  b, Abs.  3 AEUV „Maßnahmen zur Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der Politik der Mitgliedstaaten“ vor. Mit Schaffung des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts EIT wurde von derartigen Ermächtigungen bereits organisationsrechtlich Gebrauch gemacht: Der dort herangezogene Art. 157 Abs. 3 EGV (≈ Art. 173 Abs. 3 AEUV) gestattete „spezifische Maßnahmen zur Unterstützung der in den Mitgliedstaaten durchgeführten Maßnahmen [zur Erreichung u. a. innovations- und technologiebezogener Ziele]“. Eine parallele Argumentation zu Art.  114 AEUV geht für diese Vorschriften fehl. Die geforderten „Initiativen“ erfolgen durch Agenturen zwar lediglich mittelbar, eine Überdehnung des Wortlauts durch Errichtungen oder Befugniszuweisungen ist an dieser Stelle dagegen nicht festzustellen. Funktionale Umschreibungen des Maßnahmebegriffs, die auf bloß unterstützendes Handeln abzielen, weisen anders als die Umschreibung „Rechtsangleichung“ gerade keinen zwingenden Bezug zu normativen Rechtsakten auf.584 Im Gegenteil werden hier Tätigkeiten eröffnet, 582 Vgl. allgemein zur Systematik der Vorschrift Th. Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 168 AEUV Rn. 2 ff. 583 D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 90. Zur Untauglichkeit des durch die Einheitliche Europäische Akte eingeführten Art. 118a EWGV (≈ Art. 153 Abs. 2 lit. b AEUV) aufgrund der Beschränkung auf Richtlinien s. ebd. S. 90 f. 584 Ähnlich P.  Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 254 f.

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wie sie Agenturen durch die Zuweisung von informatorischen, unterstützenden und koordinierenden Aufgaben sinnvoll ausüben können.585 Spiegelbildlich folgt daraus, dass Befugniszuweisungen auf eben diese Tätigkeiten beschränkt bleiben müssen. Rechtsverbindliche Entscheidungen oder rechtssetzende Aufgaben können Einrichtungen also nicht zugewiesen werden. Derart schwache Formulierungen lassen Agenturisierungen mithin zu, sofern sie durch Aussagen über Verfahren die Merkmale von Kompetenznormen erfüllen.586 Der Überblick zeigt, dass sich den Verträgen keine dem deutschen Verfassungsrecht vergleichbare Trennung von sach- und vollzugsbezogenen Kompetenzen entnehmen lässt.587 Die Existenz einzelner ausdrücklich organisationsrechtlicher Ermächtigungen vermag an diesem Befund nichts zu ändern.588 Die pauschale Bezeichnung von speziellen Rechtsgrundlagen als „Sachkompetenzen“589 oder „materielle Kompetenzen“590 ist daher missverständlich. Wie dargelegt, bedeutet das nicht, dass einzelne Rechtsgrundlagen, die zu „Maßnahmen“ oder „Vorschriften“ ermächtigen, nicht auf materiell-rechtliche Maßnahmen beschränkt sein können. Auch Kompetenzen mit offen formulierten Rechtsfolgen können durch ihre Systematik oder Umschreibungen Organisationsrechtsakte ausschließen. 2. Einzelne Politiken und ausgewählte Rechtsgrundlagen Im Folgenden werden einzelne Rechtsgrundlagen exemplarisch auf eine Gestattung institutionell-rechtlicher Maßnahmen untersucht. Vetter hat an dieser Stelle auf die Gefahr einer Umgehung des vertraglich „festgelegten Systems der Verwaltungskompetenzen durch die Gründung von Agenturen“ hingewiesen.591 Aus diesem Grund sei bei der Heranziehung spezieller Rechtsgrundlagen stets zu prüfen, „ob die jeweilige Kompetenznorm […] neben der Rechtsetzungskompetenz auch

585

Vgl. D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 91. Ebd. 587 M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 199; W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn.  463; Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 237; H. D. Jarass, AöR 1996, S. 181 f.; Ch. Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 28; G. Sydow, VerwArch 2006, S. 1, 12 f.; (zu Verfahrensbestimmungen) ders., Verw. 34 (2001), S. 517, 530. 588 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 236. 589 So die Bezeichnung bei J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 22; J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen in der Europäischen Union, S. 69 f. Dort findet sie allerdings im Zusammenhang einer grundlegenden Ablehnung der sekundärrechtlichen Schaffung von Stellen mit eigener Rechtspersönlichkeit Anwendung. Der Begriff wird jedoch auch wertneutral verwendet, so durch Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 236. 590 So die Bezeichnung u. a. bei A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 120 f. 591 R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 723. 586

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eine Verwaltungskompetenz beinhaltet“.592 Das ist leichter gesagt als getan. Folgt man dem oben geschilderten allgemeinen Verständnis einer generellen Umfassung institutionell-rechtlicher Maßnahmen durch die typischen Rechtsfolgenbegriffe, so ist eine Eingrenzung auf der Ebene spezieller Rechtsgrundlagen quantitativ wie qualitativ kaum möglich.593 Dies sollen die nachstehenden Erwägungen zeigen. a) Verkehrspolitik, Art. 90 ff. AEUV Mit der auf Art. 80 Abs. 2 EGV (≈ Art. 100 Abs. 2 AEUV) gestützten Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, der auf eben dieser Grundlage errichteten Europäischen Agentur für Flugsicherheit sowie der gem. Art. 71 Abs. 1 EGV (≈ Art. 91 Abs. 1 AEUV) geschaffenen Europäischen Eisenbahnagentur zählt die Verkehrspolitik zu den am stärksten von Agenturen geprägten Politikbereichen der Union. Bei allen drei Einrichtungen handelt es sich um vergleichsweise starke Agenturen: Sie kontrollieren sämtlich den mitgliedstaatlichen Vollzug; die Flugsicherheitsagentur verfügt zudem über die Befugnis zur exekutiven De-factoRechtsetzung sowie zu rechtsverbindlichen Entscheidungen gegenüber Privatsubjekten.594 Die vergleichsweise wenig beachtete Schaffung von Agenturen auf der Grundlage spezieller Kompetenznormen erschöpft sich also keineswegs in Einrichtungen zur Information oder Unterstützung. Die Zulässigkeit dieses Vorgehens wird – den vorstehenden allgemeinen Ausführungen entsprechend – überwiegend bejaht.595 Art.  91 Abs.  1 lit.  d, Art.  100 Abs.  2 AEUV weisen als Rechtsfolge den Begriff der Vorschriften auf. Bei der Auslegung des Begriffs in concreto ergibt sich gegenüber den obigen Überlegungen kein abweichendes Ergebnis: Art. 100 Abs. 2 AEUV belässt es bei der Aussage, dass für die Seeschifffahrt und Luftfahrt gem. dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen „geeignete Vorschriften“ erlassen werden können. Art. 91 Abs. 1 AEUV sieht den Erlass von Vorschriften zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik vor. Allerdings unterscheidet Art.  91 Abs.  1 AEUV wiederum zwischen den Rechtsfolgen „gemeinsame Regeln“ (lit. a), „Bedingungen“ (lit. b) und „Maßnahmen“ (lit. c) sowie schließlich „allen sonstigen zweckdienlichen Vorschriften“ (lit. d). Aus dem Umstand, dass der Erlass von Maßnahmen allein für die Verbesserung der Verkehrssicherheit vorgesehen ist, könnte für den Erlass von Vorschriften eine Begrenzung 592

Ebd.; zustimmend M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 612. Vgl. die Kritik ebd., S. 613. 594 Zum Einzelnen s. o. 1. Teil D. III. 3. 595 S. D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 256–258; R. Vetter, DÖV 2005, S.  721, 723 f.; so auch allgemein zu Verwaltungskompetenzen aus den verkehrspoli­ tischen Vorschriften des EGV; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 101–105. 593

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

auf materielle Rechtsakte zu folgern sein. Dagegen wurde eingewandt, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Union im Bereich der Verkehrssicherheit über weitergehende Befugnisse als in der übrigen Verkehrspolitik verfügen solle.596 Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung können solche womöglich bewusst getroffenen Unterscheidungen jedoch nicht derart beiseitegeschoben werden. Das ist allerdings auch gar nicht nötig, da der Wortlaut der Verträge selbst gegen die Annahme einer bewussten Differenzierung spricht. Art. 92 AEUV nimmt Bezug auf die „in Art.  91 Absatz  1 genannten Vorschriften“. Durch die Bezugnahme auf den gesamten Absatz werden auch die „Maßnahmen“ der lit. c erfasst und die Begriffe somit gleichgesetzt.597 Dieser bereits im EGV auszumachende diffuse Begriffsgebrauch hat sich nach der Schaffung der drei Verkehrsagenturen in dem Lissabonner Vertragsreform erhalten. Der institutionellen Aufladung dieser Rechtsgrundlagen wurde damit trotz offensichtlicher Konsequenzen nicht begegnet. Folglich stehen sowohl Art. 100 Abs. 2 AEUV als auch Art. 91 Abs. 1 lit. d AEUV Agenturisierungen offen.598 Dieses Ergebnis stützt zudem das dargelegte Gutachten zum Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt, in dem sich der Gerichtshof mit Art. 75 Abs. 1 lit. c EGV a. F., einer hinsichtlich der Rechtsfolge entsprechenden Vorgängernorm von Art. 91 Abs. 1 lit. d AEUV, befasste.599 Keine Antwort gibt die Auslegung auf die Frage, wie weit die institutionellrechtliche Offenheit reicht. Dieses Dilemma teilen die untersuchten Normen mit der überwiegenden Anzahl der politikfeldbezogenen Rechtsgrundlagen. Denn dort wird  – anders als im Falle von Art.  114 AEUV  – durch die Kompetenznormen selbst keine funktionale Beschränkung vorgegeben. Als materielle Anforderung der Rechtsgrundlage als solcher verbleibt, die Funktionen der Agenturen auf den jeweiligen ziel- oder sachlich-gegenständlich umschriebenen Politikbereich zu beschränken.600 Die Verknüpfung mit einem materiellen Sekundärrechtsrahmen, wie sie der EuGH für die Binnenmarktklausel verlangt, erscheint dagegen nicht zwingend. Gleichwohl wurde bislang noch keine Agentur „ins Blaue“ hinein gegründet, sondern stets mit Aufgaben betraut, die einen Bezug zu spezifischem materiellen Sekundärrecht des jeweiligen Politikbereichs aufweisen. Anderenfalls dürfte eine Agenturisierung auch den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit nur schwerlich standhalten.

596 So dagegen S.  Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 101; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 724. 597 D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 249; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 724. 598 Vgl. D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 249; a. A. noch R. v. Borries, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS Everling (Bd. I), S. 127, 140. 599 R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 724. 600 Vgl. K. Lenaerts, ELRev 18 (1993), S. 23, 41 f.

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b) Wettbewerbspolitik, Art. 103 AEUV Bartodziej hat herausgearbeitet, dass die mehrheitliche Befürwortung institutioneller Neuerungen unter Heranziehung spezieller Kompetenznormen konsequenterweise auch für die Schaffung eines unabhängigen Europäischen Kartellamts auf der Grundlage von Art. 103 AEUV gelten muss.601 Ein Europäisches Kartellamt besteht bislang nur in Form der dem Kommissar für Wettbewerb unterstellten Generaldirektion Wettbewerb, was unter dem Aspekt einer größeren Anfälligkeit genuin politischer Ämter für Einflussnahmen von Interessengruppen vielfach als Missstand bewertet wurde.602 Art. 103 Abs. 1 AEUV ermächtigt den Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments zum Beschluss der „zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in den Artikeln 101 und 102 niedergelegten Grundsätze“. Art. 101 f. AEUV statuieren ein Verbot von Kartellen bzw. des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen. Der Feststellung, Art.  103 Abs.  1 AEUV stehe der Schaffung eines unabhängigen Europäischen Kartellamts zumindest konzeptionell offen,603 ist zuzustimmen. Der Artikel ermächtigt zu Verordnungen; auch im Übrigen lässt sich dem Wortlaut eine Beschränkung auf materielle Rechtsakte nicht entnehmen. Ein abweichendes Ergebnis folgt ebenso wenig aus Art. 103 Abs. 2 AEUV, der den Zweck der Rechtsakte nach Abs.  1 näher umschreibt: Dort ist von normkonkretisierenden und überwachenden Aufgaben die Rede, wie sie Agenturen durchaus ausüben können. Angesichts der Formulierung „insbesondere“ ist die Auflistung zudem nicht abschließend.604 Der Umstand, dass Art.  103 Abs.  1 AEUV zum Beschluss nur von „zweckdienlichen“ Vorschriften ermächtigt, stellt keine eigenständige Hürde dar, steht die Rechtsgrundlage doch ohnehin unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 EUV. Angesichts der Unbestimmtheit des Zweck­ dienlichkeitsbegriffs und des Bezugs zur effektiven Umsetzung der Wettbewerbsregeln kann dem Rat zudem ein Beurteilungsspielraum zugebilligt werden.605 Dass die Schaffung einer unabhängigen Behörde für den Bereich der Wettbewerbs­ politik überwiegend als politisch wünschenswert und damit als „zweckdienlich“ 601 P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 252–257 (dort noch Art. 87 EGV a. F.). Anders entsprechend den obigen Darstellungen zum Wandel in der Literatur noch U. Everling, in: Hallstein/Schlochauer (Hrsg.), FS Ophüls, S. 33, 42; vgl. auch K. Lenaerts, ELRev 18 (1993), S. 23, 43. 602 So durch den ehemaligen Präsidenten des Bundeskartellamts Dieter Wolf, s. B. Vestring, Bonn will unabhängige Wettbewerbshüter in Brüssel – Neuer Anlauf für ein Europäisches Kartellamt, Berliner Zeitung vom 28.5.1996, abrufbar unter: http://www.berliner-zeitung.de/archiv/ bonn-will-unabhaengige-wettbewerbshueter-in-bruessel-neuer-anlauf-fuer-ein-europaeischeskartellamt,10810590,9130228.html (29.2.2016). 603 P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 257. 604 Ebd., S. 253. 605 Ebd.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

bewertet wird, wurde bereits dargelegt. Zusätzlich lässt sich eine Gesetzgebungspraxis anführen, die für institutionell-rechtliche Maßnahmen schon an anderer Stelle auf Vorgängernormen von Art. 103 Abs. 1 AEUV zurückgegriffen hat, so u. a. bei der Einsetzung beratender Ausschüsse für Kartell- und Monopolfragen.606 Hinsichtlich der Qualität von Befugniszuweisungen ergibt sich dagegen eine Beschränkung in systematischer Hinsicht. Bereits Art.  103 Abs.  2 lit.  d AEUV sieht für die Rechtsakte den Zweck vor, die Aufgaben der Kommission und des Gerichtshofs der Europäischen Union bei der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften voneinander abzugrenzen.607 Auch an anderen Stellen der Art.  101 bis 109 AEUV werden administrative Befugnisse zur Wettbewerbspolitik der Kommission zugewiesen, so bspw. Überwachungsfunktionen durch Art.  105 Abs.  1 S.  1 AEUV. Bei der Abgrenzung des in diesem Zusammenhang ebenfalls diskutierten Art. 352 AEUV zu Art. 48 EUV sowie bei der Frage nach der normativen Kraft eines institutionellen Gleichgewichts wird näher auf die Frage einzugehen sein, inwieweit sich daraus das Erfordernis einer Vertragsänderung für die Zuweisung „starker“ Befugnisse ergibt. Die Ausgestaltung einer „Kartellagentur“ ist dessen ungeachtet auch jenseits der weitreichenden, vertraglich der Kommission zugewiesenen Befugnisse denkbar, wie Beispiele mitgliedstaatlicher Kartellbehörden belegen.608 Folglich besteht mit Art.  103 Abs.  1 AEUV auch für den Bereich der Wettbewerbspolitik eine Kompetenznorm, die die Schaffung unabhängiger Einrichtungen zulässt. Darauf, dass sie deutlicher als sonstige Rechtsgrundlagen systematischen Schranken unterworfen ist, wird noch einzugehen sein. c) Gesundheitspolitik, Art. 168 AEUV Art. 168 Abs. 4 lit. b AEUV ermächtigt die Union zu „Maßnahmen in den Bereichen Veterinärwesen und Pflanzenschutz, die unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zum Ziel haben“. Auf den im Wesentlichen gleichlautenden Art.  152 Abs.  4 lit.  b EGV wurde  – unter Hinzuziehung weiterer Rechtsgrundlagen609 – die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit gestützt. Auch bei der Gründung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC) 606

Auf der Grundlage von Art. 87 EGV a. F., ebd., S. 254. Ebd. 608 Ebd., S. 256 f. Der dort als Beispiel angeführte britische Director General of Fair ­Trading, der als verselbständigte Ermittlungs-, Verfahrensbetreuungs-, Verhandlungs- und Beratungsbehörde fungierte, wurde durch das Office for Fair Trading und nunmehr durch die ebenfalls verselbständigte Competition and Markets Authority (CMA) abgelöst. Hinsichtlich des Kompe­tenzumfangs bei einer Heranziehung von Art. 235 EWGV ebenso F. Merz, EuZW 1990, S. 405, 407 f. 609 Art. 37, 95, 133 EGV (≈ Art. 43, 114, 207 AEUV). 607

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griffen die Organe auf Art. 152 Abs. 4 EGV zurück, ohne dabei eine Eingrenzung auf einzelne Buchstaben des Absatzes vorzunehmen. Während die Behörde für Lebensmittelsicherheit vor allem informatorisch tätig wird, spielt das ECDC bei der Eindämmung von Seuchen eine aktive Rolle, so durch das Betreiben eines Frühwarnsystems und die Bildung flexibler EU-Reaktionsteams.610 Art.  168 Abs.  4 AEUV lässt keinerlei Hürden für derlei Organisationsakte erkennen; in allen drei Buchstaben finden sich Ermächtigungen zu „Maßnahmen“.611 Der klare Befund könnte mittlerweile jedoch durch die ENISA-Rechtsprechung des EuGH zu hinterfragen sein. Wie beschrieben, erkennt der Gerichtshof bei auf Art. 114 AEUV gestützten Errichtungen bzw. Befugniszuweisungen eine Angleichungswirkung an, wenn die zugewiesenen Aufgaben im „engen Zusammenhang“ zu harmonisierten Bereichen stehen, sich die Errichtung der Agentur also in einen die Verwirklichung des Binnenmarktes bezweckenden Regelungskomplex einfügt.612 Wollte man dieser Sicht folgen, müsste man bei der Prüfung sonstiger spezieller Rechtsgrundlagen die Kehrseite dieser Ausdehnung beachten: Für einige sachbezogene Vorschriften sehen die Verträge ausdrückliche Harmonisierungsausschlüsse vor, so etwa für Art. 153 Abs. 2 lit. b und Art. 165 Abs. 4 Spstr. 1 AEUV. Eine Harmonisierung ist gem. Art.  2 Abs.  5 UAbs.  2 AEUV überdies dort ausgeschlossen, wo die Union lediglich unterstützend, koordinierend oder ergänzend tätig wird. Diese Ausschlüsse bewirken zwar keine absolute Sperre, sondern lassen in Grenzen auf Art. 114 f. oder Art. 352 AEUV basierende, den jeweiligen Bereich bloß mitregelnde Angleichungsmaßnahmen unberührt.613 Liegt der Schwerpunkt der Harmonisierung dagegen auf dem speziellen Politikfeld, so greift der Ausschluss.614 Art. 152 Abs. 4 EGV, auf den bei der Gründung des ECDC zurückgegriffen wurde, schloss nach lit.  c bei Fördermaßnahmen zum Schutz und zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit jegliche Harmonisierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten aus. Dem entspricht Art.  168 Abs. 5 AEUV, der die Bekämpfung schwerer grenzüberschreitender Krankheiten explizit nennt und damit die heute einschlägige Kompetenznorm für eine Einrichtung wie das ECDC bildete. Ordnet man Agenturgründungen nun an der einen Stelle als Angleichungsmaßnahmen ein, müssten sie in der Konsequenz von Harmonisierungsausschlüssen 610 S. Art. 3 Abs. 2 lit. d, Art. 8 VO (EG) Nr. 851/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, ABl. EG 2004 L 142/1. 611 So schon zu Art. 152 Abs. 4 lit. b EGV R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 725. 612 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 44 f., 60 f., 63. 613 W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 3534. Bei Vorschriften nach Art. 352 AEUV ist die Übertragung der Harmonisierungsausschlüsse durch dessen Absatz 3 zu bedenken, sodass der Schwerpunkt der Maßnahme nicht auf dem Ziel bzw. Regelungsbereich der speziellen Kompetenznorm liegen darf. 614 H.-J. Blanke, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 167 AEUV Rn. 19; W. Frenz, Europarecht, 2. Aufl., Rn. 740 f.; K. Odendahl, in: Niedobitek (Hrsg.), Europarecht – Politiken der Union, S. 1043.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

erfasst werden.615 So stellt der Gerichtshof in seiner Subsumtion im ENISA-Urteil maßgeblich darauf ab, dass informatorische und unterstützende Tätigkeiten wie die der ENISA mittelbar eine Angleichung der mitgliedstaatlichen Vorschriften bewirkten.616 Wie beschrieben, erscheint es in der Tat plausibel, dass ein durch die Agentur bereitgestellter gemeinsamer Wissensbestand tendenziell zu abgestimmten Rechtsetzungen der Mitgliedstaaten führt. Ein solcher Effekt stellt sich rein faktisch ein.617 Es erscheint daher willkürlich, ihn nur dort feststellen zu wollen, wo Agenturen derartige Tätigkeiten parallel zu weiteren Angleichungsmaßnahmen des Unionsgesetzgebers im eigentlichen Sinne vornehmen. Wenn für die „technischen Ratschläge“ der ENISA mit dem EuGH die Möglichkeit festzustellen ist, dass die Mitgliedstaaten im Bereich der Netz- und Informationssicherheit künftig eher gleichlautende Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen,618 so ist kein Grund dafür ersichtlich, diese Möglichkeit nicht auch für die Gutachten des ECDC zu übertragbaren Krankheiten anzuerkennen. Auch dort ist es möglich, dass Mitgliedstaaten durch abstrakt-generelle Regelungen bspw. die Hygiene in Krankenhäusern oder die Ausbildung und Schulung von Fachpersonal zu verbessern suchen, die Standards im beschriebenen Sinne also „harmonisieren“. Diese Überlegung mag man als gekünstelt abtun. In der Tat erscheint die mittelbare, „sanfte“ Form der Rechtsangleichung durch bloße Zurverfügungstellung von Informationen den Anwendungsbereich von Harmonisierungsausschlüssen nicht zu eröffnen. Der Sinn und Zweck dieser Verbote besteht in der Bewahrung der mitgliedstaatlichen Rechtsetzungshoheit; ein Zwang wird durch informatorische Tätigkeiten allein gerade nicht ausgeübt. Gleichwohl verdeutlicht die Überlegung, dass der weite Angleichungsbegriff der ENISA-Rechtsprechung der Systematik der Verträge fremd ist. Die Harmonisierungsausschlüsse zeigen, dass das Primärrecht in seiner Gesamtheit von einer Angleichung mit direktem Bezug zu normativen Rechtsakten ausgeht. Kompetenznormen, die eine Angleichung verbieten, erlauben daher ungeachtet der gewandelten Rechtsprechung zu Art. 114 AEUV die Zuweisung auch solcher Befugnisse, denen man mit dem EuGH konsequenterweise eine Angleichungs­ wirkung zusprechen müsste. Art. 168 Abs. 5 AEUV steht Agenturisierungen folglich weiterhin offen.

615 Vgl. D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 89 ff., wo – wenig verständlich – gerade maßgeblich auf Harmonisierungskompetenzen als Voraussetzung für Agenturgründungen abgestellt wird. 616 EuGH, Rs. C-217/04, Slg. 2006, I-3771, Rn. 61–64. 617 Vgl. ebd., Rn. 64: „Der Gemeinschaftsgesetzgeber konnte also der Ansicht sein, dass die Stellungnahme einer unabhängigen Stelle, die auf Anfrage der Kommission und der Mitgliedstaaten technische Ratschläge erteilt, die Umsetzung der genannten Richtlinien in das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten und deren Durchführung auf nationaler Ebene erleichtern könne.“ 618 Ebd.

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

209

d) Umweltpolitik, Art. 192 AEUV Wie vorstehend erwähnt, wurde mit der Gründung der Europäischen Umweltagentur im Jahr 1990 eine Agentur erstmals nicht auf die Vertragsabrundungsklausel, sondern auf eine spezielle Kompetenznorm gestützt. Die Grundlage bildete Art. 130s EWG a. F., dem heute Art. 192 AEUV entspricht. Art. 192 Abs. 1 AEUV ermächtigt die Union zum „Tätigwerden zur Erreichung der in Artikel 191 genannten Ziele“. Art.  191 AEUV eröffnet eine weit gefasste Zuständigkeit, die neben dem klassischen Bereich der Umweltpolitik in Abs. 1 Spstr. 2 auch den Schutz der menschlichen Gesundheit umfasst. Die Umweltagentur wurde als schwache Agentur ausgestaltet, die informatorisch und unterstützend tätig wird. Für die Zulässigkeit derartiger Befugnisse lässt sich insbesondere Art. 191 Abs. 3 Spstr. 1 AEUV ins Feld führen, der die Union darauf verpflichtet, bei der Erarbeitung ihrer Umweltpolitik „die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten“ zu berücksichtigen.619 Mit dem weiten Begriff „Tätigwerden“ steht Art. 192 Abs. 1 AEUV allerdings auch der Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen nicht entgegen, lässt der Ausdruck doch bereits nach allgemeinem Sprachverständnis auch Vollzugshandlungen zu.620 Entgegen vereinzelter Zweifel im älteren Schrifttum621 ändert Art. 192 Abs. 5 AEUV an diesem Ergebnis nichts: Nach diesem Absatz tragen die Mitgliedstaaten für die Finanzierung und Durchführung der Umweltpolitik Sorge, dies jedoch „unbeschadet bestimmter Maßnahmen der Union“. Schon aus letzterer Formulierung ergibt sich die Möglichkeit eines zumindest auf einzelne Bereiche begrenzten direkten Vollzugs.622 Art. 192 AEUV bildet somit eine weitere für sich betrachtet alle denkbaren Aufgaben von Agenturen umfassende Rechtsgrundlage. e) Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Art. 85, 88 AEUV Mit Europol, der Europäischen Polizeiakademie, Eurojust, Frontex bzw. der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen sowie der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bestehen für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts mittlerweile sechs Agenturen. Ist die Agenturisierung in der vormals dritten Säule der 619 Hierauf wurde in Erwägungsgrund 3 der GründungsVO (VO (EWG) Nr. 1210/90, Abl. EG 1990 L 120/1) abgestellt, D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 92. 620 R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 724. 621 So mit Bezug auf den entsprechenden Art. 130r Abs. 4 S. 2 EGV a. F. Grabitz/Nettesheim, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Stand Sept. 1992, Art. 130r EGV Rn. 89–93. 622 D.  Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S.  92 f.; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 724; vgl. allgemein zur Tauglichkeit der Rechtsgrundlage auch P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 255.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Europäischen Union damit zahlenmäßig auch ausgeprägter als auf jedem anderen Politikfeld, bleiben die genannten Einrichtungen mit ihren bloß informatorischen, unterstützenden und koordinierenden Funktionen qualitativ hinter den Entwicklungen in den Bereichen der Finanzmarktaufsicht und Zulassungsverfahren zurück.623 Auch dort, wo Agenturpolitik mit der Europäischen Agentur für die Grenzund Küstenwache einen Bezug zu grundrechtsintensiven Maßnahmen aufweist, ist sie lediglich als Kooperation der operativen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten ausgestaltet. Die letztlichen Eingriffe sind wohl den mitgliedstaatlichen Behörden zuzurechnen, was jedoch nicht unumstritten ist.624 Hier tritt der das gesamte Primärrecht durchziehende ordre public bei Fragen der inneren Sicherheit hervor. Mit der Erweiterung der Befugnisse durch die VO des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache und zur Aufhebung der VO (EG) Nr.  2007/2004, der VO (EG) Nr.  863/2007 und der Entscheidung 2005/267/EG des Rates (KOM (2015) 671 final) zeichnen sich nunmehr allerdings auch hier Ansätze eine „Intervention-based Supervision“ ab, namentlich bei Funktionsausfällen der mitgliedstaatlichen Grenzschutzbehörden. Dem ordre public entsprechen vergleichsweise präzise umschriebene Rechtsgrundlagen, die die genannten Agenturen zum Teil  ausdrücklich vorsehen und den zulässigen Umfang von Befugniszuweisungen bestimmen. Eine solch ausführliche Regelung besteht für Europol mit Art. 88 AEUV, der in Abs. 1 zunächst den Auftrag der Agentur beschreibt und sodann in Abs.  2 das Europäische Parlament und den Rat ermächtigt, „durch Verordnungen den Aufbau, die Arbeitsweise, den ­Tätigkeitsbereich und die Aufgaben“ festzulegen. Es folgt eine Aufzählung möglicher Aufgaben, die abschließend formuliert ist („Zu diesen Aufgaben kann Folgendes gehören:“). An dieser Stelle wird darüber hinaus bestimmt, dass die Verordnungen die Kontrolle Europols durch das Europäische Parlament näher festlegen und dabei eine Beteiligung der nationalen Parlamente vorsehen müssen. Abs.  3 stellt schließlich klar, dass die Anwendung von Zwangsmaßnahmen ausschließlich in der Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Behörden verbleibt. Art. 88 AEUV bildet damit eine Rechtsgrundlage, welche eine Agentur in einem Einzelfall umfassend regelt, die Errichtung dabei jedoch nicht ersetzt.625 Wie 623

Vgl. W. Wessels, Das politische System der Europäischen Union, S. 428. Die Verantwortungszuweisung bei polizeilichen Maßnahmen von Frontex gestaltet sich aufgrund eines Systems von Abstellungen mitgliedstaatlicher Beamter komplex. Die Entscheidung zur Einreiseverweigerung kann allein von Grenzschutzbeamten des jeweiligen Einsatzmitgliedstaats getroffen werden. Durch eine umfassende Novellierung stehen den Frontex-Beam­ten mittlerweile allerdings umfangreiche polizeiliche Kompetenzen – einschließlich der Anwendung physischen Zwangs – zur Verfügung. Zu den Zuordnungsschwierigkeiten angesichts „unterschiedlicher Rechtsmassen“ s. A. Fischer-Lescano/T. Tohidipur, ZaöRV 2007, S. 1219–1276, s. insb. S. 1239 f. 625 In der Literatur wird dieser Aspekt im Hinblick auf die bereits vor dem Vertrag von Lissabon erfolgte Gründung eher undeutlich behandelt, vgl. G. Dannecker, in: Streinz (Hrsg.), EUV/ AEUV, 2. Aufl., Art. 291 Rn. 2 ff.; O. Suhr, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 88 AEUV Rn. 15. 624

C. Rechtsgrundlagen in speziellen Politikbereichen  

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Art. 88 Abs. 2 S. 1 AEUV klarstellt, legen vielmehr das Europäische Parlament und der Rat den Aufbau, die Arbeitsweise und den Tätigkeitsbereich von Europol durch Verordnungen fest. Die Norm ist als Fortschritt gegenüber der vormals kombinierten Rechtsgrundlage, Art. 30 Abs. 1 lit. b, Abs. 2, Art. 34 Abs. 2 lit. c EUV a. F., zu begrüßen, in der lediglich eine allgemeine Ermächtigung zu Beschlüssen mit ausdrücklichen Aufgabenbeschreibungen für Europol verbunden wurden. Durch Art. 9 des Protokolls über die Übergangsbestimmungen zum Lissabonner Vertrag626 wird der noch nach alter Rechtslage ergangene Europol-­Beschluss627 zwar nicht unwirksam, allerdings besteht eine Pflicht zur zeitnahen Ersetzung durch eine Verordnung nach Maßgabe des Art. 88 Abs. 2 S. 1 AEUV.628 Gleiches gilt für die explizite Ermächtigung bzgl. Eurojust in Art. 85 AEUV, die demselben Schema folgt. Die Polizeiakademie, Frontex bzw. die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, das Unterstützungsbüro für Asylfragen und die Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen wurden dagegen auf Kompetenznormen gestützt, die zum Erlass von „Maßnahmen“ des jeweiligen Tätigkeitsfelds ermächtigen.629 Insoweit kann auf die vorstehenden allgemeinen Erwägungen verwiesen werden. 3. Ergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Schaffung von Agenturen in allen betrachteten Politikbereichen Rechtsgrundlagen entsprechen, die für sich genommen vielfach keinerlei Aufschlüsse über die zulässige Qualität von Befugniszuweisungen geben. Ein weiterer zahlenmäßiger Anstieg des Agenturwesens ließe sich zudem auf eine Fülle sonstiger, ob redundanter Merkmale nicht eigens dargestellter Kompetenznormen stützen.630 Als solche kommen nach den beschriebenen Kriterien unbeschadet systematischer Beschränkungen aus dem AEUV in Betracht: Art. 33, 43, 46, 48, 64 Abs. 2, Art. 74, 75, 77 Abs. 2, Art. 78 Abs. 2, Art. 79 Abs. 2, 4, Art. 81 Abs. 2, Art. 82 Abs. 1, Art. 84, 85 (Eurojust), 86 (Europäische Staatsanwaltschaft), 87 Abs. 2, 3, Art. 88 (Europol), 91 Abs. 1, 100 Abs. 2, Art. 103, 114 (str.), 118, 122 Abs. 1, Art. 133, 136 Abs. 1, Art. 136 Abs. 3 (ESM – nicht als Agentur ausgestaltet631), Art. 138 Abs. 2, Art. 149, 153 Abs. 2 lit. a, Art. 157 Abs. 3, Art. 165 Abs. 4 Spstr. 1, Art. 166 Abs. 4, Art. 167 Abs. 5 Spstr. 1, Art. 168 Abs. 4, 5, Art. 169 Abs. 2 lit. b, Abs. 3, Art. 171 Abs. 1, Art. 172, 173 Abs. 1, 3 S. 2, 626

ABl. EU 2010 C 83/322. Beschluss des Rates vom 6.4.2009 zur Errichtung des Europäischen Polizeiamtes (Europol), ABl. EU 2009 L 121/37. 628 G. Dannecker, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 291 Rn. 3. 629 S. zur Übersicht die Tabelle im Anhang. 630 Vgl. R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 725. 631 S. u. E. I. 1. (dort Fn. 697). 627

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Art. 187 (lex specialis zu Art. 182 Abs. 5), 192 Abs. 1, Art. 194 Abs. 2, Art. 195 Abs. 2, Art. 196 Abs. 2, Art. 197 Abs. 2 S. 4. Für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ermöglicht überdies Art.  28 Abs.  1 EUV („erforderliche Beschlüsse“) institutionelle Neuschöpfungen, wovon mit dem Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien, dem Satellitenzentrum der Europäischen Union sowie der Europäischen Verteidigungsagentur632 Gebrauch gemacht wurde. Mit Blick auf die Unterteilung des AEUV findet sich im dritten Teil neben den Titeln zum Europäischen Sozialfonds (XI) sowie zur wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenarbeit (XVIII) damit einzig für den Bereich der Binnenmarktpolitik (I) keine entsprechende Kompetenz. Auch dieser Damm wurde jedoch durch die beschriebene Extension von Art. 114 AEUV durchbrochen. Vor allem die funktionale Offenheit der zahlreichen Rechtsgrundlagen, die nicht ausdrücklich auf informatorische, unterstützende oder koordinierende Aufgaben beschränkt sind, löst ein Bedürfnis nach Einhegung aus, wie sie durch die Stärkung von Rechtsprinzipien oder die Aufnahme eines „Agentur-Artikels“ in die Verträge gelingen könnte. Anderenfalls erscheint durch das gewandelte Verständnis von „Sachkompetenzen“  – der eingangs beschriebenen „Integration der kleinen Schritte“ entsprechend  – das Tor zu einer umfassenden Revision der Verwaltungszuständigkeiten aufgestoßen.633 Zu betonen ist, dass das Ergebnis dieses Abschnitts ohne eine Bemühung der Implied-Powers-Doktrin auskommt. Die dargestellte Weite dürfte insofern nicht abschließend sein.

D. Art. 290 f. AEUV als Ermächtigungen zur Schaffung unabhängiger Einrichtungen Auch die durch den Vertrag von Lissabon neu eingeführte Regelung der delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte wird als Rechtsgrundlage europäischer Agenturen diskutiert.634 Nach Art. 290 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV kann der Kommission die Befugnis übertragen werden, „Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen“. Art. 291 AEUV sieht in Abs. 2 die ausnahmsweise Übertragung von Durchführungsbefug 632

Ausdrücklich in Art. 42 Abs. 3 UAbs. 2 S. 2 EUV genannt. Kritisch auch M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 199; Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 725; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 613 (zur ebd. vorgenommenen Abgrenzung zur Vertragsänderung s. u. E. II.). 634 Zu Art. 290 AEUV vgl. Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 45; zu Art. 291 AEUV T. O. Kos­ lowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 130, 132 f.; C. D. Clas­ sen, in: v.  d.  Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art.  114 AEUV Rn. 124; im Gegensatz zur Angabe bei Koslowski (a. a. O., S. 130) nur auf Befugnisse der Kommission Bezug nehmend Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 32 Rn. 13. 633

D. Art. 290 f. AEUV zur Schaffung unabhängiger Einrichtungen 

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nissen auf die Kommission bzw. in gesteigerten Ausnahmefällen635 auf den Rat vor. Ein Bezug zum Agenturmodell ergibt sich für beide Vorschriften weder aus Wortlaut noch Systematik.636 Dennoch hält Classen einen Rückgriff auf spezielle Kompetenznormen auch für die Gründung von Agenturen und deren Einbeziehung in nationale Verwaltungsverfahren nach Art. 291 AEUV ohne nähere Begründung für „nicht mehr erforderlich“.637 Für die Funktion als Kompetenznormen fällt ob der Mehrzahl an Akteuren und Rechtsakten bereits die Eingrenzung der zu diskutierenden Konstellation schwer: Nach beiden Vorschriften stützen sich die tertiärrechtlichen Maßnahmen von Kommission bzw. Rat auf sog. Basisrechtsakte („Gesetzgebungsakte“, „verbindliche Rechtsakte der Union“), die der Unionsgesetzgeber erlässt.638 Diese Übertragungsakte entsprechen normenhierarchisch der Zuweisung von Befugnissen an Agenturen. Denkbar wäre es nun einerseits, Errichtungen und Befugniszuweisungen als Basisrechtsakte in diesem Sinne aufzufassen. Die tertiären Maßnahmen von Agenturen wären dann als delegierte Rechtsakte bzw. Durchführungsrechtsakte i. S. d. Art.  290 f. AEUV einzuordnen. Eine solche Sichtweise wird, soweit ersichtlich, zumindest nicht dezidiert vertreten,639 obwohl die Verwaltung durch Agenturen verbreitet als „Durchführung“ bezeichnet wird.640 Sie ist schon deshalb abzulehnen, weil die unmittelbare Schaffung einer neuen Einrichtung die Übertragung von Befugnissen auf bestehende Einrichtungen überdehnt. In dieser Konstellation wären Kommission und Rat zwar durch das Gesetzgebungsverfahren eingebunden, blieben in ihrer Eigenschaft als Exekutivorgane dagegen außen vor. Der Wortlaut der Art. 290 f. AEUV lässt keinen Zweifel daran, dass die Handlungsformen der delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte allein diesen Organen zustehen. Inwieweit sich den Vorschriften dessen ungeachtet Aussagen zum generellen Verhältnis von direktem und indirektem Vollzug oder ein Verbot normkonkretisierender Tätigkeiten von Agenturen entnehmen lassen, soll im Kontext der Verfassungsstrukturprinzipien erörtert werden.641 Zum anderen ließen sich die Art. 290 f. AEUV für Agenturisierungen womöglich dahingehend fruchtbar machen, Errichtungen und Befugniszuweisungen betreffend Agenturen nicht als Basisrechtsakte, sondern als delegierte Rechtsakte 635 So die Bezeichnung bei M.  Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 291 AEUV Rn. 7 f. 636 H. C. H. Hofmann, in: Barnard/Peers (Hrsg.), European Union Law, S. 201. 637 C. D.  Classen, in: v.  d.  Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 124. 638 Statt vieler M.  Liebmann, Zulässigkeit und Bedeutung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten am Beispiel der Lebensmittelinformationsverordnung (EU) Nr. 1169/2011, S. 46. 639 Vgl. aber C. D. Classen, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 124; nur auf Befugnisse der Kommission bezogenen dagegen Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 32 Rn. 13. 640 Dazu ausführlich u. 3. Teil C. I. 1. a). 641 S. u. 3. Teil C. I. 1.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

bzw. Durchführungsrechtsakte zu erlassen.642 Der Unionsgesetzgeber würde die Agenturen damit nur mittelbar einrichten; zum eigentlichen Schöpfer gerieten Kommission bzw. Rat. Das Verhältnis entspräche somit der Konstellation der Exekutivagenturen. Da die Errichtung tertiärrechtlich erfolgte, würde ein wesentliches Abgrenzungsmerkmal der Regulierungsagenturen aufgegeben. Freilich erscheint es gleichwohl denkbar, Einrichtungen nach diesem Verfahren zu schaffen, die den Regulierungsagenturen qualitativ entsprechen. Unabhängig von der Zulässigkeit dieser mittelbaren Errichtung ist grundlegend zu betonen, dass die Art. 290 f. AEUV auch nach einem solchen Verfahren keine vollwertigen Rechtsgrundlagen bildeten. Die Normen stellen lediglich klar, dass mit „Gesetzgebungsakten“ und „verbindlichen Rechtsakten der Union“ entsprechende Übertragungen an die Organe ergehen können. Dem Bedürfnis der ganz unterschiedlichen Basisrechtsakte nach einer Einzelermächtigung leisten sie gerade keine Abhilfe.643 Art. 290 f. AEUV kämen als Rechtsgrundlagen für Agenturen damit nur dann in Betracht, wenn Agenturisierungen erst durch die Zwischenschaltung von Kommission bzw. Rat ermöglicht würden, diese mehraktigen Verfahren im Verhältnis zu den Rechtsgrundlagen der Basisrechtsakte also ein Plus an organisationsrechtlicher Kompetenz begründeten. Zunächst ist zu klären, ob Errichtungen und Befugniszuweisungen grundsätzlich  – d. h. bei entsprechend umfassender Rechtsgrundlage des Basisrechtsakts  – als delegierte Rechtsakte bzw. als Maßnahmen der „Durchführung“ eingestuft werden können. Für die delegierten Rechtsakte wird das teils als möglich er­achtet, solange die Ermächtigung zur Gründung im Basisrechtsakt auch als solche bezeichnet wird.644 Eine Nennung der zu gründenden Agenturen im Einzelnen sei dagegen nicht erforderlich.645 Auch der vertraglich nicht näher definierte Begriff der Durchführung umfasst nach allgemeinem Verständnis jedenfalls normkonkretisierende Rechtsetzungsakte.646 Ob auch Einzelfallmaßnahmen „Durchfüh-

642 So auch die letztlich verworfene These bei T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 130, 132 f.; vgl. ferner Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 45. 643 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 132 f.; zumindest missverständlich daher die Ausführungen bei Th. Oppermann/C.-D. Classen/ M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 32 Rn. 13 („ausdrückliche Kompetenz“/„Rückgriff auf Art. 114 AEUV nicht mehr erforderlich“). 644 So Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 45. 645 Ebd. 646 M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 291 AEUV Rn. 1; vgl. auch Ch. Möllers, EuR 2002, S. 483, insb. S. 489–492. Ein extensives Verständnis lässt sich auch der Rechtsprechung des EuGH entnehmen, M.  Gellermann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/ AEUV, 2. Aufl., Art. 291 Rn. 6 (Fn. 9); T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 132: EuGH Rs. 23/75 (Rey Soda/Cassa Conguaglio Zucchero), Slg.  1975, 1280, Rn.  10/14; Rs. C-478/93 (Niederlande/Kommission), Slg.  1995, I-3081, Rn.  30; Rs. C-159/96 (Portugal/Kommission), Slg.  1998, I-7379, Rn.  40; verb. Rs. C-37/02 und C-38/02 (Di Lenardo Adriano und Dilexport/Ministero del Commercio con l’Estero), Slg. 2004, I-6945, Rn. 55.

D. Art. 290 f. AEUV zur Schaffung unabhängiger Einrichtungen 

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rungen“ i. S. v. Art. 291 AEUV sein können, wird dagegen zum Teil bezweifelt.647 Insgesamt sind Durchführungsrechtsakte im Verhältnis zu den delegierten Rechtsakten jedenfalls durch ein Minus an legislativer Qualität gekennzeichnet. Das verdeutlichen auch die Ausführungen des EuGH zur Festsetzung von Gebühren der ECHA durch die Kommission, wonach Durchführungsbefugnisse lediglich der Präzisierung von Gesetzgebungsakten im Interesse einheitlicher Bedingungen in allen Mitgliedstaaten dienen.648 Ohne die Reichweite beider Handlungsformen erschöpfend zu klären, ist damit das aus dem deutschen Verfassungsrecht vertraute Kriterium der Wesentlichkeit angesprochen. Art. 290 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV begrenzt die delegierten Rechtsakte ausdrücklich auf die „Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften“. Selbiges gilt nach ständiger Rechtsprechung erst recht für Durchführungsrechtsakte,649 wobei sich bislang kein klarer Aussagegehalt herausgebildet hat.650 Das Merkmal der Wesentlichkeit erscheint bereits dort problematisch, wo die Rechtsgrundlage des Basisrechtsakts zu institutionell-rechtlichen Maßnahmen ermächtigt und lediglich die konkrete Entscheidung über die Ausgestaltung einer Agentur verlagert wird. So verhält es sich mit den Exekutivagenturen, deren auf die Flexibilitätsklausel gestützte Rahmenverordnung allgemein als vertragskonform angesehen wird.651 Wie im ersten Teil  beschrieben, unterscheiden sich Exekutivagenturen aber nicht nur durch ihre tertiärrechtliche Errichtung, sondern insbesondere hinsichtlich ihrer engen funktionalen Anbindung an die Kommission von den Regulierungsagenturen.652 Es erscheint daher fraglich, ob eine derartige Rahmenverordnung als Basisrechtsakt auch für solche Agenturen geschaffen werden kann, die funktional den Regulierungsagenturen entsprächen.

647 S. insb. U. Stelkens, EuR 2012, S. 511–545; Anlass dazu gibt auch die jüngst restriktivere Formulierung des EuGH, s. Urteil v. 18.3.2014, Rs. C-427/12, Rn. 39, noch nicht in d. amtl. Slg. veröffentlicht. 648 Ebd. Die gerichtliche Kontrolle beschränke sich angesichts eines Ermessensspielraums des Unionsgesetzgebers bei der Wahl zwischen Art. 290 Abs. 1 und Art. 291 Abs. 2 AEUV allerdings auf offensichtliche Beurteilungsfehler, ebd., Rn. 40; vgl. auch AA, Denkschrift zum Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, AS-RK 2007, S. 126. 649 EuGH, Rs.  25/70 (Einfuhr und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel/Köster), Slg. 1970, 1162, Rn. 6; Rs. C-240/90 (Deutschland/Kommission), Slg. 1992, I-5383, Rn. 36 f.; Rs. C-417/93 (Parlament/Rat), Slg. 1995, I-1210, Rn. 30; Rs. C-356/97 (Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen), Slg. 2000, I-5461, Rn. 21; Rs. C-66/04 (Raucharomen), Slg. 2005, I-10553, Rn. 48. 650 Vgl. EuGH, Rs.  291/86 (Central-Import Münster), Slg.  1988, I-3679, Rn.  13; eher großzügige Maßstäbe anlegend EuGH, Rs. C-240/90 (Deutschland/Kommission), Slg. 1992, I-5383, Rn. 41; Rs. C-374/96 (Vorderbruegen), Slg. 1998, I-8385, Rn. 36; s. auch M. Geller­ mann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 291 Rn. 14. 651 Vgl. Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 45; ders., Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 386 f., 394 m. w. N.; W. Schenk, Strukturen und Rechtsfragen der gemeinschaftlichen Leistungsverwaltung, S. 188. 652 S. o. 1. Teil B. I.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Dagegen streitet der Umstand, dass derartige Agenturen nicht nur über Rechtspersönlichkeit verfügten, sondern auch der Kommission bzw. dem Rat als ihrem direkten Schöpfer funktional nicht untergeordnet wären. Angesichts der deutlich stärkeren Unabhängigkeit von Regulierungsagenturen entstünde durch den Basisrechtsakt und den tertiärrechtlichen Akt weniger eine dreistufige Hierarchie denn ein Dreieck.653 Darin besteht eine deutliche Abweichung zu Übertragungen auf nachgeordnete Ämter oder Exekutivagenturen. Anders als dort reicht der Unionsgesetzgeber die Befugnis hier bildlich gesprochen nicht „nach unten“ weiter, sondern schiebt sie gleichsam „zur Seite“. Somit vertieft sich nicht bloß die Mittelbarkeit, vielmehr ändert sich die Richtung der Zuweisung. In zahlreichen nationalen Rechtsordnungen besteht bereits für klassische Subdelegationen das Erfordernis einer formell-gesetzlichen Fixierung, so im deutschen Staatsrecht für die Übertragung einer Verordnungsermächtigung etwa von einem Bundesminister auf eine oberste Bundesbehörde gem. Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG.654 Der dahinter stehende Bestimmtheitsgrundsatz655 ist erst recht auf das beschriebene Dreiecksverhältnis der Agenturen zu übertragen. Damit ist festzuhalten, dass die Errichtung funktional unabhängiger Einrichtungen und die Zuweisung entsprechend unabhängig ausübbarer Befugnisse als wesentlich anzusehen sind. Es können keine Basisrechtsakte ergehen, die die Kommission zur Gründung von qualitativ als Regulierungsagenturen einzuordnenden Stellen ermächtigten. Unabhängig von diesem letztlich wertenden Ergebnis ist nicht zu bestreiten, dass das Wesentlichkeitsmerkmal den Spielraum exekutiver Rechtsetzung im Ver 653 Vgl. in anderem Kontext die Auffassung P. v. Cleynenbreugels, Agenturgründungen seien entgegen vielfach abweichender Darstellung keine (direkte)  Übertragung von Kompetenzen durch die Mitgliedstaaten auf Agenturen, sondern eine Frage der Interpretation begrenzter Einzelermächtigungen, ders., 21 MJ 1 (2014), S. 81: „The establishment of ESA does not involve such a delegation ‚downwards‘ from the Commission towards a specialized agency. It rather reflects a constitutional delegation upwards[sic] from the Member States to an intermediate supra­national body that operates firmly within[sic] the legal space established by the EU ­Treaties.“ 654 Vgl. allgemein sowohl zum nationalen wie europäischen Recht G. Hermes, der ein Bedürfnis nach einer Weiterentwicklung der Wesentlichkeitslehre erkennt, „die die (Zwischen-) Ergebnisse [sic] der verwaltungs(rechts)wissenschaftlichen [sic] Steuerungsdiskussion verarbeitet“, ders., in: Bauer/Huber/Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, S.  457, 482. Insofern ist zuzugeben, dass Subdelegationen im deutschen Staatsrecht keineswegs allein vertikal im beschriebenen hierarchischen Sinne erfolgen. So können oberste Bundesbehörden als verfassungsmäßig mit eigenen Rechten ausgestattete Institutionen nur eingeschränkt mit nachgeordneten Ämtern oder Exekutivagenturen verglichen werden. Ferner kommt selbst der Bundespräsident als Organ jenseits der drei Gewalten als Subdelegatar in Betracht. Dies wäre ohne die Vorschrift des Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG gleichwohl nur schwer mit dem rechtstaatlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar, sodass sich der Rechtsgedanke selbst dann auf das europäische Primärrecht übertragen lässt, wenn man die Übertragung auf eine Agentur hierzu als Minus ansieht. Zur Subdelegation nach Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG s. F. Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR V, 3. Aufl., § 103 Rn. 17–37. 655 S. W. Schwanengel, Einwirkungen der Landesparlamente auf die Normsetzung der Exekutive, S. 18 ff.

D. Art. 290 f. AEUV zur Schaffung unabhängiger Einrichtungen 

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hältnis zur Legislative verengt. Vertretbar erscheint es, die Schaffung von Einrichtungen wie den Regulierungsagenturen nicht von dieser Verengung erfasst anzusehen, sofern der Basisrechtsakt im Hinblick auf Rechtsform, Organisation und Befugnisse hinreichend bestimmt ist.656 Insoweit ließe sich allerdings die Praktikabilität eines solchen zweistufigen Gründungs- bzw. Übertragungsakts bezweifeln.657 Unter keinem Gesichtspunkt lässt sich dagegen argumentieren, eine Übertragung von Konkretisierungsbefugnissen bewirke eine Ausweitung des Gestaltungsspielraums dahingehend, dass die Union kraft der Art. 290 f. AEUV mehr dürfte, als ihr durch spezielle Kompetenznormen von den Mitgliedstaaten übertragen wurde. Denn anderenfalls erweiterten Art. 290 f. AEUV nicht nur die internen Spielräume im Hinblick auf die Organzuständigkeiten, sondern hätten auch eine erhebliche Ausdehnung der Verbandskompetenz zur Folge. Hier lässt sich die schon im Zusammenhang der mittelbaren Rechtsangleichung erläuterte Raucharomen-Entscheidung anführen, in der der EuGH betonte, dass sich der Gesetzgeber bei Maßnahmen nach der Binnenmarktklausel durch den Mechanismus der Durchführungsrechtsakte nicht des Erfordernisses der Angleichungswirkung entledigen könne.658 Die Gewährung einer allgemeinen Organisationskompetenz durch das „U-Boot“ der exekutiven Rechtsetzung führte nicht zuletzt zu eben jenen Defiziten in Bezug auf demokratische Legitimation und Organbeteiligung, aus denen sich der institutionelle Gesetzesvorbehalt ergibt.659 Damit ist festzuhalten, dass Agenturen allenfalls insoweit per delegiertem Rechtsakt oder Durchführungsrechtsakt geschaffen werden können, wie schon für den Basisrechtsakt eine entsprechende Grundlage besteht.660 Dann aber kehrt die Prüfung zur Ausgangsfrage nach den Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen zurück.661  – Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse habet: Stehen schon dem Unionsgesetzgeber Agenturen nicht als Instrument zur Verfügung, kann die bloße Zwischenschaltung von Kommission oder Rat keine Abhilfe leisten.

656 So T. O.  Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 132; keine Bestimmung der einzelnen Agentur fordernd Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 45. 657 T. O. Koslowski sieht in diesem Wiederholungszwang zutreffend einen erheblichen Mehraufwand, ders., Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 132. Durch die Zwischenschaltung des Basisrechtsakts vor dem letztlichen Durchführungsrechtsakt als Gründungsrechtsakt bzw. Befugnisübertragung entsteht auch kein echter Gewinn an Flexibilität, wird doch ein erheblich verdichteter Maßstab an die letztliche Gründung bzw. Befugnisübertragung angelegt. Vielmehr entstünde Rechtsunsicherheit dahingehend, welche organisa­ tionsrechtlichen Vorschriften als wesentlich anzusehen wären. 658 EuGH, Rs. C-66/04 (Raucharomen), Slg. 2005, I-10553, Rn. 48 f. 659 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 133; vgl. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 123 f. 660 Dieses Ergebnis mit der überkommenen Rechtsprechung des EuGH begründend T. O. Kos­ lowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 132. 661 Ebd., S. 132 f.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

E. Agenturisierung als Vertragsabrundung  „Bei der Abfassung der Verträge waren wir uns bewußt, daß das damit entworfene Instrumentarium für diese Tätigkeit sich im Lichte der Erfahrung als unzulänglich herausstellen würde und haben deshalb die Vorschrift des Art. 235 EGV vorgesehen.“662 – In dieser seltenen authentischen Äußerung zu den Motiven der Europäischen Verträge ist die gesamte Tragweite der Vertragsabrundungsklausel angelegt.663 Hallstein664 stellt die Vorschrift außerhalb des „entworfenen Instrumentariums“ und entrückt sie so den übrigen Rechtsgrundlagen als ein den eigentlichen Kompetenzkatalog umfassender und vollendender Abschluss. Als nicht weniger primärrechtlichen Barrieren entrückt wird auch das europäische Agenturwesen wahrgenommen, das mehrheitlich auf eben dieser Norm beruht. Mag sich nunmehr auch die Auffassung durchgesetzt haben, schon jenes Instrumentarium hielte mit seinen speziellen Befugnisnormen und ungeschriebenen Kompetenzen hinreichende Rechtsgrundlagen für unabhängige Einrichtungen bereit, kommt der Vertragsabrundungsklausel, deren gegenwärtige Ausgestaltung Art.  352 AEUV bildet, deshalb keineswegs eine rein historische Bedeutung zu. Die Reichweite der Norm verbleibt hinsichtlich institutioneller Neuschöpfungen trotz ihrer Subsidiarität erheblich. Das erkennt unbeschadet des weitgehenden Umstiegs auf spezielle Kompetenznormen auch die Kommission an.665 So wurde erst im Jahr 2007 die Grundrechteagentur auf der Grundlage von Art. 308 EG (≈ Art. 352 AEUV) errichtet.666 Nach der hier vertretenen Auffassung verbleibt insbesondere für Befugnisse zu rechtsverbindlichen Entscheidungen und Kontrollen des mitgliedstaatlichen Vollzugs im Bereich des Binnenmarktes eine Kompetenzlücke, für deren Schließung Art. 352 AEUV in Betracht kommt. Auch in der Literatur wird die Norm in beträchtlichem Maße noch immer als eine wesentliche institutionell-rechtliche Kompetenznorm erachtet.667 Zugleich stößt ihre Heranziehung mit Blick auf das

662

W. Hallstein, Die Europäische Gemeinschaft, 5. Aufl., S. 319. Vgl. C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 48. 664 Walter Hallstein war Leiter der Delegation zur Ausarbeitung des Vertrags zur Gründung der EWG, dazu näher C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 48. 665 S. Mitteilung der Kommission v. 11.12.2002: Rahmenbedingungen für die europäischen Regulierungsagenturen, KOM (2002) 718 endg., S. 8. 666 Errichtet durch VO (EG) Nr.  168/2007 des Rates vom 15.2.2007 zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, ABl. EU 2007 L 53/1. 667 Vgl. Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 44; A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 112–120; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 245–258; dies., ZVersWiss 2014, S. 7, 19 f.; T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 120 f.; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  120 f.; vgl. zur alten Rechtslage D.  Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S.  94–98; M.  Wittinger, EuR 2008, S.  609, 614; kritisch V. H. Helfritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union, S. 160 f. 663

E. Agenturisierung als Vertragsabrundung  

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Gesamtgefüge der Verträge hier wie allgemein auf Bedenken,668 denen im Folgenden Rechnung getragen werden soll.

I. Voraussetzungen und Rechtsfolge Um eine Agentur im Wege der Vertragsabrundung zu errichten oder eine Befugnis auf sie zu übertragen, muss nach Art. 352 Abs. 1 S. 1 AEUV ein Tätigwerden der Union zur Verwirklichung eines vertraglichen Ziels in einem in den Verträgen festgelegten Politikbereich erforderlich erscheinen. Zudem dürfen die Verträge die dafür erforderlichen Befugnisse nicht vorsehen. Schließlich muss der institutionelle Rechtsakt als „Vorschrift“ i. S. d. Norm einzuordnen sein. Hinsichtlich des Fehlens der erforderlichen Befugnisse, der tatbestandlichen Subsidiarität, sei auf die obigen Ausführungen zur Abgrenzung von Kompetenznormen verwiesen.669 Zudem ist als Konsequenz des beschriebenen Verhältnisses von Art. 352 AEUV zur Implied-Powers-Doktrin wiederholend voranzustellen, dass auch ungeschriebene Kompetenzen „erforderliche Befugnisse“ i. S. d. der Vertragsabrundungsklausel darstellen.670 Während noch Art. 308 EG auf die Verwirklichung von Zielen im Rahmen des Gemeinsamen Marktes beschränkt war, erstreckt sich die Kompetenz zur Vertragsabrundung nunmehr auf sämtliche Vertragsziele. Ausgenommen sind gem. Art. 352 Abs. 4 AEUV einzig die Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.671 Die Frage, inwieweit ein Funktionszusammenhang von Agenturen zum Gemeinsamen Markt bzw. zum Binnenmarkt zu verlangen ist, ob etwa auch Koordinierungsaufgaben mit nur peripherem Binnenmarktbezug die Voraussetzungen der Norm erfüllen, ist somit als erledigt anzusehen.672 1. Erforderlichkeit eines Tätigwerdens Für Vertragsabrundungen muss nach Art. 352 Abs. 1 S. 1 AEUV zunächst ein Tätigwerden der Union erforderlich erscheinen. Über die genauen Anforderungen an die tatbestandliche Erforderlichkeit besteht Dissens. Verbreitet wird die Voraussetzung als erfüllt angesehen, wenn eine Diskrepanz zwischen dem jeweiligen 668

Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  243; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 614–616; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 730 f.; vgl. zudem die Nachweise der folgenden Diskussion. 669 S. o. C. II. 5. 670 Vgl. o. C. IV. 4. 671 N. Grosche weist zurecht auf die Fehlerhaftigkeit der Formulierung hin, besteht doch für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gerade kein spezifischer Zielkatalog, ders., Rechtsfortbildung im Unionsrecht, S. 207, Fn. 124. 672 S. dazu D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 94 f.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Ziel der Union und dessen Verwirklichung besteht.673 Zudem müsse die Beseitigung dieses Mangels durch die Ausübung hoheitlicher Gewalt durch die Union auch möglich sein.674 Letzteres ergibt sich auch aus der Rechtsfolge der „geeigneten Vorschriften“. Hinsichtlich der Ermittlung der Differenz von Ziel und Zielverwirklichung wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass ein vollständig erfülltes Ziel nicht mehr als Ziel fungieren kann, die Differenz einem Ziel damit immanent ist.675 „Erforderlichkeit“ kann in diesem Zusammenhang also nicht absolut verstanden werden.676 Stattdessen werden Kriterien wie Größe und Dauer der Diskrepanz sowie Umfang und Bestimmtheit des Vertragsziels angeführt.677 Diese stark wertenden Kriterien lassen sich nicht durch eine Inbezugnahme unionaler Alternativmaßnahmen konkretisieren. Anders als bei der Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 EUV steht im Rahmen der tatbestandlichen Erforderlichkeit nämlich nicht die spezifische Kompetenzausübung, also der jeweilige konkrete Rechtsakt, sondern bereits die Verbandskompetenz („ein Tätigwerden der Union“) im konkreten Fall infrage.678 Ebenso wenig lassen sich hypothetische Maßnahmen der Mitgliedstaaten als Vergleichsmaßstab anlegen.679 Denn dann verbliebe der tatbestandlichen Erforderlichkeit neben dem Subsidiaritätsprinzip kein eigenständiger Gehalt.680 Abzulehnen ist auch die Auffassung, nach der im Interesse einer Konturierung das Vorliegen zwingender Gründe zu fordern sei.681 Art. 352 AEUV schiede als Grundlage für Agenturen demnach aus, da die Betrauung von Kommission oder mitgliedstaatlicher Verwaltung doch zumindest mit praktischen Abstrichen für jedwede Tätigkeit denkbar erscheint.682 Eine solche Restriktion findet weder eine Stütze im Wortlaut noch gebietet sie der 673 M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 17; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 730. So auch C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 68 m. w. N. 674 M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 17. 675 R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 730; ähnlich C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 69 m. w. N. 676 R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 730. 677 So ebd.; vgl. V. Schäfer, Die Flexibilitätsklausel im europäischen Integrationsprozess  – Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) als Instrument der weichen Konstitutionalisierung, S. 101 f. m. w. N. 678 Ähnlich C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 68 f.; kritisch B. Remmert, EuR 2003, S. 134, 144. 679 So wohl auch F. Jürgens, Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 97; a. A. C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 68 f. 680 Ähnlich F.  Jürgens, Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 97; zur Auslegung des Merkmals im Lichte des Subsidiaritätsprinzips vgl. C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 69; s. ferner E. Klein/A. Haratsch, DÖV 1993, S. 785, 791; W. Möschel, NJW 1993, S. 3025. 681 Vgl. B. Remmert, EuR 2003, S. 134, 144 f. 682 Ähnlich ebd., S. 144; vgl. auch M. Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, S. 67.

E. Agenturisierung als Vertragsabrundung  

221

Zweck der Vertragsabrundungsklausel, die erhöhte Flexibilität im bestehenden Vertragsrahmen.683 Das Erforderlichkeitskriterium gerät umso dehnbarer, als das überwiegende Schrifttum von einem Ermessensspielraum des Unionsgesetzgebers ausgeht.684 Als Begründung dient zum einen die Formulierung des Merkmals, nach der das Tätigwerden nicht erforderlich „sein“, sondern lediglich „erscheinen“ muss.685 Demnach sei der Nachweis der bloßen Geeignetheit hinreichend. Schließlich wird bereits hier die Rechtsfolge der „geeigneten Vorschriften“ ins Feld geführt: Mit ihr werde ein Handlungsspielraum eröffnet, den durch eine strengere Erforderlichkeitsprüfung einzuschränken einen Widerspruch begründete.686 Dem Abstellen auf die Formulierung „erscheint“ lässt sich entgegenhalten, dass die Passage zwar in der französischen Fassung („paraît“) der deutschen entspricht,687 in der englischen Fassung („prove“) mit der Voraussetzung eines Nach- bzw. Beweises688 dagegen deutlich darüber hinausgeht. Allerdings ist der Annahme eines Ermessensspielraums grundsätzlich zuzustimmen: Nach der zutreffenden und überwiegenden Auffassung handelt es sich bei Art. 352 AEUV um eine zwar weite, aber dogmatisch als gewöhnlich zu behandelnde Einzelermächtigung.689 Das muss sich auch auf ihre Voraussetzungen erstrecken. Die Annahmen des Unionsgesetzgebers müssen folglich auf objektiven, einer gerichtlichen Nachprüfung zugänglichen Umständen beruhen. Zugleich ist dann aber wie allgemein ein gebundenes Ermessen hinsichtlich der Würdigung der Gesamtlage anzuerkennen.690 683

In anderem Kontext ähnlich C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 68 f.; zum Telos ebd., S. 51; vgl. R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 559. 684 P.  Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S.  257; D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 98; M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 17 m. w. N.; Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 247; A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 117; V. H. Helfritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union, S. 154 f.; M. H. Koch, Die Externalisierungspolitik der Kommission, S. 53; T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 118; C. U.  Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 69 f.; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 730; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 614 f. Hierfür lässt sich auch die Judikatur des Gerichtshofs anführen, vgl. grundlegend EuGH, Rs. 8/73 (Hauptzollamt Bremerhaven/Massey-Ferguson), Slg. 1973, 897, 907. 685 M.  Rossi, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), 4.  Aufl., Art.  352 AEUV Rn.  46; zustimmend Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 247; T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 118. 686 Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 247 m. w. N. 687 Vgl. die Übersetzung bei Pons, abrufbar unter: http://de.pons.com/übersetzung/französisch-deutsch/paraît (o.V., 29.2.2016); vgl. G. Marenco, RevMC 1970, S. 147, 150. 688 Vgl. die Übersetzung bei Langenscheidt, abrufbar unter: http://de.langenscheidt.com/ englisch-deutsch/prove (o.V., 29.2.2016). 689 Dazu sogleich u. II. 1. 690 So im Ergebnis auch M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 17; U. Häde/A. Puttler, EuZW 1997, S. 13, 15; G. Marenco, RevMC 1970, S. 147, 150; mit der beschriebenen Berücksichtigung des Subsidiaritätsgrundsatzes ebenso C. U. Treeger,

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Den generellen Ausführungen zum gesetzgeberischen Ermessen entsprechend, ist der Wert der kaum zu definierenden tatbestandlichen Erforderlichkeit für die Einhegung des Agenturwesens gering.691 Der Nachweis von Plausibilität wird hier mit den Gründen der besseren Kooperation der mitgliedstaatlichen Behörden, der Expertise-Bündelung und der Unabhängigkeit der Verwaltung in der Regel gelingen.692 Hinterfragt wurde die Erforderlichkeit allerdings im Falle der Grundrechteagentur. Dabei wurde insbesondere auf die zahlreichen vertraglichen Sicherungen der Grundrechte verwiesen.693 Die Kritik entsprach der Besonderheit der Agentur, nicht die Implementierung eines Sekundärrechtsrahmens zu betreuen, sondern die Einhaltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wissenschaftlich zu begleiten, womit die Agentur auf das bereits stark verdichtete Feld des europäischen Grundrechtsschutzes trat, ohne selbst Rechtsschutz zu gewähren.694 Die begründeten Zweifel an der Erforderlichkeit lassen sich jedoch ebenso gut durch die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung abbilden. Sofern auf konkrete Alternativmaßnahmen der Union (etwa den Beitritt zur EMRK) verwiesen wird, sind die Einwände sogar besser dort zu verorten.695 Auch hier zeigt sich, dass der tatbestandlichen Erforderlichkeit in Anbetracht der Geltung allgemeiner vertraglicher Schranken kein eigenständiger Gehalt zukommt. Abschließend sei mit Blick auf die jüngeren institutionellen Entwicklungen der Wirtschafts- und Währungsunion – insbesondere mit Blick auf die Errichtung der privatrechtlich organisierten Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)696 und des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) per völkerrechtlichem Vertrag697 – betont, dass die Erforderlichkeit von Maßnahmen nach Art. 352 AEUV Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 69 f. Der EuGH hat in der Vergangenheit betont, dass auch die Voraussetzungen der Vertragsabrundungsklausel seiner Kontrolle unterliegen, s. EuGH, Rs. 73, 74/63 (Internationale Kreditvereinigung/ Minister für Landwirtschaft und Fischerei), Slg. 1964, 3, 29; Rs. 8/73 (Hauptzollamt Bremerhaven/Massey Ferguson), Slg. 1973, 897. 907 f. 691 A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 117 m. w. N. 692 So zur Finanzmarktaufsicht H. Siekmann, IMFS Working Paper Series 40/2010, S. 64, abrufbar unter: http://econstor.eu/bitstream/10419/97756/1/IMFS_WP_40.pdf (29.2.2016). 693 Vgl. M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 615; kritisch zur Ableitung einer Kompetenz nach der Implied-Powers-Lehre J. M. Schlichting/J. Pietsch, EuZW 2005, S. 587, 589. 694 Vgl. M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 615, sowie die positive Bewertung bei J. F. Lindner, BayVBl. 2008, S. 129–133. 695 Vgl. die Kritik bei M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 615. 696 Die EFSF ist eine Aktiengesellschaft (société anonyme) luxemburgischen Rechts, deren Gesellschafter die Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe sind. Seit dem 1.7.2013 hat die EFSF ihre Tätigkeit eingestellt. Nunmehr fungiert einzig der ESM als für die Stabilisierung von Mitgliedstaaten der Eurozone genuin zuständige Institution. Zur gewählten Konstruktion s. die Darstellung bei Ch. Wohlmuther, Der EURO Rettungsschirm: Ein detaillierter Einblick in die Konstruktion der EFSF, S. 26–32. 697 Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik,

E. Agenturisierung als Vertragsabrundung  

223

auch dort bestehen kann, wo ein intergouvernementales Handeln der Mitgliedstaaten ebenso wirkungsvoll wäre.698 Der Abschluss eines völker- oder privatrechtlichen Vertrags ist  – unabhängig von der Zulässigkeit eines solchen außervertraglichen Handelns –699 stets denkbar.700 Verneinte man ob dieser Möglichkeit die Erforderlichkeit, würde Art. 352 AEUV jedweder Anwendungsbereich genommen. Die Norm soll den Mitgliedstaaten an dieser Stelle gerade eine Lösung innerhalb des acquis communautaire eröffnen.701 2. Rechtsfolge: „geeignete Vorschriften“ Auf Rechtsfolgenseite sieht die Vertragsabrundungsklausel nicht etwa den Begriff der Maßnahmen, sondern der Vorschriften vor. Wie bei den speziellen Kompetenznormen deutlich wurde, gebietet der Vorschriftenbegriff hinsichtlich institutionell-rechtlicher Maßnahmen für die jeweilige Rechtsgrundlage eine nähere Betrachtung. Für Art. 352 AEUV wird die Möglichkeit von Organisationsrechtsakten insoweit teils mit dem Telos bejaht: Es sei widersprüchlich, den Begriff der Vorschriften hier enger auszulegen als bei Kompetenznormen spezieller Politikbereiche, die mit dieser Norm gerade erweitert werden sollten.702 Dieses Argument überzeugt schon deshalb nicht, weil es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, nach dem die Vertragsabrundungsklausel spezielle Rechtsgrundlagen in jedweder Beziehung erweitern soll. Die allgemein nicht zu bestreitende Funktion der Erweiterung kann aufgrund der ohnehin festzustellenden Weite nicht auch noch über den Wortlaut hinausgehen. Eine solche Begründung ist für die Annahme einer institutionell-rechtlichen Komponente aber auch gar nicht erforderlich. Vielmehr lässt sie sich schon durch eine vergleichende Betrachtung der Sprachfassungen recht­ fertigen: Eine Verengung des gängigen Terminus „Maßnahme“ findet sich weder in der französischen („dispositions“), noch in der spanischen („disposiciones“) der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland, in Kraft getreten am 27.9.2012. 698 S. M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 18, dessen Begründung jedoch zu hinterfragen ist: Dort wird offenbar auf der Grundlage eines tatsächlichen intergouvernementalen Tätigwerdens argumentiert. Die Überlegung ergibt aber nur als Hypothese Sinn, da sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit unionalen Handelns anderenfalls praktisch nicht stellt und in den interessierenden Fällen der tatsächlichen Bemühung von Art. 352 AEUV die Indizwirkung mangels intergouvernementalen Handelns nie festgestellt werden könnte. S. auch U. Everling, EuR 1976 (Sonderheft), S. 2, 12 f.; C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 66–68. 699 Dazu allgemein R. Uerpmann-Wittzack, EuR 2013, Beiheft 2, S. 49–60. 700 Vgl. M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 18. 701 C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 66–68. 702 So Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  243; vgl. auch M.  Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S.  193, 197 f.; B.  Remmert, EuR 2003, S. 134, 137.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

oder der englischen („measures“) Fassung.703 Auch die Gründungsverordnung einer Agentur oder eine isolierte Befugniszuweisung kann folglich eine „Vorschrift“ i. S. d. Art. 352 Abs. 1 S. 1 AEUV sein.704 Dass der Wortlaut ausdrücklich die Geeignetheit der Vorschriften verlangt, erscheint banal. Geeignetheit ist anzunehmen, wenn der Erlass der Vorschrift der mindestens besseren Verwirklichung des konkreten Vertragsziels dient.705 Entsprechend dem allgemeinen Kriterium der Geeignetheit kommen für institutionell-rechtliche Maßnahmen unter den Rechtsakten des Art. 288 AEUV nur Verordnungen und Beschlüsse in Betracht.706 Eine genuine Konturierung lässt sich nicht gewinnen.707 Attribute wie materiell-rechtlich, verfahrensrechtlich oder organisationsrechtlich führen hier nicht weiter.708 Auch ist nicht ersichtlich, wie an dieser Stelle die Zuweisung von Befugnissen zu rechtsverbindlichen Entscheidungen ausscheiden sollte.709 Schließlich sind die Ziele der Union, wie sie insbesondere Art. 3 EUV auflistet, materiell formuliert, die zu ihrer Verwirklichung geeigneten Maßnahmen damit keineswegs auf indirekte Vollzugsformen begrenzt. So hat auch der EuGH die Heranziehung der Vertragsabrundungsklausel für „speziell Einzelpersonen betreffende“ Maßnahmen in seinem ersten Kadi-Urteil ausdrücklich anerkannt.710 Ferner lässt sich das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum als hierauf gestützte Agentur mit der Befugnis zu rechtserheblichen Entscheidungen nennen.711 Allgemein dürfte der Nachweis irgendeines Beitrags zur Förderung des zugrundeliegenden Vertragsziels schon durch das Abstellen auf die bessere Vernetzung der Akteure durch Agenturen gelingen.

703 M.  Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art.  352 Rn.  29; T. O.  Kos­ lowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 117 f.; B. Remmert, EuR 2003, S.  134, 137; C. U.  Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 78 f. 704 Statt vieler B. Remmert, EuR 2003, S. 134, 137; für weitere Nachweise vgl. o. C. V. 1. 705 M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 27; zustimmend C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 77. 706 Nur Verordnungen als geeignet einordnend ebd. 707 Vgl. aber zu der Frage, ob finanzwirksame Beschlüsse als pauschal ungeeignet anzusehen sind, M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 28. 708 C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 78 f. 709 Auch T. O.  Koslowski bejaht die grds. Eignung für die Schaffung starker Agenturen (konkret: der EBA), s. ders., Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 120 f. 710 EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P (Kadi u. a./Rat und Kommission), Slg. 2008, I-6351, Rn. 235; hierauf wies im Verfahren um Art. 28 LeerverkaufsVO auch GA Jääskinen hin, s. ders., Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 57. 711 Vgl. P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 257 f.

E. Agenturisierung als Vertragsabrundung  

225

3. Ergebnis Art. 352 AEUV gestattet Maßnahmen zur Gründung und kompetenziellen Ausstattung von Agenturen, soweit der subsidiäre Anwendungsbereich eröffnet ist. Pauschale Einschränkungen für bestimmte Befugnistypen ergeben sich aus der Norm selbst nicht. Im Einzelfall ist der Nachweis zu erbringen, dass die Agentur bzw. die einzelne Befugnis der Erreichung eines vertraglichen Ziels dient und ein Tätigwerden der Union generell erforderlich ist. Dabei verfügt der Unionsgesetzgeber über ein Ermessen, sodass schon plausible Erwägungen genügen.

II. Institutionelle Neuschöpfung zwischen Vertragsabrundung und Vertragsänderung Das Verhältnis der Vertragsabrundungsklausel zur Implied-Powers-Doktrin, zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und zur Vertragsänderung bildet seit jeher den Gegenstand lebhafter Debatten. Der Unterschied zur ImpliedPowers-Doktrin wurde vorstehend bereits erläutert,712 sodass an dieser Stelle eine Verortung von Agenturgründungen nach Art.  352 AEUV zwischen den beiden Polen „Einzelermächtig“ und „Vertragsänderung“ erfolgen soll. 1. Art. 352 AEUV als begrenzte Einzelermächtigung Die erschöpfende Darstellung der Frage, ob es sich bei Art. 352 AEUV um eine Ausnahme oder um eine Ausprägung des Systems begrenzter Einzelermächtigungen handelt, ist nicht das Anliegen dieser Arbeit. Mit der überwiegenden Auffassung ist die Frage mit letzterem Verständnis zu beantworten: Die Vorschrift begründet keine Kompetenz-Kompetenz, sie stellt im Gegenteil selbst eine an – wenngleich weite – Voraussetzungen gebundene Kompetenzübertragung durch die Mitgliedstaaten dar.713 Auch der EuGH betrachtet die Vorschrift als „integrale[n] Bestandteil einer auf dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung beruhenden institutionellen Ordnung“.714 Nicht nur begrifflich gestaltet sich eine General­

712

S. o. C. IV. 4. A. C.  Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 115 f.; W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 623; M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 3; Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 244; N. Grosche, Rechtsfortbildung im Unionsrecht, S. 206; C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 100. 714 EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P (Kadi u. a./Rat und Kommission), Slg. 2008, I-6351, Rn. 203 mit Verweis auf EuGH, Gutachten 2/94 (EMRK-Beitritt I), Slg. 1996, I-1763, Rn. 30. 713

226

2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

ermächtigung715 als Einzelermächtigung nichtsdestoweniger paradox. Wie die unter keinem Vertragsregime explizit vorgesehene Errichtung eines beachtlichen Agenturwesens eindrucksvoll belegt, vermag die Vertragsabrundungsklausel die Union phänomenologisch wie keine zweite Befugnisnorm zu verändern.716 Faktisch kann man in ihr mit dem BVerfG denn auch eine „Lockerung des Prinzips begrenzter Einzelermächtigungen“717 oder ein „Spannungsverhältnis“718 zu demselben erkennen und von einer „Ausnahmevorschrift“719 sprechen. Dann aber ist mit dem angeführten Motiv Hallsteins daran zu erinnern, dass darin gerade der Zweck der Norm besteht, soll sie der Union doch über die Implied-Powers-Doktrin hinaus die Überwindung instrumenteller Defizite ermöglichen.720 Auch die an dieser Stelle nicht näher zu beschreibende Diskussion, ob die Vertragsabrundungsklausel mit Blick auf ihre tatbestandliche Weite restriktiv721 oder hinsichtlich ihres Telos und des dynamischen Charakters des Unionsrechts insgesamt gerade extensiv722 auszulegen ist, schwebt im luftleeren Raum. Denn wurde soeben aufgezeigt, dass kein Merkmal von Art. 352 AEUV jenseits der Subsidiarität und Bezugnahme auf die weiten und zahlreichen Vertragsziele eine genuine Beschränkung darstellt und die Vorschrift teleologisch auch nicht in diesem Sinne verengt werden kann, ist letztlich nur für Vorgaben zur Kompetenzausübung gem. Art.  5 EUV sowie für kollidierende Bestimmungen der Verträge eine Einschränkung begründbar.723 Der im Ergebnis berechtigte Wunsch nach Restriktion ist ferner zu relativieren: Die Bedeutung der Vertragsabrundungsklausel hat mit der zunehmenden primärrechtlichen Verdichtung spezieller Ermächtigungen an Bedeutung verloren.724 Da die speziellen Kompetenznormen zudem tendenziell weit ausgelegt werden, nimmt die Anzahl der auf die Vertragsabrundungsklausel gestützten Rechtsakte seit Jahren ab.725 Der Wandel in der Rechtsgrundlagenwahl bei Agenturgründungen zeigt das besonders anschaulich. 715 So schon die Bezeichnung von Art. 235 EWGV bei D.-W. Dorn, Art. 235 EWGV – Prinzipien der Auslegung. Die Generalermächtigung zur Rechtsetzung im Verfassungssystem der Gemeinschaften. 716 C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 51–55. 717 BVerfGE 123, 267, 312 – Lissabon. 718 N.  Grosche, Rechtsfortbildung im Unionsrecht, S.  206; C. U.  Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 99. 719 M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 3. Als „Sonderermächtigung“ bezeichnet sie C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 99. 720 Vgl. auch N. Grosche, Rechtsfortbildung im Unionsrecht, S. 206. 721 Statt vieler W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 623; vgl. die Darstellung bei N. Foster, Foster on EU Law, 5. Aufl., S. 83 f. 722 In diese Richtung gehen vor allem ältere Interpretationen, vgl. nur C. D. Ehlermann, Integration 1971, S. 162, 166 f.; R. Riegel, EuR 1977, S. 74, 80 f. 723 Ähnlich schon D.-W. Dorn, Art. 235 EWGV – Prinzipien der Auslegung, S. 5. 724 So bereits zum Vertrag von Maastricht A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 114 f. 725 So schon R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 729.

E. Agenturisierung als Vertragsabrundung  

227

2. Abgrenzung gegenüber Art. 48 EUV Folgt man der hier vertretenen Untauglichkeit von Art.  114 AEUV und Begrenztheit dessen ungeschriebenen Gehalts in Bezug auf institutionell-rechtliche Maßnahmen, verbleibt für Art. 352 AEUV ein weites Anwendungsfeld. Das gilt namentlich für die Schaffung starker Agenturen. Dort stellt sich die Frage, wie eine für sich genommen uferlose Vorschrift von der Vertragsänderung nach Art. 48 EUV abgegrenzt werden kann. In seltener Eintracht haben BVerfG und EuGH die Bedeutung dieser Schwelle gleichermaßen nachdrücklich betont: Nicht nur im Karlsruher Machtwort zum Lissabonner Reformvertrag726, sondern auch im ersten EMRK-Gutachten wird die Tragweite der Unterscheidung herausgestellt, wenn der Gerichtshof betont, die Vertragsabrundungsklausel könne „jedenfalls nicht als Rechtsgrundlage für den Erlaß von Bestimmungen dienen, die der Sache nach, gemessen an ihren Folgen, auf eine Vertragsänderung ohne Einhaltung des hierfür vom Vertrag vorgesehenen Verfahrens hinausliefen.“727 a) Keine Unterschiede zu sonstigen Rechtsgrundlagen Wie sich aus der vorstehenden Untersuchung ergibt, ist die Schwelle zur Vertragsänderung durch die Schaffung von Agenturen nicht per se übertreten.728 Zwar wurden entsprechende Maßnahmen auf Grundlage der Vertragsabrundungsklausel in der Vergangenheit zum Teil mit Verweis auf eine Vertragsänderung abgelehnt.729 Argumentativ entsprach die Kritik allerdings der grundsätzlichen Einordnung neuer Institutionen mit eigener Rechtspersönlichkeit als vertragswidrig. Denn über lange Zeit galt die Vorschrift insoweit als einziger Schlüssel, weshalb die Lehre oftmals generelle Bedenken im Hinblick auf Agenturen (Rechtsschutz, zulässiger Umfang übertragener Befugnisse etc.) auf sie projizierte.730 Dass Art. 352 AEUV Agenturisierungen grundsätzlich gestattet, wird heute – soweit ersichtlich – nicht mehr bestritten.731 Eine solche Sicht erscheint auch zwingend, wenn der Wortlaut keine Verengung erkennen lässt und sogar materielle Kompetenznormen in diesem Zusammenhang in Betracht kommen sollen.

726

BVerfGE 123, 267, 314 – Lissabon. EuGH, Gutachten 2/94 (EMRK-Beitritt I), Slg. 1996, I-1763, Rn. 30. 728 S. o. A. I. 729 So bei D.-W. Dorn, Art. 235 EWGV – Prinzipien der Auslegung, S. 147 ff.; U. Everling, in: Hallstein/Schlochauer (Hrsg.), FS Ophüls, S. 33, 42. 730 Vgl. ebd. sowie C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 90–95. 731 P.  Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S.  257 ff.; Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  245 m. w. N. (Fn.  179); s. bspw. die im Vergleich zu früheren Schriften milderen Ausführungen bei U. Everling, EuR 1976, Sonderheft, S. 2, 15. 727

228

2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Dass der Übergang zu Art. 48 EUV keine genuine Frage von Art. 352 AEUV ist, wenn man Vertragsergänzungen mit der beschriebenen, heute etablierten Auffassung als Mittel innerhalb des bestehenden Vertragsrahmens begreift,732 gilt auch im Hinblick auf die institutionellen Grenzen der Verträge. Als Beispiel sei die Schaffung eines unabhängigen Europäischen Wettbewerbs- bzw. Kartellamts genannt,733 als dessen Rechtsgrundlage neben dem bereits erörterten Art. 103 Abs. 1 AEUV auch die Vertragsabrundungsklausel diskutiert wird.734 Auch dort sind es Aussagen anderer Vertragsnormen, namentlich die in den Art. 101 bis 109 AEUV der Kommission übertragenen Aufgaben und Befugnisse, die die Vertragsabrundung begrenzen. Bestimmt etwa Art.  105 Abs.  1 S.  1 AEUV, die Kommission achte unbeschadet der in Art. 104 AEUV niedergelegten Entscheidungsbefugnisse der mitgliedstaatlichen Behörden „auf die Verwirklichung der in den Artikeln 101 und 102 niedergelegten Grundsätze“, erschiene die Übertragung eben dieser Befugnis unter dem geltenden Vertragsregime unzulässig.735 Schon weniger deutlich wäre das bei einer Regelung, nach der die Letztentscheidungskompetenz bei der Kommission verbliebe, wie es bei der Betrauung mit nicht bindenden Stellungnahmen der Fall ist. Die Gründe, die für ein Übergreifen von Art. 352 AEUV auf das Feld der Vertragsrevision sprechen, bestehen im angeführten Beispiel also weder in Merkmalen der Norm selbst noch in einer abstrakt zu bestimmenden Tragweite etwaiger Zuweisungen. Sie lassen sich vielmehr an konkreten Vertragsvorschriften festmachen. Zum Teil wird dagegen – auch unter Verweis auf die angeführten Passagen im ersten EMRK-Gutachten – für Art. 352 AEUV ein ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal angenommen, das die Vorschrift funktional begrenze.736 Ebenfalls findet sich die Forderung, das Prinzip begrenzter Einzelermächtigungen als Auslegungsprinzip einschränkend in Ansatz zu bringen.737 Ein spezifischer Ge 732 Im älteren Schrifttum finden sich dagegen vielfach Stimmen, die in der Flexibilitätsklausel eine Art „kleine Vertragsänderung“ erblicken, vgl. nur R. Riegel, EuR 1977, S. 74, 80 („‚Fortschreibung‘ des Vertrages“); differenzierend hinsichtlich des Begriffs der Vertragsänderung M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 35. 733 S. die Forderung der Monopolkommission aus dem Jahre 1989, abgedruckt bei H. J. Ram­ ser, in: Gahlen/Hesse/Ramser (Hrsg.), Europäische Integrationsprobleme aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht, S. 207 (Fn. 59, ohne Nachweis). Zur Diskussion in den Achtziger- und Neunzigerjahren, die namentlich von deutscher Seite aus betrieben wurde, s. P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 18–32. 734 Vgl. ebd., S. 251–261 (dort wird dagegen Art. 100a EGV a. F. (≈ Art. 114 AEUV) zu Recht knapp mit dem oben ausgeführten Argument verworfen, die Ergänzung bzw. Ersetzung eines nationalen Genehmigungsverfahren bilde keine Rechtsangleichung); F.  Merz, EuZW 1990, S. 405–408. 735 So bereits zum EGV R.  Uerpmann, AöR 125 (2000), S.  551, 560 m. w. N.; vgl. auch F. Merz, EuZW 1990, S. 405, 407 f. 736 So A. C.  Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 117, 119 f.; S. Kirste, VerwArch 2011, S. 268, 273 f.; M. Rossi, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), 4. Aufl., Art. 352 Rn. 72–75; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 731. 737 Hierfür plädieren W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 623; s. auch o. C. III. 3. a).

E. Agenturisierung als Vertragsabrundung  

229

halt dieser Restriktionen wird dagegen nicht beschrieben  – jedenfalls nicht insoweit, als er über den Gehalt allgemeiner Verfassungsstrukturprinzipien und systematischer Grenzen hinausginge.738 Tatsächlich bedarf es für eine derart extrinsische Einhegung keines ungeschriebenen Merkmals; die Begrenzung ergibt sich vielmehr bereits aus der Einordnung als Einzelermächtigung.739 Wollte man etwa den umfangreichen Kompetenzen der ESA eine verfassungsrechtliche Dimension zuerkennen, leistete der tatsächlich bemühte Art. 114 AEUV ebenso wenig wie Art. 352 AEUV der Notwendigkeit einer Vertragsänderung Abhilfe. Im angeführten Beispiel des Europäischen Kartellamts sind die Beschränkungen durch Art. 101 ff. AEUV ebenso unabhängig von der Wahl der Rechtsgrundlage zu beachten.740 Soll die Agentur dort über Letztentscheidungsbefugnisse verfügen, wo sie die Verträge der Kommission zuweisen, ist eine Vertragsänderung erforderlich.741 Sofern es dabei lediglich um eine Auslagerung bereits bestehender Befugnisse geht, erscheint ein vereinfachtes Änderungsverfahren gem. Art. 48 Abs. 6, 7 EUV hinreichend. Schließlich widerspräche es auch Sinn und Zweck, an Art. 352 AEUV in Bezug auf seine Einbettung in das Gesamtgefüge der Verträge höhere Hürden zu stellen als an spezielle Ermächtigungen. Zweifel an diesem Verständnis könnte die Übertragung von Harmonisierungsausschlüssen auf das Instrument der Vertragsabrundung durch Art.  352 Abs.  3 AEUV begründen: Zunächst sei daran erinnert, dass eine Vertragsabrundung generell auch dort möglich ist, wo eine spezielle Kompetenznorm für die in Rede stehende Maßnahme materiell oder formell unzureichend ist. Sofern der Union für einzelne Politiken Ermächtigungen zustehen, handelt es sich also keineswegs um abschließende Regelungen.742 Allerdings ermöglicht gem. Art. 352 Abs. 3 AEUV auch die Vertragsabrundungsklausel keine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften, wenn die Verträge eine solche für den jeweiligen Bereich ausschließen. Diese Ausnahme bestätigt die Regel der Anwendbarkeit bei Unzulänglichkeit spezieller Befugnisnormen im Übrigen.743 Im Hinblick auf das Verhältnis von Vertragsabrundung und -änderung erscheint es dann aber denkbar, sonstigen vertraglichen Begrenzungen im Umkehrschluss eine Geltung für Art. 352 AEUV abzusprechen.

738

Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 244. Ebd. 740 Im Ergebnis ähnlich P.  Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 260 f. 741 M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 203. 742 S. o. C. II. 5. 743 Dies im Gegenteil als Beleg für die generelle Begrenzung von Art. 352 AEUV durch kollidierendes Vertragsrecht auffassend: Foreign and Commonwealth Office, Call for Evidence on the Government’s Review of the Balance of Competences between the United Kingdom and the European Union, Semester 4, Subsidiarity and Proportionality, S. 25, abrufbar unter: https://www. gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/324453/Call_for_Evidence_ Subsidiarity_and_Proportionality_FINAL_26_3_14.pdf (29.2.2016). 739

230

2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Schon dem Ergebnis nach geht dieser Schluss fehl, gestattete die Norm so doch eine weitgehende Außerkraftsetzung der Verträge.744 Könnte demnach bspw. die gem. Art. 285 Abs. 1 AEUV dem Europäischen Rechnungshof zugewiesene Aufgabe der Rechnungsprüfung auf eine Agentur übertragen werden, beschränkte sich die Notwendigkeit einer Vertragsänderung auf Harmonisierungsausschlüsse.745 Mit den Grundsätzen des ersten EMRK-Gutachtens wäre dies nicht zu vereinbaren. Zwar sah der dort maßgebliche Art. 235 EG keine Art. 352 Abs. 3 AEUV entsprechende Bestimmung vor. Die Mitgliedstaaten haben die Grundsätze jenes Gutachtens mit der 42. Erklärung zu Artikel 352 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union jedoch auf die aktuelle Klausel übertragen.746 Der Umkehrschluss aus Art. 352 Abs. 3 AEUV kann sich daher richtigerweise allein auf den der Vorschrift zugrunde liegenden Zusammenhang erstrecken: Art.  352 Abs.  3 AEUV bestimmt die Weite der Kompetenzausübung durch einen Rückgriff auf Rechtsfolgenbeschränkungen im Speziellen. Definiert wird die gleichsam positive Komponente „Einzelermächtigung“, wie sie sich im Verhältnis zur Vermutung mitgliedstaatlicher Zuständigkeit in Art. 5 Abs. 2 EUV gestaltet. Auf das Verhältnis zu sonstigen primärrechtlichen Bestimmungen, die – wie die vertraglichen Befugnisse der Kommission – nicht vorrangig die Weite legislativer Kompetenzen regeln, ist der Absatz dagegen ersichtlich nicht zugeschnitten.747 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die schwierige Grenzziehung zur Vertragsänderung kein inneres Problem von Art.  352 AEUV, sondern eine generelle Frage kollidierenden Rechts ist.748 Für die europäischen Agenturen lässt sich die durch den EuGH aufgestellte Grenze der „verfassungsrechtlichen Dimension“749 auf Vorgaben von Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und institutionellen Bestimmungen herunterbrechen, worauf im dritten Teil  im Einzelnen eingegangen wird.

744

Gegen dieses Ergebnis schon für Art. 308 EGV B. Remmert, EuR 2003, S. 134, 138. So auch schon zu Art. 235 EGV P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 259–261. 746 ABl. EU 2012 C 326/353. 747 Dementsprechend hat er in der Literatur bislang kaum Beachtung gefunden, vgl. nur die knappen Anmerkungen bei M.  Schröder, in: v.  d.  Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 352 AEUV Rn. 43. 748 Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  244; vgl. auch M. Berger, Vertraglich nicht vorgesehene Einrichtungen des Gemeinschaftsrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, S.  64; C. U.  Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 88; vgl. auch P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 259. 749 EuGH, Gutachten 2/94 (EMRK-Beitritt I), Slg. 1996, I-1763, Rn. 35. 745

E. Agenturisierung als Vertragsabrundung  

231

b) Quantitative Betrachtung Einzelne Stimmen in der Literatur wollen die Schwelle zur Vertragsänderung dagegen nicht isoliert in Bezug auf individuelle Rechtsakte, sondern durch eine Betrachtung des Gesamtbestands europäischer Agenturen bestimmen. Indem angeführt wird, dass angesichts „der kontinuierlich steigenden Bedeutung europäischer (Regulierungs-)Behörden“ die „verfassungsrechtliche Dimension inzwischen erreicht sein“ dürfte, wird eine quantitative Betrachtung angestellt und die Heranziehung von Art. 352 AEUV für weitere Agenturisierungen pauschal abgelehnt.750 Nur scheinbar ließe sich hiergegen einwenden, auf diese Weise würden an und für sich rechtmäßige Maßnahmen einzig durch Inbezugsetzung zu bereits erlassenen für rechtswidrig erklärt. Den Maßstab für die Überprüfung von Sekundärrecht (als lex posterior) bilden zwar allein die primärrechtlichen Bestimmungen. Eben deren Gehalt wird aber berührt, wenn durch eine Vielzahl für sich betrachtet vertragskonformer Maßnahmen ein vertragswidriger Zustand herbeigeführt wird. Unklar bleibt dagegen, anhand welcher Kriterien eine „kritische Masse“ an Agenturen bestimmt werden könnte.751 Eine solche Bestimmung müsste insbesondere den erheblichen funktionalen Unterschieden von Agenturen Rechnung tragen. So wäre zu hinterfragen, ob eine mit rein informatorischen Aufgaben betraute Agentur ebenso viel „zählt“ wie eine solche mit umfangreichen Entscheidungsbefugnissen. Allerdings erscheint der Gedanke ungeachtet seiner Vagheit berechtigt: In seinem ersten EMRK-Gutachten richtete der EuGH den Blick nicht auf eine isolierte Rechtmäßigkeitsprüfung, sondern auf die ganzheitlichen Folgen eines EMRK-Beitritts.752 Sofern der Prozess der Agenturisierung insgesamt tatsächlich schrittweise auf einen rechtswidrigen Zustand hinausläuft, gebietet dieser folgenbezogene Ansatz das Ziehen roter Linien. Ultimativ müssen dann auch im Ursprung vertragskonforme Rechtsakte verworfen werden. Entgegen den einschlägigen Darstellungen ist dieser Gedanke aber jedenfalls nicht auf eine einzelne Rechtsgrundlage zu beschränken.753 Wenn das Agentur­ wesen ab einer bestimmten Anzahl  – besser: ab einer bestimmten Kompetenzfülle  – in einen vertragswidrigen Zustand umschlagen soll, so müsste das in Betrachtung und Konsequenz ebenso für auf sonstigen Grundlagen basierende Agenturen gelten. Auch hier wird also keine Art. 352 AEUV eigene Grenze be 750 G. Hermes, in: Bauer/Huber/Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, S. 457, 488; ähnlich V. H. Helfritz, Verselbständigte Verwaltungseinheiten der Europäischen Union, S. 161, 165, 175; Zweifel anmeldend Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7, 19 f.; dies., Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 257 f.; im Grundsatz ebenso, aber mit der Abnahme der praktischen Bedeutung der Norm relativierend M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 615; zugleich auf die einzelnen Verfassungsstrukturprinzipien abstellend R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 731; zusammenfassend Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 245. 751 Vgl. ebd., S. 246. 752 S. o. Fn. 727. 753 M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 616.

232

2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

nannt. Vielmehr ist der fragliche „Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs“ und eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Kommission angeschnitten, denen sich der dritte Teil der Untersuchung widmet. 3. Ergebnis Über lange Zeit deckte sich die Frage nach der Schwelle zur Vertragsänderung bei der Schaffung von Agenturen mangels sonstiger Rechtsgrundlagen mit der Einhegung der Vertragsergänzung. Bei Lichte betrachtet ergibt sich für jeden Abgrenzungsansatz dagegen eine alle Kompetenznormen erfassende Geltung. Die Abgrenzung von Art. 352 AEUV zu Art. 48 EUV bemisst sich somit exogen anhand kollidierender dritter Bestimmungen.754

III. Demokratische Qualität Nicht nur die demokratische Legitimation einer europäischen Verwaltung durch Agenturen, auch die demokratische Qualität ihrer vertraglichen Grundlagen bildet den Gegenstand von Diskussionen. Während sich Ersteres mit den Stichworten der parlamentarischen Kontrolle oder der Repräsentation bei interner Entscheidungsfindung unmittelbar erschließt, erscheint es weniger verständlich, auch vertragliche Kompetenznormen als mehr oder minder demokratisch zu bewerten. Eine solche Differenzierung nahm jedoch Generalanwalt Jääskinen bei seiner Prüfung von Art. 28 LeerverkaufsVO vor, indem er ausführte: „Eine Heranziehung von Art. 352 AEUV als Rechtsgrundlage für Art. 28 der Verordnung Nr. 236/2012 hätte […] einen wichtigen Zugang zu einer erhöhten demokratischen Mitwirkung eröffnet.“755 Vorausgehend monierte Jääskinen, das Vereinigte Königreich habe weder bei der Übertragung von Art. 28 LeerverkaufsVO auf Basis von Art. 114 AEUV über ein Vetorecht verfügt, noch stehe dem einzelnen Mitgliedstaat ein solches bei der Ausübung dieser Befugnis im Rat der Aufseher der ESMA zu.756 Dass einzelne Mitgliedstaaten Maßnahmen nicht stets kraft eigener Stimme verhindern können, bildet nun aber gerade die Essenz des Mehrheitsprinzips, auf das sie sich bei der Schaffung einer supranationalen Organisation in einzelnen Bereichen verständigt haben. Auch wenn man sich institutionell-rechtliche Maßnahmen angesichts ihrer stets bloß mittelbaren sachlichen Wirkungen als ein Ausder-Hand-Geben von Befugnissen vergegenwärtigt, ergibt sich keine Besonderheit. Schließlich muss abgesehen von Ge- oder Verboten, die als self-executing Normen ausgestaltet werden, jedwedes Sekundärrecht vollzogen werden und ge 754

Ähnlich Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 246. GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 58. 756 Ebd. 755

E. Agenturisierung als Vertragsabrundung  

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ben die Mitgliedstaaten das Geschehen auch im Regelfall des indirekten Vollzugs zumindest insoweit aus der Hand, als sie sich dabei bereits nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in hohem Maße Bindungen aussetzen. Eine abweichende Bewertung wäre möglicherweise dort angezeigt, wo Agenturen gleichsam zu politischen Akteuren geraten, was sich in casu durchaus vertreten ließ. Dann aber erscheint es sinnvoller, nicht schon bei der Wahl der Rechtsgrundlage, sondern erst mit Blick auf die konkrete Maßnahme mit dem Demokratieprinzip zu operieren. Bereits die Abgrenzung von Rechtsgrundlagen hiernach zu bemessen, stellte die vertragliche Kompetenzordnung schließlich vor grundsätzliche Probleme: Wenn bei der Ermittlung der Rechtsgrundlage eine objektive Bewertung der tatbestandlichen Voraussetzungen maßgeblich ist, fragt es sich, wie „demokratische Qualität“ – etwa in Gestalt eines Optimierungsgebots – das Ergebnis beeinflussen sollte. Als Beleg führte Jääskinen das erste Kadi-Urteil an. An zitierter Stelle konstatierte der EuGH für den insoweit abweichenden Art. 308 EG aber einzig, dass eine ergänzende Abstützung auf die Vertragsabrundungsklausel eine Teilnahme des Europäischen Parlaments am Entscheidungsprozess ermögliche.757 Zustimmungsquoren im Rat bildeten dagegen keinen Aspekt dieser Entscheidung.758 Unabhängig davon korrelieren erhöhte Mehrheitsanforderungen ohnehin nicht mit erhöhter demokratischer Qualität. Zwar ist Konsens bei positiver Beschlussfassung das Optimum an Einbeziehung der stimmberechtigten Akteure, spiegelbildlich droht allerdings ein späterer entgegengesetzter Mehrheitswille für eine Aufhebung dieser Entscheidung unberücksichtigt zu bleiben.759 Genauso wenig, wie Art.  352 AEUV demnach als „demokratischere Rechtsgrundlage“ zu bewerten ist,760 kann der Norm nach dem Vertrag von Lissabon ein Defizit an demokratischer Beteiligung attestiert werden. Noch Art. 308 EG sah bei der Beteiligung des Europäischen Parlaments lediglich das Anhörungsverfahren vor. Art.  352 AEUV ersetzt dieses nun durch ein Zustimmungserfordernis. Vertragsabrundungen können nunmehr also auch eine genuin europäische Legitimation für sich beanspruchen.761 In Anbetracht dessen erscheint die Befürchtung einer zu starken Vereinnahmung von Agenturen durch die Mitgliedstaaten762 weniger begründet denn je. Der mitgliedstaatliche Legitimationsstrang wiederum ist mit

757 EuGH, verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P (Kadi u. a./Rat und Kommission), Slg. 2008, I- 6351, Rn. 235. 758 A. Orator, EuZW 2013, S. 852, 854. 759 Ebd. mit Verweis auf H.  Kelsen, Vom Wesen der Demokratie, 2.  Aufl. (1929), S.  9; G. Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), S. 247–287, s. insb. S. 257 f. 760 J. Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S.  451, 488; A.  Orator, EuZW  2013, S. 852, 854; mit politisch anmutender Begründung ebenso R. van Gestel, MJ 2014, S. 192. 761 V. Schäfer, Die Flexibilitätsklausel im europäischen Integrationsprozess – Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) als Instrument der weichen Konstitutionalisierung, S. 158. 762 Vgl. A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 320.

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2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

der in Art. 352 Abs. 2 AEUV vorgesehenen präventiven Subsidiaritätskontrolle in besonderem Maße prozedural abgesichert. Über das Vetorecht der Ratsvertreter bestehen darüber hinaus innerstaatliche Kopplungen an Parlamentsvorbehalte.763 Ein kollusives Zusammenwirken der im Rat vertretenen Regierungen ist damit in mehrfacher Hinsicht ausgeschlossen.764 Mit Blick auf die veränderte Rechtslage sei schließlich jedoch auf die Gefahr eines praktischen Ausbleibens gerichtlicher Kontrolle hingewiesen. Zu einer Befassung des Gerichtshofs mit Vertragsabrundungen im Wege der Nichtigkeitsklage ist es durch Anrufung der Mitgliedstaaten – den notwendigerweise einstimmigen Voten entsprechend – bis heute nicht gekommen.765 Während nach alter Rechtslage mit dem Anhörungsverfahren noch ein Interesse für das Europäische Parlament bestand, den Gerichtshof bei Abgrenzungsfragen einzuschalten,766 ist dieses mit dem Zustimmungserfordernis nunmehr entfallen.767 Eine Klageberechtigung der parlamentarischen Minderheit als Organteil des Europäischen Parlaments sieht Art. 263 Abs. 2 AEUV nicht vor.768 Damit kommt den nationalen Parlamenten als verbleibenden Antagonisten mit der Subsidiaritätskontrolle eine herausgehobene Bedeutung zu, sollte der Unionsgesetzgeber bspw. bei einer denkbaren Reform der Finanzmarktaufsicht durch Implementierung einer Day-to-Day Supervision

763

So dürfen Vertreter des Vereinigten Königreichs gem. Art. 8 des European Union Act 2011 Vorschläge für Rechtsakte nach Art. 352 AEUV ohne vorherige Zustimmung der Legislative weder annehmen noch auf sonstige Weise unterstützen, kritisch dazu P. Craig, CML Rev 48 (2011), S. 1899–1901. Nach der Lissabon-Entscheidung des BVerfG darf auch der deutsche Vertreter „[i]n Anbetracht der Unbestimmtheit möglicher Anwendungsfälle der Flexibilitätsklausel“ die förmliche Zustimmung nicht erklären, solange eine Ratifikation der nach Art. 352 AEUV erlassenen Vorschrift durch Bundestag und Bundesrat gem. Art. 23 Abs. 1 S. 2, 3 GG nicht erfolgt ist, BVerfG, NJW 2009, 2267 ff., Rn. 328 – Lissabon. Dieser Vorgabe entsprach der deutsche Gesetzgeber mit § 8 IntVG, sodass nunmehr auch die Vertragsabrundung ein Gesetz voraussetzt, das gem. Art. 23 Abs. 1 S. 3 i. V. m. Art. 79 Abs. 2, 3 GG der Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat bedarf, vgl. Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 22.9.2009 (BGBl. I S. 3022), geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1.12.2009 (BGBl. I S. 3822). Eine Beteiligung der Länder über den Bundesrat wird zudem durch das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) vom 12.3.1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22.9.2009 (BGBl. I S. 3031), gewährleistet. 764 D.-E.  Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5.  Aufl., Art.  352 AEUV Rn.  16; zustimmend M.  Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3.  Aufl., Art.  352 Rn. 30 f. Zum Ganzen vgl. auch T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 119 f. 765 N. Grosche, Rechtsfortbildung im Unionsrecht, S. 207. 766 Vgl. inter al. EuGH, Rs. C-295/90 (Parlament/Rat), Slg. 1992, I-4193, s. insb. Rn. 4. 767 N. Grosche, Rechtsfortbildung im Unionsrecht, S. 207. 768 W.  Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn.  736; zur alten Rechtslage s. EuGH, Rs. C-167/02 P (Rothley), Slg. 2004, I-3149, Rn. 49. Die einzelnen Abgeordneten sind als natürliche Personen i. S. d. Art. 263 Abs. 4 AEUV aufgrund fehlender unmittelbarer Betroffenheit durch organisationsrechtliche Maßnahmen ebenso wenig klagebefugt.

F. Zusammenfassung  

235

die Grenzen der Binnenmarktklausel (zu Recht) als überschritten und damit einen Rückgriff auf Art. 352 AEUV als notwendig ansehen.769

IV. Ergebnis Art.  352 AEUV lassen sich innerhalb seines subsidiären Rahmens der vertraglichen Ziele keine Voraussetzungen oder Grenzen entnehmen, die nicht im Rahmen der Kompetenzausübung nach Art.  5 AEUV oder durch kollidierendes Vertragsrecht ohnehin zu berücksichtigen wären. Damit steht die Vorschrift Errichtungen und Befugniszuweisungen offen, soweit diese generell zulässig sind.770 Der so umschriebene Anwendungsbereich wird durch die hohen prozeduralen Hürden des einstimmigen Ratsbeschlusses und mitgliedstaatlicher Parlamentsvorbehalte eingedämmt. Erscheint Art. 352 AEUV zunächst auch uferlos, kann den Bedenken in Bezug auf die materielle Nähe zur Vertragsänderung also ihre ebenso große verfahrensmäßige Nähe entgegengehalten werden. Die Gründe, die die Organe schon vor dem Vertrag von Lissabon zu einem Umstieg auf spezielle Kompetenznormen bewogen haben, wurden mit dem Reformvertrag jedenfalls noch einmal gesteigert.

F. Zusammenfassung Der zweite Teil der Untersuchung hat gezeigt, dass die Union dort, wo sie sachlich zuständig ist, überwiegend auch über die Ermächtigung zum Einsatz von Agenturen verfügt. Diese weitgehende Kongruenz von materiellen und eigenadmi­ nistrativen Kompetenzen ist auf einen Wandel in der Auslegung vormals als „Sachkompetenzen“ verstandener Rechtsgrundlagen zurückzuführen. In Ansehung vielfach weit gefasster Rechtsfolgen wie „Maßnahmen“ oder „Vorschriften“ lässt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung insbesondere kaum funktionale Eingrenzungen des Agenturwesens zu. Ein Auseinanderfallen von Sach- und Vollzugskompetenz ordnet dagegen die praktisch überaus bedeutsame Binnenmarktklausel an. Da Errichtungen und Befugniszuweisungen die mitgliedstaatlichen Vorschriften allenfalls mittelbar und potenziell angleichen, sind sie nicht unter den Begriff der Angleichungsmaßnahme zu fassen. Angesichts einer nicht rechtsangleichenden, sondern vollzugsersetzenden Stoßrichtung können insbesondere keine Befugnisse zu rechtsverbindlichen Entscheidungen oder Kontrollen der mitgliedstaatlichen Implementierung auf Art. 114 AEUV gestützt werden. In engen Grenzen verhilft allerdings die Implied 769 Zur Bedeutung der Subsidiaritätskontrolle vgl. F. Baach, Parlamentarische Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union, S. 257 ff.; zum Modell der Day-to-Day Supervision s. o. 1. Teil D. III. 3. c) bb). 770 So auch D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 98; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 257.

236

2. Teil: Rechtsgrundlagen europäischer Agenturen

Powers-Doktrin zu einem organisationsrechtlichen Gehalt der Vorschrift. Voraussetzung dafür ist der Nachweis, dass Art. 114 AEUV im jeweiligen Teilaspekt des Binnenmarkts anderenfalls keiner zweckmäßigen Ausübung zugänglich wäre. Bei dieser Interpretation ist mit Rücksicht auf die mitgliedstaatliche Absage an eine allgemeine Binnenmarktkompetenz Umsicht angezeigt. Vor allem wäre es im Gegensatz zur verbreiteten Darstellung im Schrifttum ein Zirkelbeweis, insofern auf die zweckmäßige Umsetzung des jeweiligen sekundärrechtlichen Rahmens anstelle der Rechtsangleichung als solcher abzustellen. Da gerade bei der Ermittlung ungeschriebener Kompetenzen das Telos der Vorschrift maßgeblich bleibt, ist vielmehr ein enger Bezug des Aufgabenfeldes der Agentur zur Rechtsangleichung zu verlangen, wie ihn nur informatorische, unterstützende und normkonkretisierende Tätigkeiten, nicht dagegen Entscheidungs- und Kontrollbefugnisse aufweisen können. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu jener Akzeptanz, auf die sich der EuGH mit dem ENISA-Urteil und der Leerverkaufsentscheidung festgelegt hat. Dort ist eine weitgehende Aufgabe des Angleichungskriteriums zugunsten der effektiven Gewährleistung eines funktionstüchtigen Binnenmarktes zu beobachten, wodurch selbst Entscheidungsbefugnisse als Angleichungsmaßnahmen gebilligt werden. Damit wird Art. 114 AEUV in große Nähe zu einer allgemeinen Binnenmarktkompetenz gerückt. Der EuGH entfernt sich umso mehr von einer klaren Umgrenzung, als er in der Subsumtion ohne eigene Anstrengung auf die Erwägungsgründe des Unionsgesetzgebers abstellt. Eine derartige Überdehnung lässt sich auch nicht mit dem effet utile begründen, da dieses Prinzip Vollzugsdefizite gerade voraussetzt, sodass es nicht für den Aufbau einer Eigenadministration der Union bemüht werden kann. Folgt man der engen Begrenztheit von Art. 114 AEUV, bleibt Art. 352 AEUV insbesondere für starke Agenturen eine maßgebliche Rechtsgrundlage. Sofern die jeweilige Agentur den vertraglichen Zielen dient und keine spezielle Kompetenznorm einschlägig ist, wird ihre Ausgestaltung nach der Vertragsabrundungsklausel allein extrinsisch durch Verfassungsstrukturprinzipien und systematische Vorgaben umrissen. Mit der Weite von Art. 352 AEUV gehen jedoch hohe prozedurale Hürden einher, sodass die Bedenken über eine schleichende Umkehr der Kompetenzverteilung zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten im Bereich des Vollzugs jedenfalls in Bezug auf diese Vorschrift unbegründet erscheinen.

Dritter Teil

Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien Wurde das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung vorstehend als Frage nach dem „generellen Ob“ unionaler Kompetenzen beschrieben, so hat die Untersuchung gezeigt, dass sich diese Frage für die Schaffung von Agenturen auf fast allen Politikfeldern bejahen lässt  – insbesondere dann, wenn man sich der dargestellten Ausweitung der Binnenmarktklausel durch den EuGH anschließt. In der Literatur wird diese Weite vertraglicher Rechtsgrundlagen unter Mahnungen, einer schleichenden Umkehrung des Kräfteverhältnisses von direktem und indirektem Vollzug sei hiernach schwerlich beizukommen, vielfach schon fast resignierend zur Kenntnis genommen.1 Der Schluss, eine Korrektur habe dann auf der Ebene der Verfassungsstrukturprinzipien2 zu erfolgen, stellt keine Neuerung dar.3 Er gilt auch unter Zugrundelegung der hier vertretenen funktionalen Einschränkungen auf der Ebene der Rechtsgrundlagen. Denn diese gelang maßgeblich nur für Art. 114 AEUV, dort mit Rücksicht auf einen ungeschriebenen Gehalt zudem allein im Hinblick auf Befugnisse zu rechtsverbindlichen Entscheidungen und unter Vorbehalt der Vertragsabrundungsklausel. Mit der folgenden Untersuchung wird der Versuch unternommen, Hürden dieser weiten Kompetenzen im Sinne systemischer Entscheidungen und Feinsteuerungen4 aufzuzeigen. Als solche kommen das Subsidiaritätsprinzip als „konkretes Ob“ (Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 EUV), der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als „Wie“ (Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 EUV), ein genereller Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs sowie ein normatives institutionelles Gleichgewicht in Betracht. Im Schrifttum findet sich im Kontext der Agenturen darüber hinaus vereinzelt die Prüfung eines „Grundsatzes der vertikalen Gewaltenteilung“.5 Tatsächlich könnte 1 Vgl. nur M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193–204, insb. 199, 203 f.; zu Art. 114 AEUV vgl. N. Moloney, CML Rev 47 (2010), S. 1317, 1341. 2 Der Begriff wird uneinheitlich für explizite wie implizite übergeordnete Prinzipien des europäischen Primärrechts ebenso wie des nationalen Verfassungsrechts gebraucht, s. bspw. R. A. Lorz, Interorganrespekt im Verfassungsrecht, S. 526 ff. (Übersicht zu nationalrechtlichen Verfassungsstrukturprinzipen). 3 Zu dieser Feststellung gelangten schon M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 201; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 725; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 616; vgl. auch Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374. 4 So die Formulierung zur Funktionsweise der Prinzipien u. a. bei Ch. Rung, Strukturen und Rechtsfragen europäischer Verbundplanungen, S. 60. 5 Eine solche Prüfung findet sich – soweit ersichtlich einzig – bei M. Brenner, in: Ipsen/ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193–204, insb. 199, 202. Dort wird eine „besondere sachliche

238

3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

von einem solchen allenfalls als Sammelbegriff der soeben genannten Prinzipien (vom institutionellen Gleichgewicht als Topos zuvorderst horizontaler Kompetenzabgrenzung abgesehen) die Rede sein, bleibt doch unbeantwortet, woraus sich ein Gehalt jenseits mitgliedstaatlicher Zuweisungen von Kompetenzen und deren Ausübungsbestimmungen speisen sollte. Die Verortung institutionell-rechtlicher Kompetenzen als Frage der Gewaltenteilung ist gleichwohl hilfreich, beschränkt sich der Begriff doch keineswegs auf Gewaltenmäßigung im Staat-Bürger-Verhältnis. Mit „Gewaltenteilung“ lässt sich vielmehr eine „Ordnung menschlichen Zusammenwirkens“ beschreiben, „die die einzelnen Gewalten konstituiert, ihre Kompetenzen bestimmt und begrenzt, ihre Zuordnung regelt und auf diese Weise zur Einheit – begrenzter – staatlicher Gewalt hinführen soll“.6 Für einen föderativ verfassten Hoheitsträger wie die Europäische Union7 ist die Gesamtheit der Kompetenz- und Kompetenzausübungszuordnungen zu den Ebenen funktionaler Staatlichkeit8 dementsprechend als vertikale Gewaltenteilung zu bezeichnen.9

A. Subsidiarität Es wurde gezeigt, dass sich der Prozess der Agenturisierung teils als Verlage­ rung (potenzieller) mitgliedstaatlicher Vollzugsbefugnisse auf die supranationale Ebene, teils als supranationale Ergänzung des mitgliedstaatlichen Vollzugs geRechtfertigung“ für die Gründung von Agenturen verlangt, „wenn deren Aufgabenbereich über eine bloße Beratung hinausgeht und auch Vollzugsaufgaben einschließt“. Ein derartiges Rechtfertigungserfordernis ergibt sich allerdings, wie sogleich zu zeigen sein wird, bereits aus dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip. 6 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 20. Aufl., Rn. 482, dort frei nach R. Bäum­ lin, Der schweizerische Rechtsstaatsgedanke, Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins 101 (1965), S. 94–101; dies ebenfalls in Bezug zum Unionsrecht setzend M. Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, S. 186. 7 Vgl. M.  Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, S. 186 f. 8 Zum Begriff s. K. A.  Schachtschneider, in: Hankel/Schachtschneider/Starbatty (Hrsg.), FS Nölling, S. 304. Die Definition lässt sich freilich auch auf föderal organisierte Hoheitsträger wie die Bundesrepublik Deutschland übertragen, in denen beide Ebenen unstrittig Staatsqualität aufweisen. 9 In diesem Sinne s. nur die Bezeichnung bei W.  Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn.  415 ff.; Ch.  Ohler, EuZW 2006, S.  369, 374. Zu diesen Zuordnungen zählen auch die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Verfehlt erscheint daher die Bezeichnung derselben als „limits intra vires“ bei K. Lenaerts, Fordham International Law Journal 17 (1993), S. 846, 849 (differenzierter S. 850 ebd.). Sie selbst beschreiben die vires: Wenn sich die Rechtmäßigkeit unionaler Maßnahmen nach diesen Kompetenzausübungsschranken bemessen soll, kann ein Verstoß gegen dieselben nicht „innerhalb der Grenzen“ der Union liegen. Vielfach wird bei der Auseinandersetzung mit föderativen Kompetenzabgrenzungen auch mit dem Begriff der Zentralisation operiert, so (insb. zum Subsidiaritätsprinzip) durch R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 16. Aufl., § 3 III 3, §§ 17 I 3, 23 III 2, 38. Diese Begriffswahl erschwert eine umfassende Auseinandersetzung, da sich auch auf den verschiedenen Horizontalen wiederum zentrale wie dezentrale Kompetenzausübungen unterscheiden lassen.

A. Subsidiarität  

239

staltet. Ein „allgemeines Ordnungsprinzip staatlichen wie gesellschaftlichen Handelns“10, das die Aufgabenverteilung von der kleinsten Einheit her denkt, erscheint als Begrenzung eines solchen Prozesses mithin naheliegend. Die Auffassung, das Subsidiaritätsprinzip müsse das Ausufern des Agenturwesens dem Grundgedanken nach einhegen, ist im Schrifttum denn auch entsprechend verbreitet.11 Ob Subsidiarität in der heutigen primärrechtlichen Ausgestaltung eine Begrenzung tatsächlich leisten will und kann, erscheint indes zweifelhaft. Zwar findet das Prinzip mit der Präambel zum EUV, Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 EUV sowie dem Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit prominente Verankerungen im Primärrecht. In Kontrast dazu und insbesondere zu akademischen Gehaltszuschreibungen vornehmlich deutschen Ursprungs12 wird über zwanzig Jahre nach der erstmaligen Aufnahme durch den Vertrag von Maastricht13 eine weitgehende Kraftlosigkeit in der Praxis ausgemacht.14 Weder kommt dem Prinzip in der allgemeinen Judikatur des EuGH eine Bedeutung zu, noch finden sich subsidiaritätsbezogene Aussagen des Gerichtshofs speziell zu Agenturisierungen.15 Die folgenden Überlegungen sollen allenfalls nachrangig eine weitere Mahnung sein, das Subsidiaritätsprinzip in Gesetzgebungspraxis und Rechtsprechung endlich aus seinem Nischendasein herauszuführen. Vielmehr wird neben einem Überblick über Anwendbarkeit, Gehalt und richterliche Würdigung dargelegt, welche 10 So die Bezeichnung in Bezug auf die Ableitung aus der katholischen Soziallehre bei M. Kotzur, Jahrbuch des Öffentlichen Rechts 50 (2002), S. 257, 262; s. auch u. Fn. 27. 11 M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 201 f.; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 728; M. Wittinger, EuR 2008, S.  609, 616; vgl. N.  Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 161 f.; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EUAgenturen, S. 122 f. (vgl. die Subsumtion zur EBA ebd., S. 204 f.); so auch allgemein zu Verwaltungskompetenzen der Union J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 22; G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 38; ablehnend dagegen Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 249–252; T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 181–183; eine Einschränkung von Verwaltungskompetenzen allgemein bejahend S.  Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 57–63; insg. kritisch und Subsidiarität eher als Verfahrensgrundsatz verstehend D. FischerAppelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 166–168; hinsichtlich der Praktikabilität kritisch W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 465. 12 Vgl. bspw. R.  v.  Borries, EuR 1994, S.  263, 282–285; P.  Ch.  Müller-Graff, ZHR 159 (1995), S. 34, 56–59; J. Schwarze, DVBl. 1995, S. 1265, 1267; zum Ganzen S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S.  62 f.; M.  Nettesheim, in: König/ Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35; vgl. auch H.-J. Papier, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer (Hrsg.), FS  Isensee, S.  691, 693. Zu den hohen Erwartungen der englischsprachigen Europarechtswissenschaft s. statt vieler D. Z.  Cass, CML Rev 1992, S. 1107, 1134 ff. („significant effects“, „may result in a reallocation of power“ (ebd. S. 1134)). 13 Schon zuvor kannte das Primärrecht den Subsidiaritätsgrundsatz jedoch im Speziellen, namentlich in der Gemeinschaftskompetenz für Umweltpolitik, Art. 130r Abs. 4 EWGV. 14 S. die ausführliche Darstellung bei M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35–47. 15 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 182 f.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

Potenziale und Problemlagen sich aus dem Ordnungsprinzip der Subsidiarität speziell für institutionell-rechtliche Maßnahmen ergeben können. Nach der Darstellung der freigiebigen Rechtsprechung zu Art. 114 AEUV erscheint vor allem die Prüfung angezeigt, ob Subsidiarität eine organisationsrechtliche Konturierung von Harmonisierungskompetenzen leisten kann. Zu Recht wurde an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass die meisten der sich hier stellenden Fragen von Subsidiarität keine Spezifika der Schaffung von Agenturen bilden.16 Vielfach lassen sich dieselben Überlegungen auch für andere Formen des direkten Vollzugs anstellen, so insbesondere für den Erlass von Durchführungsrechtsakten nach Art. 291 AEUV. Ebenso trifft es aber zu, dass sich kein zweites Phänomen unionaler Verwaltung findet, das, sekundärrechtlich geschaffen und damit primärrechtliche Spannungen auslösend, in Anzahl und Art dem Agenturwesen vergleichbar wäre, Subsidiarität hierin also einen besonderen Testfall findet. Wie noch zu zeigen sein wird, weisen die informellen Netzwerkfunktionen, wie sie vor allem Agenturen ausüben, zudem sehr wohl Eigenheiten auf, die eine Inbezugsetzung mitgliedstaatlicher Alternativmaßnahmen erschweren.

I. Anwendbarkeit Bei der Ausübung der geteilten Zuständigkeiten unterliegt die Union gem. Art.  5 Abs.  1 S.  2, Abs.  3 EUV dem Grundsatz der Subsidiarität. Die Unterteilung in ausschließliche und geteilte Zuständigkeiten bemisst sich gem. Art.  4 Abs. 1 AEUV nach einem Regel-Ausnahme-Verhältnis: Wird eine Zuständigkeit nicht in Art. 3 und 6 AEUV genannt, so ist sie geteilt.17 Bei der bereits diskutierten Gründung eines unabhängigen Europäischen Kartellamts wäre das Subsidiaritätsprinzip demnach insofern nur eingeschränkt zu beachten, als normkonkretisierende Tätigkeiten im Bereich des Wettbewerbsrechts nach Art. 3 Abs. 1 lit. b AEUV eine ausschließliche Zuständigkeit der Union bilden.18 Für den ganz überwiegenden Teil der Rechtsgrundlagen ist die Union dagegen zur Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips verpflichtet.19 Das gilt nach nunmehr ganz überwiegender Auffassung auch für Art. 114 AEUV20 und die dogmatisch „gewöhnliche“ Einzel­ 16 D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 166; Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 249 f. 17 J. Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 57. EL (August 2015), Art. 5 EUV Rn. 63; zu den weiteren Differenzierungen vgl. ebd. 18 Der Vollzug der Wettbewerbsregeln ist dagegen eine geteilte Zuständigkeit, H. Schröter, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Vor Art. ­101–109 AEUV Rn. 31. 19 D. Geradin/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S. 39. 20 EuGH, Rs. C-58/08 (Roaming-VO), Slg. 2010, I-4999, Rn. 75; verb. Rs. C-154/04 und C-155/04 (Alliance for Natural Health), Slg.  2005, I-6451, Rn.  103; Rs. C-491/01 (Brit­ ish American Tobacco), Slg. 2002, I-11453, Rn. 179; vgl. auch Rs. C-103/01 (Kommission/

A. Subsidiarität  

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ermächtigung Art. 352 AEUV21. Die Anwendung auf die Binnenmarktklausel birgt gleichwohl Besonderheiten, auf die noch einzugehen sein wird. Im Hinblick auf Verwaltungskompetenzen fällt auf, dass die Unterscheidung ausschließlicher und geteilter Zuständigkeiten in Art. 2 Abs. 1, 2 AEUV allein in Bezug auf gesetzgeberisches Tätigwerden und den Erlass verbindlicher Rechtsakte erfolgt. Daraus könnte zu schließen sein, dass das Subsidiaritätsprinzip für andere Formen unionalen Tätigwerdens, etwa die Gewinnung von Informationen, keine Gültigkeit beansprucht.22 Schon aus Sinn und Zweck des Prinzips, der Absicherung mitgliedstaatlicher Kompetenzen gegen die Sogwirkung einer dynamischen Integration,23 ergibt sich dagegen eine Geltung für jedwede Form unionaler Maßnahmen, also auch für jedwede Erscheinung von Vollzug.24 Denn daraus, dass eine Rechtsnorm auf der höheren Ebene erlassen wird, folgt keineswegs zwingend die Notwendigkeit einer Implementierung auf eben dieser Ebene.25 Das veranschaulicht der europäische Verwaltungsverbund mit dem faktischen Regelfall des mitgliedstaatlichen Vollzugs noch immer deutlich. Überdies ginge eine solche Annahme für den Fall der Agenturen schon deshalb fehl, weil deren Errichtung und Befugniszuweisung stets per Sekundärrechtsakt erfolgt. Ist die Union bei Erlass der entsprechenden Verordnungen an den Subsidiaritätsgrundsatz gebunden, ergibt der Nemo-plus-iuris-Grundsatz, dass auch die Ausübung der zugewiesenen Befugnisse im Lichte der Subsidiarität zu erfolgen hat.26 Sofern von einer geteilDeutschland), Slg. 2003, I-5369, Rn. 47; H. G. Fischer, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Vor. Art. 114, Rn. 18; H.-H. Herrnfeld, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 38; H. D. Jarass, EuGRZ 1994, S. 209, 211; W. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 114 AEUV Rn. 27; N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 161; M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 125–129; Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 32 Rn. 14; J. Schwarze, EuR 2003, S. 535, 543; Th. Stein, EuZW 1995, S. 435; a. A. noch GA Fennelly, Schlussanträge zu Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Slg. 2000, I-8419, Nr. 131 ff.; vgl. auch I. E. Schwartz, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS Everling, S. 1347 ff. 21 M. Geiss, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 352 Rn. 33. Zur Diskussion über eine innere Subsidiarität von Art. 352 AEUV, die nicht mit der Konkurrenzen auflösenden zu verwechseln ist, sondern vielmehr aus dem Begriff der Erforderlichkeit erwachsen könnte, vgl. F. Jürgens, Die Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten, S. 96 f. 22 Eine entsprechend verengte Darstellung im Schrifttum dürfte in der Regel unbewusst erfolgen, vgl. bspw. die Inbezugnahme nur legislativen Tätigwerdens bei O. Barton, North East Law Review 2/1 (2014), S. 83, 84. 23 O. Barton, North East Law Review 2/1 (2014), S. 83; vgl. auch A. Dashwood, CML Rev 41 (2004), S. 355, 367. 24 Vgl. G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 35 („erstreckt sich […] eindeutig auch auf die Zuordnung von Verwaltungskompetenzen“). 25 R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 726. 26 Nach der insoweit ungebrochen gültigen Meroni-Rechtsprechung müssen die Befugnisse zudem im Sekundärrechtsakt strikt umschrieben sein, s. o. 1. Teil D. IV. 2.; ähnlich argumentieren hinsichtlich der Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für nichtlegislative

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

ten Zuständigkeit Gebrauch gemacht wird, sind damit Errichtungen und Befugniszuweisungen am Grundsatz der Subsidiarität zu messen. Heißt es in der Präambel des EUV, dass „Entscheidungen entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip möglichst bürgernah getroffen werden“, ist mithin festzuhalten, dass auch der Vollzug von Unionsrecht möglichst bürgernah, d. h. nach Möglichkeit national, regional oder kommunal zu gestalten ist,27 ein Vollzug durch Agenturen also die Ausnahme bleiben muss.

II. Normativer Gehalt 1. Die Formulierung des Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 EUV und der Topos des einheitlichen Vollzugs Nach der Formulierung des Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 EUV verfügt der Subsidiaritätsgrundsatz im Unionsrecht sowohl über eine negative wie über eine positive Komponente. Erstere ist erfüllt, „sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können“ (Negativkriterium). Die Maßnahmen müssen „vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen“ sein (Positivkriterium).28 Die Frage nach dem Verhältnis beider Kriterien zueinander wird unterschiedlich beurteilt.29 Mit der Überleitung „sondern“ („mais“; „but rather“) lässt sich der Kompetenzen V. Trstenjak/E. Beysen, EuR 2012, S. 265, 267; a. A. wohl P. Craig, The Lisbon Treaty: Law, Politics, [sic] and Treaty Reform, S. 185. 27 Ch. Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 69; R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 21; so auch zur Rechtslage nach Maastricht D. Z. Cass, CML Rev 1992, S. 1107, 1134; S. Schreiber, Verwaltungskompe­ tenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 58. Ein ganz genereller Vorrang der kleineren und bürgernäheren Einheit, soweit deren Kräfte reichen, wird auch für einen spezifisch europarechtlichen Subsidiaritätsbegriff durch Ch. Seiler als „unbestrittene Minimalaussage“ beschrieben, vgl. ders., Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 330; s. auch Ch. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, S. 32 f. Ein solch umfassendes Verständnis entspricht der gemeinhin als Ursprung des Subsidiaritätsprinzips angeführten katholischen Soziallehre, vgl. die Formulierung in Ziffer 79 der Enzyklika „Quadragesimo anno“ von Papst Pius XI. von 1931, abgedruckt bei A. Dashwood, CML Rev 41 (2004), S. 366 f. (Fn. 38), sowie jüngst Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Apostolisches Schreiben – Evangelii Gaudium des Heiligen Vaters Papst Franziskus, Bonn 2013, Nr. 32 (Eg 32). Eine völlige Gleichsetzung europarechtlicher Subsidiarität mit derartigen außerrechtlichen „Theoriegebäuden“ lehnt Ch. Seiler mit Verweis auf die ganz unterschiedlichen geistesgeschichtlichen Traditionen der Mitgliedstaaten ab, a. a. O., S. 330. 28 Zur Terminologie s. statt vieler W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 2192 m. w. N. 29 Unentschlossen O. Barton, North East Law Review 2/1 (2014), S. 83, 85; M. Nettesheim entnimmt die Voraussetzung einer kumulativen Erfüllung dem Sinn und Zweck der Vorschrift, ders., in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 39 f.; vgl. auch A. Bi­ ondi, Subsidiarity in the Courtroom, in: Biondi/Eeckhout/Ripley (Hrsg.), EU Law after Lisbon,

A. Subsidiarität  

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Formulierung allerdings durchaus eine Festlegung auf ein kumulatives Vorliegen entnehmen.30 Die Formulierung wird überwiegend als missglückt, ja als gleich in mehrfacher Hinsicht geradezu missraten empfunden.31 Dem ist zuzustimmen. Schon der Umstand, dass das Negativkriterium nicht etwa auf Ziele der Verträge, sondern der konkreten Maßnahme abstellt, überlässt die Handhabung des Prinzips weitgehend den Organen der Union, also jenen Akteuren, deren Kompetenzen eigentlich eine Begrenzung erfahren sollen.32 Zu einem Leerlaufen des Grundsatzes kommt es, sobald auf das Ziel der Herstellung einer einheitlichen Rechtslage verwiesen wird. Denn mit der „einheitlichen Rechtslage“ oder der „Überwindung von Regelungsdifferenzen“ werden Ziele zum Gegenstand der Subsidiaritätsprüfung erhoben, deren Erreichung den unteren Ebenen schon dem Wesen nach entzogen ist.33 In der Praxis wird ein solcher Verweis im Rahmen der nunmehr in Art. 5 des Lissabonner Subsidiaritätsprotokolls niedergelegten subsidiaritätsbezogenen Begründungspflicht tatsächlich strapaziert, so bspw. auch im Zuge des einheitlichen Erwägungsgrundes 66 der Gründungsverordnungen der ESA: „Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts mittels der Gewährleistung eines hohen, wirksamen und kohärenten [Hervorh. d. Verf.] Maßes an Regulierung und Beaufsichtigung [etc.], auf Ebene der MitgliedS. 220; Eine ausdrückliche Festlegung auf das Erfordernis eines kumulativen Vorliegens fand sich noch in Nr. 5 UAbs. 1 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vom 2.10.1997, ABl. EG Nr. C 340, S. 105. 30 Dass der Union ein Tätigwerden demnach verwehrt bleiben kann, obwohl sie ein Ziel besser zu verwirklichen imstande ist, bildet nicht etwa ein Paradoxon (so aber O. Barton, North East Law Review 2/1 (2014), S. 83, 85), sondern eine klassische Aussage von Subsidiarität. Der Frage kommt ohnehin eine nur geringe Bedeutung zu. Schließlich dürfte bei Erfüllung des Positiv­kriteriums, also bei besserer Zielerreichung auf Unionsebene, regelmäßig mit denselben Argumenten eine nicht ausreichende Verwirklichung auf mitgliedstaatlicher Ebene zu begründen sein. Das bedeutet keineswegs, dass die Leistungsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Ebene unbedeutend wäre. Sie ist vielmehr bereits in der komparativen Formulierung des Positivkriteriums enthalten. In der konkreten Begründung verschwimmt mithin die Unterscheidung beider Kriterien (dazu sogleich). Eine vereinzelte völlige Unterschlagung des Negativkriteriums durch den EuGH erscheint insofern verzeihbar (s. EuGH, Rs. C-491/01 (British American Tobacco (Investment) Ltd und Imperial Tobacco Ltd), Slg. 2002, I-11453, Rn. 180; kritisch dagegen M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 40. Der Kritik ist insoweit beizupflichten, als mit der Verengung durch den Gerichtshof kein ausführlicher Vergleich des unionalen Rechtsakts mit hypothetischen mitgliedstaatlichen Maßnahmen einhergeht). 31 O. Barton, North East Law Review 2/1 (2014), S. 83, 84 f. („failed exercise in semantics“); A. Estella, The EU Principle of Subsidiarity and its Critique, S. 93–95; M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, 35, 37–40 („so missglückt, dass sie den Eindruck erweckt, ihre Verfasser wollten eine Effektuierung der Idee der Subsidiarität nachgerade verhindern“); R. Schütze, European Constitutional Law, S. 178 („textual failure“); kritisch auch Ch. Ritzer/M. Ruttlof, EuR 2006, S. 116, 118–120. 32 M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 38; so auch bereits W. Schön, ZGR 24 (1995), S. 1, 22 f. 33 M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 38.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

staaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher wegen des Umfangs der Maßnahmen besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem  […] Subsidiaritätsprinzip tätig werden.“34 Bereits hinsichtlich der Voraussetzung der Rechtsgrundlage wurde bei den ESA (und entsprechend bei anderen starken Agenturen) auf die Inferiorität rein mitgliedstaatlicher Finanzmarktaufsichten angesichts einer drohenden uneinheitlichen Anwendung des harmonisierten Rechtsrahmens verwiesen.35 Auf „Einheitlichkeit“ zielte aber auch die Schaffung zahlreicher bloß informatorisch tätiger Agenturen ab.36 Allgemein lässt sich somit feststellen, dass Kohärenz ein maßgebliches Ziel von Agenturisierungen darstellt – sei es hinsichtlich eines einheitlichen Informationsstandes, einheitlicher Rechtsanwendung oder einheitlicher Normkonkretisierung. Als Ausnahme erscheinen nur wenige, vor allem unterstützend tätige Einrichtungen, so die Europäische Agentur für den Wiederaufbau, deren Tätigkeit auf die Durchführung regional begrenzter Programme abzielte. Der Bemühung des Topos der Einheitlichkeit an letztlich jedem Prüfungspunkt von Art. 5 EUV mag man in Vergegenwärtigung einer Grundvoraussetzung37 der dezentral verwalteten Rechtsgemeinschaft zustimmen: dem Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts.38 Zu diesem steht die Vollzugskomponente des Subsidiaritätsgrundsatzes jedoch in einem Spannungs- wie in einem Bedingtheitsverhältnis, das sich im mitgliedstaatlichen Vollzug erschöpft: Subsidiarität geht vom Regelfall der administration communautaire indirecte aus.39 Gleicht das Unionsrecht diese Wertung auch im Wege des effet utile in vielfältigster Manier durch materielle, prozedurale und mittlerweile sogar organisationsrechtliche Vor 34 VO (EU) Nr. 1093/2010, VO (EU) Nr. 1094/2010 sowie ESMA-VO; kritisch hierzu auch K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 97. Noch deutlicher VO (EG) Nr. 1592/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit: „Da die Ziele der vorgeschlagenen Maßnahme, nämlich die Festlegung und einheitliche Anwendung gemeinsamer Vorschriften  […], auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher in Anbetracht der europaweiten Geltung dieser Verordnung besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem […] Subsidiaritätsprinzip tätig werden.“, Erwägungsgrund 18, ABl. EG 2002 L 240/1; vgl. auch m. w. N. M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 44 f. 35 Vgl. bspw. VO (EU) Nr.  1093/2010, insb. Erwägungsgrund  8, Erwägungsgrund  5 der LeerverkaufsVO sowie für die Flugsicherheitsagentur Erwägungsgrund  11 der VO (EG) Nr. 1592/2002. 36 Vgl. bspw. Erwägungsgrund  10 der ENISA-VO sowie Erwägungsgrund  5 („vergleichbare Informationen“) der VO (EWG) Nr. 1210/90 des Rates vom 7.5.1990 zur Errichtung einer Europäischen Umweltagentur und eines Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes, ABl. EG 1990 L 120/1; vgl. Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374. 37 Vgl. W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 1790. 38 Zustimmend bspw. J.  Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S.  20 f. m. w. N. 39 K. Lenaerts, Fordham International Law Journal 17 (1993), S. 846, 854; G. Sydow, Die Verwaltung 2001, S. 517, 533.

A. Subsidiarität  

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gaben für die innerstaatlichen Verwaltungsrechtsordnungen ein Stück weit aus,40 besteht dessen ungeachtet doch eine „Restgefahr“, dass einheitlich geltendes Recht im Einzelfall uneinheitlich vollzogen wird. Schließlich kann eine Angleichung durch effet utile – anders als die Ersetzung durch direkte Vollzugsformen – nie über eine Annäherung der unterschiedlichen nationalen Umsetzungsverfahren hinausgehen.41 Scheinbar verhält sich Subsidiarität in dieser Hinsicht also ganz anders als in Bezug auf Normsetzung: Wird Pluralität von Normen dort schon durch die Funktion des Grundsatzes – die nähere Zuordnung legislativer Kompetenzen im konkreten Fall – vorausgesetzt, ja besteht darin der eigentliche Zweck „legislativer Subsidiarität“, erscheint normative Inkohärenz bei der Implementierung ein und derselben Norm42 durch unterschiedliche Behörden defizitär, gleichsam als Hinterfragung der Autorität des normgebenden Rechtssystems selbst. Erhebt dieses Rechtssystem Subsidiarität indes selbst zur Prämisse und nimmt es exekutive Kompetenzen dabei nicht aus, dann wird ein gewisses Maß an Inkohärenz auch des Vollzugs zu seinem Bestandteil, dürfen seine Organe das Ziel der Einheitlichkeit also nicht um jeden Preis verfolgen. Das Prinzip der einheitlichen Anwendung – von Oppermann immerhin als „Herzstück“ des unionalen Verfassungssystems bezeichnet43 – erfährt an dieser Stelle also eine Relativierung, die der vorstehend erläuterten Unanwendbarkeit des Effektivitätsprinzips als Auslegungsprinzip bei institutionell-rechtlichen Kompetenzen entspricht.44 Hier wird dieselbe Spannung deutlich, die Becker im Verhältnis des Effektivitätsprinzips zur Verwaltungsautonomie der Mitgliedstaaten verortet.45 Tatsächlich verbirgt sich hinter jener Autonomie, wie an anderer Stelle zu zeigen ist, wenig mehr als das Subsidiaritätsprinzip. Für Letzteres wird diese relativierende Facette schon seit längerem im internationalen Menschenrechtsschutz mit Blick auf regional unterschiedliche Interpretationen allgemein verbindlicher Standards diskutiert – gleich 40 Diese Vorgaben gehen mittlerweile weit über allgemein bekannte Phänomene wie die Unanwendbarkeit der Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 VwVfG bei der Rückforderung von Subventionen (EuGH, Rs. C-24/95 (Alcan II), Slg. 1997, I-1591 Rn. 34 ff.) hinaus, s. A. Hatje, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323 ff., insb. S. 331. 41 F. Becker, CML Rev 44 (2007), S. 1035 ff.; vgl. G. Sydow, Die Verwaltung 2001, 517, 523. 42 Keine abweichende Bewertung ergibt sich für Konstruktionen, bei denen innerstaatliche Normen der letztlichen Umsetzung einer unionalen Vorgabe vorgeschaltet werden, wie dies (in abnehmendem Maße) für das Institut unionsrechtlicher Staatshaftung vertreten wird; vgl. hierzu Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 37. 43 Th. Oppermann, DVBl. 1994, S. 901, 906. 44 Vgl. Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374; Dieser Konflikt ist eng mit dem Spannungs­ verhältnis von Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip verwandt, wie es Ch.  Calliess heraus­ gearbeitet hat, s. ders., Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl., S. 197 f.; vgl. allgemein zum Verhältnis von Vollzugsföderalismus und Vollzugsdivergenzen G.  Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 39. 45 F. Becker, CML Rev 44 (2007), S. 1035 ff., insb. S. 1051–1056; vgl. auch K.-H. Ladeur, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts, S. 795, 804 f.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

wohl mit einer positiveren, das Tätigwerden der Völkerrechtsgemeinschaft als sub­ sidium betonenden Note.46 Vor allem die Doktrin der margin of appreciation lässt sich als Ausdruck eines übergeordneten Konzepts von Subsidiarität begreifen.47 Der Grundsatz der einheitlichen Anwendung ist damit weder Selbstzweck noch allgemeingültig, sondern kann nur innerhalb des indirekten Vollzugs bzw. innerhalb von Mischformen unionalen und mitgliedstaatlichen Vollzugs eine Direktive bilden.48 Als Argument für ein subsidiäres Tätigwerden in Form einer Ersetzung des indirekten Vollzugs lässt er sich nicht anführen. In dem Bewusstsein, dass Subsidiarität die Möglichkeit normativer Inkohärenz mithin zwingend impliziert, erscheint es konsequent, das geschilderte Begründungsmuster im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 EUV als kontradiktorisch zu verwerfen.49 Der EuGH übt bei der Überprüfung der angegebenen Ziele dagegen eine Akzeptanz, die eine echte Überprüfung gleichsam überflüssig macht, indem er auch an dieser Stelle die Erwägungsgründe als Tatsachen unterstellt und sich auf eine Prüfung prima facie beschränkt.50 Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Leistungsfähigkeit der mitgliedstaatlichen Ebene findet sich in keiner Entscheidung.51 Einer richterlichen Ausgestaltung erteilt er zudem dadurch eine Absage, dass er entgegen der in Art. 5 EUV vorgegebenen Reihenfolge regelmäßig den Verhältnismäßigkeits- vor dem Subsidiaritätsgrundsatz prüft und dabei eine einheitliche Argumentation vornimmt.52 Diese Haltung lässt sich im Bewusstsein eines viel kritisierten judicial activism an anderer Stelle kaum rechtfertigen, ver-

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Vgl. statt vieler P. G. Carozza, AJIL 97 (2003), S. 38–79, s. insb. S. 57 f. Vgl. statt vieler ebd., S. 40; A. Legg, The Margin of Appreciation in International Human Rights Law: Deference and Proportionality, S. 61 f. 48 Kritisch auch Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374. Der Aspekt, dass der Grundsatz der einheitlichen Anwendung keineswegs eine Durchsetzung unionsrechtlicher Normen „um jeden Preis“ verlangt, findet sich mit einer stärker den inhärenten materiell-rechtlichen Ausgleich betonenden Note bei A. Hatje, EuR 1998, Beiheft 1, S. 7, 9 f. Der Unterschied zur hier angeführten Konstellation besteht freilich darin, dass das Unionsrecht dort – etwa durch die Anerkennung von Grundrechten als Schranke – die normative Vorgabe, gleichsam dem Vollzug vorgelagert, innerhalb ihrer selbst einem Kompromiss zuführt. Im Gegensatz dazu bedeutet normative Pluralität des Vollzugs ein Umsetzungsdefizit. Dieses Defizit ist dem Unionsrecht durch das Subsidiaritätsprinzip gleichwohl immanent; als „Ausprägung des föderalen Strukturprinzips der Union“ begreift die „unterschiedliche Auslegung und Anwendung des Rechts“ G. Sydow, Die Verwaltung 2001, 517, 518. 49 Mit ähnlicher Begründung ebenso M.  Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 201 f.; R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 726. 50 S. bspw. EuGH, Rs. C-58/08 (Roaming-VO), Slg. 2010, I-4999, Rn. 77 f. (In diesem Kontext auch zitiert bei M.  Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 41 (dort Fn. 21); vgl. O. Barton, North East Law Review 2/1 (2014), S. 83, 85; A. Biondi, Subsidiarity in the Courtroom, in: Biondi/Eeckhout/Ripley (Hrsg.), EU Law after Lisbon, S. 217; A. Dashwood, CML Rev 41 (2004), S. 355, 368. 51 M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 42. 52 S. EuGH, Rs. C-176/09 (Flughafenentgelte), Slg.  2011, I-3727, Rn.  56–83; M.  Nettes­ heim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 41. 47

A. Subsidiarität  

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mag bei Unterstellung eines die Unionsorgane umspannenden Korpsgeistes aber ebenso wenig zu verwundern.53 Inwieweit die Kommission ihre Begründungspraxis entsprechend den Ankündigungen in ihrer Initiative „Bessere Rechtsetzung“54 selbst hinterfragen wird, bleibt abzuwarten.55 Nicht weniger problematisch als die Erhebung der Maßnahme zum Maßstab ihrer eigenen Überprüfung erscheint die Unschärfe von Negativ- wie Positivkriterium. Bei der Frage, inwieweit eine ausreichende Verwirklichung des Maßnahmenziels nicht durch die Mitgliedstaaten zu leisten wäre, macht der Vertragstext keine Vorgaben, ob diese Verwirklichung anhand einer Ex-ante- („Welchen ­Zustand beabsichtigen die Organe?“) oder einer Ex-post-Perspektive („Welcher Zustand wird durch die Maßnahme tatsächlich erreicht?“) zu bestimmen ist.56 Die Umschreibung der mitgliedstaatlichen Verwirklichung als „ausreichend“ lässt angesichts eines stark subjektiven Charakters klare Direktiven vermissen.57 Vor allem aber erfolgt keine Festlegung, ob der Union ein Handeln bereits dann verwehrt bleibt, wenn lediglich die Möglichkeit mitgliedstaatlicher Maßnahmen besteht.58 Bei der Überprüfung, ob die wiederum stark subjektiv geprägte Voraussetzung des Positivkriteriums einer „besseren“ Verwirklichung erfüllt ist, räumen die Verträge den Unionsorganen von vornherein durch die Bestimmung des Prüfungsobjekts eine dominante Rolle ein, auf dessen „Umfang“ oder „Wirkungen“ abgestellt wird.59 Somit können an dieser Stelle nur völlig ungeeignete Maßnahmen ausscheiden,60 die aber ohnehin an der folgenden Verhältnismäßigkeitsprüfung scheitern dürften. Hinzu kommt, dass der Gerichtshof  – wie schon bei der Prüfung der Rechtsgrundlage – dem Unionsgesetzgeber hier ebenfalls einen Ermessensspielraum einräumt.61 Zwar wird eine Justiziabilität des Subsidiaritätsprinzips nach anfänglichem Zögern in mittlerweile ständiger Rechtsprechung an 53 Vgl. ebd., S. 41, 47, 53; vgl. auch die früh erhobene Forderung nach judizieller Ausgestaltung bei R. v. Borries, EuR 1994, S. 263, 282–285; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 62. Unverständlich erscheint die Begründung, der EuGH würde durch eine entschlossene Anwendung seine eigene „Popularität“ und Legitimation aufs Spiel setzen (so Th. Konstadinides, Division of Powers in European Union Law: The Delimitation of internal Competence between the EU and the Member States, S. 132–134). Tatsächlich dürfte es die Integrität des Gerichtshofs angesichts zunehmender Skepsis im Hinblick auf die Integrationsdynamik und die Berücksichtigung primärrechtlicher Schranken eher stärken, Grenzen der Kompetenzausübung aufzuzeigen. 54 Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung – Eine Agenda der EU, KOM (2015) 215. 55 Vgl. R. Priebe, EuZW 2015, S. 697, 698. 56 M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 38 f. 57 O. Barton, North East Law Review 2/1 (2014), S. 83, 84. 58 M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 39. 59 Ebd. 60 Ebd. 61 S. bspw. EuGH, Rs. C-84/94 (Arbeitszeit-Richtlinie), Slg. 1996, I-5755, Rn. 47; vgl. auch M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 132.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

erkannt.62 Sie bleibt auf diese Weise aber ohne Konsequenz. Das Subsidiaritätsprinzip fällt so auf eine politische „ligne de conduite“63 zurück, ohne jemals tatsächlich über diesen Status hinausgewachsen zu sein. 2. Prozedurale Absicherung als Aufgabe von Normativität Anders als das jetzige Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit leistete das Subsidiaritätsprotokoll des Vertrags von Amsterdam eine nähere materielle Bestimmung. Dort wurden u. a. Leitlinien für die Prüfung der Voraussetzungen aufgeführt, nach denen der betreffende Bereich „transnationale Aspekte“ und die Maßnahmen der Gemeinschaft im Vergleich zu solchen der Mitgliedstaaten „deutliche Vorteile“ aufweisen mussten. Alleinige Maßnahmen der Mitgliedstaaten bzw. das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen hätten zudem den vertraglichen Anforderungen zuwiderlaufen müssen.64 Mit dem Lissabonner Subsidiaritätsprotokoll haben sich die Mitgliedstaaten dagegen für Vorgaben lediglich prozeduraler Art entschieden. Die Frage, ob das Subsidiaritätsprinzip angesichts dieses Wandels überhaupt noch als Rechtsnorm oder, wie es Nettesheim vertritt, nicht vielmehr als „Verfahrens- und Verständigungskonzept zu begreifen ist, vermittels dessen Subsidiarität induktiv erarbeitet wird“65, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erschöpfend erörtert werden. Nicht zu bestreiten – und als Einwand gegen eine verbindliche Wirkung keineswegs neu  – ist eine stark politische Aufladung, die tatsächlich einer Festlegung über Grenzen der europäischen Integration auf dem spezifischen Gebiet gleichkommt.66 62

Vgl. (nicht abschließend)  EuGH, Rs. C-377/98 (Niederlande/Rat und EP), Slg.  2001, I-7079, Rn.  30–33; Rs. C-491/01 (British American Tobacco [Investments] und Imperial­ Tobacco), Slg. 2002, I-11453, Rn. 180–185; Rs. C-58/08 (Roaming-VO), Slg. 2010, I-4999, Rn. 72–79; Rs. C-176/09 (Flughafenentgelte), Slg. 2011, I-3727, Rn. 76–83. 63 Vgl. P. Ch. Müller-Graff, ZHR 159 (1995), S. 34, 56. 64 Art. 5 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vom 2.10.1997, ABl. EG Nr. C 340, S. 105. 65 M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 52; ähnlich schon A.  Bermann, Columbia Law Review 94 (1994), S.  331, 400; D.  Fischer-Ap­ pelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S. 166–168; J. Schwarze, in: Karpen/Wenz (Hrsg.), National Legislation in the European Framework, S. 132, 150; M. Zuleeg, in: Nörr/ Oppermann (Hrsg.), Subsidiarität: Idee und Wirklichkeit, S. 185, 194; s. auch T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 181–183. 66 So die Kritik bei M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 46; in diese Richtung ging bereits die Äußerung des früheren Präsidenten des EuGH Lord Mackenzie Stuart: „To decide whether given action is more appropriate at Community level, necessary at Community level, effective at Community level, is essentially a political topic. It is not the sort of question a Court should be asked to decide.“ (Zitiert nach P. L. Lind­ seth, Power and Legitimacy – Reconciling Europe and the Nation-State, S. 193.) Vgl. auch die Darstellung zur Rechtslage nach Maastricht bei S.  Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 62 f. Die politische Dimension zeigen die von Mitgliedstaat zu

A. Subsidiarität  

249

Wenn dieser „institutionalisierte Subsidiaritätsdialog“67 aber nicht zu einem bloßen „institutionalisierten Dialog“ geraten soll, dann kann er, jenseits von Einstimmigkeit stehend, keine völlig von inhaltlichen Maßstäben entkoppelte Willensbildung vorsehen. Die Verlagerung der Subsidiaritätskontrolle auf die nationalen Parlamente mag nunmehr zwar das weitgehende Ausbleiben einer inhaltlichen Überprüfung durch den EuGH rechtfertigen. Sie verhilft aber nicht über die Notwendigkeit hinweg, einen normativen Mindestgehalt zu ermitteln, nach dem sich die Zulässigkeit der politischen Argumente bemessen lässt. Dabei können außerrechtliche Subsidiaritätskonzepte keineswegs schlicht auf das Unionsrecht übertragen werden.68 Schon aus der Bezeichnung des Subsidiaritätsgrundsatzes als solchem lässt sich allerdings zumindest dasjenige entnehmen, was als Schnittmenge verschiedener Ansätze den semantischen Gehalt des Subsidiaritätsbegriffs selbst bildet. 3. Transnationaler Bezug des Regelungsgegenstands Eine solche Schnittmenge bildet das Kriterium des transnationalen Bezugs. Nach allen Konzepten von Subsidiarität verbleiben Zuständigkeiten auf der niedereren Ebene, wenn sich ein Regelungsgegenstand nicht nur heterogen verhält, sondern diese Heterogenität gerade ein Wesensmerkmal des Regelungsgegenstandes darstellt. Dies gilt vor allem dort, wo Phänomene eng mit nationaler Geschichte und Kultur verbunden sind.69 Die auf die jeweilige Maßnahme bezogene Formulierung „wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen“ in Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 EUV drückt diesen Aspekt, der ja nicht den konkreten Rechtsakt, sondern den Regelungsgegenstand in den Blick nimmt, nur unzureichend aus. Eine ausdrückliche Nennung der Voraussetzung der transnationalen Aspekte fand sich noch im Subsidiaritätsprotokoll des Vertrags von Amsterdam.70 Zwar wurde sie im Zuge der Lissabonner Reform nicht übernommen, im Schrifttum aber gleichwohl überwiegend aufrechterhalten.71 Mitgliedstaat ganz unterschiedlichen Vorstellungen von Verletzungen des Grundsatzes, wie sie nun im „Frühwarnsystem“ der Subsidiaritätsrügen gem. Art. 6 des Subsidiaritätsprotokolls hervortreten und ein Erreichen der ebendort in Art. 7 vorgesehenen Quoren bislang vereitelt haben, M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 46; zum Begriff des Frühwarnsystems s. J.  Koch/M.  Kullas, Subsidiarität nach Lissabon  – Scharfes Schwert oder stumpfe Klinge?, cepStudie März 2010, abrufbar unter: http://www.cep.eu/Studien/ Subsidiaritaet/cepStudie_Subsidiaritaet.pdf (29.2.2016), S. 6 f. 67 S. J. Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 57. EL (August 2015), Art. 5 EUV Rn. 63. 68 Ch. Seiler, Der souveräne Verfassungsstaat zwischen demokratischer Rückbindung und überstaatlicher Einbindung, S. 330. 69 Grundlegend dazu die Einordnung von Subsidiarität als „kulturell bedingte Sinnvariabi­ lität“ bei P. Häberle, AöR 119 (1994), S. 169–206, insb. S. 197 f. 70 Nr. 5 UAbs. 2 Spstr. 1 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit vom 2.10.1997, ABl. EG Nr. C 340 S. 105. 71 So durch Ch.  Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art.  5 EUV Rn.  34; N.  Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S.  161;

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

Hierauf gründende Zweifel meldeten Teile der Literatur bei der Schaffung der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit an,72 die mittlerweile durch die Grundrechteagentur abgelösten wurde. Dieser Einrichtung oblag vor allem das Sammeln von Informationen über verschiedene Erscheinungen von Xenophobie.73 Man wird nicht bestreiten können, dass Fremdenfeindlichkeit in den Mitgliedstaaten nicht nur verschieden stark ausgeprägt, sondern auch jeweils ganz unterschiedlichen historischen Implikationen geschuldet ist. Ein grenzüberschreitender Bezug erschien daher zweifelhaft.74 Zudem wurde eingewandt, dass dort, wo Xenophobie  – wie im Falle von Antisemitismus – einen länderübergreifenden Bezug aufweist, weniger die Schaffung einer europäischen Agentur denn einer internationalen Einrichtung zielführend wäre.75 Entsprechendes wurde auch in Bezug auf die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, die Grundrechteagentur sowie das Gleichstellungsinstitut angemerkt.76 Folgte man letzterem Punkt, dem Vergleich mit der Zweckmäßigkeit interna­ tionaler Einrichtungen, so sperrte das Subsidiaritätsprinzip die Schaffung von Institutionen überall dort, wo ein Regelungsgegenstand nicht spezifisch unional determiniert ist. Als Ausnahmen verblieben nur konstitutiv rechtliche Bereiche wie der Binnenmarkt oder der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Schließlich dürfte es ebenso wenig wie Formen von Fremdenfeindlichkeit bspw. Arten ansteckender Krankheiten geben, die sich gleichsam trennscharf bis zur Außengrenze der Union ausbreiten. Dass die Union jedoch auch dort tätig werden kann und soll, belegen zahlreiche der ihr übertragenen Kompetenzen. Die Möglichkeit europäischer Lösungen, wie sie bspw. Art. 168 Abs. 5 AEUV vorsieht und von der mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten Gebrauch gemacht wurde, ergäbe keinerlei Sinn, verlangte man, dass Agenturen ein Optimum auch im Vergleich zu internationalen Lösungen darstellen. Das primärrechtliche Subsidiaritätsprinzip muss daher – der tatbestandlichen Erforderlichkeit von Art.  352 AEUV entsprechend  – auf die Union als oberste

Ch.  Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S.  70; A. Lippert, Der grenzüberschreitende Sachverhalt im Unionsrecht, S. 346–351; R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 26. 72 D. Geradin/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S. 39. 73 Art. 2 VO (EG) Nr. 1035/97 des Rates vom 2.6.1997 zur Einrichtung einer Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ABl. EG 1997 L 151/1. 74 D. Geradin/N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S. 39. 75 Ebd. 76 S.  Andoura/P. Timmerman, Governance of the EU: The Reform Debate on European Agencies Reignited, EPIN Working Paper 19 (2008), S. 22; zur EMCDDA ebenso D. Geradin/ N. Petit, The Development of Agencies at EU and National Levels: Conceptual Analysis and Proposals for Reform, Jean Monnet Working Paper 01/04 (2004), S. 39.

A. Subsidiarität  

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Ebene begrenzt bleiben, was auch dem Wortlaut des Positivkriteriums („besser“) einzig gerecht wird.77 Im Übrigen verlangt Subsidiarität im Unionsrecht einen transnationalen Bezug des Regelungsgegenstandes. Das ergibt sich schon aus dem Umstand, dass sich Erscheinungen, die sich auf einzelne Mitgliedstaaten begrenzen, schwerlich besser auf der übergeordneten Ebene regeln lassen.78 Der transnationale Bezug ist damit weniger ein eigenständiges Merkmal denn eine Teilvoraussetzung des Positivkriteriums.79 Allzu viel ist damit nicht gewonnen: Für den ganz überwiegenden Teil der Unionskompetenzen dürfte ein transnationaler Bezug zu vermuten sein, wenn die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage erfüllt sind.80 Schließlich wurden die Kompetenzen der Union gerade in der Einsicht übertragen, dass allein nationale Maßnahmen auf den jeweiligen Politikfeldern unzureichend sind. So lässt sich bei näherer Betrachtung auch die Kritik an den genannten Agenturen nicht nur als Kritik an deren Gründungen, sondern bereits als Kritik an den Zuständigkeiten der Union verstehen.

III. Subsidiarität und Rechtsangleichung Dieses Dilemma, die Vermutung einer besseren Verwirklichung auf Unionsebene qua Einzelermächtigung, erstreckt sich auch auf Art.  114 AEUV. Zwar wurde dargelegt, dass das Ziel der Einheitlichkeit der subsidiaritätsbezogenen Begründung von vornherein entzogen sein muss. Problematisch gestaltet sich allerdings, welches Ziel Maßnahmen nach Art. 114 AEUV dann zugrundeliegen soll. Gewiss lassen sich die Absichten auch bei dieser Rechtsgrundlage anders umreißen, indem auf die Überwindung der Gefahren für die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes abgestellt wird. Soll die Union eine Harmonisierung nicht um ihrer selbst willen betreiben können, ist das sogar zwingend und entspricht der Formulierung des zweiten Halbsatzes in Art. 114 Abs. 1 S. 2 AEUV („zum Gegenstand haben“).81 Ein Abstellen auf das Fernziel „positiver Binnenmarkteffekt“ hilft aber nicht über die Voraussetzung des instrumentalen Nahziels „Rechtsangleichung“ 77 Vgl. U. Brasche, Europäische Integration: Wirtschaft, Erweiterung und regionale Effekte, 3. Aufl., S. 3. 78 M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 131. 79 Dem entspricht die Gliederung bei D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 266; so auch das Ergebnis der eingehenden Prüfung durch A. Lippert, Der grenzüberschreitende Sachverhalt im Unionsrecht, S. 346–351. In Anlehnung an die Ausführungen zum positiven Binnenmarkteffekt i.R.v. Art. 114 AEUV (s. o. 2. Teil C. III. 2.) ist insoweit kein Auftreten in sämtlichen Mitgliedstaaten zu verlangen. Hinreichend und notwendig ist, dass sich ein Sachverhalt auf eine Mehrzahl von Mitgliedstaaten erstreckt. 80 Das verdeutlicht bspw. die Subsidiaritätsprüfung der EASA-VO bei D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 266. 81 Zur Missverständlichkeit des Wortlauts und dessen Verwechslung von Objekt und Maßnahme vgl. o. 2. Teil C. III. 2. a).

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

hinweg. Angesichts dieser Paradoxie wurde die Anwendbarkeit des Subsidiaritätsgrundsatzes auf allein zielbezogene, nicht aber sachlich-gegenständlich umschriebene Zuständigkeiten in der Vergangenheit zum Teil  abgelehnt.82 Mit Blick auf die klare Anordnung durch Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 EUV i. V. m. Art. 4 Abs. 2 lit. a AEUV sowie eine positive Festlegung durch den EuGH ist diese Sicht zwar mittlerweile überholt.83 Die Bejahung der Anwendbarkeit gibt jedoch keine Antwort darauf, welcher Anwendungsbereich der Subsidiarität bei Rechtsangleichungskompetenzen zukommen soll. Tatsächlich enthält Art. 114 AEUV bereits in seinem tatbestandlichen Kern einen entscheidenden Aspekt von Subsidiarität, können positive Binnenmarkteffekte doch allein bei Regelungsgegenständen transnationaler Art vorliegen.84 Überdies dürfte die Verwirklichung des Binnenmarkts auf mitgliedstaatlicher Ebene kaum je politisch verfolgt werden. Generalanwalt Fennelly, der die Anwendbarkeit ausgeschlossen hatte, ist daher in Teilen zuzustimmen, wenn er ausführt: „Es gibt keinen Test einer ‚vergleichenden Effizienz‘ zwischen möglichem Vorgehen der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft. Gäbe es ihn, würden sich noch schwierigere Grundsatzfragen stellen. Insbesondere wäre zu fragen, wie der Nutzen einer gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahme in Verfolgung des Binnenmarkts mit Bestimmungen der einzelnen Mitgliedstaaten über völlig andere nationale Interessen gegenständlichen Charakters abzuwägen wäre.“85 So erscheint es denn auch kaum denkbar, dass eine Befugniszuweisung die Voraussetzungen der Binnenmarktklausel erfüllt und zugleich gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt.86 Das veranschaulichen die Erwägungsgründe der LeerverkaufsVO, in denen die Notwendigkeit einheitlicher Aktionen hinsichtlich der Voraussetzungen der Binnenmarktklausel ausführlich und schlüssig dargelegt wird, um die genannten Argumente schließlich in einem einzigen Satz auf den Subsidiaritätsgrundsatz zu beziehen: „Da die Ziele dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können […], kann die Gesamtauswirkung der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Leerverkäufen und Credit Default Swaps nur im unionsweiten Kontext vollständig erfasst werden und lassen sich daher besser auf Unionsebene verwirklichen, und kann die Union im Einklang mit dem  […] Subsidiaritätsprinzip Maßnahmen annehmen.“87 Ein Anwendungsbereich könnte sich jedoch dort ergeben, wo Rechtsangleichung einen stark rechtsgestaltenden Bezug aufweist, wie dies bei vorbeugenden 82

S. o. Fn. 20. Zum Ganzen s. die Nachweise in Fn. 20. 84 Vgl. W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 623, 624 („bereits vom Ansatz her begrenzt“); M. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 132 f. 85 GA Fennelly, Schlussanträge zu Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Slg. 2000, I-8419 Nr. 142. 86 Ähnlich S. Andoura/P. Timmerman, Governance of the EU: The Reform Debate on European Agencies Reignited, EPIN Working Paper 19 (2008), S. 22. 87 Erwägungsgrund 45 der LeerverkaufsVO. 83

A. Subsidiarität  

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Harmonisierungsmaßnahmen und nur rudimentären oder der Anzahl nach stark beschränkten nationalen Vorschriften der Fall ist. Auch Agenturen können rechtsgestaltend tätig werden, indem sie auf neuartige Entwicklungen informatorisch oder normkonkretisierend reagieren. Hier tritt neben das Interesse an einheitlichen Handelsbedingungen in stärkerem Maße das Interesse an der gegenständlichen Regelung selbst.88 Immerhin lassen sich durchaus Fälle benennen, in denen die Kommission Vorschläge für auf die Binnenmarktklausel zu stützende Rechtsakte aus Gründen der Subsidiarität zurückgezogen oder verändert hat.89 Allgemein forciert die Kommission zunehmend selbst eine Stärkung des Subsidiaritätsgedankens mittels Rücknahme von Vorschlägen sowie ausdrücklicher oder impliziter Rückverlagerungen von Zuständigkeiten auf die mitgliedstaatliche Ebene (insbesondere gem. Art. 2 Abs. 2 S. 3 AEUV).90 Im Rahmen bestehender Spielräume ist dieser Ansatz auch für Agenturen denkbar. Ein klarer rechtlicher Gehalt ergibt sich daraus gleichwohl nicht. Bisherige Beispiele und Ankündigungen kreisen vielmehr um politische Programmsätze („lighter, simpler and cheaper“91).92 Insgesamt erscheinen sie eher als Feigenblätter angesichts der populären Forderung, „Brüssel“ müsse nicht alles regeln.93 So können Organe und Agenturen Angleichungsmaßnahmen bzw. angleichungsfördernde Maßnahmen mit stark rechtsgestaltendem Bezug auch weiterhin mit dem Bedürfnis nach einem einheitlichen Vorgehen begründen, das durch diese neue Politik keineswegs im Grundsatz hinterfragt wird. Eine im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung berücksichtigenswerte Alternative zu Harmonisierungen bildet gerade für den Vollzug durch Agenturen das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, nach dem innerstaatliche Behörden einzelne Vorentscheidungen von Behörden anderer Mitgliedstaaten bei ihrer eigenen Ent-

88 Zu dieser Unterscheidung vgl. GA Fennelly, Schlussanträge zu Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Slg.  2000, I-8419 Nr.  139; M.  Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 132. 89 So etwa bei der Harmonisierung der Kennzeichnung von Schuhen, s. Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Edinburgh vom 12.12.1992, SN/456/92, Teil A. Anlage 2 Nr. 1 b. Die RL 94/11/EG des EPs und des Rates vom 23.3.1994 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kennzeichnung von Materialien für die Hauptbestandteile von Schuherzeugnissen zum Verkauf an den Verbraucher (ABl. EG 1994 L 100, S. 34) wurde auf die Binnenmarktklausel gestützt. 90 Vgl. Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen  – Bessere Ergebnisse durch bessere Rechtsetzung – Eine Agenda der EU, KOM (2015) 215; R. Priebe, EuZW 2015, S. 697–702. 91 Kommission, Pressemitteilung IP/13/891 zu Refit v. 2.10.2013. 92 Eine kritische Auswahl von nach Subsidiaritätserwägungen eher willkürlich erscheinenden Beispielen (bspw. das offenbare Absehen von einer Reform der Vorratsdatenspeicherung) findet sich bei R. Priebe, EuZW 2015, S. 697–702. 93 Ähnlich M.  Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 43; vgl. auch Ch. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, S. 264 f.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

scheidungsfindung akzeptieren müssen.94 Ein solches Vorgehen wird schon seit längerem als „milderes Mittel“ gegenüber Rechtsangleichungen angesehen.95 Bei diesem Vergleich dürfte es den Organen – zumal angesichts des ihnen eingeräumten Ermessensspielraums – jedoch ebenfalls regelmäßig gelingen, Vorzüge eines einheitlichen Vorgehens darzulegen. So lassen sich vor allem in Fällen von Zulassungen und Registrierungen gewisse Vorteile zentraler Lösungen im Hinblick auf Transparenz und Effizienz nicht bestreiten. Insbesondere die Diskussion um die Europäische Arzneimittelagentur hat gezeigt, dass eine unionsweite Rechtswirkung von Entscheidungen nationaler Behörden häufig schon mangels gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten nicht in Betracht kommt.96 Vor allem aber sind es legitimatorische Bedenken, die die gegenseitige Anerkennung hinter das Agenturmodell zurückfallen lassen: Während für Agenturen zumindest die Möglichkeit einer Rückkopplung an das Europäische Parlament und den Rat besteht und Vertreter der Mitgliedstaaten intern mitwirken, ist dies bei indirekten Vollzugsformen kaum gestaltbar. Sollen Entscheidungen nationaler Stellen aber unionsweite Geltung erlangen, erscheint es bedenklich, eine Willensbildung frei von Steuerungsmöglichkeiten für Gremien vorzusehen, in denen alle Mitgliedstaaten vertreten sind.97 Dieselben Bedenken müssen den teils sehr vagen Konzepten „dynamischerer Multi-Level-Governance-Modelle“ entgegengehalten werden, die stärker auf informelle Kooperationen abzielen.98 Somit ist festzuhalten, dass das Subsidiaritätsprinzip zwar auch auf Art.  114 AEUV Anwendung findet, sich dort aber noch weniger als bei sonstigen Rechtsgrundlagen entfalten kann. Vor diesem Hintergrund erscheint der im ENISA- und Leerverkaufsurteil eingeschlagene Kurs des EuGH umso bedenklicher. Eine Korrektur der dort eingeräumten weiten institutionell-rechtlichen Spielräume ist jedenfalls durch den Subsidiaritätsgrundsatz nicht zu leisten.

94 R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 722; vgl. generell in Bezug auf Harmonisierungskompetenzen W.  Frenz/Ch.  Ehlenz, EuZW  2011, S.  623, 624; vgl. allgemein zur gegenseitigen Anerkennung A.  Hatje, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S.  323, 329; D. H. Scheuing, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 289, 338–343; G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 59–63. 95 S. bereits H.  Lecheler, Das Subsidiaritätsprinzip  – Strukturprinzip einer europäischen Union, S.  124 f.; vgl. auch O.  Höffe, in: Nörr/Oppermann (Hrsg.), Subsidiarität: Idee und Wirklichkeit, S. 49, 66; zur Möglichkeit der Anerkennung privater Normgebung s. Th. Bruha,­ ZaöRV 46 (1986), S. 1, 9 ff. 96 A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 109; vgl. auch W. Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S. 368. 97 A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 109. 98 Dazu I. H.-Y. Chiu, Regulatory Convergence in EU Securities Regulation, S. 238 f.; vgl. allgemein (deskriptiv) L. Hooghe/G. Marks, Types of Multi-Level Governance, European Integration online Papers Vol. 5 No. 11 (2001), abrufbar unter: http://eiop.or.at/eiop/pdf/2001-011. pdf (29.2.2016).

A. Subsidiarität  

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IV. Agenturen als subsidium Eine partielle Korrektur des Verständniswandels von „Sachkompetenzen“ hin zu „auch organisationsrechtlichen Kompetenzen“ im Wege der Subsidiarität erschwert zudem der Umstand, dass sich Agenturisierungen hergebrachten Rastern hoheitlicher Maßnahmen in mancherlei Hinsicht entziehen. Dementsprechend können sie nur schwer mit mitgliedstaatlichen Alternativmaßnahmen verglichen werden. So wird schon im Hinblick auf die internen Strukturen angeführt, das Agenturmodell komme dem Subsidiaritätsprinzip gerade entgegen. Die Verluste mitgliedstaatlicher Eigenständigkeit würden zumindest teilweise kompensiert, indem eine Einbindung der Mitgliedstaaten bei der Entscheidungsfindung erfolge.99 Dies kann nach der obigen Einordnung in die Kategorien „direkter/indirekter Vollzug“100 nicht vollständig überzeugen, spricht eine gewisse Beteiligung der Mitgliedstaaten doch keineswegs gegen die Einstufung als supranationale Verselbständigung und die Gefahr vertikaler Spannungen.101 Ein anderes Bild ergibt sich in funktionaler Hinsicht: Zu Recht wird im Schrifttum angemerkt, eine Reduktion auf bloße Effizienzvergleiche mitgliedstaatlicher und unionaler Aufgabenwahrnehmung werde dem Grundsatz der Subsidiarität nicht gerecht.102 Gleichwohl muss eine wie auch immer geartete Vergleichsoperation das Herzstück des Grundsatzes bilden. Denn spätestens bei der Prüfung des Positivkriteriums werden (hypothetische)  Maßnahmen zueinander in Bezug gesetzt („besser“). Ein relativ einfaches Bild ergibt sich insoweit bei unionaler Gesetzgebung, die mitgliedstaatliche Vorschriften (im jeweiligen Teilbereich) vollumfänglich ersetzt, also insbesondere bei Verordnungen materiellen Inhalts. Der Vergleich bezieht sich dort auf eine Alternative, d. h. auf eine Wahl, die beide Vergleichsobjekte im Verhältnis zueinander ausschließt. Ganz anders verhält es sich bei der Schaffung von Institutionen – jedenfalls dann, wenn mit ihnen nicht die völlige Ablösung nationaler Behörden einhergeht. So ist daran zu erinnern, dass die überwiegende Anzahl der bisherigen Agenturbefugnisse ihre mitgliedstaatlichen Pendants keineswegs völlig ersetzt haben.103 Eine Verdrängung lässt sich 99

K. Lenaerts, ELRev 18 (1993), S. 23, 46; R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 563; zustimmend S. Eckhardt, Die Akteure des außergerichtlichen Grundrechtsschutzes in der Europäischen Union, S. 312; ähnlich K. H. Ladeur, NuR 1997, S. 8, 9; R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 563 m. w. N. 100 S. o. 1. Teil F. 101 Vgl. I. H.-Y. Chiu, Regulatory Convergence in EU Securities Regulation, S. 238 f. 102 Vgl. die Übersicht des Meinungstands bei A. Lippert, Der grenzüberschreitende Sachverhalt im Unionsrecht, S. 349; zu weitgehend M. Nettesheim, in: König/Uwer (Hrsg.), Grenzen europäischer Normgebung, S. 35, 45 (in Widerspruch hierzu steht die Bezeichnung der Untersuchung mitgliedstaatlicher Handlungseffizienz als „eigentlich zentrale Beschäftigung“ der gerichtlichen Überprüfung, ebd., S. 40). Zu den nichtsdestoweniger erheblichen ökonomischen Kriterien vgl. U. Brasche, Europäische Integration: Wirtschaft, Erweiterung und regionale Effekte, 3. Aufl., S. 3 f. 103 So auch die Feststellung bei Th. Groß, EuR 2005, S. 54, 57.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

nur bei manchen starken Agenturen beobachten, so bei der Flugsicherheitsagentur, die zwar in ein dezentral organisiertes Netz mitgliedstaatlicher Behörden eingebettet ist, dort jedoch wichtige vormals mitgliedstaatliche Aufgaben wie die Musterzulassung übernommen hat.104 Die Aufsicht der ESA bewirkt einen solchen Effekt dagegen allein im konkreten Fall und nur hinsichtlich bestimmter Koordinierungs- und Kontrollfunktionen („Intervention-based Supervision“).105 Die Zuständigkeit nationaler Behörden wird dort gerade geschont, indem die Agenturen erst bei Mängeln einschreiten.106 Vor allem informatorisch oder unterstützend tätige Agenturen bilden in erster Linie eine Ergänzung der mitgliedstaatlichen Verwaltungen.107 Das Hinzutreten des Akteurs „Agentur“ erscheint also vielfach als subsidium im eigentlichen Sinne des Wortes: als eine Hilfestellung.108 Für die Vergleichsoperation ergibt sich daraus, dass der mitgliedstaatliche Vollzug beide Vergleichsobjekte bilden muss: einerseits ohne, andererseits mit Unterstützung durch eine Agentur. Nach dem Negativkriterium wäre dann zu fragen, ob der mitgliedstaatliche Vollzug bspw. ohne die zentrale Zurverfügungstellung von Gutachten als „ausreichend“ zu bewerten ist. Wie allgemein dargestellt, wird es an dieser Stelle jedoch schwierig, das Vorliegen einer ausreichenden Verwirklichung unabhängig vom Positivkriterium zu bestimmen. Gestaltet sich eine Maßnahme tatsächlich „nur“ als Hilfe, dürfte das Ziel mit ihr nämlich stets „besser“ zu verwirklichen sein. So lässt sich mitgliedstaatliche Verwaltung im Vergleich zu Verbundlösungen mit lediglich komplementären Agenturen109 per se als unzureichend darstellen. Aber auch für Befugnisse zu rechtsverbindlichen Entscheidungen, die hinsichtlich der konkreten Entscheidung bzw. einzelfallbezogenen Entscheidungsdirektive im Ergebnis einer Ersetzung mitgliedstaatlicher Verwaltung gleichkommen, bildet Subsidiarität schwerlich ein Hindernis. Dass auch dort eine Bedingtheit beider Kriterien besteht, verdeutlicht der oben angeführte Erwägungsgrund 66 der Gründungsverordnungen der ESA, in dem nach knappen Ausführungen zum Negativkriterium mit der Überleitung „und daher“ ohne weitere Begründung die Voraus 104 S. o. 1. Teil D. III. 3.  a). Die GründungsVO des Gemeinschaftlichen Sortenamtes lässt die mitgliedstaatlichen Zulassungsregime ausdrücklich unberührt, vgl. Erwägungsgrund  3, Art. 92 f. VO (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27.7.1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. EG 1994 L 227/1). 105 T. O. Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 182; hierin eine Schonung mitgliedstaatlicher Rechte i. S. d. Subsidiarität sehend K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 205. 106 Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 356. 107 S. Eckhardt, Die Akteure des außergerichtlichen Grundrechtsschutzes in der Europäischen Union, S. 312. 108 Vgl. K. Gutman, Columbia Journal of European Law 13 (2006), S. 147, 186; zum semantischen Gehalt vgl. S. Battisti, Freiheit und Bindung: Wilhelm von Humboldts „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“ und das Subsidiaritätsprinzip, S. 204. 109 Vgl. die Bezeichnung „komplementäre Institutionen“ bei Th. Groß, EuR 2005, S. 54, 57.

A. Subsidiarität  

257

setzungen des Positivkriteriums bejaht werden.110 Bei einer Argumentation, die sich nicht der Formulierung des Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 AEUV als Schablone bediente, liefe die Begründung der Hilfe dagegen auf Begriffe wie „notwendig“ oder „erforderlich“ hinaus; die Subsidiaritäts- mündete somit in die Verhältnismäßigkeitsprüfung.111 Dieses Muster lässt sich unabhängig von der Wahl der Rechtsgrundlage anbringen. Das Bedürfnis nach Einheitlichkeit ist dann je nachdem entweder bei den Voraussetzungen der Rechtsgrundlage oder in der subsidiaritätsbezogenen Begründung darzulegen. Die Vergleichsoperation wird bei Agenturisierungen damit in aller Regel zu einem positiven Ergebnis führen. Etwas anderes kann sich nur für solche Befugniszuweisungen ergeben, die die Tätigkeit nationaler Behörden im jeweiligen Bereich vollumfänglich verdrängen. Auch im letzteren Fall wird es der EuGH allerdings regelmäßig ins Ermessen der Organe stellen, von dem Bedürfnis nach einer zentralen Lösung auszugehen.

V. Ergebnis Gesteht man dem Subsidiaritätsgrundsatz auch nach der Lissabonner Vertragsreform noch eine gewisse materiale Normativität zu, erscheint diese so vage, dass die Unzulässigkeit einer Agenturisierung hiernach kaum je begründet werden kann.112 Errichtungen und Zuweisungen auf der Grundlage von Art.  114 AEUV erfahren schon angesichts inhärenter Parallelen der Kompetenznorm keine Begrenzung durch Subsidiarität. Einen Ansatzpunkt bietet einzig das Kriterium des transnationalen Bezuges, das dem Unionsgesetzgeber durch die ihm bereits zugestandenen Einzelermächtigungen indes wiederum viel argumentativen Spielraum bietet. Die Leistungsfähigkeit von Subsidiarität ist damit vor allem eine Frage des politischen Willens – namentlich des Willens der Organe der Union und der nationalen Parlamente. Die These, dass eine vertikale Konturierung des Agenturwesens nur de lege ferenda gelingen kann, erfährt hierdurch eine Bestätigung. 110 S. o. Fn. 34. Auf diesen Umstand hat M. Ludwigs in Bezug auf die Entscheidung zur Tabakprodukt-RL hingewiesen, ders., Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, S. 132 f. (vgl. EuGH (British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco), Rs. C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Rn. 181–183; vgl. auch EuGH, Rs. C-377/98 (Biotechnologische Erfindungen), Slg. 2001, I-7079, Rn. 32). Noch deutlicher wurde dies bereits bei GA Fennelly, wenn dieser allgemein zu Harmonisierungsbefugnissen ausführt: „Das Subsidiaritätsprinzip ist anwendbar; seine Voraussetzungen sind erfüllt, wenn das Erfordernis des Erlasses gemeinsamer harmonisierter Maßnahmen nachgewiesen ist, da dieses nur auf Gemeinschaftsebene erfolgen kann.“, ders., Schlussanträge zu Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat), Slg.  2000, I-8419 Nr. 137. 111 Dies entspricht einer allgemein engen Verwandtschaft beider Grundsätze, die auch als „Grundsatz der Subsidiarität im weiteren Sinne“ beschrieben wird, s. Ch. Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 71 f. 112 Ähnlich bereits W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 465; Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7, 22; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 616 f. („eine Hürde allenfalls in der Theorie“).

258

3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

B. Verhältnismäßigkeit Der eng mit dem Subsidiaritätsprinzip verwandte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz könnte als Direktive über das „Wie“ unionaler Kompetenzausübung eine qualitative Begrenzung von Agenturisierungen vorsehen. Auch die Kompetenzausübungsschranke113 der Verhältnismäßigkeit gilt gleichermaßen für legislatives wie exekutives Handeln der Union. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der allgemeinen Anordnung in Art. 5 Abs. 4 UAbs. 1 EUV („Maßnahmen der Union“).114 Zwar verpflichtet Art. 5 Abs. 4 UAbs. 2 EUV nur die Organe auf das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Diese Verpflichtung erstreckt sich aber wiederum nach dem Nemo-plus-iurisGrundsatz auch auf sekundärrechtlich geschaffene Einrichtungen.115 Errichtung, Befugniszuweisung und -ausübung müssen folglich verhältnismäßig sein, was auch dann gilt, wenn sie auf ausschließlichen Zuständigkeiten der Union beruhen.116 Dieser umfassenden Geltung entspricht die Bezeichnung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als „allgemeiner Rechtsgrundsatz“ durch den EuGH.117 Zu betonen ist, dass sich die folgenden Überlegungen auf die institutionell-rechtliche Komponente der Agenturisierung, d. h. auf die Errichtung sowie auf die institutionell-rechtlichen Aspekte von Befugniszuweisungen, beschränken. Außer Acht gelassen werden der materielle Gehalt von Befugnissen sowie die allgemeinen inhaltlichen Schranken der Befugnisausübung. So ist von der nachstehenden Untersuchung insbesondere die Frage zu trennen, ob sich bspw. durch Agenturen ver-

113 So die Bezeichnung u. a. bei H.-P. Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrags, S. 170. 114 V. Trstenjak/E. Beysen, EuR 2012, S. 265, 267. Eine Geltung für nichtlegislatives Handeln der Organe wird dagegen vor allem in der englischen Literatur teilweise abgelehnt, s. P. Craig, The Lisbon Treaty: Law, Politics, [sic] and Treaty Reform, S. 185. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfüllt zudem die Funktion eines Überprüfungsmaßstabs bei der Kontrolle von Beschränkungen der Grundfreiheiten und Grundrechte, vgl. V. Trstenjak/E.  Beysen, EuR 2012, S. 265. 115 A. A. wohl P. Craig, The Lisbon Treaty: Law, Politics, [sic] and Treaty Reform, S. 185. Richtig ist, dass das Protokoll für tertiäre Maßnahmen keine Kontrollmöglichkeiten vorsieht und sich die Anwendung somit auf den Basisrechtsakt begrenzen muss. Daraus kann aber weder geschlossen werden, dass die in dem Basisrechtsakt vorgesehenen Befugnisse über die Kompetenzen der Organe hinausgehen können, noch, dass tertiäre Maßnahmen nicht an die materiale Vorgabe nach Art.  5 Abs.  4 UAbs. 1 EUV gebunden wären. P.  Craig scheint den Grundsatz insofern entgegen dem Wortlaut auf die verfahrensrechtlichen Vorgaben zu verengen und den Zuweisungsakt außer Acht zu lassen. 116 Vgl. A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 105. 117 EuGH, verb. Rs. 41/79, 121/79 und 796/79 (Vittorio Testa et al./Bundesanstalt für Arbeit), Slg. 1980, 1979 Rn. 21; Rs. C-331/88 (The Queen/Fedesa u. a.), Slg. 1990, I-4023 Rn. 13; vgl. auch GA Trabucchi, Schlussanträge zur Rs. 118/75 (Watson und Belman), Slg. 1976, S. 1185, 1208; s. die Übersicht bei S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, S. 63.

B. Verhältnismäßigkeit  

259

hängte Verbote bestimmter Finanztransaktionen generell oder im Einzelfall als verhältnismäßig erweisen.

I. Der Maßstab des EuGH Die Methodik der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den EuGH soll hier nicht eingehend dargestellt werden.118 Die Formulierung von Art.  5 Abs.  4 UAbs.  1 EUV, nach der Maßnahmen inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen dürfen, erweitert der Gerichtshof in einer kaum zu überblickenden Rechtsprechung auf eine Prüfung, die neben der Erforderlichkeit auch die Geeignetheit umfasst.119 Teils ausdrücklich, teils schlüssig tritt ferner das Kriterium der Angemessenheit hinzu.120 Auch bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit erkennt der EuGH einen weiten Ermessensspielraum des Unionsgesetzgebers an. Im Ergebnis läuft die gerichtliche Prüfung daher auf die Frage hinaus, ob eine Maßnahme „bei ihrem Erlaß nicht als offensichtlich ungeeignet zur Verwirklichung des angestrebten Zieles“ erscheint.121 Wie schon bei den „geeigneten Vorschriften“ im Zusammenhang mit der Vertragsabrundungsklausel deutlich wurde, sind kaum Agenturisierungen denkbar, die als offensichtlich ungeeignet zu bewerten wären.122 Irgendein Beitrag zur Zielverwirklichung dürfte selbst bei der Schaffung von Doppelstrukturen zu verzeichnen sein, wie die Debatte über die Grundrechteagentur zeigt.123 Genau wie bei der Subsidiaritätsprüfung steht überdies das Ziel der Maßnahme im Fokus – Prüfungsobjekt und Prüfungsmaßstab bedingen also auch hier einander.

118

Hierzu eingehend V. Trstenjak/E. Beysen, EuR 2012, S. 265, 269–274. Vgl. bspw. EuGH, verb. Rs. C-165/09 bis 167/09 (Stichting Natuur en Milieu u. a.), Slg. 2011, I-0000, Rn. 89; Rs. C-176/09 (Luxemburg/Parlament und Rat), Slg. 2011, I-0000, Rn.  61; Rs. C-221/09 (AJD Tuna), Slg.  2011, I-0000, Rn.  79; Rs. C-77/09 (Gowan Comércio), Slg. 2010, I-0000, Rn. 81; Rs. C-58/08 (Vodafone u. a.), Slg. 2010, I- 4999, Rn. 51; Rs. C-344/04 (IATA und ELFAA), Slg. 2006, I-403, Rn. 79; Rs. C-491/01 (British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco), Slg. 2002, I-11453, Rn. 122 (so auch mit weiteren Nachweisen angeführt bei V. Trstenjak/E. Beysen, EuR 2012, S. 265, 270 Fn. 20). 120 V. Trstenjak/E. Beysen, EuR 2012, S.  265, 270 m. w. N.; vgl. als Ausgangspunkt insb. EuGH, Rs. 265/87 (Schräder HS Kraftfutter), Slg. 1989, 2237, Rn. 21; zur impliziten Prüfung vgl. bspw. EuGH, Rs. C-176/09 (Luxemburg/Parlament und Rat), Slg. 2011, I-0000, Rn. 63, 68–71. 121 EuGH Rs. C-331/88 (The Queen/Fedesa u. a.), Slg. 1990, I-4023 Rn. 14; Rs. C-280/93 (Deutschland/Rat), Slg. 1994, I-4973 Rn. 94; kritisch hierzu GA Trstenjak, Schlussanträge vom 21.01.2010, Rs. C-365/08 (Agrana Zucker GmbH), Rn.  64–71; GA  Kokott, Schlussanträge vom 10.03.2009, Rs. C-558/07 (S. P. C. M. SA u. a.), Rn. 71–77; die Kritik zusammenfassend V. Trstenjak/E. Beysen, EuR 2012, S. 265, 273. 122 Ähnlich A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 107 („untergeordnete Bedeutung“). 123 Vgl. J. F. Lindner, BayVBl. 2008, S. 129–133. 119

260

3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

Mit seiner Rechtsprechung zur Glücksspielregulierung hat der EuGH das Kriterium der Geeignetheit für mitgliedstaatliche Maßnahmen allerdings dahingehend präzisiert, dass diese das geltend gemachte Ziel auch in kohärenter und systematischer Weise erreichen müssen.124 Ein Grund, diesen Maßstab nicht ebenso an unionale Handlungen anzulegen, ist nicht ersichtlich.125 Indes erscheint eine derartige Eingrenzung allein für normative Rechtsakte denkbar, da nur dort gegenläufige Wertungen des Gesetzgebers zum Ausdruck kommen können.126 Bei institutionellrechtlichen Maßnahmen könnten allenfalls offensichtliche Doppelzuständigkeiten als „inkohärent“ oder „unsystematisch“ bewertet werden. Echte Kompetenzkonflikte werden bei Befugnissen zu rechtserheblichem Handeln jedoch regelmäßig durch detaillierte Abgrenzungen und Kollisionsregelungen vermieden.

II. Erforderlichkeit und Angemessenheit – fehlende Operabilität jenseits von Subsidiaritätserwägungen Selbst wenn man den Dreierschritt aus Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit entgegen der judiziellen Praxis konsequent befolgt, lassen sich dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im vorliegenden Zusammenhang nur schwerlich Aussagen entnehmen. Für die Erforderlichkeit ergibt sich das schon aus einer großen Nähe zum Subsidiaritätsprinzip.127 Erforderlich ist eine Maßnahme dann, wenn sie unter mehreren für die Erreichung des verfolgten Ziels geeigneten Maßnahmen diejenige ist, die das betroffene Interesse oder das betroffene Rechtsgut am wenigsten belastet.128 Als „betroffenes Rechtsgut“ kommt hier nur die Autonomie der Mitgliedstaaten in Betracht, was im Hinblick auf die übrigen in Art. 5 EUV genannten Grundsätze auch der systematischen Stellung als Teil der Schrankentrias129 entspricht.130 Dann tritt jedoch wieder der Gehalt des Subsidiaritätsprinzips mit all seinen Anwendungsschwierigkeiten in den Vordergrund: Zwar liegt der Schwerpunkt bei der Erforderlichkeitsprüfung weniger auf der Frage, ob die 124

S. bspw. EuGH, C-156/13 (Digibet u. a.), NVwZ 2014, 1001, Rn. 26; verb. Rs. C-186/11 und C-209/11 (Stanleybet International Ltd u. a.), NVwZ 2013, 785, Rn.  27; Rs. C-28/09 (Kommission/Österreich), Slg. 2011, I-0000, Rn. 126, jeweils m. w. N. 125 V. Trstenjak/E. Beysen, EuR 2012, S. 265, 271. 126 Diesen Aspekt hat der Gerichtshof in Bezug auf mitgliedstaatliche Vorschriften betreffend das Glücksspiel wiederholt aufgegriffen, vgl. EuGH, Rs. C-156/13 (Digibet u. a.), NVwZ 2014, 1001 Rn. 26 ff. m. w. N. 127 S. dazu H.-P. Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrags, S. 170 f. 128 V. Trstenjak/E. Beysen, EuR 2012, S. 265, 271; vgl. die ebd. in Fn. 27 angegebene Rechtsprechung. 129 Der Begriff dürfte auf D. Merten zurückgehen, vgl. ders., Subsidiarität als Verfassungsprinzip, in: ders. (Hrsg.), Die Subsidiarität Europas, 2. Aufl., S. 77, 78. 130 Ch. Callies, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 47; apodiktisch A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 105.

B. Verhältnismäßigkeit  

261

Union tätig werden kann, als vielmehr darauf, inwieweit ihr ein Handeln gestattet ist. Diese scheinbare Verfeinerung kann aber schon deshalb keinen Mehrwert bieten, weil hinsichtlich beider Grundsätze auf die konkrete Maßnahme abgestellt wird. Der Unterschied besteht freilich darin, dass diese Maßnahme bei der Subsidiaritätsprüfung mit mitgliedstaatlichen Alternativmaßnahmen, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung dagegen mit unionalen Alternativmaßnahmen verglichen wird. Jedoch ist bereits im Rahmen der Subsidiarität darauf zu achten, dass die in Rede stehende Maßnahme hinsichtlich ihrer Breite und Tiefe nur dasjenige abdeckt, was nicht ausreichend auf mitgliedstaatlicher, sondern besser auf unionaler Ebene zu verwirklichen ist. Soll bspw. eine Agentur in einem bestimmten Regelungsbereich den mitgliedstaatlichen Vollzug vollständig ersetzen, so ist hinsichtlich der Subsidiarität keineswegs die Darlegung hinreichend, dass eine Agenturisierung in jenem Bereich ganz generell – d. h. eine Errichtung als solche – beiden Subsidiaritätskriterien standhält. Wie die vorstehenden Ausführungen belegen, sind vielmehr schon an dieser Stelle differenzierend die konkreten Befugnisse in den Blick zu nehmen. Schließlich verfolgen Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit als Komponenten einer vertikalen Gewaltenteilung dasselbe Ziel: den Schutz mitgliedstaatlicher Autonomie insoweit, wie sich aus einer supranationalen Lösung keine nennenswerten Vorzüge ergeben („Grundsatz der Subsidiarität im weiteren Sinne“131). Dabei operieren beide mit Vergleichen – Subsidiarität in vertikaler, Verhältnismäßigkeit (genauer: Erforderlichkeit) in horizontaler Hinsicht. Weil aber bereits bei der ersteren Vergleichsoperation eine differenzierte Betrachtung anzustellen ist, also einzelne Teile der Maßnahme „herausgebrochen“ werden können, erfolgt schon dort eine Reduktion der Maßnahme auf das minimalinvasive Maß.132 Auf diese Deckungsgleichheit deutet auch die Begründungspraxis des Unionsgesetzgebers hin: Dort, wo der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in den Erwägungsgründen von Agenturisierungen eine Erwähnung findet, werden seine Voraussetzungen im Anschluss an die (ebenfalls kursorische) subsidiaritätsbezogene Argumentation ohne Begründung oder pleonastisch bejaht.133 Einen Versuch, das Kriterium der Erforderlichkeit für eine Begrenzung von Agenturisierungen fruchtbar zu machen, unternimmt Hansen-Nootbaar. Dabei unterscheidet dies. zunächst die Frage, ob die Wahrnehmung einer Aufgabe auf Unionsebene überhaupt erforderlich ist, von der spezifischen Erforderlichkeit der Gründung einer Agentur.134 Hinsichtlich Letzterem gelte es zu überprüfen, ob das verfolgte Ziel nicht auch durch sonstige unionale Institutionen erreicht werden 131 So die Bezeichnung bei Ch.  Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 71 f. 132 Im Ansatz ähnlich H.-P.  Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrags, S. 170 f. 133 Vgl. jeweils Erwägungsgrund 66 der ESA-VOen; LeerverkaufsVO, Erwägungsgrund 45; VO (EG) Nr.  168/2007 des Rates vom 14.2.2007 zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, ABl. EU 2007 L 53/1, Erwägungsgrund 30. 134 A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 107.

262

3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

könne. Insoweit werden neben der Kommission, Exekutivagenturen sowie bestehenden (Regulierungs-)Agenturen jedoch auch Kooperationen nationaler Einrichtungen und Private genannt.135 Für eine solch breite Betrachtung spreche, dass mit zahlreichen bestehenden Agenturen Doppelstrukturen entstanden seien – etwa mit der Grundrechteagentur, der Drogenbeobachtungsstelle oder dem Berufsbildungszentrum.136 Schließlich werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach Art. 310 Abs. 5, 317 Abs. 1 AEUV ins Feld geführt.137 So berechtigt die in diesem Ansatz durchscheinende Kritik an vielen Stellen sein mag, so sehr fragt es sich, ob das Kriterium der Erforderlichkeit ihr Ventil sein kann. Denn tatsächlich werden verschiedene rechtliche wie politische Aspekte miteinander vermengt. So muss die Frage nach dem „Ob“ einer unionalen Aufgabenwahrnehmung schon bei den Grundsätzen begrenzter Einzelermächtigung und Subsidiarität verortet werden. Gleiches gilt für die vorgeschlagene Überprüfung einer Wahrnehmung durch nationale Behörden. Dort, wo die Notwendigkeit der Errichtung weiterer Stellen hinterfragt wird, klingt zudem die pauschale Annahme an, die Schaffung neuer Stellen bedeute im Verhältnis zu Aufgabenzuweisungen an bestehende Einrichtungen einen größeren Zuwachs an Bürokratie. Dem ist entgegenzuhalten, dass nicht weniger Bedenken über die Bündelung immer weiterer Befugnisse bei der Kommission angemeldet werden.138 Schon hinsichtlich der generellen Einschränkung des Formwahlermessens durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz finden sich in der Lehre Zweifel daran, Richtlinien im Vergleich zu Verordnungen pauschal als schonender zu bewerten.139 Dann aber muss eine generalisierende Einschränkung des „Institutionenwahlermessens“ auf umso stärkere Zweifel stoßen. Denn ein Unterschied ergibt sich durch die Zuweisung zur einen oder zur anderen Stelle allenfalls unter Gesichtspunkten des Rechtsschutzes oder der Legitimation sowie in positiver Hinsicht durch eine stärkere politische Unabhängigkeit. Der Verhältnismäßigkeitsbegriff wird hier vor allem deshalb überdehnt, weil sich die Zweckmäßigkeitserwägung, welche unionale Stelle sinnvollerweise tätig werden soll, gänzlich vom geschützten Rechtsgut, der Autonomie der Mitgliedstaaten, löst. Es ist nicht ersichtlich, dass es einen größeren Eingriff in die mitgliedstaatliche Autonomie begründet, wenn ein und dieselbe Befugnis nicht von der Kommission, sondern von einer Agentur ausgeübt wird. Nach den Darstellungen zur Beteiligung der Mitgliedstaaten an der internen Willens­bildung von Agenturen liegt sogar vielmehr das Gegenteil nahe. Auch die Nennung der 135

Ebd. Ebd., S. 108. 137 Ebd. 138 Vgl. die kritische, aber ambivalente Bewertung des Agenturmodells als „Segen für einen ausdifferenzierten, an Sachgegebenheiten orientierten Verwaltungsvollzug in Europa“ und als „Verhinderung einer noch monströseren Mammutbehörde“ bei M.  Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 195. Ebd. wird aber auch das Potenzial der Agenturisierung als „Krebsgeschwür“ und „organisationsrechtlicher Fluch“ heraufbeschworen. 139 Zum Streitstand vgl. V. Trstenjak/E. Beysen, EuR 2012, S. 265, 272; Ch. Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 54 f. 136

B. Verhältnismäßigkeit  

263

Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verdeutlicht, dass sich die angestellten Überlegungen eher auf Effizienz- denn auf Verhältnismäßigkeitsaspekte beziehen. Nicht minder inoperabel gestaltet sich als Maßstab institutionell-rechtlicher Maßnahmen das Kriterium der Angemessenheit. Ob „die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen“,140 erscheint dort, wo es nicht um die Beschränkung, sondern um die Zuordnung hoheitlicher Gewalt geht, als kaum passende Fragestellung. An dieser Stelle nun wertende Überlegungen abstrakter Natur anzustrengen, erschiene auch insofern problematisch, als der Union bereits nach den präziseren Grundsätzen der begrenzten Einzelermächtigung und der Subsidiarität eine Vollzugskompetenz zugesprochen wurde und es schon insoweit vielfach an handhabbaren Maßstäben fehlte. Wollte man für die institutionell-rechtliche Komponente von Befugnissen dennoch eine wie auch immer geartete Abwägung von Ziel und Belastung anstellen, dürfte das Ergebnis in der Regel positiv ausfallen. Für schwache Agenturen ergibt sich das bereits aus dem Mangel einer klar definierbaren Belastung. Bei starken Agenturen wird die Einheitlichkeit des Vollzugs dort, wo sie sich als Vorteil darstellt (also bei positiver Subsidiaritätsprüfung) die Abstriche bei der mitgliedstaatlichen Autonomie überwiegen.141

III. Abschließende Bewertung Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass jedenfalls die Schaffung schwacher Agenturen stets verhältnismäßig sein dürfte. Mag sich der eine oder andere Betrachter auch an einem politisch fragwürdigen „Wildwuchs“ stören, kann im Bereitstellen von Informationen und informeller Koordinierung tatsächlich doch schon kein Eingriff in die mitgliedstaatliche Autonomie gesehen werden.142 Ein anderes Bild mag sich für die im ersten Teil dargestellte faktische Akzeptanz von Agenturen als übergeordnete Stellen in einzelnen Verfahren ergeben.143 Wie die aufgeführten Beispiele gezeigt haben, werden derartige reale Gegebenheiten durch die Zuweisung von Befugnissen allerdings kaum antizipiert, da sie maßgeblich Defiziten innerstaatlicher Behörden und der Kommissionspraxis geschuldet sind. Ein Eingriff in die mitgliedstaatliche Autonomie lässt sich dagegen bei Befugnissen zu rechtsverbindlichen Entscheidungen sowohl gegenüber mitgliedstaatlichen Behörden wie Privatsubjekten feststellen. Dort ist jedoch auf die Ausführungen zur Subsidiarität zu verweisen: Die bestehenden Entscheidungsbefugnisse 140

EuGH, Rs. 265/87 (Schräder HS Kraftfutter), Slg. 1989, 2237, Rn. 21. Ähnlich A. C. Hansen-Nootbaar, Unabhängigkeit und Legitimation europäischer Agenturen, S. 109 f. 142 Ebd., S. 109. 143 S. o. 1. Teil F. 141

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

sind überwiegend als interventionsbasiert und damit im Hinblick auf die Zuständigkeit nationaler Behörden schonend ausgestaltet.144 Die Befugnisse der ESA, als ultima ratio nicht nur die nationalen Aufsichtsbehörden verbindlich zu adressieren, sondern Privatsubjekten selbst Ge- und Verbote aufzuerlegen, erscheinen mit Rücksicht auf die Schnelllebigkeit und Sensibilität der Finanzmärkte erforderlich und angemessen.145 So wäre etwa der Verweis auf ein Vertragsverletzungsverfahren angesichts erheblicher Einbußen bei der Reaktionsfähigkeit deutlich weniger effektiv.146 Aber auch dort, wo in einzelnen Bereichen von Zulassungen und Registrierungen  – und nunmehr ebenso im Bereich der Bankenabwicklung147  – eine weitgehende Ersetzung stattfindet, liegt in dieser zumeist der eigentliche Mehrwert der Zuweisung an eine Agentur.148 Unverhältnismäßig sind Zentralisierungen dagegen, wenn die Verdrängung mitgliedstaatlicher Behörden keine nennenswerten Vorzüge aufweist, sondern gewissermaßen als Selbstzweck erfolgt. Dann aber entspricht die Verdrängung schon nicht dem Subsidiaritätsprinzip.149 Solche Verletzungen sind schwer vorstellbar, legt man die beschriebene legislative Begründungs- und judizielle Kontrollpraxis zugrunde. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz leistet hinsichtlich der Errichtung und kompetenziellen Ausstattung von Agenturen folglich keine eigenständige Konturierung. Das bedeutet keineswegs, dass der Grundsatz für das Agenturmodell allgemein unbedeutend wäre: Bei der Ausübung ihrer Befugnisse sind Agenturen auf ein verhältnismäßiges Handeln beschränkt. Tertiäre Maßnahmen können in vielerlei Hinsicht materiell unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sein. Das ergibt sich für die zunehmenden Befugnisse zu rechtserheblichen Entscheidungen gegenüber Privaten nicht nur aus Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 EUV, sondern insbesondere auch aus dem grundrechtlich gespeisten Strang des Verhältnismäßigkeitsprinzips150. Hinsichtlich der Zuweisung von Befugnissen gebieten sowohl der Verhältnismäßigkeits- als auch der Subsidiaritätsgrundsatz im Verhältnis zur Kommission zudem die fachliche Spezialität der einzelnen Agenturen, worauf jedoch erst bei der Erörterung des institutionellen Gleichgewichts eingegangen werden soll.

144 So zur EBA eingehend T. O.  Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, S. 184. 145 So zu den Befugnissen der EBA ebd. 146 Ebd. 147 S. o. 1. Teil D. III. 3. c) bb). 148 Etwa im Falle der EASA, vgl. D. Riedel, Die Gemeinschaftszulassung für Luftfahrtgerät, S. 237 f. 149 Ähnlich das Abstellen auf das Tätigkeitsfeld bei Ch. Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 252. 150 So die Bezeichnung bei W. Frenz/Ch. Ehlenz, EuZW 2011, S. 623, 624.

C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs   

265

C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs zwischen Direktive, Sammelbegriff und Bestandsaufnahme Bei der vertikalen Begrenzung hoheitlicher Gewalt steht für die Union konzeptionell der Dreiklang des Art. 5 EUV im Vordergrund.151 Sowohl bei Normgebung wie -vollzug ist eine gewisse vertikale Korrektur zudem bereits über die föderative Ausgestaltung der Entscheidungsmechanismen gewährleistet. Das gilt im Speziellen auch für Agenturen: Hier wirken die Mitgliedstaaten durch den Rat an den Errichtungen und Befugniszuweisungen, bei den tertiären Entscheidungsfindungen der Agenturen selbst durch die mitgliedstaatlichen Vertreter in den Binnengremien sowie durch die externe Einbeziehung nationaler Behörden mit. In der Literatur stößt man überdies immer wieder auf ein allgemeines Postu­ lat vertikaler Beschränkung unionaler Verwaltungskompetenzen, das vielfach nur kursorisch und mit unterschiedlichen Gehaltszuschreibungen als „Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs“, „Verwaltungsautonomie der Mitgliedstaaten“152 oder als „Trennungsprinzip“153 betitelt wird. Gemeinsam scheint den Bezeichnungen der Rückgriff auf das ursprüngliche Konzept der Union als Rechtsgemeinschaft, die sich als Rechtsetzungsgemeinschaft154 in der Regel nur des Mittels der normativen Setzung bedient.155 Dass diese grobe Aufteilung von Gewalt durch die Ubiquität europäischer Agenturen eine Hinterfragung erfährt, bedarf nach den vorstehenden Untersuchungen keiner Betonung. So findet sich denn auch im Schrifttum die Warnung vor einem „Einstieg in einen organ-, insbesondere kommissionsexternen ‚Verwaltungsunterbau‘ [der Union]“ in Form verselbständigter Einrichtungen.156 Steht mithin eine mögliche Kompetenzsperre für die Schaffung von Agenturen im Raum, erscheint klärungsbedürftig, was genau sich nach Lissabon hinter jenem Postulat verbirgt, ob etwa eine eigenständige Vorgabe, ein Sammelbegriff 151

G. Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 5 EUV Rn. 1. S. F.  Becker, CML Rev 44 (2007), S.  1035, 1036 f.; W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 1768; E. Peuker, Bürokratie und Demokratie in Europa, S. 17; J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. CIV; differenzierend zum EGV Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374. 153 S. nur E.  Schmidt-Aßmann, in: Blankenagel et al. (Hrsg.), FS Häberle, S.  395, 397; J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. CII-CVI. 154 So die Bezeichnung bei Th. v. Danwitz, NJW 1993, S. 1108, 1112. 155 Vgl. K. F.  Gärditz, AöR 135 (2010), S.  251, 273; G.  Sydow, Die Verwaltung 2001, S. 517. 156 So P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 245; ähnlich D. Curtin, Challenging Executive Dominance in European Democracy, Amsterdam Centre for European Law and Governance Working Paper Series 2013–09, S. 8; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 324 f.; K. Michel, Institutionelles Gleich­ gewicht und EU-Agenturen, S.  109; C. U.  Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 134–138; vgl. auch A. Musa, CCPA 14 (2014), S. 317, 321. 152

266

3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

für die verschiedenen, bereits dargestellten Determinanten oder bloß eine wenig geglückte Beschreibung der faktisch noch immer vorherrschenden Rollenverteilung im Verwaltungsverbund einen Ausdruck finden soll.

I. Normative Anhaltspunkte Die Bezeichnung als „Vorrang“, „Autonomie“ oder „Prinzip“ legt die Behauptung einer eigenständigen Vorgabe nahe. So finden sich vor allem in der deutschsprachigen Literatur immer wieder Bedenken, denen zufolge sekundärrechtlich zugewiesene Verwaltungsbefugnisse und namentlich der Ausbau des Agenturwesens ungeachtet entsprechender Kompetenznormen gegen eine gleichsam übergeordnete Systementscheidung verstießen.157 Die fragliche Verwaltungsautonomie wurde vereinzelt sogar zum mitgliedstaatlichen „Grundrecht“ erhoben.158 Wollte man dessen Schutzbereich negativ bestimmen, werden als Eingriffe neben institutionellen Verselbständigungen in erster Linie die vom Urteil „Deutsche Milchkontor“159 ausgehenden, mittlerweile kaum zu überschauenden Vorgaben an die innerstaatliche Umsetzung kritisiert.160 Eine dezidierte Darlegung i. S. d. rechtswissenschaftlichen Prinzipienbegriffs, wie ihn vor allem Dworkin161 und Alexy162 geprägt haben, findet sich  – soweit ersichtlich  – dagegen nirgends. Ein solches Verständnis i. S. eines Optimierungsgebots163 bedürfte freilich der primärrecht 157

Allgemein E. Peuker, Bürokratie und Demokratie in Europa, S. 17; J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. CXII; explizit zu Agenturen s. etwa M. Brenner, in: Ipsen/ Stüer (Hrsg), FS Rengeling, S. 193 („eigentlich der mitgliedstaatlichen Sphäre zugewiesen“); M. Wittinger, EuR 2008, S.  609, 613, die anführt, der „Rechtsvollzug durch gemeinschaftseigene Einrichtungen“ sei nur ausnahmsweise zulässig, bei mehr als einer „punktuellen Durchbrechung der vorgesehenen administrativen Aufgabenverteilung“ durch „die Gründung immer neuer Agenturen unter Rückgriff auf die Spezialvorschriften“ werde daher „die Schwelle zur formlosen Vertragsänderung überschritten“; ähnlich auch schon R. Vetter, der im Anschluss an die Prüfung der jetzt in Art. 5 EUV genannten Anforderungen mahnt, durch den „zunehmenden Umfang von Agenturen“ dürfe nicht „das bisherige vertragliche System der grundsätzlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten […] ausgehebelt werden“, ders., DÖV 2005, S. 721, 722; s. auch C. Blumann, CDE 47 (2011), S. 23, 25 ff. 158 So die Bezeichnung bei R. Mehdi, L’autonomie institutionelle et procédural et le droit administratif, in: Auby/Dutheil de la Rochère (Hrsg.), Droit Administratif Européen, S. 685, 687; s. auch Th. v. Danwitz, DVBl. 1998, S. 421 ff., insb. S. 429 ff.; darstellend U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 527 f. 159 EuGH, verb. Rs. 205 bis 215/1982 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633, Rn. 15 ff. 160 S. die deutliche Kritik an den judiziellen Vorgaben bei J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. CVI; s. ferner die umfassende Darstellung bei U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 521–529. 161 R. Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 22 ff. 162 Die Gedanken Dworkins aufgreifend: R. Alexy, Zum Begriff des Rechtsprinzips, Rechtstheorie, Beiheft 1 (1979), S. 59–87; ders., Theorie der Grundrechte, S. 71–100. Die Begriffe „Rechtsprinzip“ und „Rechtsgrundsatz“ werden bei der Zuschreibung nach R. Alexy üblicherweise synonym verstanden, U. Penski, Rechtsgrundsätze und Rechtsregeln, JZ 1989, S. 105. 163 Der Begriff geht zurück auf R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75–77.

C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs   

267

lichen Begründung. Der Blick in die nächstgelegene Vorschrift gibt insoweit keine Auskunft: In dem für die Kompetenzverteilung zentralen Prinzipiendreiklang des Art. 5 EUV wird ein „Trennungsprinzip“ nicht genannt. 1. Art. 291 AEUV Tatsächlich steht der vorstehend bereits als Rechtsgrundlage diskutierte Art. 291 AEUV im Fokus der Literatur164  – eine Norm, deren Auslegung in Anbetracht einer diffusen Systematik der Verträge in Bezug auf Handlungsformen und Verwaltungsakteure deutlich schwerer fällt, als es ein erster Blick vermuten lässt.165 a) „Durchführung“ als Handlungsform mit begrenztem Trägerkreis Nach Art. 291 Abs. 1 AEUV ergreifen die Mitgliedstaaten „alle zur Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union erforderlichen Maßnahmen nach innerstaatlichem Recht“. Daraus ist für die Kompetenzverteilung zunächst einmal nur zu entnehmen, dass den Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht überhaupt eine Rolle zukommt, die hier ebenso wie in Art. 197 Abs. 1 AEUV (effektive Durchführung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten als Frage von gemeinsamem Interesse) durch eine Ausprägung der allgemeinen Loyalitätspflicht nach Art. 4 Abs. 3 EUV näher umschrieben wird.166 Eine Kompetenzabgrenzung findet sich sodann aber in Art.  291 Abs.  2 AEUV, der Durchführungsrechtsakte durch Kommission und Rat tatbestandlich an das Bedürfnis nach einheitlichen Bedingungen knüpft. Zudem sieht Art.  291 Abs.  3 AEUV für die Durchführungsrechtsakte eine sekundärrechtliche Konkretisierung mitgliedstaatlicher Kontrollrechte vor, der mit der VO (EU) Nr.  182/2011 (KomitologieVO)167 entsprochen wurde.168 An dieser Stelle scheint im Vergleich zu den Kontrollmechanismen für

164 E. Peuker sieht in der Vorschrift eine explizite Normierung der „Verfahrens- bzw. Organisationsautonomie der Mitgliedstaaten“, s. ders., Bürokratie und Demokratie in Europa, S. 17; ähnlich Ch.  Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 29. 165 Besonders anschaulich zeigt das die eingehende Untersuchung durch U.  Stelkens, EuR 2012, S. 511–545. 166 Vgl. M. Kotzur, in: Geiger/Kahn/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 291 Rn. 1; Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 23. 167 VO (EU) Nr.  182/2011des EP und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. EU 2011 L 55/13. 168 Durch die legislative Festlegung der Kontrollrechte wird die Rolle des Europäischen Parlaments einerseits gestärkt, da es zuvor gem. Art. 202, 3. Spstr. lediglich eine Stellungnahme über Grundsätze und Regeln abgeben konnte. Andererseits ist die Neuerung insofern enger gefasst, als sich die Grundsätze nur noch auf die Kontrolle, nicht mehr dagegen allgemein auf die

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

delegierte Rechtsakte eine grundsätzliche Verwaltungszuständigkeit der Mitgliedstaaten betont zu werden, da jene gem. Art. 290 Abs. 2 AEUV von Europäischem Parlament und Rat ausgeübt werden.169 Art. 291 AEUV geht für sich genommen somit vom Leitbild einer isoliert-einzelstaatlichen Durchführung aus, in die die Kommission nur in Ausnahmefällen steuernd eingreift.170 Dieser Gehalt wird insbesondere mit Blick auf die alte Rechtslage deutlich: Gem. Art. 202, 3. Spstr. i. V. m. Art. 211, 4. Spstr. EGV konnte der Rat der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur Durchführung übertragen und bestimmte Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnisse festlegen. In „spezifischen Fällen“ konnte es sich der Rat gem. Art.  202, 3.  Spstr. S.  2 EGV außerdem vorbehalten, die Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben. Das beschränkt nun Art. 291 Abs. 2 AEUV durch die Voraussetzung des Bedürfnisses nach einheitlichen Bedingungen, dessen Ermittlung sich am Subsidiaritätsprinzip orientieren soll.171 Dabei ist nach Ansicht der Literatur eine umso strengere Betrachtung anzustellen, je näher sich der Durchführungsrechtsakt an einer Einzelfallregelung bewegt.172 Auch bei Art.  291 Abs.  1 AEUV handelt es sich um ein Novum des Lissabonner Vertrages, was ein Verständnis als wertende Klarstellung nahelegt.173 Nicht zuletzt in diesem historischen Kontext ist Art. 291

Durchführungsbefugnisse beziehen dürfen, M. Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/ AEUV, 5. Aufl., Art. 291 AEUV Rn. 4. Zum Ganzen s. auch M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art.  291 AEUV, Rn.  2, 6. Auf der Grundlage der Norm erging die VO (EU) Nr. 182/2011 des EP und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. EU 2011 L  55/13, die in ihren Grundzügen, insbesondere der Beibehaltung des Ausschusssystems, dem bisherigen System der Komitologie nach dem Ratsbeschluss 1999/468/EG ähnelt, J. Schoo, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 291 Rn. 6. 169 J. Schoo, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 291 Rn. 5. 170 A. Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 32 f.; Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S.  324 (dort Fn.  987); K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  116 („vertraglich vorgesehener Vollzugsföderalismus“); vgl. M.  Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art.  291 AEUV Rn.  1 f.; Funktional handeln die innerstaatlichen Behörden dabei als Teil der Unionsverwaltung, vgl. S. Cassese, Der Einfluss des gemeinschaftsrechtlichen Verwaltungsrechts auf die nationalen Verwaltungsrechtssysteme, Der Staat 1994, S. 25, 26; vgl. E. Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 17 f. 171 M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art.  291 Rn.  6; ebenso A.  Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 30 m. w. N. 172 A. Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 30 m. w. N. 173 S. K. F.  Gärditz, Die Verwaltungsdimension des Lissabon-Vertrags, DÖV 2010, S.  453, 461 f., für den diese „neue Zentralbestimmung“ gleichwohl „keine konkreten institutionellen Anforderungen an verbundförmige Verwaltungsverfahren [formuliert].“, ebd., S. 462.

C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs   

269

AEUV also die grundsätzliche Durchführungszuständigkeit der Mitgliedstaaten gegenüber Kommission und Rat zu entnehmen.174 Art.  291 Abs.  2 bis 4 AEUV hat explizit aber auch nicht mehr als eben jene Durchführung mittels eben jener Organe zum Gegenstand – Aussagen zu „Durchführungsrechtsakten“ von „Einrichtungen und sonstigen Stellen“ finden sich nicht. Schon insofern erschiene es bedenklich, eine generelle Regel-Ausnahme-Wertung anzunehmen.175 Der Wortlaut lässt jedenfalls keine direkte Erstreckung auf Agenturen zu. Nicht weniger problematisch sind gleichwohl die beiden in Betracht kommenden Umkehrschlüsse aus Art. 291 AEUV: So ließe sich aus der Nennung nur von Kommission und Rat einerseits folgern, sekundärrechtliche Zuweisungen von Durchführungsbefugnissen seien im Übrigen, d. h. insbesondere auf Agenturen, generell unzulässig.176 Als bedeutsam gestaltet sich an dieser Stelle die Frage, ob man jene Befugnisse mit der wohl (noch) überwiegenden Meinung177 zumindest auch als Befugnisse zu rechtsverbindlichen Einzelfallentscheidungen begreift. Tut man dies, ergäbe sich aus einem solchen Umkehrschluss nämlich ein Widerspruch zu Art. 263 Abs. 1 und 5 AEUV, wo entsprechende Zuweisungen an Agenturen als zulässig vorausgesetzt werden.178 In Art. 291 Abs. 1 AEUV wäre dann eine mitgliedstaatliche Reserve normiert worden, die in der systematischen Gesamtschau nicht aufrechterhalten wurde und die zum Zeitpunkt der Reformvertragsverhandlungen faktisch bereits in vielfacher Weise aufgegeben worden war.179 So stellt auch Ruffert zu Recht fest, dass „die vollständige [Rück- – Anm. d. Verf.] Verlagerung von Verwaltung und Verwaltungsrecht in der EU […] aufgrund der bereits fest etablierten Verbundstrukturen und ihrer Vorteile kaum möglich“ sein dürfte,

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Vgl. GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn.  83; M. Geller­ mann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 291 Rn. 1; J. Schoo, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 291 Rn. 2; auf das Subsidiaritätsprinzip abstellend: M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 291 Rn. 2; vgl. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 92, 116. 175 So aber wohl Ch. Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 29. 176 So das Vorbringen des Vereinigten Königreichs im Verfahren zu Art. 28 LeerverkaufsVO, s. EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 69; ebenfalls angesprochen bei U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 516 f. 177 So etwa GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 80 f.; A. Gla­ ser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 32 f., 320; für weitere Nachweise s. U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 513–520. 178 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 79 f.; U. Stelkens, EuR 2012, S.  511, 517; ähnlich M.  Chamon, CML Rev 48 (2011), S.  1055, 1074; GA Jääskinen, der Durchführungsrechtsakte auch als Einzelfallentscheidungen begreift, leitet hieraus die Möglichkeit des Erlasses solcher Rechtsakte auch durch Agenturen ab, ders., Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 87. 179 So auch die Argumentation des EP im Verfahren um Art. 28 LeerverkaufsVO, s. EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 71.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

was in der Anerkennung der Durchführung als eine Frage von gemeinsamem Interesse durch Art. 197 Abs. 1 AEUV einen Ausdruck gefunden habe.180 Die gegenteilige, maßgeblich durch Stelkens181 erarbeitete Lesart, in Art.  291 AEUV eine Regelung allein von Rechtsetzungs-, d. h. Normkonkretisierungsbefugnissen zu sehen, ergibt aus Gründen der Kohärenz vertraglicher Wertungen mithin durchaus Sinn, zumal eine entsprechende Anwendung der in Abs.  3 vorgesehenen Kontrollmechanismen auch auf konkret-individuelle Maßnahmen durch diese Interpretation keineswegs ausgeschlossen würde.182 Diesem Verständnis scheint sich der EuGH nunmehr angeschlossen zu haben, wenn er in seiner Entscheidung zur Gebührenfestlegung durch die Kommission betreffend die Zulassung von Biozidprodukten durch die ECHA ausführt: „Überträgt der Gesetzgeber der Kommission dagegen eine Durchführungsbefugnis auf der Grundlage von Art. 291 Abs. 2 AEUV, hat diese den Inhalt dieses Gesetzgebungsakts zu präzisieren, um seine Umsetzung unter einheitlichen Bedingungen in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen.“183 Der Durchführungsbegriff des Vertrags von Lissabon wäre demnach jedenfalls hinsichtlich dieser Norm ein anderer als jener des EGV, von dem der EuGH Einzelfallentscheidungen als umfasst ansah.184 Zu betonen ist, dass dieses Verständnis eher eine Ausweitung denn eine Eingrenzung von Entscheidungsbefugnissen impliziert, da Zuweisungen im vorstehend beschriebenen Umfang der Einzelermächtigungen so wohl frei von weiteren Bedingungen erfolgen könnten.185 Unklar bleibt zudem das Verhältnis zur Gestattung von „Rechtsakten mit allgemeiner Geltung“ durch „Einrichtungen und sonstige Stellen“ in Art. 277 AEUV. Dementsprechend ließe sich aus Art.  291 AEUV zum Zweiten  e contrario schließen, Durchführungsrechtsakte durch Agenturen seien gerade unabhängig von Erfordernissen nach einheitlichen Bedingungen zulässig. Das wiederum erschiene unbefriedigend, weil dann an eine Durchführungsmethode geringere An 180 M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4.  Aufl., Art.  291 Rn.  6. Nach K. F. Gärditz stellt die Vorschrift dagegen nur „Selbstverständlichkeiten“ fest, „die inhaltlich, sollte Absatz 1 überhaupt einen Regelungsgehalt haben, jedenfalls nicht über das hinausgehen, was die schon immer auf praktische Wirksamkeit ausgerichteten Pflichten zur  […] Unionstreue  […] verbindlich vorgeben.“, ders., Die Verwaltungsdimension des Lissabon-Vertrages, DÖV 2010, 453, 462 f. Ein Zurückdrehen des Rades speziell der Agenturisierung hält W. Kilb für „illusorisch“ und plädiert für eine Begrenzung des Modells pro futuro nach den Grundsätzen der Subsidiarität und Effizienz der Verwaltung, ders., EuZW 2006, S. 268, 273. 181 U. Stelkens, EuR 2012, S. 511–545. 182 Ebd., S. 517, 532 f. m. w. N. 183 Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 18.3.2014, Rs. C-427/12 (Biozidprodukte), Rn. 39, noch nicht in der amtl. Slg. veröffentlicht; s. auch die Bekräftigung in Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 16.7.2015, Rs. C-88/14 (Kommission/EP und Rat), Rn. 30. 184 Vgl. EuGH, Rs. C-16/88 (Kommission/Rat), Slg.  1989, 3457, Rn.  9 ff.; Rs. C-122/04 (Kommission/Rat), Slg. 2006, I-2001, Rn. 41; Rs. C-443/05 P (Common Market Fertilizers), Slg. 2007, I-7209, Rn. 115; vgl. hierzu Ch. Möllers, EuR 2002, S. 483, 484 ff. 185 Vgl. U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 517, 532 f.

C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs   

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forderungen gestellt würden, für die im Hinblick auf ihre demokratische Legitimation und die Besonderheiten betreffend den Rechtsschutz (Art. 263 Abs. 5 AEUV) ein restriktiverer Rahmen näherliegt.186 Schließlich müsste in der Konsequenz auch eine (analoge) Übertragung des zumindest im Ansatz definierten Kontrollmechanismus gem. Art. 291 Abs. 3 AEUV abgelehnt werden. Auch hat mit dem Vertrag von Lissabon das Argument an Boden verloren, die Verträge wiesen der Kommission gerade keinen starren Katalog von Befugnissen zu und beließen dem Rat daher ein „Organisationsermessen“, das Zuweisungen an Agenturen umfasse.187 Denn anders als noch nach Art. 155, 4. Spstr. EGV bestimmt nach Art. 291 Abs. 2 AEUV nicht allein der Rat über die Übertragung der Durchführungsbefugnisse. Diese werden gem. Art.  291 Abs.  2 AEUV vielmehr mit den zu vollziehenden Rechtsakten übertragen, wodurch auch das Europäische Parlament eingebunden wird. Folglich überträgt kein Organ aus eigener Machtvollkommenheit, sondern die Funktionseinheit „Unionsgesetzgeber“. Diesem ein Organisations­ermessen zuzuerkennen, liefe auf eine abzulehnende allgemeine Organisationskompetenz hinaus. Richtig erscheint es daher, Art. 291 AEUV in Bezug auf Agenturen jedenfalls insoweit keinen direkten Aussagegehalt beizumessen, als Befugnisse von Agenturen nicht ausdrücklich auf diese Vorschrift Bezug nehmen (wie es etwa Art. 15 der ESA-VOen für die technischen Durchführungsstandards tut).188 Sofern man auch Einzelfallmaßnahmen hierunter fasst, sind Durchführungsrechtsakte also formal, d. h. unabhängig von der Frage ihrer Rechtswirkung, als spezifisch auf die Durchführung durch Kommission und Rat zugeschnitten zu begreifen.189 Sinn und Zweck von Art. 291 AEUV ergeben sich damit vor allem aus der Abgrenzung zu Art. 290 AEUV. Dafür spricht auch der Umstand, dass sich in den Materialien zum VVE zwar Hinweise auf Forderungen nach der Normierung einer allgemeinen 186 Ähnlich zu diesem Wertungswiderspruch Ch. Ohler, JZ 2014, S. 249, 251; M. Skowron, EuZW 2014, S. 349, 353. 187 So mit Einschränkungen M.  Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, S. 315; zustimmend D. Fischer-Appelt, Agenturen der Europäischen Gemeinschaft, S.  83. In diese Richtung gehen auch die Ausführungen von P.  Strohmaier, Die Befugnisse von Rat und Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Einsetzung von Ausschüssen, S.  195–197. Sie können schon deshalb nicht überzeugen, weil ders. ebd. die Zulässigkeit von Zuweisungen an Agenturen mit der Annahme begründet, es bestehe, was richtig ist, nach Art. 155, 4. Spstr. EGV a. F. (Art. 211, 4. Spstr. EGV) keine Pflicht zur Übertragung von Durchführungsbefugnissen für den Rat (nach Art. 291 Abs. 2 AEUV: für Rat und EP). Hieraus kann aber gerade nicht gefolgert werden, der Rat verfüge über ein Reservoir an Exekutivbefugnissen, über das er frei verfügen könne. Eine solche Betrachtung ließe den Regelfall des mitgliedstaatlichen Vollzugs außer Acht. 188 Vgl. die Position des Rats im Verfahren um Art. 28 LeerverkaufsVO, EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 73; vgl. ferner P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 64, 86. 189 Ähnlich K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 115 f. Im Hinblick auf die mitgliedstaatlichen Kontrollrechte missverständlich ist die Darstellung ebd., die Vorschrift habe ausschließlich das „Interorganverhältnis“ zum Gegenstand.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

mitgliedstaatlichen Verwaltungsautonomie durch einzelne Konventsmitglieder finden.190 Deren Spuren führen aber weder zum einschlägigen Art.  I-37 VVE, geschweige denn zu Art. 291 AEUV.191 Eine solche Betrachtung lässt die Möglichkeit unberührt, sämtliches Verwaltungshandeln – sei es durch Mitgliedstaaten, Organe oder sonstige Einrichtungen – unter den Begriff der Durchführung zu fassen192.193 Der Anwendungsbereich wird entsprechend nicht an der materialen Handlungsform, sondern an ihren Trägern in Bezug auf das sie insoweit unterwerfende Kontrollregime festgemacht.194 Das bedeutet nach den vorstehenden Überlegungen freilich nicht, dass für die Verwaltung durch Agenturen nicht sogar schärfere Anforderungen zu stellen wären. Auf diese Anforderungen ist die Vorschrift vielmehr ersichtlich nicht zugeschnitten, sodass Anleihen an dieser Stelle wenig zielführend erscheinen.195 Art. 291 AEUV ist damit kein „europäischer Art. 83 GG“, aus dem sich ein allgemeines Trennungsprinzip entnehmen ließe.196 In diese Richtung gehen auch die schriftlichen Erklärungen der Organe im Verfahren um Art.  28 LeerverkaufsVO. So führt das Europäische Parlament an, den Durchführungsbefugnissen entsprechende Kompetenzen von Agenturen seien schon seit langem „stets in Abweichung von allgemeinen Grundsätzen für die Durchführung im Vertrag erfolgt“197. Für den Rat haben die Befugnisse nach Art.  28 LeerverkaufsVO (wenig überzeugend)  sogar „eine völlig andere Natur“ als Rechtsakte nach Art.  290 f. AEUV.198 Eine im Ergebnis entsprechende Sicht hat auch der EuGH seiner Entscheidung zugrunde gelegt.199 Die Begründung erscheint dort jedoch stark ergebnisorientiert, wenn der Gerichtshof ausführt, die mit Art. 28 LeerverkaufsVO übertragenen Befugnisse entsprächen keinem der in 190 S. V.  Götz, in: Schwarze (Hrsg.), Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, S. 56 f.; U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 531 f. 191 Ebd., S.  513–531 f.; weniger deutlich dagegen im Hinblick auf Art.  I-36 Abs.  1  VVE V. Götz, in: Schwarze (Hrsg.), Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, S. 57. 192 So A. Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 33, der ebd. den Anwendungsbereich der Durchführungsrechtsakte auf „sämtliches Verwaltungshandeln der Eigenverwaltung der Union“ erstreckt sieht, dabei aber weniger auf die Rechtsformträger denn auf die Rechtsformen abstellt. Die Maßnahmen von Agenturen finden ebd. keine Erwähnung. 193 Dass der Begriff „Durchführung“ eben kein „Schlüsselbegriff zum Verständnis des Art. 291 AEUV“ ist, wird deutlich bei U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 512 f. 194 Ähnlich K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 115 f. 195 Im Ergebnis ebenso ebd.; ähnlich U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 516 f. 196 Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 24; U. Stel­ kens, EuR 2012, S. 511, 518, (u. a.) 543; so zum gesamten Primärrecht auch Ch. Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 28; vgl. auch G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 28–30. 197 So indirekt zitiert bei GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 87; ähnlich auch schon zum EGV C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 106–109. 198 EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 73. 199 Ebd., Rn. 83–86.

C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs   

273

Art. 290 und 291 AEUV genannten Fälle, sondern seien vielmehr i. V. m. dem Gesamtrahmen des neuen Regulierungsrahmens für die Finanzmärkte auszulegen.200 Der EuGH bemüht mit dem „umfangreichen Fachwissen“ von innerstaatlichen Behörden und ESMA201 auch hier die Topoi von Expertise und Verbundlösung, um das Instrument „Agentur“ als eine Verwaltungsform eigener Art darzustellen, die primärrechtlichen Kategorien weitgehend entzogen sei. Ungeachtet dessen werden entsprechende Agenturbefugnisse wohl auch vom EuGH als Durchführungsbefugnisse bezeichnet.202 b) Mehrwert einer analogen Anwendung auf Agenturen Hinsichtlich einer denkbaren analogen Anwendung erscheint unabhängig von den vorstehenden Überlegungen ein spezifischer Gehalt von Art. 291 AEUV jenseits der Kontrollrechte nach Abs.  3 und der Bezeichnungspflicht nach Abs.  4 schon für Kommission und Rat zweifelhaft: Soll sich der Bedarf nach einheitlichen Bedingungen am Subsidiaritätsgrundsatz bemessen, so handelt es sich mangels eigener Maßstäbe um eine bloße Bekräftigung jenes Grundsatzes, die in keiner Weise über dessen aufgezeigte Unschärfen hinweghilft.203 Insbesondere ergibt sich im Hinblick auf die argumentativen Unwägbarkeiten für Subsidiaritätsverletzungen kein Unterschied, da den Organen auch hier durch die Hoheit über den zu prüfenden Rechtsakt ein Präjudiz zukommt. So hat der EuGH mittlerweile wiederholt ein Ermessen des Unionsgesetzgebers betont, „wenn [dieser] entscheidet, der Kommission eine delegierte Befugnis nach Art. 290 Abs. 1 AEUV oder eine Durchführungsbefugnis nach Art. 291 Abs. 2 AEUV zu übertragen“204. Dieses Ermessen müsse „unter Beachtung der in den Art. 290 AEUV und 291 AEUV geregelten Voraussetzungen ausgeübt werden“205. Zwar betreffen die Entscheidungen vorrangig die Abgrenzung beider Normen. Die Ausführungen des Gerichtshofs sind jedoch allgemein gehalten und dürften sich daher auch auf die Voraussetzungen der jeweiligen Vorschrift beziehen. Deutlich wird das vor allem in der 200

Ebd.; kritisch zu dieser Begründung auch N. Kohtamäki, EuR 2014, S. 321, 330. EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349, Rn. 82, 85; ähnlich bereits GA­ Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 87. 202 So auch M.  Ruffert, The many faces of rule-making in the EU, in: Fahey (Hrsg.), The Actors of Postnational Rule-Making, 3.3.2.3; vgl. EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 78 – die Formulierung „derartiger Befugnisse“ könnte aber auch i. S. v. „entsprechender Befugnisse“ zu verstehen sein; deutlich dagegen die Bezeichnung als Durchführungsbefugnisse bei GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 86–88. 203 Vgl. M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 291 Rn. 2, 6. 204 Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 16.7.2015, Rs. C-88/14 (Kommission/EP und Rat), Rn. 28, noch nicht in der amtl. Slg. veröffentlicht; so auch schon Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 18.3.2014, Rs. C-427/12 (Biozidprodukte), Rn. 40, noch nicht in der amtl. Slg. veröffentlicht. 205 Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 16.7.2015, Rs. C-88/14 (Kommission/EP und Rat), Rn. 28, noch nicht in der amtl. Slg. veröffentlicht. 201

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

Biozidprodukt-Entscheidung, wenn der Gerichtshof ausführt: „Daher beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf die Frage, ob der Gesetzgeber zu Recht davon ausgehen konnte, dass zum einen der rechtliche Rahmen, den er hinsichtlich der Gebührenregelung […] aufgestellt hat, zu seiner Umsetzung lediglich einer Präzisierung bedarf, ohne dass er in nicht wesentlichen Teilen zu ändern oder zu ergänzen wäre, und dass zum anderen die Bestimmungen  […] über die Gebührenregelung einheitlicher Bedingungen für ihre Durchführung bedürfen.“206 Dort erstreckt sich die Evidenzprüfung ausdrücklich auch auf die Voraussetzung des Bedürfnisses nach einheitlichen Bedingungen („…und dass zum anderen…“), also auf eine Voraussetzung nur von Art. 291 Abs. 2 AEUV, die jenseits der Abgrenzung von Art. 290 AEUV erheblich wird. Dass sich das Agenturmodell mit Blick auf Art. 291 AEUV in der Tat als Hintertür zum direkten Vollzug ansehen lässt, dürfte angesichts der fehlenden Operabilität des Maßstabs „Bedürfnis nach einheitlichen Bedingungen“ im Ergebnis keinen Unterschied machen. Für eine umfassende analoge Anwendung von Art.  291 Abs. 2 AEUV auf Agenturen ist daher bereits die Regelungslücke abzulehnen. Hinsichtlich der in Art.  291 Abs.  3 AEUV vorgesehenen mitgliedstaatlichen Kontrollrechte erscheint eine entsprechende Anwendung auf Agenturen dagegen geboten. Dafür spricht schon die Wertung, die dem Verhältnis der in Art.  290 Abs. 2 und Art. 291 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Kontrollregime zugrunde liegt: Welches Verhältnis von „Durchführung“ zu Einzelfallmaßnahmen man auch für richtig erachtet, wo genau etwa die Trennlinie zu den delegierten Rechtsakten zu ziehen sein mag: Nicht bestreiten lässt sich, dass Durchführungsrechtsakte im Vergleich zu den delegierten Rechtsakten dem Pol „Normvollzug“ näher stehen als dem Pol „Normsetzung“. Dann aber lässt sich argumentieren, den Mitgliedstaaten müssten bei Einzelfallentscheidungen, wie sie Agenturen zum Teil treffen, erst Recht jene Kontrollbefugnisse zustehen, wie sie mit der VO (EU) Nr. 182/2011 gem. Art. 291 Abs. 3 AEUV für die Durchführungsrechtsakte konkretisiert wurden. Zwar sind bislang sämtliche Agenturen in unterschiedlichem Maße über ihre Binnenstruktur der mitgliedstaatlichen Willensbildung unterworfen. Die VO (EU) Nr. 182/2011 geht mit dem für das Prüfverfahren vorgesehenen Verweis auf die qualifizierte Mehrheit nach Art. 16 Abs. 4, 5 EUV jedoch über eine bloß personelle Einbindung hinaus.207 Gleichwohl ist eine entsprechende einheitliche Konkretisierung von Kontrollinstrumenten für Agenturen andersartig auszugestalten, um den gewachsenen Verwaltungsstrukturen eigener Art Rechnung zu tragen.208 Das gilt insbesondere im Hinblick auf die dezidierte funktionale Unabhängigkeit von Agenturen. Das rechtlich nicht verbindliche Gemeinsame Konzept des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 19.7.2012 zu den de 206 Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 18.3.2014, Rs. C-427/12 (Biozidprodukte), Rn. 40, noch nicht in der amtl. Slg. veröffentlicht. 207 Vgl. Art. 5 Abs. 1 a. a. O. 208 Eine Kontrolle von Agenturen nach der VO (EU) Nr. 182/2011 als „weder sinnvoll noch möglich“ bewertend U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 516 f.

C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs   

275

zentralen Agenturen, das sich eher mit Fragen der Struktur und (insbesondere fiskalischen) Rechenschaftspflichten beschäftigt,209 ist hier nur als ein erster Schritt in die richtige Richtung anzusehen. Eine entsprechende Anwendung von Art. 291 Abs. 3 AEUV als Grundlage verpflichtender Mindeststandards könnte nicht zuletzt das grundsätzliche Unbehagen über das Agenturmodell einhegen. Auf diese Überlegung wird bei der Diskussion einer Vertragsreform zurückzukommen sein. 2. Art. 197 AEUV Einen eher bestandswahrenden Aspekt der „Verwaltungsautonomie“ wollen manche Stimmen Art.  197 AEUV entnehmen.210 Denn nachdem die „effektive Durchführung des Unionsrechts“ in Art. 197 Abs. 1 AEUV als „Frage von gemeinsamem Interesse“ beschrieben wird, stellt Art. 197 Abs. 2 S. 3 AEUV für Maß­ nahmen der Union zur Unterstützung der mitgliedstaatlichen Durchführung klar, dass die Mitgliedstaaten „diese Unterstützung nicht in Anspruch nehmen [müssen]“. Insbesondere erfolgt in Satz 4 ein „Ausschluss jeglicher Harmonisierungen“ für die zur Unterstützung erforderlichen Vorschriften. Selbst wenn man Agenturisierungen, dem Verständnis des EuGH folgend, auch als Harmonisierungsmaßnahmen begreifen wollte, enthält die Vorschrift keine allgemeine Wertentscheidung. Dies ergibt sich bereits aus ihrer inneren Systematik: Die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme bezieht sich ebenso wie der Harmonisierungsausschluss allein auf Maßnahmen, die auf der Grundlage von Art. 197 Abs. 2 AEUV ergehen (etwa Maßnahmen zur Fortbildung mitgliedstaatlichen Verwaltungspersonals).211 Das ordnet Art. 197 Abs. 3 AEUV deutlich an.212 Eine gegenteilige Interpretation würde nicht zuletzt einen so beiläufigen wie tiefgreifenden Rückschritt hinter den bereits erreichten Besitzstand – insbesondere im Bereich der Verfahrensregelungen (genannt sei nur der Zollkodex oder die UVP-Richtlinie) – bedeuten, für den keinerlei Motive ersichtlich sind.213

209 Vgl. dort insb. II. („Struktur und Verwaltung der Agentur“) sowie V. („Verantwortlichkeit, Kontrollen und Transparenz sowie Beziehungen zu den interessierten Kreisen“). 210 So wohl A. Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 197 AEUV Rn. 5; Ch.  Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S.  29; R. Schütze, CML Rev 47 (2010), S. 1385, 1407 f. 211 C. D. Classen, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, 57.  EL (August 2015), Art.  197 AEUV Rn.  82; U.  Stelkens, EuR 2012, S.  511, 534; wohl ebenso M.  Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5.  Aufl., Art.  197 AEUV Rn. 4 ff., insb. Rn. 7. 212 U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 534; so auch apodiktisch Th. Oppermann/C.-D. Classen/ M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 24. 213 U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 531, 534.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

3. Rechtsprechung Ein umfassendes Trennungsprinzip lässt sich auch nicht der Rechtsprechung des EuGH entnehmen. Zwar ist an manchen Stellen durchaus von einem Teilaspekt die Rede, wenn der Gerichtshof etwa in seiner Arcor-Entscheidung ausführt, „dass nach ständiger Rechtsprechung mangels einer einschlägigen Gemeinschafts­ regelung die Verfahrensmodalitäten […] nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats sind“214. Dort ist aber eben nur von einer Verfahrens-, nicht dagegen von einer allgemeinen Verwaltungsautonomie die Rede. Geht es damit vornehmlich um Vorgaben an die innerstaatliche Umsetzung von Unionsrecht  – also um klassische Fallgruppen des Effektivitätsprinzips215 –, kann dem keine Aussage über Kompetenzen zum direkten Vollzug entnommen werden.216 Auch andere im Zusammenhang mit dem „Trennungsprinzip“ diskutierte Judikate, etwa die Entscheidungen in den Rechtssachen Ciola217 sowie Kühne & Heitz218,219 behandeln den Ausgleich mitgliedstaatlicher Verwaltungsvorschriften (bspw. die Bestandskraft von Verwaltungsakten) mit dem unionsrechtlichen Interesse an Konformität. Die vorgelagerte Frage nach der Vollzugszuständigkeit stellt sich dort nicht. Überdies wird von den Vertretern jenes Prinzips insoweit gerade der Hang des Gerichtshofs zur Billigung von „Eingriffen“ auf Grundlage des effet utile kritisiert.220 Insgesamt ist zu beobachten, dass selbst ausführliche Auseinandersetzungen mit dem fraglichen Prinzip an dieser Vermengung leiden: Ohne die freilich oft verworrenen Konstellationen zu trennen, wird der (vermeintlich verschwindend geringe)  Bestand supranationaler Kompetenzen zur direkten Implementierung mit den unionalen, insbesondere richterlichen Vorgaben an den indirekten Vollzug bei – dies ist entscheidend – Vorliegen einer mitgliedstaatlichen Verwaltungskompetenz in Bezug gesetzt.221 Kompetenzen zum direkten Vollzug mögen innerhalb 214 EuGH, Rs. C-392 und 422/04 (Deutschland und Arcor), Slg. 2006, I-8559, Rn.  57; s. ferner Rs. C-128/09 (Boxus u. a.), NVwZ 2011, 1506, Rn.  52; Rs. C-78/98 (Preston u. a.), Slg. 2000, I-3201, Rn.  31 sowie Rs. C-201/02 (Wells), Slg. 2004, I-723, Rn.  67; vgl. auch EuGH, Rs. C-41/11 (Inter Environment Wallonie ASBL u. a.), NVwZ 2012, 553, Rn. 42. 215 Diese Prinzipien werden im genannten Urteil a. a. O. auch ausdrücklich erwähnt. 216 Ähnlich bzgl. Art. 291 AEUV U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 528 f.; vgl. W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 1768, der diese verfahrensmäßige Autonomie als „Pendant“ zum Grundsatz der Verwaltungsautonomie versteht. 217 EuGH, Rs. C-224/97 (Erich Ciola/Land Vorarlberg), Slg. 1999, I-2517, Rn. 21–34, vgl. insb. die Berufung der österreichischen Regierung auf eine „Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten“ in Rn. 24. 218 EuGH, Rs. C-453/00 (Kühne & Heitz/Produktschap voor Pluimvee en Eieren), Slg. 2004, I-837. 219 Im Zusammenhang mit einer Verwaltungsautonomie der Mitgliedstaaten diskutiert bei F. Becker, CML Rev 44 (2007), S. 1035, 1038 ff. 220 Statt vieler ebd. 221 So zu beobachten bei ebd., S.  1035–1056; Th.  v.  Danwitz, DVBl. 1998, S.  421–432, insb. 431.

C. Der Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs   

277

des jeweiligen Bereichs a fortiori ein Indiz für die Zulässigkeit von Vorgaben an den indirekten Vollzug sein.222 Wie dagegen mögliche Reservate im Rahmen der innerstaatlichen Umsetzung vertragliche Ermächtigungen der Union schmälern sollen („kommunizierende Röhren“223), ist nicht nachvollziehbar. Der Schwerpunkt der meisten Untersuchungen liegt zwar auf der Durchführung von Unionsrecht in mitgliedstaatlicher Regie; wo aber mit der vertraglichen Kompetenzauf­teilung argumentiert wird, erstarkt die „autonomie institutionnelle et procédurale“224 zu einem scheinbar allgemeinen Prinzip,225 was dessen Übertragung auf die ganz andere Gemengelage der Eigenverwaltung durch einige Autoren erklärt. 4. Ergebnis Ein das gesamte europäische Verwaltungsrecht umfassendes und normativ eigenständiges Trennungsprinzip lässt sich weder Art. 291 AEUV noch sonstigen Vorgaben der Verträge entnehmen.

II. „Trennungsprinzip“ als Beschreibung der kompetenziellen Gesamtschau Nur am Rande und zur Einordnung der bisherigen Ergebnisse sei darauf eingegangen, dass der Begriff „Trennungsprinzip“ vielerorts eine eher deskriptive Verwendung findet. Zwei Bezugspunkte sind insoweit denkbar: einerseits die Beschreibung der kompetenziellen Gesamtschau der Verträge,226 andererseits die Beschreibung des bisherigen Gebrauchs vertraglicher Verwaltungskompetenzen. Beide Ansätze sind für den Vertrag von Lissabon von keinem großen Wert. Schon bei der Untersuchung der speziellen Rechtsgrundlagen wurde dargelegt, dass den Verträgen eine strenge Unterscheidung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung bzw. zwischen Rechtsnorm und Einzelfallentscheidung grundsätzlich fremd ist. Mit dem tiefgreifenden Umbruch in der Auslegung der bis dato als „Sachkompetenzen“ verstandenen speziellen Rechtsgrundlagen durch das Urteil 222 Dabei ist jedoch die Wertung des Art. 2 Abs. 2 S. 2 AEUV zu beachten, nach der die Union die geteilten Zuständigkeiten zunächst an sich ziehen muss. 223 Vgl. Th. v. Danwitz, DVBl. 1998, S. 431. 224 So die gängige und bessere Bezeichnung im Französischen (vgl. nur J. Verhoeven, Droit de la Communauté européenne, 2. Aufl., S. 386 ff.), die sich teils auch im deutschen Schrifttum findet, vgl. Ch. Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. 225 Vgl. F. Becker, CML Rev 44 (2007), S. 1035, 1036 f.; Th. v. Danwitz, DVBl. 1998, S. 431. 226 So die Verwendung bei E. Peuker, Bürokratie und Demokratie in Europa, S.  7–9; J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., S. CIII („Von den Feldern unmittelbarer Gemeinschaftsverwaltung wie dem Wettbewerbsrecht abgesehen…“); vgl. auch A. Hatje, EuR 1998, Beiheft 1, S. 7, 8 (dort Fn. 9); Ch. Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 28.

278

3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

zur Produktsicherheitsrichtlinie wurden die exekutiven Kompetenzen mit den legislativen Kompetenzen in weiten Teilen zur Deckung gebracht: Wo zu „Maßnahmen“ oder „Vorschriften“ ermächtigt wird, besteht nach diesem Ansatz nunmehr grundsätzlich auch eine Verwaltungskompetenz. Von nur „punktuellen Verwaltungsbefugnissen“227 der Union kann also keine Rede mehr sein,228 sofern die bereits durch Art. 5 EUV verengten Rechtsetzungskompetenzen den Maßstab bilden. Mit Blick auf die Gängigkeit der Rechtsfolgen „Maßnahmen“ und „Vorschriften“ ließe sich in Kontrast zum deutschen Staatsrecht sogar ein „Einheitsprinzip“ ausmachen. Bei Art. 291 AEUV hat sich zudem gezeigt, dass die ausdrückliche Zuordnung von Verwaltungsaufgaben eine Zuordnung zu Organen, nicht zur supranationalen Ebene insgesamt ist. Das Primärrecht ist in Vorschriften, die für den Verwaltungsverbund als zentral zu bezeichnen sind, also „agenturblind“.229 Gebraucht man den Begriff des Trennungsprinzips dagegen i. S. eines Modellprinzips für die gegenwärtige (auch sekundärrechtliche) Verteilung von Verwaltungsbefugnissen230, lässt sich der Status quo des europäischen Verwaltungsverbundes im Wege einer systematisierenden Näherung nur noch unter beträchtlichen Kompromissen beschreiben. Die umstrittene Einordnung des Agenturmodells in die Dichotomie „direkter/indirekter Vollzug“ hat diesen Befund bereits veran­ schaulicht. Als heuristisches Modellprinzip behält das „Trennungsprinzip“ gleichwohl insofern eine Berechtigung, als sich der europäische Verwaltungsverbund nur vom beschriebenen, arbeitsteiligen Ursprung her erfassen lässt und diese Arbeitsteilung bei allen Durchbrechungen und Mischformen de facto zahlenmäßig noch immer überwiegt.231 227 So A. Hatje, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 323, 326; ähnlich D. Curtin, Executive Power of the European Union, S. 66; J. Ph. Terhechte, in: Hatje/MüllerGraff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 7 Rn. 51; vgl. auch G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 34. 228 Ähnlich Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 24; vgl. U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 522 f. 229 Ähnlich GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn.  75; s. auch EuGH, Rs. C-270/12 (Leerverkäufe), EuZW 2014, 349 Rn. 73, 79; M. Chamon, CML Rev 48 (2011), S. 1055, 1074; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 232; M. Scholten/M. van Rijsbergen, German Law Journal 15 (2014), S. 1223, 1250 f.; U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 517; vgl. zum EGV Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374. 230 So die Verwendung bei M. Eekhoff, Die Verbundaufsicht, S. 9, die ebd. jedoch selbst auf Abstriche eingeht. Schon in der allgemeinen Methodenlehre ist eine teilweise synonyme Verwendung der Begriffe „Modellprinzip“ und „Aufbau-“ bzw. „Strukturprinzip“ missverständlich, wenn auch Letzteren eine deskriptive Funktion zugeschrieben wird (so bei O. Muthorst, Grundlagen der Rechtswissenschaft, Methode – Begriff – System, § 5 Rn. 37). Denn jedenfalls der Begriff des Verfassungsstrukturprinzips wird in der Rechtswissenschaft allgemein normativ verstanden (s. nur Ch. B. Fulda, Demokratie und pacta sunt servanda, S. 87; R. A. Lorz, Interorganaspekt im Verfassungsrecht, S. 558). 231 Vgl. A. Hatje, Die gemeinschaftsrechtliche Steuerung der Wirtschaftsverwaltung, S. 45 ff.; Ch. Krönke, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 29 f.; Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 23; vgl. G. Sydow,

D. Institutionelles Gleichgewicht  

279

III. Ergebnis Ein die Institutionen übergreifendes Trennungsprinzip kennen die Verträge nur insoweit, als die Prinzipien begrenzter Einzelermächtigungen und Subsidiarität ihrer Natur nach bereits eine Vermutung zugunsten des indirekten Vollzugs enthalten.232 Für diese Vorgaben hat die Untersuchung wiederum ergeben, dass eine quantitative und jenseits verbliebener Minimalschranken (Meroni, institutionelles Gleichgewicht) auch eine zahlenmäßige Begrenzung des Agenturwesens innerhalb der sach- und zielbezogenen Zuständigkeiten der Union de iure kaum möglich ist. Die Paradigmenwechsel, „Sachkompetenzen“ und die Binnenmarktklausel auch als Verwaltungskompetenzen auszulegen, hat damit ohne großen Paukenschlag das Ende einer grundlegenden Maxime in der Gewaltenteilung zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten eingeleitet.233 Zwar liegen die tatsächlichen Verwaltungsbefugnisse ungeachtet der beschriebenen Erscheinungen von Eigenvollzug, Kooperation und unionalen Anforderungen an die innerstaatliche Durchführung noch immer überwiegend bei den Mitgliedstaaten, woran sich auch künftig nichts ändern dürfte.234 Dieser Phänotyp sollte jedoch nicht über das primärrechtliche Potenzial für weitere sekundärrechtliche Verlagerungen hinwegtäuschen.

D. Institutionelles Gleichgewicht Die Untersuchung hat gezeigt, dass sich auch die vertikale Dimension des Agenturwesens nur vollständig erfassen lässt, wenn man die vielgestaltigen Funktionen von Agenturen in das horizontale Institutionengefüge der Verträge einordnet. So ist die gerichtliche wie die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den europäischen Agenturen denn auch maßgeblich vom Schlagwort des institutionellen Gleichgewichts geprägt. Viele der bereits untersuchten Aspekte lassen sich hier verorten – etwa die Abgrenzung von Art. 352 AEUV zur Vertragsänderung oder die Heranziehung von Art. 114 AEUV zur mittelbaren Rechtsangleichung, mit der ein Ausschluss der Organe von unmittelbaren Angleichungsmaßnahmen verbunden war.235 Dass das institutionelle Gleichgewicht bei nahezu jeder der facettenreichen Fragestellungen anklingt, ist auch auf die enge historische WechselbezieDie Verwaltung 2001, S. 517, 542; J. P. Terhechte, in: ders. (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 1 Rn. 20. 232 Ähnlich bereits M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art.  291 Rn. 2, 6; U. Stelkens, EuR 2012, S. 511, 535 f.; G. Sydow, Die Verwaltung 2001, S. 517, 530 f. 233 Ähnlich („in einer fast schon durch Nonchalance gekennzeichneten Weise“) allgemein zur „Pluralisierung und Externalisierung von bei der Kommission angesiedelten Verwaltungsaufgaben hin auf eine bunte Schar rechtlich verselbständigter Verwaltungseinheiten“ schon M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 194. 234 M. Kotzur, Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts: Organe und Zuständigkeiten, in: Tsatsos (Hrsg.), Die Unionsgrundordnung – Handbuch zur Europäischen Verfassung, S. 422. 235 So auch J. Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S. 451, insb. S. 487 f.

280

3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

hung der Formel mit den unabhängigen Einrichtungen der Union zurückzuführen. Sie nimmt ihren Ursprung in der Meroni-Rechtsprechung und dem dort postulierten „Gleichgewicht der Gewalten“ als Reaktion auf die Ausgründungsbemühungen der Hohen Behörde.236 Wiederum hat die Kommission in der Folge über lange Zeit rote Linien bei der Zuweisung weitreichender Befugnisse an Agenturen akzeptiert. So, wie die Regulierungsagenturen vieles von den Brüsseler Organen der Meroni-Urteile unterscheidet, hat indes auch jene Begrenzung eine nicht nur begriffliche Evolution237 erfahren.238 Der EuGH bemühte den in der Folge als „institutionelles Gleichgewicht“ bezeichneten Topos immer wieder auch für das Verhältnis der Organe untereinander.239 Der Streit um die normative Qualität des Gleichgewichts ist dennoch nach wie vor in weiten Teilen deckungsgleich mit der Frage, inwieweit die Meroni-Rechtsprechung auf Agenturen zu übertragen ist und Ermessensbefugnisse zulässt.240 Schon aus diesem Grund soll das institutionelle Gleichgewicht hier weder eine tiefgreifende Herleitung noch eine abschließende Ausdifferenzierung erfahren. Als einigermaßen konsentierter Ausgangspunkt dient die Beobachtung, nach der für die Union anstelle eines funktional weitgehend getrennten Organsystems i. S. Montesquieus241 ein Gefüge von Institutionen besteht, deren namentlich legislativen und exekutiven Aufgaben sich stärker als in nationalstaatlichen Systemen überlappen und ergänzen.242 Eben darin dürfte der Grund für den terminologischen Wechsel bestehen, mit dem der EuGH von „den Gewalten“ als Bild gleichsam hermetisch getrennter Branchen von Staatlichkeit Abstand genommen hat.243 Da das institutionelle Gleichgewicht also nicht mit klassischen Konzepten von Gewaltenteilung gleichgesetzt werden kann,244 soll es im Folgenden vor allem als heuristi-

236

Vgl. M. Brenner, in: Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 202. K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  74; s. insb. EuGH, Rs. C-25/70 (Köster), Slg. 1970, S. 1161, Rn. 4; Rs. C-40/10 (Kommission/Rat), Slg. 2010, I-12043, Rn. 78; vgl. auch Rs. 138/79 (Roquette Frères), Slg. 1980, S. 3333 Rn. 19. 238 Vgl. J.-P. Jacqué, CML Rev 41 (2004), S. 383, 387–391. 239 Vgl. etwa EuGH, Rs. 139/79 (Maizena/Rat), Slg. 1980, 3393, 3424, Rn. 34; Rs. C-70/88 (Tschernobyl), Slg. 1990, I-2041, Rn. 21; vgl. P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 248. 240 Vgl. M. Chamon, CML Rev 48 (2011), S. 1055, 1058; W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 466; J. Kühling, EuZW 2008, S. 129; M. Ruffert, in: Müller-Graff/Schmahl/Skouris (Hrsg.), FS Scheuing, S. 399, 403 f.; G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, S. 67. 241 Vgl. Montesquieu, Vom Geist der Gesetze (1748), 2. Buch, 6. Kapitel: Über Gewaltenteilung (Über die Verfassung Englands), zitiert nach K. Weigand. 242 Vgl. nur M. Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, S. 173; J.-P. Jacqué, CML Rev 41 (2004), S. 383; G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 4. 243 Ähnlich E.  Lenski, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, 6. Aufl., Art.  13 Rn.  13; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 74. 244 M. Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, S. 172–179. 237

D. Institutionelles Gleichgewicht  

281

scher Begriff für den horizontal-institutionellen Aussagegehalt einzelner Vertragsnormen und allgemeiner Strukturprinzipien dienen.245 Für Agenturen ist das institutionelle Gleichgewicht nicht zuletzt bei der internen Ausgestaltung bzw. den verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Ausübung ihrer Befugnisse anzubringen. Dort stehen Aufsicht, Kontrolle und Steuerung durch die Organe im Fokus. Für die vorliegend interessierenden institutionellrechtlichen Kompetenzen im engeren Sinne sind unter das institutionelle Gleichgewicht zunächst aber vor allem die Fragen zu fassen, ob auch auf horizontaler Ebene ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zulasten von Agenturen besteht und inwiefern Agenturen an Aufgaben mitwirken können, die primärrechtlich bereits anderen Stellen zugewiesen sind.

I. Erlass- und Entwicklungsmonopol der Kommission nach Art. 290 f. AEUV Als zentrale Vorgaben für das Tertiärrecht treten erneut Art.  290 f. AEUV in Erscheinung. Bereits bei der Darstellung der Leerverkaufsentscheidung stellte sich die Frage, inwieweit Agenturen an delegierten Rechtsakten und an Durchführungsrechtsakten mitwirken können. Die Befugnis, „Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes zu erlassen“ kann nach Art. 290 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV nur der Kommission übertragen werden; Durchführungsbefugnisse üben nach Art. 291 Abs. 2 AEUV nur die Kommission sowie in Sonderfällen der Rat aus. Zu klären bleibt, inwieweit Agenturen am Erlass jener Rechtsakte mitwirken können, ohne in die Rechte der genannten Organe einzugreifen. Im Folgenden ist der sprachlichen Einfachheit halber nur von der Kommission die Rede. Für den Rat gelten die Erwägungen entsprechend. Übereinstimmend mit der anlässlich des „Trennungsprinzips“ dargestellten Andersartigkeit von Agenturhandlungen und Durchführungsrechtsakten i. S. d. Art. 291 AEUV scheint Konsens über ein Erlassmonopol der Kommission zu bestehen: Jedenfalls dort, wo ihr entsprechende Befugnisse zugewiesen wurden, muss der Kommission am Ende des Erarbeitungsverfahrens die Letztentscheidung über den Erlass zukommen.246 Agenturen können also selbst keine delegier-

245 So auch die Verwendung bei R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 560 ff.; ähnlich auch bei P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 313 („Verbot der Störung der durch die Verträge [sic] angelegten Kompetenzverteilungsstruktur [sic]“); a. A. Ch. Callies, der dem Prinzip Gewaltenteilungsfunktion zuspricht, es aber gleichsam als „nicht voll ausgereifte[s], jedoch tendenziell gewaltenteilig-demokratisch orientierte[s] Organisationsprinzip“ beschreibt, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 13 Rn. 15 f. 246 So zu Art. 290 AEUV E. Gurlit, ZHR 2013, S. 862, 874; K. Michel, DÖV 2011, S. 728, 732; dies., Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  229; zu Art.  290 f. AEUV

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

ten Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte erlassen. Wiederholend ist zu betonen, dass diese Lesart mit Blick auf die vertragliche Wertung für außenwirksame Entscheidungen von Agenturen (bspw. in Art. 263 AEUV) nur überzeugt, wenn man nicht jedwede rechtsverbindliche Entscheidung als „Durchführung“ versteht, sondern jedenfalls Durchführungsrechtsakte vielmehr im beschriebenen Sinne formal definiert. Unterschiedlich bewertet wird dagegen die Zulässigkeit einer Mitwirkung von Agenturen bei der Erarbeitung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten. Dem geht die Erkenntnis voraus, dass ein Ausschluss nicht absolut sein kann: Durch Agenturen bereitgestellte Informationen werden der Kommission regelmäßig – einem Hauptzweck von Agenturen entsprechend – als Entscheidungsgrundlage für den Erlass auch von Tertiärrecht dienen.247 Problematisch wird diese Arbeitsteilung, wenn sie formalisiert erfolgt. So verhält es sich bei den technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards der ESA, die erstmals ausdrücklich auf Art. 290 f. AEUV Bezug nehmen und gegenüber der Kommission eine interinstitutionelle Rechtswirkung entfalten.248 Mit einem Entwicklungsmonopol der Kommission, also der Freiheit, autonom über den Verlauf des Verfahrens zur Vorbereitung der Rechtsakte zu bestimmen,249 wäre das nicht zu vereinbaren. Da jene Befugnisse der ESA bislang einzigartig sind, soll die Problematik im Folgenden teils auf sie heruntergebrochen werden. 1. Art. 290 AEUV Teile des Schrifttums erkennen ein Entwicklungsmonopol für Art. 290 AEUV an.250 Auch die Kommission selbst geht in ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat zur Umsetzung von Art.  290 AEUV von einem solchen Monopol aus.251 Der Wortlaut des ersten Absatzes stützt diese Auslegung jedoch P. Schammo, CML Rev 48 (2011), S. 1879, 1885; E. Wymeersch, ZGR 2011, S. 443, 465; vgl. N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 180; allgemeiner H. Siekmann, IMFS Working Paper Series 40/2010, S. 80. 247 Entsprechend zum Komitologiesystem F.  Schmidt, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 290 AEUV Rn. 39. 248 Vgl. die Darstellung o. 1. Teil D. III. 3. d), 2. Teil B. II. 4. 249 So die Definition bei K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 230, mit Verweis auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zur Umsetzung von Art. 290 AEUV vom 9.12.2009, KOM (2009) 673 endg., S. 6 f. 250 C. Fabricius, Der Technische Regulierungsstandard für Finanzdienstleistungen – Eine kritische Würdigung unter besonderer Berücksichtigung des Art. 290 AEUV, S. 23, 57, 63; insofern Zweifel an der Ausgestaltung der EBA anmeldend N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 180. 251 S. KOM (2009) 673 endg., S. 6 f. Hierzu steht freilich in Widerspruch, dass die Kommission das Verfahren über die technischen Regulierungsstandards der ESA selbst vorgeschlagen hat, s. bspw. den Vorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Bankaufsichtsbehörde vom 23.9.2009, KOM (2009) 501 endg., S. 5.

D. Institutionelles Gleichgewicht  

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nicht: Danach wird der Kommission lediglich die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte „zu erlassen“, nicht dagegen, sie auch „zu entwickeln“.252 Zum selben Ergebnis führt ein Abgleich mit der englischen („to adopt“) und der französischen Sprachfassung („d’adopter“).253 Ein weniger deutliches Bild ergibt die Möglichkeit der Vorbehalte und Kontrollen von Parlament und Rat im zweiten Absatz, dessen Auslegung einer kurzen Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte der Norm bedarf. Art.  290 AEUV reformiert nach dem Vorbild des Art.  I-36 VVE die exekutive Rechtsetzung.254 Grundlage für den Erlass von Tertiärrecht durch die Kommission bilden nicht mehr Komitologiebeschlüsse des Rates (Art.  202, 3.  SpStr., Art.  211, 4. SpStr. EGV), sondern Übertragungen in den jeweiligen Gesetzgebungsakten.255 Die Diskussion über diese Neufassung wurde denn auch maßgeblich im Schlaglicht des Komitologiesystems geführt,256 das der EuGH in der Rechtssache Köster für grundsätzlich mit der „institutionellen Struktur der Gemeinschaft“ vereinbar erklärt hatte.257 Vor diesem Hintergrund ist in der Unterscheidung zwischen supranational-organschaftlicher Kontrolle in Art. 290 Abs. 2 AEUV und mitgliedstaatlicher Kontrolle in Art. 291 Abs. 3 AEUV eine bewusste Abkehr vom Komitologiesystem für die neu eingeführten delegierten Rechtsakte zu sehen.258 Wie sich diese Entscheidung zur Beteiligung von Agenturen verhält, bleibt unklar. Möchte man ihr entsprechende Aussagen entnehmen, scheint sie jedoch eher gegen eine formalisierte Einbindung zu sprechen. Mit Blick auf ihre Rechtspersönlichkeit können Agenturen zwar nicht mit den Expertenausschüssen des Komitologiewesens gleichsetzt werden.259 Allerdings weisen sie eine gewisse Nähe zu jenen Ausschüssen auf, da sie in Abgrenzung zu einem ausschließlich durch die Kommission beherrschten Verfahren über die Besetzung ihrer Binnengremien ebenfalls Vertreter der Mitgliedstaaten an ihren Entscheidungen beteiligen. Einen solchen Einfluss gewährleisten gewiss auch Mitspracherechte des Rates nach Art. 290 Abs. 2 AEUV. Mit der Formulierung „wobei folgende Möglichkeiten bestehen:“ stellt Art.  290 Abs.  2 S.  1 AEUV jedoch klar, dass die nachfolgenden Ausgestaltungen der Kontrolle durch ein Widerrufs- oder fristgebundenes Einspruchsrecht von

252

K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 230. Ebd. 254 M. Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 290 AEUV Rn. 1. 255 Ebd. 256 K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 231. 257 Vgl. EuGH, Rs. 25/70 (Köster), Slg. 1970, 1161, Rn. 9 f. 258 J. Bast, CML Rev 2012, S. 885, 918; M. Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/ AEUV, 5. Aufl., Art. 290 AEUV Rn. 7; F. Schmidt, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 290 AEUV Rn. 39; vgl. auch J.-C. Piris, Les ar­ticles 290 et 291 du TFUE: Les compétences „délégués“ ou „conférées“ à la Commission par le législateur européen. Les actes délégués et les actes d’exécution, in: Koeck, Heribert Franz/Karollus, Margit Maria (Hrsg.): Proceedings of FIDE XXIII Congress Linz 2008, S. 247–251. 259 Vgl. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 231. 253

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

Europäischem Parlament und Rat abschließend sind.260 Gerade die ausdrückliche Nennung fakultativer Vorbehalte dieser Organe in Art. 290 Abs. 2 UAbs. 1 lit. b AEUV macht deutlich, dass der Erlass delegierter Rechtsakte im Übrigen nicht vom Willen dritter Stellen abhängen darf. Der Einwand, bei der Formulierung des Absatzes sei nicht an Agenturen gedacht worden,261 kann nicht belegt werden. Nach Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Systematik begründet Art.  290 Abs.  2 AEUV demnach ein Entwicklungsmonopol der Kommission.262 Dass im Falle der ESA die Kommission selbst die Befugnisse der Agenturen zur Erarbeitung technischer Regulierungsstandards vorgeschlagen hat, ist schon bei Zugrundelegung der Minimalaussage des institutionellen Gleichgewichts  – der Unveräußerlichkeit vertraglich zugewiesener Befugnisse –263 ebenso unbeachtlich wie das vertraute Argument des Expertise-Bedarfs angesichts hoher technischer Komplexität der Regelungsmaterie.264 Die Reichweite des Entwicklungsmonopols muss allerdings auf einen schützenswerten Bereich beschränkt bleiben. Dieser kann – wie schon in Bezug auf informatorische Tätigkeiten festgestellt wurde – nicht jedweden Einfluss von Agenturen umfassen, der sich potenziell auf delegierte Rechtsakte auswirkt. Unberührt bleibt insbesondere die Möglichkeit der freiwilligen Berücksichtigung von Expertenmeinungen durch die Kommission, wie sie etwa im Bereich der Finanzmarktaufsicht mit dem Lamfalussy-Verfahren praktiziert wurde.265 Zu einer Konkretisierung des Entwicklungsmonopols verhilft ein Blick auf das Erlassmonopol, das richtigerweise als ein materiell-rechtliches Monopol verstanden wird. Danach liegt die Verantwortung für den normativen Gehalt des delegierten Rechtsakts bei der Kommission.266 Das Entwicklungsmonopol muss dann als Ergänzung dergestalt 260

GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 85; M. Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 290 AEUV Rn. 7; wohl auch F. Schmidt, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 290 AEUV Rn.  39. („Daher ist die Kommission autonom in der Festlegung der einzelnen Verfahrensschritte.“) 261 So K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 231. 262 C.  Fabricius, Der Technische Regulierungsstandard für Finanzdienstleistungen  – Eine kritische Würdigung unter besonderer Berücksichtigung des Art. 290 AEUV, S. 23; wohl auch G. Sydow, JZ 2012, S. 157, 162; vgl. N. Kohtamäki, Die Reform der Bankenaufsicht in der Europäischen Union, S. 180; a. A. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 230. 263 Vgl. nur P.  Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 314 f.; C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 126; R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 560. Ders. lehnt das institutionelle Gleichgewicht ebd. als selbständiges Prinzip ab. 264 So die unterfütternde Argumentation bei K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 231 f. 265 M. Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 290 AEUV Rn. 7; wohl auch F.  Schmidt, in: v.  d.  Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 290 AEUV Rn. 40. 266 K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 232.

D. Institutionelles Gleichgewicht  

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hinzutreten, dass sekundärrechtliche Befugnisse dritter Stellen keine Entscheidungsvoraussetzungen sein dürfen. Nicht zu beanstanden sind dagegen sekundärrechtliche Verpflichtungen der Kommission, die zwar im weiteren Zusammenhang mit der delegierten Rechtsetzung stehen, die Kommission aber nicht in ihrer eigenständigen Erarbeitung binden. Hierzu zählt die Pflicht der Kommission nach Art. 10 Abs. 1 UAbs. 4, Abs. 3 UAbs. 3 der ESA-VOen, Entwürfe für technische Regulierungsstandards umgehend an das Parlament weiterzuleiten.267 Gleiches gilt an und für sich auch für die Vorgabe, in einer bestimmten Frist über die Entwürfe der ESA zu befinden (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 5 S. 1 der ESA-VOen). Diese Vorgabe ist jedoch bereits Teil einer Regelkette, nach der die Kommission einen delegierten Rechtsakt grundsätzlich nur erlassen („einen technischen Regulierungsstandard  […] mittels eines delegierten Rechtsakts annehmen“) kann, wenn ihr von der Agentur ein Entwurf vorgelegt wurde (Art. 10 Abs. 3 UAbs. 1 der ESA-VOen), von dem sie überdies nur in engen Grenzen abweichen darf (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 5 S. 2 der ESA-VOen). Diese Ausgestaltung verletzt sowohl das Entwicklungs- als auch das Erlassmonopol, da die Kommission weder allein über den letztlichen Regelungsinhalt entscheidet, noch unabhängig über das vorausgehende Verfahren bestimmt.268 Ein Beispiel für eine Verletzung nur des Entwicklungsmonopols wäre demgegenüber eine Regelung, nach der die Kommission gleichfalls zunächst den Entwurf einer Agentur oder einer sonstigen Stelle i. S. einer bloßen Konsultationspflicht anfragen müsste, sodann – ggf. nach Durchführung weiterer Vermittlungsversuche – aber frei über Änderungen bestimmen könnte. 2. Art. 291 AEUV Für die Durchführungsrechtsakte wird ein Entwicklungsmonopol der Kommission zum Teil  mit dem Widerspruch verneint, dass Agenturen zwar nicht in Art. 291 AEUV genannt werden, qualitativ jedoch gleichwertige Befugnisse selbständig ausüben können. A fortiori müsse es möglich sein, sie an entsprechenden Maßnahmen der Kommission formalisiert zu beteiligen.269 Nach dieser Argumentation wäre an sich bereits das Erlassmonopol der Kommission zu verneinen. 267 Im Ergebnis auch C. Fabricius, Der Technische Regulierungsstandard für Finanzdienstleistungen – Eine kritische Würdigung unter besonderer Berücksichtigung des Art. 290 AEUV, S. 63 f.; nur auf ein Erlassmonopol abstellend ebenso K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 233. 268 C.  Fabricius, Der Technische Regulierungsstandard für Finanzdienstleistungen  – Eine kritische Würdigung unter besonderer Berücksichtigung des Art.  290 AEUV, S.  67 ff.; vgl. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 233; sämtliche Regelungen als vertragskonform begreifend dagegen noch dies., DÖV 2011, S. 728; 732; H. Siekmann, IMFS Working Paper Series 40/2010, S. 80 f., 88. 269 So K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 236; in diese Richtung auch schon zum EGV C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 130.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

Zu betonen ist, dass die ESA-VOen für die technischen Durchführungsstandards keine materielle Einschränkung der Kommission vorsehen.270 Der Erst-recht-Schluss erschiene jedoch nur dann zulässig, wenn Agenturmaßnahmen im Verhältnis zu Durchführungsrechtsakten nach Art.  291 AEUV nicht nur hinsichtlich ihrer Rechtswirkung, sondern im umfassenden Sinne gleichwertig wären. Dem ist – wie in Bezug auf den föderativen Gehalt der Vorschrift bereits dargestellt – nicht zu folgen. Durchführungsrechtsakte sind im Gegensatz bspw. zu den Handlungsformen nach Art. 288 AEUV oder Verwaltungsakten nach deutschem Recht gerade nicht allein durch ihre Wirkung zu bestimmen, sondern an das Erfordernis einheitlicher Bedingungen geknüpft und mitgliedstaatlichen Kontrollrechten (Art. 291 Abs. 3 AEUV) sowie einer Bezeichnungspflicht (Art. 291 Abs. 4 AEUV) unterworfen.271 In dieser Hinsicht  – das gilt auch für die vorstehenden Überlegungen zum Erlassmonopol und entsprechend für Art. 290 AEUV – droht durch eine formalisierte Einbindung von Agenturen eine Umgehung der Kontrollrechte auf der Grundlage von Art. 291 Abs. 3, die sich lediglich auf die Wahrnehmung durch die Kommission beziehen. Auch kann die Beteiligung von Agenturen kaum selbst als jene Kontrolle verstanden werden. Mag Art. 291 Abs. 3 AEUV der Formulierung nach auch weniger deutlich auf eine abschließende Regelung hindeuten, als es Art. 290 Abs. 2 AEUV tut, wäre eine formalisierte Mitwirkung von Agenturen demnach doch nur möglich, wenn mit ihr die sekundärrechtlichen „Regeln und Grundsätze“ für die mitgliedstaatliche Kontrolle festgesetzt würden. Das erscheint bei aller mitgliedstaatlichen Einbindung in den internen Strukturen von Agenturen fernliegend. Folglich besteht auch für Durchführungsrechtsakte ein Entwicklungsmonopol der Kommission. Zuzugeben ist, dass dieses Ergebnis mit Blick auf die vertragliche Wertung, nach der Agenturen wirkungsäquivalente Maßnahmen erlassen können, in der Tat nicht zufrieden stellt. Der Widerspruch sollte im Wege einer Vertragsänderung aufgelöst werden. 3. Ergebnis Die Art. 290 f. AEUV begründen Erlass- und Entwicklungsmonopole der Kommission. Agenturen können demnach weder zur rechtserheblichen Mitwirkung an der Letztentscheidung über delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte ermächtigt werden, noch können sie eine Rolle im vorausgehenden Verfahren einnehmen, die die Kommission vor dem Erlass zu berücksichtigen verpflichtet wäre.

270

K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  236. Wohl aber sieht Art. 15 der ESA-VOen umfangreiche verfahrensrechtliche Bedingungen vor, die weitgehend den Vorschriften über technische Regulierungsstandards entsprechen. 271 Vgl. o. C. I. 1. a).

D. Institutionelles Gleichgewicht  

287

II. Art. 17 EUV als Zuständigkeitsvermutung zulasten von Agenturen Ein grundsätzliches Vollzugsmonopol der Kommission wollen einzelne Stimmen Art. 17 EUV entnehmen.272 In dessen Absatz 1 wird eine ganze Reihe von Tätigkeiten als Aufgaben der Kommission beschrieben. Hinsichtlich solcher Maßnahmen, wie sie auch für Agenturen in Betracht kommen, richtet sich der Blick insbesondere auf Satz 5, welcher der Kommission Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen nach Maßgabe der Verträge zuweist. Es wurde bereits dargelegt, dass die Norm dem Agenturmodell allgemein nicht entgegensteht.273 Zum Teil wird aus Art. 17 EUV jedoch gefolgert, Befugniszuweisungen an Agenturen seien nur ausnahmsweise und unter Darlegung besonderer sachlicher Erfordernisse des Einzelfalls zulässig; im Übrigen sei die Kommission als „zentrale Verwaltungsinstanz der Union“ zuständig.274 Ein solches Verständnis von Art. 17 EUV scheint zweifelhaft. So ist auch an dieser Stelle einzuwenden, dass der Vertrag von Lissabon die zum Zeitpunkt seiner Entstehung nahezu allgegenwärtigen Agenturen durch die Aufnahme der „Einrichtungen und sonstigen Stellen“ (etwa in Art. 263 AEUV) eher noch zu billigen scheint, dies zumal im Nachklang der dezidierten „Dezentralisierungspolitik“ der Kommission.275 Agenturen entsprechende Funktionen aus der maßgeblichen Formulierung in Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV („Sie übt nach Maßgabe der Verträge Koordi­nierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen aus“) im Wege des Umkehrschlusses in der Regel zu versagen, erschiene schon in Ermangelung eines bestimmten Artikels wenig überzeugend: Die Kommission übt eben nicht „die Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen“ aus. Wie schon im Hinblick auf das Verhältnis der Norm zur allgemeinen Zulässigkeit von Agenturen festgestellt wurde, kann Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV vor allem deshalb keine Auskunft über Kompetenzen dritter Stellen geben, weil sie das Tätigkeitsfeld der Kommission selbst unter den Vorbehalt sonstiger vertraglicher Bestimmungen stellt („nach Maßgabe der Verträge“).276 Dem entspricht Art. 298 Abs. 1 AEUV, nach dem sich nicht nur die Organe, sondern auch die Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zur Ausübung ihrer Aufgaben auf eine offene, effiziente und unabhängige 272 So D. Kugelmann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 17 EUV Rn. 21; K. Mi­ chel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  136 f., 227; ähnlich im Grundsatz schon M. Hilf, Die Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaften, S. 318 (dort Fn. 95); s. auch M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 17 EUV Rn. 13 („Art. 17 Abs. 1 S. 5 etabliert die Kommission als beherrschenden Verwaltungsträger der EU-Eigenverwaltung“); ohne Bezug auf eine spezifische Vertragsnorm, sinngemäß aber ebenso S. Griller/A. Orator, ELR 35 (2010), S. 3, 28. 273 S. o. 2. Teil A. I. 2. 274 So K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 136 f.; so auch schon zum EGV R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 560. 275 Vgl. o. 2. Teil A. I. 276 S. o. 2. Teil A. I. 2.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

europäische Verwaltung stützen. Die Norm scheint zwar einzig auf die innere Verfasstheit der Institutionen abzustellen,277 geht die Frage nach den zugewiesenen Aufgaben deren Ausübung doch gerade voraus.278 So ist mit Art. 298 Abs. 1 AEUV keine Kompetenzerweiterung verbunden, die über Einzelermächtigungen hinausginge.279 Vorausgesetzt wird allerdings auch hier die Zuweisung wie auch immer gearteter Verwaltungsaufgaben an Einrichtungen und sonstige Stellen.280 Diese Wertung zugunsten eines unionalen Verwaltungsunterbaus281 stützt den Befund, Art.  17 EUV sei keine grundsätzliche Vollzugszuständigkeit der Kommission zu entnehmen.282 Nicht zuletzt erscheint die Operationalität eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses zugunsten des Kommissionsvollzugs problematisch. Zwar ließe sich der Vollzug durch Agenturen anders als bei der Prüfung des Subsidiaritätsprinzips nicht mit dem Credo der Einheitlichkeit begründen; Implementierungen durch die Kommission wie durch Agenturen erfolgen gleichermaßen zentral und damit einheitlich. An die Stelle treten jedoch andere Ausnahmegründe, die im Einzelfall ähnlich schwer zu widerlegen sind. So wurden Agenturisierungen in der Vergangenheit etwa mit einer „besseren Sichtbarkeit“ der Union in den Mitgliedstaaten, einer erhöhten Effizienz bzw. einer Überlastung der Kommission oder dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme begründet.283 Es ist kein Beispiel einer spezialisierten Einrichtung denkbar, an das sich nicht zumindest eines dieser Muster anbringen ließe. Gerade für den Topos der Wissenschaftlichkeit muss festgestellt werden: Ein „allgemeines Verwaltungsrecht“ gibt es in der Union praktisch ebenso wenig wie in ihren Mitgliedstaaten. Dementsprechend lassen sich für jeden Bereich staatlicher Regulierung „Experten“ (er)finden und Agenturen rechtfertigen.

277 Vgl. U. Reithmann, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 298 AEUV Rn. 2, 6. 278 G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 37. 279 M. Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 298 AEUV Rn. 1; zustimmend U. Reithmann, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 298 AEUV Rn. 7. 280 Vorstehend (2. Teil A. I. 1.) wurde festgestellt, dass Art. 298 Abs. 1 AEUV bei einer streng wortlautorientierten und systematischen Auslegung nicht zwingend solche Agenturen zulässt, die nicht ausdrücklich vertraglich genannt werden. Dies wurde aber zum einen durch den historischen Gesamtkontext der Verträge relativiert, zum anderen geht es an dieser Stelle weniger um die Errichtung denn um die kompetenzielle Ausgestaltung. 281 M. Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl., Art. 298 AEUV Rn. 1; zustimmend U. Reithmann, in: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 298 AEUV, Rn. 7. 282 Vgl. G. Sydow, der Art. 298 AEUV „unverbunden neben“ Art. 17 EUV stehen sieht, ders., in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 4. 283 S. o. 1. Teil C. II.

D. Institutionelles Gleichgewicht  

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Fehl geht für das Verhältnis von Art. 17 EUV zu den Agenturen ebenfalls die Bemühung des Nemo-plus-iuris-Grundsatzes.284 Denn „transferiert“ wird die Befugnis im Falle der Regulierungsagenturen nicht von Kommission zu Agentur, Urheber ist vielmehr der Unionsgesetzgeber als funktionsbedingter Verfassungsakteur, der seine Kompetenz – die Gesetzgebung in den Grenzen von Art. 5 EUV – nicht überträgt, sondern ausübt.285 Damit ist festzuhalten, dass jedenfalls Art. 17 EUV keine horizontale Zuständigkeitsvermutung zulasten von Agenturen begründet.

III. Spezielle primärrechtliche Vollzugsbefugnisse der Kommission Ebenso wenig kann von den speziellen primärrechtlichen Befugnissen der Kommission auf eine zahlenmäßige Begrenzung sekundärrechtlicher Befugnisse sonstiger Stellen geschlossen werden. Die Verträge betrauen die Kommission schließlich nur in wenigen Fällen mit Vollzugsaufgaben,286 so namentlich im Bereich der Wettbewerbspolitik.287 Für den überwiegenden Teil  der einzelnen Politiken wird die Kommission dagegen normsetzend oder lediglich unterstützend und koordinierend tätig. Wenn der EuGH bei seiner Herleitung des institutionellen Gleichgewichts im Tschernobyl-Fall darauf abstellt, die Verträge hätten „ein System der Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Organen der Gemeinschaft geschaffen, das jedem Organ seinen eigenen Auftrag innerhalb des institutionellen Gefüges der Gemeinschaft und bei Erfüllung der dieser übertragenen Aufgaben zuweist“,288 so ist zu betonen, dass diese Zuständigkeitsverteilung im Hinblick auf Exekutivfunktionen keineswegs abschließend ist. Die Absenz primärrechtlich zugewiesener Vollzugsbefugnisse mag in dem ursprünglichen Verständnis der speziellen, politikfeldbezogenen Einzelermächtigungen als ausschließlich materiellrechtlichen Kompetenzen begründet liegen. So konnten die Mitgliedstaaten bis zur Entscheidung des EuGH über die Produktsicherheitsrichtlinie davon ausgehen, dass die Befugnis der Union zum direkten Vollzug ausdrücklich normiert sein muss bzw. eine Vertragsabrundung erfordert.289 Einer horizontalen Abgrenzung 284 Vgl. die missverständlichen Ausführungen bei K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 136, mit Verweis auf J. Hilf, Dezentralisierungstendenzen, S. 122, wo der Grundsatz ebenfalls wenig verständlich in Bezug zu einem Kernbereich geschützter Organkompetenzen gestellt wird (dieser steht den Organen aber gerade zu, sodass die Unveräußerlichkeit jedenfalls nicht mit dem Nemo-plus-iuris-Grundsatz begründet werden kann); vgl. R. Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 13 EUV Rn. 37. 285 S. o. 1. Teil D. II. 286 S. Albin, Die Vollzugskontrolle des europäischen Umweltrechts, S. 71. 287 Vgl. M. Kotzur, Der Vollzug des Gemeinschaftsrechts: Organe und Zuständigkeiten, in: Tsatsos (Hrsg.), Die Unionsgrundordnung – Handbuch zur Europäischen Verfassung, S. 423 f., s. ferner o. 2. Teil C. V. 2. b). 288 EuGH, Rs. C-70/88 (Tschernobyl), Slg. 1990, I-2041, Rn. 21. 289 S. o. 2. Teil C. V. 1.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

entsprechender Zuständigkeiten bedurfte es daher nur in eingeschränktem Maße. Bei den folgenden Vertragsänderungen unterblieb eine Reaktion auf die insofern gewandelte Auslegung der „Sachkompetenzen“. Dass aus den speziellen Vollzugsbefugnissen der Kommission nicht auf das Fehlen einer supranationalen Verwaltung im Übrigen zu schließen ist, bildet eine Kernaussage der im zweiten Teil festgestellten Offenheit eines großen Teils der Einzelermächtigungen.

IV. Weitere Abgrenzung zu Organen und Gebot der Spezialität Hinter zahlreichen Ausprägungen des institutionellen Gleichgewichts verbirgt sich das Demokratieprinzip,290 was angesichts der zuvorderst organisatorischpersonellen Legitimationskonzeption der Union nicht verwundert. Möchte man letztlich auf die höhere personelle Legitimation und stärkere parlamentarische Kontrolle der Kommission verweisen, bedarf es tatsächlich keines Umwegs über das institutionelle Gleichgewicht, um den Kommissionsvollzug als wünschenswerten Regelfall des direkten Vollzugs auszumachen.291 Teils wird denn auch die Unzulässigkeit von Einrichtungen vertreten, die hinsichtlich ihrer „Machtfülle“ den Organen entsprechen.292 Das ergibt sich jedenfalls insoweit aus dem Numerus clausus in Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 EUV293, als ein Organ danach etwas dezidiert anderes ist als eine sonstige Einrichtung. Für die Bereiche der Gesetzgebung und der Rechtsprechung lässt sich diese Andersartigkeit schon den vertraglichen Kompetenzzuweisungen an die Organe entnehmen. Nach dem Gesagten sind die vertraglichen Zuweisungen in administrativer Hinsicht dagegen gerade nicht abschließend. Die Begründung der wertend gebotenen Abgrenzung von Agenturen zum Organ „Kommission“ bedarf also eines anderen Ansatzes. Erschwerend wirkt zunächst der Befund, das Prinzip begrenzter Einzelermäch­ tigungen zwinge bei der Schaffung von Agenturen keineswegs zu einer Begrenzung auf einzelne Kompetenznormen.294 Demnach wäre es möglich, eine Agentur mit Aufgaben ganz unterschiedlicher Politikfelder zu betrauen. Der Ansatz lässt sich auf das (praktisch mit Blick auf die Kommissionsinteressen fernliegende) Szenario einer Bündelung des Großteils der sekundärrechtlichen Befugnisse bei einer einzelnen Agentur zuspitzen. In diesem Fall drohte mit Blick auf die gericht 290 Zum Verhältnis von institutionellem Gleichgewicht und Demokratieprinzip vgl. nur I. Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 3 Rn. 23, 26. 291 Vgl. M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 621. Gleichwohl ist auch die Kommission in besonderem Maße von Unabhängigkeit gekennzeichnet und entzieht sich insoweit etwa einer Gleichsetzung mit nationalen Regierungen, was bis heute zu offenen demokratietheoretischen Fragen führt, vgl. S. Bredt, Die demokratische Legitimation unabhängiger Institutionen, S. 379 ff. 292 S. C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 102, 131–134. 293 S. o. 2. Teil A. I. 1. 294 S. o. 2. Teil C. II.

D. Institutionelles Gleichgewicht  

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liche Kontrolle auch von Agenturmaßnahmen vielleicht noch keine „tyrannische Durchführung“295 des Unionsrechts. Zu befürchten stünde aber eine Umgehung der vertraglichen Auflösungen des Spannungsverhältnisses zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten, wie sie die differenzierte Gestaltung des „institutionellen Dreiecks“296 aus Kommission, Rat und Europäischem Parlament maßgeblich leistet.297 Das gilt insbesondere für die vertragliche Verankerung der personellen Legitimation dieser Organe samt ihren gegenseitigen checks and balances.298 Eine normative Wirkung der bestehenden Konstellation als solcher wird allerdings bereits für legislative Befugnisse bestritten,299 die Agenturen – bei allen Schwierigkeiten einer genauen Abgrenzung – nach diesem wie nach anderen Begründungsmustern ohnehin nicht ausüben können.300 Als problematisch verbleibt insoweit der beschriebene Graubereich der Stellungnahmen, deren Bindungswirkung das EuG in der Rechtssache Pfizer Animal Health SA für die Sachverständigenausschüsse der Kommission postuliert hat.301 Zwar sind Rechtsakte mit allgemeiner Geltung Agenturen nach der Wertung von Art.  277 AEUV nicht in Gänze versperrt. Ein Verstoß gegen das institutionelle Gleichgewicht ist jedoch zu erkennen, sofern Agenturmaßnahmen die Organe bei der Normsetzung binden. Hinsichtlich Art. 290 f. AEUV ist dies unmittelbarer Ausdruck der aufgezeigten Monopole. Unabhängig von einer normativen Wirkung des „institutionellen Dreiecks“ muss das Verbot einer formalisierten Beteiligung erst recht für Gesetzgebungsakte gelten. Bei Shapiro wird deutlich, dass Aufweichungen an dieser Stelle schon mit grundlegenden demokratietheoretischen Überlegungen in Konflikt gerieten, da Gesetzgebungsorgane in ihren Entscheidungsmöglichkeiten durch Informationen beschränkt würden, auf deren Gewinnung sie einen bestenfalls begrenzten Einfluss hätten.302 Die angeführte Rechtsprechung des EuG ist daher unabhängig von ihrer Begründetheit für die Sachverständigenausschüsse der Kommission nicht auf Gutachten von Agenturen zu übertragen.303 Dasselbe gilt für Konstellationen, in denen Gutachten von Agenturen zwar keine rechtliche Wirkung zukommt, ein Organ sich deren Inhalt aber offenkundig ohne eigene Überprüfung zu Eigen macht, wie es 295 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze (1748), 2. Buch, 6. Kapitel: Über Gewaltenteilung (Über die Verfassung Englands), zitiert nach K. Weigand. 296 Zum Begriff vgl. statt vieler P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 249; I. Härtel, Handbuch Europäische Rechtsetzung, § 16 Rn. 2. 297 Vgl. M.  Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, S. 173. 298 Ähnlich GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 85; vgl. S. Doug­ las-Scott, Constitutional Law of the European Union, S. 49. 299 Vgl. die Klarstellung, dass sich Normativität nur aus der Vielzahl von Vorschriften ergeben kann, die das Verhältnis der Organe zueinander regeln, A. Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl., Art. 13 EUV Rn. 33. 300 So die einhellige Meinung, vgl. statt vieler GA Jääskinen, Schlussanträge vom 12.9.2013, Rs. C-270/12, Rn. 83–85; K. Lenaerts, ELRev 18 (1993), S. 23, 42; zur De-facto-Rechtsetzung vgl. Ch. Joerges, KritV 1991, S. 416, 431 f. 301 S. o. 1. Teil D. III. 3. a), Fn. 207. 302 M. Shapiro, Journal of European Public Policy 4 (1997), S. 276, 289. 303 Vgl. auch die Kritik bei M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 621–623.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

die Kommission in Bezug auf die Gutachten der Sachverständigenausschüsse der EMA handhabt.304 Insoweit lässt sich auf die Meroni-Entscheidungen zurückgreifen: Auch dort zog die Hohe Behörde die Ergebnisse der Brüsseler Organe nicht in Zweifel, obwohl sie dazu befugt war. Gerade in dieser nicht rechtlichen, sondern tatsächlichen Entäußerung der Entscheidungsgewalt sah der EuGH einen Verstoß gegen die Garantie des Gleichgewichts der Gewalten.305 Mit diesen Einschränkungen bleibt von Agenturen die Garantie des institutionellen Dreiecks unberührt, nach der ein Organ durch die Schaffung einer Einrichtung nicht in die Organisationskompetenzen der anderen Organe übergreifen darf.306 Schließlich werden (Regulierungs-)Agenturen per definitionem legislativ und damit „innerhalb des Dreiecks“ geschaffen. Als Übergriff auf einen geschützten Kompetenzbereich ließen sich allenfalls Zuweisungen zuvor bei der Kommission angesiedelter Befugnisse auf eine Agentur verstehen. Als Beispiel wurde insoweit bereits die Umweltagentur ausgemacht.307 Derartige Befugnisabschiebungen können per se aber keine Verletzung des institutionellen Gleichgewichts bewirken, wenn auch die abgeschobene, nunmehr der Agentur zugewiesene Befugnis sekundärrechtlicher Natur ist. Das ergibt sich schon aus der Normenhierarchie: Die bei dem Organ liegende Befugnis kann der gleichrangigen Befugniszuweisung als lex posterior nicht entgegenstehen. Abdrängungen sind damit keine Fallgruppe der Unantastbarkeit der Organisationskompetenz von Organen, sondern eine Ausprägung gesetzgeberischer Kompetenz.308 Lässt sich die Unzulässigkeit einer jenseits der genuinen Kommissionsbefugnisse gleichsam allzuständigen Verwaltungsbehörde einem abstrakt verstandenen institutionellen Gleichgewicht damit nicht klar entnehmen, kann sie letztlich mit dem Subsidiaritätsprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begründet werden. Für den eigentlichen Errichtungsakt ist nämlich keine der agenturspezifischen Begründungen (bessere Sichtbarkeit, Unabhängigkeit, Expertenspezifizität etc.) tragfähig, wenn nicht die Schaffung einer spezialisierten Einrichtung, sondern einer gleichsam generalistischen Behörde angestrebt wird. Die gesetzgeberischen Begründungsmuster, die insbesondere das Subsidiaritätsprinzip für gewöhnlich zum Erliegen bringen, geraten an ihre Grenze, wenn ebenso gut die Kommission mit den Befugnissen betraut werden kann. Jene Prinzipien entfalten so paradoxerweise eine horizontale Schutzwirkung. Daraus ergibt sich, dass die Gründung von Agenturen auf der Grundlage mehrerer Kompetenznormen verschiedener Rege 304

S. o. 1. Teil D. III. 3. a). H. C. H. Hofmann/A. H. Türk, Policy implementation, in: dies. (Hrsg.), EU Administrative Governance, S. 89. 306 S. P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 249. 307 S. o. 2. Teil A. I. 2. 308 Vgl. die wohl abweichende, nicht leicht zu verstehende Darstellung bei P. Bartodziej, Reform der EG-Wettbewerbsaufsicht und Gemeinschaftsrecht, S. 250 f. Die Einzelermächtigung wird dort wohl nur hinsichtlich des institutionellen, nicht aber des kompetenziellen Aspekts als hinreichend beschrieben. 305

D. Institutionelles Gleichgewicht  

293

lungsbereiche zu versagen ist, soweit eine bereichsübergreifende Tätigkeit nicht aus besonderen Gründen erforderlich erscheint. Eine zahlenmäßige Begrenzung von Agenturen bietet demgegenüber auch diese Erkenntnis nicht.

V. Rückbindung an die Organe Fruchtbar machen lässt sich das institutionelle Gleichgewicht als Ausprägung des Demokratieprinzips in vielerlei Weise bei der internen bzw. verfahrensrechtlichen Ausgestaltung von Agenturen, worauf im Rahmen dieser Untersuchung nur im Ansatz eingegangen werden soll. Im Zentrum steht die – soweit ersichtlich unbestrittene  – Erkenntnis, dass es eine wesentliche und damit unzulässige Veränderung des institutionellen Gefüges wäre, eine Einrichtung derart zu verselbständigen, dass ihre Aktivitäten nicht mehr von den Organen gesteuert werden könnten.309 Die Unabhängigkeit von Agenturen muss demnach unvollständig bleiben, wie es Hilf schon früh mit dem Begriff der „abhängigen juristischen Personen“310 ausgedrückt hat. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Rolle des EuGH als Hüter des Unionsrechts auch für Handlungen von Agenturen zu nennen,311 die durch Art. 263 Abs. 1 S. 2, Art. 265 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, Art. 267 Abs. 1 lit.  b sowie Art.  277 AEUV nunmehr vertraglich fixiert wurde. Als Handlungsbedarf für weitere Vertragsreformen im Interesse einer stärkeren Kontrolle hat das Schrifttum vor allem Rechenschafts- und Berichtspflichten gegenüber dem Europäischen Parlament sowie parlamentarische Ernennungs- und Zitationsrechte ausgemacht.312 Entsprechende vertragliche Verankerungen erscheinen insbesondere für Agenturen mit Befugnissen zu rechtsverbindlichen Entscheidungen geboten. Zweifelhaft sind demgegenüber die Vorzüge einer stärkeren Steuerung durch die Kommission. Eine Fach- und Rechtsaufsicht kommt schon mit Blick auf das Wesensmerkmal von Agenturen, ihre Unabhängigkeit, nicht in Betracht.313 Aber auch eine mittelbare Steuerung in Form einer stärkeren Beteiligung in den internen Gremien muss auf Skepsis stoßen.314 Bislang entsendet die Kommission in der 309

Ch.  Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S.  280 ff. m. w. N.; s. auch ders., Jura 2012, S. 42, 46 f.; M. Hilf, ZaöRV 36 (1976), S. 551–585; R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 560. 310 Vgl. M. Hilf, ZaöRV 36 (1976), S. 551–585; den Begriff für moderne Agenturen aufgreifend R. Uerpmann, AöR 125 (2000), S. 551, 561. 311 Ebd., S. 561 f. 312 S. K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 154–156, 226, 268; allgemein J. Masing, in: Bauer/Czybulka/Kahl/Voßkuhle (Hrsg.), FS Schmidt, S. 521, 528; vgl. auch Th. Groß, JZ 2012, S. 1087, 1092. 313 K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S.  149–153; s. auch C. U.  Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 130; vgl. M. Shapiro, Journal of European Public Policy 4 (1997), S. 276, 289. 314 Entsprechende Forderungen werden immer wieder erhoben, vgl. nur M.  Brenner, in:­ Ipsen/Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S. 193, 203.

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3. Teil: Begrenzung durch Verfassungsstrukturprinzipien

Regel nur einen Vertreter in den jeweiligen Verwaltungsrat, ein Stimmrecht besteht in vielen Fällen nicht.315 Künftig sollen die Verwaltungsräte nach der interinstitutionellen Vereinbarung über dezentrale Agenturen dagegen mit einem stimmberechtigten Vertreter pro Mitgliedstaat und zwei stimmberechtigten Vertretern der Kommission besetzt werden.316 Auch soll die Kommission in den neu zu schaffenden, wesentlich kleineren Exekutivräten ein stimmberechtigtes Mitglied stellen.317 Obgleich die Kommission nach dieser Ausgestaltung stets überstimmt werden könnte,318 ginge die Reform bei gleichbleibenden Quoren319 doch auf Kosten des Gewichts der mitgliedstaatlichen Vertreter. Für die in vertikaler Hinsicht schonende interne Ausgestaltung von Agenturen stellte dies eine Verschlechterung dar.

VI. Ergebnis Mit dem institutionellen Gleichgewicht werden ganz unterschiedliche horizontale Grenzen für die zunehmende Unterteilung der unionalen Exekutive in eine schlanke, maßgeblich auf ihre Hüter- und Initiativfunktion besonnene Kommission einerseits und eine Fachverwaltung aus unabhängigen Einrichtungen andererseits begrifflich zusammengefasst. Dahinter stehen in erster Linie spezifische Vertragsvorschriften, zu denen die wenigen primärrechtlichen Vollzugsbefugnisse der Kommission ebenso zählen wie Art. 290 f. AEUV. Letztere versperren Agenturen jede formalisierte Mitwirkung an delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten. Das institutionelle Gleichgewicht leistet damit die maßgebliche qualitative Begrenzung des Agenturmodells. Insofern ist jedoch die erhebliche Einschränkung zu betonen, dass Agenturen Maßnahmen offenstehen, die Durchführungsrechtsakten hinsichtlich ihrer Wirkung entsprechen. Die Bedenken gegen die zahlenmäßige Ausweitung des Agenturmodells vermag dagegen auch das institutionelle Gleichgewicht nicht dergestalt zu konturieren, dass Vertragsverletzungen durch einzelne Gründungen festzustellen wären.320 315 K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 159; vgl. bspw. Art. 14 Abs. 1 lit. a, b, Abs. 3 S. 2 ACER-VO. Im Falle der ESA ist der Vertreter der Kommission nur bei Abstimmungen über die Aufstellung des Haushaltsplans stimmberechtigt, vgl. z. B. Art. 45 Abs. 2 UAbs. 3 ESMA-VO. 316 S. die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vom 19.7.2012 zu den dezentralen Agenturen, Anhang: Gemeinsames Konzept, Rn. 10. 317 Ebd. 318 So die Beobachtung bei K.  Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 160. 319 Die in der Gemeinsamen Erklärung in Rn. 13 vorgesehenen Abstimmungsregeln sehen nunmehr allerdings für laufende Geschäfte die absolute Mehrheit und nicht – wie zahlreiche bestehende GründungsVOen  – die einfache Mehrheit vor, vgl. z. B. Art.  45 Abs.  2 UAbs.  1 ESMA-VO. 320 So auch W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 466; C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 126.

D. Institutionelles Gleichgewicht  

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Aus dem Zusammenspiel mit dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt sich jedoch, dass ein und derselben Agentur keine Befugnisse unterschiedlicher Sachbereiche zugewiesen werden dürfen, ohne dass dafür im Einzelfall ein besonderer Mehrwert nachgewiesen wird.

Gesamtbewertung A. Zusammenfassung der Ergebnisse de lege lata in Thesen (1) Das geltende Primärrecht steht einer Allgegenwart spezialisierter Agenturen mit Verwaltungsbefugnissen nicht im Wege. Durch Art.  5 EUV als Zentralnorm der vertikalen Gewaltenteilung wird das Agenturmodell qualitativ wie quantitativ kaum begrenzt. (2) Durch einen tiefgreifenden Umbruch in der Auslegung vormals als „Sachkompetenzen“ verstandener Rechtsgrundlagen, der mit dem Urteil des EuGH zur Produktsicherheitsrichtlinie Mitte der neunziger Jahre einsetzte, wurden die exekutiven Kompetenzen mit den legislativen Kompetenzen der Union in weiten Teilen zur Deckung gebracht. Rechtsfolgen wie „Maßnahmen“ oder „Vorschriften“ eröffnen danach grundsätzlich auch Verwaltungskompetenzen und stehen Organisationsrechtsakten offen. Insbesondere erlauben die meisten politikfeldbezogenen Einzelermächtigungen für sich genommen keine Rückschlüsse auf die konkreten Funktionen von Agenturen, sondern umfassen gerade auch Befugnisse zu rechtsverbindlichen Entscheidungen und normsetzenden Tätigkeiten. Das klassische Bild einer Rechtsgemeinschaft, die als Rechtsetzungsgemeinschaft auf eine Implementierung durch die Mitgliedstaaten angewiesen ist, wird somit relativiert. (3) Die bedeutsamste Ausnahme zu dieser organisationsrechtlichen Offenheit bildet der geschriebene Gehalt von Art.  114 AEUV. Der unmittelbare Rechtserfolg von Agenturerrichtungen und Befugniszuweisungen entspricht nicht dem instrumentalen Nahziel der Rechtsangleichung. Ein Verweis auf mittelbare und potenzielle Angleichungseffekte verkannte den Umstand, dass sich die Mitgliedstaaten gegen eine allgemeine Binnenmarktkompetenz der Union entschieden haben. Die Binnenmarktklausel ermächtigt den Unionsgesetzgeber insbesondere nicht zu Maßnahmen, die auf eine Vollzugsvereinheitlichung abzielen, was vor allem die Betrauung von Agenturen mit rechtsverbindlichen Entscheidungen oder Kontrollbefugnissen ausschließt. (4) Art. 114 AEUV kann nach der Implied-Powers-Doktrin eine eng umgrenzte organisationsrechtliche Ermächtigung entnommen werden. Mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ist dies nur bei dem Nachweis vereinbar, dass anderenfalls keine zweckmäßige Ausübung für den jeweiligen Teilaspekt des Binnenmarktes (bspw. die Finanzmarktaufsicht) gelingen wird. Eine Verengung des Maßstabs der zweckmäßigen Ausübung auf die in Rede stehende Maß-

A. Zusammenfassung der Ergebnisse de lege lata in Thesen

297

nahme ist unzulässig. So kann nicht auf den Umstand verwiesen werden, eine einheitliche Anwendung des jeweiligen harmonisierten Rechtsrahmens sei nur durch Entscheidungs- oder Kontrollbefugnisse von Agenturen zu erreichen. Den Maßstab bilden vielmehr weiterhin der Binnenmarktbezug und die Angleichungswirkung. Der ungeschriebene Gehalt von Art. 114 AEUV gestattet in Ausnahmefällen somit eine mittelbare Rechtsangleichung, wie sie mit der Zuweisung informatorischer, unterstützender oder normkonkretisierender Aufgaben bewirkt werden kann. Befugnisse zu rechtsverbindlichen Entscheidungen oder zur Kontrolle mitgliedstaatlicher Maßnahmen bildeten im Verhältnis zu Art. 114 AEUV dagegen eine unzulässige resulting power. (5) Das Prinzip der praktischen Wirksamkeit (effet utile) kann bei der Ermittlung institutionell-rechtlicher Kompetenzen nicht für eine weite Auslegung vertraglicher Vorgaben in Ansatz gebracht werden. Durch die Schaffung eigener Verwaltungseinrichtungen würde die Union ihr Defizit an Zwangsmitteln nicht kompensieren, sondern im jeweiligen Regelungsbereich vielmehr gänzlich überwinden. Damit entfällt die Rechtfertigung für die Normativität des Effektivitätsprinzips. (6) Der EuGH gibt in seiner jüngeren Rechtsprechung – insbesondere in der Leerverkaufsentscheidung – eine praktikable Konturierung der Binnenmarktklausel für den Bereich der Agenturen auf und nähert die Vorschrift stark an eine allgemeine Binnenmarktkompetenz an, indem er das Erfordernis der Angleichungswirkung hinter die Gewährleistung der „Einheit des Marktes“ zurücktreten lässt. Die Akzeptanz von Entscheidungsbefugnissen entfernt sich umso weiter vom Wortlaut der Norm, als die gerichtliche Überprüfung eine starke Fixierung auf die Erwägungsgründe des Unionsgesetzgebers erkennen lässt. An das eigene Postulat von der objektiven Überprüfbarkeit der Voraussetzungen von Rechtsgrundlagen hält sich der EuGH (wie auch an anderer Stelle) somit nicht. Dass Vollzugskompetenzen jenen Entscheidungen zufolge nur in Ausnahmefällen bestehen, ist daher keine operable Begrenzung. (7) Nach dem hier vertretenen restriktiven Verständnis von Art. 114 AEUV kommt Art. 352 AEUV als subsidiärer Generalermächtigung für Agenturgründungen im Rahmen der Vertragsziele weiterhin eine Bedeutung zu. Das gilt angesichts der Offenheit zahlreicher politikfeldbezogener Ermächtigungen weniger in der Breite denn in der Tiefe. So müssen insbesondere Zuweisungen von Entscheidungs- und Kontrollbefugnissen im Bereich des Binnenmarktes auf die Vertragsabrundungsklausel gestützt werden. Art. 352 AEUV stellt inhaltlich keine eigenständigen Schranken  – auch keine zahlenmäßige Höchstgrenze  – für Agenturgründungen auf. (8) Bündel von Befugnissen, wie sie Agenturen typischerweise zugewiesen werden, können nur dann auf eine einzelne Rechtsgrundlage gestützt werden, wenn die Befugnisse der Vorschrift einzeln betrachtet entsprechen. Eine Gesamtbetrachtung, nach der abweichende Befugnisse etwa wegen einer geringfügigen

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Gesamtbewertung

Bedeutung unbeachtet blieben, ist unzulässig. Wenn sich keine Hauptsache des gesamten Befugnisbündels ermitteln lässt bzw. wenn einzelne Befugnisse jeweils verschiedenen Rechtsgrundlagen entsprechen, ist eine Verbindung der entsprechenden Rechtsgrundlagen erforderlich. Sind allerdings die angeordneten Gesetzgebungsverfahren nicht miteinander zu vereinbaren, muss eine Aufspaltung in verschiedene Gesetzgebungsvorhaben erfolgen. Insbesondere kann ein und dieselbe Maßnahme nicht kumulativ auf spezielle Kompetenznormen und auf Art. 352 AEUV gestützt werden. Erscheint die Aufspaltung einer Maßnahme formalistisch, liegt jedoch die Prüfung ungeschriebener Kompetenzen nahe. (9) Dass die Union dort, wo sie normsetzend tätig werden darf, nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in der Regel durch Agenturen auftreten kann, erfährt durch die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit in ihrer derzeitigen Ausgestaltung keine wirksame Korrektur. Die Subsidiaritätsprüfung verhält sich vielmehr relativ zu den Argumentationsmustern des Unionsgesetzgebers, da Art. 5 Abs. 3 UAbs. 1 EUV die Maßnahme selbst zum Prüfungsobjekt erhebt und auch hier jede Hinterfragung durch den Gerichtshof ausbleibt. Schwachen Agenturen stehen das Subsidiaritätsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ebenso wie Agenturen mit Befugnissen zur mitgliedstaatlichen Kontrolle, Normsetzung oder zu nur interventionsbasierten Einzelfallentscheidungen de lege lata kaum entgegen. Sogar hinsichtlich vollständiger Verdrängungen der mitgliedstaatlichen Verwaltung, insbesondere im Bereich der Zulassungsverfahren, lässt sich beiden Prinzipien argumentativ einfach begegnen, solange das Bedürfnis nach einem einheitlichen Vollzug als hinreichende Begründung anerkannt wird. Dabei widerspricht diese Anerkennung durch den EuGH einem wesentlichen Aspekt des vertraglichen Subsidiaritätsprinzips: der grundsätzlichen Gefahr eines inkohärenten Vollzugs, die die Divergenz von normsetzender und -vollziehender Ebene zwingend impliziert. Hier besteht ein Ansatz, der Subsidiarität richterlich Geltung zu verschaffen, indem die Gefahr der uneinheitlichen Rechtsanwendung per se noch nicht als hinreichende Begründung für ein Tätigwerden der Union bewertet wird.

(10) Im Gegensatz zur verbreiteten Darstellung kennen die Verträge kein eigenständiges und allgemeines normatives Prinzip, nach dem der Vollzug von Unionsrecht grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Das in Art. 291 AEUV niedergelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis bezieht sich allein auf das Verhältnis der Mitgliedstaaten zu Kommission und Rat und hat die speziell diesen Organen zustehende Handlungsform der Durchführungsrechtsakte zum Gegenstand. Begreift man den Vollzug durch Agenturen nicht als „dritten Weg“ zwischen direktem und indirektem Vollzug, sondern richtigerweise als eine Form des direkten Vollzugs, begründet Art. 291 AEUV damit einen Wertungswiderspruch, findet sich in den Verträgen doch kein entsprechendes Korsett für Agenturen. Im Hinblick auf Art. 291 Abs. 2 AEUV

A. Zusammenfassung der Ergebnisse de lege lata in Thesen

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erscheint eine Auflösung im Wege der Analogie gleichwohl unpassend, da sich der Ausnahmefall des direkten Vollzugs nur nach dem ohnehin geltenden Subsidiaritätsprinzip bemessen soll. Eine entsprechende Anwendung von Art. 291 Abs. 3 AEUV zur sekundärrechtlichen Ausgestaltung verbindlicher Kontrollstandards wäre demgegenüber ein wichtiger Beitrag zu einer besseren Akzeptanz des Agenturmodells. (11) Die „Agenturblindheit“ von Art.  291 AEUV entspricht einer allgemeinen begrifflichen Inkonsistenz der Verträge in Bezug auf Handlungsformen. So können Agenturen zwar keine Beschlüsse i. S. v. Art. 288 AEUV Abs. 4 AEUV, wohl aber gleichwertige verbindliche Entscheidungen erlassen. Da die Vorschriften über den gerichtlichen Rechtsschutz die Bestimmungen des Art. 288 AEUV nicht konsequent aufgreifen, handelt es sich um eine semantische Frage. (12) Qualitative Sperren für Agenturisierungen lassen sich den ganz unterschiedlichen vertraglichen Wertungen entnehmen, die gemeinhin unter dem Stichwort des institutionellen Gleichgewichts behandelt werden. Obwohl über den genauen Gehalt horizontaler Garantien erhebliche Bewertungsunterschiede bestehen, wird die festgestellte Weite von Art. 5 EUV in der Gesamtbetrachtung doch durch wichtige Minimalaussagen relativiert – allem voran durch die Unzulässigkeit von Betrauungen mit (quasi-)legislativen bzw. primärrechtlich bereits zugewiesenen Befugnissen. Dazu zählt außerdem ein Erlassund Entwicklungsmonopol von Kommission bzw. Rat für die delegierten Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte. Eine weitere wichtige horizontale Einschränkung ist die Notwendigkeit einer gewissen Rückbindung von Agenturen an die Organe. (13) Einer willkürlichen Bündelung von Aufgaben verschiedener Sachbereiche bei einer einzelnen Agentur stehen weder das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung noch die Kompetenzen der Kommission, sondern vielmehr das Subsidiaritätsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Wege. Da sich die typischen Begründungsmuster für den Errichtungsakt im Hinblick auf diese Grundsätze nur anbringen lassen, wenn die jeweilige Agentur als spezialisierte unabhängige und expertokratische Einrichtung auftritt, entfalten Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit in dieser Hinsicht ausnahmsweise eine Begrenzung in der Horizontalen. (14) Innerhalb des direkten Vollzugs besteht im Verhältnis zu Agenturen keine generelle Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Kommission. Das Konzept einer auf ihre primärrechtlichen Aufgaben fokussierten Kommission und einer unabhängigen Fachverwaltung aus Agenturen ist innerhalb der aufgezeigten qualitativen Grenzen damit zulässig.

300

Gesamtbewertung

B. Reformvorschlag Die gemeinhin beobachtete „Primärrechtsferne“ des europäischen Verwaltungsrechts1 ist nach der vorstehenden Untersuchung eine ebenso weitgehende Ferne von organisationsrechtlichen Schranken. Entsprechend zahlreich sind die Stimmen in der Literatur, die teils ausdrücklich2, teils schlüssig3 die Aufnahme einer vertraglichen Regelung der Agenturen fordern. Tatsächlich kamen entsprechende Gedanken schon in der Frühphase der Integration auf4 und fanden Eingang in die Diskussion über den Verfassungsvertrag: Im Europäischen Konvent wurde durch die Arbeitsgruppe V („Ergänzende Zuständigkeiten“) ein Vorschlag für eine spezielle Rechtsgrundlage zur „Schaffung von Einrichtungen“ eingebracht.5 Auch die Kommission hatte in ihrer Mitteilung zur institutionellen Architektur einen solchen Schritt befürwortet.6 Auf der Grundlage der vorstehenden Untersuchung 1 V. Arnauld, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 2 Rn. 44; zustimmend G. Sydow, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 12 Rn. 28. 2 Vgl. J. Alberti, Il Diritto dell’Unione europea 2/2015, S. 451, 488; M. Brenner, in: Ipsen/ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, S.  193, 203 f. (mit überzogenen Erwartungen an den Mehrwert); G. Hermes, in: Bauer/Huber/Sommermann (Hrsg.), Demokratie in Europa, S. 457, 488; Ch. Keune, ZVersWiss 2014, S. 7, 20; K. Michel, Institutionelles Gleichgewicht und EU-Agenturen, S. 268; Th. Oppermann/C.-D. Classen/M. Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl., § 12 Rn. 1; mit eigenem Reformvorschlag B. Remmert, EuR 2003, S. 134, 145 (weit gefasst); C. U. Tree­ ger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 205– 208; M. Wittinger, EuR 2008, S. 609, 617, 620, 626; pessimistisch W. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn.  464; differenzierend R.  Vetter, DÖV  2005, S.  721, 731; gänzlich a. A. Ch. Görisch, Jura 2012, S. 42, 52, wo von „klaren rechtlichen Maßstäben“ die Rede ist. 3 Vgl. Ch. Ohler, JZ 2014, S. 249, 252; ders., EuZW 2006, S. 369, 374. 4 Vgl. U. Everling, in: Hallstein/Schlochauer (Hrsg.), FS Ophüls (1965), S. 33, 42. 5 Vgl. den Schlussbericht der Gruppe V „Ergänzende Zuständigkeiten“ der Mitglieder des Konvents v. 4.11.2002 (CONV 375/1/02), S. 17. S. auch den Vorschlag des Konventsmitglieds Brok v. 7.3.2003 „Verfassung der Europäischen Union“, Art. 97 Abs. 1 – „Errichtung von Unionsagenturen; unabhängige Kartellbehörde“ (CONV 325/2/02): „(1) Zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Union erforderlichenfalls Unionsagenturen errichten und ihnen durch ein Unionsgesetz, das auch die gerichtliche Überprüfbarkeit ihrer Maßnahmen und die Haftung dafür regelt [sic], Rechtspersönlichkeit verleihen.“ 6 Vgl. die Mitteilung der Kommission zur institutionellen Architektur v. 11.12.2002 – Für die Europäische Union: Frieden, Freiheit, Solidarität, KOM (2002) 728 endg./2 S. 14: „Die derzeit geltenden Verträge enthalten keine Rechtsgrundlage für die Errichtung solcher Agenturen. In dem Verfassungsvertrag sollten daher Bestimmungen über die Gründung, die Funktionsweise und die – politische, rechtliche und finanzielle – Kontrolle dieser Agenturen verankert sein. Ein solches Unionsgesetz wird […] mit der Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments und vom Rat einstimmig beschlossen.“ S. zum Ganzen auch die Darstellung bei R. Vetter, DÖV 2005, S. 721, 722. Ein weiterer Vorschlag, der den grundsätzlichen Unzulänglichkeiten allerdings keine Abhilfe leistet und angesichts einer Kopplung von Errichtung und Befugniszuweisung wenig praktikabel erscheint, findet sich bei Ch. Keune, Rechtliche Grundlagen und Grenzen der EIOPA, S. 370. Nach dem dortigen Abs. 1 erlässt der Rat „mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Verordnung zur Errichtung einer Regulierungsagentur“. Abs. 4 ordnet an, dass der Agentur „in der Verordnung“ „ihre Aufgaben

B. Reformvorschlag  

301

wird für eine entsprechende Ausgestaltung die Einfügung der folgenden Vorschrift in den AEUV vorgeschlagen: Art. 298a (1) Gemäß ihrer jeweiligen Zuständigkeit kann die Union unabhängige Fachbehörden mit eigener Rechtspersönlichkeit (Agenturen) errichten und ihnen die notwendigen Befugnisse zur Erfüllung bestimmter, in den jeweiligen Gründungsrechtsakten genau umschriebener Aufgaben zuweisen. Die in den Verträgen festgelegten Befugnisse der Organe der Union, insbesondere jene nach den Artikeln 290 und 291 dieses Vertrags, bleiben unberührt. Für die Entwicklung von Durchführungsrechtsakten der Kommission und des Rates können Stellen nach Satz 1 mit eigenen Rechten ausgestattet werden. Sie treffen keine Entscheidungen, die hinsichtlich ihrer Tragweite als wesentlich anzusehen wären. (2) In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, macht die Union von Absatz 1 nach dem Subsidiaritätsprinzip nur Gebrauch, sofern und soweit für das vertragliche Ziel hinsichtlich des konkreten Regelungsbereichs ein besonderes Bedürfnis nach einer einheitlichen und unabhängigen Verwaltung besteht. Ein solches Bedürfnis kann festgestellt werden, wenn Maßnahmen der Mitgliedstaaten für sich genommen die Erreichung des Ziels in erheblichem Maße gefährden. Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union bleibt unberührt. (3) Für die Zwecke des Absatzes 1 legen das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnung allgemeine Regeln und Grundsätze fest, nach denen das Europäische Parlament, der Rat und die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Befugnisse kontrollieren.

Abs. 1 S. 1 stellt zunächst die mittlerweile unbestrittene Möglichkeit klar, dass die Union auch solche Agenturen gründen kann, die keine ausdrückliche Erwähnung in den Verträgen finden. Eine Legaldefinition führt den sekundärrechtlich geprägten Agenturbegriff als allgemeinen Institutionentypus in das Primärrecht ein.7 Mit der Voraussetzung einer präzisen Aufgabenumschreibung verdeutlicht der Satz eine zentrale Anforderung nach dem Rechtsstaatsprinzip, die schon in der Meroni-Rechtsprechung herausgestellt und in der Lehre nicht bestritten wurde. Durch Abs. 1 S. 2 findet mit der sekundärrechtlichen Unveräußerlichkeit vertraglicher Kompetenzen ein Wesensmerkmal des institutionellen Gleichgewichts eine Klarstellung.8 Das Erlass- und Entwicklungsmonopol der Kommission für die delegierten Rechtsakte wird mit Rücksicht auf die funktionale Nähe bestehender Agenturen dabei besonders betont. Für die Durchführungsrechtsakte eröffnet Abs. 1 S. 3 demgegenüber die Möglichkeit, Agenturen hinsichtlich der Entwicklung mit eigenen Rechten auszustatten, woraus im Umkehrschluss ein Erlassund Befugnisse zugewiesen werden“. Demnach erschienen nachträgliche Zuweisungen nicht mehr möglich. Die in Abs. 2 eingeforderte Erforderlichkeit der Errichtung erschöpft sich im ohnehin geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Entsprechendes gilt für die Subsidiaritätskontrolle nach Abs. 3. 7 Zur Erwähnung des Begriffs in anderen Sprachfassungen des AEUV vgl. o. 1. Teil A. 8 Vgl. die Mitteilung der Kommission zur institutionellen Architektur v. 11.12.2002 – Für die Europäische Union: Frieden, Freiheit, Solidarität, S. 14.

302

Gesamtbewertung

monopol von Kommission und Rat folgt. Auf diese Weise bleiben einerseits die Verantwortlichkeiten getrennt und werden andererseits formalisierte Netzwerklösungen ausdrücklich gestattet. Der aus den Befugnissen von Agenturen erwachsende Wertungswiderspruch im Hinblick auf das Monopol der Kommission für Durchführungsrechtsakte erfährt eine Auflösung, wobei eine Umgehung der mitgliedstaatlichen Kontrolle auf der Grundlage von Art. 291 Abs. 3 AEUV in Anbetracht eines einheitlichen Kontrollregimes auch für Agenturen (dazu sogleich) nicht zu befürchten steht. Unbeschadet bleibt die Wertung der Verträge, nach der Agenturen rechtsverbindliche Entscheidungen  – einschließlich solcher abstraktgenereller Natur – treffen können. Das zeigt auch Abs. 1 S. 4, der mit dem Verbot wesentlicher Entscheidungen die noch immer judiziell anerkannte Mindestaussage der Meroni-Rechtsprechung fixiert, ohne auf den wenig zielführenden Ermessensbegriff zurückzugreifen. Freilich bedarf auch der hier gewählte Begriff der Wesent­lichkeit einer Konturierung durch die Rechtsprechung. Die Umschreibung der Agenturen als „Stellen“ in Abs. 1 S. 3 verbindet den Reformartikel mit den bereits bestehenden Vorgaben, in denen Agenturen als „sonstige Stellen“ bezeichnet werden.9 In der englischen Fassung ist dies aufgrund der ausdrücklichen Erwähnung der „agencies“ (bspw. in Art. 263 Abs. 1 S. 2 AEUV) nicht erforderlich. Der Reformvorschlag entkoppelt die Kompetenz zur Agenturisierung nicht von den Einzelermächtigungen, sondern erweitert jene mit der Formulierung „Gemäß ihrer jeweiligen Zuständigkeit“ um die Rechtsfolge der Agenturisierung bzw. stellt die Möglichkeit dieser Rechtsfolge klar. Hierbei handelt es sich um eine vollwertige Rechtsgrundverweisung. Die institutionell-rechtliche Maßnahme muss damit auch weiterhin alle Voraussetzungen einer Einzelermächtigung erfüllen, wozu insbesondere die Angleichungswirkung im Rahmen von Art. 114 AEUV zählt. Die vorstehend festgestellten Beschränkungen werden also keineswegs sämtlich obsolet. Alternativ wäre auch eine Gestaltung des Reformartikels als eigenständige Rechtsgrundlage denkbar. Wenn aber nicht nur Errichtungen, sondern auch Befugniszuweisungen hierauf gestützt werden sollen, geriete die Vorschrift angesichts der auch materiellen Komponente einer jeden Befugnis zu einer Generalklausel. Entsprechend problematisch erscheint die von Treeger vorgeschlagene Formulierung „Er [der Rat, Anm. d. Verf.] kann […] ihnen [den Agenturen, Anm. d. Verf.] die notwendigen Befugnisse zur Durchführung [der im Vertrag genannten Ziele, Anm. d. Verf.], Beratung und ergänzenden Untersuchung verleihen.“10 Danach verfügte die Union über jedwede Befugnis, solange diese nur zur Erreichung der Vertragsziele notwendig erschiene und durch Agenturen ausübbar wäre. Die als institutionell-rechtliche Regelung beabsichtigte Vorschrift liefe so auf eine Art zweite Vertragsabrundungsklausel hinaus, wäre mit Blick auf ihren bekräftigenden Cha-

9

Zur wenig stringenten Terminologie s. o. 1. Teil A. C. U. Treeger, Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 208. 10

B. Reformvorschlag  

303

rakter jedoch weit weniger deutlich durch sonstige organisationsrechtliche Vorgaben beschränkt. Unproblematisch erschiene es dagegen, weitgehend in Abweichung der jeweiligen Gesetzgebungsverfahren einen einstimmigen Ratsbeschluss zu verlangen, wie es der Verfassungsentwurf von Brok vorsah.11 Ob die Bedenken gegen die aufgezeigten vertikalen Spannungen auf diesem Weg entkräftet und die Flexibilität der Union eingeschränkt werden sollte, ist eine politische Frage. Das Verhältnis zu Art.  352 AEUV dürfte aus dem Reformvorschlag hinreichend deutlich hervorgehen: Der Verweis auf die jeweiligen Zuständigkeiten stellt klar, dass die Vorschrift das gesamte Primärrecht in Bezug nimmt und keine selbständige Einzelermächtigung, d. h. keine „erforderliche Befugnis“ i. S. d. Art. 352 Abs. 1 S. 1 AEUV bildet. Daraus folgt zum einen, dass Agenturisierungen weiterhin auf die Vertragsabrundungsklausel gestützt werden können, zum anderen, dass die in dem Reformartikel angeführten Möglichkeiten und Grenzen allgemein verbindlich sind. Sie zu überschreiten, bedürfte der Vertragsänderung. Eine normative Neuerung besteht in Abs. 2, der das Subsidiaritätsprinzip nicht nur deklaratorisch aufgreift, sondern die Defekte in Art. 5 Abs. 3 AEUV zu korrigieren sucht. Entscheidend ist der Austausch des Prüfungsobjekts durch Abs. 2 S. 1: Nicht die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme, sondern die Ziele der Verträge sind maßgeblich. Die untaugliche Dichotomie von Negativ- und Positivkriterium wird nicht übernommen. Die Formulierung „hinsichtlich des konkreten Regelungsbereichs“ verdeutlicht zudem, dass die Betrauung der Union mit der jeweiligen Zielverwirklichung noch keine Vermutung für ein subsidiäres Tätigwerden beinhaltet. Gleiches drückt das Wort „besonderes“ aus. So wird der Regelfall des Vollzugsföderalismus unterstrichen, den auch das generell bestehende Bedürfnis nach einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts nicht überwinden kann. Eine nähere Umschreibung des „besonderen Bedürfnisses“ leistet Abs. 2 S. 2. Eine trennscharfe Abgrenzung wird selbstverständlich auch damit nicht erzielt, wohl aber eine richterrechtliche Grenzziehung eingefordert. Aus Abs. 2 S. 1 ergibt sich nicht nur ein vertikales Regel-Ausnahme-Verhältnis. Die Ausnahme des Vollzugs durch Agenturen ist deutlich enger gefasst als Art. 291 Abs. 2 AEUV. Unabhängig von der Frage, ob sich letztere Norm als Grundlage auch für Einzelfallentscheidungen von Kommission und Rat verstehen lässt, bestehen damit im Vergleich zum organschaftlichen Vollzug erhöhte Anforderungen an den Vollzug durch Agenturen. Mittelbar kann darin eine Vermutung zugunsten der Kommission als gleichsam einfachem Ausnahmefall gegenüber dem Agenturmodell als gesteigertem Ausnahmefall gesehen werden. Eine solch restriktive Ausgestaltung des Agenturmodells wurde in der Literatur immer wieder für notwendig befunden, ohne dass sie klar auf bestehende vertragliche Wertungen zurückgeführt werden konnte.12 11

S. o. Fn. 5. Vgl. Ch. Ohler, EuZW 2006, S. 369, 374; vgl. o. insb. 2. Teil E. II. 2. b).

12

304

Gesamtbewertung

Abs. 2 S. 3 stellt klar, dass die allgemeinen Vorgaben zum Subsidiaritätsprinzip in Art. 5 Abs. 3 EUV nicht verdrängt werden. Materiell hat das nach der vorstehenden Untersuchung zwar keine Konsequenz. Entscheidend ist, dass durch den Verweis auf das Subsidiaritätsprotokoll die prozedural-induktive Komponente des Subsidiaritätsprinzips anwendbar bleibt. Betont sei, dass sich auch die wünschenswerte Ertüchtigung des allgemeinen Subsidiaritätsprinzips durch eine entsprechende Änderung von Art. 5 Abs. 3 EUV erreichen ließe. Abs. 3 verpflichtet das Europäische Parlament und den Rat schließlich auf den Erlass eines verbindlichen Rahmens über die eigenen und mitgliedstaatlichen Kontrollrechte und greift so die bisherigen interinstitutionellen Bemühungen um die Vereinheitlichung von Standards auf. Die Konstruktion orientiert sich an Art. 291 Abs. 3 AEUV als Grundlage der Komitologieverordnung. Ob die zahlreichen Vorschläge bspw. über ein parlamentarisches Zitationsrecht oder die Budgetkontrolle13 am sinnvollsten in der entsprechenden Verordnung oder gleichfalls primärrechtlich verankert werden sollten, sei in Anbetracht des abweichenden Schwerpunkts der vorstehenden Untersuchung der weiteren Diskussion des Schrifttums anheimgestellt.14 Ein weiterer überlegenswerter Bestandteil des Reformartikels wäre eine vertragliche Verfalls- bzw. Änderungsklausel für Agenturen. Allerdings erscheinen entsprechende sekundärrechtliche Beschränkungen sinnvoller, da je nach Tätigkeitsfeld ganz unterschiedliche Interessen am Bestand von Agenturen bestehen. So ging es etwa mit der Schaffung der ESA gerade auch um die hinter der Institutionalisierung stehende Symbolik einer nunmehr verstetigten europäischen Finanzmarktaufsicht. Eine entsprechende Absichtserklärung i. S. einzelfallbezogener sekundärrechtlicher Aufnahmen findet sich in der Gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission zu den dezentralen Agenturen.15 Hinsichtlich der Nummerierung wird eine Einfügung in das zweite Kapitel („Rechtsakte der Union, Annahmeverfahren und sonstige Vorschriften“) des ersten Titels („Vorschriften über die Organe[sic]“) des sechsten Teils („Institutionelle Bestimmungen und Finanzvorschriften“) des AEUV vorgeschlagen, da Agenturen weder als Organe (erstes Kapitel) noch als beratende Einrichtungen (drittes Kapitel) bezeichnet werden können. Eine Einfügung hinter Art. 291 AEUV scheint allerdings wenig passend, wird in dem Reformartikel doch nicht etwa eine spezifische Handlungsform, sondern ein Institutionentyp geregelt. An dieser Stelle sei angemerkt, dass auch mit dem Reformvorschlag die Frage offenbleibt, in welcher Beziehung die verschiedenen Maßnahmen von Agenturen zu den vertraglich genannten Handlungsformen (jenseits ihrer Entwicklung, s. o.) stehen. Die Nor 13

S. o. 3. Teil D. V. Vgl. den Vorschlag bei C. U. Treeger, der eine Rechtsaufsicht durch die Kommission vorsieht, dies., Die Errichtung nachgeordneter Einrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft, S. 208. 15 Vom 19.7.2012, Anhang, I. 4. 14

C. Summary of Results  

305

mierung einer europäischen Handlungsformenlehre ginge deutlich über den Anspruch einer Regelung von Agenturen hinaus und erforderte die Änderung zahlreicher Vertragsvorschriften. Am sinnvollsten erscheint daher eine Nummerierung als Art. 298a AEUV. So wird an die generelle, normativ schwer zu erfassende Nennung einer „offenen, effizienten und unabhängigen europäischen Verwaltung“ in Art. 298 Abs. 1 AEUV angeknüpft.

C. Summary of Results (1) Primary law does not stand in the way of the pervasiveness of specialised agencies with executive powers. Article 5 TEU, which is the key provision on the vertical separation of powers, barely limits the quality or quantity of the agency model. (2) Within the material competence of the Union most legal bases provide wide ­legal consequences that include institutional measures. Thus, the executive, organisational and legislative competence of the Union largely overlaps. In particular, most legal bases – taken by themselves – do not lead to any specific conclusions about the functions of agencies, but rather include powers to adopt legally binding decisions and to engage in executive rule-making. (3) The most important exception to the organisational openness of conferred competence derives from the wording of Article 114 TFEU. The immediate legal effects of the establishment of agencies and allocation of power to agencies do not correspond to the instrumental immediate objective of approximation of provisions. References to indirect and potential effects of approximation in this regard fail to take into account the fact that the Member States have decided against a general internal market competence of the Union. In particular, Article 114 TFEU does not authorise the Union legislator to adopt measures aiming to approximate the implementation of Union law by Member States. This prohibits, in particular, conferring upon agencies power to adopt legally binding decisions or to monitor Member States’ actions on the basis of Article 114 TFEU. (4) According to the doctrine of implied powers, a narrow organisational competence is implied by Article 114 TFEU. To remain compatible with the principle of conferral, this competence requires evidence that an appropriate exercise of the provision in the specific aspect of the internal market (e.g. the financial market authority) will not otherwise succeed. It would be circular and therefore inadmissible to assess the appropriateness of the exercise on the basis of the measure in question alone. It cannot be argued that a uniform implementation of the relevant approximated legal framework requires decision-making or monitoring by agencies. Rather, the relevance to the internal market and the harmonising effect remain crucial criteria for the implied power as well. Thus,

306

Gesamtbewertung

in exceptional cases the implicit content of Article 114 TFEU permits an indirect approximation, as it can be achieved by assignments of informational, support or norm-substantiating powers to agencies. In contrast, agency powers to address legally binding decisions or to control Member State measures constitute an inadmissible resulting power in regard to Article 114 TFEU. (5) In the search for institutional competences, the principle of effectiveness (­effet utile) cannot justify an extensive interpretation of Treaty provisions. The Union, by creating its own administrative bodies, would not compensate its lack of law enforcement, but rather entirely overcome it in the respective regulatory area. Thus, the justification for the normativity of the principle of effectiveness does not cover institutional measures. (6) By replacing the criterion of harmonising effect with the guarantee of „the unity of the market“ in its recent case-law (short-selling ruling dated 22 January 2014, C-270/12 United Kingdom v European Parliament and Council, paragraph 106; see also C-217/04 United Kingdom v European Parliament and Council [2006] ECR I-3771, paragraph 44; C-359/92 Germany v Council [1994] ECR I-3681, paragraph 37) the ECJ renounced a viable contouring of the internal market clause in the field of agencies. The Court of Justice therefore brings the provision closer to a general internal market competence. The decision against a categorical exclusion of decision-making powers departs all the more from the provisions scope, as judicial review reveals a strong fixation to the recitals of the Union legislator. As elsewhere, the ECJ does not comply with its own postulate of objective verifiability of the criteria of legal bases. Therefore, it is no operable limitation that – according to the ECJ – only in exceptional cases enforcement powers fall within the scope of Article 114 TFEU. (7) According to the restrictive interpretation of Article  114  TFEU represented here, Article 352 TFEU continues to be of importance for the establishment of agencies as a subsidiary general authorisation within the Treaty objectives. In the light of the organisational openness of many competences related to special fields of policy, this applies less in breadth than in depth. In particular, allocations of decision-making and supervisory powers in the sphere of the internal market must be based on the flexibility clause. Article 352 TFEU does not set any specific barriers and does not reveal a numerical limit for the foundation of agencies. (8) Clusters of power can only be allocated on a single legal basis, if the powers individually correspond with that provision. An overall consideration that would neglect deviating powers (e.g. because of minor importance) is inadmissible. If the emphasis of a cluster of power cannot be determined or if individual powers correspond with different legal bases, a cumulation of legal bases is required. If the legislative procedures are not combinable, a splitting into different legislation proposals is mandatory. In particular, the same measure cannot be cumulatively based on special competences and on Article 352 TFEU.

C. Summary of Results  

307

(9) In their current configuration, the principles of subsidiarity and proportionality do not provide any effective adjustments to the fact that, according to the principle of conferral, the Union may regularly act through agencies within its material competence. The outcome of the subsidiarity test depends on the reasoning of the Union legislator, since the first subparagraph of Article 5(3) TEU wrongly promotes the measure in question itself to be the test object. Furthermore, the ECJ refuses any effective scrutiny. Weak agencies, as well as agencies with powers of monitoring, rule-making or intervention-based decision-making are barely limited by the principles of subsidiarity and proportionality de lege lata. Even in the event of full replacements of the Member States’ implementation – especially in the field of approval procedures – neither principle stands in the way, as long as the need for a uniform implementation is recognised as a sufficient justification. The acceptance of this justification – as in the ECJ jurisprudence – contradicts a substantial aspect of the subsidiarity principle as defined by the Treaty, which is the risk of an incoherent implementation on principle – necessarily implied by the divergence of norm-setting and norm-implementing level. Refusing to recognise the risk of an incoherent implementation of Union law per se as a sufficient justification would be one judiciary approach to put teeth into the principle of subsidiarity. (10) Contrary to popular opinion, the treaties do not provide an autonomous and general normative principle that allocates the implementation of Union law to the Member States. The rule-exception relationship laid down in Article 291 TFEU relates solely to the relationship of the Member States to the Commission and Council and merely concerns the implementing acts as  a tool to which only those specific institutions are entitled. Considering the implementation by agencies not as a „third way“ between direct (i. e. implementation by Union institutions) and indirect implementation (i. e. implementation by the Member States’ authorities), but correctly as a form of direct implementation, Article  291 TFEU therefore leads to  a contradiction since the Treaties do not provide any corresponding provisions for agencies. Nevertheless, a resolution by analogy of Article 291(2) TFEU seems unsuitable as the exceptional case of direct implementation is to be measured on the basis of the already applicable principle of subsidiarity. In contrast, for the purpose of laying down rules and general principles concerning mechanisms for control of the exercise of power by agencies, an analogous application of Article 291(3) TFEU would be an important step towards a better acceptance of the Agency model. (11) The „agency blindness“ of Article 291 TFEU corresponds to a general terminological inconsistency of the Treaties with regard to forms of action. Thus, agencies cannot exert decisions within the meaning of Article 288(4) TFEU, but rather adopt equivalent binding decisions. Since especially the provisions relating to judicial protection do not consistently adhere to the provisions of Article 288 TFEU, this is a mere semantic question.

308

Gesamtbewertung

(12) The diverse legal assessments of the Treaties which are commonly grouped under the heading of institutional balance provide qualitative limits of agencification. Notwithstanding the significant disagreement about the exact content of horizontal guarantees, the observed breadth of Article  5  TEU ultimately needs to be put into perspective with those paramount minimal statements  – above all the inadmissibility of allocating powers to adopt (quasi-)legislative acts or to allocate powers that are already assigned otherwise by primary law. This also includes a monopoly of the Commission or the Council to adopt and develop delegated acts and implementing acts. Another important horizontal restriction is the requirement of a certain dependence of agencies on the institutions of the Union. (13) Arbitrary groupings of tasks relating to different policy fields within a single agency are prohibited neither on the basis of the principle of conferral nor on the basis of the Commission’s competence, but rather on the basis of the principles of subsidiarity and proportionality. Since the typical arguments in favour of agencification are convincing only if the agency acts as a specialised independent and expertocratic institution, the principles of subsidiarity and proportionality provide a horizontal limitation in this regard. (14) With respect to the implementation of Union law, there is no general presumption of competence in favour of the Commission in relation to agencies. Subject to the qualitative limits of agency powers outlined above, the concept of a Commission that is focused on its tasks pursuant to primary law and an independent expert management composed of agencies is therefore admissible. Based on the foregoing analysis, the insertion of the following provision into the TFEU is proposed: Art. 298a (1) In accordance with its competence, the Union may establish independent specialised bodies with legal personality (agencies) and assign to them the necessary powers to fulfil specific tasks closely circumscribed in the respective legal acts. The competence of the Union’s institutions as provided for by the Treaties, in particular pursuant to Articles 290 and 291 of this Treaty, shall remain unaffected. For the development of implementing acts of the Commission or of the Council, agencies can be vested with rights of their own. However, agencies shall not adopt decisions that are essential with regard to their scope. (2) In accordance with the principle of subsidiarity, in areas which do not fall within its exclusive competence, the Union shall make use of paragraph 1 only to the extent that with regard to a specific regulatory area a Treaty objective requires a uniform and independent administration. Such a requirement shall be met if measures of the Member States alone are considered to compromise the attainment of the objective substantively. Article 5(3) of the Treaty on European Union shall remain unaffected. (3) For the purposes of paragraph 1, the European Parliament and the Council, acting by means of regulations in accordance with the ordinary legislative procedure, shall lay down the rules and general principles concerning mechanisms for control by the European Parliament, the Council and the Member States of the exercise of power by agencies.

Anhang Die Tabelle dient der Übersicht über die beschriebene Rechtspraxis. Diesem Zweck halber berücksichtigt sie (Einrichtungen der früheren sog. zweiten und dritten Säule ausgenommen) keine Änderungen der jeweiligen Gründungsrechtsakte.1 Auch kann die Einordnung der Aufgaben nur schemenhaft erfolgen. Als Vorbereitung von rechtsverbindlichen Entscheidungen werden nur solche Tätigkeiten bezeichnet, die formalisiert i. S. einer obligatorischen Mitwirkung der Agentur in Entscheidungsprozesse eingebettet sind. Außer Betracht bleiben die verschiedentlich umfangreichen, zur Erfüllung ihrer Aufgaben allen Agenturen zukommenden Intendanturaufgaben2. Praxis der Rechtsgrundlagenwahl bei der Gründung europäischer Agenturen Name

Abkürzung

Gründung

Aufgaben

Rechts­ grundlage

Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung

Cedefop

1975

Information, Unterstützung

Art. 235 EWG (≈ Art. 352 AEUV)

Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen

EUROFOUND

1975

Information

Art. 235 EWG (≈ Art. 352 AEUV)

Europäische Umweltagentur

EEA (EUA)

1990

Information, Unterstützung

Art. 130s EWG (≈ Art. 192 AEUV)

Europäische Stiftung für Berufsbildung

ETF

1990

Information, Unterstützung

Art. 235 EWG (≈ Art. 352 AEUV) (Fortsetzung nächste Seite)

1 Das Jahr der Gründung bezieht sich auf den Erlass des Gründungsrechtsaktes, nicht auf die tatsächliche Aufnahme der Tätigkeit. Exekutivagenturen sowie Agenturen und sonstige Einrichtungen von Euratom werden nicht berücksichtigt. 2 Zum Begriff s. H.-W. Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 9.

310

Anhang

(Fortsetzung)

Name

Abkürzung

Gründung

Aufgaben

Rechts­ grundlage

Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht

EMCDDA

1993

Information

Art. 235 EWG (≈ Art. 352 AEUV)

Europäische Arzneimittelagentur

EMA

1993

Information, Koordinierung, Unterstützung, Vorbereitung rechtsverbindlicher Entsch. ggü. Privatsubjekten3

Art. 235 EWG (≈ Art. 352 AEUV)

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle)/Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum4

HABM/OHIM

1993

rechtsverbindliche Entsch. ggü. Privatsubjekten5

Art. 235 EG (≈ Art. 352 AEUV)

Übersetzungs­ zentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union

CdT

1994

Unterstützung

Art. 235 EG (≈ Art. 352 AEUV)

Gemeinschaftliches Sortenamt

CPVO

1994

rechtsverbindliche Entsch. ggü. Privatsubjekten6

Art. 235 EG (≈ Art. 352 AEUV)

3 Die EMA ist in ein komplexes, funktional differenziertes Entscheidungsverfahren eingebettet. Ein Expertenausschuss der Agentur erarbeitet auf Antrag der Hersteller wissenschaftliche Gutachten über die Zulassungsfähigkeit von Arzneimitteln. Die Entscheidung über die Zulassung verbleibt jedoch bei einem Komitologie-Ausschuss, dem die Kommission auf der Grundlage des EMA-Gutachtens einen Entscheidungsentwurf vorlegt. Faktisch kommt der EMA in diesem Verfahren angesichts einer sehr geringen Abänderungsquote jedoch die überragende Rolle zu, s. o. 1. Teil C. III. 3. a). 4 S. 1. Teil, Fn. 84. 5 Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt entscheidet gem. Art.  36 ff. VO (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. EG 1994 L 11/1) über die Eintragungsfähigkeit der Gemeinschaftsmarken und gem. Art. 45 ff. VO (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmackmuster (ABl. EG 2002 L 3/1) der Gemeinschaftsgeschmackmuster.

311

Anhang Name

Abkürzung

Gründung

Aufgaben

Rechts­ grundlage

Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz

EU-OSHA

1994

Information, Unterstützung

Art. 235 EG (≈ Art. 352 AEUV)

Europäisches Polizeiamt7

Europol

1995 (2009)

Information, Unterstützung, Koordinierung

Art. K 3 EUV (Art. 30 Abs. 1 lit. b, Abs. 2, Art. 34 Abs. 2 lit. c EUV a. F. (≈ Art. 88 AEUV))

Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

EUMC

1997 (2007 abgelöst durch FRA)

Information

Art. 213, 235 EG (≈ Art. 337, 352 AEUV)

Europäische Agentur für den Wiederaufbau

EAR

2000 (Tätigkeit am 31.12.2008 eingestellt)

Information, Unterstützung, Leistungsverwaltung

Art. 308 EG (≈ Art. 352 AEUV)

Europäische Polizeiakademie

EPA/CEPOL

2000

Information, Unterstützung

Art. 30 Abs. 1 lit. c, Art. 34 Abs. 2 lit. c EUV a. F. (≈ Art. 87 Abs. 2 AEUV)8 (Fortsetzung nächste Seite)

6 Das Gemeinschaftliche Sortenamt entscheidet gem. Art. 49 ff. VO (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27.7.1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. EG 1994 L 227/1) selbständig über Anträge auf gemeinschaftlichen Sortenschutz. 7 Europol wurde zunächst auf Basis der ausdrücklichen Kompetenz zu einer entsprechenden Errichtung in Art. K 3 EUV i. d. F. des Vertrags von Maastricht als internationale Organisation durch das Europol-Übereinkommen (ABl. EU 1995 C 316) gegründet. Durch Beschluss des Rates vom 6.4.2009 zur Errichtung des Europäischen Polizeiamtes (Europol/ABl. EU 2009 L  121/37) i.R.d. ehemaligen polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen wurde Europol als Rechtsnachfolger der bisherigen gleichnamigen Einrichtung zu einer Agentur der Europäischen Union, die sich nunmehr aus dem Gesamthaushalt derselben finanziert. Nunmehr sieht Art. 88 AEUV ausdrücklich eine Gründung per Verordnung vor, vgl. o. 2. Teil C. V. 2. e). 8 Auf Art. 87 Abs. 2 AEUV wurde die jüngste Änderung (Verlegung des Sitzes von Bramshill nach Budapest) gestützt, VO (EU) Nr. 543/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014, ABl. EU 2014 L 163/5.

312

Anhang

(Fortsetzung)

Name

Abkürzung

Gründung

Aufgaben

Rechts­ grundlage

Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien9

EUISS/ISS

2001

Information

Art. 14 EUV a. F. (≈ Art. 28, 31 Abs. 1 EUV)

Europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit

Eurojust

2002

Information, Unterstützung, Koordinierung

Art. 31, 34 Abs. 2 lit. c EUV a. F. (≈ Art. 85 AEUV)

Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit

EFSA

2002

Information, Unterstützung

Art. 37, 95, 133, 152 Abs. 4 lit. b EG (≈ Art. 43, 114, 207, 168 Abs. 4 lit. b AEUV)

Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs

EMSA

2002

Information, Unterstützung, Koordinierung, Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs

Art. 80 Abs. 2 EG (≈ Art. 100 Abs. 2 AEUV)

Satellitenzentrum der Europäischen Union

EUSC

2002

Information, Unterstützung

Art. 14 EUV a. F. (≈ Art. 28 EUV)

Europäische Agentur für Flugsicherheit

EASA

2002

Information, rechtsverbindliche Entsch. ggü. Privatsubjekten,10 exekutive De-factoRechtsetzung11, Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs

Art. 80 Abs. 2 EG (≈ Art. 100 Abs. 2 AEUV)

9 Das EUISS wurde im Rahmen der GASP (jedoch als Agentur der Europäischen Union) durch die Gemeinsame Aktion 2001/554/GASP vom 20.7.2001 (ABl. EG 2001 L 200/1) auf Basis von Art.  14 EUV i. d. F. des Vertrags von Amsterdam eingerichtet und nunmehr gem. Art. 28, 31 Abs. 1 EUV durch den Beschluss 2014/75/GASP des Rates vom 10.2.2014 (ABl. EU 2014 L 41/13) auf eine neue Grundlage gestellt. 10 Zwar verbleibt die Stückzulassung einzelner Luftfahrzeuge und -fahrzeugteile bei den nationalen Luftverkehrsbehörden. Die EASA führt aber selbständig das den Stückzulassungen vorgelagerte Musterzulassungsverfahren durch, wobei ihr auch (erstmalig für eine Agentur) Inspektionsbefugnisse ggü. Marktteilnehmern zukommen, Art. 15 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1592/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2002 zur Festlegung gemeinsamer

313

Anhang Name

Abkürzung

Gründung

Aufgaben

Rechts­ grundlage

Agentur für das Europäische GNSS

GSA

2004

Unterstützung, Koordinierung, Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs

Art. 308 EG (≈ Art. 352 AEUV)

Europäische Verteidigungsagentur

EVA/EDA

2004

Information, Unterstützung, Koordinierung

Art. 14 EUV a. F. (≈ Art. 28 EUV/ausdrücklich in Art. 42 Abs. 3 UAbs. 2 S. 2, 45 EUV genannt)

Europäische Eisenbahnagentur

ERA

2004

Information, Unterstützung, Koordinierung, Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs

Art. 71 Abs. 1 EG (≈ Art. 91 Abs. 1 AEUV)

Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen/Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache

Frontex12

2004

Information, Unterstützung, Koordinierung, Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs13

Art. 62 Pt. 2 lit. a, Art. 66 EG (≈ Art. 74, 77 AEUV)

(Fortsetzung nächste Seite)

Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit; zur Einordnung vgl. D.  Riedel, in: Schmidt-Assmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 106 f.; vgl. o. 1. Teil C. III. 3. a). 11 Die EASA gibt Zulassungsspezifikationen (CS) heraus (bspw. technische Detailregelungen). Diese sind rechtlich zwar lediglich als unverbindliche Regeln zu qualifizieren, berühren jedoch neben dem Zulassungsverfahren durch die EASA auch den Vollzug durch die mitgliedstaatlichen Stellen und entfalten hier, vor allem im Wege der Selbstbindung, de facto eingeschränkt rechtliche Wirkungen, D. Riedel, in: Schmidt-Assmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 107 f., s. o. 1. Teil C. III. 3. a). 12 Nach der VO des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenzund Küstenwache und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.  2007/2004, der Verordnung (EG) Nr.  863/2007 und der Entscheidung 2005/267/EG des Rates (KOM (2015) 671 final) wird die Agentur künftig nur noch als Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache bezeichnet. 13 Zur Verantwortungszuweisung bei polizeilichen Maßnahmen von Frontex vgl. o. 2. Teil C. V. 2. e), Fn. 624.

314

Anhang

(Fortsetzung)

Name

Abkürzung

Gründung

Aufgaben

Rechts­ grundlage

Europäische Agentur für Netzund Informationssicherheit

ENISA

2004

Information, Unterstützung

Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV)

Europäische Fischereiaufsichtsagentur

CFCA

2005

Information, Unterstützung, Koordinierung

Art. 37 EG (≈ Art. 43 AEUV)

Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten

ECDC

2005

Information, Unterstützung, Koordinierung

Art. 152 Abs. 4 EG (≈ Art. 168 Abs. 4 AEUV)

Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen

EIGE

2006

Information

Art. 13 Abs. 2, Art. 141 Abs. 3 EG (≈ Art. 19 Abs. 2, Art. 157 Abs. 3 AEUV)

Europäische Chemikalienagentur

ECHA

2006

Information, Unterstützung, Koordinierung, rechtsverbindliche Entsch. ggü. Privatsubjekten14

Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV)

Agentur der Europäischen Union für Grundrechte

FRAU

2007

Information

Art. 308 EG (≈ Art. 352 AEUV)

Europäisches Innovations- und Technologie­ institut15

EIT

2008

Information, Unterstützung, Koordinierung

Art. 157 Abs. 3 EGV (≈ Art. 173 Abs. 3 AEUV)

14 Die ECHA dient i.R.d. REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, s. VO (EG) Nr.  1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2006, ABl. EU 2006 L  396/1  – zugleich Gründungsrechtsakt der ECHA) als zentrale Schaltstelle. Sie entscheidet selbständig über die Registrierung von Chemikalien, überprüft­ dabei aber einzig die Vollständigkeit der vorzulegenden Informationen. Für umfangreichere Bewertungen ist eine enge Einbindung der Mitgliedstaaten sowie die Möglichkeit einer Verlagerung der Entscheidung bei unterschiedlicher Beurteilung auf die Kommission vorgesehen, s. die Übersicht bei Th. Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, S. 96 ff.; s. außerdem A. Braun, Bundesbehörden und europäische Agenturen als Akteure in Risikoverfahren des Umwelt- und Gesundheitsschutzrechts, S. 233 ff.; vgl. o. 1. Teil C. III. 3. c) bb). 15 EIT wird offiziell nicht als Agentur eingeordnet, dazu o. 1. Teil B. II.

315

Anhang Name

Abkürzung

Gründung

Aufgaben

Rechts­ grundlage

Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden

ACER

2009

Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV)

Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen Europäische Bankaufsichts­ behörde

BEREC/ GEREK

2009

Information, Unterstützung, Koordinierung, Mitwirkung an exekutiver Rechtsetzung,16 rechtsverbindliche Entsch. ggü. Behörden der MS,17 rechtsverbindliche Entsch. ggü. Privatsubjekten18 Information, Unterstützung

EASO

2010

Unterstützung, Koordinierung

EBA

2010

Information, Unterstützung, Koordinierung, exekutive Rechtsetzung,19 rechtsverbindliche Entsch. ggü. Behörden d. MS,20 rechtsverbindliche Entsch. ggü. Privatsubjekten21

Art. 74, 78 Abs. 1, 2 AEUV Art. 114 AEUV

Art. 95 EG (≈ Art. 114 AEUV)

(Fortsetzung nächste Seite)

16 ACER legt der Kommission nicht bindende Rahmenleitlinien bei der Erstellung europäischer Netzvorschriften vor, Art. 4 lit. e, Art. 6 VO (EG) Nr. 713/2009. 17 ACER trifft verbindliche Einzelfallentscheidungen im Bereich des Zugangs zu grenzüberschreitenden Infrastrukturen und deren Betriebssicherheit, Art. 7, 8, 9 VO (EG) Nr. 713/2009. Diese kann sie auch in solchen Fällen treffen, die in die Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Behörden fallen, sofern diese untätig bleiben bzw. keine Einigung erzielen, Art. 8 Abs. 1 lit. a ebd. 18 Die ebd. vorgesehenen Entscheidungen sind auch ggü. Privatsubjekten verbindlich, P. v. Cleynenbreugel, 21 MJ 1 (2014), S. 70 f. 19 Die EBA entwickelt technische Regulierungsstandards (Art. 10 ff. VO (EU) Nr. 1093/2010) sowie technische Durchführungsstandards (Art. 15 ebd.), vgl. dazu ausführlich o. 1. Teil C. III. 3. d), 2. Teil B. II. 4. 20 In einem Krisenfall, der vom Rat und der Kommission förmlich festzustellen ist, kann die EBA zunächst mitgliedstaatliche Behörden auf Vornahme der unionsrechtlich gebotenen Maß-

316

Anhang

(Fortsetzung)

Name

Abkürzung

Gründung

Aufgaben

Rechts­ grundlage

Europäische Wertpapier- und Marktaufsichts­ behörde

ESMA

2010

Information, Unterstützung, Koordinierung, exekutive Rechtsetzung,22 rechtsverbindliche Entsch. ggü. Behörden d. MS,23 rechtsverbindliche Entsch. ggü. Privatsubjekten24

Art. 114 AEUV

Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung

EIOPA

2010

Information, Unterstützung, Koordinierung, exekutive Rechtsetzung,25 rechtsverbindliche Entsch. ggü. Behörden d. MS,26 rechtsverbindliche Entsch. ggü. Privatsubjekten27

Art. 114 AEUV

nahmen verpflichten, Art. 18 Abs. 3 VO (EU) Nr. 1093/2010. Entsprechendes gilt im Falle von Meinungsverschiedenheiten zwischen den mitgliedstaatlichen Behörden, Art. 19 Abs. 3 ebd. 21 Die EBA ist im Falle der Nichteinhaltung unionsrechtlicher Vorgaben durch mitgliedstaatliche Behörden zur Verpflichtung von Finanzinstituten (i. e. Privatsubjekten) auf Einhaltung der sie bindenden unionsrechtlichen Bestimmungen befugt, Art. 17 Abs. 6 VO (EU) Nr. 1093/2010. Diesen Maßnahmen kommt Vorrang vor Beschlüssen der jeweiligen mitgliedstaatliche Behörde zu, ebd. Abs. 7. Auch wenn die mitgliedstaatliche Behörde in einem Krisenfall nicht dem Beschluss der EBA entspricht, kann die EBA Finanzinstitute selbst per Beschluss zur Einhaltung der sie unmittelbar bindenden unionsrechtlichen Bestimmungen verpflichten, Art. 18 Abs. 4 VO (EU) Nr.  1093/2010. Auch hier besteht Vorrangwirkung ggü. den Maßnahmen der mitgliedstaatlichen Behörde, ebd. Abs. 5. Weiterhin ist die EBA zur direkten Verpflichtung von Finanzinstituten im Falle von Meinungsverschiedenheiten mit mitgliedstaatlichen Behörden befugt, Art. 19 Abs. 4 (Art. 20) ebd. 22 Vgl. o. 1. Teil C. III. 3. d), 2. Teil B. II. 4. 23 Die ESMA ist im Krisenfall (Art.  18 Abs.  3 VO (EU) Nr.  1095/2010) sowie im Falle von Meinungsverschiedenheiten zwischen mitgliedstaatlichen Behörden zu verbindlichen Beschlüssen an diese ermächtigt (Art. 19 Abs. 3, 20 ebd.); vgl. o. 1. Teil C. III. 3. c) aa). 24 Vgl. o. 1. Teil C. III. 3. c) bb). 25 Die EIOPA verfügt über den Befugnissen der EBA und der ESMA entsprechende Kompetenzen zum Erlass technischer Regulierungs- und Durchführungsstandards, Art. 10 ff., 15 VO (EU) Nr. 1094/2010.

317

Anhang Name

Abkürzung

Gründung

Aufgaben

Rechts­ grundlage

Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von ITGroßsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

Eu-LISA

2011

Information, Unterstützung, Koordinierung

Art. 74, 77 Abs. 2 lit. a, b, Art. 78 Abs. 2 lit. e, Art. 79 Abs. 2 lit. c, Art. 82 Abs. 1 lit. d, Art. 85 Abs. 1, Art. 87 Abs. 2 lit. a, Art. 88 Abs. 2 AEUV

Ausschuss für die einheitliche Abwicklung

SRB

2014

Information, Unterstützung, Koordinierung, (Vorbereitung) rechtsverbindliche(r) Entsch. ggü. Privatsubjekten28

Art. 114 AEUV

26 Die Kompetenzen zur Verpflichtung mitgliedstaatlicher Behörden entsprechen denen von EBA und ESMA, Art. 18 Abs. 3, 19 Abs. 3, 20 VO (EU) Nr. 1094/2010. 27 Die Kompetenzen zur Verpflichtung von Privatsubjekten entsprechen denen von EBA und ESMA, Art. 17 Abs. 6, Art. 18 Abs. 4, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 VO (EU) Nr. 1094/2010. 28 Der Ausschuss für die einheitliche Abwicklung erstellt für durch die EZB überwachte Kreditinstitute Abwicklungspläne, sodass eine Restrukturierung bzw. Liquidation innerhalb weniger Tage erfolgen kann (Art. 7 Abs. 2, Art. 8 VO (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der VO (EU) Nr. 1093/2010). Hierzu kann der Ausschuss von den Kreditinstituten umfassende Informationen einfordern (Art.  34 ff. ebd.) und Maßnahmen zur Gewährleistung der Abwicklungsfähigkeit, bspw. Eigenkapitalquoten, anordnen (Art. 12 ebd.). Die durch den Ausschuss gemeinsam mit der EZB vorbereitete letztliche Abwicklungsentscheidung liegt dagegen bei Rat und Kommission (Art. 18 ebd., so auch zusammenfassend A.-K.  Kaufhold, in: Schmidt/Wollenschläger (Hrsg.), Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl., S. 650 f.

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1

Ausgenommen sind in Amts- und Gesetzesblättern aufgeführte Dokumente.

Sachverzeichnis Abänderungsrecht 125 Agentur –– Definition 30 –– dezentrale  37, 294 –– Entwicklung 41 –– konzeptionelle Zulässigkeit  98 –– schwache  63, 71, 191, 209 –– Typologie 39 –– Unabhängigkeit  92, 103, 124, 189, 216, 262, 293 –– Zweckmäßigkeit 44 Agentur der Europäischen Union für Grundrechte  218, 222, 250 Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden  66, 127, 166 Agenturisierung 71 allgemeine Binnenmarktkompetenz  113, 150, 154, 191, 196, 296 Alliance for Natural Health  79 Amt 100 Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum  66, 224 Änderungsklausel 304 Angemessenheit  259, 260 Annexkompetenz  48, 115, 175, 180, 181, 193 Arcor-Entscheidung 276 Arzneimittelrichtlinie 194 Attribution siehe Befugniszuweisung Aufgabenzuweisung 196 Ausgründung 99 ausschließliche Zuständigkeit  240, 301 Ausschuss der Regionen  139 Ausschuss für die einheitliche Abwicklung  32, 69 Ausübungsbestimmung 238 Autonomie  32, 33, 94, 101 –– des Gemeinschaftsrechts  132 –– mitgliedstaatliche 261 Basisrechtsakt  125, 163, 213 Befugnis 47

Befugnisbündel  71, 135, 140, 298 Befugnisübertragung siehe Delegation Befugniszuweisung  48, 72, 90, 112, 140, 160, 191, 224, 241, 258, 265, 287, 296, 302 –– an die Union  179 Behörde für Lebensmittelsicherheit  123 Beihilfenaufsicht 99 Berichtspflicht 293 Beschluss  56, 65, 100, 299 Beschwerdekammer  35, 143 Bessere Rechtsetzung (Initiative)  247 Bestimmtheitsgrundsatz 216 Beurteilungsspielraum  76, 152, 205 Bezeichnungspflicht  273, 286 Bindungswirkung  62, 158, 291 Binnengremium 265 Binnenmarkt  109, 110, 250 Binnenmarkteffekt –– negativer  151, 160 –– positiver  151, 252 Binnenmarktklausel  24, 28, 46, 49, 106, 107, 113, 116, 126, 148, 217, 235 –– Anwendungsbereich 148 Binnenmarktkriterium  151, 172 Binnenorganisation 34 Biozidprodukt-Entscheidung 274 Brüsseler Organe  72, 99, 120, 280, 292 Budgetkontrolle 304 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs­ aufsicht 118 checks and balances 291 Ciola 276 Day-to-Day Supervision  67, 234 Decision-Making Agency 39 Dekonzentration 37 delegatio a iure 53 Delegation  50, 73, 75, 78 –– echte 52 –– unechte 53

Sachverzeichnis delegierter Rechtsakt  58, 59, 69, 83, 121, 124, 165, 212, 268, 281 Demokratieprinzip  46, 57, 87, 103, 125, 128, 147, 192, 217, 232, 290, 293 Deutsche Milchkontor  266 Dezentralisierung  37, 287 Dienststelle der Kommission  84 Direktor  35, 123 Diskriminierungsverbot 133 Doppelstruktur  45, 259 Durchführung  55, 98, 109, 113, 214, 267 Durchführungsbefugnis  51, 82, 164 Durchführungsmaßnahme 181 Durchführungsrechtsakt  53, 58, 59, 69, 124, 165, 212, 267, 281, 298, 301 Durchführungsstandard 282 Effektivitätsprinzip  29, 131, 194, 236, 244, 245, 276, 297 effet utile siehe Effektivitätsprinzip Eingriffsbefugnis  119, 131 Eingriffsverwaltung 119 einheitlicher Rechtsrahmen  31 Einrichtungen und sonstige Stellen  30, 57, 70, 91, 96, 124, 269 Einzelbetrachtung (Normenkonkurrenz)  141 Einzelfallentscheidung  43, 56, 85, 128, 152, 161, 171, 270, 274, 277 Einzelfallregelung 268 Empfehlung  59, 64 EMRK-Gutachten  227, 230, 231 ENISA  29, 45, 71, 107, 116, 131, 140, 148, 156, 161, 168, 189, 208 Entwicklungsmonopol  281, 301 Erforderlichkeit  219, 250, 259, 260 Erlassmonopol  281, 301 Ermessen  67, 68, 74, 78, 99, 111, 114, 120, 128, 134, 152, 156, 221, 254, 273 Ernennungsrecht 293 Errichtung  48, 112, 140, 161, 189, 210, 241, 258, 265 ESMA  24, 116, 131, 273 Eurojust  85, 95, 209 Europäische Agentur für das Betriebs­ management von IT-Großsystemen im RFSR  135, 209 Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache  209, 210

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Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs  62, 203 Europäische Agentur für Flugsicherheit  53, 60, 66, 85, 203, 256 Europäische Agentur für Grundrechte  259 Europäische Arzneimittelagentur  46, 60, 254 Europäische Atomgemeinschaft  36, 104 Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung 117 Europäische Bankenaufsichtsbehörde  117 Europäische Behörde für Lebensmittel­ sicherheit 206 Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht  250 Europäische Chemikalienagentur  67, 141, 270 Europäische Eisenbahnagentur  203 Europäische Finanzaufsichtsbehörden  59, 66, 69, 85, 117, 162, 166, 171, 229, 243, 256, 264, 282, 304 Europäische Finanzstabilisierungsfazilität  222 Europäische Polizeiakademie  209 Europäischer Ausschuss für Systemrisiken  121 Europäischer Stabilitätsmechanismus  222 Europäisches Innovations- und Technologieinstitut  40, 201 Europäisches Kartellamt  205, 228, 240 Europäisches Parlament  100, 103, 110, 138, 210, 233, 254, 268, 284, 301, 304 Europäisches Regieren, Weißbuch  44 Europäisches System der Finanzaufsicht  117 Europäische Staatsanwaltschaft  44 Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit  144, 250 Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen  42, 201 Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen 209 Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung  23, 104 Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten  206, 250

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Sachverzeichnis

Europäische Umweltagentur  46, 52, 99, 197, 209, 292 Europäische Verteidigungsagentur  33, 95, 212 Europäische Zentralbank  33, 56, 69 European Supervisory Authorities siehe Europäische Finanzaufsichts­ behörden Europol  34, 95, 209 Exekutivagentur  36, 51, 78, 104, 214, 215 Exekutive 54 Expertise  43, 45, 60, 69, 114, 122, 171, 192, 284, 288 Fachaufsicht  104, 293 Fachbehörde 32 Fachverwaltung 294 Fédéchar-Entscheidung 176 Flexibilitätsklausel siehe Vertragsabrundungskompetenz Förderung der Zusammenarbeit  200 Förderung (Rechtsfolge)  201 Formwahlermessen 262 Frontex 209 Funktion 47 funktionale Betrachtung  83, 140 Geeignetheit  221, 224, 259, 260 Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik  44, 198, 212, 219 gemeinsame Erklärung  31 Gemeinschaftliches Sortenamt  66, 123 Gemeinschaftsagentur 36 Gemeinschaftssystem der Hafenstaat­ kontrolle 63 Generaldirektion Wettbewerb  205 Generalsekretariat 84 Gesamtbetrachtung (Normenkonkurrenz)  140 Geschäftsfähigkeit 32 Geschäftsordnungsautonomie 101 Gesetzgebungsverfahren  103, 166 Gesundheitspolitik 206 geteilte Zuständigkeit  154, 240 Gewaltenteilung 238 Gleichgewicht der Gewalten  75, 280 Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit siehe Prinzip der loyalen Zusammenarbeit

Grundsatz der vertikalen Gewaltenteilung  237 Gründungsrechtsakt  32, 68, 85, 93, 96, 104, 142, 167, 301 Gutachten  61, 70, 162, 291 Handlungsform  34, 56, 65, 98, 106, 125, 156, 169, 187, 198, 213, 299, 304 harmonisierter Rechtsrahmen  134, 141, 171 Harmonisierung siehe Rechtsangleichung Harmonisierungsausschluss  136, 145, 207, 229, 275 Harmonisierungsverbot 106 hoheitliche Gewalt  265 horizontale Kompetenzabgrenzung  136, 238 horizontale Schutzwirkung  292 Implied Power  24, 49, 101, 115, 131, 166, 175, 182, 212, 219, 296 informatorische Maßnahme  161 informatorische Tätigkeit  59, 202 Initiativfunktion 294 Initiativrecht 125 Inkohärenz  245, 246 Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien 212 institutioneller Gesetzesvorbehalt  102, 217 institutioneller Rahmen  95 institutionelles Dreieck  291 institutionelles Gleichgewicht  29, 98, 99, 103, 126, 142, 206, 237, 264, 279, 299 intergouvernementales Handeln  223 interinstitutionelle Vereinbarung  36, 294 Intervention-based Supervision  67, 210, 256 judicial activism 246 Kadi-Urteil  146, 233 Komitologie 284 –– Ausschuss 61 –– Beschluss 283 –– Verfahren  91, 126 –– Verordnung  267, 304 Kommission  33, 44, 53, 59, 61, 64, 67, 69, 77, 78, 86, 91, 98, 99, 103, 110, 121, 125, 154, 162, 163, 168, 175, 190, 194, 206, 213, 220, 228, 247, 253, 267, 281, 289, 301

Sachverzeichnis Kompetenz –– Abgrenzung  105, 238, 267 –– -Kompetenz 225 –– kraft Sachzusammenhangs  180, 181 –– materielle  202, 227 –– Verteilung  236, 267 Komplexität  122, 156, 171, 191 Konsultationspflicht  119, 122, 285 Kontrollbefugnis  63, 65, 170, 218, 274, 296 Kontrolle  33, 74, 84, 103, 104, 210, 235, 271 –– des mitgliedstaatlichen Vollzugs  63, 193 Kooperation  64, 279 Koordinierung  55, 62, 103, 118, 154, 201 –– von Programmen  200 Köster 283 Krisensituation 66 Kühne & Heitz  276 Lamfalussy-Verfahren 284 Leerverkaufsentscheidung  79, 82, 115, 116, 131, 168, 281, 297 Leerverkaufsverordnung  29, 252, 272 Legal pluralism siehe Rechtspluralismus Legitimation  35, 50, 57, 87, 103, 192, 217, 232, 290 Leitlinie  60, 64 Lissabon-Urteil 227 Loyalitätspflicht siehe Prinzip der loyalen Zusammenarbeit Maastricht-Entscheidung 187 Mandat  51, 76 Maßnahme  159, 190, 198, 204, 211, 223, 235, 296 –– informelle 55 –– institutionell-rechtliche 140 –– organisationsrechtliche 94 mehraktige Harmonisierung siehe Rechts­ angleichung, mittelbare Mehrebenenverwaltung 59 Mehrheitsprinzip  91, 106, 232 Meroni  26, 28, 70, 72, 81, 98, 99, 116, 119, 152, 192, 280, 302 Mischverwaltung 87 Mitteilungspflicht 119 mittelbare Unionsverwaltung  92 modale Vorgabe  153, 165

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nachgeordnete Stellen  101, 104 Nebenbestimmung  109, 113 Negativkriterium (Subsidiarität)  242, 247, 256, 303 Nemo plus iuris-Grundsatz  75, 217, 258, 289 Netzwerkfunktion  62, 65, 69, 153, 167, 240 New Public Management 45 Normativität  134, 160, 248 Normenhierarchie  85, 99, 213, 292 Normenkonkurrenz  135, 147 –– echte 137 Normkonkretisierung  161, 193, 195, 213, 240, 244, 270 Numerus clausus, institutioneller  95, 290 operative Unterstützung  167 Optimierungsgebot 266 Organ  30, 52, 56, 84, 95, 98, 138, 217, 247, 278, 279, 290, 293 Organisationsautonomie 100 Organisationskompetenz  191, 197, 217, 271 Partikulierung 38 Pfizer Animal Health SA  61, 291 Positivkriterium (Subsidiarität)  242, 247, 251, 255, 303 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung  28, 94, 100, 105, 114, 135, 142, 151, 154, 178, 184, 187, 197, 225, 228, 237, 263, 279, 290, 302 Prinzip der gegenseitigen Anerkennung  253 Prinzip der loyalen Zusammenarbeit  63, 233, 267 Prinzip der praktischen Wirksamkeit siehe Effektivitätsprinzip Privatsubjekt  119, 169, 203 Produktsicherheitsrichtlinie  127, 128, 168, 175, 194, 198, 278, 289, 296 quasi-judizielle Handlung  70 Rahmenverordnung  37, 104, 215 Rat der Europäischen Union  53, 66, 69, 77, 91, 100, 103, 106, 110, 139, 213, 234, 254, 267, 281, 284, 301, 304 Raucharomen-Entscheidung  110, 127, 157, 164, 217

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Sachverzeichnis

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts  44, 209, 250 Rechenschaftspflicht  104, 275, 293 Rechtsakt mit allgemeiner Geltung  82, 270 Rechtsangleichung  49, 83, 109, 127, 141, 148, 157, 296 –– Adressat  129, 171 –– mittelbare  109, 113, 191, 217, 279 –– Objekt 171 –– potenzielle  112, 162, 164 –– präventive 171 –– und Subsidiarität  251 Rechtsaufsicht 293 Rechtsetzung  55, 61, 162, 192, 270 –– exekutive  69, 70, 85, 103, 192, 216 Rechtsgemeinschaft  26, 244, 265, 296 Rechtspersönlichkeit  32, 73, 99, 100, 190, 227, 283, 301 Rechtsregel 155 Rechtsschutz  57, 70, 75, 77, 87, 95, 98, 124, 143, 193, 227 Rechtsstaatsprinzip  125, 132, 301 rechtsverbindliche Entscheidung  64, 65, 103, 114, 171, 193, 203, 218, 235, 269, 293, 296 –– gegenüber mitgliedstaatlichen Behörden  65 –– gegenüber Privatsubjekten  66 Rechtsvereinheitlichung  156, 157, 167 Reformvorschlag  29, 300 regulatory agency 37 Regulierung  36, 45, 120, 150, 157 Regulierungsagentur  36, 51, 77, 100, 103, 171, 214, 280, 289 resulting power  175, 182, 183, 297 Rindfleisch-Etikettierungen 106 Romano  28, 81, 120 Sachkompetenz  202, 212, 235, 277, 279, 290, 296 Sachverständigenausschuss  61, 291 Satellitenzentrum der Europäischen Union  212 schlichtes Handeln  55 Schlichtung  66, 194 Schräder-Urteil 123 Schwerpunktbetrachtung (Normen­ konkurrenz) 141

Selbstbindung 60 Spezialisierung 33 Spezialität  130, 290 Spezialität (Normenkonkurrenz)  136 Staat-Bürger-Verhältnis 238 Statut der Exekutivagenturen siehe Rahmenverordnung Stellungnahme  59, 60, 70, 118, 175 Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen 201 Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt  79, 199, 204 Subsidiarität  27, 28, 63, 87, 105, 158, 173, 196, 204, 220, 230, 237, 258, 260, 268, 273, 279, 288, 292, 298, 301, 304 –– Dialog 249 –– Kontrolle  234, 249 –– Protokoll 248 Subsidiarität (Normenkonkurrenz)  136, 144, 218, 219 Subsidiaritätsgrundsatz siehe Subsidiarität Subsidiaritätsprinzip siehe Subsidiarität subsidium 255 Tabakwerberichtlinie  106, 151, 154, 173 Tatbestandsmerkmal  76, 121 technischer Durchführungsstandard  70, 125, 162, 164, 271 technischer Regulierungsstandard  69, 125, 162, 164, 282 tertiäre Maßnahme  164 tertiäre Organisationseinheit  83 Tertiärrecht  85, 100, 213, 282 Titandioxid-Urteil 138 transnationaler Bezug  249 Trennungsprinzip  29, 126, 265, 272, 276, 277, 279 Tschernobyl-Fall 289 Umweltpolitik 209 ungeschriebene Kompetenz  49, 115, 175 –– Typologie 180 Unionsgesetzgeber  34, 53, 67, 102, 122, 153, 234, 271 unterstützende Tätigkeit  62 Unterstützung 201 Verbandskompetenz  105, 220

Sachverzeichnis verbindliche Rechtsakte der Union  213 Verfahrensautonomie 276 Verfallsklausel 304 Verfassungsstrukturprinzip  29, 72, 99, 213, 229, 236 Verfassungsvertrag 300 Vergleichsoperation (Subsidiarität)  261 Verhältnismäßigkeit  28, 52, 63, 87, 105, 119, 120, 157, 173, 196, 204, 230, 237, 246, 258, 292, 298 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz siehe Verhältnismäßigkeit Verkehrspolitik 203 Veröffentlichungspflicht 119 Versorgungsagentur der Europäischen Atomgemeinschaft 104 vertikale Gewaltenteilung  28, 166, 193, 237, 261, 296 Vertragsabrundungskompetenz  29, 46, 104, 110, 128, 144, 165, 174, 178, 183, 196, 201, 206, 218, 279, 289, 297, 302 Vertragsänderung  27, 95, 187, 206, 225, 279 vertragsfremde Einrichtungen  95, 99 Verwaltung  55, 59, 87, 96, 106, 123, 134, 160, 166, 187, 191, 213, 232, 256, 272, 277, 288, 290, 300 –– Definition 54 –– direkte unionale  92 –– mitgliedstaatliche  63, 88, 298 –– Organisation 107 Verwaltungsakt  56, 169, 286 Verwaltungsautonomie  245, 265, 266, 272, 275, 276 Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer  81 Verwaltungsnetzwerk 33 Verwaltungsrat  33, 90, 123, 294

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Verwaltungsverbund  30, 65, 78, 87, 88, 160, 241, 266, 278 Verwaltungsvorschriften (Definition)  159 völkerrechtliche Einrichtung  51 völkerrechtlicher Vertrag  222 Vollzug  106, 152, 168, 238, 265 –– Definition 55 –– direkter  86, 106, 255, 274, 276, 278 –– indirekter  86, 106, 255, 278 –– mitgliedstaatlicher 63 –– organschaftlicher  25, 303 Vollzugsdefizit  133, 195, 236 Vollzugsföderalismus 303 Vollzugskompetenz  103, 127, 134, 175, 194, 199, 235, 263, 297 Vollzugsvereinheitlichung  174, 296 Vorbereitungsmaßnahme  166, 181 Vorfeldmaßnahmen siehe Prävention Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs  27, 232, 237, 265 Vorrangwirkung  66, 68, 127 Vorschrift (Rechtsfolge)  190, 199, 219, 223, 235, 296 Wanderpolitik gegenüber Drittländern  177, 179 Weisungsrecht 91 Wesentlichkeit  215, 302 Wettbewerbspolitik  205, 289 Wirtschafts- und Sozialausschuss  139 Wortlautgrenze 135 Zitationsrecht  293, 304 Zulassungsverfahren  43, 60, 210 Zuständigkeitsvermutung  105, 232, 287 Zwangsmittel 133 zweckdienliche Vorschriften  203, 205