Rechtsfragen der Bergrettung: Rechtliche Einordnung und Ansprüche der Bergrettungsorganisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zugleich ein Beitrag zu Fragen der Nothilfe im Recht [1 ed.] 9783428533695, 9783428133697

Bergsport wird immer beliebter. Die zunehmende Zahl an Bergsportlern steigert aber zwangsläufig auch die Gefahr von Gebi

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Rechtsfragen der Bergrettung: Rechtliche Einordnung und Ansprüche der Bergrettungsorganisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zugleich ein Beitrag zu Fragen der Nothilfe im Recht [1 ed.]
 9783428533695, 9783428133697

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Beiträge zum Sportrecht Band 33

Rechtsfragen der Bergrettung

Von Martin Eimer

Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN EIMER

Rechtsfragen der Bergrettung

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg

Band 33

Rechtsfragen der Bergrettung Rechtliche Einordnung und Ansprüche der Bergrettungsorganisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz Zugleich ein Beitrag zu Fragen der Nothilfe im Recht

Von Martin Eimer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2009/2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 978-3-428-13369-7 (Print) ISBN 978-3-428-53369-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-83369-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2009/2010 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Die entscheidende Anregung zum Thema der Arbeit gab mein Doktorvater Professor Reinhard Zimmermann. Ihm bin ich zu tiefem Dank verpflichtet. Das gilt sowohl für seine aufmerksame und sorgfältige Betreuung sowie die großzügigen Möglichkeiten, die Ressourcen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg zu nutzen, als auch für seinen freundschaftlichen Rat und sein Verständnis bei den Schwierigkeiten, die sich während der Erstellung der Arbeit ergaben. Die gemeinsam als Bergkameraden und Seilpartner erlebten Einsätze der Bergrettung haben diesem Projekt einen besonders lebendigen Charakter verliehen. Professor Andreas Spickhoff danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Professor Klaus Vieweg, Professor Udo Steiner und Professor Kristian Kühl gilt mein Dank für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Dem Team am MPI bin ich für die stets freundliche und kollegiale Aufnahme bei meinen Forschungsaufenthalten in Hamburg sowie die hilfreichen Gespräche und Anregungen während dieser Zeit verbunden. Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, der ich diese Arbeit widme. Meine Eltern haben mich während meiner Ausbildungszeit stets bedingungslos unterstützt, mir alle Wünsche erfüllt und mir so die Grundlage dafür geschaffen, meine beruflichen Ziele zu verwirklichen. Ohne die Unterstützung meiner Frau Eva hätte ich diese Arbeit nicht abschließen können. Sie hat mit äußerster Geduld und Disziplin Ihre eigenen Interessen über lange Phasen zugunsten der Dissertation zurückgestellt und unseren Kindern Konstantin, Theresa und Sophia die Abwesenheit des Vaters an zahlreichen Wochenenden erleichtert. Darüber hinaus hat sie auch bei der Redaktion des Manuskripts tatkräftig geholfen. Düsseldorf, im Mai 2010

Martin Eimer

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

1. Teil

Einordnung der Bergrettung: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

39

1. Kapitel: Der Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

2. Kapitel: Die Bergrettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

3. Kapitel: Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

2. Teil

Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten 1. Kapitel: Rechtsverhältnis der Bergwacht gegenüber Patienten bei Notfallrettung und Krankentransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

85

2. Kapitel: Das Rechtsverhältnis der Bergwacht gegenüber Bergsportlern bei sonstigen Einsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Kapitel: Gesamtergebnis zur Rechtsnatur des Handelns der Bergwacht . . . . . . . . 128 4. Kapitel: Die Rechtslage in Österreich und in der Schweiz (Ausblick) . . . . . . . . . 130

3. Teil

Ansprüche der Bergrettung gegenüber Hilfsbedürftigen oder Dritten auf Zahlung von Rettungsentgelten

133

1. Kapitel: Versicherungsdeckung für die Kosten eines Bergrettungseinsatzes . . . . 135 2. Kapitel: Vertraglicher Anspruch auf Zahlung eines Rettungsentgelts . . . . . . . . . . 138 3. Kapitel: Anspruch der Bergrettung auf Zahlung eines Rettungsentgelts aus Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

10

Inhaltsübersicht 4. Teil

Ansprüche der Bergrettung/des Bergretters auf Schadensersatz

321

1. Kapitel: Vorvertragliche und vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 2. Kapitel: Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 3. Kapitel: Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . 434 4. Kapitel: Versicherungsansprüche des geschädigten Bergretters . . . . . . . . . . . . . . . 451 5. Kapitel: Zusammenfassung und Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492

Inhaltsverzeichnis Einleitung A. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fragestellungen und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Thematische Begrenzungen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 34 36

1. Teil

Einordnung der Bergrettung: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

39

1. Kapitel Der Rettungsdienst A. Begriffsbestimmungen und historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rettungswesen und Rettungsdienst – Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . II. Entwicklung des Rettungsdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundlagen des modernen Rettungsdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mustergesetzentwurf von 1973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bundesrechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit dem Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rettungsdienstgesetze der Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Träger des Rettungsdienstes (Zuständigkeitsmodelle) . . . . . . . . . . . . aa) Dezentrale Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kreise und kreisfreie Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rettungszweckverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Direkte Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonderfall: Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchführung des Rettungsdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Durchführende des Rettungsdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Staatliche Rettungsdienststellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Private Dritte: Hilfsorganisationen und private Unternehmer bb) Durchführungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 39 39 41 45 45 45 46 46 46 47 47 47 48 48 48 49 49 49 49 50 51

12

Inhaltsverzeichnis

(1) Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abweichende Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) „Umgekehrtes“ Subsidiaritätsprinzip (NRW, SH, HH, Berlin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) „Doppelte“ Subsidiarität (BW) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechte und Pflichten der Durchführenden des Rettungsdienstes c) Aufgaben des Rettungsdienstes nach den Rettungsdienstgesetzen . . aa) Notfallrettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Krankentransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gefahrenabwehr und Daseinsfürsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Aufgabenverteilung im Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der bodengebundene Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der allgemeine Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wasser- und Bergwacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Luftrettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Notarztdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Personal und Rettungsmittel im Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kosten und Finanzierung des Rettungsdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kostenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rettungsdienst in Österreich und in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 52 52 52 52 53 54 54 56 56 57 57 57 57 58 60 62 62 62 63 63 65

2. Kapitel Die Bergrettung A. Bergrettung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschichte der Bergwacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Bergwacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufgaben (Satzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Notfallrettung und Krankentransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Evakuierung Gefährdeter, Vermisstensuche und Totenbergung . . . . c) Sonstige Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einbindung in das Rote Kreuz und Sonderstellung der Bergwacht Schwarzwald e. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einteilung der Dienstgebiete und Organisationsaufbau . . . . . . . . . . . aa) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 67 67 68 68 68 68 69 69 69 70 70 71

Inhaltsverzeichnis 3. Einbindung in den Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Personal, Ausbildung und Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kosten und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bergrettung in Österreich und in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Österreichischer Bergrettungsdienst und Alpine Rettung Schweiz . . . . . . . II. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Organisation und Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einbindung in das Rettungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 71 72 74 75 75 76 76 78 79

3. Kapitel Zusammenfassung und Ausblick

80

2. Teil

Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

84

1. Kapitel Rechtsverhältnis der Bergwacht gegenüber Patienten bei Notfallrettung und Krankentransport A. Die Rechtslage im Rettungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rettungsdienstgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Privatrechtliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentlich-rechtliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Differenzierung nach Leistungsmodellen: Konzessions- und Submissionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Rechtsfigur des selbständigen Verwaltungshelfers . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Widerspruch der Ergebnisse in Literatur und Rechtsprechung? . . . . . . . a) Unterschiedlicher rechtlicher Betrachtungsmaßstab zwischen Leistungsbeziehung und Haftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungszweck und Voraussetzungen der Amtshaftung . . . . . . . . . c) Schlussfolgerungen/Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Rechtsnatur rettungsdienstlicher Einsätze der Bergwacht . . . . . . . . . . . . . . .

85 86 88 88 88 89 89 90 96 100 102 106 107 107 112 116 117

14

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel Das Rechtsverhältnis der Bergwacht gegenüber Bergsportlern bei sonstigen Einsätzen

A. Gefahrenabwehr als allgemeine Aufgabe der Ordnungs- und Polizeibehörden . . I. Rettung unverletzter Hilfsbedürftiger und Vermisstensuche . . . . . . . . . . . . . II. Die Bergung Toter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einbindung der Bergwacht in Gefahrenabwehraufgaben der Polizei – Handeln aus Eigeninitiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118 119 120 123 124 128

3. Kapitel Gesamtergebnis zur Rechtsnatur des Handelns der Bergwacht

128

4. Kapitel Die Rechtslage in Österreich und in der Schweiz (Ausblick)

130

3. Teil

Ansprüche der Bergrettung gegenüber Hilfsbedürftigen oder Dritten auf Zahlung von Rettungsentgelten

133

1. Kapitel Versicherungsdeckung für die Kosten eines Bergrettungseinsatzes

135

2. Kapitel Vertraglicher Anspruch auf Zahlung eines Rettungsentgelts A. Problemfelder bei der rechtsgeschäftlichen Einigung über Rettungseinsätze im Gebirge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ablauf eines typischen Rettungseinsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rein tatsächlicher Ablauf der Rettung contra willensgesteuertes Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Lehre vom faktischen Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsprechung und Literatur zum Vertragsschluss in Nothilfefällen (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitpunkt eines möglichen Vertragsschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirksamkeit der potentiellen Vertrags-/Willenserklärungen . . . . . . c) Besonderheiten bei Veranlassung des Rettungseinsatzes durch Dritte

138 139 139 141 141 142 145 147 148 148

Inhaltsverzeichnis B. Abschluss eines Vertrages über entgeltliche Rettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einigung durch das Hilfeersuchen und die Zusage/Initiierung des Rettungseinsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Hilfeersuchen des Hilfsbedürftigen als wirksames Vertragsangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen einer wirksamen Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . aa) Doppelnatur der Willenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Wille als innerer Tatbestand der Willenserklärung . . . . . . . cc) Die Erklärung als äußerer Tatbestand der Willenserklärung . . . (1) Funktion des Rechtsbindungswillens und seine Bedeutung beim Hilfeersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtsfolgenbezeichnung: Mindestinhalt und Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ermittlung des Erklärungsinhalts durch Auslegung . . . . . . . b) Die Rechtsverbindlichkeit von Hilfeleistungsabreden in Notfällen . . aa) Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Differenzierung: Hilfeleistungsabrede zwischen Privatpersonen oder mit einer Hilfsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hilfeleistungsabreden unter Privatpersonen . . . . . . . . . . . . . . (2) Hilfeleistungsabreden mit „professionellen“ Helfern . . . . . c) Schlussfolgerungen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Notruf als gezielte Verständigung der Bergrettung . . . . . . . . . . . bb) Hilferufe/Notsignale als nicht konkret an die Bergrettung gerichtete Hilfeersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Hilfeersuchen eines Dritten als wirksames Vertragsangebot . . . . . . a) Hilferufe und Notsignale, die nicht gezielt gegenüber der Bergrettung erfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Notrufe und sonstige gezielte Hilfeersuchen gegenüber der Bergrettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangspunkt: Kein rechtsverbindliches Vertragsangebot . . . bb) .Rückschlüsse aus der Rolle des Dritten auf die Rechtsverbindlichkeit des Hilfeersuchens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Dritte als Stellvertreter oder Bote . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Dritte als Vertragspartei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahmen vom Grundsatz des gezielten aber unverbindlichen Hilfeersuchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausdrückliche Klarstellung der Rechtsverbindlichkeit . . . . . . . . bb) Besondere Interessenlagen des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Dritte ist Verursacher der Notlage . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 149 149 150 150 150 151 153 154 158 159 159 159 161 162 163 169 171 171 172 174 174 174 175 175 176 176 179 179 179 180 182 183

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Inhaltsverzeichnis (2) Vermisstenanzeigen und Notrufe durch Angehörige . . . . . . (3) Notruf eines Bergkameraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Annahme des Vertragsangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einigung durch Vornahme und Inanspruchnahme von Rettungshandlungen am Notfallort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfrage oder Vornahme erster Rettungshandlungen als Vertragsangebot der Bergrettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inanspruchnahme der Rettungsleistung durch den Hilfsbedürftigen als Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsnatur des entgeltlichen Rettungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung – Bedeutung des Zeitpunkts des Vertragsschlusses (Ausblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183 184 186 186 187 188 189 189 190 192 192 194

3. Kapitel Anspruch der Bergrettung auf Zahlung eines Rettungsentgelts aus Geschäftsführung ohne Auftrag A. Der Grundtatbestand der (echten) Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . I. Die Besorgung eines fremden Geschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kombinierter objektiv-subjektiver Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung (h. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Auch-fremde“ Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz: Anwendbarkeit der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik am Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung und Präzisierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erfordernis einer differenzierten Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eigeninteresse des Geschäftsführers – satzungsgemäße Hilfeleistung . . 5. Verpflichtung des Geschäftsführers zum Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Extensive Handhabung des Fremdgeschäftsbesorgungsbegriffs trotz Pflichtenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik und Eingrenzungsbestrebungen für die Fallgruppe des pflichtgebundenen Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kernpunkte der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Interessen- und Pflichtenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196 198 199 199 200 203 204 208 210 211 213 213 216 216 219 219

Inhaltsverzeichnis

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(2) Kollision mit und Umgehung von rechtlichen Regeln und Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 cc) Aufgreifen der Kritikpunkte durch die Instanzgerichte und Tendenzen des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Rechtslage zum Problem des pflichtgebundenen Geschäftsführers in Österreich und der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 e) Subsidiäre Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag bei anderweitiger Pflichtenbindung . . . . . . . . . . . 228 aa) Der besondere Interessenausgleichszweck des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . 229 bb) Rechtstechnische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 f) Rettungseinsätze der Bergrettung als Fremdgeschäftsführung im Sinne der Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Allgemeine Hilfeleistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Vertragliche Verpflichtung der Bergrettung gegenüber dem zuständigen Rettungsdienstträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (1) Rettungstätigkeiten in der Form unselbständiger Verwaltungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (2) Rettungstätigkeit in der Form selbständiger Verwaltungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 cc) Leistungsvereinbarungen mit den Krankenversicherungen (Sachleistungsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. „Amtliche Fürsorgepflicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 2. Berechtigung aufgrund nichtverbindlicher Hilfeleistungsabrede . . . . . . 254 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 B. Die berechtigte Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I.

Nützlichkeitserfordernisse, Beurteilungsperspektive und Problemstellung . . 256 1. Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung und Beurteilungsperspektive . . . . 256 2. Nützlichkeit des Geschäftsbesorgungsaufwands (Rechtsfolgenseite) und Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 3. Problemstellung: Prognoserisiko der Bergrettung zu Beginn des Einsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. § 683 S. 1 BGB: Interesse und Wille des Geschäftsherrn (Deutschland) 261 2. Art. 422 Abs. 1 OR: Gebotenes Interesse (Schweiz) . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3. §§ 1036, 1037 ABGB: Schadensabwehr und klarer, überwiegender Vorteil (Österreich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

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III. Nützlichkeit des Rettungseinsatzes – Prognoserisiken und deren Allokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermeintliche Notfälle (Fehlalarm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beurteilung nach der jeweiligen Rechtsordnung (Beispielsfälle) . . . b) Korrekturbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufwendungsersatz gestützt auf den Rechtsgedanken des § 680 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verschulden bzw. Zurechenbarkeit als Einschränkungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erledigung vor Übernahme der Geschäftsbesorgung . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweifel an der Nützlichkeit der Durchführung des Rettungseinsatzes . . a) Auseinanderfallen von scheinbar und tatsächlich erforderlichem Rettungsaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ungleichgewicht von Schadensrisiko und potentiellem Nutzen . . . . c) Die Rettungsmaßnahme erledigt sich nach Initiierung des Einsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geringe Erfolgswahrscheinlichkeit des Rettungseinsatzes . . . . bb) Möglichkeit der Selbstrettung aufgrund einer tatsächlich geringen Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bereits angelaufene Rettungsaktionen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Perspektive des Geschäftsführers (Österreich/Schweiz) . . . . . . bb) Perspektive des Geschäftsherrn (Deutschland) . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorrang des erkennbaren Willens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mutmaßlicher Wille und objektiv-individuelles Interesse . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rettungsentgelt als Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag . . I. Gesetzeswortlaut und Gedanke der Schadloshaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Korrekturen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begrenzung des Vergütungsanspruchs auf berufliche/gewerbliche („professionelle“) Geschäftsbesorgungstätigkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271 271 271 274 274 278 279 280 281 285 286 287 288 289 290 290 291 292 292 294 300 302 307 307 309 313 318 318

Inhaltsverzeichnis

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4. Teil

Ansprüche der Bergrettung/des Bergretters auf Schadensersatz

321

1. Kapitel Vorvertragliche und vertragliche Haftung

321

A. Ersatz von Vermögensnachteilen aus vorvertraglicher Haftung . . . . . . . . . . . . . . 321 B. Ersatz von Personen- oder Sachschäden aus Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

2. Kapitel Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung A. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verschuldenshaftung – Prinzip, Elemente und Funktionen . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung der Verschuldenshaftung zu anderen außervertraglichen Haftungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ersatz von Vermögensschäden aus unerlaubter Handlung . . . . . . . . . . . . . . . B. Struktur der Rettungsfälle – Problematik der mittelbaren Schädigung . . . . . . . . I. Schadensverursachung: Hinreichende Wahrscheinlichkeit zwischen Notlagenverursachung (Erstursache) und Verletzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichtwidrigkeit: Notlagenverursachung als rechtlich missbilligtes Verhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Überblick: Dogmatische Ansätze und Prüfung von Schadensverursachung und Pflichtwidrigkeit bei mittelbaren Schädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Ansätze und Einordnung der Pflichtwidrigkeitsfrage . . . . . . . 1. Erfolgsunrecht – Verhaltensunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Abgrenzung von Rechtswidrigkeit und Verschulden beim Fahrlässigkeitsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen für Aufbau und Prüfung der Verschuldenshaftung . . . . . II. Handhabung der beiden Fragen bei mittelbaren Schädigungen . . . . . . . . . . 1. Schadensverursachung: Wahrscheinlichkeitsprüfung nach der Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Äquivalenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtwidrigkeit: Konstatierung und Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Richterliche Rechtsfortbildung als Quelle der Verhaltenspflicht . . . b) Interessenabwägung als Grundlage für Inhalt und Umfang der Verhaltenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

323 323 323 326 327 328 330 331 333 334 335 335 336 339 341 343 343 344 345 347 347 348

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Inhaltsverzeichnis aa) bb) cc) dd)

Konkrete Gefährlichkeit des schadensursächlichen Verhaltens . . Gefahrsteuerungsaufwand des Handelnden . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwartungen an den Selbstschutz des Gefährdeten . . . . . . . . . . . Rechtspolitische Erwägungen: Verkehrsanschauung und Sozialwert des Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Fehlverhalten und Fehlverhaltensgrad als Abwägungskriterien 3. Weitere Zurechnungsüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz- und Normzwecktheorie/Rechtswidrigkeitszusammenhang b) Schutzbereich der verletzten Verhaltenspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entwicklung fallgruppenbezogener „Zurechnungskriterien“ und implizite Wertungen innerhalb der Adäquanzbetrachtung . . . . . . . . . d) Schutzzwecktheorie und Zurechnungskriterien als Fragen der Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Scheinbare Zurechnungskategorien und -elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Handeln auf eigene Gefahr“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Sozialadäquates Verhalten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abgrenzung zwischen Haftung und Mitverschulden und Bedeutung des Mitverschuldensanteils für die Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . D. Die Rettungsfälle in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichsgerichtsrechtsprechung und Herausforderungsformel des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Standpunkte der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ablehnende Standpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überwiegende Zustimmung – Begründungsansätze . . . . . . . . . . . . . . aa) Zustimmung zur Herausforderungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . bb) Verletzung einer eigenständigen Gefahrvermeidungspflicht . . . cc) Kombination der Begründungsansätze – Anpassung der Rechtsprechung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Auswertung der Ansätze und Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schadensverursachung: Veranlassungscharakter der Notlage als hinreichend wahrscheinliche Ursache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schwächen der Herausforderungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

350 350 350 351 353 355 356 358 359 360 363 364 365 366 367 368 369 370 370 373 373 375 375 375 378 379 379 384 385 387 391 392 397 398

Inhaltsverzeichnis

21

a) Vermeintlicher Unterschied bei rechtmäßigem Vorverhalten . . . . . . b) Allgemeine Kritik am Pflichtwidrigkeitsurteil bei rechtmäßigem Vorverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wertungsfehler bei Anwendung der Herausforderungsformel . . . . . aa) Überbewertung des Herausforderungscharakters . . . . . . . . . . . . . bb) Vernünftigkeitserwägungen: Ausblendung der Eigenverantwortung des Helfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ungeeignetheit der Unterscheidung zwischen gesteigertem und allgemeinem Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notlagenverursachung als Verhaltenspflichtverstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessenabwägung: Einordnung und Gewichtung der relevanten Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Konkrete Gefährlichkeit der Hilfeleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zumutbarkeit der Gefahrsteuerung durch den Notlagenverursacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigenverantwortung des Hilfeleistenden: Möglicher und zumutbarer Selbstschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fehlverhalten im Vorfeld als Abwägungskriterium . . . . . . . . . . . ee) Der sittliche Wert der Hilfeleistung als Abwägungskriterium . . ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten der Bergrettung – eigener Lösungsansatz . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

398 399 401 401 406 408 410 412 412 413 413 416 418 426 427 428 433

3. Kapitel Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag A. Verschuldensunabhängige Haftung des Hilfeleistungsempfängers . . . . . . . . . . . . B. Einschränkungsbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einschränkungskriterien mit Verschuldensbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung auf tätigkeitsspezifische Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung des Mitverschuldens auf Seiten des Nothelfers (Geschäftsführers) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Abwägungskriterien: Gefährdung und drohende Schäden . . . . 4. Ausübung des richterlichen Ermessens in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . II. Reine Billigkeitserwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berücksichtigung des verfehlten Erfolgseintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse der Beteiligten . . . . . . . . 3. Versicherbarkeit von Nothilfeschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ersatzfähige Schadensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassende Stellungnahme und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

434 434 437 438 438 440 441 442 442 443 444 444 445 447

22

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Versicherungsansprüche des geschädigten Bergretters

451

A. Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz des Nothelfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 B. Mittelbare Besserstellung des Nothelfers in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453

5. Kapitel Zusammenfassung und Gesamtbetrachtung A. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Verteilung von Nothilferisiken – ein Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestreben der Entlastung des Nothelfers und die Konsequenzen . . . . . . . . . II. Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung zwischen Zufallsschäden und Schäden, für die eine deliktsrechtliche Verantwortung besteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angemessene Berücksichtigung von Sozialversicherungsansprüchen . . 3. Konsequenzen für die Bergrettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schadenseintritt bei Abschluss eines Rettungsvertrages: Vertragliche Risikoübernahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse A. Tätigkeiten der Bergrettung und Einbindung in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihres Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Privatrechtliche Entgeltansprüche der Bergrettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertraglicher Entgeltanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anspruch auf Zahlung eines Rettungsentgelts nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ersatz von Nothilfeschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schadensersatz nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung der deliktsrechtlichen Haftung von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

454 454 456 456 460 460 463 466 466

469

469 470 471 471 472 476 476 477 478

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABGB

Abs. AcP ADAC a. E. a. F. AG Amtsbl. Anm. ARS Art. AS ASB ASVG

ATSG AusführungsVO AVB BAG BAnz. BayFwG

BayKSG

BayObLG BayRDG

andere Ansicht am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) – Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesamten Erbländer der Österreichischen Monarchie, Anlage zum kaiserlichen Patent vom 1ten Junius 1811, Inkrafttretensdatum: 01.01.1812 (JGS Nr. 946/1811) Absatz, Absätze Archiv für die civilistische Praxis Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V. am Ende alte Fassung Amtsgericht Amtsblatt Anmerkung Alpine Rettung Schweiz Artikel Amtliche Sammlung des Bundesrechts (Schweiz) Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e. V. Bundesgesetz vom 09.09.1955 über die Allgemeine Sozialversicherung – Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (BGBl. Nr. 189/ 1955) (Österreich) Bundesgesetz vom 06.10.2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (Schweiz) Ausführungsverordnung Allgemeine Versicherungsbedingungen Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Bayerisches Feuerwehrgesetz vom 23.12.1981 (GVBl. S. 526), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes vom 10.07.1998 (GVBl. S. 401) Bayerisches Katastrophenschutzgesetz vom 24.07.1996 (GVBl. S. 282), zuletzt geändert durch Gesetz vom 06.05.2008 (GVBl. S. 160) Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerisches Gesetz zur Regelung von Notfallrettung, Krankentransport und Rettungsdienst in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.01.1998 (GVBl. S. 9), zuletzt geändert durch § 12 des Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2003/2004 vom 24.03.2004

24

BayVBl. BayVerfGH BB BbgRettG BeckRS Ben Int BerlVerfGH BG BGB

BGBl. BGE BGH BGHZ BremHilfeG

BRK BSG BVerfGE BVerfGG

BVerwG BVerwGE B-VG BW bzw. ca. CH CHF d.h. DA RD Bayern DAR ders. Diss.

Abkürzungsverzeichnis (GVBl. S. 83 – alte Fassung); Bayerisches Rettungsdienstgesetz vom 22. Juli 2008 (GVBl. S. 429 – neue Fassung) – Bayerisches Rettungsdienstgesetz Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Der Betriebs-Berater Gesetz über den Rettungsdienst im Land Brandenburg vom 18.05. 2005 (GVBl. I/05, S. 202) – Brandenburgisches Rettungsdienstgesetz Beck’sche Rechtsprechung – Datenbank des Verlages C. H. Beck für ungekürzte Originalurteile Benevolent Intervention in Another’s Affairs Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 04.07.2008 (BGBl. I S. 1188) – Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtsentscheid (Schweiz) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bremisches Hilfeleistungsgesetz vom 18.06.2002 (Brem. GBl. Nr. 25 vom 21.06.2002, S. 189), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.2002, GBl. 2002, Nr. 67, S. 613 Bayerisches Rotes Kreuz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.08.1993 (BGBl. I S. 1473), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 23.11.2007 (BGBl. I S. 2614) – Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundes-Verfassungsgesetz (Österreich) Baden-Württemberg beziehungsweise circa Schweiz Schweizer Franken das heißt Dienstanweisung Rettungsdienst in Bayern Deutsches Autorecht derselbe Dissertation

Abkürzungsverzeichnis DLRG DM DNotZ DÖV DrdA DRF DRK DVBl. E EKHG

etc. e. V. EvBl. f. FamRZ FAZ ff. FGG

Fn. FS FSHG NRW

GG ggf. GIU GIUNF GmbH GoA GUD GVBl. GVOBl. HA Habil. HGB

25

Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift Die Öffentliche Verwaltung Das Recht der Arbeit Deutsche Rettungsflugwacht Deutsches Rotes Kreuz Deutsches Verwaltungsblatt Entwurf der Kommission Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz vom 01.06.1959 (BGBl. Nr. 48/1959), zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 37/2007 (Österreich) et cetera Eingetragener Verein Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen der „Österreichischen Juristenzeitung“ folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (BGBl. III, Gliederungsnummer 315-1), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 04. 07.2008 (BGBl. I S. 1188) Fußnote Festschrift Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung vom 10.02.1998 des Landes Nordrhein-Westfalen (GV. NRW. 1998 S. 122/SGV. NRW. 213), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.12.2007 (GV. NRW. 2007 S. 662) Grundgesetz gegebenenfalls Glaser/Unger, Sammlung von civilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes Glaser/Unger, Neue Folge der Sammlung von civilrechtlichen Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geschäftsführung ohne Auftrag Gebirgsunfalldienst des Roten Kreuzes Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt herrschende Auffassung Habilitation Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt

26

HH h. M. HmbRDG

HRDG

Hrsg. i. S. d. i. S. v. i.V. m. ibid. IKAR insbes. IVR JBl. JherJB Jura JuS JW JZ Kfz KLV

KrW-/AbfG

KVG KVV KWRO LG lit. LKV

LM

Abkürzungsverzeichnis geändert durch Art. 17 des Gesetzes vom 21.12.2007 (BGBl. I S. 3089) Hansestadt Hamburg herrschende Meinung Hamburgisches Rettungsdienstgesetz vom 09.06.1992 (HmbGVBl. 1992, S. 117), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.12.2007 (HmbGVBl. 2008, S. 11) Gesetz zur Neuordnung des Rettungsdienstes in Hessen vom 24.11.1998 (GVBl. I S. 499), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.03.2005 (GVBl. I S. 218) – Hessisches Rettungsdienstgesetz Herausgeber im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit ibidem (ebenda) Internationale Kommission für Alpines Rettungswesen insbesondere Interverband für Rettungswesen Juristische Blätter Jherings Jahrbücher Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Kraftfahrzeug Krankenpflege-Leistungsverordnung, Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen vom 27.09.1994 (BGBl. I S. 2705), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 19.07.2007 (BGBl. I S. 1462) – Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18.03.1994 (AS 1995, 1328) – Krankenversicherungsgesetz (Schweiz) Verordnung über die Krankenversicherung vom 27.06.1995 (Schweiz) Kantonale Walliser Rettungsorganisation Landgericht Litera Landes- und Kommunalverwaltung; Verwaltungsrechts-Zeitschrift für die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring

Abkürzungsverzeichnis m. E. m.w. N. MDR MedR Mio. Mot. N. n. F. NJW NJW-RR Nr. NRettDG NRW NVwZ NVwZ-RR NWVBl. NZA NZM NZV Ö ÖJZ OLG OLGR OR

ORF ÖRZ OVG PECL PEL PKW r+s RdA RDG Berlin

RDG BW

27

meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für das Deutsche Recht Medizinrecht Million, Millionen Motive zu dem Entwurfe eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Amtliche Ausgabe Bd. 1–5, Berlin/Leipzig 1888 Randnummer Neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer, Nummern Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz vom 29.01.1992 Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Österreich Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht Rechtsprechungsreport der Oberlandesgerichte Obligationenrecht – Bundesgesetz vom 30.03.1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) Österreichischer Rundfunk Österreichische Richterzeitung Oberverwaltungsgericht Principles of European Contract Law Principles of European Law Personenkraftwagen recht und schaden – Unabhängige monatliche Informationsschrift für Versicherungsrecht und Schadenersatz Recht der Arbeit Gesetz über den Rettungsdienst für das Land Berlin vom 08.07. 1993, zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes vom 24.06.2004 (GVBl. S. 257) – Rettungsdienstgesetz Berlin Gesetz über den Rettungsdienst in der Fassung vom 16.07.1998 (GBl. 1998, 437), zuletzt geändert durch 7. Anpassungsverordnung vom 25.04.2007 – Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg

28 RDG SH

REGA RettAssG

RettDG LSA RettG NW

RG RGZ RheinZ RIS Rn. ROGH RTH RVO

Rz. s. S. SAC SaechsRettDG

SDK SGB I

SGB V

SGB VII

SGB X

Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die Notfallrettung und den Krankentransport vom 29.11.1991 (GVOBl. 1991, S. 579) – Rettungsdienstgesetz Schleswig-Holstein Schweizerische Rettungsflugwacht Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten vom 10.07.1989 (BGBl. I S. 1384), zuletzt geändert durch Art. 19 des Gesetzes vom 02.12.2007 (BGBl. I S. 2686) – Rettungsassistentengesetz Rettungsdienstgesetz Sachsen-Anhalt vom 21.03.2006 (GVBl. 2006, S. 84) Gesetz über den Rettungsdienst sowie die Notfallrettung und den Krankentransport durch Unternehmer vom 11.11.1992 (GV. NW. 1992 S. 458, geändert durch Artikel 17 ModernG NRW v. 15.06. 1999 (GV. NRW. S. 386)) – Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rhein-Zeitung Rechtsinformationssystem des Bundes (Österreich) Randnummer, Randnummern Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Rettungshubschrauber Reichsversicherungsordnung vom 19.07.1911 (BGBl. Teil III, Gliederungsnummer 820-1), zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) Randziffer, Randziffern siehe Seite, Satz, Sätze Schweizer Alpen-Club Gesetz über Rettungsdienst, Notfallrettung und Krankentransport für den Freistaat Sachsen vom 07.01.1993 (GVBl. S.9), zuletzt geändert durch Art. 11 d. SaechsAufbauG vom 04.07.1994 (GVBl. S. 1261) – Sächsisches Rettungsdienstgesetz Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (Art. 1 des Gesetzes vom 11.12.1975, BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 19.12.2007 (BGBl. I S. 3024) Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Art. 1 des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl. I S. 2477), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 28.05.2008 (BGBl. I S. 874) Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (Art. 1 des Gesetzes vom 07.08.1996, BGBl. I S. 1254), zuletzt geändert durch § 62 Abs. 19 des Gesetzes vom 17.06.2008 (BGBl. I S. 1010) Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (Art. 1 des Gesetzes vom 18.08.1980, BGBl. I

Abkürzungsverzeichnis

SH SIS SJZ sog. SRettG

StGB

StPO

StVO StVollzG

SUVA SVG SVZ ThürRettG

THW u. a. u. U. UVG UVV VersR VerwArch VG VGH vgl.

29

S. 1469 und Art. 1 des Gesetzes vom 04.11.1982, BGBl. I S. 1450) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.01.2001 (BGBl. I S. 130), zuletzt geändert durch Art. 26 des Gesetzes vom 20.12. 2007 (BGBl. I S. 3150) Schleswig-Holstein Stiftung Sicherheit im Skisport Schweizerische Juristenzeitung sogenannte, sogenannter Saarländisches Rettungsdienstgesetz vom 09.02.1994 (Amtsbl. S. 610), geändert durch Gesetz Nr. 1381 vom 27.11.1996 (Amtsbl. S. 1313) Strafgesetzbuch vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 11.03.2008 (BGBl. I S. 306) – Deutschland; Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21.12.1937 (AS54 757); Österreichisches Strafgesetzbuch – Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (BGBl. 60/1974) Strafprozessordnung vom 07.04.1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 08.07.2008 (BGBl. I S. 1212) Straßenverkehrs-Ordnung vom 16.11.1970 (BGBl. I S. 1565), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 28.11.2007 (BGBl. I S. 2774) Strafvollzugsgesetz vom 16.03.1976 (BGBl. I S. 581, 2088), zuletzt geändert durch § 62 Abs. 10 des Gesetzes vom 17.06.2008 (BGBl. I S. 1010) Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Straßenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (AS 1959/679) Schweizerische Versicherungs-Zeitschrift Thüringer Rettungsdienstgesetz vom 22.12.1992 (GVBl. 1992, S. 609), zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes vom 24.10. 2001 (GVBl. S. 265) Technisches Hilfswerk unter anderem, und andere unter Umständen Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 20.03.1981 (AS 1982 1676 ) (Schweiz) Verordnung über die Unfallversicherung vom 20.12.1982 (AS 1983 38) (Schweiz) Versicherungsrecht Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche

30 VVDStRL VwVfG

wbl. WRV WuM z. B. ZEuP ZGB

Ziff. ZIP ZMR ZPO

ZR ZVR

Abkürzungsverzeichnis Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz vom 23.01.2003 (BGBl. I S. 102), geändert durch Art. 4 Abs. 8 des Gesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718) wirtschaftsrechtliche blätter (Beilage der Zeitschrift Juristische Blätter) Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.08.1919 – Weimarer Reichsverfassung Wohnungswirtschaft & Mietrecht zum Beispiel Zeitschrift für europäisches Privatrecht Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10.12.1907 (AS 24 233, 27 207 und BS 2 3), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21.11. 2007 (AS 2007 6717) Ziffer, Ziffern Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung vom 05. 12.2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 26.03.2008 (BGBl. I S. 441) Zivilrecht Zeitschrift für Verkehrsrecht

Einleitung A. Anlass der Untersuchung Freizeitaktivitäten in den Bergen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Ob winterliches Schneevergnügen oder sommerlicher Abenteuerurlaub, der Bergtourismus boomt. Neben den „klassischen“ Sportarten wie Skifahren oder Skitouren bzw. Bergwandern, Hochtouren und Klettern werden immer neue Tätigkeitsfelder entwickelt. Dazu gehören Trendsportarten wie Drachen- und Gleitschirmfliegen, Mountainbiking, Snowboardfahren, Canyoning und Rafting, um die prominentesten zu nennen. Die zunehmende Zahl der Berggänger bringt eine Reihe von Entwicklungen und Problemen mit sich. Dazu gehört, dass mit der großen Zahl von Bergsportlern und deren Interaktion zwangsläufig die Gefahr von Unfällen steigt und sich die Unfallzahlen auf einem konstant hohen Niveau bewegen.1 Es ist deshalb kein Zufall, dass das Gebirge zunehmend seinen Charakter als „rechtsfreier Raum“2 einbüsst und verstärkt in den Fokus rechtlicher Regulierung und Betrachtung gerät.3

1 Vgl. Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 15.09.2004: „Kampf gegen den Kick des Leichtsinns – Eisklettern, Canyoning, Mountainbiking und andere neue Sportarten bringen die Lebensretter immer mehr an den Rand ihrer Kräfte“; Artikel in der Badischen Zeitung vom 15.08.2005: „Bergwacht – mehr Einsätze mit alter Ausrüstung“. Die Bergwacht Bayern musste im Jahr 2007 allein zu 3.381 Notfalleinsätzen ausrücken (vgl. Statistik der Bergwacht Bayern für das Jahr 2007 unter www.bergwachtbayern.de), insgesamt fallen jährlich um die 10.000 Einsätze an. Die Bergwacht Schwarzwald verzeichnete im Jahr 2004 insgesamt 1.196 Einsätze (vgl. Artikel in der Badischen Zeitung vom 30.09.2005: „Uwe Männel von der Bergwacht Schwarzwald – mehr Einsätze“. Die Bergrettung in Österreich wurde 2007 bundesweit 5.872 mal tätig (vgl. Online-Bericht des ORF vom 04.03.2008 unter www.salzburg.orf.at), in der Schweiz verzeichnet die Statistik für das Jahr 2007 insgesamt 503 Einsätze der Alpinen Rettung Schweiz (vgl. Jahresbericht 2007 unter www.alpinerettung.ch). 2 Vgl. Ermacora, S. 20. 3 Hierzu gehören etwa die Erstellung von Verhaltensregeln durch den Internationalen Skiverband im Jahr 2002 sowie der zunehmende Einsatz der Alpinpolizei auf den Pisten (vgl. Artikel in der Zeit vom 03.01.2008: „Alkoholtest an der Piste“ oder Online-Artikel in der Welt vom 18.02.2008: „Wenn die Polizei auf Skiern kommt“.). Beispielhaft für die zunehmende rechtliche Auseinandersetzung mit Unfallgefahren in den Bergen vgl. etwa Beulke, Die Haftung des Bergführers bei beruflicher und privater Ausübung des Bergsports (1994); Galli, Haftungsprobleme bei alpinen Tourengemeinschaften, (1995); Nef, Haftpflicht und Versicherungsschutz des Bergsteigers, Diss. Zürich (1987) sowie die Sammlung von Entscheidungen und Aufsätzen bei www.roeckrath.de.

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Einleitung

Mit den Unfallzahlen steigt der Bedarf an organisierter Hilfeleistung für gefährdete, verunglückte oder vermisste Bergsportler. Wer aber ist hierfür zuständig und trägt Kosten und Risiken der häufig aufwendigen und nicht selten gefährlichen Rettungsaktionen im Gebirge? Angesichts des steigenden gesellschaftlichen Interesses an bergsportlicher Freizeitgestaltung und wegen des großen Nutzens, den die Tourismusindustrie und die hiervon lebenden Menschen aus der Begeisterung an bergsportlicher Freizeitgestaltung ziehen, liegt die Überlegung nahe, die Hilfeleistung bei Bergunfällen in die Verantwortung des Gemeinwesens oder – jedenfalls für den Bereich ausgebauter Bergsportanlagen – in die Verantwortung der jeweiligen Betreiber zu legen.4 In Frankreich etwa nehmen speziell ausgebildete Einsatzgruppen der Polizei und der Feuerwehr Bergrettungsaufgaben als staatliche Dienstleistungen kostenlos und finanziert durch Steuergelder wahr. In Deutschland, Österreich und der Schweiz hingegen widmen sich – historisch bedingt – überwiegend private Organisationen der Hilfeleistung im Gebirge. Der erhebliche zeitliche und finanzielle Aufwand, den diese Bergrettungsorganisationen in die Aufrechterhaltung eines effektiven Rettungssystems und die Einsatzbereitschaft sowie Versicherung ihrer Mitglieder für Unfallfolgen jährlich investieren,5 bringt sie regelmäßig an ihre Grenzen. Ihr Ruf nach einer besseren finanziellen Absicherung ertönt jedes Jahr aufs Neue.6 Zwar werden die Bergrettungsorganisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wegen ihres wichtigen Beitrags zum Gemeinwesen durch die öffentliche Hand unterstützt und gefördert. Gleichwohl bleiben sie in erheblichem Umfang auf Spendengelder und maßgeblich auch auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus ihren Rettungseinsätzen angewiesen.

4 Zu den Verkehrssicherungspflichten der Seilbahnbetreiber, des Fremdenverkehrsverbands und von Wintersportgemeinden existiert mittlerweile eine recht fundierte Rechtsprechung, die sich mit den Pflichten zur Sicherung und Unfallverhütung im Bereich des Pistenskifahrens befasst (vgl. Palandt-Sprau, § 823 Rn. 211). Dann aber liegt es nicht fern, diesen Institutionen neben der Unterhaltung eines Pistendienstes ebenfalls Verantwortung für die organisierte Hilfeleistung bei Unfällen in ihrem Verantwortungsbereich zuzuweisen. Das ist bisher jedoch nicht geschehen. Dafür spricht sich etwa Kleppe aus (Die Haftung bei Skiunfällen in den Alpenländern, S. 253 Rz. 248). 5 Die Bergwacht Bayern beziffert ihren jährlichen finanziellen Aufwand für Rettungstätigkeiten auf ca. A 4 Mio., die Alpine Rettung in der Schweiz kam in den Jahren 2006 und 2007 jeweils auf einen jährlichen Betriebsaufwand von ca. CHF 3 Mio. Vgl. Online-Artikel des ORF vom 12.08.2005 („In Geldnot“): Das Problem sei, dass die Kosten für die Versicherung der Bergrettungsmannschaft stark angestiegen sind und sich der Bund immer mehr aus der Finanzierung zurückzieht. 6 Vgl. Artikel in der FAZ vom 07.08.2006: „Als Lohn ein gerettetes Leben“ und Onlineartikel des ORF vom 12.08.2005: „In Geldnot“ zur Lage in Österreich; Kurzreferat von Louis Salzmann, Präsident der Rettungskommission anlässlich des Behörden- und Medientages „100 Jahre Alpine Rettung SAC“; Artikel in der Badischen Zeitung vom 15.08.2005: „Bergwacht – mehr Einsätze mit alter Ausrüstung“.

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Wie auch die meisten sonstigen, im Rettungswesen tätigen privaten Hilfsorganisationen führen die Bergrettungsorganisationen ein Schattendasein. Ihre Tätigkeiten finden allenfalls vereinzelt das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit, etwa wenn sich die Nachricht von einer spektakulären Rettungsaktion in den Bergen herumspricht7 oder sich während der Hauptsaison ein Artikel über das Wirken der Bergretter anbietet.8 In der Wissenschaft findet die Bergrettung gleichfalls kaum Beachtung. Der Kreis derjenigen, die an der technischen Entwicklung von Rettungsgerät, den medizinischen Besonderheiten eines Rettungseinsatzes im Gebirge oder den rechtlichen Zusammenhängen bei der Tätigkeit der Bergrettung interessiert sind, beschränkt sich regelmäßig auf die ehrenamtlichen und ohnehin von einer gehörigen Portion Idealismus motivierten Retter selbst. Wissenschaftliche Beiträge zur Bergrettung sind nur in geringem Umfang vorhanden und gehen – gerade in Hinsicht auf die rechtlichen Zusammenhänge der Bergrettung – meist nicht über pauschale Feststellungen hinaus.9 7

Vgl. den Online-Artikel des Spiegel vom 22.04.2008: „Rettungsaktion – Bergsteiger überleben in Schneeloch auf 4100 m.“ Artikel in der Neuen Züricher Zeitung vom 31.04.2004: „Spektakuläre Rettungsaktion am Matterhorn“. 8 Vgl. Artikel in der FAZ vom 04.08.2007: „Sind Sie lebensmüde, Herr Holzknecht?“; Artikel in der FAZ vom 07.08.2006: „Als Lohn ein gerettetes Leben“. 9 So ist bei der Bergwacht Bayern etwa zu lesen, dass auf der Basis von Artikel 24 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes die Durchführenden des Rettungsdienstes für ihre Leistungen Benutzungsentgelte erheben müssen (Online-Darstellung der Bergwacht München (18.06.2005): „Warum die Bergrettung Geld kostet“). Für die Bergrettung in Österreich findet sich auf den Internetseiten der Bergrettung Steiermark der Hinweis: Der Österreichische Bergrettungsdienst Land Steiermark ist in Ausnahmefällen berechtigt, von Geretteten oder Geborgenen Einsatzkosten zu begehren, wenn (a) der Bergrettungseinsatz erwiesenermaßen durch grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten veranlasst wurde, (b) der Gerettete oder Geborgene den Ersatz der Kosten eines Bergrettungseinsatzes aufgrund zivilrechtlicher Vereinbarungen (Versicherungen für Freizeitunfälle) erhalten kann, oder (c) wenn es um einen außergewöhnlich aufwendigen Einsatz geht (Bergrettung Steiermark (www.bergrettung-stmk.at) unter FAQ zur Frage „Bergekostenersatz“). Der Schweizer Alpenclub informiert über die „Haftung für Kosten einer Rettungsaktion“ wie folgt (vgl. Merkblatt des Schweizer Alpen-Clubs „Haftung für Kosten einer Rettungsaktion“ (www.sac-cas.ch – Dokumente/Rettung): „In der Schweiz erfolgen Hilfeleistungen an Dritte, wo nicht direkt vom Verunfallten alarmiert wird, im Sinne von Art. 419 ff. OR („Geschäftsführung ohne Auftrag“). Besteht ein begründeter Verdacht, dass eine Person (oder mehrere) sich in einer Notlage befinden, können ohne deren Einverständnis angemessene und geeignete Maßnahmen zur Rettung eingeleitet werden. Ob eine Rettungskolonne des SAC, die REGA oder die Polizei durch einen unbeteiligten Dritten, einen Kameraden des Hilfsbedürftigen oder den in Not geratenen selbst aufgeboten wird, hat keinen Einfluss auf die Frage, wer die Kosten des Einsatzes zu tragen hat. Hierfür gelten folgende Regeln: Der in Not Geratene hat alle in seinem Interesse gemachten Auslagen zu ersetzen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren. Dieser Anspruch besteht auch in dem Falle, in dem der beabsichtigte Erfolg nicht eintritt. Wer sich von einer Tour nicht wie vereinbart und angekündigt zurückmeldet und trotz telefonischen oder anderen Nachforschungen nicht gefunden wird, hat die Kosten für daraufhin angeordnete Suchaktionen zu ersetzen, auch wenn diese unnötig und ergebnislos waren. Wer für einen

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Hier setzt diese Arbeit an. Ihr Ziel ist es, die rechtlichen Zusammenhänge der Bergrettung vor allem in Deutschland, aber auch mit Blick auf die Rechtslage in Österreich und der Schweiz (erstmals) näher zu beleuchten. Wegen der Bedeutung, die sowohl der Geltendmachung von Entgeltansprüchen für die Durchführung eines Einsatzes als auch der Kompensation von Schäden der Bergretter zukommt, die diese bei Durchführung der nicht selten gefährlichen Rettungseinsätze erleiden, werden Entgelt- und Schadensersatzansprüche der Bergrettungsorganisationen und ihrer ehrenamtlichen Mitglieder die zentralen Themen der Betrachtung sein.

B. Fragestellungen und Gang der Untersuchung Die Untersuchung der rechtlichen Zusammenhänge der Bergrettung und die Beurteilung ihrer Rettungstätigkeiten werfen im Wesentlichen folgende Rechtsfragen auf, die es in der nachfolgend genannten Reihenfolge zu beantworten gilt: Das Wirken der Bergrettung ist von der Besonderheit geprägt, dass die Bergrettungsorganisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz bei ihren Rettungsaktivitäten vielfach in das weitgehend öffentlich-rechtlich geregelte Rettungswesen eingebunden werden. In einem ersten Teil werden deshalb zunächst die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Bergrettung aufgearbeitet und die Einbindung der Bergrettung in das Rettungswesen näher beleuchtet (1. Teil). Bevor eine eingehende Untersuchung potentieller Entgelt- und Schadensersatzansprüche der Bergrettungsorganisationen und ihrer Mitglieder erfolgen kann, ist wegen der häufigen Einbindung der Bergrettungsorganisationen in die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben des Rettungswesens in einem zweiten Schritt zu klären, nach welchem Rechtsregime – öffentliches Recht oder Privatrecht – sich das Handeln der Bergrettung und die von ihr begründeten Leistungsbeziehungen zu einem Hilfsbedürftigen im Einzelfall beurteilen. Hiervon hängt ab, aus welchen Vorschriften sich insbesondere potentielle Entgeltansprüche der Bergrettungsorganisationen herleiten lassen (2. Teil). Ansprüche auf Zahlung eines Entgelts für erbrachte Rettungsleistungen müssen die Bergrettungsorganisationen – dies sei bereits vorweggenommen – vielfach auf Anspruchsgrundlagen des Privatrechts stützen. Grundlage für die Geltendmachung der regelmäßig für einen Einsatz in Rechnung gestellten Rettungspauschalen kann eine entsprechende vertragliche Einigung hierüber zwischen der

Dritten Hilfe anfordert, dem nicht anders geholfen werden kann und sich in Not befindet, haftet nicht für die Kosten der durch ihn veranlassten Hilfeleistung. Wer einem in Not geratenen Menschen hilft und dabei Aufwendungen beisteuert oder zu irgendwelchem Schaden kommt, muss diese Auslagen nicht selbst tragen.“

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Bergrettung und dem Hilfsbedürftigen bzw. einem Dritten oder der Aufwendungsersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag sein (3. Teil). Ob sich die Bergrettung mit dem Hilfsbedürftigen oder einem Dritten über die Durchführung von Rettungsmaßnahmen gegen Entgelt verbindlich einigt, erscheint vor dem Hintergrund, dass ausdrückliche Absprachen hierüber wohl in den seltensten Fällen erfolgen und das Ersuchen um Hilfeleistung in Notsituationen immer auch von moralisch-ethischen Aspekten geprägt ist, grundsätzlich zweifelhaft. In Hinsicht auf einen möglichen vertraglichen Zahlungsanspruch gilt es deshalb vor allem zu klären, ob und unter welchen Umständen davon auszugehen ist, dass Bergrettung und Hilfsbedürftiger bzw. Dritter rechtsverbindliche Erklärungen gerichtet auf die entgeltliche Erbringung von Rettungsleistungen austauschen und deshalb eine rechtsgeschäftliche Einigung hierüber treffen. Ob der Bergrettung in Ermangelung einer vertraglichen Abrede jedenfalls ein Entgeltanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zusteht, hängt wesentlich von der Beantwortung folgender Fragen ab: Zunächst ist zu klären, ob der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag für Einsätze der Bergrettung eröffnet ist. Daran lässt sich zweifeln, weil die Bergrettungsorganisationen mit der Durchführung von Rettungseinsätzen häufig eigene Verpflichtungen gegenüber einem sie hiermit beauftragenden Hoheitsträger erfüllen und auch eigene Interessen verfolgen, so dass es fraglich erscheint, ob die Hilfeleistung noch Fremdgeschäftsbesorgung im Sinne der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist. Ein Aufwendungsersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist dem Grunde nach dann zu bejahen, wenn die Geschäftsbesorgung für den Geschäftsherrn nützlich war und deshalb als berechtigte Geschäftsführung zu qualifizieren ist. Aufgrund der zu Beginn eines Rettungseinsatzes nicht selten unklaren Informationslage und der Unsicherheiten über die weitere Entwicklung der Notlagensituation ergeben sich in einer Reihe von Fällen jedoch ernsthafte Zweifel an der Notwendigkeit eines Rettungseinsatzes als solchem und/oder an der Erforderlichkeit der jeweils dem Umfang nach getroffenen Rettungsmaßnahmen. Ob sich ein trotz derartiger Zweifel ausgeführter Rettungseinsatz für den (vermeintlich) Hilfsbedürftigen als nützlich darstellt und der Bergrettung deshalb ein Aufwendungsersatzanspruch wegen berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag dem Grunde nach zusteht, hängt davon ab, wonach sich die Nützlichkeit des Einsatzes beurteilt. Letztlich sehen die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in den hier untersuchten Rechtsordnungen nach ihrem Wortlaut den Ersatz von Aufwendungen, nicht aber die Zahlung eines Entgelts vor. Ob die Bergrettung dem Hilfsbedürftigen gegenüber gleichwohl ihre üblicherweise in Ansatz gebrachten Rettungspauschalen, die nicht allein der Kostendeckung für den konkreten Ein-

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satz dienen, auf Basis der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag abrechnen kann, ist ebenfalls zu klären. Ob, auf welcher Rechtsgrundlage und unter welchen Voraussetzungen ein Bergretter Ersatz von Schäden, die er bei einem Einsatz erleidet, vom Verursacher der Notlage oder vom Hilfsbedürftigen verlangen kann, wird Gegenstand der abschließenden Erörterungen sein (4. Teil). In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Problematik der mittelbaren Schadensverursachung und deren rechtliche Handhabung nach den Grundsätzen der Verschuldenshaftung einzugehen. Es wird zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen die Verursachung einer Notlage durch einen Bergsportler, die sich nur mittelbar unter Dazwischentreten des Rettungsentschlusses und der Rettungstätigkeiten in der Schädigung des Bergretters auswirkt, als pflichtwidrig zu beurteilen ist und deshalb eine Verlagerung der Schadenstragungsverantwortung nach dem Prinzip der Verschuldenshaftung rechtfertigt. Darüber hinaus werden auch die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig als Grundlage für den Ersatz von Nothilfeschäden eines Retters herangezogen, auch wenn dies – jedenfalls in Deutschland und Österreich – vom Wortlaut der jeweiligen Vorschriften nicht gedeckt ist und grundsätzliche Zweifelsfragen aufwirft. Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Nothilfefällen werden (scheinbar willkürlich) häufig neben oder anstelle deliktsrechtlicher Vorschriften herangezogen, um dem Nothelfer einen Anspruch auf Ersatz seiner Nothilfeschäden zu gewähren, ohne dass dabei eine klare Abgrenzung der beiden Regelungsbereiche erfolgt. In einer Gesamtbetrachtung der deliktsrechtlichen Vorschriften, der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag und der für den Bereich der Nothilfe ebenfalls regelmäßig einschlägigen Vorschriften des Sozialversicherungsrechts wird deshalb abschließend auch auf das Verhältnis dieser Rechtsregime bei der Frage nach dem Ersatz von Nothilfeschäden einzugehen sein.

C. Thematische Begrenzungen der Untersuchung Die vollständige Aufarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bergrettungsorganisationen stellt aufgrund der kaum zu überblickenden Vielfalt an Regelungen eine erhebliche, kaum zu bewältigende Herausforderung dar. Das liegt daran, dass die auch für die Bergrettung relevanten Rechtsvorschriften zum Rettungswesen vornehmlich auf regionale Gesetzgebung in den deutschen und österreichischen Bundesländern sowie in den einzelnen Kantonen der Schweiz zurückgehen und deshalb von Bundesland zu Bundesland und von Kanton zu Kanton eine große Bandbreite an Unterschieden aufweisen. Hinzu kommt, dass gerade in der Schweiz Regelungen zur organisierten Hilfeleistung nicht nur in Hinsicht auf den Inhalt der Regelungsmaterie selbst, sondern auch hinsichtlich

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Form und Regelungsdichte höchst unterschiedlich ausgestaltet sind. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen und nicht zu sehr vom eigentlichen Schwerpunkt der Untersuchung abzuweichen, werden die nachfolgenden Ausführungen deshalb wie folgt beschränkt: Die Darstellung der rechtlichen Grundlagen zum Rettungsdienst und zur Bergrettung (1. Teil) sowie die Erörterung von Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihres Handelns (2. Teil) bei der Einbindung in die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben erfolgen maßgeblich am Beispiel der Rechtslage in Deutschland. Die Rechtslage in Österreich und der Schweiz wird jeweils in aller Kürze skizziert. Dabei zeigt sich, dass die Rechtslage in Österreich und der Schweiz zumindest in wesentlichen Eckpunkten mit der Situation in Deutschland vergleichbar ist. Die für Deutschland herausgearbeiteten Erkenntnisse zu rechtlichen Strukturen und Grundsätzen ermöglichen es daher, entsprechende Prognosen auch für Österreich und die Schweiz zu treffen und eine Orientierung zur Lösung der sich hier gleichermaßen stellenden Fragen vorzugeben. Auch wenn in der Praxis kranken- und unfallversicherungsrechtliche Fragen für den Rettungsdienst und somit auch für die Bergrettung eine nicht unwesentliche Rolle spielen, wird vorliegend davon abgesehen, die versicherungsrechtlichen Hintergründe vollständig aufzuarbeiten, da auch hierdurch vom eigentlichen Ziel dieser Untersuchung abgewichen würde und sich durch das Bestehen von Versicherungsschutz des Hilfsbedürftigen die hier aufgeworfenen Fragen nicht erübrigen. Auf versicherungsrechtliche Hintergründe wird deshalb im jeweiligen Zusammenhang nur in dem Umfang eingegangen, in dem dies für die vorliegende Untersuchung erforderlich erscheint. Wegen der gegenüber anderen Bundesländern ungleich größeren Bedeutung, die der Bergrettung aufgrund der geographischen Gegebenheiten in Bayern zukommt, haben sich die rechtlichen und tatsächlichen Entwicklungen im Bereich der Bergrettung maßgeblich in diesem Bundesland ereignet und haben die hier bestehenden Verhältnisse allgemein und auch innerhalb dieser Untersuchung Vorbildcharakter für die Verhältnisse andernorts. Das für die Bergwacht Bayern bedeutsame Rettungsdienstgesetz wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2009 neu gefasst. Mit dieser Neufassung gehen in Bezug auf die hier erörterten Fragen keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zu der zuvor bestehenden Rechtslage einher. Wie auch vom Bayerischen Staatsministerium des Innern konstatiert wird, „bleibt Bewährtes erhalten, wird aber an anderer Stelle und in systematisch anderen Zusammenhängen geregelt“.10 Wenn in diesem Zusammenhang von „verbesserten Rechtsgrundlagen für die Bergrettung [. . .]“ gesprochen wird, trifft dies aus folgenden Gründen zu: Einzelne Rege10 Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, nachzulesen unter www.stmi.bayern.de/sicherheit/rettungswesen.

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lungen des Rettungsdienstgesetzes, die schon in der Vorfassung enthalten waren, galten zwar als für die Bergrettung relevant. Gleichwohl war ihre Anwendung auf die Bergrettung als einem besonderen Teilbereich des Rettungsdienstes mit Unsicherheiten behaftet. Anders als dies an anderen Stellen des Gesetzes der Fall war, enthielten diese Regelungen keine expliziten Hinweise, dass sie auch für die Bergrettung gelten sollten. Die neuen Regelungen nehmen nunmehr ausdrücklich auch die Bergrettung in Bezug und schaffen so die gewünschte Klarheit. Zudem werden detaillierte und klarere Regelungen für die Finanzierung der Durchführung des Rettungsdienstes durch private Hilfsorganisationen und somit auch für die Bergwacht getroffen. Die neuen Regelungen haben damit insgesamt vornehmlich klarstellenden Charakter.11 Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass rechtliche Auseinandersetzungen mit dem neu gefassten Gesetz bisher nicht existieren und sich Beiträge und Kommentierungen zum bayerischen Rettungsdienstgesetz noch an den Vorschriften der Vorfassung orientieren, werden nachfolgend die jeweils zitierten Vorschriften als solche der Vorfassung und der aktuellen Fassung gekennzeichnet.

11 So stellt Art. 17 BayRDG n. F. nunmehr ausdrücklich klar, dass die Durchführung rettungsdienstlicher Aufgaben im Gebirge vom zuständigen Zweckverband der Bergwacht übertragen wird und die Einzelheiten dieser Beauftragung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zu regeln sind. Vgl. ebenfalls Art. 32 ff. BayRDG n. F.

1. Teil

Einordnung der Bergrettung: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen Mit dem Begriff Bergrettung1 lassen sich alle Rettungsorganisationen und deren Tätigkeiten erfassen, die sich auf Hilfeleistung in unwegsamem Gelände und Gebirge spezialisiert haben.2 Bergrettung ist damit Teil des Rettungswesens, das alle Formen organisierter Hilfeleistung umfasst. Ein Großteil der Aufgaben, denen sich die Bergrettung widmet, fällt innerhalb des Rettungswesens in den Teilbereich des sog. Rettungsdienstes. Der Rettungsdienst ist – vor allem in Deutschland und der Schweiz – gesetzlich geregelt und strukturiert worden. Wenn und soweit die Bergrettung deshalb in die Erfüllung rettungsdienstlicher Aufgaben eingebunden wird, kommt den jeweiligen Regelungen und Strukturen des Rettungsdienstes auch für sie besondere Bedeutung zu. Zunächst sind daher die Tätigkeiten der Bergrettung in das System des Rettungswesens und insbesondere den Bereich des Rettungsdienstes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einzuordnen. 1. Kapitel

Der Rettungsdienst A. Begriffsbestimmungen und historische Entwicklung I. Rettungswesen und Rettungsdienst – Begriffsbestimmungen Der Begriff Rettungswesen bezeichnet die Gesamtheit der Maßnahmen und Einrichtungen zur Hilfeleistung bei Katastrophen, Krankheiten, Not- und Unglücksfällen.3 Er dient als Oberbegriff für alle Rettungsaktionen, die erfahrungs1 Die organisierte Bergrettung wird in Deutschland als Bergwacht bezeichnet. Zum Ursprung dieser Bezeichnung und zur unterschiedlichen begrifflichen Verwendung in Österreich später 2. Kapitel A. In dieser Untersuchung wird der Begriff „Bergrettung“ synonym für die jeweilige Bergrettungsorganisation in Deutschland, Österreich und der Schweiz verwendet, sofern nicht die landesspezifische Bezeichnung der jeweiligen Bergrettungsorganisation gewählt ist. 2 Gegenstück der Bergrettung ist die spontane Hilfeleistung durch Private, etwa durch seine Kameraden, andere Bergsportler oder Bergführer. 3 Meyers Großes Taschenlexikon, Bd. 18 S. 215.

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

gemäß in Notsituationen erforderlich werden, deshalb in gewissem Maße planbar sind und folglich in organisierter Form durchgeführt werden können, um Leben und Gesundheit der Betroffenen zu erhalten und Sachschaden zu verhindern. Oft ist deshalb vom organisierten Rettungswesen die Rede.4 Der Begriff Rettungsdienst wird nicht einheitlich verwendet. Er bezeichnet zunächst allgemein die medizinische Hilfeleistung in Not- und Unglücksfällen als einen Teilbereich innerhalb des Rettungswesens. Darüber hinaus wird er aber auch verwendet, um konkrete Aufgaben und Einrichtungen dieses Rettungszweigs zu kennzeichnen. In dieser Verwendungsform umfasst er alle Einrichtungen, Aufgaben, Maßnahmen und gesetzlichen Vorschriften, die in diesem Zweig des Rettungswesens von Bedeutung sind. Die organisierte medizinische Hilfeleistung läuft in einer Reihe von aufeinanderfolgenden Schritten, der sog. Rettungskette ab.5 Eine erfolgreiche Rettung von Notfallpatienten und Hilfsbedürftigen reicht von der spontanen Hilfeleistung durch den Laienhelfer über die Meldung des Notfalls bei einer Notrufstelle, der qualifizierten medizinischen Erstversorgung am Unfallort und dem Abtransport des Patienten bis hin zu seiner Einlieferung und medizinischen Weiterbehandlung in einem Krankenhaus.6 Dieser typische Einsatzablauf lässt sich in die Schritte Erste Hilfe7, Meldesystem8, Rettungsdienst und Krankenhaus9 als Glie4 Lippert/Weissauer, S. 7 Rn. 20. Wegen ihrer Bedeutung für das Gemeinwesen werden verschiedene Hilfsbereiche des Rettungswesens gesetzlich geregelt. Die jeweiligen Aufgaben werden durch entsprechend ausgestattete und organisierte Einrichtungen erfüllt. Brandschutz, d.h. Hilfeleistung bei Explosionen und Bränden, wird nach den Feuerschutz-, Brandschutz- bzw. Feuerwehrgesetzen (vgl. §§ 1 ff. FSHG NRW, Art. 1 ff. BayFwG) durch die Feuerwehr gewährleistet. Technisches Hilfswerk und Feuerwehr führen Rettungsaktionen in sonstigen Not- und Unglücksfällen durch, in denen besonderes Gerät und Fachkräfte zur technischen Hilfeleistung benötigt werden (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayFwG, §§ 1 Abs. 1, 18 FSHG NRW). Rettungsdienstgesetze regeln die medizinische Hilfeleistung durch den Rettungsdienst (vgl. Art. 1 ff. BayRDG n. F., §§ 1 ff. RDG BW, §§ 1 ff. HRDG etc.). Bei Großschadensereignissen wird die Zusammenarbeit aller Hilfseinrichtungen im Rettungswesen durch Katastrophenschutzgesetze geregelt (vgl. Art. 1, 7 BayKSG). In Bremen sind alle Bereiche des Rettungswesens in einem Gesetzeswerk zusammengefasst, vgl. Bremisches Hilfsleistungsgesetz (BremHilfeG) vom 18.06.2002). Der Terminus Rettungswesen wird teilweise als Synonym für den Bereich medizinischer Hilfeleistung verwendet (vgl. Lippert/Weissauer), was insofern ungenau ist, als der Begriff grundsätzlich alle Bereiche der Hilfeleistung in Notfällen umfasst. 5 Zum Begriff der Rettungskette vgl. Lüttgen/Mendel, A 1.1; vgl. ebenfalls die graphische Darstellung bei Imbach, S. 9. 6 Lippert/Weissauer, S. 18. 7 Die spontane Soforthilfe am Unfallort ist nur bedingt plan- und organisierbar. Lediglich dort wo Gefahrenquellen erfahrungsgemäß zu Unfällen und Verletzungen von Menschen führen, lässt sich Erste Hilfe vorbeugend sicherstellen. Beispiele hierfür sind vorgeschriebene Erste-Hilfe-Schulungen für Verkehrsunfälle beim Führerscheinerwerb und für Betriebsunfälle in Unternehmen. Die Effektivität solcher Ausbildungsvorschriften lässt zu wünschen übrig, solange die einmal absolvierte Schulung nicht fortlaufend aufgefrischt wird. Tritt ein Unfall in einer üblicherweise wenig gefahrenträchtigen Si-

1. Kap.: Der Rettungsdienst

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der der Rettungskette kategorisieren.10 Innerhalb der Rettungskette steht der Begriff Rettungsdienst somit für einen konkreten Aufgabenbereich sowie für die Einrichtungen, die diese Aufgaben erfüllen. Der Rettungsdienst hat die Aufgabe, Notfallpatienten, Verletzten, Kranken und sonstigen Hilfsbedürftigen am Notfallort eine qualifizierte medizinische Erstversorgung zukommen zu lassen, sie transportfähig zu machen und unter fachmännischer Betreuung zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus oder zu einem niedergelassenen Arzt zu befördern.11 II. Entwicklung des Rettungsdienstes Der Rettungsdienst wird heute zu einem großen Teil von privaten Hilfsorganisationen durchgeführt. Die Gründe hierfür liegen in der historischen Entwicklung des Rettungsdienstes. Der Rettungsdienst in seiner heutigen Form, d.h. der Kombination von medizinischer Versorgung vor Ort und dem (medizinisch betreuten) Transport des Patienten geht im Wesentlichen auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Zuvor entwickelten sich Krankenpflege und Krankentransport weitgehend separat vontuation auf, bleibt die Erst-Hilfe-Leistung durch einen kompetenten Laienhelfer dem Zufall überlassen. Dennoch kommt der Ersten Hilfe erhebliche Bedeutung für den Erfolg der Rettung eines Verunglückten zu. Trotz Planung und Organisation erreichen medizinisch ausgebildete Retter den Unfallort i. d. R. frühestens nach einigen Minuten. In dieser ersten Phase können bereits irreversible Schädigungen des Verletzten eingetreten sein, die durch einfache Erste-Hilfe-Maßnahmen u. U. hätten verhindert werden können (Lippert/Weissauer, S. 18). 8 Ein funktionierender und effektiver Rettungsdienst ist von einem ausgefeilten Meldesystem abhängig. Es muss sicherstellen, dass die erforderlichen Rettungsmittel gezielt, koordiniert und schnellstmöglich zum Einsatzort gelangen. Zu diesem Zweck werden sog. Rettungsleitstellen eingerichtet, die per Notrufnummer bei einem Notfall verständigt werden können. Ihre Mitarbeiter nehmen die eingehenden Informationen auf, initiieren, koordinieren und lenken entsprechend der ihnen gemeldeten Lage den Einsatz der Retter. Die Rettungsleitstellen können auf Einsatzpläne der verschiedenen Rettungswachen und regelmäßig auf Betten- bzw. Belegungsnachweise der umliegenden Krankenhäuser zurückgreifen. 9 Letztes Glied in der Rettungskette ist das Krankenhaus, in das schwer- und schwerstverletzte Unfallopfer, aber auch internistische und andere Notfallpatienten eingeliefert werden (Lippert/Weissauer, S. 27). Aufnahme und Versorgung von Notfallpatienten im Krankenhaus erfordern strukturelle Maßnahmen, ohne die dieses letzte Glied der Rettungskette nicht effektiv arbeiten kann. Der Erfolg der vorangehenden Bemühungen aller am Rettungswesen Beteiligten ist gefährdet, wenn der Patient mangels Vorbereitung nicht sofort der erforderlichen fachärztlichen Behandlung zugeführt wird. Die meisten Krankenhäuser verfügen deshalb über eine zentrale, interdisziplinär betriebene Notfallaufnahme, die die Organisation der Notfallversorgung innerhalb der Klinik erleichtert und sicherstellt, dass jeder Notfallpatient die für seine Erkrankung erforderliche Fachbehandlung erhält (Lippert/Weissauer, S. 27). 10 Lippert/Weissauer, S. 18 ff. 11 Lippert/Weissauer, S. 7.

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

einander, wobei lediglich für die Krankenpflege Organisationsformen existierten.12 Die Idee, eine erste qualifizierte Versorgung schon am Notfallort mit anschließendem Transport zu organisieren, wurde durch das Rote Kreuz geboren, das im Jahre 1863 unter dem Eindruck der Grausamkeiten und Leiden des Krimkrieges sowie der großen Zahl von Toten und Verletzten in der Schlacht von Solferino – damals unter der Bezeichnung „Internationales Komitee für die Hilfe für Verwundete“ – von Privatleuten gegründet worden war. Erstmals entstand eine Organisation, die sich nicht nur der Krankenpflege in Hospitälern widmete, sondern die Herausforderung einer medizinischen Hilfeleistung unter schwierigen Bedingungen auch außerhalb der Krankenhäuser annahm.13 Mit zunehmender Industrialisierung, der Errichtung von Fabriken für die Massenproduktion, der zunehmenden Technisierung und der Ballung der Bevölkerung in den Städten entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gefahrenquellen, die zu einer steigenden Zahl akuter Notfälle auch innerhalb der Zivilgesellschaft führten. Versorgung und Transport von Unfallopfern wurden so zu immer drängenderen Themen im zivilen Leben. Wieder waren es private Hilfeleistungsorganisationen, die sich diesen Aufgaben widmeten.14

12 Die organisierte Krankenpflege blieb bis in die Neuzeit hinein fast ausschließlich Aufgabe der Religionsgemeinschaften, die sich aufgrund ihres Glaubens dieser humanitären Herausforderung widmeten. Im mittelalterlichen Europa sorgten Mönchsärzte in den Klöstern für Kranke und Verletzte, Spitäler und Klöster bildeten eine Einheit (Hausner, S. 15). Aus diesen Einrichtungen gingen verschiedene christliche Ordensbewegungen hervor, die sich in erster Linie der Krankenpflege verschrieben (Lippert/ Weissauer, S. 3). Das wichtigste Beispiel ist der Johanniterorden, seit der Reformation aufgespalten in den evangelischen Johanniterorden und den katholischen Malteserorden.). Im 18. Jahrhundert traten dann vereinzelt auch weltliche Organisationsformen neben die bewährten Einrichtungen der Kirchen (Hausner, S. 15 f.). Im Gegensatz zur Krankenpflege war der Transport Kranker und Verletzter in die Versorgungseinrichtungen jedoch nicht organisiert und war den Betroffenen selbst überlassen. Der organisierte Krankentransport in eine Pflegeanstalt erfolgte nur beim Wegschaffen Verwundeter während kriegerischer Auseinandersetzungen, nachdem bei den Armeen Sanitätsdienste mit Lazaretten und in den Städten Spitäler entstanden waren, in denen Erkrankte und Verletzte gepflegt und von Ärzten behandelt wurden (Lippert/Weissauer, S. 28). Außerhalb kriegerischer Konflikte sah man bis ins 19. Jahrhundert aufgrund der vergleichsweise geringen Dichte akuter Notfälle nicht die Notwendigkeit, den Abtransport von Verletzten in Hospitäler eigens zu organisieren. 13 Hausner, S. 16. Wie der Gründungsanlass zeigt, waren auch hier Kriegsgeschehnisse auslösendes Moment für die Initiative; die Betreuung von Kriegsopfern blieb zunächst Arbeitsschwerpunkt des Roten Kreuzes (Hausner, S. 16). 14 Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) beispielsweise wurde 1888 von der Berliner Arbeiterschaft als Reaktion auf die steigende Zahl schwerer und tödlicher betrieblicher Unfälle gegründet. Seine Mitglieder unterzogen sich freiwillig einer Erste-Hilfe-Ausbildung, um ihre Arbeitskollegen am Unfallort versorgen zu können. Auch den Transport ins Krankenhaus machte sich der ASB zur Aufgabe (Geschichte des Arbeiter-SamariterBundes, unter www.asb.de).

1. Kap.: Der Rettungsdienst

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Auch die neben dem Roten Kreuz seinerzeit bereits bestehenden Krankenpflegeinstitutionen, insbesondere der Malteser- und der Johanniterorden, erkannten die Notwendigkeit, einen eigenen Rettungsdienst für zivile Unfallopfer zu etablieren und gründeten entsprechende Werke. Die im Krieg gesammelten Erfahrungen mit dem Betrieb von Hilfshospitälern und dem Transport von Verwundeten kamen nun auch der Zivilbevölkerung zugute.15 In großen Städten wurden die Aufgaben der Feuerwehren teilweise um die Rettung Verletzter erweitert. Von einem organisierten Rettungsdienst im heutigen Sinne konnte zu dieser Zeit aber noch nicht die Rede sein.16 Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurden 1926 erstmals „Grundsätze für den planmäßigen Aufbau und die Ordnung des Rettungs- und Krankenbeförderungswesens“ erarbeitet.17 Das Rote Kreuz und die Feuerwehr führten zu diesem Zeitpunkt den Großteil aller Rettungsaktivitäten durch.18 Die herausragende Stellung des Roten Kreuzes im Rettungsdienst führte dazu, dass ihm 1942 durch den „Erlass des Führers über die Vereinheitlichung des Krankentransportes“ der gesamte Bereich des zivilen Gesundheitswesens einheitlich übertragen wurde.19 In der Entstehungsphase des Rettungsdienstes nahm die medizinische Erstversorgung nur eine untergeordnete Rolle ein. Rettungseinsätze wurden überwiegend von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Hilfsorganisationen durchgeführt.20 Sie erwarben in ihrer Freizeit rudimentäre Kenntnisse der Notfallversorgung nach dem damaligen medizinischen Wissensstand. Zwar wurde so die Effektivität einer ersten Versorgung des Hilfsbedürftigen vor Ort gesteigert.21 Sie blieb aber weiterhin auf einfache Erst-Hilfe-Maßnahmen beschränkt. Auch die Ausstattung der damaligen Retter mit technischem Gerät und medizinischem Material ging über einfachste Mittel nicht hinaus. Der Rettungsdienst war primär auf den Transport des Verletzten zum Arzt ausgerichtet.22 Die hohe Zahl von Todesfällen und irreparablen Schädigungen, die noch am Unfallort oder während des Transports zum Arzt eintraten, zwang zu einem

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Koch/Kuschinsky, Leben Retten 1992, 160 ff.; Lippert/Weissauer, S. 28. Der Begriff „Rettungswesen“ oder „Rettungsdienst“ taucht in den Lexika um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts nur im Zusammenhang mit der Rettung zur See auf, vgl. Meyers Konversationslexikon, Bd. 14 von 1896. 17 Lüttgen/Mendel, A. 0., S. 3. 18 Lüttgen/Mendel, A. 0., S. 10. 19 Lüttgen/Mendel, A. 0. 10., S. 3. 20 Lippert/Weissauer, S. 4. 21 Lippert/Weissauer, a. a. O. 22 Lippert/Weissauer, S. 29. Dieses Konzept, den Patienten mit am Notfallort verfügbaren Mitteln transportfähig zu machen, um ihn dann zum Arzt oder in ein Krankenhaus zu bringen, hatte lange Bestand (Lippert/Weissauer, S. 4). Ärzte waren in den Rettungsdienst zu dieser Zeit nicht eingebunden, eine qualifizierte medizinische Behandlung erfolgte daher erst im Krankenhaus. 16

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

Überdenken der Konzeption des Rettungsdienstes.23 Langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass das Überleben eines Verletzten nicht nur von der ärztlichen Versorgung in einem Krankenhaus, sondern bereits von der qualifizierten medizinischen Versorgung vor Ort und während eines schnellen und schonenden Transports in ein Krankenhaus abhing. Der Heidelberger Chirurg Martin Kirschner unterbreitete 1936 erstmals den Vorschlag, nicht den Patienten zum Arzt, sondern den Arzt zum Patienten zu bringen.24 Der Vorschlag war seinerzeit heftig umstritten. Er wurde daher zunächst nicht umgesetzt. Erst in den sechziger Jahren besann man sich angesichts der drastisch steigenden Anzahl von Verkehrstoten wieder auf die Idee von Martin Kirschner.25 In den folgenden Jahren trugen Fortschritte in der Notfallmedizin zum endgültigen Umdenken bei. Man erkannte, dass das Überleben eines Verunglückten hauptsächlich vom Erhalt seiner Vitalfunktionen abhängt. Es gilt daher, am Unfallort Atmung und Kreislauf zu stabilisieren und erst den transportfähigen Patienten unter fortdauernder ärztlicher Betreuung in eine geeignete Klinik zu bringen.26 Die Ausbildungsstandards für Mitarbeiter im Rettungsdienst wurden zunehmend angehoben, eigens für die Notfallversorgung geeignete Rettungsmittel wurden entwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Verteilung rettungsdienstlicher Aufgaben maßgeblich durch die Besatzungsmächte bestimmt worden. In der amerikanischen und französischen Besatzungszone wurden weiterhin das Deutsche Rote Kreuz und die sonstigen Hilfsorganisationen mit seiner Durchführung beauftragt. In der britischen Besatzungszone hingegen wurde die Aufgabe nach englischem Vorbild den Gemeinden übertragen, die sich vor allem ihrer Feuerwehren bedienten.27 Die Entwicklung und das neue Konzept des Rettungsdienstes überstiegen zunehmend die Leistungskraft der privaten Hilfsorganisationen.28 Der steigende Aufwand zur Beschaffung moderner Rettungsmittel und zur zeitgemäßen Ausbildung ihrer Mitarbeiter sowie die Einbeziehung von Notärzten führten sie finanziell und organisatorisch an ihre Grenzen. Zudem bedurfte es einer straffen Ko23

Lippert/Weissauer, S. 29. Lippert/Weissauer, S. 30. 25 Lüttgen/Mendel, A. 0, S. 3: 1969 wurden in der Bundesrepublik ca. 19.000 Verkehrstote und über eine halbe Million Verletzte gezählt. Über 50% der Verunglückten standen zwischen dem 15. und 45. Lebensjahr. Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen dieser Zahlen waren erheblich (vgl. auch Lippert/Weissauer, S. 30). Erste Erprobungen des neuen Konzepts erfolgten durch den Betrieb des Heidelberger Klinomobils und den Notarztwagen Köln (vgl. Lippert/Weissauer, S. 4). Diese Einrichtungen, die vollständiges medizinisches Gerät und Personal zum Unfallort zu bewegen versuchten, erwiesen sich jedoch bald als zu schwerfällig und unflexibel und wurden in der Folge auf das notwendige Maß reduziert. 26 Nellessen, NJW 1979, 1919. 27 Lüttgen/Mendel, A. 0, S. 3. 28 Hausner, S. 17. 24

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ordination aller am Rettungsdienst Beteiligten, um die Effektivität von Einsätzen zu gewährleisten. Der Staat war aufgerufen, sich am Rettungswesen zu beteiligen. Auf dem 1. Rettungsdienstkongress des Deutschen Roten Kreuzes wurde erstmals von Fachleuten des Rettungsdienstes die Forderung nach einer umfassenden Reorganisation und Koordination des Rettungsdienstes auf gesetzlicher Grundlage erhoben.29 Anfang der siebziger Jahre stand der Staat deshalb vor der Entscheidung, ob und vor allem in welcher Form er Einfluss auf den Rettungsdienst nehmen sollte, um die bestehenden Schwierigkeiten zu beheben und eine effektive Versorgung der Bevölkerung mit medizinischer Hilfeleistung in Notfällen zu gewährleisten. Seine Möglichkeiten reichten von einer gezielten Förderung der privaten Rettungsorganisationen unter Beibehaltung der privaten Initiativen auf dem „freien Markt“ über eine gesetzliche Regulierung ihrer Tätigkeiten bis hin zur Eingliederung des Rettungsdienstes in den Aufgabenbereich des Staates und seiner Verwaltung.30

B. Grundlagen des modernen Rettungsdienstes I. Rechtsgrundlagen 1. Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen Dem Bund standen und stehen im Hinblick auf den Rettungsdienst nur eingeschränkte Gesetzgebungskompetenzen zu, die ihm eine bundeseinheitliche Regelung verwehren.31 Nach heute einhelliger Ansicht fällt der Rettungsdienst deshalb gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 GG in die alleinige Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz der Bundesländer.32 29

Lüttgen/Mendel, A. 0, S. 5; Lippert/Weissauer, S. 9. Hausner, S. 22. 31 Gorgaß, S. 810 f. Mangels ausschließlicher Gesetzgebungskompetenz (Art. 71, 73 GG) hat der Bund nach Art. 72 Abs. 1 und 2 GG lediglich im Wege konkurrierender Gesetzgebung die Möglichkeit, Regelungen zu erlassen, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechtsoder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Für das Gesundheitswesen, dem der Rettungsdienst zuzuordnen ist (Gorgaß, S. 811 ff.), sehen Art. 74 Abs. 1 Ziffern 19 und 22 GG diese Kompetenz jedoch nur für Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten, die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, den Verkehr mit Arzneien, Heil- und Betäubungsmitteln und Giften sowie den Straßenverkehr und das Kraftfahrtwesen vor. Kurative medizinische Behandlung und Krankentransporte als die beiden Aufgabenbereiche des Rettungsdienstes werden davon nicht erfasst. 32 Denninger, DÖV 1987, 981, 985; s. a. Hausner, S. 71: Diese Einteilung des Rettungsdienstes war ursprünglich nicht unumstritten, da man ihn hinsichtlich der Krankenbeförderung auch als einen Gegenstand der gewerblichen Personenbeförderung und damit des Kraftfahrwesens i. S. v. Art. 74 Abs. 1 Ziffer 22 GG betrachtete. Die anfängliche 30

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2. Bundesrecht a) Mustergesetzentwurf von 1973 Der Bund musste sich demnach im Jahre 1973 damit begnügen, einen vom Bund-Länder-Ausschuss „Rettungswesen“ vorgelegten Musterentwurf für den Erlass von Rettungsdienstgesetzen durch die Länder vorzulegen.33 Zweck der Rettungsdienstgesetze sollte es sein, die Funktionsfähigkeit des Gliedes „Rettungsdienst“ in der Rettungskette zu gewährleisten, für die hierzu notwendige Anbindung an andere im Notfalleinsatz tätige Organisationen und Träger zu sorgen und die Möglichkeit zu schaffen, bereits bestehenden privaten, im Rettungsdienst tätigen Organisationen die Durchführung des Rettungsdienstes ganz oder teilweise – d.h. im Zusammenwirken mit staatlichen Einrichtungen – zu übertragen. Der Rettungsdienst sollte in Deutschland möglichst einheitlich ausgestaltet werden.34 Der Musterentwurf beeinflusste zwar die Ausgestaltung der in der Folge durch die Bundesländer erlassenen Rettungsdienstgesetze, die beabsichtigte länderübergreifende Vereinheitlichung des Rettungsdienstes ist jedoch nur teilweise gelungen.35 b) Bundesrechtliche Vorschriften im Zusammenhang mit dem Rettungsdienst Bundesrecht ist für den Rettungsdienst in den Bundesländern mittelbar von Bedeutung. Durch das Gesetz über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten36 hat der Bund in diesem Bereich für die Einführung und den Schutz eines Rettungsberufes gesorgt, der modernen medizinischen Anforderungen Rechnung trägt. Qualifikations- und Ausbildungsvoraussetzungen eines Rettungsassistenten gewährleisten eine gegenüber der vormaligen Praxis gesteigerte Kompetenz und Professionalität im Rettungsdienst.

Mischzuständigkeit wurde beendet durch Änderung des Personenbeförderungsgesetzes 1992. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PersBefG nimmt ausdrücklich Beförderungen mit Krankenwagen aus dem sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes heraus, „wenn damit verletzte oder sonstige hilfsbedürftige Personen befördert werden, die während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung bedürfen oder bei denen solches aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist“. 33 Musterentwurf Rettungsdienstgesetz vom 27.04.1973, BT Ds 7/489. 34 Lippert/Weissauer, S. 10. 35 Lippert/Weissauer, S. 10; hierzu sogleich. 36 RettAssG vom 07.10.1987.

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Neben den Rettungsassistenten, deren Einsatz durch landesrechtliche Regelungen für bestimmte Rettungseinsätze vorgeschrieben ist, sind aber auch eine Vielzahl weniger intensiv ausgebildeter Helfer im Rettungsdienst aktiv. Das Sozialgesetzbuch (SGB V) regelt Ansprüche des Bürgers auf medizinische Versorgung und die Erstattung der durch die Tätigkeit des Rettungsdienstes entstandenen Kosten durch die Krankenkassen.37 3. Die Rettungsdienstgesetze der Bundesländer Dem Musterentwurf folgend erließen alle Bundesländer eigene Vorschriften zum Rettungsdienst. Sie stimmen zwar – wie vom Musterentwurf bezweckt – in vielen Regelungen überein, weisen jedoch auch zahlreiche Unterschiede auf, die sich auf historische oder strukturelle Gründe in der jeweiligen Region zurückführen lassen. Es besteht Einigkeit darüber, dass der Rettungsdienst allerorts als öffentliche Aufgabe der Gefahrenabwehr und der Daseinsvorsorge ausgestaltet ist.38 a) Träger des Rettungsdienstes (Zuständigkeitsmodelle) Wer nach dem jeweiligen Rettungsdienstgesetz Träger des Rettungsdienstes ist, variiert von Bundesland zu Bundesland. Die Bundesländer bleiben entweder selbst zuständig oder sie delegieren die Verantwortung an kommunale Gebietskörperschaften. aa) Dezentrale Staatsverwaltung Wie im Musterentwurf vorgesehen,39 fällt der Rettungsdienst in den meisten Ländern im Wege dezentralisierter Staatsverwaltung in die Zuständigkeit und die Verantwortung kommunaler Gebietskörperschaften. Je nach Konzeption des jeweiligen Landeskommunalrechts handelt es sich um eine Auftragsangelegenheit, Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises, Pflichtaufgabe nach Weisung oder Aufgabe zur Erledigung nach Weisung.40 In manchen Bundesländern ist der Rettungsdienst Selbstverwaltungsaufgabe der kommunalen Körperschaften.41 Die Anforderungen an ein funktionierendes, flächendeckendes Netz des Rettungsdienstes hängen von der Besiedlung und Infrastruktur eines Gebietes ab. In 37

Vgl. hierzu IV. Schulte, S. 71; Hausner, S. 52. 39 Vgl. § 2 des Musterentwurfs, der eine Zuweisung des Rettungsdienstes als Auftragsangelegenheit im übertragenen Wirkungsbereich an Kreise und kreisfreie Städte vorsah. 40 Lippert/Weissauer, S. 10. 41 § 4 Abs. 1 HRDG, § 3 Abs. 2 NRettDG, § 6 Abs. 2 RDG SH. 38

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Ballungszentren ist die Versorgung der Bevölkerung durch den Rettungsdienst deshalb meist einfacher zu organisieren als in bevölkerungsarmen, ländlichen Gegenden mit weniger gut ausgebautem Straßen- und Wegenetz. Je nach Gebietsstruktur greifen die Bundesländer deshalb auf unterschiedliche Formen der Dezentralisierung zurück, um die Anforderungen an die Verwaltungskompetenz einer Gebietskörperschaft nicht zu überspannen. (1) Kreise und kreisfreie Städte In den meisten, vornehmlich den nördlichen großflächigen Bundesländern ist der Rettungsdienst den Kreisen und kreisfreien Städten als Aufgabe übertragen.42 Die Gemeinden in der ehemaligen britischen Besatzungszone hatten bereits nach dem 2. Weltkrieg nach englischem Vorbild die Organisation des Rettungsdienstes vornehmen müssen.43 (2) Rettungszweckverbände In Bayern als Bundesland mit besonders großer und teilweise auch bevölkerungsarmer Fläche sind sog. Rettungszweckverbände aus Landkreisen und kreisfreien Städten gebildet worden.44 In diesen Zusammenschlüssen kommunaler Gebietskörperschaften werden Verwaltungskompetenzen und -ressourcen geballt, um die Aufgabe dennoch effizient lösen zu können. Mischformen, in denen Kreise und kreisfreie Städte allein oder in einem Zweckverband für den Rettungsdienst zuständig sind, finden sich in den östlichen Bundesländern. Zusammenschlüsse erfolgen hier teilweise nur zur Schaffung einzelner Einrichtungen des Rettungsdienstes.45 bb) Direkte Staatsverwaltung In den Stadtstaaten Hamburg und Berlin bedarf es einer Delegierung wegen des überschaubaren Versorgungsgebiets nicht. Die Länder selbst bleiben unmittelbar für den Rettungsdienst zuständig.46 42 § 6 RettG NW, § 6 RDG SH, § 5 SRettG, § 3 NRettDG, § 4 HRDG; in Bremen sind die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven direkt zuständig (§ 25 BremHilfeG). 43 Siehe oben A. II. 44 Art. 4 BayRDG n. F. 45 Bspw. die Einrichtung einer gemeinsamen Rettungsleitstelle, § 3 Abs. 1 und 2 BbgRettG, §§ 3, 4 RettDG LSA, § 3 ThürRettG. 46 § 7 HmbRDG, § 5 RDG Berlin, der die Notfallrettung der Berliner Feuerwehr als Ordnungsaufgabe überträgt. Nach § 7 HmbRDG wird der Rettungsdienst von der „zuständigen Behörde“ eingerichtet; eine dezentralisierende Übertragung erfolgt nicht. In

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cc) Sonderfall: Baden-Württemberg Einen Sonderfall bildet die Regelung in Baden-Württemberg. Hier ist das Land selbst zuständig für die Wahrnehmung des Rettungsdienstes. Das Sozialministerium überträgt seine Aufgabe aber durch Vereinbarung an die im Gesetz genannten Hilfsorganisationen.47 Nach diesem Modell sind die vertraglich beauftragten privaten Hilfsorganisationen für den Rettungsdienst zuständig.48 Nur subsidiär wird die rettungsdienstliche Versorgung der Bevölkerung zur Pflichtaufgabe der Land- und Stadtkreise, soweit sie nicht durch die vertraglich engagierten Hilfsorganisationen sichergestellt ist.49 b) Durchführung des Rettungsdienstes Die für den Rettungsdienst zuständigen Träger schaffen zunächst nur die tatsächlichen Rahmenbedingungen für den Rettungsdienst.50 Zur Durchführung des Rettungsdienstes selbst können sie sich geeigneter staatlicher/städtischer Einrichtungen oder Privater bedienen. Ob und in welchem Umfang der zuständige Rettungsdienstträger Einsätze durch staatliche/städtische Einrichtungen selbst ausführt oder dazu (ganz oder teilweise) auf private Rettungsorganisationen zurückgreift, hängt von den im jeweiligen Bundesland gewachsenen Strukturen und von dem dort jeweils umgesetzten (Durchführungs-)Modell ab, das in dem Rettungsdienstgesetz des jeweiligen Bundeslandes vorgegeben ist. Rechte und Pflichten der Durchführenden des Rettungsdienstes ergeben sich – abhängig vom jeweiligen Durchführungsmodell – für staatliche/städtische Einrichtungen unmittelbar, für Private mittelbar aus den jeweiligen Regelungen des Rettungsdienstgesetzes. aa) Durchführende des Rettungsdienstes (1) Staatliche Rettungsdienststellen Die staatliche Rettungseinrichtung, die vornehmlich mit der Wahrnehmung rettungsdienstlicher Aufgaben betraut wird, ist aufgrund ihrer Erfahrungen in die-

Bremen fällt der Rettungsdienst in die Zuständigkeit der beiden Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven, § 25 Abs. 1 Nr. 2 BremHilfeG. 47 Nach § 2 Abs. 1 RDG BW dem Arbeiter-Samariter-Bund, dem Deutschen Roten Kreuz und seiner Bergwacht Württemberg, der Johanniter-Unfall-Hilfe und dem Malteser Hilfsdienst, ferner der Deutschen Rettungsflugwacht, der Bergwacht Schwarzwald und der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft sowie bei Bedarf weiteren Stellen. 48 So BGHZ 118, 304; OLG Stuttgart NJW 2004, 2987, 2988. 49 § 2 Abs. 3 RDG BW. 50 Dies sind insbesondere gebietsweite Notrufzentralen (integrierte Rettungsleitstellen), Rettungswachen, ein einheitliches Funksystem und das Genehmigungsverfahren für private Rettungsdienstanbieter.

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sem Bereich die Feuerwehr.51 Daneben können aber auch andere Rettungseinrichtungen, etwa des Katastrophenschutzes oder der staatlichen Krankenhäuser sowie städtische Rettungsorganisationen zur Erfüllung der Aufgabe gebildet und herangezogen werden. (2) Private Dritte: Hilfsorganisationen und private Unternehmer Die Zahl der staatlichen Einrichtungen reicht für eine flächendeckende Durchführung des Rettungsdienstes meist nicht aus. In großem Umfang werden deshalb private Rettungsorganisationen durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Durchführung des Rettungsdienstes herangezogen. Hier lassen sich Hilfsorganisationen und private Unternehmer unterscheiden. Hilfsorganisationen engagieren sich aus humanitären, sozialen und religiösen Gründen im Rettungsdienst.52 Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht nicht das Streben nach Gewinn, sondern der Wunsch, Menschen in Not beizustehen.53 Die wichtigsten im Rettungsdienst aktiven Hilfsorganisationen sind das Deutsche Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter-Bund, die Johanniter Unfallhilfe und der Malteser Hilfsdienst. Sie sind überwiegend privatrechtlich als eingetragene Vereine organisiert. Allein dem Bayerischen Roten Kreuz wurde der Status einer öffentlichrechtlichen Körperschaft verliehen.54 Da die Hilfsorganisationen zwar auf eine gesunde Finanzierung, nicht aber auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, engagieren sie sich flächendeckend auch in bevölkerungsärmeren Gegenden, in denen die Aufrechterhaltung rettungsdienstlicher Einrichtungen nur durch Verteilung der Kosten und Einnahmen aus „profitableren“ Gegenden möglich ist. Sie stimmen in ihrer Ausrichtung weitgehend mit den Zielen staatlicher Daseinsvorsorge in medizinischen Notfällen und demnach mit dem Gesetzeszweck überein. Deshalb und aufgrund ihres historischen Engagements im Rettungsdienst und der darauf basierenden Expertise werden die Hilfsorganisationen von den Rettungsdienstträgern bevorzugt mit der Durchführung des Rettungsdienstes beauftragt und unterliegen keiner Genehmigungspflicht.55 Private Unternehmer, die rettungsdienstliche Leistungen anbieten, arbeiten hingegen gewinnorientiert. Sie treten vornehmlich in Ballungsräumen in Erscheinung, in denen sich aufgrund des größeren Arbeitsanfalls der Rettungsdienst aus 51

Vgl. § 5 Abs. 1 RDG Berlin, § 17 FSHG NRW. Vgl. §§ 1, 24 der Satzung des Deutschen Roten Kreuzes. 53 Hausner, S. 59. 54 Gesetz über die Rechtstellung des Bayerischen Roten Kreuzes vom 16.07.1986. Das BRK hat jedoch keine hoheitlichen Befugnisse (BayVerfGH BayVBl. 1992, 12, 14 m.w. N.). 55 Vgl. Art. 13 und 21 BayRDG n. F.; § 4 Abs. 2 HRDG; § 5 Abs. 3 BbgRettG. 52

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betriebswirtschaftlicher Sicht „lohnt“. Dort ist ihre Zulassung als Rettungsdienstunternehmen sinnvoll, um den großen Bedarf an rettungsdienstlichen Leistungen zu decken und durch den Wettbewerbsdruck gegebenenfalls die Preise zu senken. Private Rettungsdienstunternehmer unterliegen – anders als die Hilfsorganisationen – grundsätzlich einer Genehmigungspflicht durch die zuständigen Behörden. Durch die Genehmigungspflicht wird sichergestellt, dass der Unternehmer die für die jeweils übernommene Aufgabe erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, d. h. Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebs gewährleistet sind und der Unternehmer und sein Personal über ausreichende fachliche Fähigkeiten verfügen.56 bb) Durchführungsmodelle Ob der Träger den Rettungsdienst ganz oder teilweise durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen ausführt oder seine Durchführung an Private delegiert, hängt vor allem davon ab, ob seine eigenen Kapazitäten zur Erfüllung der Aufgabe ausreichen oder überhaupt geeignet sind. Wo Gemeinden durch ihre Berufsfeuerwehren traditionell bereits am Rettungsdienst beteiligt waren und deshalb über entsprechende Erfahrung und Organisationsstrukturen verfügen, sind sie bei seiner Durchführung auch heute noch stark vertreten. In Regionen, in denen Hilfsorganisationen seit jeher allein den Rettungsdienst durchführen und ein entsprechendes Organisationsnetz aufgebaut haben, wird ihnen die Aufgabe auch weiterhin überlassen. (1) Subsidiaritätsprinzip Der Musterentwurf schlug das sog. Subsidiaritätsprinzip vor, das heute in der Mehrzahl der Bundesländer umgesetzt wird. Danach sollen die Träger des Rettungsdienstes seine Durchführung an Hilfsorganisationen übertragen, solange diese hierzu bereit und in der Lage sind.57 Ziel dieses Regelungsmodells ist es, die bereits bestehenden Strukturen und die Expertise der Hilfsorganisationen bei der Durchführung von Rettungseinsätzen zu nutzen. Der Träger des Rettungsdienstes schafft nach diesem Konzept lediglich die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für einen funktionierenden effektiven Rettungsdienst und koordiniert die mit der Durchführung betrauten Einrichtungen und Organisationen. Erst wenn die Erfüllung der Aufgabe durch Hilfsorganisationen und private Unternehmer nicht mehr gewährleistet ist, muss der Träger des Rettungsdienstes sich ihrer selbst annehmen.58

56 Vgl. Art. 21 ff. BayRDG n. F., §§ 3, 13 RDG Berlin, §§ 4, 12 HmbRDG, §§ 10, 11 RDG SH. 57 Lippert/Weissauer, S. 11. 58 So bspw. Art. 13 Abs. 2 BayRDG n. F., § 8 SRettG.

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(2) Abweichende Modelle Das Subsidiaritätsprinzip wird in den Bundesländern aus den bereits angesprochenen Gründen nicht gleichermaßen umgesetzt. (a) „Umgekehrtes“ Subsidiaritätsprinzip (NRW, SH, HH, Berlin) In Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und den Städten Hamburg und Berlin gilt das Subsidiaritätsprinzip im umgekehrten Sinne. Die Durchführung des Rettungsdienstes wurde hier traditionell primär von öffentlichen Einrichtungen, d.h. der Berufsfeuerwehr und anderen staatlichen/städtischen Rettungseinrichtungen ausgeführt. Die Träger des Rettungsdienstes führen deshalb noch heute Rettungseinsätze vornehmlich durch eigene Einrichtungen aus. Hilfsorganisationen und private Unternehmer werden hingegen nur in dem Umfang zugelassen, in dem der Bedarf an rettungsdienstlicher Aufgabenerfüllung durch staatliche Einrichtungen noch nicht gedeckt ist.59 (b) „Doppelte“ Subsidiarität (BW) In Baden-Württemberg gilt das Subsidiaritätsprinzip in doppelter Hinsicht. Die Durchführung des Rettungsdienstes durch öffentliche Einrichtungen hängt nicht erst davon ab, ob die primär herangezogenen Hilfsorganisationen die Aufgabe hinreichend erfüllen (können). Schon die Zuständigkeit für den Rettungsdienst wird in die Hände der Hilfsorganisationen gelegt. cc) Rechte und Pflichten der Durchführenden des Rettungsdienstes Rechte und Pflichten der Rettungsorganisationen ergeben sich für die staatlichen/städtischen Einrichtungen unmittelbar aus den Rettungsdienstgesetzen und den behördlichen Dienstanweisungen, für die hinzugezogenen privaten Hilfsorganisationen und Unternehmen aus der Durchführungsvereinbarung mit dem zuständigen Rettungsdienstträger. Die Rettungsdienstgesetze gelten in diesem Fall also mittelbar. Die Rettungsdienstgesetze regeln neben den vom Rettungsdienstträger zu schaffenden notwendigen Rahmenbedingungen nur wenige Rechte und Pflichten der Durchführenden des Rettungsdienstes. So steht ihnen meist ein Anspruch auf Erstattung eines Teils ihrer Anschaffungs- und Vorhaltekosten seitens der Rettungsdienstträger oder des Landes 59 § 11 Abs. 1, 2 RettG NW, § 5 Abs. 1 RDG Berlin für die Notfallrettung, § 6 Abs. 2 RDG SH. Die Wahrnehmung des Rettungsdienstes durch die Feuerwehr geht in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen darauf zurück, dass schon die britische Besatzung nach englischem Vorbild nach dem 2. Weltkrieg den Rettungsdienst in die Hände der Verwaltung legte. Die Stadtstaaten hatten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Feuerwehren mit rettungsdienstlichen Tätigkeiten betraut (vgl. oben A. II.).

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zu.60 Aus manchen Rettungsdienstgesetzen ergibt sich, dass die Durchführenden des Rettungsdienstes für ihre Einsätze gegenüber dem Patienten selbst (Benutzungs-)Entgelte verlangen dürfen.61 In Einzelfällen sind sie dazu ermächtigt, selbst Gebühren für ihre Tätigkeit zu erheben.62 Über besondere Rechte gegenüber Patienten, insbesondere über einseitige Eingriffs- und Zwangsbefugnisse bei ihren Einsätzen verfügen sie nicht. Leistungen gegen den ausdrücklichen Willen des Patienten haben zu unterbleiben.63 Die Durchführenden des Rettungsdienstes sind verpflichtet, ihren Betrieb ordnungsgemäß einzurichten und aufrecht zu erhalten. Dazu gehören die Anschaffung und Instandhaltung der erforderlichen Rettungsmittel sowie die Bereitstellung qualifizierten Personals.64 Die durchführenden Einrichtungen bzw. Organisationen müssen in ihrem Dienstbereich zu Einsätzen ausrücken, wenn mit einem Notfall zu rechnen oder eine Weisung durch die zuständige Rettungsleitstelle erteilt worden ist. An gesetzliche oder untergesetzliche Vorgaben zur Ausführung des Dienstes sind sie (vertraglich) gebunden.65 Der Einsatz darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil ein rechtswirksamer Vertrag mit dem Hilfsbedürftigen nicht zustande kommt oder die Entrichtung eines Entgelts nicht gesichert ist.66 Die Durchführenden haben außerdem eine sog. Hilfsfrist zu beachten. Sie gibt den Zeitraum vor, innerhalb dessen die Einsatzkräfte am Unfallort eintreffen müssen.67 c) Aufgaben des Rettungsdienstes nach den Rettungsdienstgesetzen Aufgaben des Rettungsdienstes sind die Notfallrettung und der Krankentransport.68 60

Dazu näher unten IV. Vgl. Art. 32 BayRDG n. F.; § 28 Abs. 1 RDG BW. 62 § 20 RDG Berlin. 63 Vgl. § 17 Abs. 3 der Dienstanweisung Rettungsdienst (DA RD) in Bayern. 64 Inwieweit insbesondere Hilfsorganisationen auch zur Einrichtung von Rettungswachen und Rettungsleitstellen verpflichtet sind, bestimmt sich nach der konkreten Aufgabenverteilung durch die Rettungsdienstgesetze. 65 Vgl. Art. 37 ff. BayRDG n. F. u. a. zu Meldepflichten, Dokumentationspflichten oder zur Besetzung von Rettungsfahrzeugen mit geeignetem Personal. 66 Vgl. § 17 Abs. 2 DA RD zum BayRDG, § 18 HRDG, § 1 Abs. 3 RDG SH. 67 Vgl. § 3 Abs. 2 RDG BW, § 1 Abs. 1, 3 der 2. AusführungsVO zum BayRDG. Die Hilfsfrist, die sich je nach Versorgungsgebiet zwischen 10 und 15 Minuten bewegt, bindet vornehmlich Planung und Verteilung von Rettungswachen im Einsatzgebiet durch den Rettungsdienstträger. Sind jedoch die Rettungswachen derart über das Gebiet verteilt, dass jeder Unfallort im Umkreis innerhalb der vorgegebenen Frist erreicht werden kann, kommen die Durchführenden unter Erklärungsdruck, wenn sie die Hilfsfrist nicht einhalten. 68 Vgl. § 2 Abs. 1 RDG Berlin, § 1 Abs. 1 RDG Hamburg, § 1 Abs. 1 RettG NW, § 1 Abs. 1 RDG BW. Ob nach Art. 1 S. 1 BayRDG n. F. darüber hinaus andere Tätigkeiten 61

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aa) Notfallrettung Gegenstand der Notfallrettung ist es, bei Notfallpatienten lebensrettende Maßnahmen durchzuführen, ihre Transportfähigkeit herzustellen sowie sie unter Aufrechterhaltung der Transportfähigkeit und unter fachgerechter Betreuung der weiteren medizinischen Versorgung zuzuführen, insbesondere sie in ein für die weitere Versorgung geeignetes Krankenhaus zu befördern.69 Diese Definition umschreibt die Notfallrettung – neuerdings auch Notfallversorgung genannt70 – als die ursprüngliche Aufgabe, die dem Rettungsdienst innerhalb der Rettungskette zukommt. Entscheidendes Charakteristikum der Notfallrettung ist der Notfallpatient als „Objekt“ der Rettung. Notfallpatient ist, wer infolge Erkrankung, Verletzung oder aus sonstigen Gründen in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt oder wem schwere gesundheitliche Schäden drohen, wenn er nicht unverzüglich geeignete medizinische Hilfe erhält.71 Es handelt sich bei der Notfallrettung also um Fälle, in denen das Opfer einer besonders schwerwiegenden gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt ist. bb) Krankentransport Gegenstand des Krankentransports ist es, Kranken, Verletzten oder (sonstigen) Hilfsbedürftigen, die keine Notfallpatienten sind, sofern erforderlich, Hilfe zu leisten und sie unter fachgerechter Betreuung zu befördern.72 Im Gegensatz zur Notfallrettung ist der Patient hier nicht einer besonderen Gefährdung von Leben und Gesundheit ausgesetzt. Während für die Notfallrettung deshalb der Einsatz eines Notarztes charakteristisch ist,73 wird der Krankentransport meist ohne ärztliche Unterstützung durch medizinisch geschultes, nicht-ärztliches Personal vorgenommen. Fraglich erscheint es auf den ersten Blick, ob eine medizinische Erstversorgung und Betreuung des Hilfsbedürftigen stets Voraussetzung für den Krankenerfasst sein sollen, bleibt unklar (vgl. Art. 2 Abs. 10 im Gegensatz zu Art. 3 Ziffer 6 BayRDG n. F.). 69 § 3 Abs. 1 HmbRDG; vgl. auch § 1 Abs. 2 S. 1 RDG BW, Art. 2 Abs. 2 BayRDG n. F. 70 Lüttgen/Mendel, A. 2.1.20 S. 2; die neuere Terminologie übernehmend § 1 Abs. 1 HRDG. 71 Vgl. Lüttgen/Mendel, A. 2.1 20 S. 3; s. a. Lippert/Weissauer, S. 6. 72 Art. 2 Abs. 5 BayRDG n. F.; ebenso § 2 Abs. 3 RDG Berlin, § 1 Abs. 3 RDG BW, § 3 Abs. 2 HmbRDG, § 2 Abs. 2 RettG NW anstelle vieler. Siehe ebenfalls die Definition der Arbeitsgruppe „Strukturfragen“, Lüttgen/Mendel, A. 2.1.20 S. 3, die insofern aber den Begriff „Kranken-beförderung“ verwendet. Zum Krankentransport zählen außerdem Beförderungen von Patienten zwischen Behandlungs-einrichtungen, wenn dazu ebenfalls medizinische Betreuung erforderlich ist. Dieser Aspekt soll wegen seiner fehlenden Bedeutung für die Bergwacht aber hier außer Acht bleiben. 73 Vgl. Lüttgen/Mendel, A. 1.1. 30 S. 1, der die Notfallrettung als eine primär ärztlich determinierte Tätigkeit und Aufgabe bezeichnet.

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transport i. S. d. Rettungsdienstgesetze ist. Aus einigen Formulierungen der Rettungsdienstgesetze und den Definitionen in der Literatur wird dies nicht ohne weiteres deutlich. Da hier neben der Hilfeleistung für Kranke und Verletzte – die medizinische Betreuung ist insoweit offenkundig – auch von „(sonstigen) Hilfsbedürftigen“ die Rede ist, erscheint nach dem Wortlaut im letzten Fall eine medizinische Versorgung nicht zwingend zu sein.74 Dass der Begriff „Krankentransport“ aber nur diejenigen Hilfsaktionen als rettungsdienstliche Tätigkeiten erfassen soll, bei denen eine fachgerechte medizinische, wenn auch nicht ärztliche Betreuung durch geschultes Personal am Notfallort und während des Transports angezeigt und die Verwendung besonderer Rettungsmittel erforderlich ist, ergibt sich aus dem Zweck der Rettungsdienstgesetze, den insofern eindeutigen Formulierungen einzelner Rettungsdienstgesetze sowie aus dem Zusammenhang zwischen den Rettungsdienstgesetzen und den Regelungen des Sozialrechts. Einige Rettungsdienstgesetze definieren den Krankentransport als „die auf Grund ärztlicher Beurteilung notwendige Beförderung [. . .] und die damit im Zusammenhang stehende fachliche Betreuung in einem dafür besonders ausgestatteten Rettungsmittel durch dafür besonders qualifiziertes Personal“.75 Andere schließen den Krankentransport ohne Erfordernis einer fachgerechten medizinischen Betreuung explizit vom Anwendungsbereich des jeweiligen Gesetzes aus.76 Da der Rettungsdienst die organisierte medizinische Hilfeleistung innerhalb des Rettungswesens verkörpert und der allgemeine Rettungsdienst, den die Rettungsdienstgesetze regeln wollten, allein auf die medizinische Hilfeleistung und den medizinisch betreuten Transport von Patienten bei einem Notfall ausgerichtet ist, umfasst der Regelungszweck der Rettungsdienstgesetze nicht Hilfeleistungen, für die eine fachkundige medizinische Betreuung nicht erforderlich ist. Indirekt wird dieses Ergebnis durch die im Wortlaut eindeutigen Kostenregelungen des § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V und der zum Krankentransport erlassenen Richtlinien über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten gestützt.77 74 Art. 2 Abs. 5 BayRDG n. F.), § 1 Abs. 3 RDG BW, § 2 Abs. 3 RDG Berlin, § 3 Abs. 2 HmbRDG, § 2 Abs. 3 BbgRettG, § 2 Abs. 2 RettG NW. Vgl. die auch die Definition der Arbeitsgruppe „Strukturfragen“. Allein die Definition Ahnefelds setzt „medizinische Hilfe“ beim Krankentransport ausdrücklich voraus (Lüttgen/Mendel, A. 1.1 30 S. 2). 75 § 2 Abs. 2 HRDG, vgl. auch § 2 Abs. 2 Nr. 2 NRettDG, die den Begriff „qualifizierter Krankentransport“ verwenden. 76 Vgl. § 1 Abs. 4 Ziffer 1 RDG SH: „Dieses Gesetz gilt nicht für die Beförderung von Personen im Sinne des Absatz 2 [Verletzte, Kranke, in der Körperfunktion beeinträchtigte Personen], die einer fachgerechten Hilfe oder Betreuung während der Fahrt nicht bedürfen.“ § 2 Abs. 3 S. 2 SaechsRettDG: „Nicht zum Krankentransport gehört die Beförderung von kranken Personen, die während der Beförderung keiner medizinisch-fachlichen Betreuung bedürfen.“ 77 Die Notwendigkeit einer medizinischen Indikation für Krankentransporte wird in § 3 der Richtlinien über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransportrichtlinien vom 22.01.2004, BAnz. Nr. 18

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Ein Einsatz ist also dann dem Rettungsdienst zuzuordnen, wenn er aufgrund des gesundheitlichen Zustandes des Hilfsbedürftigen erforderlich war, selbst wenn dieser nicht krank oder verletzt ist.78 Medizinischer Betreuung bedürfen auch Hilfsbedürftige im Schockzustand, mit Kreislaufbeschwerden oder in stark alkoholisiertem Zustand. Der zweckgebundene Einsatz der eigens für die gesundheitliche (medizinische) Versorgung geschaffenen materiellen und personellen Rettungsmittel bleibt so gesichert. Nicht zum Krankentransport zählen sog. Krankenfahrten, d.h. solche Beförderungen von Patienten zum Arzt, für die der Einsatz eigens ausgestatteter Rettungsmittel und qualifizierten Personals nicht erforderlich ist.79 cc) Gefahrenabwehr und Daseinsfürsorge Die unterschiedliche Gefahrenlage bei Notfallrettung und Krankentransport hat zu einer divergierenden Beurteilung beider Einsatztypen geführt. Aufgrund der besonderen, akuten Gefährdung des Notfallpatienten wird die Notfallrettung nach überwiegender Ansicht als eine Aufgabe der öffentlichen Sicherheit und der Gefahrenabwehr angesehen.80 Die dem Krankentransport eigene, geringere Gefährdungslage hingegen enthält wesentlich abgeschwächte Sicherheitsaspekte. Er wird daher dem Bereich „gesundheitlicher Daseinsvorsorge“ zugeordnet.81 Diese Unterscheidung ist jedoch ungenau. Denn trotz der geringeren Intensität der Gefährdung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit beim Krankentransport besteht auch dort eine Gefährdung. Auch der Krankentransport ist deshalb eine Maßnahme der Gefahrenabwehr. Der Rettungsdienst ist deshalb als medizinische Hilfeleistung zur Abwehr von Gefahren, die der Staat im Wege der Daseinsvorsorge sicherstellt, zu bezeichnen. II. Die Aufgabenverteilung im Rettungsdienst Je nach Notfallsituation und Notfallort steht der Rettungsdienst vor verschiedenen Anforderungen an die medizinische Hilfeleistung und den Transport eines Patienten. Dementsprechend sind neben dem allgemeinen Rettungsdienst für bevom 28.01.2004, S. 1342) ausdrücklich erwähnt. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB V werden Fahrtkosten nur dann durch die Kassen übernommen, wenn sie „aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig“ sind. 78 Vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 3 SGB V, §§ 5, 6 der Krankentransport-Richtlinien, wonach es für die Kostenerstattung ausreichend ist, wenn die Notwendigkeit einer medizinischen Betreuung aufgrund des Zustandes des Patienten lediglich zu erwarten ist. 79 § 7 der Krankentransport-Richtlinien. 80 Lüttgen/Mendel, A. 1.1 30 S. 2; Fehn/Selen, S. 137 f.; ausdrücklich § 3 HRDG, § 6 Abs. 1 RettG NW; vgl. auch BGH NJW 2003, 1184. 81 Lüttgen/Mendel, A. 1.1 30 S. 2.

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sondere Situationen spezialisierte Einrichtungen des Rettungsdienstes gebildet worden, die den jeweiligen Herausforderungen gewachsen sind. 1. Der bodengebundene Rettungsdienst Als bodengebundener Rettungsdienst im Gegensatz zur Luftrettung werden die Einrichtungen des allgemeinen Rettungsdienstes, der Wasser- und der Bergwacht bezeichnet. a) Der allgemeine Rettungsdienst Der allgemeine Rettungsdienst führt Notfallrettung und Krankentransport überall dort durch, wo keine besonderen, über die üblichen Schwierigkeiten eines Notfalls hinausgehenden Anforderungen bestehen. Schwerpunkte des Einsatzes sind medizinische Erstversorgung und betreuter Transport des Patienten in eine Behandlungseinrichtung. Damit erfüllt der allgemeine Rettungsdienst die ureigenen Aufgaben des Rettungsdienstes innerhalb der Rettungskette. Typische Einsätze des allgemeinen Rettungsdienstes erfolgen bei alltäglichen Unfällen, ob im Straßenverkehr, in einem Betrieb oder im Haushalt. b) Wasser- und Bergwacht Wasser- und Bergwacht führen Rettungseinsätze zu Wasser und in unwegsamem, gebirgigem Gelände durch. Der allgemeine Rettungsdienst stößt hier an seine Grenzen. Seine Mitarbeiter können mit ihren Einsatzfahrzeugen und ihrer notfallmedizinischen Ausrüstung häufig schon gar nicht zu den Hilfsbedürftigen vordringen. Schwerpunkt der Tätigkeit von Wasser- und Bergwacht ist deshalb die Evakuierung der Hilfsbedürftigen aus der unzugänglichen Umgebung.82 Medizinische Erstversorgung und Krankentransport hängen in Durchführbarkeit und Maß von einer erfolgreichen Evakuierung und den Begleitumständen ab. Ihrem Einsatzbereich entsprechend sind Wasser- und Bergwacht mit speziellen Rettungsmitteln (Rettungsboote, Tauchausrüstung etc. bzw. bergtechnische Ausrüstung) ausgestattet und ihre Mitarbeiter für typische Anforderungen der Hilfeleistung in Gewässern oder im Gebirge besonders geschult. 2. Die Luftrettung Die Luftrettung spielt keine Sonderrolle im Rettungsdienst, sondern ergänzt und steigert die Leistungsfähigkeit des Rettungsdienstes insgesamt.83 In erster 82 83

Vgl. Lüttgen/Mendel, A 2.1 20, S. 4. Vgl. Lippert/Weissauer, S. 21.

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

Linie dient die Luftrettung dem schnellen und schonenden Transport des Verletzten in ein Krankenhaus. Rettungshubschrauber sind für die Notfallrettung mit technischem Gerät ausgestattet und mit medizinisch qualifiziertem Personal besetzt. Die Luftrettung kann deshalb Rettungseinsätze völlig selbständig vornehmen. Dies ist meist dann der Fall, wenn der Patient auf anderem Wege nicht schnell genug zu erreichen ist.84 Die Luftrettung kommt aber auch zum Einsatz, wenn der allgemeine Rettungsdienst die Erstversorgung vor Ort bereits vorgenommen hat, der Transport durch Rettungsfahrzeuge aber zu langsam erfolgen würde.85 Ihr Vorteil ist, dass eine auf die Verletzungen des Patienten spezialisierte Behandlungsanstalt ohne großen Zeitverlust erreicht werden kann.86 Darüber hinaus wirkt die Luftrettung unterstützend bei der Evakuierung Hilfsbedürftiger mit. Gerade im Gebirge sind Verletzte oder Vermisste nur schwer durch Bodenmannschaften zu orten und können nicht innerhalb angemessener Zeit geborgen und versorgt werden. In der Regel bleiben die obersten Landesbehörden Träger der Luftrettung.87 Eine Delegierung an kleinere Gebietskörperschaften findet nicht statt, da der Einsatz von Rettungshubschraubern über die kommunalen Gebiete hinweg und bisweilen sogar länderübergreifend geplant werden muss.88 Die Durchführung der Luftrettung wird durch Vereinbarung von den zuständigen Behörden auf öffentliche Einrichtungen oder private Organisationen übertragen, die über entsprechend ausgestattete Rettungshubschrauber verfügen.89 3. Der Notarztdienst Aufgabe des Notarztdienstes ist es, im organisierten Zusammenwirken mit dem Rettungsdienst die ärztliche Versorgung des Notfallpatienten nach notfallmedizinischen Standards sicherzustellen.90 Ein Notarzt wird zu Rettungseinsät84

Gorgaß, S. 65. Gorgaß, S. 65. 86 Etwa bei Brand- oder Schädelverletzungen. 87 Vgl. § 4 Abs. 4 HRDG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 NRettDG, § 5 Abs. 2 SRettG, § 3 Abs. 1 BbgRettG. 88 In anderen Modellen bestimmt das Land zwar die Organisation, legt die Standorte fest und erstellt einen Einsatzplan für die zur Verfügung stehenden Rettungshubschrauber, belässt aber die Trägerschaft bei den Gebietskörperschaften, sei es durch Bildung einer Trägergemeinschaft für den Einsatzbereich (§ 10 Abs. 2, 3 RettG NW) oder durch Überantwortung der Trägerschaft an den Rettungszweckverband, in dem der Hubschrauber stationiert ist (Art. 16 Abs. 2 BayRDG n. F.). 89 Lippert/Weissauer, S. 22. Der Bund etwa stellt im Wege der Amtshilfe Hubschrauber des Katastrophenschutzes zur Verfügung, die SAR-Bereitschaft der Bundeswehr unterstützt den zivilen Rettungsdienst in Fällen dringender Nothilfe. Auch Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes und der Polizei kommen zum Einsatz. Private Luftrettungsorganisationen sind etwa die Deutsche Rettungsflugwacht (DRF) und der ADAC. 85

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zen deshalb immer dann hinzugezogen, wenn aufgrund der Notfallmeldung und der daraus ersichtlichen möglichen Verletzungen des Patienten ärztliche Maßnahmen zur Stabilisierung des Opfers erforderlich erscheinen. Der Notarztdienst ist wegen der ihm zufallenden Aufgabe sowohl funktional als auch rechtlich Bestandteil des Rettungsdienstes.91 Obwohl beide in diesem Sinne eine Einheit bilden, bleiben sie organisatorisch getrennt.92 Die für die Errichtung eines Notarztdienstes per Gesetz oder Vereinbarung verantwortliche Organisation hat dafür zu sorgen, dass ein ausreichendes Kontingent von Ärzten eine notärztliche Zusatzausbildung absolviert und für Einsätze bereit steht. Die Einbindung von Notärzten in den Rettungsdienst erfolgt in zwei grundsätzlichen Modellen.93 Beim sog. Stationierungssystem94 sind der Notarzt und das Rettungsdienstpersonal an einem gemeinsamen Standort (etwa einem Krankenhaus) stationiert, von dem aus sie bei Alarmierung mit einem Rettungswagen gemeinsam zum Einsatzort aufbrechen. Das Stationierungssystem ist relativ un90 Lippert, NJW 1982, 2089, 2090; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.09.2004 – III ZR 346/03, S. 11. 91 BGH, Urteil vom 16.09.2004 – III ZR 346/03, S. 11. 92 Vgl. Lippert, NJW 1982, 2089. Die älteren Rettungsdienstgesetze enthalten nur vereinzelt Regelungen über die Gewährleistung eines funktionierenden Notarztdienstes. So sie denn auf Notärzte Bezug nehmen, beschränken sie sich meist darauf, die Mitwirkung von Notärzten im Rettungsdienst zu konstatieren (§ 3 Abs. 2 RDG SH, § 4 Abs. 2 SRettG, §§ 4 Abs. 3, 7 Abs. 3 RettG NW). Die Zurückhaltung der Landesgesetzgeber erklärt sich daraus, dass nach vorherrschender Auffassung bezüglich der alten Rechtslage in der Sozialgesetzgebung (§ 368 RVO bzw. § 75 SGB V a. F.) der Notarztdienst dem ambulanten Behandlungswesen und damit der Regelungsbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen zugeordnet wurde (vgl. Lippert, NJW 1982, 2090). Die Neufassung des § 75 SGB V in Absatz 1 Satz 2 nimmt nun ausdrücklich den Notarztdienst von der Regelungszuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung aus und überlässt sie dem Landesgesetzgeber (Nach § 75 Abs. 1 S. 2 SGB V umfasst die Sicherstellungsverpflichtung der kassenärztlichen Vereinigung zwar die vertragsärztliche Versorgung zu sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, „soweit Landesrecht nichts anderes bestimmt“.). Die Landesgesetzgeber sind deshalb nun frei, die Verantwortung für einen funktionierenden Notarztdienst zu regeln. Je nach Bundesland sind unterschiedliche Stellen für die Sicherstellung des Notarztdienstes verantwortlich. In Bayern bleiben weiterhin die kassenärztlichen Vereinigungen zur Sicherstellung des Notarztdienstes verpflichtet (Art. 14 Abs. 1 BayRDG n. F.). In einigen Bundesländern wird die Verantwortung den Trägern des Rettungsdienstes auferlegt, die in Zusammenarbeit (durch Vereinbarung) mit Krankenhausträgern, Kassenärzten und Krankenkassen die Aufstellung eines funktionierenden Notarztdienstes zu gewährleisten haben (§ 3 Abs. 2 HRDG, § 4 Abs. 5 BbgRettG). In anderen werden die genannten Verbände allein oder gemeinsam zur Sicherstellung des Notarztdienstes per Gesetz direkt verpflichtet (§ 10 RDG BW, § 28 Abs. 2 des Gesetzes zum Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz Sachsen, § 22 Abs. 5 RDG Rheinland-Pfalz). 93 Gorgaß, S. 63. 94 Lüttgen/Mendel, A 2.1 20, S. 15.

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flexibel, da der von Rettungsdienstpersonal und Notarzt gemeinsam genutzte Rettungswagen nach der ärztlichen Versorgung des Betroffenen am Notfallort für den anschließenden Transport in die weiterbehandelnde Einrichtung benötigt wird und dem Notarzt als Transportmittel nicht mehr zur Verfügung steht. Der Notarzt ist dann nicht mehr unmittelbar für weitere Einsätze einsatzbereit. Beim sog. Rendezvous-System hingegen fahren Notarzt und Rettungsdienstpersonal von getrennten Standorten und mit separaten Einsatzfahrzeugen zum Einsatzort. So können von einem Notarzt mehrere Rettungswagen begleitet werden. Gerade in ländlichen Gebieten hat dieses System den Vorteil, dass der Notarzt nach der Versorgung des Verletzten sofort wieder für andere Rettungswagen einsatzfähig ist und so Hilfsfristen verkürzt werden können.95 Eine Kombination beider Modelle ist ebenfalls denkbar. Beim Einsatz des Rettungshubschraubers wird der Notarzt an einem bestimmten Stützpunkt vom Rettungshubschrauber eingesammelt, bevor die Einheit dann den Unfallort anfliegt. III. Personal und Rettungsmittel im Rettungsdienst Mitarbeiter des Rettungsdienstes i. e. S. sind Rettungshelfer96, Rettungssanitäter97 und Rettungsassistenten98 sowie Notärzte99. Sie werden in der Regel beruf95

Lüttgen/Mendel, A 2.1 20, S. 15. Die Ausbildung des Rettungshelfers umfasst üblicherweise eine RettungssanitäterGrundausbildung (160 Stunden theoretischer Unterricht) und ein kurzes Rettungswachenpraktikum. Eine staatliche Prüfung findet nicht statt. Rettungshelfer werden meist als Fahrer von Krankenwagen eingesetzt. 97 Rettungssanitäter müssen sich einer 520 Stunden umfassenden Ausbildung an einer staatlich anerkannten Rettungsdienstschule und einem 40-stündigen Abschlusslehrgang mit staatlicher Prüfung unterziehen (Grundsätze zur Ausbildung des Personals im Rettungsdienst gemäß dem Bund-Länder-Ausschuss Rettungswesen vom 20.09.1977.). Rettungssanitäter werden als Beifahrer des Krankenwagens und als Fahrer des Rettungswagens eingesetzt. Entsprechend ihrer Qualifikation und den länderspezifischen Regelungen können sie im Krankentransport mit der Betreuung des Patienten betraut werden (Begriffsbestimmung des Deutschen Roten Kreuzes (www.brk.de/rettungsdienst). 98 Der Beruf des Rettungsassistenten ist 1989 eingeführt worden. Die Ausbildung umfasst einen Zeitraum von einem Jahr bzw. 1.200 Stunden theoretischer Ausbildung an einer staatlich anerkannten Rettungsdienstschule (§ 4 RettAssG). Darauf folgt ein einjähriges Praktikum (1.600 Stunden) auf einer Lehrrettungswache unter fortwährender Praxisanleitung durch Rettungsausbilder (§ 7 RettAssG). Der Rettungsassistent übernimmt selbständig alle Maßnahmen der Ersten Hilfe, daneben medizinische Maßnahmen, für die er speziell ausgebildet wurde. Für den Fall, dass kein Arzt in adäquater Zeit den Patienten erreicht und nur ärztliche Maßnahmen eine Verschlechterung des Zustandes oder gar den Tod des Patienten verhindern können, kann er sogar diese im Rahmen seiner Fähigkeiten durchführen (sog. Notkompetenz). Bei Anwesenheit eines Notarztes können solche Maßnahmen an den Rettungsassistenten delegiert werden (Angaben des Bayerischen Roten Kreuzes (www.brk.de/rettungsdienst)). Rettungsassistenten sind hauptamtliche Mitarbeiter und werden auf Rettungswagen zur Versorgung und Betreuung von Notfallpatienten eingesetzt. Auf Notarztwagen werden sie als Assistenten des Notarztes tätig. 96

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lich tätig und erhalten für ihre Arbeit deshalb eine entsprechende Vergütung. Die Rettungsmittel des Rettungsdienstes umfassen Rettungsfahrzeuge mit mobiler und fest installierter notfallmedizinischer Ausstattung, Sonderfahrzeuge und -geräte der Wasser- und Bergwach sowie eine Notrufzentrale (Rettungsleitstelle) und mehrere Rettungswachen. Zu den Rettungsfahrzeugen zählen Krankenkraftwagen, Rettungs- und Notarztwagen sowie Rettungshubschrauber. Sie sind jeweils für bestimmte Einsatztypen vorgesehen, dementsprechend mit Geräten ausgerüstet und mit für den jeweiligen Einsatz besonders qualifiziertem Personal besetzt. Die sog. Rettungsleitstelle, deren Einrichtung vom verantwortlichen Träger des Rettungsdienstes sicherzustellen ist, lenkt alle Einsätze im Rettungsdienstbereich und stimmt sie aufeinander ab. Diese Tätigkeit ist als öffentlich-rechtliches Handeln einzustufen.100 Sie kann dazu den im Rettungsdienst tätigen Personen Weisungen erteilen. Die Leitstelle muss ständig betriebsbereit, mit geeignetem Personal ausgestattet und über eine Notrufnummer erreichbar sein.101 Während anfangs für den Rettungsdienst eigene Leitstellen unterhalten wurden, ist man nun dazu übergegangen, sog. integrierte Leitstellen zu schaffen, die das Notfallmeldewesen für verschiedene Hilfeleistungen von öffentlichem Belang gemeinsam wahrnehmen.102 Die Rettungsleitstelle entscheidet nach Eingang eines Notrufes anhand eines festgelegten Kriterienkataloges über die Art der benötigten Hilfe und verständigt und koordiniert daraufhin die entsprechenden Rettungseinrichtungen. Neben den Rettungsleitstellen sind für jeden Rettungsbereich Rettungswachen zu errichten, deren Zahl und Standort der Träger des Rettungsdienstes nach

99 Notärzte müssen über besondere notfallmedizinische Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (vgl. Arbeitsgruppe „Strukturfragen“ des Ausschusses „Rettungswesens“, Lüttgen/Mendel, A. 2.1 20, S. 17). Die notärztliche Versorgung von Patienten mit Mitteln und Methoden präklinischer Intensivmedizin orientiert sich an interdisziplinär erarbeiteten Leitlinien der in der Notfallmedizin tätigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften (sog. DIVI-Empfehlungen – Lüttgen/Mendel, A 1.1 30, S. 4). Konkrete Ausbildungsstandards und der Nachweis von erworbenen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Notfallmedizin werden auf landesrechtlicher Ebene durch die Landesärztekammern vorgegeben (vgl. Art. 14 Abs. 1 BayRDG n. F., § 10 Abs. 1 RDG BW). Ist ein Notarzt bei einem Einsatz des Rettungsdienstes zugegen, unterliegen die Rettungsdienstmitarbeiter seinen Weisungen (Rieger, S. 10). 100 BGH NVwZ 2008, 79 ff. für Baden-Württemberg. Dies muss gleichfalls für alle anderen Bundesländer gelten, in denen der Träger des Rettungsdienstes für die Einrichtung der Stellen zu sorgen und diese zu koordinieren hat. 101 § 6 Abs. 1 RDG BW, Art. 7 und BayRDG n. F. i.V. m. den Vorschriften des Gesetzes über die Errichtung und den Betrieb Integrierter Leitstellen. 102 Vgl. bspw. in Bayern das Gesetz zur Einführung Integrierter Leitstellen vom 25.07.2002, das unter der Nummer 112 Anrufe für Feuerwehr und Rettungsdienst bei einer Leitstelle vorsieht. § 5 HRDG sieht die Einrichtung zentraler Leitstellen Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz vor.

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

(geographischem) Bedarf festlegt. Die Rettungswachen dienen als Stützpunkte für die Durchführenden des Rettungsdienstes. Sie müssen ständig über einsatzbereites Personal, Krankenkraftwagen und medizinisches Gerät verfügen.103 IV. Kosten und Finanzierung des Rettungsdienstes 1. Kostenarten Die für den Rettungsdienst anfallenden Kosten lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen. Zum einen entstehen Kosten, die unabhängig von der jeweiligen Einsatztätigkeit rettungsdienstlicher Einrichtungen sind. Dazu gehören der finanzielle Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung von Rettungswachen und Rettungsleitstellen, die Anschaffung der Rettungsmittel sowie deren Instandhaltung bzw. Erneuerung sowie für die Aus- und Weiterbildung des Personals. Hinzu kommen die Einsatzkosten, d.h. die durch die jeweilige Einsatztätigkeit verursachten Kosten für Personal und Material. 2. Finanzierung Die Finanzierung des Rettungsdienstes stützt sich auf drei Quellen. Zu welchem Anteil die Gesamtkosten durch eine dieser Quellen gedeckt werden, richtet sich nach der Regelung des jeweiligen Bundeslandes. Erste Quelle zur Finanzierung der Kosten des Rettungsdienstes sind Landesgelder, die den Durchführenden des Rettungsdienstes jährlich für Investitionsund Betriebskosten zufließen.104 So können die Verantwortlichen und Durchführenden des Rettungsdienstes über einen ersten gesicherten Grundstock an Kapital verfügen, um laufende Kosten zu tragen und notwendige Neuanschaffungen zu tätigen. Daneben erheben die Durchführenden des Rettungsdienstes für die Inanspruchnahme ihrer Leistungen Benutzungsgebühren bzw. -entgelte in Form von Pauschalen.105 In die Berechnung dieser Gebühren und Entgelte sind jeweils noch nicht durch Landeszuschüsse gedeckte Kosten einzubeziehen.106 Die Höhe der Pauschalen ist in der Regel im Einvernehmen zwischen den Trägern von Rettungs- und Notarztdienst, den Durchführenden und (teilweise) den primären Kostenträgern, d.h. den Krankenkassen und sonstigen Sozialversicherungsträgern, jährlich unter Berücksichtigung des Gesamtaufwands des Vorjahres zu bestim103

§ 7 Abs. 1 RDG BW, § 8 Abs. 2 NRettDG. § 26 RDG BW, Art. 33 BayRDG n. F., § 9 SRettG, § 7 HRDG. 105 Art. 32 BayRDG n. F., § 28 RDG BW („Entgelte“), § 20 RDG Berlin, § 8 HRDG („Gebühren“). 106 §§ 7, 8 HRDG, §§ 15, 16 NRettDG, § 8 RDG SH. 104

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men.107 Da es sich bei Notfallrettung und Krankentransport um Sachleistungen der Krankenkassen handelt,108 treffen die Rettungsorganisationen meist entsprechende Leistungsvereinbarungen mit den Krankenkassen, in denen sich die abgesprochenen Rettungspauschalen niederschlagen. Dabei ist zu beachten, dass die Leistungen der jeweiligen Einrichtungen des Rettungsdienstes, die häufig gemeinsam an einem Einsatz beteiligt sind, voneinander unterschieden und getrennt berechnet werden.109 Die im Rettungsdienst tätigen Hilfsorganisationen sind darüber hinaus für dennoch nicht gedeckte Kosten auf Gelder ihrer Dachverbände und Spenden angewiesen. Diese werden insbesondere für die Aus- und Weiterbildung von ehrenamtlichen Mitarbeitern und Rettungsübungen verwendet.

C. Rettungsdienst in Österreich und in der Schweiz I. Österreich Der Rettungsdienst in Österreich ist nach Art. 118 Abs. 3 Ziffer 7 des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) Aufgabe der Gemeinden. Sie haben dafür zu sorgen, dass das „Hilfs- und Rettungswesen“ in ihrem örtlichen Bereich sichergestellt ist.110 Den einzelnen Bundesländern steht die Regelungskompetenz für das Rettungswesen nach Art. 10 Abs. 1 Ziffer 12 B-VG i.V. m. Art. 15 Abs. 1 B-VG zu.111 Sie haben Rettungsgesetze erlassen, die den örtlichen und überörtlichen Rettungsdienst und seine Durchführung näher regeln. Die Rettungsgesetze bestimmen den Umfang, in dem die Länder (Luftrettung) und Gemeinden ihrer Aufgabe zur Sicherstellung des Rettungsdienstes nachkommen, insbesondere Organisation, Ausstattung und Finanzierung des Rettungsdienstes gewährleisten müssen. Den Trägern des Rettungsdienstes wird auch hier die Möglichkeit eröffnet, den Rettungsdienst an anerkannte Hilfsorganisationen oder sonstige private Rettungsunternehmen zu übertragen. Von dieser Möglichkeit haben die Gemeinden um107 Vgl. § 28 Abs. 3 RDG BW, Art. 34 BayRDG n. F. Die Einbeziehung der Krankenkassen in die Bestimmung der Rettungspauschalen ist nicht in allen Bundesländern vorgesehen. 108 Vgl. §§ 60, 133 SGB V. Entgegen des insoweit missverständlichen Wortlauts (Kostenerstattung) gehen die obersten Gerichte heute davon aus, dass beide Leistungen Sachleistungen der Krankenkassen sind (vgl. BSG Urteil vom 03.11.1999, B 3 KR 4/99 R, BeckRS 2000, 40481; BGH NJW 1999, 858, 859 f.). Zum Sachleistungsprinzip vgl. ebenfalls unten 3. Teil, 1. Kapitel. 109 Vgl. Art. 34 Abs. 9 und 10 BayRDG n. F.; §§ 28, 30 Abs. 2 RDG BW. 110 Vgl. zum Rettungswesen in Österreich Lüttgen/Mendel, J 1 05; Koler, S. 63 f. 111 Koler, S. 63.

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fassend Gebrauch gemacht.112 Auch in Österreich wird der Rettungsdienst folglich im Wege dezentraler Staatsverwaltung überwiegend nach dem Subsidiaritätsprinzip organisiert und durchgeführt. Die Art der Einbindung der Hilfsorganisationen variiert. Meist erfolgt sie durch Vertrag.113 In Vorarlberg etwa sind die Hilfsorganisationen von Gesetzes wegen als Durchführende des Rettungsdienstes vorgesehen und unterstehen den Weisungen des Bürgermeisters einer Gemeinde.114 Neben Notfallrettung und Krankentransport115 umfassen die Rettungsgesetze der österreichischen Bundesländer ausdrücklich auch Hilfeleistungen, die (noch) nicht medizinisch indiziert sind. Auch die Suche nach Vermissten und die Evakuierung sonstiger Hilfsbedürftiger werden mitunter in den Aufgabenbereich der Rettungsdienste aufgenommen.116 In einzelnen Bundesländern stehen den Hilfsorganisationen, denen der Rettungsdienst von den Gemeinden übertragen worden ist, hoheitliche Zwangsbefugnisse zur Ausführung ihrer Einsätze zu.117 Die Finanzierung des Rettungsdienstes erfolgt in Österreich ebenfalls teils im Wege der Subventionierung durch die Bundesländer und Gemeinden,118 teils durch Abrechnung der Einsätze119 und durch Spendengelder. 112 Lüttgen/Mendel, J 1 05. Vor allem das Österreichische Rote Kreuz führt dabei in überwiegendem Maße rettungsdienstliche Einsätze aus. 113 Vgl. § 3 Rettungsgesetz Tirol; § 2 Abs. 2 Rettungsgesetz Oberösterreich; § 2 Steiermärkisches Rettungsdienstgesetz; § 2 Abs. 2 Salzburger Rettungsgesetz. 114 Vgl. § 3 Abs. 1 und 5 Rettungsgesetz Vorarlberg. In Kärnten werden Hilfsorganisationen auf Antrag durch Bescheid als Rettungsorganisationen anerkannt, die dann den gesetzlichen Rechten und Pflichten unterfallen (§ 5 Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz). 115 Diese Begriffe werden in den Rettungsgesetzen der österreichischen Bundesländer nicht verwendet. Die dem Rettungsdienst obliegenden Aufgaben umfassen aber inhaltlich dieselben Aufgaben. 116 Vgl. § 1 Abs. 2 lit. a Rettungsgesetz Vorarlberg: „[. . .] die Bergung von Personen, die sich in Lebensgefahr oder in einer beträchtlichen Gefahr für ihre Gesundheit befinden und sich aus eigenen Kräften nicht aus dieser Gefahr befreien können.“ § 1 Abs. 3 Rettungsgesetz Oberösterreich: „Aufgabe des besonderen örtlichen Hilfs- und Rettungsdienstes ist es, Personen zu retten und außer Gefahr zu bringen, die in einer Naturhöhle (Höhlenrettung), am Berg (Bergrettung) oder im Wasser (Wasserrettung) in eine ihr Leben oder ihre Gesundheit unmittelbar bedrohende Gefahrensituation geraten sind.“ § 1 Abs. 2 lit. d Rettungsgesetz Vorarlberg: „[. . .] die Suche nach Abgängigen, wenn aus den näheren Umständen geschlossen werden kann, dass sich diese Personen in Lebensgefahr oder in einer beträchtlichen Gefahr für ihre Gesundheit befinden, [. . .]“. Hierzu näher s. u. 2. Kapitel B. II. 117 § 9 Abs. 1 (Zutrittsrecht für Bauwerke und Grundstücke), Abs. 4 (Beseitigung von Hindernissen) Rettungsgesetz Vorarlberg; ebenso § 8 Salzburger Rettungsgesetz; § 6 Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz. 118 Beispielsweise entrichten Gemeinden eine Pauschale pro Einwohner. Das Geld wird gesammelt und zur Unterstützung der tätigen Rettungsunternehmen verwendet, vgl. § 9 Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz; § 11 Steiermärkisches Rettungsdienstgesetz (Entrichtung an das Land und anschließende Verteilung an die Durchführenden des Rettungsdienstes).

1. Kap.: Der Rettungsdienst

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II. Schweiz Der Rettungsdienst in der Schweiz ist als Teil des Gesundheitswesens Aufgabe der Kantone.120 Nach Art. 43 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 bestimmen die Kantone, ob und wie sie diese Aufgaben wahrnehmen. Ihnen kommt dabei ein großer Gestaltungsspielraum zu, der es ihnen erlaubt, den Rettungsdienst in die Organisation der kantonalen Verwaltung einzugliedern121, mit den Gemeinden und Bezirken zu kooperieren oder ihnen die Aufgaben zu delegieren122 und/oder Leistungsvereinbarungen mit privaten Organisationen zu treffen.123 Die rechtlichen Grundlagen zur Organisation des Rettungswesens sind in den Kantonen sehr unterschiedlich ausgestaltet.124 Nur ein Teil der Kantone hat bisher konkrete rechtliche Bestimmungen zum Rettungswesen erlassen.125 Meist erfolgen nähere Regelungen in Organisations- und Qualitätsvorschriften126, sog. Rettungskonzepten127 und/oder in Leistungsverträgen.128 Eine konkrete gesetzliche Sicherstellungsverpflichtung der Kantone für den Rettungsdienst ist die Ausnahme.129 119 Vgl. § 6 Tiroler Rettungsgesetz (Erhebung von Entgelten in einer pauschalierten Höhe, die zwischen Gemeinde und Rettungsorganisation vereinbart wird); § 8 Gesetz über das Rettungswesen Vorarlberg; § 6 Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz. 120 Qualitätssicherung im Rettungswesen, Gutachten im Auftrag der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz (SDK) vom 11.06.2003, S. 21 (6.1 Gesetzliche Grundlagen der Kantone); Imbach, S. 6; vgl. Art. 1 des Gesetzes über die Organisation des Rettungswesens im Wallis; Art. 32, 43 Krankenpflegegesetz Graubünden i.V. m. Art. 1 der Ausführungsbestimmungen zur Organisation des Rettungswesens (Graubünden); Art. 1 Gesundheitsgesetz des Kantons Freiburg; § 34 des Gesetzes über das Gesundheitswesen im Kanton Zug. Bundesrechtliche Regelungen existieren auch hier für berufliche Ausbildungsstandards sowie sozialversicherungsrechtliche Ansprüche aus Kranken- und Unfallversicherung (Imbach, S. 6). 121 So etwa in den Kantonen Basel Stadt und Zug. 122 Rahmengesetzgebung existiert etwa in den Kantonen Bern, Basel Land, Fribourg, Genf, Waadt. Im Kanton Schwyz überträgt der Kanton die Organisation des Rettungswesens an die Bezirke, in den Kantonen Zürich und Neuchatel an die Gemeinden. 123 Übertragung der Organisation des Rettungswesens an einen kantonalen Dachverband im Tessin und im Wallis. Vgl. insgesamt Imbach, S. 6 und tabellarische Aufstellung S. 10. 124 Imbach, S. 11. Die entsprechenden Vorschriften können in Gesetzen, Verordnungen, Weisungen, Rettungskonzepten oder Leistungsaufträgen enthalten sein. 125 Tarifpolitik im Schweizer Rettungswesen, herausgegeben von der MedizinaltarifKommission UVG (November 2001), S. 7. Regelungen in Gesetz oder Verordnung finden sich in den Kantonen Bern, Basel Land, Fribourg, Genf, St. Gallen, Thurgau und Waadt (vgl. Imbach, S. 10). 126 So im Kanton Schwyz. 127 So in den Kantonen Aargau, Wallis, Graubünden. 128 So in den Kantonen Tessin, Wallis, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Jura, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Uri. 129 § 34 des Zuger Gesetzes über das Gesundheitswesen etwa bestimmt: „Der Kanton stellt den Rettungsdienst sicher“. Graubünden hingegen stellt lediglich ein Rettungskon-

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

Unabhängig von der Zuständigkeitsregelung für das Rettungswesen im jeweiligen Kanton und der Art der Ausgestaltung von Regelungen hierzu lässt sich für den Rettungsdienst in der Schweiz jedenfalls feststellen, dass die öffentliche Hand durch Kantone, Bezirke oder Gemeinden wie in Deutschland und Österreich meist lediglich einen organisatorischen Rahmen schafft und Vorgaben bezüglich der Qualität und der Koordination der tätigen Rettungsdienste macht.130 Der Regelungsgegenstand der verschiedenen Gesetze und Konzepte beschränkt sich regelmäßig auf die Koordinierung der Aktivitäten der bereits vorhandenen Rettungsorganisationen, die Bewilligung ihrer Tätigkeit, die Qualitätskontrolle und auf vereinzelte Subventionsbestimmungen. Zum Zwecke der Steigerung der Effektivität des Rettungsdienstes sowie zur Steigerung und Sicherung seiner Qualität werden häufig Vereinbarungen und Absprachen zwischen Kantonen und Rettungsorganisationen bzw. ihren Dachverbänden getroffen.131 Der bestehende „Markt“ der Rettungsdienstanbieter, der sich aus öffentlichen (Rettungsdienste der kantonalen Spitäler oder polizeiliche Rettungsdienste) und privaten Rettungsdienstorganisationen zusammensetzt, wird durch diese Rahmenvorgaben nicht berührt. Auch in der Schweiz wird der Rettungsdienst deshalb, soweit er nicht durch Kantonsspitäler selbst organisiert und durchgeführt wird, überwiegend durch die regional zuständigen Träger (Bezirke und Gemeinden) an private Rettungseinrichtungen übertragen (Subsidiaritätsprinzip). Die Finanzierung des Rettungsdienstes in der Schweiz erfolgt teilweise durch Unterstützung der Rettungsorganisationen durch Kantone und Gemeinden, sei es als Teil einer bestehenden Leistungsvereinbarung, sei es in Wahrnehmung ihrer allgemeinen Verantwortung für das Rettungswesen. Darüber hinaus sind die Rettungsorganisationen auch hier auf die Abrechnung ihrer Einsätze und das Akquirieren von Spendengeldern angewiesen.

zept auf und beschränkt sich darauf, durch lagespezifische Maßnahmen die optimale und rasche Personenrettung zu ermöglichen und die dazu erforderlichen Organisationen zu bestimmen, Art. 1 der AVB zur Organisation des Rettungswesens. Im Wallis wird ein privatrechtlicher Verein als Dachverband zur Organisation und Koordinierung der Rettungsorganisationen und deren Tätigkeiten eingesetzt, vgl. Art. 1 Walliser Gesetz über die Organisation des Rettungswesens. 130 Im Wallis etwa wird die Kantonale Walliser Rettungsorganisation (KWRO) als Dachorganisation mit der Koordinierung aller Rettungstätigkeiten durch die bestehenden Rettungsorganisationen betraut (Art. 1, 4 und 5 des Gesetzes über die Organisation des Rettungswesens im Wallis). Auch das Rettungskonzept Graubündens befasst sich allein mit der Effizienzsteigerung des Rettungsdienstes durch die vorhandenen Organisationen, vgl. Rettungskonzept Graubünden, S. 2 und die Ausführungsbestimmungen zur Organisation des Rettungswesens. 131 Vgl. etwa die Vereinbarung der Schweizerischen Santitätsdirektorenkonferenz (SDK) als Interessenvertretung der zuständigen kantonalen Gesundheitsbehörden mit dem Interverband für Rettungswesen (IVR) als Interessenvertretung der Rettungsorganisationen über die Erbringung von Dienstleistungen (Qualitätssicherung und -kontrolle, einheitliche Notrufzentralen, Fortbildung des Personals).

2. Kap.: Die Bergrettung

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2. Kapitel

Die Bergrettung A. Bergrettung in Deutschland Die Bergwacht in Deutschland hat sich zunächst unabhängig vom allgemeinen Rettungsdienst entwickelt, nimmt heute aber mit Notfallrettung und Krankentransport im Gebirge Aufgaben des Rettungsdienstes wahr.132 I. Geschichte der Bergwacht Nach den entbehrungsreichen Jahren des 1. Weltkrieges zog es die Erholung suchenden Menschen der modernen Industriegesellschaft vermehrt in die Natur. Der einsetzende Bergtourismus führte zu einer ständig steigenden Zahl von Schäden an Schutzhütten und zu einer nicht zu übersehenden Beeinträchtigung der Tier- und Pflanzenwelt. Als Folge dieser Entwicklung wurde die Bergwacht 1920 in München als Ordnungs- und Naturschutzorganisation für den bayerischen Alpenraum von Bergsteigern und Naturfreunden gegründet.133 Ihrem Vorbild folgend entstanden bald auch Bergwachtorganisationen in anderen Teilen Süddeutschlands. Mit dem Anstieg des Gebirgstourismus erhöhte sich zwangsläufig auch die Zahl der Bergunfälle. Noch um die Jahrhundertwende kümmerten sich alpine Rettungstrupps des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins, Forstarbeiter, Jäger und Bergführer um Verletzte. Ihr Engagement in der Rettung Hilfsbedürftiger war eher zufällige Folge ihrer ständigen Anwesenheit in den Bergen und ihrem Pflichtbewusstsein für die Nothilfe. Durch die gesteigerte Präsenz von Männern der Bergwacht im Gebirge wurden nun auch sie mit der Rettung Verunglückter konfrontiert. Dem Zwang der Ereignisse folgend unterzogen sich die Bergwachtmänner daher einer Erste-Hilfe-Ausbildung.134 Im Jahre 1924 wurde zusätzlich der Gebirgsunfalldienst des Roten Kreuzes (GUD) gegründet, in dem sich Sanitäter mit bergsteigerischen Ambitionen zusammenfanden. Beide Organisationen bauten in der Folgezeit ihre Strukturen aus, entwickelten immer neue Rettungsmittel und expandierten in alle Landesteile, in denen gebirgige Landschaften Bergrettung und Naturschutz erforderten. Im Jahre 1938 wurden Bergwacht und 132

Vgl. oben 1. Kapitel B. II. 1. b). Lüttgen/Mendel, F 4.3, S. 1. Auf diese Schutzfunktion gründet sich die in den sonstigen Alpenländern ungebräuchliche Bezeichnung „Bergwacht“. In Österreich gibt es auch heute noch Bergwachtorganisationen, die sich der präventiven Gefahrenabwehr und dem Schutz der Natur widmen. Ihre Tätigkeit ist in Bergwachtgesetzen geregelt (vgl. Bergwachtgesetz Tirol). Mit der Tätigkeit der Bergrettung hat dies aber nichts zu tun. 134 Freudig/Martin, S. 252. 133

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

Gebirgsunfalldienst unter der Bezeichnung „Deutsche Bergwacht“ im Deutschen Alpenverein zusammengefasst. Nach Kriegsende verschmolzen Bergwacht und Gebirgsunfalldienst in Bayern im neu gegründeten Bayerischen Roten Kreuz. Diesem Vorbild folgend schlossen sich auch fast alle anderen Bergrettungsorganisationen, die in den jeweiligen Bundesländern gegründet worden waren, dem jeweiligen Landesverband des Roten Kreuzes an. Einzig die 1922 gegründete Bergwacht Schwarzwald e. V. ist eine juristisch selbständige Rettungsorganisation geblieben.135 Im Jahre 1955 wurde die länderübergreifende „Arbeitsgemeinschaft Bergwacht“ gegründet. Die Bayerische Bergwacht, die Ursprung des Bergrettungswesens in Deutschland ist und seit jeher Vorbild- und Leitfunktionen im deutschen Bergrettungswesen übernimmt,136 wurde in die Internationale Kommission für Alpines Rettungswesen (IKAR) berufen.137 II. Die Bergwacht 1. Aufgaben (Satzung) Die Bergwacht widmet sich entsprechend ihren jeweiligen Satzungen bzw. Ordnungen verschiedenen Aufgaben. a) Notfallrettung und Krankentransport Sie führt zunächst Notfallrettung und Krankentransport im Gebirge und im unzugänglichen Gelände durch.138 Wie bereits angedeutet, greift sie dabei auf besondere technische Ausrüstung und Fähigkeiten zurück, über die die Mitarbeiter anderer Einrichtungen des Rettungsdienstes, insbesondere des allgemeinen Rettungsdienstes, nicht verfügen. b) Evakuierung Gefährdeter, Vermisstensuche und Totenbergung Daneben wird die Bergwacht bei der Suche nach Vermissten, der Bergung von Toten und der Evakuierung in Gefahr geratener, nicht verletzter oder medizinisch hilfsbedürftiger Personen tätig.139 135

Freudig/Martin, S. 256. Die folgende Schilderung der organisierten Bergrettung in Deutschland wird wegen dieser Leit- und Vorbildfunktion am Beispiel der Bayerischen Bergwacht und der ebenfalls bedeutenden Bergwachten Baden-Württembergs erfolgen. Die Bergwachten der übrigen Bundesländer spielen nur eine untergeordnete Rolle im deutschen Bergrettungswesen. Auf sie wird nur eingegangen, soweit sich signifikante Unterschiede ergeben. 137 Lüttgen/Mendel, F 4.3, S. 1. 138 Vgl. Lüttgen/Mendel, F 4.3, S. 1. Vgl. Art. 2 Abs. 10 BayRDG n. F. und § 3 Abs. 3 der Ordnung der Bergwacht Bayern. 139 § 3 Abs. 4 der Ordnung der Bergwacht Bayern. 136

2. Kap.: Die Bergrettung

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Zu Beginn eines Einsatzes steht häufig nicht fest, welche Aufgaben die Bergwacht konkret zu erfüllen hat. So kann etwa die Vermisstensuche in eine Notfallrettung oder eine Totenbergung münden oder die Evakurierung in Gefahr geratener Bergsteiger wegen zwischenzeitlich eingetretener Unterkühlung zum Krankentransport oder gar zur Notfallrettung werden. c) Sonstige Aufgaben Getreu ihrem Gründungszweck bemühen sich die Bergwachtmänner und -frauen auch heute noch um den Naturschutz.140 Die Bergwacht wirkt bei Bedarf im Katastrophenschutz mit und wird zur Bergung von Vieh herangezogen.141 Bergwachtmänner und -frauen übernehmen außerdem vorbeugende und sichernde Aufgaben der Skiwacht auf Pisten und Loipen. Sie sind in dieser Funktion aber hauptamtlich im Auftrag der Gemeinden und Bergbahnen tätig. Erst wenn es zu Unfällen im Skigebiet kommt, fungieren sie wieder als Bergretter im ursprünglichen Sinn.142 2. Organisationsstrukturen a) Einbindung in das Rote Kreuz und Sonderstellung der Bergwacht Schwarzwald e.V. Die Bergwachten sind sog. Gemeinschaften im jeweiligen Landesverband des Roten Kreuzes.143 Als Gemeinschaften gelten auf eine bestimmte humanitäre Aufgabe innerhalb des Roten Kreuzes ausgerichtete Organisationen, die nicht in die Hierarchie des Rotkreuzverbandes integriert werden, sondern selbständig bleiben und ihre Arbeit nach einer eigenen Ordnung gestalten. Die Mitglieder dieser Gemeinschaften werden ausschließlich ehrenamtlich tätig.144 Die Bergwacht bekennt sich also zu Grundwerten und Zielen des Deutschen Roten Kreuzes,145 ist in den jeweiligen Landesverband des Roten Kreuzes eingebunden, regelt aber ihre Angelegenheiten selbständig. Sie ist lediglich an die in den Satzungen des Deutschen Roten Kreuzes und seines jeweiligen Landesverbandes enthaltenen Rahmenvorgaben gebunden. 140

§ 3 Abs. 5 der Ordnung der Bergwacht Bayern. § 3 Abs. 3 der Ordnung der Bergwacht Bayern; Freudig/Martin, S. 575 ff. 142 Freudig/Martin, S. 259 ff. 143 § 4 Abs. 3a der Satzung des Deutschen Roten Kreuzes. 144 § 4 Abs. 2, 3 der Satzung des Deutschen Roten Kreuzes. 145 Grundsätze des Roten Kreuzes sind Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität, vgl. § 1 Abs. 5 der Satzung des DRK. Seine Arbeit dient der Nächstenliebe, Völkerverständigung und dem Frieden (§ 1 Abs. 2 der Satzung des DRK). Es engagiert sich in der Wohlfahrtspflege (§ 1 Abs. 3) und wird stets gemeinnützig tätig (§ 24 der Satzung des DRK). 141

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

Da dem Bayerischen Roten Kreuz der Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft verliehen wurde,146 besteht für die Bergwacht Bayern die Besonderheit, dass sie als Gemeinschaft im Landesverband des Bayerischen Roten Kreuzes dessen rechtlichen Status teilt und damit nicht private Hilfsorganisation ist. Die Bergwacht Schwarzwald e.V. hat als einzige Bergwacht ihren historisch unabhängigen Status als privatrechtlich organisierter Verein behalten und ist nicht in den Verband des Roten Kreuzes Baden-Württemberg eingegliedert. Bergwacht Schwarzwald und Bergwacht Baden-Württemberg kooperieren jedoch eng miteinander. b) Einteilung der Dienstgebiete und Organisationsaufbau Der Rettungsdienst als öffentliche Aufgabe muss die Gesamtfläche eines Bundeslandes abdecken. Die generelle Delegierung der Aufgabe an bestehende, flächendeckende (Verwaltungs-)Gebietskörperschaften oder aus ihnen gebildete Rettungszweckverbände stellt dies sicher.147 Die Einsatzbereiche des allgemeinen Rettungsdienstes decken sich mit den Territorien dieser Gebietskörperschaften. Die Tätigkeiten der Bergwacht dagegen beschränken sich auf gebirgige und unzugängliche Landschaftsteile. Die Dienstbereiche der Bergwacht sind daher wesentlich kleiner. Die geographisch begrenzten Einsatzgebiete einerseits und die Tatsache, dass die Bergwacht sich zunächst selbständig entwickelte und entsprechende Strukturen gebildet hatte, bevor sie nach Erlass der Rettungsdienstgesetze in den 70er Jahren dem Rettungsdienst zugeordnet wurde, führten zu einer eigenen Einteilung der zu versorgenden Gebirgslandschaften. aa) Bayern In Bayern ist die Bergwacht dreigliedrig aufgebaut. Auf Landesebene wird eine Landesleitung eingerichtet, regional werden für bestimmte Gebirgsregionen Abschnitte gebildet und innerhalb der Abschnitte nehmen die örtlichen Bereitschaften die Aufgaben der Bergwacht wahr.148 146 Gesetz über die Rechtstellung des Bayer. Roten Kreuzes vom 16.07.1986, vgl. oben 1. Kapitel B. I. 3. b) aa) (2). 147 Siehe oben 1. Kapitel B. I. 3. a) aa). 148 Vgl. §§ 4, 15, 16 der Ordnung der Bergwacht Bayern. In Bayern existieren sieben sog. Bergwacht-Abschnitte (Regionen, vgl. § 4a der 2. Ausführungsverordnung zum BayRDG. Die Grenzen der einzelnen Abschnitte bestimmt der Landesausschuss der Bergwacht Bayern, Freudig/Martin, S. 258). Jeder Abschnitt verfügt über einen eigenen Verwaltungsapparat samt Geschäftsstelle, die nach Maßgabe des jeweiligen Abschnittsleiters geführt wird. Der Abschnitt unterstützt die örtlichen Bereitschaften bei der Durchführung ihrer Aufgaben und legt in Abstimmung mit ihnen Dienstbereiche und Dienstgemeinschaften fest. Die Abschnittsleitung regelt und koordiniert die Dienste,

2. Kap.: Die Bergrettung

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Die tatsächliche Erfüllung der Bergwachtaufgaben fällt den sog. Bereitschaften zu. Der jeweilige Abschnitt wird unter Berücksichtigung von Tradition und geographischen Verhältnissen in einzelne Dienstgebiete unterteilt. Die Bergwachtmitglieder eines Dienstgebiets, d.h. einer oder mehrerer der dort befindlichen Ortschaften, bilden eine Bereitschaft(-sgruppe), die für Rettungseinsätze in ihrem Gebiet zuständig ist. Sie wählen eine Bereitschaftsleitung, die für Aus- und Fortbildung ihrer Bergwachtmänner verantwortlich ist sowie Einsätze organisiert und koordiniert.149 bb) Baden-Württemberg In Baden-Württemberg sind die beiden dort agierenden Bergwachtorganisationen, die den Schwarzwald und die übrigen Gebirgsregionen ohnehin getrennt betreuen, zweigliedrig strukturiert. Beiden Organisationen steht eine Landesleitung vor, die überregionale Regelungs-, Koordinierungs- und Vertretungsaufgaben wahrnimmt.150 Eine weitere Unterteilung in Bergwachtabschnitte fehlt und ist wegen der vergleichbar überschaubaren Einsatzfläche nicht notwendig. Die Dienstgebiete werden unmittelbar örtlichen Bereitschaften bzw. Ortsgruppen zugewiesen. Diese Bereitschaften und Ortsgruppen sind für die Erfüllung der Aufgaben der Bergwacht in ihrem jeweiligen Ortsbereich zuständig. 3. Einbindung in den Rettungsdienst Aufgrund ihrer besonderen Kompetenzen und Ausstattung wird die Bergwacht zu Erfüllung rettungsdienstlicher Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransportes in unwegsamem Gelände als Hilfsorganisation regelmäßig in die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des Rettungsdienstes eingebunden. Dazu verpflichten sich die Bergwachten in den jeweiligen Ländern durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem jeweils für den Rettungsdienst zuständigen Träger.151 Wegen ihres selbständigen Status innerhalb des Roten Kreuzes sind die BergAus- und Fortbildung in der Region. Sie vertritt die regionalen Interessen des Abschnitts nach Innen und Außen, insbesondere gegenüber der Landesleitung (vgl. § 12 der Ordnung der Bergwacht Bayern). Über Fragen, die für die Bergwacht Bayern von grundsätzlicher Bedeutung sind, beschließt auf Landesebene der Landesausschuss der Bergwacht. Er setzt sich aus den verschiedenen Abschnittsleitern, deren Stellvertretern und hinzugewählten Mitgliedern zusammen und wählt seinerseits ein Präsidium (§§ 15, 16 der Ordnung der Bergwacht Bayern, vgl. auch Freudig/Martin, S. 258). 149 §§ 9 ff. der Ordnung der Bergwacht Bayern; Freudig/Martin, S. 259. 150 Vgl. § 12 der Satzung der Bergwacht Schwarzwald e. V. 151 In Bayern werden den verschiedenen Bergwachtabschnitten Rettungszweckverbände zugewiesen, mit denen die Abschnittsleiter die Vereinbarung abschließen, vgl. Art. 17 BayRDG n. F. In Baden-Württemberg schließen die Bergwachten die Vereinbarung direkt mit dem Sozialministerium ab, § 2 Abs. 1 RDG BW.

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

wachten des Roten Kreuzes selbst Vertragspartei der jeweiligen Vereinbarung und werden nicht etwa nur über etwaige Vereinbarungen des Landesverbandes der Hilfsorganisation mit verpflichtet.152 Soweit die Bergwachten also Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransportes wahrnehmen, haben sie sich hierzu gegenüber dem zuständigen Rettungsdienstträger vertraglich verpflichtet. Sie führen insoweit eine öffentliche Aufgabe im Sinne der Rettungsdienstgesetze aus. Rechte und Pflichten bei Ausführung solcher Einsätze entsprechen denen aller Durchführenden des Rettungsdienstes.153 Bei der Evakuierung unverletzter Hilfsbedürftiger, die einer medizinischen Betreuung nicht bedürfen, der Vermisstensuche und der Totenbergung kommen die Bergwachten hingegen grundsätzlich erst einmal allein ihren satzungsmäßigen Aufgaben nach, die nicht zu ihrem Aufgabenbereich nach den Rettungsdienstgesetzen gehören und zu denen sie folglich nicht durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit dem zuständigen Rettungsdienstträger verpflichtet sind.154 Diese Einsätze sind nach den Definitionen der Rettungsdienstgesetze weder Notfallrettung noch Krankentransport, da sie nicht der medizinischen Versorgung eines hilfsbedürftigen Patienten dienen.155 Die Rettungsdienstgesetze finden keine Anwendung. Dennoch müssen die Bergwachten bei der Durchführung solcher Einsätze die Kompetenzen staatlicher Einrichtungen wie der Polizei beachten und mit den zuständigen Stellen kooperieren.156 4. Personal, Ausbildung und Ausstattung Die Tätigkeit des Bergretters erfolgt auf rein ehrenamtlicher Basis.157 Die Bergwachtmänner und -frauen verrichten ihren Dienst überwiegend an Wochen152

Vgl. Art. 17 BayRDG n. F. s. o. 1. Kapitel B. I. 3. b) cc). 154 Vgl. oben 1. Kapitel B. I. 3. c) bb). 155 Ein Hinweis auf Such- und Bergungsaufgaben findet sich in der Dienstanweisung für den Rettungsdienst nur im Zusammenhang mit der Luftrettung, § 46 Abs. 2 DA RD Bayern, bleibt aber bei der Bergwacht selbst unerwähnt, § 50 DA RD Bayern. Art. 2 Abs. 10 BayRDG n. F. sieht nunmehr aber für die Bergrettung auch die Rettung nicht „hilfloser Personen“ als rettungsdienstliche Tätigkeit vor. Ob das BayRDG auch auf die Evakuierung unverletzter, nicht medizinisch betreuungsbedürftiger Personen durch die Bergwacht Anwendung findet, kann angesichts der Regelung in Art. 3 Ziffer 6 BayRDG n. F. bezweifelt werden. Dafür spricht jedenfalls die Regelung in Art. 36 Abs. 3 BayRDG n. F., die zwischen sozialversicherungsrechtlich relevanten Tätigkeiten (d.h. Notfallrettung und Krankentransport) und sonstigen Leistungen der Bergrettung unterscheidet. 156 Vgl. Freudig/Martin, S. 318. Näher zur Stellung der Bergwacht in diesen Situationen unten, 2. Teil. 157 Das gilt auch für Bergretter, die als Mitarbeiter der Skiwacht in den Wintersportregionen hauptberuflich Dienste ausführen. Die Aufgaben der von der Stiftung Sicher153

2. Kap.: Die Bergrettung

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enden und in ihrer Freizeit. Kommt es außerhalb dieser Zeiten zu Einsätzen, werden sie während ihrer beruflichen Tätigkeit benachrichtigt. Wer abkömmlich ist, nimmt am Einsatz teil. Lediglich das in der Verwaltung von Landesleitung und Abschnittsleitung tätige Personal ist fest angestellt und bezieht ein Gehalt. Die Bergretter müssen über körperliche Fitness, bergsteigerische Erfahrung und über eine medizinische Grundausbildung verfügen, die obligatorisch allerdings nur eine einfache Sanitätsausbildung umfasst.158 Zur Ausrüstung der Bergwacht gehört eine allgemeine bergtechnische Ausrüstung,159 die erforderlich ist, um Verletzte im Gebirge überhaupt einigermaßen sicher zu erreichen und sie gegebenenfalls behelfsmäßig aus der Gefahrenlage zu evakuieren, wenn besonderes technisches Rettungsgerät nicht vorhanden ist oder nicht an den Einsatzort befördert werden kann. Hinzu kommt spezielles Bergrettungsgerät160 und notfallmedizinische Ausrüstung. Letztere beschränkt sich auf grundlegende Gegenstände, denn sie muss im Rucksack und oft zu Fuß zum Unfallort transportiert werden und darf bei schwierigeren Geländebegehungen nicht behindern.161 Für den Transport zum Einsatzort und die Beförderung von Hilfsbedürftigen ins Tal verfügt die Bergwacht über Fahrzeuge.162 Den Bereitschaften stehen in den Ortschaften Bergrettungswachen zur Verfügung, die als Basisstützheit im Skisport (SiS) ins Leben gerufenen Skiwacht liegen vornehmlich in der Prävention von Unfällen und dem Schutz der Pflanzen- und Tierwelt. Kommt es zu einem Unfall, leisten diese Mitarbeiter als Bergretter ehrenamtlich Hilfe (vgl. Angaben des Deutschen Skiverbands und der Stiftung Sicherheit im Skisport unter www.ski-online.de). 158 Wer Mitglied der Bergwacht werden will, muss mindestens 16 Jahre alt sein, über eine gute körperliche Verfassung und allgemeine Fitness verfügen. Darüber hinaus werden gutes Skifahren, Skitourenerfahrung und sicheres Klettern im Vorstieg im 4. Schwierigkeitsgrad verlangt. Als Mitglied der Bergwacht wird aufgenommen, wer als Bergwachtanwärter eine Grundausbildung absolviert hat. Die Ausbildungszeit eines Bergwachtanwärters erstreckt sich in der Regel über zwei Jahre und umfasst ca. 300 Ausbildungsstunden in den Bereichen Sommerrettung, Winterrettung, Hubschrauberrettung und Sanitätsausbildung. Die Sanitätsausbildung setzt sich zusammen aus einem Erste-Hilfe-Lehrgang und einem Sanitätskurs mit bergwachtspezifischer Ergänzung. Die Sanitätsausbildung umfasst ca. 55 Ausbildungsstunden. Darauf aufbauend besteht die Möglichkeit zur Fortbildung zum Rettungssanitäter. Sie ist aber nicht Voraussetzung für die Aufnahme als Mitglied der Bergwacht. 159 Einen detaillierten Überblick über die bergtechnische Grundausstattung der Bergwacht bieten Freudig/Martin, S. 18 ff. 160 Eine Darstellung der verschiedenen bergspezifischen Rettungsgeräte und ihrer Verwendung findet sich in Freudig/Martin, S. 332 ff., 342 ff., 351 ff., 381 ff., 392 ff., 406 ff. 161 Leichtes Verbandsmaterial und die wichtigsten Medikamente können mitgeführt werden, nicht jedoch größere medizinische Geräte, wie sie etwa zur Ausstattung eines Krankentransportwagens gehören. Eine beispielhafte Sanitätsausstattung ist auf den Internetseiten der Bergwacht Baden-Württemberg aufgeführt, www.bergwacht-wuerttem berg.de. 162 Dabei handelt es sich um PKW oder Kleinbusse zur Beförderung der Mannschaften und Motorschlitten. Krankenkraftwagen für den betreuten Transport des Patienten in eine Behandlungsanstalt stehen der Bergwacht nicht zur Verfügung.

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

punkte dienen und in ihrer Funktion den Rettungswachen des allgemeinen Rettungsdienstes entsprechen. Vor Ort, d.h. in den unfallträchtigen Gebirgsabschnitten, in denen vermehrt Bergsport betrieben wird – seien es Pistenanlagen und Loipen im Winter oder Wanderwege und Klettersteiganlagen im Sommer –, befinden sich Bergwachtstationen bzw. Diensthütten. Hier leisten Bergwachtmänner und -frauen ihren Bereitschaftsdienst, um bei Unfällen unmittelbar bereit zu stehen. 5. Kosten und Finanzierung Allein die Bergwacht Bayern rückt jährlich zu über 10.000 Einsätzen aus.163 Um ihre Aufgaben sicher und effektiv bewältigen zu können, müssen ständig Ausgaben für Investitions- und Betriebskosten getätigt werden. Dazu gehören Instandhaltungs-, Erneuerungs- und Betriebskosten für Bergrettungswachen, Diensthütten, Einsatzfahrzeuge und Rettungsgerät sowie die Schutzbekleidung und Sicherheitstechnik der einzelnen Mitglieder. Hinzu kommen, wenn auch – da vorwiegend ehrenamtlich erbracht – Kosten für die Ausbildung der Bergwachtanwärter sowie eine ausreichende Versicherung der Mitarbeiter gegen die Folgen risikoreicher Einsätze. Trotz der ehrenamtlichen Arbeit muss der finanzielle Jahresaufwand der Bergwacht, der in Bayern bei ca. A 5,2 Millionen liegt, gedeckt werden. Für die Finanzierung der Bergwacht gilt das zum Rettungsdienst Gesagte grundsätzlich entsprechend.164 Sie erfolgt zum Teil durch staatliche Zuschüsse, zum Teil aus Mitteln des Roten Kreuzes. Der verbleibende Aufwand muss durch die Abrechnung von durchgeführten Einsätzen und mittels Spenden bestritten werden.165 Auch für die Bergwacht hat somit die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen aus und im Zusammenhang mit ihren Einsätzen große Bedeutung.166 Als Durchführende des Rettungsdienstes ist sie mitunter ebenfalls an Absprachen mit den jeweils zuständigen Krankenkassen als den Kostenträgern über Rettungspauschalen, die dem Geretteten bzw. seiner Krankenversicherung nach dem Einsatz in Rechnung gestellt werden, beteiligt und an diese Vereinbarungen gebunden.167 Die Abrechnung dieser Rettungspauschalen gegenüber der Krankenversicherung des Geretteten kann wegen der Beschränkung der rettungsdienstlichen Tätigkeit auf Notfallrettung und Krankentransport als Sachleistungen der 163

Statistik der Bergwacht Bayern, www.bergwacht-bayern.de für das Jahr 2003. s. o. 1. Kapitel B. IV. Darüber hinaus enthält Art. 33 Abs. 1 BayRDG n. F. nunmehr ausdrückliche Regelungen über die Erstattung bestimmter Anschaffungskosten. 165 Vgl. Positionspapier der Bergwacht Bayern „Profil und Positionen“ (www.berg wacht-bayern.de). 166 Vgl. Art. 36 BayRDG n. F. 167 Zur Höhe der Pauschalen vgl. die Angaben der Bergwacht Freilassing („Warum Bergrettung Geld kostet!“ – www.bw-freilassing.de). Vgl. Art. 36 Abs. 2 BayRDG n. F. 164

2. Kap.: Die Bergrettung

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Krankenkassen168 aber allenfalls dann erfolgen, wenn es sich bei dem jeweiligen Einsatz tatsächlich um eine medizinisch indizierte Notfallrettung oder einen Krankentransport gehandelt hat. Ist das – wie bei Fehlalarmen, Vermisstensuche, Totenbergung und der Evakuierung unverletzter Bergsportler169 – nicht der Fall, stehen die Krankenkassen für die Kosten des Einsatzes grundsätzlich nicht ein.170

B. Bergrettung in Österreich und in der Schweiz I. Österreichischer Bergrettungsdienst und Alpine Rettung Schweiz Die Bergrettung in Österreich wird vom Österreichischen Bergrettungsdienst wahrgenommen. Der Österreichische Bergrettungsdienst ist auf Landesebene in eigenständigen, den sonstigen Hilfsorganisationen des allgemeinen Rettungsdienstes vergleichbaren humanitären Einrichtungen in der Rechtsform privater Vereine organisiert.171 Auf Bundesebene sind sie im Österreichischen Bergrettungsverband zusammengeschlossen.172 Bergrettungseinsätze in der Schweiz werden weitgehend durch die Bergretter des Schweizerischen Alpen-Clubs (SAC) durchgeführt.173 Zum Schutz von Leben und Gesundheit seiner Mitglieder und sonstiger Bergsteiger bei ihren Unter168

Vgl. §§ 60, 133 SGB V (dazu näher unten 3. Teil, 1. Kapitel). Vgl. oben II. 1. b). 170 Vgl. etwa die Regelungen des Rahmenvertrags der Kosten- und Leistungsträger zur Durchführung des Rettungsdienstes (BW) vom 30.04.1985, § 5 Ziffer 3, wonach absolute Fehleinsätze (mutwillige Alarmierung) und Leerfahrten nicht abrechnungsfähig sind. Ebenso der Rahmenvertrag über die Durchführung des Bergrettungsdienstes zwischen der Bergwacht Schwarzwald e. V., dem Deutschen Roten Kreuz – Bergwacht Württemberg und den Kostenträgern (Sozialversicherungsträger) vom 01.07.1985, § 3: Keine Einsätze im Sinne dieses Vertrages sind Totenbergungen, Fehlalarme, Suchaktionen sowie Einsätze bei Sportveranstaltungen. Vgl. auch Entwurf eines Rahmenvertrages zwischen den Kostenträgern und den Leistungsträgern im Rettungsdienst Baden-Württemberg (Stand 14.02.2003), § 6 Abs. 2: Nicht abrechnungsfähig sind [2.1] Einsätze aufgrund mutwilliger Alarmierung, [2.2] Leistungen der Notfallrettung, für die keine ärztliche Verordnung vorliegt. Vgl. ausdrücklich nunmehr Art. 36 Abs. 3 BayRDG n. F., wonach nicht sozialversicherungsrechtlich relevante Leistungen der Bergrettung (d.h. außerhalb von Notfallrettung und Krankentransport) auf zivilrechtlicher Basis abgerechnet werden müssen. 171 Vgl. etwa die Satzung des Österreichischen Bergrettungsdienstes Land Tirol (Fassung von April 2001). 172 Vgl. hierzu im Einzelnen die Darstellung unter www.bergrettung.at. 173 Eine Sondersituation ergibt sich für den Kanton Wallis. Dort sind die Organisation und Durchführung des Rettungsdienstes insgesamt der Kantonalen Walliser Rettungsorganisation (KWRO) überantwortet worden. Sie ist die kantonale Dachorganisation des Rettungswesens, die alle Partner des Rettungswesens im Wallis vereinigt, und ist als privater Verein von öffentlichem Interesse organisiert. Als Bergretter fungieren hier zum einen gesetzlich hierzu verpflichtete Bergführer, zum anderen sonstige Kräfte des Rettungswesens, die eine entsprechende Ausbildung vorweisen können. Hierzu gehören insbesondere Mitglieder der Feuerwehren, aber eben auch Mitglieder des SAC. 169

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

nehmungen im Gebirge gründete der SAC bereits Anfang des 20. Jahrhunderts eine eigene Rettungsabteilung, die SAC-Rettung.174 Die SAC-Rettung und die Schweizerische Rettungsflugwacht (REGA) haben gemeinsam die Alpine Rettung Schweiz (ARS) als selbständige, gemeinnützige Stiftung ins Leben gerufen, um ihre ohnehin enge Zusammenarbeit bei der Rettung im Gebirge zu vertiefen und zu optimieren. Im Jahr 2006 wurde zu diesem Zweck die Bergrettung des SAC aus dem Alpen-Club ausgegliedert und in die Stiftung überführt.175 Daran, dass Rettungseinsätze nach wie vor von den hierzu bereitstehenden Mitgliedern des SAC organisiert und ausgeführt werden, hat sich durch diese Umstrukturierungsmaßnahme nichts geändert. II. Aufgaben Die Österreichische Bergrettung und die Alpine Rettung Schweiz übernehmen dieselben satzungsmäßigen Rettungsaufgaben im Gebirge wie die Bergwacht in Deutschland, also Notfallrettung und Krankentransport, Vermisstensuche, Totenbergung und die Evakuierung Hilfsbedürftiger, die keiner medizinischen Betreuung bedürfen.176 III. Organisation und Ausbildung Der Österreichische Bergrettungsverband mit Sitz in Klagenfurt ist für die bundesweiten Angelegenheiten der Bergrettung zuständig, etwa für einheitliche Ausbildungsstandards, die Gesamtvertretung der Bergrettung nach außen und die Erledigung anderer überregionaler Fragen. Der Landesverband übernimmt die Erledigung der regionalen Angelegenheiten. Jedes Land ist in Bergrettungsbezirke aufgeteilt, in denen auf unterster Ebene in den Ortschaften und Gemeinden Ortsstellen der Bergrettung bestehen. Die Ortsstellen unterhalten Rettungswachen und führen Rettungseinsätze durch. Die Bergretter sind freiwillige Helfer, die rein ehrenamtlich tätig werden. Sie werden von der Österreichischen Bergrettung für ihre Tätigkeit eigens versichert.177 Die Ausbildung der Bergretter in 174

Vgl. Donatsch, S. 466. Die Bündelung der Rettungskräfte in einer gemeinnützigen Stiftung hatte u. a. den Effekt der Befreiung von Kantons- und Gemeindesteuern, vgl. Jahresbericht 2006 ARS S. 2. 176 Vgl. beispielhaft § 2 der Satzung des Österreichischen Bergrettungsdienstes Land Tirol. Stiftungszweck der Alpinen Rettung Schweiz ist, „in Not geratenen und hilfsbedürftigen Menschen zu helfen. Die Stiftung befasst sich insbesondere mit dem Rettungswesen und der Notfallhilfe an verunfallten oder erkrankten Menschen im alpinen, voralpinen und schwer zugänglichen Gebiet in der Schweiz und dem angrenzenden Ausland.“ 177 Vgl. Online-Artikel des ORF vom 12.08.2005 („In Geldnot“) zu den ständig steigenden Kosten für die Versicherung der Bergrettungsmannschaft. 175

2. Kap.: Die Bergrettung

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Österreich ist seit dem Jahr 2005 bundesweit vereinheitlicht. Es besteht eine Vielzahl von unterschiedlichen Ausbildungsstufen mit verschiedenen Spezialisierungsgraden. Auch hier gilt: Voraussetzungen und Ausbildung beziehen sich vornehmlich auf bergsteigerische Fähigkeiten und Rettungstechniken, während medizinische Notfallkenntnisse und -fähigkeiten – jedenfalls als Voraussetzungen für die Teilnahme am Bergrettungsdienst – eine untergeordnete Rolle spielen.178 Die Alpine Rettung Schweiz ist ähnlich aufgebaut und organisiert. Auf oberster Ebene nimmt die Stiftung alle Aufgaben wahr, die für die Bergrettung überregional für die gesamte Schweiz von Bedeutung sind. Das Gebiet der Schweiz ist in elf verschiedene Rettungszonen eingeteilt, in denen insgesamt 98 Rettungsstellen unterhalten werden. Zonenvertreter nehmen die regionalen (Verwaltungsund Koordinierungs-)Belange der Bergrettung wahr. Auf der lokalen Ebene betreiben die einzelnen Sektionen des SAC allein oder gemeinsam verschiedene Rettungsstationen.179 Den Einsatz selbst führen die freiwilligen und ehrenamtlich tätigen Retter unter Leitung eines Einsatzleiters aus.180 Die Retter erhalten für ihre Einsatztätigkeit eine Aufwandsentschädigung,181 die als Rettungskosten anschließend dem Geretteten in Rechnung gestellt werden.182 Für die Ausbildung der SAC-Retter gilt das für den Österreichischen Bergrettungsdienst und die Bergwacht Gesagte entsprechend.183 Auch sie sind über die Alpine Rettung Schweiz für ihre Tätigkeit eigens versichert.184

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Zur Grundausbildung des Bergretters gehört lediglich eine erweiterte bergrettungsspezifische Erste-Hilfe-Ausbildung, vgl. Ausbildungsrichtlinien des Bundesverbandes, Grundausbildung Ortsstelle. 179 Art. 11 Rettungsreglement SAC. Derzeit sind 98 Rettungsstationen über die verschiedenen Zonen verteilt. Die Rettungszonen Nr. 8 und 11, die das Gebiet des Kanton Wallis abdecken, werden hingegen nicht von den SAC-Rettern abgedeckt, sondern unterfallen der eigens im Wallis für das Rettungswesen geschaffenen Organisation des KWRO. 180 Derzeit engagieren sich etwa 3.000 freiwillige Retter in der SAC-Rettung. Voraussetzung für ihren Einsatz ist neben einer guten körperlichen Verfassung und entsprechenden bergsteigerischen Fähigkeiten, die sie in einer Ausbildung unter Beweis stellen und verfeinern müssen, vor allem die berufliche Abkömmlichkeit in Notfällen. 181 Regelung über die Entlohnung und Entschädigung bei Rettungsaktionen im Gebirge, in: Gebirgsrettung Sommer SAC, 12.6. 182 Der SAC hat für verschiedene Einsatzkostenpunkte Pauschalen festgesetzt, die dem Geretteten in Rechnung gestellt werden. Dazu gehören auch Aufwandspauschalen für die einzelnen Retter. Im Wallis wird die KWRO durch kantonale Regelungen ermächtigt, gesetzlich festgelegte Gebühren zu erheben. 183 Es existieren Ausbildungsvorgaben für die wesentlichen Rettungstechniken und Voraussetzungen für bergsportliche Fähigkeiten. Voraussetzung in medizinischer Hinsicht ist lediglich, dass der Bergretter eine Nothelferausbildung durchlaufen hat. Daneben gibt es eigens für Helikoptereinsätze geschulte Retter. Vgl. hierzu Salzmann, Louis, Kurzreferat „Ausbildung – 100 Jahre Alpine Rettung SAC“ anlässlich des hierzu veranstalteten Behörden- und Medientages. 184 Vgl. Nef, S. 484 f.

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

IV. Einbindung in das Rettungswesen Die Organisation der Österreichischen Bergrettung wird von den für den örtlichen Rettungsdienst185 zuständigen Gemeinden als humanitäre Einrichtung anerkannt und mit der Sicherstellung des Rettungsdienstes nach Maßgabe des jeweiligen landesrechtlichen Rettungs(dienst)gesetzes im Gebirge betraut.186 Hierzu bestehen in den meisten Bundesländern vertragliche Absprachen.187 Vielfach normieren die Rettungsgesetze in Österreich anders als in Deutschland über die medizinische Hilfeleistung hinaus explizit auch die Vermisstensuche und die Evakuierung sonstiger, in Gefahr geratener Bergsportler als Aufgaben des „besonderen Hilfs- und Rettungsdienstes“,188 so dass die Bergrettung auch bei Ausführung derartiger Einsätze von der Gemeinde als zuständigem Rettungsdienstträger beauftragt ist und auch insoweit unmittelbar eine öffentliche Aufgabe erfüllt. Je nach Organisation des Rettungswesens in den Kantonen schließt die Alpine Rettung Schweiz mit der jeweils für den Rettungsdienst zuständigen Stelle (Kanton189, Bezirk oder Gemeinde) Leistungsvereinbarungen über die Durchführung von Rettungseinsätzen im jeweiligen Gebiet ab oder ist durch entsprechende kantonale Vorschriften direkt in den Rettungsdienst einbezogen.190 In den Leistungsvereinbarungen oder den kantonalen Vorschriften werden der ARS für ihre Dienste finanzielle Unterstützung zugesichert und eine enge Kooperation mit den Behörden auf der Grundlage etwaiger rechtlicher Bestimmungen zum Rettungswesen abgesprochen. Im Wallis sind die verschiedenen Organisationen des Rettungswesens in einer Dachorganisation (KWRO) zusammengefasst, die das Rettungswesen in den verschiedenen Bereichen beaufsichtigt und koordiniert und 185 Damit ist der auf das jeweilige Gemeindegebiet begrenzte Rettungsdienst in Abgrenzung überregionaler Rettungsaktivitäten wie bei der Flugrettung gemeint. 186 Anders § 5 Abs. 2 Steiermärkisches Rettungsgesetz, wonach die Bergrettung Landessache ist und das Land sich zur Sicherstellung der bei der Bergrettung erforderlichen Leistungen anerkannter Bergrettungsorganisationen mit schriftlichem Vertrag bedienen kann (§ 7 Steiermärkisches Rettungsgesetz). 187 Vgl. § 3 Abs. 1 des Tiroler Rettungsgesetzes: „Die Gemeinde kann die Besorgung der Aufgaben des örtlichen Rettungsdienstes durch schriftlichen Vertrag einer Rettungsorganisation übertragen [. . .].“ § 2 Abs. 2 Salzburger Rettungsgesetz: „Die Sicherstellung des allgemeinen Hilfs- und Rettungsdienstes hat durch die vertragliche Verpflichtung einer anerkannten Rettungsorganisation zur Bereitstellung und Erbringung der Leistungen des allgemeinen Hilfs- und Rettungsdienstes zu erfolgen“. In Vorarlberg ist die Bergrettung per Gesetz zur Erledigung der Rettungsdienstaufgaben bestellt (vgl. § 3 Gesetz über das Rettungswesen Vorarlberg). 188 Vgl. § 14 Tiroler Rettungsgesetz; § 1 Gesetz über das Rettungswesen Vorarlberg; § 1 Abs. 3 Salzburger Rettungsgesetz; § 4 Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz; § 5 Steiermärkisches Rettungsdienstgesetz. 189 Vgl. § 12 Gesundheitsverordnung des Kantons Schwyz: Der Kanton regelt die Bergrettung. 190 Vgl. Art. 2 Reglement für Rettungs- und Bergungskolonnen im Kanton Uri (Stand 1994).

2. Kap.: Die Bergrettung

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die Rettungsorganisationen insgesamt gegenüber dem Kanton repräsentiert. Über diesen Dachverband sind die im Wallis tätigen Bergretter in die öffentliche Aufgabe des Rettungswesens einbezogen. Ob und in welchem Umfang auch in der Schweiz Rettungstätigkeiten, die nicht nur die medizinische Betreuung und den medizinisch indizierten Transport Hilfsbedürftiger zum Gegenstand haben, sondern auch die Suche nach und die Evakuierung von sonstigen Hilfsbedürftigen umfasst, in den Aufgabenbereich der Rettungsorganisationen und damit – ggf. über die Leistungsaufträge – auch der Alpinen Rettung Schweiz fallen, hängt von den jeweiligen rechtlichen Grundlagen und Leistungsvereinbarungen ab.191 V. Finanzierung Die Finanzierung der Bergrettung erfolgt in den Bundesländern Österreichs und den einzelnen Kantonen der Schweiz im Detail sehr unterschiedlich. Es lassen sich aber – wie in Deutschland – grundlegende Finanzierungsmuster erkennen. Einen Teil der Kosten, der insbesondere die laufenden Ausgaben der Bergrettung für die Unterhaltung ihrer Rettungswachen, die Anschaffung von Material und die Ausbildung betrifft, tragen die zuständigen öffentlichen Stellen, d.h. die Kantone, Gemeinden etc., durch vereinbarte Zuschüsse und Beiträge.192 Den ver191 Vgl. Art. 1 Gesetz über die Organisation des Rettungswesens Wallis: Dieses Gesetz hat zum Zweck, eine optimale und rasche Rettung von verunfallten, kranken oder sich in Gefahr befindenden Personen durch die Koordination, die Aufsicht, die Ausbildung und die Subventionierung im Bereich des Rettungswesens tätiger Personen und Institutionen auf dem gesamten Gebiet des Kantons Wallis zu gewährleisten. Art. 2: Als Rettung, im Sinne dieses Gesetzes, versteht man die Meldung, die Suche, den Einsatz, die Bergung, die Betreuung und den Transport [. . .]. Vgl. ebenfalls Art. 4 und 5 der Ausführungsbestimmungen zur Organisation des Rettungswesens im Kanton Graubünden, wonach die Ortung, Bergung und Rettung in den Aufgabenbereich fallen. 192 Vgl. etwa § 4 Abs. 1 Rettungsgesetz Salzburg: „Die Gemeinde hat an die von ihr gemäß § 2 Abs. 2 vertraglich verpflichtete Rettungsorganisation jährlich einen Rettungsbeitrag zu entrichten. Dieser beträgt ab 1. Jänner 2008 A 4,– je Einwohner der Gemeinde. [. . .].“ In § 14 Abs. 2 Tiroler Rettungsgesetz ist eine Pflicht des Landes zur Förderung der Bergrettungsorganisationen statuiert. In Vorarlberg ist ein Rettungsfonds eingerichtet worden, aus dem die Förderung der Rettungsorganisationen auf Antrag und nach genau festgelegtem Verfahren erfolgt (vgl. § 12a ff. Gesetz über das Rettungswesen Vorarlberg). Beiträge der Kantone an die Bergrettung in der Schweiz beliefen sich im Jahr 2007 auf insgesamt CHF 684.316,– (vgl. Jahresbericht der Alpinen Rettung Schweiz 2007). Sie sind entweder Gegenstand der Regelungen in Leistungsvereinbarungen zwischen dem jeweils zuständigen Rettungsdienstträger und der ARS (vgl. Mitteilung des Kantons Nidwalden vom 06.12.2002 über die Beauftragung der SAC-Rettung zur Durchführung der Bergrettung gegen einen indexierten jährlichen Pauschalbetrag von CHF 16.000,–; Mitteilung des Kantons St. Gallen (2004) über den Abschluss einer entsprechenden interkantonalen Leistungsvereinbarung zwischen den Kantonen St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden und der SAC-Rettung gegen Beiträge von insgesamt CHF 60.000,–; Art. 13 ff. der Ausführungsbestimmungen zur Organisation des Rettungswesens im Kanton Graubünden) oder werden auf gesetzlicher Basis erstattet (vgl. Art. 17 ff. des Gesetzes über die Organisation des Rettungswesens im Kanton Wallis).

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

bleibenden Teil der Kosten, insbesondere die tatsächlich anfallenden Aufwendungen eines Einsatzes, tragen die Bergrettungsorganisationen selbst. Diese Restkosten müssen durch Spendengelder gedeckt193 oder durch die Abrechnung der Einsätze refinanziert werden.194 Die Abrechnung der Einsätze erfolgt in der überwiegenden Zahl der Fälle gegenüber den geretteten Hilfsbedürftigen bzw. deren Versicherungen,195 ausnahmsweise gegenüber dem zuständigen Rettungsdienstträger selbst.196 Teilweise steuern die ehrenamtlichen Retter durch eigenfinanzierte Einsatzausrüstung und -kleidung zur Kostentragung der Bergrettung bei.197 3. Kapitel

Zusammenfassung und Ausblick Der Bergrettung in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist gemein, dass sie – mit Ausnahme der Bergwacht Bayern – von privaten Hilfsorganisationen, nämlich der Bergwacht des Roten Kreuzes bzw. der Bergwacht Schwarzwald e. V., dem Österreichischen Bergrettungsdienst und der Alpinen Rettung Schweiz durchgeführt wird. Ihre (satzungsmäßigen) Aufgaben umfassen sämtliche Rettungstätigkeiten, die im Gebirge anfallen und deshalb nur mit entsprechender Expertise und Ausrüstung zu bewältigen sind. Hierzu gehören neben den – jedenfalls in Deutschland – typischen rettungsdienstlichen Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransports die Evakuierung Hilfsbedürftiger, die keine medizinische Betreuung benötigen, die Suche nach Vermissten und die Bergung von toten Bergsportlern. Bei ihren Einsätzen werden die Mitglieder der Bergrettungsorganisationen – anders als die beruflichen Retter anderer Einrichtungen des Rettungsdienstes – ehrenamtlich tätig. Voraussetzung für eine Tätigkeit als Bergretter ist neben einem gewissen bergsteigerischen Können, der körperlichen Fitness und der Abkömmlichkeit für Rettungseinsätze eine solide Ausbildung in Bezug auf die im 193 Vgl. Jahresbericht der Alpinen Rettung Schweiz 2007 (Spenden/Legate in Höhe von CHF 139.101,–). Die Österreichische Bergrettung wirbt intensiv um den Abschluss einer Rettungskostenversicherung als Förderer der Bergrettung (vgl. Jahresbericht 2007). 194 Die Erträge der Alpinen Rettung Schweiz beliefen sich 2007 auf CHF 1.566.257,– (vgl. Jahresbericht 2007). 195 Vgl. für Österreich § 4a Salzburger Rettungsgesetz; § 6 Tiroler Rettungsgesetz; § 8 Gesetz über das Rettungswesen Vorarlberg; vgl. Art. 16, 21, 22 des Gesetzes über die Organisation des Rettungswesens im Kanton Wallis. 196 Vgl. Art. 8 ff. des Reglements für Rettungs- und Bergungskolonnen im Kanton Uri. 197 Vgl. Online-Artikel der Alpinen Rettung Schweiz, Bergrettung im Wandel der Zeit, S. 2 (März 2006).

3. Kap.: Zusammenfassung und Ausblick

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Gebirge erforderlichen Rettungstechniken und den Umgang mit entsprechendem Rettungsmaterial. Auch wenn je nach persönlichem Engagement Bergretter teilweise über fundiertere medizinische Kenntnisse verfügen, ist für die Tätigkeit des Bergretters eine im Vergleich zu den Mitarbeitern des allgemeinen Rettungsdienstes „einfache“ medizinische Ausbildung ausreichend. Ihre Aufgaben erledigen die Bergrettungsorganisationen meist in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen des Rettungsdienstes. Insbesondere der Einsatz von Rettungshelikoptern der Luftrettung und die Hinzuziehung von Notärzten spielen bei Bergrettungseinsätzen der Notfallrettung wegen der Schwierigkeit, verletzte Bergsportler zu erreichen und bei oft schwerwiegenden Verletzungen schnell zur Weiterbehandlung in ein Krankenhaus zu befördern, eine große Rolle. Entsprechend ihrer Zielsetzung und der daran anknüpfenden Ausbildung der Bergretter konzentriert sich die Tätigkeit der Bergrettung im Zusammenspiel der Rettungskräfte vornehmlich auf die Bergung und den Abtransport des Hilfsbedürftigen aus schwierigem Gelände. Die Bergretter gewährleisten darüber hinaus eine erste medizinische Versorgung Hilfsbedürftiger vor Ort. Gegen die bestehenden Unfallrisiken eines Einsatzes sind die Bergretter über die jeweilige Bergrettungsorganisation versichert. Die besondere Expertise der privaten Bergrettungsorganisationen bei der Hilfeleistung im Gebirge machen sich die für das Rettungswesen bzw. den Rettungsdienst jeweils zuständigen Hoheitsträger zunutze. Die Bergrettungsorganisationen werden zur Sicherstellung eines flächendeckenden Rettungswesens auch in gebirgigen Landschaftsteilen in die Erfüllung öffentlicher Rettungsaufgaben eingebunden. Wie und in welchem Umfang diese Einbindung erfolgt, hängt von den jeweils geltenden, regional unterschiedlichen Regelungen für das Rettungswesen/ den Rettungsdienst ab. Dabei überwiegt folgendes Modell: Zuständig für das Rettungswesen sind zunächst die Bundesländer und Kantone,198 die, soweit nicht wie bei der Flugrettung eine landesweite Organisation erforderlich ist, hierzu Regelungen aufstellen und die jeweiligen Aufgaben des Rettungswesens an kommunale Gebietskörperschaften delegieren (Dezentralisierung). Die zuständigen kommunalen Gebietskörperschaften verfügen in der Regel nicht über ausreichende eigene Ressourcen zur Sicherstellung der ihnen übertragenen Rettungsaufgaben. Sie sind dazu befugt, die Durchführung der ihnen obliegenden Aufgaben durch entsprechende Vereinbarungen an private Hilfsorganisationen zu übertragen. Mit der Durchführung des Rettungsdienstes in gebirgigen Regionen beauftragen die zuständigen Gebietskörperschaften die jeweiligen Bergrettungsorganisationen in dem jeweils vorgeschriebenen Umfang. Für die Durchführung dieser öffentlichen Rettungsaufgaben erhalten die Bergrettungsorganisationen von den jeweils zuständigen Hoheitsträgern Kostenbeiträge und -zuschüsse in unterschiedlicher 198 In Österreich sind jedenfalls für den örtlichen Rettungsdienst die Gemeinden von Verfassung wegen zuständig (vgl. oben 1. Kapitel C. I.).

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1. Teil: Tatsächliche und rechtliche Grundlagen

Form und Höhe. Da diese öffentlichen Gelder zur Deckung der laufenden Kosten lediglich einen Teilbeitrag leisten, sehen die jeweiligen gesetzlichen und/oder vertraglichen Regelungen zwischen Bergrettungsorganisation und dem zuständigen Träger des Rettungswesens/Rettungsdienstes meist vor, dass die Bergrettung den Geretteten oder dem Veranlasser eines Einsatzes bzw. deren Versicherung zusätzlich zu den getrennt abgerechneten Leistungen der sonstigen, am Rettungseinsatz beteiligten Einrichtungen eine Vergütung für die Rettungstätigkeit in Rechnung stellt. Die Höhe solcher Rettungspauschalen ist teilweise mit den zuständigen hoheitlichen Trägern des Rettungswesens/Rettungsdienstes und teilweise auch mit den für bestimmte Einsatzarten leistungspflichtigen Krankenkassen abgestimmt und soll den für das jeweilige Jahr prognostizierten Tätigkeitsaufwand der Bergrettung für ihre Einsätze decken. Der Umfang der Einbindung in öffentliche Rettungsaufgaben variiert. In Deutschland nehmen die Bergwachten nach den Rettungsdienstgesetzen der Bundesländer grundsätzlich rein rettungsdienstliche Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransports im Auftrag des jeweils zuständigen Rettungsdienstträgers wahr.199 In Österreich richtet sich der Umfang der öffentlichen Aufgabe, in die die Bergrettung seitens des Landes oder der Gemeinde eingebunden ist, nach der jeweiligen gesetzlichen Regelung. Hier wird der Tatsache, dass gerade die Hilfeleistung im Gebirge einen über die medizinische Versorgung und den medizinisch betreuten (Kranken-)Transport hinausgehenden Aufgabenbereich erfordert, ganz überwiegend Rechnung getragen. Die meisten Rettungs(dienst)gesetze in den österreichischen Bundesländern beziehen deshalb als Teil des „besonderen Hilfs- und Rettungsdienstes“ oder explizit als Aufgabe der Bergrettung die Suche nach Vermissten, die Evakuierung unverletzter hilfsbedürftiger Bergsportler und sogar die Bergung Toter in den Aufgabenbereich ein.200 In der Schweiz sind die Kantone für das Gesundheitswesen und damit auch für das Rettungswesen zuständig. Die von den Kantonen für das Rettungswesen getroffenen Regelungen divergieren stark und enthalten teilweise keine klare Beschreibung der innerhalb des Rettungswesens vom jeweils zuständigen Träger zu erfüllenden Aufgaben.201 199

Vgl. § 1 RDG BW; s. aber nunmehr Art. 2 Abs. 10 BayRDG n. F. § 1 Abs. 3 Salzburger Rettungsgesetz (Rettung aus Gefahrensituation); § 14 Tiroler Rettungsgesetz (Rettung aus Gefahr, Suche nach Vermissten und Bergung von Toten); § 1 Abs. 2 Gesetz über das Rettungswesen Vorarlberg (Bergung aus einer Gefahrenlage, Suche nach Abgängigen); § 5 Steiermärkisches Rettungsdienstgesetz (Hilfeleistung und Bergung für vermisste oder verunglückte Personen); § 4 Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz (Bergung und Rettung von Verunglückten, Vermissten oder sonst in Not Geratenen). Anders etwa § 2 Burgenländisches Rettungsgesetz, wonach allein Notfallrettung und Krankentransport in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. 201 Anders Art. 2 Gesetz über die Organisation des Rettungswesens im Kanton Wallis (u. a. Suche, Bergung, Betreuung und Transport aller von einem Unfall betroffenen, kranken oder sich in Gefahr befindenden Personen); Ziffer 3 i.V. m. Ziffer 5.9 des Rettungskonzepts Graubünden sowie Art. 5 der Ausführungsbestimmungen zur Organisa200

3. Kap.: Zusammenfassung und Ausblick

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Meist beschränken sich die Regelungen unabhängig von ihrem Charakter darauf, einen verlässlichen Rahmen für das Rettungswesen vorzugeben, um die Organisation und die Qualität der Hilfeleistung zu gewährleisten. Die Alpine Rettung Schweiz hat mit einer Reihe zuständiger Körperschaften sog. Leistungsaufträge geschlossen, durch die sich die Bergrettung verpflichtet, in der jeweiligen Rettungszone Rettungsaufgaben in schwierigem Gelände zu übernehmen. Der Inhalt der beauftragten Tätigkeit richtet sich nach den allgemein bestehenden rechtlichen Regelungen und den individuellen Leistungsvereinbarungen.202 Festhalten lässt sich an dieser Stelle, dass die Bergrettung je nach Regelungsumfang der regional divergierenden Vorschriften zum Rettungsdienst bei ihren Einsätzen teilweise „im Auftrag“ der öffentlichen Hand tätig wird, teilweise aber auch lediglich in Eigeninitiative eigene Satzungsaufgaben erfüllt. Daraus ergibt sich eine wichtige grundsätzliche Entscheidung: In dem Umfang, in dem die Bergrettungsorganisationen als Privatrechtssubjekte nicht durch Vertrag oder Gesetz von den jeweils zuständigen hoheitlichen Trägern des Rettungswesens/Rettungsdienstes zur Durchführung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden, können sie gegenüber Hilfsbedürftigen grundsätzlich nur in den Formen des Privatrechts handeln. Was hingegen in den Fällen gilt, in denen die Bergrettung mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben „beauftragt“ wurde, bleibt zu klären und wird Gegenstand des folgenden Kapitels sein.

tion des Rettungswesens gestützt auf Art. 43 Krankenpflegegesetz (Beauftragung des Bündner Bergrettungsdienstes des SAC mit Suchaktionen, Rettung, Bergung und Transport in Fels, Eis und Schnee – Ortung, Bergung und Rettung in unzugänglichem Gelände). 202 Vgl. Ziffer 6 Rettungskonzept Graubünden: „Die Aufgaben der für die Durchführung der Personenrettung im Kanton anerkannten Organisationen gemäß Ziffer 5 (Ziffer 5.9 Bergrettung) werden bei Bedarf vom Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement in individuellen Leistungsaufträgen festgelegt.“

2. Teil

Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten Da die Bergrettungsorganisationen – mit Ausnahme der Bergwacht in Bayern – als private Rechtssubjekte von den jeweils zuständigen Hoheitsträgern in unterschiedlichem Maße in die Erfüllung von diesen zugewiesenen öffentlichen Aufgaben des Rettungswesens einbezogen werden, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese „Nutzbarmachung privater Expertise“ – sei es durch eine generelle Übertragung der Aufgabenerfüllung oder durch punktuelle Inanspruchnahme für bestimmte Aufgaben – auf die Rechtsnatur der jeweiligen Bergrettungstätigkeit und das Rechtsverhältnis zwischen der Bergrettungsorganisation und dem Betroffenen hat. Denkbar ist, dass die Bergrettungsorganisation bei der Durchführung ihr von hoheitlicher Seite übertragener Rettungsaufgaben im Sinne des jeweiligen Rettungs(dienst)gesetzes oder sonstiger staatlicher Regelungen und/oder in Erfüllung eines Leistungsauftrages seitens staatlicher Stellen hoheitlich gegenüber dem Patienten tätig wird. Das Leistungsverhältnis zwischen Bergrettungsorganisation und Gerettetem und die konkreten Handlungen der Bergrettung wären dann nach öffentlichem Recht zu beurteilen. Entgeltansprüche und sonstige Forderungen wären einer Anspruchsgrundlage aus dem öffentlichen Recht – etwa einer Gebührensatzung – zu entnehmen. Nicht nur die Anspruchsgrundlagen für Entgeltforderungen der Bergrettungsorganisation richten sich nach der Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Rettern und Gerettetem zum öffentlichen oder privaten Recht. Relevant ist die Anwendung öffentlichen oder privaten Rechts auf die Einsatztätigkeit der Bergrettung auch in einer Reihe anderer, damit zusammenhängender Fragen: Sind beispielsweise in Deutschland bei gerichtlichen Auseinandersetzungen die Verwaltungsgerichte zuständig (§ 40 Abs. 1 VwGO, „öffentlich-rechtliche Streitigkeit“) oder ist der Zivilrechtsweg zu beschreiten? Haftet die Bergwacht nach allgemeinem Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) oder ist bei einem schadensverursachenden Fehlverhalten der Rettungskräfte der zuständige Verwaltungsträger nach Amtshaftungsgrundsätzen zu belangen (§ 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG)? Ist die Bergwacht bei der Durchführung ihrer Einsätze an öffentlich-rechtliche Vorschriften und die Grundrechte gebunden oder genießt sie Privatautonomie?1 1 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehler, § 2 Rn. 12 zu den Auswirkungen der Unterscheidung zwischen beiden Rechtsregimen.

1. Kap.: Notfallrettung und Krankentransport

85

Die Rechtsnatur ihres Handelns und ihrer Beziehungen zum Betroffenen hängt maßgeblich davon ab, welcher rechtliche Status der Bergrettung zukommt, wenn sie „im Auftrag“ der öffentlichen Hand tätig wird. Diese Fragen sollen nachfolgend aus den eingangs geschilderten Gründen am Beispiel der Bergwacht und deren Einbindung in den Rettungsdienst erörtert werden. Zunächst wird Gegenstand der Untersuchung das Rechtsverhältnis zwischen Bergwacht und Hilfsbedürftigem im Falle von Notfallrettung und Krankentransport als ihr generell übertragener öffentlicher Aufgabe des Rettungsdienstes2 sein (1. Kapitel). Nach welchem Rechtsregime Bergwachteinsätze außerhalb des Anwendungsbereichs der Rettungsdienstgesetze (Vermisstensuche, Totenbergung, Evakuierung Hilfsbedürftiger ohne medizinische Indikation) zu beurteilen sind, wenn sie im Einzelfall durch die öffentliche Hand mit einem Einsatz beauftrag wird, ist danach gesondert zu erörtern (2. Kapitel). Nach einer Zusammenfassung der Ergebnisse (3. Kapitel) erfolgt vor dem Hintergrund der für die Bergwacht gewonnenen Erkenntnisse ein kurzer Ausblick auf die Situation des Bergrettungsdienstes in Österreich und der Alpinen Rettung in der Schweiz (4. Kapitel).

1. Kapitel

Rechtsverhältnis der Bergwacht gegenüber Patienten bei Notfallrettung und Krankentransport Wie eingangs bereits dargelegt, findet die Bergrettung in Literatur und Rechtsprechung verschwindend geringe Aufmerksamkeit, eingehende juristische Auseinandersetzungen mit den hier aufgeworfenen Fragen existieren in Bezug auf die Bergrettung nicht.3 Für die Erörterung der Rechtsbeziehungen zwischen Bergwacht und dem Hilfsbedürftigen können aber, da sich die gesetzlichen Grundlagen decken, die zum allgemeinen Rettungsdienst vorhandenen Quellen als Grundlage herangezogen werden. Die anhand der Rechtslage der Hilfsorgani-

2 Der Begriff „öffentliche Aufgabe“ wird nicht einheitlich als eine dem Staat und seiner Verwaltung zugewiesenen Aufgabe verstanden (Zu den Bedeutungsvarianten, vgl. Schulte, S. 62 ff.). Bisweilen wird damit lediglich das allgemeine öffentliche Interesse an einer Angelegenheit zum Ausdruck gebracht, ohne dass dadurch etwas über Zuständigkeit und Verantwortung des Staates gesagt werden soll. Vielfach ist deshalb von einer „Staatsaufgabe“ die Rede, wenn der Staat sich einer Aufgabe angenommen hat. Vorliegend brauchen diese begrifflichen Differenzen nicht vertieft zu werden, denn trotz Verwendung des Begriffs „öffentliche Aufgabe“ besteht im Rettungsdienst Einigkeit darüber, dass durch die gesetzliche Zuordnung der Aufgabe zu einem hoheitlichen Rettungsdienstträger der Staat im weiteren Sinne zuständig und verantwortlich ist (vgl. Hausner, S. 52). 3 Selbst im offiziellen Lehrbuch der Bergwacht von Freudig/Martin finden sich Darstellungen zur rechtlichen Beurteilung von Bergwachteinsätzen, die jedoch über pauschale rechtliche Feststellungen nicht hinausgehen.

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

sationen im allgemeinen Rettungsdienst gewonnenen Erkenntnisse können anschließend auf die Rettungstätigkeit der Bergwacht übertragen werden. Wegen der überragenden Bedeutung und der daraus resultierenden Vorbildfunktion der Bergwachten Bayerns und Baden-Württembergs4 widmet sich die Darstellung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger des Rettungsdienstes, dem Durchführenden der Rettungstätigkeit und dem Hilfsbedürftigen im Schwerpunkt der Rechtslage der im Rettungsdienst tätigen Hilfsorganisationen in diesen beiden Bundesländern. Dort gilt das Subsidiaritätsprinzip, d.h. der zuständige Rettungsdienstträger überträgt die rettungsdienstlichen Aufgaben zur Durchführung primär der Bergwacht Schwarzwald e. V. und den Bergwachten des Roten Kreuzes als Hilfsorganisationen. Andere Modelle, in denen sich der Rettungsdienstträger zunächst eigener Einrichtungen zur Wahrnehmung seiner Aufgabe bedient und nur im Bedarfsfalle private Organisationen heranzieht („umgekehrtes“ Subsidiaritätsprinzip), werden der Vollständigkeit halber nur am Rande behandelt.5 Das Ergebnis der vorliegenden Diskussion wird aber letztlich auch eine Einordnung der Rechtsverhältnisse der Bergwachten in den anderen Bundesländern möglich machen.

A. Die Rechtslage im Rettungsdienst Die Rechtslage im Rettungsdienst ist hinsichtlich der Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen Hilfsorganisation und Patient undurchsichtig. Dies lässt sich vor allem auf die in Nuancen immer wieder unterschiedlichen und zu dieser Frage oft wenig klaren Regelungen der Rettungsdienstgesetze in den einzelnen Bundesländern zurückführen. Innerhalb der Literatur sowie zwischen Literatur und Rechtsprechung herrscht Uneinigkeit darüber, nach welchem Rechtsregime rettungsdienstliche Einsätze der Hilfsorganisationen beurteilt werden sollen. Im Rettungsdienst besteht – wie gezeigt – die besondere Situation, dass mit Ausnahme des Roten Kreuzes in Bayern ein Privatrechtssubjekt (die Hilfsorganisation als eingetragener Verein)6 an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mitwirkt.7 Anders als in dem Fall, dass ein Verwaltungsträger die ihm obliegende Aufgabe selbst durch verwaltungseigene Einrichtungen und Bedienstete wie etwa 4

Siehe oben 1. Teil, 2. Kapitel A. I. Zu Subsidiaritätsprinzip und umgekehrtem Subsidiaritätsprinzip vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. 3. b) bb). 6 Vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. I. 3. b) aa) (2) (dazu später). 7 Davon zu unterscheiden ist das Tätigwerden privater Rettungsdienstunternehmer, die – soweit die Rettungsdienstgesetze dies gestatten und kein Verwaltungsmonopol errichten – vor allem Krankentransporte in privater Initiative neben dem öffentlich sichergestellten Rettungsdienst durch Rettungsdienstträger und Hilfsorganisationen ausführen. Sie werden im Gegensatz zu den Hilfsorganisationen nicht im Rahmen der öffentlichen Sicherstellungsaufgabe, sondern außerhalb derer tätig (vgl. zur Rechtslage nach dem BayRDG a. F. BGH NJW 2003, 1184 f.; BGH NJW 2005, 429 f.). 5

1. Kap.: Notfallrettung und Krankentransport

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die Feuerwehr ausführt8, ist ein Privatrechtssubjekt zwischen Verwaltung und Bürger geschaltet. Statt die Grundsätze zur Einordnung des Handelns eines Verwaltungsträgers gegenüber Privaten heranzuziehen9, ist für die Qualifikation des Handelns der Hilfsorganisationen auf ihre Rechtsstellung gegenüber dem zuständigen, sie beauftragenden Rettungsdienstträger abzustellen. Denn aus dem „Beauftragungsverhältnis“ (Beteiligungsverhältnis) zwischen Rettungsdienstträger und privater Hilfsorganisation ergibt sich, zu welchen Handlungsformen die Hilfsorganisation als Privatrechtssubjekt befugt sein soll. Die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsfiguren zur Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben lassen, wie sich zeigen wird, deshalb Schlussfolgerungen auf die Handlungsform der Privaten im Außenverhältnis gegenüber dem Bergsportler zu. Zunächst gilt der Grundsatz, dass ein Privatrechtssubjekt lediglich in den Formen des Privatrechts agieren kann, soweit ihm nicht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes von einem zuständigen Hoheitsträger öffentlich-rechtliche Handlungsbefugnisse verliehen werden. Dann fehlt ihm die nötige Kompetenz, sich der Zwangs-, Regelungs- und Entscheidungsinstrumente der öffentlichen Hand zu bedienen.10 Daraus folgt, dass die Hilfsorganisationen als Privatrechtssubjekte nur dann ausnahmsweise in den Formen des öffentlichen Rechts tätig werden können, wenn ihnen durch Gesetz oder vom zuständigen Rettungsdienstträger für die Durchführung des Rettungsdienstes entsprechende hoheitliche Handlungskompetenzen verliehen werden. Ob dies der Fall ist, hängt von dem jeweiligen rechtlichen Modell der Beteiligung privater Hilfsorganisationen an der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe Rettungsdienst ab. Die Beteiligungsform ist somit entscheidend dafür, ob es bei dem Grundsatz privatrechtlichen Handelns bleibt, oder ob ausnahmsweise die Hilfsorganisationen mit hoheitlichen Handlungskompetenzen ausgestattet werden und deshalb öffentlich-rechtlich handeln (können). 8 So z. B. teilweise in Nordrhein-Westfalen, vgl. § 17 FSHG NW i.V. m. § 6 Abs. 1 RettG NW. 9 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, § 2 Rn. 45 ff., der eine kurze Übersicht über die gängigen Abgrenzungskriterien aufstellt. Diese Abgrenzungskriterien haben sich im Laufe der Zeit etabliert, leisten jedoch nur in bestimmten Fällen schlüssige Negativabgrenzungen, die zur Bestimmung der Handlungsform des Verwaltungsträgers beitragen. So wird das Handeln eines Verwaltungsträgers mit dem ausdrücklichen Willen, rechtsgeschäftlich tätig zu werden, als privatrechtlich, hingegen einseitig regelndes (obrigkeitliches) Handeln als öffentlich-rechtlich qualifiziert. Ansonsten greift man auf Indizien und Vermutungsregeln zurück, deren Ergebnisse und Intentionen angesichts des heute einhellig bejahten Wahlrechts der Verwaltung hinsichtlich der Form ihres Handelns zweifelhaft erscheinen. Gerade im Bereich der Leistungsverwaltung ist eine überzeugende Abgrenzung der dort häufigen rechtsneutralen Realakte nicht möglich. Ob nämlich ein konkludenter Willensaustausch und damit privatrechtliche Tätigkeiten oder schlichtes Verwaltungshandeln vorliegt, lässt sich gerade nicht sicher sagen. Eine Übertragung der Abgrenzungskriterien auf das Handeln beauftragter Privater ist deshalb auch nicht sinnvoll (vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 26). 10 Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, § 2 Rn. 11; Burgi, S. 81; Steiner, Öffentliche Verwaltung, S. 66 ff.

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

I. Die Rettungsdienstgesetze Die Rettungsdienstgesetze der Bundesländer gestalten den Rettungsdienst übereinstimmend als öffentliche Aufgabe der Gefahrenabwehr und Daseinsvorsorge aus. In allen Regelwerken wird die Sicherstellung des Rettungsdienstes zunächst einem Hoheitsträger zugeordnet.11 Die Durchführung des öffentlichen Rettungsdienstes12 können oder sollen die Rettungsdienstträger in allen Bundesländern ganz oder zum Teil privaten Hilfsorganisationen übertragen. Zur rechtlichen Konstruktion der Einbeziehung privater Hilfsorganisationen in die Durchführung des öffentlichen Rettungsdienstes äußern sich die Rettungsdienstgesetze nur in Einzelfällen.13 Die Einbeziehung der Hilfsorganisationen wird ganz überwiegend mit rechtlich wenig aufschlussreichen Formulierungen wie „Vereinbarung“, „übertragen“, „öffentlich-rechtlicher Vertrag“, „einbinden“, „beauftragen“ oder „sich geeigneter Leistungsträger bedienen“ beschrieben.14 Aussagen darüber, in welcher Form Hilfsorganisationen dem Patienten gegenüber handeln, enthalten die Rettungsdienstgesetze regelmäßig nicht.15 Zur Lösung der Ausgangsfrage nach der Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen Bergwacht bzw. Hilfsorganisation und Patient tragen die Rettungsdienstgesetze – abgesehen von den wenigen genannten Ausnahmen16 – also unmittelbar ebenso wenig bei wie zu der Frage der Beteiligungsform. II. Literatur und Rechtsprechung 1. Literatur Die Literatur zum Rettungsdienst beurteilt die Form der Beteiligung der Hilfsorganisationen am Rettungsdienst sowie die Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen Hilfsorganisation und Patient uneinheitlich.

11 Vgl. Schulte, S. 51. Das gilt auch für Baden-Württemberg, wo das Sozialministerium den Rettungsdienst erst vertraglich an die privaten Hilfsorganisationen überträgt, § 2 Abs. 1 RDG BW (vgl. Güntert/Alber § 2 S. 2). 12 D.h. innerhalb der dem Rettungsdienstträger gesetzlich auferlegten Sicherstellungspflicht. 13 Nur in Bremen und Nordrhein-Westfalen werden private Hilfsorganisationen, die dort neben der Feuerwehr zum Rettungsdienst herangezogen werden, ausdrücklich als „Verwaltungshelfer“ bezeichnet, §§ 27 Abs. 2 BremHilfeG, 11 Abs. 2 RettG NW). 14 Schulte, S. 84, 85. 15 Vgl. ausnahmsweise § 5 Abs. 2 RDG Berlin, der festlegt, dass „der Krankentransport von den Hilfsorganisationen [. . .] in privatrechtlicher Form durchgeführt wird“ sowie Art. 36 Abs 3 BayRDG n. F., wonach „sich die Erhebung und die Höhe des Benutzungsentgelts“ für nicht sozialversicherungsrechtlich relevante Leistungen der Bergrettung „nach den Vorschriften des Zivilrechts“ richten. 16 Siehe Fn. 13, 15.

1. Kap.: Notfallrettung und Krankentransport

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a) Privatrechtliche Tätigkeit Ein überwiegender Teil der Literatur geht davon aus, dass je nachdem, ob der Patient bei Bewusstsein ist, ein Rettungsvertrag zwischen Hilfsorganisation und Patient abgeschlossen werde bzw. die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag anzuwenden seien.17 Diese Autoren setzen demnach voraus, dass sich das Verhältnis zwischen Rettern und Patient nach Privatrecht beurteilt. Die Begründungen variieren. Einige verweisen darauf, dass es sich bei den Hilfsorganisationen um juristische Personen des Privatrechts handele und fügen hinzu, dass die Durchführung des Rettungsdienstes selbst keine hoheitliche Tätigkeit sei, denn durch die Übernahme erbringe die Rettungsorganisation rettungsdienstliche Leistungen für den Notfallpatienten in eigener Verantwortung.18 Vereinzelt wird darauf verwiesen, dass der Rettungsdienst über keinerlei einseitige Machtbefugnisse verfüge. Die Erbringung rettungsdienstlicher Leistungen der Hilfsorganisationen sei zudem nach Privatrecht zu beurteilen, da der Gesetzgeber in § 35 Abs. 1 und Abs. 5a StVO den Rettungsdienst selbst „aus dem Bereich der Hoheitlichkeit ausgeklammert“ habe. Diese Schlussfolgerung basiert auf folgender Unterscheidung innerhalb der genannten Vorschrift: Während nach § 35 Abs. 1 StVO die darin aufgeführten Behörden von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit sind, soweit dies zur Erfüllung „hoheitlicher Aufgaben“ dringend geboten ist, bestimmt Abs. 5a in Bezug auf den Rettungsdienst eigens, dass Fahrzeuge des Rettungsdienstes von diesen Vorschriften befreit sind, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.19 Übereinstimmend weisen alle Autoren ausdrücklich oder implizit darauf hin, dass es sich bei der Durchführung des Rettungsdienstes durch die Hilfsorganisationen jedenfalls nicht um eine Beleihung handele.20 b) Öffentlich-rechtliche Tätigkeit Ein anderer Teil der Literatur wiederum charakterisiert die Einsätze der Hilfsorganisationen als öffentlich-rechtliche Tätigkeiten.21 Dies wird überwiegend mit 17 Lippert/Weissauer, S. 106 f; Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 19 BayRDG a. F. Anm. 1.1; Güntert/Alber, § 2 RDG BW (S. 2); Schulte, S. 59; Bloch, NJW 1993, 1513, 1514. 18 Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 19 BayRDG a. F. Anm. 1.3 für die Rechtslage in Bayern; Conrad/Regorz, § 6 Anm. 3. 19 Bloch, NJW 1993, 1513, 1514. Das Argument aus § 35 StVO wird jedoch mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH zu Recht verworfen, da die Wahrnehmung von Sonderrechten nach § 35 StVO sowohl Hoheitsträgern als auch Privaten offen steht, ohne dass sich daraus Rückschlüsse auf die Rechtsnatur des Handelns ziehen lassen (vgl. Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 93b mit Hinweis auf BGHZ 118, 304, 306). 20 Ausdrücklich Lippert/Weissauer, S. 107; Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 19 BayRDG a. F. Anm. 1.1; Güntert/Alber, § 2 RDG BW, S. 2, allerdings mit Einschränkungen anlässlich der neuesten Rechtsprechung des BGH (dazu später); implizit Bloch, NJW 1993, 1513, 1514; Schulte, S. 59 und 95. 21 Prütting/Mais, § 12 RettG NW Anm. 5; Fehn/Lechleuthner, S. 137 f.

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dem Charakter des Rettungsdienstes als öffentlicher Aufgabe der Daseinsvorsorge und der Gefahrenabwehr begründet, für die nach den Rettungsdienstgesetzen hoheitliche Träger zuständig sind. Da die Hilfsorganisationen eine öffentlichrechtliche Aufgabe für die Träger als Verwaltungshelfer wahrnähmen, seien ihre Einsätze hoheitlicher Betätigung zuzurechnen.22 Außerdem würden für rettungsdienstliche Einsätze von den Patienten Gebühren als öffentlich-rechtliche Finanzierungsinstrumente verlangt.23 c) Differenzierung nach Leistungsmodellen: Konzessions- und Submissionssystem Die unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Literatur lassen sich zum Teil auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Rettungsdienstgesetze und deren jeweilige Kommentierungen zurückführen.24 Teilweise werden Aussagen aber auch pauschal für den Rettungsdienst in Deutschland insgesamt getroffen.25 Angesichts der grundlegend unterschiedlichen Regelungskonzepte der Rettungsdienstgesetze in den Bundesländern verbietet sich indes eine pauschale Qualifizierung der Beteiligungsform privater Hilfsorganisationen am Rettungsdienst und ihrer Handlungsform gegenüber Patienten. Die Rettungsdienstgesetze lassen sich nach den ihnen innewohnenden Leistungssystemen unter Einbeziehung der Hilfsorganisationen in zwei grundlegende Kategorien unterteilen.26 Sie unterscheiden sich danach, wie die Rolle der Hilfsorganisationen im Rettungsdienst in den Bundesländern ausgestaltet ist:27

22 So für die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen Prütting/Mais, § 12 RettG NW Anm. 5. 23 Fehn/Lechleuthner, S. 138, die darauf verweisen, dass zumindest die Notfallrettung dem Bereich der Gefahrenabwehr zugeordnet wird, in dem die Verwaltung im Gegensatz zur reinen Leistungsverwaltung grundsätzlich kein Wahlrecht besitze, in welcher Rechtsform sie diese Aufgabe erfüllen wolle. 24 Bspw. Oehler/Schulz/Schnelzer für das BayRDG a. F., Güntert/Alber zum RDG BW, Prütting/Mais zum RettG NW und Conrad/Regorz zum NRettDG. 25 So vor allem Lippert/Weissauer, S. 106 ff.; Fehn/Lechleuthner, S. 137 f. 26 Schulte, S. 51 ff., der sich als bisher einziger differenziert mit allen Rettungsdienstgesetzen in Deutschland auseinandersetzt. 27 Schulte greift hierbei auf Modelle zurück, die sich in der allgemeinen Diskussion über die Einbeziehung Privater in die Wahrnehmung gemeinwohlrelevanter Aufgaben herausgebildet haben (Privatisierungsformen). Der Begriff der Privatisierung wird allgemein zur Kennzeichnung des Phänomens verwendet, dass der Staat ehemals selbst durchgeführte Tätigkeiten nun durch Private wahrnehmen lässt. Die Privatisierungsdiskussion befasst sich eingehend mit den verschiedenen (Kooperations-)Formen und Modellen der Einbeziehung Privater in Staatsaufgaben und Gemeinwohlangelegenheiten insgesamt, bleibt dabei also nicht auf die Wahrnehmung von öffentlichen, d.h. dem Staat gesetzlich zugeordneten Aufgaben durch Private beschränkt (Schulte, S. 52 ff.).

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Im sog. Konzessionssystem28 leistet die Hilfsorganisation ihre Dienste an den Patienten gegen ein Entgelt, das dieser der Hilfsorganisation für den Rettungseinsatz entrichtet.29 Charakteristisch für dieses Leistungsmodell ist das eigenständige Auftreten der Hilfsorganisationen, die mit dem Patienten eine selbständige Leistungsbeziehung begründen. Die Hilfsorganisationen finanzieren sich und ihre Einsätze abgesehen von Landeszuschüssen wesentlich durch die Geltendmachung ihrer Forderungen gegenüber den versorgten und transportierten Patienten und tragen hierfür auch das Ausfallrisiko.30 Im sog. Submissionssystem dagegen erbringt die private Hilfsorganisation rettungsdienstliche Leistungen gegen eine vom Rettungsdienstträger gezahlte, mit diesem zuvor rahmenvertraglich vereinbarte Vergütung. Für den Rettungseinsatz erhebt nicht die Hilfsorganisation, sondern der Rettungsdienstträger Gebühren beim Patienten.31 Die Hilfsorganisationen nehmen hier also eine gegenüber der Stellung des nach außen auftretenden Rettungsdienstträgers „untergeordnete“ Rolle ein. Sie begründen kein eigenständiges Leistungsverhältnis gegenüber dem Patienten, sondern sind nur „Erfüllungsgehilfen“ im Leistungsverhältnis zwischen Rettungsdienstträger und Patient. In den Ländern, in denen das Submissionssystem gilt, entspricht die Stellung der Hilfsorganisation der Rechtsfigur des unselbständigen Verwaltungshelfers.32 Nach ganz herrschender Meinung zeichnet sich diese Rechtsfigur dadurch aus, dass eine Privatperson als außerordentlicher Organwalter einer Behörde für diese unselbständig tätig und lediglich in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch den Verwaltungsträger eingeschaltet wird. Die Privatperson steht dann nicht in einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zu Dritten, sondern sie handelt im Auftrag und nach Weisung der Behörde. Unselbständige Verwaltungshelfer werden des-

28 Das Konzessionssystem ist verwirklicht in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen (sowie Bremen und Hamburg, sofern dort die Durchführung auf Private Dritte übertragen ist), vgl. Schulte, S. 58. 29 Bspw. Art. 32 und nunmehr für die Bergwacht explizit Art. 36 Abs. 1 BayRDG n. F.; § 28 Abs. 1 RDG BW. 30 Es handelt sich im Falle des Rettungsdienstes um eine sog. Dienstleistungskonzession, für die vor allem charakteristisch ist, dass der Private in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe (Dienst-)Leistungen erbringt und die damit verbundenen Risiken trägt, weil er seine Vergütung von dem Nutzer erhält und sie bei ihm geltend machen muss. Die Hilfsorganisationen erhalten also die Befugnis (Konzession), den Rettungsdienst durchzuführen und die mit dieser Tätigkeit anfallenden Kosten selbst gegenüber den Patienten (zumindest teilweise) zu refinanzieren. Zum Begriff der Konzession vgl. Stickler, in: Reidt/Stickler/Glahs, § 99 Rn. 27a; BayObLG, Entscheidung vom 09.07. 2003 (Verg 7/03 – unveröffentlicht). 31 Schulte, S. 54; das Submissionssystem findet sich in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Sachsen, und Sachsen-Anhalt. 32 Schulte, S. 95.

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halb nur als „Werkzeug“ bzw. „verlängerter Arm“ der Verwaltung tätig.33 Denjenigen Stimmen in der Literatur, die auf die Stellung der Hilfsorganisationen als Verwaltungshelfer verweisen, ist jedenfalls für die Bundesländer zuzustimmen, in denen Hilfsorganisationen nach dem Submissionssystem in den Rettungsdienst einbezogen werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch entsprechende Indizien für die Rolle der Hilfsorganisationen als unselbständige Verwaltungshelfer in den betreffenden Gesetzen. Die Hilfsorganisationen haben dort nach den Anweisungen des Rettungsdienstträgers zu agieren und unterliegen einer ständigen Kontrolle ihrer sachlichen und personellen Leistungsfähigkeit.34 In Bremen und Nordrhein-Westfalen werden sie explizit als Verwaltungshelfer bezeichnet.35 Der öffentlich-rechtliche Charakter der Rettungseinsätze ergibt sich aus der Gebührenerhebung des jeweiligen Rettungsdienstträgers gegenüber den Patienten, die in den betreffenden Rettungsdienstgesetzen vorgesehen ist.36 Denn Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldforderungen für öffentliche Leistungen.37 Entgegen der weitgehend üblichen Handhabung in der Literatur zum Rettungsdienst ist deshalb ausdrücklich klarzustellen und zu beachten, dass die Hilfsorganisationen im Submissionssystem keine eigenständige Leistungsbeziehung mit dem Patienten begründen, sondern lediglich (unselbständiges) Erfüllungsinstrument innerhalb der Leistungsbeziehung zwischen dem Rettungsdienstträger und dem Patienten sind. Werden rettungsdienstliche Einsätze der Hilfsorganisationen mitunter als öffentlich-rechtlich charakterisiert, so kann sich diese Feststellung allein auf das Rechts- und Leistungsverhältnis zwischen Rettungsdienstträger und Patient beziehen, im Rahmen dessen die Hilfsorganisationen als „Erfüllungsgehilfen“ agieren. Das tatsächliche Handeln der Mitarbeiter der Hilfsorganisation, d.h. die tatsächlichen rettungsdienstlichen Leistungen gegenüber den Patienten werden wegen ihres unselbständigen Charakters als solche des Rettungsdienstträgers betrachtet. Im Submissionssystem stellt sich somit die Frage nach der Rechtsnatur von Rechtsbeziehungen der privaten Hilfsorganisationen gegenüber Patienten und daraus resultierender Entgeltforderungen nicht.38 33 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90a I 1 Rn. 1 mit zahlreichen Beispielen sowie Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen. 34 Vgl. § 11 Abs. 2 RettG NW, § 5 Abs. 2 BbgRettG. 35 § 27 Abs. 2 BremHilfeG und § 11 Abs. 2 RettG NW. 36 Vgl. § 10 Abs. 2 BbgRettG; § 8 Abs. 1 RDG SH, § 15 Abs. 2 RettG NW. 37 Vgl. Schulte, S. 56; zum öffentlich-rechtlichen Charakter der Gebühr ebenfalls Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, § 21 Rn. 4, § 29 Rn. 36. 38 Die Frage nach der „Rechtsnatur des Handelns“ der Hilfsorganisationen wird hier nur im Haftungsrecht aufgeworfen, nämlich bei der Prüfung, ob die Tätigkeit des unselbständigen Verwaltungshelfers als „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ i. S. v. § 839 BGB, Art. 34 GG anzusehen ist. Nach herrschender Auffassung ist die Tätigkeit des Verwaltungshelfers wegen ihrer Unselbständigkeit dem im Verhältnis zum Bürger auftretenden Verwaltungsträger zuzurechnen. Wenn bisweilen also von einem öffentlichrechtlichen Handeln des Verwaltungshelfers die Rede ist, ist damit im haftungsrechtlichen Sinne gemeint, dass die Ausführungshandlung als solche dem Verwaltungsträger

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In den Ländern, in denen das Konzessionssystem verwirklicht ist, zeichnen sich die Leistungsbeziehungen dadurch aus, dass die Hilfsorganisationen gegenüber den Patienten selbständig tätig werden und ihnen gegenüber selbst Entgelte für ihre Einsätze fordern.39 Anders als im Submissionssystem sind die Hilfsorganisationen hier nicht als unselbständige Verwaltungshelfer tätig.40 Die Stellung der Hilfsorganisationen im Konzessionsmodell deckt sich mit wesentlichen Merkmalen der Rechtsfigur der Beleihung. Nach der ganz herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung zeichnet sich die Beleihung dadurch aus, dass ein Privater durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit der selbständigen Wahrnehmung einer bestimmten Verwaltungsaufgabe im eigenen Namen betraut und ihm zu diesem Zweck die Kompetenz verliehen wird, in den Formen des öffentlichen Rechts zu handeln.41 Öffentlich-rechtliche Handlungsbefugnisse können obrigkeitliche Handlungen, d.h. einseitige Zwangsbefugnisse, und/oder sog. schlicht-hoheitliche Kompetenzen, d.h. einfache Regelungs- bzw. Entscheidungsbefugnisse, umfassen.42 Ausgestattet mit solchen hoheitlichen Kompetenzen wird das beliehene Privatrechtssubjekt gegenüber dem Bürger öffentlich-rechtlich tätig, wenn das von ihm eingegangene Rechtsverhältnis der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dient.43 Im Konzessionsmodell werden die Hilfsorganisationen nach Beauftragung durch die Rettungsdienstträger aufgrund des jeweiligen Rettungsdienstgesetzes selbständig und im eigenen Namen gegenüber den Patienten tätig und begründen mit diesen eigenständige Rechtsverhältnisse. Insoweit erfüllen die Hilfsorganisationen die Voraussetzungen der Beleihungsdefinition. Entscheidend ist aber letztlich die Frage, ob und ggf. welche hoheitlichen Handlungskompetenzen den zugerechnet und innerhalb dessen die Rechtsbeziehung zum Bürger als öffentlich-rechtliches Handeln qualifiziert wird (vgl. Burgi, S. 405). 39 Vgl. Schulte, S. 59. 40 Schulte, S. 95. 41 Sog. Befugnis- oder Rechtstellungstheorie, Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90 I (S. 508 ff.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 11; BVerwGE 61, 222, 224; BVerwG DVBl. 1990, 712; Schulte, S. 87, 88; von Mutius, VerwArch 62 (1971), 300, 302; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, § 1 Rn. 15; Hausner, S. 42 f.; a. A. die sog. Aufgabentheorie, wonach Voraussetzung für eine Beleihung lediglich die Übertragung einer Staatsaufgabe sei. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe könne sich der Beliehene dann auch privatrechtlicher Handlungsformen bedienen, ohne dass es auf die Übertragung hoheitlicher Befugnisse ankomme (vgl. u. a. Steiner, Öffentliche Verwaltung, S. 46). Dies wird zu Recht mit dem Argument abgelehnt, dass die bewährte Rechtsfigur der Beleihung dann wesentlich an Kontur verliert und nicht mehr von anderen Figuren der Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben abgrenzbar ist (vgl. v. Heimburg, S. 33; ausführlich zu den verschiedenen Beleihungstheorien und deren Schwächen gegenüber der h. M. s. Weisel, S. 55 ff.). 42 Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rn. 39 f. zu den Begriffen „obrigkeitlich“ und „schlicht-hoheitlich“; dies., Verwaltungsrecht III, § 90 I Rn. 14, 15 sowie § 90a II Rn. 21 zur Abgrenzung hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Befugnisse. 43 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90 IV.1 Rn. 52.

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Hilfsorganisationen zur Wahrnehmung des öffentlichen Rettungsdienstes übertragen werden. Solche hoheitlichen Handlungskompetenzen i. S. d. herrschenden Beleihungsdefinition können beispielsweise in der Befugnis der Hilfsorganisationen liegen, gegenüber den Patienten Gebühren zu erheben.44 Denn die einseitige Gebührenerhebung als Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Geldleistungen für eine öffentliche Leistung ist ein Akt, der Hoheitsträgern vorbehalten und entsprechenden öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen unterworfen ist.45 Wird diese Befugnis durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einer privaten Hilfsorganisation gewährt, handelt es sich dabei um die Übertragung öffentlich-rechtlicher Kompetenzen. Eine solche Beleihung der Hilfsorganisationen mit dem Recht der Gebührenerhebung sah § 20 RDG Berlin a. F. vor. Ihr Handeln gegenüber dem Patienten war deshalb als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.46 Inzwischen sind §§ 20 und 21 RDG Berlin dahingehend geändert worden, dass den Hilfsorganisationen nur mehr das Recht statuiert wird, für ihre rettungsdienstlichen Tätigkeiten gegenüber dem Patienten „Benutzungsentgelte“ in Rechnung stellen zu können, während die Gebührenerhebung allein der Feuerwehr bei Durchführung einer Notfallrettung vorbehalten bleibt.47 Vor dem Hintergrund dieser Änderung kann von einer Beleihung der Hilfsorganisationen mangels der Befugnis, Gebühren zu erheben, nach neuer Rechtslage deshalb keine Rede mehr sein. Nach der Änderung des Rettungsdienstgesetzes Berlin fehlt es nun in allen Bundesländern mit Konzessionsmodell an der Übertragung bzw. Statuierung hoheitlicher Handlungskompetenzen.48 Zwar wird in den Rettungsdienstgesetzen heute überall konstatiert, dass die Hilfsorganisationen für ihre Leistungen „Benutzungsentgelte“ erheben.49 Darin liegt nach richtigem Verständnis aber keine Ermächtigung zur Erhebung von Gebühren im Sinne öffentlich-rechtlicher Abgaben.50 Es handelt sich bei der jeweiligen Vorschrift in den Rettungsdienstgeset44

Vgl. Schulte, S. 89 und 95. Vgl. Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, § 29 Rn. 36, der unter anderem wegen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes auf die Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage und grundrechtliche Bindungen wie das Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG hinweist. 46 Schulte, S. 60, der im Sonderfall Berlins darauf verweist, dass private Hilfsorganisationen nur ausnahmsweise mit der Notfallrettung betraut werden, wenn die an sich zuständige Feuerwehr sie nicht mehr in ausreichendem Maße gewährleisten kann. 47 Vgl. §§ 20, 21 RDG Berlin in der mit Wirkung zum 24.06.2004 geänderten Fassung. 48 Vgl. Schulte, S. 95. 49 Vgl. Art. 32 Abs. 1 BayRDG n. F., § 28 RDG BW. 50 Gegen eine Unterscheidung von „Entgelten“ als privatrechtlicher Vergütung und „Gebühren“ als öffentlich-rechtliches Nutzungsentgelt spricht sich wohl Iwers aus (LKV 1999, 485 ff.). Konsequenz daraus wäre, die Hilfsorganisationen aufgrund der ihr übertragenen Befugnis zur Erhebung von Entgelten auf Basis der jeweiligen Kommunalabgabengesetze als Beliehene zu qualifizieren. Ein öffentlich-rechtliches „Entgelt“ 45

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zen vielmehr um eine Klarstellung des Konzessionsgedankens (eigenständige Geltendmachung einer Vergütung gegenüber dem Hilfsbedürftigen) verbunden mit Regelungen über die Höhe des jeweiligen Benutzungsentgelts, das in Absprache mit den Rettungsdienstträgern und den Kostenträgern (Versicherern) sowie unter Berücksichtigung bestimmter Berechnungsvorgaben als Pauschale festgelegt und im Außenverhältnis zum „Benutzer“ des Rettungsdienstes für die Hilfsorganisationen verbindlich sein soll.51 Dahinter stehen die Prämissen, dass der Rettungsdienst als Teil staatlicher Daseinsvorsorge möglichst kostendeckend funktionieren, nicht aber auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein darf, und dass sich die Kostendeckung durch die Inanspruchnahme der Betroffenen gleichzeitig in das (Kosten-)System der Krankenversicherungsleistungen einfügen muss.52 Auch sonstige, über die Frage der Gebührenerhebung hinausgehende hoheitliche Befugnisse der Hilfsorganisationen fehlen. Dies kommt am deutlichsten dadurch zum Ausdruck, dass es den Hilfsorganisationen sogar untersagt ist, Einsätze gegen den Willen des Patienten durchzuführen.53 Anders als in anderen Bereichen

müsste durch Leistungsbescheid geltend gemacht und nach öffentlich-rechtlichen Regeln vollstreckt werden. Auch müssten die Hilfsorganisationen dann ihrerseits Gebühren- bzw. „Entgelt“-Satzungen erlassen, auf deren Basis die Benutzungsentgelte „erhoben“ werden. Das ist im Konzessionsmodell weder beabsichtigt, noch entspricht es der praktischen Handhabung. Soweit von der Erhebung von Benutzungsentgelten die Rede ist, ist damit regelmäßig der Kostenausgleich zwischen Sozialversicherung und Hilfsorganisationen gemeint, der eine verlässliche Aussage über das Verhältnis zwischen Hilfsorganisation und Hilfsbedürftigem aber nicht zulässt (unklar insoweit Art. 32 ff. BayRDG n. F.). 51 Vgl. Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F. S. 8 („öffentlich-rechtliche Preisvorschrift“); Güntert/Alber, § 28 RDG BW S. 2 ff.; vgl. zur Absprache zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern allgemein BGH NJW 2004, 3326. 52 Die Verknüpfung der verschiedenen Intentionen und die teilweise Verwendung typischerweise öffentlich-rechtlichen Vokabulars („Benutzung“, „erheben“) in den jeweiligen Vorschriften ist unglücklich. Dadurch wird der Eindruck erweckt, es handele sich um eine gesetzliche (öffentlich-rechtliche) Anspruchsgrundlage, auf deren Basis die Durchführenden des Rettungsdienstes die Hilfsbedürftigen in Anspruch nehmen können. Dies bestätigt sich immer wieder in den Hinweisen der Hilfsorganisationen und etwa auch der Zentralen Abrechnungsstelle in Bayern auf die Grundlage ihrer Rechnungen. Zudem verkürzt die Verknüpfung den Blick auf das (Leistungs-)Verhältnis zwischen Hilfsorganisation und Versicherung, ohne die Leistungsbeziehung zwischen Rettungsorganisation und Gerettetem und deren rechtlichen Ausgestaltung zu berühren. Die Hilfsorganisationen rechnen zwar in einer Vielzahl von Fällen aufgrund besonderer Leistungsvereinbarungen mit den Versicherungsverbänden ihre Einsätze direkt gegenüber dem Versicherer des Geretteten ab (aus diesen Leistungsabreden ergibt sich dann der Anspruch auf Entgeltzahlung gegenüber dem Versicherer). Damit ist aber nichts über die Anspruchsgrundlage der Rettungsorganisation im Verhältnis zum Geretteten selbst gesagt, das daneben existiert und gerade außerhalb versicherungsrechtlicher Deckung der Einsatzkosten eine wichtige Rolle spielt (Zum Sachleistungs- und Kostenerstattungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung den Rettungsdienst s. u. 3. Teil, 1. Kapitel). 53 Vgl. Dienstanweisung des Bayerischen Roten Kreuzes für den Rettungsdienst, § 17 Abs. 3.

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

der öffentlichen Gefahrenabwehr sind im Rettungsdienst gerade keine einseitigen Eingriffs- und Zwangsbefugnisse zur Abwendung einer Gefahr vorgesehen.54 Eine Beleihung im Sinne der herrschenden Befugnis- oder Rechtsstellungstheorie als Rechtsfigur der Beteiligung privater Hilfsorganisationen am öffentlichen Rettungsdienst scheitert demnach in den Bundesländern mit Konzessionssystem an der fehlenden Übertragung hoheitlicher Kompetenzen. Allein die Erteilung einer Konzession, durch die jemand lediglich berechtigt und verpflichtet wird, eine Tätigkeit auszuüben, ist für eine Beleihung nicht ausreichend.55 Da sich die Beteiligung der Hilfsorganisationen nach dem Konzessionssystem keiner der beiden herkömmlichen Rechtsfiguren für die Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben zuordnen lässt, ist zu fragen, wie die Beteiligung der Hilfsorganisationen am öffentlichen Rettungsdienst rechtlich zu erfassen ist und welche möglichen Auswirkungen dies auf das Rechtsverhältnis zwischen Hilfsorganisationen und Patienten hat. d) Die Rechtsfigur des selbständigen Verwaltungshelfers Das Phänomen der sog. funktionalen Privatisierung, zu dem auch die (Dienstleistungs-)Konzession zählt, d.h. die Beauftragung Privater mit der selbständigen Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe,56 ohne mit hoheitlichen Handlungskompetenzen ausgestattet zu sein, tritt im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge und Leistungsverwaltung vermehrt auf.57 Grund dafür ist das dringende allgemeine Bedürfnis der Verwaltungsträger, sich durch möglichst umfassende Kooperation mit privaten Leistungsanbietern wirtschaftlich zu entlasten.58 Da das Konzessionssystem im Rettungsdienst darauf fußt, dass der beauftragte Private Leistungen gegen ein Entgelt des Bürgers bzw. seiner Krankenversicherung erbringt und für die Realisierung dieser Einnahmen das wirtschaftliche Risiko trägt, birgt dieses Modell erhebliche finanzielle Entlastungschancen für die öffentliche Hand. Hinzu kommt, dass der zuständige Verwaltungsträger auf die Expertise der

54 Vgl. die zahlreichen Eingriffsermächtigungen für Polizei- und Ordnungsbehörden. Das Argument von Fehn/Lechleuthner (S. 137 f.), die rettungsdienstliche Tätigkeit der Hilfsorganisationen sei wegen des Charakters der Notfallrettung als Gefahrenabwehr dem öffentlichen Recht zuzuordnen, ist deshalb nicht schlüssig. 55 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 104 I 4, Rn. 4: Die Konzession vermittelt keine Wahrnehmungszuständigkeit; mit der konzessionierten Tätigkeit werden keine öffentlich-rechtlichen Kompetenzen wahrgenommen. 56 Vgl. ausführlich Burgi; im Überblick ders., in: Erichsen/Ehlers, § 54. 57 Beispiele bieten die Beauftragung privater Unternehmen mit der Abwasser- und Abfallentsorgung, vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90a III 2, Rn. 24. 58 Zur Tendenz zunehmender Kooperation zwischen Verwaltung und Gesellschaft und den entstandenen Privatisierungsmodellen und ihren Gründen vgl. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, § 54 II Rn. 4 und 7 ff.

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Privatwirtschaft zurückgreifen kann, ohne eigenes qualifiziertes Personal anstellen oder entsprechend ausbilden zu müssen.59 Für die selbständige Wahrnehmung solcher Aufgaben der Daseinsvorsorge sind hoheitliche Handlungsformen meist nicht erforderlich. Das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger stellt sich regelmäßig als ein Leistungsaustausch auf gleicher Ebene dar und nicht, wie es etwa bei der Eingriffsverwaltung der Fall ist, als ein Über-/Unterordnungsverhältnis. Selten erfordert die Tätigkeit des beauftragten Privaten deshalb eine Beleihung mit hoheitlichen Handlungskompetenzen. Während man sich über die tatsächliche Konzeption dieses Phänomens und seine immensen praktischen Vorteile einig ist, sind die rechtliche Ausgestaltung dieser Beteiligungsform und die rechtliche Handhabung der mit ihr zusammenhängenden Konsequenzen bisher nicht vollständig durchdrungen.60 Im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung mit dieser Kooperationsform zwischen Verwaltung und Privaten steht die befürchtete Flucht des Staates ins Privatrecht. Dem Staat bzw. dem Verwaltungsträger soll es nicht ermöglicht werden, Teile der ihm obliegenden Aufgaben an Privatrechtssubjekte zu übertragen und sich dadurch seinen öffentlich-rechtlichen Bindungen, insbesondere der Amtshaftung, zu entziehen.61 Diskutiert wird deshalb intensiv, welche Auswirkungen die Übertragung der Aufgabendurchführung auf die Verantwortung des zuständigen Verwaltungsträgers und die Geltung des öffentlichen Sonderrechts hat.62 Insgesamt zeichnet sich die Tendenz ab, auch Tätigkeiten des beauftragten, selbständigen Privaten dem zuständigen Verwaltungsträger zuzurechnen.63 Bei

59 Gerade im Rettungsdienst wäre die Durchführung von Rettungseinsätzen allein durch staatliche Einrichtungen flächendeckend gar nicht möglich. Von vornherein musste deshalb auf die bereits bestehenden privaten Strukturen zurückgegriffen werden, vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. I. 3. b). 60 Vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90a III 4, Rn. 30. Innerhalb der Privatisierungsdiskussion werden zu diesem Thema insbesondere die verfassungsrechtliche Zulässigkeit und die verfassungsrechtlichen Grenzen der Übertragung von Aufgabenteilen auf Private diskutiert (vgl. Burgi; vgl. ebenfalls die VVDStRL 54 (1994) zum Thema „Privatisierung von Verwaltungsaufgaben“). Die Auswirkungen dieser Privatisierungsvorgänge auf einfachrechtlicher Ebene sind dagegen bisher kaum Gegenstand der Auseinandersetzung in Rechtsprechung und Literatur. 61 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90a II 1, Rn. 13. 62 Zum Teil geht man davon aus, dass sich an der Erfüllungsverantwortung des Verwaltungsträgers bei der Einbeziehung Privater in die Aufgabenerfüllung nichts ändert. Die Tätigkeit des Privaten sei dem Staat jedenfalls zuzurechnen, um eine fortbestehende Geltung des öffentlichen Sonderrechts zu gewährleisten (Übersicht bei Burgi, S. 155). Andere hingegen sehen in der Übertragung von Teilen der Aufgabenwahrnehmung eine Verlagerung der Durchführungsverantwortung. Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Falle der Steuerungs- und Lenkungsverantwortung des Verwaltungsträgers zuteil, die bei Übertragung der Tätigkeit für die Erreichung der Aufgaben- und damit Gemeinwohlziele entscheidend wird (vgl. Burgi, S. 160 ff. m.w. N.). 63 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90a II 1, Rn. 14; ebenso Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 234 ff.; Burgi, S. 151 f.

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

dieser sog. selbständigen Verwaltungshilfe64 soll es für die Frage, ob der zuständige Verwaltungsträger weiterhin öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt, nicht mehr auf die Unselbständigkeit der Tätigkeit als Zurechnungskriterium ankommen65, sondern auf die Tatsache, dass der beauftragte Private im Rahmen einer öffentlichen Aufgabe tätig wird, sein Handeln also funktional auf diese Aufgabe bezogen ist. Die Rechtsfigur der selbständigen Verwaltungshilfe zeichnet sich folglich dadurch aus, dass ein Privater beauftragt wird, selbständig und in eigenem Namen an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mitzuwirken, ohne dabei über öffentlich-rechtliche Handlungskompetenzen zu verfügen.66 Nach überwiegender Auffassung soll die Tätigkeit des Privaten aufgrund des funktionalen Bezugs zu der öffentlichen Aufgabe dem zuständigen Verwaltungsträger zugerechnet werden, so dass die Bindungen des öffentlichen Rechts weiterhin bestehen.67 Im Gegensatz zur Figur der unselbständigen Verwaltungshilfe zeigt sich bei der selbständigen Verwaltungshilfe in Konzessionsmodellen wie dem Rettungsdienst folgender, bereits angesprochener grundlegender – und deshalb nochmals klarzustellender – Unterschied, der bei der Beurteilung des Handelns des beauftragten Privaten berücksichtigt werden muss, um nicht vorschnell falsche Rückschlüsse zu ziehen: Der unselbständige Verwaltungshelfer handelt als „Erfüllungsgehilfe“ innerhalb des (öffentlich-rechtlichen) Leistungsverhältnisses zwischen Verwaltungsrechtsträger und Bürger. Auf die Rechtsnatur seines gegenüber dem Bürger unselbständigen (tatsächlichen) Handelns kommt es regelmäßig nicht an, da dieses als ein Handeln des Verwaltungsträgers gilt (diesem zugerechnet wird) und deshalb die Rechtsnatur des zwischen Verwaltungsträger und Bürger begründeten Rechtsverhältnisses teilt.68 Sinn der selbständigen Verwaltungshilfe in einem 64 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90a II 1, Rn. 13 ff.; Burgi, S. 145 ff., der allgemein von „Verwaltungshilfe nach funktionaler Privatisierung“ spricht und die Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Verwaltungshilfe auflösen will. Bisweilen wird die Konstellation des selbständigen Privaten ohne Hoheitsbefugnisse als „Verwaltungssubstitution“ (v. Heimburg, S. 112, 139 ff.), „unechte Verwaltungssubstitution“ (Frenz, S. 50 f.) oder „Verwaltungsmittlung“ (Brüning, NWVBl. 1997, S. 290 f., 292 f.) bezeichnet. 65 Das Kriterium der Unselbständigkeit ist zuletzt zu Recht wachsender Kritik ausgesetzt gewesen, da es nicht über die erforderliche Trennschärfe verfügt. Auf einer Skala zwischen vollständig terminierten Handlungen eines Privaten für einen Verwaltungsträger bis zur autonomen Wahrnehmung bestimmter Angelegenheiten lässt sich abstrakt nicht mit Sicherheit sagen, wann eine Handlung noch als selbständig angesehen werden kann und wann dies nicht mehr der Fall ist (vgl. Burgi, S. 157). 66 So auch Brüning, NWVBl. 1997, 290 m.w. N. 67 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90a II 1Rn. 13 ff.; kritisch Burgi, S. 156, der einen anderen Begriff der Staatsaufgabe (öffentliche Aufgabe) zugrundelegt und deshalb in der Übertragung des Aufgabenteils auch eine Verantwortungsverschiebung sieht.

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Konzessionssystem und konstitutives Merkmal der Beteiligung eines selbständigen Verwaltungshelfers ist hingegen die Tatsache, dass der Private eigenständig handelt, in eine selbständige Leistungsbeziehung zu den Bürgern tritt und nicht nur „verlängerter Arm“ des Verwaltungsträgers ist. Anders als bei der unselbständigen Verwaltungshilfe erhebt deshalb der selbständige Verwaltungshelfer seinerseits für die von ihm erbrachten Leistungen Entgeltforderungen gegenüber dem Bürger.69 Bei der selbständigen Verwaltungshilfe sind demnach zwei (Außen-)Rechtsverhältnisse zu trennen, nämlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem selbständigen Verwaltungshelfer und dem Bürger auf der einen Seite (Leistungsbeziehung) und dem Verhältnis zwischen dem Bürger und dem für die jeweilige Verwaltungsaufgabe zuständigen Verwaltungsträger auf der anderen Seite. Nur für Letzteres stellt sich etwa die Frage der Geltung von Sonderrechten.70 Das Verhältnis des selbständigen Verwaltungshelfers zum Bürger ist gesondert von dem des Verwaltungsträgers zum Bürger und den hier möglicherweise eine Rolle spielenden öffentlich-rechtlichen Bindungen zu beurteilen. Eine derartige Trennung ist bei der unselbständigen Verwaltungshilfe nicht erforderlich, da die Leistungsbeziehung zwischen Verwaltungsträger und Bürger entsteht und das Verhältnis zwischen unselbständigem Verwaltungshelfer und Bürger darüber hinaus keine besondere Bedeutung erlangt. Kann der selbständige Verwaltungshelfer gegenüber dem Bürger mangels entsprechender Kompetenzen nicht hoheitlich handeln, kann er die selbständige 68 Offensichtlich ist das in den Abschleppfällen, in denen ein privates Abschleppunternehmen im Auftrag der Polizei ordnungswidrig abgestellte Fahrzeuge entfernt, zumal das private Abschleppunternehmen beim Abschleppen hoheitlichen Zwang anwendet. Unabhängig von der konkreten Grundlage für das Abschleppen (Sicherstellung, unmittelbare Ausführung, Ersatzvornahme) kann die Entfernung eines Pkw nur hoheitlich angeordnet, nicht aber vom Abschleppunternehmer von sich aus vorgenommen werden. Es entsteht deshalb eine öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung zwischen dem Störer (Halter oder Fahrer des Wagens) und der Polizei, innerhalb derer der Abschleppunternehmer lediglich verlängerter Arm der Polizei ist und seine Abschleppkosten allein der ihn beauftragenden Polizeibehörde in Rechnung stellt. Letztere kann diese Auslagen nach den Kostenregelungen des jeweiligen Polizeigesetzes vom Störer ersetzt verlangen (vgl. Kugelmann, S. 312 ff.; Schoch, in: Schmidt-Aßmann, 2. Kap. I 2 b bb Rn. 28 und 292 ff.). Aber auch der private Abfallentsorger ist hier zu nennen. Anders als im Konzessionssystem handelt der beauftragte private Abfallentsorger (vgl. § 16 KrW-/AbfG) zwar weitgehend selbständig, der hoheitliche Entsorgungsträger aber erhebt für die Abfallentsorgung Gebühren. Der private Entsorger begründet deshalb trotz weitgehend selbständigen Handelns keine eigenständige Leistungsbeziehung zum Bürger (vgl. VGH München NVwZ-RR 2001, 120; OVG Bautzen NVwZ-RR 2002, 686). 69 Zur Frage, wie dann vor allem in Hinsicht auf Haftungsfragen die befürchtete Flucht des Verwaltungsträgers ins Privatrecht verhindert werden kann, s. u. 3. 70 So auch Brüning, NWVBl. 1997, 290; Burgi, S. 147 und S. 400, der das Handeln des Verwaltungshelfers nach funktionaler Privatisierung nach Privatrecht, die Frage nach haftungsrechtlicher und grundrechtlicher Bindung des zuständigen Verwaltungshelfers aber als Zurechnungsfrage getrennt davon beurteilt (hierzu sogleich).

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

Leistungsbeziehung mit dem Bürger auch nicht öffentlich-rechtlich ausgestalten. Als Privatrechtssubjekt muss er sich zwingend der Formen des Privatrechts bedienen.71 Die etwaige Zurechnung seiner privatrechtlichen Tätigkeit zulasten des zuständigen Verwaltungsträgers mit der Folge, dass den Verwaltungsträger im Verhältnis zum Bürger öffentlich-rechtliche Pflichten und die Verantwortung für die Erfüllung der Aufgabe treffen, ist für die Beurteilung der Rechtsnatur des Handelns des beauftragten Privaten gegenüber dem Bürger ohne Bedeutung. Festzuhalten ist deshalb, dass der selbständige Verwaltungshelfer unabhängig davon, ob und ggf. wie eine Zurechnung seiner Tätigkeit zu dem beauftragenden Verwaltungsträger konstruiert wird, als Privatrechtssubjekt bei der Mitwirkung an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe nach außen gegenüber dem Bürger nur privatrechtlich handeln kann, da er nicht mit hoheitlichen Handlungskompetenzen beliehen ist.72 e) Ergebnis Für den Rettungsdienst folgt daraus, dass die Hilfsorganisationen, die im Konzessionssystem ebenfalls über keine öffentlich-rechtlichen Handlungskompetenzen verfügen, als selbständige Verwaltungshelfer zu charakterisieren sind und im 71 Burgi, S. 147; Brüning, NWVBl. 1997, S. 290 (292), der hingegen darauf abstellt, dass der „Verwaltungsmittler“ nicht als in die Verwaltungsorganisation eingegliedert anzusehen ist und deshalb selbst nicht öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt; vgl. auch Schoch, in: Schmidt-Aßmann, 2. Kapitel I 2 b bb Rn. 26 und 28. 72 Wolff/Bachof/Stober wollen die Stellung des selbständigen Verwaltungshelfers entgegen der herrschenden Auffassung als Beleihung qualifizieren mit dem Argument, dass dem Privaten zwar keine hoheitlichen Kompetenzen in der für die Beleihung vorausgesetzten Art zustehen, er aber durch die Pflichtenübertragung gleichsam in eine hoheitlich determinierte Stellung eintrete und bei der Erfüllung der ihm auferlegten Aufgabe entsprechende hoheitliche Kompetenzen wahrnehme (Verwaltungsrecht III, § 90a III 2, Rn. 24 ff. am Beispiel der Abfallentsorgung). Diese Erweiterung des Begriffs der Beleihung, wonach neben obrigkeitlichen und (schlicht-)hoheitlichen Kompetenzen als Merkmal auch schon das Einrücken eines Privaten in die Pflichtenposition des zuständigen Verwaltungsträgers als „Kompetenz“ ausreichen soll, ist aus denselben Gründen wie die Aufgabentheorie abzulehnen. Weder lässt sich das Institut der Beleihung dann noch mit der erforderlichen Schärfe von anderen Beteiligungsformen abgrenzen, noch besteht ein Bedürfnis für diese Begriffserweiterung. Die Bindung des zuständigen Verwaltungsträgers kann durch entsprechende Zurechnungskriterien erzielt werden, ohne den Privaten als Beliehenen zu einem Organ der Verwaltung zu machen. Auch besteht kein zwingender Grund dafür, die Tätigkeit des selbständigen Privaten als zwingend schlicht-hoheitlich zu qualifizieren, denn gerade im Bereich der Leistungsverwaltung stellt das Privatrecht, nicht aber das öffentliche Recht maßgeschneiderte Regelungen für die gegenseitigen Leistungsbeziehungen zur Verfügung (vgl. Rüfner, in: Isensee/Kirchhoff, Staatsrecht III, § 80 Rn. 65). Das Argument der Autoren überrascht, da sie sich hinsichtlich ihrer Definition hoheitlicher Kompetenzen und der Beleihung selbst widersprechen und noch in der Vorauflage den entgegengesetzten Standpunkt vertraten. Letztlich zeigt dies jedoch die allgemein bestehende Unsicherheit im einfachrechtlichen Umgang mit der selbständigen Verwaltungshilfe.

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Verhältnis zum Patienten privatrechtlich handeln. Den Autoren in der Literatur, die (mehr oder weniger deutlich) zur Begründung der privatrechtlichen Beziehungen zwischen Hilfsorganisationen und Patienten pauschal darauf abstellen, dass die Hilfsorganisationen mangels hoheitlicher Kompetenzen (jedenfalls) nicht Beliehene seien, ist im Ergebnis deshalb zuzustimmen. Sie ziehen den konsequenten Umkehrschluss daraus, dass nur die Beleihung Privaten bei der Mitwirkung an öffentlichen Aufgaben erlaubt, in Formen des öffentlichen Rechts zu handeln. Dass das Bayerische Rote Kreuz mit seiner Bergwacht eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist, ändert nichts an der privatrechtlichen Rechtsnatur ihrer Rechtsbeziehungen zu den Patienten. Denn mit diesem Status werden dem Bayerischen Roten Kreuz keinerlei hoheitliche Handlungskompetenzen eingeräumt.73 Das Bayerische Rote Kreuz und damit auch die Bergwacht Bayern als Gemeinschaft im Bayerischen Roten Kreuz sind in ihrer rechtlichen Stellung mit den großen Kirchen vergleichbar, denen ebenfalls der Sonderstatus einer öffentlichrechtlichen Körperschaft eingeräumt wurde, ohne dass sie dadurch Verwaltungsträger werden und öffentliche Gewalt ausüben.74 Auch die Tätigkeit der Bergwacht Bayern ist deshalb allein nach Privatrecht zu beurteilen.75 Abschließend lässt sich deshalb festhalten, dass die Hilfsorganisationen je nach Art ihrer Einbindung in den Rettungsdienst nach den Rettungsdienstgesetzen entweder als unselbständige Verwaltungshelfer im Namen des jeweiligen Rettungsdienstträgers tätig werden und selbst keine eigenständige Rechtsbeziehung gegenüber dem Patienten begründen (Submissionssystem) oder aber die Hilfsorganisationen dem Patienten selbständig und in eigenem Namen gegenüber treten (Konzessionssystem). Da den Hilfsorganisationen keinerlei hoheitliche Befugnisse zustehen, sind sie selbständige Verwaltungshelfer. Ihr Rechtsverhältnis gegenüber dem Patienten ist nach Privatrecht zu beurteilen.76

73 Gesetz über die Rechtsstellung des Bayerischen Roten Kreuzes vom 16.07.1986, GVBl. S. 134. 74 Vgl. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 137 WRV Rn. 126 (S. 2814). BVerfG NJW 1980, 1041 Nr. 1, 2; NJW 1999, 349. Das Bundesverfassungsgericht stellt hier für die Frage kirchlichen Dienstrechts fest, dass die Kirche keine staatliche öffentliche Gewalt ausübt, und hält Verfassungsbeschwerden deshalb für unzulässig. A. A. Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu, § 90 Rn. 69. 75 So im Ergebnis auch BGH NJW-RR 1993, 890. Dieses Urteil bestätigt die oben (II.) herausgearbeitete Unterscheidung zwischen der Rechtsnatur des Handelns eines selbständigen Verwaltungsträgers wie der Bergwacht gegenüber Dritten und der haftungsrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit nach funktionaler Betrachtung. Ansonsten stünde dieses Urteil in direktem Widerspruch zu den oben zitierten Entscheidungen über Amtshaftungsansprüche bei rettungsdienstlicher Tätigkeit in Bayern. 76 So neuerdings für Hessen explizit VG Giessen, Urteil vom 04.06.2007 (Az.: 10 E 1179/07), BeckRS 2007 26810 (hier und nachfolgend zitiert nach der Online-Rechtsprechungsdatenbank des C.H. Beck Verlages).

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

2. Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat sich bisher mit der Frage der Rechtsnatur von Rettungshandlungen und Rechtsverhältnissen im Rettungsdienst fast ausschließlich im Rahmen von Haftungsprozessen befasst, wenn Mitarbeiter des Rettungsdienstes oder Notärzte durch ihr Verhalten Patienten geschädigt haben. In diesen Fällen stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Retter selbst bzw. die sie beschäftigenden Hilfsorganisationen nach allgemeinen zivilrechtlichen Deliktsregeln haften (§§ 823, 831 BGB), oder ob der für den Rettungsdienst zuständige hoheitliche Rettungsdienstträger nach Amtshaftungsgrundsätzen belangt werden kann. Entscheidend hierfür ist regelmäßig die Frage nach der Einordnung der Rettungsdiensteinsätze als „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ i. S. v. Art. 34 GG i.V. m. § 839 Abs. 1 BGB. Ob das Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach, „ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinne die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist, und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, d.h. auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen“.77 Die Haftungsübernahme durch den Staat nach Art. 34 GG soll nach diesem Maßstab also nur bei „hoheitlicher Tätigkeit“ erfolgen. Über diese Formulierung hinaus haben sich weitere Umschreibungen des Merkmals etabliert. Die Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V. m. § 839 BGB sei nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die betreffende Person im haftungsrechtlichen Sinne „öffentlich-rechtlich“78 bzw. „hoheitlich“79 gehandelt oder wenn sie sich „in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts bewegt“ hat.80 Folgte man diesen Umschreibungen, könnten Verfehlungen der Rettungsdienstmitarbeiter nur dann Staatshaftungsansprüche gegenüber dem Rettungsdienstträger nach Art. 34 GG i.V. m. § 839 BGB auslösen, wenn die Einsätze der Hilfsorganisationen als öffentlich-rechtliches Handeln zu qualifizieren sind.

77 Staudinger-Wurm, §§ 839, 839a BGB, Rn. 85 mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen. Zur Anwendung dieser Formel explizit auf den Rettungsdienst vgl. BGH NJW 1992, 2882. 78 Vgl. Burgi, S. 391; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 41; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 Rn. 124; ders., in: Münchener Kommentar, § 839 Rn. 143. 79 BGH JZ 1993, 1001, 1001; Notthoff, NVwZ 1994, 771, 772. 80 Frenz, S. 98. Kritisch zu dieser Schlussfolgerung aus „hoheitlicher Tätigkeit“ zu „öffentlich-rechtlichem Handeln“ Remmert, S. 266 f.

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In zwei Entscheidungen hat sich der BGH erst vor kurzem ausdrücklich zur rechtlichen Qualifizierung der Tätigkeit des Rettungsdienstes – hier zweier Notärzte – geäußert.81 In beiden Fällen bezeichnet das Gericht die Einsatztätigkeit der Rettungsdienstmitarbeiter als schlicht-hoheitliches Handeln, d.h. als öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln, das nicht in Ausübung obrigkeitlicher Gewalt erfolgt. Begründet wird dies damit, dass es sich beim Rettungsdienst in Bayern um eine nach dem bayerischen Rettungsdienstgesetz ausschließlich öffentlich-rechtliche Aufgabe der Gefahrenabwehr und Daseinsvorsorge handele und der Rettungsdienst insgesamt öffentlich-rechtlich organisiert sei.82 Die Übertragung der Durchführung des Rettungsdienstes an die Hilfsorganisationen sei eine Übertragung „hoheitlicher Kompetenzen“, so dass deren Wahrnehmung ebenfalls hoheitlicher Natur sei. Dies ändere sich auch nicht durch die Einschaltung Privater, denn auch diese seien zu hoheitlichem Handeln in der Lage. Ob private Hilfsorganisationen als Beliehene oder Verwaltungshelfer tätig werden, hält das Gericht für nicht entscheidend, da sich dadurch der Charakter des Handelns nicht ändere. Sodann schlussfolgert das Gericht: „Stellt sich die Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe wie die Durchführung des Rettungsdienstes als hoheitliche Betätigung dar, so sind im allgemeinen auch die bei Erfüllung dieser Aufgabe entstehenden Rechtsbeziehungen zu denjenigen, die diese Leistungen in Anspruch nehmen – hier den einzelnen Notfallpatienten –, als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.“83

Damit knüpft der BGH an frühere Entscheidungen zur Amtshaftung im Rettungsdienst an.84 Eine Ausnahme macht das Gericht jedoch für die Rechtslage in Baden-Württemberg.85 In einem Streit um die Haftung eines Zivildienst leistenden Rettungswagenfahrers betonen die Richter des Bundesgerichtshofs, dass der Unfallverursacher nicht schon deshalb in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt, weil er die Unfallfahrt im Rahmen des Rettungsdienstes durchführt. Der Rettungs81

BGH NJW 2003, 1184 ff.; BGH NJW 2005, 429 ff. Die Richter verweisen hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Argumentation auf den zwischen Rettungsdienstträger und Hilfsorganisationen geschlossenen öffentlichrechtlichen Vertrag, das in Bayern geltende Verwaltungsmonopol für die Notfallrettung, die hoheitlichen Rettungsdienstträger, den gesetzlich vorgesehenen Rettungsplan (Rettungsleitstellen und Rettungswachen). 83 BGH NJW 2003, 1184, 1185. Mit identischem Wortlaut BGH NJW 2005, 429, 430. 84 Vgl. BGH NJW 1991, 2954 ff. zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen: „In Fällen, in denen es um die Amtshaftung für eingeschaltete Hilfsorganisationen geht, ist darauf abzustellen, ob die Tätigkeit unmittelbar in den hoheitlichen Tätigkeitsbereich der haftenden Körperschaft fällt“. Auch hier unterstreicht das Gericht sodann die öffentlichrechtliche Organisation des Rettungsdienstes, indem es auf die Trägerschaft der Kreise und Gemeinden, die öffentlichen Leitstellen, die Anweisungen der Träger gegenüber den Hilfsorganisationen, die organisatorischen Rahmenvorgaben und die Kostentragung durch das Land verweist. 85 BGH NJW 1992, 2882 ff. 82

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dienst in Baden-Württemberg liege hier – anders als in anderen Bundesländern – grundsätzlich in den Händen nichtstaatlicher, privatrechtlich organisierter Leistungsträger. Damit seien auch Tätigkeiten während der Aufgabenwahrnehmung nicht dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Maßgeblicher Grund für diese von der Rechtsprechung zum Rettungsdienst in anderen Bundesländern abweichende Entscheidung ist wegen des Hinweises auf die „private Leistungsträgerschaft“ offenbar das in Baden-Württemberg realisierte Konzept der „doppelten Subsidiarität“86, wonach das für den Rettungsdienst zuständige Land ohne eine dazwischentretende Dezentralisierungsstufe und ohne weitere konkrete Aufgabendelegierung an kommunale Gebietskörperschaften die Wahrnehmung der rettungsdienstlichen Aufgaben unmittelbar an die Hilfsorganisationen überträgt. Nach Ansicht des BGH sind also offenbar die Rechtsnatur der Aufgabe Rettungsdienst als öffentliche (d.h. dem Staat obliegende) Aufgabe und die (vorwiegend) öffentlich-rechtliche Organisation des Rettungsdienstes durch die jeweiligen Landesgesetze für die Rechtsnatur der Einsätze und die rechtliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen zwischen Hilfsorganisationen und Patienten maßgebend. Kurz: Die Rechtsnatur der Tätigkeit teilt damit die Rechtsnatur der Aufgabe (und deren Organisation). Die Schlussfolgerungen des BGH von der Aufgabenqualität auf die Handlungsqualität erscheinen zweifelhaft. Auch die Rechtsprechung erkennt nämlich an, dass selbst einem Verwaltungsträger bei eigenständiger Erfüllung seiner Aufgaben grundsätzlich ein Wahlrecht zukommt, in welcher Rechtsform er handeln oder ein Leistungsverhältnis gegenüber dem Bürger ausgestalten will.87 Als Paradebeispiel gelten die wahlweise öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestalteten Nutzungsverhältnisse in öffentlichen Einrichtungen.88 Warum der Verwaltungsträger selbst ein solches Wahlrecht haben soll, bei der Einbeziehung Privater in die Erledigung öffentlicher Aufgaben jedoch zwingend öffentlichrechtlich gehandelt werden muss, leuchtet nicht ein. Näher läge in den Fällen der Einbeziehung von Privatrechtssubjekten sogar die privatrechtliche Ausgestaltung von Nutzungs- und Leistungsverhältnissen.89 Auch die Tatsache, dass der BGH 86

Vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. I. 3. b) bb) (2) (b). Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, § 29 Rn. 33 mit Hinweis auf BVerwG NJW 1986, 2387; Berl. VerfGH NVwZ 2000, 794 ff.; OVG NW NWVBl. 2001, 19, 20; Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 II 1, Rn. 4, wo die Rechtsprechung mit dem Gedanken zitiert wird, aus der öffentlichen Zielsetzung dürfe nicht auf die öffentliche Erledigung geschlossen werden (BVerwGE 13, 47, 54; BVerwG DVBl. 1990, 712; BGH NJW 1985, 200). 88 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 26. Hinweise auf die jeweilige Ausgestaltung geben dann regelmäßig die Nutzungsbedingungen, die in Form einer Satzung öffentlich-rechtlichen oder in Form allgemeiner Geschäftsbedingungen privatrechtlichen Charakter haben können. 89 Selbst dann, wenn der Verwaltungsträger zur Wahrnehmung seiner Vorsorgeaufgaben privatrechtliche Gesellschaften gründet und diese mit der Aufgabe betraut (sog. Or87

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bei der Beauftragung von Hilfsorganisationen von der Übertragung „hoheitlicher Kompetenzen“ spricht,90 ist angesichts der Feststellung, dass die Rettungsdienstmitarbeiter im Konzessionssystem gerade nicht über besondere hoheitliche Handlungskompetenzen verfügen, ebenfalls nicht ohne weiteres verständlich.91 Das OLG Stuttgart hat an dieser Urteilspraxis zuletzt unter Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung zum Rettungsdienst in Baden-Württemberg aus dem Jahre 1992 ebenfalls Zweifel geäußert. Die Richter stellen fest, dass „[. . .] allein aus der Qualifizierung des jeweiligen Aufgabenbereichs [. . .] sich für die Frage der rechtlichen Ausgestaltung der Aufgabenerfüllung wenig herleiten [lässt], weil zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben die Heranziehung Privater unter privatrechtlicher Ausgestaltung anerkanntermaßen möglich ist und dementsprechend auch der Rettungsdienst unterschiedlich ausgestaltet werden kann.“92

Die Richter begründen die privatrechtlichen Handlungsformen des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg dann aber ebenfalls mit der „vorrangigen Trägerschaft privater Organisationen“ und der daraus abzuleitenden privatrechtlichen Organisation.93 Im Ergebnis verfolgt das OLG Stuttgart damit trotz der zuvor geäußerten Bedenken eine ähnliche Argumentation. Denn das Gericht geht im Ergebnis davon aus, dass die privaten Hilfsorganisationen in Baden-Württemberg „Träger“ des Rettungsdienstes sind, nachdem ihnen der Rettungsdienst vom Land (Sozialministerium) durch Vertrag übertragen wurde (vgl. § 2 Abs. 1 RDG BW). Aufgabenträger ist aber nur, wer für die Erledigung der Aufgabe zuständig und verantwortlich ist. Wenn also die privaten Hilfsorganisationen durch die Übertragung des Rettungsdienstes „Träger“ geworden sind, so gehört die Aufgabe Rettungsdienst nach Ansicht des OLG nicht mehr zum (Verantwortungs-)Bereich öffentlicher Verwaltung (die nicht mehr zuständig ist), sondern ist nun private

ganisationsprivatisierung, z. B. Stadtwerke GmbH), geht die Rechtsprechung davon aus, dass diese Gesellschaften als Privatrechtssubjekte zwingend in Form des Privatrechts gegenüber dem Bürger tätig werden (Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, § 2 Rn. 47). 90 BGH NJW 2003, 1184, 1185. 91 Hinzu kommt, dass der BGH, obwohl er von der Übertragung hoheitlicher Kompetenzen ausgeht, die Form der Einbeziehung der Hilfsorganisationen in den Rettungsdienst offen lässt. Nach der auch in der Rechtsprechung des BGH vorherrschenden Theorie zur Beleihung (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90 V Rn. 35; Burgi, S. 80, 81 mit Hinweis auf BVerwG DVBl. 1970, 737 und BVerwG NJW 1981, 2482) müsste der BGH die Hilfsorganisationen als Beliehene qualifizieren. 92 OLG Stuttgart NJW 2004, 2987, 2988. 93 OLG Stuttgart, NJW 2004, 2987, 2988; kritisch hierzu Ehmann, NJW 2004, 2944 ff., der in Anlehnung an das BGH-Urteil zum Rettungsdienst in Bayern vom 09.01.2003 (NJW 2003, 1184 ff.) auch den Rettungsdienst in Baden-Württemberg trotz Übertragung an private Leistungsträger wegen des Charakters als öffentlicher Aufgabe und der öffentlich-rechtlichen Organisation des Rettungsdienstes durch das Rettungsdienstgesetz als öffentlich-rechtlich einordnen will. Angesichts des BGH-Urteils zumindest hinsichtlich der Notfallrettung in Baden-Württemberg schwankend Güntert/Alber, § 2 RDG BW, S. 2.

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Angelegenheit der Hilfsorganisationen, auch wenn deren Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt und das Land im Bedarfsfall (subsidiär) eine ausreichende rettungsdienstliche Versorgung gewährleisten muss. Die Wahrnehmung dieser privaten Aufgabe kann dann auch nicht in Formen des öffentlichen Rechts erfüllt werden. Auch hier schließt das Gericht daher letztlich von der Aufgabenqualität auf die Handlungsform. Angesichts der Tatsache, dass der Rettungsdienst in Baden-Württemberg trotz der Übertragung an Hilfsorganisationen weiterhin übereinstimmend als öffentliche Aufgabe charakterisiert wird,94 erscheint diese Argumentation wenig überzeugend,95 auch wenn sie nach dem gewählten Ansatz in sich schlüssig ist. 3. Widerspruch der Ergebnisse in Literatur und Rechtsprechung? Das vorn auf Basis der Literatur erarbeitete Ergebnis, dass die Hilfsorganisationen im Konzessionssystem96 privatrechtlich tätig werden, weil sie keine Beliehenen sind und nicht über hoheitliche Handlungskompetenzen verfügen, ist mit den Ausführungen des BGH zur Rechtslage in Bayern scheinbar nicht zu vereinbaren.

94 Güntert/Alber, § 2 RDG BW, S. 2; Fehn/Lechleuthner, MedR 2000, 114, 117; Ehmann, NJW 2004, 2944, 2945. 95 Eingehende Kritik bei Ehmann, NJW 2004, 2944 ff. Eine Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt und per Gesetz einem Hoheitsträger zur Erfüllung auferlegt ist, wird zu einer Angelegenheit der öffentlichen Verwaltung (öffentliche Aufgabe). Es kann dann richtigerweise in Hinsicht auf den Rechtscharakter der Aufgabe keinen Unterschied machen, ob diese Aufgabe wie in Baden-Württemberg bereits vom Land als zuständigem hoheitlichen Rettungsdienstträger zur Durchführung an private Hilfsorganisationen übertragen wird, oder – wie in Bayern – erst nach Delegation der Zuständigkeit an kommunale Gebietskörperschaften durch letztere. Konsequenz der Entscheidung des OLG Stuttgart wäre ansonsten, dass es das Land Baden-Württemberg in der Hand hätte, die ihr gesetzlich auferlegte Aufgabenverantwortung (§ 2 RDG BW) durch unmittelbare Übertragung an Hilfsorganisationen mittels öffentlich-rechtlichen Vertrages abzuwälzen. Die Hilfsorganisationen sind aber eben nur „Leistungsträger“ (das entspricht den „Durchführenden des Rettungsdienstes“ in Bayern), während das Land „Verantwortungsträger“ bleibt und deshalb subsidiär auch einschreiten muss, soweit die Versorgung mit Rettungsleistungen durch Private nicht gewährleistet ist (§ 2 Abs. 3 und 4 RDG BW). Dass es für die Frage nach der Rechtsnatur des Handelns bei Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe nicht auf den Aufgabencharakter selbst ankommen kann, sondern auf das Bestehen und die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Handlungskompetenzen des Handelnden abzustellen ist, scheint nun auch der BGH gesehen zu haben, wenn er trotz „Trägerschaft [. . .] des Rettungsdienstes“ durch Private jedenfalls für die Lenkungstätigkeit der Rettungsleitstellen (§ 6 RDG BW) zu dem Ergebnis kommt, dass die Leitstellen wegen der ihnen zustehenden Weisungsbefugnis öffentlich-rechtlich handeln (BGH NVwZ-RR 2008, 79 ff.). 96 Das Konzessionssystem gilt gerade auch in Bayern und Baden-Württemberg.

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a) Unterschiedlicher rechtlicher Betrachtungsmaßstab zwischen Leistungsbeziehung und Haftung? Bei näherem Hinsehen wird aber fraglich, ob die Ausführungen des BGH zur Rechtsnatur der Beziehungen im Rettungsdienst, insbesondere zwischen Hilfsorganisation und Patienten tatsächlich dem zuvor erarbeiteten Ergebnis widersprechen. Zweifel an der Widersprüchlichkeit der Standpunkte in Literatur und Rechtsprechung sind angebracht, weil sich der rechtliche Betrachtungsstandpunkt bei der Klärung von Amtshaftungsansprüchen grundsätzlich von dem Blickwinkel der Erwägungen zur Rechtsnatur der Leistungsbeziehungen unterscheidet. Bei der Bestimmung der Rechtsnatur des Leistungsverhältnisses geht es darum, welcher rechtlichen Handlungsformen sich die Hilfsorganisationen bei ihren Einsätzen gegenüber Patienten bedienen (können) und nach welchem Rechtsregime sich demzufolge die Leistungsbeziehungen zwischen Hilfsorganisationen und Patienten beurteilen. Eine andere Frage ist, ob der zuständige Rettungsdienstträger als „Auftraggeber“ der Hilfsorganisationen im Wege der Amtshaftung für Fehler der Hilfsorganisationen gegenüber dem Patienten einzustehen hat.97 Dafür ist entscheidend, ob die Hilfsorganisationen „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ (Art. 34 GG) tätig geworden sind mit der Folge, dass ihr Handeln dem zuständigen Hoheitsträger haftungsrechtlich zugerechnet werden kann. Das Kriterium „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ setzt aber nach seinem Wortlaut keine bestimmte Handlungsform für den Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG voraus, so dass es prima facie jedenfalls nicht darauf ankommt, ob die Hilfsorganisationen privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich gegenüber den Patienten agieren, solange sie durch ihre Tätigkeit ein „öffentliches Amt“ ausüben. Es ist also denkbar, dass der BGH mit seinen Ausführungen lediglich darauf abzielt, die rettungsdienstliche Tätigkeit der Hilfsorganisationen als öffentlich-rechtlich im haftungsrechtlichen Sinne d.h. als Ausübung eines öffentlichen Amtes zu qualifizieren, ohne dadurch der privatrechtlichen Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses zwischen Hilfsorganisation und Patient zwingend zu widersprechen. b) Regelungszweck und Voraussetzungen der Amtshaftung Wegen ihres Charakters der selbständigen Verwaltungshilfe ist die rettungsdienstliche Tätigkeit der Hilfsorganisationen im Konzessionssystem als privatrechtliches Handeln, die Rechtsnatur des Leistungsverhältnisses zwischen Hilfsorganisation und Patient als privatrechtlich einzustufen. Eine hiervon zu unter97 Die Trennung dieser beiden Rechtsverhältnisse ist eine Besonderheit der selbständigen Verwaltungshilfe [vgl. oben 1. c)]. Es geht dabei nicht um die unzulässige Doppelqualifikation einer Handlung, sondern um deren Qualifikation einerseits und ihre (haftungsrechtliche) Zurechnung zum zuständigen Verwaltungsträger andererseits (s. Burgi, S. 400).

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scheidende Frage ist, ob das Handeln der Hilfsorganisationen in den Formen des Privatrechts im Verhältnis zwischen Patient und zuständigem Verwaltungsträger für die Frage eines möglichen Amtshaftungsanspruchs anders beurteilt werden kann. Letzteres müssen Sinn und Zweck der Amtshaftung nach deutschem Recht sowie Konzeption und Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG ergeben. Der Regelungszweck der Amtshaftung nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG erschließt sich aus dem Gesamtsystem öffentlich-rechtlicher Ersatzleistungen. Im Gegensatz zu Ausgleichs- und Kompensationsleistungen für die rechtmäßige Ausübung von Staatsgewalt98 ist der Amtshaftungsanspruch eines von mehreren Instrumenten zur Begründung von Restitutions- und Kompensationspflichten des Staates oder sonstiger hoheitlicher Träger bei rechtswidriger Ausübung öffentlicher Gewalt (Staatshaftung).99 Sinn und Zweck auch des Amtshaftungsanspruchs ist es demnach, eine Ersatzpflicht des Staates bei rechtswidriger Ausübung öffentlicher Gewalt zu begründen.100 In Deutschland ist die Amtshaftung als eine übergeleitete Beamtenhaftung und damit als mittelbare Staatshaftung konzipiert.101 Der Staat haftet für rechtswidrige Handlungen seiner Bediensteten nicht unmittelbar.102 Haftungstatbestand ist vielmehr, dass ein Beamter schuldhaft eine Amtspflicht verletzt, die ihm gegenüber einem Dritten obliegt (vgl. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB).103 Weil die Amtshaftung des Staates eine übernommene, aus der persönlichen Haftung des Amtswalters nach § 839 BGB abgeleitete Haftung ist, geht die herrschende Auffassung davon aus, dass für die haftungsbegründende Pflichtverletzung der sich aus dem 98

Enteignung, enteignender Eingriff, Aufopferung, vgl. MüKo-Papier, § 839 Rn. 1. MüKo-Papier, § 839 Rn. 1. Sonstige Haftungsinstrumente für rechtswidrige Ausübung von Staatsgewalt (Staatshaftung) sind die richterlichen Rechtsfortbildungen des enteignungsgleichen und aufopferungsgleichen Eingriffs sowie die Folgenbeseitigung und der sozialrechtliche Herstellungsanspruch. 100 Der Begriff der öffentlichen Gewalt ist nicht auf die Handlungsform des Staates bezogen, sondern beschreibt allgemein die Erledigung der dem Staat obliegenden Aufgaben im Sinne eines „hoheitlichen Funktionsbereichs“. 101 Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 21. 102 Die mittelbare Staatshaftung ist Ausfluss der rechtshistorischen Entwicklung des Amtshaftungsrechts in Deutschland (vgl. Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 1 ff.). Die an dieser Konzeption geübte Kritik hat zum Erlass des Staatshaftungsgesetzes vom 26.06. 1981 geführt, das eine unmittelbare Haftung des Staates vorsah, aber im Anschluss vom Bundesverfassungsgericht mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes wieder verworfen wurde (BVerfGE 61, 149). 103 Konsequenz dieser personalen Konstruktion ist, dass der Staat grundsätzlich nur in dem Umfang haftet, in dem der Amtsträger selbst haften würde, wenn es die Schuldübernahme nicht gäbe. Sämtliche auf die persönliche Verantwortlichkeit des Amtsträgers zugeschnittenen gesetzlichen Haftungsbeschränkungen, -milderungen oder -privilegien kommen somit mittelbar auch dem Staat ebenso zugute, wie die Tatsache, dass es sich bei der Schadenszufügung durch den Amtsträger um eine schuldhafte Pflichtverletzung handeln muss, vgl. Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 24. 99

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Innenverhältnis zwischen Staat und Amtswalter ergebende Pflichtenstatus des Beamten maßgeblich sei.104 Das Abstellen auf den Pflichtenstatus des Amtswalters im Innenverhältnis führt jedoch zu widersprüchlichen Konsequenzen105 und missachtet den eindeutigen Wortlaut des § 839 Abs. 1 S. 1 BGB, der gerade nicht auf innerdienstliche Pflichten, sondern auf die Pflichten des Amtswalters gegenüber Dritten abstellt. Bei diesen Amtspflichten mit Außenwirkung kann es sich sinnvoll nur um (Sonder-)Rechtspflichten des zuständigen und verantwortlichen Trägers der Aufgabe oder mit diesen identische Pflichten handeln. Dem Amtsträger als natürlicher Person obliegen Drittpflichten nicht originär, sondern treffen ihn erst mit der Übertragung des Amtes. Nur wenn sie inhaltlich ausschließlich durch die Rechtspflichten des Staates bestimmt werden, wird der eigentliche Zweck der Amtshaftung erreicht, dass letztlich der Staat, wenn auch mittelbar und beschränkt durch das Prinzip personalen Unrechts, für Staatsunrecht in Form des Amtspflichtverstoßes einzustehen hat.106 Auf diese Weise sanktioniert das Amtshaftungsrecht auch in seiner mittelbar personalen Konstruktion jedes (schuldhaft begangene) Staatsunrecht.107 Die Haftung des einzelnen Beamten für die schuldhaft pflichtwidrige Ausübung seiner Amtspflichten wird nach Art. 34 S. 1 GG auf den Staat oder die Körperschaft übergeleitet, in deren Dienst der schuldhaft handelnde Amtsträger steht. Voraussetzung der Überleitungsvorschrift des Art. 34 GG ist, dass die Pflichtverletzung „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ begangen worden ist. Durch das Tatbestandsmerkmal „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ erweitert und beschränkt Art. 34 GG die Amtshaftung zugleich.108 Da § 839 BGB den Beamten im staatsrechtlichen Sinne im Auge hat, wirkt das Merkmal hinsichtlich des Kreises der verantwortlichen Amtsträger erweiternd, da es nicht mehr auf die beamtenrechtliche Stellung, sondern nur darauf ankommt, dass der Handelnde Hoheitsaufgaben auf dem Gebiet der vollziehenden Gewalt wahrnimmt109 und damit im öffentlich-rechtlichen Funktionskreis tätig wird.110 Einschränkend wirkt es insoweit, als sich das pflichtwidrige Verhalten des Amtsträgers bei der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Belange zugetragen haben muss. Nicht ausreichend ist, dass der Amtsträger in Ausübung privatrechtlicher

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MüKo-Papier, § 839 Rn. 8; Bender, Rn. 488. Kritisch MüKo-Papier, § 839 Rn. 9, 10, der insbesondere auf die Fälle hinweist, in denen der Beamte weisungsgemäß und damit im Innenverhältnis nicht pflichtwidrig handelt bzw. pflichtwidrig gegen Verwaltungsvorschriften oder Einzelweisungen verstößt, ohne dadurch nach außen relevante Folgen zu produzieren. 106 MüKo-Papier, § 839 Rn. 12. 107 MüKo-Papier, § 839 Rn. 11, 12. 108 MüKo-Papier, § 839 Rn. 127, 143. 109 Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 86. 110 MüKo-Papier, § 839 Rn. 129. 105

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

Funktionen seines Dienstherrn gehandelt hat.111 Die Bedeutung des Merkmals „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ liegt – sowohl hinsichtlich der Bestimmung der Amtsträgereigenschaft als auch für die Begrenzung der staatlichen Haftung – darin, dass es für die Amtshaftung auf eine funktionale Betrachtung, also die Erfüllung einer öffentlichen Funktion des Handelnden abstellt.112 Genau dieser funktionalen Betrachtung entspricht auch die Formel, die der BGH in ständiger Rechtsprechung und in den oben skizzierten Fällen des Rettungsdienstes113 anwendet, um das Handeln einer Person als „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ zu qualifizieren. Wenn nämlich ausschlaggebend sein soll, „ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinne die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist, und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger innerer und äußerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angesehen werden muss“114, dann stellt auch der BGH darauf ab, dass die schädigende Handlung einen funktionalen Bezug zu einer Staatsaufgabe aufweist und sich deshalb in der Gesamtschau als Betätigung im Hoheitsbereich darstellt. Der BGH betont deshalb auch, dass „nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, d.h. auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen“ sei.115 Angesichts von Sinn und Zweck der Amtshaftung kann es für die Frage, ob eine schädigende Handlung „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ erfolgte und damit letztlich die Haftung des Staates oder der Körperschaft begründet, allein darauf ankommen, dass die schuldhafte Pflichtverletzung des Amtsträgers funktional im Rahmen der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe erfolgte, für die der Staat oder die Körperschaft verantwortlich ist.116 Denn nur durch das Abstellen auf die Funktion, in der die schädigende Handlung ausgeführt worden ist, lässt sich verhindern, dass sich der Staat seiner Verantwortung für die Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben entzieht. Er hat als zuständiger und verantwortlicher Aufgabenträger grundsätzlich dafür zu sorgen, dass alle ihn gegenüber 111

MüKo-Papier, § 839 Rn. 130. MüKo-Papier, § 839 Rn. 18; Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 86. 113 BGH NJW 2003, 1184 ff.; NJW 2005, 429 ff. 114 BGHZ 42, 176, 179; 68, 217, 218; 69, 128, 130 f.; 108, 230, 232; NJW 1992, 1227, 1228; NJW 1992, 1310. 115 BGHZ 118, 304, 305; 147, 169. 116 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 6.1 (S. 12): „Die Amtshaftung ist keine Statushaftung, sondern eine Funktionshaftung. [. . .] Mit dem Tatbestandselement der „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ sollte der gesamte Bereich hoheitlichen Handelns in den Anwendungsraum der Amtshaftung einbezogen werden. [. . .] Kein Funktionsbereich ist von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Amtshaftung ausgenommen.“ Vgl. auch Bonk, in: Sachs, Art. 34 Rn. 57; MüKo-Papier, § 839 Rn. 143; StaudingerWurm, § 839 Rn. 85, 85. 112

1. Kap.: Notfallrettung und Krankentransport

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dem Bürger treffenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt werden.117 Nur die funktionale Betrachtung führt zu einer lückenlosen Kompensationspflicht des Staates für die rechtswidrige Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben. Nach dem Sinn der Amtshaftung und dem Wortlaut von Art. 34 GG kann es dann weder darauf ankommen, ob ein Verwaltungsorgan oder ein Privater im Auftrag des Verwaltungsträgers tätig wurde,118 noch darauf, welcher rechtlichen Handlungsform sich der Amtsträger bedient hat. Dass Amtsträger i. S. v. § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG auch eine Privatperson sein kann, die entweder freiberuflich oder als selbständiger Unternehmer tätig wird oder in einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis zu einem Privatrechtssubjekt steht, ist anerkannt.119 Voraussetzung ist lediglich, dass diesem außerhalb der Verwaltungsorganisation stehenden Privaten im Zusammenhang mit seiner im Übrigen privatrechtlichen Tätigkeit die Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen anvertraut worden ist.120 Die Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen wird bejaht sowohl für das Handeln Beliehener121 als auch für das Handeln unselbständiger Verwaltungshelfer, die wegen ihrer untergeordneten, unselbständigen Stellung bei der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe als „verlängerter Arm“ des Staates gelten (Werkzeugtheorie).122 Zurechnungsschwierigkeiten, die bis heute nicht als vollständig geklärt angesehen werden können, bereitet die selbständige Verwaltungshilfe.123 Die Werkzeugtheorie der früheren Rechtsprechung mit dem Abstellen auf die Unselbständigkeit des Verwaltungshelfers als Zurechnungsmerkmal ist hier nur bedingt geeignet, da das Handeln des selbständigen Verwaltungshelfers gerade von seiner Selbständigkeit geprägt ist.124 Über117 Wofür der Staat in welchem Umfang konkret Verantwortung trägt, ist umstritten. Weist der Gesetzgeber staatlichen Stellen jedoch konkrete Aufgaben zu, so besteht Einigkeit, dass der jeweils zuständige Verwaltungsträger für deren Erfüllung verantwortlich ist (Osterloh, VVDStRL 54 (1994), S. 204, 236). Daran knüpft der allgemeine Gedanke des Verantwortungsprinzips im Haftungsrecht an. Für die Frage, wer für einen entstandenen Schaden einzustehen hat, geben die Person des Haftenden selbst oder die Gesellschaft eine Antwort, nämlich entweder durch Übernahme der Verantwortung oder durch Zuweisung. Wer für ein Verhalten die Verantwortung trägt, hat die Folgen der Handlung auf sich zu nehmen (vgl. Deutsch, A.I.2. Rn. 3). 118 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, § 6.1 b (S. 14); Frenz, S. 100: „Aus der Wahlfreiheit des Staates, durch wen er die ihm zustehenden Hoheitsbefugnisse ausüben lässt, darf dem Geschädigten kein Nachteil erwachsen.“ 119 MüKo-Papier, § 839 Rn. 132; Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 106; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 14 ff. 120 MüKo-Papier, § 839 Rn. 132; OLG Hamm MDR 1983, 130. 121 MüKo-Papier, § 839 Rn. 133; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 15 ff.; Bonk, in: Sachs, Art. 34 Rn. 55. 122 BGHZ 48, 98, 103; BGH NJW 1971, 2220, 2221; MüKo-Papier, § 839 Rn. 135. 123 Burgi, S. 152; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 19. 124 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 20. Zu nennen sind hier insbesondere die Fälle selbständiger privater Abschleppunternehmer und die Beauftragung privater Abfall- und Abwasserentsorgungsunternehmer.

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wiegend hat man sich deshalb von dem Kriterium der Unselbständigkeit gelöst und stellt nun in unterschiedlicher Deutlichkeit darauf ab, dass der Private eine öffentliche Aufgabe wahrnehme, d.h. in die Erfüllung einer hoheitlichen Funktion eingebunden sei.125 Das ist angesichts von Sinn und Zweck der Amtshaftung konsequent. c) Schlussfolgerungen/Stellungnahme Vergegenwärtigt man sich die Bedeutung des funktionalen Zusammenhangs einer Handlung zu einer öffentlichen Aufgabe für die Amtshaftung, wird der eingangs vermutete unterschiedliche Betrachtungsstandpunkt der Literatur zum Leistungsverhältnis zwischen Hilfsorganisationen und Patienten einerseits und des BGH zur Frage der haftungsrechtlichen Zurechnung des (wie auch immer gearteten) Handelns der Hilfsorganisationen zum Staat deutlich. Wenn der BGH von der „Übertragung öffentlicher Kompetenzen“ auf die Hilfsorganisationen spricht, die Tätigkeit des Rettungsdienstes aufgrund des Aufgabencharakters und der Organisation als öffentlich-rechtlich qualifiziert und die Form der Beteiligung der Hilfsorganisationen am Rettungsdienst offen lässt, ist dies damit zu erklären, dass es ihm darauf ankommt, die funktionale Verbindung der Tätigkeit zu der öffentlichen Aufgabe Rettungsdienst herauszustellen. Gemeint sein kann mit hoheitlichen Kompetenzen deshalb richtigerweise nicht die Befugnis, dass sich die Rettungsdienstmitarbeiter bei ihren Einsätzen öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bedienen können (was wohl unstreitig nicht zutrifft), sondern die Befugnis, innerhalb des öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereichs des Rettungsdienstes überhaupt tätig werden zu dürfen. Vor dem Hintergrund einer funktionalen (haftungsrechtlichen) Betrachtung ist dann auch nachvollziehbar, dass der BGH zur Qualifizierung des Handelns der Hilfsorganisationen vor allem auf den Charakter des Rettungsdienstes als öffentliche, d.h. einem Verwaltungsträger obliegende Aufgabe abstellt und die Form der Beteiligung der Hilfsorganisationen 125 MüKo-Papier, § 839 Rn. 137 f., der auf den Rechtsgedanken des § 278 BGB abstellt, wonach jeder als Amtsträger i. S. des Amtshaftungsrechts anzusehen sei, der in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten für den Hoheitsträger Dritten gegenüber tätig wird. Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 106, der in Anlehnung an die Rechtsprechungsformel des BGH darauf abstellt, dass ein Privater umso eher als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn anzusehen sei, „je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist“. Wenn diese Formel auch sehr wage und deshalb als Abgrenzungskriterium letztlich ungeeignet ist, kommt darin doch der Gedanke zum Ausdruck, dass entscheidend für die Zurechnung der privaten Tätigkeit der funktionale Bezug zu einer Aufgabe des Staates sei. Ossenbühl (Staatshaftungsrecht, S. 22 f. m.w. N.), der vor einer solchen Ausweitung der Haftung warnt und potentielle Abgrenzungsschwierigkeiten aufzeigt. Festzuhalten sei aber, „dass die Verletzung derjenigen Pflichten im Verantwortungsbereich der öffentlichen Hand verbleibt, die sich als öffentlich-rechtliche Pflichten darstellen.“; s. a. Burgi, S. 155 f. m.w. N., der allerdings selbst einer solchen „Etatisierung“ des Handelns Privater kritisch gegenübersteht (S. 156).

1. Kap.: Notfallrettung und Krankentransport

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an dieser öffentlichen Aufgabe offen lässt. Denn wenn die Hilfsorganisationen als Private in die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe einbezogen worden sind und innerhalb dieses Aufgabenbereichs tätig werden, so ist das rechtliche Konstrukt der Beteiligung für die funktionale Betrachtung nicht mehr entscheidend. Da es für die Frage, ob das Handeln eines Privaten „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ erfolgte, entscheidend darauf ankommt, dass das Handeln sich als Erfüllung einer hoheitlichen Funktion darstellt, besteht zwischen den Urteilen des BGH und dem herausgearbeiteten Ergebnis zur Rechtsnatur des (Leistungs-) Verhältnisses zwischen Hilfsorganisationen und Patienten kein zwingender Widerspruch. Innerhalb dieser Leistungsbeziehungen handeln die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen privatrechtlich. Haftungsrechtlich nehmen sie mit der Durchführung des öffentlichen Rettungsdienstes eine öffentlich-rechtliche Funktion wahr.126 Nicht einzuleuchten vermag und deshalb abzulehnen ist die in Rechtsprechung und Literatur überwiegende Auffassung, dass die Handlungsform darüber entscheiden soll, ob Amtshaftungsansprüche oder Deliktsansprüche des Privatrechts nach §§ 823 ff. BGB eingreifen sollen.127 Richtig ist zwar, dass die gewählte Rechtsform128 einen wichtigen Anhaltspunkt dafür bieten kann, ob das Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgte.129 Eine zwingende Schlussfolgerung von der Handlungsform auf die Frage, ob das schadensursächliche Handeln „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ erfolgte, widerspricht dem Sinn und Zweck der Amtshaftung und dem darauf basierenden, in Art. 34 GG zum Ausdruck kommenden Funktionskriterium.

126 Zur Trennung zwischen privatrechtlichem Handeln auf der Ebene der Leistungsbeziehungen und der (funktional) öffentlich-rechtlichen Charakterisierung der Tätigkeit s. a. Burgi, S. 147 und 400: „Wohlgemerkt, es geht um die Zurechnung eines Verhaltens der einen Person [Privater] zur anderen Person [Staat], nicht etwa um eine (unstatthafte) Doppelqualifizierung ein und derselben Handlung als öffentlich-rechtlich bzw. privatrechtlich, insbesondere bleibt es dabei, dass das, was der Private tut, ein privatrechtsförmiges Handeln ist.“ 127 So die h. M., vgl. MüKo-Papier, § 839 Rn. 4; ebenfalls kritisch Frenz, S. 100 f. 128 Gemeint sind damit die privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Rechtsform des Handeln sowie der Organisation des Handelnden (z. B. privates kommunales Versorgungsunternehmen). 129 Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 87. Erfolgte eine Handlung nämlich in den Formen des öffentlichen Rechts, so lässt dies den zwingenden Rückschluss darauf zu, dass eine öffentliche Aufgabe und damit eine Funktion des Staates erfüllt wurde. Ansonsten wären die einseitigen Regelungs- und Zwangsbefugnisse der öffentlichen Hand gar nicht zulässig. Für privatrechtsförmiges Handeln kann dies aber gerade nicht gelten, denn ein Verwaltungsträger kann die ihm obliegenden Aufgaben auch in Privatrechtsform erfüllen (so auch MüKo-Papier, § 839 Rn. 144, der die Schwierigkeiten erkennt, daraus aber keine Konsequenzen zieht). Die Privatrechtsform des Handelns wirkt dann lediglich als ein (schwaches) Indiz dafür, dass der Handelnde fiskalische Verwaltungstätigkeiten ausführte und nicht hoheitliche Aufgaben wahrnahm.

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

Auch vor dem Hintergrund der Verwaltungspraxis lässt sich die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht aufrechterhalten.130 Während zwar von einem öffentlich-rechtlichen Handeln darauf geschlossen werden kann, dass dieses Handeln nur in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe möglich ist und es deshalb in den hoheitlichen Funktionsbereich fällt,131 kann eine solche Schlussfolgerung für privatrechtliches Handeln gerade nicht gelten. Denn die Träger öffentlicher Verwaltung können aufgrund ihrer heute allseits anerkannten Wahlfreiheit auch ein öffentliches Amt nach Maßgabe des Privatrechts erfüllen und damit im materiellen Sinne öffentliche Verwaltungstätigkeit wahrnehmen.132 An der Handlungsform als haftungsrechtlichem Kriterium festzuhalten, hieße dann, dem Verwaltungsträger durch seine Wahlfreiheit die allseits befürchtete Flucht ins Privatrecht zu ermöglichen. Die Begründung, allein beim Einsatz des öffentlich-rechtlichen Handlungsinstrumentariums nehme die öffentliche Verwaltung im Verhältnis zu den Privatrechtssubjekten eine die Anwendung eines besonderen Haftungsrechts rechtfertigende Sonderstellung ein,133 vermag nicht zu überzeugen. Bei der Erledigung einer öffentlichen Aufgabe ist der Bürger der Handlungsmacht des Staates oft nicht weniger ausgesetzt, wenn dieser in Privatrechtsform agiert.134 Auch das Argument, durch das Merkmal der Handlungsform werde Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geschaffen,135 hält einer kritischen Würdigung nicht stand. Ab130

Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 26 m.w. N. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 26, 38, der seinem Prüfungsschema die Frage nach einem öffentlich-rechtlichen Handeln voranstellt, da mit ihrer positiven Beantwortung bereits feststeht, dass ein „öffentliches Amt“ erfüllt wurde. 132 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 26; MüKo-Papier, § 839 Rn. 145, der die sich stellenden Schwierigkeiten zwar erkennt (Rn. 144), sich aber im Ergebnis dann doch der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre anschließt. Zur Wahlfreiheit der Verwaltung hinsichtlich der Form ihres Handeln s. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 9; Frenz, S. 100 f., der das Wahlrecht der Verwaltung ebenfalls anerkennt, daraus aber folgert, der Verwaltungsträger begebe sich bei der Verwendung privatrechtlicher Handlungsformen auf eine Gleichstellungsebene mit dem Bürger, auf der es gerechtfertigt sei, den Verwaltungsträger auch nach den §§ 823 ff. BGB haften zu lassen. Dabei verkennt Frenz, dass eine Haftung des Staates nach §§ 823 ff. BGB insbesondere durch die Exkulpationsmöglichkeit des § 831 BGB für den Staat wesentlich günstiger ist. Die zuvor selbst betonte Schutzbedürftigkeit des Bürgers bei funktional staatlichem Handeln und die enorme Missbrauchsgefahr lässt er außer Acht. Der in der Literatur stets befürchteten „Flucht ins Privatrecht“ wird so nicht wirksam begegnet (vgl. statt vieler Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 90a II 1 Rn. 13). 133 MüKo-Papier, § 839 Rn. 145. 134 Vgl. Frenz, S. 100, der darauf hinweist, dass dem Bürger gegenüber immer dann ein leistungsfähiger Schuldner haften soll, wenn er der staatlichen Tätigkeit nicht entgehen kann. Dies ist beim öffentlichen Rettungsdienst regelmäßig der Fall. Nur dort, wo im Bereich des Krankentransports auch private Initiative zugelassen wird, besteht überhaupt eine Alternative für den Verletzten, sich nicht vom Staat oder von durch ihn veranlassten Helfern retten zu lassen. 135 MüKo-Papier, § 839 Rn. 145; Frenz, S. 101; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 26. 131

1. Kap.: Notfallrettung und Krankentransport

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gesehen davon, dass die rechtliche Einordnung des Handelns mit öffentlich-rechtlichem Bezug nicht unumstritten ist, versagt das Kriterium der Rechtsform insbesondere dort, wo bei der Frage nach der „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ nicht in Rechtshandlungen, sondern – wie bei der Durchführung von Rettungsdiensteinsätzen und zahlreichen sonstigen Leistungen der Daseinsvorsorge – Realakte in Rede stehen.136 Frenz beklagt darüber hinaus, dass die funktionale Betrachtungsweise an den Charakter der Aufgabe als Staatsaufgabe anknüpft, der staatliche Aufgabenbereich aber einem steten Wandel unterworfen und deshalb als Kriterium ungeeignet sei.137 Die dogmatischen Schwierigkeiten bei der Festlegung des Begriffs der Staatsaufgabe138 rechtfertigen es aber nicht, den Sinn der Amtshaftung durch ungeeignete und unpassende Kriterien auszuhöhlen und zu ignorieren, zumal in einer Vielzahl der Fälle – insbesondere bei gesetzlicher Aufgabenzuweisung – eindeutig feststeht, ob es sich bei der in Rede stehenden Angelegenheit um eine Staatsaufgabe handelt und es dem Gesetzgeber offen steht, dies im Einzelfall deutlich zu machen. Das rechtshistorische Argument, der Gesetzgeber habe bei Erlass der Amtshaftungsvorschriften in Anlehnung an die Vorgängerbestimmung des Art. 131 WRV und die dazu erfolgte Rechtsprechung des Reichsgerichts bewusst privatrechtliches Handeln aus dem staatlichen Tätigkeitsbereich und damit aus der Amtshaftung ausklammern wollen,139 überzeugt nicht. Denn vor Inkrafttreten der Amtshaftungsvorschriften in ihrer heutigen Gestalt mit Einführung des Grundgesetzes 1949, also während der Geltung des Art. 131 WRV und der hierzu ergangenen Entscheidungen des Reichsgerichts stellte sich die Problematik privatrechtlichen Handelns in Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit wenn überhaupt, dann nur in verschwindend geringem Maße. Die Freiheit der Verwaltung, die Handlungsform zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu wählen, wurde erst sehr viel später anerkannt140 und ist heute unter dem Postulat einer effektiven Verwaltung vor allem in den Bereichen der Leistungsverwaltung dringlich, während nach früherem Verständnis der Staat traditionell hoheitlich handelte und staatliches Handeln vor allem durch die Eingriffsverwaltung geprägt war.141 Wäre der BGH in den eingangs genannten Fällen statt von der Aufgabenqualität auf die Rechtsnatur des Handelns zu schließen der herrschenden Auffassung gefolgt, nach der es für die Frage nach der „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ auf die Rechtsform des Verwaltungshandelns ankommt,142 so hätte er die Betäti136

Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 26. Frenz, S. 100. 138 Diese sieht auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 26. 139 Frenz, S. 102. 140 Vgl. Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, § 2 III 3, Rn. 33 mit Rechtsprechungsnachweisen seit den siebziger Jahren. 141 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 9. 142 BGHZ 38, 49, 50; 69, 54, 59, 60; BGH NJW 1973, 1650, 1651; NJW 2000, 2810, 2811; MüKo-Papier, § 839 Rn. 144; Staudinger-Wurm, § 839 Rn. 87. 137

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

gung der Rettungsdienstmitarbeiter im Konzessionssystem mangels diesen zustehender hoheitlicher Handlungsbefugnisse als privatrechtlich qualifizieren, Amtshaftungsansprüche gegen den jeweiligen Rettungsdienstträger verneinen und Deliktsansprüche gegenüber den Hilfsorganisationen bzw. deren Bediensteten prüfen müssen. Denn bezüglich der Beteiligungsform, die er ausdrücklich offen lässt, und der damit möglicherweise verbundenen Übertragung hoheitlicher Handlungskompetenzen teilt der BGH die Auffassung der Literatur, wonach nur der Beliehene in den Formen des öffentlichen Rechts tätig werden kann.143 Er hätte demnach ebenfalls zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Rettungsdienstmitarbeiter mangels entsprechender hoheitlicher Handlungsbefugnisse gegenüber den Patienten nur privatrechtlich auftreten können. Indem er haftungsrechtlich im Ergebnis zu Recht das Verhalten der Rettungsdienstmitarbeiter nach seinem funktionalen Bezug beurteilt, daraus aber scheinbar auch Rückschlüsse auf das Leistungsverhältnis zwischen Hilfsorganisationen und Patienten ziehen will, entsteht der Eindruck, dass sich der BGH selbst widerspricht. Wollte der BGH innerhalb der Amtshaftungsprüfung mit der Feststellung, dass „sich die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe wie die Durchführung des Rettungsdienstes als hoheitliche Betätigung dar[stellt]“ und deshalb „im allgemeinen auch die bei Erfüllung dieser Aufgabe entstehenden Rechtsbeziehungen zu denjenigen, die diese Leistungen in Anspruch nehmen [. . .] als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren“ seien,144 tatsächlich eine Schlussfolgerung aus der für die Haftungsfrage relevanten funktionalen Betrachtung auf die selbständige Leistungsbeziehung zwischen Hilfsorganisation und Patient ziehen, wäre diese Schlussfolgerung wegen des unterschiedlichen rechtlichen Beurteilungsmaßstabes verfehlt. 4. Ergebnis Das Leistungsverhältnis zwischen den Hilfsorganisationen und den Patienten im Rettungsdienst beurteilt sich je nach Bundesland unterschiedlich. Im sog. Submissionssystem entsteht zwischen dem Rettungsdienstträger und den Patienten ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis, in das die Hilfsorganisationen als unselbständige Verwaltungshelfer eingebunden sind. Im sog. Konzessionssystem hingegen begründen die Hilfsorganisationen als selbständige Verwaltungshelfer mit den Patienten eigenständige Leistungsbeziehungen, die sich nach Privatrecht beurteilen und auf deren Basis die Hilfsorganisationen den Patienten selbst Entgelte für ihre rettungsdienstlichen Leistungen berechnen. Mangels Übertragung entsprechender hoheitlicher Handlungskompetenzen sind die Hilfsorganisationen als Privatrechtssubjekte nämlich nicht in der Lage, sich öffentlichrechtlicher Handlungsformen zu bedienen. 143 144

BGH NJW 2000, 1042. BGH NJW 2003, 1184, 1185; NJW 2005, 429, 430.

1. Kap.: Notfallrettung und Krankentransport

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Dem steht die Beurteilung der Rechtsprechung, nach der das rettungsdienstliche Handeln der Hilfsorganisationen im Konzessionssystem jedenfalls haftungsrechtlich als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren und deshalb dem zuständigen Rettungsdienstträger funktional als „Ausübung eines öffentlichen Amtes“ zuzurechnen ist, nicht entgegen. Aus Sicht des Haftungsrechts kommt es nämlich darauf an, dass sich die Tätigkeit eines Privaten bei der Mitwirkung an einer öffentlichen Aufgabe funktional dem hoheitlichen Aufgabenbereich zurechnen lässt, nicht aber darauf in welchen Rechtsformen diese Handlungen erfolgen. Der unterschiedliche Beurteilungsmaßstab für die Leistungsbeziehungen und den Amtshaftungsanspruch erlaubt deshalb eine unterschiedliche Qualifikation des Handelns der Rettungsdienstmitarbeiter.

B. Die Rechtsnatur rettungsdienstlicher Einsätze der Bergwacht Dieses Ergebnis zum Rechtsverhältnis zwischen Hilfsorganisationen und Patienten im allgemeinen Rettungsdienst gilt für rettungsdienstliche Tätigkeiten der Bergwachten gleichermaßen. Die Bergwachten werden von den zuständigen Rettungsdienstträgern als Gemeinschaften des Roten Kreuzes und damit als Teil dieser Hilfsorganisationen oder im Falle der Bergwacht Schwarzwald e. V. als eigenständiger Verein mit der Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport im Gebirge nach Maßgabe des jeweiligen Rettungsdienstgesetzes beauftragt werden. In den Bundesländern, in denen das Submissionssystem verwirklicht ist, werden die Bergwachten demnach als unselbständige Verwaltungshelfer tätig und treten selbst in keine eigenständigen Leistungsbeziehungen zu den Patienten. In den südlichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg sowie in allen übrigen Bundesländern, in denen das Konzessionssystem verwirklicht ist, sind die Bergwachten als selbständige Verwaltungshelfer mit der Durchführung des Rettungsdienstes im Gebirge beauftragt und begründen gegenüber den Patienten eigenständige Leistungsbeziehungen.145 Mangels hoheitlicher Handlungsbefugnisse sind sie nicht Beliehene. Die Befugnis, beispielsweise durch Erlass einer Gebührensatzung selbst adäquate rechtliche Grundlagen für ihre Entgeltforderungen zu schaffen, steht den Bergrettungsorganisationen nicht zu.146 Ihre rettungsdienstlichen Einsätze und die dadurch entstehenden Leistungsbeziehungen zum Patienten sind deshalb nach Privatrecht zu beurteilen. 145

Vgl. oben 1. Kapitel A. II. 1. c). Missverständlich deshalb Freudig/Martin (S. 270), die davon sprechen, die rechtliche Grundlage für die Erhebung von Benutzungsentgelten ergebe sich aus Art. 24 Abs. 1 S. 1 BayRDG a. F. Diese Regelung ist lediglich Grundlage für die Festlegung der Höchstgrenzen von Pauschalforderungen, die die Bergwacht Bayern zu fordern – bzw. den Krankenkassen als primären Kostenträgern gegenüber geltend zu machen – in der Lage sein soll (vgl. Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 8: „öffentlichrechtliche Preisvorschrift, die den zivilrechtlichen Vorschriften über die Höhe bestimmter Ansprüche vorgeht“). 146

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

In Baden-Württemberg wird zuweilen darauf abgestellt, dass die Aufgabe des Rettungsdienstes den privaten Hilfsorganisationen und damit auch den Bergwachten als Leistungsträgern übertragen wird. Als Träger für den Rettungsdienst zuständig und verantwortlich seien deshalb nach ihrer Verpflichtung durch das Sozialministerium (§ 2 Abs. 1 RDG Baden-Württemberg) die herangezogenen Hilfsorganisationen selbst.147 Ob sich der Staat seiner im Rettungsdienstgesetz Baden-Württembergs gesetzlich begründeten Verantwortung durch vertragliche Übertragung des Rettungsdienstes auf die Hilfsorganisationen tatsächlich vollständig in dem Sinne entledigen kann, dass nun die privaten Hilfsorganisationen „Träger“ des Rettungsdienstes sind, erscheint zweifelhaft. So wie die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Landes Baden-Württemberg durch Gesetz begründet worden sind,148 liegt es nahe, dass auch die Abgabe dieser Verantwortung an Private als actus contrarius grundsätzlich durch Gesetz oder zumindest aufgrund eines Gesetzes erfolgen muss. Ob die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Verantwortungsübertragung an die Hilfsorganisationen und damit die Bergwachten in Baden-Württemberg mit der Übertragungsvereinbarung zwischen Sozialministerium und Hilfsorganisationen erfüllt sind, kann letztlich offenbleiben. Sowohl als selbständige Verwaltungshelfer als auch als zuständige und verantwortliche private Aufgabenträger sind die Bergwachten in BadenWürttemberg mangels hoheitlicher Handlungskompetenzen darauf beschränkt, privatrechtlich zu handeln. Führen die Bergwachten in Bundesländern mit Konzessionssystem deshalb rettungsdienstliche Einsätze durch, handeln sie privatrechtlich und begründen gegenüber den Patienten privatrechtliche Rechtsbeziehungen. Ansprüche gegenüber dem Patienten müssen die Bergwachten folglich auf Anspruchsgrundlagen des Privatrechts stützen. 2. Kapitel

Das Rechtsverhältnis der Bergwacht gegenüber Bergsportlern bei sonstigen Einsätzen Der Tätigkeitsbereich der Bergwacht ist nicht auf Notfallrettung und Krankentransporte im Gebirge beschränkt, sondern umfasst wie gesehen als Teil ihrer satzungsmäßigen Aufgaben auch die Suche nach Vermissten, die Bergung toter und die Evakuierung hilfsbedürftiger Bergsportler, die keine medizinische Ver147

So OLG Stuttgart NJW 2004, 2987 f.; ähnlich Güntert/Alber, § 2 RDG BW, S. 2. Nur wenn das Land Baden-Württemberg ursprünglich als Träger des Rettungsdienstes vorgesehen ist, kann eine „Übertragung“ der Aufgabe durch das Sozialministerium überhaupt stattfinden. Nur in diesem Fall kann von der öffentlichen Aufgabe Rettungsdienst auch in Baden-Württemberg gesprochen werden (vgl. Güntert/Alber, § 2 RDG BW, S. 2). 148

2. Kap.: Sonstige Einsatzformen

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sorgung benötigen.149 Anders als es die Rettungsdienstgesetze für Notfallrettung und Krankentransport vorsehen, sind diese Tätigkeiten in Deutschland nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt und werden weder einer bestimmten Behörde explizit als öffentliche Aufgaben auferlegt, noch den Bergwachten generell durch oder aufgrund eines Gesetzes übertragen. Die nicht rettungsdienstlichen Einsatztypen der Bergwacht sind deshalb zunächst lediglich Aufgaben, die sich die Bergwachten in ihren Satzungen und Ordnungen selbst gestellt haben und grundsätzlich in privater Eigeninitiative ausführen.150 Dennoch stellt sich auch bei diesen Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs der Rettungsdienstgesetze die Frage, inwieweit öffentlich-rechtliche Vorschriften für die Einsätze der Bergwacht eine Rolle spielen und für das Rechtsverhältnis zwischen Bergwacht und geretteten oder geborgenen Bergsportlern bzw. ihren Angehörigen bedeutsam sind. Denn auch diese Einsatztypen weisen einen grundlegenden öffentlich-rechtlichen Bezug auf.

A. Gefahrenabwehr als allgemeine Aufgabe der Ordnungs- und Polizeibehörden Die örtlichen Ordnungs- und Polizeibehörden sind aufgrund ihrer subsidiären, allgemeinen Zuständigkeit für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständig, soweit nicht für bestimmte Bereiche – etwa die Abwehr der in den Rettungsdienstgesetzen genannten Gesundheitsgefahren durch den Rettungsdienst151 – eine Sonderzuständigkeit begründet ist.152 Zur öffentlichen Sicherheit gehören neben der Unverletzlichkeit der Rechtsordnung und der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen auch die Unverletzlichkeit der 149

Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 1. Vgl. nunmehr aber zur Rettung hilfloser Personen Art. 2 Abs. 10 BayRDG n. F. Die Unterscheidung in Art. 36 Abs. 3 BayRDG n. F. lässt die Schlussfolgerung zu, dass nunmehr auch die Evakuierung nicht verletzter Personen in den rettungsdienstlichen Aufgabenbereich der Bergrettung fallen sollen. In diesem Fall gelten für diese Tätigkeit der Bergwacht Bayern die vorstehenden Ausführungen (1. Kapitel) entsprechend. 151 Vgl. Götz, S. 235 ff., Rn. 573; Pieroth/Schlink/Kniesel, § 2 Rn. 26 ff.; Kniesel, in: Lisken/Denninger, D Teil V I 2 Rn. 3. In ihrer Pauschalität abzulehnen ist die Ansicht von Kniesel (a. a. O., S. 222 Rn. 6 f.), wonach es auch dem Rettungsdienst möglich sein soll, als Gefahrenabwehrbehörde auf die Generalklausel des allgemeinen Ordnungsrechts zurückzugreifen und Aufgaben auch über Notfallrettung und Krankentransport hinaus wahrzunehmen und entsprechende Maßnahmen hierfür zu treffen. Das mag für den örtlich zuständigen Rettungsdienstträger, der häufig mit der Ordnungsbehörde identisch ist (Kreise, kreisfreie Städte), noch nachvollziehbar sein, kann aber nicht für die privaten Hilfsorganisationen als Durchführende des Rettungsdienstes gelten, die nur in dem vom jeweiligen Rettungsdienstgesetz vorgegebenen Umfang mit der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe betraut sind. 152 Drews/Wacke/Vogels/Martens, S. 43 ff.; Schoch, in: Schmidt-Aßmann, 2. Kapitel I 2 a, Rn. 20; Kniesel, in: Lisken/Denninger, D Teil V I. 2. Rn. 2. 150

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

subjektiven Rechtsgüter und Rechte des Einzelnen und damit auch Leben und Gesundheit des Bürgers.153 Bei der Evakuierung unverletzter Hilfsbedürftiger, bei der Suche nach Vermissten und bei der Bergung Toter geht es grundsätzlich um die Abwehr von Gefahren im weiteren Sinne, für die weder die Rettungsdienstgesetze, noch andere Vorschriften eine spezielle Zuständigkeit begründen.154 I. Rettung unverletzter Hilfsbedürftiger und Vermisstensuche Die Evakuierung nicht verletzter Bergsportler, die aus unterschiedlichsten Gründen aus gefährlichen Situationen gerettet werden müssen, dient dem Schutz von Leib und Leben des Betroffenen. Als vermisst gelten Personen nach polizeilichen Richtlinien, an denen sich auch die Bergwacht orientiert,155 wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben, ihr Aufenthaltsort unbekannt ist und eine Gefahr für Leib oder Leben (rechtswidrige Tat, Unglücksfall, Hilflosigkeit, Freitodabsicht) angenommen werden kann.156 Auch hier steht die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben des Bergsportlers im Mittelpunkt. Mangels Zuständigkeit einer Sonderordnungsbehörde fallen die Evakuierung Hilfsbedürftiger und die Suche nach Vermissten deshalb grundsätzlich in den allgemeinen Aufgabenbereich der Polizei.157

153 Denninger, in: Lisken/Denninger, E I 2 a cc, Rn. 18 (S. 208); Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, II 1, Rn. 30 (S. 191). 154 Regelmäßig nimmt sich dieser Aufgaben auch die Polizei an, vgl. Pressemitteilung des Polizeipräsidenten Oberbayern vom 11.10.2007: Vermisstensuche nach Unfall mit Kanu am Tegernsee; Mitteilung des Österreichischen Polizeibergführerverbandes zur Bergung eines 16-jährigen Schülers, der sich mit seinem Snowboard verfahren hatte und in absturzgefährdetem Gelände nicht aus eigener Kraft zurückfinden konnte (26. März 2007). 155 Freudig/Martin, S. 318. 156 Vgl. Freudig/Martin, S. 318. 157 Vgl. zur Zuständigkeit der Polizei bei der Vermisstensuche VGH München, Urteil vom 25.01.2007 (Az.: 4 BV 04.3156), BeckRS 2007, 22619. Hier stellt sich – wie auch bei der Evakuierung Unverletzter – die rechtspolitische Frage, ob solche Einsätze angesichts der unmittelbar drohenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Unterkühlung, Absturz) nicht von vornherein auch als rettungsdienstliche Tätigkeiten aufgefasst und dem Rettungsdienst zugeordnet werden sollten. Ob der hilfsbedürftige Bergsportler einer medizinischen Betreuung bedarf oder nicht ist (vor allem zu Anfang des Einsatzes) nicht immer genau feststellbar, ergibt sich erst im Laufe des Einsatzes und hängt von der subjektiven Einschätzung der Retter und des Betroffenen ab. Den Zusammenhang hier anhand des Merkmals „medizinische Indikation“ rechtlich auseinander zu reißen und die Zuständigkeit einer anderen Ordnungsbehörde zu begründen, erscheint jedenfalls für den Bereich der Gefahrenabwehr im Gebirge wenig praktikabel und wird in Österreich durch einen entsprechend erweiterten Aufgabenbereich nach den jeweiligen Rettungsgesetzen in manchen Bundesländern vermieden. Solange aber die Rettungsdienstgesetze in Deutschland die medizinische Betreuung des Geretteten voraussetzen,

2. Kap.: Sonstige Einsatzformen

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Fraglich erscheint in diesem Zusammenhang, ob bei der (Selbst-)Gefährdung des einzelnen Bergsportlers und infolgedessen der Notwendigkeit einer Bergungsaktion oder einer Vermisstensuche von einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit gesprochen werden kann, die Voraussetzung für die Eröffnung des Aufgabenbereichs der Polizeibehörden ist. Bisweilen wird im Hinblick auf das Merkmal öffentliche Sicherheit gefordert, dass der Einzelne nur als „Repräsentant der Allgemeinheit“ geschützt werde, da nur in diesem Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der Gefahrenabwehr zu bejahen sei.158 Eine Einzelperson solle das Kriterium nur dann erfüllen, wenn sie „unabhängig von ihrer Individualität“, ebenso wie eine beliebige andere Person an ihrer Stelle, bedroht werde. Ferner wird darauf abgestellt, ob die Gefährdung „in die Öffentlichkeit ausstrahle“.159 Denkbar wäre deshalb, den Schutz der Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit dann zu beschränken, wenn sich Bergsportler in die Einsamkeit der Berge begeben und so den Bezug zur Allgemeinheit aufgeben.160 Trotz der Einschränkungsversuche am Merkmal des öffentlichen Bezuges besteht Einigkeit darüber, dass ein Individualrechtsgut jedenfalls dann auch im öffentlichen Interesse zu schützen ist, wenn sein Schutz ausdrücklich von der Rechtsordnung verlangt wird, insbesondere wenn eine objektivrechtliche Pflicht des Staates zum Schutz grundrechtlich gesicherter „Individualgüter“ besteht.161 Da der Schutz von Leib und Leben durch den Staat in Art. 2 Abs. 2 GG Verfassungsrang erhalten hat, weist die Abwehr von Gefahren für diese Individualrechtsgüter stets auch öffentlichen Bezug im Sinne der Polizeiaufgabendefinition auf. Bei Gefährdung von Leib oder Leben eines Bergsportlers aufgrund seiner Unauffindbarkeit oder aufgrund seiner hilflosen Lage ist deshalb grundsätzlich der Aufgabenbereich der Polizei eröffnet. Das gilt selbst dann, wenn sich ein Bergsportler bei Durchführung seiner Unternehmung unter Umständen besonderen Gefahren selbst aussetzt und sich so schuldhaft in eine Notlage manövriert.162 wird es bei der Trennung zwischen medizinischer und sonstiger Hilfsbedürftigkeit bleiben müssen. Freudig/Martin, S. 318. 158 Vgl. Denninger, in: Lisken/Denninger, S. 209 mit Hinweis auf Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht III, § 125 Rn. 16; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 192. 159 Vgl. Denninger, in: Lisken/Denninger, S. 209. 160 Oft wird das Gebirge als „rechtsfreier Raum“ bezeichnet, vgl. Ermacora, Berg & Steigen 01/05, S. 20. 161 Denninger, in: Lisken/Denninger, E I 2 a cc (S. 209) mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: BVerfGE 7, 198, 205; 35, 79, 114; 39, 1, 41; 77, 170, 214; Gusy, S. 37 ff., Rn. 81, 85; Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 14, S. 229 f. 162 In Fällen der Gefahrenprävention sollen sozialer Bezug und soziale Funktion, in denen sich das gefährdete Rechtsgut befindet, über die allgemeine Schutzbedürftigkeit von Leben und Gesundheit des Einzelnen entscheiden (Denninger, in: Lisken/Denninger, E I 2 cc [S. 209]). Mit anderen Worten: nicht jede Gefährdung eines individuellen

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

Im Verfassungsrang der Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) kommt die sozialethische Entscheidung des Grundgesetzes zum Ausdruck, diese höchsten Rechtsgüter unter den unbedingten Schutz des Staates stellen zu wollen, der nur in wenigen Ausnahmefällen eingeschränkt werden darf. Die Schutzpflicht des Staates umfasst deshalb nach heutigem Verständnis auch Gefahrenlagen, die sich aus bewussten (rechtlich zulässigen oder unzulässigen) Selbstgefährdungen ergeben. Zum Ausdruck kommt dieser sozialethische Maßstab nicht zuletzt in der generellen, strafrechtlich relevanten Hilfeleistungspflicht des § 323c StGB. Die Schutzpflicht des Staates und das Eingreifen seiner Behörden wird selbst beim versuchten oder drohenden Selbstmord einhellig bejaht, sofern nicht ohne jeden Zweifel von einer freien Willensentschließung des Suizidenten auszugehen ist. Jedenfalls wenn der Suizident die Kontrolle über sein Handeln verloren hat, wird allgemein das Eingreifen staatlicher Behörden befürwortet.163 Wenn aber schon die absichtliche Selbstgefährdung bzw. SelbstschädiRechtsguts ist per se eine Gefährdung, die im öffentlichen Interesse durch staatliche Behörden abzuwenden ist. Unter diesem Gesichtspunkt werden vor allem die (Grenz-) Fälle problematisiert, in denen sich der Rechtsgutsinhaber – wie oft bei bergsportlichen Unternehmungen – selbst gefährdet. Dann stellt sich zunächst die Frage, ob der polizeiliche Aufgabenbereich eröffnet und ein Eingreifen gegen den Willen des sich selbst Gefährdenden möglich ist. Insoweit besteht Einigkeit, dass das von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Selbstbestimmungsrecht des sich selbst Gefährdenden, selbst darüber zu befinden, welchen Gefahren er sich aussetzt, grundsätzlich Vorrang genießt gegenüber staatlicher Gefahrenabwehr (Schoch, in: Schmidt-Aßmann, 2. Kapitel II 1 b aa, Rn. 74; BVerwGE 82, 45, 48; Ruder, NVwZ 2001, 1223, 1224). Voraussetzung ist allerdings, dass Dritte und die Allgemeinheit nicht ebenfalls gefährdet werden und dass die Selbstgefährdung auf einer freien Willensentschließung beruht (Schoch, in: Schmidt-Aßmann, 2. Kapitel II 1 b aa, Rn. 74 (S. 153) mit Hinweis auf VGH BW NJW 1998, 2235, 2236). Solange davon auszugehen ist, dass der Bergsportler die geplante Unternehmung durchzuführen im Stande ist, besteht seitens der Polizei kein Grund zum Einschreiten. Etwas anderes gilt aber, sofern durch leichtsinniges alpines Klettern und Hochgebirgstouren ohne entsprechende Erfahrung, Geländekenntnis oder Ausrüstung auch Dritte, nämlich die Bergwachtmitarbeiter wegen der dann u. U. notwendigen risikoreichen Einsätze gefährdet werden. Hier kann die Polizei risikomindernde Auflagen machen oder das Vorhaben gar untersagen (Denninger, in: Lisken/Denninger, E I 2 a cc, Rn. 21 [S. 210]). Wenn die Polizei ein risikoreiches Bergsportunternehmen untersagen kann, schließt sich eine andere, für die Eröffnung des polizeilichen Aufgabenbereichs bei Vermisstensuche und Evakuierungen wichtige Frage an: Wirkt sich die freiwillige Selbstgefährdung auf die Schutzpflicht des Staates aus, wenn die Gefährdung des prinzipiell geschützten Rechtsguts konkret wird, d.h. eine tatsächliche Gefährdungslage eintritt? Aus tatsächlichen Gründen wird die Polizei laienhafte Bergsportunternehmungen nur in den seltensten Fällen im Voraus unterbinden können und dürfen, denn ob der Bergsportler für die geplante Unternehmung ausreichend qualifiziert ist, lässt sich in der Regel nicht ohne weiteres feststellen. Außerdem kann der Bergsportler auch schnell trotz ausreichender Qualifikation in eine Notsituation geraten, etwa durch plötzlichen Wetterumschwung. Muss die Polizei aber tätig werden, wenn der Bergsportler Gefahren bewusst in Kauf genommenen hat und dann für ihn auch zu einer konkreten Gefahr für Leib und Leben werden, aus der er sich allein nicht mehr befreien kann? 163 Schoch, in: Schmidt-Aßmann, 2. Kapitel II 1 b aa, Rn. 74 (S. 153); Denninger, in: Lisken/Denninger, E I 2 a cc, Rn. 22 (S. 210); Schenke, § 3 Rn. 57.

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gung eines Suizidenten in der Regel die Schutzpflicht des Staates nicht ausschließt, so muss die Hilfeleistungspflicht erst recht gelten für den sich bewusst selbstgefährdenden Bergsportler, bei dem zumindest in der konkreten Gefahrensituation davon auszugehen ist, dass er gerettet werden will und die fortdauernde und gesteigerte Selbstgefährdung nicht mehr seinem Willen entspricht. Der Aufgabenbereich der Polizei bleibt deshalb bei Vermisstensuchen und Evakuierungen hilfsbedürftiger Bergsportler eröffnet, auch wenn diese die Gefährdung in vorwerfbarer Weise selbst herbeigeführt haben.164 II. Die Bergung Toter Bei der Bergung Toter geht es um die Beseitigung von Gefahren, die von einem nicht zeitnah geborgenen und bestatteten Leichnam für die öffentliche Sicherheit (Gesundheit) ausgehen.165 Die Bestattungspflicht, die die Fürsorge für den Leichnam vom Zeitpunkt des Todes bis zur Beendigung der Beerdigung und damit ebenfalls Bergung, Überführung, sichere Aufbewahrung, Leichenschau, Vorbereitung der Bestattung und Bestattung selbst umfasst, obliegt den nächsten Angehörigen,166 fällt aber in die Gefahrenabwehrzuständigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden.167

164 Dieses Ergebnis großzügigen staatlichen Schutzes mag im ersten Moment Widerspruch auslösen, denn durch die Selbstgefährdung wird die staatliche Pflicht zum Tätigwerden quasi provoziert. Der nicht bergsportbegeisterte Bürger wird deshalb wenig Verständnis für waghalsige Touren aufbringen, die im Unglücksfall für den Staat erhebliche Kosten und die Gefährdung seiner Mitarbeiter bedingen. Dennoch ist an der generellen Schutzpflicht festzuhalten. Bergsport erfreut sich zunehmender Beliebtheit und darf als sozialadäquat gelten. Schon die Unterscheidung zwischen sozialadäquatem und nicht sozialadäquatem Verhalten dürfte hier schwer fallen, da dies in erheblichem Maße nach den subjektiven Fähigkeiten des Bergsportlers zu beurteilen wäre. Auch für die Vorwerfbarkeit hinsichtlich der eintretenden Gefahr wird eine klare Grenzziehung im Vorhinein nicht möglich sein. Die sozialethische Entscheidung des Grundgesetzes, den Schutz von Leben und Gesundheit als eines der höchsten Rechtsgüter unter den Schutz des Staates zu stellen, gebietet die Hilfeleistung für den Gefährdeten unabhängig von der Verursachung. Eine andere, davon zu unterscheidende Frage ist dann aber, welche rechtlichen Konsequenzen das Verhalten des sich selbst Gefährdenden auf einfachrechtlicher Ebene hat (z. B. die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit für Folgen der Hilfsaktion oder die Einschränkung der Hilfeleistungspflicht bei Gefährdung der Rettungskräfte, vgl. hierzu unten 4. Teil). Als Beispiel dienen die Bemühungen staatlicher Stellen um die Befreiung von Geiseln, die trotz Warnungen des Auswärtigen Amtes in gefährliche Regionen reisen. Der Staat bemüht sich um die Befreiung, die Kosten werden – zumindest teilweise – den Betroffenen in Rechnung gestellt. 165 Vgl. Gaedke, S. 117. Vgl. stellvertretend auch § 7 Abs. 3 Bestattungsgesetz NRW: „Es ist dafür zu sorgen, dass von Toten keine Gesundheitsgefahren ausgehen.“ 166 Gaedke, S. 116 f. 167 Vgl. § 9 Abs. 3 Bestattungsgesetz Rheinland-Pfalz; § 14 Abs. 2 Bestattungsgesetz Bayern; vgl. ebenfalls Oehler/Schulz/Schnelzer, Kommentar zum BayRDG a. F., Vorbem. 4.2.1.

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

Darüber hinaus ist aus einem anderen Gesichtspunkt die Zuständigkeit der Polizei eröffnet, wenn die Umstände des Todes des Bergsportlers ungeklärt sind und/oder seine Identität nicht unmittelbar geklärt werden kann. Dann haben die zuständigen Polizeibehörden im Interesse der strafrechtlichen Aufklärung der Todesursache bzw. der Identität des Toten zur Beweissicherung unverzüglich für die Bergung, Bewachung und sichere Unterbringung des Leichnams zu sorgen und den Fall der Staatsanwaltschaft oder dem Amtsgericht anzuzeigen (§ 159 Abs. 1 StPO).168 Auch wenn keine Angehörigen vorhanden oder zu ermitteln sind oder wenn mit der Bergung nicht so lange zugewartet werden kann, bis die Angehörigen benachrichtigt und eingetroffen sind, ist die Polizei für die Bergung zuständig.169 Diese Szenarien sind für Todesfälle im Gebirge der Regelfall, so dass dort grundsätzlich die Polizei zum Handeln aufgerufen ist.170

B. Einbindung der Bergwacht in Gefahrenabwehraufgaben der Polizei – Handeln aus Eigeninitiative Da die Suche nach Vermissten, die Rettung hilfsbedürftiger, unverletzter Bergsportler und die Bergung Toter in den allgemeinen Aufgabenbereich der Polizei fallen und damit ebenfalls einem Hoheitsträger zugeordnete öffentliche Aufgaben sind, zu deren Erledigung die Bergwachten regelmäßig herangezogen werden, die Bergwachten hierzu anders als im Rettungsdienst aber nicht durch öffentlichrechtlichen Vertrag generell beauftragt werden,171 stellt sich erneut die Frage, in welcher Form die Einbindung der Bergwachten in die Gefahrenabwehr im Einzelfall erfolgt und welche Konsequenzen dies für das Rechtsverhältnis zwischen Bergwacht und betroffenem Bergsportler mit sich bringt. Eine Beleihung der Bergwachten mit den genannten Aufgaben durch die Polizei mit der Folge, dass die Bergwachten gegenüber dem Betroffenen als selbständige Verwaltungsträger mit eigenem (hoheitlichen) Kompetenzbereich agieren, scheidet aus. Eine Beleihung scheitert schon an der in den Polizeigesetzen der Bundesländer fehlenden gesetzlichen Grundlage (Gesetzesvorbehalt)172 sowie daran, dass den Bergwachten zur Durchführung der jeweiligen Einsätze mangels Bedürfnisses auch keine eigenen hoheitlichen Handlungskompetenzen übertragen werden. 168 Gaedke, S. 125; Meyer-Goßner/Schwarz, § 159 Rn. 1–4. Als nicht natürlich gilt der durch Selbstmord, Unfall, eine rechtswidrige Tat oder sonst durch Einwirkung von außen herbeigeführte Tod (Rn. 2). Unbekannt ist ein Toter, der nicht sofort identifiziert werden kann (Rn. 3). 169 Meyer-Goßner/Schwarz, § 159 Rn. 4, 8. 170 Freudig/Martin, S. 326. 171 Anders nunmehr wohl Art. 2 Abs. 10 BayRDG n. F. für die Evakuierung Hilfsbedürftiger durch die Bergrettung. 172 Zum Fehlen einer Gesetzesgrundlage für die Beleihung für Sicherheitsdienste und Abschleppunternehmer vgl. Gusy, Rn. 60, 163 f. und 293.

2. Kap.: Sonstige Einsatzformen

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Die Bergwacht kann deshalb nur als Verwaltungshelfer in die Ausführung der polizeilichen Aufgaben einbezogen werden. Ob es sich bei der Einbindung der Bergwacht in die Erfüllung polizeilicher Aufgaben um die Beauftragung als selbständiger oder unselbständiger Verwaltungshelfer handelt, mag angesichts der noch nicht abschließend geklärten Figur des selbständigen Verwaltungshelfers fraglich sein.173 Zieht man zur Abgrenzung dieser beiden Formen der Einbindung Privater in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben die beiden wesentlichen Merkmale der selbständigen Verwaltungshilfe in einem Konzessionssystem heran, sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass die Bergwacht – anders als bei rettungsdienstlichen Tätigkeiten – als unselbständiger Verwaltungshelfer der Polizei zur Hand geht. Die Bergwacht wird bei Tätigkeiten außerhalb des Rettungsdienstes nicht generell durch öffentlich-rechtlichen Vertrag auf der Grundlage einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift mit der selbständigen Durchführung dieser Aufgaben betraut, sondern aufgrund ihrer besonderen Expertise lediglich im Einzelfall – wenn auch regelmäßig – herangezogen. Eine entsprechende explizite (gesetzliche) Regelung, nach der es der Bergwacht offenstehen soll, ihrerseits Benutzungsentgelte für die Erledigung polizeilicher Aufgaben gegenüber dem Betroffenen in Rechnung zu stellen, existiert – anders als innerhalb des Konzessionsmodells im Rettungsdienst174 – nicht.175 Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Bergwacht, so sie nicht aus eigener Initiative handelt, als unselbständiger Verwaltungshelfer in die polizeiliche Aufgabenerfüllung eingebunden wird. Das hat zur Folge, dass in den Fällen, in denen eine Einbindung der Bergwacht durch die Polizei erfolgt, ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis (Leistungsverhältnis) zwischen der zuständigen Polizeibehörde und dem Betroffenen entsteht, innerhalb dessen die Bergwacht lediglich als „verlängerter Arm“ der Polizei tätig wird. Die Kosten des Einsatzes muss die Bergwacht der Polizei als ihrem Auftraggeber als Entgelt (Gegenleistung) für den erteilten Such-, Rettungs- oder Bergungsauftrag in Rechnung stellen.176 Diesen Kostenaufwand kann die Polizei dann nach den Kostenerhebungsvorschriften des jewei173

Vgl. oben 1. Kapitel A. II. 1. d). Vgl. Art. 32 und 36 BayRDG n. F., § 28 RDG BW mit der expliziten Erlaubnis der Hilfsorganisationen, den Patienten für die Rettungsleistungen Benutzungsentgelte in Rechnung zu stellen. 175 Wenn vereinzelt darauf hingewiesen wird, dass auch bei Einsätzen außerhalb des Rettungsdienstes dem Betroffenen bestimmte Entgeltpauschalen in Rechnung gestellt werden (vgl. den Katalog der Bergwacht für Benutzungsentgelte, Freudig/Martin, S. 270), ist grundsätzlich fraglich, auf welcher Grundlage dies geschehen soll. Art. 36 Abs. 3 BayRDG n. F. betrifft jedenfalls nicht den Fall der Einbindung der Bergwacht durch die Polizei. 176 So jedenfalls für die Totenbergung ebenfalls Oehler/Schulz/Schnelzer, Kommentar zum BayRDG a. F., Vorbem. 4.2.1. Für die Vermisstensuche und die Evakuierung unverletzter Hilfsbedürftiger befürworten die Autoren hingegen die Einbeziehung auch dieser Einsatztypen in die Notfallrettung (Art. 2 BayRDG a. F., Ziffer 5.2 und 5.3). Vgl. hierzu nunmehr die Regelung in Art. 2 Abs. 10 BayRDG n. F. 174

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

ligen Polizeigesetzes dem Gefahrverantwortlichen als Auslagen in Rechnung stellen.177 Für die Einbindung der Bergwacht als unselbständiger Verwaltungshelfer spricht auch, dass die Bergwacht insbesondere bei der Suche nach Vermissten und der Bergung Toter in engem Kontakt mit der Polizei steht und deren Weisungen zu befolgen hat.178 Die Beauftragung der Bergwacht mit der Durchführung polizeilicher Aufgaben ist nicht an die Einhaltung einer bestimmten Form gebunden und richtet sich grundsätzlich nach Privatrecht.179 Sie kann erfolgen, indem die zuständige Polizeidienststelle die Bergwacht direkt zum Tätigwerden auffordert, die Bergwacht einen entsprechenden Auftrag nach Rücksprache mit der Polizei180 oder einen Auftrag über die Rettungsleitstelle erhält.181 177 Insoweit besteht eine deutliche Parallele der Bergwachttätigkeiten zum Abschleppunternehmer, für den heute allgemein anerkannt ist, dass er als Beauftragter das Entgelt für seine Abschleppleistung der beauftragenden Behörde im Innenverhältnis in Rechnung stellt und sich die Behörde auf Basis der Kostenvorschriften des jeweiligen Gesetzes wegen dieser Auslagen an den für die Maßnahme verantwortlichen Störer halten muss (vgl. Gusy, Rn. 290 ff.; Schoch, in: Schmidt-Aßmann, 2. Kapitel IV 1 b Rn. 294; Kugelmann, S. 312 ff.). 178 Freudig/Martin, S. 318 f. Gerade in Hinsicht auf die erforderliche Beweissicherung bei einem Unfall mit Todesfolge ist es der Bergwacht nicht erlaubt, den Leichnam ohne Zustimmung der Polizei vom Unfallort zu entfernen. 179 Für das Beispiel des Abschleppunternehmers Gusy, S. 316 Rn. 68; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 54 Rn. 81. Daraus folgt, dass die Beauftragung auch mündlich oder konkludent nach den Regeln des Privatrechts erfolgen kann. Eine Einbeziehung der Bergwacht im Wege der Amtshilfe scheidet aus, da die Bergwacht als private Hilfsorganisation keine Behörde ist. Wollte man die Bergwacht als selbständigen Verwaltungshelfer im Rahmen des Rettungsdienstes einer Behörde gleichstellen (dagegen spricht aber bereits die fehlende Beleihung mit behördlichen Handlungskompetenzen als Voraussetzung der Eingliederung in die Verwaltung), wäre die Polizei als ersuchende Behörde gegenüber der Bergwacht zur Erstattung der bei dem Einsatz anfallenden Auslagen auf Anforderung erstattungspflichtig (vgl. § 8 VwVfG). 180 Das wird der Fall sein, wenn die Bergwacht vom Tod eines Bergsteigers direkt informiert wird, diese Information an die Polizei weitergibt und bei dieser Gelegenheit mit letzterer das weitere Vorgehen abstimmt. Auch wenn jemand vermisst wird, haben die sonstigen Rettungsorganisationen, die hiervon Kenntnis erlangen, darauf zu achten, dass die Polizei umgehend verständigt wird, weil die Personensuche in ihren Aufgabenbereich fällt (vgl. Standard-Einsatz-Regeln der unterschiedlichen Rettungsorganisationen bei der Suche nach vermissten Personen – DLRG Oberallgäu-Sonthofen). 181 Die rechtlichen Zusammenhänge bei der Tätigkeit der (integrierten) Rettungsleitstellen sind noch weitgehend ungeklärt. Der BGH hat für Baden-Württemberg festgestellt, dass ihre für ein funktionierendes und effektives Miteinander der jeweiligen Rettungsorganisationen notwendigerweise verbindliche Lenkungsfunktion für alle in ihren Aufgabenbereich fallenden Einsätze öffentlich-rechtlichen Charakter hat (BGH NVwZRR 2008, 79 ff.). Der Aufgabenbereich der Rettungsleitstelle und damit die Einsatzbereiche, für die die Rettungsleitstelle verbindliche Anordnungen treffen kann, hängen von den jeweiligen Vorschriften in den einzelnen Bundesländern ab. Ist die Rettungsleitstelle generell befugt, Einsatzaufträge auch in Bezug auf Zuständigkeitsbereiche der Polizei an Hilfsorganisationen zu erteilen, spricht viel dafür, die jeweilige Einsatzaufforderung als eine Beauftragung „im Namen“ der zuständigen Polizeibehörde zu verste-

2. Kap.: Sonstige Einsatzformen

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Wird die Bergwacht bei der Suche nach Vermissten oder der Rettung unverletzter Hilfsbedürftiger aus eigener Initiative, d.h. ohne Rücksprache mit und ohne Beauftragung durch die zuständige Polizeibehörde tätig, weil sie unmittelbar von der Unauffindbarkeit eines Bergsportlers oder seiner hilflosen Lage erfahren hat, agiert sie eigenständig und unabhängig von der staatlichen Gefahrenabwehr durch die Polizei. Eine solche rein private Initiative der Bergwacht trotz Eröffnung des polizeilichen Aufgabenbereichs ist mit Ausnahme der Totenbergung denkbar, weil die Abwehr von Gefahren für Individualrechtsgüter nicht ausschließlich dem Staat und seinen Behörden zukommt. Private Hilfeleistung neben hoheitlicher Gefahrenabwehr und somit auch das Wirken humanitärer Einrichtungen wie der Bergwachten ist aus staatlicher Sicht im Bereich der Hilfeleistung, die den Einsatz hoheitlicher Zwangsbefugnisse nicht erfordert, nicht nur zulässig, sondern sogar wünschenswert.182 In diesen Fällen richtet sich die Tätigkeit der Bergwacht mangels konkreter Einbindung in die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe allein nach Privatrecht. Zwischen der Bergwacht und dem Betroffenen entstehen privatrechtliche Rechtsbeziehungen. Die Bergung Toter darf die Bergwacht hingegen ohne vorherige Rücksprache mit der Polizei dann nicht durchführen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bergsportler eines nicht natürlichen Todes i. S. v. § 159 Abs. 1 StPO gestorben ist.183 Dann nämlich ist es Sache der Strafverfolgungsbehörden, vor einer Bergung der Leiche die näheren Umstände des Todes zu untersuchen und zu klären, ob ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt. Die Ermittlungs- und Beweissicherungstätigkeiten der Polizei bei Unfällen im Gebirge würde die Bergwacht durch ihr vorgreifliches Handeln behindern. Da Unfälle vom Begriff des „nicht natürlichen Todes“ umfasst sind,184 tritt diese Konstellation häufig auf.185

hen. Ist dies nicht der Fall (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Einführung integrierter Rettungsleitstellen (Bayern), der nur Rettungsdienst- und Feuerwehraufgaben einschließt), müsste eine entsprechende Rücksprache mit der Polizeibehörde vor Durchführung des Einsatzes erfolgen. 182 Eine Grenze für private Initiativen zur Gefahrenabwehr im weiteren Sinne ergibt sich aus der Funktionsfähigkeit eines organisierten Rettungswesens. Deshalb sind im Bereich des Rettungsdienstes vielfach für die Notfallrettung (und die Krankentransporte) Verwaltungsmonopole geschaffen worden, um einen funktionierenden, gut organisierten Rettungsdienst flächendeckend gewährleisten zu können und nicht durch unkoordinierte und unkontrollierbare Privatinitiativen an Effektivität einbüßen zu lassen. Diese systemerhaltenden Reglementierungen gelten aber selbstverständlich nur für den organisierten Rettungsdienst. Auch bei der Rettung Verletzter sind private Initiativen an der Unfallstelle – etwa durch einen zufällig anwesenden Notarzt – nicht nur erlaubt, sondern aus Effektivitätsgründen gewünscht. 183 Freudig/Martin, S. 325 ff. 184 Meyer-Goßner/Schwarz, § 159 StPO, Rn. 2. 185 Für die Bearbeitung von Todesfällen im Gebirge setzt die Polizei in der Regel Polizeibergführer und speziell ausgebildete Alpinbeamte ein, vgl. Freudig/Martin, S. 327.

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

C. Ergebnis Im Ergebnis sind bei Einsätzen der Bergwacht außerhalb rettungsdienstlicher Tätigkeiten zwei Fälle zu unterscheiden. Wird die Bergwacht – in welcher Form auch immer – von der zuständigen Polizeibehörde mit dem jeweiligen Einsatz beauftragt, handelt die Bergwacht als unselbständiger Verwaltungshelfer innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen Polizei und Betroffenem. Die Bergwacht selbst tritt nicht mit den Betroffenen in ein eigenständiges Rechtsverhältnis. Bezüglich der konkreten Kosten des Einsatzes muss sie sich an die Polizei als ihren Auftraggeber wenden. Die Polizei kann ihrerseits diese Einsatzkosten gegenüber dem Veranlasser des Einsatzes bzw. im Todesfall dessen Angehörigen auf der Basis der bestehenden Kostenersatzregelungen in den Polizeigesetzen der Länder als Auslagen geltend machen. Wird die Bergwacht aus Eigeninitiative ohne Beauftragung durch die zuständige Polizeibehörde tätig, ist ihr eigenständiges Handeln gegenüber dem Betroffenen mangels Einbingung in die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe nach Privatrecht zu beurteilen. 3. Kapitel

Gesamtergebnis zur Rechtsnatur des Handelns der Bergwacht Soweit die Bergwacht in Ausführung der ihr generell auf Basis der Rettungsdienstgesetze übertragenen rettungsdienstlichen Aufgaben als selbständiger Verwaltungshelfer in einem Konzessionssystem tätig wird, handelt sie stets in den Formen des Privatrechts und begründet gegenüber den Betroffenen selbständige privatrechtliche Leistungsbeziehungen. In einem Submissionssystem hingegen fungiert sie als unselbständiger Verwaltungshelfer des zuständigen Hoheitsträgers. Eigenständige Leistungsbeziehungen zum Patienten begründet sie nicht.186 Führt die Bergwacht hingegen Einsätze durch, die nicht in den Anwendungsbereich der Rettungsdienstgesetze fallen, ist hinsichtlich der entstehenden Rechtsbeziehungen zu unterscheiden. Wird die Bergwacht aus eigener Initiative tätig, ohne von der zuständigen Polizeibehörde im Einzelfall beauftragt zu sein, handelt sie als Privatrechtssubjekt rein privatrechtlich. Wird die Bergwacht hingegen von der zuständigen Polizeibehörde mit der Durchführung eines Such-, Bergungs- oder Evakuierungseinsatzes konkret beauftragt, wird sie als unselbständiger Verwaltungshelfer in das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen 186

Vgl. oben 1. Kapitel A. II. 4.

3. Kap.: Gesamtergebnis zur Rechtsnatur des Handelns der Bergwacht

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Polizeibehörde und Betroffenem eingebunden. Ihr Handeln teilt die Rechtsnatur des Handelns der Polizei gegenüber dem Betroffenen. Hinsichtlich der Kosten eines solchen Einsatzes muss sich die Bergwacht an die Polizeistelle als ihren Auftraggeber wenden. Die konkrete Beauftragung der Bergwacht durch die Polizei mit Tätigkeiten außerhalb rettungsdienstlicher Aufgaben hat für die Bergwacht den Vorteil, dass ihr mit der Polizeibehörde als ihrem Auftraggeber ein verlässlicher Kostenschuldner zur Verfügung steht, von dem sie auf Basis der (privatrechtlichen) Vereinbarung über die Durchführung des Einsatzes die ihr entstehenden Kosten ersetzt verlangen kann.187 Die Polizei ihrerseits muss die Einsatzpauschalen der Bergwacht ggf. als Auslagen auf Basis der Kostenerstattungsregelungen in den Polizeigesetzen und der hiernach erlassenen Polizeikostenverordnungen von dem jeweiligen Betroffenen als Gefahrverantwortlichen verlangen.188 Ob die Voraussetzungen für eine derartige Inanspruchnahme vorliegen und ob die Forderungen tatsächlich zu realisieren sind, fällt dann in das Risiko der Polizei bzw. in das Risiko der Allgemeinheit, da der Polizeidienst durch den Steuerzahler finanziert wird.189 Dieses Ergebnis zur Kosten- und Risikoverteilung bei Hilfeleistungseinsätzen der Bergwacht im Auftrag der Polizei außerhalb rettungsdienstlicher Tätigkeiten erscheint sachgerecht: Zwar erfolgt die Hilfeleistung bzw. Bergung im Interesse des (vermeintlich) Betroffenen und dessen Angehörigen, wegen der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aber eben auch im Interesse der Allgemeinheit. Dann ist es konsequent, dass die Polizei als zuständige Gefahrenabwehrbehörde und damit letztlich die Allgemeinheit die zu Beginn eines Einsatzes hinsichtlich seiner Notwendigkeit und seines Nutzens häufig bestehenden Prognoserisiken trägt. Ob überhaupt eine Notlage gegeben war, ist gerade bei der Vermisstensuche fraglich. Welche Art der Hilfeleistung erforderlich ist, wird sich ebenfalls oft erst beim Eintreffen der Retter beim Hilfsbedürftigen feststellen lassen. Es ist dann nicht einzusehen, warum die Bergwacht als private, sich teilweise selbst finanzierende Hilfsorganisation bei der Unterstützung der Polizei diese Prognoserisiken und damit letztlich die Kosten eines Einsatzes selbst tragen sollte. Die jeweiligen öffentlich-rechtlichen Regelungen und Grundsätze zum Tätigwerden der Polizei bei einer bloß scheinbaren Gefahrenlage (Anscheinsgefahr) oder einem Gefahrverdacht und zur Kostenerstattung des Gefahrverantwortlichen in diesen Situationen bieten ein sachgerechtes Instrumentarium zur Verteilung 187 Zum Beispiel des Abschleppunternehmers, vgl. Kugelmann, S. 316 Rn. 68. Das gilt allerdings nur, wenn zwischen Bergrettungsorganisation und Behörden keine Absprache darüber besteht, dass Einsätze außerhalb des Rettungsdienstes kostenlos durchgeführt werden. 188 Vgl. hierzu die entsprechenden Regelungen der Polizeigesetze und Polizeikostenverordnungen in den einzelnen Bundesländern. 189 Vgl. Schoch, in: Schmidt-Aßmann, 2. Kapitel IV. 1. a. Rn. 292.

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

der Kosten von öffentlich-rechtlichen Leistungen zwischen der Allgemeinheit und dem Veranlasser des jeweiligen Einsatzes.190 Handelt die Bergwacht eigenständig und begrünet sie ein selbständiges, nach Privatrecht zu beurteilendes Rechtsverhältnis zum Betroffenen, wie es bei rettungsdienstlichen Einsätzen sowie bei Einsätzen aus eigener Initiative außerhalb des Rettungsdienstes ohne Beauftragung durch die Polizei der Fall ist, kann sie sich nicht an den zuständigen Hoheitsträger als Auftraggeber und Kostenschuldner wenden, sondern muss – vorbehaltlich einer Kostendeckung durch eine Versicherung – Ansprüche gegen den Betroffenen oder Dritte unmittelbar auf privatrechtlicher Grundlage geltend machen. Welche privatrechtlichen Entgeltansprüche für die Rettungstätigkeit der Bergwacht bestehen, und ob auch das Privatrecht eine für die Verteilung von Prognose- und Kostenrisiken angemessenes Instrumentarium bereitstellt, wird im nachfolgenden Kapitel zu klären sein. 4. Kapitel

Die Rechtslage in Österreich und in der Schweiz (Ausblick) Wie eingangs bereits dargelegt, sollen – um den Umfang dieser Arbeit nicht zu überdehnen – die in diesem Kapitel am Beispiel der Bergwacht erörterten Fragen für Österreich und die Schweiz nicht weiter vertieft werden. Man geht in diesen beiden Ländern weitgehend davon aus, dass jedenfalls dann, wenn private Rettungsorganisationen wie der Österreichische Bergrettungsdienst und die Alpine Rettung Schweiz Aufgaben der organisierten Hilfeleistung wahrnehmen, diese in privatrechtliche Rechtsbeziehungen mit dem Hilfsbedürftigen treten und Ansprüche im Zusammenhang mit den von ihnen durchgeführten Rettungseinsätzen auf Grundlage privatrechtlicher Vorschriften geltend machen können.191 Die zur Rechtslage des allgemeinen Rettungsdienstes und der Bergwacht in Deutschland angestellten Überlegungen finden in Österreich und der Schweiz offensichtliche Parallelen: 190 Vgl. Sailer, in: Lisken/Denninger, S. 1256 ff. Rn. 48 ff.; Schoch, in: Schmidt-Aßmann, 2. Kapitel IV 1 c Rn. 296 ff. Der Bergwacht sollte es bei aufwändigen und kostenintensiven Einsätzen zur Suche nach Vermissten und – wenn dies zu Beginn des Einsatzes bereits feststeht – bei der Evakuierung unverletzter Bergsportler deshalb grundsätzlich darauf ankommen, einen entsprechenden polizeilichen Auftrag zu erhalten. Die Bergung Toter wird die Bergwacht ohnehin nur nach Rücksprache mit der Polizei vornehmen. 191 Zur Anwendung von Privatrecht bei Einsatz von Rettungskräften in Österreich vgl. Maurer, insbesondere S. 23 ff.; Pichler, S. 242 f.; König, ZVR 1990, 321 ff.; Steiner, ZVR 1998, 38 ff.; zur Entstehung privatrechtlicher Beziehungen zwischen Rettungsorganisation und Hilfsbedürftigem in der Schweiz vgl. Nef, S. 155; Frank, SJZ 1976, 185 ff.; Stiffler, § 12 II. C., N. 1299 (S. 342).

4. Kap.: Rechtslage in Österreich und in der Schweiz (Ausblick)

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Zunächst ist für Österreich und die Schweiz nochmals festzuhalten, dass hier in vielen Bundesländern und Kantonen anders als in Deutschland eine generelle Beauftragung der Bergrettungsorganisationen mit sämtlichen Bergrettungstätigkeiten, d.h. auch mit Tätigkeiten außerhalb von Notfallrettung und Krankentransport erfolgt.192 Auch Einsätze der Bergrettung zur Suche nach Vermissten, zur Evakuierung unverletzter Bergsportler und zur Bergung Toter fallen dort vielfach in den Aufgabenbereich des zuständigen Rettungsdienstträgers, zu dessen Wahrnehmung sich Bergrettungsdienst und ARS dann ihrerseits vertraglich verpflichten. Die einem Hoheitsträger zugewiesenen Aufgaben des Rettungsdienstes wird man auch in Österreich und der Schweiz als öffentliche Aufgabe193 qualifizieren können. Bei der Einbindung von privaten Hilfsorganisationen finden sich ebenfalls dem Submissions- und dem Konzessionssystem vergleichbare Konzepte. Auf der einen Seite existieren (vereinzelt) Modelle, nach denen wie im Submissionssystem der zuständige Träger des Rettungswesens gegenüber dem Betroffenen in Erscheinung tritt, während die jeweilige Bergrettungsorganisation eher als „Erfüllungsgehilfe“ der Rettungstätigkeit des Trägers erscheint und ihre Einsätze letzterem gegenüber abrechnet.194 Vielfach ist jedoch vorgesehen, dass die Bergrettungsorganisationen wie im Konzessionssystem ihre Einsätze selbständig durchführen, gegenüber den Betroffenen selbst abrechnen und so neben staatlichen Zuschüssen ihre Kosten zur Unterhaltung der Organisation zum Teil selbst und auf eigenes Risiko195 erwirtschaften.196 192

Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel B. IV. Die Zuständigkeit der öffentlichen Hand ist ausdrücklich in den Rettungsdienstgesetzen in Österreich bestimmt. Als Beispiele für explizite Aufgabenzuweisungen in der Schweiz dienen etwa Art. 4 des Gesetzes über die Organisation des Rettungswesens im Kanton Wallis; Art. 1, 12 des Gesundheitsgesetzes im Kanton Bern; § 34 des Gesetzes über das Gesundheitswesen im Kanton Zug. 194 Im Bundesland Vorarlberg etwa bringt die Bergrettung die Kosten ihrer Einsätze gegenüber der zuständigen Gemeinde in Ansatz (§ 7 des Gesetzes über das Rettungswesen) und die Gemeinde nimmt ihrerseits den Veranlasser des Hilfeleistungseinsatzes in Anspruch. Die Zahlung dieser Kosten kann die Gemeinde notfalls per Bescheid durchsetzen (§ 8 des Gesetzes über das Rettungswesen). Im Wallis wird die Bergrettung als Institution der Kantonalen Walliser Rettungsorganisation (KWRO) tätig. Die KWRO erhebt gegenüber den Betroffenen für jeden Einsatz zuvor vom Departement festgelegte Gebühren im Namen des Departements. Aus diesen Gebühren und staatlichen Zuschüssen erhält die Bergrettung Subventionen für von ihr durchgeführte und der KWRO mitgeteilte Einsätze (vgl. Art. 6, 12, 18 des Gesetzes über die Organisation des Rettungswesens im Kanton Wallis sowie Art. 15 und 17 der Verordnung über die Organisation des Rettungswesens im Kanton Wallis). Im Kanton Uri sind Bergrettungseinsätze der Polizei zu melden. Die Bergrettung stellt die Kosten der Rettungs- oder Bergungsaktion der Polizei in Rechnung; ihre Kosten und Aufwendungen werden von Letzterer erstattet (Art. 7 ff. des Reglements für Rettungs- und Bergungskolonnen im Kanton Uri). 195 Vereinzelt finden sich Regelungen, nach denen der für das Rettungswesen zuständige Hoheitsträger subsidiär für nicht realisierbare Rettungsentgelte einsteht, vgl. Art. 7 der Ausführungsbestimmungen zur Organisation des Rettungswesens im Kanton Grau193

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2. Teil: Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihrer Rettungstätigkeiten

Welcher rechtliche Status den beiden Bergrettungsorganisationen bei der Erfüllung öffentlicher Rettungsaufgaben zukommt, d.h. ob die Bergrettungsorganisationen bei der Durchführung ihrer Einsätze lediglich als „Erfüllungsgehilfen“ in die hoheitliche Aufgabenwahrnehmung eingegliedert oder vielmehr selbständig gegenüber dem Hilfsbedürftigen tätig werden, und vor allem welche Konsequenzen die Art der Einbindung für die Rechtsnatur eines etwaigen Leistungsverhältnisses zwischen Bergrettung und Gerettetem hat, wird man auch hier im Einzelfall anhand der jeweiligen Rechtslage näher zu bestimmen haben.197

bünden; Art. 16 der Verordnung über die Organisation des Rettungswesens im Kanton Wallis, hier allerdings nicht im Wege einer direkten Kostenerstattung an die Bergrettung, sondern durch erhöhte Zuschüsse zur Gesamtfinanzierung des Rettungswesens über das Subventionssystem der KWRO. 196 Vgl. § 4a Salzburger Rettungsgesetz; § 6 Tiroler Rettungsgesetz; § 6 Abs. 2 Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz; § 9 Abs. 11 Burgenländisches Rettungsgesetz; Art. 4 und 5 der Ausführungsbestimmungen zur Organisation des Rettungswesens im Kanton Graubünden; die Berechnung von Rettungsentgelten und deren Höhe ist in der Schweiz meist Gegenstand der Leistungsaufträge zwischen dem zuständigen Träger des Rettungswesens und der Alpinen Rettung Schweiz. 197 In Österreich und der Schweiz sind die Beleihung, die Verwaltungshilfe und die Erteilung von Konzessionen ebenfalls geläufige Formen der Einbindung Privater in die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Eine Beleihung der Bergrettungsorganisationen im Sinne einer Übertragung von hoheitlichen Handlungskompetenzen ist insbesondere in Österreich denkbar, wird doch dort den Rettungsorganisationen oft die Ausübung von Zwang zur effektiven Durchführung eines Einsatzes per Gesetz ermöglicht (Betreten von Grundstücken und baulichen Anlagen, Anordnung von Hilfeleistungsmaßnahmen gegenüber dem Bürger etc., vgl. § 8 Salzburger Rettungsgesetz; § 6 Kärntner Rettungsdienst-Förderungsgesetz).

3. Teil

Ansprüche der Bergrettung gegenüber Hilfsbedürftigen oder Dritten auf Zahlung von Rettungsentgelten1 Im folgenden Kapitel geht es darum, die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen und deren Voraussetzungen näher zu betrachten, die als Grundlage für die seitens der Bergrettungsorganisationen gegenüber dem Hilfsbedürftigen oder einem Dritten regelmäßig in Rechnung gestellten Rettungspauschalen2 in Betracht kommen.3 In der Praxis ist den Bergrettungsorganisationen daran gelegen, ihre Entgelte nach Möglichkeit direkt über die Versicherung des Betroffenen abzurechnen, da auf diesem Wege die Zahlungen in der Regel ohne große Schwierigkeiten zu realisieren sind. Die Frage nach der Anspruchsgrundlage, auf die die Bergrettungsorganisationen die Geltendmachung von Einsatzentgelten stützen, spielt deshalb oft eine untergeordnete Rolle. Selbstverständlich erübrigt das Einstehen einer Versicherung des Betroffenen für Kosten des Rettungseinsatzes nicht die in diesem Kapitel aufgeworfenen Fragen. In allen Fällen, in denen eine Versicherung die Zahlung des Rettungsentgelts verweigert4 oder das Rettungsentgelt nicht5 1 Die nachfolgende Untersuchung beschränkt sich auf die Betrachtung der potentiellen Entgeltansprüche, die den Bergrettungsorganisationen gegenüber dem (vermeintlich) Hilfsbedürftigen oder einem Dritten, der den Einsatz veranlasst hat, zustehen. Nicht näher eingegangen wird auf Entgelte, die die Bergwacht gegenüber der Polizei als Aufwandsentschädigung für die Durchführung eines ihr erteilten Auftrags im Innenverhältnis geltend machen kann (vgl. oben 2. Teil, 2. und 3. Kapitel). 2 In Deutschland ist von „Benutzungsentgelten“ (Art. 32 und 36 BayRDG n. F.; § 28 RDG BW) die Rede, in Österreich wird von „Bergekosten (vgl. Salzburger Nachrichten vom 18.05.2004, „Zwiespalt im Pulverschnee“), in der Schweiz von „Rettungskosten“ (Merkblatt des Schweizerischen Alpen-Clubs: „Haftung für Kosten einer Rettungsaktion“) gesprochen. 3 Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 5. und B. V.; Oehler/Schulz/Schnelzer Art. 24 BayRDG a. F., S. 8; Güntert/Alber § 28 RDG BW, S. 2 f. 4 In Deutschland etwa, wenn der Einsatz nicht medizinisch indiziert war (vgl. oben 2. Teil, 2. Kapitel; zur Vermisstensuche auch Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 4; Freudig/Martin, S. 270). 5 So etwa bei Nichtversicherten. Privatversicherte müssen zunächst selbst für die anfallenden Kosten aufkommen und ihre Erstattung anschließend von ihrer Versicherung fordern, vgl. Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 4a. Zum Ausschluss der Versicherungsdeckung für Unfälle bei Sport und Touristik in Österreich s. sogleich.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

bzw. nicht in voller Höhe vom Versicherungsumfang gedeckt ist,6 muss die Bergrettung ihre Forderung direkt gegenüber dem Geretteten geltend machen.7 Das schnelle und unkomplizierte Eintreten einer Versicherungen für die Kosten eines Bergrettungseinsatzes hat, auch das wurde bereits kurz angesprochen, für die Bergrettungsorganisationen erhebliche Bedeutung, da die Einnahmen aus ihren Einsätzen einen großen Teil des jährlichen Finanzierungsbedarfs decken müssen.8 Sind Bergrettungsorganisationen darauf angewiesen, ihre Forderungen gegenüber dem Geretteten selbst geltend zu machen, entsteht ein erheblicher (zusätzlicher) Kostenaufwand, den die Bergrettungsorganisationen nicht selten und insbesondere bei der Verfolgung von Ansprüchen im Ausland scheuen.9 Zudem tragen die Bergrettungsorganisationen dann das Risiko, dass der Gerettete nicht zahlen kann oder die Zahlung verweigert. Wegen der (praktischen) Bedeutung, die die Versicherungsdeckung des Hilfsbedürftigen in Hinsicht auf die Zahlung anfallender Rettungsentgelte für die Bergrettung hat, und aufgrund der Tatsache, dass die ganz überwiegende Zahl der Bevölkerung für Gesundheitsbeeinträchtigungen kranken- bzw. unfallversichert ist, soll der in den drei untersuchten Ländern bestehende Umfang an gesetzlichen Versicherungsleistungen für Rettungskosten vorab kurz dargestellt werden (1. Kapitel).10 Die Anspruchsgrundlagen für Entgeltforderungen der Bergrettung gegenüber dem Hilfsbedürftigen oder einem Dritten, der den Einsatz veranlasst hat, sind – das hat die bisherige Untersuchung gezeigt – aus dem Privatrecht zu entnehmen.11 Der Anspruch auf Zahlung eines Einsatzentgelts kann sich entweder aus einem Vertrag zwischen Rettungsorganisation und Gerettetem (bzw. einem Dritten) ergeben (2. Kapitel) oder, kommt ein solcher nicht zustande, als Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag bestehen (3. Kapitel).12 6 In der Schweiz besteht nach dem Krankenversicherungsgesetz (KVG) für Rettungskosten lediglich ein Anspruch auf anteilige Erstattung (s. sogleich). 7 Vgl. Freudig/Martin, S. 270; vgl. auch Art. 36 Abs. 3 BayRDG n. F. 8 Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 5. und B. V. 9 Vgl. Online-Artikel des ORF vom 04.03.2008 („Bergrettung – Viele Rettungseinsätze bleiben unbezahlt“). 10 Darüber hinaus erlangt das Bestehen von Versicherungsschutz für einen etwaigen Entgeltanspruch der Bergrettung gegenüber dem Hilfsbedürftigen Bedeutung, wenn der Hilfsbedürftige gesetzlich versichert ist, das Sachleistungsprinzip gilt und die Bergrettung mit den Krankenversicherungsverbänden Absprachen über die Leistungserbringung getroffen haben (dazu näher an den entsprechenden Stellen). 11 Wird die Bergwacht innerhalb eines Submissionssystems oder anlässlich eines (Einzel-)Auftrags durch die Polizei tätig, muss sie ihre Einsätze gegenüber dem zuständigen Hoheitsträger abrechnen; eigenständige Leistungsbeziehungen zwischen ihr und dem Hilfsbedürftigen oder Dritten kommen dann nicht zustande (vgl. oben 2. Teil, 3. Kapitel). 12 Bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche sind allenfalls theoretisch denkbar und spielen in den Fällen der Hilfeleistung keine nennenswerte Rolle. Sie sollen deshalb hier nicht aufgegriffen werden. Der bereicherungsrechtliche Rückgriff ist ausgeschlossen, wenn die Rettungsleistung Gegenstand eines wirksamen Vertrages ist oder

1. Kap.: Versicherungsdeckung

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1. Kapitel

Versicherungsdeckung für die Kosten eines Bergrettungseinsatzes In Übereinstimmung mit dem in den Rettungsdienstgesetzen definierten Aufgabenbereich des Rettungsdienstes übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland nach §§ 60 Abs. 1, 133 SGB V die Kosten für Fahrten und Transporte des Versicherten, wenn diese im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Entgegen dem Wortlaut dieser Vorschriften („Die Krankenkasse übernimmt [. . .]“ bzw. „Übernahme der Kosten“) gilt im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung das sog. Sachleistungsprinzip. Nach dem Sachleistungsprinzip ist der Versicherer (Krankenkasse) gegenüber dem Versicherten verpflichtet, die Versicherungsleistung selbst zu erbringen oder ihre Erbringung sicherzustellen. Der Versicherer darf sich nicht darauf beschränken, dem Versicherten die Kosten für die Inanspruchnahme anderer, von ihm nicht bereitgestellter Leistungen zu erstatten. Da die Krankenkassen selbst nicht über entsprechende Einrichtungen zur Erbringung der gegenüber dem Versicherten geschuldeten Leistungen verfügen, schließen sie – um ihrem Sicherstellungsauftrag nachzukommen – mit hierzu kompetenten Institutionen Leistungsvereinbarungen über die Erbringung dieser Leistungen an den Patienten ab.13 Soweit deshalb zwischen Bergwacht und den Krankenkassen Leistungsvereinbarungen einschließlich einer Absprache über die Höhe von Rettungspauschalen bestehen,14 ist die Rettungsleistung im Rahmen des Sachleistungsprinzips (auch) als Leistung der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten zu betrachten.15 Ist der Einsatz der Bergwacht als Notfallrettung oder Krankendie Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 S. 1 BGB) vorliegen (vgl. Palandt-Sprau, Einf v § 812 Rn. 12 f., Einf v § 677 Rn. 10). Vgl. hierzu Fötschl, S. 286 ff., 419. 13 Vgl. Joussen, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, § 2 SGB V Rn. 5 ff. Durch diese Leistungsvereinbarungen erfüllt das Sachleistungsprinzip mittelbar den Zweck der Kontrolle der bei der Versorgung der Versicherten anfallenden Kosten. Hierdurch kann sichergestellt werden, dass sich die Leistungen der gesetzlichen Versicherungen in einem Rahmen bewegen, der zu einer sozialverträglichen Belastung des einzelnen Versicherten führt. 14 Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 5. 15 BSG Urteil vom 03.11.1999, B 3 KR 4/99 R, BeckRS 2000, 40481; BGH NJW 1999, 858, 859 f.; a. A. Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 4. Das Sachleistungsprinzip schützt den gesetzlich versicherten Patienten davor, hinsichtlich der Zahlung in Vorleistung treten und sich insbesondere über die Höhe der Kosten mit dem Leistungserbringer streiten zu müssen (vgl. Kreßel/Wollenschläger, S. 115). Die Einzelheiten hierzu und insbesondere die Auswirkungen des Sachleistungsprinzips und der auf seiner Basis geschlossenen Leistungsvereinbarungen zwischen Kassen und Leistungserbringern sind umstritten und können im Rahmen dieser Arbeit nicht aufgearbeitet werden. An den für den Entgeltanspruch der Bergrettung aus Vertrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag relevanten Stellen ist darauf in aller Kürze zurückzukommen.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

transport zu qualifizieren, besteht für die Rettungsleistung Versicherungsdeckung in Höhe der mit den Kostenträgern (Versicherungsverbänden) vereinbarten Pauschalen16 als „Fahrtkostenersatz“. Die medizinische Erstversorgung am Einsatzort, die von den Bergrettern, nicht aber von einem Notarzt geleistet wird,17 sowie die fachliche Betreuung des Patienten durch die Bergretter während der Bergung und des Abtransports werden als Nebenleistungen der Bergung und des Transports angesehen und haben in Bezug auf die Kostenerstattung keine eigenständige Bedeutung.18 Nicht erstattungsfähig sind nicht medizinisch notwendige Rettungsleistungen wie die Rettung aus Gefahren ohne anschließende ärztliche Versorgung, die Suche nach Vermissten oder die Bergung von Toten.19 Nach § 135 Abs. 4 i.V. m. Abs. 5 ASVG kann dem Versicherten in Österreich Ersatz der Kosten einer Bergrettung als „Reise(Fahrt)kosten“ nach Maßgabe der Satzungsbestimmungen der jeweiligen Gebietskrankenkasse erstattet werden, wenn die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe notwendig war.20 Erstattungsfähig sind deshalb auch in Österreich nur die Kosten solcher Rettungseinsätze, die medizinisch indiziert waren. Die Notwendigkeit einer ambulanten oder stationären Behandlung hat der Versicherte durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen (§§ 131 Abs. 5 S. 2, 144 Abs. 5 ASVG). Anders als in Deutschland besteht in Österreich also keine Parallelität zwischen dem Aufgabenbereich der Rettungs(dienst)gesetze, die meist auch Tätigkeiten außerhalb von Notfallrettung und Krankentransport umfassen und deren Erfüllung der Bergrettung übertragen wird,21 und der Kostentragung für Leistungen der Bergrettung durch die Krankenkassen. Folge ist, dass Entgeltansprüche der österreichischen Bergrettung für nicht medizinisch indizierte Rettungstätigkeiten wie die Vermisstensuche, die Evakuierung unverletzter Hilfsbedürftiger und die Bergung Toter (wie in Deutschland) per se nicht versicherungsrechtlich gedeckt sind, obwohl diese Tätigkeiten meist ebenfalls zum Aufgabenbereich des Rettungs(dienst)gesetzes gehören. Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus die Vorschrift des § 131 16 Vgl. 1. Teil, 1. Kapitel B. IV. 2. In einigen Bundesländern sind Absprachen zwischen den Rettungsdienstträgern, den Durchführenden des Rettungsdienstes und den Versicherern als Kostenträgern nicht erfolgt. Dann muss der Rettungsdienstträger oder die den Rettungsdienst ausführende Hilfsorganisation (je nach Modell) den Geretteten direkt in Anspruch nehmen und kann sich allenfalls nach Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs des Versicherten gegenüber der Versicherung an die Versicherung selbst wenden (vgl. BSG, Urteil vom 03.11.1999 (Az.: B 3 KR 4/99 R), BeckRS 2000, 40481). Die Versicherer sind dann nach § 133 Abs. 2 SGB V berechtigt, den ihnen gegenüber geltend gemachten Kostenersatzanspruch zu beschränken (vgl. hierzu Iwers, LKV 2004, 165). 17 Die Notarzttätigkeit wird getrennt berechnet, vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. IV. 2. 18 Vgl. Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 3 f. 19 Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 4.; Freudig/Martin, S. 270. 20 Auch in Österreich gilt grundsätzlich das Sachleistungsprinzip, vgl. Gillberger, S. 43 ff. 21 Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel B. IV.

1. Kap.: Versicherungsdeckung

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Abs. 4 ASVG, nach der Bergungskosten und die Kosten der Beförderung bis ins Tal bei Unfällen in Ausübung von Sport und Touristik nicht ersetzt werden. Sinn dieser Regelung ist es, dem besonderen, mit Sport und Touristik verbundenen Risiko und den bei Bergunfällen regelmäßig unverhältnismäßig hohen Bergekosten durch eine Leistungsbegrenzung des Versicherungsumfangs Rechnung zu tragen.22 Da die Einsätze der Bergrettung in Österreich in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle gerade auf Freizeitunfälle zurückgehen, sind ihre Entgeltforderungen gegenüber dem Geretteten in aller Regel nicht durch dessen Krankenkasse gedeckt.23 In der Schweiz ist zwischen der Versicherungsdeckung durch die Krankenversicherung und durch die Unfallversicherung zu unterscheiden.24 Versicherungsdeckung durch die Krankenversicherung besteht, wenn kein Unfall vorliegt oder zwar ein Unfall gegeben, der Betroffene aber nicht Mitglied der Unfallversicherung ist.25 Der Leistungsbereich der Unfallversicherung ist eröffnet, wenn der Betroffene Mitglied der Unfallversicherung ist und die Rettungsleistung infolge eines Unfalls (§ 6 UVG) erfolgt. Unfall ist nach Art. 4 ATSG jede plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äußeren Faktors auf den menschlichen Körper, die die Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat. Da die Krankenversicherungsleistung nach Art. 25 Abs. 2 lit. g KVG i.V. m. Art. 26 bzw. 27 KVV eine medizinische Indikation des Transports voraussetzt und die Unfallversicherung per definitionem nur bei einer Gesundheitsbeeinträchtigung infolge des Unfalls greift, ist unabhängig davon, welche Versicherung im Einzelfall herangezogen werden kann, jedenfalls auch hier Voraussetzung für die Erstattung von Rettungskosten, dass die Rettung medizinisch notwendig war. Kein Versicherungsschutz besteht, wenn sich der Betroffene lediglich in Gefahr befand, aber in seiner kon-

22 OGH 10 Ob S2415/96m, S. 3; 10 Ob S247/02z, S. 3 (hier und nachfolgend zitiert nach dem elektronischen Rechtsinformationssystem (Datenbank) des österreichischen Bundeskanzleramts (RIS). 23 Diese Regelung wird weithin als unsachgemäß angesehen und gerade von der Bergrettung und der Flugrettung immer wieder heftig kritisiert, vgl. Online-Artikel des ORF vom 12.08.2005 („In Geldnot“) sowie vom 03.01.2007 („Bergrettung braucht Geld“). 24 Das gilt auch hinsichtlich der Frage, ob das Sachleistungsprinzip (in der Schweiz Naturalleistungsprinzip oder „tiers payant“ genannt) oder das Kostenerstattungsprinzip (Kostenvergütungsprinzip oder „tiers garant“) gilt. Ersteres ist typisch für die Unfallversicherung, Zweiteres für die Krankenversicherung, vgl. Locher, S. 175 ff. In Deutschland und Österreich ist der Anwendungsbereich der Unfallversicherung hingegen grundsätzlich auf Arbeitsunfälle und einige wenige Ausnahmen hiervon beschränkt (Kreßel/ Wollenschläger, S. 186 ff.; Grillberger, S. 50). Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz in Deutschland und Österreich spielt deshalb im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. 25 Obligatorisch gegen Unfälle versichern müssen sich in der Schweiz alle Arbeitnehmer. Selbständige können sich freiwillig versichern (Art. 1 und 4 UVG).

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

kreten Situation keiner medizinischen Hilfeleistung bedurfte.26 Der Umfang der Kostenerstattung variiert erheblich. Während die Krankenversicherung grundsätzlich nur für die Hälfte der Transport- oder Rettungskosten mit einem Maximalbetrag von jährlich CHF 500,– (Art. 26 KLV) bzw. CHF 5.000,– (Art. 27 KLV) einsteht, erstattet die Unfallversicherung nach Art. 13 UVG die notwendigen Transport- und Rettungskosten und im Todesfall nach Art. 14 UVG die Kosten für die Bergung und Beförderung des Leichnams grundsätzlich in vollem Umfang.27 Zu beachten ist im Zusammenhang mit Unfällen und Rettungseinsätzen im Gebirge, dass die Unfallversicherung nach Art. 39 UVG die Leistungen kürzen oder gar verweigern kann, wenn der Versicherte außergewöhnliche Gefahren und Wagnisse eingegangen ist und den Unfall so verursacht hat.28 Festhalten lässt sich, dass mögliche Entgeltforderungen der Bergrettung für ihre Einsätze in allen drei Ländern mitunter nur teilweise oder gar nicht durch Versicherungsleistungen gedeckt sind. Dieses Ergebnis zeigt, dass sich die Bergrettungsorganisationen häufig gerade nicht an die Versicherung des Hilfsbedürftigen wenden können, und unterstreicht die Bedeutung, die den rechtlichen Grundlagen für solche Entgeltansprüche sowie deren Voraussetzungen zukommt. 2. Kapitel

Vertraglicher Anspruch auf Zahlung eines Rettungsentgelts Ein vertraglicher Entgeltanspruch setzt voraus, dass die Bergrettung mit dem Geretteten oder einem Dritten einen Vertrag über die entgeltliche Erbringung von 26 Vgl. Verwaltungsgericht des Kantons Bern – sozialversicherungsrechtliche Abteilung – Urteil vom 24.04.2007 (Az.: UV 66918/68/06 AC/ZJ/mv). Hiervon wird eine Ausnahme dergestalt gemacht, dass die Unfallversicherung auch dann eingreift, wenn der nur gefährdete, aber nicht verletzte Hilfsbedürftige ohne Rettung „mit Sicherheit“ in seiner Gesundheit beeinträchtigt worden wäre. Ob anhand dieses Merkmals, bei dem es stets einer hypothetischen Betrachtung bedarf, eine sachgerechte Abgrenzung erfolgen kann, erscheint fraglich (vgl. die zweifelhaften Ausführungen des vorstehend zitierten Urteils). 27 Vgl. die Empfehlung der Ad-Hoc Kommission zur Anwendung von UVG und UVV, Nr. 1/94 Kostenvergütungen (Rettungs-, Bergungs-, Reise- und Transportkosten, Unterkunfts- und Verpflegungskosten – ATSG Art. 43, UVG Art. 13, UVV Art. 20 und 58 wonach unter die notwendigen Rettungs- und Bergekosten fallen (i) die Bergung von Verletzten, (ii) die Suche nach Vermissten, wenn das Ausbleiben die adäquate Folge eines Unfalls ist und so lange nach den Umständen und der Lebenserfahrung damit zu rechnen ist, ihn lebend zu finden, (iii) die Bergung eines Unverletzten, der sich nicht aus einer Lage befreien kann, die unweigerlich zu einem Schaden führen würde, und (iv) die Bergung eines Toten. 28 Als Wagnis gilt nach Art. 50 UVV jede Handlung, mit der sich der Versicherte einer besonders großen Gefahr aussetzt, ohne die Vorkehrungen zu treffen oder treffen zu können, die das Risiko auf ein vernünftiges Maß beschränken. Vgl. zur Eingehung von Risiken durch Bergsteiger einschließlich Beispielen aus der Rechtsprechung Nef, S. 467 ff.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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Rettungsleistungen schließt, auf dessen Grundlage sie nach erbrachter Hilfeleistung als Gegenleistung die vereinbarte Einsatzvergütung beanspruchen kann. Ein solcher Vertrag kommt zustande, wenn sich die Bergrettung mit dem Hilfsbedürftigen oder einem Dritten über die Erbringung von Rettungsleistungen gegen Entgelt wirksam einigt, indem sie und der jeweils um Hilfe Ersuchender übereinstimmende (Willens-)Erklärungen mit diesem Inhalt in Bezug aufeinander austauschen (Angebot und Annahme).29

A. Problemfelder bei der rechtsgeschäftlichen Einigung über Rettungseinsätze im Gebirge I. Ablauf eines typischen Rettungseinsatzes Bergrettungseinsätze sind oft durch den Zeitdruck gekennzeichnet, unter dem sie durchgeführt werden. Einleitung und Durchführung eines Einsatzes sind zur Steigerung der Effektivität viele Male geprobt worden und laufen nach festen Mustern gleichsam automatisiert ab.30 Ein kommunikativer Austausch mit dem Hilfsbedürftigen oder Dritten findet, wenn überhaupt, vornehmlich aus medizinischen Gründen und zur Erleichterung der Rettungsbemühungen statt.31 Geraten ein oder mehrere Personen in eine Notlage, sind die Beteiligten und insbesondere der Betroffene enormem psychischen Druck ausgesetzt. Durch die Abgeschiedenheit, das Klima und eine eventuell absturzgefährdete Position des Hilfsbedürftigen wird die Situation schnell lebensbedrohlich. Die Gedanken aller in den Notfall verwickelten Personen sind deshalb in der Regel voll und ganz darauf fokussiert, die Gefahrenlage so schnell und effektiv wie möglich zu beseitigen.32 Können die Bergkameraden des Hilfsbedürftigen oder zufällig angetroffene Bergsteiger die Notlage nicht selbst bewältigen, muss eine Rettungsaktion durch die Bergrettung veranlasst werden. Meist erfolgt die Verständigung der Bergrettung heute über einen Notruf bei einer Notrufzentrale, die über eine für verschiedene Arten von Notfällen allgemein gültige Notrufnummer zu erreichen ist.33 29 Vgl. Larenz/Wolf, AT, § 23 Rn. 8 ff.; Bork, § 18 Rn. 700 ff.; Erman-Armbrüster, Vor. § 145 Rn. 1; Bydlinski, BR I AT, S. 80; Schwenzer, OR AT, N. 3.13. Während Art. 1 OR dies ausdrücklich bestimmt, ist das Erfordernis einer Einigung den §§ 145 ff. BGB bzw. § 861 ABGB nur indirekt zu entnehmen. 30 Vgl. Freudig/Martin, S. 307, 312 ff. 31 Vgl. Freudig/Martin, S. 312 f. und S. 587 ff. 32 Freudig/Martin, S. 165: „Ein Unfall trifft die Beteiligten meist wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Schlagartig hat sich das Ziel geändert, das bisher nur dem Verfolgen eines bestimmten Weges galt. Die Gesundheit eines Menschen ist beeinträchtigt oder sogar dessen Leben in Gefahr.“ 33 In Deutschland über die integrierten Rettungsleitstellen (112) oder die Bergwacht direkt (19222); in Österreich über die Notrufnummer 140, soweit hier Notrufzentralen

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Geht ein solcher Notruf bei einer Notrufzentrale ein, erfragt der anwesende Mitarbeiter nach einem festgelegten Schema die wichtigsten Umstände des Notfalls,34 um die für den erforderlichen Einsatz örtlich nächsten, entsprechend qualifizierten und ausgerüsteten Rettungseinheiten zu verständigen.35 Die gezielte Erfragung von Informationen dient also zunächst allein der Einsatzvorbereitung und -steuerung. Einzelheiten werden beim Entgegennehmen eines Notrufs oft unklar bleiben, zumal Angaben oftmals unter großem Stress gemacht und nur mittelbar weitergegeben werden, ohne dass der Nachrichtenüberbringer die Einzelheiten selbst wahrgenommen hat. Als Personen, die den Notfall melden, kommen neben dem Betroffenen selbst oder dessen Bergkameraden dritte Bergsteiger, Hüttenwirte, Bergführer, Angehörige des Betroffenen oder sonstige Personen, die sich um den Hilfsbedürftigen sorgen, in Betracht. Oft steht deshalb erst beim Eintreffen der Retter am Einsatzort endgültig fest, welche Rettungshandlungen für welche Person(en) konkret erforderlich und durchführbar sind.36 Bei der Ausführung der erforderlichen Rettungshandlungen am Einsatzort müssen sich die Retter je nach Einsatzort und Einsatzart angesichts des häufig großen zeitlichen Drucks und der nicht unerheblichen Selbstgefährdung auch darauf konzentrieren, selbst nicht Opfer eines Unfalls zu werden.37 Beim Eintreffen am Einsatzort sprechen sie den Hilfsbedürftigen aus medizinischen Gründen an, um Einzelheiten über das Befinden und die Verletzungen zu erfahren, oder weisen ihn an, die Rettungsaktion durch ein bestimmtes Verhalten (z. B. Standortwechsel) zu erleichtern.38 Von der Hilfeleistung selbst nimmt der Hilfsbedürftige

in den Bundesländern eingerichtet sind (ansonsten über die Gendarmerie (139); in der Schweiz über die REGA-Notrufstelle 1414 oder den KWRO (144); europaweit kann die Nummer 112 als Notrufnummer verwendet werden, vgl. Freudig/Martin, S. 162. 34 Vgl. Freudig/Martin, S. 312 f. (Standardfragen) „Was ist passiert?“ (Unfallart, -hergang, Zahl der Verletzten etc.), „Wo?“ (Ort des Geschehens), „Wer meldet?“ (Name und Standort des Anrufers), „Wetter?“ (Nebel, Niederschlag, Wind etc.) und „Wann ist es passiert?“ (Uhrzeit und Datum). Die genaue Identität des oder der Hilfsbedürftigen ist der Bergrettung zu Beginn ihres Einsatzes meist nicht bekannt. Die Person, die den Notruf abgesetzt hat, wird von der Notrufzentrale nach Name und Rückrufnummer befragt. Diese Informationen dienen dem weiteren Kontakt für während des Einsatzes auftretende Fragen und der Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Angaben („Warten auf Rückfragen“). 35 Je nach Art der Verletzungen und Zahl der Opfer müssen ein Helikopter und ein Arzt eingesetzt werden (was wiederum vom Wetter abhängt). Bei Lawinenabgängen müssen große Mannschaften verständigt werden, um den Lawinenkegel sorgfältig sondieren zu können. Je nach Standort sind verschiedene Rettungsinstrumente erforderlich, etwa eine Stahlseilwinde zur Bergung aus steilem Gelände. 36 Vgl. Freudig/Martin, S. 161 ff. und 305 ff. (allg. Einsatztheorie). 37 Z. B. beim Ablassen aus einem Helikopter, um den Hilfsbedürftigen zu erreichen, beim Herausstemmen/-bohren eines Bergsteigers aus einer Spalte oder bei der Verschüttetensuche in lawinengefährdetem Terrain. 38 Freudig/Martin, S. 587 ff.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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je nach Bewusstseinsbeeinträchtigung durch Schock, Schmerzen, Bewusstlosigkeit etc. ggf. nur bedingt Notiz. II. Rechtliche Problemstellung 1. Rein tatsächlicher Ablauf der Rettung contra willensgesteuertes Rechtsgeschäft Ein Bergrettungseinsatz lässt nach seinem äußeren Erscheinungsbild also zunächst einen Vertragsschluss durch zwei übereinstimmende Erklärungen in der Regel nicht eindeutig erkennen. Über die rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns machen sich oft weder der Hilfsbedürftige noch die Bergretter noch Dritte Gedanken. Rechtsverbindliche Absprachen, insbesondere über eine mögliche Vergütung der Hilfeleistung kommen den Beteiligten in der Notsituation regelmäßig nicht in den Sinn.39 Das Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen und die fehlende Reflexion der rechtlichen Bedeutung des Handelns allein ist für das Zustandekommen eines Vertrages freilich nichts Ungewöhnliches, denn auch im allgemeinen Geschäftsverkehr werden täglich zahllose Vereinbarungen getroffen, ohne dass die Vertragsparteien sich explizit und im Einzelnen über deren Inhalte abstimmen oder sich die rechtlichen Folgen bewusst machen. Die Besonderheit liegt in der außergewöhnlichen Situation eines Bergrettungseinsatzes, nämlich darin, dass dem rein tatsächlichen Rettungsgeschehen bzw. dem Verhalten der in die Rettungsaktion verwickelten Personen nicht ohne weiteres ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Erklärungsgehalt zu entnehmen ist. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen alltäglichem Geschäftsleben, auf das die Lehre von den Rechtsgeschäften und insbesondere das Rechtsinstitut des Vertrages zugeschnitten sind, und der besonderen Situation von Hilfeleistungsabreden in Notfällen. Das rein tatsächliche Verhalten der „Akteure“ einer Rettungsaktion kann wegen der außergewöhnlichen Umstände und der damit verbundenen Motivations- und Interessenlage nicht ohne weiteres als gezieltes rechtsgeschäftliches Handeln gedeutet werden. Deutlicher ausgedrückt: während im geschäftlichen Verkehr Verträge regelmäßig durch schlüssiges Verhalten zustande kommen, weil die Vertragsparteien in der jeweiligen Geschäftssituation durch ihr Verhalten zu erkennen geben, dass sie dadurch typischerweise bestimmte Ziele und Rechtsfolgen anstreben und ihre Handlungen deshalb als Erklärungen mit allgemein anerkanntem Sinn interpretiert werden können, ist dies bei der Hilfeleistung in Notsituationen gerade nicht 39 Auch für die Bergrettung spielt die Frage, ob im Einzelfall ein wirksamer Rettungsvertrag geschlossen wird, allenfalls eine untergeordnete Bedeutung, da sie grundsätzlich unabhängig hiervon und von der Sicherung eines Rettungsentgelts tätig wird, vgl. etwa § 17 der Dienstanweisung Rettungsdienst in Bayern sowie § 24 Abs. 3 RDG BW.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

der Fall. Hilfe- und Notrufen sowie daraufhin erbrachten Hilfeleistungen ist ein allgemein üblicher, rechtsgeschäftlicher Erklärungswert nicht zu entnehmen.40 Die Motivations- und Interessenlage in Fällen dringlicher Hilfeleistung scheint eine ganz andere zu sein: Der in Not geratene Bergsportler ist bedingungslos auf das Eingreifen qualifizierter Retter angewiesen. Eine Alternative zur Inanspruchnahme der organisierten Bergrettung steht ihm nicht offen, will er sich nicht seinem Schicksal überlassen. Der Hilfesuchende wird in seiner bedrohlichen Lage darauf hoffen, dass sein Hilferuf von irgendjemandem erhört wird. Jede Hilfeleistung wird er gern in Anspruch nehmen. Ob seine Retter zur Hilfeleistung rechtlich verpflichtet werden, wird ihn in seiner Notlage nicht interessieren, solange jemand auf sein Hilfeersuchen reagiert. Die Bergretter führen ihren Einsatz durch, weil sie sich die Rettung Hilfsbedürftiger selbst zur (satzungsgemäßen) Aufgabe gemacht und sich dazu u. U. gegenüber der öffentlichen Hand verpflichtet haben. Sie tätigen den Einsatz unabhängig davon, ob die Entrichtung eines Entgelts für ihre Hilfeleistung vertraglich oder anderweitig rechtlich gesichert ist.41 Ihnen kommt es in erster Linie auf die altruistische Hilfeleistung selbst und nur sekundär auf die Sicherung eines Entgeltanspruchs an.42 Die folgende Untersuchung muss zeigen, ob und unter welchen Voraussetzungen trotz der rein tatsächlichen, „rechtsgeschäftsuntypischen“ Äußerungen (Hilfeersuchen) und Verhaltensweisen sowie der besonderen Motivations- und Interessenlage der Beteiligten in Notfällen eine rechtsgeschäftliche Einigung über die Erbringung von Rettungsleistungen gegen Entgelt erzielt wird. 2. Die Lehre vom faktischen Vertrag Nach der von Günther Haupt 1941 begründeten Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen sollen Verträge nicht nur mittels einer Einigung der Vertrags40 Zu dieser Problematik im Zusammenhang mit einem möglichen Rechtsbindungswillen der Beteiligten einer Hilfsaktion s. Fötschl, S. 87 und 99. 41 Die Bergrettungsorganisationen sind zur Durchführung von Rettungseinsätzen im Notfall gegenüber dem jeweils zuständigen Rettungs(dienst)träger verpflichtet und müssen auf die entsprechende Aufforderung durch die Notrufzentrale tätig werden. Allein dann, wenn die Risiken eines Einsatzes hinsichtlich der Gefährdung der Retter selbst zu groß sind, kann die Bergrettung den Einsatz abbrechen (z. B. bei extremen Witterungsverhältnissen). Ob und wann eine Rettungsaktion abgebrochen werden kann, steht grundsätzlich im Ermessen des jeweiligen Einsatzleiters. In der Regel liegt die Grenze hierfür aber sehr hoch. Die Bergretter gehen teilweise erhebliche eigene Risiken ein, um den Hilfsbedürftigen aus seiner Notlage zu befreien. Die Bergrettungsorganisationen sind bemüht, Sicherheitskonzepte zu erarbeiten, die die Gefahren der Einsätze für die Retter besser handhabbar machen (vgl. Vorträge von Walter Würtl, „Es ist leicht, Fehler zu machen [. . .]“; Dominik Hunziker, „Sicherheitskonzept in der Bergrettung?“ anlässlich der Tagung der Internationalen Kommission für Alpines Rettungswesen (IKAR) vom 14.–16.10.2004 in Zakopane (PL)). 42 Siehe auch Fötschl, S. 99 f.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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parteien durch zwei oder mehrere inhaltlich übereinstimmende Erklärungen, sondern auch faktisch durch Inanspruchnahme einer Leistung zustande kommen können43 und damit letztlich allein durch das sozialtypische Verhalten des Nutzers der Leistung herbeigeführt werden.44 Die Befürworter dieser Lehre45 begründeten die Notwendigkeit dieser am Phänomen der Leistungsbeziehungen im modernen Massenverkehr entwickelten Theorie46 damit, dass bestimmte Leistungsbeziehungen rechtsgeschäftlich nicht fassbar seien, da es an der privatautonomen Gestaltungsmöglichkeit desjenigen, der auf eine Leistung des Massenverkehrs zurückgreifen will, fehle. Die Bedingungen, zu denen er die Leistung in Anspruch nehmen kann, stünden bereits fest.47 Erklärungen über einen Vertragsschluss gingen von den Beteiligten nicht aus. Der Nutzer sei sich einer solchen Bedeutung seines Verhaltens in der Regel auch nicht bewusst.48 Es sei deshalb reine Fiktion, wolle man das Verhalten der Handelnden als rechtsgeschäftliche Erklärungen auffassen.49 Die Inanspruchnahme von Leistungen des modernen Massenverkehrs, d.h. ein rein tatsächliches, sozialtypisches Verhalten solle deshalb als Entstehungsgrund für ein Vertragsverhältnis ausreichen können. Schon das Gebrauchmachen von der angebotenen Leistung solle die Annahme ersetzen.50 Auf den ersten Blick scheint es möglich, diesen Gedanken auch für die Situation von Bergrettungseinsätzen fruchtbar zu machen, werden hier doch Rettungsleistungen als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge rein tatsächlich in Anspruch genommen, ohne dass sich Retter und Geretteter über die rechtliche Bedeutung und den möglichen rechtlichen Sinn ihres Verhaltens Gedanken machen. Auch hier stehen die Bedingungen für die „Nutzung“ des Bergrettungsdienstes, insbesondere die Entgeltpauschalen, bereits fest. Der Gerettete hat keine Möglichkeit, den Inhalt eines möglichen Vertrages privatautonom zu gestalten.

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Haupt, Über Faktische Vertragsverhältnisse; vgl. hierzu Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 21 ff.; MüKo-Kramer, Einl. § 241 Rn. 63 ff. 44 Vgl. Bydlinski, BR I AT, § 6 Rn. 5. 45 Vgl. Siebert, Faktische Vertragsverhältnisse. 46 Als modernen Massenverkehr hat Haupt vor allem die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge im Verkehrswesen (Busse und Bahnen) betrachtet. Darüber hinaus beziehen sich die Überlegungen Haupts auch auf Dauerschuldverhältnisse auf Grund unwirksamer Verträge und auf Rechtsbeziehungen aus sozialem Kontakt, vgl. hierzu Flume, AT II, § 8/1; MüKo-Kramer, Einl. § 241 Rn. 63, 65 ff. Sie sollen wegen der fehlenden Vergleichbarkeit zu Bergrettungseinsätzen hier nicht näher erörtert werden. 47 Flume AT II, § 8/1. 48 Ibid. 49 Vgl. Haupt, S. 28; dazu MüKo-Kramer, Einl. § 241 Rn. 63. 50 So bis zur 6. Auflage auch Larenz, SR I, § 28 II (Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten); auch der BGH hat sich zunächst in einigen Entscheidungen der Idee dieser Theorie bedient, vgl. BGHZ 21, 319, 333 f.; BGHZ 23, 249, 261; BGHZ 23, 175 ff.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Die Lehre Haupts wird heute jedoch zu Recht ganz überwiegend abgelehnt.51 Sie findet im Gesetz keinerlei Stütze und ist mit dem gesetzlichen Grundsatz, dass Verträge durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen, unvereinbar.52 Abgesehen davon sind die der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen zugrundeliegenden Annahmen entgegen dem ersten Anschein auch nicht auf Bergrettungseinsätze übertragbar. Zwar ist der Bergrettungsdienst eine (teilweise) öffentlich bereitgestellte Leistung der Daseinsvorsorge. Die Notfallsituation in den Bergen ist und bleibt jedoch ein Ausnahmefall und kann nicht mit dem Phänomen des modernen Massenverkehrs verglichen werden. Die Rettungsleistung wird dem Hilfsbedürftigen konkret-individuell und nicht im Wege einer automatisierten, massenhaften Leistungsbereitstellung zugänglich gemacht. Eine Annahmeerklärung des „Nutzers“ – Argumentationsschwerpunkt der Fälle Haupts – gegenüber den Rettern ist deshalb jederzeit möglich. Hinzu kommt, dass sich die der Lehre Haupts zugrundeliegenden Fälle stets nur auf eine tatsächlich angebotene Leistung und deren unmittelbare Inanspruchnahme beziehen. Bei Bergrettungseinsätzen ist aber – wie sogleich zu diskutieren sein wird – 51 Siehe MüKo-Kramer, Einl. § 241 Rn. 64; Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 145 Rn. 25; Flume, AT II, § 8/1; Esser, AcP 157 (1958/59), 91 bezeichnete sie als „voreilige Kapitulation normativen Rechtsgedenkens vor dem politisch-sozialen Faktum“. Ebenfalls auf Ablehnung stößt das faktische Vertragsverhältnis in der österreichischen Rechtslehre, vgl. Rummel-Welser, § 861 Rz. 11; Bydlinski, Privatautonomie, S. 87; Koziol/Welser, BR I, S. 110. Gespalten ist dagegen das Meinungsbild in der Schweiz. Während das Schweizer Bundesgericht einen Fall auf der Grundlage eines faktischen Vertrages entschieden hat (BGE 110 II 244 ff.), sprechen sich Teile der Literatur grundsätzlich gegen die Anerkennung dieser Lehre aus: Berner-Komm./Kramer, Art. 1 OR, N. 238 ff.; differenzierend ZK-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 OR, N. 238 ff., Bucher, OR AT, § 16 I. 52 So nun auch ausdrücklich Larenz (7. Auflage), SR I, § 28 II. Allein mit den Erfordernissen und Umständen im modernen Massenverkehr lässt sie sich nicht überzeugend begründen, denn die Probleme, die sich bei solchen Leistungsbeziehungen stellen, können ohne weiteres nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen sachgerecht gelöst werden (vgl. Larenz/Wolf, AT, § 30 Rn. 25). Verträge kommen regelmäßig konkludent durch schlüssiges Verhalten ohne ausdrückliche Erklärungen und eine Reflexion der rechtlichen Bedeutung des Verhaltens durch den Erklärenden zustande (statt vieler PalandtHeinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 6; vgl. auch Flume, AT II, § 8/2, der zu Recht betont, dass sich die Inanspruchnahme öffentlich angebotener Versorgungsleistungen nicht von anderen Leistungsverhältnissen unterscheidet, in denen unstreitig Verträge durch schlüssiges Verhalten geschlossen werden. Insbesondere zeigen die Vergütungsregeln der §§ 612, 632 BGB, dass ein solches ohne ausdrückliche Erklärung zu einem Vertragsschluss ausreicht.). Der fehlende Zugang einer Annahmeerklärung kann über § 151 BGB gelöst werden. Die Tatsache, dass Leistungsbedingungen im Massenverkehr häufig feststehen und der Nutzer keinerlei Raum für die inhaltliche Gestaltung eines möglichen Vertrages hat, schließt eine privatautonome Entscheidung des Nutzers nicht aus. Es ist üblich, dass der Leistungserbringer an seine Leistung bestimmte Bedingungen knüpft, auf die der Nutzer keinen oder nur sehr geringen Einfluss hat und sie, bestehen keinerlei tatsächliche Alternativen, wie vorgegeben akzeptieren muss (Flume, AT II, § 8/2: der Nutzer einer Leistung ist jedenfalls hinsichtlich des „Ob“ der Inanspruchnahme frei). Auch der BGH ist nach anfänglicher Sympathie zu der Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen auf Distanz gegangen (BGH NJW 1965, 387 ff.; BGHZ 55, 128, 135).

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fraglich, ob ein Vertrag u. U. nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt als der tatsächlichen Inanspruchnahme der Rettungsleistung, nämlich durch Notruf und Einleitung des Einsatzes zustande kommt. 3. Rechtsprechung und Literatur zum Vertragsschluss in Nothilfefällen (Überblick) Das hier aufgeworfene Problem eines wirksamen Vertragsschlusses zwischen einer Rettungsorganisation und dem Hilfsbedürftigen wird weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur eingehend diskutiert. Diejenigen, die das Zustandekommen eines solchen Vertrages bejahen, konstatieren diese Tatsache meist mehr oder weniger pauschal.53 Dehnt man die Materialsuche auf Hilfeleistungsabreden zwischen Privatpersonen in Notfällen aus, lassen sich einige, wenn auch immer noch wenige Abhandlungen zusammentragen. Zwar fließen in die jeweiligen Erörterungen nicht die Besonderheiten ein, wie sie bei der Bergrettung auftreten (fachlichen Qualifikation, grundsätzliche Entgeltlichkeit der Rettungseinsätze etc.). Die Dringlichkeit der Nothilfesituation, die altruistische Motivation der Helfer und der automatisierte, kaum reflektierte Ablauf der Hilfeleistung sind Hilfeleistungsabreden unter Privatpersonen aber ebenso gemein, so dass auch diese Quellen Anhaltspunkte und eine Ausgangs- bzw. Vergleichsposition für die Beurteilung eines Vertragsschlusses zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem oder einem Dritten liefern können. Literatur und Rechtsprechung bieten zur Frage eines Vertragsschlusses bei der Hilfeleistung in Notfällen ein buntes Bild. Die Entscheidungen und Beiträge, die das Zustandekommen vertraglicher Beziehungen zwischen Hilfeleistendem und Hilfsbedürftigem verneinen, stellen teilweise auf den mangelnden Vertrags- oder Bindungswillen eines Hilfe- oder Notrufs54 ab. Dem Hilferuf an sich sei kein rechtlicher Bindungswille zu entnehmen,55 der Notruf enthalte lediglich die Aufforderung an eine zuständige Stelle, 53 Lippert/Weissauer, S. 106; Lippert, NJW 1982, 2089, 2092 f.; Freudig/Martin, S. 270; Schulte, S. 59; ausführlicher hingegen Nef, S. 155 ff., 193 ff., dazu sogleich. 54 Die Begriffe Hilferuf und Notruf werden im Folgenden – wie auch im allgemeinen Sprachgebrauch üblich – nach ihrer Zielrichtung unterschieden. Der Hilferuf ist demnach die allgemeine Bitte um Hilfeleistung, die sich entweder an einen unbestimmten Personenkreis oder einen in der Nähe befindliche Person richtet, unabhängig von ihrer Qualifikation für die erbetene Hilfeleistung. Der Notruf hingegen ist die gezielte Verständigung einer eigens qualifizierten Rettungs- oder Hilfeleistungsorganisation. 55 Vgl. BayObLG, BayVBl. 1979, 185 f.; daran anknüpfend Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 5. Während die Rechtsprechung zunächst dazu tendierte, Auftragsverhältnisse anzunehmen, wenn jemand spontan um die (Mit-)Hilfe in Notfällen gebeten wurde (RG JW 1914, 676; RGZ 94, 169; 98, 195 – zu dieser Rechtsprechung eingehend Féaux de la Croix, JW 1939, 457 ff. –), hat sie diesen Standpunkt in einigen Fällen wieder revidiert (so vor allem RGZ 167, 85 ff. anknüpfend an RG JW 1909, 311 Nr. 7). Neuere Entscheidungen haben die Frage offen gelassen oder sich di-

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von Amts wegen tätig zu werden.56 Zudem widerspreche eine rechtliche Bindung in diesen Fällen der Lebensanschauung.57 Teilweise wird darauf abgestellt, der Hilferuf sei hinsichtlich des Inhalts eines möglichen Vertrages zu unbestimmt.58 Bisweilen wird die Situation der Nothilfe sogar allgemein als nicht vertraglich erfassbar erachtet, sei es mangels privatautonomer Gestaltungsmöglichkeit des Hilfsbedürftigen59 oder weil es sich bei der Hilfeleistung vor allem um eine moralische Verpflichtung handele.60 Diejenigen, die das Zustandekommen eines Vertrages zwischen Hilfeleistendem und Hilfsbedürftigem bejahen, verweisen darauf, dass jedenfalls mit dem ansprechbaren, nicht bewusstlosen Patienten durch schlüssiges Verhalten ein Vertrag über die (entgeltliche) Hilfeleistung durch Ausführung von Rettungshandlungen und deren Inanspruchnahme geschlossen werde.61 Andere sehen bereits in dem Ersuchen um Hilfeleistung eine Auftragserteilung62 oder in der Verständigung der Rettungsorganisation durch den Betroffenen das Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Vertrages auf Rettungsleistung.63 Wieder andere stelrekt den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag als Anspruchsgrundlage zugewandt, ohne die Möglichkeit eines vertraglichen Auftragsverhältnisses in Betracht zu ziehen (BGHZ 52, 115; 33, 251). 56 Stoll, S. 413. 57 Stoll, ibid. 58 Fötschl, S. 100 und 122. Dem Helfer müsse es außerdem stets möglich sein, seine Hilfsbemühungen ohne rechtliche Konsequenzen abbrechen zu können, so dass eine Bindung aus seiner Sicht nicht gewollt sein könne. 59 So wohl Michallek, S. 24: „Ein Zivilrecht, das auf der Privatautonomie aufbaut, kann auf die Entscheidungsfreiheit der Vertragsparteien nicht verzichten.“ 60 Schimming, S. 18. Im Seerecht wird dem Retter von Sachwerten eine Vergütung gewährt (vgl. §§ 739 ff. HGB), während die Rettung von Menschen nicht oder nur an den geretteten Sachwerten gemessen aus Billigkeitsgründen (vgl. § 750 HGB) entlohnt wird. Allerdings konstatiert auch Schimming in Bezug auf Rettungsverträge hinsichtlich des Schiffes und der darauf befindlichen Sachwerte, dass „in der Aussendung von SOS-Hilferufen oder dem Hissen von Notsignalen durch das gefährdete oder verunglückte Schiff [. . .] grundsätzlich noch keine rechtsgültige Offerte zu erblicken [ist].“ Darin liege lediglich die Aufforderung zur Abgabe eines Vertragsangebots (Hinweis auf HansRGZ 1938 B Sp. 43–51 (46); a. A. Mühl, S. 32 und Hückstätt, S. 12). Maurer hält einen Vertragsschluss in Notsituationen ohne nähere Begründung für nicht möglich, will dann aber analog die gesetzlichen Regeln des Vertragstyps anwenden, den die Parteien geschlossen hätten, wenn sie sich in der Situation hätten einigen können (S. 39). 61 Lippert/Weissauer, S. 106 f., der von einem „gespaltenen“ bzw. „totalen“ Rettungsvertrag zwischen Hilfsorganisation und Patient spricht, je nachdem, ob die Leistungen aus einer Hand oder von verschiedenen Trägern der am Rettungsdienst beteiligten Rettungsmittel erbracht werden (s. a. Lippert, NJW 1982, 2089, 2092 f.); Rösler, S. 85; Freudig/Martin, S. 264. 62 Zum Entstehen eines Auftragsverhältnisses zwischen Hilfeleistendem und Hilfsbedürftigem vgl. die ältere Rechtsprechung (Überblick bei v. Hippel, S. 171, 175 Fn. 20). 63 Nef, S. 156 ff.; Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 5 ff., u. a. zur Rolle der Rettungsleitstelle als Empfangsvertreterin. Ausdrücklich differenzierend Beulke, S. 135: Bis zum Eintreffen der Bergrettung am Notfallort seien die Regeln der

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len bzgl. eines Vertragsschlusses, d.h. der rechtlichen Verbindlichkeit der Hilfeleistungsabrede, darauf ab, ob der Hilfeleistende ein spontan agierender Privatmann oder ein für die Hilfeleistung besonders qualifizierter Retter ist,64 und ob der Kontakt zwischen Rettern und Gerettetem direkt oder über Dritte erfolgte.65 Bei der Veranlassung der Hilfeleistung durch Dritte wird dann die Frage aufgeworfen, wer letztlich Partei des Vertrages auf Hilfeleistung wird.66 Auch wenn den verschiedenen Beiträgen und Entscheidungen eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Einzelfälle zugrunde liegt und ihnen deshalb keine einheitlichen Erkenntnisse zu entnehmen sind, so zeigt dieser Überblick jedenfalls die Aspekte auf, die bei der Frage nach dem Zustandekommen eines Vertrages in Hilfeleistungsfällen generell sowie in den Fällen eines Bergrettungseinsatzes konkret zu ergründen sind. Sie lassen sich wie folgt ordnen und zusammenfassen: a) Zeitpunkt eines möglichen Vertragsschlusses Die genannten Quellen offenbaren zwei Zeitpunkte bzw. Situationen, in denen möglicherweise eine vertragliche Einigung zwischen Rettern und Hilfsbedürftigem erfolgt. Denkbar ist, dass bereits durch das Hilfeersuchen (Hilfe- bzw. Notruf) und dem darauf folgenden Einsatzbeginn ein Vertrag über entgeltliche Hilfeleistung zustande kommt. Dann müsste das Hilfeersuchen eine wirksame rechtsgeschäftliche Erklärung sein, in der der Hilfsbedürftige bzw. ein Dritter den Abschluss eines Vertrages diesen Inhalts anbietet. Die Annahme eines solchen Angebots liegt dann entweder in der kurzen mündlichen Zusage oder der Initiierung des Einsatzes durch die Notrufzentrale bzw. die Bergrettung selbst.67 Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar, danach einigten sich Hilfeleistende und Hilfsbedürftige wohl konkludent über die Erbringung von Hilfeleistungen. Rösler (S. 84) hält das Zustandekommen eines Auftragsverhältnisses bei ausdrücklicher Absprache für möglich, äußert sich gegenüber Hilfe- und Notrufen jedoch skeptisch. 64 Fötschl, S. 101 und 128; Gehrlein, VersR 2000, 415, 418 zur Frage des Rechtsbindungswillens bei der Abgrenzung zwischen Vertrag und Gefälligkeitsverhältnis. Unter Privaten sei ein Rechtsbindungswille in der Regel zu verneinen, während die Hilfeleistung durch professionelle Helfer zu einem Vertragsschluss führe. 65 So die Unterscheidung bei Nef, S. 157, 161, der davon ausgeht, dass eine entsprechende rechtsgeschäftliche Einigung bei direktem Kontakt erfolgt, während bei der Übermittlung des Hilfeersuchens durch Dritte zu klären sei, ob diese als Stellvertreter, im eigenen Interesse selbst oder gar keine vertraglichen Bindungen eingehen wollen. 66 Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 5 ff.; Nef, S. 159 f. zur möglichen Selbstverpflichtung von Bergkameraden des Hilfsbedürftigen und zum Suchauftrag naher Angehöriger. Die Bedeutung eines Näheverhältnisses zwischen dem Veranlasser des Rettungseinsatzes und dem Hilfsbedürftigen für den Charakter eines Notrufs als rechtsgeschäftliche Erklärung deutet auch Stoll an (S. 413). 67 So Nef, S. 155 ff.; Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 6 f.

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Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass – soweit nicht eine ausdrückliche Verständigung in diesem Sinne erfolgt – (jedenfalls) durch die Erbringung der Rettungsleistung am Einsatzort und deren Inanspruchnahme durch den Hilfebedürftigen konkludent ein Vertrag über entgeltliche Hilfeleistung geschlossen wird.68 Das tatsächliche Erbringen der Rettungsleistung müsste dann als Angebot, ihre Inanspruchnahme als Annahme des Angebots auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages zu qualifizieren sein. b) Wirksamkeit der potentiellen Vertrags-/Willenserklärungen Die Beurteilung des Hilfeersuchens bzw. der Hilfeleistungsabrede in Rechtsprechung und Literatur unter den Gesichtspunkten Vertrags- bzw. Rechtsbindungswille, Bestimmtheit, Lebensanschauung, moralischer oder öffentlich-rechtlicher Verpflichtung, Privatautonomie, Professionalität des Helfers und Art des Kontaktes offenbart, dass wesentliche Frage einer Hilfeleistungsabrede ist, ob die Verhaltensweisen oder Erklärungen beider Seiten wirksame Willenserklärungen auf Abschluss eines Vertrages auf Rettungsleistung darstellen. Die Erklärungen der beiden potentiellen Vertragsparteien müssen alle Voraussetzungen einer wirksamen, auf den Abschluss eines Vertrages gerichteten Willenserklärung erfüllen. Ob und ggf. welchen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert ein bestimmtes Verhalten hat – ausdrückliche Erklärungen in Hinsicht auf Rettungsleistung und deren Vergütung werden in Notsituationen wohl selten abgegeben – und ob die jeweilige Erklärung die Voraussetzungen eine wirksamen Willenserklärung erfüllt und damit die intendierte rechtsverbindliche Wirkung herbeiführt, ist durch Auslegung des Verhaltens oder der Erklärung zu ermitteln (unter diesen Aspekt sind die in Literatur und Rechtsprechung enthaltenen Hinweise zur Lebensanschauung und der moralischen Pflicht der Hilfeleistung einzuordnen). c) Besonderheiten bei Veranlassung des Rettungseinsatzes durch Dritte Verständigt nicht der Hilfsbedürftige selbst, sondern ein Dritter die Bergrettung, ist zum einen zu klären, inwieweit die Tatsache, dass ein Dritter eine Erklärung gegenüber der Bergrettung abgibt, bei ihrer Beurteilung (Auslegung) als wirksame Willenserklärung auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages, insbesondere in Bezug auf den erforderlichen Rechtsbindungswillen eine Rolle spielt. Fraglich ist dann ggf. auch, wer Partei eines solchen Rettungsvertrages wird, der Hilfsbedürftige oder der Dritte selbst (Eigengeschäft oder Stellvertretung). 68 So Beulke, S. 135; Lippert/Weissauer, S. 106; Lippert, NJW 1982, 2089, 2092; beide Möglichkeiten in Erwägung ziehend, Fötschl, S. 101.

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B. Abschluss eines Vertrages über entgeltliche Rettung I. Einigung durch das Hilfeersuchen und die Zusage/Initiierung des Rettungseinsatzes Zwischen der Bergrettungsorganisation und dem Hilfsbedürftigen oder einem Dritten wird bereits durch das Hilfeersuchen69 und die Zusage oder die Initiierung des Einsatzes ein Vertrag geschlossen, wenn im Hilfeersuchen des Hilfsbedürftigen oder des Dritten ein wirksames Angebot auf Abschluss eines Rettungsvertrages und in der Zusage bzw. Initiierung des Rettungseinsatzes die (konkludente) Annahme dieses Angebots liegt.70 Ein Vertragsangebot muss als empfangsbedürftige Willenserklärung in Richtung auf den potentiellen Vertragspartner abgegeben werden und diesem zugehen.71 Potentielles Vertragsangebot ist deshalb die Erklärung (das Hilfeersuchen), die die Bergrettung durch einen ihrer Mitarbeiter oder durch die Notrufzentrale als Empfangsvertreterin der Bergrettung72 unmittelbar entgegennimmt. Werden Hilferufe oder Notsignale erst von Dritten in einer Informationskette an die Bergrettungsorganisation weitergeleitet, kommt es für die Frage, ob in dem Hilfeersuchen ein wirksames Angebot auf Abschluss eines Rettungsvertrages liegt, allein auf die letztlich der Bergrettung unmittelbar zugehende Erklärung und deren Inhalt an.73 Bei der Frage, ob das Hilfeersuchen alle Merkmale eines wirksamen Angebots auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages enthält und wer ggf. Partei eines Rettungsvertrages werden soll, sind – wie noch zu zeigen sein wird – u. a. Umstände in der Person des Erklärenden (Art der Beteiligung am Notfall, Interesse an der Rettung, Verhältnis zum Hilfsbedürftigen etc.) maßgeblich. Das Hilfeersuchen des Betroffenen selbst (1.) soll deshalb nachfolgend von dem eines Dritten (2.) getrennt behandelt werden. 69 Der Begriff des Hilfeersuchens dient nachfolgend als Oberbegriff für alle Formen der Verständigung bzw. Veranlassung der Bergrettung zum Tätigwerden. Auf die Differenzierung zwischen Notruf, Hilferuf und Notsignalen und ihre Bedeutung wird an entsprechender Stelle eingegangen. 70 Vgl. Nef, S. 157; Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 7. 71 Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 1, § 26 Rn. 2, 11; Koziol/Welser, BR I, S. 94 f. 72 Die Notrufzentrale ist Empfangsvertreterin der Bergrettung, unabhängig davon, ob sie von demselben Rechtsträger betrieben wird oder als unabhängige Einrichtung vertraglich zur Entgegennahme der Notrufe mit Wirkung für die Bergrettung ermächtigt ist (vgl. Oehler/Schulz/Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 5 ff. 73 Die Fälle, in denen die Bergrettung nach Weiterleitung der Information vom Notfall erst später von unbeteiligten Dritten erfährt, sind nicht selten. Insbesondere wenn der Betroffene oder unmittelbar anwesende Dritte nicht über die technischen Möglichkeiten für eine direkte Verständigung (Funk/Mobiltelefon) verfügen, sind oft die Alpenvereinshütten erster Anlaufpunkt, von denen aus der Hüttenwirt dann die Retter verständigen kann.

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1. Das Hilfeersuchen des Hilfsbedürftigen als wirksames Vertragsangebot Wirksames Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages ist das Hilfeersuchen, wenn es alle Merkmale einer wirksamen Willenserklärung aufweist und alle wesentlichen Rechtsfolgen des angestrebten (entgeltlichen) Vertrages enthält, so dass die Bergrettung einen solchen Antrag lediglich durch (konkludente) Erklärung ihres Einverständnisses im Wege der Zusage oder Initiierung des Einsatzes annehmen kann.74 a) Voraussetzungen einer wirksamen Willenserklärung Die Willenserklärung ist eine zur Kenntnisnahme durch andere bestimmte Äußerung, durch die der Erklärende zu erkennen gibt, dass eine bestimmte Rechtsfolge oder ein Komplex von Rechtsfolgen nach seinem Willen eintreten soll.75 Dieser Erklärung verleiht die Rechtsordnung nach dem Grundsatz der Privatautonomie rechtliche Wirkung, weil sie gewollt ist.76 Die Willenserklärung setzt sich also zusammen aus dem von einer Person gebildeten, auf eine bestimmte Rechtsfolge gerichteten Willen und dessen Kundgabe nach außen. Wille und Erklärung bilden gemeinsam den inneren und äußeren Tatbestand einer Willenserklärung.77 aa) Doppelnatur der Willenserklärung Diese Doppelnatur der Willenserklärung als Tatbestand aus objektiver Erklärung, die von einem entsprechenden subjektiven Willen des Erklärenden getragen sein muss, führt zu einem unausweichlichen Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Privatautonomie und dem im Rechtsverkehr erforderlichen Vertrauensschutz. Einerseits soll der Erklärende durch seinen Willen seine Rechtsverhältnisse selbst bestimmen können, andererseits muss der Empfänger (und aus Gründen der Rechtssicherheit der Rechtsverkehr insgesamt) darauf vertrauen können, dass die Erklärung auch dem wirklichen Willen des Erklärenden entspricht. Es stellt sich deshalb die grundsätzliche Frage, welche Teile des Tatbestands einer Willenserklärung für ihre Wirksamkeit Voraussetzung sind, wenn sich subjektive Vorstellung und objektive Erklärung nicht decken (Frage nach dem Vorrang der Privatautonomie oder des Vertrauens- und Verkehrsschutzgedankens). 74 Vgl. Medicus, AT, § 26 Rn. 358; Larenz/Wolf, AT, § 29 Rn. 16; Bydlinski, BR I AT, § 6 Rz. 1; Schwenzer, OR AT, N. 28.01 ff. 75 Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 1; Schwenzer, OR AT N. 27.01; Koziol/Welser, BR I, S. 83 f. 76 Medicus, AT, § 17 Rn. 175. 77 Vgl. Bydlinski, BR I AT, § 4 Rz. 4; BK-Bucher, Art. 1 N. 15; Schwenzer, OR AT, N. 27.02.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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Heute besteht trotz in Nuancen noch immer unterschiedlicher Auffassungen hinsichtlich der Gewichtung von privatautonomer Selbstbestimmung und Vertrauensschutz78 weitgehend Einigkeit, dass zum Tatbestand einer Willenserklärung nicht nur die Selbstbestimmung gehört, sondern dass den Erklärenden, der durch seine Erklärung am Rechtsverkehr teilnimmt, nach geltendem Recht auch eine Verantwortung hinsichtlich der Interessen des Verkehrs und des Vertrauens des Erklärungsempfängers trifft. Der Tatbestand einer Willenserklärung erschöpft sich deshalb nicht in der finalen, willenskonformen Gestaltung der Rechtsverhältnisse, sondern es genügt bereits ein Verhalten, das objektiv auf die Verwirklichung eines rechtsgeschäftlichen Willens schließen lässt, sofern der Handelnde mit einer solchen Deutung nach den Umständen rechnen konnte und musste. Auch die normativ zugerechnete Erklärung ist deshalb wirksame Willenserklärung.79 bb) Der Wille als innerer Tatbestand der Willenserklärung Der Wille zur Herbeiführung von Rechtsfolgen als subjektiver Teil des Tatbestands einer Willenserklärung setzt sich aus dem Handlungswillen, dem Erklärungsbewusstsein und dem Geschäfts- oder Rechtsfolgewillen zusammen.80 Der Handlungswille ist der Wille, eine Handlung, die objektiven Erklärungswert haben kann, überhaupt zu tätigen. Er ist nach herrschender Auffassung als subjektives Element conditio sine qua non für die Wirksamkeit einer Willenserklärung, da der Verkehrs- und Vertrauensschutz jedenfalls nicht soweit reichen soll, dass nicht willentlich getätigte Handlungen – etwa durch Gewalt erzwungene oder bloße Reflexbewegungen – zu einer rechtlichen Bindung des Handeln78

Vgl. Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144 Rn. 17 ff. MüKo-Kramer, Vor. § 116 Rn. 39; Bydlinski, JZ 1975, 1 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 10; Medicus, AT, § 24 Rn. 323; Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 3; Soergel-Hefermehl, Vor. § 116 Rn. 13; zum „Vertrauensprinzip“ in der Schweiz und Österreich, vgl. BK-Bucher, Art. 1 N. 6, BK-Schwenzer, Vorbem. zu Art. 23–31 OR N. 1 ff.; Schwenzer, OR AT, N 27.33 f. sowie Koziol/Welser, BR I, S. 90, 121 ff. Die Rechtsprechung geht von ähnlichen Grundsätzen aus. Den vom Reichsgericht geprägten Satz, dass „eine Partei ihre Erklärung in dem Sinne gegen sich gelten lassen müsse, wie ihn die Gegenpartei nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte auffassen durfte“ (RGZ 67, 431, 433; 68, 126, 128; 86, 86, 88; 95, 122, 124; 101, 401, 405 etc.) hat der Bundesgerichtshof übernommen (BGHZ 21, 102, 106 f.; 36, 30, 33; 47, 75, 78; 53, 304, 307; 56, 204, 210 und dogmatisch untermauert: „Das Recht der Willenserklärung baut nicht nur auf der Selbstbestimmung des Rechtsträgers auf; es schützt in §§ 119, 157 BGB das Vertrauen des Erklärungsempfängers und die Verkehrssicherheit, indem es den Erklärenden auch an nicht vorgestellte und, was dem gleich zu achten ist, an nicht bewusst in Geltung gesetzte Rechtsfolgen bindet“ (BGHZ 91, 324, 330, bestätigt in BGHZ 109, 171, 177; BGH NJW 1995, 953). 80 Vgl. Bork, § 15 Rn. 588 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 2 ff.; Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144 Rn. 26 ff.; vgl. auch Schwenzer, OR AT, N. 27.02; Bydlinski, BR I AT, S. 137 ff. 79

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

den führen.81 Am Handlungswillen wird es bei einem Hilfeersuchen, in welcher Form es auch immer erfolgt, wohl kaum je fehlen, denn selbst wenn – etwa auf weite Distanz – das Gestikulieren oder Rufen eines Bergsteigers von der Bergrettung oder Dritten als Hilfeersuchen (fehl-)interpretiert wird, ist derartiges Handeln meist von einem entsprechenden Willen des Bergsteigers oder Wanderers getragen. Eine andere Frage, nämlich die des Erklärungsbewusstseins und des Rechtsfolgewillens ist es, ob der vermeintlich Hilfsbedürftige hiermit eine Erklärung dieser Art abgeben, d.h. tatsächlich verbindlich um Hilfe bitten wollte. Unter dem Begriff des Erklärungsbewusstseins ist das Bewusstsein des Erklärenden zu verstehen, eine rechtlich relevante Erklärung abzugeben, d.h. sich darüber im Klaren zu sein, dass seine Erklärung rechtliche Wirkung hat.82 Ob das Erklärungsbewusstsein Voraussetzung für das Vorliegen einer wirksamen Willenserklärung ist, bleibt umstritten.83 Nach heute herrschender und vorzugswürdiger Ansicht ist das Erklärungsbewusstsein für die Wirksamkeit einer Willenserklärung wegen des Vorrangs von Vertrauens- bzw. Verkehrsschutz nicht unabdingbar. Der Erklärende trägt das Risiko, dass seine Erklärung als rechtsverbindliche Äußerung verstanden wird, wenn ihm dies nach den Umständen erkennbar sein konnte. Dann ist ihm die Erklärung als rechtsverbindlich zuzurechnen.84 Ob ein (vermeintliches) Hilfeersuchen auch von dem Bewusstsein des Er81 Bork, § 15 Rn. 589; Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144 Rn. 27; PalandtHeinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 16. Strenggenommen ist diese allgemein vertretene Position nicht mit dem Grundsatz des Vorrangs von Vertrauens- und Verkehrsschutz vereinbar. Denn jedes Verhalten ist potentiell Erklärungsakt, wenn er sich aus Sicht eines objektiven Empfängers als solcher darstellt, unabhängig von einem subjektiven Handlungswillen des (scheinbar) Erklärenden. Die hier aufgeführten Fälle (vis absoluta, Reflexhandlungen) sind dann meist schon objektiv keine Verlautbarungen oder als solche dem Erklärenden nicht zurechenbar (kritisch ebenfalls Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144 Rn. 27. Zur Bedeutung des Handlungswillens ebenfalls Schwenzer, OR AT, N. 36.03; BK-Bucher, Art. 1 N. 15 f. („Erklärungswille“). 82 Bork, § 15 Rn. 589; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 2 ff.; Koziol/Welser, BR I, S. 93; Schwenzer, OR AT, N. 27.44 f. 83 Vgl. Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 17; MüKo-Kramer, Vor § 116 Rn. 12. 84 Vgl. Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 17; Soergel-Hefermehl, Vor. § 116 Rn. 12; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 8; Bydlinski, Privatautonomie, S. 162 ff.; MüKo-Kramer, Vor § 116 Rn. 13; Erman-Brox, Vor § 116 Rn. 3; Flume, AT II, § 23/1; ebenso BGH NJW 1984, 2279, 2280; a. A. Enneccerus/Nipperdey, § 145 II A 4 Fn. 26; Staudinger-Coing, Einl. zu §§ 104 ff. Rn. 21 ff. und Staudinger-Dilcher, Vor. § 116 Rn. 18, 27, 80; kritisch gegenüber der h. M. ebenfalls Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144, Rn. 37 ff.; Hübner, AT, Rn. 338. Ob es sich letztlich beim Fehlen des Erklärungsbewusstseins um eine Willenserklärung handelt oder durch das zurechenbar geweckte Vertrauen des Erklärungsempfängers eine Vertrauenshaftung des Erklärenden in entsprechender Anwendung der Anfechtungsregeln auslöst (vgl. Hübner, AT, Rn. 676 ff.; Enneccerus/Nipperdey, § 145 II A 4; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 427 ff.), führt zu ähnlichen Ergebnissen. Dann hat der Erklärende jedenfalls das negative Interesse des auf die Wirksamkeit der Erklärung vertrauenden Erklärungsempfängers zu ersetzen, sei es nach Anfechtung der Erklärung oder aufgrund des gesetzten Vertrauenstatbestandes ((analog) § 122 BGB). Koziol/Welser, BR I, S. 93 f.; Schwenzer, OR AT, N. 27.44.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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klärenden getragen ist, eine rechtlich relevante Erklärung abzugeben, kann angesichts der im Gebirge oft herrschender Verständigungsschwierigkeiten fraglich sein, ist aber aus den genannten Gründen für die Wirksamkeit des Hilfeersuchens als Willenserklärung nicht Voraussetzung. Der Geschäfts- oder Rechtsfolgewille85 ist der Wille, dass bestimmte, in der objektiven Erklärung zum Ausdruck gebrachte Rechtsfolgen eintreten sollen. Wie die Regeln über die Anfechtungserklärung verdeutlichen, ist der Geschäftswille nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer wirksamen Willenserklärung. Sein Fehlen führt in den gesetzlich vorgesehenen Fällen lediglich zu ihrer Anfechtbarkeit. Der Erklärende trägt also das Risiko dafür, dass er den beabsichtigen Folgen in objektiv verständlicher und richtiger Weise Ausdruck verleiht.86 cc) Die Erklärung als äußerer Tatbestand der Willenserklärung Die subjektiven Willenselemente finden ihre Verkörperung in der nach außen dringenden Erklärung, d.h. der Verlautbarung des Willens. Da es wegen des Vorrangs von Vertrauens- bzw. Verkehrsschutz gegenüber dem Prinzip der Privatautonomie für die Wirksamkeit einer Willenserklärung maßgeblich auf den objektiven Erklärungswert ankommt, muss diese Verlautbarung von einem nach außen erkennbaren (Rechts-)Bindungswillen getragen sein und die jeweils angestrebten Rechtsfolgen in einem für das jeweils angestrebte Rechtsgeschäft ausreichend konkreten Umfang bezeichnen oder erkennen lassen (Rechtsfolgenbezeichnung).87 Die Verlautbarung des Willens als der eigentliche Erklärungsakt erfordert zunächst eine wahrnehmbare Handlung des Erklärenden, die einen objektiven Erklärungswert hat. Die Erklärung kann ausdrücklich oder konkludent durch ein Verhalten, das in der jeweiligen Situation eine bestimmte Bedeutung erkennen lässt, erfolgen. Bloßes Schweigen hingegen hat nur ausnahmsweise Erklärungswert.88 Ausdrücklich ist eine Erklärung, wenn der Erklärende seinen Willen expressis verbis äußert, so dass für ihr Verständnis nicht mehr auf die Umstände, die die Erklärung begleiten, zurückgegriffen werden muss. Der Wille ist der Er85

Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 9; Bork, § 15 Rn. 600. Vgl. Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144 Rn. 29; Bork, § 15 Rn. 600; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 9. 87 Vgl. Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 14; Erman-Palm, Vor § 116 Rn. 5; Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144 Rn. 29; Soergel-Hefermehl, Vor § 116 Rn. 19; konkret für die Willenserklärung als Vertragsangebot Bydlinski, BR I AT, S. 92 f.; Schwenzer, OR AT, N. 28.05 ff., 28.09. Der Rechtsbindungswille stellt also das nach außen sichtbare Erklärungsbewusstsein dar, die Rechtsfolgenbezeichnung ist die konkrete Verkörperung des Geschäfts- oder Rechtsfolgewillens in der jeweiligen Erklärung. 88 MüKo-Kramer, Vor § 116 Rn. 21 ff.; Bork, § 15 Rn. 567 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 15 ff.; Schwenzer, OR AT, N. 27.07; Koziol/Welser, BR I, S. 87 f. 86

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

klärung unmittelbar zu entnehmen.89 Eine konkludente Erklärung offenbart ihren Bedeutungsgehalt erst mittelbar durch eine Gesamtbetrachtung der Erklärung oder Handlung und der sie begleitenden Umstände. Als typische konkludente Willenserklärung gilt etwa die Inanspruchnahme von Waren und Dienstleistungen, die üblicherweise nur gegen Entgelt angeboten werden.90 Eine Verlautbarung mit Kundgabesinn, nämlich des Willens, gerettet zu werden, kann durch gezielten Notruf bei der Notrufzentrale oder der Bergrettungsorganisation selbst, durch Hilferufe oder durch allgemein anerkannte Notsignale erfolgen.91 Durch diese Verhaltensweisen erklärt der Hilfesuchende ausdrücklich oder jedenfalls durch schlüssiges Verhalten, dass er Hilfe benötigt. Für die Wirksamkeit des jeweiligen Hilfeersuchens als Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages ist über die reine Bitte um Hilfeleistung hinaus entscheidend, ob das Hilfeersuchen (die Verlautbarung) in seiner konkreten Form nach außen erkennen lässt, dass der Hilfesuchende eine rechtlich verbindliche Absprache über die geforderte Hilfeleistung (Rechtsbindungswille) einschließlich der daraus entstehenden Verpflichtung zur Zahlung eines Rettungsentgelts (Rechtsfolgenbezeichnung) treffen will. (1) Funktion des Rechtsbindungswillens und seine Bedeutung beim Hilfeersuchen Der Rechtsbindungswille dient zur Abgrenzung rechtlich verbindlicher Abreden von rechtlich unverbindlichen Gefälligkeiten, bloßen gesellschaftlichen Verpflichtungen und sonstigen unverbindlichen Aufforderungen.92 Der Rechtsverkehr kann nur dann auf das Vorliegen einer wirksamen Willenserklärung vertrauen, wenn aus der Erklärung die Intention des Erklärenden zu entnehmen ist, er wolle an das Erklärte rechtlich gebunden sein.93 In der Regel sprechen die Parteien einer Abrede nicht ausdrücklich über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Rechtsbindungswillens. In den Normalfällen 89

Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 15. Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144 Rn. 54, Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 17, 18; MüKo-Kramer, Vor § 116 Rn. 22 f. 91 Zu den im Gebirge gängigen Notsignalen vgl. Freudig/Martin, S. 162 ff. 92 Vgl. Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144 Rn. 29. Innerhalb der Gefälligkeiten wird nochmals unterschieden zwischen Gefälligkeiten, die besondere Sorgfaltspflichten auslösen, wenn sie vorgenommen werden, ohne dass die Gefälligkeitshandlung selbst als Hauptleistungspflicht besteht (sog. Gefälligkeitsverhältnis) und sog. reinen Gefälligkeiten, die keinerlei besondere rechtliche Auswirkungen haben sollen. Vgl. Fötschl, S. 90 mit weiteren Literaturhinweisen; Schwenzer, OR AT, N. 4.45 ff.; Koziol/ Welser, BR I, S. 84. 93 Zum Rechtsbindungswillen vgl. Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144 Rn. 29; Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 4; Medicus, AT, § 18 Rn. 191; BK-Bucher, Art. 1 N. 29 („Verpflichtungswille“); Koziol/Welser, BR I, S. 104 („Bindungswille“). 90

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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des geschäftlichen Verkehrs ist dies auch meist nicht erforderlich, weil ein Rechtsbindungswille den Erklärungen der Parteien unausgesprochen zugrunde liegt. Er ist vor allem dann anzunehmen, wenn das von den Parteien einer Abrede verfolgte Ziel nur durch eine Änderung der Rechtslage zu erreichen ist.94 Problematisch wird die Frage nach dem Rechtsbindungswillen – genauer: die Frage, ob einer Erklärung objektiv ein Rechtsbindungswille zu entnehmen ist –, wenn die Abrede bzw. die Erklärung als eine Gefälligkeit des täglichen Lebens95 oder in Situationen erfolgt, die vor allem durch ein persönliches Näheverhältnis des Erklärenden zum Erklärungsempfänger und/oder durch moralische, ethische oder sonstige besondere zwischenmenschliche Umstände besonders geprägt sind.96 Diese Konstellationen zeichnen sich dadurch aus, dass typischerweise die Motivations- und Interessenlage (Intimität, moralisch-sittliche Verpflichtungen, Ehrverständnis, gesellschaftliche Erwartungen) Grund für die Erklärenden ist, von der gegenseitigen Einhaltung einer Absprache auszugehen bzw. auf sie zu hoffen. Eine solche moralisch-ethische oder gesellschaftliche Erwartung ist mit dem Willen zu einer notfalls gesetzlich durchsetzbaren, rechtlichen Bindung wegen der gegensätzlichen Willensrichtung nur bedingt vereinbar.97 In Zweifelsfällen muss die Auslegung der Umstände des Einzelfalles deshalb ergeben, ob eine

94

Vgl. Fötschl, S. 87. Zu solchen Gefälligkeitshandlungen s. MüKo-Kramer, Einl. §§ 241 ff. Rn. 29 ff. 96 Vgl. Fötschl, S. 87, 88, der von einem „die Geschäftssphäre verdünnendem[r] Einfluss“ spricht und als Beispiele Familienbeziehungen, Freundschaft, Nachbarschaft, Kollegialität etc. anführt. Siehe auch Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 4. 97 Gesellschaftlich-moralische Erwartungen und Rechtsverbindlichkeit, die ggf. zu gesetzlichem Zwang führt, sind gegensätzliche Positionen, die sich zwar nicht per se, aber ab einem gewissen Punkt gegenseitig ausschließen. Die Rechtsordnung selbst trifft wertende Entscheidungen, in welchen Fällen eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung als solche Bestand haben soll und in welchen moralisch-gesellschaftliche Motive/Umstände eine solche verbieten. Eine klare Grenze zwischen rechtsgeschäftlich privatautonom regelbarer Materie und solchen Inhalten, die der verbindlichen rechtlichen Regelung entzogen sind, ist nicht erkennbar. Auf der einen Seite stehen Konstellationen, in denen die rechtliche Verbindlichkeit einer Abrede von Rechts wegen ausgeschlossen ist (etwa wegen Sittenwidrigkeit, § 138 BGB, vgl. Palandt-Heinrichs, § 138 Rn. 46 ff. zu Ehe und Familie; auch die Kommerzialisierung kann einen Sittenverstoß begründen, wenn die Vereinbarung eines Entgelts in dem betreffenden Lebensbereich anstößig ist, z. B. Entgeltzusagen für die Vermittlung von Patienten, OLG Hamm NJW 1985, 679). Auf der anderen Seite steht das Prinzip der Privatautonomie, nach dem die Parteien grundsätzlich im Rahmen der Rechtsordnung frei sein müssen, ihre Beziehungen selbständig rechtlich verbindlich zu gestalten (Wirksam etwa der Verzicht auf ein entstandenes Scheidungsrecht, BGHZ 97, 304, oder Abfindungszahlung im Falle der Scheidung, BGH NJW 1990, 703. Nicht ohne weiteres anstößig ist auch die Vereinbarung einer Vergütung für Hilfe in einer Notlage, BGHZ 69, 299 („Fluchthelfervertrag“)). Wenn für eine große Zahl von Fällen deshalb eine wertende Betrachtung der jeweiligen Absprache (Erklärungen) ergeben muss, ob den Umständen nach eine rechtsverbindliche Einigung gewollt wird, so liegt darin aufgrund des objektiv-normativen Maßstabes immer auch eine rechtspolitische Wertung dahingehend, was noch vertraglich regelbar ist und was nicht. Vgl. zu dieser Problematik insgesamt Flume, AT II, § 7. 95

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Erklärung rechtsgeschäftlichen Charakter hat, oder ob die genannten Erwartungen gegen einen Rechtsbindungswillen sprechen.98 Gerade bei Hilfeleistungsabreden in Notfällen stellt sich die Frage, ob es sich um rechtsverbindliche Absprachen oder um reine Gefälligkeiten bzw. moralischethische Verpflichtungen handelt. Bei der Bitte um Hilfeleistung in Notfällen muss deshalb danach gefragt werden, ob das Hilfeersuchen als rein gesellschaftliche oder moralische Aufforderung zur Hilfeleistung, mithin als Appell an das Pflichtbewusstsein eines Mitmenschen zu werten ist oder als eine Erklärung angesehen werden kann, die auf die Rechtsverbindlichkeit der erbetenen Hilfe abzielt. Das Merkmal des Rechtsbindungswillens als Abgrenzungskriterium zwischen Gefälligkeit und Vertrag wird wegen der zu seiner Bestimmung erforderlichen Wertungen zuweilen als reine Fiktion scharf kritisiert.99 Zwar ist dieser Kritik darin zuzustimmen, dass die Beteiligten sich in der jeweiligen Situation, insbesondere die Betroffenen in dringlichen Notsituationen, keinerlei Gedanken über eine mögliche Rechtsverbindlichkeit ihrer Erklärungen und Abreden machen und deshalb in erheblichem Maße Wertungen von „außen“ zur Beantwortung dieser Frage erforderlich sind. Dies ist jedoch ein generelles Phänomen und „Problem“ jedes auf dem Prinzip der Privatautonomie aufbauenden rechtsgeschäftlichen Systems. Eine Rechtsordnung, die privatautonome, d.h. willensbasierte Rechtsgestaltung zum Grundsatz erhebt, muss eine Antwort dafür bereithalten, wann der Wille zur Rechtsänderung vorliegt und wann nicht. Diese Antwort kann bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung nur in der Interpretation der nach außen tretenden, den Willen verkörpernden Erklärung liegen, da der Wille selbst ein subjektives, rein innerliches Element ist. Der Erklärungsempfänger bzw. der Rechtsverkehr insgesamt muss wegen des rechtsgestaltenden Effekts und der daraus erwachsenden Bedeutung für die Rechtssicherheit auf den nach außen erkennbaren Erklärungsinhalt vertrauen können.100 98

Vgl. BGHZ 21, 102, 106/107. So vor allem Flume, AT II, § 7/7, S. 91. Ähnlich auch der BGH (BGHZ 43, 72, 76: Es handele sich bei dem Zurückgreifen auf den angeblich erklärten Parteiwillen um eine Fiktion, mit der ein vom Richter als angemessen angesehenes Ergebnis begründet werden soll. Vgl. auch Medicus, AT, § 18 Rn. 191. 100 Vgl. ebenfalls Fötschl, S. 102; MüKo-Kramer, Einl. §§ 241 Rn. 29. Wenn über den Rechtsbindungswillen hinaus oder gar an seiner Stelle als Kriterium eine „normative Verbindlichkeit“ bzw. ein „Spruch der Rechtsordnung“ vorgeschlagen wird (Hepting, S. 209 ff.), so ist daran allenfalls richtig, dass die Entscheidung über die Verbindlichkeit einer Erklärung letztlich von normativen, rechtspolitischen Überlegungen bestimmt sein kann. Ausgangspunkt muss aber immer der nach den Umständen des Falles objektiv zu ermittelnde Wille des Erklärenden sein. Ein normatives Kriterium birgt die Gefahr, dass dann vorschnell von der erforderlichen Ermittlung des Willens des Erklärenden Abstand genommen wird. Im Ergebnis dürfte sich die Theorie der normativen Verbindlichkeit aber von einer objektiv-normativen Auslegung der Erklärung nicht unterscheiden. 99

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Die Zivilgesetzbücher schweigen regelmäßig zu der Frage des Rechtsbindungswillens und seiner Feststellung.101 Die Rechtsprechung (und im Anschluss daran auch die Literatur) hat sich in einer Reihe von Fällen mit der Frage der Abgrenzung von verbindlichen Vereinbarungen und unverbindlichen Abreden mit Gefälligkeitscharakter auseinandergesetzt. Als maßgebliche Kriterien zur Feststellung des Rechtsbindungswillens sind dabei unter anderem die Gesamtsituation102, die Form der Abrede103, die Interessenlage der Parteien,104 die fehlende Vergleichbarkeit mit typischen Vertragsabreden105 und die Art der Gefälligkeit,106 die inhaltliche Bestimmtheit des Leistungsprogramms,107 Grund und Zweck der Abrede,108 der Wert einer anvertrauten Sache, das Schadensrisiko des Begünstigten, das Haftungsrisiko des Leistenden sowie die rechtliche bzw. wirtschaftliche Bedeutung der Abrede für die Parteien genannt worden.109 Damit sind freilich nur einzelne Aspekte umschrieben, die es im Rahmen der Auslegung einer Verlautbarung/Erklärung zu Ermittlung ihres Inhalts einschließlich ihrer Rechtsverbindlichkeit zu berücksichtigen gilt. Erforderlich bleibt bei der Auslegung stets die Würdigung sämtlicher relevanter Umstände des jeweiligen Einzelfalles.110 101 Kritisch dazu Plander, AcP 176 (1976), 425, 437 ff. Art. 2:101 PECL bestimmt ausdrücklich: „Ein Vertrag ist geschlossen, wenn: (a) die Parteien den Willen haben, rechtlich gebunden zu sein [. . .]“ (v. Bar/Zimmermann, PECL). 102 So die Schlussfolgerung Fötschls aus OGH ÖJZ 1977, 155, vgl. Fötschl, S. 97. 103 OGH ÖJZ 1977, 155. Die Richter stellen hier darauf ab, dass die Abrede in einem gerichtlichen Vergleich getroffen wurde. 104 Medicus, AT, § 18 Rn. 192; Schwenzer, OR AT, N. 4.46. 105 So OGH RIS-Justiz RS0013956: Das Anbieten einer Mitfahrgelegenheit stelle mangels rechtsgeschäftlichen Charakters keine Schenkung und mangels Entgeltlichkeit keinen Beförderungsvertrag dar. Es liege ein Gefälligkeit vor. Dieser Rückschluss ist von Fötschl zu Recht als Zirkelschluss entlarvt worden, denn wenn man wie der OGH den rechtsgeschäftlichen Charakter verneint, so ersetzt das keinesfalls die Begründung für diese Ansicht. Negativabgrenzungen aus fehlender Vergleichbarkeit zu typischen Vertragsarten geben keine positive Antwort auf die Frage, ob die konkrete Abrede nicht doch verbindlich gewollt ist. Der Vorschlag Fötschls, umgekehrt die Ähnlichkeit der Abrede zu einem typischen Vertragstyp als Indiz für den rechtsgeschäftlichen Charakter heranzuziehen, ist hingegen richtig. Auch dieses Indiz wird aber gerade bei den typischen Problemfällen bei der Abgrenzung zwischen Gefälligkeit und Auftrag wenig zu einer Lösung beisteuern. 106 BGHZ 21, 102 ff.; Schwenzer, OR AT, N. 4.46. 107 So Fötschl mit Hinweis auf OLG Frankfurt NJW 1965, 1334. 108 Schwenzer, OR AT, N. 4.46. 109 Zu den Kriterien insgesamt vgl. BGHZ 21, 102, 106/107 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen; BGH NJW 1956, 1313; NJW 1974, 1705 mit Anmerkung Kornblum, JuS 1976, 571; Fötschl, S. 97 ff., 101 ff.; zur Unentgeltlichkeit als Voraussetzung für die Unverbindlichkeit einer Gefälligkeit BGHZ 21, 102, 106. 110 Ob die genannten (Auslegungs-)Kriterien im Einzelfall eine entsprechende Interpretation zulassen, muss jeweils genau hinterfragt werden (zu unkritisch Fötschl, S. 91, 98 ff.). Zur Kasuistik der Rechtsprechung s. MüKo-Kramer, Einl. §§ 241 ff. Rn. 31.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

(2) Rechtsfolgenbezeichnung: Mindestinhalt und Wechselwirkung Die (Rechts-)Folgenbezeichnung der Erklärung umfasst die in der Verlautbarung zum Ausdruck kommenden Ziele oder Regelungen, die der Erklärende anstrebt. In der Bezeichnung der Rechtsfolgen kommt objektiv der (vermeintliche) Geschäftswille des Erklärenden zum Ausdruck. Eine Willenserklärung muss einen Mindestinhalt haben, d.h. bestimmte oder bestimmbare objektiv nachvollziehbare Regelungen (Rechtsfolgen) enthalten, denen die Rechtsordnung rechtliche Verbindlichkeit verleihen kann. Bei einem Vertragsangebot ist es deshalb notwendig, dass die Erklärung wenigstens die wesentlichen Elemente (essentialia negotii – Parteien und Vertragspflichten) des intendierten Vertrages (gesetzlichen Vertragstyps) erkennen lässt oder, wenn es sich um eine atypische Abrede handelt, eine sinnvolle, in sich geschlossene und verständliche Regelung enthält.111 Nicht erforderlich ist, dass der Erklärende explizit alle Rechtsfolgen als solche bezeichnet. Es reicht aus, wenn er seine angestrebten tatsächlichen oder wirtschaftlichen Ziele in laienhafter Form zu erkennen gibt und sich seiner Erklärung entnehmen lässt, dass er diese als rechtsverbindlich anstrebt.112 Rechtsbindungswille und inhaltliche Bezeichnung der intendierten Folgen lassen sich kaum voneinander trennen. Dass die angestrebten Folgen der Erklärung nämlich Rechtsverbindlichkeit erlangen und damit Rechtsfolge werden sollen, setzt einen entsprechenden Rechtsbindungswillen erst voraus. Umgekehrt erschließt sich die Tatsache, dass die Verlautbarung bestimmter intendierter Ziele rechtsverbindlichen Charakter haben soll, häufig erst aus ihrem Inhalt. Dies verdeutlicht, dass Rechtsbindungswille und Folgenbezeichnung eng miteinander verknüpft sind und zwischen beiden Merkmalen eine (indizielle) Wechselwirkung besteht. Je detaillierter die angestrebten Folgen einer Erklärung bezeichnet sind und je stärker sie sich dabei an typischen, im allgemeinen Geschäftsverkehr üblichen rechtsgeschäftlichen Zielen orientieren, desto eher wird man der Erklärung entnehmen können, dass sie rechtsverbindliche Wirkung haben soll. Je spärlicher der Erklärungsinhalt ist und je ungewöhnlicher er sich im Vergleich zu im Geschäftsverkehr üblichen rechtsgeschäftlichen Zielen verhält, desto schwerer fällt es, der Erklärung einen Rechtsbindungswillen zu entnehmen.113

111 Bork, § 18 Rn. 711 ff.; Bydlinski, BR I AT, S. 92 f.; Schwenzer, OR AT, N. 28.05 ff., 28.09. 112 Sog. Grundfolgentheorie. Zu den Positionen der Grundfolgen- und Rechtsfolgentheorie vgl. MüKo-Kramer, Vor. § 116 Rn. 14; Koziol/Welser, BR I, S. 87 („gemäßigte Rechtsfolgentheorie“). Sind die Rechtsfolgen der Erklärung nur rudimentär angedeutet, so können materielle Auslegungsregeln, dispositives Gesetzesrecht und ergänzende Auslegung u. U. zur Ergänzung der Erklärung herangezogen werden. 113 Besondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn zwar inhaltlich eine vollständige Regelung im rechtsgeschäftlichen Sinne vorliegt, aufgrund besonderer Umstände (Näheverhältnis, Gefälligkeitscharakter etc.) daraus aber nicht ohne weiteres auf den Rechtsbindungswillen geschlossen werden kann.

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(3) Ermittlung des Erklärungsinhalts durch Auslegung Ob ein Hilfeersuchen rechtsverbindliche Erklärung ist und die Bereitschaft signalisiert, ein Entgelt für die Hilfeleistung zu entrichten, muss – wie bereits mehrfach angeklungen ist – letztlich regelmäßig durch Auslegung des Hilfeersuchens im Einzelfall ermittelt werden. Maßstab für die Auslegung ist aufgrund des gegenüber dem Willen des Erklärenden vorrangigen Verkehrsschutzes der aus Sicht des Erklärungsempfängers objektiv zu entnehmende Inhalt der Erklärung.114 Bei der Betrachtung der Verlautbarung aus dieser Perspektive sind alle dem Erklärungsempfänger im Einzelfall erkennbaren Umstände zu berücksichtigen, die für den Inhalt der Erklärung und deren Verbindlichkeit Rückschlüsse zulassen. Die Erklärung ist so aufzufassen, wie sie ein objektiver Betrachter in der Position des Erklärungsempfängers nach den Umständen verstehen durfte.115 Bei der Auslegung sind zudem der Grundsatz von Treu und Glauben und die Gepflogenheiten der relevanten Verkehrskreise (Verkehrssitte) zu beachten, um eine redliche Interpretation der Verlautbarung zu gewährleisten und dem üblicherweise bestehenden Verständnis einer Verlautbarung Rechnung zu tragen.116 Die Interpretation einer Erklärung und damit auch des Hilfeersuchens hängt maßgeblich von Perspektive und Maßstab sowie den hierbei zugrunde gelegten Kriterien ab. b) Die Rechtsverbindlichkeit von Hilfeleistungsabreden in Notfällen Zur Frage der Rechtsverbindlichkeit von Hilfeleistungsabreden bieten die hierzu relevanten Quellen ein uneinheitliches Bild. aa) Rechtsprechung und Literatur In der älteren deutschen Lehre und Rechtsprechung finden sich in einer Reihe von Nothilfefällen Beispiele dafür, dass der Rechtsbindungswille des Hilfeersuchens bejaht und die jeweilige (Hilfeleistungs-)Abrede als Vertrags- bzw. Auftragsverhältnis eingestuft wurde. In diesen Fällen ging es primär um den Ersatz 114 Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 3; Staudinger-Singer, § 133 Rn. 25. Zur Auslegung von Willenserklärungen nach österreichischem und schweizerischen Recht, das keine hier ins Gewicht fallenden Unterschiede erkennen lässt, vgl. Schwenzer, OR AT, N. 27.33 ff., 27.43; BK-Wiegand, Art. 18; Koziol/Welser, BR I, S. 91 ff.; Bydlinski, BR I AT, S. 108 ff.; KBB-Bollenberger, § 914. 115 Koziol/Welser, BR I, S. 90 ff.; Schwenzer, OR AT, N 27.34 ff., insb. 41; Larenz/ Wolf, AT, § 28 Rn. 3 ff., 15 ff. 116 MüKo-Mayer-Maly, § 157 Rn. 3 ff.; Palandt-Heinrichs, § 133 Rn. 20; StaudingerSinger, § 133 Rn. 52 ff.; Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 43 ff.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

von Schäden, die der Nothelfer bei der Hilfeleistung erlitt. Der Ersatz von solchen Nothilfeschäden konnte nach damaliger Rechtsprechung nicht als Aufwendungsersatz nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag beansprucht werden, da Schäden aus einem Risiko, das der Helfer bewusst übernahm, nicht als „Aufwendungen“ i. S. d. §§ 670, 683 BGB anerkannt wurden.117 Dieses als unbillig empfundene Ergebnis hat das Reichsgericht dadurch zu umgehen versucht, dass es nicht nur dem Hilfeersuchen rechtsgeschäftlichen Charakter zusprach und die Hilfeleistungsabrede als Vertrags- bzw. Auftragsverhältnis qualifizierte, sondern darüber hinaus in dem Hilfeersuchen sogar zusätzlich die (konkludente) verbindliche Zusage des Hilfsbedürftigen erblickte, für etwaige Schäden des Nothelfers einstehen zu wollen.118 Mit einer Entscheidung aus dem Jahre 1941 vollzog das Reichsgericht dann eine Kehrtwende. Nun sollten auch Schäden des Nothelfers unter bestimmten Voraussetzungen als ersatzfähige Aufwendungen des Geschäftsführers ohne Auftrag gelten.119 Die spontane Nothilfe unter Privaten wird seitdem nicht mehr als rechtsgeschäftliche Einigung betrachtet. Die neueren Entscheidungen nehmen zur Frage der Rechtsverbindlichkeit von Hilfeleistungsabreden meist gar nicht mehr Stellung, sondern lösen die sich stellenden Fragen nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag.120 In der Literatur bestehen verschiedene Standpunkte.121 Manche Autoren ziehen wie die neuere Rechtsprechung eine rechtsgeschäftliche Einigung zwischen Nothelfer und Hilfsbedürftigem erst gar nicht in Betracht und votieren so indirekt gegen eine rechtsgeschäftliche Wirkung des Hilfeersuchens.122 Stoll spricht sich bei Not- und Hilferufen grundsätzlich gegen einen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen aus, da insbesondere der Hilferuf gegenüber einer amtlichen Stelle eine Aufforderung sei, von Amts wegen tätig zu werden. Es widerspreche der Lebensanschauung, einen Hilferuf mit dem Risiko einer rechtsgeschäftlichen 117

RG JW 1909, 311 Nr. 7. Féaux de la Croix, JW 1939, 457, 458; RG JW 1914, 676; JW 1927, 441; JW 1931, 3441; JW 1937, 152; RGZ 94, 169; RGZ 98, 195. A. A. bereits RG JW 1909, 311. Gegenstand dieser Entscheidungen war häufig die Aufforderung an Privatpersonen von behördlicher Seite, an der Beseitigung eines Notstandes (Brandbekämpfung, Einfangen eines tollwütigen Hundes) mitzuwirken (Überblick über die ältere Rechtsprechung bei v. Hippel, S. 171, 175 Fn. 20). 119 RGZ 167, 85, 86 f. 120 BGHZ 33, 251; 52, 115; weitere Rechtsprechungsnachweise zur Geschäftsführung ohne Auftrag bei MüKo-Seiler; § 680 Rn. 2. Ausdrücklich Stellung genommen hat aber das BayObLG (BayVBl. 1979, 185), das einem Hilferuf den rechtsgeschäftlichen Charakter absprach, weil diesem kein Vertrags- bzw. Genehmigungswille zu entnehmen sei. Die österreichische und schweizerische Rechtsprechung bieten zu dieser Frage, soweit ersichtlich, keine Beispiele (vgl. Fötschl, S. 98; Rösler, S. 84 f.). 121 s. o. A. II. 3. 122 So etwa v. Hippel, S. 171 ff.; Michalek, S. 240 ff. Beide beziehen sich in ihren Ausführungen nur auf Ansprüche der Retter aus Geschäftsführung ohne Auftrag und Delikt. 118

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Haftung zu belasten.123 Maurer verneint – ohne nähere Begründung – eine rechtsgeschäftliche Absprache aufgrund der Umstände einer Notsituation, zieht dann aber Vertragsgrundsätze analog heran, je nachdem „welchen Vertrag die Parteien wohl abgeschlossen hätten, wäre die Situation dazu geeignet gewesen, eine Regelung im Rahmen der Privatautonomie zu finden“.124 Einige Autoren sind der Auffassung, dass jedenfalls noch nicht das (jedes) Hilfeersuchen selbst rechtsgeschäftliche Wirkung habe. Zum Teil wird eine (konkludente) rechtsgeschäftliche Einigung erst beim Eintreffen der Retter am Unfallort für möglich gehalten,125 teilweise wird danach differenziert, ob sich der Hilfesuchende per Notruf an die Rettungsleitstelle wendet – dann gehen die Autoren von einem verbindlichen Vertragsangebot aus – oder ob es sich um einen „allgemeinen“ Hilferuf handelt, dem ein Vertragswille nicht zu entnehmen sei.126 Nef hingegen sieht in einem Hilfeersuchen grundsätzlich eine rechtsgeschäftliche Auftragserteilung.127 bb) Differenzierung: Hilfeleistungsabrede zwischen Privatpersonen oder mit einer Hilfsorganisation Eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Rechtsverbindlichkeit von Hilfeleistungsabreden hat Fötschl unternommen.128 Er unterscheidet danach, ob die Hilfeleistungsabrede zwischen Privatpersonen getroffen oder ob die Hilfeleistung durch professionelle Retter vorgenommen wird.129 Hilfeleistungsabreden zwischen Privatpersonen in Notfällen sind laut Fötschl in der Regel nicht als rechtsverbindlich einzustufen. Das Interesse des Helfers, nicht vertraglich an seine Hilfeleistungszusage gebunden zu sein und seine Hilfsbemühungen – insbesondere bei einer Selbstgefährdung – jederzeit abbrechen zu 123 Stoll, S. 411, 413. Eine andere Einschätzung sei aber gerechtfertigt, wenn nahe Angehörige des zu Rettenden oder sonstige Personen, die ihm gegenüber eine Fürsorgepflicht haben, erkennbar aufgrund dieser Verantwortung einen einzelnen Helfer zu einem Einsatz veranlassen. 124 Maurer, S. 37 ff. in Anlehnung an Graf, S. 355 ff. Bei Hilfeleistungsabreden zwischen Privaten sei Auftragsrecht, unter Beteiligung professioneller Helfer Werkvertragsrecht entsprechend heranzuziehen. 125 Beulke (S. 135), Portner (S. 19 ff.) und Lippert/Weissauer (S. 107) gehen davon aus, dass eine rechtsgeschäftliche Einigung erst am Unfallort erzielt wird und verneinen damit konkludent die Möglichkeit eines Vertragsschlusses durch Hilfeersuchen und Initiierung des Rettungseinsatzes. 126 Oehler/Schulz/Schnelzer (Art. 24 BayRDG a. F., S. 5, 7) gehen davon aus, dass derjenige, der sich an die Rettungsleitstelle wendet, ein verbindliches Vertragsangebot unterbreitet. Der Hilferuf als solcher sei hingegen noch nicht Ausdruck eines Vertragswillens. Die Möglichkeit eines Auftrags ebenfalls in Erwägung ziehend Frank, SJZ 1976, 185. 127 Nef, S. 155 (und 360). 128 Fötschl, S. 85 ff. 129 Vgl. Fötschl, S. 99, 101 und 128.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

können, müsse gegenüber dem Interesse des Hilfsbedürftigen an einer möglichst verlässlichen Abwendung der Notsituation und damit an der rechtlichen Bindung des Helfers an seine Hilfeleistungszusage überwiegen. Niemand sei zivilrechtlich verpflichtet, „der Hüter eines ihm beziehungslos gegenüberstehenden Fremden zu sein“. Ein solcher Zustand sei wegen seiner freiheitsbeschränkenden Wirkung für das Gemeinwesen geradezu unerträglich.130 In Situationen dringender Hilfeleistung fehle es beiden Parteien zudem erkennbar an dem Bewusstsein, eine rechtlich verbindliche Regelung zu schaffen. Außerdem werde in Notsituationen in aller Regel die zu erbringende Hilfeleistung nicht hinreichend bestimmt. Der Helfer lege in der Abrede lediglich fest, dass er sich um die Abwendung der Gefahr oder das Herbeiholen weiterer Hilfe bemühe. Die konkreten Maßnahmen blieben aber in seinem Ermessen. Ein Hilfeersuchen (Hilferuf) enthalte in der Regel auch keine ausreichend bestimmte Weisung hinsichtlich der zu erbringenden Tätigkeit. Der Leistungsinhalt für eine rechtsverbindliche Absprache sei deshalb zu unbestimmt.131 Im beruflichen oder geschäftlichen Bereich, also bei Hilfeleistungsabsprachen mit professionellen Rettern, sei hingegen grundsätzlich von einem Vertragsschluss auszugehen. Hat der Hilfeleistungsempfänger oder eine vertretungsberechtigte Person mit einem professionellen Retter in irgendeiner Form kommuniziert oder hat der Empfänger die Hilfe ohne möglichen Widerspruch angenommen, sei ein Vertragsschluss anzunehmen.132 Der Hilfeleistungsempfänger müsse dann erkennen, dass der Retter das Entgelt für seine Leistung rechtlich absichern will. Auch vertraue der Hilfsbedürftige in solchen Fällen gerade auf die fachliche Qualifikation der beruflich tätigen (professionellen) Helfer, so dass von einem Bindungswillen des Hilfesuchenden auszugehen sei.133 cc) Stellungnahme Angesichts der verschiedenen Einzelfälle, die die Entscheidungen und Auseinandersetzungen in Rechtsprechung und Literatur jeweils im Auge haben, und der essentiellen Bedeutung der Einzelfallumstände für die Auslegung einer Erklärung kann eine allgemeingültige Aussage zum Rechtsbindungswillen bei einem Hilfeersuchen nicht getroffen werden. Dennoch scheint es möglich, Kriterien herauszustellen, die in den jeweiligen Situationen grundsätzlich für oder gegen den rechtsverbindlichen Charakter eines Hilfeersuchens sprechen. 130

Fötschl, S. 99. Fötschl, S. 100 und S. 122. 132 So auch Nef, S. 157. 133 Fötschl, S. 101, 128 mit Hinweis auf Gehrlein, VersR 2000, 415 ff. Damit ist – wenn auch unausgesprochen – wohl gemeint, dass sich der Hilfesuchende die Fachkenntnisse des Berufsretters unbedingt zunutze machen und ihn deshalb rechtlich binden will. 131

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Im Ergebnis ist Fötschl sowohl hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Hilfeleistungsabreden unter Privaten und unter Beteiligung professioneller Retter als auch in Hinsicht auf seine generelle Einschätzung der Rechtsverbindlichkeit solcher Absprachen zuzustimmen. Allerdings vermag seine Begründung nicht zu überzeugen. (1) Hilfeleistungsabreden unter Privatpersonen Dem Argument, die Abwägung der Interessen des Helfers und des Hilfeleistenden habe zugunsten der Freiheit des Hilfeleistenden auszufallen,134 liegt notwendig die Vorstellung zugrunde, dass bei einer Hilfeleistungsabrede zwischen Privaten das Interesse des Hilfsbedürftigen an einer verbindlichen Abrede überwiegen und zu einer rechtlichen Bindung des Helfers führen könne.135 Es bedarf bei der Feststellung der Rechtsverbindlichkeit aber nicht einer Gesamtbetrachtung der Abrede und einer Abwägung der beiderseitigen Interessen mit dem Ergebnis, dass das überwiegende Interesse den Ausschlag für oder gegen die Rechtsverbindlichkeit der Abrede gibt. Die Rechtsverbindlichkeit ist (objektives) Element einer Erklärung.136 Ob eine Abrede nach dem Willen der sie schließenden Parteien rechtsverbindlichen Charakter haben soll, ist eine Frage der sie konstituierenden Erklärungen. Es ist deshalb strikt zwischen den Erklärungen, die zu der Hilfeleistungsabrede führen, zu trennen und separat zu ermitteln, ob sie jeweils objektiv erkennen lassen, dass die Abrede verbindlich oder unverbindlich gewollt ist. Nur wenn beide Erklärungen übereinstimmend rechtsverbindlich gewollt sind, ist die Abrede bindend.137 Ist auch nur einer dieser beiden Erklärungen ein Rechtsbindungswille nicht zu entnehmen, scheidet eine rechtsgeschäftliche, d.h. rechtlich verbindliche Regelung zwischen den Parteien mangels übereinstimmender wirksamer (Willens-)Erklärungen aus. Ein noch so schwerwiegendes Interesse der einen Partei an der Rechtsverbindlichkeit der Abrede kann niemals einseitig zu einer Bindung der anderen Seite und damit zu einer Beschränkung der Freiheit (Privatautonomie) des Gegenüber führen.138 Der Helfer bleibt gegenüber dem Hilfsbedürftigen grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob er dem Hilfeersuchen nachkommen will oder nicht, und zwar unabhängig davon, ob das Hilfeersuchen rechtsverbindlichen Charakter hat oder nicht.139 134

Fötschl, S. 99. So zumindest missverständlich auch BGH NJW 1974, 1705, 1706. 136 Vgl. oben a) cc) (1). 137 MüKo-Kramer, Einl. §§ 241 ff. Rn. 28 m.w. N. Die Interessen des Erklärenden fließen, soweit sie dem Erklärungsempfänger erkennbar sein müssen, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben in die Auslegung der Erklärung ein [vgl. oben a) cc) (3)]. 138 Ähnlich die Kritik Gehrleins am BGH (VersR 2000, 415, 417). 139 Das Argument Fötschls, der Helfer würde durch die Annahme eines Rechtsbindungswillens unzumutbar in seiner (Entscheidungs-)Freiheit beschränkt, ist deshalb verfehlt. 135

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Gleiches gilt im umgekehrten Fall: auch wenn der Helfer seine Hilfeleistung mit der Intention anbietet, dass dadurch eine verbindliche Abrede zustande kommt, so steht es dem Hilfsbedürftigen frei, dem zuzustimmen. Nur wenn er sich (äußerlich erkennbar) auch mit der Rechtsverbindlichkeit einverstanden erklärt, kann von einer rechtsgeschäftlichen Einigung die Rede sein.140 Hilfeersuchen und (spontane) Hilfeleistung als die eine Hilfeleistungsabrede konstituierenden Erklärungen lassen sich bei der Hilfeleistung zwischen Privatpersonen in der Regel nicht als rechtsverbindlich intendierte Erklärungen auslegen. Entgegen anderen Auffassungen141 kann dem Hilfesuchenden, der sein Hilfeersuchen an eine Privatperson richtet, grundsätzlich keine Intention unterstellt werden, den Helfer rechtlich binden zu wollen. Der Hilfesuchende ist zwar an einer möglichst verlässlichen Hilfeleistung interessiert, doch kann aus diesem Interesse nicht ohne weiteres der Wille hergeleitet werden, den Helfer rechtlich zu binden. Der Hilfesuchende kann und wird von einem Fremden nicht erwarten, dass dieser sich zur Hilfeleistung rechtlich verpflichtet. In Not- und Unglücksfällen ist der Hilfesuchende grundsätzlich auf das Mitgefühl und Pflichtbewusstsein seiner Mitmenschen angewiesen, soweit keine darüber hinausreichende, konkrete Fürsorgepflicht des Helfers gegenüber dem Hilfsbedürftigen besteht.142 Es exis140 Es trifft zu, dass in der Regel eine rechtsgeschäftliche, verbindliche Einigung erfolgt, wenn der Rechtsbindungswille einer Erklärung (Angebot) aus Sicht des Erklärungsempfängers wegen des erkennbar besonderen Interesses des Erklärenden an der Verbindlichkeit der Abrede deutlich zu entnehmen ist. Die schlichte Einverständniserklärung des Angebotsempfängers bezieht sich dann nämlich auch auf den erkennbaren Rechtsbindungswillen des Angebots. Der Erklärungsempfänger kann objektiv und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht sein Einverständnis mit dem Angebot zum Ausdruck bringen und sich später darauf berufen, seine Zustimmung sei nicht rechtsverbindlich gewollt gewesen. Den Umständen nach musste der Antragende dann nämlich objektiv von der Rechtsverbindlichkeit auch der Annahmeerklärung ausgehen. Aufgrund der Wechselseitigkeit der jeweiligen Erklärungen kann das besondere Interesse einer Partei sich deshalb zwar auf die Rechtsverbindlichkeit einer Abrede auswirken. Sie muss aber Ergebnis eines entsprechenden Auslegungsprozesses der Erklärungen selbst, nicht der Abwägung der beiderseitigen Interessen sein. Bei der Hilfeleistung in Notsituationen ist zudem fraglich, ob die Wechselwirkung der Erklärungen in gleichem Maße zum Tragen kommt, da hier ein den Rechtsbindungswillen deutlich erkennbar machendes Interesse nicht besteht (s. sogleich). 141 Nef, S. 155, der den generellen Bindungswillen des Hilfesuchenden wohl mit dem dringenden Interesse des Hilfesuchenden am Schutz seiner hochwertigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit begründet. Missverständlich zumindest Fötschl, S. 99, der die Abwägung der Interessen von Helfer und Hilfesuchenden im Zusammenhang mit der Frage der Rechtsverbindlichkeit der Abrede als „schwierig“ bezeichnet. 142 Vgl. Fötschl, S. 99 der zu Recht betont: „Niemand ist zivilrechtlich verpflichtet, der Hüter eines ihm beziehungslos gegenüberstehenden Fremden zu sein.“ Schutz- und Fürsorgepflichten setzen grundsätzlich voraus, dass die Beteiligten in einer rechtlichen Sonderverbindung zueinander stehen (vgl. MüKo-Kramer, § 242 Rn. 119 ff., 198 ff.).

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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tiert lediglich die allgemeine Hilfeleistungspflicht eines jeden Bürgers, seinen Mitmenschen im Rahmen des Zumutbaren in Not beizustehen (§ 323c StGB). Sie ist Ausfluss der moralischen und sozialen Verantwortung des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft.143 Es entspricht der allgemeinen Lebensanschauung, dass der Hilfesuchende mit seinem Hilferuf an eben diese sittlich-moralische Verantwortung seiner Mitmenschen appelliert. Die Erwartung bzw. Hoffnung des Hilfsbedürftigen auf das Mitgefühl und die Hilfsbereitschaft Dritter in einer Notsituation verhalten sich widersprüchlich zur Intention, den privaten, meist zufällig anwesenden Helfer rechtlich verpflichten zu wollen. Das Hilfeersuchen des Hilfsbedürftigen ist deshalb aus Sicht eines privaten Helfers vorbehaltlich anderweitiger ausdrücklicher Abreden als ein (rechts-)unverbindlicher Appell an die sittliche Pflicht zur Hilfeleistung zu deuten. Eine Bestätigung dafür, dass der Hilfesuchende selbst vom unverbindlichen Appellcharakter seines Hilfeersuchens ausgeht, ergibt sich häufig auch daraus, dass der Hilfsbedürftige versucht, jedwede Person in Sicht- und Hörweite zur Hilfeleistung zu bewegen. Wenn der Hilfsbedürftige Hilferufe oder Notsignale an einen unbestimmten Personenkreis richtet, ist aus Sicht eines Erklärungsempfängers im wohlverstandenen Interesse des Hilfesuchenden nicht davon auszugehen, dass er jede Person, die sein Hilferuf erreicht, rechtlich zur Hilfeleistung binden will. Ansonsten würde sich der Hilfsbedürftige seinerseits jedem daraufhin tätigen Nothelfer gegenüber rechtlich verpflichten. Konsequenz wäre, dass der Hilfesuchende nach den dann anwendbaren Vorschriften über den Auftrag jedem Nothelfer die aus der Hilfeleistung resultierenden Aufwendungen, die der Helfer für erforderlich halten durfte, ersetzen müsste, und zwar unabhängig davon, ob der jeweilige Hilfeleistungsbeitrag tatsächlich nützlich oder entbehrlich war.144 Richtet der Hilfsbedürftige sein Hilfeersuchen an mehrere ihn passierende Bergsportler nacheinander, bringt er damit ebenfalls objektiv zum Ausdruck, dass er nicht von der rechtsgeschäftlichen Bindung einer Person zur Hilfeleistung aus-

Eine solche Sonderverbindung besteht zwischen dem Helfer und dem ihm fremden Hilfsbedürftigen aber in der Regel nicht. 143 Vgl. Leipziger Kommentar-Spengel, § 323c Rn. 8 ff., 12. Zwar dient diese Hilfeleistungspflicht dem Schutz bedrohter Individualrechtsgüter, Strafgrund ist aber das Allgemeininteresse an solidarischer Schadensabwehr (Lackner, § 323c Rn. 1). Siehe auch RGZ 167, 85, 87; Freudig/Martin, S. 163. Dass der Nothelfer eine Pflicht gegenüber der Gemeinschaft erfüllt, spiegelt sich in dem Sozialversicherungsanspruch des Nothelfers für durch die Hilfeleistung erlittene Schäden wieder. Die Kompensation dieser Schäden erfolgt also ebenfalls durch die Gemeinschaft, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 12 und 13 SGB VII. 144 Hier zeigt sich ein für die hier diskutierten Nothilfefälle wichtiger Unterschied zwischen rechtsgeschäftlichem Auftragsverhältnis und der Geschäftsführung ohne Auftrag. Ein Aufwendungsersatzanspruch nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag setzt jedenfalls nach deutschem Recht voraus, dass die Geschäftsführung (Hilfeleistung) tatsächlich für den Geschäftsherrn (Hilfsbedürftigen) nützlich war (dazu sogleich 3. Kapitel).

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

geht, auf die er sich verlässt, sondern durch einen möglichst breiten Adressatenkreis seines Appells seine Chancen auf Rettung optimieren möchte. Die besondere Dringlichkeit der Notlage ist erst recht kein Indiz für einen Rechtsbindungswillen des Hilfsbedürftigen.145 Von der Dringlichkeit der Hilfeleistung für den Hilfsbedürftigen geht für den potentiellen Helfer vor allem eine gesteigerte Appellwirkung aus. Aus der Größe der Not einen Rechtsbindungswillen des Hilfsbedürftigen herleiten zu wollen, ist lebensfremd und berücksichtigt die Motivations- und Interessenlage des Hilfebedürftigen in einer solchen Situation nicht. Es wäre geradezu vermessen, wenn der Notleidende in solchen Situationen ernsthaft davon ausginge, er könne den potentiellen Helfer zur Hilfeleistung rechtlich verpflichten. Im Gegenteil, je größer seine Notlage ist, desto stärker wird der Hilfsbedürftige auf das mitbürgerliche Pflichtbewusstsein und Mitgefühl eines potentiellen Retters hoffen und daran appellieren. Für den Willen eines privaten Helfers, an seine Hilfeleistungsbereitschaft/-zusage rechtlich gebunden zu sein, besteht aus denselben Gründen objektiv kein Anhaltspunkt. Maßgeblicher Beweggrund einer Privatperson, einem anderen in Not zur Hilfe zu eilen, ist regelmäßig das Pflichtbewusstsein des Helfers gegenüber einem hilfsbedürftigen Mitmenschen.146 Die spontane Hilfeleistung eines Privaten ist objektiv als Erfüllung einer moralischen Pflicht gegenüber seinen hilfsbedürftigen Mitmenschen zu werten, die allein von moralisch-ethischen Motiven geleitet ist. Ein rechtsgeschäftlicher Verpflichtungswille stünde zu dieser Intention in Widerspruch, zumal der private Helfer keinerlei Nutzen aus seiner Tat zieht. Bei der Hilfeleistung Privater in Notsituationen wird man nach der Verkehrsanschauung deshalb davon ausgehen müssen, dass die moralischen Beweggründe des Helfers überwiegen und für einen Rechtsbindungswillen keinen Raum mehr lassen. Verfehlt ist es angesichts der grundsätzlichen Unverbindlichkeit von Hilfeersuchen und Hilfeleistung erst recht, aus der dringlichen Notlage zunächst den Rechtsbindungswillen des Hilfesuchenden herzuleiten und diesen angeblich deutlich erkennbaren Bindungswillen zum Anlass dafür zu nehmen, auch das Verhalten des Helfers als Ausdruck rechtsverbindlichen Wollens zu betrachten.147 Der private Helfer hat darüber hinaus ein Interesse an der Unverbindlichkeit seiner Hilfeleistung. Er will sich durch seine Hilfeleistung nicht einem vertraglichen Haftungsrisiko für Fehler oder Versäumnisse bei der Hilfeleistung aussetzen. Als Vertragspartner des Hilfesuchenden würde er grundsätzlich für jede fehlerhafte Hilfeleistung dem Hilfsbedürftigen gegenüber einzustehen haben. Das 145

So aber Fötschl, S. 125, 126 und wohl auch Nef, S. 155. Nicht ohne Grund werden diese Fälle der uneigennützigen Hilfeleistung Privater in der Öffentlichkeit regelmäßig als besonders ehren- und heldenhaft angesehen und wertgeschätzt. 147 So Nef, S. 155, Fn. 147. 146

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Haftungsprivileg des spontanen, auftraglosen Helfers in Notsituationen, dem dadurch gerade ein rechtlicher Anreiz für die (unbeauftragte) Nothilfe geschaffen werden soll,148 kommt ihm nicht ohne weiteres zugute.149 Ein vertragliches Haftungsrisiko wird der freiwillige, rein altruistisch handelnde Helfer deshalb nicht eingehen wollen, wenn dazu kein besonderer Grund oder eine Verpflichtung gegenüber dem Hilfsbedürftigen besteht. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber jedenfalls in Deutschland und der Schweiz die Nothilfe in den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag verankert hat, verdeutlicht zudem, dass auch er bei spontaner Hilfeleistung in Notfällen nicht vom Zustandekommen einer rechtsverbindlichen Abrede zwischen Helfer und Hilfsbedürftigem ausgeht.150 Die (relative) inhaltliche Unbestimmtheit151 eines Hilfeersuchens kann wegen der Wechselwirkung zwischen Folgenbezeichnung und Rechtsbindungswille152 zwar als Indiz gegen den Rechtsbindungswillen des Erklärenden sprechen. Diese Indizwirkung ist jedoch schwach und gar ganz auszuschließen, wenn das Hilfeersuchen alle für eine vertragliche Abrede erforderlichen Elemente (essentialia negotii) enthält bzw. erkennen lässt. Eine Hilfeleistungsabrede wird, wenn sie überhaupt sprachlich erfolgt, kaum mehr als die Signalisierung der Hilfsbedürftigkeit und der Hilfeleistungsbereitschaft umfassen. An Inhalt und Umfang der bezeichneten Rechtsfolgen sind aber generell nur geringe Anforderungen zu stellen. Zielt der Parteiwille auf einen tatsächlichen Effekt wie die Hilfeleistung ab, so genügt es, wenn dieser vom Recht gewährleistet werden soll. Es ist ausreichend, dass die essentialia negotii vom Parteiwillen in laienhafter Vorstellung erfasst sind.153 Einem Hilfeersuchen ist jedenfalls bei einer gezielten Kontaktierung anderer Personen inhaltlich zu entnehmen, dass sich der Angesprochene um die Beseitigung der Notlage nach den ihm zumutbaren Möglichkeiten bemühen soll. Bei einem Hilfeersuchen unter Privaten wird zudem eine Gegenleistung für die Hilfeleistung weder in Aussicht gestellt, noch erwartet. Damit wären aber bereits die we148 MüKo-Seiler, § 680 Rn. 1; Erman-Ehmann, § 680 Rn. 1; Staudinger-Wittmann, § 680 Rn. 1; s. a. Art. 420 Abs. 2 OR. 149 Vgl. Palandt-Sprau, § 662 Rn. 11. Der Maßstab des § 680 BGB ist nicht ohne weiteres auf den Beauftragten anwendbar. Eine solche Haftungsbeschränkung müsste im Einzelfall stillschweigend vereinbart worden sein. Zur Haftung und ihrer Bedeutung für die Abgrenzung von Gefälligkeit und Auftrag allgemein, MüKo-Kramer, Einl. §§ 241 ff. Rn. 32 f. 150 Vgl. zur Haftungsbeschränkung in Fällen der Notgeschäftsführung nach Art. 420 Abs. 2 OR Honsell, OR BT, S. 330. Das österreichische Recht enthält keinen vergleichbaren Haftungsmilderungstatbestand (s. Apathy/Riedler, BR III SR BT, Rz. 16/8). Der Notgeschäftsführer (§ 1036 ABGB) handelt zwar bei seinem „Eingriff in die Rechte des Geschäftsherrn“ i. d. R. nicht rechtswidrig, ist für ein Verschulden bei Ausführung des Geschäfts aber grundsätzlich verantwortlich. 151 Vgl. Fötschl, S. 100, 122. 152 Vgl. oben a) cc) (2). 153 Erman-Armbrüster, Vor § 145 Rn. 4.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

sentlichen Inhaltsmerkmale eines Auftrags hinreichend deutlich aufgezeigt.154 Dass der „Beauftragte“ in solchen Fällen ein Ermessen hinsichtlich der zu treffenden Hilfeleistungsmaßnahmen haben muss, stünde der Bestimmbarkeit einer Hilfeleistung als Vertragspflicht (zu besorgendes Geschäft) nicht entgegen. Auf welche Art und Weise er das Geschäft des Hilfebedürftigen, die Gefahrenlage zu beseitigen, erledigen soll, bleibt in einer Vielzahl von Aufträgen und Dienstleistungsverträgen üblicherweise offen und wird dem Beauftragten regelmäßig selbst überlassen.155 Festzuhalten bleibt, dass jedenfalls spontane Hilfeleistungsabreden unter Privatpersonen in Notsituationen, die lediglich durch das Hilfeersuchen und die darauf hin spontan erfolgende Hilfeleistung getroffen werden, grundsätzlich keine verbindlichen Vertragsabreden sind, weil die jeweiligen Erklärungen des Hilfsbedürftigen (Hilfeersuchen) und des Helfers (Hilfeleistung) bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung aus Sicht der jeweils anderen Seite vor allem durch moralisch-ethische Beweggründe geprägt sind. Ein Rechtsbindungswille ist in solchen Situationen lebensfremd und widerspricht der Interessenlage vor allem des Helfers. Diese Einschätzung stimmt auch mit der Wertung des Gesetzgebers in Deutschland und der Schweiz überein, wo der Fall der altruistischen Menschenhilfe nicht im Auftragsrecht oder im Zusammenhang mit einer sonstigen rechtsgeschäftlichen Abrede, sondern in den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag eine Regelung erfährt. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind denkbar, wenn sich Hilfsbedürftiger und Helfer über die Hilfeleistung konkret verständigen und dem privaten Helfer angesichts der Umstände klar sein muss, dass sich der Hilfesuchende auf die zugesagte Hilfeleistung verlässt.156 Trifft etwa ein Bergwanderer zu fortgeschrittener Tageszeit auf der Wanderroute einen Verletzten an, der nicht mehr aus eigener Kraft den Weg ins Tal findet, und sagt er dem Verletzten zu, nach seinem Abstieg ins Tal Hilfe zu organisieren, muss sich der Bergwanderer an dieser Zusage gegenüber dem Verletzten festhalten lassen. Dann gibt der Helfer zu erkennen, dass sich der Hilfsbedürftige auf die Verbindlichkeit der konkreten Hilfe154

So auch Nef, S. 155. Die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen Auftrag und unverbindlicher Gefälligkeit liegt ja gerade darin, dass inhaltlich ein Auftragsverhältnis bezeichnet ist, der Rechtsbindungswille aber noch aufgrund sonstiger Anhaltspunkte ermittelt werden muss. Die Besonderheit liegt also darin, dass nicht vom Inhalt der Erklärung bzw. ihrer Vollständigkeit auf den Rechtsbindungswillen geschlossen werden kann. Vgl. Flume, AT II, § 7/5, S. 87, der zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten grundsätzlich eine vermögensrechtliche Relevanz des übernommenen Geschäfts fordert. 156 In diesen Fällen wird man die rechtlich relevanten Erklärungen nicht mehr in dem Hilfeersuchen und der spontanen, rein tatsächlichen Hilfeleistung sehen können. Vielmehr wird dann in dem Angebot des Angesprochenen, in einer bestimmten Form Hilfe zu leisten, ein Angebot und in dem Einverständnis des Hilfsbedürftigen die Annahme dieses Angebots auf Abschluss eines Auftrags liegen. 155

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leistungszusage verlassen kann. Der Helfer nimmt in derartigen Situationen erkennbar das Vertrauen des Hilfsbedürftigen auf die Einhaltung der Hilfeleistungszusage in Anspruch, wenn er erkennt, dass dem Hilfsbedürftigen ansonsten keine oder nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten zur eigenen Veranlassung einer Hilfeleistungsaktion zur Verfügung stehen und der Hilfsbedürftige ggf. Möglichkeiten, sonstige Personen um Hilfe zu bitten, im Vertrauen auf die Hilfeleistungszusage ungenutzt verstreichen lässt. (2) Hilfeleistungsabreden mit „professionellen“ Helfern Das Hilfeersuchen gegenüber professionellen Helfern157 ist anders zu beurteilen. Auch hier ist es dennoch angebracht, die jeweiligen Erklärungen, die zu einer Abrede führen, genauer zu untersuchen und zu differenzieren. Wenn nach Fötschl nämlich Privatpersonen bei einer Hilfeleistungsabrede „erkennbar“ das Bindungsbewusstsein fehlt und eine verbindliche Regelung aus Gründen mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit nicht möglich sein soll, so ist nicht ohne weiteres ersichtlich, warum diese Gründe nach seiner Ansicht nicht auch bei Hilfeleistungsabreden mit professionellen Helfern zum Tragen kommen sollen. So könnte angeführt werden, dass der Hilfesuchende in einer dringlichen Notlage ebenso wenig an eine rechtliche Bindung der Retter denkt und vielmehr auf deren Pflichtbewusstsein oder deren Verpflichtung „von Amts wegen“158 und die humanitäre Ausrichtung der Rettungsorganisationen vertraut. Die mangelnde Bestimmtheit eines Hilfeersuchens müsste in diesen Fällen ebenfalls unabhängig von der Person des um Hilfe Gerufenen zur rechtsgeschäftlichen Unwirksamkeit der Erklärung führen. Die Abgrenzung von unverbindlichen Abreden und rechtsgeschäftlichen Auftragsverhältnissen gestaltet sich deshalb als schwierig, weil beide inhaltlich, d.h. hinsichtlich der Bezeichnung der beiderseits angestrebten Ziele, identisch sind und deshalb Rückschlüsse auf den Rechtsbindungswillen nicht ohne weiteres ermöglichen. Beiden Formen der Absprache ist gemein, dass die jeweils auszuführende Tätigkeit unentgeltlich erfolgen soll. Die Entgeltlichkeit einer verabredeten Leistung steht dem rechtlich unverbindlichen Charakter einer Abrede grundsätzlich entgegen.159 Zwar sollen kleinere Geldleistungen den im Schwerpunkt unverbindlichen (Gefälligkeits-)Charakter einer Abrede nicht per se ausschließen,160 sobald aber das Entgelt keine nur un157 Genau genommen ist die Bergrettung weder beruflich noch gewerblich, also nicht professionell, sondern ehrenamtlich-gemeinnützig tätig. Dennoch treffen auch auf sie die nachfolgenden Überlegungen zu, weil auch sie Einsatzentgelte in Rechnung stellt. 158 So Stoll, S. 410, 413. 159 BGHZ 21, 102, 106; Gehrlein, VersR 2000, 415 ff. 160 LG Bonn NJW-RR 1994, 797: kleinere Geldleistung für einen Umzugshelfer; vgl. OLG München VersR 1993, 303.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

tergeordnete Rolle spielt und – wie im Falle der Bergrettung – einen wichtigen Kompensationsfaktor für die verabredete Tätigkeit darstellt, ist davon auszugehen, dass zumindest der Entgeltberechtigte einen rechtlich verbindlichen Zahlungsanspruch erwerben will.161 Für die Frage nach dem Rechtsbindungswillen bei einer Hilfeleistungsabrede zwischen Hilfsbedürftigem und Bergrettung ist demnach von Bedeutung, ob eine solche Abrede auch ein Entgelt für die Hilfeleistung des Helfers vorsieht. Der Inhalt der Erklärung (Entgelt als Rechtsfolgenbezeichnung) lässt in diesem Fall auch darauf schließen, dass die Erklärung rechtsverbindlich gewollt ist (Rechtsbindungswille). Die Bergrettung hat in den drei hier untersuchten Ländern aufgrund des (teilweisen) Selbstfinanzierungssystems ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse daran, dass sie für ihre Einsatztätigkeit die festgelegte Pauschalvergütung erhält.162 Ihr Erklärungsverhalten wird deshalb aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers stets von dem Willen getragen sein, einen rechtsverbindlichen Zahlungsanspruch zu erwerben. Dieses Interesse der Bergrettung kann für die Auslegung des Hilfeersuchens selbst nur mittelbar eine Rolle spielen. Denn das Hilfeersuchen muss aus sich selbst heraus objektiv einen durch die Entgeltlichkeit der Hilfeleistung indizierten Rechtsbindungswillen erkennen lassen. Von einem rechtlichen Bindungswillen des Hilfesuchenden ist objektiv auszugehen, wenn das Hilfeersuchen inhaltlich die Bereitschaft des Hilfesuchenden erkennen lässt, für die erbetene Hilfeleistung ein Entgelt zu zahlen. Zwar wird der Hilfsbedürftige (oder ein Dritter) eine solche Entgeltzahlung kaum je ausdrücklich ansprechen. Sie ist aber nach den genannten Auslegungsregeln aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Position der Bergrettung nach der Verkehrssitte jedenfalls dann zu unterstellen, wenn – wie in den hier untersuchten Ländern – der Einsatz nur gegen Entgelt zu erwarten ist. Der Rechtsbindungswille des Hilfesuchenden gegenüber der Bergrettung kann also aus einem doppelten Rückschluss abgeleitet werden: Die Inanspruchnahme einer Bergrettungsorganisation in Deutschland, Österreich und der Schweiz signalisiert objektiv die Bereitschaft zur Zahlung eines üblichen Entgelts für die erbetene Hilfeleistung, die Entgeltlichkeit wiederum indiziert den Rechtsbindungswillen des Hilfesuchenden.163 Gleichzeitig sind damit die Mindestanforderungen an den Inhalt des Hilfeersuchens als vollständiges Vertragsangebot erfüllt, denn aus dem Hilfeersuchen las161 So auch Fötschl, S. 101; keine besondere Bedeutung räumt Nef der Entgeltlichkeit einer Hilfeleistungsabrede ein, S. 155. 162 Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 5. und B. V. 163 Nicht ausreichend dürfte allein die fachliche Qualifikation des Angesprochenen sein (so wohl aber Gehrlein, VersR 2000, 415, 418). Anders verhält es sich beispielsweise in Frankreich, Südtirol oder etwa in Großbritannien. Hier werden Rettungsentgelte von den jeweils tätigen Organisationen nicht erhoben, so dass die aus der Entgeltlichkeit der Rettungsleistung gezogenen Schlussfolgerungen dort nicht zutreffen.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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sen sich die wesentlichen vertraglichen Eckpunkte – Parteien der Abrede, die Leistung (erforderliche Rettungshandlung) und die Gegenleistung (übliches Rettungsentgelt) – objektiv bestimmen. Die Bergrettung kann einem Hilfeersuchen objektiv nur dann entnehmen, dass der Hilfsbedürftige Rettungsleistungen gegen die übliche Entgeltzahlung in Anspruch nehmen will und folglich eine rechtsverbindliche Abrede anstrebt, wenn das Hilfeersuchen sich gezielt an die Bergrettung als Rettungsorganisation richtet. Von der Zielrichtung des Hilfeersuchens hängen aus objektiver Sicht deshalb sowohl die erkennbare Bezeichnung der gewünschten Folgen als auch der sich daraus erschließende Rechtsbindungswille ab. Bei der Beurteilung des Inhalts eines Hilfeersuchens und des Rechtsbindungswillens des Hilfesuchenden müssen demnach gezielte Not- und Hilferufe gegenüber der Bergrettung von ungezielten, nicht erkennbar an die Bergrettung gerichteten Hilferufen bzw. Notsignalen unterschieden werden. c) Schlussfolgerungen für die Praxis aa) Notruf als gezielte Verständigung der Bergrettung Wendet sich der Hilfsbedürftige gezielt mit einem Notruf an die Notrufzentrale oder direkt an die Bergrettung, so fordert er erkennbar entgeltliche Hilfe an. Aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Position der Bergrettungsorganisation stellt sich diese Form des Hilfeersuchens nicht mehr als ein bloßer Appell an das Pflichtgefühl eines Mitmenschen dar, sondern als gezielte Inanspruchnahme einer fachlich qualifizierten, für diese Fälle geschaffenen Organisation, die sich die Hilfeleistung zur Aufgabe gemacht hat. Dass die organisierte Rettung durch eine Rettungsorganisation zwar auch, aber nicht nur auf zwischenmenschlichen, altruistischen Beweggründen basiert, sondern üblicherweise Kosten für die Rettungsleistung anfallen, entspricht dem Finanzierungssystem in den hier untersuchten Ländern. Wer gezielt die Bergrettung verständigt, gibt nach der in Deutschland, Österreich und der Schweiz geltenden Verkehrsanschauung (Verkehrssitte) zu erkennen, für entsprechende Kosten einstehen zu wollen. Eine explizite Erwähnung der Zahlungsbereitschaft oder deren Reflexion durch den Hilfesuchenden ist nicht erforderlich, da nach den geltenden Auslegungsregeln die Rettungsleistung nur gegen ein übliches Entgelt zu erwarten ist. Wenn also dem gezielten Notruf der Wunsch nach entgeltlicher Rettung zu entnehmen ist, lässt dessen Inhalt gleichzeitig auf einen entsprechenden Rechtsbindungswillen des Hilfsbedürftigen schließen.164 164 Die Auffassung Stolls, es handele sich bei der gezielten Alarmierung einer amtlichen Stelle um die nicht-rechtsgeschäftliche Aufforderung, von Amts wegen tätig zu werden, verkennt die tatsächliche Situation im (Berg-)Rettungsdienst. Zwar handeln die Bergrettungsorganisationen als „amtliche Stellen“ in dem Sinne, als sie in öffentlichem

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Der gezielte Notruf enthält deshalb aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers in der Position der Bergrettung nach der allgemeinen Verkehrsanschauung eine vollständige Willenserklärung und damit ein Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages. bb) Hilferufe/Notsignale als nicht konkret an die Bergrettung gerichtete Hilfeersuchen Hilferufe und Notsignale nimmt der Hilfsbedürftige entweder gegenüber einem unbestimmten Empfängerkreis vor in der Hoffnung, dass irgendjemand auf seine Notlage aufmerksam wird, oder er spricht damit Personen an, die sich in der Nähe aufhalten und die er durch sein Verhalten zur Hilfeleistung veranlassen will. Nehmen Mitarbeiter der Bergrettung Hilferufe und Notsignale zur Kenntnis und ist ihnen dabei nach den Umständen erkennbar, dass sich der Hilfsbedürftige nicht an sie als Bergretter, sondern an einen unbestimmten Adressatenkreis wendet, so kann einer solchen Erklärung nicht entnommen werden, der Hilfsbedürftige wolle eine verbindliches Angebot auf Abschluss einer Rettungsvereinbarung abgeben. Eine solche Äußerung ist objektiv allenfalls als der rein tatsächliche, rechtsunverbindliche Versuch des Hilfesuchenden zu werten, auf sich und seine Notlage aufmerksam zu machen. Es wäre verfehlt, in eine solche Verlautbarung einen generellen oder konditionalen Willen zu einem Vertragsabschluss für den Fall hineinzuinterpretieren, dass die Bergrettung von dem Hilfeersuchen Kenntnis erlangt.165 Ein Hilfeersuchen, das sich an einen unbestimmten Personenkreis richtet und nur zufällig von einem Mitarbeiter der Bergrettung wahrgenommen wird, lässt mangels entsprechender Zielrichtung inhaltlich nicht erkennen, dass gerade die Bergrettung Partei einer möglichen Hilfeleistungsabrede sein soll. Dann lässt sich dem Hilfeersuchen objektiv nicht entnehmen, dass die ersuchte Hilfeleistung gegen ein hierfür übliches Entgelt erfolgen soll, sodass sich mangels (konkludenten) Hinweises auf die Entgeltlichkeit der Hilfeleistung auch der Rückschluss auf einen entsprechenden Rechtsbindungswillen verbietet. Selbst wenn man diese Formen des (ungezielten) Hilfeersuchens als konkrete Aufforderungen zur Hilfeleistung an diejenigen Personen auslegte, die davon Kenntnis erAuftrag eine öffentliche/staatliche Aufgabe erfüllen, und müssen sie auf einen Notruf aufgrund ihrer (Selbst-)Verpflichtung gegenüber einem Hoheitsträger reagieren. Nach der rechtlichen Konstruktion in den hier untersuchten Ländern treten die Bergrettungsdienste Hilfsbedürftigen aber überwiegend in privatrechtlicher Form gegenüber. 165 So aber Nef, S. 158 mit der Begründung, der Hilfesuchende habe gar keine andere Wahl; er sei froh, wenn sich überhaupt ein Helfer/Vertragspartner findet. Die an die Öffentlichkeit gerichteten Hilferufe/Notsignale seien deshalb „inhaltlich eindeutig“ und ließen einen vertraglichen Bindungswillen „klar erkennen“ (ebenfalls die Rechtsauffassung des Revisionsklägers in BayObLG BayVBl. 1979, S. 185). Er verkennt dabei, dass eine Hilfeleistung auch auf nichtvertraglicher, moralischer Grundlage erfolgen kann. Ein ungezieltes Hilfeersuchen ist als ein solcher Appell an die unverbindliche Hilfeleistung zu verstehen, vgl. oben b) cc).

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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langen, ist darin wegen des unbestimmten Adressatenkreises grundsätzlich schon deshalb kein rechtsverbindlicher Antrag zu sehen, weil der Hilfsbedürftige nicht mehrere rechtsverbindliche Abreden treffen und eventuelle Rettungsvergütungen nicht beliebig oft zahlen will.166 Die Unterstellung eines hypothetischen Willens zum Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages mit der Bergrettung ist ebenfalls verfehlt. Alle Wirksamkeitsvoraussetzungen einer empfangsbedürftigen Willenserklärung müssen, da ihre Beurteilung aus Sicht des Erklärungsempfängers vorzunehmen ist, zum Zeitpunkt ihres Zugangs objektiv erkennbar sein.167 Die ergänzende, hypothetische Betrachtung ist nur zulässig zur Ausfüllung von Lücken eines bereits wirksamen Rechtsgeschäfts. Zielt die Auslegung einer Erklärung darauf, zu ermitteln, ob überhaupt eine wirksame Willenserklärung abgegeben wurde, verbieten sich zudem grundsätzlich hypothetische Überlegungen zum Inhalt der Erklärung.168 Richten sich Hilferufe oder Notsignale gezielt an in der Nähe befindliche Personen, hängt die Beurteilung des Charakters des Hilfeersuchens von der für den Hilfesuchenden erkennbaren Identität dieser Personen ab. Muss der Hilfesuchende – wie meist – aufgrund der äußeren, ihm erkennbaren Umstände davon ausgehen, dass er sich an andere Privatpersonen wendet (Bergsteiger, Wanderer etc.), so ist sein Hilfeersuchen entsprechend der bereits dargestellten Einschätzung zur Qualität eines Hilfeersuchens unter Privatpersonen169 grundsätzlich als bloßer (rechtlich) unverbindlicher Appell zur Hilfeleistung zu qualifizieren. Dies muss auch für direkt angesprochene Bergretter gelten, deren Funktion dem Hilfesuchenden nicht erkennbar ist. Nur wenn sich der Betroffene erkennbar zielgerichtet an die Bergrettung wendet, gelten ebenfalls die oben zum Notruf angestellten Überlegungen mit der Folge, dass ein solches Hilfeersuchen als Vertragsangebot an die Bergrettung zu qualifizieren ist.170

166 Vgl. oben b) cc). Die Gegenauffassung Nefs hätte zur Folge, dass jeder Helfer, insbesondere professionelle Retter (Bergrettung und Bergführer), die für ihre Hilfeleistung ein Entgelt verlangen können, Vertragspartner des Hilfsbedürftigen wird. Dass dieser aber nicht in eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen eintreten und sich u. U. mehreren Zahlungs-/Aufwendungsersatzansprüchen ausgesetzt sehen will, liegt auf der Hand (in diesem Sinne Medicus, AT, § 26 Rn. 359). Nicht nachvollziehbar ist der Vorschlag Nefs, der potentielle Retter müsse sich in solchen Fällen erst erkundigen, ob nicht bereits die Bergrettung alarmiert worden sei. Das ist angesichts der Verständigungsmöglichkeiten und des eventuellen Zeitdrucks lebensfremd. 167 Medicus, AT, § 24 Rn. 323 mit Hinweis auf BGH NJW 1988, 2878. 168 Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 122. 169 Vgl. oben b) cc). 170 Dies wird aufgrund der äußeren Umstände im Gebirge nicht häufig der Fall sein. Dennoch kommen auch diese Situationen vor. So absolviert etwa die Gendarmerie en Montagne von Chamonix aus regelmäßige Kontrollflüge in den besonders frequentierten Regionen. An den Helikopter der Bergrettung gerichtete Hilferufe oder Notsignale sind in solchen Fällen als gezielte Inanspruchnahme professioneller Rettung zu verstehen.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

cc) Ergebnis Dem Hilfeersuchen eines in Not geratenen Bergsteigers sind je nach (objektiv erkennbarer) Zielrichtung und den Umständen, unter denen es erfolgt, aus Sicht der Bergrettung unterschiedliche Erklärungsinhalte zu entnehmen. Der Notruf als gezielte Inanspruchnahme einer fachkundigen, üblicherweise entgeltlichen Hilfeleistung durch eine professionelle Rettungsorganisation ist als Angebot des Hilfsbedürftigen auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages zu werten. Hilferufe oder Notsignale, ob an einen unbestimmten Adressatenkreis oder an Anwesende gerichtet, sind hingegen grundsätzlich keine wirksamen Willenserklärungen. Sie haben lediglich Appellcharakter.171 2. Das Hilfeersuchen eines Dritten als wirksames Vertragsangebot Richtet sich eine dritte Person mit dem Hilfeersuchen an die Bergrettung, stellen sich zwei Fragen. Gibt der Dritte eine wirksame Willenserklärung gerichtet auf den Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages ab? Und: in welcher Rolle tritt der Dritte der Bergrettung gegenüber auf (bloßer Hinweisgeber, Bote, Stellvertreter, selbst als potentielle Vertragspartei)? Beide Fragen sind durch Auslegung sowohl der Erklärung als auch des Auftretens des Dritten aus Sicht der Bergrettung als Erklärungsempfänger zu beantworten.172 Wichtige Anhaltspunkte für die verschiedenen möglichen Auslegungsergebnisse sind das jeweilige, nach außen erkennbare Interesse des Dritten an der Rettung des Hilfsbedürftigen sowie die in der Erklärung sonst zum Ausdruck gebrachten Begleitumstände des Hilfeersuchens. Bei der Frage, ob das Hilfeersuchen eines Dritten ein wirksames Angebot auf Abschluss eines Rettungsvertrages darstellt, ist zunächst gleichermaßen nach dessen Zielrichtung zu unterscheiden. Die Differenzierung zwischen gezielter Inanspruchnahme eines Bergrettungsorganisation und sonstigen Hilfeersuchen führt hier aber nur teilweise zu Ergebnissen, die mit denen zum Hilfeersuchen des Betroffenen übereinstimmen. a) Hilferufe und Notsignale, die nicht gezielt gegenüber der Bergrettung erfolgen Für Hilferufe und Notsignale, die ein Dritter nicht erkennbar gezielt gegenüber Bergrettungsmitarbeitern vornimmt, gelten die für das Hilfeersuchen des Betrof171 Dies ist wohl meist gemeint, wenn es heißt, der Hilferuf (an sich) sei (noch) keine rechtsverbindliche Erklärung, vgl. BayObLG BayVBl. 1979, 185; Oehler/Schulz/ Schnelzer, Art. 24 BayRDG a. F., S. 5. 172 MüKo-Schramm, Vor § 164 Rn. 44; Erman-Palm, Vor § 164 Rn. 24.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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fenen gemachten Ausführungen entsprechend. Bei objektiver Betrachtung lassen diese Erklärungen mangels Zielrichtung weder den Willen zur Inanspruchnahme organisierter Rettung gegen Entgelt noch einen daraus folgenden Rechtsbindungswillen erkennen. Sie richten sich entweder an einen unbekannten Empfängerkreis oder an in der Nähe befindliche, aber nicht als Bergretter identifizierbare Personen und sind deshalb wie das Hilfeersuchen gegenüber Privatpersonen lediglich als rechtlich unverbindliche Appelle zur Hilfeleistung zu interpretieren. Eine andere Beurteilung ist auch hier nur denkbar, wenn Hilferufe und Notsignale gezielt gegenüber Mitarbeitern der Bergrettung erfolgen. Diese Hilfeersuchen sind dann entsprechend den folgenden Überlegungen zum Notruf eines Dritten einzuordnen. b) Notrufe und sonstige gezielte Hilfeersuchen gegenüber der Bergrettung Das gezielte Hilfeersuchen eines Dritten gegenüber der Bergrettung ist anders als das des Betroffenen zu beurteilen. aa) Ausgangspunkt: Kein rechtsverbindliches Vertragsangebot Inhaltlich ist dem gezielten Hilfeersuchen (Notruf) eines Dritten aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers in der Position der Bergrettung zwar ebenfalls zu entnehmen, dass dieser Hilfeleistung wünscht, die üblicherweise gegen ein Entgelt erfolgt. Die gegenseitigen Leistungspflichten eines potentiellen Rettungsvertrages (Hilfeleistung gegen Zahlung) sind auch hier durch die Zielrichtung des Hilfeersuchens (konkludent) bezeichnet. Anders als beim Notruf des Betroffenen lässt dieser Umstand jedoch beim gezielten Hilfeersuchen eines Dritten grundsätzlich keinen Rückschluss auf die Rechtsverbindlichkeit der Erklärung zu. Die oben getroffene Annahme, dass der Notruf eines Betroffenen objektiv als rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages zu qualifizieren ist, beruht auf der Schlussfolgerung, dass der Hilfesuchende für sich selbst gezielt Rettungsleistungen einer Bergrettungsorganisation anfordert, die üblicherweise nur gegen ein Entgelt erbracht werden, und damit zum Ausdruck bringt, dass er sich auch zur Zahlung eines solchen Entgelts verpflichten will. Diese Schlussfolgerung ist beim Notruf des Hilfsbedürftigen dadurch gerechtfertigt, dass er als Nutznießer der angeforderten Hilfeleistung ein unmittelbar eigenes Interesse an der Rettung hat. Setzt hingegen eine dritte Person, die sich nicht in einer Notlage befindet, den Notruf ab, kann eine solche Schlussfolgerung trotz des gezielten Ersuchens um entgeltliche Hilfeleistung durch eine Rettungsorganisation mangels eines objek-

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

tiv erkennbaren Eigeninteresses an der Hilfeleistung grundsätzlich nicht gezogen werden. Der Dritte handelt meist aus Pflichtbewusstsein, bergsteigerischer Verbundenheit oder ähnlichen Motiven, ohne gegenüber dem Hilfsbedürftigen besonders verpflichtet zu sein.173 Er wird deshalb im Normalfall, d.h. solange keine weiteren Umstände für eine andere Beurteilung sprechen, objektiv keine wirksame Willenserklärung und damit kein Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages abgegeben, wenn ihm aus der Sicht der Bergrettung mangels konkreter weiterer Anhaltspunkt, insbesondere eines eigenen Interesses nicht unterstellt werden kann, er wolle eine verbindliche Erklärung abgeben. Mit seinem Hilfeersuchen erteilt der Dritte grundsätzlich nur einen entsprechenden Hinweis auf den Notfall, um dadurch den Einsatz der Bergrettung zu veranlassen.174 bb) Rückschlüsse aus der Rolle des Dritten auf die Rechtsverbindlichkeit des Hilfeersuchens? Etwas anderes kann gelten, wenn die aus Sicht der Bergrettung als Erklärungsempfänger objektiv erkennbare Rolle des Dritten ihrerseits Rückschlüsse auf den rechtsverbindlichen Charakter seines Hilfeersuchens zulässt. Anhaltspunkte dafür, in welcher Form der Dritte auftritt, sind der Bergrettung regelmäßig nur aus dem Hilfeersuchen selbst, d.h. aus den Umständen, die die Erklärung offenbart, zu entnehmen. (1) Der Dritte als Stellvertreter oder Bote Eine gegenüber dem aufgestellten Grundsatz abweichende Interpretation des Hilfeersuchens als ein verbindliches Vertragsangebot ist etwa denkbar, wenn der Dritte in seinem Notruf offenbart, zuvor in Kontakt zu dem Hilfsbedürftigen getreten und von diesem um Hilfe bzw. Verständigung der Bergrettung gebeten worden zu sein. Eine solche Schilderung verleitet dazu, den Notruf des Dritten als Stellvertretung oder Botenschaft im Auftrag des Hilfsbedürftigen zu interpretieren. Aus der so interpretierten Rolle ließe sich dann auf die Abgabe einer Willenserklärung und damit auf die Unterbreitung eines rechtsverbindlichen Vertragsangebots (des Hilfsbedürftigen) schließen.175 Wenn nämlich der Erklärung und dem Auftreten des Dritten objektiv zu entnehmen ist, dass er die Erklärung 173 Zu potentiellen Ausnahmefällen, insbesondere bei einem eigenen Interesse des Dritten an der Rettung, sogleich c) bb). 174 So auch Nef, S. 160; im Ergebnis wohl auch Stoll (S. 411, 413 – Aufforderung des Dritten an die Bergrettung, „von Amts wegen“ tätig zu werden). 175 Vgl. Nef, S. 157, der in jedem Hilferuf und dessen Weiterleitung an die Bergrettung eine Auftragserteilung und Bevollmächtigung des Dritten sieht, als Stellvertreter gegenüber der Bergrettung ein Vertragsangebot zu unterbreiten.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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stellvertretend, d.h. im Namen und mit Wirkung für den Hilfsbedürftigen oder als Bote abgibt, so kann dies gleichzeitig Hinweis darauf sein, dass die Erklärung verpflichtenden Charakter haben soll. Allerdings ist hinsichtlich der Ansicht, der Dritte handele regelmäßig als Stellvertreter des Hilfsbedürftigen und gebe ein verpflichtendes Vertragsangebot mit Wirkung für diesen ab, wenn er zuvor selbst um Hilfe gebeten wurde,176 ebenso Zurückhaltung geboten wie hinsichtlich des Gedankens, der Dritte übermittle als Bote ein Vertragsangebot des Hilfsbedürftigen. Da der Bote eine „fertige“ Willenserklärung als Werkzeug des Geschäftsherrn lediglich übermittelt,177 ist der Dritte Bote (nur) dann, wenn er ein wirksames, d.h. vollständiges und rechtsverbindliches Vertragsangebot des Hilfsbedürftigen an die Bergrettung lediglich weiterleitet. Dass der Dritte der Bergrettung gegenüber als Bote auftritt, erscheint lebensfremd. Soweit der Hilfsbedürftige den Dritten überhaupt zum Herbeiholen von Hilfe auffordert, so wird er sich in seiner Bitte auf knappe Worte oder Zeichen beschränken, die ein vollständiges, übermittelbares Vertragsangebot regelmäßig nicht enthalten. Das Hilfeersuchen selbst wird sich aus Sicht der Bergrettung schon aufgrund der schematischen Nachfrageprozedur in den seltensten Fällen als die bloße Übermittlung eines fertigen Vertragsangebots darstellen. Die Abgabe eines Vertragsangebots durch den Dritten als Stellvertreter setzt voraus, dass er erkennbar mit Vertretungsmacht eine eigene Willenserklärung im Namen des Hilfsbedürftigen und mit Wirkung für ihn abgibt.178 Zwar wird sich dem gezielten Hilfeersuchen eines selbst nicht betroffenen Dritten häufig entnehmen lassen, dass die erbetene Hilfeleistung einem anderen zugute kommen soll. Der Fremdnutzen allein ist aber nicht zwingendes Indiz für eine Stellvertretung. Auch die Schilderung des Dritten gegenüber der Bergrettung oder der Notrufzentrale, er sei mit dem Hilfsbedürftigen in Kontakt getreten und handele aufgrund des ihm gegenüber erklärten Hilfeersuchens, kann nicht ohne weiteres als Erklärung dahingehend ausgelegt werden, der Dritte sei vom Hilfsbedürftigen mit der Verständigung der Bergrettung beauftragt und bevollmächtigt worden, er handele folglich als Stellvertreter oder Bote des Hilfsbedürftigen und gebe somit eine verbindliche Erklärung im Namen des Hilfsbedürftigen ab. Einer solchen Interpretation stehen erkennbare Interessen des Dritten entgegen, die nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bei der Auslegung der Erklärung zu berücksichtigen sind. Als Stellvertreter (oder Bote) würde er sich der Gefahr aussetzen, 176

Nef, S. 155, 157. MüKo-Schramm, Vor § 164 Rn. 40. 178 Vgl. § 164 Abs. 1 BGB; Art. 32 Abs. 1 OR; in Österreich gelten dieselben Regeln für die Stellvertretung, vgl. Bydlinski, BR I AT, § 9 Rz. 1 ff. Die §§ 1002 ff. ABGB regeln lediglich Vollmachtserteilung und Auftrag unter dem Begriff „Bevollmächtigungsvertrag“. 177

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

u. U. selbst als falsus procurator (oder Bote ohne Botenmacht) nach §§ 177 ff. BGB (analog) für die Zahlung des Rettungsentgelts einstehen zu müssen. Stellt sich heraus, dass der Einsatz der Bergrettung nicht erforderlich war und verweigert der (scheinbar) Hilfsbedürftige die Zahlung, müsste der Dritte seine Vertretungsmacht (Botenmacht) nachweisen. Ihn träfen dann Beweisschwierigkeiten und das Risiko von Verständigungsproblemen bzw. Missverständnissen, die aufgrund der äußeren Umstände im Gebirge (Wind, Niederschlag, Entfernungen etc.) häufig auftreten können. Gerade bei einer nur vermeintlichen Notlage würde der Dritte deshalb das Prognoserisiko hinsichtlich der tatsächlichen Notwendigkeit eines Rettungseinsatzes tragen. Selbst wenn ihm Ansprüche gegen den Hilfsbedürftigen auf Zahlung der von diesem veranlassten Rettungskosten zustünden, träfe ihn letztlich das Insolvenz- und Ausfallrisiko des Hilfsbedürftigen.179 Diese Risiken zu tragen, ist einem Dritten, der keinerlei Verpflichtung gegenüber dem Hilfsbedürftigen eingehen will und kein eigenes rechtliches Interesse an der Rettung des Hilfsbedürftigen offenbart, sondern dem Betroffenen aus moralischen Motiven ohne rechtliche Verbindlichkeit hilft, nicht zuzumuten.180 Selbst wenn sich der Schilderung des Dritten, d.h. seinem konkret an die Bergrettung gerichteten Hilfeersuchen, objektiv entnehmen lässt, dass er aufgrund der Wahrnehmung von Hilferufen des Betroffenen und/oder eines Kontakts für einen anderen die Rettungsleistung der Bergrettung erbittet, ist der Erklärung des Dritten im Zweifel nicht zu entnehmen, dass er eine verbindliche (Willens-)Erklärung abgeben will. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das Hilfeersuchen des Dritten wegen des für ihn bestehenden Haftungsrisikos einen unverbindlichen Appell darstellt und er nicht als Stellvertreter oder Bote ein Vertragsangebot abgeben will.

179 Für den Fall, dass sich die vermeintliche Beauftragung durch den Hilfsbedürftigen als rechtlich fehlerhaft bzw. irrtümlich erweist, stünde dem Dritten gegenüber dem Hilfsbedürftigen u. U. ein Anspruch auf Rückzahlung bzw. Befreiung von seiner Verbindlichkeit gegenüber der Bergrettung zu (etwa nach § 122 BGB als Haftung des Hilfsbedürftigen für das enttäuschte (berechtigte) Vertrauen des Dritten in eine wirksame Beauftragung oder als Aufwendungsersatzanspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag). Der Dritte hätte aber auch hier in der Regel erhebliche Schwierigkeiten, die Voraussetzungen etwaiger Ersatzansprüche nachzuweisen und ggf. auch Forderungen gegenüber dem Hilfsbedürftigen zu realisieren. 180 Auch rechtspolitisch wäre die Annahme einer Stellvertretung verfehlt, denn jeder Dritte wäre dann besser beraten, in Zweifelsfällen die Verständigung der Bergrettung aufgrund der für ihn damit verbundenen Risiken zu unterlassen. Anders liegt es bei der Fehleinschätzung des Hilfsbedürftigen selbst. Ihm ist die richtige Einschätzung des Bestehens einer Notlage zuzumuten. Er muss sich an seiner Erklärung festhalten lassen, auch wenn er sich vor Eintreffen der Bergretter selbst aus der Gefahrenlage befreien kann.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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(2) Der Dritte als Vertragspartei Dass der Dritte mit seinem Notruf eine Willenserklärung abgeben und selbst als Partei einen Rettungsvertrag zugunsten des Hilfsbedürftigen abschließen will, ist dem Notruf nach den vorstehenden Gründen normalerweise erst recht nicht zu entnehmen. Es bestehen in der Regel keinerlei Anhaltspunkte dafür und es widerspricht dem Interesse des Dritten, dass er sich selbst zugunsten des Hilfsbedürftigen vertraglich verpflichten und für die Kosten des Rettungseinsatzes einstehen will. cc) Ergebnis Grundsatz beim Notruf eines Dritten muss deshalb sein, dass seiner Erklärung gegenüber der Bergrettung kein Rechtbindungswille und damit kein wirksames Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages zu entnehmen ist, weder ein solches mit dem Ziel, den Hilfsbedürftigen im Wege der Stellvertretung zu binden, noch als Bote ein („fertiges“) Vertragsangebot zu übermitteln, noch selbst einen Rettungsvertrag abschließen zu wollen. Ein eigenes Interesse des Dritten, das wie beim Notruf des Betroffenen einen Rückschluss auf die intendierte Rechtsverbindlichkeit der Erklärung zuließe, besteht grundsätzlich nicht. Der Annahme, dass der Dritte eventuell ein bindendes Vertragsangebot für den Hilfsbedürftigen abgeben will, steht in der Regel das aus Sicht der Bergrettung erkennbare und bei der Auslegung zu berücksichtigende Interesse des Dritten entgegen, nicht das Risiko eines Missverständnisses mit dem (vermeintlich) Hilfsbedürftigen oder einer Fehleinschätzung der Lage tragen und für Kosten des Rettungseinsatzes haften zu müssen. c) Ausnahmen vom Grundsatz des gezielten aber unverbindlichen Hilfeersuchens Eine Ausnahme vom Grundsatz des gezielten aber unverbindlichen Hilfeersuchens Dritter kann nur dann vorliegen, wenn die Bergrettung aufgrund besonderer Anhaltspunkte objektiv von der Abgabe eines verbindlichen Vertragsangebots im eigenen oder im Namen des Hilfsbedürftigen ausgehen darf. Zwei Sachverhalte sind denkbar, in denen eine solche Ausnahme in Betracht kommt: Zunächst kann der Dritte ausdrücklich erklären, dass er selbst einen Rettungsvertrag zugunsten des Hilfsbedürftigen abschließen oder als Stellvertreter rechtsverbindlich um Rettung des Hilfsbedürftigen bitten will. Ferner ist denkbar, dass die Erklärung des Dritten ein besonderes eigenes Interesse des Dritten an der Rettung offenbart, das angesichts der inhaltlichen Bestimmtheit des Hilfeersuchens in Verbindung mit der Rolle des Dritten auch ohne ausdrückliche Erklärung die Schlussfolgerung auf einen Rechtsbindungswillen ausnahmsweise rechtfertigt. Nur in diesen Fällen nimmt der Dritte das berechtigte Vertrauen der Bergrettung

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

auf die Abgabe eines wirksamen Vertragsangebots in Anspruch, welches auch ein etwaiges Einstehenmüssen des Dritten für die Kosten des von ihm veranlassten Rettungseinsatzes – sei es als falsus procurator oder als Vertragspartei – rechtfertigen würde. aa) Ausdrückliche Klarstellung der Rechtsverbindlichkeit Dass ein Notrufer seine eigene Rolle als Vertragspartei bzw. Stellvertreter ausdrücklich bezeichnet und damit ggf. Rückschlüsse auf die Rechtsverbindlichkeit seiner Bitte um Rettung des Hilfsbedürftigen ermöglicht, oder er die Rechtsverbindlichkeit seiner Erklärung selbst ausdrücklich anspricht, ist in der Praxis wohl selten, aber – gerade auf Nachfrage der Bergrettung oder der Notrufzentrale – nicht ausgeschlossen.181 An den Wortlaut einer solchen ausdrücklichen Erklärung sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Wegen des für die Bergrettung als Erklärungsempfänger einsichtigen Interesses des Dritten, die (Haftungs-)Risiken einer irrtümlichen Alarmierung nicht zu tragen, wird man fordern müssen, dass der Dritte bei seinem gezielten Hilfeersuchen ggf. auf Nachfrage im Wortlaut klare Angaben über die intendierte Rechtsverbindlichkeit und seine Rolle macht, die jegliche Zweifel an der Verbindlichkeit der Erklärung als Vertragsangebot im eigenen oder im Namen des Hilfsbedürftigen beseitigen.182 Es muss unter Berücksichtigung der Besonderheiten einer Notfallsituation im Gebirge allgemein und der Schilderung durch einen Dritten im Besonderen erkennbar sein, dass der Dritte von der Verbindlichkeit seiner Erklärung ausgeht. Hierfür werden (laienhafte) Erklärungen des Dritten im allgemeinen Sprachgebrauch, die auf die Verbindlichkeit des Hilfeersuchens hindeuten könnten, nicht ohne weiteres ausreichen.183 Der wohl häufige Fall, dass der Dritte schildert, er sei von dem Hilfsbedürftigen gebeten bzw. „beauftragt“ worden, die Bergrettung zu verständigen, lässt sich aus Sicht der Bergrettung nicht ohne weiteres dahingehend interpretieren, dass der Dritte als Stellvertreter des Hilfsbedürftigen handeln und folglich eine verbindliche Erklärung abgeben will. Denn die (laienhafte) Darstellung des Drit181 Zu berücksichtigen ist, dass die typischen Erkundigungen der Bergrettung oder Notrufzentrale gegenüber dem Notrufer vor allem auf die Umstände des Notfalls, an denen sich die Einsatzplanung orientiert, abzielen (vgl. Freudig/Martin, S. 312 f.). 182 Diese hohen Anforderungen gelten jedenfalls, soweit kein besonderes eigenes Interesse des Dritten an der Rettung erkennbar ist, das es rechtfertigt, eine im Wortlaut weniger klare Erklärung als rechtsverbindlich zu interpretieren (dazu sogleich). 183 Etwa Aufforderungen wie „die Bergrettung muss unbedingt sofort ausrücken“, oder „kommen Sie bitte unbedingt“ sind in der Regel der Aufregung des Dritten nach Wahrnehmung der Notlage geschuldet und dienen lediglich dazu, die besondere Dringlichkeit der organisierten Hilfeleistung zu betonen. In Bezug auf die Rechtsverbindlichkeit lässt sich hieraus – jedenfalls ohne Thematisierung der Verbindlichkeit – nichts entnehmen.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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ten, er sei zum Notruf „beauftragt“ worden, kann angesichts der Umstände einer Alarmierung nicht ausreichen, die Zweifel an der Verbindlichkeit des Hilfeersuchens zu beseitigen. Der Dritte wird damit in der Regel nicht zum Ausdruck bringen wollen, in juristisch korrektem Verständnis als Stellvertreter zu fungieren und für die Konsequenzen seines Handelns ggf. einstehen zu wollen. Derartige, im Vergleich zum allgemeinen Geschäftsverkehr strenge Anforderungen an den Wortlaut der Erklärung rechtfertigen sich aus zwei Erwägungen: In erster Linie ist beim Hilfeersuchen eines Dritten – anders als dies regelmäßig im allgemeinen Geschäftsverkehr der Fall sein wird – der Charakter der Erklärung als Willenserklärung gerade fraglich und es soll erst aus der nach außen erkennbaren Rolle des Erklärenden auf die Verbindlichkeit der Erklärung geschlossen werden.184 Um diesen Rückschluss sicher ziehen zu können mit der Konsequenz, dass der Dritte den besagten Haftungsrisiken ausgesetzt wäre, muss der Dritte seinen Willen, als Stellvertreter zu handeln, in einer Art und Weise deutlich machen, dass objektiv an der Verbindlichkeit der Erklärung keine Zweifel verbleiben. Dies wiederum wird in der Sondersituation eines Notrufs durch Dritte äußerst selten der Fall sein und ist allenfalls (theoretisch) denkbar, wenn sich der Dritte ausdrücklich als Vertreter des Hilfsbedürftigen bezeichnet oder anderweitig zu erkennen gibt, dass er notfalls für die Richtigkeit seiner Angaben einstehen will. Hinzu kommt, dass der Dritte im Vergleich zum Stellvertreter im allgemeinen Geschäftsverkehr aufgrund der besonderen Umstände eines Notfalls im Gebirge regelmäßig einer erhöhten Unsicherheit darüber ausgesetzt ist, ob eine (wirksame) Beauftragung/Bevollmächtigung von Seiten des Hilfsbedürftigen erfolgt ist. Denn die besonderen Umstände eines Notfalls im Gebirge (Verständigungsschwierigkeiten, Dringlichkeit etc.) und der grundsätzliche Gefälligkeitscharakter von Hilfeleistungsabreden unter Privaten bewirkt, dass – anders als dies im allgemeinen Geschäftsverkehr häufig der Fall sein wird – regelmäßig nur in besonderen Ausnahmefällen eine verbindliche Absprache zwischen Hilfsbedürftigem und privatem Dritten getroffen und in der Bitte des Hilfsbedürftigen gegenüber einem Dritten eine wirksame rechtsgeschäftliche Auftrags- und Vollmachtserteilung liegen wird.185 Der die Bergrettung verständigende Dritte kann sich zudem gegen Unklarheiten und Zweifel hierüber auch nicht ohne weiteres 184 Im Unterschied zu den Fällen der Bergrettung steht im allgemeinen Geschäftsverkehr wegen des typischen rechtsgeschäftlichen Inhalts in der Regel fest und muss dem Handelnden klar sein, dass er eine verbindliche (Willens-)Erklärung abgibt. Hier stellt sich dann regelmäßig nur noch die Frage, für wen die Erklärung wirken soll (zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdgeschäftsführung vgl. Palandt-Heinrichs, § 164 Rn. 4 f.). 185 Vgl. oben 1. b) cc). Im Unterschied zu den Fällen der Bergrettung steht im allgemeinen Geschäftsverkehr wegen des typischen rechtsgeschäftlichen Inhalts oder aufgrund eines bereits bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer häufig unzweifelhaft fest, dass der Auftragnehmer zur Abgabe einer verbindlichen Erklärung gegenüber Dritten im Namen des Auftraggebers bevollmächtigt ist.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

wirksam absichern (z. B. durch schriftlichen Beleg).186 Die dies begründenden Umstände sind für Notfallsituationen in den Bergen typisch und der Bergrettung generell oder infolge der konkreten Schilderungen des Dritten bekannt. Sie müssen bei der Auslegung des Hilfeersuchens deshalb im Zweifel zugunsten des Dritten und seiner Interessen Berücksichtigung finden. Erklärt der Dritte also etwa gegenüber der Notrufzentrale, er sei ausdrücklich vom Hilfsbedürftigen gebeten worden, einen Helikopter zu alarmieren, so ist selbst einer solchen Erklärung aus Sicht der Bergrettung nach Treu und Glauben nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Dritte im Namen des Hilfsbedürftigen die organisierte Rettung verbindlich gegen das übliche Entgelt in Anspruch nehmen wollte.187 bb) Besondere Interessenlagen des Dritten Eine Ausnahme zum Grundsatz fehlender Rechtsbindung beim Notruf eines Dritten ist weiter denkbar, wenn ein besonderes Interesse des Dritten offenbar wird, das in Verbindung mit der Erklärung (Wortlaut) im Wege der Auslegung den Schluss erlaubt, dass das gezielte Hilfeersuchen ausnahmsweise ein rechtsverbindliches Vertragsangebot darstellt. Die Beurteilung des Notrufs hängt (selbstverständlich) von den Einzelfallumständen ab, d.h. dem Wortlaut der Erklärung und solchen Begleitumständen, die der Bergrettung (bzw. der Notrufzentrale) erkennbar waren. Sie allein bilden bei 186 Dem im geschäftlichen Verkehr in fremden Namen Handelnden muss – anders als dem Dritten in Nothilfefällen – aufgrund des typischen rechtsgeschäftlichen Inhalts seiner Erklärung meist klar sein, dass er eine verbindliche (Willens-)Erklärung abgibt. Er ist gegen die daraus für ihn erwachsenden Risiken in der Regel dadurch abgesichert, dass er sich eine Vollmacht bzw. den Auftrag schriftlich erteilen lässt, innerhalb eines ohnehin bestehenden Rechtsverhältnisses tätig wird oder Außenvollmacht erteilt wurde. Er hat es jedenfalls regelmäßig in der Hand, relativ einfach Klarheit über Zweifel der Beauftragung/Bevollmächtigung im Innenverhältnis zum Auftraggeber zu schaffen und sich so gegen Irrtümer, die Fehlerhaftigkeit der Beauftragung oder Beweisschwierigkeiten abzusichern. Der Erklärungsempfänger darf dann – soweit keine besonderen Anhaltspunkte entgegenstehen – bereits bei einem nicht ausdrücklichen, weniger eindeutigen Auftreten des Handelnden, aber aus objektiver Sicht schlüssigen Verhalten darauf vertrauen, dass der Handelnde eine verbindliche Erklärung als Stellvertreter abgibt. 187 Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick verwundern, ist aber in der Gesamtschau schlüssig, denn wenn tatsächlich eine Notlage gegeben war, kann (und wird) ein Rettungsvertrag zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem noch bei Eintreffen am Notfallort zustandekommen oder ein Entgeltanspruch der Bergrettung nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag entstehen. Handelt es sich um ein Missverständnis oder einen Irrtum, trägt die Bergrettung, nicht aber der Dritte das Kostenrisiko. Das ist sachgerecht, da man ansonsten die Bereitschaft Dritter zur Meldung von Unfällen im Gebirge mit dem hieraus möglicherweise entstehenden Haftungsrisiko deutlich beeinträchtigen würde. Mit den konkreten Konsequenzen der Stellvertretung oder des eigenständigen Vertragsanspruchs konfrontiert würde wohl kaum ein unbeteiligter Dritter der Übernahme eines solchen Risikos zustimmen.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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der Auslegung den aus Empfängersicht maßgeblichen Empfängerhorizont.188 Es ist deshalb im Folgenden nur möglich, einige wenige potentielle Ausnahmen und die dabei zu beachtenden Gesichtspunkte allgemein in Form von Fallgruppen aufzuzeigen und eine Tendenz anzudeuten. (1) Der Dritte ist Verursacher der Notlage Gibt der Dritte zu erkennen, dass er die Notlage verursacht hat, so hat er als Schädiger des Hilfsbedürftigen ein dringendes eigenes Interesse an der Rettung, durch die (weitere) Verletzungen abgewendet und seine (Delikts-)Haftung entsprechend ausgeschlossen bzw. im Umfang begrenzt werden kann. Strafrechtlich ist er Garant aus Ingerenz und muss zur Abwendung der Gefahr für Leib und Leben des Hilfsbedürftigen tätig werden, will er sich – im für ihn günstigsten Fall – nicht dem Vorwurf einer Körperverletzung durch Unterlassen ausgesetzt sehen.189 Auch zivilrechtlich besteht ein (weiterer) Haftungsgrund für solche Schäden, die durch seine Untätigkeit an den Rechtsgütern des Betroffenen eintreten. Ein Anspruch ergibt sich dann aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. den strafrechtlichen Vorschriften über die (fahrlässige) Körperverletzung (Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB), und zwar in der Begehungsform des Unterlassens (§ 13 StGB).190 Das Eigeninteresse des Dritten als Verursacher der Notlage spricht dafür, dass die Bergrettung ihre Hilfeleistung rechtsverbindlich erbringen soll. Als Vertragspartner des entgeltlichen Rettungsvertrages mit der Bergrettung kommt nach den Umständen nur der Dritte selbst in Betracht, da sein Interesse nicht auf eine Verpflichtung des Hilfsbedürftigen im Wege der Stellvertretung schließen lässt, sondern die Hilfe unmittelbar ihm selbst nutzen soll. Dennoch ist bei einer Interpretation einer solchen Erklärung Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Oft ist zum Zeitpunkt des Notrufs nicht klar, wer den Notfall verursacht hat oder welcher Verursachungsbeitrag dabei dem Dritten anzulasten ist. Bleiben Zweifel, insbesondere bei unklaren Angaben über die Unfallverursachung, ist deshalb nicht davon auszugehen, dass der Dritte selbst einen Vertrag auf entgeltliche Rettung mit der Bergrettung schließen will. (2) Vermisstenanzeigen und Notrufe durch Angehörige Wenden sich Angehörige mit der Bitte um die Suche eines Vermissten unmittelbar an die Bergrettung, so kann aus dem persönlichen Näheverhältnis und den 188

Vgl. Medicus, AT, § 24 Rn. 323. So etwa die nicht seltenen Fälle, in denen Dritte eine Lawine auslösen, die andere Bergsportler verschüttet. 190 Vgl. Flume, AT II, § 7/4 „Rechtspflicht kraft Garantenstellung“. 189

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

daraus resultierenden Fürsorgepflichten zwischen Drittem und (vermeintlich) Hilfsbedürftigem regelmäßig geschlossen werden, dass der Erklärende in eigenem Interesse einen rechtsverbindlichen Auftrag zur Suche erteilt, während bei sonstigen Vermisstenanzeigen Außenstehender bloß von einem unverbindlichen Hinweis auszugehen ist.191 Ein Angebot auf Abschluss eines Rettungsvertrages geben beispielsweise auch die Eltern ab, die die Bergrettung mit der Versorgung ihres – etwa beim Skifahren verunglückten – Kindes beauftragen. Ihre gesetzliche Vertretungsmacht und Fürsorgepflicht sprechen objektiv für den Rechtsbindungswillen der Erklärung und eine stellvertretende Verpflichtung im Namen des Kindes.192 (3) Notruf eines Bergkameraden Die Mitglieder einer Tourengemeinschaft treffen gegenseitige Schutz- und Obhutspflichten.193 Da ihre Unternehmung auch das gemeinsame Bestehen von möglicherweise auftretenden gefährlichen Situationen umfasst, sind sie einander im Notfall zur gegenseitigen Hilfeleistung oder, wenn sie die Situation nicht selbst bewältigen können, zum Herbeiholen von Hilfe verpflichtet.194 Verständigt 191

So auch Nef, S. 160. Dennoch wird auch für diese Fälle innerhalb der Bergrettungsgemeinschaft empfohlen, die Angehörigen über die rechtlichen und finanziellen Konsequenzen einer solchen Bitte aufzuklären. Zudem sollte zur Vermisstensuche die Polizei eingeschaltet werden, in deren Zuständigkeit die Vermisstensuche fällt (vgl. oben 2. Teil, 2. Kapitel A. I.; Freudig/Martin, S. 318). 193 Strafrechtlich sind die Mitglieder einer Tourengemeinschaft einander Garanten aus der Bildung einer Gefahrengemeinschaft und damit für das Wohl und Wehe des Kameraden verantwortlich. 194 Die Pflicht zu gegenseitiger Hilfeleistung in Tourengemeinschaften wird unabhängig von der rechtlichen Einordnung derselben übereinstimmend bejaht, vgl. Galli, S. 116; Nef, S. 158 f.; Michalek, S. 83. Für den rechtlichen Charakter einer Tourengemeinschaft werden unterschiedliche Ansichten vertreten. Nach einer verbreiteten Meinung bilden die Mitglieder einer Tourengemeinschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Galli, S. 131, 147). Dem entspricht nach Schweizer Recht die sog. einfache Gesellschaft (vgl. v. Steiger, SPR VIII/1, S. 351 f.), die für die Tourengemeinschaft mit gleich leistungsfähigen Alpinisten auch Nef befürwortet (S. 148/149). Für nach österreichischem Recht dogmatisch denkbar hält Michalek die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 1175 ff. ABGB) zwar ebenfalls (S. 35 f.), er geht aber davon aus, dass es in der Praxis meist an einem wirksamen rechtsgeschäftlichen Vertragsschluss der Gesellschafter fehle. Die gegenseitigen Hilfeleistungspflichten bestehen unabhängig davon, ob es sich bei der Gruppe um eine geführte, faktisch geführte oder gleichstarke Tourengemeinschaft handelt. Für die Erstgenannten werden zwar bisweilen besondere rechtliche Konstruktionen befürwortet. Nef etwa sieht in Gruppen mit einer Führungsstruktur grundsätzlich ein Auftragsverhältnis i. S. v. Art. 394 OR (S. 148, 174). Das überlegene Wissen/Können eines oder mehrerer Tourenmitglieder führt jedoch nicht zu einer einseitigen Hilfeleistungspflicht dieser Personen gegenüber „Schwächeren“, sondern lediglich zu stärkeren Schutzpflichten. So geht zwar der Tourist regelmäßig davon aus, dass sein Bergführer selbst nicht in eine Notlage gerate. Selbstverständlich ist er 192

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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ein Bergsteiger deshalb die Bergrettung für einen verletzten Kameraden, handelt er in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht und damit auch im eigenen Interesse. Die besondere gegenseitige Fürsorgepflicht und Verantwortung von Mitgliedern einer Tourengemeinschaft und das daraus erkennbare Interesse des Notrufers an einer organisierten Rettung spricht aus objektiver Empfängersicht grundsätzlich dafür, dass die gezielte Aufforderung an die Bergrettung als rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines Rettungsvertrages zu verstehen ist. Zu bedenken ist aber, dass der Bergkamerad seine Fürsorgepflicht bereits durch die Benachrichtigung der Bergrettung erfüllt.195 Er hat – natürlich abgesehen von seinem zwischenmenschlichen Interesse an einer erfolgreichen Rettung – keinen darüber hinaus gehenden Nutzen an dem Erfolg oder Misserfolg des Rettungseinsatzes.196 Der Notruf ist deshalb grundsätzlich nicht als ein eigenes Vertragsangebot des Bergkameraden zugunsten des Betroffenen auszulegen. Dem Bergkamerad ist zwar an der Erfüllung seiner (Fürsorge-)Pflicht durch Verständigung der Bergrettung gelegen, aufgrund des rein zwischenmenschlichen Interesses an der erfolgreichen Durchführung des Rettungseinsatzes wird er aber darüber hinaus nicht auch für die Kosten der Rettungsaktion einstehen wollen. Aus dem gleichen Grund wird sich in der Regel auch die Annahme einer solidarischen Verpflichtung der Tourengemeinschaft verbieten.197 Denkbar ist letztlich, dass der Bergkamerad eine rechtsverbindliche Aufforderung als Stellvertreter im Namen des Betroffenen vornimmt. Dass er als Stellvertreter seines Betroffenen ein wirksames Vertragsangebot über eine entgeltliche Rettung unterbreitet, kann seinem Notruf aber ebenso wenig entnommen werden. Die Fürsorgepflicht und das daraus folgende Interesse des Bergkameraden sind nämlich kein Indiz dafür, dass er den Betroffenen rechtsgeschäftlich verpflichten will. Festzuhalten bleibt, dass auch der Notruf eines hilfeleistungspflichtigen Bergkameraden mangels erkennbaren Rechtsbindungswillens – sei es als eigenes Vertragsangebot oder im Namen des Betroffenen – kein wirksames Vertragsangebot aber – etwa beim Spaltensturz des Führers – dazu verpflichtet, Hilfe zu holen, wenn er zur Rettung selbst nicht in der Lage ist. 195 So wohl auch Nef, S. 158 f. 196 Das Interesse des Verursachers der Notlage geht demgegenüber noch weiter, weil er für alle eingetretenen und noch zu erwartenden Schäden haftet. Er hat deshalb im Gegensatz zum Bergkameraden nicht nur ein Interesse an der bloßen Verständigung, sondern auch an der Verpflichtung der Bergrettung, um seine Haftung auf diese Weise möglichst einzuschränken. 197 So auch Nef für die Gefahrengemeinschaft bestehend aus gleichstarken Partnern (S. 159). Die erforderliche Vertretungsbefugnis zu einer solidarischen Verpflichtung habe der Kamerad jedenfalls, solange keiner seiner „Mitgesellschafter“ ein Veto einlegt. Letztlich verwirft Nef diese Möglichkeit aber zu Recht mit Hinweis darauf, dass dem Notrufer in der Praxis kaum je der Wille unterstellt werden könne, solidarisch und damit zumindest teilweise für die Rettungskosten haften zu wollen.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

darstellt. Wer für seinen Kameraden Hilfe anfordert, will dadurch objektiv weder selbst noch für den Betroffenen einen Rettungsvertrag abschließen und eine entsprechende Zahlungsverpflichtung begründen, sondern lediglich seine Pflicht gegenüber dem Betroffenen erfüllen. Dennoch wirkt sich das Näheverhältnis der Bergsteiger einer Tourengruppe auf die Auslegung des Notrufs aus. Die inhaltlichen Anforderungen, die an das Hilfeersuchen (die Erklärung) zu stellen sind, um darin eine Selbstverpflichtung oder eine wirksame Stellvertretung und folglich die Abgabe einer Willenserklärung zu erblicken, sind in diesen Fällen als geringer einzuordnen als beim Notruf eines unbeteiligten Dritten. Die potentiellen Haftungsrisiken eines falsus procurator aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten treffen den Dritten hier nicht unzumutbar, denn es kann von ihm als Mitglied einer Seilschaft/Tourengemeinschaft erwartet werden, dass er sich des entsprechenden Einverständnisses seines Bergkameraden vergewissert. Anders als beim Notruf eines unbeteiligten Dritten, bei dem im Zweifel wegen des Haftungsrisikos nicht von einer Stellvertretung auszugehen ist, werden beim Notruf eines Bergkameraden bereits geringere Anhaltspunkte für die Interpretation ausreichen, der Kamerad wolle eine verbindliche Erklärung mit Wirkung für und im Namen des Betroffenen abgeben. d) Ergebnis Das Hilfeersuchen eines Dritten gegenüber der Bergrettung ist, ob gezielt oder ungezielt, grundsätzlich nicht als wirksames Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages auszulegen. Ein entsprechender Rechtsbindungswille ist der Erklärung des Dritten im Gegensatz zum Notruf des Betroffenen aufgrund des fehlenden eigenen Interesses auch bei gezieltem Hilfeersuchen gegenüber der Bergrettung nicht zu entnehmen. Es können aber besondere Umstände vorliegen, die – wenn sie der Bergrettung erkennbar sind oder mitgeteilt werden – ausnahmsweise dafür sprechen, das gezielte Hilfeersuchen des Dritten als eigenes Vertragsangebot oder als Angebot im Namen des Hilfsbedürftigen und mit Wirkung für diesen auszulegen. Bei solchen Ausnahmen ist angesichts des Haftungsrisikos des Dritten und der häufig bei einem Notruf nicht eindeutig geklärten Umstände Zurückhaltung geboten. 3. Zusammenfassung Wendet sich der Betroffene gezielt mit der Bitte um Hilfeleistung an die Bergrettung, so ist seinem Hilfeersuchen objektiv das Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages zu entnehmen. Denn der erkennbare Wille, qualifizierte Hilfe einer Rettungsorganisation in Anspruch zu nehmen, die üblicherweise gegen Zahlung einer Rettungsvergütung erfolgt, lässt dann gleichzeitig auf die intendierte Rechtsverbindlichkeit des Ersuchens schließen, weil die Rettung im Interesse des Betroffenen liegt.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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Hilfeersuchen, die nicht (erkennbar) gezielt gegenüber der Bergrettung erfolgen, sind hingegen als unverbindliche Appelle an Privatpersonen zu deuten, da sie inhaltlich unbestimmt sind und einen Rechtsbindungswillen in der Regel nicht erkennen lassen. Das Hilfeersuchen eines Dritten ist, gezielt oder ungezielt, grundsätzlich keine rechtsverbindliche Willenserklärung und deshalb kein Vertragsangebot. Die gezielte Inanspruchnahme der Bergrettung lässt hier keinen Rückschluss auf eine intendierte Rechtsverbindlichkeit der Bitte um Hilfeleistung zu, da der Dritte kein eigenes Interesse an einem Vertragsschluss hat und ihm potentielle Haftungsrisiken nicht zuzumuten sind. Ausnahmen von diesem Grundsatz ergeben sich allenfalls, wenn das Hilfeersuchen besondere Umstände – ein besonderes Näheverhältnis, Fürsorgepflichten oder sonstige Tatsachen, die ein eigenes Interesse des Dritten an der Rettung begründen – erkennen lässt. 4. Annahme des Vertragsangebots Aufgrund der technischen Entwicklung erfolgt das Hilfeersuchen des Hilfsbedürftigen oder des Dritten heute in vielen Fällen durch Verständigung der Bergrettung bzw. der Notrufzentrale per Mobiltelefon. In diesen Fällen des direkten Kontakts zwischen Hilfsbedürftigem bzw. Drittem und der Bergrettung bzw. der Notrufzentrale wird die kurze mündliche Bestätigung, dass der Einsatz erfolgen werde, als Annahme des Angebots auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages ausreichen. Ansonsten liegt in der Initiierung des Rettungseinsatzes die schlüssige Erklärung, das Vertragsangebot des Hilfesuchenden oder (in Ausnahmefällen) des Dritten annehmen zu wollen. Dadurch bringt die Bergrettung objektiv zum Ausdruck, dass sie dem Hilfeersuchen nachkommen und das darin enthaltene Vertragsangebot annehmen will.198 Die Rechtsverbindlichkeit dieser schlüssigen Einverständniserklärung ergibt sich einerseits aus der unwidersprochenen Annahme des rechtsverbindlichen Angebots und andererseits aus dem unmittelbarem Interesse der Bergrettung, sich dadurch einen rechtsverbindlichen Zahlungsanspruch für ihre Rettungsleistungen zu sichern. Dass die Bergrettung zur Rettung des Hilfsbedürftigen auch aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen (vertraglichen) Beauftragung gegenüber den für den Rettungsdienst verantwortlichen Hoheitsträgern verpflichtet ist (Kontrahierungszwang) oder aufgrund ihrer satzungsmäßigen Selbstverpflichtung auch im Falle rechtlich unverbindlicher Hinweise tätig werden muss, steht einer rechtsgeschäftlichen Annahmeerklärung nicht entgegen.199 Mit nach außen erkennbarem schlüssigem Verhalten gibt die 198

So auch Nef, S. 161. Vgl. Soergel-Wolf, Vor § 145 Rn. 50; Flume, AT II, § 33 6 d; Ennecerus/Nipperdey § 162 IV 2; vgl. auch BGHZ 1, 75. Die Bergrettung wird, wie Stoll (S. 410, 413) anmerkt, zwar „von Amts wegen“ aufgrund der übernommenen Pflichten tätig, dies 199

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Bergrettung die Annahmeerklärung auch ab.200 Zwar wird diese Annahmeerklärung dem Hilfsbedürftigen regelmäßig nicht zugehen.201 Ein solcher Zugang ist bei dringlicher Nothilfe jedoch nach § 151 BGB entbehrlich, da in solchen Fällen besonderer Eilbedürftigkeit nach der Verkehrssitte der Zugang nicht zu erwarten ist und der Antragende wegen der für ihn vorteilhaften Konsequenzen kein Interesse am Zugang, sondern am möglichst frühzeitigen Vertragsschluss hat (Verzichtsgedanke).202 Eine wirksame rechtsgeschäftliche Einigung über die Erbringung von Rettungsleistungen gegen Entgelt kommt dann mit der Initiierung des Einsatzes zustande. 5. Ergebnis In den Fällen, in denen das gezielte Ersuchen des Hilfsbedürftigen oder eines Dritten ein wirksames Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages darstellt, nimmt die Bergrettung dieses Angebot entweder durch kurze mündliche Bestätigung oder durch schlüssiges Verhalten mit der Initiierung des Rettungseinsatzes an. Zwischen der Bergrettung und dem Hilfsbedürftigen (bzw. in Sonderfällen dem Dritten selbst) wird so eine wirksame rechtsgeschäftliche Einischließt jedoch ein rechtsgeschäftliches, nicht-hoheitliches Handeln nicht aus. Ebenso Koziol/Welser, BR I, S. 116; BK-Bucher, Vor. zu Art. 1–40 N. 7. Etwas anderes gilt, wenn die Bergrettung als unselbständiger Verwaltungshelfer in die hoheitliche Aufgabenerfüllung eingebunden wird (vgl. oben 2. Teil, 2. Kapitel). 200 Vgl. Palandt-Heinrichs, § 130 Rn. 4: Abgegeben ist eine Erklärung, wenn der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäußert bzw. in den Verkehr gebracht hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist. 201 Der Hilfsbedürftige erhält von dem Einverständnis der Bergrettung nur dann unmittelbar Kenntnis, wenn er mit ihr über Telefon oder Funk in Verbindung steht. Ansonsten wird er dies erst beim Eintreffen der Retter am Notfallort wahrnehmen. 202 Soergel-Wolf, § 151 Rn. 17; vgl. auch Staudinger-Bork, § 151 Rn. 8, wonach beim Kontrahierungszwang des Annehmenden nach der Verkehrssitte ein Zugang nicht mehr erforderlich ist. Dies erscheint auch bei der Verständigung der Bergrettung als passendes Argument, geht doch der Notrufer zu Recht davon aus, dass die Bergrettung in jedem Fall einen Einsatz einleiten wird. Anders ist die Lage, wenn die Bergrettung dem Notrufer direkt telefonisch signalisiert, dass sie den Einsatz nun einleite. Dann liegt eine unmittelbare Annahme unter Anwesenden vor. Vgl. auch § 864 ABGB, der vom Zugangserfordernis ebenfalls eine Ausnahme macht, wenn nach der Natur des Geschäfts oder der Verkehrssitte eine Annahmeerklärung nicht zu erwarten ist. Ein Vertrag kommt dann ebenfalls zustande, wenn dem Angebot innerhalb der Annahmefrist tatsächlich entsprochen wird (Koziol/Welser, BR I, S. 107; Bydlinski, JBl. 1983, 169). Das schweizerische Obligationenrecht kennt eine entsprechende Vorschrift nicht. Zu demselben Ergebnis eines frühzeitigen Vertragsschlusses führt aber die Regelung des Art. 395 OR, wonach ein nicht sofort abgelehnter Auftrag als angenommen gilt, wenn er sich auf die Besorgung solcher Geschäfte bezieht, die der Beauftragte kraft obrigkeitlicher Stellung oder gewerbsmäßig betreibt oder zu deren Besorgung er sich öffentlich empfohlen hat. Die SAC-Rettung erzielt mit ihren Einsätzen regelmäßige Einkünfte und, wenn sie nicht ausnahmsweise obrigkeitlich dazu verpflichtet ist, empfiehlt ihre Dienste regelmäßig auch öffentlich. Nimmt sie den Antrag deshalb nicht unmittelbar gegenüber dem Notrufer an, so gilt jedenfalls diese gesetzliche Fiktion (vgl. genauer Nef, S. 162).

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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gung erzielt und folglich ein Vertrag auf Rettungsleistung bereits zu diesem Zeitpunkt geschlossen.203 II. Einigung durch Vornahme und Inanspruchnahme von Rettungshandlungen am Notfallort Eine vertragliche Einigung zwischen der Bergrettung und einem nicht bewusstlosen und nicht wesentlich in seinem Bewusstsein beeinträchtigten Hilfsbedürftigen über die Erbringung von Rettungshandlungen gegen ein übliches Entgelt wird jedenfalls zum Zeitpunkt des Eintreffens der Retter am Notfallort für möglich gehalten und regelmäßig angenommen.204 1. Anfrage oder Vornahme erster Rettungshandlungen als Vertragsangebot der Bergrettung205 Die Bergretter können den Hilfsbedürftigen beim Eintreffen am Notfallort ausdrücklich fragen, ob er ihre Hilfe in Anspruch nehmen will, oder sie bieten ihm konkludent durch Vornahme erster Maßnahmen zur Rettung einen solchen Vertragsschluss an.206 Dem Verhalten der Retter ist aus Sicht des Hilfsbedürftigen objektiv zu entnehmen, dass die Bergrettung gegen eine entsprechende (übliche) Vergütung Hilfe leistet. Er muss davon ausgehen, dass die Bergrettung ihren Entgeltanspruch durch eine rechtsverbindliche Abrede sichern will, wenn ein solcher Entgeltanspruch nach der Verkehrsanschauung als Gegenleistung üblich ist.207 Bieten die Bergretter dem Hilfsbedürftigen deshalb ihre Hilfe an oder beginnen sie ungefragt mit ersten Rettungshandlungen, so ist darin ein (schlüssiges)

203 Dies verkennen die Autoren, die eine rechtsgeschäftliche Einigung nur für den Zeitpunkt des Eintreffens der Bergrettung beim Hilfsbedürftigen für möglich halten, vgl. oben A. II. 3. a) und b). 204 Lippert/Weissauer, S. 107; Beulke, S. 135; wohl auch Freudig/Martin, S. 264, 270. Anders hingegen die Autoren, die (Schadensersatz-)Ansprüche der Bergrettung nur aus den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag und aus Deliktsrecht herleiten (Michalek, S. 240 ff.; Michallek, S. 24, 29 ff.; Maurer, S. 24, 26; Stoll, S. 413 ff.). 205 Die nachfolgenden Überlegungen befassen sich mit der Konstellation, dass die Bergretter ihrerseits an den Hilfsbedürftigen herantreten, ohne dass Letzterer die Bergretter vor Ort zum Handeln auffordert. Natürlich ist es gerade in den Fällen, in denen Dritte die Bergrettung verständigt haben, denkbar, dass der Hilfsbedürftige sich seinerseits an die herannahenden Bergretter durch Rufe oder Signale wendet und so ggf. seinerseits ein wirksames Vertragsangebot unterbreitet. Dann gelten die vorstehenden Ausführungen (I.) entsprechend. 206 Sog. Realofferte, vgl. MüKo-Kramer, § 145 Rn. 11. 207 Vgl. Nef, S. 155 f., der die Bergrettungsorganisationen wegen ihres Interesse am Abschluss eines Rettungsvertrages als „präsumtive Beauftragte“ bezeichnet.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

verbindliches Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages zu sehen. 2. Inanspruchnahme der Rettungsleistung durch den Hilfsbedürftigen als Annahme Fraglich erscheint aber, ob der Hilfsbedürftige bereits dadurch, dass er die Hilfeleistung der Bergretter in Anspruch nimmt, sein Einverständnis mit dem Vertragsangebot der Retter erklärt und damit das Angebot der Retter annimmt. Man wird hier wohl unterscheiden müssen, ob der Hilfsbedürftige selbst aktiv an seiner Rettung mitwirkt oder die Rettungshandlungen nur passiv „über sich ergehen lässt“. Durch ein aktives Mitwirken bringt der Hilfsbedürftige jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass er die Hilfe der Bergretter in Anspruch nehmen will.208 Da sich diese Einverständniserklärung auf das vorangegangene, rechtsverbindliche Angebot der Bergrettung auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages bezieht, erklärt sich der Hilfsbedürftige objektiv mit der üblichen Entgeltzahlung und der Rechtsverbindlichkeit der Hilfeleistungsabrede einverstanden. Irrt sich der Hilfsbedürftige über Rechtsverbindlichkeit und Folgen seiner Erklärung, etwa weil er davon ausgeht, (wie in Frankreich) eine kostenlose staatliche Leistung der Gefahrenabwehr und Daseinsvorsorge in Anspruch zu nehmen, so kann er seine Erklärung allenfalls anfechten.209 Ein bloßes Nichtstun (Schweigen) hat hingegen grundsätzlich keinen Erklärungswert.210 Das Gegenteil trifft aber ausnahmsweise zu, wenn der Schweigende verpflichtet gewesen wäre, seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck zu bringen. Dies kann sich vor allem aus Billigkeitsgrundsätzen ergeben (§ 242 BGB), wenn der Schweigende nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, seinen abweichenden Willen zu äußern. Die Wertung von Schweigen als Zustimmung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Umstände, insbesondere ein zugunsten des anderen Teils entstandener Vertrauenstatbestand, dies rechtfertigt.211 Solche besonderen Umstände wird man zu Beginn einer Rettungsaktion 208 Vgl. Staudinger-Singer, Vorbem. zu §§ 116–144, Rn. 54: „Typische Fälle konkludenter Willenserklärungen sind die Inanspruchnahme von Waren oder Dienstleistungen, die üblicherweise nur gegen Entgelt angeboten werden“. Die in der Folge genannten Beispielsfälle zeigen aber, dass der Erklärende, äußerlich aktiv an der Inanspruchnahme mitwirkt. 209 Der Hilfsbedürftige wird sich in diesen Fällen auf sein fehlendes Erklärungsbewusstsein berufen, da er dann keine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben glaubte. Dies wird im Ergebnis keinen Unterschied machen, da er (analog) § 122 BGB jedenfalls schadensersatzpflichtig wäre. 210 Larenz/Wolf, AT, § 24 Rn. 20, § 28 Rn. 66 ff.; Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 7. 211 Larenz/Wolf, AT, § 28 Rn. 72 ff.; Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 116 Rn. 8 f.; MüKo-Kramer, Vor. § 116 Rn. 23 ff.

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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bejahen müssen. Zwar trägt der (scheinbar) Hilfsbedürftige nicht durch aktives Verhalten zur Rettung bei, die Retter werden aber in der Regel physisch auf ihn einwirken, um die erforderlichen Rettungshandlungen ausführen zu können. Jeder, der diese Eingriffe in die persönliche Freiheit nicht wünscht, wird üblicherweise dagegen aufbegehren. Es ist deshalb nach Treu und Glauben zu erwarten, dass der Betroffene Widerspruch gegen solche „Beeinträchtigungen“ erhebt, wenn er sie ablehnt.212 Auch von einem moralisch-sittlichen Standpunkt aus wird man erwarten können, dass der (aus seiner Sicht) nicht Hilfsbedürftige oder Hilfsunwillige die Ablehnung der Rettung deutlich zum Ausdruck bringt, da er sonst u. U. anderweitig benötigte Ressourcen bindet und die Retter bei einer Aktion unnötig in Gefahr bringt.213 Mit dem „Geschehenlassen“ der Rettungshandlungen bringt er deshalb ebenfalls zum Ausdruck, dass er mit der Rettung einverstanden ist und das Vertragsangebot der Bergrettung annimmt. Dass dem Hilfsbedürftigen in seiner Notlage oft keine (vernünftige) Alternative bleibt, steht der Wirksamkeit seiner Annahmeerklärung nicht entgegen.214 Eine rein tatsächliche Zwangslage allein, in die sich der Hilfsbedürftige bisweilen selbst manövriert hat, schließt eine privatautonome Gestaltung des Rechtsverhältnisses, d.h. die freie Entscheidung über Eingehung oder Ablehnung eines Vertragsschlusses, nicht aus.215 212 Die Bergrettung ist dann nicht befugt, weitere Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen auszuführen (vgl. § 17 Abs. 2 der Dienstanweisung für den Rettungsdienst Bayern). Einseitige, hoheitliche Zwangsbefugnisse stehen der Bergrettung nicht zu. A. A. Nef, S. 197, nach dessen Ansicht die Retter auch gegen den Widerstand des Hilfsbedürftigen zur (letztlich zwangsweisen) Hilfeleistung verpflichtet sein sollen. Er begründet dies mit Art. 420 Abs. 3 OR, wonach der Geschäftsführer auch für den Zufall haftet (Haftungsverschärfung), wenn die Geschäftsführung entgegen dem ausgesprochenen Willen des Geschäftsherrn unternommen und das Verbot nicht unsittlich oder rechtswidrig gewesen ist. Unsittlich bzw. rechtswidrig sei ein Verbot, wenn die Interessen des sich einmischenden Geschäftsführers schützenswerter sind als die des Geschäftsherrn, etwa bei Rettung eines Selbstmörders (vgl. auch BK-Weber, Art. 420 N. 8; über § 138 BGB die Wirksamkeit des Willens eines Selbstmörders verneinend Staudinger-Wittmann, § 679 Rn. 2). Ob allerdings die Schlussfolgerung von der zulässigen Rettung eines Selbstmörders auf die Ablehnung der Rettung durch einen verletzten Bergsteiger gezogen werden kann, erscheint zweifelhaft. Das persönliche Freiheitsrecht eines jeden Bürgers wird, gerade wenn es ausdrücklich und in freier Willensentschließung eingefordert wird (das wird bei der Selbstmordverhinderung oft nicht der Fall sein), den guten Absichten der Bergretter, die keinerlei Zwangsbefugnisse besitzen, in der Regel vorgehen müssen. 213 Im Gebirge ist es deshalb üblich, der Bergrettung frühzeitig zu signalisieren, wenn keine Hilfe erwünscht ist, etwa durch das „N“-Signal, das für „NO“ bzw. „NEIN“, ich/wir benötigen keine Hilfe, steht, vgl. Freudig/Martin, S. 164. 214 Anders aber scheinbar Michallek, S. 24: „Ein Zivilrecht, das auf der Privatautonomie aufbaut, kann auf die Entscheidungsfreiheit der Vertragsparteien nicht verzichten.“ 215 Vgl. im Zusammenhang mit der inhaltlich beschränkten Gestaltungsfreiheit bei Leistungsbeziehungen des modernen Massenverkehrs Flume, AT II, § 8/2, S. 97 f. Dass die Rettungsorganisationen ihre „Bedingungen“ für die Rettung nicht unter Ausnutzung der Zwangslage willkürlich einseitig diktieren können, wird durch die Festlegung der

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Mit der Inanspruchnahme der Rettung erklärt der Hilfsbedürftige deshalb sein Einverständnis mit dem Angebot der Retter, ihm die erforderliche Hilfe gegen Entgelt rechtsverbindlich zukommen zu lassen. 3. Ergebnis Jedenfalls mit dem Hilfsbedürftigen, der bei Bewusstsein und ansprechbar ist, kommt konkludent ein Vertrag auf entgeltliche Rettungsleistung durch Erbringen und Inanspruchnahme der Hilfe zustande. Inwieweit der Hilfsbedürftige durch die Situation in seiner Willensfreiheit eingeschränkt war (Schockzustand, Unterkühlung etc.), wird sich vor Ort selten klären lassen. III. Rechtsnatur des entgeltlichen Rettungsvertrages Bei der rechtsgeschäftlichen Einigung über die Durchführung eines entgeltlichen Rettungseinsatzes werden sich Bergrettung und Hilfesuchender/Dritter unabhängig davon, wer Partei des Rettungsvertrages wird und zu welchem Zeitpunkt die Einigung erfolgt, in der Regel nicht über nähere Einzelheiten des Vertragsinhalts verständigen, sondern lediglich allgemein die Vornahme der erforderlichen Rettungshandlungen selbst und, durch gezielte Inanspruchnahme der Bergrettungsorganisation, konkludent die Zahlung des hierfür üblichen Entgelts vereinbaren. Welche konkreten Leistungen für die Rettung eines hilfsbedürftigen Bergsportlers im Einzelfall von der Bergrettung erbracht werden müssen, ist von dem jeweiligen Einsatztyp abhängig und steht zu Beginn des Einsatzes, also u. U. auch schon zu Beginn der Vertragsdurchführung, wegen der oft vagen Angaben über die konkreten Umstände häufig noch nicht fest, sondern muss sich erst im Laufe des Rettungseinsatzes herausstellen. Wegen der besonderen Gefahren und Unwägbarkeiten eines Einsatzes im Gebirge kann und will die Bergrettung den Erfolg ihrer Tätigkeit in der Regel nicht garantieren.216 Sie wird sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten und unter der Voraussetzung einer nach eigenem Ermessen Rettungspauschalen unter Rücksprache mit den öffentlichen Kassen und den Rettungsdienstträgern gewährleistet. 216 Bei schlechter Sicht etwa kann ein Hubschrauber nicht starten, eine Bodenmannschaft wird dann erheblich länger brauchen, um den Einsatzort zu erreichen. Bei Spaltenstürzen muss der genaue Ort des Geschehens bekannt sein, eine Suche nach dem Verschollenen entpuppt sich sonst schnell als die buchstäbliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Gleiches gilt für Lawinenopfer, die ohne Verschüttetensuchgerät oder sonstige Signaleinrichtungen (RECCO) unterwegs waren. Gerade in diesen Fällen dient die mühsame Suche einer Rettungsmannschaft durch Sondierung des Lawinenkegels angesichts der erfahrungsgemäß kurzen Überlebenszeit des Verschütteten meist nur noch der Bergung der oder des Toten (vgl. Statistik zur Überlebensdauer von Lawinenopfern, Freudig/Martin, S. 594 f.).

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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noch zumutbaren Selbstgefährdung um eine erfolgreiche Rettung lediglich bemühen.217 Zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem oder Drittem wird deshalb in der Regel ein Dienstvertrag (§ 611 BGB) geschlossen. Die Rettung kann auch einzelne Tätigkeiten umfassen, deren erfolgreiche Ausführung von der Bergrettung zu erwarten ist. Das ist etwa der Fall, wenn einfache Beförderungsleistungen zu erbringen sind, beispielsweise der Abtransport eines verletzten Skifahrers ins Tal mittels Ackja oder Pistenraupe. Steht dies bei Vertragsschluss fest und umfasst die erforderliche Rettungsleistung darüber hinaus keine weiteren, insbesondere medizinischen Tätigkeiten, für die die Bergrettung typischerweise keinen Erfolg versprechen will, kann im Einzelfall ein Transportoder Beförderungsvertrag mit werkvertraglichem Charakter (§ 631 BGB) vereinbart sein.218 Je nach Konstellation handelt es sich beim Rettungsvertrag der Bergrettung daher um einen Dienst-, Werk- oder einen gemischttypischen Vertrag.219 Mangels konkreter Vereinbarung einer bestimmten Summe gilt das übliche Entgelt als geschuldet.220 Als übliches Entgelt kann die Bergrettung dem Hilfsbedürftigen (oder Dritten) dann die Pauschalbeträge in Rechnung stellen, die sie jährlich mit den jeweiligen Versicherungsträgern und/oder den für das Rettungs217 Die Durchführung einer gefährlichen Rettungsaktion muss deshalb letztlich im Ermessen der Retter stehen. Vergegenwärtigt man sich, welche Einsatzarten die Bergretter routinemäßig durchführen, so wird deutlich, welche zum Teil erheblichen Gefährdungen die Retter ohnehin regelmäßig auf sich nehmen. Vgl. auch Nef, S. 155: „[. . .] Pflicht, alles Zumutbare zu unternehmen, um den Hilfsbedürftigen aus seiner Lage zu befreien.“ 218 Vgl. zum allgemeinen Rettungsdienst Lippert/Weissauer, S. 108. Für Österreich und die Schweiz gelten diese Überlegungen entsprechend. Rettungseinsätze mit Dienstleistungscharakter richten sich in Österreich nach den Regeln über den freien Dienstvertrag (vgl. Apathy/Riedler, BR III SR BT, Rz. 4/8). Dienstverträge ohne persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers sind in Österreich nicht gesetzlich geregelt. Die §§ 1151 ff. ABGB, die das Arbeitnehmerverhältnis im Auge haben, sind deshalb nur eingeschränkt anwendbar (ebenso Koziol/Welser, BR I, S. 398/399). Anderer Ansicht ist Mauerer, S. 39, der von einem Auftrags- bzw. Werkvertragsverhältnis ausgeht. Dabei verkennt er, dass der Auftrag nach österreichischem Recht nicht auf rein tatsächliche (Rettungs-)Handlungen anwendbar ist, sondern sich auf die Vornahme von Rechtshandlungen beziehen muss (so zu Recht Fötschl, S. 98 Fn. 467 m.w. N.) und ein Erfolg der Rettung von der Bergrettung objektiv nicht in Aussicht gestellt und deshalb nicht generell geschuldet wird. In der Schweiz sind die Vorschriften über das Auftragsmandat nach Art. 394 ff. OR anwendbar (BK-Weber, Art. 394 N. 1, 9). Der Auftrag ist nach schweizerischem Obligationenrecht „Auffangvertrag“ (vgl. Art. 394 Abs. 2 OR). Ist der Erfolg in einfach gelagerten Fällen sicher, würden auch in Österreich und der Schweiz werkvertragliche Grundsätze nach §§ 1165 ff. ABGB (Koziol/Welser, BR I, S. 402) bzw. nach Art. 363 ff. OR (BK-Zindel/Pulver, Vorbem. zu Art. 363–379 OR N. 1 ff.) zur Anwendung kommen. 219 Vgl. Lippert/Weissauer, S. 108; Nef, S. 161 f. 220 Vgl. § 612 Abs. 2 bzw. § 632 Abs. 2 BGB, Art. 394 Abs. 3 OR bzw. Art. 363 (BK-Zindel/Pulver, Art. 363 N. 5); § 1152 ABGB, der auch auf werkvertragliche Leistungsbeziehungen anzuwenden ist (Apathy/Riedler, BR III SR BT, Rz. 3/10).

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

wesen zuständigen Hoheitsträgern, von denen sie mit der Durchführung der Rettungsaufgaben betraut wird, für bestimmte Einsatztätigkeiten vereinbart.221 IV. Zusammenfassung – Bedeutung des Zeitpunkts des Vertragsschlusses (Ausblick) Ein entgeltlicher Rettungsvertrag wird bereits durch das Hilfeersuchen und die Zusage bzw. Initiierung des Rettungseinsatzes durch die Bergrettung geschlossen, wenn der Betroffene selbst sich gezielt – meist durch einen Notruf – an die Bergrettung (Notrufzentrale) wendet. Die gezielte Verständigung durch Dritte ist hingegen grundsätzlich noch nicht als wirksames, verbindliches Vertragsangebot zu werten. Hierzu bedarf es weiterer, objektiv erkennbarer Anhaltspunkte, die die Annahme, der Dritte wolle ein verbindliches Vertragsangebot abgeben, rechtfertigen. Jedenfalls durch eine entsprechende Verständigung oder das tatsächliche Anbieten und die Inanspruchnahme der Hilfeleistung am Notfallort einigen sich die Bergrettung und der Hilfsbedürftige, soweit er bei Bewusstsein und in seiner Willensbildung nicht eingeschränkt ist, über die entgeltliche Hilfeleistung. Ein entgeltlicher Rettungsvertrag kommt deshalb zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem – in Ausnahmefällen auch mit einem Dritten222 – jedenfalls dann zustande, wenn der Betroffene nicht bewusstlos und auch sonst nicht in seiner Willensbildung beeinträchtigt ist. Für ihre Rettungsleistungen kann die Bergrettung in diesen Fällen vorbehaltlich einer ausdrücklich anderslautenden Vereinbarung die üblichen Rettungspauschalen als vertraglichen Zahlungsanspruch geltend machen.223 221 Den zuständigen Hoheits- und Kostenträgern ist daran gelegen, dass die Leistungen der Bergrettung als Teil staatlicher Daseinsvorsorge sozialverträglich bleiben und sich in das Kostensystem der Sozialversicherung einfügen (vgl. oben 1. Kapitel und 1. Teil, 1. Kapitel B. IV. 2. und C.). Die kostendeckende, ehrenamtliche, aber nicht gewinnorientierte Abrechnung ist auch erklärtes satzungsmäßiges Ziel der Bergrettungen als gemeinnütziger Organisationen (vgl. §§ 23 f. Satzung des Deutschen Roten Kreuzes). Insoweit decken sich hoheitliche und private Interessen bei der Erfüllung der Rettungsaufgaben. Wird die Bergrettung außerhalb des Aufgabenbereichs tätig, der ihr vom zuständigen Hoheitsträger zur generellen Wahrnehmung überantwortet ist (z. B. bei der Rettung außerhalb von Krankentransport und Notfallrettung in Deutschland), bestehen in der Regel auch keine verbindlichen Absprachen mit den genannten Institutionen über die Höhe der für solche Einsätze anfallenden Kostenpauschalen (unklar Freudig/Martin, S. 270). Jedenfalls müsste sich die Bergrettung diesen gegenüber nicht zu bestimmten maximalen Pauschalsummen verpflichten. 222 Vgl. oben I. 2. c). 223 Soweit der Gerettete gesetzlich versichert ist und die Rettungsleistung in den Anwendungsbereich der Versicherungsvorschriften fällt, gilt das Sachleistungsprinzip (vgl. oben 1. Kapitel). Hat die Bergrettung mit den Krankenversicherungen Leistungsabsprachen über die Erbringung der Rettungsleistungen als Sachleistungen der Versicherer getroffen, berührt dies zwar die zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem entstandenen

2. Kap.: Vertraglicher Anspruch

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Die unterschiedlichen Zeitpunkte, zu denen zwischen Bergrettung und Betroffenem eine rechtsgeschäftliche Einigung erzielt und ein entgeltlicher Rettungsvertrag geschlossen wird, sind praktisch durchaus bedeutsam. Mit Abschluss des Vertrages entstehen zum einen gegenseitige vertragliche Leistungs- und Schutzpflichten. Der Hilfsbedürftige wird die Rettung selbst zwar kaum je als Primärpflicht einklagen (können). Ihre Verletzung kann aber zu Sekundäransprüchen (insbesondere Schadensersatzansprüchen) des Hilfsbedürftigen führen.224 Der vertragliche Haftungsmaßstab umfasst grundsätzlich jede Sorgfaltspflichtverletzung.225 Der Bergrettung steht ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihrerseits aus Vertrag eine (verlässliche) Anspruchsgrundlage für die Entlohnung aller im Rahmen des Rettungseinsatzes notwendiger Rettungsbemühungen zur Verfügung. Sie kann den Hilfsbedürftigen auf Zahlung des üblichen Rettungsentgelts in Anspruch nehmen, auch wenn sich der Einsatz in der Zeit zwischen Vertragsschluss und Eintreffen der Retter am Unfallort selbst aus seiner Notlage befreien kann oder von Dritten befreit wird.226 Wird die Bergrettung tätig, ohne dass sie einen Vertrag mit dem Hilfsbedürftigen oder einem Dritten schließt, kann die Bergrettung ihre Rettungsbemühungen nicht auf vertraglicher Basis abrechnen. Fraglich ist dann, ob sich entsprechende Forderungen der Bergrettung mit Hilfe der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag begründen lassen. Selbst wenn ein Vertrag am Unfallort geschlossen wird, erscheint zweifelhaft, ob Maßnahmen im Vorfeld der eigentlichen Bergung und Hilfeleistung – etwa eine umfassende Suchaktion – als von der konkludenten vertraglichen Vereinbarung am Unfallort in Hinsicht auf Entgeltansprüche erfasst anzusehen sind. Das wird man in der Regel bejahen können, da Maßnahmen der Bergrettung zum Erreichen des Unfallortes und des Hilfsbedürftigen dem tatsächlichen Interesse des Hilfsbedürftigen entsprechen. Man wird dies aber – etwa in Hinsicht auf die Kosten einer Suchaktion im Vorvertraglichen Rechte und Pflichten grundsätzlich nicht, die Bergrettung kann sich dann aber hinsichtlich der Abrechnung des Rettungsentgelts nicht an den Geretteten selbst, sondern muss sich an die Versicherung wenden (vgl. BGH NJW 1984, 1820; NJW 1999, 858). In einer Entscheidung des LG Karlsruhe (NJW 2003, 443) hätten die Richter deshalb jedenfalls von einem Vertragsschluss am Unfallort ausgehen können und die zu erstattende Summe auf den „üblichen“ Betrag begrenzen können. In dem Fall hatte ein privates Rettungsflugunternehmen einen Verletzten, der bei Bewusstsein war, geborgen und hatte diesem Einsatzkosten in Rechnung gestellt, die über die Versicherungssumme hinausgingen. Das Gericht verneinte den Anspruch auf den geforderten Kostenüberschuss nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 1036 ABGB – anwendbar war österreichisches Recht) mit der Begründung, die Rettung durch einen Hubschrauber des Bundesministeriums sei möglich und kostenfrei gewesen und habe deshalb objektiv nicht im Interesse des Patienten gelegen. 224 Vgl. Nef, S. 195 ff. zu Unmöglichkeit, Verzug und Schlechtleistung. 225 Zu den Konsequenzen einer vertraglichen Hilfeleistungsabrede vgl. Fötschl, S. 88 f. 226 Vgl. Nef, S. 162, 197.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

feld – jedenfalls dann mangels eines entsprechenden objektiv erkennbaren Willens des Hilfsbedürftigen ablehnen müssen, wenn der Hilfsbedürftige etwa klare Hinweise über seine Route hinterlassen und von dieser nicht abgewichen ist. In diesen Konstellationen kommen für Rettungsleistungen vor Eintreffen der Retter am Unfallort und dortigem Vertragsschluss ebenfalls nur Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht, die Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen (3. Kapitel) sind. 3. Kapitel

Anspruch der Bergrettung auf Zahlung eines Rettungsentgelts aus Geschäftsführung ohne Auftrag Steht der Bergrettung mangels rechtsgeschäftlicher Einigung kein vertraglicher Zahlungsanspruch zu, kann sie ein Entgelt für ihre Rettungsleistungen eventuell als Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen.227 Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die Bergrettung als Geschäftsführerin ohne Auftrag mit der Hilfeleistungshandlung ein Geschäft des bzw. für den Hilfsbedürftigen besorgt (Grundtatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag) und sich die Rettungsaktion als eine nach den jeweiligen Vorschriften berechtigte Geschäftsbesorgung für den Hilfsbedürftigen herausstellt (berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag als Voraussetzung des Aufwendungsersatzanspruchs).228 Die Hilfeleistung in Notfällen wird gemeinhin als ein typischer Fall der Geschäftsführung ohne Auftrag betrachtet, in dem der Retter den Geretteten regelmäßig auf Ersatz seiner Aufwendungen in Anspruch nehmen kann.229 Bei der Rettungstätigkeit der Bergrettung stellen sich jedoch sowohl auf Tatbestands- als auch auf der Rechtsfolgenseite besondere Fragen: Die Bergrettungsorganisationen kommen mit der Durchführung von Rettungseinsätzen eigenen Interessen und Verpflichtungen nach. Sie haben sich die Ret227 §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB; §§ 1036, 1037 ABGB; Art. 422, 419 OR; so für verschiedene Konstellationen u. a. Lippert/Weissauer, S. 107; Nef, S. 360 ff.; Frank, SJZ 1976, 185 ff. 228 Zum Grundtatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag vgl. § 677 BGB, Art. 419 OR und § 1035 ABGB. Einen Aufwendungsersatzanspruch aus „berechtigter“ Geschäftsführung ohne Auftrag gewähren § 683 S. 1 BGB, Art. 422 OR und §§ 1036, 1037 ABGB. 229 Vgl. Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 20 mit Hinweis auf RGZ 167, 85 (Lebensrettung); BGH NJW 1977, 530 (Hilfeleistung in Seenot); BGHZ 33, 251 (Herbeiholen erster Hilfe nach einem Unglücksfall); Hofstetter, SPR VII/6, S. 238; Honsell, OR BT, S. 327; Apathy/Riedler, BR III SR BT, § 16 Rz. 1. Dass die Hilfeleistung in Notfällen als Geschäftsführung ohne Auftrag eine Rolle spielt, zeigen bereits die auf diese Situationen gerichteten gesetzlichen Vorschriften § 680 BGB, Art. 420 Abs. 2 OR und § 1036 ABGB.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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tung Hilfsbedürftiger in ihren Satzungen zur Aufgabe gemacht und sind hierzu teilweise auch vertraglich gegenüber dem für die jeweilige Rettungsaufgabe zuständigen Hoheitsträger und, wo das Sachleistungsprinzip gilt und eine entsprechende Leistungsvereinbarung mit der Versicherung des Hilfsbedürftigen getroffen wurde, gegenüber der Versicherung des Hilfsbedürftigen verpflichtet.230 Auch kommen die Retter mit der Hilfeleistung letztlich ihrer gesetzlichen Hilfeleistungspflicht nach.231 Vor dem Hintergrund des Eigeninteresses der Bergrettung an der Hilfeleistung und angesichts der Verpflichtungen hierzu stellt sich zunächst die Frage, ob die Hilfeleistung der Bergrettung überhaupt eine Angelegenheit (ein Geschäft) des Hilfsbedürftigen darstellt, das sie für diesen wahrnimmt, mit der Folge, dass der Grundtatbestand der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllt ist, oder ob sie nicht vielmehr einer eigenen Aufgabe nachgeht und die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag damit ausgeschlossen ist (A.). Ob die Hilfeleistung berechtigte Geschäftsbesorgung ist und den Rettern infolgedessen ein Aufwendungsersatzanspruch dem Grunde nach zusteht, hängt davon ab, ob die Hilfeleistung im Interesse des Hilfsbedürftigen erfolgte, d.h. für ihn nützlich war.232 Der Nutzen eines Rettungseinsatzes für den Hilfsbedürftigen ist in einer Reihe von Fällen jedoch zweifelhaft, so etwa, wenn es sich um einen Fehlalarm handelt oder sich herausstellt, dass der konkret getätigte Rettungsaufwand zu den tatsächlich erforderlichen Hilfeleistungsmaßnahmen in einem groben Missverhältnis steht, oder wenn sich der Rettungseinsatz vor Eintreffen der Bergrettung erledigt und dies bereits zu Beginn des Einsatzes mehr oder weniger wahrscheinlich war. Einzugehen ist in diesem Zusammenhang auf die Frage, nach welchen Kriterien die jeweils einschlägigen Vorschriften in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Nützlichkeit der Hilfeleistung beurteilen und welche Konsequenzen daraus den Anspruch auf Aufwendungsersatz in den genannten Zweifelsfällen erwachsen (B.). Liegen die Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung vor, gewähren die jeweiligen Vorschriften dem Geschäftsführer Ersatz von Aufwendungen, die ihm durch die Geschäftsführung entstanden sind. Der Geschäftsführer soll, wenn er zum Nutzen des Geschäftsherrn tätig wird, durch den Geschäftsherrn 230

Vgl. oben 1. Kapitel. Vgl. § 323c StGB (Deutschland); § 94 f. StGB (Österreich); Art. 128 StGB (Schweiz). 232 Die Voraussetzungen für die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag sind in den drei hier untersuchten Rechtsordnungen unterschiedlich ausgestaltet (§ 683 S.1 BGB: Interesse und Wille des Geschäftsherrn; Art. 422 Abs. 1 OR: gebotenes Interesse; §§ 1036, 1037 ABGB: Schadensabwehr im Notfall und klarer, überwiegender Vorteil). Ihnen liegt allgemein der Gedanke zugrunde, dass die Geschäftsführung für den Geschäftsherrn nützlich sein muss, damit der Geschäftsführer einen Aufwendungsersatzanspruch erwirbt (vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 19; Meissel, S. 4 ff.; Schmid, S. 123). 231

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

zumindest hinsichtlich der Kosten seiner Tätigkeit schadlos gehalten werden.233 Die Zahlung eines Entgelts im Sinne einer Vergütung für die verrichtete Arbeit sehen die jeweiligen Vorschriften ihrem Wortlaut nach nicht vor. Auf der Rechtsfolgenseite ist deshalb zu klären, ob das von der Bergrettung üblicherweise in Rechnung gestellte Rettungsentgelt, das als Pauschalbetrag nicht nur an den Kosten des konkreten Einsatzes ausgerichtet ist,234 vom Begriff des Aufwendungsersatzes umfasst wird und deshalb nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähig ist (C.).

A. Der Grundtatbestand der (echten) Geschäftsführung ohne Auftrag Mit Geschäftsführung ohne Auftrag ist in § 677 BGB, § 1035 ABGB und Art. 419 OR zunächst allgemein die Konstellation bezeichnet, dass der Handelnde (Geschäftsführer) ein Geschäft eines anderen bzw. für einen anderen besorgt, ohne (ihm gegenüber) dazu beauftragt oder in sonstiger Weise legitimiert zu sein.235 Diese Grundtatbestände, die den Anwendungsbereich der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag eröffnen, erfassen aufgrund ihres unbestimmten Wortlauts eine Vielzahl höchst unterschiedlicher, bisweilen stark voneinander abweichender Fälle.236 Versuche, für die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag einen einzigen aussagekräftigen Grundgedanken zu nennen, der ihre Existenz und Ausgestaltung bestimmt, haben nicht überzeugen können.237 Den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag kommt deshalb 233 MüKo-Seiler, § 683 Rn. 1; Meissel, S. 23 f. mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte; vgl. ebenfalls Hofstetter, SPR VII/6, S. 235 f.; Schmid, S. 53. 234 Vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. IV. sowie 2. Kapitel A. II. 5. und B. V. 235 Vgl. § 677 BGB: „Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne dazu beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, [. . .]“; Art. 419 OR: „Wer für einen anderen ein Geschäft besorgt, ohne von ihm beauftragt zu sein, [. . .]“; § 1035 ABGB: „Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, noch vom Gesetze die Befugnis erhalten hat, darf der Regel nach sich in das Geschäft eines andern nicht mengen.“ 236 Hofstetter, SPR VII/6, S. 236: „Die sechs der Geschäftsführung gewidmeten Artikel fassen Tatbestände zusammen, die so wenig Gemeinsames aufweisen wie Rettungsaktionen und Gewinnabschöpfung bei Patentverletzung“. Wollschläger, S. 50; MüKoSeiler, Vor § 677 Rn. 1; Meissel, S. 3. 237 Vgl. MüKo-Seiler, Vor § 677 Rn. 1 f.; ausführlich Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 13 ff.; Schmid, S. 53; Meissel, S. 3. Insbesondere die sog. Theorie der Menschenhilfe (vgl. Kohler, JherJB 25 (1887), 1, 42 ff.) stellt den „altruistischen Charakter“ der Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne einer uneigennützigen und freiwilligen Tätigkeit des Geschäftsführers als den Leitgedanken der Geschäftsführung ohne Auftrag in den Vordergrund und betont damit ihre Funktion, zum Einsatz privater, beruflicher und öffentlicher Hilfe für andere zu ermutigen. Der Altruismusgedanke als (alleiniges) Grundprinzip der Geschäftsführung ohne Auftrag lässt sich jedoch mit ihrer Entstehungsgeschichte nicht vereinbaren, da die negotiorum gestio seit jeher auch auf Fälle angewendet wurde, in denen der Altruismusgedanke eine untergeordnete Rolle

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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letztlich der Charakter eines Sammeltatbestandes zu. Sie sind allgemein zu kennzeichnen als „spezielle Ausgleichsordnung der Geschäftsbesorgung“,238 fungieren also als eine gesetzliche Ausgleichsregelung für die unterschiedlichen Interessen, die in Fällen der auftragslosen Geschäftsbesorgung für einen anderen aufeinander treffen.239 Dabei geht es vornehmlich um den Schutz des Geschäftsherrn vor ungefragter Einmischung in die eigenen Angelegenheiten240 (Schutz der Privatsphäre und Rechtszuständigkeit) auf der einen und das Interesse des Geschäftsführers an der Schadloshaltung, wenn er zum Nutzen bzw. im Interesse des Geschäftsherrn tätig geworden ist, auf der anderen Seite.241 Die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag schaffen also eine von den Umständen der Geschäftsbesorgung abhängige Balance zwischen den Interessen des Geschäftsherrn und des Geschäftsführers. Vor dem Hintergrund dieses Interessenausgleichs sind die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu sehen und die jeweiligen Vorschriften auszulegen. I. Die Besorgung eines fremden Geschäfts Der Tatbestand einer Geschäftsführung ohne Auftrag setzt zunächst voraus, dass der Handelnde durch seine Tätigkeit ein Fremdgeschäft im Sinne der jeweiligen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag besorgt. 1. Geschäftsbesorgung Das Merkmal der Geschäftsbesorgung ist in Anlehnung an das Auftragsrecht weit zu verstehen. Es umfasst trotz des Begriffs „Geschäft“ nach allgemeiner Anspielte und den Gesetzesverfassern dies ebenfalls bewusst war. Auch spielt der Gedanke der Menschenhilfe in der Praxis eine vergleichsweise untergeordnete Rolle (vgl. Wollschläger, S. 24 ff., 34 ff.). Die Quasikontraktstheorien betonen den übereinstimmenden Willen des Geschäftsführers und des Geschäftsherrn, der durch den Fremdgeschäftsführungswillen einerseits und das Interesse und den (mutmaßlichen) Willen an der Geschäftsbesorgung andererseits Ausdruck finde. Diese Theorien verkennen allerdings, dass allenfalls die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 S. 1 BGB) durch einen übereinstimmenden Willen zu erklären ist, während der Tatbestand der Fremdgeschäftsbesorgung gerade nicht allein auf diese Fallgruppe beschränkt ist (Wollschläger, S. 41 ff.). 238 MüKo-Seiler, Vor § 677 Rn. 3; vgl. ebenfalls Larenz, SR II/1, § 57, S. 436; Meissel, S. 3; Hofstetter, SPR VII/6, S. 236. 239 MüKo-Seiler, Vor § 677 Rn. 1 ff.; Soergel-Beuthien, Vor § 677 Rn. 1 f.; BK-Weber, Vorbem. zu Art. 419–424 N. 1; Meissel, S. 3; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 1; Schmid, S. 53. 240 Diesen Aspekt stellen die §§ 1035 ff. ABGB in den Vordergrund, indem sie die unbeauftragte Geschäftsbesorgung grundsätzlich als unerwünschte Einmischung in fremde Angelegenheiten charakterisieren. 241 Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 6; Palandt-Sprau, Einf. v. § 677 Rn. 3; Schmid, S. 53; Hofstetter, SPR VII/6, S. 235 f.; KBB-Koziol, § 1036 Rz. 4.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

sicht sowohl rechtliche als auch tatsächliche Handlungen zur Wahrnehmung von Angelegenheiten wirtschaftlicher oder nicht wirtschaftlicher Art. Auch rein tatsächliche Hilfeleistungs- und Rettungsaktionen können deshalb Geschäftsbesorgung sein.242 2. Kombinierter objektiv-subjektiver Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung (h. M.) Als weitere Voraussetzung der Geschäftsführung ohne Auftrag ist erforderlich, dass es sich bei der Tätigkeit des Geschäftsführers um die Wahrnehmung eines Geschäfts „für einen anderen“243 bzw. eines „fremden Geschäfts“ 244 (Fremdgeschäftsbesorgung) handelt.245 Aus diesen Formulierungen allein wird nicht deutlich, wonach sich das Vorliegen einer Fremdgeschäftsbesorgung (maßgeblich) bemisst. Muss der Geschäftsführer auch in dem Bewusstsein und mit dem Willen handeln, das Geschäft als fremdes zu führen, sprich – wie es der Wortlaut in § 677 BGB nahelegt – mit Fremdgeschäftsführungswillen handeln? Oder ist es ausreichend, dass der Geschäftsherr ein für ihn (objektiv) fremdes, d.h. dem Geschäftsherrn zuzuordnendes Geschäft tätigt, wie es der Wortlaut in §§ 1036 und 1037 ABGB nahelegt? Oder erfordert die Fremdgeschäftsbesorgung beide Elemente, die objektive Fremdheit des Geschäfts und den Willen, es als fremdes zu führen?246 242 MüKo-Seiler, § 677 Rn. 2; Staudinger-Wittmann, § 677 Rn. 15 (Der Ausdruck „Geschäft“ ist im Sinne von „Angelegenheit“ zu verstehen.); Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 2; Erman-Ehmann, Vor. § 677 Rn. 2; vgl. auch BGHZ 38, 270; RGZ 135, 103; Honsell, OR BT, S. 327; BK-Weber, Vorbem. zu Art. 419–424 N. 5 m.w. N.; Koziol/ Welser, BR I, S. 503; Apathy/Riedler, BR III SR BT, § 16 Rn. 1. Beispiele zur Hilfeleistung als Geschäftsbesorgung: Staudinger-Wittmann, Vorbem. zu § 677 ff. Rn. 20; RGZ 167, 85 (Lebensrettung); BGH NJW 1977, 530 (Hilfeleistung in Seenot); BGHZ 33, 251; 55, 207 (Herbeiholen erster Hilfe nach einem Unglücksfall); Honsell, a. a. O. („Rettung eines Verunglückten; Einleitung einer Suchaktion bei vermissten Bergsteigern“), vgl. auch die ausdrücklichen Regelungen der §§ 680 BGB und 1036 ABGB für Hilfeleistungen in Not. A. A. Isay, Geschäftsführung (1900), S. 46 ff.; Rother, S. 12 ff. mit der Begründung, „Geschäftsbesorgung“ könne nicht die Tätigkeit „an“ einer Person sein. 243 So § 677 BGB und die deutsche Fassung von Art. 419 OR. 244 Vgl. §§ 1036 und 1037 ABGB sowie die französische und italienische Fassung von Art. 419 OR („l’affaire d’autrui“, „l’affare d’un altro“). 245 Vgl. allgemein statt vieler Medicus, SR II, Rn. 611 ff.; Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 438; Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 2, S. 394; Neuffer, S. 12; auch Apathy/Riedler, BR III SR BT, § 16 Rn. 1; BK-Weber, Art. 419 N. 4. Keine Geschäftsführung ohne Auftrag ist gegeben (sog. „unechte“ Geschäftsführung ohne Auftrag, „Nichtgeschäftsführung“ oder „Geschäftsanmaßung“), wenn der Geschäftsführer eine objektiv fremde Angelegenheit absichtlich oder irrtümlich als eigenes Geschäft besorgt (vgl. § 687 BGB, Art. 423 OR; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 5; BK-Weber, Art. 423 N. 7 ff. [gutgläubige Eigengeschäftsführung streitig], Koziol/Welser, BR I, S. 504). 246 Vgl. zur Entwicklung der Diskussion Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 120 ff.; Schmid, S. 65 ff.; Meissel, S. 16 ff.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Aufgrund des wenig präzisen Gesetzeswortlauts eröffnet der Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung einen potentiell sehr weiten Anwendungsbereich für die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Gerade in Zweifelsfällen wirft er schwierige (Abgrenzungs-)Fragen auf. Die Frage, wonach sich die Fremdgeschäftsbesorgung bemisst, d.h. welchem der beiden genannten Elemente – objektive Fremdheit und/oder Fremdgeschäftsführungswille – bei der Definition des Fremdgeschäftsbesorgungsbegriffs welche Bedeutung zukommt und wie die beiden Elemente konkret festzustellen sind, ist daher Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen.247 Rechtsprechung und herrschende Meinung in den hier betrachteten Ländern bedienen sich eines kombinierten objektiv-subjektiven Begriffs der Fremdgeschäftsbesorgung.248 Geschäftsbesorgung „für einen anderen“ bzw. Geschäft „eines anderen“ ist demzufolge die Wahrnehmung einer Angelegenheit, die objektiv zum Rechts- bzw. Interessenkreis eines anderen gehört,249 und/oder subjektiv von dem Bewusstsein und dem Willen des Handelnden getragen ist, sie als fremdes Geschäft zu tätigen (Fremdgeschäftsführungsabsicht oder -wille).250

247 Vgl. ausführlich Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 116 ff.; Schmid, S. 61 ff.; Meissel, S. 58 ff. 248 MüKo-Seiler, § 677 Rn. 5 ff. mit zahlreichen Nachweisen; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 117, 127; ZK-Schmidt, Art. 419 N. 13; Meissel, S. 79. 249 BGHZ 33, 251; 40, 28; 43, 188; 54, 157; BGH BB 1969, 194; BGH NJW 2000, 72; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 4. Nach der Formulierung des Reichsgerichts muss die Tätigkeit „der Sorge eines anderen“ obliegen (RGZ 97, 64, 66); vgl. auch Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 7; Erman-Ehmann, Vor. § 677 Rn. 3; für die Schweiz: ZK-Schmidt, Art. 419 N. 14; BGE 68 II 29 ff., 36; Hofstetter, SPR VII/6, S. 256 f.; für Österreich: Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 3 („fremde Wirtschaftssphäre“); OGH SZ 47/130; 57/ 167; Meissel, S. 59; Apathy/Riedler, BR III SR BT, § 16 Rn. 1. 250 Sog. Fremdgeschäftsführungsbewusstsein/-wille, BGHZ 16, 12; BGH NJW 2000, 72; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 6; Larenz, SR II/1, § 57 I, S. 438; Staudinger-Wittmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 21 ff. („Geschäftsführungswille“); Erman-Ehmann, § 677 Rn. 6; vgl. für die Schweiz: BK-Weber, Art. 419 N. 15 („Geschäftsführungsabsicht“) mit Hinweis auf BGE 86 II 25 f.; Honsell, OR BT, S. 328; ZK-Schmidt, Art. 419 N. 21 ff. m.w. N.; für Österreich: Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 1; Koziol/Welser, BR I, S. 503. Das Erfordernis der Fremdgeschäftsführungsabsicht dient zunächst der Abgrenzung der sog. „unechten“ Geschäftsführung ohne Auftrag (Geschäftsanmaßung, Nichtgeschäftsführung) von der „echten“ Geschäftsführung ohne Auftrag (zu den Begriffen der „echten“ bzw. „unechten“ Geschäftsführung ohne Auftrag vgl. Schwarz/Wandt, § 4 Rn. 7 ff.; Schmid, S. 57 N. 162; Rummel-Rummel, § 1039 Rz. 7). Die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag sollen nicht zur Anwendung kommen, wenn der Handelnde eine objektiv fremde Angelegenheit absichtlich oder irrtümlich als eigenes Geschäft besorgt (vgl. § 687 BGB, Art. 423 OR; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 5; BK-Weber, Art. 423 N. 7 ff.; Honsell, OR BT, S. 331. Ob auch die irrtümliche Eigengeschäftsführung als unechte Geschäftsführung ohne Auftrag aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften herausfällt, ist in der Schweiz umstritten. Koziol/Welser, BR I, S. 504; Meissel, S. 84; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 6 m.w. N.; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 4).

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Rechtsprechung und herrschende Lehre in Deutschland stellen dabei maßgeblich auf das objektive Merkmal des Handelns in einem fremden Rechts- und Interessenkreis ab und versuchen, die Schwierigkeiten, die sich beim Nachweis des Fremdgeschäftsführungswillens als innerer Tatsache251 ergeben, dadurch zu vermeiden, dass sie den Charakter des Geschäfts als objektiv fremdes die Vermutung knüpfen, der Handelnde werde mit dem erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen tätig.252 Diese Vermutung wird damit gerechtfertigt, dass der Bürger, der grundsätzlich nur eigene Geschäfte auf eigene Rechnung tätigt, beim Handeln in einem fremden Rechtskreis auch auf fremde Rechnung tätig werden will und sich das Geschäft nicht anmaßt.253 Soweit danach das Geschäft „der Sorge des anderen obliegt“254, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Geschäftsführer auch in dem Bewusstsein und mit dem Willen handelt, es für einen anderen zu tätigen.255 In wessen Rechts- und Interessenkreis die Geschäftsbesorgung konkret fällt, muss nicht feststehen. Der Geschäftsführer kann handeln für den, den es angeht.256 Ist das Geschäft nicht einem fremden Rechts- und Interessenkreis zuzuordnen (sog. objektiv eigene oder neutrale Geschäfte), muss der Fremdgeschäftsführungswille hingegen nach außen erkennbar und eigens festgestellt werden. Die Geschäftsbesorgung erhält ihren Fremdcharakter hier erst durch die entsprechende Willensrichtung des Handelnden (sog. subjektiv fremdes Geschäft).257 Einen vergleichbaren Ansatz verfolgen Rechtsprechung und herrschende Lehre in der Schweiz und in Österreich.258 Auch hier wird gemeinhin unterschieden 251

Vgl. Schwarz/Wandt, § 4 Rn. 28 f.; Schmid, S. 71. Vgl. Schwarz/Wandt, § 4 Rn. 5; Medicus, SR II, Rn. 614 ff.; Palandt-Sprau, § 677 Rn. 4; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 131. 253 Giesen, Jura 1996, 225, 229; Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 7. 254 So die auf das Reichsgericht (RGZ 97, 61, 65 f.) zurückgehende, häufig verwendete Umschreibung des Merkmals (vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 129). 255 Vgl. u. a. BGHZ 38, 270; 40, 28, 31; 70, 389; 82, 323; 98, 235, 240; 143, 9, 14; BGH NJW 1985, 2756, 2757; NJW 2000, 72. Palandt-Sprau, § 677 Rn. 4; Erman-Ehmann § 677 Rn. 6. 256 Palandt-Sprau, § 677 Rn. 8 mit Rechtsprechungsnachweisen; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 7. 257 Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 131, 13; Schwarz/Wandt, § 4 Rn. 32; Medicus, SR II, Rn. 619; Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 438. Die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf objektiv eigene Geschäfte ist umstritten. Überwiegend geht man davon aus, dass bei ausschließlich eigenen Geschäften eine Fremdgeschäftsführung überhaupt nicht in Betracht kommt (BSG NJW-RR 2001, 1282, 1284; Enneccerus/Lehman, § 165 III 2 c, S. 699; Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II a; Palandt-Sprau, Einf. v. § 677 Rn. 3; a. A. wohl RGZ JW 1926, 2920, 2921; Giesen, Jura 1996, 225, 227). Kritisch zu den subjektiven Geschäften Wollschläger, S. 72 f. („totes Recht ohne praktische Relevanz“). 258 Vgl. ZK-Schmid, Art. 419 N. 14 ff.; 21 ff.; Hofstetter, SPR VII/6, S. 256; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 4 f.; Meissel, S. 59 ff. 252

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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zwischen objektiv und subjektiv fremden Geschäften.259 Betrifft die in Frage stehende Handlung Rechtsgüter und Interessen eines anderen als des Geschäftsführers, soll aufgrund der Lebenserfahrung auch hier grundsätzlich eine natürliche Vermutung dafür sprechen, dass der Handelnde mit Fremdgeschäftsführungswillen tätig wurde. Ist die objektive Zuordnung des Geschäfts hingegen nicht eindeutig, muss der Wille auch hier nach außen erkennbar hervortreten und anhand der äußeren Umstände nachgewiesen werden.260 Der Geschäftsführer muss den Geschäftsherrn nicht konkret kennen.261 In Österreich wird der Rückschluss von einem objektiv fremden Geschäft auf den Fremdgeschäftsführungswillen meist nicht explizit diskutiert. Das liegt augenscheinlich daran, dass hier – anders als in Deutschland und der Schweiz – die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag weniger abstrakt ausgestaltet sind, sondern vielmehr die Wahrnehmung fremder Geschäfte grundsätzlich als einen von der Rechtsordnung missbilligten Eingriff in die Angelegenheiten des Geschäftsherrn verbieten (vgl. § 1035 ABGB) und in den §§ 1036 und 1037 ABGB tatbestandlich konkrete Ausnahmen von diesem Verbot normieren. Die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen (Abwendung eines bevorstehenden Schadens bzw. Geschäftsführung zum klaren und überwiegenden Vorteil des Geschäftsherrn) sind so ausgestaltet, dass, so sie bejaht werden können, dem Fremdgeschäftsführungswillen des Geschäftsführers in aller Regel eine untergeordnete Bedeutung zufällt und er keiner besonderen Erörterung mehr bedarf.262 3. „Auch-fremde“ Geschäfte Schwierigkeiten bereitet der Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung insbesondere bei sog. auch-fremden Geschäften.263 Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sich das besorgte Geschäft zwar objektiv einem fremden Rechts- oder Interessenkreis zuordnen lässt, der Geschäftsführer mit der Geschäftsbesorgung aber zugleich eigene Interessen verfolgt oder sogar eigenen Verpflichtungen nachkommt.264 Hier stellt sich regelmäßig die Frage, ob der Geschäftsführer überhaupt ein objektiv fremdes oder nicht vielmehr (vorrangig) ein eigenes Geschäft 259 Vgl. ZK-Schmid, Art. 419 N. 19; BK-Weber, Art. 419 N. 2; Hofstetter, SPR VII/6, S. 256; Meissel, S. 62 ff.; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 3; kritisch zu den subjektivfremden Geschäften Schmid, S. 74. 260 ZK-Schmid, Art. 419 N. 27; Schmid, S. 72. 261 Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 6; ZK-Schmid, Art. 419 N. 23. 262 Vgl. Meissel, S. 32 ff. 263 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 139 ff.; Erman-Ehmann, § 677 Rn. 7; Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 439; Meissel, S. 66 ff.; Schmid, S. 77 ff. 264 Palandt-Sprau, § 677 Rn. 6; Erman-Ehmann, § 677 Rn. 7; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 139; Schwarz/Wandt, § 4 Rn. 33; Meissel, S. 66; Schmid, S. 77. Die auch-fremden Geschäfte bilden den ganz überwiegenden Anwendungsfall der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (ca. 90%), vgl. Wollschläger, S. 65.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

führt und/oder ob er mit dem Willen handelt, das Geschäft „für einen anderen“ zu besorgen.265 Eben diese Fragen stellen sich für die Bergrettung. Mit der Durchführung von Rettungseinsätzen kommt die Bergrettung ihren satzungsgemäßen Aufgaben nach266 und handelt daher auch im eigenen Interesse. Zur Durchführung von Rettungseinsätzen ist sie meist auch vertraglich verpflichtet, sei es im Rahmen des Konzessionssystems gegenüber dem zuständigen Rettungsdienstträger durch eine generelle vertragliche Übernahme der Erfüllung von Rettungsaufgaben im Gebirge,267 oder weil sie im Einzelfall von der Polizei mit einem Einsatz beauftragt wurde,268 oder sei es im Rahmen einer Leistungsvereinbarung mit der Versicherung des Hilfsbedürftigen im Geltungsbereich des Sachleistungsprinzips.269 Letztlich kommen die Bergretter mit der Hilfeleistung ihrer allgemeinen Hilfeleistungspflicht270 nach. a) Grundsatz: Anwendbarkeit der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag Sowohl in Deutschland als auch in Österreich und der Schweiz gilt für auchfremde Geschäfte der Grundsatz, dass ein eigenes Interesse oder gar eine eigene Verpflichtung des Geschäftsführers zum Handeln die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht von vornherein ausschließt.271 Schon die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches hatten Überlegungen zu den Fällen angestellt, in denen der Geschäftsführer eigene Interessen verfolgt oder eigene Verpflichtungen erfüllt. Sie unterschieden dabei zwischen bloßen Interessen und eigenen Verpflichtungen des Geschäftsführers. 265

Vgl. Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 439; Schmid, S. 77 f.; Meissel, S. 66 ff. Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 1. und B. II. 267 Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 3. und B. IV. sowie 2. Teil, 4. Kapitel. 268 Vgl. oben 2. Teil, 2. Kapitel B. und 4. Kapitel. Nach dem im 2. Teil erzielten Ergebnis tritt die Bergrettung bei einer Beauftragung durch die Polizei gerade nicht in selbständige rechtliche Beziehungen mit dem Betroffenen, sondern wird in das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen Polizei und Hilfsbedürftigem als unselbständiger Verwaltungshelfer eingebunden. Dennoch soll hier auch auf diesen Fall unter dem Aspekt eines möglichen Anspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag eingegangen werden, da – wie sich insbesondere an den Abschleppfällen zeigt – innerhalb der Rechtsprechung gegensätzliche Entscheidungen darüber existieren, ob auch dem unselbständigen Verwaltungshelfer (Abschleppunternehmer) zivilrechtliche Ansprüche gegen den Bürger zustehen. 269 Vgl. oben 1. Kapitel. 270 § 323c StGB (Deutschland); Art. 128 StGB (Schweiz); §§ 94 f. StGB (Österreich). 271 Vgl. BGHZ 63, 167; 110, 313; Palandt-Sprau, § 677 Rn. 6; Meissel, S. 67; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 5; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 5; Schmid, S. 78; so auch Wollschläger, S. 65 ff.; Wittmann, S. 31. 266

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Zwar bestand zur Zeit der Beratung der Entwürfe zum Bürgerlichen Gesetzbuch verbreitet die Ansicht, dass freiwilliges, altruistisches Handeln einen wesentlichen Grundgedanken für die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag ausmacht.272 Entsprechenden Versuchen, das Vorliegen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag von einem uneigennützigen und rein freiwilligen Handeln abhängig zu machen,273 traten die Verfasser jedoch entgegen. In § 759 E I war noch ausdrücklich bestimmt, dass die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht dadurch ausgeschlossen sein soll, „dass der Geschäftsführer zu der Geschäftsbesorgung durch ein eigenes Interesse oder durch das Interesse eines Dritten bestimmt worden ist.“ Die Gesetzesverfasser waren sich nämlich bewusst, dass in den meisten Fällen der Fremdgeschäftsführung dem Handeln auch ein eigenes Interesse zugrunde liegt.274 Die 2. Kommission strich dann § 759 E I mit der Begründung, dass das Interesse, das der Geschäftsführer an der Ausführung eines Geschäfts habe, nur ein Motiv für sein Handeln darstelle und deswegen schon aus allgemeinen Grundsätzen keine Beachtung finde.275 Ein eigenes Interesse des Geschäftsführers sollte der Fremdgeschäftsführung grundsätzlich nicht entgegenstehen. In § 760 E I war zum Fall der vertraglichen Bindung des Geschäftsführers (Auftrag) gegenüber einem Dritten vorgeschlagen: „Wenn jemand ein fremdes Geschäft im Auftrage eines Dritten besorgt, so wird ihm der Geschäftsherr und er dem letzteren aus der Geschäftsbesorgung nicht verpflichtet, es sei denn, dass er zugleich in der Absicht gehandelt hat, als Geschäftsführer des Geschäftsherrn das Geschäft zu besorgen.“ Der Regelungsvorschlag des § 760 E I ging auf das römische Recht zurück, das grundsätzlich davon ausging, dass bei einem Mandat auf Führung von Geschäften Dritter zwischen dem Beauftragten und dem Dritten Fremdgeschäftsbesorgung nicht anzunehmen sei.276 Eine Durchbrechung dieser

272 Vgl. Schubert, AcP 178 (1978), 425, 430 mit Hinweis auf Schubert/v. Kübel, S. 2 f.: „(Es) liegt ein vom Rechte zu beachtendes Bedürftniß vor, dass Jemand fremder Angelegenheiten ohne Auftrag oder Amtspflicht sich annehme, was man als utilitas absentium bezeichnet hat, und es hat die Rechtsordnung diesem Bedürftniß entgegenzukommen, indem sie dem Geschäftsherrn, wenn Jemand seiner Angelegenheiten sich freiwillig angenommen hat, verpflichtet, die dem Geschäftsführer durch die Geschäftsführung erwachsenden Nachtheile auszugleichen, da sonst nicht leicht Jemand fremder Angelegenheiten freiwillig sich annehmen würde, während, wie bemerkt, das hilfreiche Eingreifen solcher freiwilligen Thätigkeit eines Anderen im allgemeinen Interesse gelegen ist.“ Kohler, JherJB 25 (1887), 1 ff. 273 Vgl. hierzu Schubert, AcP 178 (1978), 425, 430. 274 Vgl. Mot. II, S. 868: „Sie wäre praktisch kaum durchführbar, weil meist der Fall so liegt, dass der Geschäftsführer sowohl sein eigenes, als das Interesse des Geschäftsherrn im Auge gehabt hat. Schlösse man solchenfalls diese Grundsätze [der Geschäftsführung ohne Auftrag] aus, so blieben nur wenige Fälle der negotiorum gestio übrig. 275 Prot. II, S. 741. Siehe dazu auch Schubert, AcP 178 (1978), S. 430, 431. 276 Vgl. Schubert, ibid., S. 440 mit entsprechenden Nachweisen (insb. Fn. 19).

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Regel sollte nach dem Entwurf nur in Ausnahmefällen möglich sein.277 Liege das gedachte Auftragsverhältnis vor, so die Erwägung, müsse vermutet werden, der Geschäftsführer erfülle durch die Geschäftsbesorgung nur das Mandat mit der Folge, dass durch die Geschäftsbesorgung, von Deliktsfällen abgesehen, auch nur zwischen ihm und seinem Auftraggeber Rechtsbeziehungen entstehen könnten. Möglich sei allerdings, dass der Geschäftsführer in der Absicht gehandelt habe, nicht allein das Mandat zu erfüllen, sondern zugleich als Geschäftsführer des Geschäftsherrn zu handeln und sich diesen aus der Geschäftsbesorgung zu verpflichten. Diese Absicht dürfe aber nicht vermutet werden, sondern bedürfe des besonderen Nachweises.278 Die 2. Kommission war sich bewusst, dass die in § 760 E I normierte Regelung zu Zweifeln Anlass geben könnte, hielt die Bedeutung der Regelung aber für gering und überließ die Problematik der Entscheidung durch die Rechtswissenschaft.279 Rechtsprechung und Teile der Literatur in Deutschland haben nicht nur die in § 759 E I hinsichtlich eigener Interessen des Geschäftsführers formulierte Ansicht des Gesetzgebers übernommen, sondern das in § 760 E I zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Prinzip zu dem (umgekehrten) Grundsatz verallgemeinert, dass eine (vertragliche) Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber einem Dritten der Annahme einer gleichzeitigen Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich nicht entgegenstehe.280 Folge dieser Generalisierung und gleichzeitigen Beseitigung des Regel-Ausnahme-Prinzips ist eine tendenziell extensive Rechtsprechung im Bereich der auch-fremden Geschäfte. Danach ist das besorgte Geschäft trotz gleichzeitiger eigener Pflichtenbindung und/oder Interessenwahrnehmung des Geschäftsführers bereits aufgrund des objektiven Bezugs auch zu einem fremden Rechts- und Interessenkreis grundsätzlich als (auch-)fremde Angelegenheit anzusehen. Der Fremdgeschäftsführungswille sei deshalb wie bei den objektiv fremden Geschäften zu vermuten.281 Kommt die Geschäftsbesorgung ihrer äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Handelnden, sondern auch einem Dritten zugute, sei sowohl 277 Bereits die Zulassung von Ausnahmefällen zu dem Grundsatz, auf einen vertraglich verpflichteten Geschäftsführer die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht anzuwenden, widerspricht nach neueren Erkenntnissen römischem Recht, das sich – entgegen § 760 des Entwurfs – auf objektive Erwägungen und nicht auf den Geschäftsführungswillen (Absicht) stützte (vgl. Schubert, AcP 178 (1978), S. 440, 441 unter Hinweis auf Seiler, S. 144). 278 Jakobs/Schubert, § 687 K, S. 162. 279 Prot. II, S. 741; vgl. Schubert, AcP 178 (1978), S. 440. 280 Gursky, AcP 185 (1985), 13, 37 mit Hinweis auf BGH LM Nr. 2 zu § 677; Staudinger-Nipperdey (11. Auflage), § 677 Rn. 15 ff.; RGRK-Steffen, Vorbem. zu § 677 Rn. 42; Larenz, SR II/1, § 57 I a; Enneccerus/Lehmann, § 165 III 3, S. 700. Vgl. den Überblick zur Rechtsprechung in BGH NJW 2000, 72, 73. 281 Rechtsprechungsnachweise bei Falk, JuS 2003, 833, 835 f.; vgl. auch MüKo-Seiler, § 677 Rn. 9 ff. (Fn. 29 ff.).

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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bei einem eigenen Interesse als auch bei Erfüllung einer eigenen Verpflichtung durch den Geschäftsführer zu vermuten, dass er zumindest auch „für den Geschäftsherrn“ tätig wird und folglich mit dem erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen handelt.282 Dass der Geschäftsführer mit der Geschäftsbesorgung zugleich eigene Interessen verfolgt, steht der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auch in Österreich und der Schweiz nicht grundsätzlich entgegen.283 Selbst die Tatsache, dass der Geschäftsführer zur Geschäftsbesorgung gegenüber einem Dritten vertraglich oder gesetzlich verpflichtet ist, soll nach wohl überwiegender Ansicht die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht von vornherein ausschließen.284 In beiden Ländern werden auch-fremde Geschäfte jedoch im Vergleich zu Methodik in Deutschland restriktiver gehandhabt. Anders als nach der deutschen Rechtsprechung wird auf objektiver Ebene gefordert, dass das Eigeninteresse des Geschäftsführers das Interesse des Geschäftsherrn nicht überwiegt bzw. ausschließt.285 Zudem wird der Fremdgeschäftsführungswille bei der Auch-Gestion in beiden Ländern im Ge-

282 Vgl. Palandt-Sprau, § 677 Rn. 6 mit Hinweis auf BGHZ 63, 167; 67, 368; 98, 235; 110, 313; NJW 2000, 72 (zum gleichzeitigen Eigeninteresse des Geschäftsführers); BGHZ 40, 28; 54, 147; 143, 9,14 (zur gleichzeitigen Handlungspflicht des Geschäftsführers); Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 139 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen. Bahnbrechend war diesbezüglich das sog. Funkenflug-Urteil. Die Feuerwehr verlangte von der Bundesbahn den Ersatz ihrer Kosten für die Löschung von Waldbränden, die durch Funkenflug aus Dampflokomotiven entstanden waren. Der BGH gab dem Klagebegehren auf der Grundlage der §§ 670, 683 BGB unter Anwendung der Vermutungsregel statt, wobei er nicht verhehlte, dass für die Feuerwehr die öffentlichrechtliche Verpflichtung dominierte. Der Fremdgeschäftsführungswille sei aber sogar dann zu vermuten, wenn der Geschäftsführer „vornehmlich“ eigene Belange verfolge und „nur nebenbei“ im Interesse eines anderen tätig werde. Zugleich war sich das Gericht bewusst, dass der Gegenbeweis zur Entkräftung der Vermutung „kaum zu führen“ war (BGHZ 40, 28, 31 f.). 283 Meissel, S. 67; KBB-Koziol, § 1035 Rz. 5 m.w. N.; ZK-Schmid, Art. 419 N. 16; Schmid, S. 77. 284 ZK-Schmid, Art. 419 N. 65; Hofstetter, SPR VII/6, S. 238 m.w. N.; Meissel, S. 68; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 4 (gesetzliche Verpflichtung); EvBl. 1973/144 = JBl. 1973, 476, entgegengesetzt SZ 32/22 (vgl. Kapfer, § 1035 E 6). 285 So das schweizerische Recht, vgl. Schmid, S. 77; Hofstetter, SPR VII/6, S. 257. Letztlich auch Meissel, S. 68. In Österreich wird darüber hinaus teilweise gefordert, dass klar bestimmbar ist, in welchem Umfang ein eigenes bzw. ein fremdes Geschäft geführt wird (vgl. Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 5). Beispielsfall ist der eines Miteigentümers, der Aufwendungen auf eine gemeinschaftliche Sache getätigt hat. Hier ließ sich das jeweilige Interesse entsprechend des Miteigentumsanteils präzise bestimmen. Damit kann wohl nur gemeint sein, dass das fremde Interesse vom eigenen Interesse des Geschäftsführers abgrenzbar ist und damit die Fälle aus der Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeschieden werden sollen, in denen (nach wertender Betrachtung) das Eigeninteresse die Geschäftsbesorgung vollständig beherrscht. Zum zweifelhaften Nutzen dieser Voraussetzung, die nach dem Wortlaut nur in seltenen Fällen erfüllt sein wird, vgl. Meissel, S. 68.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

gensatz zur deutschen Rechtsprechung nicht vermutet, sondern muss aufgrund der Umstände der Geschäftsbesorgung erkennbar sein.286 b) Kritik am Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung und Präzisierungsansätze Die Handhabung des Begriffs der Fremdgeschäftsbesorgung durch die Rechtsprechung in Deutschland wird von Teilen der Literatur gerade in Hinsicht auf auch-fremde Geschäfte als unbefriedigend empfunden. Die Kritik richtet sich im Wesentlichen darauf, dass bis heute keine ausreichend präzise Definition für den Begriff des objektiv fremden Geschäfts existiert, obwohl er aufgrund der daran anknüpfenden Vermutungswirkung für den Fremdgeschäftsführungswillen zentrales Kriterium für die Fremdgeschäftsbesorgung und damit für die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist. Der Mangel an tatbestandlicher Präzision führe dazu, dass das Vorliegen der (objektiven) Fremdheit eines Geschäfts größtenteils argumentationsoffen und deshalb im Einzelfall schwer vorhersagbar sei, welche Argumente und Wertungen darüber entscheiden, wem das Geschäft mit seinen Vorteilen, aber auch mit seinen Kostenlasten zuzuordnen ist.287 Im Raum steht damit letztlich der Vorwurf, die objektive Zuweisung eines besorgten Geschäfts erfolge ohne erkennbare Abgrenzungskriterien und somit willkürlich288 und mache die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu einem „gefährlich weiten Mittel des Lastenausgleichs aus Billigkeitsgründen“.289 Zwar hat die Rechtsprechung fallgruppenweise eine Reihe von Regeln zur Konkretisierung der vorstehend beschriebenen allgemeinen Formeln entworfen.290 Diese Regeln lassen jedoch eine einheitliche Linie nicht erkennen und tragen mangels ausreichender Genauigkeit ihrerseits nicht zu einer ausreichend präzisen Definition des Begriffs der Fremdgeschäftsbesorgung bei.291 Zwar werden auch-fremde Geschäfte in der Schweiz und Österreich angesichts der hier jeweils geltenden Voraussetzungen – objektiv: überwiegendes Interesse des Geschäftsherrn, subjektiv: erkennbarer Fremdgeschäftsführungswille – von 286 Schmid, S. 73, 78 f.; Hofstetter, SPR VII/6, S. 239 mit Hinweis auf BGE 99 II, 1973, 134; 75 II, 1949, 226; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 6; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 5. 287 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 129; Schubert, AcP 178 (1978), 425, 431; Helm, Gutachten, S. 368 ff. 288 Gursky AcP 185 (1985), 13, 16; Schubert, AcP 178 (1978), S. 431 (Fn. 31); Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 1 b, S. 10 f.; Helm, Gutachten, S. 355, 368 f. 289 Medicus, BR, § 17 II 3 b; vgl. ebenfalls kritisch Hauss, S. 333 mit Hinweis auf Rabel, RheinZ 10 (1919/20), S. 89 ff.; Erman-Ehmann, Vor. § 677 Rn. 10; Schubert AcP 178 (1978), 425, 428; von Caemmerer, NJW 1963, 1402, 1403; Larenz, SR II/1, § 57 I a; Gursky, Jura 1969, 103, 113; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 21. 290 Vgl. hierzu MüKo-Seiler, § 677 Rn. 5 ff. 291 Vgl. hierzu MüKo-Seiler, § 677 Rn. 15.

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vornherein restriktiver gehandhabt, so dass die in Deutschland gehegten Bedenken (mangelnde Präzision der objektiven Fremdheit und Unkontrollierbarkeit von Entscheidungen hierüber) nicht in demselben Maße zutreffen und eine vergleichbar intensive Diskussion hier auch nicht geführt wird. Die gegenüber der deutschen Rechtsprechung geäußerten Bedenken sind jedoch auch hier in abgeschwächtem Maße relevant. Auch in Österreich und der Schweiz fehlen letztlich klare Vorgaben dafür, wann das Interesse des Geschäftsführers das des Geschäftsherrn objektiv überwiegt. Wenn gefordert wird, die objektive Fremdheit eines Geschäfts müsse im Wege einer Wertung im Einzelfall bestimmt werden, ohne dass dem Rechtsanwender konkrete Wertungsvorgaben an die Hand gegeben werden,292 besteht auch hier die Gefahr, dass es mangels konkreter (Wertungs-)Kriterien letztlich zu nicht nachvollziehbaren Entscheidungen über die objektive Fremdheit eines Geschäfts kommt. Das zusätzliche Erfordernis eines erkennbaren Fremdgeschäftsführungswillens kann in Österreich und der Schweiz ebenso wenig zu einer größeren Gewissheit hinsichtlich der Frage beitragen, ob ein auch-fremdes Geschäft noch Fremdgeschäftsbesorgung im Sinne der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist. Das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens wird hier nämlich maßgeblich nach dem äußeren Erscheinungsbild einschließlich der objektiven Fremdheit des Geschäfts festgestellt,293 so dass es letztlich auch in Österreich und der Schweiz auf die objektive Fremdheit des Geschäfts ankommt und durch das Erfordernis des erkennbaren Fremdgeschäftsführungswillens keine wesentliche Abgrenzungssicherheit gewonnen ist. Im Schrifttum hat es intensive Bemühungen gegeben, den Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung durch übergeordnete Wertungsgesichtspunkte zu präzisieren und so eine genauere Zuordnung des besorgten Geschäfts zu liefern. Zu nennen sind hier vor allem die beiden grundlegenden Konzepte von Wollschläger294 und Wittmann.295 Die sog. Zuständigkeitstheorie Wollschlägers relativiert die objek292 Vgl. Schmid, S. 77, 78 („Vielmehr ist im Einzelfall zu werten, ob eine Fremdzuordnung des Geschäfts noch in Frage kommt.“); Meissel, S. 68 („Es stellt deshalb jeweils eine Wertungsfrage dar, ob ein Eigeninteresse des Geschäftsführers im konkreten Fall das Vorliegen eines fremden Geschäfts ausschließt oder nicht.“). Zur – insofern wenig aufschlussreichen – Kasuistik in der Rechtsprechung vgl. ZK-Schmid, Art. 419 N. 17 f.; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 5. 293 Vgl. Schmid, S. 79, der lapidar feststellt, dass es ebenfalls am Fremdgeschäftsführungswillen mangelt, wenn das eigene Interesse des Handelnden überwiegt. Dann aber kommt dem Fremdgeschäftsführungswillen gegenüber der Bestimmung der objektiven Fremdheit eines Geschäfts keine besondere Bedeutung mehr zu. Auch Meissel (S. 66 ff.) stellt entscheidend auf die objektive Zuordnung eines Geschäfts ab, ohne auf die Problematik im Rahmen der Diskussion des Fremdgeschäftsführungswillens einzugehen (vgl. auch S. 79 ff.). Ohne weitere konkrete Ausführungen zum Fremdgeschäftsführungswillen bei auch-fremden Geschäften ebenfalls Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 6 („Handelt der Geschäftsführer zugleich im eigenen Interesse, so ist der Geschäftsführungswille mitunter zu verneinen.“); Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 5. 294 Wollschläger, Die Geschäftsführung ohne Auftrag (1976). 295 Wittmann, Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag (1981).

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tive Fremdheit des Geschäfts und beschreibt sie als die im Verhältnis von zwei Personen bestehende „höherrangige Zuständigkeit“ am Gegenstand der Tätigkeit. Geschäftsherr sei derjenige, der „näher dran“ und damit (letztlich) zuständig ist, den Nutzen aus der Geschäftsbesorgung zu ziehen und die Kosten dieser Tätigkeit zu tragen. Dies sei im Einzelfall durch eine offene Wertung festzustellen und anderen Normen außerhalb der §§ 677 ff. BGB zu entnehmen.296 Die sog. subjektive Theorie Wittmanns betrachtet die in den Regeln der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ausdruck kommende Entscheidung der Rechtsordnung, die freiwillig-uneigennützige Tätigkeit in fremdem Interesse zu begünstigen (Schadloshaltungsfunktion), als maßgeblichen Gedanken. Demzufolge sieht sie in der Fremdgeschäftsführungsabsicht des Handelnden das entscheidende Element für den Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung und löst sich ganz von dem Erfordernis des objektiv fremden Geschäfts. Ob jemand mit Fremdgeschäftsführungsabsicht handelt, müsse aus dem „sozialen Sinn“ der Tätigkeit des Geschäftsführers ermittelt werden, der wiederum durch materiell-wertende Betrachtung der Zweckrichtung des Handelns zu bestimmen sei.297 Beide Konzepte haben sich nicht durchzusetzen vermocht.298 Unabhängig von der Kritik im Einzelnen zeigt sich, dass die vorgeschlagenen Ansätze aus der Perspektive des jeweiligen Konzepts zwar Orientierungshilfen für die Frage liefern, ob und für wen eine Fremdgeschäftsbesorgung im Sinne der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag erfolgt. Auch die hier entwickelten Kriterien bleiben aber in hohem Maße ausfüllungsbedürftig („höherrangige Zuständigkeit“/„sozialer Sinn“) und sind angesichts der höchst unterschiedlichen Lebenssachverhalte, die als Fremdgeschäftsbesorgungen nach dem jeweiligen Gesetzeswortlaut in Betracht kommen und die es zu beurteilen gilt, sowie der unterschiedlichen Problemstellungen, die sich hierbei ergeben, auf weitergehende Wertungen und auf Ausnahmen zu den selbst aufgestellten Grundsätzen angewiesen.299 c) Erfordernis einer differenzierten Betrachtung Mit der Aufstellung allgemeiner Kriterien zur Ausfüllung des Begriffs der Fremdgeschäftsbesorgung scheint somit angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Konstellationen, die es bei der Auch-Gestion zu beurteilen gilt, wenig gewonnen. 296 Wollschläger, S. 52 ff. – dieser Theorie zuneigend die Arbeit von Meissel – Geschäftsführung ohne Auftrag (1993) – zum österreichischen Recht. 297 Wittmann, S. 26 ff. – in diese Richtung tendierend die Arbeit von Schmid – Die Geschäftsführung ohne Auftrag (1992) – zum schweizerischen Recht. 298 Zu der Kritik an beiden Ansätzen im einzelnen vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 27; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 19; Gursky, AcP 185 (1985), 13, 19, 27 f.; Suderow, S. 63; Helm, Gutachten, S. 365. 299 Vgl. etwa MüKo-Seiler, § 677 Rn. 24; Helm, Gutachten, S. 365.

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Die qualitativen Unterschiede zwischen einem bloßen Interesse und einer Rechtspflicht des Handelnden sowie die Verschiedenartigkeit der Rechtspflichten, die den Handelnden treffen können, legen es vielmehr nahe, im Rahmen der auchfremden Geschäfte – wie es schon die Gesetzesverfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches im Auge hatten und wie es sich bei der fallgruppenweisen Betrachtung in Rechtsprechung und Literatur andeutet300 – nach Fallgruppen zu differenzieren. Innerhalb solcher Fallgruppen sind dann unter Berücksichtigung des eingangs bereits erwähnten Sinn und Zwecks der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ein angemessener Interessenausgleich zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr zu gewährleisten und entsprechende Wertungen in Bezug auf die sich konkret stellenden Fragen vorzunehmen. 4. Eigeninteresse des Geschäftsführers – satzungsgemäße Hilfeleistung Die satzungsgemäße Aufgabe der Bergrettung, Rettungseinsätze im Gebirge durchzuführen, verkörpert keine nach außen im Verhältnis zu Dritten bestehende vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung, sondern ist eine rein organisationsinterne Zielvorgabe (Aufgabe), die lediglich das den Rettungseinsätzen zugrundeliegende, schriftlich fixierte Motiv für die Hilfeleistungstätigkeit darstellt. Handelt die Bergrettung deshalb ohne generellen oder im Einzelfall erteilten Auftrag seitens einer Behörde, wird sie im eigenen Interesse tätig, nicht in Wahrnehmung einer rechtlichen (vertraglichen oder gesetzlichen) Verpflichtung. Ein bloß eigenes Interesse des Geschäftsführers, ohne dass ihn eine rechtliche Verpflichtung zum Handeln trifft, steht nach ganz überwiegender Auffassung der Qualifizierung der Geschäftsbesorgung als Fremdgeschäftsbesorgung regelmäßig nicht entgegen, sondern ist grundsätzlich unbeachtlich.301 Hinter diesem Grundsatz verbirgt sich offenbar die Wertung, dass ein eigenes Interesse des Handelnden als bloßes Motiv (anders als in den Fällen, in denen der Geschäftsführer sich 300 In der deutschen Rechtsprechung etwa ist neuerdings die Tendenz festzustellen, die Fälle des pflichtgebundenen Geschäftsführers, in denen den Geschäftsführer gegenüber Dritten eine echte Rechtspflicht trifft, restriktiver zu handhaben, BGH NJW-RR 2004, 956; NJW 2004, 513; BGH JZ 2005, 949, 951. In der Literatur findet sich eine Differenzierung nach Fallgruppen schon länger: Zur Unterscheidung Eigeninteresse und Pflichtenbindung vgl. Müko-Seiler, § 677 Rn. 9 f.; Palandt-Sprau, § 677 Rn. 6 f. jeweils mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; Schmid, S. 77 f. und S. 85 ff.; Meissel, S. 66 und S. 68; Wittmann, S. 31; zur Unterteilung in Fallgruppen MüKo-Seiler, Vor § 677 Rn. 23 ff.; Erman-Ehmann, Vor § 677 Rn. 12 ff.; Wollschläger, S. 154 ff. (Geschäftsführung ohne Auftrag und öffentlich-rechtliche Pflichten); Erman-Ehmann, § 677 Rn. 14; Wollschläger, S. 305 (Selbstaufopferung im Straßenverkehr); Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 442; Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 2 d (Erfüllung einer Vertragspflicht gegenüber Dritten/Abwicklung eines nichtigen Geschäftsbesorgungsvertrages). 301 MüKo-Seiler, § 677 Rn. 9 mit Rechtsprechungsnachweisen; ähnlich StaudingerBergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 134; Schmid, S. 77; Meissel, S. 67. So auch schon die Verfasser des BGB, vgl. Prot. II, S. 741.

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durch die Geschäftsbesorgung einer rechtlichen Verpflichtung entledigt) eine in aller Regel gegenüber dem Fremdinteresse untergeordnete Rolle spielt, die der fremdnützigen Ausrichtung der Geschäftsbesorgung als Grund für die Schadloshaltung des Geschäftsführers regelmäßig nicht entgegen steht.302 Etwas anderes soll in Ausnahmefällen nämlich nur dann gelten, wenn das Eigeninteresse des Geschäftsführers an seinem Handeln das zugleich bestehende Fremdinteresse derart überwiegt, dass die fremdnützige Ausrichtung der Geschäftsbesorgung zweifelhaft und die Schadloshaltung des Geschäftsführers aus diesem Grund nicht mehr gerechtfertigt zu sein scheint.303 Wann das Eigeninteresse des Geschäftsführers das Interesse des potentiellen Geschäftsherrn überwiegt und infolgedessen das Vorliegen einer Fremdgeschäftsbesorgung zu verneinen ist, wird von den jeweiligen Umständen abhängig gemacht und soll durch eine entsprechende Wertung zu ermitteln sein.304 Diese Wertung erscheint schon wegen des weiten und konturlosen Begriffs des Interesses sowie aufgrund der offenkundigen Schwierigkeiten, für die Festlegung der Wertigkeit von Interessen geeignete Anhaltspunkte und Maßstäbe zu finden, problematisch.305 Eine solche Wertung kann vorliegend jedoch dahinstehen. Das sich aus der Satzung ergebende Eigeninteresse der Bergrettung steht der Qualifikation der Rettungstätigkeit als Fremdgeschäftsbesorgung nicht entgegen, denn es steht schon nicht in einem zum Interesse des Hilfsbedürftigen gegensätzlichen Verhältnis und kann das Interesse des Geschäftsherrn folglich nicht überwiegen. Im Gegenteil, die organisationsinterne Zielsetzung der Hilfeleistung im Notfall ist gerade auf die Durchführung von Rettungsaktionen im Interesse des Hilfsbedürftigen und damit in primärer Zielrichtung auf fremdnütziges Handeln ausgerichtet. Darüber hinaus verfolgt die Bergrettung als gemeinnützige Institution keine von der Hilfeleistungstätigkeit trennbaren, eigennützigen Motive, die Zweifel an der fremdnützigen Ausrichtung der Rettungseinsätze rechtfertigen könnten. Dass die Bergrettung für ihre Rettungsleistung regelmäßig ein Entgelt verlangt, also eine Vergütung für ihre Hilfeleistungstätigkeit beabsichtigt, steht dem nicht entgegen, denn darauf kann es nicht ankommen. Ansonsten könnte dem Geschäftsführer immer vorgeworfen werden, er handele eigennützig, weil er einen Schadloshal302 So schon § 759 E I; vgl. ebenfalls Wittmann, S. 26; Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 5; Wollschläger (S. 59 f.) kommt zum selben Ergebnis, weil ein bloßes Interesse grundsätzlich keine Nutzen- bzw. Lastenzuständigkeit begründet. 303 ZK-Schmid, Art. 419 N. 16; Schmid, S. 77 f.; Meissel, S. 68; Neuffer, S. 33; andeutungsweise Wittmann, S. 31 (der Vorteil des anderen dürfe nicht lediglich Reflex der Wahrnehmung eigener Interessen sein); ebenso Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 136; ähnlich Erman-Ehmann, § 677 Rn. 7. 304 Vgl. Meissel, S. 68; Schmid, S. 62 f., 77 f.; Neuffer, S. 35 („freie Abwägung und Abschätzung“). 305 Vgl. Neuffer, S. 35; indirekt Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 134 ff. zur Abgrenzung von Reflexvorteilen.

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tungsanspruch nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag im Auge habe.306 Die „Selbstverpflichtung“ der Bergrettungsorganisationen zur Hilfeleistung in den jeweiligen Satzungsbestimmungen steht der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag folglich nicht entgegen. Nach Rechtsprechung und herrschender Auffassung in den hier betrachteten Rechtsordnungen bleibt die Hilfeleistung somit als Fremdgeschäftsbesorgung einzuordnen. 5. Verpflichtung des Geschäftsführers zum Handeln Verfolgt der Handelnde mit der Geschäftsbesorgung nicht nur eigene Interessen, die einer Fremdgeschäftsbesorgung als typischerweise unbeachtliche Motive grundsätzlich nicht entgegenstehen, sondern kommt er damit zugleich einer eigenen (vertraglichen oder gesetzlichen) Verpflichtung nach, ist in besonderem Maße zweifelhaft, ob er objektiv noch im Rechts- und Interessenkreis eines anderen tätig wird und mit dem Willen handelt, das Geschäft in fremdem Interesse zu führen.307 Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen trotz einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung des Geschäftsführers noch von einer Fremdgeschäftsbesorgung die Rede sein kann, so dass die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag zur Anwendung gelangen, ist umstritten. a) Extensive Handhabung des Fremdgeschäftsbesorgungsbegriffs trotz Pflichtenbindung Die deutsche Rechtsprechung und ein Teil der Lehre gehen selbst bei einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung des Handelnden traditionell von dem geschilderten Grundsatz zur Handhabung der auch-fremden Geschäfte aus und halten jedenfalls im Ausgangspunkt auch heute an folgender Formel fest: 306 Auch für die subjektive Theorie liegt dieses Ergebnis auf der Hand, denn der soziale Sinn, die vornehmliche Zweckrichtung der ehrenamtlichen Rettungstätigkeit ist gerade die freiwillige fremdnützige Tätigkeit zugunsten Hilfsbedürftiger (vgl. Wittmann, S. 26, 77 f. am Beispiel der gesetzlichen Hilfeleistungspflicht nach § 323c StGB, dazu sogleich); die für die gesetzliche Hilfeleistungspflicht angeführte Argumentation muss erst recht für ein bloßes Interesse gelten. Da bloße Interessen des Handelnden keine oder jedenfalls eine schwache rechtliche (Lasten-)Zuordnungswirkung haben (Wollschläger, S. 60 ff.), kann auch die Zuständigkeitstheorie zu keinem anderen Ergebnis kommen. Auf die Bergrettung angewendet wird man im Verhältnis zwischen Bergrettungsorganisation und Hilfsbedürftigem danach sagen müssen, dass das satzungsgemäße Interesse der Bergrettung gegenüber der Eigenverantwortung des Hilfsbedürftigen für seine Gesundheit keine rechtlich relevante Lastenzuordnungswirkung hat. 307 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 309 ff.; Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 10; Palandt-Sprau, § 677 Rn. 7; Meissel, S. 68 ff.; Schmid, S. 91 (vertragliche Verpflichtung gegenüber Dritten).

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Das Geschäft ist auch bei einer eigenen Verpflichtung des Geschäftsführers als objektiv fremdes zu qualifizieren, soweit es nach seinem äußeren Erscheinungsbild nicht ausschließlich in den Rechts- und Interessenkreis des Handelnden fällt. Infolge dieses Umstands ist auch hier zu vermuten, dass der Handelnde mit entsprechendem Fremdgeschäftsführungswillen tätig wurde.308 Aus dem Bereich des Rettungsdienstes selbst finden sich weder in der Rechtsprechung309 noch in der Literatur310 eingehende Auseinandersetzungen, in denen die Pflichtenbindung des Retters oder einer Rettungsorganisation explizit thematisiert und die Voraussetzungen der Fremdgeschäftsführung – objektiv fremdes Geschäft und Fremdgeschäftsführungswille – eingehend diskutiert werden. 308 Vgl. Palandt-Sprau, § 677 Rn. 7; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 10; Erman-Ehmann, § 677 Rn. 7; trotz der sich zunehmend zeigenden Tendenzen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von dieser großzügigen Handhabung in bestimmten Fällen abzuweichen (hierzu sogleich), betont der Bundesgerichtshof auch in restriktiver gehandhabten Fällen zunächst den traditionell angewendeten Grundsatz, vgl. BGH NJW-RR 2004, 81, 82; NJW 2000, 72, 73. 309 In einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (NJW-RR 1996, 1337) und einer Entscheidung des Landgerichts Köln (NJW-RR 1991, 989) wurden Entgeltansprüche der Rettungsorganisationen gegen den jeweils Betroffenen bejaht, ohne dass dort vertragliche oder gesetzliche Verpflichtungen der Rettungsorganisation eine Rolle spielten (Es scheint, dass es sich bei den Einsätzen um Rettungstätigkeiten außerhalb der Rettungsdienstgesetze und außerhalb des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenkassen gehandelt hat, da ansonsten eine Verpflichtung der Rettungsorganisation gegenüber dem zuständigen Rettungsdienstträger bzw. der Krankenkasse hätte diskutiert werden müssen/können. Genauere Angaben hierüber sind den Entscheidungstexten nicht zu entnehmen). In einem Fall des Bundesgerichtshofs (NJW 1999, 858 – hierzu sogleich) zur Frage, ob ein Krankentransportunternehmen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den gesetzlich versicherten Patienten (hier die Ehefrau als Erbin) geltend machen kann, zeigt das Gericht die nachfolgend noch näher zu erörternde Gefahr einer Umgehung von anderweitigen Vorschriften (hier § 13 Abs. 1 SGB V) bei Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf und erklärt Letztere deshalb allgemein nicht für anwendbar. Eine nähere Auseinandersetzung mit den beiden Merkmalen des Begriffs der Fremdgeschäftsbesorgung erfolgte auch hier nicht. Weil innerhalb des Geltungsbereichs des Naturalleistungsprinzips eine Inanspruchnahme des Versicherten aus Geschäftsführung ohne Auftrag nicht möglich, sondern eine Vergütungsforderung nur im Verhältnis zu Krankenkasse zu klären sei, könne offen bleiben, „ob Aufwendungsersatzansprüche nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag dann ausgeschlossen sind, wenn der Geschäftsführer in Erfüllung eines mit einem Dritten abgeschlossenen Vertrags handelt, der auch die Entgeltfrage regelt.“ Vgl. ebenfalls das Urteil des Gerichtspräsident I Biel, SJZ 1950, Nr. 76, S. 280 (Suchaktion des Schweizerischen Alpen-Clubs). 310 In der Lehre wird jedenfalls für den Notarzteinsatz häufig pauschal unterstellt, dass der Notarzt gegenüber dem Patienten auf die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag zurückgreifen kann, wenn kein wirksamer Vertrag mit ihm geschlossen wurde. Auf das Problem der Pflichtenbindung wird auch hier nicht weiter eingegangen (vgl. Lippert, NJW 1982, 2089, 2093; Lippert/Weissauer, S. 112; Laufs/Uhlenbruck, § 40 Rn. 6 ff.; vgl. ebenso zur Rechtslage in der Schweiz Nef, S. 363 explizit für den Fall der Bergrettung; König, ZVR 1990, 321 (Rettungshubschraubereinsatz auf Veranlassung des Pistendienstes).

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Die extensive Handhabung des Fremdgeschäftsbesorgungsbegriffs in Deutschland auch bei einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung des Geschäftsführers hat sich aber in vergleichbaren Konstellationen gezeigt, die für die vorliegende Diskussion von Nutzen sind, so u. a. in den Abschleppfällen und beim Tätigwerden von Sicherheits- und Ordnungsbehörden. So ist – auch wenn dies innerhalb der Rechtsprechung selbst umstritten bleibt – dem Abschleppunternehmer mehrfach ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zugebilligt worden, obwohl er sich zur Leistung der Abschleppdienste von der Polizei beauftragt worden war und sich ihr gegenüber verpflichtet hatte.311 Trotz öffentlich-rechtlicher Verpflichtung zur Durchführung der jeweiligen Maßnahmen aufgrund ihrer Aufgabenzuständigkeit sind auch den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden gegenüber dem Verursacher oder Nutznießer der jeweiligen Tätigkeit Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag mit der Begründung zugestanden worden, die Behörden nähmen zumindest auch ein Geschäft des jeweils Begünstigten wahr, so dass anzunehmen sei, sie handelten mit Fremdgeschäftsführungswillen. So wurde ein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB bejaht zugunsten der Feuerwehr, die einen von der Bahn durch Funkenflug ausgelösten Waldbrand löschte,312 zugunsten des Landes, das Verunreinigungen einer Straße beseitigte, die durch eine nahegelegene Bimsgrube entstanden waren,313 zugunsten der Feuerwehr, die einen umgestürzten Tanklastwagen aufrichtete,314 sowie zugunsten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion gegenüber dem Schiffseigentümer, die dessen verlorengegangenen Anker barg.315 Auch werden Ansprüche eines beim Einsatz verletzten Feuerwehrmannes auf Ersatz seiner Schäden nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag jedenfalls für möglich gehalten.316 In einer anderen, ebenfalls umstrittenen Fallgruppe hat die Rechtsprechung dem behandelnden Arzt oder Krankenhaus einen Anspruch aus Geschäftsführung 311 So etwa LG Stuttgart, VersR 1973, 517; LG Limburg MDR 1965, 742; LG Braunschweig NJW 1966, 1821; grundsätzlich bejahend auch RGZ 143, 95; LG München I NJW 1976, 898. Anders aber AG Krefeld NJW 1979, 722; LG München I NJW 1978, 48; LG Köln NJW 1991, 2354. Vgl. hierzu ebenfalls Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 156 ff. 312 BGHZ 40, 28, 31 f. („Funkenflug“-Fall). 313 BGHZ 65, 394 ff. Anders aber BGHZ 62, 186 ff. Dort versagte der BGH der straßenbaupflichtigen Bundesrepublik die Kostenerstattung für Veränderungen einer verschmutzten Straßendecke aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag, die durch rechtmäßige Emissionen eines Zementwerks entstanden waren, mit dem Argument, sie nehme nur eine eigene Verpflichtung wahr, ihr Fremdgeschäftsführungswille müsse deshalb besonders hervortreten. Dies sei nicht geschehen. 314 BGHZ 63, 167. 315 BGH NJW 1969, 1205. 316 Vgl. BGH NJW 1993, 2234, 2235.

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ohne Auftrag auch gegen den unterhaltsverpflichteten Ehepartner zugesprochen, und zwar selbst dann, wenn ein Behandlungsvertrag mit dem unterhaltsberechtigten Patienten abgeschlossen worden war.317 Legt man diese Rechtsprechung auch den Rettungseinsätzen der Bergrettung zugrunde, steht die Tatsache, dass sich die Bergrettung mitunter vertraglich gegenüber dem Rettungsdienstträger zur generellen Durchführung von Rettungseinsätzen verpflichtet hat, im Einzelfall von der Polizei mit einem Einsatz beauftragt wird und/oder ggf. einer Leistungsvereinbarung mit der Versicherung des Hilfsbedürftigen nachkommt, dem Tatbestandsmerkmal der Fremdgeschäftsbesorgung ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die Retter ihre allgemeine Hilfeleistungspflicht erfüllen. Ihre Einsätze dienen der körperlichen Unversehrtheit des jeweils Betroffenen und fallen daher auch in dessen Rechts- und Interessenkreis. Der Fremdgeschäftsführungswille ist dann trotz Erfüllung eigener Pflichten zum Handeln zu vermuten. b) Kritik und Eingrenzungsbestrebungen für die Fallgruppe des pflichtgebundenen Geschäftsführers Kritik an der traditionell großzügigen Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf den pflichtgebundenen Geschäftsführer durch die deutsche Rechtsprechung wird von Teilen der Literatur und auch vermehrt von Instanzgerichten geübt.318 aa) Überblick Ein Teil des Schrifttums will die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag stets319 oder doch zumindest grundsätzlich320 nicht anwenden, wenn der Geschäftsführer aufgrund einer eigenen (vertraglichen oder gesetzlichen) Verpflichtung zur Geschäftsbesorgung veranlasst wird. Teils wird das Vorliegen einer Fremdgeschäftsbesorgung bei der Pflichtenbindung des Handelnden mit dem Hinweis in Abrede gestellt, dass es hierfür bereits

317 Vgl. Rechtsprechungsnachweise bei Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 148. 318 Vgl. Falk, JuS 2003, 833, 837; ebenso Esser/Weyers, SR II/1, § 46 I 1 c; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 140, 318. 319 So vor allem Schubert, AcP 178 (1978), 425, 439; ihm folgend Walz, Zivilrechtlicher Ausgleich bei geschäftsmäßiger Steuerzahlung für Dritte, ZIP 1991, 1405, 1408; vgl. auch Medicus, SR II, Rn. 630; Neuffer, S. 41 ff., 46, 92, 94; aus ökonomischer Sicht Köndgen, in: Zimmermann, Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 371, 386; Weishaupt, NJW 2000, 1002, 1003. 320 MüKo-Seiler, § 677 Rn. 20; Gursky, AcP 185 (1985), 13, 36; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 36; Wittmann, S. 77 f.

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am Element der objektiven Fremdheit des Geschäfts fehle.321 Sei der Geschäftsführer aus anderem Grunde zur Geschäftsbesorgung verpflichtet, komme er nur seiner eigenen Verpflichtung nach und führe deshalb ein eigenes, nicht aber auch ein objektiv fremdes Geschäft.322 Die Begünstigung des (vermeintlichen) Geschäftsherrn sei reine Reflexwirkung.323 Der (vertraglich verpflichtete) Geschäftsführer müsse sich vorrangig an den Vertragspartner innerhalb des ihn verpflichtenden Rechtsverhältnisses halten. Dieser sei zur Kostentragung bzw. Nutzenziehung primär zuständig, nicht ein sonstiger Begünstigter.324 Teilweise wird (zusätzlich) im Einklang mit dem in § 760 E I von den Gesetzesverfassern angedeuteten Regel-Ausnahme-Prinzip das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens in Abrede gestellt.325 Der Geschäftsführungswille dürfe bei einer Pflichtenbindung des Geschäftsführers nicht ohne weiteres vermutet werden. Vielmehr spreche die Pflichtenbindung grundsätzlich für die gegenteilige Vermutung, dass der Geschäftsführer lediglich der eigenen Verpflichtung nachkommen und das Geschäft als eigenes besorgen wolle.326 Der Fremdgeschäftsführungswille müsse bei auch-fremden Geschäften deshalb besonders hervortreten, die Absicht, das Geschäft „für den anderen“ zu besorgen, nach außen deutlich erkennbar werden.327 Da dies in der Regel nicht der Fall sei, liege mangels entsprechender Willensrichtung meist keine Fremdgeschäftsbesorgung im Sinne des § 677 BGB vor.

321 So ausdrücklich vor allem Neuffer, S. 45 f. m.w. N. (S. 45 Fn. 4), 92, 94, 118; wohl auch Medicus, FamRZ 1971, 250, 252; vgl. zu den Abschleppfällen auch Wollschläger, S. 146 ff., 161. Für den Fall, dass das Interesse des Geschäftsführers das des Geschäftsherrn überwiegt (eine strikte Trennung zwischen bloßem Interesse und Verpflichtung findet hier nicht statt) auch das schweizerische und österreichische Recht. Das sei bei einer Verpflichtung des Geschäftsführers meist der Fall, vgl. Schmid, S. 79, 89 ff.; Hofstetter, SPR VII/6, S. 239; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 4; nicht ganz klar Meissel, S. 66 ff. 322 Neuffer, ibid.; vgl. auch Medicus, SR II, Rn. 630; ders., BR, § 17 Rn. 414. 323 So Neuffer, S. 46, 84, 92, 116. 324 Wollschläger, S. 66 f. 325 Gursky, AcP 185 (1985), 13, 38; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 36 f.; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 21; Schwark, JuS 1984, 321, 328; Erman-Ehmann, § 677 Rn. 7; Weishaupt, NJW 2000, 1002 f. So grundsätzlich auch das österreichische und schweizerische Recht, wenn aufgrund des Bestehens einer Verpflichtung des Geschäftsführers das eigene Interesse an der Geschäftsbesorgung das des Geschäftsherrn überwiegt bzw. ausschließt, vgl. Schmid, S. 79, 91; indirekt Meissel, S. 81 („allgemein schließt ein Eigeninteresse des Geschäftsführers eine GoA solange nicht aus, als das Geschäft als solches jemandem anderen zugeordnet werden kann“ – was bei überwiegend eigenen Interessen des Geschäftsführers nicht mehr der Fall ist). 326 Gursky, AcP 185 (1985), 13, 38; Neuffer, S. 84, 88. 327 MüKo-Seiler, § 677 Rn. 21; Schwark, JuS 1984, 321, 328; Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 10; Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 443; Medicus, BR, § 17 Rn. 412; vgl. auch Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 36.

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Diese Zweifel haben Einzelne dazu bewogen, die Fälle des pflichtgebundenen Geschäftsführers allgemein aus dem Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag auszuklammern. Nach Ansicht Schuberts ist eine Abgrenzung zulässiger und nicht zulässiger Geschäftsbesorgungen bei einer Pflichtenbindung des Geschäftsführers allein anhand des Fremdgeschäftsführungswillens nicht zuverlässig möglich und verleite zu (nachträglichen) Fiktionen.328 Entweder man lasse die Geschäftsführung ohne Auftrag beim pflichtgebundenen Geschäftsführer durch die Anwendung der Vermutungsregel als umfassende Regressnorm zu oder man müsse den Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag in diesen Fällen schlichtweg negieren. Nur Letzteres werde den heutigen Anforderungen an die Geschäftsführung ohne Auftrag gerecht.329 Die überwiegende Zahl der Kritiker aber geht zwar im Grundsatz davon aus, dass der pflichtgebundene Geschäftsführer allein ein objektiv eigenes Geschäft besorgt bzw. nicht mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt, will aber im Einzelfall Ausnahmen zulassen, wenn die jeweils an den Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung gestellten Anforderungen ausnahmsweise erfüllt sind.330 Die gegenüber der traditionell extensiven Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kritischen Entscheidungen verschiedener Instanzgerichte lassen eine klare Linie nicht erkennen. Bisweilen wird die objektive Fremdheit des Geschäfts verneint,331 der fehlende Fremdgeschäftsführungswille moniert,332 oder die Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB generell in Abrede gestellt.333

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Schubert, AcP 178 (1978), 425, 434. Schubert, AcP 178 (1978), 425, 434 ff. Auf die Frage, ob selbst die allgemeine gesetzliche Hilfeleistungspflicht der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag entgegenstehen soll, geht Schubert nicht ein. 330 Nach der Zuständigkeitstheorie Wollschlägers soll dies etwa der Fall sein, wenn trotz des Gebots, Lasten primär im vertraglichen Pflichtenverhältnis abzuwickeln (S. 66 f.), die Lastenzuständigkeit des Geschäftsherrn ausnahmsweise einen direkten Zugriff rechtfertigt (Beispiel des ärztlichen Rückgriffs auf den unterhaltspflichtigen Ehepartner, S. 148 ff.; ebenso im Ergebnis MüKo-Seiler, § 677 Rn. 32). Nach der subjektiven Theorie ist dies möglich, wenn der soziale Sinn der Handlung trotz der Verpflichtung gerade in der Fremdbegünstigung liegt und darauf abzielt (Wittmann, S. 31, 43, 77 f.; ebenso Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 143). Dann wird man ausnahmsweise trotz der Pflichtenbindung auch den Fremdgeschäftsführungswillen erkennen können (vgl. am Beispiel der vertraglichen Pflichtenbindung Gursky, AcP 185 (1985), 13, 41 mit den dort genannten Einschränkungen). 331 OLG Koblenz NJW 1992, 2368 unter Bezugnahme auf Medicus, BR, § 17 Rn. 414) und Erman-Hauss (8. Auflage), § 677 Rn. 10. 332 OLG Saarbrücken NJW 1998, 828 mit Hinweis auf LG Köln NJW 1991, 2354; jedenfalls „hilfsweise“ ebenfalls OLG Koblenz NJW 1992, 2368 in Anlehnung an die im Schrifttum geforderte Erkennbarkeit der Fremdgeschäftsführungsabsicht, die bei Wahrnehmung eigener Verpflichtungen regelmäßig fehle und im vorliegenden Fall nicht vorgelegen habe. 333 OLG Oldenburg MDR 2000, 1373, wonach die Anwendbarkeit „zweifelhaft“ sei. 329

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

219

Unabhängig davon, an welches der beiden Elemente der Fremdgeschäftsbesorgung die Kritik anknüpft, decken sich die gegen die traditionell extensive Rechtsprechung erhobenen Bedenken jedenfalls inhaltlich weitgehend. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: bb) Kernpunkte der Kritik Der Kern der Kritik liegt darin, dass durch die großzügige Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag trotz anderweitiger Pflichtenbindung des Geschäftsführers die Regeln des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag neben die Regelungen treten, die im Zusammenhang mit der (vertraglichen oder gesetzlichen) Verpflichtung des Geschäftsführers bestehen. Dieses Nebeneinander von Rechten und Pflichten berge die Gefahr, dass die individuellen Interessen und Pflichten der an einem solchen „Dreiecksverhältnis“334 Beteiligten kollidieren und es durch die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu Widersprüchen oder gar zur Umgehung der im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers bestehenden Regeln und Prinzipien335 komme. (1) Interessen- und Pflichtenkonflikte Der Geschäftsführer müsse einerseits gemäß den Vorgaben aus seiner Verpflichtung handeln, gleichzeitig aber seine Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn beachten (Pflichtenverdoppelung), so dass er sich in einen potentiellen Pflichten- und Interessenkonflikt begebe und sich sein Haftungsrisiko erhöhe.336 Dem wird man in vielen Fällen zustimmen können. Resultiert die Verpflichtung aus einem Vertrag, gerät der Geschäftsführer in eine missliche Lage, wenn die Interessen von Vertragspartner und Geschäftsherr nicht miteinander vereinbar sind. Der Geschäftsherr kann dem Geschäftsführer dann streng genommen Weisungen erteilen, die seinen konkreten Vertragspflichten widersprechen.337 Bei einer gesetzlichen Verpflichtung, etwa der öffentlich-rechtlichen Aufgabenzuständigkeit einer Behörde, tritt der Interessenkonflikt des Geschäftsführers zutage, wenn mit der Geschäftsbesorgung primär Interessen der Allgemeinheit verfolgt werden. Dann darf die Behörde auf anders lautende individuelle Interessen des

334

Schubert, AcP 178 (1978), 425, 437 f.; Gursky, AcP 185 (1985), 13, 39. Vgl. Schubert, AcP 178 (1978), 425, 434, 437; Gursky, AcP 185 (1985), 13, 37; Neuffer, S. 86 ff. 336 Schubert, AcP 178 (1978), 425, 437 f., 441 mit Hinweis auf die gesetzgeberische Wertentscheidung in § 181 BGB, wonach ein solcher Interessenkonflikt grundsätzlich vermieden werden müsse. Vgl. auch Gursky, AcP 185 (1985), 13, 39; Neuffer, S. 88. 337 Vgl. auch Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 994. 335

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Geschäftsherrn keine Rücksicht nehmen und – etwa bei der Ausübung hoheitlicher Zwangsbefugnisse – schon gar nicht dessen Weisungen befolgen.338 Auch wird darauf hingewiesen, dass sich der Geschäftsherr u. U. zwei Gläubigern ausgesetzt sehe, wenn sowohl der Geschäftsführer als auch dessen „Auftraggeber“ Ansprüche geltend machen können (Anspruchsverdoppelung).339 Dies steht in der Tat insbesondere in Fällen nachgeordneter Vertragsverhältnisse zu befürchten, etwa wenn der Eigentümer den Bau eines Hauses bei einem Generalunternehmer in Auftrag gegeben hat und später von einem der Subunternehmer des Generalunternehmers auf Ersatz der für ihn als Eigentümer nützlichen Arbeiten neben dem ohnehin geschuldeten Pauschalpreis in Anspruch genommen wird.340 Ein Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftsherrn aus Geschäftsführung ohne Auftrag könne, so die Kritik weiter, der Intention des Auftraggebers des Geschäftsführers bei einer vertraglichen Verpflichtung oder der Intention des Gesetzgebers bei einer gesetzlichen Verpflichtung zuwider laufen, wenn eine Inanspruchnahme des begünstigten Geschäftsherrn gerade nicht beabsichtigt war („Schenkungsabsicht“).341 Auch diese Bedenken sind nachvollziehbar. Wenn etwa der Auftraggeber den Geschäftsführer mit der Geschäftsbesorgung beauftragt und ihn hierfür vergütet, um dem Geschäftsherrn die Begünstigung unentgeltlich zukommen zu lassen,342 oder wenn es sich bei einer behördlichen Maßnahme nach dem Willen des Gesetzgebers um eine kostenlose Leistung handelt,343 soll der Geschäftsführer sich nicht beim Geschäftsherrn schadlos halten können. Wenn – aus der Perspektive des Geschäftsherrn – kritisiert wird, die Gewährung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag widerspreche grundsätzlich dem Interesse des Geschäftsherrn, ggf. Aufwendungsersatz aus einem ohne sein Zutun begründetes Schuldverhältnis leisten zu müssen, wenn der Geschäftsführer ohnehin zum Handeln verpflichtet sei,344 so ist dieses Argument nicht zwingend. Denn auch wenn der Geschäftsführer zu seiner den Geschäftsherrn begünstigenden Handlung verpflichtet ist, muss das nicht bedeuten, dass der Geschäftsführer im Gegenzug für

338

Vgl. Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 997. Vgl. Gursky, AcP 185 (1985), 13, 38 f.; Schubert, AcP 178 (1978), 425, 437; implizit Neuffer, S. 77 f., 86. 340 Vgl. Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 995 f.; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 311, 318 a. E. Hiergegen in einem vergleichbaren Fall zuletzt ausdrücklich BGH NJW-RR 2004, 81. 341 Gursky, AcP 185 (1985), 13, 41; Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 998. 342 Gursky, AcP 185 (1985), 13, 41 f. 343 Vgl. Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 997 f. 344 Gursky, AcP 185 (1985), 13, 39; Schubert, AcP 178 (1978), 425, 441 f. 339

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

221

den Nutzen, den er dem Geschäftsherrn beschert, nicht wenigstens hinsichtlich seiner Kosten schadlos gehalten werden sollte. Bemängelt wird letztlich, dass vielfach allein der Aufwendungsersatzanspruch herangezogen werde, um hinsichtlich der Kosten der jeweiligen Handlung einen Regress gegen den Geschäftsherrn zu ermöglichen, während sonstige sich aus den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag ergebende Rechte und Pflichten im Verhältnis von pflichtgebundenem Geschäftsführer und Geschäftsherr nicht sinnvoll anwendbar seien.345 Auch diese Kritik ist berechtigt. Ein gutes Beispiel für die Inkompatibilität der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag bieten etwa die Fälle, in denen der behandelnde Arzt oder das Krankenhaus neben dem Patienten, mit dem ein Behandlungsvertrag geschlossen wurde, auch den unterhaltspflichtigen Ehegatten für die Kosten der Behandlung aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Anspruch nehmen will.346 So ist etwa eine Klinik nicht verpflichtet, der Ehefrau die Aufnahme ihres Mannes anzuzeigen und ihre Entschließung abzuwarten (§ 681 S. 1 BGB) oder sie über die Behandlung des Mannes zu benachrichtigen (§§ 681 S. 2, 666 BGB). Im Falle einer schuldhaften Schlechtleistung haftet der Arzt der Ehefrau auch nicht aus einer Sonderverbindung nach §§ 677, 276, 278 BGB.347 Ähnliche Bedenken werden zu Recht bei der Geschäftsführung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung geäußert. Ein zuständiger Hoheitsträger will und kann sich, gerade im Bereich des Sicherheits- und Ordnungsrechts, in Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Pflichten und Aufgaben nie dem Willen des Geschäftsherrn unterordnen, wie dies in den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag angelegt ist.348 (2) Kollision mit und Umgehung von rechtlichen Regeln und Prinzipien Auf abstrakter Ebene wird neben den Hinweisen auf konkrete Interessen- und Pflichtenkonflikte zwischen den Beteiligten ganz allgemein die eingangs bereits erwähnte potentielle Kollision der dann anwendbaren Regeln und Prinzipien gerügt. Durch die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag stehe sowohl bei einer vertraglichen als auch bei einer gesetzlichen Verpflichtung des Geschäftsführers zu befürchten, dass die §§ 677 ff. BGB mit rechtlichen 345 Medicus, BR, § 17 Rn. 412 und 414; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 318; Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 994. 346 Bejahend etwa LG Bielefeld MDR 1966, 234; LG Stuttgart NJW 1961, 972, 973; LG Bonn FamRZ 1970, 321; ablehnend: OLG Saarbrücken NJW 1998, 828, 829; OLG Koblenz NJW 1992, 2367 f.; LG Landau NJW 2000, 1046; LG Köln NJW 1991, 2354. 347 Vgl. Medicus, BR, § 17 Rn. 414; Schubert, AcP 178 (1978), 425, 441. 348 Vgl. Medicus, BR, § 17, Rn. 412, der daraus folgert, der öffentlich-rechtlich verpflichtete Geschäftsführer handele mangels Unterordnung gegenüber dem Geschäftsherrn nie mit Fremdgeschäftsführungswillen.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Prinzipien und Wertungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers kollidieren oder diese umgehen: Bei einer vertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber einem Dritten sei das Prinzip der Vertragsrechtsordnung zu beachten und dürfe nicht umgangen werden. Die in § 241 BGB zum Ausdruck kommende Ausschließlichkeit der Leistungsbeziehungen müsse seine Geltung behalten.349 Ein zusätzlicher Anspruch gegen den begünstigten Geschäftsherrn aus Geschäftsführung ohne Auftrag bedeute sonst letztlich eine Wiederbelebung der gemeinrechtlichen Versionsklage, die die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches gerade nicht übernehmen wollten,350 und laufe zudem praktisch auf eine Vertragswirkung zu Lasten Dritter und damit letztlich auf einen Verstoß gegen ein wesentliches Postulat des Persönlichkeitsrechts hinaus.351 In der Tat besteht die Gefahr, dass durch die Anerkennung eines (Aufwendungsersatz-)Anspruchs gegenüber dem begünstigten Geschäftsherrn trotz bestehender vertraglicher Verpflichtung des Geschäftsführers grundlegende rechtliche Wertungen, wie sie im Bereicherungsrecht zum Bereicherungsausgleich im Dreipersonenverhältnis anerkannt sind, umgangen werden:352 Ausgleich ist grundsätzlich nur im jeweiligen (vorrangigen) Leistungsverhältnis zu erlangen.353 Der pflichtgebundene Geschäftsführer muss gerade das Ausfall- und Insolvenzrisiko tragen, das er bei der privatautonomen Begründung der Verpflichtung gezielt übernommen hat.354 Dem Arzt oder Krankenhaus in den Behandlungsfällen trotz Behandlungsvertrages mit dem Patienten einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem unterhaltspflichtigen Ehegatten aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu gewähren und ihm so einen zusätzlichen, ggf. solventeren Schuldner bereitzustellen, würde diese Risikoverteilung gezielt unterlaufen. Zudem muss sichergestellt sein, dass die Beteiligten innerhalb der jeweiligen Rechtsverhältnisse ihre Einreden behalten und sich nicht Einreden aus 349 Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 10; Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 994; Weishaupt, NJW 2000, 1002 f.; Medicus, BR, § 17 Rn. 414; Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 2 d. 350 Medicus, SR II, Rn. 630; ders., BR, § 17 Rn. 414; Hauss, S. 333, 334; Schubert, AcP 178 (1978), 425, 437, 442; Gursky, AcP 185 (1985), 13, 38. Neuffer, S. 83 ff. Kennzeichen der gemeinrechtlichen Versionsklage (actio de in rem verso utilis) ist die Bereicherung eines Dritten aus einem Vertrag zwischen dem Leistenden und seinem Vertragspartner, von dem jener für seine Leistung die ausbedungene Gegenleistung nicht zu erlangen vermag und sich nunmehr an den Dritten wenden kann. 351 Helm, Gutachten, S. 394; ähnlich Neuffer, S. 77 f. 352 Vgl. Schubert, AcP 178 (1978), 425, 437; Gursky, AcP 185 (1985), 13, 38; Medicus, JZ 1967, 65; Wollschläger, S. 67; Neuffer, S. 90 ff.; Falk, JuS 2003, 833, 837; Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 994 f. 353 Vgl. Falk, JuS 2003, 833, 837; Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 994 f. 354 Vgl. Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 2, S. 400 f.; Neuffer, S. 90; Schubert, AcP 178 (1978), 425, 442; Wollschläger, S. 146.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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anderen Rechtsverhältnissen ausgesetzt sehen.355 So könnte beispielsweise der vertraglich verpflichtete Geschäftsführer gewährleistungsrechtliche Einreden aus dem Vertragsverhältnis, die ihm nur sein Auftraggeber entgegenzuhalten berechtigt ist, durch die Geltendmachung einer Vergütung aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem Begünstigten umgehen. Schlechtleistungseinreden des Patienten gegen den Entlohnungsanspruch des Arztes blieben unbeachtet, wenn sich der Arzt nach §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB an die Ehefrau des Patienten wenden kann. Wollte der Vertragspartner des „Geschäftsführers“ den Nutzen aus der Vertragserfüllung dem Begünstigten unentgeltlich zukommen lassen, so bleibt Letzterem der Einwand aus § 685 BGB abgeschnitten, wenn der Geschäftsführer gegen ihn direkt vorgehen kann. Wenn jemand aus freundschaftlicher Verbundenheit für seinen Freund in dessen Interesse eine Arbeitsleistung besorgen lässt und dazu gegenüber dem die Arbeitsleistung Ausführenden eine Verbindlichkeit eingeht, ohne später von seinem Freund Ersatz verlangen zu wollen, könnte sich der Freund gegenüber dem Dritten nicht auf die Schenkungsabsicht berufen.356 Zudem, so die Kritik, sei die Anwendung unterschiedlicher Haftungsmaßstäbe zu befürchten, je nachdem, von wem der Geschäftsführer in Anspruch genommen wird. Auch das ist richtig. Während der Geschäftsführer seinem Vertragspartner für jede Fahrlässigkeit haftet, kann er sich dem Geschäftsherrn gegenüber unter den Voraussetzungen der Notgeschäftsführung auf die Haftungserleichterung des § 680 BGB berufen.357 Der Abschleppunternehmer etwa kann dann bei durch unsachgemäßen Abtransport des falsch geparkten PKW entstandenem Schaden die Ersatzansprüche des Eigentümers mit dem Hinweis auf eine nur leicht fahrlässige Beschädigung zurückweisen.358 Diese grundsätzlichen Bedenken werden zu Recht auch bei einer gesetzlichen Verpflichtung des Geschäftsführers ins Feld geführt. Auch hier kann es insbesondere dann, wenn der gesetzlich verpflichtete Geschäftsführer Verwaltungsträger ist, dessen Handeln öffentlich-rechtlichen (Sonder-)Regelungen unterliegt, zu Widersprüchen und gar zu einer Umgehung gesetzlicher Regeln und Prinzipien kommen, wenn es ihm ermöglicht wird, auf die zivilrechtlichen Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag „auszuweichen“.359 Das ist u. a. der Fall bei abschließenden gesetzlichen Kostenregelungen. Wenn die für den Geschäftsführer geltenden Vorschriften hinsichtlich des Rückgriffs abschließende und in den Vo355

Vgl. Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 995; Schubert, AcP 178 (1978), 425,

437. 356

Vgl. die Beispiele bei Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 995. Schubert, AcP 178 (1978), 425, 442 f. 358 So LG München I NJW 1976, 898 in einem Fall, in dem der Falschparker eine Feuerwehrzufahrt blockierte. Vgl. auch die Erwägungen in BGH NJW 1975, 207 ff. 359 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 196 ff.; Wollschläger, S. 154 ff.; Martinek/Theobald, JuS 1997, 992, 997 f.; Soergel-Beuthien, Vor § 677 Rn. 14. 357

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

raussetzungen vom Aufwendungsersatzanspruch abweichende Regelungen enthalten, könnten diese durch die (parallele) Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag ausgehebelt werden.360 So ist grundsätzlich zu berücksichtigen, inwieweit die öffentliche Hand überhaupt Ersatz für ihre Aufwendungen soll fordern können, zumal manche Dienstleistungen bereits durch Steuergelder abgegolten sind.361 In den Fällen, in denen einer Behörde für die Erfüllung ihrer Aufgaben ein Kostenerstattungsanspruch gegen den durch die Geschäftsbesorgungstätigkeit Begünstigten zugestanden wird, besteht regelmäßig die Gefahr, dass die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu einer Umgehung zwingender öffentlich-rechtlicher Voraussetzungen für einen solchen Kostenerstattungsanspruch führt.362 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Abschleppen eines PKW nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Ersatzvornahme rechtswidrig war und nach den Regressvorschriften des jeweiligen Polizeirechts eine Kostenerstattung daher gar nicht möglich ist.363 Wegen der Besonderheiten und Sonderregelungen des öffentlichen Rechts, auf die die privatrechtlichen Vorschriften der §§ 677 ff. BGB grundsätzlich nicht passen, wird deshalb sogar vorgeschlagen, die Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht ganz aufzugeben.364 cc) Aufgreifen der Kritikpunkte durch die Instanzgerichte und Tendenzen des Bundesgerichtshofs Die von Instanzgerichten geäußerten Bedenken schließen sich teilweise ausdrücklich der Kritik im Schrifttum an. So gab das Oberlandesgericht Saarbrücken zu bedenken: „Die Geschäftsführung ohne Auftrag begründet keine dem Vertragsrecht übergeordnete Billigkeitshaftung [. . .]. Andernfalls käme man nämlich wieder zur Versionsklage, die das BGB mit Vorbedacht nicht übernommen hat.“365 Das Oberlandesgericht Oldenburg und das Oberlandesgericht Hamm 360 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 196 (z. B. Insolvenz- und Nachlassverwaltung, Testamentsvollstreckung, Pflegschaft, Vormundschaft). 361 Vgl. Medicus, BR, § 17 Rn. 412, vgl. zur Unterscheidung von steuerlich finanzierten Leistungen der öffentlichen Hand und solchen, für die Kosten geltend gemacht werden können, den Hinweis auf VG Bremen NJW 1981, 1227; VGH Mannheim NJW 1992, 1470 sowie BGH NJW 1990, 1604 f.; Larenz, SR II 1, § 57 I a, S. 440; Esser/ Weyers, SR II/1, § 46 II d; Hauss, S. 333, 342 ff. 362 Ausführlich Schubert, AcP 178 (1978), 425, 444 ff., 446; vgl. auch Medicus, BR, § 17 Rn. 412; Wollschläger, S. 154 ff. 363 Vgl. Schubert, AcP 178 (1978), 425, 446 m.w. N. allgemein zur Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht. 364 Wollschläger, Geschäftsführung ohne Auftrag und Erstattungsanspruch, S. 10; zustimmend Sieg, S. 75; Soergel-Beuthien, Vor § 677 Rn. 14; differenzierend nach dem Vorhandensein öffentlich-rechtlicher Regelungen aber wohl die h. M., vgl. statt vieler MüKo-Seiler, Vor. § 677 Rn. 23 ff., 29; Palandt-Sprau, Einf. v. § 677 Rn. 13. 365 OLG Saarbrücken NJW 1998, 828.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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übernahmen diese Begründung nahezu wörtlich.366 Das Oberlandesgericht Stuttgart bezog sich ausdrücklich auf die „herrschende Meinung in der Literatur“ sowie die „im Vordringen begriffene Meinung einiger Instanzgerichte“ und warnte vor einem Abgleiten in das dogmatische Niemandsland der Versionsklage.367 Das Bestehen einer Verpflichtung des Geschäftsführers hat auch den Bundesgerichtshof dazu veranlasst, die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Bezug auf bestimmte Fallgruppen einzugrenzen. Der Bundesgerichtshof hat sich dabei darauf beschränkt, eine solche Eingrenzung durch negative, allgemein gehaltene Anforderungen an die Fremdgeschäftsbesorgung, vergleichbar dem Muster des Merkmals „ohne Auftrag“, zu bewirken.368 Keine Geschäftsführung ohne Auftrag soll demnach vorliegen, wenn besondere Bestimmungen des bürgerlichen Rechts das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln,369 das Gesetz den Handelnden zum unentgeltlichen Tätigwerden verpflichtet, insbesondere wenn er die Aufwendungen kraft seiner besonderen Verpflichtung selbst tragen soll,370 oder wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung vorsehen, die einen Rückgriff auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erlauben.371 In neueren Entscheidungen ist der Bundesgerichtshof konkreter auf die im Schrifttum aufgezeigte Gefahr einer Umgehung sonstiger rechtlicher Regeln und Prinzipien durch die (parallele) Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag eingegangen.372 In einer Entscheidung aus jüngerer Zeit hatte der Bundesgerichtshof darüber zu befinden, ob ein Werkunternehmer vom späteren Eigentümer des von ihm errichteten Bauwerks Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen kann, obwohl dem Unternehmer der Auftrag zur Errichtung von einem Dritten (Generalunternehmer) erteilt worden war und dieser Vertrag auch Regelungen zur Vergütung der Werkleistung enthielt. Der Bundesgerichtshof stellte klar: „In solchen Fällen [kommt] eine Inanspruchnahme des Geschäftsherrn dann nicht in Betracht, wenn die Verpflichtung auf einem mit einem Dritten wirksam geschlossenen Vertrag beruht, der Rechte und Pflichten des Geschäftsführers und insbesondere die Entgeltfrage umfassend regelt. Eine solche umfassende Regelung der Entgeltfrage innerhalb der wirksamen Vertragsbeziehung ist hinsichtlich des Ausgleichs für

366

OLG Oldenburg MDR 2000, 1373; OLG Hamm DNotZ 2000, 307, 308. OLG Stuttgart OLGR 2002, 26. Ebenso LG Landau NJW 2000, 1046; LG Berlin NJW 1999, 2906; ohne restriktive Tendenzen aber wiederum OLG Koblenz WuM 2000, 22; OLG Hamm DAR 2001, 69; LG Berlin ZMR 2001, 276. 368 Vgl. MüKo-Seiler, § 677 Rn. 11. 369 BGHZ 98, 235, 242 f. 370 BGHZ 40, 28, 32. 371 BGHZ 30, 162, 169 f.; BGHZ 40, 28, 30; BGHZ 98, 235, 242 f.; BGHZ 140, 102, 109 f. 372 BGH NJW 2000, 72 ff.; NJW 2004, 513; NJW-RR 2004, 81. 367

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

die jeweils erbrachten Leistungen auch im Verhältnis zu Dritten grundsätzlich abschließend. Den Rückgriff auf Aufwendungsersatzansprüche verwehrt der aus der Privatautonomie folgende Vorrang der vertraglichen Rechte gegenüber dem Ausgleich der aus der erbrachten Leistung resultierenden Vorteile Dritter, die außerhalb des Vertrages stehen. Mit der vereinbarten Vergütung erhält der Vertragspartner die Bezahlung, die er nach der Privatrechtsordnung erwarten kann. Wollen die Parteien eine Mithaftung des Dritten für das Vertragsentgelt herbeiführen, haben sie die Möglichkeit, dies durch Vereinbarung mit ihm zu erreichen, insbesondere ihn in die Absprache mit einzubeziehen.“ 373

Damit ist der Bundesgerichtshof der Kritik der Lehre in den Fällen einer vertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers zum Handeln gefolgt. Ob er durch die neueren restriktiven Entscheidungen eine generelle Kehrtwende zu seiner traditionell extensiven Rechtsprechung vollzogen hat, bleibt abzuwarten.374 c) Rechtslage zum Problem des pflichtgebundenen Geschäftsführers in Österreich und der Schweiz In Österreich und der Schweiz gilt für die Fallgruppe des pflichtgebundenen Geschäftsführers der an auch-fremde Geschäfte allgemein angelegte, oben bereits aufgezeigte Maßstab: das Eigeninteresse des Geschäftsführers darf das Interesse des Geschäftsherrn nicht überwiegen bzw. ausschließen.375 Zur Frage, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen ein überwiegendes Eigeninteresse des Geschäftsführers zu bejahen ist, wenn er einer vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, besteht in Österreich und der Schweiz keine einheitliche Linie. Sie wird im Einzelfall durch entsprechende Wertungen beantwortet.376 Ein Teil der schweizerischen Lehre will die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag trotz vertraglicher Pflichtenbindung generell anwenden,377 andere hingegen wollen sie jedenfalls nicht gänzlich ausschließen, sondern ihre Anwendung im Einzelfall beschränken.378 In den Fällen einer gesetzlichen Verpflich-

373

BGH NJW-RR 2004, 81, 83. Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 140; zweifelnd Falk, JuS 2003, 833, 838. 375 Vgl. oben 3. a); Schmid, S. 77 ff.; Hofstetter, SPR VII/6, S. 257; Meissel, S. 68. 376 Vgl. ZK-Schmid, Art. 419 N. 16 ff.; Meissel, S. 68; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 4 f.; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 5. 377 ZK-Schmid, Art. 419 N. 94 mit entsprechenden Nachweisen; Lischer, S. 34. 378 Vgl. Schmid, S. 93 ff. Schmid selbst will je nach Umständen nur bestimmte Rechte und Pflichten aus den Art. 419 ff. OR zur Anwendung kommen lassen. Das erscheint zweifelhaft, denn entweder liegen die Voraussetzungen der Fremdgeschäftsbesorgung vor oder nicht. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu einem „Ersatzteillager“ der Rechtsanwendung verkommen und von ihrem ganzheitlichen Zweck der Interessenbalance in den Fällen fremdnützigen Handelns entfremdet werden. 374

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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tung hänge die Anwendung der Art. 419 ff. OR davon ab, ob die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften noch Spielraum für eine fremdnützige Tätigkeit des Handelnden zulassen und ob das Tätigkeitsverhältnis – etwa bei Tätigwerden öffentlich-rechtlicher Institutionen kraft Amtes – anderweitig abschließend geregelt ist.379 Bei einer vertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers sei wohl davon auszugehen, dass der Geschäftsführer primär im eigenen oder im Interesse des Vertragspartners tätig werde.380 In Österreich sollen die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen, wenn der Geschäftsführer gesetzlich zum Handeln verpflichtet ist. Jedoch sei im Einzelfall der Normzweck der den Geschäftsführer verpflichtenden Norm zu berücksichtigen.381 Bei einer vertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers bestehe eine „lange Tradition“, dem Geschäftsführer den direkten Rückgriff durch das Instrument der Geschäftsführung ohne Auftrag zu verweigern.382 Zwar sei dies jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Geschäftsführer die gesamte Leistung bereits aufgrund eigener Verpflichtungen erbringen muss.383 Ausnahmen seien aber denkbar.384 Die Bedenken, die hierbei jeweils gegenüber der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf den pflichtgebundenen Geschäftsführer vorgebracht werden, decken sich weitgehend mit den im deutschen Schrifttum und von deutschen Instanzgerichten geäußerten Kritikpunkten. So verweisen die Autoren ebenfalls auf die vertragliche Verteilung des Insolvenzrisikos,385 auf das Risiko einer doppelten Inanspruchnahme,386 auf potentielle Pflichtenkollisionen,387 auf die Ablehnung eines allgemeinen Versionsanspruchs388 und auf die Umgehung öffentlich-rechtlicher/vertraglicher Regelungen.389 379

Vgl. Schmid, S. 87 ff. Schmid, S. 91. 381 Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 6; Meissel, S. 74, 76 f.; vgl. etwa OGH 3 Ob 507/ 96, S. 8 (Unbeachtlichkeit der Hilfeleistungspflicht eines Tierarztes). 382 Vgl. Meissel, S. 75 mit Rechtsprechungshinweisen; vgl. ebenfalls Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 5; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 5. 383 Meissel, S. 68 mit Hinweis auf SZ 43/9. 384 Vgl. Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 5 a. E.; Meissel, S. 68 ff., der dem von Wollschläger eingeführten Gedanken der relativen Zuständigkeit zuzustimmen scheint. Die Betrachtung der Fallgruppe des pflichtgebundenen Geschäftsführers wird in Österreich insgesamt dadurch erschwert, dass nicht immer klar zwischen der Frage der Fremdgeschäftsbesorgung und der Frage der fehlenden Befugnis („ohne Auftrag“) des Geschäftsführers getrennt wird (vgl. die vorstehend zitierten Stellen). 385 Schmid, S. 93; Hofstetter, SPR VII/6, S. 239. 386 Schmid, S. 93. 387 Hofstetter, SPR VII/6, S. 257; Schmid, S. 89. 388 Meissel, S. 75. 389 Schmid, S. 90 Rn. 264; Meissel, S. 74, 77. 380

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

d) Zusammenfassung Die Bedenken, die in allen drei Ländern gegen die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf den pflichtgebundenen Geschäftsführer vorgebracht werden, sind weitgehend berechtigt. Die inhaltliche Kritik lässt sich unabhängig davon, ob der Geschäftsführer einer vertraglichen oder gesetzlichen (öffentlich-rechtlichen) Verpflichtung nachkommt, allgemein wie folgt zusammenfassen: Sollen die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag trotz Verpflichtung des Geschäftsführers Anwendung finden, besteht die Gefahr, dass Regelungen und Prinzipien zur Geschäftsbesorgungstätigkeit, die im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers bestehen, mit den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag kollidieren und durch die parallele Anwendung dieser Vorschriften umgangen werden. Die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist deshalb jedenfalls dann zu verneinen, wenn eine solche Kollisions- und Umgehungsgefahr besteht.390 Das ist insbesondere der Fall, wenn Regelungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers bestehen, die bereits eine (abschließende) Zuweisung von Kosten und Risiken der Geschäftsbesorgung treffen. Daneben sind ebenfalls alle sonstigen Rechte, Pflichten und Prinzipien zu beachten, die im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers gelten und die durch die Anwendung der §§ 677 ff. BGB, §§ 1035 ff. ABGB und Art. 419 ff. OR auf die Geschäftsbesorgung in Frage gestellt bzw. umgangen würden. Voraussetzung einer Kollisions- und Umgehungsgefahr bei der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist also ganz allgemein, dass im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers bereits von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag abweichende Regelungen über die Geschäftsbesorgungstätigkeit bestehen und diese Regelungen als abschließend anzusehen sind, so dass für die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (daneben) kein Raum mehr besteht.391 e) Subsidiäre Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag bei anderweitiger Pflichtenbindung Mit den berechtigten Bedenken an einem Nebeneinander von Regelungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers und den Vorschriften 390 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 143; Gursky AcP 185 (1985), 13, 41 f.; Weishaupt, NJW 2000, 1002 f.; Neuffer, S. 90 f. (jeweils für den vertraglich verpflichteten Geschäftsführer); Schubert, AcP 178 (1978), 425, 454 f.; vgl. ebenfalls Schmid, S. 84, 91 f.; Meissel, S. 75, 77 f. 391 Vgl. auch Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 195, 309 ff. und 196 ff., 199; in diesem Sinne für den Fall der vertraglichen Pflichtenbindung Gursky, AcP 185 (1985), 13, 41 f.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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über die Geschäftsführung ohne Auftrag einher geht die meist unausgesprochene oder nicht näher diskutierte Folgerung/Forderung, dass die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag verdrängt (subsidiär) sein müssen, um die befürchteten Kollisionen auszuschließen. Mag es noch einleuchten, dass bei der gesetzlichen Verpflichtung einer Behörde zur Besorgung eines Geschäfts des Bürgers öffentlich-rechtliche Sonderregeln nicht umgangen werden dürfen, ist dieses Ergebnis bei einer vertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers nicht ohne weiteres überzeugend. Warum sollte der vertraglich verpflichtete Geschäftsführer beispielsweise nicht wählen können zwischen der Inanspruchnahme seines Vertragspartners auf Zahlung der mit diesem vereinbarten Vergütung und der Inanspruchnahme des Geschäftsherrn auf Erstattung seiner Aufwendungen nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag? Das Argument, dass dies einem unzulässigen Vertrag zu Lasten des Geschäftsherrn gleichkäme, überzeugt nicht ohne weiteres. Denn das Gesetz gewährt dem Geschäftsführer bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nun einmal einen Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Umgekehrt ließe sich fragen, warum die für den Geschäftsherrn häufig zufällige Tatsache, dass der Geschäftsführer zum Handeln verpflichtet ist, den Geschäftsherrn entlasten soll mit der Folge, dass er trotz des ihm erwachsenden Vorteils nicht wenigstens zum Ersatz des hierbei entstehenden Aufwands verpflichtet ist.392 Dass für die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag stets kein Raum mehr sei, wenn anderweitige Regelungen zur Tätigkeit des Geschäftsführers bestehen, wird nur vereinzelt argumentiert,393 während die Mehrzahl der Stimmen zwar von einem grundsätzlichen Ausschluss ausgeht, Ausnahmen aber für möglich hält. Was ist dann Grund für die geforderte Subsidiarität der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber anderen Regelungen und woran lassen sich Ausnahmen festmachen? aa) Der besondere Interessenausgleichszweck des gesetzlichen Schuldverhältnisses der Geschäftsführung ohne Auftrag Eine Antwort auf diese Fragen lässt sich dem eingangs angedeuteten Zweck entnehmen, den die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag als gesetzliches Schuldverhältnis erfüllen. Sie stellen eine besondere gesetzliche Ausgleichsregelung zwischen den Interessen des Geschäftsführers und des Geschäfts392 Es geht hier also nicht (nur) um die Kollision von Interessen und Pflichten auf der Ebene der Rechtsanwendung, sondern um die grundsätzliche Frage, warum bei einer vertraglichen Verpflichtung der Grundsatz der Relativität des Schuldverhältnisses zwischen dem Geschäftsführer und seinem Vertragspartner der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag prinzipiell entgegen stehen soll (vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 324). 393 Vgl. Schubert, AcP 178 (1978), 425, 434.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

herrn für den speziellen Fall der auftragslosen Wahrnehmung fremder Interessen dar.394 Diesen Zweck erfüllen die Vorschriften nur, d.h. sie bieten nur dann eine angemessene, interessengerechte Regelung im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr, wenn die von ihnen vorausgesetzte spezielle Interessenkonstellation gegeben ist und damit ein Bedürfnis für den gesetzlich angeordneten Interessenausgleich besteht: Der Geschäftsführer muss sich – wie ein Beauftragter – allein oder doch vorrangig an den Interessen des Geschäftsherrn orientieren und diesen Interessen seine eigenen Interessen unterordnen395 und – in Hinsicht auf die Schadloshaltungsregelung – in seinem Schadloshaltungsinteresse schutzwürdig sein. Beides, die Unterordnung der eigenen Interessen des Geschäftsführers unter die Interessen des Geschäftsherrn und die Schutzwürdigkeit des Geschäftsführers hinsichtlich seines Schadloshaltungsinteresses ist in der Regel nicht mehr gegeben, wenn die jeweilige Geschäftsbesorgungstätigkeit bereits anderweitigen Regelungen unterworfen ist, da solche anderweitigen Regelungen meist der Verwirklichung auch anderer Ziele als der Wahrung der Geschäftsherrninteressen dienen. Der Geschäftsführer kann dann bei Beachtung dieser Regelungen sein Handeln nicht mehr den Interessen des Geschäftsherrn unterordnen, sondern muss es an den ihm vorgegebenen Zielen ausrichten. Auch enthalten derartige Regelungen meist eine Lastenzuordnung in Hinsicht auf die Kosten, die mit der Geschäftsbesorgungstätigkeit verbunden sind, so dass der Geschäftsführer hinsichtlich der Schadloshaltung von vornherein nicht mehr schutzwürdig ist. Dann ergeben sich als Konsequenz der unterschiedlichen Regelungsziele regelmäßig die geschilderten Kollisions- und Umgehungsgefahren. Die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag setzt deshalb voraus, dass der 394 Vgl. MüKo-Seiler, Vor § 677 Rn. 3 ff.; Soergel-Beuthien, Vor § 677 Rn. 1 f.; Schmid, S. 53; Meissel, S. 2 f.; a. A. Wollschläger, der der fremdnützigen Zielrichtung des Handelns grundsätzlich keine Bedeutung beimisst (S. 72 f.). 395 So vor allem Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 Rn. 28 ff. (Geschäftsführung ohne Auftrag als realsgeschäftliche Interessenwahrnehmung); vgl. zudem SoergelBeuthien, § 677 Rn. 1; MüKo-Seiler, Vor § 677 Rn. 8; im Ergebnis ebenfalls Gursky, AcP 185 (1985), 13, 26 f.; ähnlich Wittmann, S. 22 mit dem Erfordernis einer freiwillig-uneigennützigen Tätigkeit; Hofstetter, SPR VII/6, S. 257; andeutungsweise RummelRummel, § 1035 Rz. 1; a. A. Wollschläger, S. 59 ff., für den die fremdnützige Interessenwahrnehmung keine Rolle spielt. Die Interessenunterordnung kommt jedenfalls in Deutschland und der Schweiz bereits in den Grundtatbeständen der Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ausdruck, die – ohne dass die Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung (Nützlichkeit) vorliegen müssen – bestimmen, dass der Geschäftsführer das Geschäft so zu führen hat, „wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert“ (§ 677 BGB) bzw. „wie es dem Vorteile und der mutmaßlichen Absicht des anderen entspricht“ (Art. 419 OR). In Österreich kommt dieser Gedanke weniger deutlich zum Ausdruck, da das Gesetz die unbefugte Einmischung stärker betont. Zum Ausdruck kommt das Erfordernis der Interessenunterordnung in Österreich und der Schweiz in der soeben dargelegten Voraussetzung bei auch-fremden Geschäften, wonach das eigene Interesse des Geschäftsführers das des Geschäftsherrn nicht überwiegen (ausschließen) darf [vgl. oben 3. a)].

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Geschäftsführer grundsätzlich „auftragslos“ tätig wird, d.h. eben keinen anderweitigen Regelungen unterworfen ist, die der genannten Interessenlage – fremdnützige Wahrnehmung der Interessen des Geschäftsherrn und Schutzbedürftigkeit hinsichtlich der Schadloshaltung – entgegenstehen. Gegenüber der eingangs gewählten Formulierung ließe sich demnach präziser sagen: Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag dienen als spezielle Ausgleichsregelung zwischen den Interessen des Geschäftsführers und denen des Geschäftsherrn für die fremdnützige Interessenwahrnehmung, die (fremdnützig sein kann, weil sie) nicht anderweitig abweichend und abschließend geregelt ist.396 Die Parallelen der vorstehenden Argumentation zu dem weiteren Tatbestandsmerkmal der fehlenden Legitimation („ohne Auftrag“) sind offenkundig. Zwar soll das Tatbestandsmerkmal der fehlenden „Legitimation“ („Auftragslosigkeit“)397 nach überwiegender Auffassung auf das unmittelbare Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr beschränkt sein.398 Diese Beschränkung erscheint jedoch fraglich, wenn man den Zweck dieser Tatbestandsvoraussetzung näher betrachtet. Sie setzt für die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag negativ voraus, dass der Geschäftsführer nicht anderweitig dem Geschäftsherrn gegenüber zur Geschäftsbesorgung „legitimiert“ ist.399 Entgegen den insofern missverständlichen Formulierungen ist damit weder die Berechtigung zur Geschäftsbesorgung im Sinne einer ausnahmsweise bestehenden Erlaubnis zur ansonsten unerwünschten Einmischung gemeint,400 noch sollen die Vorschriften über die Geschäftsbesorgung ohne Auftrag lediglich dann ausscheiden, wenn der Geschäftsführer zur Geschäftsbesorgung „beauftragt“ (Art. 419 OR) oder auch „sonst dazu berechtigt“ (§ 677 BGB) ist. Auch andere 396

Vgl. auch Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 28 ff., 40. § 677 BGB: „ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“; § 1035 ABGB: „Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze die Befugniß erhalten hat“; Art. 419 OR: „ohne von ihm beauftragt zu sein“. 398 So jedenfalls die herrschende Auffassung in Deutschland und der Schweiz, vgl. MüKo-Seiler, § 677 Rn. 44; Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 15; a. A. für das deutsche Recht Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 40, 187; Schmid, S. 83; ZKSchmid, Art. 419 N. 63 jeweils mit Hinweis auf den Gesetzeswortlaut in § 677 BGB bzw. Art. 419 OR („ohne von ihm beauftragt zu sein“); so auch Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 6; diese Einschränkung für das österreichische Recht nicht treffend Meissel, S. 72 ff. § 1035 ABGB gibt seinem Wortlaut nach für die Beschränkung des Merkmals auf das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr im Gegensatz zu der deutschen und schweizerischen Vorschrift auch nichts her. Dort ist allgemein von einer fehlenden „Befugniß“ die Rede. 399 MüKo-Seiler, § 677 Rn. 43. Vgl. § 677 BGB („beauftragt“ [. . .] „oder sonst dazu berechtigt“); Art. 419 OR („beauftragt“); § 1035 ABGB („Befugniß“). 400 Vgl. Meissel, S. 72 f. Die Voraussetzungen dafür, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag als berechtigt anzusehen ist, sind vielmehr in eigens hierfür aufgestellten, an der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung orientierten Erfordernissen niedergelegt (§ 683 S. 1 BGB, §§ 1036 und 1037 ABGB und Art. 422 OR). 397

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

rechtsgeschäftliche Vereinbarungen über die Geschäftsbesorgung und auch eine (gesetzliche) Verpflichtung des Geschäftsführers hierzu schließen anerkanntermaßen die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag aus. Das Tatbestandmerkmal der fehlenden „Legitimation“ erfordert – wie in § 1035 ABGB deutlich zum Ausdruck kommt401 – ganz allgemein, dass die Geschäftsbesorgung weder durch vertragliche, noch durch gesetzliche Vorschriften anderweitig zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr geregelt ist.402 Gleichzeitig besteht Einigkeit darüber, dass selbst dann, wenn anderweitige Regelungen im Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung existieren, die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen können.403 Das ist der Fall, wenn rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr oder gesetzliche Vorschriften, die den Geschäftsführer zum Handeln gegenüber dem Geschäftsherrn verpflichten, keine (abschließenden) Regelungen über die Geschäftsbesorgung als solche enthalten, d.h. keine Rechte und Pflichten und keine Lastenverteilung im Zusammenhang mit der jeweiligen Tätigkeit vorsehen.404 Allgemein anerkannt ist etwa, dass die Erfüllung der allgemeinen gesetzlichen Hilfeleistungspflicht die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht berührt, weil sie eben keine Regelungen über die Hilfeleistungstätigkeit und die zivilrechtliche Lastenverteilung hierfür enthält.405 Auch wird weithin befürwortet, dass die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag trotz rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn Anwendung finden, wenn und soweit die in Rede stehende Geschäftsbesorgungstätigkeit von der Vereinbarung nicht erfasst ist und sie auch nicht ausschließen sollte.406

401 § 1035 ABGB: „Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, nach aus dem Gesetze das Befugniß erhalten hat“. Die Regelungen in § 677 BGB („ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein“) und Art. 419 OR („ohne von ihm beauftragt zu sein“) sind demgegenüber unpräzise, vgl. MüKo-Seiler, § 677 Rn. 43 f.; Schmid, S. 82. 402 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 187; Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 443; Mugdan II, 478; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 43. ZK-Schmid, Art. 419 N. 63; Schmid, S. 82 ff.; Lischer, S. 33 f.; Meissel, S. 74 ff.; Schwimman-Apathy, § 1035 Rz. 3; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 6. 403 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 187 ff.; Meissel, S. 72 ff.; Schmid, S. 82 ff. 404 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 187 ff.; Meissel, S. 72 ff.; Schmid, S. 82 ff. 405 Vgl. mit teilweise anderer Begründung MüKo-Seiler, § 677 Rn. 43; StaudingerBergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 199; Palandt-Sprau, § 677 Rn. 11; Schmid, S. 87 ff.; ZK-Schmid, Art. 419 N. 104; Hofstetter, SPR VII/6, S. 238; Meissel, S. 74; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 4; zurückhaltend Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 6 (ggf. analoge Anwendung). 406 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 190; Schmid, S. 83 f.; Meissel, S. 76.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Legt man dies zugrunde, geht es bei dem Tatbestandsmerkmal der fehlenden „Legitimation“ letztlich darum, die oben bereits dargelegte besondere Interessenkonstellation zu charakterisieren: Wenn Vorschriften existieren, die bereits spezielle Regelungen über die Geschäftsbesorgung enthalten, ist die für die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr vorausgesetzte Interessenlage – nicht anderweitig abschließend geregelte, fremdnützige Interessenwahrnehmung – nicht mehr gegeben.407 Im direkten Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn liegt es auf der Hand, dass der Interessenausgleichszweck dann nicht mehr passt, weil die Parteien ihre Interessen dann selbst privatautonom geregelt haben, oder weil gesetzliche Vorschriften eine andere Regelung der beiderseitigen Interessen vorsehen. Ist der besondere Interessenausgleichszweck trotz einer bestehenden Regelung aber nicht betroffen, bleiben die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag jedoch anwendbar. Ist der Geschäftsführer gegenüber einem Dritten durch Vertrag oder aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften (gesetzlich) zur Geschäftsbesorgung verpflichtet, kann sinnvollerweise nichts anderes gelten. Auch durch solche, nicht unmittelbar im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn geltenden, aber sich mittelbar auswirkenden Regelungen zur Geschäftsbesorgung kann sich, wie die geschilderten Kollisions- und Umgehungsgefahren zeigen, die Interessenlage ändern mit der Folge, dass die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag nach ihrem Sinn und Zweck, einen angemessenen Interessenausgleich in der Situation der auftragslosen, fremdnützigen Tätigkeit zu schaffen, nicht mehr passen. Dass dieses Argument also nicht auf konkrete Regelungen im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn beschränkt sein kann, wird gerade bei einer gesetzlichen Verpflichtung des Geschäftsführers zur Geschäftsbesorgung deutlich, bei der zwischen der Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftsherrn und der Verpflichtung gegenüber einem Dritten (Staat/ Allgemeinheit) ohnehin kaum mehr sinnvoll zu unterscheiden ist. Es verwundert daher nicht, dass die Erörterung des Problems des pflichtgebundenen Geschäftsführers gerade bei einer gesetzlichen Verpflichtung, aber auch bei einer vertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber Dritten, sowohl unter dem Tatbestandsmerkmal der Fremdgeschäftsbesorgung als auch unter dem Kriterium der fehlenden Berechtigung erfolgt.408 407 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 187, 40; ähnlich Wittmann, S. 22 f., der das Merkmal der „Berechtigungslosigkeit“ als Bestandteil des Fremdgeschäftsführungsbegriffs und die (damit einhergehende) Verpflichtungslosigkeit als Voraussetzung für die von ihm geforderte fremdnützige Absicht verstehen will. 408 Vgl. Meissel, S. 72 ff.; Schmid, S. 82 ff.; Palandt-Sprau, § 677 Rn. 7 und 11; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 187 ff., 309 ff. Im österreichischen Recht erfordert schon der Wortlaut des § 1035 ABGB, das Fehlen einer Regelung („Auftragslosigkeit“) nicht auf das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn zu beschränken.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf den pflichtgebundenen Geschäftsführer muss also ausscheiden, wenn – unmittelbar für das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn oder „nur“ in Bezug auf die Geschäftsbesorgungstätigkeit als solche (vertragliche Verpflichtung gegenüber Dritten oder gesetzliche Regelung) – Regelungen existieren, die eine Veränderung der von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzten Interessenlage bewirken, sei es, dass die geforderte Interessenunterordnung nicht mehr gegeben ist, sei es, dass das Interesse des Geschäftsführers aufgrund einer Lastenregelung nicht mehr schutzwürdig ist. Dann können die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ihren besonderen Zweck, für diese Interessenlage eine interessengerechte Ausgleichsregelung bereitzustellen, nicht mehr erfüllen.409 Mit der hier vertretenen Auffassung lassen sich für den Fall des pflichtgebundenen Geschäftsführers die erforderlichen Differenzierungen vornehmen. Lassen anderweitige, für den Geschäftsführer verbindliche Regelungen zur Geschäftsbesorgungstätigkeit in Ausnahmefällen nämlich die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorgesehene Interessenlage unberührt, bleibt die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag trotz der Verpflichtung des Geschäftsführers zur Geschäftsbesorgung möglich. Das ist – wie am Beispiel der gesetzlichen Hilfeleistungspflicht gesehen – etwa dann der Fall, wenn die Verpflichtung des Geschäftsführers gerade eine fremdnützige Interessenwahrnehmung vorsieht und mit der Verpflichtung keine sonstigen, von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag abweichenden Regelungen in Bezug auf die Geschäftsbesorgungstätigkeit bestehen.410 Nicht zuzustimmen ist deshalb der von Schubert vertretenen Ansicht, dass die Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag generell ausgeschlossen sein soll, wenn der Geschäftsführer zur Besorgung des konkreten Geschäfts anderweitig verpflichtet ist.411 Vielmehr ist im Einzelfall anhand der konkreten Verpflichtung des Geschäftsführers zu prüfen, ob die den Geschäftsführer zur Geschäftsbesorgung verpflichtenden Regelungen die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag unter den genannten Voraussetzungen ausnahmsweise zulassen.

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So auch Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 40, 187. Vgl. dazu ebenfalls Gursky, AcP 185 (1985), 13, 42 (mit Hinweis auf das von v. Caemmerer in NJW 1963, 1402, 1403 gebildete Beispiel des Schiffsarztes, dessen Vertragspflicht gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft gerade das Eingreifen als auftragsloser Geschäftsführer für einen vertragsfremden Dritten verlangt); Wittmann, S. 43, 78; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 38, 143. Den Gedanken greift zwar auch Schubert auf (AcP 178 (1978), 425, 438 f.), geht darauf aber offenbar aufgrund der scheinbar fehlenden praktischen Bedeutung (Fn. 53) in der Folge seiner Erörterung nicht weiter ein. 411 Schubert, AcP 178 (1978), 425, 434 ff., 454. 410

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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bb) Rechtstechnische Umsetzung Auf die Frage, wie das dargestellte abstrakte Ergebnis bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Fremdgeschäftsbesorgung umzusetzen ist, gibt es keine definitive Antwort. Es handelt sich bei den dargestellten Erwägungen um eine teleologische Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag,412 die sich – je nachdem, wie man sich dem Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung nähert – sowohl bei dem Kriterium der objektiven Fremdheit413 als auch am Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens414 umsetzen lässt.415 Vorliegend soll jedenfalls im Ansatz an einem kombinierten objektiv-subjektiven Fremdgeschäftsbesorgungsbegriff416 festgehalten, die Lösung des Problems des pflichtgebundenen Geschäftsführers dann aber maßgeblich im Merkmal des normativ zu verstehenden Fremdgeschäftsführungswillens gesucht werden. Im Ausgangspunkt ist zunächst denjenigen zuzustimmen, die im Fall des pflichtgebundenen Geschäftsführers Bedenken gegen die objektive Fremdheit des Geschäfts erheben und eine restriktivere Handhabung dieses objektiven Kriteriums der Fremdgeschäftsbesorgung fordern.417 Wendet man zur Bestimmung 412

Vgl. auch Weishaupt, NJW 2000, 1002 f. So etwa Weishaupt, NJW 2000, 1002 f., der argumentiert, mit der Ablehnung der objektiven Fremdheit könne vermieden werden, dass ausnahmsweise die unerwünschte „Doppelung der Rechtsbeziehungen“ entsteht, wenn der Geschäftsführer ausnahmsweise mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt. Das ist nur richtig, wenn man den Fremdgeschäftsführungswillen als reale Willensrichtung versteht, die keine (korrigierende) Wertung zulässt. Wollschläger kann mit der Zuständigkeitstheorie ebenfalls die objektive Fremdheit des Geschäfts mit dem Hinweis auf die gegebenen Kollisions- und Umgehungsgefahren bzw. die durch die jeweiligen Regelungen vorgegebene Zuständigkeitsordnung verneinen (vgl. S. 66 f.). Da es nach der Zuständigkeitstheorie aber auf die Zuordnung des Geschäfts nach Maßgabe von Regelungen außerhalb der §§ 677 ff. BGB ankommen soll und die besondere Ausgleichsfunktion der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag deshalb nicht zur Begründung von Ausnahmen herangezogen werden kann, müssen die genannten Ausnahmen mit anderweitigen Argumenten begründet werden (vgl. S. 146 ff.). 414 So etwa Wittmann, S. 22 ff., 75 f.; weitergehend Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 172 f.; a. A. Gursky, AcP 185 (1985), 13, 27 ff. 415 Denkbar wäre zwar, die teleologische Wertung abstrakt vorzunehmen und den Anwendungsbereich der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag für nicht eröffnet zu erklären (so wohl BGH NJW 1999, 858; OLG Oldenburg MDR 2000, 1373). Es erscheint jedoch vorzugswürdig, diese Wertung nicht losgelöst von, sondern an den konkreten Tatbestandsmerkmalen der jeweiligen Vorschrift – also am Begriff Fremdgeschäftsbesorgung – festzumachen, der hierfür aufgrund seines weiten Wortsinns ausreichenden Spielraum lässt. 416 Dem kombinierten objektiv-subjektiven Fremdgeschäftsbesorgungsbegriff lässt sich jedenfalls zugute halten, dass er mit der an die objektive Fremdheit geknüpften Vermutungswirkung die Rechtsanwendung erleichtert, wenn eine solche objektive Zuordnung – wie im Fall der Hilfeleistung durch Private – ohne weiteres möglich ist. 417 Vgl. oben 5. b); so schon im Ansatz die überwiegende Auffassung in Österreich und der Schweiz, vgl. oben 3. a). 413

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

der objektiven Fremdheit eines Geschäfts das Kriterium des Handelns in einem fremden Rechts- und Interessenkreis an, muss man aufgrund der Tatsache, dass der Geschäftsführer mit der Geschäftsbesorgung einer eigenen Verpflichtung nachkommt, nach dem „äußeren Erscheinungsbild“ entgegen der deutschen Rechtsprechung konsequent davon ausgehen, dass der Geschäftsführer sich grundsätzlich nicht fremden Interessen unterordnet, sondern vornehmlich eigene Interessen verfolgt und deshalb ein objektiv eigenes Geschäft besorgt.418 Da die Verpflichtung des Geschäftsführers (genauer: die hiermit zusammenhängenden Regelungen in Bezug auf die Geschäftsbesorgungstätigkeit) in Ausnahmefällen der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegensteht, kann mit dieser (ersten) objektiven Bewertung nicht endgültig über das (Nicht-)Vorliegen einer Fremdgeschäftsbesorgung entschieden sein.419 Ob in Ausnahmefällen trotz Wahrnehmung eines objektiv eigenen Geschäfts durch den pflichtgebundenen Geschäftsführer eine Fremdgeschäftsbesorgung im Sinne der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt, lässt sich danach beurteilen, ob der pflichtgebundene Geschäftsführer mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt hat, der Fremdgeschäftsführungswille das objektiv eigene Geschäft also ausnahmsweise zu einer Fremdgeschäftsbesorgung werden lässt.420 Erforderlich ist allerdings, dass man den Fremdgeschäftsführungswillen (vornehmlich) als normatives Kriterium versteht, das die notwen-

418 So bereits der Vorschlag in § 760 E I; vgl. auch Neuffer, S. 45, 92, 94, 118; Medicus, BR, Rn. 414; Weishaupt, NJW 2000, 1002 f.; Falk, JuS 2003, 833, 834; Giesen, Jura 1996, 225, 230 f.; Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 16. In Österreich und der Schweiz ist bei der hier geforderten Wertung, ob das Interesse des Geschäftsführers das des Geschäftsherrn überwiegt bzw. ausschließt [vgl. oben 3. a)] davon auszugehen, dass diese Wertungsfrage positiv beantwortet wird (so auch Schmid, S. 91; Hofstetter, SPR VII/6, S. 239; Meissel, S. 75, 77 f.). 419 Das Argument, der Nutzen einer Geschäftsbesorgung für den Geschäftsherrn stelle sich als bloße Reflexwirkung dar, wenn der Geschäftsführer aufgrund einer Verpflichtung tätig wird, so dass nicht von einem objektiv fremden Geschäft die Rede sein könne (vgl. Neuffer, S. 46, 85, 92), mag häufig zutreffen, wenn der Geschäftsführer mit der Geschäftsbesorgung primär eigene, sich von den Interessen des Geschäftsherrn unterscheidende Ziele verfolgt. Das Argument trifft in seiner Pauschalität aber gerade dann nicht zu, wenn Gegenstand der Verpflichtung die Interessenwahrnehmung für den Geschäftsherrn ist. 420 Zwingend ist diese Vorgehensweise freilich nicht. Denkbar ist auch – wie eingangs angedeutet –, die weitere teleologische Wertung auf objektiver Ebene durchzuführen. Das liegt nahe für alle Ansätze, die den Fremdgeschäftsführungswillen als reales Moment begreifen (so die h. M. in den drei hier betrachteten Rechtsordnungen, vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 167 m.w. N.; Meissel, S. 79; Schmid, S. 68 ff.), weil dann eine normative Auseinandersetzung auf der subjektiven Ebene nicht mehr möglich ist. Für die Vornahme der relevanten Wertungen beim Merkmal des Fremdgeschäftsführungswillens spricht jedenfalls, dass sich die fremdnützige Interessenwahrnehmung als wesentlicher Gedanke der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag besser mit dem Wortsinn des Fremdgeschäftsführungswillens vereinbaren lässt, als mit dem Merkmal der objektiven Fremdheit.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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digen teleologischen Wertungen ermöglicht.421 Jedenfalls kann der Fremdgeschäftsführungswille entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht aufgrund der objektiven Fremdheit vermutet werden.422 Im Gegenteil, erfüllt der Geschäftsführer eine eigene Verpflichtung und besorgt er somit ein objektiv eigenes Geschäft, dann sprechen nicht nur das äußere Erscheinungsbild und die Lebensanschauung für die entgegengesetzte Vermutung, nämlich dass der Handelnde allein bzw. vorrangig seiner Obligation nachkommen und so sich bzw. seinem Vertragspartner oder „Auftraggeber“ nutzen und deshalb vorrangig anderen als den Interessen des Geschäftsherrn nachkommen will.423 Auch wird – wie gezeigt – im Regelfall die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzte Interessenlage nicht gegeben sein, denn dann existieren im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers meist anderweitige Regelungen mit einer abweichenden Zielrichtung, die zu einer Verschiebung der erforderlichen Interessenlage führen.424 Die dem Fremdgeschäftsführungswillen entgegenstehende Vermutung wird somit meist nicht zu widerlegen sein wird. Zwar mögen andere (besondere) Anhaltspunkte dafür zu finden sein, dass die Geschäftsbesorgung nach dem realen Willen des Geschäftsführers gerade für den Geschäftsherrn erfolgen sollte.425 Eine solche reale Willensrichtung als Motiv des Geschäftsführers kann aber (allein) nicht den Ausschlag für die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag geben, weil nicht eine reale Willensrichtung, sondern das Vorliegen einer bestimmten Interessenlage darüber entscheidet, ob der gesetzliche Interessenausgleich gerechtfertigt ist.426 Ansonsten hätte es der pflichtgebundene Geschäftsführer in der Hand, durch eine entsprechende ausdrückliche, schwer zu widerlegende Behauptung, er handele für den Geschäftsherrn, die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu erwirken, auch wenn er in Erfüllung der Verpflichtung vornehmlich eigene Interessen verfolgt. Auch wäre es dann – so man die entsprechende Wertung nicht schon auf objektiver 421 Vgl. Wittmann, S. 26 ff., 75 f.; für einen ausschließlich normativen Fremdgeschäftsführungswillen Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 171 f. 422 So auch Neuffer (S. 46, 84) und Medicus (BR, § 17 Rn. 412 ff.) die mit Recht betonen, dass der Fremdgeschäftsführungswille eines pflichtgebundenen Geschäftsführers, der in Ansehung seiner Verpflichtungen handelt, „Fiktion“ sei. Wo bei vertraglicher Bindung ein Fremdgeschäftsführungswille zum Vorschein kommen soll, sei „schlechthin unerfindlich“ (Neuffer, S. 85). Dem wird man in einer Vielzahl von Fällen zustimmen können, in denen die Verpflichtung des Geschäftsherrn die Verfolgung anderer Ziele als der Wahrnehmung der Geschäftsherreninteressen bezweckt. Das ist aber eben nicht immer der Fall. 423 Vgl. Gursky, AcP 185 (1985), 13, 38 f.; Neuffer, S. 88. 424 Ähnlich Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 143, 171, 179. 425 Eine solche reale Willensrichtung wird von der h. M. favorisiert, vgl. PalandtSprau, § 677 Rn. 3; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 6 (Fn. 23); für Österreich und die Schweiz Meissel, S. 79 ff.; Schmid, S. 68 ff. Hierzu kritisch Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 167 ff. mit entsprechenden Nachweisen. 426 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 171 f.; Wittmann, S. 75 f.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Ebene vornimmt – gerade nicht möglich, die beschriebenen Kollisionsgefahren am Merkmal der Fremdgeschäftsbesorgung aus dem Anwendungsbereich der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag auszunehmen. Dass die Vermutung, der pflichtgebundende Geschäftsführer handele lediglich eigennützig und habe keinen Fremdgeschäftsführungswillen, im Einzelfall widerlegt ist, setzt in einem ersten Schritt voraus, dass die Verpflichtung des Geschäftsführers gerade den Interessen des Geschäftsherrn dient und damit ein fremdnütziges Handeln vorsieht. Die inhaltliche Kongruenz der Zielrichtung von Verpflichtung und Geschäftsbesorgung ist unabdingbar, da der pflichtgebundene Geschäftsführer nur dann vorrangig die Interessen des Geschäftsherrn wahrnimmt und ihnen seine Interessen unterordnet.427 Dann lässt sich ausnahmsweise sagen, dass der Geschäftsführer trotz der Verpflichtung zur Geschäftsbesorgung „für einen anderen“ handelt. Ist es denkbar, das Vorliegen des Fremdgeschäftsführungswillens des Geschäftsführers trotz der Besorgung eines eigenen Geschäfts aufgrund der Zielrichtung der Verpflichtung ausnahmsweise zu bejahen, rechtfertigt dies allein jedoch nicht die Abkehr von dem Grundsatz, dass der pflichtgebundene Geschäftsführer ein eigenes Geschäft besorgt. Zwar wird der vom Geschäftsführer und seinem „Auftraggeber“ (Vertragspartner oder Gesetzgeber) mit der Verpflichtung beabsichtigte Fremdnutzen zur Folge haben, dass die Gefahr einer Pflichten- und Interessenkollision an Gewicht verliert, da sowohl das verpflichtende Rechtsverhältnis als auch die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag dann den Interessen des Geschäftsherrn Rechnung tragen.428 Ausschlaggebend ist letztlich aber der Inhalt der Regelungen, die im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers bestehen. Zusätzlich zur Feststellung, dass die Zielrichtung der Verpflichtung für den Geschäftsführer gerade in der fremdnützigen Interessenwahrnehmung liegt, muss im Einzelfall untersucht werden, ob die hiermit im Zusammenhang stehenden Regelungen der Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag entgegenstehen. Geht man von der Vermutung für ein eigennütziges Handeln des pflichtgebundenen Geschäftsführers aus, lässt sich sagen, dass diese Vermutung durch eine generelle fremdnützige Zielrichtung der Verpflichtung noch nicht widerlegt ist. Vielmehr ist angesichts des Zwecks der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag erforderlich, dass keine Zweifel mehr daran bestehen, dass der Geschäftsführer sein Handeln den Interessen des Geschäftsherrn unterordnen kann und innerhalb der Interessenausgleichsfunktion der Vorschriften in Bezug auf sein Schadloshaltungsinteresse schutzwürdig ist. Solche Zweifel können sich aus den Regelungen im 427 Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 171, 179; ebenfalls Wittmann, S. 43, 78. 428 Vgl. auch Gursky, AcP 185 (1985), 13, 40 f. Vor allem wird es selten zur Pflichtenkollision in der Person des Geschäftsführers kommen, der nach den jeweiligen Regelungen sein Handeln am Wohl des Geschäftsführers auszurichten hat.

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Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers ergeben, etwa wenn der Geschäftsführer ermächtigt oder verpflichtet ist, gegen den Willen des Geschäftsherrn tätig zu werden, oder wenn Regelungen über die Tragung der mit der Geschäftsbesorgung verbundenen Lasten getroffen sind. Liegen solche Zweifel begründende Regelungen nicht vor, ist die Vermutung für eigennütziges Handeln ausnahmsweise widerlegt und die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzte Interessenkonstellation ist gegeben.429 cc) Fazit Maßgebend für die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag und damit für die Frage, ob eine Tätigkeit Fremdgeschäftsbesorgung ist, ist der Sinn und Zweck, der diesen Vorschriften zugrunde liegt. Dieser liegt darin, in dem speziellen Fall fremdnützigen Handelns einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Interesse des Geschäftsherrn am Schutz vor Einmischung in eigene Angelegenheiten und dem Schadloshaltungsinteresse des Geschäftsführers zu schaffen. Fremdnütziges Handeln erfordert, dass der Geschäftsführer sein Handeln den Interessen des Geschäftsherrn unterordnet und er in Hinsicht auf sein Schadloshaltungsinteresse schutzwürdig ist. Das ist bei einem pflichtgebundenen Geschäftsführer regelmäßig nicht mehr der Fall. Die ihn treffenden Pflichten orientieren sich meist an anderen Zielen als dem Interesse des Geschäftsherrn, so dass der Geschäftsführer, so er sie befolgt, sich den Interessen des Geschäftsherrn nicht mehr unterordnen kann. Auch ist mit der Verpflichtung häufig eine Lastenverteilung verbunden, so dass der Geschäftsführer in Hinsicht auf eine Schadloshaltung für sein Handeln im Verhältnis zum Geschäftsherrn nicht mehr schutzwürdig ist. Ausnahmen bestehen, wenn Ziel der Verpflichtung (auch) die Wahrung des Geschäftsherrninteressen ist und keine sonstigen Regelungen bestehen, die der Interessenunterordnung des Geschäftsführers und seiner Schutzwürdigkeit entgegenstehen. Nach der hier vertretenen Auffassung lässt sich sagen: Der pflichtgebundene Geschäftsführer besorgt aufgrund seiner Verpflichtung ein objektiv eigenes Geschäft, so dass das Kriterium der Fremdgeschäftsbesorgung grundsätzlich nicht erfüllt ist. Eine Fremdgeschäftsbesorgung im Sinne der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist aber ausnahmsweise zu bejahen, wenn der pflichtgebundene Geschäftsführer mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt. Der Fremdgeschäftsführungswille kann jedoch mangels objektiver Fremdheit 429 Vgl. auch Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 179: „Kommt der Geschäftsführer einer ihm obliegenden Pflicht nach, die nicht den Interessen des Geschäftsherrn dient, ist der Tatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erfüllt. [. . .] Besteht die Pflicht gerade im Interesse des Geschäftsherrn, so schließt das Tätigwerden aufgrund dieser Pflicht eine Geschäftsführung ohne Auftrag nicht aus.“ Erforderlich ist ferner, dass neben dieser Zielrichtung die Geschäftsbesorgung „nicht durch Vertrag oder Gesetz anderweitig oder abweichend“ geregelt ist (Rn. 269).

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nicht vermutet werden. Im Gegenteil, es müssen vielmehr Umstände vorliegen, aus denen sich ausnahmsweise ergibt, dass der Geschäftsführer trotz Verpflichtung zum Handeln fremdnützig tätig wird, so dass die umgekehrte Vermutung dafür, dass der Geschäftsführer bei der Besorgung des objektiv eigenen Geschäfts eigennützig handelt, widerlegt ist. Erste Voraussetzung ist, dass die Verpflichtung des Geschäftsführers gerade darin besteht, im Interesse des Geschäftsherrn tätig zu werden. Hinzukommen muss über die ebenfalls fremdnützige Zielrichtung der Verpflichtung hinaus, dass im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Geschäftsführers keine Regelungen über die Geschäftsbesorgungstätigkeit bestehen, die daran zweifeln lassen, dass der Geschäftsführer seine Interessen denen des Geschäftsherrn unterordnet und hinsichtlich der Schadloshaltung schutzwürdig ist. Existieren Regelungen, die Zweifel an einer solchen Interessenunterordnung zulassen, ist trotz der fremdnützigen Zielrichtung der Verpflichtung die Vermutung für ein vornehmlich eigennütziges Handeln bei der Geschäftsbesorgung nicht widerlegt. Existieren spezielle, mit den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag kollidierende Regelungen nicht, ist trotz der Pflichtenbindung ausnahmsweise die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzte Interessenkonstellation – nicht anderweitig geregelte, fremdnützige Interessenwahrnehmung – gegeben. f) Rettungseinsätze der Bergrettung als Fremdgeschäftsführung im Sinne der Geschäftsführung ohne Auftrag Anhand der zur Problematik des pflichtgebundenen Geschäftsführers erarbeiteten Ergebnisse lassen sich die Fragen, die sich in diesem Zusammenhang bei der Tätigkeit der Bergrettung stellen, wie folgt beantworten: aa) Allgemeine Hilfeleistungspflicht Durchweg anerkannt ist, dass die allgemeine Hilfeleistungspflicht der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegensteht.430 Hierzu werden verschiedene Begründungen angeführt.431 Richtig ist, 430 Palandt-Sprau, § 677 Rn. 11; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 199; Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 15; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 43 jeweils m.w. N.; Schmid, S. 87 ff.; ZK-Schmid, Art. 419 N. 104; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 4; Kapfer, § 1035 E 20 mit Hinweis auf OGH JBl. 1998, 114; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 6 (entsprechende Anwendung); Meissel, S. 74. 431 Vgl. etwa Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 15 mit Hinweis auf OLG Frankfurt NJWRR 1989, 794, 795: Die Hilfeleistungspflicht bestehe nur im Interesse der Allgemeinheit an solidarischer Schadensabwehr in akuten Notlagen und wahre das Interesse des Hilfsbedürftigen lediglich als Reflex. Deshalb sei trotz der Hilfeleistungspflicht von einer auftraglosen Geschäftsbesorgung im Verhältnis zwischen Nothelfer und Hilfsbedürftigem auszugehen. Ähnlich Palandt-Sprau, § 677 Rn. 11 (keine Berechtigung gegenüber dem Hilfsbedürftigen). Hiergegen zu Recht Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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dass die strafbewehrte Verpflichtung zur Hilfeleistung einem fremdnützigen Handeln nicht entgegensteht, sondern die Wahrung des Interesses des Hilfsbedürftigen gerade fordert432 und damit dieselbe Zweckrichtung hat wie die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Mit der Hilfeleistungspflicht gehen keinerlei Regelungen über die Hilfeleistung (Geschäftsbesorgung) selbst einher. Das ist auch gar nicht Sinn und Zweck der Hilfeleistungspflicht, die den Einzelnen zur Hilfeleistung in Notfällen anhalten, nicht aber eine Aussage über die Art und Weise der Hilfeleistung oder darüber treffen will, wie die Kosten der Hilfeleistung zwischen Nothelfer und Hilfsbedürftigem verteilt werden sollen.433 Dass die Bergretter bei ihren Einsätzen ihre allgemeine gesetzliche Hilfeleistungspflicht erfüllen, steht der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag deshalb nicht entgegen. bb) Vertragliche Verpflichtung der Bergrettung gegenüber dem zuständigen Rettungsdienstträger Bei der vertraglichen Einbindung der Bergrettung in Rettungsmaßnahmen ist zunächst danach zu unterscheiden, in welcher Funktion die Bergrettung tätig wird, wenn sie von den Behörden zu einem Rettungseinsatz herangezogen wird. Ob die Bergrettung im Submissionssystem434 oder bei einer Beauftragung durch die Polizei435 im Einzelfall als unselbständige Verwaltungshelferin agiert, oder ob der Bergrettung die Durchführung bestimmter Einsätze im Konzessionssystem als selbständige Verwaltungshelferin436 generell überantwortet wird, ist für die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag bedeutsam. (1) Rettungstätigkeiten in der Form unselbständiger Verwaltungshilfe Wird die Bergrettung als unselbständige Verwaltungshelferin tätig, begründet sie selbst keine eigenständigen Leistungsbeziehungen zum Hilfsbedürftigen. §§ 677 ff. Rn. 199 mit dem Hinweis, dass die Hilfeleistungspflicht den Retter nicht nur gegenüber der Allgemeinheit, sondern auch gegenüber dem Hilfsbedürftigen verpflichtet (ebenso OLG Düsseldorf, NJW 2004, 3640 f.: § 323c StGB als Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB). Hofstetter, SPR VII/6, S. 238: Bei der Hilfeleistungspflicht handele es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt. Ein Anspruch des Hilfsbedürftigen auf Hilfeleistung bestehe nicht, so dass die Rettung auftragslos erfolge. Staudinger-Nipperdey (11. Auflage), § 677 Rn. 17: Der Geschäftsführer handelt lediglich in Erfüllung einer allgemeinen, jedermann obliegenden Pflicht (ebenso Neuffer, S. 95). 432 Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 199; OLG Düsseldorf NJW 2004, 3640 f. 433 Wittmann, S. 78; Schmid, S. 88; Meissel, S. 74. 434 Vgl. oben 2. Teil, 1. Kapitel A. II. 1. c). 435 Vgl. oben 2. Teil, 2. Kapitel B. 436 Vgl. oben 2. Teil, 1. Kapitel A. II. 1. c).

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Auch wenn die Bergrettung als unmittelbar Handelnde fremdnützig im Interesse des Hilfsbedürftigen agiert, scheidet ein Aufwendungsersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag von vornherein aus, weil sie lediglich Gehilfe (Werkzeug) der gegenüber dem Hilfsbedürftigen handelnden Behörde ist, die ihrerseits ein Leistungsverhältnis mit dem Hilfsbedürftigen begründet.437 Dieses Ergebnis mag angesichts der Ausführungen im 2. Teil selbstverständlich und im Zusammenhang mit der Problematik des pflichtgebundenen Geschäftsführers als nicht weiter diskussionswürdig erscheinen. Es soll hier aber gerade wegen der Parallele zu den Abschleppfällen, in denen dem von der Polizei beauftragten Abschleppunternehmer bisweilen ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Fahrzeughalten zugesprochen wurde,438 nochmals klargestellt werden. Dass der unselbständige Verwaltungshelfer keinen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag geltend machen kann, lässt sich zusätzlich mit den oben dargelegten Erwägungen begründen. Denn insoweit bestünde die Gefahr einer Kollision durch Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gleich in zweierlei Hinsicht: Durch ihre Anwendung und die Möglichkeit eines direkten Rückgriffs würden die für polizeiliche Maßnahmen geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Kosten- und Aufwendungsersatz, die als abschließende Regelungen anzusehen sind,439 umgangen.440 Ferner würde die Tatsache ausgeblendet, dass die Polizei mit dem unselbständigen Verwaltungshelfer einen Vertrag über die Durchführung der jeweiligen Maßnahme einschließlich einer – wenn meist auch nicht expliziten, aber jedenfalls konkludenten – Regelung über die Kostentragung (übliches Entgelt) schließt.441 In den Fällen der Ein437 Vgl. 2. Teil, 3. Kapitel. Vgl. BGH NJW 2004, 513, 515 (keine eigenständige Geschäftsbesorgung des unmittelbar handelnden Polizeibeamten, sondern Handeln durch den Staat); zur Unanwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf Erfüllungsgehilfen vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 322; weitere Nachweise bei Wollschläger, S. 160 Fn. 38; ebenso Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 5; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 5 jeweils mit Hinweis auf EVBl. 1955/134; Schmid, S. 96. Richtig ist es deshalb, entgegen anderslautender Entscheidungen in den Abschleppfällen dem von der Polizei beauftragten Abschleppunternehmer einen Anspruch gegen den Fahrzeughalter aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu versagen [vgl. oben 5. a)]. 438 Vgl. oben 5. a). 439 Vgl. BGH NJW 2004, 513 für die Rechtslage in Bayern. 440 Vgl. MüKo-Seiler, Vor § 677 Rn. 31; Bamberger/Roth-Gehrlein, § 677 Rn. 27 (jeweils zur Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Behörde selbst – bei der Einschaltung Privater kann nichts anderes gelten); Anderer Ansicht scheint (noch) die Rechtsprechung zu sein (vgl. die Nachweise an den vorstehend zitierten Stellen), auch wenn dies vor dem Hintergrund neuerer Entscheidungen des BGH (NJW 2004, 513; NJW-RR 2004, 81) zunehmend fraglich erscheint. Vgl. ebenfalls Schmid, S. 90; Meissel, S. 78 f.

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schaltung eines Abschleppunternehmers wie auch der Bergrettung muss sich deshalb die Polizei an den Fahrzeughalter bzw. den Hilfsbedürftigen als Störer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung halten und ihn – so die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind – nach den Vorschriften des jeweiligen Polizeigesetzes hinsichtlich der Kosten der Abschlepp- bzw. Rettungs-/Suchmaßnahme in Anspruch nehmen. Das sind die Kosten (üblichen Pauschalen), die die Bergrettung bzw. der Abschleppunternehmer richtigerweise der Polizei für die beauftragte Tätigkeit in Rechnung stellt.442 (2) Rettungstätigkeit in der Form selbständiger Verwaltungshilfe Wird die Bergrettung innerhalb eines Konzessionssystems als selbständige Verwaltungshelferin tätig, begründet sie gegenüber dem Hilfsbedürftigen eigenständige privatrechtliche Leistungsbeziehungen.443 Die vertragliche Verpflichtung der Bergrettung gegenüber dem zuständigen Hoheitsträger zur Durchführung von Rettungseinsätzen im Gebirge stellt insofern eine Besonderheit gegenüber den üblichen Fällen des vertraglich gebundenen Geschäftsführers dar, als die Bergrettung durch diese Verpflichtung nicht nur die vertraglichen Regelungen selbst, sondern auch die über den Vertrag für sie bindenden Regelungen des jeweiligen Rettungs(dienst)gesetzes zu beachten hat.444 Weder die vertraglichen noch die gesetzlichen Regelungen zur Durchführung von Rettungseinsätzen stehen jedoch der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag entgegen. Es handelt sich hier um einen der Ausnahmefälle, in denen trotz vertraglicher Verpflichtung des Geschäftsführers die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zur Anwendung kommen können, weil durch die vertraglichen und gesetzlichen Regelungen zur Durchführung von Rettungseinsätzen die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzte Interessenlage nicht verändert wird: Die Verpflichtung der Bergrettung zur Durchführung von Rettungseinsätzen im Gebirge verfolgt keine von der fremdnützigen Interessenwahrnehmung abweichenden (Regelungs-)Ziele, sondern sieht gerade vor, dass die Bergrettung im Interesse des Hilfsbedürftigen tätig wird. Zwar erfolgt die Rettungstätigkeit der Bergrettung auch im öffentlichen Interesse, zumal dadurch Belastungen der All441

Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 157. Im Fall des Abschleppunternehmers kommt – anders als bei Bergrettungseinsätzen – noch hinzu, dass das Abschleppen eine Zwangsmaßnahme darstellt, die besonderen Rechtmäßigkeitsanforderungen unterliegt. Diese Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen würden ebenfalls ausgeblendet, wenn der Abschleppunternehmer sich zwecks Erstattung der Abschleppkosten nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag direkt an den Fahrzeughalter wenden könnte, vgl. Wollschläger, S. 160. 443 Vgl. oben 2. Teil, 1. und 3. Kapitel. 444 Vgl. oben 2. Teil, 1. Kapitel A. II. 1. c) und 2. Kapitel B. 442

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gemeinheit bei Schädigung und Tod des Hilfsbedürftigen vermieden werden.445 Schwerpunkt ist aber die Abwendung von Gefahren für das Individuum selbst, so dass der Fürsorgeaspekt für den Einzelnen dominiert. Gefahrenabwehr und Daseinsvorsorge sind primär auf das gefährdete Individuum ausgerichtet. Eine Schädigung sonstiger Interessen (der staatlichen Gemeinschaft) durch die Unterordnung unter den Willen des Hilfsbedürftigen ist nicht zu befürchten.446 Da es der Durchsetzung höherrangiger Interessen der Allgemeinheit anders als im sonstigen Sicherheits- und Ordnungsrecht wegen des vornehmlichen Individualschutzes nicht bedarf, ist es auch nicht notwendig, der Bergrettung, wie auch den übrigen Rettungsdienstorganisationen, hoheitliche Zwangsbefugnisse einzuräumen. Das Verhältnis zwischen Rettern und Hilfsbedürftigen ist durch Gleichrangigkeit gekennzeichnet.447 Folgerichtig existieren weder vertragliche noch gesetzliche Regelungen, die der von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzten Interessenunterordnung des Geschäftsführers entgegenstehen. Die Regelungen der Rettungs(dienst)gesetze und die Durchführungsvereinbarungen beziehen sich vor allem auf das Verhältnis des zuständigen Hoheitsträgers zur jeweiligen Hilfsorganisation. Konkrete Regelungen zur Durchführung der Rettungseinsätze selbst sind dort kaum vorgesehen.448 Insbesondere werden den Durchführenden des Rettungsdienstes keine Zwangsbefugnisse gegenüber dem Hilfsbedürftigen eingeräumt; sie dürfen nicht gegen den Willen des Hilfsbedürftigen handeln.449 Die vertraglichen Vereinbarungen und gesetzlichen Vorschriften enthalten letztlich auch keine abweichende Regelung über die Lastenverteilung für die Kosten eines Rettungseinsatzes. Im Gegenteil, das Konzessionssystem im Rettungsdienst sieht gerade vor, dass die Rettungsorganisationen für die von ihnen erbrachten Rettungsleistungen Entgelte verlangen. Die Finanzierung eines funktionierenden Rettungsdienstes basiert in diesem System zu einem maßgeblichen Teil darauf, dass die zur Durchführung der staatlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr und der Daseinsvorsorge herangezogenen Privatrechtssubjekte ihre Einsätze 445 Zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen mangelhafter Rettungsversorgung vor Einführung eines organisierten Rettungsdienstes vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel A. II. 446 Anders das Beispiel der Feuerwehr, die eine gemeine Brandgefahr beseitigen muss und deshalb vornehmlich die Sicherheit aller von einem Brand bedrohten Bürger im Auge hat. Zweifelhaft erscheint deshalb die Auffassung, die Feuerwehr agiere nach dem sozialen Sinn der Tätigkeit für den Eigentümer (vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 143). 447 Hierin unterscheidet sich der Bergrettungseinsatz grundlegend von der Tätigkeit des Abschleppunternehmers, der mit der Ersatzvornahme eine staatliche Zwangsmaßnahme ausführt. 448 Vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. I. 3. b) cc) und C. Geregelt werden u. a. Vorhaltepflichten, Besetzung der Rettungswachen, Ausstattung, Vorhaltekosten etc., zur Durchführung selbst vgl. etwa Art. 37 ff. BayRDG n. F.; §§ 23 ff. RDG BW. 449 Vgl. § 17 Abs. 3 der Dienstanweisung für den Rettungsdienst Bayern.

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selbst abrechnen.450 Die Bergrettung soll und muss also gerade in der Lage sein, sich zur Erstattung anfallender Kosten an den Hilfsbedürftigen (und damit den Geschäftsherrn der Geschäftsbesorgung) zu wenden. Der Staat in Person des zuständigen Rettungsdienstträgers nimmt den Betroffenen selbst nicht in Anspruch, sondern unterstützt die Rettungsorganisationen nur zum Teil durch allgemeine Zuwendungen aus Steuermitteln.451 Diese Zuwendungen stehen der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegen, weil sie gerade keine Lastentragung für die konkrete Rettungstätigkeit (Geschäftsbesorgungstätigkeit) bedeuten, sondern vielmehr allgemein der Erhaltung der Einsatzfähigkeit der Bergrettung dienen.452 Grundlegendes Prinzip des Konzessionssystems ist es zudem, dass der selbständige Verwaltungshelfer (Bergrettung) das Risiko der Geltendmachung seiner Vergütung im (privatrechtlichen) Verhältnis gegenüber dem Bürger (Hilfsbedürftiger) selbst tragen muss.453 Die Bergrettung ist deshalb hinsichtlich eines Schadloshaltungsanspruchs nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auch schutzwürdig. Die Voraussetzungen der Fremdgeschäftsbesorgung sind folglich trotz der Pflichtenbindung der Bergrettung bei der Durchführung von Rettungseinsätzen erfüllt: Zwar kommt die Bergrettung damit einer eigenen Verpflichtung gegenüber dem zuständigen Hoheitsträger nach und besorgt deshalb ein objektiv eigenes Geschäft. Die damit einhergehende Vermutung, sie handele in eigennütziger Willensrichtung, ist aufgrund der Umstände, genauer: aufgrund des Inhalts der Verpflichtung und der hiermit zusammenhängenden Regelungen, ausnahmsweise widerlegt. Die generelle Zielrichtung der vertraglichen Verpflichtung zum Rettungseinsatz (Hilfe für den Hilfsbedürftigen) entspricht der von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzten fremdnützigen Zielrichtung des Handelns im Interesse des Geschäftsherrn. Die Rettungseinsätze erfolgen zudem in vollständiger Unterordnung unter das Interesse des Hilfsbedürftigen. Regelungen im Vertrag oder in dem durch ihn in Bezug genommenen Rettungs(dienst)gesetz, die Zweifel hieran begründen könnten, existieren nicht. Eine Regelung zur Tragung der bei einem Einsatz anfallenden Kosten fehlt bewusst, da sich die Bergrettung zwecks Entgeltzahlungen gerade an den Hilfsbedürftigen halten soll. Eine Gefahr, dass die Regelungen des Vertrages zwischen Bergrettung und Rettungsdienstträger sowie die hierdurch für die Bergrettung verbind-

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Vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. IV. 2. und C. sowie 2. Kapitel A. II. 5. und B. V. Ibid. 452 Vgl. ebenso Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 324 zu dem von Gursky (AcP 185 (1985), 13, 41 in Anlehnung an v. Caemmerer, NJW 1963, 1402, 1403) diskutierten Fall des Schiffsarztes: „Dem steht nicht entgegen, dass der Arzt eine Vergütung dafür erhält, dass er die Seereise überhaupt antritt. Denn damit wird nicht die einzelne Geschäftsführung vergütet, sondern die Tatsache, dass sich der Arzt überhaupt bereithält.“ 453 Vgl. oben 2. Teil, 1. Kapitel A. II. 1. c). 451

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lichen Regelungen des jeweiligen Rettungs(dienst)gesetzes mit den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag kollidieren, besteht in dieser, aber auch in sonstiger Hinsicht nicht.454 Die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzte Interessenlage ist gegeben. Da der Bergrettung demzufolge ein Handeln mit Fremdgeschäftsführungswillen attestiert werden kann, sind ihre Rettungseinsätze als Fremdgeschäftsbesorgung im Sinne der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu qualifizieren. cc) Leistungsvereinbarungen mit den Krankenversicherungen (Sachleistungsprinzip) Die Frage, ob ein Rettungseinsatz der Bergrettung als Fremdgeschäftsbesorgung für den Hilfsbedürftigen im Sinne der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu qualifizieren ist, stellt sich ebenfalls, wenn der Hilfsbedürftige gesetzlich krankenversichert ist und die Rettungstätigkeit in den Anwendungsbereich des sozialversicherungsrechtlichen Sachleistungsprinzips fällt.455 454 Auch finden die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag sinnvoll Anwendung: Die Bergrettung, die ohnehin am Abschluss eines Rettungsvertrages interessiert ist, wird dem hilfsbedürftigen Geschäftsherrn die Übernahme schnellstmöglich „anzeigen“, sobald dies beim Eintreffen am Einsatzort oder bei Wiedererlangung des Bewusstseins möglich ist, und seine Entschließung abwarten (vgl. § 681 S. 1 BGB). Auskunft erteilen und Rechenschaft über die Geschäftsführung ablegen (§§ 681 S. 2, 666 BGB) wird die Bergrettung spätestens mit der Rechnungsstellung. Sie ist ohnehin verpflichtet, ihre Einsätze zu dokumentieren, so dass die Erfüllung ihrer Pflicht jederzeit möglich ist. Die §§ 667 und 668 BGB spielen bei Rettungseinsätzen mangels des rechtsgeschäftlichen Charakters der Geschäftsführung keine Rolle. Problematisch erscheint insofern lediglich die Vorschrift des § 680 BGB (resp. Art. 420 Abs. 2 OR – eine entsprechende Regelung fehlt im ABGB). Danach gilt für einen Notgeschäftsführer ein auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit reduzierter Haftungsmaßstab. Wenn der Staat die Bergrettung als professionelle Rettungsorganisation zur Erfüllung staatlicher Aufgaben der Gefahrenabwehr und Fürsorge heranzieht, besteht die Gefahr, dass durch die Anwendung des § 680 BGB die gesetzlichen Regeln über die staatliche Haftung (§ 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG), die trotz der selbständigen Tätigkeit der Bergrettung grundsätzlich für die staatliche Aufgabe des Rettungsdienstes gelten, umgangen werden (vgl. dazu das Beispiel des Abschleppunternehmers, der leicht fahrlässig den PKW eines Falschparkers beschädigte und wegen § 680 BGB nicht haften sollte, LG München I NJW 1976, 898). Diese Problematik wird dadurch entschärft, dass nach überwiegender Auffassung dem „professionellen Nothelfer“ die Haftungsmilderung nicht zugute kommt bzw. für ihn ein angepasster Haftungsmaßstab gilt (vgl. hierzu unten 4. Teil, 3. Kapitel B. I. 2.). 455 In Österreich spielt das Sachleistungsprinzip für die Bergrettung grundsätzlich keine Rolle, da Versicherungsleistungen bei Sport- und Freizeitunfällen, um die es sich bei Bergrettungseinsätzen ganz überwiegend handelt, ausgeschlossen sind. In der Schweiz gilt das Sachleistungsprinzip nur in der Krankenversicherung, nicht aber in der für Bergsportunfälle meist relevanten Unfallversicherung (vgl. oben 1. Kapitel). Die folgende Erörterung beschränkt sich daher auf die Darstellung der Rechtslage in Deutschland, wo Notfallrettung und Krankentransport der Sachleistungsverpflichtung

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Da die Krankenkassen nicht imstande sind, die nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften teilweise unter das Sachleistungsprinzip fallenden Rettungsleistungen456 selbst als solche zu erbringen, schließen sie u. a. mit den Bergrettungsorganisationen (Leistungs-)Vereinbarungen über die Durchführung von Notfallrettung und Krankentransporten im Gebirge und regeln darin die Höhe der von den Versicherern zu erstattenden Kostenpauschalen.457 Denkbar ist deshalb, dass gesetzliche (sozialversicherungsrechtliche) Regelungen und/oder die konkreten vertraglichen Regelungen einer Leistungsvereinbarung, insbesondere die Lastentragungspflicht der Krankenkassen für die Durchführung eines Rettungseinsatzes der von den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzten Interessenlage entgegenstehen. Nach Ansicht des Bundessozialgerichts kommt die direkte Inanspruchnahme des gesetzlich versicherten Patienten jedenfalls dann in Betracht, wenn keine konkrete Leistungsvereinbarung zwischen der Krankenkasse und der Rettungsorganisation besteht, da das Sachleistungsprinzip als solches lediglich eine Verpflichtung im Verhältnis zwischen Krankenkasse und Versichertem begründe.458 Legt man diese Entscheidung den Fällen der Bergrettung zugrunde, ist es konsequent, im Verhältnis zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich und insbesondere bei Fehlen einer entsprechenden Leistungsvereinbarung zwischen Krankenkasse und Bergrettung zuzulassen, weil die sozialversicherungsrechtlichen Gesetzesvorschriften im Verhältnis zwischen Retter und Hilfsbedürftigen keine unmittelbare Wirkung entfalten und die Interessenlage, auf die die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zugeschnitten sind, nicht beeinflussen können.459 der Krankenkassen unterfallen und die vorliegende Fragestellung deshalb eine ungleich größere Bedeutung hat. 456 Ibid. 457 Vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. IV. 2. und 2. Kapitel A. II. 5.; vgl. ebenfalls Art. 36 Abs. 2 BayRDG n. F.; § 28 Abs. 4 sowie § 30 Abs. 2 RDG BW. Das gilt nicht innerhalb des Submissionssystems. Hier ist der Hoheitsträger selbst Leistungserbringer und muss entsprechende Leistungsvereinbarungen mit den Krankenkassen abschließen, um die für eine Leistung anfallenden Entgelte der Krankenkasse gegenüber abrechnen zu können (vgl. BSG, Urteil vom 03.11.1999, B 3 KR 4/99 R, BeckRS 2000, 40481). 458 BSG, Urteil vom 03.11.1999, B 3 KR 4/99 R, BeckRS 2000, 40481, S. 4 (allerdings für den Fall einer Gebührenerhebung); hierzu Heinze/Ricken/Giesen, NZA 2000, 760. 459 Bedenklich ist daher eine neuere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1999, 858, 860), in der die Richter die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag im Verhältnis zwischen Krankentransportunternehmen und Patient generell mit der Begründung ablehnen, die Vorschrift des § 13 Abs. 1 SGB V – Verbot der Kostenerstattung für sachleistungspflichtige Maßnahmen – werde ausgehebelt, wenn die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Anwendung fänden. Richtig ist dieses Umgehungsargument nur, wenn das Krankentransportunternehmen die Krankenkasse direkt nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Hat die Krankenkasse hingegen mit einer Hilfsorganisation (Leistungserbringer) eine konkrete Leistungsvereinbarung über die Durchführung bestimmter Kassenleistungen einschließlich einer Absprache über die Kostenübernahme getroffen, soll die Inanspruchnahme des Versicherten nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ausscheiden.460 Dies erscheint konsequent, wenn man die hier aufgestellten Anforderungen an den Begriff der Fremdgeschäftsbesorgung zugrunde legt. Denn wenn die Kostentragung für die Geschäftsbesorgung bereits zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer anderweitig abschließend geregelt ist, liegt zwar aufgrund der Zielrichtung der vertraglichen Verpflichtung eine fremdnützige Wahrnehmung der Interessen des versicherten Patienten vor und ordnet der Leistungserbringer mangels entgegenstehender Regelungen sein Interesse dem des Patienten unter. Der Leistungserbringer ist hinsichtlich eines Schadloshaltungsanspruchs gegenüber dem hilfsbedürftigen Geschäftsherrn aber eben nicht mehr schutzwürdig. Allerdings bestehen gute Gründe, trotz anderweitiger vertraglicher Regelung zur Lastentragung ausnahmsweise dennoch das Vorliegen einer Fremdgeschäftsbesorgung zu bejahen mit der Folge, dass die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag im Verhältnis von Leistungserbringer und Patient zur Anwendung gelangen. Denn Sinn des Sachleistungsprinzips ist es, den Versicherten „lediglich“ vor der Vorleistungspflicht gegenüber dem Leistungserbringer und der Auseinandersetzung über die Kosten der erbrachten Sozialversicherungsleistung zu schützen.461 Diesem Zweck ist bereits genügt, wenn dem Leistungserbringer nur die Geltendmachung des Schadloshaltungsanspruchs gegenüber dem Versicherten versagt wird, während das vertragsähnliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag mit seinen sonstigen gegenseitigen Rechten und Pflichten auf die Leistungsbeziehung zwischen Leistungserbringer und Patient sinnvoll anwendbar bleibt.462 Rechtlich ließe sich dies mit der hier vertretenen Auftrag in Anspruch genommen hätte (so auch BSG, Urteil vom 03.11.1999, B 3 KR 4/99 R, BeckRS 2000, 40481, S. 4 f., allerdings mit Hinweis auf die abschließende Regelung in § 133 SGB V). 460 Vgl. (wohl hilfsweise) BGH NJW 1999, 858, 860; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 150; ohne Differenzierung Palandt-Sprau, Einf. v. § 677 Rn. 13; a. A. Wittmann, S. 74 f. mit dem Argument, die Hilfeleistung erfolge nach ihrem sozialen Sinn für den Hilfsbedürftigen, nicht für die Krankenkasse. 461 Vgl. oben 1. Kapitel. 462 Dies ist die umstrittene und hier nicht im Einzelnen zu vertiefende Frage, ob und ggf. welche Rechtsbeziehungen (Rechte und Pflichten) im Verhältnis zwischen Leistungserbringer und gesetzlich Versichertem entstehen (vgl. Joussen, in: Rolfs/Giesen/ Kreikebohm/Udsching, § 2 Rn. 8 m.w. N.; Tomandl, S. 91). Der Bundesgerichtshof erkennt an, dass trotz Sachleistungsprinzips und Leistungsvereinbarung ein Vertragsschluss zwischen Leistungserbringer und Versichertem möglich ist und die vertraglichen Rechte und Pflichten im Verhältnis dieser beiden Parteien bestehen bleiben. Lediglich die insofern „abgekoppelte“ Inanspruchnahme des versicherten Patienten aus Vertrag scheidet aus (vgl. BGH NJW 1984, 1820, 1822; NJW 1999, 858, 860). Dahinter

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Auffassung nur vereinbaren, indem man der Kostentragungsregelung der Leistungsvereinbarung gegenüber den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag subsidiären Charakter beimisst, so dass sie die Interessenlage zwischen Leistungserbringer und Versichertem unberührt lässt.463 Für die Bergrettung ist jedenfalls Folgendes festzuhalten: Erbringt die Bergrettung Rettungsleistungen gegenüber einem gesetzlich Versicherten im Anwendungsbereich des Sachleistungsprinzips und hat sie mit der Krankenkasse eine Leistungsvereinbarung über die Erbringung der konkreten Rettungsleistung einschließlich einer Kostenerstattungsregelung geschlossen, kann sie ein Rettungsentgelt nur von der Krankenkasse des Versicherten als ihrem Vertragspartner verlangen. Den Hilfsbedürftigen kann sie nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich nicht in Anspruch nehmen. Die Geltendmachung eines Rettungsentgelts nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag kommt aber in allen Fällen in Betracht, in denen schon keine abweichende vertragliche Kostentragungsregelung für die Rettungstätigkeit zwischen Bergrettung und Krankenkasse vereinbart worden ist, so dass die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzte Interessenlage von vornherein unberührt bleibt: Eine solche Kostentragungsregelung fehlt, wenn (a) die Krankenkasse mit der Bergrettung keine Leistungsvereinbarung getroffen hat,464 (b) wenn zwar eine Leistungsvereinbarung getroffen wurde, die konkrete Rettungsleistung aber nicht vom Umfang der Leistungsver-

steht der Gedanke, dass innerhalb des konkreten Leistungsverhältnisses beide Vertragspartner (Leistungserbringer und Versicherter) durch die vertraglichen Rechte und Pflichten geschützt sind (vertragliche Haftung des Arztes). Vor dem Hintergrund des Zwecks des Sachleistungsprinzips erscheint diese „Abkoppelung“ der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs von den restlichen Rechten und Pflichten sachgerecht. Dasselbe muss dann aber auch für das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag gelten. Der Leistungserbringer kann dann zwar nicht Aufwendungsersatz nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vom Versicherten verlangen, beide unterliegen aber den sonstigen Rechten und Pflichten, die sich aus diesen Vorschriften ergeben (vgl. auch Uhlenbruck/Laufs, § 40 Rn. 6 ff., 12). Wenn der Bundesgerichtshof also die Inanspruchnahme des Hilfsbedürftigen nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag versagt, muss dies dahingehend interpretiert werden, dass die Anwendung dieser Vorschriften nicht insgesamt mangels Fremdgeschäftsbesorgung ausscheidet. Legt man diese Lösung zugrunde, erübrigen sich auch die von Wittmann (S. 74 f. – sozialer Sinn sei die Hilfe für den Geretteten, nicht die Krankenkasse) geäußerten Bedenken. 463 Wie dies rechtlich zu konstruieren wäre, soll hier nicht weiter erörtert werden. Es ließe sich etwa sagen, dass die Krankenkasse nicht als ein unabhängiger Dritter anzusehen ist, sondern sie im „Lager“ des Versicherten steht, so dass die Kostentragungsvereinbarung im Verhältnis Leistungserbringer und Versicherter/Krankenkasse lediglich deklaratorischen Charakter hat, und die Interessenlage, insbesondere die Schutzbedürftigkeit für einen Schadloshaltungsanspruch, also nicht entfällt. 464 Vgl. BSG, Urteil vom 03.11.1999, B 3 KR 4/99 R, BeckRS 2000, 40481, S. 4.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

einbarung erfasst wird,465 oder (c) wenn die Bergwacht einer rettungsdienstlichen Aufgabe nachkommt, die in den Anwendungsbereich des Sachleistungsprinzips fällt und für die eine Leistungsvereinbarung besteht, die Leistungsvereinbarung die konkrete Leistung aber nicht als vergütungsfähig erfasst.466 Im Einzelfall ist deshalb genau darauf zu achten, ob die erbrachte Rettungsleistung Gegenstand der Regelungen zwischen Bergrettung und Versicherung ist oder nicht. Danach richtet sich, ob sich die Bergrettung an die Versicherung wenden oder den Hilfsbedürftigen selbst in Anspruch nehmen kann. II. Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung Neben der Fremdgeschäftsbesorgung ist zweites essentielles Merkmal des Grundtatbestands der Geschäftsführung ohne Auftrag die „fehlende Legitimation“ der Geschäftsbesorgung. Trotz des insoweit wenig präzisen und in den drei Rechtsordnungen unterschiedlichen Wortlauts467 besteht Einigkeit darüber, dass die Geschäftsbesorgung zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn nicht anderweitig durch Vertrag oder Gesetz geregelt sein darf.468 Wie bereits darge465 Das ist beispielsweise in Deutschland der Fall, wenn die Bergwacht einen Hilfsbedürftigen aus einer Gefahrenlage befreit, ohne dass er einer medizinischen Betreuung und der weiteren ambulanten oder stationären Behandlung bedarf. Dann ist weder der Aufgabenbereich nach dem Rettungsdienstgesetz eröffnet (vgl. oben 1. Teil, 3. Kapitel), noch besteht in diesen Fällen eine Leistungspflicht der Krankenkassen. 466 Ob die Krankenkasse auf Basis der Leistungsvereinbarung zur Erstattung der Kosten verpflichtet ist, kann durchaus zweifelhaft sein. Hierzu ein Beispiel: Wird die Bergrettung von einem Dritten (z. B. einem Hüttenwirt) alarmiert und müssen die Bergretter wegen des schlechten Wetters, bei dem sich der Einsatz eines Helikopters verbietet, erst zum Hilfsbedürftigen aufsteigen, so nimmt es einige Zeit in Anspruch, bis die Bergretter am Unfallort eintreffen. Dann kann es sein, dass der Hilfsbedürftige in der Zwischenzeit von einer anderen Seilschaft gerettet und ins Tal befördert worden ist, so dass sich der zum Zeitpunkt seines Beginns erforderliche Einsatz zwischenzeitlich erledigt hat. In diesen Fällen kann – wie noch im Einzelnen darzulegen sein wird [vgl. unten B. III. 2. c)] – der Bergrettung gegenüber dem Hilfsbedürftigen ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zustehen. An die Krankenkasse eines solchen Hilfsbedürftigen könnte sich die Bergrettung aber nicht halten, wenn derartige Fehleinsätze von der Leistungsvereinbarung gerade nicht erfasst sind und eine Inanspruchnahme der Krankenkasse deshalb ausscheidet. So ist in der Vereinbarung zwischen der Bergwacht Schwarzwald sowie der Bergwacht Württemberg mit den zuständigen Krankenversicherern vom 01.07.1985 in § 3 Abs. 3 der Vereinbarung geregelt: „Keine Einsätze im Sinne dieses Vertrages sind Totenbergungen, Fehlalarme, Suchaktionen sowie Einsätze bei Sportveranstaltungen.“ In § 4 ist bestimmt, dass die Leistungspflicht des Versicherers nur vorliegt, wenn der Transport zur ambulanten oder stationären Weiterbehandlung erfolgt, was durch eine ärztliche Transportbescheinigung nachzuweisen ist. 467 § 677 BGB): „[. . .] ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein [. . .]“; Art. 419 OR: „[. . .] ohne von ihm beauftragt zu sein [. . .]“; § 1035 ABGB: „Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze die Befugniß erhalten hat, [. . .].“ 468 Medicus, SR II, Rn. 622; Larenz, SR II/1, § 57, S. 436; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 37; Palandt-Sprau, § 677 Rn. 11; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 40;

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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stellt,469 charakterisiert das Tatbestandsmerkmal der „fehlenden Legitimation“ also das gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag als besondere Interessenausgleichsregelung für den Fall der nicht anderweitig abschließend geregelten fremdnützigen Interessenwahrnehmung.470 Einem solchen Rechtsverhältnis gegenüber ist die Geschäftsführung ohne Auftrag subsidiär, denn ihre gesetzlichen Folgen sollen nur eintreten, wenn die Beteiligten das Rechtsverhältnis zwischen ihnen nicht selbst geregelt haben und wenn auch keine spezielle gesetzliche Regelung vorliegt.471 Dass die allgemeine gesetzliche Hilfeleistungspflicht der Bergrettung dem Hilfsbedürftigen gegenüber der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegensteht, weil diese Verpflichtung keine Regelungen für die Geschäftsbesorgung als solche enthält und nach ihrem Sinn und Zweck, die Hilfeleistungsbereitschaft allgemein zu fördern, diesbezügliche Regelungen auch gar nicht treffen will, ist bereits dargelegt worden.472 Darüber hinaus wird in Erwägung gezogen, die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag am Merkmal der „fehlenden Legitimation“ scheitern zu Hofstetter, SPR VII/6, S. 237 f.; Schmid, S. 82 f.; Lischer, S. 33 f. Die Beschränkung des Tatbestandsmerkmals der „fehlenden Legitimation“ auf das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr lässt sich im Gegensatz zum deutschen und schweizerischen Recht dem Wortlaut des § 1035 ABGB nicht entnehmen. Konsequent daher ohne eine solche Beschränkung Meissel, S. 72 ff.; a. A. wohl die h. M., vgl. Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 6 m.w. N. 469 Vgl. oben I. 5. e) aa). 470 Vgl. MüKo-Seiler, Vor § 677 Rn. 3 und § 677 Rn. 43; Soergel-Beuthien, Vor § 677 Rn. 1 f. und § 677 Rn. 15 f.; Larenz, SR II/1, § 57, S. 436; Hofstetter, SPR VII/6, S. 235; vgl. auch Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 1, 3. Nach der hier vertretenen Auffassung gilt dies ganz allgemein für alle Regelungen, die der von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzten Interessenlage entgegenstehen [vgl. oben 5. e) aa)]; ebenso Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 187. 471 Medicus, SR II, Rn. 622; Hofstetter, SPR VII/6, S. 237 f. Der Wortlaut der Vorschriften ist – wie bereits dargestellt – insofern ungenau, als nicht nur die Befugnis bzw. Berechtigung, sondern – wie sich u. a. den Gesetzgebungsmaterialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch entnehmen lässt – auch die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Geschäftsbesorgung die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließen soll. Gleichzeitig ist der Wortlaut insofern missverständlich (zu weit), als anderweitige Regelungen über die Geschäftsbesorgung die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zwar in der Regel, nicht aber in jedem Fall verdrängen. Anerkannt ist nämlich, dass die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag trotz Berechtigung oder Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftsherrn ausnahmsweise Anwendung finden, wenn diese anderweitigen Regelungen in Hinsicht auf die Geschäftsbesorgung nicht abschließend sind und deshalb das grundsätzlich subsidiäre gesetzliche Schuldverhältnis der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht verdrängen (vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 187 mit Hinweis auf Mugdan II, 478; MüKo-Seiler, § 677 Rn. 44 f.; Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 443; Meissel, S. 74; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 6; Schmid, S. 82; ZK-Schmid, Art. 419 N. 67; Lischer, S. 33). 472 Vgl. oben I. 5. f) aa). Hierzu Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 199; Meissel, S. 74; Schmid, S. 87 ff.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

lassen, wenn der Geschäftsführer einer staatlichen Fürsorgeverpflichtung gegenüber dem Geschäftsherrn nachkommt oder aufgrund einer nicht rechtsgeschäftlichen Hilfeleistungsabrede473 tätig wird. 1. „Amtliche Fürsorgepflicht“ Die Bergrettungsorganisationen übernehmen durch Vertrag mit dem hierfür zuständigen Rettungsdienstträger für bestimmte Aufgabenbereiche eine Fürsorgepflicht gegenüber hilfsbedürftigen Bergsportlern.474 Sie erfüllen – wenn auch als selbständiges Privatrechtssubjekt – eine öffentlich-rechtlich geregelte Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr und Daseinsvorsorge. Funktional betrachtet trifft sie deshalb eine „Amtspflicht“.475 Noch nach dem 1. Entwurf (§ 749 E I) sollte ausdrücklich maßgebend sein, ob jemand ohne Auftrag oder ohne Amtspflicht ein Geschäft besorgt. Damit sollten insbesondere die Fälle der gesetzlichen Vertretung sowie solche Fälle ausgeklammert werden, in denen ein Beamter kraft seiner Amtspflicht die Geschäfte eines anderen besorgt.476 Von der 2. Kommission wurde die jetzige Fassung gewählt, weil die Erwähnung einer Amtspflicht, soweit es sich um Fälle des öffentlichen Rechts handelt, außerhalb des Bereichs des Bürgerlichen Gesetzbuchs liege.477 Damit bleibt die Frage der amtlichen Verpflichtung auch für die Bergrettung zumindest erwähnenswert, denn auch sie nimmt – jedenfalls mittelbar im Wege der selbständigen Verwaltungshilfe – funktional eine Amtspflicht wahr, die in den Regelungsbereich des öffentlichen Rechts fällt. Die mittelbare Wahrnehmung einer Amtspflicht durch die Bergrettung führt jedoch aus denselben Erwägungen, wie sie bereits im Zusammenhang mit der vertraglichen Verpflichtung der Bergrettung gegenüber dem zuständigen Rettungsdienstträger angestellt wurden,478 nicht zur Unanwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Denn mit der amtlichen Fürsorgepflicht als solcher, die sich aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des jeweiligen Rettungs(dienst)gesetzes ergibt, gehen keinerlei spezielle Regelungen über die Geschäftsbesorgung einher, die der (subsidiären) Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag entgegenstehen. Es ist gerade Sinn und Zweck des Konzessionssystems, die öffentliche Hand organisatorisch und finanziell durch die Einbindung von Privatrechtssubjekten in die Wahrnehmung 473

Vgl. Fötschl, S. 227 ff., 247 ff. Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 3. und B. IV. 475 Zur besonderen Bedeutung der funktionalen Einbindung in eine Staatsaufgabe vor allem bei Haftungsfragen, vgl. oben 2. Teil, 1. Kapitel A. II. 3. 476 Mot. II, 856; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 40. 477 Prot. II, 726 ff.; Staudinger-Wittmann, §§ 677 ff. Rn. 40. 478 Vgl. oben I. 5. f) bb) (2). 474

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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staatlicher Aufgaben zu entlasten, indem diesen Privaten die selbständige Durchführung der jeweiligen Tätigkeit einschließlich der eigenständigen Abrechnung ihrer Leistungen gegenüber dem Bürger ermöglicht wird.479 Aus diesem Grund müssen die Vorschriften der Rettungs(dienst)gesetze den privaten Rettungsorganisationen gerade den nötigen rechtlichen Freiraum für eine eigenständige Durchführung der Aufgaben belassen. Es wäre deshalb geradezu widersinnig, den Rettungsorganisationen im Konzessionssystem den Rückgriff auf den Aufwendungsersatzanspruch nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag mit dem Hinweis auf das Bestehen einer Fürsorgepflicht gegenüber dem Hilfsbedürftigen zu versagen. Die Fürsorgepflicht besagt im Rettungsdienst nämlich gerade nichts über die Tragung der mit der Rettungsleistung einhergehenden Kosten. Dass es nicht auf eine amtliche Fürsorgepflicht als solche, sondern auf die hiermit zusammenhängenden Regelungen ankommt und solche Regelungen dann die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließen können, zeigen folgende Beispiele: Ein die Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließendes Pflichtenverhältnis wird etwa für verschiedene Amtswalter (Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter und Testamentsvollstrecker) angenommen.480 Das ist konsequent, weil für das Verhältnis zwischen bestelltem Amtswalter und dem Begünstigten der Amtswaltertätigkeit (Geschäftsbesorgung) detaillierte Spezialregelungen, insbesondere eine Kostenregelung für die Tätigkeit, bestehen,481 so dass die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorausgesetzte Interessenlage nicht gegeben ist. Die teilweise Heranziehung von Fürsorgepflichten des Staates durch die Rechtsprechung als „Legitimation“ im Sinne der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag482 ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Wesentli479

Vgl. oben 2. Teil, 1. Kapitel A. II. 1. c). Vgl. Soergel-Beuthien, § 677 Rn. 15; Erman-Ehmann, § 677 Rn. 8; PalandtSprau, § 677 Rn. 11; Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 196; ZK-Schmid, Art. 419 N. 67; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 4. 481 Vgl. etwa die Vorschriften der Insolvenzordnung, insbesondere §§ 63 ff. InsO, sowie die Vorschriften über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FGG. Vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 196; ZK-Schmid, Art. 419 N. 67; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 3 (Hinweis auf § 273 ABGB – Sachwalter/Kurator für Pflegebefohlenen). 482 Der Bundesgerichtshof und das Landgericht Frankfurt hatten jeweils zu entscheiden, ob die Kosten einer Haftanstalt, die diese für die Heilbehandlung bzw. Zwangsernährung eines Untersuchungshäftlings aufgewendet hatte, nach Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähig sind (BGHZ 109, 354; LG Frankfurt NJW 1977, 1924). Der Bundesgerichtshof führte dazu aus: „Dem Staat obliegt eine öffentlich-rechtliche Fürsorgepflicht für die Gesundheit des Untersuchungsgefangenen, als deren Ausfluss ein Recht des Gefangenen auf ärztliche Betreuung anerkannt ist. [. . .] Das Bestehen dieses Rechts bedeutet nicht, dass ein Anspruch des Staates auf Ersatz von Behandlungskosten 480

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

cher Grund für die Unanwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in diesen Fällen ist aber auch hier nicht die Fürsorgepflicht als solche, sondern vielmehr die Tatsache, dass im Zusammenhang mit der Erfüllung der Fürsorgepflicht öffentlich-rechtliche Regelungen für die Geschäftsbesorgung – in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen: die Zwangsernährung eines Untersuchungsgefangenen483 – bestehen, die als abschließend auch in Bezug auf die mit der Tätigkeit anfallenden Kosten anzusehen sind. Die Zwangsernährung als Erfüllung der Fürsorgepflicht hat bei Auslegung der einschlägigen Vorschriften auf Kosten des Staates zu erfolgen, sie können deshalb nicht dem Betroffenen in Rechnung gestellt werden.484 2. Berechtigung aufgrund nichtverbindlicher Hilfeleistungsabrede Fötschl erörtert zudem die Frage, ob bei einer schlichten Hilfeleistungsabrede, d.h. einer mangels Rechtsbindungswillen unverbindlichen Verständigung zwischen Retter und Hilfsbedürftigen über die Nothilfeleistung, von Seiten des Hilfsbedürftigen eine „Ermächtigung“ an den Retter erteilt wird, aufgrund derer die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag am Merkmal der „fehlenden Berechtigung“ scheitert.485 Eine solche unverbindliche Hilfeleistungsabrede zwischen der Bergrettung und dem Hilfsbedürftigen kann vorliegen in Fällen, in denen sich der Hilfsbedürftige mit seinem Hilfeersuchen an einen Bergretter wendet, ohne ihn als solchen erkennen zu können, oder in denen der Hilfesuchende ungezielte Hilferufe an einen unbestimmten Empfängerkreis absetzt.486 Eine solche Hilfeleistungsabrede steht der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag offensichtlich nicht entgegen. Zwar lässt sich nicht leugnen, dass der Hilferufende in diesen Fällen den (potentiellen) Helfer konkret zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten auffordert und ihm eine „Einmischung in seine Angelegenheit“ dadurch auch implizit von vornherein ausgeschlossen ist. Es fehlt hier jedoch an einer Anspruchsgrundlage für die Forderung von Aufwendungsersatz. Ein – hier allein in Betracht kommender – Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag ist schon deshalb nicht gegeben, weil der Kläger durch seine Maßnahmen lediglich den gegen ihn bestehenden öffentlich-rechtlichen Anspruch des Beklagten auf Fürsorge erfüllt hat.“ (BGHZ 109, 354, 358). Das Landgericht Frankfurt wird noch deutlicher: „Wo aber ein Träger öffentlicher Gewalt aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zum Tätigwerden befugt ist, scheidet ein Ersatz der Kosten aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus.“ (LG Frankfurt NJW 1977, 1924, 1925; zustimmend Schubert, NJW 1978, 687. Die Kostenerstattung aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Fällen der Zwangsernährung bejahend Linck, NJW 1975, 18, 21 (allerdings ohne nähere Begründung). 483 Vgl. § 101 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) sowie die Vorschriften der Strafvollzugsverordnung. 484 Vgl. auch Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 196. 485 Fötschl, S. 227 ff., 247 ff. 486 Vgl. oben 2. Kapitel B. I. 1. c) bb) und 2. a).

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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gestattet. Darauf kommt es bei dem Merkmal der „fehlenden Legitimation“ aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass derartige Aufforderungen und Abreden mangels Rechtsverbindlichkeit und inhaltlicher Bestimmtheit keine konkreten Rechte und Pflichten zwischen Retter und Hilfsbedürftigem hinsichtlich der Rettungstätigkeit (Geschäftsbesorgung) begründen und deshalb eine gegenüber den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag speziellere Regelung der beiderseitigen Interessen nicht schaffen.487 Der den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag zugrundeliegende Gedanke eines angemessenen Interessenausgleichs passt auch auf (zunächst) unverbindliche Gefälligkeitsverhältnisse.488 Im Falle nichtverbindlicher Hilfeleistungsabreden bleiben die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag folglich anwendbar. III. Fazit Kommt es zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem nicht zu einem Vertragsschluss über die Erbringung von Rettungsleistungen, ist die Rettungstätigkeit der Bergrettung – so sie nicht als unselbständige Verwaltungshelferin im Einzelfall eingeschaltet oder innerhalb eines Submissionssystems tätig wird – als Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne der jeweiligen Gesetzesvorschriften zu qualifizieren. Die Möglichkeit, den Hilfsbedürftigen bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen auf Zahlung eines Rettungsentgelts nach den Vorschriften über die Geschäftsführung in Anspruch zu nehmen, ist somit trotz des Eigeninteresses und trotz der verschiedenen Verpflichtungen, denen die Bergrettung mit der Durchführung von Rettungseinsätzen nachkommt, grundsätzlich eröffnet. Eine Ausnahme besteht, wenn und soweit zwischen der Bergrettung und der Versicherung des Hilfsbedürftigen im Geltungsbereich des Sachleistungsprinzips konkrete Leistungs- und Kostentragungsabsprachen getroffen wurden, die eine (primäre) Inanspruchnahme des Geretteten ausschließen.

B. Die berechtigte Geschäftsführung Wenn somit der Grundtatbestand der Geschäftsführung ohne Auftrag regelmäßig erfüllt sein wird, steht der Bergrettung ein Aufwendungsersatzanspruch dem Grunde nach erst zu, wenn die Rettungstätigkeit als berechtigte Geschäftsführung im Sinne der § 683 S. 1 BGB, Art. 422 Abs. 1 OR und §§ 1036, 1037 ABGB anzusehen ist.489 487

Vgl. auch RGRK-Steffen, Vor. § 677 Rn. 51. Vgl. Soergel-Wolf, Vor. § 145 Rn. 78 zur Behandlung von Gefälligkeitsabreden. Im Ergebnis, wenn auch mit zweifelhafter Begründung, ebenfalls Fötschl, S. 253 f. 489 Der Begriff der „berechtigten“ Geschäftsführung ohne Auftrag wird in den hier untersuchten Rechtsordnungen nicht einheitlich verwendet. Er bezeichnet die ausnahmsweise vom Gesetz akzeptierte Einmischung in die Angelegenheiten des Geschäftsherrn, vgl. Soergel-Beuthien, Vor. § 677 Rn. 3; ZK-Schmid, Art. 422 N. 5 ff. In Österreich 488

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

I. Nützlichkeitserfordernisse, Beurteilungsperspektive und Problemstellung 1. Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung und Beurteilungsperspektive Der Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers (actio negotiorum gestorum contraria) ist ebenfalls vor dem bereits beschriebenen Hintergrund der durch die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag angestrebten Interessenbalance zu sehen. Alle drei Rechtsordnungen gewähren dem Geschäftsführer ohne Auftrag trotz des Eingriffs in fremde Angelegenheiten unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Ersatz seiner zur Geschäftsbesorgung getätigten Aufwendungen. Dahinter steht der Gedanke, dass derjenige, der im Interesse und zum Wohl anderer tätig wird, keine Vermögenseinbußen aus seinem fremdnützigen Handeln erleiden soll.490 Die Hilfeleistung für einen anderen wird als anerkennenswert und förderungswürdig betrachtet, ein Ausgleich der Aufwendungen des Helfers als billig empfunden.491 wird je nach Tatbestand (§§ 1036 und 1037 ABGB) von notwendiger Geschäftsführung ohne Auftrag im Notfall bzw. nützlicher Geschäftsführung ohne Auftrag gesprochen (vgl. Koziol/Welser, BR I, S. 504 f.). Auf die nachträgliche Genehmigung einer unberechtigten Geschäftsbesorgung (§ 684 S. 2 BGB; Art. 424 OR; die Genehmigung ist zwar in Österreich nicht gesetzlich geregelt, aber von der Rechtsprechung anerkannt, vgl. Kapfer, § 1035 E 7; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 3) soll hier mangels praktischer Relevanz nicht eingegangen werden. Eine solche Genehmigung macht für den Geschäftsherrn nur Sinn, wenn er ein besonderes Interesse an der Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber dem Geschäftsführer aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag hat (actio directa). Er muss dann allerdings auch den Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers gegen sich gelten lassen. Dies wird für den Hilfsbedürftigen, der sich mit der Bergrettung um die Kosten des Einsatzes streitet, nie der Fall sein, da für ihn mit der Geschäftsbesorgung durch den Entgeltanspruch lediglich Nachteile verbunden sind, er Vorteile aus eigenen Ansprüchen aber nicht zu erwarten hat. 490 Der Aufwendungsersatzanspruch gemäß den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag unterscheidet sich damit vom Erstattungsanspruch des Bereicherungsrechts dadurch, dass nicht die beim Geschäftsherrn eingetretene Bereicherung abgeschöpft, sondern Vermögenseinbußen kompensiert werden. Im Gegensatz zum Deliktsrecht ist ein Verschulden des Geschäftsherrn nicht Grundlage des Anspruchs (ausführlich Wittmann, S. 1 f.). 491 Vgl. Schubert/v. Kübel, S. 933: „[. . .] es ist nicht unerlaubt und vom ethischen Standpunkte vielmehr an sich anerkennenswerth, einem Anderen freiwillige Hilfe zu leisten und seiner Interessen sich anzunehmen und es kann solche Hilfeleistung unter Umständen dem Herrn des Geschäfts sehr erwünscht und von Werth sein, da dieser vielleicht nur durch die ihm dadurch geleistete Hilfe vor positivem Verlust bewahrt werden oder einen ihm sonst entgehenden Gewinn erlangen kann“. Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 6 („[. . .] Zweck, die freiwillige Tätigkeit für einen anderen, [. . .], durch Schadloshaltung [. . .] zu begünstigen“); Erman-Ehmann, Vor. § 677 Rn. 1 („[. . .] verantwortungsvolle Initiative zugunsten des Nächsten als im Interesse der Rechtsgemeinschaft unentbehrlich rechtlich gesichert werden muss“); Soergel-Beuthien, Vor. § 677 Rn. 2 („Diesen guten Willen hat das Gesetz zu achten“); BK-Weber, Vorbem. Art. 419–424 OR N. 1 („Kompensationsinteresse des altruistisch auf Fremdnützigkeit bedachten Handelnden“); Schmid, S. 53 („Bestimmungen, welche altruistische Menschenhilfe fördern wollen“); Lischer, S. 55 („Der Geschäftsführer hat ein berechtigtes

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Die jeweiligen Vorschriften zum Aufwendungsersatzanspruch machen aber zugleich deutlich, dass die fremdnützige Zielrichtung der Tätigkeit (fremdnützige Interessenwahrnehmung) zwar eine Grundvoraussetzung für die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist. Sie allein aber vermag einen Anspruch des Geschäftsführers auf Erstattung seiner Aufwendungen nicht zu rechtfertigen. Der Geschäftsherr wäre ansonsten nicht ausreichend vor aufdringlichen, wenn auch gut gemeinten Eingriffen geschützt.492 Voraussetzung für die Gewährung eines Aufwendungsersatzanspruchs und somit gesetzlicher Maßstab für einen gerechten Interessenausgleich zwischen Einmischungsschutz und Schadloshaltungsbedürfnis ist, dass der Geschäftsführer mit seiner Tätigkeit ein für den Geschäftsherrn nützliches Geschäft493 besorgt.494 Das Kriterium der Nützlichkeit, das grundsätzlich zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung vorliegen muss,495 ist also für die Frage, ob die Interesse, für sein altruistisches Handeln schadlos gehalten zu werden.“); Meissel, S. 42 („Geschäftsführung ohne Auftrag im Notfall, auf die das weit verbreitete Bild der Geschäftsführung ohne Auftrag als Menschenhilfe zugeschnitten ist [. . .]“), S. 102 („Wenn das ABGB die Hilfeleistung im Notfall privilegiert, weil es eine solche Hilfeleistung als begrüßenswerten Einsatz für den Mitmenschen honorieren will [. . .]“). Hinsichtlich § 1037 ABGB betont Meissel den dahinter stehenden Bereicherungsgedanken (S. 12, 172: „Soweit die Bereicherung des Geschäftsherrn auf der Entreicherung des Geschäftsführers beruht, muss sie ausgeglichen werden.“). Auch hier kann Grund aber nur die Fremdnützigkeit der Tätigkeit sein. Schon im römischen Recht wurde die Kostenerstattung als notwendiges Instrument zur Förderung der Hilfeleistung für einen Abwesenden gesehen, vgl. Wittmann, S. 4 f. Zwar hat Wollschläger nachgewiesen, dass der Menschenhilfegedanke in der Rechtsprechungspraxis nur eine geringe Bedeutung einnimmt und deshalb keinesfalls als (einziger) Leitgedanke für die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag angesehen werden kann (vgl. S. 24 ff., 37 ff.). Dass die Menschenhilfe als Motiv aber Grundlage für den Anspruch aus § 683 S. 1 BGB ist, erkennt auch er an (vgl. S. 62). 492 Vgl. Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 3, S. 18. So schon das römische Recht, wonach es der gestor nicht in der Hand haben sollte, durch die Führung eines beliebigen negotium alienum den betroffenen dominus zu verpflichten (vgl. Seiler, S. 51). 493 Nutzen oder Nützlichkeit ist hier in einem weiten Sinne zu verstehen als jeder nicht nur vermögenswerte Vorteil für den Geschäftsherrn. Darunter fällt, wie etwa § 1036 ABGB zeigt, auch die Abwendung von Nachteilen. 494 Vgl. Wittmann, S. 2; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 1; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 1; vgl. auch Wollschläger, S. 213; BK-Weber, Art. 419 N. 10; ZK-Schmid, Art. 422 N. 11; Schmid, S. 124; Honsell, OR BT, S. 328; Meissel, S. 4 ff. Das Erfordernis einer nützlichen Geschäftsbesorgung als Voraussetzung eines Aufwendungsersatzanspruchs des Geschäftsführers geht auf das römische Recht zurück, wo mehrfach gefordert wurde, das Geschäft müsse vom Gestor utiliter geführt werden, um als wirksame negotiorum gestio anerkannt werden zu können (Seiler, S. 51). Dieses Prinzip wurde in den heutigen Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag – wenn auch in unterschiedlicher Form – übernommen, vgl. Schubert/v. Kübel, S. 935; Mot. II, S. 860 ff.; Witttmann, S. 14 f.; Meissel, S. 4 ff.; Lischer, S. 53). 495 Vgl. Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 52: sog. utiliter coeptum, d.h. die Übernahme der Geschäftsbesorgung muss (potentiell) nutzbringend gewesen sein, während es auf den tatsächlichen Erfolg der Tätigkeit nicht mehr ankommt (vgl. § 683 S. 1 BGB: „entspricht die Übernahme der Geschäftsbesorgung“; Art. 422 Abs. 1 OR:

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Geschäftsbesorgung „berechtigt“ war, maßgeblich, die Antwort auf die Frage, wann eine Geschäftsbesorgung utiliter gestum bzw. utiliter coeptum ist und wonach sich dies im Einzelnen bemisst, für den Schadloshaltungsanspruch des Geschäftsführers entscheidend. Der Begriff der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung, der zwar nicht Eingang in die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gefunden hat, aber den jeweiligen Regeln zugrunde liegt,496 ist ausfüllungsbedürftig. Seine Definition hängt wesentlich von der Perspektive ab, aus der der Nutzen der Tätigkeit für den Geschäftsherrn betrachtet wird. Bei dieser seit jeher umstrittenen Frage497 lassen sich die zahlreichen unterschiedlichen Auffassung im Wesentlichen in eine objektive und eine subjektive, den präsumtiven Willen des Geschäftsherrn betonende Sichtweise trennen.498 Je nachdem, ob dabei der Nutzen der Geschäftsbesorgung eher objektiv aus Sicht des Geschäftsführers oder subjektiv aus Sicht des Geschäftsherrn bestimmt wird,499 erfolgt gleichzeitig unweigerlich eine stärkere Betonung des Einmischungsschutzes des Geschäftsherrn oder des Bedürfnisses, im allgemeinen Interesse die Hilfeleistungsbereitschaft zu fördern. Darf der Geschäftsführer bei Zugrungelegung einer objektiven Sichtweise die Geschäftsbesorgung aus seiner Perspektive für nützlich halten, steht ihm ein Aufwendungsersatzanspruch zu, auch wenn der Geschäftsherr dies im Einzelfall anders beurteilt. Kommt es hingegen auf die Perspektive des Geschäftsherrn an, bleibt ihm ein Anspruch versagt, auch wenn er zwar objektiv vom Nutzen seines Handelns ausgehen kann und den abweichenden Willen des Geschäftsherrn nicht einzuschätzen vermochte. Von der Perspektive der Nützlichkeitsbetrachtung, die die in Deutschland, Österreich und der Schweiz jeweils geltenden Vorschriften vorschreiben, hängt also ab, unter welchen Voraussetzungen die Rettungstätigkeit der Bergrettung eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag darstellt und ob infolgedessen der Bergrettung ein Aufwendungsersatzanspruch dem Grunde nach zusteht (II.).

„Wenn die Übernahme der Geschäftsbesorgung“). Differenzierend das österreichische Recht. Während § 1036 ABGB einen Erfolg nicht voraussetzt („wenngleich die Bemühung ohne Verschulden fruchtlos geblieben ist“), muss das Geschäft nach § 1037 ABGB zu des Geschäftsherrn „klarem, überwiegenden Vorteile geführt“ haben (dazu später). 496 Motive II, 860; Wittmann, S. 123 ff.; Meissel, S. 4 ff.; Schmid, S. 122 ff. 497 Vgl. zum römischen Recht Seiler, S. 51 ff. 498 Vgl. die Übersicht bei Schubert/v. Kübel, S. 36 ff. 499 Diese beiden möglichen Perspektiven bilden aber nur die Grundpfeiler einer in Nuancen veränderbaren Beurteilungsskala (vgl. die verschiedenen Bestimmungsversuche bei Schubert/v. Kübel, S. 36 ff.). Bei der Nützlichkeitsbewertung spielen darüber hinaus weitere Aspekte eine Rolle, nämlich ob die Betrachtung ex ante oder ex post erfolgt, eine Bewertung nach generellem oder individuellem, objektiv-individuellem oder subjektiv-individuellem Nutzen vorzunehmen ist, oder die Erkennbarkeit individueller Umstände für den Geschäftsführer eine Rolle spielt und welche Bedeutung gesellschaftlichen Wertungen für diese Frage beigemessen wird (anschaulich Meissel, S. 5 ff.).

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2. Nützlichkeit des Geschäftsbesorgungsaufwands (Rechtsfolgenseite) und Wechselwirkung Die Frage nach der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung ist nicht nur auf der Tatbestandsebene, sondern auch auf der Rechtsfolgenseite von Bedeutung: Die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung zum Zeitpunkt ihrer Übernahme entscheidet darüber, ob der Geschäftsführer Aufwendungsersatz nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag überhaupt dem Grunde nach zusteht, oder ob ihm ein solcher Anspruch von vornherein verwehrt bleibt.500 Ob und in welchem Maße die konkrete Durchführung (Art und Weise) der Geschäftsbesorgung und der dadurch verursachte Aufwand im Verhältnis zu ihrem Zweck angemessen („nützlich“) war, entscheidet anschließend (auf der Rechtsfolgenseite) darüber, in welchem Umfang die Kosten der Geschäftsbesorgung nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähig sind.501 Beide Nützlichkeitsaspekte lassen sich jedoch nicht immer ohne weiteres klar voneinander trennen. Häufig muss der Geschäftsführer bereits im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung eine (endgültige) Entscheidung auch über die Art und Weise ihrer Durchführung treffen, die sich anschließend nicht mehr korrigieren lässt. Die gewählte Form der Geschäftsbesorgung kann insoweit bereits für die Frage der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung bedeutsam sein und die „Berechtigung“ der Geschäftsführung als solche in Frage stellen.502 Ist der Geschäftsherr an der Geschäftsbesorgung zwar generell interessiert, kann der Geschäftsführer das Geschäft aber nur auf eine bestimmte Art und Weise besorgen, deren Aufwand nicht im subjektiv oder objektiv definierten Interesse des Geschäftsherrn ist, ist zweifelhaft, ob die konkrete Geschäftsbesorgungstätigkeit nicht bereits im Zeitpunkt deren Übernahme insgesamt als unnütz zu qualifizieren ist. In allen drei Rechtsordnungen ist anerkannt, dass die Art und Weise (Durchführung) der Geschäftsbesorgung nicht nur auf der Rechtsfolgenseite eine Rolle spielt, sondern unter bestimmten Umständen bereits die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung auf Tatbestandsebene in Zweifel ziehen kann, wenn sie in einem unvernünftigen Verhältnis zum angestrebten Nutzen der Tätigkeit steht.503 500

Hierzu sogleich. Vgl. § 670 BGB („den Umständen nach [. . .] erforderlich“); § 1036 ABGB („nothwendiger und zweckmäßig gemachter Aufwand“; Art. 422 Abs. 1 OR („notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen“). Hierzu unten III. 2. 502 Martinek, in: Staudinger/Eckpfeiler, S. 814. 503 MüKo-Seiler, § 683 Rn. 6: „offensichtlich unsachgemäße oder überflüssige Maßnahmen“ sind nicht interessengerecht; so etwa die Rettung aus Bergnot, wenn der Nothelfer nicht über die bergsteigerischen Fähigkeiten zur Rettung in dieser Situation verfügte (BGHZ 79, 26); Bergung eines Modellflugzeugs aus einem Baum durch einen mutigen Mitarbeiter der freiwilligen Feuerwehr, wenn auch eine weniger gefährliche Hilfeleistung möglich war (OLG Düsseldorf VersR 1973, 826); Versuch der Verhinderung eines Bankraubes durch einen Bankkunden, wenn die Bank gegen solche Risiken versichert war (OLG Karlsruhe VersR 1977, 936). ZK-Schmid, Art. 422 N. 13: „Von 501

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3. Problemstellung: Prognoserisiko der Bergrettung zu Beginn des Einsatzes Eine abschließende Beurteilung der Fragen, ob ein Rettungseinsatz für den Hilfsbedürftigen tatsächlich von Nutzen ist und welche Maßnahmen angesichts der tatsächlichen Notfallsituation angemessen sind, ist für die Bergrettung zu Beginn eines Einsatzes meist nicht möglich. Sie muss, bevor sie einen Rettungseinsatz initiiert, anhand der flüchtigen Eindrücke und häufig nur spärlichen Informationen unter Zeitdruck beide Entscheidungen endgültig fällen und trifft damit regelmäßig zwei (unsichere) Prognosen: Liegt überhaupt eine Notlage vor und ist der Rettungseinsatz daher überhaupt notwendig?504 Und: Welche Maßnahmen zur Rettung des Hilfsbedürftigen sind nach den Umständen tatsächlich erforderlich, d.h. ihrer Art und Weise nach für den Hilfsbedürftigen nützlich?505 Mit beiden Prognosen geht die Bergrettung ein Risiko hinsichtlich der Erstattung ihrer Einsatzkosten ein. Stellt sich entgegen ihrer Einschätzung heraus, dass zu Einsatzbeginn eine Notlage nicht (mehr) bestand, es sich im Ergebnis also um einen Fehlalarm handelte, steht ihr ein Aufwendungsersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag u. U. von vornherein nicht zu. Liegt zum maßgeblichen Zeitpunkt des Beginns eines Einsatzes eine Notlage zwar vor, stellt sich im weiteren Verlauf aber heraus, dass die Rettungsmaßnahmen tatsächlich infolge einer zwischenzeitlichen Erledigung ganz oder in überwiegendem Maße nicht erforderlich/angemessen waren, sind Zweifel am anfänglichen Nutzen des Rettungseinsatzes für den Hilfsbedürftigen jedenfalls dann angebracht, wenn schon zu Beginn des Einsatzes Umstände existierten, aufgrund derer die letztlich fehlende Notwendigkeit des Einsatzes oder das Übermaß der ergriffenen Maßnahmen absehbar war.

vornherein nicht geboten ist auch eine Geschäftsführung, deren Kosten und Risiken in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zum angestrebten Erfolg stehen“; SchwimannApathy, §§ 1036–1040 Rz. 1: „Zudem ist eine Güterabwägung vorzunehmen, also das Ausmaß des drohenden Schadens und der (grundsätzlich unerwünschte) Eingriff in die Rechtssphäre des Geschäftsherrn abzuwägen“; so auch Meissel, S. 32. Eine „KostenNutzen-Rechnung“ wird hier also im Rahmen des § 1036 ABGB am Tatbestandsmerkmal des Notfalls vorgenommen und (restriktiv) ein hoher Grad der Bedrohung gefordert (vgl. dazu das Rechtsprechungsbeispiel bei Meissel, S. 31 (OGH in SZ 57/167)). 504 Ungewiss ist oft, ob es sich bei den Schilderungen des Notrufers überhaupt um einen Notfall handelt und ein Rettungseinsatz eingeleitet werden muss. Besonders problematisch sind Vermisstenmeldungen, bei denen das Vorliegen eines Notfalls von vornherein unklar ist. Gleiches gilt für Hinweise und Notrufe Dritter, die aufgrund eines ihnen erkennbaren Geschehens meinen, einen Notfall beobachtet zu haben. Auch hier muss die Bergrettung anhand der subjektiven Eindrücke Dritter Entscheidungen treffen, ohne sich selbst ein Bild von der vermeintlichen Notlage machen zu können. 505 Hinsichtlich des Einsatzumfangs bleibt der Bergrettung keine Wahl. Sie muss im Zweifel eher eine Rettungsaktion einleiten, deren Umfang sich nachträglich als zu groß und nicht erforderlich erweist, als die Rettung aufgrund unzulänglicher Planung und fehlender (Einsatz-)Mittel nicht erfolgreich durchführen zu können.

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Ist ein Rettungseinsatz erforderlich und wird er erfolgreich durchgeführt, ist das Bestehen eines Aufwendungsersatzanspruchs nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag meist unproblematisch zu bejahen, da die Nützlichkeit des Einsatzes dann außer Frage steht und in der Regel auch vom Betroffenen aus Gründen der Dankbarkeit und wegen der sozialverträglich gestalteten, oft von der Krankenkasse getragenen Rettungskosten meist nicht bezweifelt wird.506 Stellt sich der Einsatz aus Sicht des Betroffenen als überflüssig oder jedenfalls übertrieben dar, wird er hingegen eher geneigt sein, aus Zweifeln an der Nützlichkeit der Rettungsmaßnahme Ansprüche der Bergrettung zu hinterfragen. Nachfolgend soll deshalb auf die Fälle eingegangen werden, in denen die Nützlichkeit des Rettungseinsatzes als Voraussetzung für das Entstehen eines Aufwendungsersatzanspruchs nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag typischerweise mit Zweifeln behaftet ist (III.). Hierzu zählen neben vermeintlichen Notfällen (III. 1.) die Fälle, in denen der getätigte Rettungsaufwand bzw. das von den Rettern in Kauf genommene Schadensrisiko sich als tatsächlich unangemessen erweist oder sich der Einsatz vor Eintreffen der Retter erledigt (III. 2.). Entscheidend für die Beurteilung der Nützlichkeit ist hier jeweils, aus welcher Perspektive sie vorzunehmen ist. II. Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung 1. § 683 S. 1 BGB: Interesse und Wille des Geschäftsherrn (Deutschland) Nach § 683 S. 1 BGB kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung „dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn“ entspricht. Auf eine besondere Dringlichkeit der Geschäftsbesorgung, die es geboten erscheinen lässt, vom normalen Weg der Selbsterledigung durch den Geschäftsherrn abzugehen, kommt es nicht an.507 Die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung wird im deutschen Recht dem Wortlaut zufolge nach einer objektiven (Interesse) und einer subjektiven (Wille) Komponente bestimmt.508 Zwar stehen die Merkmale des Interesses und des Willens scheinbar gleichberechtigt nebeneinander. Wegen des nach Auffassung des Gesetzgebers vorrangigen Aufdrängungsschutzbedürfnisses des Geschäftsherrn 506 507 508

Ausnahmen kommen leider immer wieder vor, vgl. Gauderon, S. 138. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 42 m.w. N. Vgl. Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 6; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 2 ff.

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kommt es aber in erster Linie darauf an, ob die Geschäftsbesorgung seinem Willen entspricht.509 Der Gesetzgeber hat sich somit für eine subjektive, den präsumtiven Willen des Geschäftsherrn berücksichtigende Sichtweise entschieden – ein Element, mit dem sich die römischen Quellen lediglich in Hinsicht auf den ausdrücklichen Widerspruch des Geschäftsherrn befasst haben510 – und damit dem Einmischungsschutz des Geschäftsherrn einen hohen Stellenwert eingeräumt.511 Daraus ergeben sich für die Beurteilung der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgungsübernahme nach § 683 S. 1 BGB folgende (abgestufte) Anforderungen: Zunächst kommt es auf den wirklichen, d.h. den tatsächlich vorhandenen Willen des Geschäftsherrn zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung an.512 Ein tatsächlicher Wille setzt voraus, dass sich der Geschäftsherr über die Geschäftsbesorgung Gedanken gemacht hat, sei es, weil er von der Geschäftsbesorgung Kenntnis oder sich mit ihr bereits im Vorfeld hypothetisch auseinandergesetzt hat. Der wirkliche Wille muss vom Geschäftsherrn ausdrücklich oder konkludent geäußert worden sein und sich damit nach außen manifestiert haben.513 Hat der Geschäftsherr einen wirklichen Willen nicht gebildet bzw. ist er nicht nach außen erkennbar, kommt es für die Beurteilung der Nützlichkeit nach § 683 S. 1 BGB subsidiär auf den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn an.514 Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ist danach zu bestimmen, ob der Geschäftsherr bei Berücksichtigung aller Umstände der Übernahme durch den Geschäftsführer zugestimmt hätte.515 Maßstab ist damit die wahrscheinliche subjek-

509 Vgl. Medicus, SR II, Rn. 624; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 Rn. 49; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 30; Erman-Ehmann, § 683 Rn. 2; Palandt-Sprau, § 683 Rn. 5 ff.; Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 3, S. 404 f.; Larenz, § 57 I a, S. 443 f. 510 Seiler, S. 59 ff., der aus der Diskussion nur des ausdrücklich entgegenstehenden Willens folgert, dass der Wille des Geschäftsherrn ansonsten für die utilitas keine Bedeutung gespielt hat. 511 Vgl. Schubert/v. Kübel, S. 42; Mot. II, 860 (sog. strenges subjektives Prinzip). 512 Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 25. 513 Vgl. OLG Koblenz NJW-RR 1995, 15; OLG München NJW-RR 1988, 1013, 1015; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 9; Erman-Ehmann, § 683 Rn. 2. An der Erkennbarkeit des wirklichen Willens wird es oft fehlen, da die Geschäftsbesorgung meist in Unkenntnis des Geschäftsherrn übernommen wird, vgl. Helm, Gutachten, S. 373. Das Erfordernis der Erkennbarkeit ist insofern missverständlich, als materiell-rechtlich allein der wirkliche Wille zählt, im Streitfall aber der Geschäftsherr Vorliegen und Inhalt seines Willens nachweisen, er also in irgendeiner Weise für einen objektiven Beobachter erkennbar geworden sein muss (vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 25 mit Hinweis auf Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 444; Giesen, Jura 1996, 288, 289; Martinek/Theobald, JuS 1998, 27, 29). 514 Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 28; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 10; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 5; Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 444. 515 Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 28; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 10; Palandt-Sprau, § 683 Rn. 7; Erman-Ehmann, § 677 Rn. 2 jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen.

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tive Entscheidung des Geschäftsherrn, bezogen auf den Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführung.516 Zu berücksichtigen sind somit auch charakterliche oder intellektuelle Eigenheiten sowie Neigungen des Geschäftsherrn.517 Daneben fordert der Wortlaut des § 683 S. 1 BGB, dass die Geschäftsbesorgung dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht. Einigkeit besteht bei diesem Tatbestandsmerkmal in zweierlei Hinsicht: Liegen besondere Umstände, die auf den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn schließen lassen, nicht vor, ist der mutmaßliche Wille regelmäßig aus dem objektiven Interesse zu folgern.518 Und: Auch das objektiv ermittelte Interesse ist unter Berücksichtigung der Gesamtsituation gerade aus Sicht des Geschäftsherrn zu bestimmen und enthält deshalb ebenfalls subjektive Elemente.519 Die Übernahme der Geschäftsführung darf nicht nur objektiv auf eine Verbesserung der Situation des Geschäftsherrn zielen, sondern muss die besonderen Umstände und die individuelle Situation des Geschäftsherrn berücksichtigen (objektiv-individuelles Interesse).520 Das Verhältnis der im Gesetz genannten Kriterien (Wille und Interesse des Geschäftsherrn) ist nicht unumstritten. Eine Mindermeinung sieht die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB nur als erfüllt an, wenn beide Elemente kumulativ vorliegen.521 Legt man diese Ansicht zugrunde, kann die Geschäftsführung weder berechtigt sein, wenn sie dem objektiven Interesse, nicht aber dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entspricht, noch dann, wenn sie zwar dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entspricht, nicht aber dem objektiven Interesse.522 Das ist mit der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur abzulehnen. Maßstab der Geschäftsführung ist ausschließlich der wirkliche oder der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn. Das objektiv aus Sicht des Geschäftsherrn ermittelte Interesse begründet lediglich eine widerlegbare Vermutung dafür, 516 Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 28; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 4; Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 444. Hier ist die Frage zu stellen: „Würde der Geschäftsherr bei Kenntnis der Sachlage die Geschäftsführung gewollt haben?“ 517 Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 28. 518 MüKo-Seiler, § 683 Rn. 10; Palandt-Sprau, § 683 Rn. 7; Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 444; Medicus, SR II, Rn. 624. 519 MüKo-Seiler, § 683 Rn. 4; Palandt-Sprau, § 683 Rn. 4; Larenz, SR II/1, § 57 I a; S. 443 f. 520 MüKo-Seiler, § 683 Rn. 3; Erman-Ehmann, § 683 Rn. 1; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 47; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 28; vgl. Mot. II, S. 860 ff. Für den Eigentümer ist es deshalb nicht von Nutzen, wenn der Nachbar während eines längeren Urlaubsaufenthalts seinen Garten trimmt, er aber einen Wildgarten anlegen wollte (vgl. Medicus, SR II, Rn. 624). Auch ist der Ankauf preisgünstiger Waren u. U. wegen Geldmangels des Geschäftsherrn für ihn nicht vorteilhaft. Umgekehrt kann ein Verkauf von Waren unter Marktwert ein dringendes Liquiditätsinteresse des Geschäftsherrn befriedigen (vgl. MüKo-Seiler, § 683 Rn. 4). 521 Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 444; Batsch, AcP 171 (1971), 218, 225; vgl. auch MüKo-Seiler, § 683 Rn. 3. 522 Vgl. Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 444.

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dass das objektiv Nützliche dem Willen des Geschäftsherrn entspricht.523 Wie die Gesetzgebungsgeschichte zeigt, sollte für § 683 S. 1 BGB allein das strenge subjektive Prinzip gelten.524 Auch ist kein Grund dafür ersichtlich, warum der eigenwillige Geschäftsherr etwa durch das Korrektiv eines objektiven Interesses bevormundet werden sollte. Unklar bleibt zudem, wo nach Ansicht der Mindermeinung die Grenzen zwischen mutmaßlichem Willen und objektiv-individuellem Interesse verlaufen. Daraus, dass allein der wirkliche bzw. mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn über die Nützlichkeit der auftragslosen Geschäftsbesorgung entscheidet, folgt, dass eine Kontrolle an allgemeinen Maßstäben gerade nicht stattfindet. Der wirkliche bzw. mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ist deshalb auch dann zu beachten, wenn er bei einer allgemein verständigen Würdigung der Situation merkwürdig oder unvernünftig erscheint und dem objektiv ermittelten Interesse des Geschäftsherrn widerspricht.525 Die strenge Ausrichtung des Gesetzes am individuellen Nutzen des Geschäftsherrn erfordert bei der Anwendung des § 683 S. 1 BGB also, dass – soweit der wirkliche Wille nicht erkennbar ist – die Beurteilung des mutmaßlichen Willens aus Sicht eines objektiven Betrachters erfolgt, der auch die individuell-konkreten Neigungen und Interessen des Geschäftsherrn kennt, der sich also in dessen Lage/Position befindet.526 So wird dem beabsichtigten Schutz des Geschäftsherrn vor unerwünschter Einmischung durch das Nützlichkeitserfordernis in weitem Maße Rechnung getragen.527 Dies wäre nicht in demselben Umfang möglich, wenn man auf die Perspektive eines objektiven Geschäftsführers abstellen würde, der die individuellen Umstände und Interessen des Geschäftsherrn meist nicht kennt und auch anhand der Umstände in der konkreten Situation nicht zu erkennen vermag, denn dann würde regelmäßig dessen bzw. eine abstrakt-objek-

523 Wittmann, S. 127; Fikentscher, Rn. 931; Giesen, Jura 1996, 288, 289; Erman-Ehman, § 683 Rn. 3; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 5; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 30; OLG Karlsruhe VersR 1981, 774. 524 In den Vorentwürfen kam dies noch klar zum Ausdruck, ging aber infolge einer Fehlleistung der Redaktionskommission verloren (Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 30, 3 ff., 6). 525 Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 25 mit Hinweis auf BGHZ 138, 281, 287; OLG Karlsruhe VersR 1981, 774; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 9; Palandt-Sprau, § 683 Rn. 6; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 5. 526 Vgl. auch Stoll, S. 414. 527 Vgl. etwa MüKo-Seiler, § 683 Rn. 4: Das Interesse sei zu bejahen, wenn die „Übernahme objektiv nützlich, sachlich vorteilhaft ist.“ Das sei „unter Beachtung der Gesamtlage des Geschäftsherrn“ zu beurteilen; Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 47: „wohlverstandenes Interesse des Geschäftsherrn“ unter Beurteilung der „Gesamtlage des Geschäftsherrn“; Palandt-Sprau, § 683 Rn. 4: Das Interesse sei „anhand der konkreten Sachlage im Einzelfall nach der objektiven Nützlichkeit, subjektiv bezogen auf das Verhalten des Geschäftsherrn festzustellen.“ Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 3, S. 405: maßgeblich seien, so die Rechtsprechung, „objektive, d.h. von einem durchschnittlich vernünftigen Rechtsgenossen so beurteilte Interessen des Geschäftsherrn“.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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tive Fremdeinschätzung den Nützlichkeitsbegriff dominieren.528 Darauf, ob der Geschäftsführer aus seiner Perspektive die Umstände erkennt oder erkennen kann, aus denen sich der wirkliche oder mutmaßliche Wille bzw. das objektivindividuell verstandene Interesse des Geschäftsherrn ergibt, kommt es nach § 683 S. 1 BGB nicht an.529 Das Risiko eines Irrtums über die Nützlichkeit seiner Tätigkeit für den Geschäftsherrn – sei es, weil er den wirklichen oder mutmaßlichen Willen nicht kannte oder individuelle, für die konkrete Situation des Geschäftsherrn bedeutsame Umstände nicht erkennen konnte – geht zu Lasten des Geschäftsführers, selbst wenn er die Geschäftsführung ohne Verschulden für interessengemäß hielt.530 Der strenge Beurteilungsmaßstab für die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung wird in Rechtsprechung und Lehre nicht immer konsequent durchgehalten, sondern oft großzügig zugunsten eines Aufwendungsersatzanspruchs ausgedehnt. Dies wird auf die mangelnde Erkennbarkeit des Willens als dem maßgebenden Element und die unpräzise Definition des objektiven Interesses zurückgeführt. Seinen wirklichen Willen äußert der Geschäftsherr mangels Kenntnis von der Geschäftsführung nur selten. Sein mutmaßlicher Wille wird weitgehend aus dem objektiven Interesse hergeleitet, wodurch beide Merkmale häufig zu einem einheitlich objektiven Kriterium verschmolzen werden.531 Der Wille wird dadurch 528 Vgl. Schubert/v. Kübel, S. 42 ff.: „[. . .] und für die Beantwortung der Frage, ob die Geschäftsführung im Interesse des Herrn gelegen habe, das entscheidende Gewicht nicht auf objektive Rücksichten legt, sondern die Rücksicht auf den präsumtiven Willen des Geschäftsherrn für wesentlich maßgebend erklärt. Nur hierdurch wird einerseits den Bedürfnissen des Verkehrslebens entsprechende Rechnung getragen und andererseits der Geschäftsherr vor zudringlichen Nützlichkeitsansichten Dritter bewahrt [. . .]. Das objektive Moment kommt nur als Beweisgrund in Betracht, indem, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, die aus der Individualität, dem bekannten Willen, der sonstigen Handlungsweise und den Verhältnissen des Geschäftsherrn sich ergeben, sich unterstellen lässt, dass dieser das objektiv Nothwendige und Nützliche auch seinen Interessen gemäß finden werden. Immer aber ist dies nach den konkreten Umständen zu beurteilen.“ 529 Medicus, SR II, Rn. 624; Esser/Weyers, SR II/1, §46 II 3, S. 405; Erman-Ehmann, § 683 Rn. 1; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 10; anders früher: Staudinger-Nipperdey (11. Auflage), § 683 Rn. 11. Vgl. Mot. II, 860 f.: „[. . .] wonach die actio contraria [. . .] abhängig ist davon, dass das Eingreifen in die Geschäfte eines Anderen an sich, wie die Art und Weise den wirklichen, nicht blos den bei Anwendung der gebührenden Sorgfalt erkennbaren, Intentionen des Geschäftsherrn bzw. des gesetzlichen Vertreters entsprochen hat. [. . .] genügt zur Begründung der actio contraria nicht der Nachweis, dass er [der Geschäftsführer] die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters allgemein und insbesondere auch nach der Richtung angewendet habe, um die Intentionen des Geschäftsherrn zu erfahren und nach ihnen sich zu richten, wenn gleichwohl das Richtige oder das jenen Intentionen Entsprechende von ihm nicht getroffen wurde. Vielmehr entzieht ihm auch ein unverschuldeter Verstoß gegen die Intentionen des Geschäftsherrn seine Rechte gegen denselben.“ 530 Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 47 ff.; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 1; Erman-Ehmann, § 683 Rn. 1. 531 Helm, Gutachten, S. 373.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

praktisch nur noch bei einem Widerspruch des Geschäftsherrn bedeutsam.532 Das ausfüllungsbedürftige Merkmal des objektiven Interesses, das oft schon bei jedem entfernten Vorteil für den Geschäftsherrn bejaht wird,533 dominiert in der Praxis letztlich entgegen der auf einen umfassenden Einmischungsschutz zielenden Rangfolge der Tatbestandsmerkmale und der besonderen Betonung des Willens des Geschäftsherrn die Frage nach der Berechtigung der Geschäftsbesorgung. Auslegung und Anwendung des § 683 S. 1 BGB in Rechtsprechung und Lehre werden daher zunehmend als unbefriedigend empfunden.534 Es entsteht die Gefahr, dass die Frage nach der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung zunehmend objektiviert und immer weniger, wie von § 683 S. 1 BGB gefordert, am subjektiv-individuellen Nutzen des Geschäftsherrn ausgerichtet wird und dass auf diese Weise letztlich auch allgemeine (rechtspolitische) Erwägungen in die Frage nach der Berechtigung der Geschäftsführung einfließen. Mit dem strengen subjektiven Prinzip, das § 683 S. 1 BGB zugrunde liegt, ist das freilich nicht vereinbar. 2. Art. 422 Abs. 1 OR: Gebotenes Interesse (Schweiz) Im schweizerischen Recht steht dem Geschäftsführer nach Art. 422 Abs. 1 OR Ersatz für die notwendigen oder nützlichen und den Verhältnissen angemessenen Verwendungen zu, wenn die Übernahme einer Geschäftsbesorgung „durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten“ war. Ob eine Geschäftsbesorgung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten und somit nützlich war, bestimmt sich grundsätzlich nach objektiven Maßstäben. Entscheidend ist, was eine redlich und korrekt handelnde Person unter den gegebenen Umständen nach guten Treuen als geboten ansehen durfte.535 Dieser Beurteilungsmaßstab wird im Gegensatz zur (deutschen) subjektiven, die mutmaßlichen Absichten des Geschäftsherrn berücksichtigenden Methode auch als „objektive Theorie“ bezeichnet.536 Der Aufwendungsersatzanspruch besteht auch, wenn der Geschäftsführer sein Handeln irrtümlich für nützlich hielt, nach objek-

532 Vgl. Helm, Gutachten, S. 373. Er fordert deshalb, das Interesse des Geschäftsherrn an der Geschäftsbesorgung nur dann objektiv zu bejahen, wenn sie als Ergebnis einer objektiven Abwägung zwischen den entstehenden Vor- und Nachteilen überwiegend Vorteile oder die Abwehr unmittelbar bevorstehender Nachteile verspricht (S. 399). 533 Vgl. Helm, Gutachten, S. 372 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen. Klare Abgrenzungslinien für ein bestehendes oder nicht bestehendes Interesse lassen sich laut Helm nicht erkennen. 534 So vor allem Helm, Gutachten, S. 372 ff., 399; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 36. 535 ZK-Schmid, Art. 422 N. 12 m.w. N.; Schmid, S. 126. 536 Schmid, S. 126.

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tivem Maßstab die Geschäftsbesorgung im Interesse des Geschäftsherrn aber geboten erschien.537 Nach überwiegender Auffassung muss die Geschäftsbesorgung, um geboten zu sein, zudem eine gewisse Dringlichkeit aufweisen.538 Der Grundsatz der rein objektiven Bewertung der Nützlichkeit einer ungefragten Geschäftsbesorgung ist lediglich durch Art. 420 Abs. 3 OR eingeschränkt, wonach der Tätigkeit des Geschäftsführers kein erkennbarer und gültiger Wille des Geschäftsherrn entgegenstehen darf.539 Ein solches „Einmischungsverbot“ kann vom Geschäftsherrn ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten geäußert werden, es kann sich aber auch bloß aus den Umständen ergeben.540 An die deutsche Regelung des § 683 S. 1 BGB mit der Berücksichtigung des wirklichen oder mutmaßlichen541 Willens nähert sich das schweizerische Obligationenrecht damit aber nur scheinbar an. Entscheidend ist hier nämlich, anders als im deutschen Recht, dass der Wille des Geschäftsherrn, d.h. die darauf hindeutenden Tatsachen, dem Geschäftsführer erkennbar waren.542 Das Risiko einer Fehleinschätzung der Nützlichkeit der Fremdgeschäftsbesorgung liegt danach weitgehend auf Seiten des Geschäftsherrn, solange der Geschäftsführer die ihm objektiv erkennbaren Umstände umfassend und „gutgläubig“ einschätzt und wertet.543

537 ZK-Schmid, Art. 422 N. 17. Das schweizerische Obligationenrecht ist damit der objektiven Auffassung zur Bestimmung der Nützlichkeit gefolgt. 538 Vgl. Lischer, S. 59 f.; Hofstetter, SPR VII/6, S. 260 f. Der Begriff der Gebotenheit spielt auf das Erfordernis einer gewissen Dringlichkeit der Geschäftsbesorgung an. Sie darf nicht nur rein objektiv nützlich sein, ein Notfall muss jedoch nicht vorliegen. Anders Schmid, S. 124 f. 539 Vgl. dazu Schmid, S. 104 ff. Das schweizerische Obligationenrecht orientiert sich damit anders als das deutsche Recht zur Geschäftsführung ohne Auftrag eng an den römischen Quellen, in denen ebenfalls nur der ausdrückliche Widerspruch für die Frage nach dem utiliter gestum eine Rolle spielte und lebhaft umstritten war (vgl. Seiler, S. 60). 540 Schmid, S. 105 mit Hinweis auf BGE 95 II 93 ff. (ausdrückliches bzw. konkludentes Einmischungsverbot) und Züricher Handelsgericht, ZR 21/1922, Nr. 99, S. 237, 240 f. (zu einem möglichen Einmischungsverbot aus den Umständen). 541 Im Zusammenhang mit dem Dringlichkeitserfordernis („geboten“) wird gefordert, dass der Geschäftsführer grundsätzlich den mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn zu ermitteln und sich danach zu richten hat, d.h. sich je nach den Umständen durch Erkundigungen über seine Wertungen und Neigungen zu vergewissern hat (ZK-Schmid, Art. 422 N. 13). 542 Schmid, S. 105, 124; ZK-Schmid, Art. 422 N. 17; Lischer, S. 54 f. 543 Schmid, S. 132 („gutgläubiges Handeln“), der allerdings zusätzlich fordert, dass der Geschäftsherr den objektiven Anschein der Gebotenheit veranlasst haben muss (dazu später).

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3. §§ 1036, 1037 ABGB: Schadensabwehr und klarer, überwiegender Vorteil (Österreich) Das österreichische Recht, das den Regeln zur Geschäftsführung ohne Auftrag in § 1035 ABGB ein strenges Einmischungsverbot voranstellt,544 erkennt die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung als Voraussetzung eines Aufwendungsersatzanspruchs in zwei unterschiedlichen Tatbeständen an. Es trennt zwischen besonders dringlichen Fällen der Gefahrenabwehr und sonstigen, weniger dringlichen Geschäftsbesorgungen zum Nutzen des Geschäftsherrn. Nach § 1036 ABGB (Notgeschäftsführung) kann der Geschäftsführer den notwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwand ersetzt verlangen, wenn er ein fremdes Geschäft „zur Abwendung eines bevorstehenden Schadens“ besorgt. Der Tatbestand des § 1036 ABGB wird restriktiv gehandhabt. Erforderlich ist, dass ein nicht nur geringer positiver Schaden (Gesundheitseinbuße oder Vermögensverlust, nicht aber entgangener Gewinn) unmittelbar droht, so dass es nicht möglich ist, die Zustimmung des Geschäftsherrn einzuholen.545 Ob diese Sachlage gegeben ist, beurteilt sich ex ante aus Sicht eines (objektiven) redlichen Geschäftsführers.546 Wer sich, abgesehen von einer Notfallsituation, zur Abwendung eines drohenden Schadens in fremde Angelegenheiten einmischt, hat sich zwar grundsätzlich um die Zustimmung des Geschäftsherrn zu bemühen. Er kann jedoch nach § 1037 ABGB (nützliche Geschäftsführung ohne Auftrag) die auf die Geschäftsbesorgung zur Förderung des Nutzens eines anderen verwendeten Kosten ersetzt verlangen, wenn er das Geschäft auf seine Kosten zu des andern „klaren, überwiegenden Vorteile“ geführt hat. Die Betonung des Einmischungsverbots in § 1035 ABGB gebietet eine strenge Interpretation des § 1037 ABGB. Die Vorteilhaftigkeit (der Nutzen) der Geschäftsbesorgung ist deshalb ex post und im Zweifel vom Standpunkt des Geschäftsherrn aus zu beurteilen. Ein allgemein objektiver Vorteil reicht nicht aus; die Vorteilhaftigkeit richtet sich vielmehr nach dem persönlichen Interesse des Geschäftsherrn, das objektiv-individuell, d.h. aus Sicht eines objektiven Betrachters unter Berücksichtigung aller individuellen Umstände, die für die Vorteilhaftigkeit der Tätigkeit für den Geschäftsherrn von Bedeutung sind, bestimmt 544 § 1035 ABGB: „Wer weder durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag, noch vom Gerichte, noch aus dem Gesetze die Befugnis erhalten hat, darf der Regel nach sich in das Geschäft eines anderen nicht mengen. Hätte er sich dessen angemaßt; so ist er für alle Folgen verantwortlich.“ 545 KBB-Koziol, § 1036 Rz. 1 ff.; Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 1; Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040 Rz. 1 mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen. Eingehend Meissel, S. 29 ff. 546 Ibid.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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wird.547 Keine Berücksichtigung finden daher – im Unterschied zum deutschen Recht – außergewöhnliche Ansichten des Geschäftsherrn zur Vorteilhaftigkeit der Tätigkeit. Er muss einen objektiv-individuellen Vorteil auch gegen sein subjektiv abweichendes Interesse und damit gegen seinen Willen gelten lassen, wenn ihm dies zumutbar ist.548 Durch das Erfordernis eines klaren, überwiegenden Vorteils wird zusätzlich betont, dass die Geschäftsbesorgung den Geschäftsherrn nach seinen individuellen Verhältnissen bereichert haben muss.549 Gegenüber § 1037 ABGB ist der Notgeschäftsführer nach § 1036 ABGB also deutlich privilegiert. Die Nützlichkeit bestimmt sich hier nach einer objektiven Betrachtung der ihm erkennbaren Umstände. Ein Irrtum über den Nutzen seines Handelns geht nur zu seinen Lasten, wenn er die ihm erkennbare Sachlage schuldhaft falsch einschätzt. Der Geschäftsherr muss die Aufwendungen erstatten, wenn die sich objektiv darstellende Situation eine Notgeschäftsführung rechtfertigt.550 Der Anspruch des Notgeschäftsführers ist zudem erfolgsunabhängig, das zweckmäßige Bemühen um eine Schadensabwehr ausreichend.551 Den Geschäftsführer, der nicht Notgeschäftsführer ist, trifft hingegen nach § 1037 ABGB ein höheres Risiko, seine Kosten nicht ersetzt zu bekommen, da sein Handeln tatsächlich vorteilhaft gewesen sein muss. Die Vorteilhaftigkeit wird er, gerade wenn er die individuellen Interessen des Geschäftsherrn nicht kennt, bei Übernahme der Tätigkeit kaum präzise einschätzen können. Er ist aber, anders als nach deutschem Recht, insoweit vor einem abweichenden Willen des Geschäftsherrn geschützt, wenn objektiv-individuell von der Vorteilhaftigkeit seines Handelns auszugehen ist. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist nur insofern von Bedeutung, als er der Geschäftsbesorgung ausdrücklich entgegensteht, § 1040 ABGB.552

547 Rummel-Rummel, § 1037 Rz. 4; Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040, Rz. 3; KBBKoziol, § 1037 Rz. 2; Meissel, S. 173 ff. 548 Vgl. Meissel, S. 176. 549 Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040 Rz. 3; Rummel-Rummel, § 1037 Rz. 4; Meissel, S. 178, versteht dieses Tatbestandsmerkmal hingegen nicht quantitativ, sondern qualitativ. Der Aufdrängungsschutz des Geschäftsherrn sei in besonderer Weise zu berücksichtigen, so dass der Vorteil im Zweifel am Vorbringen des Geschäftsherrn zu orientieren und der Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Geschäftsherrn als nutzenmindernd zu berücksichtigen sei. 550 Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 1; Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040 Rz. 1; KBBKoziol, § 1036 Rz. 3; Meissel, S. 103. 551 KBB-Koziol, § 1036 Rz. 4; Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 3; Meissel, S. 103. 552 Ähnlich der deutschen Regelung in § 679 BGB ist der ausdrückliche oder erkennbar entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich, wenn er in den Fällen der notwendigen Geschäftsbesorgung eine gesetz- oder sittenwidrige Weigerung bedeutet, vgl. Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040 Rz. 5.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

4. Zusammenfassung Die drei hier untersuchten Rechtsordnungen stellen an das Erfordernis der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung als Voraussetzung für die Gewährung eines Aufwendungsersatzanspruchs unterschiedliche Anforderungen. Während in Deutschland der Einmischungsschutz des Geschäftsherrn besonders betont wird und sich die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung deshalb nach dem (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des Geschäftsherrn richtet, der notfalls unter Berücksichtigung aller aus Sicht des Geschäftsherrn erkennbaren Umstände zu ermitteln ist, stellen das schweizerische Obligationenrecht allgemein und das österreichische Recht in der Vorschrift des § 1036 ABGB für die Fälle dringlicher Schadensabwehr auf eine objektive Beurteilung aus Sicht des Geschäftsführers ab. Im Gegensatz zu § 683 S. 1 BGB räumen die Vorschriften in Österreich und der Schweiz damit dem Gedanken der Förderung von Hilfsbereitschaft einen deutlich stärkeren Rang ein. Der Geschäftsführer trägt hier ein wesentlich geringeres Prognoserisiko in Hinsicht auf den Nutzen seines Handelns für den Geschäftsherrn. Er kann seine Aufwendungen auch dann ersetzt verlangen, wenn er schuldlos anhand der ihm objektiv erkennbaren Umstände von der Nützlichkeit seines Handelns ausgeht, während sich in Deutschland ein Irrtum des Geschäftsführers über die Nützlichkeit grundsätzlich zu seinen Lasten auswirkt. Ob der Geschäftsführer diese Umstände erkennen konnte, ist unerheblich. Nach § 1037 ABGB bedarf es für die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung eines klaren, überwiegenden Vorteils aus der Perspektive eines objektiven Betrachters in der Position des Geschäftsherrn, wobei alle erkennbaren, auch individuellen Umstände zu berücksichtigen sind. Damit ist der Nützlichkeitsmaßstab des § 1037 ABGB zwar dem des deutschen Rechts näher als der Maßstab des § 1036 ABGB. Die Betrachtung erfolgt jedoch nachträglich; ein Ersatzanspruch ist nur bei tatsächlichem Vorteil gegeben. Anders als nach § 683 S. 1 BGB reicht die nützliche Übernahme der Tätigkeit allein nicht aus und kommt es auf einen außergewöhnlichen, entgegenstehenden Willen des Geschäftsherrn nur unter der engen Voraussetzung des § 1040 ABGB an.553 Ein Unterschied zwischen der Rechtslage in Deutschland und der in Österreich bzw. der Schweiz besteht außerdem in dem Umgang mit dem Dringlichkeitsaspekt der Geschäftsbesorgung. Während die Dringlichkeit nach deutschem Recht keine nennenswerte Rolle spielt, betonen das schweizerische Obligationenrecht („Gebotenheit“) und das österreichische ABGB jedenfalls für die Notgeschäftsführung, dass ein Aufwendungsersatzanspruch nur gegeben ist, wenn es dem Geschäftsführer nicht ohne weiteres möglich war, den Geschäftsherrn um Zustimmung zu seinem Handeln zu bitten. 553 Da § 1037 ABGB nur im Erfolgsfalle einen Aufwendungsersatzanspruch gewährt, ist auf ihn in den folgenden Ausführungen, in denen es gerade um die Zweifelsfälle einer Kostenerstattung bei ausgebliebenem Erfolg geht, nicht einzugehen.

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III. Nützlichkeit des Rettungseinsatzes – Prognoserisiken und deren Allokation Wie sich die in Deutschland auf der einen und Österreich und der Schweiz auf der anderen Seite geltenden unterschiedlichen Nützlichkeitsmaßstäbe auf die eingangs beschriebenen Zweifelsfälle auswirken, soll – unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur zu Not- und Hilfeleistungsfällen – Gegenstand der nachfolgenden Erörterung sein. 1. Vermeintliche Notfälle (Fehlalarm) Die Frage nach der Nützlichkeit eines Rettungseinsatzes stellt sich zunächst, wenn die Bergrettung anhand der ihr erkennbaren Umstände eine Notlage für gegeben hält, obwohl eine Gefahr für den vermeintlich Hilfsbedürftigen tatsächlich nicht oder jedenfalls zum Zeitpunkt der Initiierung des Rettungseinsatzes nicht mehr besteht. a) Beurteilung nach der jeweiligen Rechtsordnung (Beispielsfälle) Das Landgericht Heidelberg hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Nothelfer vom Eigentümer und Halter eines PKW Ersatz für Schäden verlangte, die er sich bei dem Versuch zuzog, den umgestürzten Unfallwagen aufzurichten, um darunter vermeintlich eingeschlossene Verletzte zu bergen. In Wirklichkeit aber waren weder der Fahrer des Wagens noch irgendwelche sonstigen Insassen am Unfallort.554 Das Gericht sprach dem Kläger Ersatz seiner Schäden555 aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB zu. Die Frage, ob die Übernahme der Geschäftsbesorgung dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht, sei zwar objektiv und nicht aus Sicht des Geschäftsführers zu beurteilen. Auch sei unter dem Interesse des Geschäftsherrn der objektive Nutzen zu verstehen, den die Geschäftsbesorgung ihm bringt, und liege das Risiko einer Beurteilung desselben beim Geschäftsführer auch dann, wenn er ohne Fahrlässigkeit den Nutzen seiner Handlung falsch einschätzt. Es seien aber die Umstände außer acht zu lassen, die dem Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung nicht bekannt sein konnten. Würde man nämlich die Frage der Nützlichkeit nach ihrem Ausgang beurteilen, so wäre die Geschäftsbesorgung in all den Fällen unberechtigt, in denen der mit ihr bezweckte Erfolg nicht eintrat, wenn sie auch noch so vorteilhaft erscheinen mochte. Das sei sicherlich nicht im Sinne des Gesetzes, jedenfalls in den Fällen 554

LG Heidelberg VersR 1968, 53 ff. Zur Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf vom Nothelfer erlittene Schäden vgl. 4. Teil, 3. und 5. Kapitel. 555

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

nicht, in denen der Geschäftsführer mit seiner Tätigkeit die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckt.556 Diese Entscheidung bietet ein negatives Beispiel für die in der deutschen Rechtsprechung teilweise zu beobachtenden Tendenzen, die Bedeutung der Nützlichkeit anhand objektiver, aus Sicht des Geschäftsführers erkennbarer Anhaltspunkte zu bestimmen und so zu einer scheinbar billigen Lastenverteilung zu gelangen.557 Das Urteil ist verfehlt, denn nach dem § 683 S. 1 BGB zugrundeliegenden subjektiven Prinzip kommt es für die Beurteilung der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung (Hilfeleistung) zum Zeitpunkt ihrer Übernahme auf den wirklichen bzw. mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn an. Ob die Geschäftsbesorgung für den Geschäftsherrn nützlich war, ist – wie auch das Landgericht zunächst richtig andeutet – aus Sicht des Geschäftsherrn, nicht aber auf Basis der dem Geschäftsführer erkennbaren Umstände zu beurteilen. Die Hilfeleistung bei einem nur vermeintlichen, lediglich aus Sicht des Geschäftsführers bestehenden Notfall entspricht aber nie dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des vermeintlich Hilfsbedürftigen, da aus seiner Perspektive eben keinerlei Gefahrenlage besteht.558 Entgegen der Auffassung des Landgerichts Heidelberg ist diese strenge und für den Nothelfer nachteilige Bewertung der Nützlichkeit unabhängig davon, ob die Hilfeleistung erfolgreich ist oder nicht. Solange die Hilfeleistung wenigstens zu Beginn, d.h. mit Übernahme der Geschäftsbesorgung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Hilfsbedürftigen entsprach, steht dem Nothelfer ein Aufwendungsersatzanspruch unabhängig davon zu, ob die Hilfeleistung letztlich Erfolg hatte. Das aber ist bei nur vermeintlichen Gefahrenlagen gerade nicht der Fall. Aus dem schweizerischen Wengen ist ein Fall bekannt, in dem der Dauergast eines Hotels am Nachmittag seine Unterkunft in Skibekleidung verlassen hatte und ohne Meldung über seinen Verbleib bis morgens um zwei Uhr nicht zurückgekehrt war. Trotz telefonischer Nachforschungen blieb er zunächst unauffindbar. Der Schweizer Alpen-Club leitete auf Verständigung durch den Hotelier eine umfangreiche, kostenintensive Suchaktion ein, die allerdings erfolglos blieb. Der Gast hatte wegen Einbruchs der Nacht in einem anderen Hotel übernachtet.559

556

LG Heidelberg VersR 1968, S. 54. Vgl. vor allem die Kritik von Helm, Gutachten, S. 372 ff. 558 So zu Recht Medicus, BR, § 18 I 2 c, Rn. 424. 559 Urteil des Gerichtspräsidenten Biel SJZ 1950, 208 Nr. 76. Ein gleichgelagerter Fall ging im Jahre 1978 durch die Tagespresse. Auch hier war ein Wintersportler abends nicht in sein Hotel zurückgekehrt, woraufhin seine Freunde ein Unglück befürchteten und den Rettungsdienst alarmierten. Die Bergrettung suchte mit einer 30 Mann starken Mannschaft und einem Hubschrauber das Gebiet und die Pisten erfolglos ab (Kosten ca. DM 10.000). Der Totgeglaubte erschien am nächsten Tag unversehrt. Er hatte die Nacht bei einer schönen Unbekannten verbracht, der er auf der Skipiste begegnet war und hatte aus Gründen der Diskretion nicht telefoniert (vgl. Stoll, S. 411). 557

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Das Urteil des Gerichtspräsidenten von Biel sprach auch hier den Rettern Ersatz ihrer Kosten aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Die Geschäftsbesorgung habe im Moment der Übernahme nach dem Urteil eines verständigen Menschen als für den Geschäftsherrn nützlich im Sinne von Art. 422 OR bezeichnet werden können. Es befriedige nicht, wenn das Gesetz in einem solchen Falle dem Geschäftsführer ohne Auftrag keine Ansprüche gegenüber dem Geschäftsherrn gäbe, der die Suchaktion und die Sorgen des Hotelpersonals, des Obmanns der Rettungsstation und des Führerobmannes durch eine telefonische Mitteilung leicht hätte verhindern können.560 Diese Entscheidung ist nach der in der Schweiz geltenden Rechtslage konsequent. Die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung bemisst sich danach, ob sie aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Position des Geschäftsführers geboten war. Durften die Retter deshalb aufgrund der ihnen erkennbaren Umstände davon ausgehen, dass eine Gefahrenlage existierte, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall war, hat der nur vermeintlich Hilfsbedürftige wegen des objektiv zu bestimmenden Nutzens die Kosten der Hilfeleistung zu ersetzen.561 Auch nach österreichischem Recht562 steht dem Retter in Fällen vermeintlicher Gefahr ein Anspruch auf Ersatz seiner Hilfeleistungsaufwendungen aus § 1036 ABGB zu, wenn er aufgrund der ihm erkennbaren Umstände von einer Notlage und dem Erfordernis einer Schadensabwendung ausgehen durfte, denn auch hier kommt es darauf an, wie ein objektiver Betrachter die dem Retter erkennbaren Umstände einschätzen durfte.563 Ein Anspruch nach § 1037 ABGB scheidet dagegen mangels tatsächlichen Vorteils der Rettungsaktion für den vermeintlich Hilfsbedürftigen von vornherein aus. Während also nach deutschem Recht der Bergrettung in vermeintlichen Notfällen kein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu560

Gerichtspräsident Biel SJZ 1950, 208 Nr. 76, S. 210. Vgl. ZK-Schmid, Art. 422 N. 17, 22 f.; Hofstetter, SPR VII/6, S. 260, 262. Das hier geschilderte Urteil wird in der schweizerischen Literatur durchweg als Beispiel für die Beurteilung eines gebotenen Interesses aufgeführt. Anderer Ansicht ist Schmid (S. 95), der in der Benachrichtigung der Bergrettung durch den Hotelier einen rechtsverbindlichen Auftrag sehen will mit der Folge, dass die direkte Inanspruchnahme des vermissten Gastes aufgrund der anderweitigen Pflichtenbindung der Bergrettung ausscheiden müsse. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen, denn anhand der erkennbaren Umstände aus Sicht der Bergrettung ist nicht davon auszugehen, dass der Hotelier eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben wollte mit der Folge, dass er selbst für die Kosten des Rettungseinsatzes einstehen muss [vgl. oben 2. Kapitel B. I. 2. b)]. 562 Einschlägige Rechtsprechungsbeispiele zu dem Fall der vermeintlichen Gefahr sind aus Österreich nicht bekannt (vgl. Meissel, S. 101 ff., der sich ebenfalls der hier geschilderten Beispiele aus der deutschen und schweizerischen Rechtsprechung bedient). 563 So grundsätzlich KBB-Koziol, § 1036 Rz. 3; Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040 Rz. 1; Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 1; OGH JBl. 1984, 256; zur einschränkenden Auffassung Meissels, S. 101 ff., s. sogleich. 561

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steht, kann sie in Österreich und der Schweiz Ersatz ihrer Kosten verlangen, wenn der objektive Anschein der Notlage den Einsatz rechtfertigt. b) Korrekturbestrebungen Die Verteilung des Prognose- und des damit verbundenen Lastenrisikos nach den jeweiligen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag wird bei vermeintlichen Notlagen in allen drei Ländern kritisch hinterfragt. aa) Aufwendungsersatz gestützt auf den Rechtsgedanken des § 680 BGB In Deutschland wird die Belastung des Nothelfers mit dem Prognoserisiko bezüglich der Nützlichkeit seiner Hilfeleistung mitunter als unbefriedigend empfunden und als dem Gedanken der Förderung von Hilfsbereitschaft abträglich eingestuft. Es gibt deshalb zahlreiche Bestrebungen, den Nothelfer entgegen dem strengen subjektiven Prinzip wegen seiner guten Absichten besser zu stellen und ihm trotz des von vornherein nicht realisierbaren Nutzens für den nur vermeintlich Hilfsbedürftigen einen Ersatzanspruch zuzusprechen.564 Bei vermeintlichen Notlagen wendet die herrschende Lehre in Deutschland das Haftungsprivileg des § 680 BGB an, wenn sich der Geschäftsführer über das Vorliegen einer dringenden Gefahr unverschuldet bzw. nur leicht fahrlässig irrte. Dem Hilfeleistenden sei aufgrund seiner förderungswürdigen Absichten auch dann das Haftungsprivileg des § 680 BGB zuzubilligen, wenn keine Notlage existiert.565 Einige Autoren knüpfen an den Gedanken der Haftungsprivilegierung des Nothelfers an und wollen dem Hilfeleistenden darüber hinaus gestützt auf die Privilegierungsintention des § 680 BGB auch einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen bzw. der bei der Hilfeleistung erlittenen Schäden gewähren.566 Wenn das Haftungsprivileg des § 680 BGB bei einer nur vermeintlichen Gefahr eingreife, dann dürfe man – so die Argumentation Dietrichs – für die Schadensverteilung nicht zwei unterschiedliche Maßstäbe anwenden. Während ein Schadensersatzanspruch des Geschäftsherrn gegen den Helfer unabhängig vom Vorliegen einer Notlage und nur bei grob fahrlässigem Irrtum über das Vorliegen einer Gefahr gegeben sei, könne der Nothelfer seinerseits Ersatz von Schä564 Vgl. hierzu insgesamt Stoll, S. 411 ff.; Staudinger-Bergmann, § 680 Rn. 12 f. Dieses Bedürfnis liegt offenbar auch der Argumentation des Landgerichts Heidelberg zugrunde, s. o. 565 Vgl. Staudinger-Wittmann, § 680 Rn. 5 (anders Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 13); Soergel-Beuthien, § 680 Rn. 8; Erman-Ehmann, § 680 Rn. 2; Batsch, AcP 171 (1971), S. 218, 222 Fn. 11; Dietrich, JZ 1974, 534, 539; RGRK-Steffen, § 680 Rn. 7; Palandt-Sprau, § 680 Rn. 2. 566 Erman-Ehmann, § 680 Rn. 5, 6; Soergel-Beuthien, § 680 Rn. 8; Dietrich, JZ 1974, 537 ff.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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den, die er bei dem Versuch erleidet, eine – wenn auch nur vermeintliche – drohende dringende Gefahr abzuwehren, trotz der förderungswürdigen Absichten nur erhalten, wenn sein Handeln tatsächlich dem Interesse und Willen des Hilfsbedürftigen entspricht. Während dem Nothelfer im ersten Fall also seine gute Absicht zugute gehalten werde, spiele sie im zweiten Fall keine Rolle. Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt. Da eine spontane und selbstlose Hilfeleistung auch förderungswürdig sei, wenn sich der Helfer schuldlos über das Vorliegen der Gefahrenlage irrt, müsse sich die Haftungsmilderung entsprechend auch auf den Maßstab für seinen Ersatzanspruch auswirken. In diesen Sonderfällen müsse deshalb der Maßstab des § 680 BGB dem des § 683 S. 1 BGB ausnahmsweise vorgehen, solange sich der Geschäftsführer schuldlos über die Notlage irrt.567 Die Entschädigung des Nothelfers in vermeintlichen Notsituationen nach dem Gedanken des § 680 BGB ist jedoch aus zwei Gründen verfehlt. Zunächst ist das Haftungsprivileg des § 680 BGB, wie Wollschläger nachgewiesen hat, entgegen der herrschenden Lehre seinem Regelungszweck nach schon nicht auf die Fälle vermeintlicher Gefahrenlagen anwendbar.568 Seine Entstehungsgeschichte zeigt, dass die Haftungsprivilegierung lediglich bezweckte, den Notgeschäftsführer vor unsachgemäßen haftungsrechtlichen Konsequenzen zu schützen. Der Empfänger der Hilfe sollte nicht zweifach begünstigt werden, indem er zu dem tatsächlichen Rettungsversuch noch die Chance erhält, aus einem Fehlverhalten des Helfers den Geldwert als Schadensersatz liquidieren zu können.569 Das Haftungsprivileg, das demnach auf die Fälle tatsächlicher Notlagen Anwendung finden sollte, würde einen anderen Sinn erhalten, wenn man es auf Fälle nur vermeintlicher Notlagen ausdehnt, weil es sich dann nicht mehr gegen eine Doppelbegünstigung des Geschäftsherrn richtet, sondern allein das Handeln in guter Absicht belohnt. Zudem ist die Fahrlässigkeit bei der irrtümlichen Annahme von Gefahrenlagen nicht anders zu bewerten, als jedes andere Verschulden beim Eingriff in fremde Rechtsgüter. Einer besonderen Klarstellung durch § 680 BGB bedurfte es diesbezüglich nicht. Auch die Judikatur bejaht, ohne allerdings konkret auf die Streitfrage einzugehen, im Ergebnis mit Recht § 680 BGB nur dann, wenn eine Gefahrenlage wirklich vorhanden ist.570 Auch unabhängig von der Frage nach der Anwendbarkeit des Haftungsprivilegs auf vermeintliche Notlagen ist ein auf den Gedanken des § 680 BGB gestützter Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers in vermeintlichen Notlagen abzulehnen. Eine solche ausnahmsweise Privilegierung für den besonderen Fall 567

Dietrich, JZ 1974, 538 f. Wollschläger, S. 277 ff.; zuvor bereits in diesem Sinne Berg, JuS 1975, 681, 686; vgl. ebenfalls MüKo-Seiler, § 680 Rn. 5. 569 Wollschläger, S. 279 f.; a. A. Wittmann, S. 135. 570 MüKo-Seiler, § 680 Rn. 5 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen (Fn. 18); vgl. zum Meinungsstand Staudinger-Bergmann, § 680 Rn. 12 f. 568

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der Hilfeleistung in (vermeintlichen) Notfällen ähnlich der Differenzierung in § 1036 und § 1037 ABGB wäre nicht sach- und systemgerecht. Der zum Schutz des Geschäftsherrn von den Gesetzesverfassern bewusst auch für Gefahrenlagen gewählte,571 (strenge) individuell-subjektive Nützlichkeitsmaßstab des § 683 S. 1 BGB würde weitgehend entwertet, wenn es für die Lastenverteilung in vermeintlichen Notfällen auf die Sicht eines objektiven Betrachters in der Person des Geschäftsführers ankäme. Entgegen dem intendierten Einmischungsschutz würde dem Geschäftsherrn – wie gerade die Fälle der Bergrettung zeigen – ein u. U. erhebliches, nicht mehr zumutbares Kostenrisiko aufgebürdet.572 Gerade in (vermeintlichen) Notsituationen und insbesondere bei Notrufen über ein allgemeines Meldesystem wird ein Helfer bzw. die Bergrettung mangels Möglichkeit gründlicher Nachforschungen häufig objektiv von einer Notlage ausgehen dürfen (und im Zweifel wegen ihres öffentlichen Auftrags auch müssen). Wird dem scheinbar Hilfsbedürftigen das Prognose- und damit auch das Kostenrisiko einer vergeblichen Rettungsaktion auferlegt mit dem Argument, der Einsatz der Retter sei wegen der guten Absichten förderungswürdig,573 steht nicht der (potentielle) Nutzen des Geschäftsherrn als Grund für die Schadloshaltung des Geschäftsführers im Vordergrund, sondern das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden gesellschaftlichen Hilfsbereitschaft und, im Falle einer Rettungsorganisation, einer möglichst effektiven institutionalisierten Gefahrenabwehr. Dann aber erscheint es vorzugswürdig, auch die Allgemeinheit mit dem Prognoserisiko zu belasten,574 nicht aber den vermeintlich hilfsbedürftigen Geschäftsherrn, dessen Einmischungsschutz sonst deutlich beschränkt würde.575 Die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag für das konkrete Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr vorgesehene Balance zwischen Schadloshaltungs- und Einmischungsschutzinteresse würde durch die Berücksichtigung von 571 Mot. II, 862: „Insbesondere wird eine solche Abweichung [von den allgemeinen Grundsätzen] nicht durch die Besorgnis gerechtfertigt, dass bei dem Mangel einer den Geschäftsführer schützenden Vorschrift viele erwünschte Geschäftsführungen unterbleiben würden und darunter das allgemeine Beste leiden müsste. [. . .] Nicht einmal für Fälle, wenn zur Abwendung eines Nachtheiles oder einer dringenden Gefahr von dem Geschäftsherrn von dem Geschäftsführer eingegriffen wurde, ist eine besondere Ausnahme zu statuieren [. . .].“ 572 Ebenso Stoll, S. 411, 413 ff., u. a. zum Beispiel des Gerichtspräsidenten Biel SJZ 1950, 208 Nr. 76. 573 So explizit Schmid, S. 132. („Wegleitend muss der Gedanke sein, sozial erwünschte Hilfsaktionen [. . .] zu fördern.“) 574 So auch Meissel, S. 109. Dies könnte etwa durch die Abrechnung eines Fehleinsatzes gegenüber dem zuständigen Rettungsdienstträgers erfolgen, so dass die Kosten letztlich vom Steuerzahler zu tragen sind. Für geschäftsführungsspezifische Schäden des Retters aus seiner Hilfeleistungstätigkeit ist dieser Schritt bereits insoweit vollzogen worden, als er etwa in Deutschland den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung genießt (vgl. dazu 4. Teil, 4. Kapitel). 575 Vgl. auch Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 13 („weitgehende Schutzlosstellung des Geschäftsherrn“).

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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nicht in dieses individuelle Ausgleichssystem passenden Interessen der Allgemeinheit aus dem vorgesehenen Gleichgewicht gebracht. Auch ist zu bedenken, dass es – soweit nicht der Einsatz einer „professionellen“ Rettungsorganisation, sondern die Nothilfe durch Private in Rede steht – wie im Fall des Landgerichts Heidelberg meist weniger um Aufwendungen als um den Ersatz von Schäden gehen wird, die sich der private Nothelfer bei seinem Hilfeleistungsversuch aufgrund einer vermeintlichen Notlage zugezogen hat. Gegen Belastungen aus derartigen Nothilfeschäden ist der private Nothelfer aber auch bei einer nur vermeintlichen Notlage bereits durch die gesetzliche Unfallversicherung576 weitgehend geschützt,577 so dass die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf Schäden des Nothelfers ohnehin fraglich ist.578 Im Endeffekt scheint somit auch praktisch wenig Anlass für die Aufweichung des subjektiven Prinzips zu bestehen, wenn in den Fällen vermeintlicher Notlagen hohe (Rettungs-)Aufwendungen vor allem durch professionelle Rettungsorganisationen zu erwarten sind, diese Rettungskosten jedoch vorzugswürdig von der Allgemeinheit getragen werden sollten, in deren Interesse die Einleitung eines Rettungseinsatzes auch bei einer vermeintlichen Gefahrenlage erfolgt, und Schäden privater Nothelfer auch in vermeintlichen Gefahrenlagen ohnehin durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt werden. Die unterschiedlichen „Haftungsmaßstäbe“ von Geschäftsführer und Geschäftsherr, die Auffassung der herrschenden Lehre unterstellt, sind entgegen der Auffassung Dietrichs sachlich gerechtfertigt, denn sie entsprechen gerade der Systematik und der Wertentscheidung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag hinsichtlich einer Balance der sich gegenüberstehenden Interessen. Die gegenseitigen („Schadens“-)Ersatzansprüche des Helfers und des Hilfsbedürftigen sind nämlich nur in ihrer Bezeichnung vergleichbar, sie beruhen aber auf verschiedenen (gerade nicht vergleichbaren) Gründen. Der Geschäftsführer haftet wegen seiner auftraglosen, ungefragten Einmischung dem Geschäftsherrn für verursachte Schäden grundsätzlich streng und soll nach der herrschenden Lehre durch das Haftungsprivileg zur Förderung guter Absichten von dieser strengen Haftung nur ausnahmsweise ausgenommen sein. Grund für die Schadloshaltung des Geschäftsführers, also die „Haftung des Geschäftsherrn“, ist aber gerade kein irgendwie geartetes Fehlverhalten, sondern neben der fremdnützigen 576

Vgl. etwa § 2 Abs. 1 Nr. 13a, § 13 SGB VII; § 176 Abs. 1 Nr. 2 ASVG. Vgl. Schmitt, § 2 Rn. 87: Grundsätzlich ist zwar zu verlangen, dass eine akute Gefahr objektiv besteht. Angesichts der Tatsache, dass der Handelnde sich häufig schnell entscheiden muss, darf der Versicherungsschutz ihm aber nicht versagt werden, solange er aus den Gesamtumständen den berechtigten Schluss ziehen konnte, eine gegenwärtige Gesundheitsgefahr sei gegeben. 578 Vgl. hierzu ausführlich 4. Teil, 4. und 5. Kapitel. 577

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Interessenwahrnehmung letztlich allein der (potentielle) Nutzen seines Handelns für den Geschäftsherrn.579 Das „Haftungsprivileg“ lässt sich deshalb wegen des unterschiedlichen Rechtsgrundes für die Ersatzansprüche nicht von der Haftung des Geschäftsführers auf den Aufwendungsersatzanspruch „übertragen“.580 bb) Verschulden bzw. Zurechenbarkeit als Einschränkungskriterien Da es in der Schweiz und in Österreich (Art. 422 Abs. 1 OR und § 1036 ABGB) bei der Beurteilung der Nützlichkeit auf die Sicht eines objektiven Betrachters in der Position des Geschäftsführers ankommt, trägt hier der vermeintlich Hilfsbedürftige das Risiko einer schuldlos falschen Prognose durch die Retter. Gegen diese Risikoverteilung werden die oben bereits angeführten Bedenken erhoben. Der Geschäftsherr werde über Gebühr belastet, da er ohne schuldhafte Veranlassung bzw. Steuerungsmöglichkeit u. U. für erhebliche Kosten hafte.581 Eine Einschränkung dieses teilweise als unbillig empfundenen Ergebnisses soll dadurch erzielt werden, dass die Belastung des vermeintlich Hilfsbedürftigen mit den Kosten der für ihn von Beginn an unnützen Rettungsaktion nur zu rechtfertigen sei, wenn ihm der Anschein der Notlage wenigstens zuzurechnen bzw. von ihm verschuldet sei.582 579

Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 45. Die Gesetzesverfasser weisen ausdrücklich darauf hin, dass für actio directa und actio contraria unterschiedliche Maßstäbe bestehen. (Vgl. Schubert/v. Kübel, S. 4; Mot. II, 861: „Die Voraussetzungen der actio directa und der actio contraria sind hiernach verschieden. Während der Geschäftsführer hinsichtlich seiner Pflichten und seiner Verantwortlichkeit für Schaden frei wird, wenn und soweit er trotz Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters die Intentionen des Geschäftsherrn nicht erkannt und anders gehandelt hat, als dieselben erfordert hätten, genügt zur Begründung der actio contraria nicht der Nachweis, dass der die Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters allgemein und insbesondere auch nach der Richtung angewendet habe, um die Intentionen des Geschäftsherrn zu erfahren und nach ihnen sich zu richten, wenn gleichwohl das Richtige oder das jenen Intentionen Entsprechende von ihm nicht getroffen wurde.“) 581 Meissel, S. 104 f.; Schmid, S. 132. 582 Meissel, S. 104 ff., der ein „Minimum an Zurechenbarkeit“ fordert. Dieser Gedanke liegt wohl auch der Entscheidung des Gerichtspräsidenten Biel (SJZ 1950, 208 Nr. 76) zugrunde, wenn es dort zur Begründung heißt, der vermisste Gast habe die Suchaktion durch eine telefonische Mitteilung leicht verhindern können. Schmid, S. 131 f., will differenzieren. Grundsätzlich müsse der vermeintlich Hilfsbedürftige den Anschein der Notlage zu vertreten haben. Bei einer vermeintlichen Gefahr für Leib oder Leben des Geschäftsherrn sei aber doch auf jegliches Zurechenbarkeits- bzw. Verschuldenskriterium zu verzichten. Wegleitend müsse der Gedanke sein, sozial erwünschte Hilfsaktionen in solchen Entscheidungslagen, in denen für den Geschäftsherrn existentiell wichtige Fragen auf dem Spiele stehen (können), zu fördern. Auch die deutschen Autoren, die sich für einen Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers bei vermeintlichen Gefahrenlagen aussprechen, wollen die schuldhafte Veranlassung des Scheins der Notlage zur einschränkenden Voraussetzung machen, vgl. Erman-Ehmann, § 680 Rn. 5 („schuldhaft veranlasst“); Soergel-Beuthien, § 680 Rn. 8 („zumindest fahrlässig den Eindruck hervorgerufen“). 580

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Eine sachgemäße, mit dem (Interessen-)Ausgleichssystem der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vereinbare Einschränkung der Risikoverteilung zu Lasten des Nothelfers bei vermeintlicher Gefahr ist durch ein Zurechenbarkeits- oder Verschuldenserfordernis nicht zu erreichen. Der Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag hat seine Grundlage nach allen drei Rechtsordnungen allein in der (potentiellen) Nützlichkeit (utiliter gestum) der Hilfeleistung. Verschulden oder Zurechenbarkeit spielen für die actio contraria keine Rolle und unterscheiden sie von deliktsrechtlichen Ansprüchen.583 Die Einschränkungsversuche unter Bezugnahme auf ein Vertretenmüssen des Anscheins einer Gefahrenlage zeigen, dass sich ein schlüssiger Grund für die Erstattungspflicht des Geschäftsherrn aus den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gerade nicht entnehmen lässt. Vielmehr legen sie nahe, einen solchen Anspruch im Deliktsrecht zu suchen.584 In das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag passt ein Verschuldens- oder Zurechenbarkeitsmerkmal jedenfalls nicht.585 c) Erledigung vor Übernahme der Geschäftsbesorgung Da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Nützlichkeit des Rettungseinsatzes in allen drei Rechtsordnungen der Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung ist,586 steht der nachträgliche Wegfall der Erfolgsmöglichkeit dadurch, dass sich die Notlage nach Einleitung der Rettungsmaßnahmen erledigt, 583 Zur Abgrenzung des Aufwendungsersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag vom deliktischen, verschuldensabhängigen Ausgleichssystem vgl. Wittmann, S. 1. 584 Vgl. v. Hippel, S. 171, 173 ff.; Nökel, S. 108 ff.; Zimmermann, FamRZ 1979, 103 ff. Zur möglichen Haftung aus Delikt s. u. 4. Teil. 585 So auch Stoll, S. 418 ff., der die Geschäftsführung ohne Auftrag als Grundlage eines Ersatzanspruchs des Nothelfers bei einem durch den vermeintlich Hilfsbedürftigen verschuldeten Gefahrenanschein konsequent ablehnt. Er selbst befürwortet einen Anspruch auf Kostenerstattung als deliktsähnliche Billigkeitshaftung in Anlehnung an § 829 BGB, da der Verursacher des Anscheins der Notlage keinen deliktischen Haftungstatbestand verwirkliche, wenn er sich selbst nicht rechtswidrig verhält (S. 423). Da die Rechtsordnung die Selbstgefährdung nicht verbietet, hält er die indirekte Einführung eines solchen Verbots durch die Statuierung einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, die Selbstgefährdung mit Rücksicht auf potentielle Helfer zu unterlassen, für bedenklich. Wenn er sich aber auf deliktsrechtliche Grundsätze beruft, in deren Kategorie auch § 829 BGB gehört, kann er einen Ersatz von Schäden des Nothelfers, nicht aber von reinen Vermögenseinbußen begründen. Er geht mit seinem Billigkeitsanspruch deshalb über die Prinzipien des Deliktsrechts hinaus und führt zugunsten der Menschenhilfe ein neben Verschuldens- und Gefährdungshaftung drittes Haftungsprinzip ein, dass die Gesetzesverfasser aber – wie er selbst eingesteht – gerade abgelehnt haben (Mugdan II, 1298 f.). In diese Richtung ebenfalls Nef, S. 369. 586 ZK-Schmid, Art. 422 N. 14; Schmid, S. 125; Lischer, S. 53, 55; Meissel, S. 103; Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040 Rz. 1; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 20 m.w. N.; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 2 f.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

einem Aufwendungsersatzanspruch der Bergrettung grundsätzlich nicht entgegen.587 Der Aufwendungsersatzanspruch ist dann allenfalls auf der Rechtsfolgenseite begrenzt auf die Aufwendungen, die die Bergrettung aus ihrer Sicht für erforderlich halten durfte.588 Sobald sie erkennt, dass es sich um einen Fehlalarm handelt, muss sie den Einsatz abbrechen. Wenn sich aber die Notlage vor Beginn des Rettungseinsatzes erledigt, zum Zeitpunkt der Übernahme (Einleitung des Rettungseinsatzes) also kein Hilfeleistungsbedürfnis mehr besteht, etwa weil sich der Hilfsbedürftige selbst befreien konnte oder bereits durch eine andere Seilschaft in Sicherheit gebracht worden ist, dann handelt es sich für die Bergrettung um einen – soeben erörterten – vermeintlichen Notfall. Der Umstand, dass zwar zunächst tatsächlich eine Notlage existierte, führt zu keiner von den oben angestellten Überlegungen abweichenden Bewertung. Nach österreichischem und schweizerischem Recht spielt ein solcher Erledigungszeitpunkt ohnehin keine Rolle, denn die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung und damit der Aufwendungsersatzanspruch der Bergrettung hängt im Ergebnis nicht von der tatsächlichen Existenz einer Notlage ab, sondern davon, dass die Bergrettung aufgrund der ihr erkennbaren Umstände objektiv von der Notwendigkeit eines Einsatzes ausgehen durfte. Nach deutschem Recht hingegen ist der Zeitpunkt, zu dem sich der Rettungseinsatz erledigt, entscheidend, da es hier für die Beurteilung der Nützlichkeit auf den Willen des Geschäftsherrn und auf seine Sicht ankommt. Entfällt sein Hilfeleistungsbedürfnis vor Beginn des Rettungseinsatzes und kann er dies erkennen, entspricht die Hilfeleistung nicht mehr seinem Willen bzw. objektiv-individuellen Interesse. Der Bergrettung steht dann mangels anfänglicher Nützlichkeit ihres Handelns kein Aufwendungsersatzanspruch zu. Ob der Bergrettung ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zusteht, entscheidet sich in Deutschland somit letztlich zufällig, nämlich danach, ob die Erledigung kurz vor oder erst nach Beginn des Rettungseinsatzes eintrat und der Geschäftsherr den Wegfall des Hilfeleistungsbedürfnisse aus seiner Sicht erkennen konnte. d) Zusammenfassung Nach deutschem Recht steht der Bergrettung ein Aufwendungsersatzanspruch nicht zu, wenn sie zwar anhand der ihr erkennbaren Umstände vom Vorliegen eines Notfalls ausgehen konnte, ein solcher zum Zeitpunkt des Einsatzbeginns tatsächlich aber nicht oder nicht mehr existierte. Nach dem strengen Maßstab des § 683 S. 1 BGB (subjektives Prinzip) ist der Umstand, dass eine Notlage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung tatsächlich nicht 587 Palandt-Sprau, § 683 Rn. 3; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 21 f. m.w. N.; BKWeber, Art. 422 N. 2; Schmid, S. 125; KBB-Koziol, § 1036 Rz. 4; Meissel, S. 103. 588 Hierzu sogleich.

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vorlag, für die Beurteilung der Nützlichkeit entscheidend. Kann der Geschäftsherr diesen Umstand erkennen, entspricht die Rettungsaktion nicht seinem (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen. Eine Korrektur dieses Ergebnisses in vermeintlichen Notlagen nach dem Grundgedanken des § 680 BGB ist mit dem von den Gesetzesverfassern bewusst gewählten strengen Einmischungsschutz auch für Notfälle nicht vereinbar und würde diesen Schutz des Geschäftsherrn weitgehend entwerten. Die Berücksichtigung von Allgemeininteressen widerspräche zudem der Funktion der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn herbeizuführen. Auch praktisch scheint für eine Korrektur zugunsten des Nothelfers kein ausreichender Anlass zu bestehen. Allenfalls können sich – wie die Diskussion um eine Einschränkung der Risikoverlagerung auf den Geschäftsherrn deutlich macht – deliktsrechtliche Ansprüche des Nothelfers ergeben, wenn der vermeintlich Hilfsbedürftige den Anschein der Notlage schuldhaft herbeigeführt hat.589 Nach geltendem Recht in der Schweiz und in Österreich muss der nur vermeintlich Hilfsbedürftige hingegen grundsätzlich für die Kosten eines Rettungseinsatzes bei einem Fehlalarm aufkommen, solange die Retter bei sorgfältiger Analyse der ihnen erkennbaren Sachlage von einer Notlage ausgehen durften. Dieses teilweise als unbillig empfundene Ergebnis lässt sich mit Hilfe eines Zurechenbarkeits- oder Verschuldenskriteriums nicht sachgemäß korrigieren, da diese Elemente der Systematik der Geschäftsführung ohne Auftrag auch in diesen Ländern fremd und vielmehr dem Deliktsrecht zuzuordnen sind. 2. Zweifel an der Nützlichkeit der Durchführung des Rettungseinsatzes Liegt zu Beginn des Einsatzes tatsächlich (noch) eine Notlage vor, entspricht der Einsatz der Bergrettung im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Initiierung regelmäßig dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Hilfsbedürftigen, und der Einsatz deckt sich sowohl aus Sicht des Geschäftsführers als auch aus Sicht des Geschäftsherrn mit dem objektiven(-individuellen) Interesse des Hilfsbedürftigen. Unabhängig von der Betrachtungsperspektive ist die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung als solche dann grundsätzlich zu bejahen. Der Bergrettung steht ein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen nach den Vorschriften über 589 Vgl. hierzu 4. Teil. Ein solcher Anspruch aus unerlaubter Handlung aber würde dem Nothelfer jedenfalls nach deutschem Recht nur zum Ersatz der bei Durchführung der Hilfeleistung erlittenen (Personen- und Sach-)Schäden verhelfen. Die Erstattung von Hilfeleistungsaufwendungen bliebe ihm regelmäßig verwehrt, da reine Vermögensschäden nach den §§ 823 ff. BGB nur ausnahmsweise erstattungsfähig sind (vgl. etwa § 826 BGB). Entgeltansprüche für (Fehl-)Einsätze aufgrund vermeintlicher Notlagen könnte die Bergrettung als reine Vermögensschäden damit auch über Deliktsrecht regelmäßig nicht geltend machen, selbst wenn der vermeintlich Hilfsbedürftige schuldhaft, aber nicht absichtlich den Anschein einer Notlage erweckt hat.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

die Geschäftsführung ohne Auftrag unabhängig davon dem Grunde nach zu, ob sich der Rettungseinsatz letztlich als erfolgreich und damit tatsächlich nützlich erweist.590 Der Nutzen der Hilfeleistung für den Hilfsbedürftigen kann – wie eingangs bereits angesprochen – aber trotz zunächst existenter Notlage insgesamt zweifelhaft und ein (voller) Aufwendungsersatzanspruch ungerechtfertigt erscheinen. Das ist der Fall, wenn die konkrete Durchführung der Rettung zum konkreten (tatsächlichen) Nutzen für den Hilfsbedürftigen in einem groben Missverhältnis steht und Umstände hierfür schon zu Beginn der Hilfeleistungstätigkeit erkennbar waren. Der Geschäftsherr ist nicht nur hinsichtlich des „Ob“ der Hilfeleistung, sondern auch hinsichtlich der Art und Weise der Hilfeleistung („Wie“) und der damit zusammenhängenden Höhe an Aufwendungen schutzbedürftig. Er darf nicht mit überzogenen Kosten einer per se nützlichen Tätigkeit belastet werden, da ansonsten der Hilfe leistende Geschäftsführer aus seiner guten Tat nach eigenem Dafürhalten ein „gutes Geschäft“ machen und dem Geschäftsherrn so (teilweise) unnützen Aufwand aufdrängen könnte. Zum Schutz des Geschäftsherrn bedarf es also auch einer Begrenzung des zu erstattenden Aufwendungsumfangs. Dem Schutz des Geschäftsherrn vor einer Belastung mit übermäßigen Kosten (Aufwendungen) tragen die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf der Rechtsfolgenseite dadurch Rechnung, dass der Geschäftsführer nicht sämtliche, sondern nur die „den Umständen nach erforderlichen“,591 „notwendigen oder nützlichen und den Verhältnissen angemessenen“592 bzw. „notwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwendungen“593 ersetzt verlangen kann. Diese Beschränkung des Aufwendungsersatzanspruchs auf ein objektiv angemessenes Maß wird in allen drei Rechtsordnungen aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Person des Geschäftsführers beurteilt.594 Es kommt darauf an, ob der Geschäftsführer die Art und Weise der Geschäftsbesorgung objektiv als angemessen beurteilen durfte. Wenn also zum hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung – Beginn der Rettungsaktion – die jeweiligen Voraussetzungen für die Nützlichkeit vorlagen, wird dem Geschäftsführer hinsichtlich der konkreten Durchführung der Rettungsaktion ein gewisser Spielraum 590

Vgl. oben 1. c). § 670 BGB, auf den § 683 S. 1 BGB verweist („wie ein Beauftragter Ersatz verlangen“), vgl. dazu Staudinger-Wittmann, § 683 Rn. 4; Palandt-Sprau, § 683 Rn. 8; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 16; Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 4c, S. 22; Larenz, SR II/1, § 57 I b, S. 448. 592 Art. 422 Abs. 1 OR; vgl. hierzu ZK-Schmid, Art. 422 N. 43. 593 § 1036 ABGB; vgl. Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040 Rz. 10 f.; Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 3. 594 Staudinger-Wittmann, § 670 Rn. 9; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 47; SoergelBeuthien, § 670 Rn. 5; MüKo-Seiler, § 670 Rn. 9; Palandt-Sprau, § 670 Rn. 4; für die Schweiz: BK-Weber, Art. 422 N. 6; Hofstetter, SPR VII/6, S. 264 f.; Honsell, OR BT, S. 328; für Österreich: Apathy/Riedler, BR III SR BT, § 16 Rz. 11; Meissel, S. 171. 591

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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eingeräumt.595 Solange die Bergrettung die konkret für den Einsatz gewählten Rettungsmaßnahmen und -mittel den äußeren Umständen nach für erforderlich halten durfte, kann sie die hierfür anfallenden Kosten vom Hilfsbedürftigen ersetzt verlangen. Wie eingangs bereits aufgezeigt, lassen sich die beiden Entscheidungen des Geschäftsführers über das „Ob“ und „Wie“ der Geschäftsbesorgung, d.h. über ihre Übernahme und ihre Durchführung gerade in den Fällen der Bergrettung häufig nur schwer voneinander trennen, da die Bergrettung auf unsicherer Tatsachenbasis und ohne Gewissheit über die weitere Entwicklung der Notsituation über die Einleitung und die konkreten Maßnahmen eines Einsatzes bereits zu Beginn abschließend befindet. Dann ist eine Art „Kosten-Nutzen-Rechnung“ bzgl. der Durchführung („Wie“) bereits für die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung zum Zeitpunkt ihrer Übernahme („Ob“) relevant.596 Wo aber verläuft die Grenze zwischen einer nützlichen, jedoch in ihrem Umfang nur eingeschränkt erstattungsfähigen (berechtigten) Geschäftsbesorgung und einer von vornherein nicht nützlichen, einen Aufwendungsersatzanspruch ausschließenden (unberechtigten) Geschäftsbesorgung? In Österreich und der Schweiz beurteilen sich die Nützlichkeit der Fremdgeschäftsbesorgung als solche („Ob“) bei der Übernahme und die Angemessenheit des Aufwands bei der Durchführung der Geschäftsbesorgung im Verhältnis zum angestrebten Erfolg auf der Rechtsfolgenseite („Wie“) nach demselben Maßstab.597 Die angesprochenen Abgrenzungsschwierigkeiten haben hier deshalb keine besondere Bedeutung. Beide Entscheidungsvoraussetzungen sind „geschäftsführer-freundlich“ ausgestaltet. Er verliert den Aufwendungsersatzanspruch ganz oder teilweise nur dann, wenn er die ihm erkennbare Sachlage sorgfaltswidrig hinsichtlich der Übernahme oder der Durchführung der Hilfeleistung falsch einschätzt. Ungleich problematischer stellt sich die Situation nach deutschem Recht dar. Hier tritt mit der Übernahme der Geschäftsbesorgung ein Perspektivwechsel ein, der einen unterschiedlichen Maßstab für die Beurteilung der Nützlichkeit mit sich bringt. Die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung als solche („Ob“) ist zum Zeitpunkt ihrer Übernahme nach dem strengen subjektiven Prinzip aus Sicht des Geschäftsherrn zu beurteilen (§ 683 S. 1 BGB), die Nützlichkeit der konkreten Ausführung der Geschäftsbesorgung („Wie“) hingegen aus Sicht eines objektiven 595 Meissel, S. 171; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 8; Lischer, S. 57 f. (Grenze ist die schuldhafte Verkennung des Geschäftsherreninteresses). Mit der konkret geplanten Geschäftsführung muss der Geschäftsherr auch nach deutschem Recht nicht einverstanden sein, vgl. Martinek, in: Staudinger/Eckpfeiler, S. 814; a. A. Gursky, AcP 185 (1985), 13, 45. 596 Vgl. auch Martinek, in: Staudinger/Eckpfeiler, S. 814. 597 Anders allerdings § 1037 ABGB, der auf den sich nachträglich ergebenden tatsächlichen Erfolg der Geschäftsbesorgung abstellt.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Betrachters in der Position des Geschäftsführers (§ 670 BGB). Hierüber besteht heute Einigkeit,598 auch wenn der Wortlaut in § 677 BGB hinsichtlich der Anforderungen an die Geschäftsbesorgungstätigkeit („Wie“)599 wegen der offensichtlichen Parallele zum Wortlaut in § 683 S. 1 BGB600 Anlass zu Zweifeln gibt601 und auch die Gesetzesverfasser zunächst nicht zwischen Übernahme und Durchführung der Geschäftsbesorgung getrennt und beides nach dem strengen subjektiven Prinzip beurteilt hatten.602 Der durch diesen Perspektivwechsel bedingte unterschiedliche Maßstab hinsichtlich der Nützlichkeit bei Übernahme und bei Durchführung der Geschäftsbesorgung erfordert angesichts der daraus folgenden Konsequenzen – ist ein Aufwendungsersatzanspruch mangels berechtigter Geschäftsführung zu verneinen oder ggf. „nur“ um unangemessene Aufwendungen zu kürzen? – eine klare Abgrenzung. Derartige Abgrenzungsfragen stellen sich, wenn der getätigte Rettungsaufwand zum tatsächlich erforderlichen Aufwand [a)] bzw. das bei einem Einsatz eingegangene Schadensrisiko des Retters zum beabsichtigten Erfolg [b)] in einem groben Missverhältnis steht, oder wenn sich die Rettungsmaßnahme vor Eintreffen der Retter erledigt [c)] und dies aufgrund erkennbarer Umstände bereits zu 598

Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 8, 20 m.w. N. „[. . .] hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert.“ 600 „Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn [. . .].“ 601 Das Verhältnis der beiden Merkmale (Interesse und Wille) in § 677 BGB ist umstritten, aber ohne erkennbare Bedeutung für die Praxis. Die h. M. hält das objektive Interesse aus Sicht des Geschäftsführers gegenüber dem Willen des Geschäftsherrn hier für vorrangig und rechtfertigt den unterschiedlichen Maßstab für die Ausführung der Geschäftsbesorgung trotz der Anlehnung des Wortlauts in § 677 BGB an den in § 683 S. 1 BGB mit den unterschiedlichen Funktionen beider Vorschriften. In § 677 BGB gehe es um den Handlungsmaßstab (und als Sanktion um die Schadensersatzpflicht) des Geschäftsführers. Mit der Entscheidung für den Vorrang des objektiven Merkmals werde dem Geschäftsführer – ohne Vermögensnachteil für den Geschäftsherrn – im Ergebnis „etwas mehr freie Hand“ (BGH LM § 683 Nr. 3) gelassen. Dagegen werde zum Schutz des Geschäftsherrn in § 683 BGB die Berechtigung des Geschäftsführers zum Aufwendungsersatz erschwert und vom Vorliegen sowohl des objektiven als auch des subjektiven Merkmals abhängig gemacht (vgl. hierzu MüKo-Seiler, § 677 Rn. 51 f. m.w. N.). 602 Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 4 f. In § 753 Abs. 1 E I war das subjektive Prinzip noch ohne Abstriche und ohne Unterscheidung zwischen Übernahme und Durchführung der Geschäftsbesorgung niedergelegt: „Wenn und soweit der Geschäftsführer dergestalt gehandelt hat, daß anzunehmen ist, es würde sein Verhalten von dem Geschäftsherrn bei Kenntnis der wirklichen Sachlage gebilligt worden sein, so hat der Geschäftsführer wie ein Beauftragter des Geschäftsherrn gegen diesen einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen und auf Befreiung von eingegangenen Verbindlichkeiten, auch wenn der durch die Geschäftsführung beabsichtigte Erfolg nicht eingetreten ist“ (vgl. Mugdan II, 480 ff.). Durch die 2. Kommission kam es dann zur Lockerung des subjektiven Prinzips jedenfalls für die Durchführung der Geschäftsbesorgung (vgl. Wittmann, S. 126 f.). 599

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Beginn des Rettungseinsatzes wahrscheinlich war. Diese Szenarien sollen zunächst anhand der nachfolgenden Beispiele veranschaulicht werden, bevor anschließend eine Auseinandersetzung aus Sicht der jeweiligen Rechtsordnung erfolgt [d)].603 a) Auseinanderfallen von scheinbar und tatsächlich erforderlichem Rettungsaufwand Eine erste Beispielsgruppe bilden die Fälle, in denen der Rettungseinsatz zwar erforderlich und auch erfolgreich war, der Umfang der getroffenen Maßnahmen gegenüber den tatsächlich erforderlichen Aufwendungen jedoch in einem groben Missverhältnis steht. Insoweit kann zweifelhaft sein, ob nicht das gewählte Rettungsmittel von vornherein dem Willen bzw. Interesse des Hilfsbedürftigen widersprach. In einem Fall des Landgerichts Köln ging es um die Einschätzung der tatsächlichen Gefährdung eines Hilfsbedürftigen. Ein kleines Kind war von einem PKW angefahren und verletzt worden. Ein Dritter forderte per Notruf professionelle Hilfe an. Ohne nähere Angaben über Verletzungen erhalten zu haben, wurde aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des Unfalls ein Hubschraubereinsatz veranlasst. Es stellte sich heraus, dass diese Maßnahme wegen der geringfügigen Verletzungen nicht erforderlich war und der Transport mit einem Rettungswagen völlig ausgereicht hätte.604 Das Landgericht verurteilte den Geschäftsherrn (den unterhaltspflichtigen Vater des Kindes) dennoch zur Zahlung der für den Rettungsflug angefallenen Kosten. Die Unfallmeldung allein begründe die objektive Nützlichkeit der besonderen Rettungsmaßnahme mittels eines Rettungshubschraubereinsatzes: „Die Unfallbeteiligung eines nur wenige Jahre alten Kindes indizierte zumal bei der Kollision mit einem PKW die dringende Gefahr lebensbedrohlicher Verletzungen, und zwar auch in dem hier gegebenen Fall, dass nachhaltige äußere Verletzungen nicht zur Meldung gelangten. Ein Rettungsflug diente in dieser Situation nach der Lebensanschauung auch dem subjektiven Interesse des Beklagten, der als Vater des Kindes auch aus seiner zu unterstellenden gefühlsmäßigen Anbindung an das geschädigte Kind jede Veranlassung hatte, eine umfassende notärztliche Versorgung zu befürworten.“605

Unerheblich sei, inwieweit die zwischen den Parteien streitige gesundheitliche Verfassung des Kindes im Nachhinein auch auf anderem Wege hätte abgeklärt werden können und ob der Rettungsflug für das Kind einen effektiven Erfolg 603 Da die nachfolgend dargestellten Fälle nach österreichischem und schweizerischem Recht aus den genannten Gründen weniger problematisch sind, wird im Folgenden die Diskussion der Fälle hauptsächlich nach deutschem Recht geführt. 604 LG Köln NJW-RR 1991, 989. 605 LG Köln, a. a. O., 990.

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bewirkte. Derartige Einwendungen seien auch dem Geschäftsherrn nur aufgrund nachträglicher Wertungen möglich, die erst anhand der späteren ärztlichen Diagnosen ermöglicht wurden. Hierauf könne es nicht ankommen, da diese Erkenntnisse zum maßgeblichen Zeitpunkt der Geschäftsübernahme keineswegs feststanden. Die Veranlassung des Rettungsfluges habe vielmehr auch der Klärung der Fragen gedient, welche tauglichen Versorgungsmaßnahmen geboten waren. Im Hinblick auf die gefährdeten Rechtsgüter, dem Leben und der Gesundheit des Kindes, stünden die Kosten eines Rettungsfluges im unbedenklichen Verhältnis zum Umfang des drohenden Verlusts an Rechtsgütern.606 Derartige Szenarien sind auch für die Bergrettung typisch. Auch hier können die aufgrund einer Prognose eingeleiteten Maßnahmen schnell den tatsächlich erforderlichen Aufwand übersteigen, so etwa wenn auf Veranlassung Dritter ein Rettungshubschrauber alarmiert wird, der Betroffene aber nur leicht verletzt ist, so dass er nach einer ersten Versorgung selbst den Heimweg antreten oder auf einfachere und kostengünstigere Art und Weise ins Tal transportiert werden kann (z. B. mit einem Ackja). b) Ungleichgewicht von Schadensrisiko und potentiellem Nutzen607 Eine weitere Fallgruppe, in der die Art der Geschäftsbesorgung (Hilfeleistung) Zweifel an der Nützlichkeit der Übernahme der Geschäftsbesorgung hervorruft, zeichnet sich dadurch aus, dass der Geschäftsführer (Nothelfer) mit der Geschäftsbesorgung (Hilfeleistung) ein (Verletzungs-)Risiko eingeht, das scheinbar in einem nicht mehr vertretbaren Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht. Angesichts des unverhältnismäßigen Risikos erscheint es bereits von vornherein zweifelhaft, ob die Geschäftsführung dem Willen und Interesse des Geschäftsherrn (Hilfesuchenden) entspricht. Der Bundesgerichtshof hatte in einem Nothilfefall unter anderem darüber zu entscheiden, ob ein bergunerfahrener Jugendlicher, der sich bei dem Versuch, ein Mädchen aus Bergnot zu retten, schwer verletzt hatte, Ersatz seiner Gesundheitsschäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen kann.608 Ein ähnlicher Fall beschäftigte das Oberlandesgericht Düsseldorf. Dort hatte sich ein Mitarbeiter der freiwilligen Feuerwehr bei dem Versuch verletzt, ein Modellflugzeug aus 606

LG Köln, a. a. O. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf Nothilfeschäden zweifelhaft (vgl. ausführlich im 4. Teil). Die hier erörterte Problematik der Nützlichkeit einer Geschäftsbesorgung lässt sich jedoch an den nachfolgend genannten Beispielen ebenfalls gut verdeutlichen und soll, zumal nach h. M. in den drei untersuchten Rechtsordnungen Schäden nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersatzfähig sein sollen, nicht ausgeklammert werden. 608 BGH NJW 1981, 626. 607

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einem Baum zu bergen.609 Der Bundesgerichtshof entschied, das Mädchen habe kein Interesse an einer Rettung durch den der Aufgabe objektiv nicht gewachsenen Nothelfer, so dass es sich nicht um eine berechtigte Geschäftsbesorgung handele.610 Das Oberlandesgericht Düsseldorf sprach dem verletzten Feuerwehrmann einen Anspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag ebenfalls ab, da die Bergung eines Modellflugzeugs nicht den Einsatz von Leib und Leben erfordere, zumal die Gefahr des Unfalls auch nicht zwangsläufig mit der Ausführung der Geschäftsbesorgung verbunden war. Die Abwägung nimmt das Gericht in diesem Fall aber auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen des § 670 BGB vor. Die Aktion habe damit zwar im Interesse des Geschäftsherrn gelegen, den Aufwand (Verletzungsrisiko) habe der Feuerwehrmann aber nach den Umständen nicht für im Sinne von § 670 BGB erforderlich halten können.611 Bei Einsätzen der Bergrettung kann ebenfalls zweifelhaft sein, ob das von einem Retter bei der Rettungsaktion eingegangene Risiko noch in einem vertretbaren Verhältnis zum wahrscheinlichen Erfolg der Rettung steht. Trotz ihrer besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten riskieren die Bergretter häufig die eigene Gesundheit, um einen Hilfsbedürftigen auch bei geringer Erfolgswahrscheinlichkeit aus seiner Notlage zu befreien. Insbesondere bei im Gebirge unvermeidbaren objektiven Gefahren lassen sich zum Teil hohe Risiken für die Retter nicht ausschließen, so z. B. bei der Suche nach Lawinenverschütteten in lawinengefährdetem Gelände oder bei der Bergung von Kletterern im steinschlaggefährdeten Gebiet. c) Die Rettungsmaßnahme erledigt sich nach Initiierung des Einsatzes Zweifel an der Nützlichkeit von Rettungsmaßnahmen können letztlich auftreten, wenn sich der Rettungseinsatz erledigt, noch bevor die Bergretter am Unfallort eingetroffen sind und mit der eigentlichen Hilfeleistung überhaupt begonnen haben. Für die Bergrettung sind diese Situationen keine Seltenheit. Auch wenn der Einsatz so schnell wie unter den Umständen (insbesondere den äußeren Bedingungen) möglich anläuft, dauert es oft einige (wertvolle) Zeit, bis die Retter die entlegenen, schwer zugänglichen Notfallorte erreichen. Wohlgemerkt geht es hier nicht um die bereits erörterten vermeintlichen Notfälle, in denen sich die Notlage vor Übernahme der Geschäftsbesorgung, d.h. vor Initiierung des Einsatzes erledigt hat. Lag eine Notlage im Zeitpunkt der Übernahme tatsächlich vor, ist, da die nachträgliche Erledigung der Berechtigung der Geschäftsführung nicht entgegen steht,612 im Grundsatz davon auszugehen, dass der Einsatz dem Willen und dem Interesse des Hilfsbedürftigen entsprach. Gleichwohl kann auch eine 609 610 611 612

OLG Düsseldorf VersR 1973, 826. BGH NJW 1981, 626. OLG Düsseldorf a. a. O., 827. Vgl. oben 1. c).

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nachträgliche Erledigung Zweifel an der Nützlichkeit der jeweiligen Rettungsaktion insgesamt hervorrufen. Das ist dann der Fall, wenn bereits zu Beginn des Einsatzes bestimmte Umstände die Erledigung der Rettungsaktion und damit ihre Erfolglosigkeit als wahrscheinlich nahelegen. Zweifel an der Nützlichkeit der Rettungsaktion kommen etwa dann auf, wenn (ohnehin) eine sehr geringe Überlebenswahrscheinlichkeit des Hilfsbedürftigen besteht oder die reelle Möglichkeit existiert, dass sich der Hilfsbedürftige entweder selbst befreien kann oder von Dritten aus seiner Lage befreit wird. aa) Geringe Erfolgswahrscheinlichkeit des Rettungseinsatzes In einem Fall, den das Oberlandesgericht Frankfurt zu entscheiden hatte, fiel eine deutsche Urlauberin auf den Malediven plötzlich ins Koma und gab kaum noch Lebenszeichen von sich. Die Reiseleiterin rief daraufhin sofort in der Alarmzentrale einer Rettungsgesellschaft in Deutschland an, die Rettungsflüge durchführt. Als das Rettungsflugzeug aus Deutschland auf den Malediven eintraf, war die Urlauberin schon nicht mehr zu retten.613 Das Oberlandesgericht sprach dem Rettungsunternehmen Ersatz seiner Kosten in Höhe von DM 36.060,– aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Das objektive Interesse der Urlauberin an dieser Rettungsaktion, das grundsätzlich dann gewahrt sei, wenn die Geschäftsführung nützlich und vorteilhaft ist, d.h. die Situation des Geschäftsherrn verbessert oder aber einer Verschlechterung derselben entgegenwirkt, sei zu bejahen: „Wenn es um Leben und Tod geht, ist ein Interesse des Geschäftsherrn an einer – wie auch immer gearteten – Rettungsaktion grundsätzlich immer und solange zu bejahen, als diese überhaupt noch eine Chance auf Erfolg bietet. Denn nach der Lebenserfahrung kann und muss davon ausgegangen werden, dass ein gesunder Mensch aufgrund seines Selbsterhaltungstriebes ein existentielles Interesse an seiner Rettung hat. Das dahingehende Interesse und der sich damit deckende wirkliche oder mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn wird weder durch den Grad der Erfolgsaussichten der fraglichen Rettungsmaßnahme noch durch die damit möglicherweise verbundenen erheblichen Kosten beeinträchtigt oder gar ausgeschlossen. Gerade in Fällen, in denen ein mitten im Leben stehender und ganz offensichtlich lebensbejahender Geschäftsherr aufgrund eines völlig unerwarteten und plötzlichen Ereignisses in äußerste Lebensgefahr gerät, kann es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass sein – ggf. mutmaßlicher – Wille darauf gerichtet ist, gerettet zu werden, koste es, was es wolle. Für eine Abwägung zwischen Erfolgschancen einer konkreten Rettungsaktion einerseits und den hiermit verbundenen, möglicherweise beträchtlichen Kosten andererseits ist in derartigen Fällen wegen der Ungleichheit der sich gegenüberstehenden Rechtsgüter (hier Leben, dort finanzielle Belange) kein Raum; sie ist daher unzulässig.“614 613 614

OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1337. OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1337.

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Ein Interesse des Geschäftsherrn im Sinne von § 683 BGB könne nur dann verneint werden, wenn von vornherein feststeht, dass für den Geschäftsherrn keinerlei Rettungsmöglichkeit mehr gegeben ist, sich also jegliche Rettungsaktionen von vornherein und unzweifelhaft als sinn- und nutzlos darstellen.615 Ein typisches Beispiel für eine geringe Erfolgswahrscheinlichkeit bieten die Einsätze der Bergrettung bei Lawinenunfällen. Der Verschüttete hat nur dann eine hohe Überlebenschance, wenn er innerhalb der ersten fünfzehn Minuten ausgegraben wird.616 Innerhalb dieser Zeit werden die Bergretter aber nur in den seltensten Fällen in der Lage sein, den Unfallort zu erreichen und mit der Suche zu beginnen. Bleibt der Bergrettung die Suche nach einem Verschütteten überlassen, handelt es sich regelmäßig um eine Totenbergung.617 bb) Möglichkeit der Selbstrettung aufgrund einer tatsächlich geringen Gefährdung Ein interessantes Beispiel, in dem die tatsächliche Möglichkeit der Selbstrettung Zweifel an der Nützlichkeit eines Rettungseinsatzes insgesamt aufwarf, bietet der sog. Mordloch-Fall.618 In die „Mordloch“-Höhle stieg 1977 eine Gruppe von Höhlentauchern ein, um ihrem Hobby nachzugehen und die unterirdischen Windungen des Mordlochs zu erforschen. Die Taucher hatten ausreichende Ausrüstung und Verpflegung bei sich und ließen einen „Wachtposten“ am Höhleneingang zurück. Durch einen plötzlichen Anstieg des Wasserspiegels wurde den Tauchern der Rückweg abgeschnitten. Daraufhin alarmierte der Zurückgelassene die Polizei, die einen Großeinsatz von Sicherheits- und Rettungskräften initiierte, um den Tauchern zu Hilfe zu eilen. Die Taucher mussten drei Tage in der Höhle 615

OLG Frankfurt a. a. O. Zustimmend Erman-Ehmann, § 683 Rn. 3. Vgl. Freudig/Martin, S. 593 f. Die Überlebenswahrscheinlichkeit in diesem Zeitraum beträgt ca. 92%. Danach setzt die sog. Erstickungsphase ein (Zeitraum von 15–35 Minuten nach der Verschüttung), in der die Überlebenswahrscheinlichkeit rapide auf 30% absinkt. Hat der Verschüttete keine Atemhöhle, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit gering. Zu berücksichtigen ist zudem, dass eine Verschüttetensuche durch die Bergrettung vor allem dann erforderlich wird, wenn der Verschüttete kein Signalgerät trägt und/oder nicht von Kameraden geortet und ausgegraben werden kann. Vor allem im ersten Fall, wenn eine Punktortung mittels Verschüttetensuchgerät unmöglich ist, nimmt das mühsame Sondieren des Lawinenkegels weitere wertvolle Zeit in Anspruch. 617 Vgl. Freudig/Martin, S. 404 f., 593 ff. 618 Geschildert bei Stoll, S. 411, 412. In die Rettungsaktion waren neben ehrenamtlichen Rettern verschiedene Organisationen (Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk) involviert. Die außerpolizeilichen Kosten forderte das zuständige Landratsamt durch eine Klage ein. Eine Entscheidung ist in diesem Fall – anders als bei der Geltendmachung der polizeilichen Einsatzkosten auf dem Klageweg – nicht ergangen, da sich die Beteiligten einverständlich über die Zahlung eines bestimmten Betrages einigten (persönliche Auskunft des Einsatzleiters der Höhlenrettung Baden-Württemberg, die aus diesem Anlass gegründet wurde). Stoll behandelt den Fall als Beispiel für eine vermeintliche Gefahr. Dem wird im Folgenden widersprochen. 616

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verbringen, bevor sich das Wasser wieder soweit zurückgezogen hatte, dass sie gerettet werden konnten. Als die Rettungskräfte die Taucher fanden und an die Oberfläche geleiteten, waren diese bei guter Gesundheit. Gegen die Forderung, die Kosten des Einsatzes zu erstatten, wandten die Taucher wahrheitsgemäß ein, dass sie ausreichende Verpflegung bei sich hatten, den Abfluss des Wassers deshalb hätten abwarten und sich selbst aus der Lage hätten befreien können. Der Einsatz der Rettungskräfte sei deshalb nicht notwendig gewesen.619 Auch die Bergrettung steht immer wieder vor der Situation, dass ein Bergsportler, der sich in unbekanntes Gelände verstiegen hat, zunächst keinen Ausweg mehr sieht, sich dann aber doch selbst befreien kann. Wird die Bergrettung alarmiert, kann sich der Bergsteiger aber zwischenzeitlich aus eigener Kraft befreien, ist fraglich, ob die bereits zu Beginn des Einsatzes tatsächlich geringfügige Gefahrenlage einen Bergrettungseinsatz überhaupt erforderte. cc) Bereits angelaufene Rettungsaktionen Dritter Eine ähnliche Situation besteht, wenn der Hilfsbedürftige sich nicht selbst aus der Notlage befreit, aber von Dritten (andere Bergsteigergruppen, Bergführer oder ein weiteres Rettungsunternehmen) gerettet wird, bevor die Bergrettung am Ort eintrifft. Auch hier erscheint der Nutzen des Einsatzes von vornherein zweifelhaft, wenn die Hilfeleistung Dritter zum Zeitpunkt des Einsatzbeginns bereits auf dem Weg war. Dass der Rettungsversuch Dritter erfolgreich verlaufen würde und die Hilfe der Bergrettung völlig überflüssig macht, ist auch hier ungewiss. Je nach Umständen können andere Bergsteiger einen Verletzten vielleicht aus einer akuten Absturzgefahr befreien, die Verletzungen aber nur ungenügend versorgen. d) Stellungnahme Eine erste („technische“) Schwierigkeit bei der Beurteilung der Nützlichkeit in den genannten Zweifelsfällen besteht zunächst darin, dass die geschilderte „Kosten-Nutzen-Analyse“ im Nachhinein erfolgt, dem Rechtsanwender also die tatsächliche Entwicklung der Geschäftsbesorgung und damit das tatsächliche Kosten-Nutzen-Verhältnis bereits bekannt ist. Er darf sich jedoch nicht zu einer Betrachtung ex post verleiten lassen, sondern muss – da es für die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung als solcher („Ob“) auf den Zeitpunkt ihrer Übernahme ankommt – eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung über den Verlauf der Geschäftsbesorgung ex ante vornehmen.620

619 Vgl. VGH Mannheim, Entscheidung vom 20.09.1982 – 1 S 2484/81, VBl. BW 1984, 20. 620 Martinek, in: Staudinger/Eckpfeiler, S. 814.

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Der Kern des Problems in den dargestellten Zweifelsfällen liegt darin, dass die gleichzeitig und abschließend zu treffenden Entscheidungen der Bergrettung über „Ob“ und „Wie“ der Rettung (Geschäftsbesorgung) im maßgeblichen Zeitpunkt der Übernahme auf zwei Unsicherheitsfaktoren beruhen: Die Sachlage als Entscheidungsbasis bleibt häufig unsicher und unklar, und die weitere Entwicklung des maßgeblichen Lebenssachverhalts ist nicht sicher vorhersehbar, sondern nur mehr oder weniger wahrscheinlich. Endgültige Klarheit über die Frage, ob und in welcher Art und Weise die Geschäftsbesorgung erforderlich war, wird die Bergrettung in der Tat häufig erst im Nachhinein haben. Ob der anfänglich scheinbar erforderliche Aufwand (z. B. Rettungsflug) zum konkret erforderlichen und damit tatsächlich nützlichen Aufwand (z. B. Transport im Rettungswagen) in einem groben Missverhältnis steht, wird sich wie im Fall des Landgerichts Köln621 u. U. erst bei der Untersuchung des Patienten am Unfallort oder in der Klinik herausstellen. Das bei der Geschäftsbesorgung (Hilfeleistung) eingegangene Risiko – wie in den Fällen des Rettungsversuchs durch den bergunerfahrenen Jugendlichen622 bzw. der Bergung eines Modellflugzeugs durch den Feuerwehrmann623 – muss nicht in einen Schaden des Geschäftsführers umschlagen, sondern kann auch erfolgreich und ohne Schädigung des Geschäftsführers verlaufen. In den Erledigungsfällen ist es mehr oder weniger wahrscheinlich und hängt oft vom Zufall ab, ob etwa die ins Koma gefallene Patientin624 oder der Lawinenverschüttete bei Eintreffen der Retter noch lebt, sich wie im Fall der Höhlentaucher die Gefahr ohne Eingreifen der Retter rechtzeitig selbst erledigt (hätte),625 oder ob Dritte der Bergrettung mit der Hilfeleistung zuvorkommen. Maßgeblich für die Lösung der dargestellten Zweifelsfälle ist auch hier grundsätzlich die Perspektive, aus der die Einschätzung der Sachlage und der weiteren Entwicklung im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung erfolgt. Sie entscheidet darüber, ob überhaupt Unklarheit und Unsicherheit über die Nützlichkeit besteht (sind Sachlage und Entwicklung nur dem Geschäftsführer oder auch dem Geschäftsherrn unklar?) und, wenn ja, wer mit dem Prognoserisiko belastet wird und demzufolge die Kosten der letztlich nicht erforderlichen Maßnahme trägt. aa) Perspektive des Geschäftsführers (Österreich/Schweiz) Erscheint die Nützlichkeit des Rettungseinsatzes insgesamt oder in Bezug auf den Umfang der ergriffenen Maßnahmen zweifelhaft, kann die Bergrettung auf621 622 623 624 625

LG Köln NJW-RR 1991, 989. BGH NJW 1981, 626. OLG Düsseldorf VersR 1973, 826. OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1337. Geschildert bei Stoll, S. 411, 412.

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grund der im österreichischen und schweizerischen Recht maßgeblichen Perspektive des Geschäftsführers Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen, solange sie aufgrund des sich ihr bietenden Bildes von der Erforderlichkeit des Einsatzes als solchem und dessen konkreter Art und Weise ausgehen durfte. Liegen ihr erkennbare Umstände vor, die konkrete Zweifel am Nutzen des Einsatzes sowohl in Hinsicht auf den Umfang der zu treffenden Maßnahmen, als auch in Bezug auf die Erfolgs-/Schadenswahrscheinlichkeit rechtfertigen, ist der Entscheidungsspielraum der Bergrettung durch allgemeine, objektive Wertungen einzuschränken.626 Wegen der hochrangigen Rechtsgüter, die bei der Rettung auf dem Spiel stehen und gegenüber einem bloßen Vermögensaufwand stets überwiegen, wird aber aus ihrer Sicht auch in Zweifelsfällen die Nützlichkeit des Rettungseinsatzes regelmäßig zu bejahen sein. Ob also ein Hubschraubereinsatz tatsächlich einen übertriebenen Aufwand darstellt, ein erhöhtes Risiko für die Verletzung oder Schädigung eines Retters besteht oder Umstände vorliegen, die – so sie der Bergrettung überhaupt zur Kenntnis gelangen (können) – die vorzeitige Erledigung und Erfolglosigkeit des Einsatzes wahrscheinlich erscheinen lassen, ist aus der Perspektive der Retter unerheblich, solange die Rettungsaktion nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht als völlig sinnlos anzusehen ist. Das Risiko einer irrtümlichen, aber aus Sicht der Retter nicht zu beanstandenden Prognose liegt hier beim Hilfsbedürftigen. Er muss die Kosten der Rettungsaktion tragen, obwohl sie sich im Ergebnis als überflüssig oder überzogen herausstellt und die Gründe dafür bereits zu Beginn des Einsatzes vorlagen und ggf. dem Hilfsbedürftigen, eben aber nicht der Bergrettung erkennbar waren. Dass etwa ein Lawinenopfer bereits durch das Mitgerissenwerden oder die Verstopfung der Atemwege keine Überlebenschancen mehr bis zum Eintreffen der Retter hat, die Rettung durch Dritte schon auf dem Weg ist, oder – wie im Mordloch-Fall – der Hilfsbedürftige aufgrund einer günstigen Fügung selbst in der Lage gewesen wäre, sich aus der gefährlichen Lage zu befreien, bleibt nach dem hier geltenden Beurteilungsmaßstab außer Betracht.627 bb) Perspektive des Geschäftsherrn (Deutschland) Legt man den Maßstab des in Deutschland geltenden subjektiven Prinzips an die geschilderten Zweifelsfälle an,628 ergeben sich folgende Lösungen: (1) Vorrang des erkennbaren Willens Ist der wirkliche Wille des Geschäftsherrn hinsichtlich der Geschäftsbesorgung nach außen erkennbar, gebührt ihm der Vorrang unabhängig davon, ob aus Sicht 626

Vgl. allgemein Schmid, S. 124 ff., 131 f.; Meissel, S. 101 ff. Vgl. auch Meissel, S. 102 ff.; König, ZVR 1990, 321; Schmid; S. 124 ff., 132; Frank, SJZ 1976, 185, 188 f.; Nef, S. 366 ff. 628 Vgl. oben II. 1. 627

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eines objektiven Betrachters in der Position des Geschäftsherrn Zweifel daran bestehen, dass die Geschäftsbesorgung für den Geschäftsherrn tatsächlich vorteilhaft ist.629 In den beiden Fällen, in denen die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung zweifelhaft erscheint, weil das hiermit verbundene Schadensrisiko außer Verhältnis zu dem mit der Geschäftsbesorgung verfolgten potentiellen Nutzen stand,630 kann deshalb kein Zweifel an der Nützlichkeit der Hilfeleistung bestehen, wenn – wie hier unterstellt – der Hilfsbedürftige erkennbar zum Ausdruck bringt, dass er mit der Hilfeleistung einverstanden ist.631 Richtig ist dann aber, entgegen der Argumentation des Bundesgerichtshofs die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung (Hilfeleistung) aufgrund des wirklichen Willens des Hilfsbedürftigen zu bejahen632 und wie das Oberlandesgericht Düsseldorf darauf abzustellen, dass – auf der Rechtsfolgenseite – der Helfer selbst angesichts des großen Verletzungsrisikos die Art und Weise und damit die gesamte Hilfeleistung als solche nicht für „erforderlich“ im Sinne von § 677 BGB halten durfte. Dass der Hilfsbedürftige das hohe Schadensrisiko seinerseits erkennen konnte und deshalb der Nutzen der Hilfeleistung auch aus seiner Perspektive zweifelhaft erscheint, spielt gegenüber dem erkennbar anderslautenden Willen keine Bedeutung. Auch wenn dieser Wille angesichts der Umstände unvernünftig erscheinen mag, genießt er Vorrang gegenüber einer objektiven Einschätzung. Dieses Ergebnis ist nicht nur dogmatisch konsequent, sondern erweist sich auch als praktisch sinnvoll. Die Regeln über die Geschäftsbesorgung ohne Auftrag schützen den Geschäftsherrn vor einer unerwünschten Einmischung in die eigenen Angelegenheiten, nicht aber davor, selbst eine nach objektiven Maßstäben unvernünftige Entscheidung darüber zu treffen, was für ihn vorteilhaft ist; eine Kontrolle an allgemein sinnvollen Maßstäben findet gerade nicht statt.633 629 Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 25; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 5; Erman-Ehmann, § 683 Rn. 2; Martinek/Theobald, JuS 1998, 27, 29; Giesen, Jura 1996, 288, 289; vgl. auch OLG Karlsruhe VersR 1981, 774: Der Eigentümer einer auf Grund gelaufenen Yacht hatte durch das Abfeuern von Leuchtsignalen um Hilfe ersucht, obwohl absehbar war, dass das Schiff auch ohne fremde Hilfe wieder flott werden würde. A. A. Larenz, SR II/1, § 57 I a, S. 444; zweifelnd MüKo-Seiler, § 683 Rn. 13, vgl. hierzu oben II. 1. 630 BGH NJW 1981, 626 (Rettung eines Mädchens aus Bergnot); OLG Düsseldorf VersR 1973, 826 (Bergung eines Modellflugzeugs durch die freiwillige Feuerwehr). 631 Die Quellen der beiden Entscheidungen machen hierüber keine Angaben. Es liegt jedoch nahe, dass das in Bergnot befindliche Mädchen den Jugendlichen zur Hilfeleistung aufgefordert und der Eigentümer die freiwillige Feuerwehr um Bergung des Modellflugzeugs gebeten hat. Zur Frage, wie der Fall ohne erkennbaren Willen zu lösen wäre, sogleich. 632 Der Bundesgerichtshof hätte aber auf die Geschäftsunfähigkeit des Mädchens abstellen können. Dann nämlich kommt es auf den mutmaßlichen Willen des gesetzlichen Vertreters an (vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 25; hierzu sogleich). 633 Vgl. oben II. 1. Vgl. dazu auch OLG Karlsruhe VersR 1981, 774.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Die Versagung des (Schadensersatz-)Anspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag (erst) auf der Rechtsfolgenseite mit der Begründung, dass der Geschäftsführer aus seiner Perspektive das konkrete Risiko nach objektiven Maßstäben nicht hätte eingehen dürfen, ist zudem lebensnah. Der Geschäftsführer (Nothelfer) kann seine Fähigkeiten selbst am besten einschätzen und deshalb am ehesten eine Entscheidung darüber treffen, ob die Rettungsaktion angesichts seiner Fähigkeiten im Verhältnis zum potentiellen Nutzen zu riskant ist. Der Hilfsbedürftige wird hierüber hingegen meist nicht sicher urteilen können, weil er die Fähigkeiten des Nothelfers regelmäßig nicht einzuschätzen vermag. Er wird die Hilfeleistung vielmehr in aller Regel willkommen heißen und dies auch zum Ausdruck bringen in der Hoffnung und im Vertrauen darauf, dass alles gut gehen werde. Verneint man mit dem Bundesgerichtshof die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung auf Tatbestandsebene, erliegt man leicht der Gefahr, den tatsächlichen Verlauf (Schadensrealisierung) ex post bei der Beurteilung der Nützlichkeit zugrundezulegen, sich über den wirklichen bzw. mutmaßlichen Willen des Hilfsbedürftigen, der auch an einer riskanten Hilfeleistung interessiert sein kann,634 hinwegzusetzen und entgegen dem subjektiven Prinzip eben doch eine objektive Korrektur nach allgemeinen Vernunftmaßstäben vorzunehmen. Letztlich unterstellt man dem Hilfsbedürftigen dann, er könne die Aussichtlosigkeit des Hilfeleistungsversuchs sicher voraussehen. Das aber wird häufig nicht der Fall sein. In den genannten Beispielsfällen hätte nicht das in Not geratene Mädchen, sondern der Jugendliche erkennen müssen, dass die Gefahr einer Verletzung aufgrund seiner mangelnden Fähigkeiten viel zu groß ist. Der Feuerwehrmann hätte wissen müssen, dass seine Bergungsaktion – jedenfalls ohne die offensichtlich außer acht gelassenen Sicherungsmaßnahmen – unverhältnismäßig ist, während der Eigentümer darauf vertrauen darf, dass ein Feuerwehrmann ein Modellflugzeug aus einem Baum befreien kann, ohne sich dabei zu verletzen. (2) Mutmaßlicher Wille und objektiv-individuelles Interesse Bildet der Geschäftsherr keinen Willen zur Geschäftsbesorgung, weil er hiervon keine Kenntnis hat, hierzu – wie in Notfällen häufig – nicht mehr in der Lage ist, und/oder tritt der wirkliche Wille nicht erkennbar zutage, entscheidet der mutmaßliche Wille über die Nützlichkeit der Hilfeleistung. Der mutmaßliche Wille wird regelmäßig auf der Grundlage des objektiv-individuellen Interesses vermutet. Letzteres ist zu ermitteln aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Lage des Geschäftsherrn. Da es auf die Perspektive des Geschäftsherrn ankommt, steht dem Nothelfer ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag – wie bei 634 Hierzu eingehend im Zusammenhang mit den Fällen einer nur geringen Überlebenswahrscheinlichkeit des Hilfsbedürftigen sogleich.

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den vermeintlichen Notfällen – nicht zu, wenn zwar nicht der Geschäftsführer, aber der Geschäftsherr bzw. ein objektiver Betrachter in seiner Position den fehlenden Nutzen der Geschäftsbesorgung erkennen konnte. Dann hätte der Geschäftsherr der Geschäftsbesorgung nicht zugestimmt. Wenn also etwa im Fall des Landgerichts Köln635 der Vater erkennen konnte, dass sein Kind durch den Zusammenstoß mit dem PKW lediglich leicht verletzt wurde und ein Hubschraubereinsatz nicht erforderlich war, ein objektiver Betrachter in der Position der komatösen Urlauberin im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt636 davon ausgehen konnte, dass die Rettungsorganisation nicht mehr rechtzeitig eintreffen werde, die Taucher in der Mordloch-Höhle637 damit rechnen konnten, dass sich das Wasser rechtzeitig zurückziehen würde, um selbst aus der Höhle zu steigen, oder der Hilfsbedürftige erkennt und weiß, dass ihn eine zufällig herannahende Seilschaft aus der Notlage befreien wird, ist die Rettung für den Hilfsbedürftigen nicht nützlich; sie entspricht nicht seinem mutmaßlichen Willen. In den dargestellten Beispielsfällen ist dies aber gerade nicht der Fall. Die eingangs skizzierte Unsicherheit über die Tatsachenlage und den weiteren Verlauf trifft hier nicht nur den Geschäftsführer, sondern eben auch den Geschäftsherrn bzw. einen objektiven Betrachter in seiner Position. Für den Vater ist – worauf das Landgericht Köln zu Recht hinweist – ebenso ungewiss, ob sein von einem PKW angefahrenes Kind nicht vielleicht innere Verletzungen erlitten hat, die einen Rettungsflug und die schnellstmögliche Behandlung des Kindes erfordern. Das in Bergnot geratene Mädchen,638 unterstellt sie hat ihren Willen zur Hilfeleistung nicht geäußert, kann nicht erkennen, ob der ihr zu Hilfe eilende Jugendliche über ausreichende Fähigkeiten verfügt, und auch nicht sicher voraussagen, ob er sich bei der Hilfeleistung verletzt. Ein objektiver Betrachter in der Position der komatösen Patientin kann nicht abschätzen, ob die Rettung rechtzeitig eintreffen wird. Die Taucher werden gerade nicht wissen, ob sich das Wasser rechtzeitig zurückzieht. Und der Hilfsbedürftige, auch wenn er das Herannahen einer Seilschaft erkennt, kann regelmäßig nicht sicher abschätzen, ob die sich nähernden Bergkameraden ausreichend erfahren und kompetent sind, um ihn aus seiner Notlage zu befreien. Die auch für den Geschäftsherrn bzw. einen objektiven Betrachter in seiner Lage bestehenden Zweifel wären nur dann ausgeräumt, wenn man auf einen fachkundigen (ärztlichen) oder gar optimalen Betrachter abstellt. Es schließt sich also die Frage an, ob die objektive Betrachtung aus Sicht des Geschäftsherrn nur die Umstände erfasst, die der Geschäftsherr selbst erkennen kann, oder ob auf einen 635

LG Köln a. a. O., S. 990. OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1337. 637 Vgl. Stoll, S. 411 f. 638 Bei fehlender Geschäftsfähigkeit gilt dasselbe für den gesetzlichen Vertreter des Kindes, vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 25. 636

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fachkundigen (z. B. Arzt, Meteorologe, Höhlenforscher) oder gar optimalen Betrachter abzustellen ist. Auf diese Frage geben die Anforderungen des § 683 S. 1 BGB und der Sinn und Zweck dieser Vorschrift eine klare Antwort. Das subjektive Prinzip erhebt den wirklichen bzw. mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn zum Maßstab der Nützlichkeit, um diesen vor einer ungewollten Geschäftsbesorgung und damit vor einer unerwünschten Einmischung in die eigenen Angelegenheiten zu schützen. Fremde Ansichten und Entscheidungen („Anmaßung einer Vernunfthoheit“) sollen ihm nicht aufgedrängt werden können. Selbst besondere Eigenheiten, Neigungen, Skurilitäten werden zu seinen Gunsten und zum Nachteil des Geschäftsführers berücksichtigt. Deshalb ist nach dem subjektiven Prinzip für den mutmaßlichen Willen hinsichtlich der Nützlichkeit bei Übernahme der Geschäftsbesorgung entscheidend, wie der Geschäftsherr selbst angesichts der ihm erkennbaren Sachlage gehandelt bzw. entschieden hätte, wenn er sich in der Situation befunden hätte.639 Er soll aber gerade nicht davor geschützt werden, dass auch er in der jeweiligen Situation aufgrund der unsicheren Tatsachenlage und angesichts von Zweifeln über den Fortgang der Ereignisse möglicherweise eine rückblickend „unrichtige“ Entscheidung getroffen hätte. Für den wirklichen Willen des Geschäftsherrn gilt, dass er auch dann maßgebend bleibt, wenn die Geschäftsbesorgung nach objektiven Maßstäben unvernünftig oder sinnlos erscheint, eine „Korrektur“ nach allgemeinen Vernunftskriterien also gerade nicht stattfindet.640 Dann darf für den mutmaßlichen Willen insofern nichts anderes gelten, als dem Geschäftsherrn das Risiko einer letztlich unrichtigen Entscheidung dadurch abgenommen wird, dass ihm das Wissen eines Fachmanns oder eines optimalen Betrachters unterstellt wird. Der Einmischungsschutz des Geschäftsherrn würde in übertriebenem Maße ausgeweitet und nicht mehr „den Bedürfnissen des Verkehrslebens [die Wahrnehmung der Interessen Dritter zu fördern] entsprechend Rechnung getragen.“641 Anders ausgedrückt: es ginge nicht mehr um einen angemessenen Ausgleich der sich gegenüberstehenden individuellen Interessen innerhalb der Sonderbeziehung von Geschäftsführer und Geschäftsherrn, sondern um einen nach dem Interessenausgleichszweck der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht gerechtfertigten generellen Schutz des Geschäftsherrn vor möglichen Fehlentscheidungen und den daraus resultierenden Kostenrisiken. Wird nach § 683 S. 1 BGB der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn auf Basis des objektiv-individuellen Interesses vermutet, ist deshalb darauf abzu639 Vgl. Staudinger-Wittmann, Vorbem. §§ 677 ff. Rn. 50; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 10 m.w. N.; vgl. auch Schubert/v. Kübel, S. 42 f. 640 Vgl. oben II. 1.; OLG Karlsruhe VersR 1981, 774. 641 Vgl. Schubert/v. Kübel, S. 42, der die in die Beurteilung der Nützlichkeit einzubeziehenden Umstände zwar nicht explizit benennt, in seinen Ausführungen und der Betonung des präsumtiven Willens aber deutlich macht, dass eben nicht die tatsächliche, sondern die aus Sicht des Geschäftsherrn mutmaßliche Nützlichkeit entscheidend ist.

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stellen, welche konkreten Umstände der Geschäftsherr hätte erkennen können. Der Ermittlung des mutmaßlichen Willens nicht zugrundezulegen sind besondere Erkenntnisse, die ein Fachmann gewinnen konnte, oder gar die Sicht eines optimalen Betrachters. Treffen hiernach den Geschäftsherrn bzw. einen objektiven Betrachter in seiner Lage dieselben Unsicherheiten und Unklarheiten über die Tatsachengrundlage und den weiteren Verlauf der Geschehnisse wie sie auch aus Sicht des Geschäftsführers bestehen, steht dem Geschäftsherrn also keine gegenüber dem Geschäftsführer verlässlichere Grundlage für die Entscheidung über die Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung (Hilfeleistung) zur Verfügung, nähern sich die Ergebnisse nach beiden Perspektiven letztlich stark an. Im Einzelfall stimmt das auf Basis derselben Sachverhaltskenntnisse und -unsicherheiten ermittelte objektivindividuelle Interesse aus Sicht des Geschäftsherrn mit dem objektiven Interesse aus Sicht des Geschäftsführers überein. Auch nach deutschem Recht muss der hilfsbedürftige Bergsportler bzw. im Fall des Landgerichts Köln der Vater des angefahrenen Kindes deshalb die Kosten des Hubschraubereinsatzes tragen, wenn auch er sich nicht sicher sein konnte, ob ein Helikoptereinsatz entgegen sich erst später herausstellender Erkenntnisse erforderlich ist. Entgegen der insoweit missverständlichen Argumentation des Landgericht Köln kommt es jedenfalls nicht maßgeblich darauf an, ob die Unfallmeldung angesichts der darin geschilderten Umstände lebensbedrohliche Verletzungen indizierte und der Rettungsflug nach der Lebensanschauung dem subjektiven Interesse des Vaters entsprach, weil dieser aufgrund seiner gefühlsmäßigen Anbindung eine umfassende ärztliche Versorgung befürworten müsse,642 da diese Argumentation die Nützlichkeit aus Sicht der Retter in den Vordergrund stellt. Maßgeblich ist, wie das Gericht in anderem Zusammenhang zu Recht betont, dass der Rettungsflug zur Abklärung der tatsächlichen Verletzungen dem mutmaßlichen Willen des Vaters entsprach, da auch er zum Zeitpunkt des Einsatzbeginns die tatsächlichen Verletzungen seines Kindes nicht sicher abschätzen konnte und deshalb auch aus seiner Sicht in Abwägung der Kosten gegenüber dem drohenden Verlust der Rettungsflug nützlich erscheinen musste. In den geschilderten Fällen, in denen Schadensrisiko und potentieller Nutzen in einem Missverhältnis stehen,643 wird man – auch wenn man das Fehlen eines erkennbaren wirklichen Willens unterstellt – zu keinem anderen als dem oben bereits dargelegten Ergebnis kommen. Aus Sicht des Hilfsbedürftigen entspricht die Hilfeleistungsaktion jedenfalls seinem mutmaßlichen Willen, solange er nicht selbst die Unfähigkeit des Hilfeleistenden bzw. die Untauglichkeit der getroffenen Maßnahmen erkennen und deshalb auf den erfolgreichen Verlauf der Hilfe642

LG Köln NJW-RR 1991, 989, 990. BGH NJW 1981, 626 (Rettung eines Mädchens aus Bergnot); OLG Düsseldorf VersR 1973, 826 (Bergung eines Modellflugzeugs aus einem Baum). 643

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leistung vertrauen konnte.644 Nur dann, wenn auch aus Sicht des Geschäftsherrn ohne weiteres klar ist, dass das Risiko zu groß bzw. die konkrete Hilfeleistungsmaßnahme völlig ungeeignet und damit ihrer Art nach von vornherein unnütz ist, ist eine andere Beurteilung gerechtfertigt.645 Ansonsten liefe die Verneinung der Nützlichkeit aus Sicht des Hilfsbedürftigen auf eine Korrektur nach allgemeinen Vernunftmaßstäben hinaus, die sich auf Umstände gründet, die der Hilfsbedürftige gerade nicht sicher einschätzen konnte. Wenn auch für den Hilfsbedürftigen bzw. einen objektiven Betrachter in seiner Lage zum Zeitpunkt des Hilfeleistungsbeginns Unsicherheit darüber besteht, ob sich die Rettung vorzeitig erledigt oder nicht (die weitere Entwicklung der Ereignisse also auch für ihn unklar bleibt), wird man in den drei genannten Erledigungsszenarien davon ausgehen müssen, dass die Hilfeleistung seinem objektivindividuellen Interesse und, aufgrund der hierdurch bestehenden Vermutung, auch seinem mutmaßlichen Willen entsprach. Solange nämlich zum Zeitpunkt des Einsatzbeginns aus der Perspektive des Hilfsbedürftigen trotz geringer Erfolgswahrscheinlichkeit jedenfalls eine Möglichkeit zur Rettung bestand, entspricht auch die kostenaufwendige und im Ergebnis erfolgsunsichere Rettungsaktion seinem objektiv-individuellen Interesse und ist deshalb ein entsprechender mutmaßlicher Wille zu vermuten. Denn es ist, wie das Oberlandesgericht Frankfurt mit Recht ausführt, bei der Abwägung von Leib und Leben gegen die Kosten einer (erfolglosen) Rettungsaktion nach der allgemeinen Lebensanschauung davon auszugehen, dass der Hilfsbedürftige nichts unversucht gelassen hätte, um gerettet zu werden.646 Dass also ein Lawinenopfer bereits durch das Mitgerissenwerden oder die Verstopfung der Atemwege bis zum Eintreffen der Retter nicht überleben wird oder die komatöse Patientin bis zum Eintreffen des Rettungsflugzeugs aus Deutschland verstirbt, ist zum Zeitpunkt des Beginns der Hilfeleistung zwar wahrscheinlich, aber auch aus Sicht des Hilfsbedürftigen nicht sicher. Der Erfolg der Rettung ist jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen. Im Zeitpunkt des Einsatzbeginns ist die Rettungsaktion deshalb als für den Hilfsbedürftigen nützlich anzusehen. Einem Lawinenopfer wird man den mutmaßlichen Willen zur Ret644

Anders (ohne Differenzierung) Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 36. So etwa im Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart r+s 2003, 212: Die Helferin hatte ohne Wissen und Rücksprache mit dem Eigentümer eines an einer Böschung verunfallten Fahrzeugs die Handbremse gelöst, um das Zurückschieben des Wagens durch andere Helfer zu erleichtern. Der Wagen setzte sich in Bewegung und drohte die Böschung hinabzurutschen. Bei dem Versuch, in den rollenden Unfallwagen einzusteigen und die Handbremse wieder anzuziehen, wurde die Helferin überrollt und schwer verletzt. In diesem Fall wäre auch dem Eigentümer klar gewesen, dass das Lösen der Handbremse zum Abrutschen des Wagens führen, nicht aber der Bergung des Wagens dienlich sein würde. 646 OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1337; vgl. auch Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 39. 645

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tung unterstellen müssen, auch wenn es bereits tödlich verletzt ist, da der Betroffene selbst nicht wissen kann, dass er nicht zu retten ist. Der Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt ruft jedenfalls insoweit Bedenken hervor, als auch aus der Perspektive des Hilfsbedürftigen äußerst zweifelhaft sein muss, ob es sich bei der konkret gewählten Maßnahme eines Rettungsflugs über tausende Kilometer und der damit verbundenen langen Anreisezeit angesichts der auch für einen Laien alarmierenden Symptome um eine geeignete Maßnahme handelte. Geht man in Einklang mit den oben dargelegten Argumenten konsequent davon aus, dass bereits eine geringe Erfolgswahrscheinlichkeit ausreicht, bleibt es bei der Nützlichkeit des Rettungsfluges im Sinne von § 683 S. 1 BGB. Allerdings hätte dann auf der Rechtsfolgenseite geprüft werden müssen, ob der Geschäftsführer (hier die Rettungsorganisation) einen derart langen Anflug zur Rettung der komatösen Patientin für erforderlich halten durfte oder ob – eine solche Möglichkeit unterstellt – es nicht angezeigt gewesen wäre, aufgrund der mitgeteilten Symptome ein Rettungsunternehmen aus der Region zu verständigen, um so die Rettungschancen zu erhöhen.647 Solange zum Zeitpunkt des Einsatzbeginns aus der Perspektive des Hilfsbedürftigen unsicher ist, ob sich die Gefahrensituation vor Eintreffen der Retter aufgrund anderer Umstände erledigt, entspricht die anlaufende Rettungsaktion ebenfalls dem objektiv-individuellen Interesse des Hilfsbedürftigen und ist deshalb sein mutmaßlicher Wille zu unterstellen. Auch im Fall der Taucher in der Mordloch-Höhle ist deshalb davon auszugehen, dass der Einsatz der Rettungskräfte im Zeitpunkt der Initiierung der Rettung mit dem mutmaßlichen Willen der vom Wasser Eingeschlossenen übereinstimmte. Denn sie wussten nicht und konnten nicht wissen, ob sich das Wasser rechtzeitig zurückziehen würde und sie sich infolgedessen selbst würden befreien können.648 Ebenso wird der Hilfsbedürftige sich eine Rettung durch die Bergrettung wünschen, obwohl – was er (noch) nicht weiß – bereits andere zu seiner Rettung aufgebrochen sind. Ein geringfügig Ge647 Das Gericht zieht die Möglichkeit einer erfolgsversprechenderen Rettung durch eine Behandlung am Notfallort oder im benachbarten Ausland in Betracht (entscheidend sind entgegen der Auffassung des Gerichts allerdings nicht die Gleichwertigkeit medizinischer Betreuung oder die geringeren Kosten) und äußert sich sogar dahingehend, dass in diesem Fall die Nützlichkeit des Rettungsflugs hätte verneint werden müssen. Die hierfür beweispflichtige Mutter der Patientin hatte diese Möglichkeiten aber nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Auf eine Kürzung des Kostenersatzanspruchs nach § 670 BGB gehen die Richter nicht ein (OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 1337 f.). 648 Mit seiner Einordnung des Falles als vermeintliche Notlage blendet Stoll (S. 414) den Umstand, dass sich die Taucher tatsächlich in einer kritischen, von ihnen nicht beherrschten Situation befanden, aus. Es handelte sich aber nicht um einen vermeintlichen Notfall, sondern um eine reale Gefahrenlage, der die Taucher nur durch Zufall selbst entkommen konnten. Darin zeigt sich gerade die Unwägbarkeit des Fortgangs der Geschehnisse. Die Chancen ihres Überlebens waren angesichts der Gesamtsituation als sehr gering einzuschätzen (Auskunft des Einsatzleiters der Höhlenrettung Baden-Württemberg). Meissel (S. 102) schätzt den Mordloch-Fall wegen der tatsächlichen Bedrängnis der Taucher deshalb zu Recht als Notlage ein.

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fährdeter wird sich die Rettung durch Dritte anfangs ebenso erhoffen, solange er nicht erkennt, dass ihm die Befreiung aus der Notlage selbst gelingt. Wie der Gefährdete seine Lage selbst einschätzt und ob demzufolge ein Rettungseinsatz seinem Willen entsprach, ist letztlich nur relevant, wenn ein dem objektiv-individuellen Interesse entgegenstehender Wille gebildet und nach außen erkennbar geworden ist. Die Nachweisbarkeit des wirklichen Willens ist ein sich im deutschen Recht allgemein stellendes Problem. Der Geschäftsherr kann – wie im Fall der Höhlentaucher geschehen – im Nachhinein leicht behaupten, die Geschäftsbesorgung habe seinem Willen nicht entsprochen. Es mag sogar sein, dass sich der Gefährdete keine Gedanken über die tatsächliche Bedrohung gemacht hat, weil er die Situation unrichtig reflektierte. Eine Rettungsaktion entspricht hier selbst dann nicht seinem Willen, wenn der Rettungseinsatz bei objektiver (vernünftiger) Betrachtung seiner Situation angezeigt war. Allerdings wird dieses Ergebnis durch die Beweislastverteilung bei einer solchen nachträglichen Behauptung relativiert. Der Hilfsbedürftige wird seine Behauptung im Zweifel nämlich beweisen müssen. Zwar muss grundsätzlich der Geschäftsführer darlegen und beweisen, dass die Übernahme dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprach. Liegen aber keine äußerlich erkennbaren Umstände vor, die auf den behaupteten Willen des Geschäftsherrn schließen lassen, wird der mutmaßliche Wille auf Basis des objektiv-individuellen, d.h. unter Berücksichtigung aller aus Sicht des Geschäftsherrn erkennbaren Umstände ermittelten Interesses vermutet.649 Behauptet der Geschäftsherr, einen abweichenden Willen gehabt zu haben, so hat er Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen, die geeignet sind, diese Vermutung zu widerlegen.650 Das wird ihm in der Regel schwer fallen. Im Mordloch-Fall etwa wird die Behauptung der Taucher, sie hätten über ausreichende Verpflegung verfügt und seien an einer Rettungsaktion nicht interessiert gewesen, nicht ausreichen, die Vermutung für einen mutmaßlichen Rettungswillen zu erschüttern, da eben fraglich war, ob die Verpflegung ausgereicht hätte, wenn sich das Hochwasser zu einem unbestimmten späteren Zeitpunkt zurückgezogen hätte. Auch spricht das Abstellen eines „Wachtpostens“ am Höhleneingang dafür, dass im Zweifel – wie geschehen – Hilfe geholt werden sollte. e) Fazit In den genannten Beispielsfällen, in denen die Nützlichkeit des Rettungseinsatzes zweifelhaft erscheint, obwohl eine Notlage (anfangs) tatsächlich bestand, gelangen das deutsche und das österreichische bzw. schweizerische Recht trotz 649

Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 31. Baumgärtel, § 683 Rn. 2; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 28 mit Hinweis auf RGZ 82, 206, 216. 650

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der unterschiedlichen Perspektiven für die Beurteilung der Nützlichkeit des Rettungseinsatzes vielfach zu denselben Ergebnissen. Das ist dann der Fall, wenn mangels erkennbarer entgegenstehender Willensäußerung des Hilfsbedürftigen die Beurteilung der Nützlichkeit aus beiden Perspektiven objektiv zu bestimmen und gleichermaßen unsicher ist, d.h. wenn weder aus Sicht des Geschäftsführers noch aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Lage des Geschäftsherrn auf Basis der ihnen jeweils erkennbaren Umstände die Zweifel an der Notwendigkeit bzw. dem Erfolg des Rettungseinsatzes vollständig ausgeräumt werden können. Der Rettungseinsatz liegt dann trotz der bestehenden Zweifel sowohl aus Sicht des Geschäftsführers als auch aus Sicht des Geschäftsherrn im objektiven (individuellen) Interesse des Hilfsbedürftigen. Denn insoweit ist auch aus der Perspektive des Hilfsbedürftigen davon auszugehen, dass er wegen der Bedrohung seines Lebens und seiner Gesundheit im maßgeblichen Zeitpunkt des Rettungsbeginns mit der Hilfeleistung einverstanden gewesen wäre. Zwar wird der Geschäftsherr nach dem in Deutschland geltenden subjektiven Prinzip in höherem Maße vor der unerwünschten Einmischung eines Geschäftsführers geschützt, indem seine Perspektive als maßgeblich zugrunde gelegt wird, ihm wird dadurch aber nicht das Risiko abgenommen, bei unsicherer Entscheidungsgrundlage eine Entscheidung zu treffen, die sich im Fortgang der Ereignisse als unvorteilhaft erweist. Sowohl nach deutschem als auch nach österreichischem und schweizerischen Recht ist der Rettungseinsatz deshalb berechtigt (nützlich), wenn aus beiden Perspektiven der sich nachträglich als übertrieben herausstellende Aufwand bei Einsatzbeginn gerechtfertigt erscheint, trotz Schadensrisikos oder geringer Erfolgswahrscheinlichkeit eine Rettungsmöglichkeit noch besteht oder das Entfallen der Gefahrensituation zwar möglich, aber auch aus Sicht des Geschäftsherrn nicht sicher vorherzusehen ist. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz steht der Bergrettung mangels Nützlichkeit der Hilfeleistung nach deutschem Recht aber nicht zu, wenn der Hilfsbedürftige einen der Rettung entgegenstehenden Willen hat erkennen lassen (und dieser nachweisbar ist), und zwar unabhängig davon, ob dieser Wille aus Sicht eines objektiven Betrachters unvernünftig ist, d.h. dem nach objektiven Maßstäben wohlverstandenen Interesse des Geschäftsherrn widerspricht. Dasselbe gilt, wenn für den Hilfsbedürftigen bzw. einen objektiven Betrachter in seiner Lage anders als für den Retter Umstände erkennbar sind, die die fehlende Nützlichkeit der Hilfeleistung von vornherein erkennen lassen. Fallen betriebener und tatsächlich erforderlicher Aufwand der Rettungsaktion auseinander und war dies aus Sicht eines objektiven Betrachters in der Lage des Hilfsbedürftigen von vornherein erkennbar, sind den Rettern die überflüssigen Aufwendungen nicht zu ersetzen, da sie dann (zumindest teilweise) nicht im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsbesorgung nützlich waren. Entfällt die Gefahrenlage erst nach Beginn der Rettungsbemühungen, war der Grund für das erledigende Ereignis zu diesem Zeitpunkt aber bereits angelegt, ist der Hilfsbedürftige dann nicht erstattungspflich-

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tig, wenn er bzw. ein objektiver Betrachter in seiner Situation die Vergeblichkeit der Rettungsbemühungen bereits selbst einschätzen konnte. 3. Zusammenfassende Stellungnahme Bei der Verteilung des Prognose- und Kostenrisikos führt der objektive Nützlichkeitsmaßstab für die Geschäftsbesorgung im schweizerischen Recht generell und im österreichischen Recht in dem für erfolglose Rettungsbemühungen wesentlichen § 1036 ABGB zu einer erheblichen Begünstigung der Retter gegenüber dem (vermeintlich) Hilfsbedürftigen. Durch das besondere Gewicht, das so auf die Förderung der Hilfeleistungsbereitschaft gelegt wird, hat der Hilfsbedürftige die Kosten des Rettungseinsatzes immer schon dann zu tragen, wenn die Retter anhand der ihnen zur Verfügung stehenden (oft unergiebigen) Erkenntnismöglichkeiten annehmen konnten, dass der Einsatz und die getroffenen Maßnahmen erforderlich waren. Der Bergrettung wird selten der Vorwurf zu machen sein, sie habe ihre Entscheidung unsorgfältig getroffen. Obwohl gerade diese beiden Rechtsordnungen den Schutz des Geschäftsherrn vor unlegitimierter Einmischung besonders betonen,651 tritt dieser Gedanke in Nothilfefällen regelmäßig hinter das allgemeine Interesse an der Förderung von Hilfeleistungsbereitschaft zurück, wodurch der Einmischungsschutz des Hilfsbedürftigen faktisch entwertet wird. Diese im Ergebnis sehr einseitige Verteilung des Prognose- und Kostenrisikos zu Lasten des Hilfsbedürftigen erscheint bedenklich. Dem Gedanken der förderungswürdigen Menschenhilfe wird so ein historisch nicht zu rechtfertigendes652 Gewicht eingeräumt. Ihm liegt letztlich die besondere Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit zugrunde, die sich nicht mit dem Zweck der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, einen angemessenen Ausgleich zwischen den individuellen Interessen von Geschäftsführer und Geschäftsherr zu schaffen, vereinbaren lässt. Wird die Idee der Menschenhilfe, die Ausfluss des allgemeinen, gesellschaftlichen Interesses an gegenseitiger Hilfsbereitschaft ist, faktisch über den individuellen Schutz des Geschäftsherrn vor ungefragter Einmischung gestellt, stehen sich nicht mehr die Schadloshaltung und der Einmischungsschutz als von den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Ausgleich zu bringende konkret-individuelle Interessen des Geschäftsführers und des Geschäftsherrn gegenüber. Es dominiert dann die allgemein-abstrakte, rechtspolitische Wertentscheidung zur Förderung von Hilfeleistungsbereitschaft. Überspitzt formuliert muss regelmäßig der (ver651 Vgl. BK-Weber, Vor. Art. 419–424 OR, N. 3 („Das schweizerische Recht wird durch die Grundidee geprägt, dass in fremdes Recht nicht einzugreifen ist“.); Schmid, S. 122; vgl. den Wortlaut des § 1035 ABGB; Schwimann-Apathy, § 1035 Rz. 2; Rummel-Rummel, § 1035 Rz. 1. 652 Vgl. Wittmann, S. 6, der von einer Funktionserweiterung des römischen Rechts durch die Einbeziehung der Rettungsfälle spricht; ebenfalls Wollschläger, S. 40 f.

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meintlich) Hilfsbedürftige die Kosten der Hilfeleistung tragen, weil die Hilfeleistung allgemein als nützlich angesehen wird, ohne dass es darauf ankommt, ob sie für ihn selbst nützlich war. Bei der Bergrettung wie auch bei sonstigen Rettungsorganisationen, die sich bereits zur Durchführung von Rettungseinsätzen gegenüber der öffentlichen Hand verpflichtet haben, passt die Intention der Förderung von Menschenhilfe ohnehin nur bedingt. Es verwundert nicht, dass in Österreich und der Schweiz Einschränkungsversuche für die teilweise als unbillig empfundene, einseitige Belastung des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn unternommen werden, sei es durch ein Zurechenbarkeits- bzw. Verschuldenserfordernis bei vermeintlichen Notlagen653 oder eine restriktive Tatbestandsauslegung des § 1036 ABGB654 und des Gebotenheitskriteriums des Art. 422 Abs. 1 OR.655 Eine sachgemäße Begrenzung des Kostenrisikos des Geschäftsherrn ist so aber nicht zu erreichen. Zurechenbarkeit bzw. Verschulden sind der Geschäftsführung ohne Auftrag als Voraussetzungen der actio contraria fremd. Ihre Einführung würde das Ausgleichssystem der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag dogmatisch verfälschen. Da die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch des Nothelfers nach diesen Vorschriften regelmäßig erfüllt sind, auch wenn sie noch so strikt gehandhabt werden, führt auch eine restriktive Handhabung der Tatbestandselemente nicht zum Ziel, solange die Perspektive der Nützlichkeitsbetrachtung nicht geändert wird.656 Vorzugswürdig erscheint der Nützlichkeitsmaßstab im deutschen Recht. Das hier geltende subjektive Prinzip trägt dem Einmischungsschutzgedanken der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag angemessen Rechnung, denn ob die Hilfeleistung nützlich ist oder sich als unerwünschte Einmischung in die eigenen Angelegenheiten darstellt, kann sinnvollerweise nur aus der Perspektive des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn selbst beurteilt werden. Zwar führen die unterschiedlichen Nützlichkeitsmaßstäbe in Österreich und der Schweiz auf der einen und in Deutschland auf der anderen Seite in Rettungsfällen zu denselben 653

Schmid, S. 132; Meissel, S. 106. Vgl. Meissel, S. 29 f. 655 Vgl. Schmid, S. 123 f.: Mit dem Kriterium der Gebotenheit wollte das schweizerische Obligationenrecht eine Mittelposition in der Frage einnehmen, ob die Geschäftsbesorgung nützlich oder notwendig sein muss. Bloße Nützlichkeit sollte nicht ausreichen, die zwingende Notwendigkeit der Hilfeleistung aber auch nicht erforderlich sein (vgl. ebenfalls Lischer, S. 55). 656 Ansonsten bleibt es bei gut gemeinten, aber im Endeffekt inhaltsleeren Umschreibungen ein und desselben Kriteriums. Schmid etwa fordert, die Geschäftsbesorgung müsse „als angebracht, als angezeigt, als richtig“ erscheinen (S. 124 Rn. 376). Meissel plädiert für einen hohen Dringlichkeitsgrad und eine erhebliche Bedrohung nicht nur geringfügiger Rechtsgüter bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Notlage“ (§ 1036 ABGB), S. 30 f. Aus Sicht eines Nothelfers werden genau diese Anforderungen aber regelmäßig trotzdem vorliegen. 654

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Ergebnissen, wenn der mutmaßliche Wille des Hilfsbedürftigen aus dem objektiv-individuellen Interesse abgeleitet wird und Zweifel an der Nützlichkeit des Rettungseinsatzes auch aus der Perspektive eines objektiven Betrachters in der Lage des Hilfsbedürftigen bestehen. Im Vergleich zum österreichischen und schweizerischen Recht bleibt das deutsche Recht mit seinem subjektiv-individuellen Nützlichkeitsmaßstab aber maßgeblich am Interesse des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn orientiert und erlaubt entgegen der einseitigen Risikoverteilung in Österreich und der Schweiz im Einzelfall überhaupt erst eine Differenzierung mit der Folge, dass eine ausgewogenere Verteilung des bei Rettungseinsätzen bestehenden Prognose- und Kostenrisikos zwischen Hilfsbedürftigem und Bergrettung möglich wird. Während der Hilfsbedürftige die Kosten eines Einsatzes tragen muss, wenn er sich in der jeweiligen Situation vermutlich ebenfalls für einen Einsatz entschieden hätte, bleibt der Bergrettung ein Aufwendungsersatzanspruch dort verwehrt, wo der Hilfsbedürftige seinem Willen gegen die Rettung Ausdruck verliehen hat oder der Rettungseinsatz aus Sicht des Geschäftsherrn zum Zeitpunkt seiner Initiierung nicht oder jedenfalls nicht in dem getätigten Umfang erforderlich war. Anders als nach österreichischem und schweizerischen Recht kommt als maßgeblicher Grund für die Lastentragung nicht der Allgemeinnutzen der Rettungstätigkeit, sondern allein das wohlverstandene objektiv-individuelle Interesse des Geschäftsherrn zur Geltung. Wie sich an den erörterten Beispielsfällen gezeigt hat, lassen sich mit Hilfe des subjektiv-individuellen Nützlichkeitsmaßstabs für die Einsätze der Bergrettung vielfach sachgerechte Ergebnisse erzielen. Der Nützlichkeitsmaßstab des § 683 S. 1 BGB, der zugunsten des strengen Einmischungsschutzes wenig Raum für den Gedanken der Förderung von Hilfsleistungsbereitschaft lässt, mag aus Sicht der Bergrettung gerade in den diskutierten (Zweifels-)Fällen mitunter unbefriedigend erscheinen. Da die Bergrettung in erheblichem Maße unsichere Prognosen über „Ob“ und „Wie“ eines Einsatzes treffen und im Zweifel einen Einsatz durchführen muss, das subjektive Prinzip diesem Umstand aber nicht bzw. nur (indirekt) in den Fällen Rechnung trägt, in denen auch bei der Beurteilung der Lage aus Sicht des Hilfsbedürftigen Unsicherheit in Hinsicht auf den Nutzen des Einsatzes besteht, bleibt der Bergrettung in zahlreichen Fällen einer (unverschuldet) irrtümlichen Einschätzung der Nützlichkeit ihres Einsatzes ein Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag versagt, obwohl sie keinerlei Möglichkeit hat, die Lage vollständig richtig einzuschätzen und die Fehleinschätzung vielfach allein vom Zufall, nämlich der Erledigung des Notfalls kurz vor oder nach Einsatzbeginn oder der Erkennbarkeit von Tatsachen für den Hilfsbedürftigen abhängt. Kern der Problematik, die solchen Bedenken aus Sicht der Bergrettung bei Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf ihre Tätigkeit zugrunde liegt, ist, dass die Bergrettung nicht nur im individuellen In-

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teresse des Hilfsbedürftigen handelt, sondern auch eine Funktion im Interesse der Allgemeinheit an einem funktionierenden Rettungsdienst im Gebirge ausfüllt, wenn sie ihrer Verpflichtung zur Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge und Gefahrenabwehr nachkommt und deshalb Einsätze auch dann durchführt, wenn Zweifel an dem Erfordernis der Hilfeleistung als solcher und an der Erforderlichkeit der gewählten Maßnahmen bestehen. Aufwendungen für dann unwillkürlich vorkommende Fehleinsätze, d.h. für Rettungsmaßnahmen, die für den (vermeintlich) Hilfsbedürftigen tatsächlich nicht erforderlich sind, werden, wenn man so will, im Interesse der Allgemeinheit getätigt. Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag sind aber auf einen individuellen Interessenausgleich zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr ausgerichtet und lassen eine sachgerechte Kostenallokation unter Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit nicht zu. Durch die Berücksichtigung solcher („systemfremder“) Drittinteressen würde die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorgesehene Interessenbalance und die damit zusammenhängende Lastenverteilung in Abhängigkeit vom individuellen Nutzen des Geschäftsherrn ausgehebelt. Das hat der objektiv-abstrakte Beurteilungsmaßstab, wie er in Österreich und der Schweiz zugrunde gelegt wird, gezeigt. Durch einen subjektiv-individuellen Beurteilungsmaßstab, wie er in Deutschland maßgebend ist, bleibt der Allgemeinnutzen der Rettungstätigkeit im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr unberücksichtigt mit der Folge, dass die Bergrettung in den genannten Fällen ihrerseits die Kosten ihres gemeinnützigen Handelns tragen muss. Eine sachgerechte Lösung für die Berücksichtigung von Allgemeininteressen bei der Kostenallokation lässt sich nur finden, wenn man den Kreis derer, die für die Kostentragung eines Rettungseinsatzes in Betracht zu ziehen sind, nicht auf Retter und Hilfsbedürftigen beschränkt, sondern um die Allgemeinheit als „Nutznießer“ der Rettungstätigkeit erweitert. Das schließt die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag aber nicht aus. Legt man den subjektiven Beurteilungsmaßstab für die Nützlichkeit eines Rettungseinsatzes zugrunde, trägt die Bergrettung im Verhältnis zum (vermeintlich) Hilfsbedürftigen zwar die Kosten eines insgesamt oder zumindest im Umfang teilweise nicht erforderlichen (nützlichen) Rettungseinsatzes. Damit ist aber nicht abschließend gesagt, dass die Bergrettung diese Kosten ihrerseits endgültig zu tragen hat. Da Rettungseinsätze der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge im Interesse der Allgemeinheit dienen, sollte sich die Bergrettung vielmehr an den für den Rettungsdienst im Gebirge zuständigen Hoheitsträger als ihren Auftraggeber oder an eine andere (mittelbar verantwortliche) staatliche Stelle wenden können. Der zuständige Rettungsdienstträger könnte der Bergrettung im Rahmen des mit ihr geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages657 einen An657

Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 3.

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spruch auf Ersatz von Kosten (Pauschalen) für Fehleinsätze einräumen, das Bundesland könnte Kosten von Fehleinsätzen im Rahmen der jährlichen Zuschüsse658 ausgleichen. Durch eine solche Kostenerstattung für Fehleinsätze von Seiten der öffentlichen Hand lässt sich eine sachgerechte Verteilung von Risiken und Lasten erreichen: Fehleinsätze, deren Durchführung trotz der bestehenden Prognoserisiken im öffentlichen Interesse erfolgen, werden letztlich von der Allgemeinheit (dem Steuerzahler) getragen, die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich nützlichen Einsätze von ihm selbst bezahlt. Zu eben diesem Ergebnis gelangt man in dem vergleichbaren Fall, dass die Bergrettung außerhalb von Notfallrettung und Krankentransport von den zuständigen Polizeibehörden für spezielle Einsätze herangezogen wird. Als unselbständiger Verwaltungshelfer kann die Bergrettung die Kosten ihres Einsatzes dann auch im Falle eines Scheiterns gegenüber der sie beauftragenden Behörde in Rechnung stellen, die Behörde die Kosten dem vermeintlich Betroffenen aber nicht weiterbelasten.659 Eine solche Differenzierung bei der Kostenverteilung zwischen Hilfsbedürftigem, Bergrettung und zuständigem Rettungsdienstträger liegt nach österreichischem und schweizerischen Recht jedoch weniger klar auf der Hand, da der Hilfsbedürftige hier schon dann auch mit den Kosten für Fehleinsätze belastet wird, wenn die Bergrettung von der Erforderlichkeit des Einsatzes ausgehen durfte. Denkbar wäre zwar auch, eigens eine öffentlich-rechtliche Kostenregelung für (Fehl-)Einsätze der Bergrettung zu schaffen, wie sie bei Behörden auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge und Gefahrenabwehr häufig anzutreffen und auch für den Rettungsdienst im Submissionssystem in Form von Gebührensatzungen zu finden ist.660 Hierdurch lässt sich aber keine gegenüber der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag per se besser geeignete Risikoverteilung herbeiführen, denn auch hier stellt sich letztlich die Frage, worin außer dem tatsächlichen Nutzen des Einsatzes für den Hilfsbedürftigen eine Rechtfertigung für die Belastung des Hilfsbedürftigen mit den Kosten von Fehleinsätzen liegen könnte.661 658

Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 5. und 1. Kapitel B. IV. Vgl. oben 2. Teil, 2. Kapitel B. 660 Vgl. etwa die Kostenregelungen der verschiedenen Polizei(aufgaben)gesetze und Feuerwehrgesetze in den einzelnen Bundesländern sowie in den Rettungsdienstgesetzen in Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. 661 Vgl. zu dieser Problematik aus Sicht des öffentlichen Rechts Iwers, LKV 1999, 485 ff. Die in diesem Beitrag aufgearbeitete Rechtsprechung einzelner Oberverwaltungsgerichte zeigt, dass die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag mit dem am Willen und am objektiv-individuellen Interesse ausgerichteten Maßstab sogar angemessenere Ergebnisse ermöglichen, als sie bei der Heranziehung der im Anwendungsbereich begrenzten Vorschriften der Rettungsdienstgesetze (Begrenzung auf Notfallrettung und Krankentransport) zu erzielen sind. Auch Rettungsleistungen, die nicht unter diese beiden Begriffe zu subsumieren sind, und Einsätze, bei denen der Hilfsbe659

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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C. Rettungsentgelt als Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag Sind die (Tatbestands-)Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung erfüllt, sehen die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtsfolge vor, dass der Geschäftsherr den Geschäftsführer hinsichtlich seiner durch die Geschäftsbesorgung entstandenen Aufwendungen entschädigt.662 I. Gesetzeswortlaut und Gedanke der Schadloshaltung Nach dem jeweiligen Gesetzeswortlaut nicht ohne weiteres klar ist, ob auch die von der Bergrettung regelmäßig beanspruchte Zahlung eines Rettungsentgelts unter den Aufwendungsbegriff der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag fällt und somit erstattungsfähig ist. § 683 S. 1 BGB verweist auf § 670 BGB und sieht vor, dass der Geschäftsführer „wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen“ kann. Nach Art. 422 Abs. 1 OR ist der Geschäftsherr verpflichtet, dem berechtigten Geschäftsführer „alle Verwendungen, die notwendig oder nützlich und den Verhältnissen angemessen waren, samt Zinsen zu ersetzen und ihn in demselben Maße von übernommenen Verbindlichkeiten zu befreien“.663 § 1036 ABGB bestimmt, dass der Geschäftsherr dem Geschäftsführer den „nothwendigen und zweckmäßig gemachten Aufwand zu ersetzen schuldig“ ist. Nach § 1037 ABGB müssen dem Geschäftsführer die von ihm auf das Geschäft „verwendeten Kosten ersetzt“ werden. Als Aufwendungen (Verwendungen, Kosten) gelten in allen drei Rechtsordnungen freiwillige Vermögensopfer, die der Geschäftsführer zum Zwecke der Geschäftsbesorgung erbringt oder die sich als notwendige Folge der Geschäftsbesorgung ergeben.664 Vom Wortlaut der jeweiligen Vorschriften nicht erfasst wird somit die Zahlung einer Vergütung für die vom Geschäftsführer geleisteten Dienste, d.h. die Entlohnung seiner Mühen. Auch die Gesetzessystematik spricht gegen einen Vergüdürftige vor Eintreffen am Unfallort verstirbt, können nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag abgerechnet werden, wenn sie für den Hilfsbedürftigen anfänglich nützlich sind. 662 Vgl. MüKo-Seiler, § 683 Rn. 1, 16; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 45 ff.; Schmid, S. 163 ff.; Lischer, S. 102 f.; Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 3 f. 663 Der Verwendungsbegriff entspricht dem der Aufwendungen in § 670 BGB, vgl. ZK-Schmid, Art. 422 N. 42; Schmid, S. 163 f.; BK-Weber, Art. 422 N. 5. Zudem gewährt Art. 422 Abs. 1 OR dem Geschäftsführer auch einen Schadensersatzanspruch, vgl. hierzu unten 4. Teil. 664 Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 46 m.w. N.; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 17; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 7 f.; Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040 Rz. 10 ff.; Schmid, S. 164 f.; ZK-Schmid, Art. 422 N. 42; Lischer, S. 102.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

tungsanspruch des Geschäftsführers. Das deutsche Recht verweist auf der Rechtsfolgenseite auf das Auftragsrecht. Der Auftrag ist jedoch definitionsgemäß ein unentgeltlicher Vertrag (vgl. § 662 BGB), der Vergütungen allenfalls dann als Aufwendungen erfasst, wenn der Geschäftsführer einen Vermögensvorteil einbüßt, weil er auf eine konkrete Verdienstmöglichkeit zugunsten der Geschäftsbesorgung verzichtet.665 Nach schweizerischem und österreichischem Recht ist ein Honoraranspruch für geleistete Dienste nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag im Gegensatz zum dort geltenden Auftragsrecht (Art. 394 Abs. 3 OR bzw. § 1004 ABGB), auf das anders als im deutschen Recht nicht verwiesen wird, gerade nicht vorgesehen. Daraus wird gefolgert, dass die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag im Falle der ungefragten aber nützlichen Einmischung einen interessengerechten Ausgleich grundsätzlich (nur) in der Schadloshaltung des Geschäftsführers sehen. Dem Geschäftsführer soll aufgrund der Fremdnützigkeit seines Handelns kein Nachteil entstehen, er soll aber auch keinen Gewinn erzielen können.666 Nach herrschender Auffassung in Deutschland kann der Geschäftsführer einen Vergütungsanspruch aus §§ 683 S. 1, 670 BGB daher grundsätzlich nicht herleiten.667 Der Konzeption der Art. 419 ff. OR liegt ebenfalls der Gedanke zugrunde, dass der altruistisch handelnde Geschäftsführer an seiner Tätigkeit nicht verdienen soll,668 und auch die ältere Judikatur und ein Teil der Lehre in Österreich nehmen unter Hinweis auf das (Einmischungs-)Schutzbedürfnis des Geschäftsherrn eine restriktive Haltung gegenüber einer Vergütung des Geschäftsführers ein.669 Fraglich ist deshalb, ob die Bergrettung für die von ihr erbrachten Rettungsleistungen vom Hilfsbedürftigen die Zahlung eines Rettungsentgelts in Form der üblichen Rettungspauschalen nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen kann. Die von der Bergrettung in Rechnung gestellten und (teilweise) mit den Krankenkassen abgestimmten Entgeltpauschalen dienen nicht allein der Deckung der Aufwendungen für einen konkreten Rettungsein665 Das ist unstreitig, vgl. Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 4 c, S. 22 mit Hinweis auf BGHZ 33, 251; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 11; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 55. Innerhalb des Auftragsrechts selbst fallen auch diese entgangenen Verdienste nicht unter den hier noch engeren Aufwendungsbegriff, da der Auftragnehmer beim Abschluss des Auftragsvertrages die Unentgeltlichkeit seiner Auftragsbemühungen privatautonom zusagt (vgl. Staudinger-Wittmann, § 670 Rn. 7; MüKo-Seiler, § 670 Rn. 7). 666 Vgl. Wittmann, S. 1, 136; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 1, 11; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 1; Schmid, S. 163 f., 177; Lischer, S. 102; Meissel, S. 195 und 197; Schwimann-Apathy, §§ 1036–1040 Rz. 10. 667 Palandt-Sprau, § 683 Rn. 8; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 24; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 11; Larenz, SR II/1, § 57 I b, S. 448; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 58. 668 Schmid, S. 177 m.w. N. 669 Nachweise bei Meissel, S. 192 ff.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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satz, sondern jedenfalls anteilig auch der Finanzierung sonstiger laufender Kosten, die nicht anderweitig durch staatliche Zuschüsse gedeckt sind.670 Die Rettungspauschalen sind, weil die Bergretter ehrenamtlich tätig werden, zwar nicht unmittelbar Vergütung der erbrachten Leistungen im Sinne einer marktüblichen Gegenleistung für eingesetzte Arbeitskraft. Da die Rettungspauschalen aber nicht nur Kosten des konkreten Einsatzes decken, sondern weitergehenden Finanzierungszwecken dienen, sind die Rettungsentgelte letztlich doch als Vergütungen für die Rettungsleistung anzusehen, da es auf die spätere Verwendung des Entgelts nicht ankommen kann. II. Korrekturen in Rechtsprechung und Literatur In allen drei Ländern ist heute ganz überwiegend anerkannt, dass dem Geschäftsführer trotz des entgegenstehenden Gesetzeswortlauts und des Schadloshaltungsprinzips unter bestimmten Voraussetzungen ein Vergütungsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zustehen kann. Nach der Rechtsprechung und großen Teilen der Literatur in Deutschland und Österreich soll dies der Fall sein, wenn der Geschäftsführer mit der Geschäftsbesorgung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit nachgeht.671 Dogmatisch wird die Gewährung eines Vergütungsanspruchs in Deutschland vornehmlich mit einer Analogie zu § 1835 Abs. 3 BGB begründet, wonach als Aufwendungen des Vormunds auch dessen berufliche oder gewerbliche Dienste gelten.672 Zudem zeigt die Entstehungsgeschichte der §§ 683, 670 BGB, dass es sich bei der Verweisung auf den unentgeltlichen Auftrag um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers gehandelt hat.673 Die erste Kommission hatte sich in Abkehr vom römisch-rechtlichen Grundsatz übereinstimmend für die Pflicht des Geschäftsherrn zu einer angemessenen Vergütung der Dienste des Geschäftsführers ausgesprochen und dies auch ausdrücklich festgehalten.674 Um Wiederholun670

Vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. IV. sowie 2. Kapitel A. II. 5. und B. V. BGHZ 55, 128; 65, 384, 390; 69. 34; 131, 220, 227; 143, 9, 16; BGH NJW-RR 2005, 1426, 1428; BGH NZM 2005, 536, 539; Palandt-Sprau, § 683 Rn. 8; SoergelBeuthien, § 683 Rn. 11; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 24; Staudinger-Wittmann, § 683 Rn. 3; Erman-Ehmann, § 683 Rn. 7; Larenz, SR II/1, § 57 I b, S. 448; Meissel, S. 192 ff. mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen; vgl. ferner Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 4 (wohl abstellend auf eine Vermutung für einen anderweitigen Verdienstentgang); KBBKoziol, § 1036 Rz. 5 und § 1037 Rz. 4; OGH SZ 51/7; Fötschl, S. 274; strikt gegen einen Vergütungsanspruch Melullis, S. 7 ff., 14, 20 f. 672 Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 58 m.w. N. 673 Hierzu ausführlich Wollschläger, S. 311 ff. 674 Vgl. Schubert/v. Kübel, S. 2. § 238 des Vorentwurfs enthielt noch ausdrücklich eine Vergütungspflicht des Geschäftsherrn: „[. . .] und für Handlungen, wofür er sonst bezahlt zu werden pflegt, Vergütung zu leisten, auch wenn der beabsichtigte Erfolg ohne Verschulden des Geschäftsführers nicht erreicht worden ist.“ Vgl. auch Mot. II, S. 863: „Unter Ersatz der Aufwendungen ist geeignetenfalls auch Vergütung von 671

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

gen zu vermeiden, wurde nachträglich die Verweisung auf das erst später verhandelte Auftragsrecht eingeführt. Der Auftrag war zu diesem Zeitpunkt noch nicht als ausschließlich unentgeltlicher Vertrag entworfen, sondern sollte – wie heute im österreichischen (§ 1004 ABGB) und schweizerischen Recht (Art. 394 OR) – sowohl entgeltliche als auch unentgeltliche Auftragsangelegenheiten erfassen. Die zweite Kommission sprach sich dann zwecks Abgrenzung des Auftrags gegenüber Dienstleistungs- und Werkverträgen für dessen Unentgeltlichkeit aus, ohne die Verweisung entsprechend zu verändern. Die Rechtfertigungsansätze zur Privilegierung beruflicher oder gewerblicher Tätigkeiten fallen unterschiedlich aus. Teilweise wird die Vergütung als pauschalierter Verdienstausfall bezeichnet,675 teilweise als „mittelbare Vermögensaufwendung“ eingestuft, da die erbrachten Tätigkeiten üblicherweise nicht ohne Vergütung erbracht würden,676 wobei zusätzlich auf den Gedanken der §§ 612, 632 BGB verwiesen wird.677 Auch wird darauf hingewiesen, dass die Begrenzung des Vergütungsanspruchs auf den gewerblich oder beruflich tätigen Geschäftsführer aus Gründen ökonomischer Vernunft geboten sei, da dem professionellen Geschäftsführer im Gegenzug weder das Haftungsprivileg des § 680 BGB noch die Möglichkeit einer Liquidierung von geschäftsführungsspezifischen Schäden, die durch das jeweilige Entgelt abgedeckt sei, zugute komme.678 Während sich in Österreich die ältere Rechtsprechung noch strikt gegen eine Entlohnung des auftraglosen Geschäftsführers aussprach,679 stützen neuere Judikatur und Teile der Literatur in Österreich sich heute auf eine Analogie zum Auftragsrecht (§ 1004 ABGB), das dem Geschäftsführer eine Vergütung gewährt, wenn diese üblich ist.680 Allgemein wird zugunsten eines Vergütungsanspruchs argumentiert, die grundsätzliche Verneinung eines solchen führe zu unbilligen Ergebnissen, wenn der Geschäftsführer zur Geschäftsbesorgung seinerseits Dritte gegen Entgelt engagiert und für diese Aufwendungen Ersatz verlangen kann, ihm aber nichts zustehen soll, wenn er selbst die Leistung erbringt.681 Weitgehende Einigkeit besteht in Österreich darüber, dass der Geschäftsführer Zeitverlust geltend machen kann, wenn er aufgrund der Geschäftsführung einen Verdienstentgang erlitten hat. Bei einem berufs- bzw. gewerbsmäßig Handelnden tendiert die Judikatur – hieran offensichtlich anknüpfend – dazu, einen Erwerbsverlusts generell anzunehmen, weil in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lebenserfahrung Dienstleistungen, welche in und bei der negotiorum gestio erfolgten, zu verstehen (arg. §§ 586, 596).“ 675 Wittmann, S. 136, 28 f. 676 Vgl. Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 4 c, S. 22; Larenz, SR II/1, § 57 I b, S. 448. 677 Giesen, Jura 1996, 288, 291. 678 Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 59. 679 Vgl. GlU 16.133; GlUNF 2950. 680 Vgl. die entsprechenden Nachweise bei Meissel, S. 194. 681 Meissel, S. 193.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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davon ausgegangen wird, dass die Möglichkeit zur Erzielung eines Erwerbs in der Zeit der Geschäftsbesorgung immer gegeben wäre.682 Meissel spricht sich dafür aus, Arbeitsleistungen in Anlehnung an die entsprechende bereicherungsrechtliche Wertung grundsätzlich als vermögenswertes Gut und damit als freiwilligen Vermögensaufwand anzuerkennen.683 Nach überwiegender Auffassung in der Schweiz, die auch von Teilen der Literatur in Deutschland und Österreich geteilt wird, soll eine Vergütung für die Geschäftsbesorgungstätigkeit unabhängig vom beruflichen oder gewerblichen Charakter der Geschäftsbesorgung verlangt werden können, wenn eine solche üblich ist.684 Auch hier ist Ansatzpunkt für die Erweiterung des Verwendungs-/(Aufwendungs-)begriffs die Anlehnung an den Gedanken der auftragsrechtlichen Vorschrift des Art. 394 Abs. 3 OR, wonach dem Auftragnehmer eine Vergütung zusteht, wenn sie üblich ist. Zur Begründung des Vergütungsanspruchs wird angeführt, es sei wenig folgerichtig, dem Geschäftsführer für die von ihm zur Verfügung gestellten Sachen oder sonstigen Auslagen, nicht aber für die von ihm selbst eingesetzte Zeit und Arbeitskraft eine Abgeltung zuzubilligen.685 Es sei rechtspolitisch wünschenswert, im Drittinteresse gebotene Handlungen statt durch eine bloße Schadloshaltungsregelung durch ein angemessenes Honorar stärker zu fördern, wie es etwa auch bei einer Belohnung für den Finder gelte.686 Gerade im Bereich des modernen Rettungswesens bestehe zudem ein praktisches Bedürfnis dafür, dem professionellen Nothelfer einen Vergütungsanspruch für die geleistete Rettungstätigkeit zuzustehen.687 Der von Rechtsprechung und überwiegender Literatur in den drei untersuchten Rechtsordnungen vorgesehenen Möglichkeit, Wortlaut und Schadloshaltungsgrundsatz der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften zugunsten eines Vergütungs682

Meissel, S. 196. Meissel, S. 196 f. Eine analoge Anwendung der Vergütungsregel des § 1004 ABGB im Auftragsrecht sei nicht möglich, da sich die Pflicht des Auftraggebers, eine übliche Vergütung zu entrichten, dort auf seinen mutmaßlichen Parteiwillen gründe, wenn er den Auftrag nur in Erwartung einer Entlohnungspflicht erteilen konnte. Da der Geschäftsherr aber regelmäßig nichts vom Tätigwerden des Geschäftsführers wisse, lasse sich eine Vergütung nicht auf das schutzwürdige Vertrauen des Geschäftsführers stützen (S. 194 f.). 684 ZK-Schmid, Art. 422 N. 67 m.w. N., Lischer, S. 106; Hofstetter, SPR VII/6, S. 265; ähnlich auch BGE 14, 723, 731; Schmid, S. 179 f.; a. A. Honsell, OR BT, S. 329, der die Problematik einer fehlenden Vergütungsregel gerade in Hinsicht auf die Tätigkeit der Rettungsorganisationen anspricht, diese aber dann durch „konkludente“ Auftragskonstruktionen lösen will (zw.); zweifelnd BK-Weber, Art. 422 N. 10. Gegen eine Beschränkung auf berufliche und gewerbliche Tätigkeiten des Geschäftsführers Wollschläger, S. 315 f.; Esser/Weyers, SR II/1, § 46 II 4 c, S. 22; Larenz, SR II/1, § 57 I b, S. 448; ebenfalls Meissel, S. 196 f. 685 Schmid, S. 178; ZK-Schmid, Art. 422 N. 66. 686 Schmid, S. 178. 687 ZK-Schmid, Art. 422 N. 66; Honsell, OR BT, S. 329; BK-Weber, Art. 422 N. 9. 683

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

anspruchs des Geschäftsführers im Einzelfall zu korrigieren, ist zuzustimmen. Hierfür sprechen die vorgenannten Erwägungen wie auch das praktische Bedürfnis eines solchen Anspruchs. Es zeigt sich gerade im Bereich des Krankenhaus-, Gesundheits- und Rettungswesens bei der Behandlung bewusstloser Patienten688 und insbesondere dort, wo wie im Fall der Bergrettung ein Retter innerhalb eines Konzessionssystems darauf angewiesen ist, seine Rettungstätigkeit gegenüber dem Patienten auf zivilrechtlicher Grundlage eigenständig abzurechnen.689 In Deutschland ist § 683 S. 1 BGB darüber hinaus auch angesichts der Gesetzeshistorie und der darin zum Ausdruck kommenden Intention der Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches korrigierend auszulegen.690 Die Gewährung eines Vergütungsanspruchs für die Geschäftsbesorgungstätigkeit läuft auch nicht zwingend dem Schadloshaltungsprinzip der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zuwider. Die Bedenken gegen eine Gewinnerzielungsmöglichkeit des Geschäftsführers und eine damit einhergehende Kommerzialisierung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag sind zu relativieren. Eine Gewinnerzielungsmöglichkeit für den Geschäftsführer als Folge der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag steht nämlich nur dann zu befürchten und würde unter Aushebelung der Interessenbalance zwischen Geschäftsführer (Schadloshaltung) und Geschäftsherr (Einmischungsschutz) zu einer den Geschäftsherrn übervorteilenden Zahlungsverpflichtung führen, wenn der Geschäftsherr die Geschäftsbesorgungstätigkeit vertraglich ansonsten ohne weiteres günstiger oder gar unentgeltlich hätte erhalten können. Nur dann könnte der Geschäftsführer gerade aus dem Umstand, dass er als Geschäftsführer ohne Auftrag handelt, „einen Gewinn erzielen“, da er nur dann gegenüber den sonst geltenden Marktbedingungen hieraus einen Vorteil („Gewinn“) zu Lasten des Geschäftsherrn zieht. Ist dem Geschäftsherrn hingegen der Bezug einer unentgeltlichen oder günstigeren, der Geschäftsbesorgungstätigkeit entsprechenden Leistung in der konkreten Situation überhaupt nicht möglich, so ist er, da er ein marktkonformes Äquivalent zu seiner Zahlungspflicht erhält, in seinen Interessen nicht benachteiligt.691 688 Vgl. Laufs/Uhlenbruck, § 40 Rn. 7, 12 ff. mit Hinweis auf BGHZ 55, 128; 65, 384, 390; 69, 34; BGH NJW 1973, 2102 und weiteren Nachweisen aus der Literatur; Lippert/Weissauer, S. 112 f.; vgl. auch Wollschläger, S. 313 Fn. 14 (Krankenhausfälle). Für die Schweiz: Gerichtspräsident Biel SJZ 1950, 208 Nr. 76; hierzu auch Frank, SJZ 1976, 185; Nef, S. 402 m.w. N.; vgl. auch Schmid, S. 180 f. (Fn. 635). Für Österreich: Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 4 (Hinweis auf Ärzte); Koziol/Welser, BR I, S. 505; Maurer, S. 39; ZK-Schmid, Art. 422 N. 66; Honsell, OR BT, S. 329; BK-Weber, Art. 422 N. 9. Auf eine Förderung der Hilfeleistungsbereitschaft bei professionellen Nothelfern kommt es entgegen Schmid (S. 178) nicht an, denn nicht eine solche Vergütung, sondern die anderweitige Verpflichtung zur Hilfeleistung wird hier meist maßgeblicher Grund für die Geschäftsbesorgung sein. 689 Vgl. oben 2. Teil, 1. Kapitel A. II. 1. c). 690 MüKo-Seiler, § 683 Rn. 25; Fikentscher, Rn. 937; Wollschläger, S. 316 mit Hinweis auf BGH NJW 1973, 46; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 56.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Nicht zu folgen ist den Begründungsansätzen, die zu einer pauschalen Abgeltung der im Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung geleisteten Dienste tendieren692 oder den Vergütungsanspruch als Anreiz für die altruistische Hilfeleistung verstanden wissen wollen.693 Eine generelle Abgeltung von Arbeitsleistungen des Geschäftsführers ohne Berücksichtigung der vorstehenden Überlegungen würde der befürchteten Kommerzialisierung gerade Tür und Tor öffnen. Eine Belohnung für altruistisches Handeln würde – wie in anderem Zusammenhang bereits erörtert694 – aufgrund der hierdurch vornehmlich berücksichtigten Allgemeininteressen das individuelle Interessengefüge zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr aus der Balance bringen. Die Heranziehung des Altruismusgedankens als Maßstab für die Gewährung eines Vergütungsanspruchs ist zudem weder historisch noch praktisch gerechtfertigt695 und trägt den vorstehenden Überlegungen zum Schadloshaltungsgrundsatz der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ebenfalls nicht Rechnung. III. Begrenzung des Vergütungsanspruchs auf berufliche/gewerbliche („professionelle“) Geschäftsbesorgungstätigkeiten? Bejaht man aus den vorstehenden Erwägungen einen Vergütungsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag im Grundsatz, stellen sich für die Rettungspauschale der Bergrettung konkret und für den Vergütungsanspruch allgemein folgende weitergehenden Fragen: Soll die Bergrettung ein Rettungsentgelt verlangen können, auch wenn die Bergretter ehrenamtlich und nicht, wie in Deutschland und Österreich mehrheitlich gefordert, beruflich bzw. gewerblich tätig werden? Durch welche konkreten Voraussetzungen kann dem Schadloshaltungsprinzip sinnvoll Rechnung getragen und einer Kommerzialisierung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Vorschub geleistet werden? In Hinsicht auf die unterschiedlichen Voraussetzungen, die in Deutschland und Österreich (gewerbliche/berufliche Tätigkeit) einerseits und der Schweiz (Üblichkeit des Entgelts) andererseits für einen Vergütungsanspruch aufgestellt wer691 In diese Richtung deuten jedenfalls (auch wenn die meist nicht klar zum Ausdruck kommt) die Begründungsansätze, die auf eine „normalerweise nicht ohne Vergütung vorgenommene Tätigkeit“ (Esser/Weyers, SR II/2, § 46 II 4 c; Larenz, SR II/2, § 57 I b; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 11) und die Wertung der §§ 612, 632 BGB verweisen (Giesen, Jura 1996, 288, 291). 692 Wittmann, S. 136, 28 f. („pauschalierter Verdienstausfall“), ebenso die neuere österreichische Rechtsprechung (vgl. Fn. (478); Meissel, S. 196 f. („Arbeitsleistung als grundsätzlich vermögenswertes Gut“). 693 Schmid, S. 178. 694 Vgl. oben B. III. 1. b) aa). 695 Vgl. Wollschläger, S. 24 ff., 34 ff.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

den, ist dem schweizerischen Ansatz der Vorzug zu geben. In Deutschland lässt sich die Gewährung eines Vergütungsanspruchs immer dann, wenn ein solcher üblich gewesen wäre, bereits mit dem Hinweis auf die Intention der Gesetzesverfasser schlüssig begründen, die eben diese Rechtsfolge durch den Verweis auf die entsprechende Entwurfsregelung des Auftragsrechts im Auge hatten.696 Dieser Ansatz ist auch sachgerecht. Es ist nämlich kein stichhaltiger Grund dafür ersichtlich, warum ein Vergütungsanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag allein auf berufliche bzw. gewerbliche Tätigkeiten beschränkt werden und nicht auch andere, üblicherweise entgeltliche Tätigkeiten erfassen sollte. Es mag sein, dass gerade bei beruflichen und gewerblichen Tätigkeiten eine Vergütung üblich ist, bei einem gedachten Vertragsschluss nur gegen eine solche erbracht worden wäre und deshalb in der Mehrzahl der Fälle gerade hier ein Anspruch zu bejahen sein wird. Zu Recht wird aber darauf hingewiesen, dass es eben auch Fälle gibt, in denen eine nicht berufliche oder gewerbliche Tätigkeit üblicherweise nur gegen Entgelt erbracht wird.697 Die Rettungseinsätze der Bergrettung mit ihren ehrenamtlichen Mitarbeitern bieten hierfür ein einleuchtendes Beispiel. Es ist nicht einzusehen, warum etwa der Bergrettung gegenüber dem bewusstlosen Patienten ein Rettungsentgelt nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag versagt bleiben, dem bei demselben Einsatz tätigen Notarzt aber zugesprochen werden sollte. Soweit mit der Beschränkung des Vergütungsanspruchs auf berufliche und gewerbliche Tätigkeiten intendiert sein sollte, einer Kommerzialisierung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Vorschub zu leisten,698 geht diese Intention fehl. Im Gegenteil, gerade beruflichen und gewerblichen Tätigkeiten wohnt – anders als bei gemeinnützigen Einrichtungen wie der Bergrettung – üblicherweise ein Gewinnstreben inne, das sich regelmäßig in der Höhe der beanspruchten Vergütung niederschlägt und dem Schadloshaltungsprinzip tendenziell zuwiderläuft. Zudem wird mit dem Merkmal der Üblichkeit keine gegenüber dem Kriterium der Berufsbezogenheit/Gewerblichkeit signifikante Erweiterung des Kreises möglicher Anspruchssteller bewirkt, da eine Vergütung außerhalb beruflichen oder gewerblichen Handelns nur ausnahmsweise üblich sein wird. Auch der Hinweis, die Begrenzung des Vergütungsanspruchs auf den gewerblich oder beruflich tätigen Geschäftsführer sei aus Gründen ökonomischer Vernunft geboten, weil dem professionellen Geschäftsführer im Gegenzug weder das Haftungsprivileg des § 680 BGB noch die Möglichkeit einer Liquidierung von geschäftsführungsspezifischen Schäden, die durch das jeweilige Entgelt abge696 697 698

Vgl. Müko-Seiler, § 683 Rn. 25. Vgl. Wollschläger, S. 315 f.; Esser/Weyers, SR II/2, § 46 II 4 c. In diese Richtung wohl Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 59.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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deckt seien, zugute komme,699 vermag nicht zu überzeugen. Beide hier angeführten Argumente mögen im Kern ihre Berechtigung haben. Denn in der Tat erscheint es widersprüchlich, dem beruflichen Nothelfer einerseits einen Vergütungsanspruch zuzuerkennen, ihn andererseits aber nur eingeschränkt haften zu lassen.700 Auch wird der professionelle Helfer üblicherweise höhere Risiken in Kauf zu nehmen haben und Schäden aus seiner Tätigkeit deshalb nicht (oder zumindest nur in eingeschränktem Maße) zu fordern berechtigt sein. Es ist aber schon zweifelhaft, ob aus diesen für den professionellen Geschäftsführer zwar einsichtigen Gründen im Umkehrschluss zwingend gefolgert werden kann, dass ausschließlich eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit einen Vergütungsanspruch nach sich ziehen darf. Eine solche Schlussfolgerung würde die vorstehend genannten, berechtigten Argumente für einen Vergütungsanspruch (insbesondere das praktische Bedürfnis hierfür) negieren, die – wie das Beispiel der Bergrettung zeigt – unabhängig von der Professionalität der Tätigkeit Geltung beanspruchen. Darüber hinaus überzeugen die Argumente (kein Haftungsprivileg, kein Schadensersatzanspruch bei professionellen Tätigkeiten) bei näherem Hinsehen als Grund für die Beschränkung des Vergütungsanspruchs auf professionelle Helfer nicht, weil kein Grund dafür ersichtlich ist, sie allein für berufsmäßige oder gewerbliche Tätigkeiten ins Feld zu führen und damit von einem kaum differenzierungsfähigen Kriterium abhängig zu machen. Vorzugswürdig erscheint es angesichts der Bandbreite unterschiedlichster Geschäftsbesorgungstätigkeiten und selbst unterschiedlichster beruflicher und gewerblicher (Sorgfalts-)Anforderungen vielmehr, sowohl in Hinsicht auf das Haftungsprivileg des § 680 BGB als auch auf die Erstattung von geschäftsführungsspezifischen Schäden eine differenzierende Prüfung danach vorzunehmen, welche Sorgfaltsanforderungen und Schadensrisiken der Geschäftsführer im Einzelfall angemessenerweise zu erfüllen bzw. zu tragen hat.701 Denn nicht der gewerbliche oder berufliche Charakter der Tätigkeit als solcher kann Maßstab für die vom Geschäftsführer anzuwendende Sorgfalt und die von ihm zu tragenden Schadensrisiken sein. Beides hängt maßgeblich von einer Reihe von Wertungen ab, die sich nicht in einem pauschalen Kriterium in eine feste Form gießen lassen. Wenn es aber auf Sorgfaltsanforderungen und Schadensrisikotragung im Einzelfall ankommt, lässt sich das hier bemühte Argument ohne weiteres auch auf nicht professionelle Geschäftsführer übertragen, die für ihre Tätigkeit üblicherweise ein Entgelt beanspruchen. Denn auch sie werden dann regelmäßig gesteigerten Sorgfaltsanforderungen unterliegen und eine größeres Schadensrisiko bei ihrer Tätigkeit zu tragen verpflichtet 699

Staudinger-Bergmann, a. a. O.; ähnlich Schmid, S. 181. Vgl. Staudinger-Bergmann, § 680 Rn. 15. 701 Für eine differenzierende Betrachtung bei der Anwendung des Haftungsprivilegs nach § 680 BGB MüKo-Seiler, § 680 Rn. 6; Ehrman-Emann, § 680 Rn. 2. Zur Erstattungsfähigkeit geschäftsführungsspezifischer Schäden vgl. unten 4. Teil, 5. Kapitel B. III. 700

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

sein. Auf die Bergrettung übertragen heißt das: auch wenn die ehrenamtlichen Bergretter nicht professionell im Sinne der Berufs- oder Gewerbeausübung agieren, so sind sie doch für ihre Einsätze besonders geschult und verfügen über besondere Erfahrungen, die es richtigerweise sowohl bei der Frage einer möglichen Haftungsprivilegierung bei der Verursachung von Schäden als auch bei der Frage nach den von den Rettern zu tragenden (Tätigkeits-)Risiken zu berücksichtigen gilt. Ein Anspruch der Bergrettung auf Vergütung ihrer Einsätze nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist dann gleichermaßen gerechtfertigt, wie der Honoraranspruch des bei einem solchen Einsatz tätigen Notarzt. Der Vergütungsanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag lässt sich im Einklang mit dem Schadloshaltungsgedanken und unter Berücksichtigung der oben unter II. angestellten Überlegungen angemessen begrenzen, wenn man das Kriterium der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung im Sinne des in Deutschland geltenden subjektiven Prinzips auf die Frage nach dem „Ob“ und der Höhe des Vergütungsanspruchs anwendet. Dann nämlich bleibt dem Geschäftsführer eine Vergütung ganz oder teilweise verwehrt, wenn sie als solche oder jedenfalls hinsichtlich ihrer Höhe nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht.702 In diese Richtung geht auch die Überlegung von Köhler, der unter Rekurs auf die quasivertragliche Deutung der Geschäftsführung die Frage stellt, ob und mit welchem Inhalt der Geschäftsherr und der Geschäftsführer einen entsprechenden Vertrag geschlossen hätten.703 Nur wenn die Geschäftsbesorgungstätigkeit gegen Entgelt ans sich und das Entgelt in seiner Höhe „üblich“ ist, entspricht auch die mit der Geschäftsbesorgung verbundene Vergütungspflicht dem (mutmaßlichen) Willen des Geschäftsherrn und wäre von ihm ansonsten auch so vertraglich beauftragt worden. Wenn zusätzlich verlangt wird, dass ein Fall von Marktversagen in dem Sinne vorliegen müsse, dass ein alternativer (günstigerer) Vertragsschluss für den Geschäftsherrn nicht möglich gewesen sein darf,704 so ist dieser Erwägung – wie schon vorstehend (II.) geschehen – zuzustimmen. Auch dieses Kriterium lässt sich aber mit dem Kriterium der Nützlichkeit im Sinne von § 683 S. 1 BGB erfassen, da auch dann der Vergütungsanspruch des Geschäftsführers wohl nicht vom (mutmaßlichen) Willen des Geschäftsherrn gedeckt ist, wenn letzterem eine ihm günstigere Alternative offen gestanden hätte. Der unmittelbare Rückgriff auf das Kriterium der Nützlichkeit der Geschäftsbesorgung zur Eingrenzung des Vergütungsanspruchs führt in Österreich und der Schweiz nicht weiter, da hier nicht der strenge subjektive, sondern ein objektiver, dem Geschäftsführer tendenziell günstiger Nützlichkeitsmaßstab gilt.705 Eine an702 703 704 705

Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 59. Köhler, JZ 1985, 359, 361 ff. Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 59. Vgl. oben B. II.

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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gemessene Begrenzung des „Ob“ sowie der Höhe eines Vergütungsanspruchs, um die befürchtete Kommerzialisierung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu vermeiden, lässt sich hier aber durch die Übertragung der vorstehend für das deutsche Recht geschilderten Kriterien erreichen. Eine solche Übertragung steht nicht im Widerspruch zum gesetzlich vorgegebenen objektiven Nützlichkeitsmaßstab, da es sich bei dem Vergütungsanspruch um eine Erweiterung der gesetzlichen Regelungen in Analogie zum Auftragsrecht handelt und eine abweichende (restriktive) Beurteilung für den nur ausnahmsweise gewährten Vergütungsanspruch möglich und zur Wahrung von Sinn und Zweck der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, einen angemessenen Interessenausgleich zu bieten, geboten ist. In diese Richtung laufende Tendenzen zeigen sich in Österreich, wenn etwa Rechtsprechung und Lehre eine restriktive Handhabung des § 1036 ABGB dergestalt verlangen, dass ein Vertragsschluss zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherr nicht möglich gewesen sein darf,706 und deuten sich in der Schweiz an, wenn das Kriterium der Gebotenheit nach Art. 422 OR nach einer starken Auffassung in der Literatur eine gewisse Dringlichkeit erfordert,707 die eben einen alternativen Vertragsschluss nicht erlauben würde. Bedenken gegen einen Vergütungsanspruch der Bergrettung und die Höhe der regelmäßig in Rechnung gestellten Rettungspauschalen bestehen nach den vorstehenden Erwägungen nicht. Die Inanspruchnahme institutionalisierter Hilfeleistung im Gebirge wird, weil nur die Bergrettung hier aufgrund ihrer Ausrüstung und Expertise zu effektiven Hilfeleistungsmaßnahmen in der Lage ist und zur Verfügung steht, dem Willen des Hilfsbedürftigen regelmäßig entsprechen. Man wird davon ausgehen können, dass der Hilfsbedürftige bei einer entsprechenden Möglichkeit hierzu, die Bergrettung selbst unmittelbar verständigt und somit einen Vertrag auf Erbringung einer entgeltlichen Rettungsleistung geschlossen hätte. Alternativen stehen dem Hilfsbedürftigen oft aus Dringlichkeitsgründen, aber auch aus Mangel an vergleichbaren Rettungsinstitutionen nicht zur Verfügung. Eine unangemessene Belastung des Hilfsbedürftigen durch die Rettungspauschalen in Hinsicht auf deren Höhe, steht ebenso wenig zu befürchten. Den Bergrettungsorganisationen als gemeinnützigen Hilfsorganisationen geht es gerade nicht um die Erzielung von Gewinnen aus ihrer Rettungstätigkeit, sondern um die reine Kostendeckung zur Aufrechterhaltung des Rettungsbetriebes.708 Zudem sind die verlangten Rettungspauschalen in Absprache mit den zuständigen Rettungsdienstträgern und/oder mit den Versicherern als Kostenträgern709 oder

706 Vgl. oben B. II. 3.; hierzu Fötschl, S. 270 ff. mit Erörterung der Entscheidung OLG Karlsruhe NJW 2003, 443. 707 Nachweise bei ZK-Schmid, Art. 422 N.15. 708 Vgl. oben 1. Teil, 1. Kapitel B. IV. sowie 2. Kapitel A. II. 5. und B. V. 709 Ibid.

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

von den Bergrettungsorganisationen selbst710 der Höhe nach sozialverträglich festgelegt.711 IV. Fazit Die Bergrettung kann die für ihre Einsätze üblicherweise berechneten Rettungsentgelte als Aufwendungsersatzanspruch nach den nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem Hilfsbedürftigen geltend machen.

D. Gesamtergebnis In den Fällen, in denen zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem kein entgeltlicher Vertrag über die Erbringung von Rettungsleistungen zustande kommt, erfüllt die Tätigkeit der Bergrettung regelmäßig die Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag. Dass die Bergrettung mit der Durchführung von Rettungseinsätzen ein eigenes (satzungsmäßiges) Interesse verfolgt und die Bergretter ihrer allgemeinen gesetzlichen Hilfeleistungspflicht nachkommen, steht der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ebenso wenig entgegen wie die Tatsache, dass sie mit der Rettungstätigkeit eine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem zuständigen Rettungsdienstträger oder – innerhalb des Geltungsbereichs des sozialversicherungsrechtlichen Sachleistungsprinzips – gegenüber der Krankenkasse des Hilfsbedürftigen erfüllt. Trotz des eigenen Interesses und der eigenen Verpflichtung wird die von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag als besondere gesetzliche Ausgleichsregelung vorausgesetzte Interessenlage – nicht anderweitig abschließend geregelte, fremdnützige Interessenwahrnehmung – nicht berührt. Das eigene Interesses und die genannten Verpflichtungen sind gerade auf die Wahrung des Hilfeleistungsinteresses des Hilfsbedürftigen ausgerichtet. Zudem enthalten die Verpflichtungen in Hinsicht auf die Hilfeleistung keinerlei Regelungen, die der besagten Interessenlage entgegenstehen und die Gefahr einer Kollision mit den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag begründen. Insbesondere erfolgt hierdurch keine den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag zuwiderlaufende Lastenverteilung. Hat die Bergrettung allerdings eine Leistungsvereinbarung mit der Versicherung des Hilfsbedürftigen abgeschlossen und fällt die Rettungstätigkeit in den Anwendungsbereich des sozialversicherungsrechtlichen Sachleistungsprinzips, scheidet 710

Vgl. Freudig/Martin, S. 270. Die verlangten Entgeltpauschalen liegen in einem Großteil der Fälle sogar deutlich unter dem tatsächlichen Aufwand der Rettungsaktion, vgl. Auskunft der Bergwacht Füssen (www.bergwacht-fuessen.de). 711

3. Kap.: Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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die Inanspruchnahme des Hilfsbedürftigen aus. Die Bergrettung muss sich hinsichtlich eines Entgeltanspruchs direkt an den Versicherer wenden. Die Einsätze der Bergrettung sind in aller Regel auch als berechtigte Geschäftsbesorgung zu qualifizieren, da die Hilfeleistung regelmäßig dem in Deutschland maßgeblichen (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen des Hilfsbedürftigen (subjektives Prinzip) entspricht und auch in dem in Österreich und der Schweiz vorausgesetzten objektiven Interesse des Hilfsbedürftigen (objektive Theorie) liegt. Die Einsätze sind dann dem Grunde nach erstattungsfähig, weil sie unabhängig von der jeweiligen Betrachtungsperspektive für den Hilfsbedürftigen nützlich sind. Das gilt jedenfalls, solange zum maßgeblichen Zeitpunkt des Rettungsbeginns tatsächlich eine Notlage gegeben war. Existiert die Notlage zu diesem Zeitpunkt nicht mehr oder bestehen aufgrund der äußeren Umstände zu diesem Zeitpunkt Zweifel an der Nützlichkeit der Rettungstätigkeit, kommen das deutsche Recht und das österreichische bzw. schweizerische Recht aufgrund der unterschiedlichen Nützlichkeitsmaßstäbe im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen. Aus der nach schweizerischem und österreichischem Recht maßgeblichen Betrachtungsperspektive folgt, dass der Rettungseinsatz schon dann als nützlich und ein Aufwendungsersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag bereits dann dem Grunde nach zu bejahen ist, wenn die Bergrettung anhand der ihr erkennbaren, häufig unsicheren Kenntnis der Sachlage von der Notwendigkeit eines Rettungseinsatzes und der Erforderlichkeit der hierzu scheinbar nötigen Maßnahmen ausgehen konnte. Das ist mitunter auch der Fall, wenn nur der Anschein einer in Wirklichkeit nicht existierenden Notlage bestand, die Notlage sich vor Rettungsbeginn erledigt hatte oder aufgrund erkennbarer Umstände der Rettungseinsatz als solcher bzw. in seiner konkreten Art und Weise als unnütz erschien, die Bergrettung dies aber nicht erkennen konnte. Zu einer differenzierteren und wegen der angemessenen Berücksichtigung des Einmischungsschutzes des Hilfsbedürftigen vorzugswürdigen Lösung gelangt das deutsche Recht mit dem hier anzulegenden strengen subjektiven Maßstab. Zwar kommen das deutsche und das österreichische bzw. schweizerische Recht auch in Zweifelsfällen häufig zu denselben Ergebnissen, nämlich dann, wenn weder aus Sicht der Bergrettung noch aus Sicht des Hilfsbedürftigen die mangelnde Nützlichkeit des Einsatzes (sicher) erkennbar war. Entsprach die Rettung aber nicht dem Willen des Hilfsbedürftigen, was insbesondere der Fall ist, wenn kein Notfall existierte oder sich die Rettung zum Zeitpunkt des Einsatzbeginns bereits erledigt hatte, steht der Bergrettung kein Anspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Dass die Bergrettung nach deutschem Recht in besonderen Fällen mangels Nützlichkeit keinen Anspruch gegen den Hilfsbedürftigen auf Ersatz ihrer Aufwendungen hat, ist in der Gesamtschau systemgerecht. Denn die Fehleinsätze der Bergrettung sind regelmäßig darauf zurückzuführen, dass die Bergrettung im Interesse der Allgemeinheit an einem funktionierenden, flächendeckenden Rettungswesen Einsätze auch dann durchführt, wenn

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3. Teil: Ansprüche auf Zahlung von Rettungsentgelten

Zweifel an ihrer Notwendigkeit nicht ausgeräumt werden können. Dann gilt es, die Übernahme von Kosten für derartige „Fehleinsätze“ mit dem für das Rettungswesen zuständigen Hoheitsträger (oder einer anderen staatlichen Stelle) auszuhandeln, in dessen Verantwortung die Wahrung dieses Allgemeininteresses letztlich fällt. Dass die Bergrettung ein Rettungsentgelt verlangt, das nicht nur die Kosten des konkreten Einsatzes abdeckt, sondern auch laufende Kostenpositionen umfasst und sich damit als eine Vergütung für die erbrachten Rettungsleistungen darstellt, steht dem Zahlungsanspruch entgegen Gesetzeswortlaut und Gesetzessystematik der jeweiligen Vorschriften nicht entgegen. In allen drei Rechtsordnungen ist anerkannt, dass die Zahlung einer Vergütung nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag im Ausnahmefall möglich und u. a. aufgrund des praktischen Bedürfnisses gerade im Rettungswesen erforderlich ist. Voraussetzung hierfür ist, dass eine solche Vergütung wie im Fall der Bergrettung ein für die Geschäftsbesorgungstätigkeit übliches Entgelt darstellt und der Geschäftsherr hierdurch nicht unangemessen benachteiligt wird. Das ist gerade bei Rettungseinsätzen der Bergrettung nicht der Fall, da für den Hilfsbedürftigen eine echte Alternative zur Inanspruchnahme der Bergrettung nicht besteht und die Rettungspauschalen auf ein sozialverträgliches Maß begrenzt sind.

4. Teil

Ansprüche der Bergrettung/des Bergretters auf Schadensersatz Nachdem bisher Entgeltansprüche der Bergrettung für einen Rettungseinsatz behandelt wurden, sollen in diesem Kapitel mögliche Ansprüche der Bergrettung bzw. des Bergretters auf Ersatz von im Zuge eines Rettungseinsatzes erlittenen Schäden näher beleuchtet werden. Im Schwerpunkt wird es dabei um Personenbzw. Sachschäden der Bergretter gehen, die diese bei einem – im hochalpinen Gelände häufig risikoreichen – Einsatz erleiden. Daneben stellt sich die Frage nach dem Ersatz von Vermögensschäden, die die Bergrettung infolge eines Fehlalarms erleidet. Schadensersatzansprüche aus vorvertraglicher und vertraglicher Haftung spielen innerhalb der nachfolgenden Betrachtung eine untergeordnete Rolle. Sie werden der Vollständigkeit halber vorab kurz dargestellt (1. Kapitel). Den Kern dieses Kapitels bilden außervertragliche Schadensersatzansprüche. Sie können deliktischer Art sein (2. Kapitel) oder sich aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag ergeben (3. Kapitel). Welches dieser beiden außervertraglichen Rechtsinstitute in Rettungsfällen ein geeignetes Haftungsregime bietet und wo die Grenzen zwischen ihnen verlaufen, ist nicht klar. Bevor ein Lösungsvorschlag zu dieser Frage im Rahmen einer abschließenden Gesamtbetrachtung der Schadensersatzansprüche der Bergrettung und der damit einhergehenden Risikoverteilung zwischen den Beteiligten gemacht wird (5. Kapitel), ist darauf einzugehen, ob und in welchem Umfang Schäden der Bergretter durch Versicherungen aufgefangen werden (4. Kapitel).

1. Kapitel

Vorvertragliche und vertragliche Haftung A. Ersatz von Vermögensnachteilen aus vorvertraglicher Haftung Ist ein Rettungsvertrag nicht zustande gekommen und liegen die Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vor, weil bei einem Fehlalarm oder einer erfolglosen Suchaktion die Rettungstätigkeit dem (nur

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

vermeintlich) Hilfsbedürftigen nicht von Nutzen war,1 steht der Bergrettung regelmäßig auch kein Anspruch auf Ersatz der nutzlos getätigten Aufwendungen aus vorvertraglicher Haftung zu. Informiert ein Dritter die Rettungsleitstelle oder die Bergrettung direkt, kommt allenfalls eine Haftung des den Notruf Absetzenden nach den Grundsätzen der vorvertraglichen (Vertrauens-)Haftung in Betracht.2 Hierbei wird man aber in der Regel schon das Zustandekommen eines vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses zwischen der Bergrettung und demjenigen, der den Notruf absetzt, verneinen müssen. Wie bereits dargelegt, ist dem Notruf eines Dritten nach seinem objektiven Erklärungswert grundsätzlich keine Intention auf schuldrechtliche Bindung in irgendeiner Form zu entnehmen.3 Ebenso wenig nimmt der Dritte deshalb in der Regel besonderes Vertrauen für Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben bezüglich des tatsächlichen Vorliegens eines Notfalls in Anspruch. Durch die Mitteilung von Umständen, die nach seiner subjektiven Wahrnehmung auf eine Notlage schließen lassen, will der Notrufer aus Sicht des Notrufempfängers objektiv erkennbar nicht das Prognoserisiko hinsichtlich der Erforderlichkeit und der Nützlichkeit und damit nicht das Kostenrisiko eines Rettungseinsatzes übernehmen. Im Gegenteil, die besondere Expertise der Rettungsleitstellen und der Bergrettung im Umgang mit Not- und Hilferufen gebietet eine möglichst genaue Aufklärung des berichteten Sachverhalts durch gezieltes Nachfragen und eine eigene Prognoseentscheidung der Rettungsleitstelle bzw. der Bergrettung, ob anhand der in Erfahrung gebrachten Umstände von einer Notlage auszugehen und ein Rettungseinsatz einzuleiten ist. Hierauf kann und wird sich der Notrufer in der Regel verlassen. Eine gegenteilige Auffassung würde den inakzeptablen Effekt haben, der Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft anderer Bergsportler durch das Damoklesschwert einer Haftung für fehlerhafte Angaben den Boden zu entziehen. Der Hilfsbedürftige selbst wird seine Lage und das Bedürfnis, die Bergrettung zu Hilfe zu rufen, genau kennen. Irrt sich der Hilfesuchende über die Gefährlichkeit seiner Situation bzw. kann er sich in der Folge aus seiner Lage befreien, ändert dies nichts am Zustandekommen eines Rettungsvertrages und dem Anspruch der Bergrettung auf Vergütung für ihren (letztlich) von vornherein nutzlosen Einsatz. Entscheidend ist insofern der objektive Erklärungswert des den Notruf absetzenden Hilfsbedürftigen, auf den sich die zentrale Meldestelle verlassen 1 Vgl. hierzu, insbesondere zu den Unterschieden im deutschen und im schweizerischen bzw. österreichischen Recht 3. Teil, 3. Kapitel B. III. 2 In Deutschland hat das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo im Wege der Schuldrechtsreform 2002 Niederschlag im Gesetz gefunden (§ 311 Abs. 2, 3 BGB), in der Schweiz und in Österreich ist es weiterhin als de lege ferenda entwickeltes Rechtsinstitut neben den gesetzlichen Vorschriften anwendbar, vgl. Koziol/Welser, BR I, S. 204 ff.; Schwenzer, OR AT, N. 47.01 ff. 3 Siehe oben 3. Teil, 2. Kapitel B. I. 2. und 3.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

323

darf. Die Zweckverfehlung des Einsatzes steht einem Anspruch ebenfalls nicht entgegen.4

B. Ersatz von Personen- oder Sachschäden aus Vertrag Die Haftung des Hilfsbedürftigen oder des Notlagenverursachers aus Vertrag ist zwar denkbar, wird aber wohl eine seltene Ausnahme darstellen und soll deshalb hier ebenfalls nicht weiter vertieft werden. Ein solcher vertraglicher Schadensersatzanspruch kann sich, da Hauptleistungspflicht des Hilfsbedürftigen bzw. des Notlagenverursachers, der den Rettungsauftrag erteilt hat, die Vergütungszahlung für die in Anspruch genommene Rettungsleistung ist,5 nur aus der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, d.h. einer das Integritätsinteresse wahrenden Schutzpflicht ergeben.6 Denkbar ist hier allenfalls, dass der Hilfsbedürftige oder der Notlagenverursacher als Vertragspartner der Bergrettung während des Rettungseinsatzes Personen- oder Sachschäden der Bergretter herbeiführt, etwa indem er Anweisungen der Bergretter missachtet oder durch sein Verhalten fahrlässig Steinschlag oder eine Lawine auslöst. Diese Fälle werden in der Praxis aber eine seltene Ausnahme bilden, da der Hilfsbedürftige und der Notlagenverursacher in der überwiegenden Zahl der Fälle passiv der Rettungsaktion der Bergrettung entgegensehen werden. 2. Kapitel

Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung A. Vorüberlegungen Die hier untersuchten Rechtsordnungen enthalten in § 823 Abs. 1 BGB, §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB und Art. 41 Abs. 1 OR je einen generellen gesetzlichen Haftungstatbestand, der jeweils als Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche eines beim Einsatz geschädigten Retters gegen den Verursacher der Notlage aus unerlaubter Handlung in Betracht kommt. I. Verschuldenshaftung – Prinzip, Elemente und Funktionen Die Vorschriften der § 823 Abs. 1 BGB, §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB und Art. 41 Abs. 1 OR sind Ausprägungen des allen drei Rechtsordnungen als maß4

Vgl. oben 3. Teil, 2. Kapitel B. IV. s. o. 3. Teil, 2. Kapitel B. III. 6 Palandt-Heinrichs, § 241 Rn. 5 ff.; Schwenzer, OR AT, N. 4.23, 67.08; Koziol/Welser, BR I, S. 194. 5

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

geblichem Haftungsgrundsatz zugrundeliegenden Prinzips der Verschuldenshaftung. Ausgehend von dem haftungsrechtlichen Grundsatz, dass jeder selbst den Schaden zu tragen hat, den er durch die Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter erleidet (casum sentit dominus), bedarf eine Verlagerung dieses (Schadens-)Risikos auf einen Dritten mit der Folge, dass der Geschädigte den Dritten auf Ersatz seiner Schäden in Anspruch nehmen kann (Haftung), einer besonderen Rechtfertigung.7 Eine solche Rechtfertigung für die Schadensverlagerung ist bei der Verschuldenshaftung dann gegeben, wenn ein Dritter den Schaden verschuldet, d.h. in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat. Zum Vorwurf kann dem Handelnden aber nur ein solches schadensursächliches Verhalten gereichen, das durch die Rechtsordnung in Hinsicht auf den bewirkten Schaden missbilligt wird. Die Verschuldenshaftung setzt also ganz allgemein voraus, dass eine Person einen Schaden verursacht, indem sie sich mit ihrem Verhalten in vorwerfbarer Weise in Widerspruch zu Anforderungen setzt, die die Rechtsordnung an sie stellt.8 Die vorstehend skizzierten Elemente der Verschuldenshaftung kommen in den Haftungstatbeständen des § 823 Abs. 1 BGB, der §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB und des Art. 41 OR gleichermaßen zum Ausdruck: Der Handelnde muss durch sein Verhalten einen Schaden verursacht haben (Schadensverursachung), das den Schaden verursachende Verhalten muss von der Rechtsordnung missbilligt (Rechtswidrigkeit) und dem Handelnden muss sein Verhalten vorzuwerfen sein (Verschulden), weil er es nicht den Anforderungen entsprechend gesteuert hat.9 7 Kötz, Rn. 5; Staudinger-Hager, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 24; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 1/1 und 1/2 – der Grundsatz der Selbsttragung von Schäden ist in § 1311 S. 1 ABGB explizit aufgestellt: „Der bloße Zufall trifft denjenigen, in dessen Vermögen oder Person er sich ereignet“; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 1 N. 10 f. 8 Palandt-Sprau, Einf. v. § 823 Rn. 1; Soergel-Spickhoff, Vor § 823 Rn. 1; Kötz, Rn. 6; Oftinger/Stark, N. 12, 24 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 1/3 f. 9 § 823 Abs. 1 BGB: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper [. . .] eines anderen widerrechtlich verletzt [. . .]“; §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB: „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welcher dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern. Die widerrechtliche Beschädigung wird entweder willkürlich, oder unwillkürlich zugefügt. Die willkürliche Beschädigung aber gründet sich theils in einer bösen Absicht [. . .], theils in einem Versehen, wenn er aus schuldbarer Unwissenheit, oder aus Mangel an der gehörigen Aufmerksamkeit, oder des gehörigen Fleißes verursacht worden ist. Beydes wird ein Verschulden genannt.“ Art. 41 Abs. 1 OR: „Wer einem anderen widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.“ Vgl. allgemein zur Verschuldenshaftung Staudinger-Hager, § 823 Rn. A 2; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 1 ff. mit Übersicht zur tatbestandlichen Struktur; Schwimann-Harrer, § 1294 Rz. 1 ff.; BKSchnyder, Art. 41 N. 1 ff.; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 1 N. 102 – der Begriff der Rechtswidrigkeit wird im Schweizerischen Recht auch synonym als „Widerrechtlichkeit“ bezeichnet (vgl. Honsell, Haftpflichtrecht, § 4 N. 1). Die Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Verschulden wird bisweilen in Zweifel gezogen, was daran liegt, dass zwischen den de lege ferenda entwickelten Verhaltensnormen (Verkehrspflichten) und den im Rahmen des Fahrlässigkeitsverschuldens maßgeblichen Sorgfaltspflichten

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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Damit sind zugleich zwei wesentliche, in Wechselwirkung stehende Funktionen des Deliktsrechts angedeutet. Das Deliktsrecht dient einerseits dem Schutz der von der Rechtsordnung geschützten Rechtsgüter, indem es dem Geschädigten Ausgleich für den erlittenen Schaden verschafft (Ausgleichsfunktion).10 Dem Ausgleichsgedanken gegenüber steht die Aufgabe des Deliktsrechts, Handlungsfreiräume und individuelle Schutzbereiche im gesellschaftlichen Zusammenleben voneinander abzugrenzen.11 Schon in dem Erfordernis des Verschuldens selbst (Schuldprinzip), d.h. eines individuellen Fehlverhaltens des Schädigers, kommt das Prinzip der Handlungsfreiheit zum Ausdruck, denn ohne rechtliche Missbilligung des Verhaltens ist der Handelnde grundsätzlich frei, sich so zu verhalten, wie es ihm beliebt, ohne dass hieraus für die Rechtsgüter Dritter erwachsende Konsequenzen auf ihn zurückfallen. Durch die Festlegung von Verhaltensanforderungen bestimmen Gesetzgeber und Rechtsprechung somit den Spielraum, innerhalb dessen sich jeder frei bewegen kann, und in Abgrenzung davon die Bereiche, in denen ein Fehlverhalten die Verlagerung eines durch ein Handeln herbeigeführten Schadens rechtfertigt.12 Rechtsgüterschutz und Handlungsfreiheit stehen dabei in einem ständigen Spannungsverhältnis. Je stärker die Sphäre des Opfers geschützt wird, desto weiter kann die Freiheit des Handelnden beschnitten sein.13 Bei der Festlegung der Verhaltensanforderungen an den Schädiger ist dabei im Einzelfall ein sachgemäßer Ausgleich zwischen diesen beiden sich gegenüberstehenden Interessen zu finden.

wegen des jeweils objektiven Maßstabs kaum noch sinnvoll zu unterscheiden ist (vgl. Kötz/Wagner, Rn. 102 ff., 128). 10 MüKo-Mertens (3. Auflage), Vor §§ 823–853 Rn. 41 m.w. N. (Fn. 63); Staudinger-Hager, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 9; Soergel-Spickhoff, Vor § 823 Rn. 30; Schwimann-Harrer, Vorbem. zu §§ 1293 ff. Rz. 4; Apathy/Riedler, BR III, SR BT, § 13 Rz. 2; Honsell, Haftpflichtrecht, § 1 N. 63. Auf die Ausgleichsfunktion und den hierdurch bezweckten Rechtsgüterschutz lassen sich auch die Befriedungsfunktion des Rechts sowie die Funktionen der Rechtsfortsetzung, Prävention und Steuerung des Deliktsrechts zurückführen (vgl. Staudinger-Hager, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 9 ff.). 11 Soergel-Spickhoff, Vor §§ 823 Rn. 29; Staudinger-Hager, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 12 m.w. N.; MüKo-Mertens (3. Auflage), Vor §§ 823–853 Rn. 46; Esser/Weyers, SR II/2, § 53 2. b.; Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 I 1 mit dem Hinweis, dass die Gesetzesverfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Aufgabe des Deliktsrechts darin sahen, „die Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb derer sie ihre individuellen Freiheiten entfalten und ihre Interessen verfolgen dürfen, voneinander abzugrenzen.“ (Mugdan II, 1073); Honsell, Haftpflichtrecht, § 1 N. 7. 12 Vgl. Soergel-Spickhoff, Vor § 823 Rn. 7; MüKo-Mertens (3. Auflage), Vor §§ 823– 853 Rn. 46. 13 Staudinger-Hager, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 12; Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 I 1; Esser/Weyers, SR II/2, § 53 2. b. („In diesem zweiten Bereich findet der Kampf um rechtliche Anerkennung und Schutz bestimmter Lebensgüter einerseits und Aktionsfreiräume andererseits überhaupt in der Arena des Deliktsrechts statt.“)

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

II. Abgrenzung der Verschuldenshaftung zu anderen außervertraglichen Haftungsgründen Andere Gründe für eine haftungsbegründende Verlagerung der Schäden, die Bergretter bei ihren Einsätzen erleiden, kommen nach der geltenden Gesetzeslage nicht in Betracht.14 Sie sind in speziellen Anspruchsvorschriften geregelt, die auf die hier betrachteten Fälle der Hilfeleistung nicht anwendbar sind. Insbesondere der Gedanke einer Verlagerung von Schadensverantwortung aufgrund Gefährdungshaftung, d.h. der Ersatz von Schäden anknüpfend an grundsätzlich erlaubte, aber besonders gefährliche und schadensträchtige Umstände und Verhaltensweisen, ohne dass es auf die Rechtswidrigkeit und das Verschulden des Handelnden ankommt,15 mag zwar angesichts teilweise waghalsiger, besonders gefährlicher bergsteigerischer Unternehmungen, die wegen ihrer Publikumswirksamkeit immer wieder das Interesse der Massenmedien finden und deshalb dem Nichtbergsportler einen entsprechenden Eindruck über die Gefährlichkeit des Bergsports vermitteln, als Haftungsgrund auf den ersten Blick erwägenswert erscheinen.16 Jedenfalls hat aber auch der Gedanke der Gefährdungshaftung in den hier untersuchten Rechtsordnungen nicht in Form einer Generalklausel Nieder14 Andere verschuldensunabhängige Haftungsgründe sind vor allem die Gefährdungshaftung (z. B. die Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB und die Haftung für Schäden beim Einsatz von Kraftfahrzeugen gemäß § 7 StVG, § 5 EKHG, § 58 SVG), die Aufopferungshaftung (z. B. der Entschädigungsanspruch bei aggressivem Notstand gemäß § 904 S. 2 BGB, § 1306a ABGB, Art. 52 Abs. 2 OR) und die Billigkeitshaftung (vgl. § 829 BGB, § 1310 ABGB, Art. 54 Abs. 1 OR), vgl. Staudinger-Hager, Vorbem. zu §§ 823 ff. Rn. 24; zu sonstigen Haftungsgründen im österreichischen Recht vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 1/4 ff.; zum schweizerischen Recht vgl. Honsell, Haftpflichtrecht, § 1 N. 8 ff. Das schweizerische Recht unterscheidet im Gegensatz zur Verschuldenshaftung die sogenannten Kausalhaftungen, zu denen die Gefährdungshaftung einen Unterfall bilden soll. Genau genommen handelt es sich dabei um „privilegierte“ Verschuldenshaftungstatbestände, bei denen das Verschulden vermutet wird, eine Exkulpation des Schädigers aber möglich bleibt, vgl. kritisch Honsell, a. a. O., N. 23. 15 So jedenfalls die herrschenden Auffassungen in Deutschland und Österreich, Larenz/Canaris, SR II/2, § 84 I 3 lit. a m.w. N.; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 6/10. In der Schweiz ist der Begriff der Widerrechtlichkeit nach herrschender Meinung vornehmlich an die Verletzung eines Rechtsguts geknüpft (objektive Widerrechtlichkeitstheorie, Honsell, Haftpflichtrecht, § 4 N. 2, dazu sogleich). Ähnlich der in Deutschland vertretenen Lehre vom Erfolgsunrecht wird die Widerrechtlichkeit grundsätzlich durch die Verletzung eines absoluten Rechtsgutes (im Sinne der Tatbestandsmäßigkeit) begründet. Die Widerrechtlichkeit nach diesem Verständnis ist deshalb auch Voraussetzung für die Verantwortungsverlagerung aufgrund Gefährdungshaftung (vgl. Schwenzer, OR AT, N. 54.03). Auch hier geht man aber davon aus, dass etwa der Betrieb einer Anlage, der gesetzlichen Gefährdungshaftungsregeln unterworfen ist, grundsätzlich erlaubt ist (Honsell, Haftpflichtrecht, § 1 N. 22) und damit ebenfalls nicht als rechtswidrig im Sinne eines Verhaltensunrechts anzusehen ist. 16 Der Gedanke der Gefährdungshaftung wird in der Erörterung eines potentiellen Schadensersatzanspruchs aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag, die ein Verschulden des Geschäftsherrn nicht voraussetzt, aufgegriffen werden müssen, vgl. unten 3. Kapitel.

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schlag gefunden, sondern ist, meist spezialgesetzlich, in Ausnahmetatbeständen geregelt. Eine darüber hinausgehende generelle analoge Ausweitung des in diesen Vorschriften enthaltenen Haftungsgedankens ist (bisher) in keiner der drei Rechtsordnungen anerkannt.17 Stimmen, die einer generellen Gefährdungshaftung in Ergänzung zu den bestehenden Spezialtatbeständen das Wort reden,18 haben sich bisher nicht durchsetzen können.19 III. Ersatz von Vermögensschäden aus unerlaubter Handlung Ein Anspruch auf Ersatz von reinen Vermögensschäden aufgrund unerlaubter Handlung – insbesondere für nutzlose Rettungsaufwendungen bei einem Fehlalarm – lässt sich aus den genannten Vorschriften nicht herleiten. Zwar ist die deliktische Haftung nur in § 823 Abs. 1 BGB ausdrücklich auf die Verletzung der dort genannten Rechtsgüter beschränkt, zu denen primäre Vermögensschäden gerade nicht zählen.20 Trotz des insoweit nicht restriktiven Wortlauts der §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB und Art. 41 Abs. 1 OR ist auch in Österreich und der Schweiz anerkannt, dass der Ersatz von reinen Vermögensschäden aus Delikt grundsätzlich nicht in Betracht kommt.21 17 Palandt-Sprau, Einf. v. § 823 Rn. 6 mit Hinweis auf BGHZ 54, 332, 336; 55, 229, 234; MüKo-Wagner, Vor § 823 Rn. 23; Schwimann-Harrer, Vorbem. zu §§ 1293 ff. Rz. 7 – der OGH hat zwar in Hinsicht auf die Gefährlichkeit des Betriebs industrieller Anlagen Einzelanalogien unter Anwendung sehr restriktiver Kriterien zugesprochen. Er hat eine Gesamtanalogie – wie von Koziol gefordert – bisher aber nicht befürwortet (vgl. OGH JBl. 1996, 446, 448 ff. mit Anmerkung Jabornegg). Aufgrund der vom OGH aufgestellten Kriterien für die befürworteten Einzelanalogien und mangels Anhaltspunkten für die Ausdehnung der Rechtsprechung auf Fälle außerhalb des Betriebs gefährlicher Anlagen hinaus soll eine analoge Anwendung der Gefährdungshaftungsvorschriften im Zusammenhang mit den Rettungsfällen der Bergrettung nicht vertieft werden. Honsell, Haftpflichtrecht, § 1 N. 20. 18 Vgl. Kötz, Rn. 371; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 6/9; Honsell, Haftpflichtrecht, § 1 N. 20. 19 Die Forderung nach einer Generalklausel für die Gefährdungshaftung besteht schon seit längerem, vgl. Literaturhinweise bei Jansen, S. 558, Fn. 80. Zu der bedenklichen Ausweitung der Haftung durch eine solche Klausel vgl. Jansen, S. 558 ff., 560. 20 Palandt-Sprau, § 823 Rn. 11. 21 KBB-Karner, § 1295 Rz. 1 f.; Honsell, Haftpflichtrecht, § 1 N. 58, § 4 N. 20. Gegen eine deliktische Haftung des Auslösers eines Fehlalarms sprechen zudem die oben (1. Kapitel A.) angeführten Argumente. Die Kosten eines Rettungseinsatzes bei einem Fehlalarm sind vor allem in Deutschland auch nicht nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähig, da es an der Nützlichkeit des Einsatzes für den vermeintlich Hilfsbedürftigen fehlt (vgl. oben 3. Teil, 3. Kapitel B. III. 1.). Dies wird teilweise als unbillig empfunden für die Fälle, in denen ein Rettungseinsatz grob fahrlässig oder gar absichtlich ausgelöst wird. Bei absichtlicher Falschmeldung eines Notfalls bieten die deliktsrechtlichen Vorschriften eine ausreichende Grundlage für Ersatzansprüche auch für Vermögensschäden gegen den Veranlasser (vgl. § 826 BGB, § 1295 Abs. 2 ABGB – hierzu KBB-Karner, § 1295 Rz. 2; Art. 41 Abs. 2 OR). Bei der Frage, ob der Veranlasser auch in Fällen grob fahrlässiger Auslösung eines Fehlalarms Kostenersatz leisten soll, ergeben sich zwei Schwierigkeiten. Zum einen muss man sich

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B. Struktur der Rettungsfälle – Problematik der mittelbaren Schädigung Die Besonderheit der Prüfung, ob den Bergrettern nach den eingangs genannten Vorschriften ein Schadensersatzanspruch für während des Einsatzes erlittene Schäden zusteht, liegt wie bei allen Rettungsfällen22 in der Struktur der Ereignisse, die letztlich zu einer Körperverletzung oder einem Sachschaden des Hilfeleistenden führen.23 Der Schaden des Bergretters wird meist nur indirekt vom Verursacher der Notlage – sei es vom Hilfsbedürftigen selbst oder von einem Dritten – herbeigeführt. Er schafft mit der Notlage zunächst lediglich eine Erstursache für die spätere Verletzung und den daraus resultierenden Schaden. Verletzung und Schaden treten erst im Rahmen der Durchführung des Rettungseinsatzes durch eine eigenverantwortliche Handlung des Bergretters, also infolge einer Zweitursache ein. Beide Umstände sind verknüpft durch die Alarmierung der Bergrettung oder deren anderweitige Kenntniserlangung von der Notlage und den darauf folgenden Entschluss der Bergrettung zur Durchführung des Einsatzes. Bei den Rettungseinsätzen der Bergrettung handelt es sich damit wie bei allen sonstigen Rettungsfällen strukturell um Fälle der mittelbaren Schädigung mit der Besonderheit, dass zwischen Erstursache (Notlage) und Verletzung das grundsätzlich eigenständige und selbstverantwortliche Handeln des Verletzten (Retters) als Zweitursache tritt.24 Hinzu kommt, dass eine Notlage infolge bergganz allgemein fragen, ob derartige Fehlleistungen nicht in Kauf genommen werden sollten, um im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr den Unfallzeugen im Zweifel nicht von der Notfallmeldung abzuhalten. Zum anderen stellt sich die schwierige Abgrenzungsproblematik, wann eine Falschmeldung grob fahrlässig ist, und wann nicht. § 28a Abs. 2 RDG BW sieht jedenfalls vor, dass sich die Rettungsorganisationen hinsichtlich der Rettungsentgelte an den grob fahrlässigen Veranlasser wenden können. Vgl. zur Diskussion im öffentlichen Recht unter dem Stichwort Anscheinsstörer ebenfalls: VGH Mannheim, Urteil vom 22.01.2004 – 1 S 2263/02, BeckRS 20631; VG Chemnitz LKV 1996, 300; VGH Kassel NVwZ-RR 2001, 514. 22 In den Rettungsfällen geht es stets um die Frage, ob der Verursacher einer Notlage für die Verletzungen haftbar gemacht werden kann, die ein Hilfe leistender/Retter bei dem Versuch erleidet, die beeinträchtigten oder bedrohten Rechtsgüter vor (weiterem) Schaden zu bewahren. Die Terminologie hierzu ist nicht einheitlich, obwohl im Ergebnis dieselben Fälle gemeint sind, vgl. Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 78 („Nothilfe und rechtlich oder sittlich gebotene Handlung“); ebenso Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 53; Kötz/Wagner, Rn. 201 („Rettungsfall“); Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/ 55 („Rettungshandlungen“). 23 Soweit nachfolgend von einer „Verletzung“ des Retters gesprochen wird, sind damit beide Formen der Rechtsgutsverletzung, Personen- und Sachschaden angesprochen. 24 Zur Unterscheidung unmittelbarer und mittelbarer Schädigungen vgl. Larenz, SR I, § 27 III 2, S. 444; MüKo-Oetker, § 249 Rn. 136; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 12 f. m.w. N. Die strukturelle Unterscheidung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Schädigungen wird in Österreich und der Schweiz teilweise mit dem Argument abgelehnt, dass eine solche Unterscheidung nicht präzise zu treffen und deshalb unpraktikabel sei (Honsell, Haftpflichtrecht, § 1 N. 47; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 103 f.; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/12). Diese Kritik an einer nicht ausreichend präzisen

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sportlicher Unternehmungen wohl kaum je absichtlich herbeigeführt wurde. Die folgende Erörterung wird sich deshalb auf die Fälle fahrlässiger Notlagenverursachung beschränken. Jede „nur“ mittelbare Verursachung, bei der eine Erstursache erst unter Hinzutreten besonderer weiterer Ursachen zu einer Schädigung führt, wirft ganz allgemein die Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen demjenigen, der diese Erstursache gesetzt hat, sein Verursachungsbeitrag trotz Dazwischentretens weiterer Umstände als verletzungs- bzw. schadenswirksam zugerechnet25 werden kann mit der Folge, dass er für Verletzung und Schaden haftungsrechtlich verantwortlich ist.26 Eben diese Frage stellt sich auch bei Verletzungen und Schäden eines Bergretters: Es ist zu bewerten, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verletzung des Retters beim Einsatz dem Verursacher der Notlage angelastet werden kann, obwohl die Verletzung erst durch eine eigenständige und grundsätzlich selbstverantwortliche Handlung des Bergretters herbeigeführt wird. Dies mag etwa aus folgenden Gründen zweifelhaft erscheinen: • Oft ist es purer Zufall, dass die Bergrettung oder Dritte von einem Unfall in der abgeschiedenen Welt der Berge erfahren und aufgrund der oft nur vagen äußeren Anzeichen und Verdachtsmomente überhaupt einen Rettungsversuch unternehmen. Kann man dann noch davon sprechen, dass die Verursachung der Notlage typischerweise zu einer Hilfeleistung führt und deshalb ursächlich für während des Einsatzes erlittene Schäden war? • Der Rettungseinsatz beruht auf einem eigenständigen Entschluss der Bergretter; sie sind zwar grundsätzlich verpflichtet, in Notfällen zu helfen, ihnen steht aber ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Gefahren zu, die sie bei einem Einsatz eingehen. Haben die Bergretter dann nicht eine eigenständige, unabhängige Ursache für die erlittenen Verletzungen und Sachschäden bei einem Einsatz gesetzt, die dem Verursacher der Notlage nicht mehr angelastet werden sollte, zumal die Bergrettung über besondere Expertise zur Rettung im

Begriffsdefinition mag im Ansatz berechtigt sein. Auch die Kritiker dieser Unterscheidung leugnen jedoch nicht, dass die vor allem in der deutschen Lehre unter den Begriff der mittelbaren Schädigungen gefassten Fälle aufgrund ihrer Struktur – insbesondere beim Dazwischentreten Dritter in den Kausalverlauf – besondere rechtliche Problemstellungen aufwerfen. An dem Begriff der mittelbaren Schädigung wird vorliegend deshalb festgehalten. 25 Innerhalb der deutschen Dogmatik sind mit der sog. objektiven Zurechnung teilweise besondere Kriterien angesprochen, die zur Begründung eines ausreichenden Haftungszusammenhangs zwischen Erstursache und Verletzung in den problematischen Fällen der mittelbaren Schädigung herangezogen werden (dazu sogleich). Allgemein umfasst der Begriff jedoch insgesamt die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten geeignet ist, eine Schadensverlagerung aufgrund Verschuldenshaftung zu rechtfertigen (vgl. Fuchs, S. 1). In diesem Sinne ist eine „Zurechnung“ nur gegeben, wenn alle Kernelemente der Verschuldenshaftung vorliegen (Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden). 26 Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 137; Jansen, S. 575 f.

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Gebirge verfügt und deshalb grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Verletzungen und Schäden während des Einsatzes vermieden werden? • Bergsport in seinen verschiedenen Facetten ist gemeinhin gesellschaftlich akzeptiert und nicht nur geduldet, sondern in den vom Tourismus lebenden Bergregionen geradezu erwünscht. Kann man dem Verursacher der Notlage hinsichtlich der Schädigung eines Bergretters einen Vorwurf machen, wenn er doch einer gesellschaftlich akzeptierten und keineswegs verbotenen oder missbilligten Tätigkeit nachgegangen ist und Unfälle dabei ebenso wie im Alltag immer wieder passieren?27 Diese Zweifel lassen sich im Anschluss an die allgemeine Darstellung zu den Elementen der Verschuldenshaftung (vgl. oben A. I.) zwei Fragen zuordnen. Von ihrer Beantwortung hängt es ab, ob und unter welchen Voraussetzungen die Herbeiführung einer Notlage als Erstursache die Haftung des Notlagenverursachers für Schäden des Retters rechtfertigt, obwohl zwischen die Notlagenverursachung und die Schädigung der Entschluss der Retter zum Einsatz und die eigenverantwortliche Durchführung der Rettungsmaßnahmen (Zweitursache) tritt. I. Schadensverursachung: Hinreichende Wahrscheinlichkeit zwischen Notlagenverursachung (Erstursache) und Verletzung? Besteht zwischen der Herbeiführung einer Notlage und der Verletzung des Retters ein aus haftungsrechtlicher Sicht noch hinreichend enger (wahrscheinlicher) ursächlicher Zusammenhang, der es trotz eigenverantwortlichen Handelns der Retter (Zweitursache) rechtfertigt, die Verursachung der Notlage als haftungsrelevantes Verhalten zu qualifizieren? Oder liegt der Eintritt des konkreten Schadens nach Verursachung der Notlage so fern, dass die Erstursache als haftungsbegründender Umstand von vornherein nicht mehr in Betracht zu ziehen ist?28 Die (Gesamt-)Bewertung, ob ein ausreichend wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen Erstursache (Notlage) und Schaden (Verletzung des Retters) besteht, hat beide Glieder der Ursachenkette einzeln zu werten und zu berücksichtigen: Die Wahrscheinlichkeit zwischen Erstursache (Notlage) und Eintritt der Zweitursache (Rettungseinsatz) einerseits und die Wahrscheinlichkeit zwischen Zweitursache (Rettungseinsatz) und Eintritt des Schadens (Verletzung des Ret-

27 Hierzu sei angemerkt, dass die Unfallwahrscheinlichkeit von bergsportlichen Aktivitäten im Schnitt keineswegs über den Zahlen der Unfallstatistik im Straßenverkehr liegt, vgl. Uli Mosimann, Berg&Steigen 02/04, 54, 55. Zwar liegt das Risiko eines Unfalls bei Hochtouren höher als im Straßenverkehr. Das gilt jedoch nicht für sonstige alpine Aktivitäten wie Ski- und Klettertouren oder das Bergwandern. 28 Zur Bedeutung der Wahrscheinlichkeit für die Schadensverursachung vgl. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, § 4 II. 1., Rn. 449 ff.

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ters) andererseits. Für den Zusammenhang zwischen Notlage und Rettungseinsatz spielt eine Rolle, wie wahrscheinlich es ist, dass infolge der konkreten Notlage ein Rettungseinsatz ausgelöst wird. Für den Zusammenhang zwischen Rettungseinsatz und Verletzung des Retters ist wesentlich, wie wahrscheinlich aufgrund der konkreten Umstände der Eintritt einer Verletzung ist. Die Wertungen sind nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände möglich. Ob die Entscheidung zum Einsatz gefällt wird, hängt davon ab, ob die Bergrettung aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Informationen und nach Einschätzung der Lage einen Einsatz für erforderlich hält. Die Verletzung eines Retters während des Einsatzes ist von der Art des Einsatzes, den Fähigkeiten und der Erfahrung des Bergretters sowie den witterungsbedingten und sonstigen objektiven Gefahren abhängig. II. Pflichtwidrigkeit: Notlagenverursachung als rechtlich missbilligtes Verhalten? Unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen man die Verletzung eines Bergretters aufgrund der herbeigeführten Notlage für hinreichend wahrscheinlich hält, steht im Zentrum der Begründung eines Ersatzanspruchs aus Verschuldenshaftung die Frage nach der Pflichtwidrigkeit29 der Notlagenverursachung: Kann dem Verursacher die Herbeiführung der Notlage in Hinblick auf die Verletzung des Retters als von der Rechtsordnung missbilligtes und damit pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen werden? Was macht den Grund für eine Missbilligung des Verhaltens in Hinsicht auf den konkret verursachten Schaden des Retters aus? In der Beantwortung der Frage nach der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung in Hinblick auf die Verletzung des Hilfeleistenden liegt die eigentliche Schwierigkeit der Rettungsfälle als Fälle mittelbarer Schädigungen. Bei unmittelbaren Schädigungen liegt die Missbilligung eines schadensursächlichen Verhaltens meist auf der Hand, ohne dass es einer expliziten Begründung bedürfte.30 Direkte Eingriffe in fremde Rechtsgüter laufen offenkundig dem Schutz zuwider, der bestimmten Rechtsgütern von der Rechtsordnung gegenüber jedermann verliehen wird. Besonders deutlich wird dies in § 823 Abs. 1 BGB, der Eingriffe in bestimmte absolute Rechtsgüter explizit als Haftungstatbestand erfasst. Hier steht die Missachtung des Rechtsgüterschutzes durch den Handelnden derart im Vordergrund, dass es nahe liegt, das Verhalten als Fehlverhalten zu

29 Der Begriff der Pflichtwidrigkeit wird vorliegend zur Kennzeichnung des Fehlverhaltens des Schadensverursachers verwendet, das als Grund für eine Schadensverlagerung dient. Ob dieses Fehlverhalten als Frage der Rechtswidrigkeit oder des Verschuldens zu prüfen ist, ist gerade beim Fahrlässigkeitsdelikt umstritten, ohne dass sich daraus für die eigentliche Frage nach der Missbilligung des Verhaltens durch die Rechtsordnung praktische Konsequenzen ergeben (dazu sogleich). 30 Vgl. Medicus, SR II, Rn. 748.

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charakterisieren und eine Abwägung mit der Handlungsfreiheit des Schädigers künstlich wirken würde. Der Eintritt der Rechtsgutsverletzung bei mittelbaren Schädigungen hängt dagegen von weiteren Zwischenursachen ab, deren Eintritt in ihrer konkreten Form weniger selbstverständlich und häufig ungewiss ist. Der Handelnde schafft lediglich einen ersten Umstand, der erst durch Hinzutreten weiterer Umstände zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung führt. Warum auch diese, für die eintretende Verletzung entferntere Schadensursache missbilligt und als ausreichende Rechtfertigung für die Schadensverlagerung auf den (Erst-)Handelnden angesehen werden soll, leuchtet nicht ohne weiteres ein und bedarf einer besonderen Begründung.31 Zwar ist auch hier letztlich ein von der Rechtsordnung geschütztes Rechtsgut verletzt, da der Eingriff aber nicht direkt erfolgt, sondern von seitens des Handelnden mehr oder weniger beeinflussbaren weiteren Faktoren abhängt, muss erst geklärt werden, warum im konkreten Einzelfall die Handlungsfreiheit des Schädigers hinter den Rechtsgüterschutzinteressen des Verletzten zurückstehen soll. Der Grund für die Missbilligung eines nur indirekt wirkenden Verhaltens kann sich – wie auch bei unmittelbaren Schädigungen – nur aus der (wenn auch nicht unmittelbar) hieraus erwachsenden Bedrohung geschützter Rechtsgüter, also der Gefahr des schadensursächlichen Verhaltens für die Rechtsgüter ergeben.32 Auch für die Frage der Pflichtwidrigkeit der mittelbar gesetzten (Erst-)Ursache kommt es deshalb vornehmlich darauf an, wie (un)wahrscheinlich die Erstursache für den Eintritt der Zweitursache und infolgedessen auch für die Rechtsgutsverletzung ist. Im Fall der Bergrettung wird man sich also fragen müssen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Verursachung der Notlage auch dazu führt, dass sich ein Bergretter während des Einsatzes verletzt, oder anders formuliert, wie gefährlich die Verursachung der Notlage in Hinsicht auf die Verletzung der Retter ist. Bei mittelbaren Schädigungen infolge eines selbständigen Dazwischentretens Dritter spielt dabei gleichzeitig eine Rolle, in welchem Maße der Zweithandelnde in der Lage ist und es ihm zugemutet werden kann, sich vor der drohenden Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter selbst zu schützen. Je eher er selbst solche drohenden Beeinträchtigungen zu vermeiden in der Lage ist, desto weniger wahrscheinlich ist deren Eintritt. In den Bergrettungsfällen stellt sich hier die oben bereits aufgeworfene Frage, ob die Notlagenverursachung in Hinsicht auf die eingetretene Verletzung des Bergretters auch dann noch als pflichtwidrige Handlung anzusehen ist, wenn der Bergretter für seine Tätigkeit eigens ausgebildet ist. 31 Vgl. Medicus, SR II, Rn. 749 f.; Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 3 b (Unterscheidung zwischen Erfolgsvermeidungs- und Gefahrvermeidungspflichten); Esser/Weyers, SR II/2, § 55 II 3 a (der die Notwendigkeit einer besonderen Begründung der Rechtswidrigkeit unabhängig von der Unterscheidung unmittelbarer und mittelbarer Schädigungen auf sämtliche Fälle fahrlässiger Schadensverursachung erstrecken will). 32 Vgl. Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 13; Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 3 b.

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Eingangs wurde danach gefragt, warum die Verursachung einer Notlage während einer bergsportlichen Unternehmung Haftungsgrund sein soll, wenn es sich bei der bergsportlichen Betätigung um eine gesellschaftlich akzeptierte Aktivität handelt, bei der ab und zu Unfälle oder Notsituationen auftreten. Damit ist ebenfalls die Frage der Pflichtwidrigkeit angesprochen. Innerhalb der hier erforderlichen Abwägung zwischen der Handlungsfreiheit des Bergsportlers und dem Rechtsgüterschutz des Bergretters ist zu klären, ob und warum im Einzelfall der Schutz der Bergretter das Interesse des Bergsportlers an der Ausführung seiner Aktivitäten überwiegt mit der Folge, dass sein Verhalten als pflichtwidrig anzusehen und dem Bergretter Ersatz seiner Schäden zu erstatten ist. III. Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität In Deutschland wird gemeinhin unterschieden nach dem Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten und der Rechtsgutsverletzung des Geschädigten einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und dem Ursachenzusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung und dem eingetretenen Schaden (haftungsausfüllende Kausalität) andererseits.33 Dies wird damit begründet, dass sich das Erfordernis des Verschuldens zwar auf sämtliche Elemente des Haftungstatbestandes und damit auch auf die verursachte Rechtsgutsverletzung, nicht aber auf den infolgedessen eingetretenen Schaden beziehen müsse. Zudem unterliege die haftungsausfüllende Kausalität der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 287 ZPO), während die haftungsbegründende Kausalität vom Anspruchssteller zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) nachgewiesen werden müsse.34 In Österreich und der Schweiz ist diese Unterscheidung für die Haftungstatbestände in den §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB und in Art. 41 Abs. 1 OR mangels ausdrücklicher Erwähnung einer Rechtsgutsverletzung schon nicht im Gesetz angelegt, und sie wird auch in keiner der beiden Rechtsordnungen praktiziert. Es kommt hier allein auf einen Ursachenzusammenhang zwischen einem bestimmten Verhalten und dem daraus resultierenden Schaden an.35 Auch in Deutschland ist der Erkenntniswert der Unterscheidung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität mit guten Argumenten bezweifelt worden.36 33 Larenz, SR I, § 27 III, S. 432; Fuchs, S. 68 f., 83 ff.; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 2; Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 55 f.; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 10, 23; Bamberger/Roth-Grüneberg, Vor § 249 Rn. 20. 34 Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 56 und 172; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 1; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 10; Bamberger/Roth-Grüneberg, Vor § 249 Rn. 20. 35 Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 3/12; Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 15 mit dem Hinweis, dass die Unterscheidung für das schweizerische Recht auch deshalb nicht passt, weil nach Art. 43 OR der Richter den Grad des Verschuldens gerade auch beim Schadensersatzumfang berücksichtigen kann. 36 Zimmermann, JZ 1980, 10, 16; MüKo-Grunsky, Vor § 249 Rn. 39; Gottwald, Schadenszurechnung, S. 81 ff., 105.

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In der nachfolgenden Erörterung von möglichen Schadensersatzansprüchen eines verletzten Bergretters gegenüber dem Notlagenverursacher spielt die Unterscheidung keine Rolle, da es sich bei der direkten Inanspruchnahme des Notlagenverursachers durch die Bergrettung unabhängig von seiner Person stets um eine Frage der haftungsbegründenden Kausalität handelt und sich ihre Prüfung in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach denselben Kriterien richtet (dazu sogleich). Sie soll deshalb hier nicht weiter thematisiert werden. Bedeutung gewinnen könnte die Unterscheidung zwischen haftungsbegründender und haftungsausfüllender Kausalität allenfalls, wenn man – hier nicht näher erörterte – Ansprüche des Hilfsbedürftigen gegen den Verursacher der Notlage (Dritten) betrachtet. Dann sind Rettungskosten des Hilfsbedürftigen entferntere Schadensfolgen, für die sich die Frage der Ersatzfähigkeit auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität stellt. In dieser Konstellation ist jedoch schon zweifelhaft, ob den Rettern gegenüber dem schuldlos in Not geratenen Hilfsbedürftigen Schadensersatzansprüche für Personen- bzw. Sachschäden zustehen, die der Hilfsbedürftige seinerseits dem Notlagenverursacher als Folgeschaden in Rechnung stellen kann.37 Selbst dann wäre nicht recht einzusehen, warum die Frage der deliktischen Haftung des Dritten für solche Folgeschäden anders beurteilt werden sollte als die Haftung des die Notlage selbst auslösenden Hilfsbedürftigen, zumal auch in Deutschland beide Ursachenzusammenhänge in der Regel nach denselben Kriterien geprüft werden.38 In beiden Fällen stellt sich dasselbe, oben beschriebene Problem, eine Rechtfertigung bzw. Begründung dafür zu finden, warum auch der mittelbar herbeigeführte bzw. entferntere Schaden noch ersatzfähig sein soll. IV. Fazit und Ausblick Die vorstehenden abstrakten Überlegungen zeigen, dass die zur Beantwortung der beiden aufgeworfenen Fragen relevanten Aspekte eng miteinander verwoben sind. Für die Frage einer hinreichend wahrscheinlichen Schadensverursachung kommt es ebenso wie für die Frage nach der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung darauf an, wie wahrscheinlich es nach den konkreten Umständen ist, dass die herbeigeführte Notlage zu einer Verletzung des Retters führt. Das hängt wiederum davon ab, wie wahrscheinlich die Einleitung des Einsatzes und wie gefährlich der Einsatz für die Retter ist. Die zentrale Frage für die Verschuldenshaftung liegt neben der Feststellung der Ursächlichkeit des Verhaltens für den Schaden darin, festzustellen, worin das von der Rechtsordnung missbilligte Fehlverhalten, die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung in Hinsicht auf die nur mittelbar verursachten Verletzungen des 37 Zur Gewährung von Schadensersatzansprüchen des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftsherrn aus Geschäftsführung ohne Auftrag vgl. unten 3. Kapitel. 38 Vgl. Fuchs, S. 68 ff. und 83 ff.

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Bergretters liegt, die die Schadensverlagerung vom Geschädigten (Bergretter) auf den Handelnden (Notlagenverursacher) rechtfertigt. Ob die Verursachung der Notlage hinsichtlich der während des Einsatzes eintretenden Verletzung rechtlich zu missbilligen ist und deshalb bereits diese mittelbar wirkende Ursache trotz des eigenverantwortlichen Handelns der Bergrettung eine Schadensverlagerung rechtfertigt, bedarf einer besonderen Klarstellung. Diese muss durch eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen des geschädigten Bergretters am Schutz seiner Rechtsgüter und des Notlagenverursachers an der Freiheit, sich bergsportlich zu betätigen, erarbeitet werden. In der nachfolgenden Auseinandersetzung mit den Rettungsfällen als Maßstab für Schadensersatzansprüche der Bergretter aus unerlaubter Handlung wird zu klären sein, wie Rechtsprechung und Literatur in den hier untersuchten Rechtsordnungen die aufgeworfenen Fragen nach der Schadensverursachung und nach der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung methodisch und argumentativ beantworten. Obwohl die Verschuldenshaftungstatbestände in § 823 Abs. 1 BGB, §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB und Art. 41 Abs. 1 OR auf dieselben Elemente und Prinzipien zurückgehen, bestehen in den drei untersuchten Ländern unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die vorstehend aufgeworfenen Fragen bei mittelbaren Schädigungen dogmatisch einzuordnen und zu beantworten sind. Auch innerhalb der jeweiligen Rechtsordnung sind diese Fragen umstritten. Zwar kommen die unterschiedlichen Ansätze häufig zu sehr ähnlichen Ergebnissen, so dass ihre praktische Relevanz gering erscheint. Die unterschiedlichen Ansätze erschweren jedoch den Vergleich der zur Beantwortung dieser Fragen herangezogenen Argumente. Eine umfassende dogmatische Aufarbeitung der verschiedenen Ansätze zur Beantwortung der Fragen der Schadensverursachung und der Pflichtwidrigkeit bei mittelbaren Schädigungen würde freilich den Umfang dieser Arbeit sprengen und ist deshalb nicht beabsichtigt. Vielmehr werden nachfolgend in einem kurzen Überblick lediglich die wesentlichen Grundzüge der unterschiedlichen Herangehensweisen dargestellt, um den Vergleich der in Rechtsprechung und Lehre jeweils zur Lösung der Rettungsfälle herangezogenen Argumente zu erleichtern.

C. Überblick: Dogmatische Ansätze und Prüfung von Schadensverursachung und Pflichtwidrigkeit bei mittelbaren Schädigungen I. Dogmatische Ansätze und Einordnung der Pflichtwidrigkeitsfrage Die Dogmatik der Verschuldenshaftung wird geprägt durch zwei grundsätzliche (theoretische) Fragen, die sich beide auf die Pflichtwidrigkeit des schadensursächlichen Verhaltens beziehen.

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1. Erfolgsunrecht – Verhaltensunrecht Gegenstand der ersten Frage ist, welche Rolle der Schädigung, d.h. der Verletzung eines durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsguts und damit dem Ergebnis („Erfolg“) des schadensherbeiführenden Verhaltens in Bezug auf seine Pflichtwidrigkeit zufällt. Die Lehre vom Erfolgsunrecht weist dem Schädigungserfolg maßgebliche Bedeutung zu. Sie geht davon aus, dass der in der Beeinträchtigung eines geschützten Rechtsguts zum Ausdruck kommende Erfolgsunwert die Vermutung rechtfertige, dass das hierfür ursächliche Verhalten rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes entfalle.39 Diese Lehre ist auf den expliziten Rechtsgüterschutz in § 823 Abs. 1 BGB und die Anlehnung an die im Strafrecht entwickelte finale Handlungslehre zurückzuführen.40 Dem deutschen Gesetzgeber war es bei der Ausgestaltung des § 823 BGB darauf angekommen, dem Richter möglichst klare Grundsätze für die Prüfung der deliktischen Haftung an die Hand zu geben und insbesondere eine generelle Haftung für reine Vermögensschäden auszuschließen sowie den Kreis der Anspruchsberechtigten auf die unmittelbar geschädigten Personen zu beschränken.41 Deshalb hat er in § 823 Abs. 1 BGB die Haftung ausdrücklich auf die Fälle der Verletzung absoluter Rechte und Rechtsgüter begrenzt (Enumerationsprinzip). Folge dieses Verständnisses ist, dass aufgrund der Indikationswirkung schon die Ursächlichkeit eines Verhaltens für eine Rechtsgutsverletzung und den daraus resultierenden Schaden als zentrales haftungsbegründendes Element in den Mittelpunkt rückt. Dem hält die Lehre vom Handlungsunrecht entgegen, dass die bloße Verursachung eines Verletzungserfolges für sich genommen nicht als ausreichend für die Konstituierung des Unrechts angesehen werden kann. Da sich die Normen der Rechtsordnung an Individuen richten, könne Grundlage des Unrechtsurteils nicht der Erfolg als solcher sein. Die Schwächen der Erfolgsunrechtslehre zeigen sich vor allem in zwei Problemfeldern: den Fällen „verkehrsrichtigen Verhaltens“ und der mittelbaren Schädigung, in denen allein das Resultat eines Verhaltens den Vorwurf eines Fehlverhaltens nicht ohne weiteres zu rechtfertigen vermag.42 Erforderlich sei deshalb, dass die Pflichtwidrigkeit eines schadensursächlichen Ver39 Vgl. Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 4a; MüKo-Wagner, § 823 Rn. 4, 5; StaudingerHager, § 823 Rn. H 14 jeweils m.w. N. 40 MüKo-Wagner, § 823 Rn. 5; Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 3 lit. a. 41 Vgl. Looschelders, § 57 III, Rn. 1172; ausführlich Soergel-Spickhoff, Vor § 823 Rn. 3 ff., 7. 42 Vgl. Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 3 a. Vom Handelnden könne nicht mehr verlangt werden, als sich an die im Verkehr üblichen Sorgfaltsanforderungen zu halten. Bei nur mittelbarer Verursachung würde die Indizierung der Rechtswidrigkeit dazu führen, dass schon gegen noch so entfernte Schadensursachen (Verkauf von Autos) Unterlassungsansprüche in Betracht zu ziehen wären.

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haltens gesondert festgestellt wird. Nach der Lehre vom Verhaltensunrecht bedarf die Feststellung der Rechtswidrigkeit also des Nachweises, dass der Schadensverursacher gegen ein Verhaltensgebot verstoßen hat.43 In Deutschland wird heute überwiegend eine Kombination aus beiden Lehren vertreten (Kombinationstheorie).44 Danach bleibt es in Fällen, in denen ein Verhalten unmittelbar eine Rechtsgutsverletzung – vorsätzlich oder durch positives Tun – verursacht, im Sinne der Lehre vom Erfolgsunrecht bei der Indikationswirkung des Erfolgseintritts für die Rechtswidrigkeit.45 Hier liege die Pflichtwidrigkeit des schadensverursachenden Verhaltens wegen des unmittelbaren und deshalb offensichtlichen Zusammenhangs zwischen Handeln und Rechtsgutsverletzung derart auf der Hand, dass eine gesonderte Feststellung hierüber künstlich wirken würde. Bei Rahmenrechten und in Fällen, in denen die Rechtsgutsverletzung durch ein Unterlassen und/oder durch ein mittelbar wirkendes Verhalten herbeigeführt wird, muss das Rechtswidrigkeitsurteil hingegen erst gesondert durch die Feststellung eines Verstoßes gegen eine Verhaltenspflicht (Verkehrspflicht) begründet werden.46 Wegen des weniger deutlichen Zusammenhangs zum Handeln könne in diesen Fällen aus der verursachten Rechtsgutsverletzung (dem Erfolg) gerade nicht auf die Pflichtwidrigkeit geschlossen werden. Die §§ 1294, 1295 Abs.1 ABGB und Art. 41 Abs. 1 OR enthalten im Gegensatz zum deutschen Recht jeweils Generalklauseln zur Verschuldenshaftung, die die Ersatzpflicht nicht explizit an die Verletzung bestimmter Rechtsgüter knüpfen. Obwohl diese Vorschriften keinen „Rechtsgüterkatalog“ enthalten, besteht sowohl in Österreich als auch in der Schweiz Einigkeit darüber, dass Deliktsschutz nur bestimmten, von der Rechtsordnung geschützten Rechtsgütern zugute kommen soll, während vor allem das Vermögen als solches grundsätzlich nicht geschützt wird.47 43 MüKo-Wagner, § 823 Rn. 6; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 24; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 5 ff. jeweils m.w. N.; Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 3 lit. a, der zu Recht klarstellt, dass es auch der Lehre vom Erfolgsunrecht letztlich um die Beurteilung des schadensursächlichen Verhaltens selbst als rechtswidrig geht, Grund für das Rechtswidrigkeitsprädikat hier aber eben der hierdurch herbeigeführte Erfolg sei. 44 MüKo-Wagner, § 823 Rn. 7; Staudinger-Hager, § 823 Rn. H 16; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 26; Michalski, Jura 1996, 393 f.; MüKo-Mertens (3. Auflage), § 823 Rn. 2 (sog. judizielle Konzeption). 45 BGHZ 118, 201, 207; 95, 10, 19; 74, 9, 14; 39, 103, 108; 24, 21, 27 f.; Bamberger/Roth-Spindler, § 823 Rn. 10; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 4a; Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 3; Medicus, SR II, Rn. 748 ff. 46 MüKo-Wagner, § 823 Rn. 7; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 26, 27; Staudinger-Hager, § 823 Rn. A 3, A 9; Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 3 lit. b; Kötz/Wagner, Rn. 107 f.; zuletzt BGH NJW 2007, 762, 763 unter Hinweis auf frühere Entscheidungen; vgl. Erläuterung in JuS 2007, 389 ff. Der Bundesgerichtshof verfolgt diesen dogmatischen Ansatz der Heranziehung einer Verhaltenspflicht jedoch nicht immer konsequent, wenn er sich stattdessen eigens entwickelter Zurechnungskriterien bedient [vgl. unten II. 3. c)]. 47 Schwimann-Harrer, Vorbem. zu §§ 1293 ff. Rz. 2; KBB-Karner, § 1295 Rz. 1, § 1294 Rz. 4; Honsell, Haftpflichtrecht, § 2 N. 5 und § 3 N. 20 jeweils mit Hinweisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung; Schwenzer, OR AT, N. 50.06.

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In Österreich folgt man – was mangels einer entsprechenden Erwähnung des Rechtsgüterschutzes im Gesetz konsequent ist – der Lehre vom Verhaltensunrecht und räumt der Rechtsgutsverletzung grundsätzlich keine Indizwirkung für die Rechtswidrigkeit ein.48 Die Pflichtwidrigkeit (Rechtswidrigkeit) des Verhaltens ist erst durch die Feststellung eines Verstoßes gegen eine Verhaltenspflicht zu belegen.49 In der Schweiz wiederum lehnt man sich anders als in Österreich an den entwickelten Rechtsgüterschutzgedanken an und räumt der Schädigung eines von der Rechtsordnung geschützten Rechtsguts grundsätzlich Indizwirkung in Bezug auf die Widerrechtlichkeit (Rechtswidrigkeit)50 des schadensverursachenden Verhaltens ein. Insbesondere das Bundesgericht und ein noch immer starker Teil der Lehre folgen der sog. objektiven Widerrechtlichkeitstheorie, die im Wesentlichen der klassischen Lehre vom Erfolgsunrecht entspricht.51 Auch für die in Deutschland ausnahmsweise nach dem Prinzip des Handlungsunrechts behandelten Fälle der mittelbaren Schädigung machen die Vertreter der objektiven Widerrechtlichkeitstheorie bei der Rechtswidrigkeitsprüfung grundsätzlich keine Ausnahme, so dass insbesondere bei mittelbaren Schädigungen der Verletzungserfolg grundsätzlich ebenfalls die Widerrechtlichkeit indiziert.52 Auf den Verstoß gegen eine Verhaltensnorm zur Begründung der Widerrechtlichkeit soll es nur ausnahmsweise ankommen, wenn die Verletzung anderer, nicht absolut geschützter Rechtsgüter – vor allem des Vermögens – gerügt und daraus Schadensersatz verlangt wird.53 48 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 3/12 und 4/2 m.w. N.; Welser, ÖJZ 1975, 2 f.; Apathy/Riedler, BR III, SR BT, § 13 Rz. 15. Missverständlich ist insoweit, wenn der OGH vereinzelt die Indizwirkung einer Schädigung für die Rechtswidrigkeit zu bejahen scheint, vgl. ZVR 1976, 229; JBl. 1986, 248 f.; SZ 51, 89, hierzu kritisch SchwimannHarrer, § 1294 Rz. 9. 49 Apathy/Riedler, BR III, SR BT, § 13 Rz. 14; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/13. 50 Die Begriffe werden synonym verwendet, vgl. Honsell, Haftpflichtrecht, § 4 N. 1. 51 BGE 123 II 577, 581 f.; 119 II 127, 128; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 4 N. 23, 50; BK-Schnyder, Art. 41 N. 31. 52 Ausnahmsweise wird der Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht als erforderlich angesehen, wenn es darum geht, den Vorwurf eines Unterlassens zu begründen. Ergibt sich diese Verhaltenspflicht aus einer konkreten Vorschrift der schweizerischen Rechtsordnung, so ist der Normverstoß in diesen (ausnahmsweise) als Frage der Widerrechtlichkeit zu behandeln. Handelt es sich um eine ungeschriebene Verhaltensnorm, die sich aus dem sog. Gefahrensatz ergibt, so ist dies eine Frage der Sorgfaltspflichtbestimmung im Rahmen der Verschuldensprüfung, vgl. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 52, § 4 N. 35 ff., 44. 53 Schwenzer, OR AT, N. 50.28; BGE 123 II 577, 581 f.; 119 II 127, 128; Oftinger/ Stark, Haftpflichtrecht I, § 4 N. 23, 50; BK-Schnyder, Art. 41 N. 31. Ein Teil der Lehre verlangt, dass die Verletzung einer Verhaltensnorm im Rahmen der Widerrechtlichkeit jedenfalls dann zu untersuchen sei, wenn die Widerrechtlichkeit eines Unterlassens bzw. einer nur mittelbaren Schädigung zu begründen ist (Schwenzer, OR AT, N. 50.29; BKSchnyder, Art. 41 N. 33 ff.). Eine immer stärker werdende Strömung in der Literatur will nur noch auf die Lehre vom Verhaltensunrecht zurückgreifen und primär auf die Verletzung einer Verhaltensnorm abstellen, vgl. Honsell, Haftpflichtrecht, § 4 N. 2 (der

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Ob letztlich ein (mittelbar) schadensverursachendes Verhalten pflichtwidrig war, entscheidet sich nach der objektiven Widerrechtlichkeitstheorie strenggenommen erst auf der Ebene des Verschuldens bei der Frage, ob der Handelnde gegen eine objektive Sorgfaltspflicht verstoßen hat.54 2. Die Abgrenzung von Rechtswidrigkeit und Verschulden beim Fahrlässigkeitsdelikt Die zweite Frage, die für die Pflichtwidrigkeit eines Verhaltens eine Rolle spielt, stellt sich in Bezug auf das Verhältnis der Haftungselemente Rechtswidrigkeit und Verschulden. Bis heute scheint nicht abschließend geklärt, welche Rolle welchem der beiden Haftungselemente bei der Begründung der Pflichtwidrigkeit zukommt. Insbesondere ist umstritten, ob und ggf. wie zwischen diesen beiden Merkmalen der Verschuldenshaftung bei Fahrlässigkeitsdelikten sinnvoll eine Grenze gezogen werden kann.55 Der (Verschuldens-)Vorwurf der Fahrlässigkeit gründet sich darauf, dass der Handelnde bei der Verursachung des Schadens die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Maßgeblich hierfür ist jedenfalls in Deutschland und der Schweiz ein objektiver (Sorgfalts-)Maßstab.56 Dann aber schließt sich in Deutschland die umstrittene Frage an, ob und ggf. wie sich die im Verkehr erforderliche Sorgfalt von der Verhaltenspflicht unterscheidet, die nach der hier herrschenden Kombinationstheorie bei der Rechtswidrigkeitsprüfung zur Beantwortung der Frage nach einem objektiven Verhaltensverstoß anzulegen ist.57 Während einige – in unterschiedlichem Maße – zwischen dem im Rahmen der Rechtswidrigkeit anzulegenden objektiven Maßstab für Verhaltensanforderungen und dem Maßstab für die Feststellung einer Sorgfaltspflichtverletzung als Fahrlässigkeitsverschulden unterscheiden, setzen andere

diese Ansicht bereits als herrschend ansieht); Schwenzer, OR AT, N. 50.31 m.w. N. Bei den Verhaltensnormen wird unterschieden zwischen gesetzlichen Verhaltenspflichten. 54 Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 51 ff.; Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 33 und 51; a. A. BK-Schnyder, Art. 41 N. 38; Honsell, Haftpflichtrecht, § 4 N. 2, 31. Darüber hinaus erfolgt eine Einschränkung der Haftung bei mittelbaren Schädigungen und damit letztlich eine Aussonderung von nicht als pflichtwidrig erachteten Verhaltensweisen in der Schweiz durch Wertungen innerhalb der Adäquanzprüfung [vgl. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 48 ff., hierzu sogleich, II. 3. c)]. 55 Vgl. hierzu Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 11; MüKo-Wagner, § 823 Rn. 25 ff.; Erman-Schiemann, § 823 Rn. 9; Schwimann-Harrer, § 1294 Rz. 10; a. A. Koziol, Haftpflichtrecht, Rz. 5/42; Honsell, Haftpflichtrecht, § 6 N. 20 ff. Zum Verhältnis von „Fehlverhalten“, „Vorwerfbarkeit“ und „Verschulden“ aus rechtsvergleichender Perspektive v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, § 2 Rn. 226 ff. 56 Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 11; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 43; BK-Schnyder, Art. 41 N. 48; Honsell, Haftpflichtrecht, § 6 N. 17; Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 183 ff.; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 63. 57 Vgl. MüKo-Wagner, § 823 Rn. 63; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 11; StaudingerHager, § 823 Rn. A 5.

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beide Maßstäbe für das geforderte Verhalten gleich.58 In der Schweiz stellt sich die Frage, ob und welche Verhaltensanforderungen bei der Fahrlässigkeitsprüfung im Rahmen der Verschuldens im einzelnen aufgestellt werden und ob hierbei mehr gefordert wird als die bereits für die Widerrechtlichkeit maßgebliche Verursachung einer Rechtsgutsverletzung.59 In Österreich gilt hingegen ein subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff. Die objektive Sorgfaltspflichtverletzung ist hier Teil der Rechtswidrigkeitsprüfung.60 In der Praxis spielen diese Unterschiede letztlich eine nur untergeordnete Rolle, da beim Fahrlässigkeitsdelikt in allen drei Rechtsordnungen dem Verstoß gegen die objektiven Verhaltens- bzw. Sorgfaltsanforderungen maßgebliches Gewicht bei der Haftungsbegründung eingeräumt wird und etwaige, hiervon abweichende, einschränkende und die subjektiven Fähigkeiten des Schädigers berücksichtigende Verhaltensanforderungen insoweit meist eine nur untergeordnete Rolle einnehmen, als sie nur ausnahmsweise die Haftung des Schadensverursachers ausschließen.61 Inwieweit der Schädiger aufgrund seiner subjektiven Fähigkeiten in der Lage war, die objektiven Verhaltens- bzw. Sorgfaltsanforderungen zu erfüllen, soll deshalb hier nicht weiter thematisiert werden. In Deutschland wird in Bezug auf die Einordnung der Frage nach dem objektiven Verhaltensmaßstab überwiegend die Auffassung vertreten, dass die objektiven Verhaltensanforderungen als Maßstab für die Fahrlässigkeitsprüfung der Rechtswidrigkeit zuzuordnen sind und im Rahmen der Verschuldensprüfung nur noch untersucht wird, ob ausnahmsweise das durch den objektiven Verhaltenspflichtverstoß indizierte Fahrlässigkeitsverschulden aufgrund besonderer Schuldausschließungsgründe entfällt.62 Diese Einordnung erfolgt in Österreich ohnehin.63 Nach der in der Schweiz vorherrschenden objektiven Widerrechtlichkeitstheorie, bei der grundsätzlich allein der Schädigungserfolg das Rechtswidrigkeitsurteil ausmacht, muss die Pflichtwidrigkeit des schädigenden Verhaltens

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Vgl. Staudinger-Hager, § 823 Rn. A 5 f. m.w. N.; MüKo-Wagner, § 823 Rn. 63 ff. Das scheint regelmäßig nicht der Fall zu sein. Vgl. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 51, 56 (Fahrlässigkeit als „Nichtbeachtung einer vorhersehbaren rechtswidrigen Schädigung eines Dritten“); Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 183 ff. (Verschulden, wenn sich der Haftpflichtige „nicht oder zuwenig um die möglichen Folgen seines Verhaltens kümmert“; Honsell, Haftpflichtrecht, § 6 N. 20 ff. 60 Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht, Rz. 5/35 m.w. N. 61 Zur „Objektivierung der Haftung“ vgl. Fuchs, S. 5 f.; Medicus, SR I, Rn. 308 ff.; Schwimann-Harrer, § 1294 Rz. 10; kritisch Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 5/36; BernerKomm./Brehm, Art. 41 N. 183; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 63 ff. 62 Zur Unterscheidung von „innerer“ und „äußerer“ Sorgfalt vgl. Deutsch, Rn. 385 ff.; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 11; Staudinger-Hager, § 823 Rn. A 5 m.w. N.; BGHZ 80, 186, 198 f.; BGH NJW 1986, 2757, 2758; 1994, 2232, 2234; SchwimannHarrer, § 1294 Rz. 10. 63 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 5/42. 59

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konsequent erst innerhalb der Sorgfaltsprüfung bei einem möglichen Fahrlässigkeitsverschulden untersucht werden. 3. Konsequenzen für Aufbau und Prüfung der Verschuldenshaftung Für die vorliegende Betrachtung der Rettungsfälle, in denen die Notlagenverursachung als Anknüpfungspunkt für den Pflichtwidrigkeitsvorwurf wohl stets fahrlässig erfolgt, ist demnach maßgeblich, dass nach allen drei Rechtsordnungen unabhängig von der Einordnung und von den unterschiedlichen Auffassungen im Einzelnen die Pflichtwidrigkeit der fahrlässigen, mittelbaren Schadensverursachung dadurch festzustellen ist, dass dem Handelnden ein Verstoß gegen eine objektive Verhaltenspflicht nachgewiesen wird, sei es als Verhaltenspflichtverstoß im Rahmen eines Rechtswidrigkeitsurteils, sei es als Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im Rahmen der Verschuldensprüfung.64 Abhängig davon, für welchen der vorstehend beschriebenen dogmatischen Ansätze man sich jeweils entscheidet, ergeben sich für den Aufbau und die Prüfung der Verschuldenshaftung und folglich für die Einordnung der für die Rettungsfälle aufgeworfenen Fragen nach der Schadensverursachung und der Pflichtwidrigkeit unterschiedliche Konsequenzen.65 Die Prüfung der Verschuldenshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB ist bis heute trotz der Konzessionen, die die Kombinationstheorie bei mittelbaren Schädigungen gegenüber der Lehre vom Handlungsunrecht macht, maßgeblich geprägt durch die klassische Lehre vom Erfolgsunrecht.66 Um auch bei mittelbaren Schädigungen, bei denen es nach der Kombinationstheorie auf die Feststellung einer Verhaltenspflichtverletzung ankommt, die Indikationswirkung des schadensursächlichen Verhaltens für die Rechtswidrigkeit aufrecht erhalten zu können, wird die Frage des Verstoßes gegen eine Verhaltensnorm (sog. Verkehrspflichtverletzung) als Frage der sog. objektiven Zurechnung geprüft und mit der Frage nach der Schadensverursachung in einem sog. Tatbestand im engeren Sinne zusammengefasst.67 Damit bleiben die Elemente der Schadensverursachung und der Pflichtwidrigkeit innerhalb der Haftungsprüfung eng miteinander verbunden. Zu64 Konsequent ist der Ansatz von Wagner, der mit guten Gründen die Unterscheidung zwischen Verkehrspflichtverletzung und Sorgfaltspflichtverletzung ganz aufgibt; vgl. MüKo-Wagner, § 823 Rn. 63 ff. 65 In der Praxis sind die unterschiedlichen dogmatischen Ansätze nicht von zentraler Bedeutung. Unabhängig davon, welcher Lehre zur Bedeutung des Schädigungserfolgs man folgt, ob ein unterschiedlicher Verhaltensmaßstab für die Pflichtwidrigkeit des schadensverursachenden Verhaltens festgelegt wird und auf welcher Prüfungsebene dieser Maßstab letztlich angelegt wird, werden weitgehend ähnliche Ergebnisse erzielt (vgl. Kötz/Wagner, Rn. 106; Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 5). 66 Vgl. etwa Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 I 3 und II 3; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 4 ff.; Wagner, in: Zimmermann, Grundstrukturen, S. 215. 67 Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 II 3 c; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 2.

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dem wird mit der Feststellung des Verstoßes gegen eine Verhaltensnorm innerhalb des Tatbestands im engeren Sinne nicht nur die Rechtswidrigkeit, sondern bei fahrlässiger Schadensverursachung zugleich auch das Fahrlässigkeitsverschulden, d.h. der Sorgfaltspflichtverstoß indiziert.68 Nach der österreichischen Konzeption, die der reinen Lehre vom Verhaltensunrecht folgt, hingegen werden beide Haftungselemente – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – jedenfalls in der Theorie deutlicher voneinander getrennt. Nach Feststellung eines ausreichend engen Ursachenzusammenhangs wird die Pflichtwidrigkeit des schadensursächlichen Verhaltens in Österreich der Rechtswidrigkeit zugeordnet.69 Wird die Pflichtwidrigkeit des schadensverursachenden Verhaltens durch die Feststellung eines objektiven Verhaltensverstoßes im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung bejaht, ist dadurch ein Fahrlässigkeitsverschulden indiziert und entfällt grundsätzlich nur noch bei Vorliegen besonderer Schuldausschließungsgründe (vgl. oben). In der Schweiz hingegen ist der die Pflichtwidrigkeit begründende Verstoß des Schadensverursachers gegen eine Verhaltenspflicht (objektive Sorgfaltspflicht) nach überwiegender Auffassung im Bereich des Verschuldens zu untersuchen, da die Schädigung als solche bereits als ausreichender Grund zur Bejahung der Widerrechtlichkeit angesehen wird.70 Erst nach der Feststellung eines hinreichenden Ursachenzusammenhangs und dem Eintritt einer Rechtsgutsverletzung erfolgt die Feststellung der Pflichtwidrigkeit als Schwerpunkt der Prüfung im Rahmen des Verschuldens. Da aber über die objektive Widerrechtlichkeit hinaus für den objektiven Sorgfaltsmaßstab kaum weitergehende Anforderungen gestellt werden, bildet das die Widerrechtlichkeit begründete Erfolgsunrecht hier ebenfalls bereits ein Indiz für das Verschulden des Handelnden mit der Folge, dass die Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts in der Schweiz nicht nur die Widerrechtlichkeit begründet, sondern dem Handelnden grundsätzlich auch zum nach subjektiven Erwägungen widerlegbaren Fahrlässigkeitsvorwurf gereicht.71

68 Vgl. Kötz/Wagner, Rn.112; Staudinger-Löwisch, § 276 Rn. 51. Die Rechtsprechung nimmt deshalb an, dass die objektive Verletzung einer Verhaltenspflicht („äußere Sorgfalt“) einen Anscheinsbeweis für die Verletzung eines subjektiven Sorgfaltsverstoßes („innere Sorgfalt“) begründet, vgl. BGH VersR 1986, 766, 767; einschränkend BGH NJW 1994, 2232. 69 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/13 („objektive Sorgfaltspflicht“); SchwimannHarrer, § 1294 Rz. 6 f.; Apathy/Riedler, BR III, SR BT, § 13 Rz. 15 („objektiv gebotene Sorgfalt“); Rummel-Reischauer, § 1294 Rz. 11 („die Nichteinhaltung der gebotenen Sorgfalt bedeutet rechtswidriges Verhalten“). 70 Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 33 ff., 35 und 51 ff.; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 48 ff.; a. A. Honsell, Haftpflichtrecht, § 4 N. 2; BK-Schnyder, Art. 41 N. 38. 71 Vgl. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 51, 56.

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II. Handhabung der beiden Fragen bei mittelbaren Schädigungen Die unterschiedliche Einordnung der Frage der Pflichtwidrigkeit je nach dogmatischem Ansatz führt für sich genommen noch nicht zu den angedeuteten Schwierigkeiten eines Vergleichs der Lösungen, die in den hier untersuchten Rechtsordnungen zu den Rettungsfällen entwickelt werden. Die Zielsetzung ist dieselbe, und – jedenfalls in der Theorie – auch die Vorgabe zur Feststellung der Pflichtwidrigkeit eines fahrlässigen, mittelbar schadensursächlichen Verhaltens, nämlich das Erfordernis eines Verstoßes gegen eine objektive Verhaltenspflicht, stimmt überein. Den im Ausgangspunkt dogmatisch überzeugenden Ansatz zur Feststellung eines Verhaltenspflichtverstoßes, d.h. für die Frage, ob das Verhalten des Schädigers von der Rechtsordnung in Hinsicht auf die mittelbar herbeigeführte Schädigung missbilligt wird, bietet das österreichische Recht. Es wirft diese Frage separat und klar getrennt von den beiden anderen Haftungselementen der Verschuldenshaftung im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung auf. In Deutschland hingegen besteht durch die enge prüfungsmethodische Verknüpfung von Schadensverursachung und Verkehrspflichtverletzung im Rahmen der sog. objektiven Zurechnung die Gefahr, diese beiden – ohnehin eng miteinander verbundenen – Elemente zu vermischen. Dasselbe gilt in der Schweiz in Hinsicht auf die Haftungselemente der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens, da eine Sorgfaltspflichtverletzung (Gefahrensatz) (erst) im Rahmen des Verschuldens erfolgt. Der Vergleich der Lösungsansätze zu den Rettungsfällen und der hierzu herangezogenen Argumente wird denn auch dadurch erschwert, dass trotz der übereinstimmenden Zielsetzung und desselben (abstrakten) Prüfungsprogramms bei mittelbaren Schädigungen die Frage der Pflichtwidrigkeit entgegen der Theorie vor allem von der Rechtsprechung in Deutschland und der Schweiz methodisch nicht immer konsequent gehandhabt, sondern vielfach anhand von besonderen Zurechnungserwägungen erörtert wird, die der Beschränkung der Haftung für mittelbar schadensursächliches Verhalten dienen sollen.72 1. Schadensverursachung: Wahrscheinlichkeitsprüfung nach der Adäquanztheorie Die Prüfung des Ursachenzusammenhangs und die Feststellung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit zwischen Erstursache und Rechtsgutsverletzung erfolgt in den drei untersuchten Rechtsordnungen nach denselben Kriterien.

72 Vgl. Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 63 (mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen), 66 ff.; Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 133 und 144 (mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen auch zu Fällen mittelbarer Schadensverursachung).

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a) Äquivalenztheorie Ausgangspunkt für die Bestimmung des Ursachenzusammenhangs ist die Frage, ob das in Rede stehende Verhalten die eingetretene Rechtsgutsverletzung in einem natürlichen Sinne von Ursache und Wirkung herbeigeführt hat. Um dies festzustellen, bedient man sich der sog. Äquivalenz- oder Bedingungstheorie, nach deren conditio-sine-qua-non-Formel das jeweilige Verhalten dann ursächlich für die Rechtsgutsverletzung war, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Eintritt der Verletzung entfällt.73 Bei dieser Formel handelt es sich freilich nicht um die Feststellung des Kausalzusammenhangs im naturwissenschaftlichen und/oder logischen Sinne.74 Ein solcher wäre allenfalls gegeben, wenn ein bestimmter Vorgang unter sonst gleichbleibenden Bedingungen eine bestimmte Veränderung nach Naturgesetzen oder denknotwendig zur Folge hat.75 Ebenso wenig liefert die Äquivalenztheorie eine exakte Definition der Kausalität. Sie ist lediglich eine die Rechtsanwendung erleichternde, weil für die Filterung von in weitesten Grenzen rechtlich relevanten Ursachen hilfreiche „Faustregel“76, die in einer nicht unbeträchtlichen Zahl der Fälle abgewandelt oder ergänzt wird.77 Maßgeblich für die Trennung von (haftungs-)rechtlich keinesfalls mehr relevanten Umständen ist die allgemeine Lebenserfahrung.78 Hinter ihr verbirgt sich, dass der Eintritt eines Umstands „Y“ als Folge eines vorangegangenen Umstands „X“ typischerweise, d. h. mit einer ganz überwiegenden Wahrscheinlichkeit erfolgt. Es steht außer Frage, dass durch die Äquivalenztheorie nur die äußerste Grenze für eine potentielle Haftungsverantwortung gezogen werden kann und bei gleicher Gewichtung aller auf die Rechtsgutsbeeinträchtigung hinführenden Ursachen (Äquivalenz) eine uferlose Haftung für sämtliche auch noch so entfernte Ursachenbeiträge in Betracht käme.79

73 Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 57; Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 105 f.; Rummel-Reischauer, § 1295 Rz. 2. 74 Das wird häufig verkannt, vgl. Erman-Kuckuck, Vor §§ 249–253 Rn. 30; BKSchnyder, Art. 41 N. 15; Bamberger/Roth-Schubert, § 249 Rn. 45; BGH NJW 2002, 2232, 2233; 1997, 865, 866. 75 Vgl. Schulin, S. 42 ff. 76 Vgl. Larenz, SR I, § 27 III a (S. 433). 77 Z. B. bei alternativer oder kumulativer Kausalität, vgl. Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 86. 78 Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 10. 79 Larenz, SR I, § 27 III a (S. 434); Medicus, SR I, Rn. 900; Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 58; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 8 ff.; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 4 ff.; Koziol/Welser, BR I, S. 448; BK-Schnyder, Art. 41 N. 15; Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 1; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 10 ff.

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b) Adäquanztheorie Zur weiteren Eingrenzung der nach der Äquivalenzformel haftungsrelevanten Ursachen wird in allen drei Rechtsordnungen die sog. Adäquanztheorie herangezogen.80 Die Wertung, welche Ursachen einer Ursachenkette noch als haftungsrechtlich relevant anzusehen sind, soll hiernach auf eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung von (Erst-)Ursache und Eintritt des Schadens gestützt werden. Ihr Ziel ist es, (gänzlich) ungewöhnliche Kausalverläufe als rechtlich inadäquate Haftungsgründe von vornherein aus der Prüfung auszuscheiden.81 Die Formulierungen und Meinungen zur Adäquanztheorie variieren, ohne aber im Ergebnis zu wesentlichen Unterschieden zu gelangen.82 Nach einer vom Bundesgerichtshof verwendeten Formulierung etwa ist ein Verhalten nur dann adäquat kausal für den eingetretenen Verletzungserfolg, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen.83 Laut Oberstem Gerichtshof ist eine adäquate Verursachung zu bejahen, wenn das Verhalten geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des eingetretenen Schadens in nicht ganz unerheblichem Grad zu begünstigen.84 Der Schädiger hafte nicht für den atypischen Erfolg bzw. den Schaden, der nur durch eine ganz außergewöhnliche Verkettung von Umständen eingetreten ist.85 Das Bundesgericht nimmt einen adäquaten Ursachenzusammenhang an, wenn die Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens den eingetretenen Schaden objektiv begünstigt hat.86 Die Handlung muss nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge generell geeignet sein, eine derartige Folge herbeizuführen.87

80 Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 58 ff.; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 7 ff.; BK-Schnyder, Art. 41 N. 16. Ablehnend gegenüber der Adäquanztheorie im Bereich der Haftungsbegründung Esser/Schmidt, SR I/2, § 33 II 1 b, S. 233; Kötz/Wagner, S. 79 f.; Sourlas, S. 171, mit dem Argument, dass die Adäquanztheorie keine sinnvollen Ergebnisse liefere und sich durch die Lehre vom Schutzzweck der Norm erübrige. 81 Larenz, SR I, § 27 III b 1, S. 436; Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 58; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 21; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 7 f. 82 Vgl. hierzu im Einzelnen Deutsch, Rn. 133 ff.; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 12 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/8 ff.; vgl. auch die Rechtsprechungsbeispiele bei Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 16 ff.; KBB-Karner, § 1295 Rz. 7; MüKoOetker, § 249 Rn. 109 f. 83 Vgl. BGH NJW 1953, 700; 1995, 127; 1998, 140; 2005, 1420. 84 OGH JBl. 1989, 175, 176. 85 Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 8 mit Rechtsprechungsnachweisen. 86 BGE 101 II 69, 73; 107 II 243 f.; 123 III 110, 112; vgl. Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 6. 87 BGE 87 II 117, 127; 89 II 239, 250; 96 II 392, 395; vgl. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 14 ff.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

Bei der Beurteilung der Adäquanz kommt es auf eine nachträgliche objektive Prognose an, bei der die dem (optimalen,88 vernünftigen89) Betrachter zur Zeit des Eintritts der Rechtsgutsverletzung bzw. des Schadens erkennbaren Umstände zu berücksichtigen sind.90 Durch das Adäquanzkriterium wird zwar eine Eingrenzung der haftungsrelevanten Schadensursachen gegenüber der Äquivalenzformel erreicht. Der verwendete Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist jedoch so großzügig bemessen, dass letztlich nur völlig atypische Folgen einer Ursache aus der haftungsrechtlichen Betrachtung herausfallen und immer noch eine Vielzahl von Ursachen einer Kausalkette haftungsrechtlich relevant sind.91 Auch bei sehr unwahrscheinlichen Kausalverläufen und bei mittelbaren Schädigungen, bei denen weitere Ursachen letztlich erst zur Rechtsgutsverletzung führen, bleiben solche unwahrscheinlichen oder entfernteren Ursachen für Verletzung und Schaden haftungsrechtlich relevant, wenn der durch sie ausgelöste Kausalverlauf objektiv vorhersehbar und nicht völlig unwahrscheinlich war.92 An der Adäquanztheorie wird deshalb gemeinhin bemängelt, sie sei aufgrund ihres (Wahrscheinlichkeits-)Maßstabs zu einer ausreichenden Haftungsbegrenzung nicht imstande.93 Zudem sei sie als rechtliches Wertungskriterium ungeeignet, weil sie allein auf die rein tatsächliche Wahrscheinlichkeit des Schadensein88

BGHZ 3, 266. OGH ZVR 1977, 238. 90 Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 60; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rn. 120; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/10; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 22. Kritik an den von der Rechtsprechung aufgestellten Adäquanzkriterien richtet sich vor allem gegen ihre Weite und damit gegen die nur geringe Haftungsbegrenzung, die durch diese Wertung zu erzielen ist, vgl. Larenz, § 27 III b 1. Überwiegend wird die Adäquanzformel jedoch auch in der Literatur für unverzichtbar gehalten, vgl. Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 17 m.w. N. 91 Bamberger/Roth-Schubert, § 249 Rn. 46. 92 BGH NJW 1955, 1876: Adäquate Verursachung eines Gesundheitsschadens durch Impfung, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nur 0,01% betrug. BGH VersR 1961, 465: Abspringen von Eisensplittern von einer Spitzhacke bei Straßenarbeiten, die einen Passanten im Auge verletzen. BGH NJW 2002, 2232: Sprung eines entdeckten Liebhabers aus einem 8–10 m hohen Fenster, um sich vor dem gewalttätigen Ehemann zu retten. Weitere Beispiele: MüKo-Oetker, § 249 Rn. 109; BGE 31 II 419: Zu rasches Fahren verursacht Scheuen von Kühen, die eine Person überrennen. BGE 26 II 569: Plötzliches Auftreten und Bellen eines Hundes erschreckt eine Frau, die stürzt und sich an der Hüfte verletzt. Weitere Beispiele: Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 29 f.; OGH JBl. 1992, 255, 256/ZVR 1995/73; Selbstmord/Drogensucht infolge Verletzungen mit Dauerfolgen. Weitere Beispiele: Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 10. 93 MüKo-Oetker, § 249 Rn. 111 ff.; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 19 ff.; Larenz, SR I, § 27 III b 1 (S. 440); Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 10; Schwenzer, OR AT, N. 19.06; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/12. Die Kritik richtet sich zum einen gegen den Charakter des Kriteriums, das als Wahrscheinlichkeitsbetrachtung ausgestaltet ist anstatt rechtliche Wertungsgesichtspunkte zu bemühen. Zum anderen sei das nötige Maß an Wahrscheinlichkeit nicht sicher zu quantifizieren. Vgl. Honsell, a. a. O.; MüKoOetker, a. a. O. 89

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tritts abstellt, sich der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit aber nicht sicher bestimmen lasse.94 Es wird deshalb vielfach die Ansicht vertreten, dass es zur Zurechnung von (Erst-)Verhalten und Rechtsgutsverletzung neben der Adäquanztheorie gerade bei den problematischeren Fällen der mittelbaren Schädigung der Heranziehung weiterer, besonderer (Zurechnungs-)Kriterien bedarf.95 2. Pflichtwidrigkeit: Konstatierung und Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht a) Richterliche Rechtsfortbildung als Quelle der Verhaltenspflicht Ob der Schädiger sich im Einzelfall anders hätte verhalten müssen, um die von ihm herbeigeführte Rechtsgutsverletzung zu vermeiden, und welche Anforderungen an sein Verhalten von der Rechtsordnung gestellt werden – mit anderen Worten: ob eine objektive Verhaltenspflicht bestand und wie sie im Einzelnen ausgestaltet ist – kann von der Rechtsordnung aufgrund der Abhängigkeit der Verhaltensanforderungen von den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht pauschal beantwortet und vorgegeben werden. Es liegt auf der Hand, dass ein Deliktsrecht, das die Feststellung von pflichtwidrigem Verhalten vollständig dem Gesetzgeber überlassen und demgemäß bedeuten würde, alles sei erlaubt, was das Gesetz nicht ausdrücklich verbietet, in „nachgerade menschenrechtswidriger Weise Schutzlücken bestehen lassen müsste“.96 Die Generalklauseln in § 823 Abs. 1 BGB, §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB und Art. 41 Abs. 1 OR bedürfen hinsichtlich der im Einzelfall zu beachtenden Verhaltensanforderungen deshalb einer weiteren Konkretisierung.97 Diese Konkretisierung erfolgt teilweise durch die Rechtsordnung selbst und zwar vornehmlich in Bereichen, in denen menschliches Verhalten wegen der damit verbundenen Gefahren ohne entsprechende allgemeine Verhaltensvorgaben die Verursachung von Schäden typischerweise erwarten lässt.98 In der überwiegenden Zahl der Fälle und insbesondere bei mittelbaren Schädigungen, bei denen der Eintritt einer Rechtsgutsverletzung als Folge einer Erstursache in erhöhtem Maße ungewiss ist und sich deshalb kaum je als abstrakte 94

Vgl. Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 10; MüKo-Oetker, § 249 Rn. 111 f. Zum Teil wird das Adäquanzerfordernis in Ansehung der sog. Schutzzwecklehre im Bereich der haftungsbegründenden Kausalität als überflüssig betrachtet (vgl. Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 23 m.w. N.; vgl. ebenfalls Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 24 f.). Da sich Schutzzweckgedanke und Adäquanzformel zwar vielfach, aber eben nicht durchgängig decken, wird entgegen dieser Stimmen aber überwiegend an der Adäquanzformel festgehalten (vgl. Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 61; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rn. 123). 96 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, § 2 Rn. 224. 97 Vgl. Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III; Brüggemeier, S. 125 ff. 98 Zu nennen sind hier vor allem die Vorschriften für den Straßenverkehr, die einen geordneten Ablauf des Verkehrs sicherstellen und so die Verursachung von Unfällen und dadurch auftretende Schäden verhindern wollen (vgl. Medicus, SR II, Rn. 752). Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/20; Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 185. 95

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

Regelungsmaterie eignet, fällt die Aufgabe, konkrete Verhaltensanforderungen aufzustellen, der Rechtsprechung zu.99 Die jeweilige Verhaltenspflicht ist in richterlicher Rechtsfortbildung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erst zu definieren, sei es als (ungeschriebene) Verkehrspflicht im Rahmen der Prüfung der objektiven Zurechnung,100 als Verkehrssicherungspflicht bzw. objektive Sorgfaltspflicht im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung101 oder als objektive Sorgfaltspflicht („Gefahrensatz“) im Rahmen des Verschuldens.102 b) Interessenabwägung als Grundlage für Inhalt und Umfang der Verhaltenspflicht Ob eine Verhaltenspflicht besteht und welchen Inhalt und Umfang sie hat, ist durch eine umfassende Abwägung der zwischen den beiden sich im Deliktsrecht gegenüberstehenden Interessen der Handlungsfreiheit des Schadensverursachers und des Rechtsgüterschutzes des Geschädigten unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.103 Das liegt angesichts der allgemeinen Funktion des Deliktsrechts, festzulegen, wann ein Verhalten pflichtwidrig und eine Verlagerung des verursachten Schadens auf den Handelnden gerechtfertigt ist, um einen gerechten Interessenausgleich herbeizuführen, auf der Hand (vgl. oben A. I.). Wenn der Richter die Aufgabe hat, im Einzelfall selbst Verhaltenspflichten aufzustellen, d.h. in Ergänzung zu gesetzlichen Vorschriften Normsetzung „im Kleinen“ zu betreiben, ist er aufgerufen, diese deliktsrechtliche Funktion wahrzunehmen und die Grenze zwischen der allgemeinen Handlungsfreiheit des Schadensverursachers auf der einen und dem Schutz der Rechtsgüter (Integritätsinteresse) des Geschädigten auf der anderen Seite selbst zu ziehen.104 99 Vgl. ausführlich Lang, S. 75 ff.; Kötz/Wagner, Rn. 126; Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 6, 10; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 40. 100 So konsequenterweise die Vertreter der Kombinationstheorie, vgl. Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III (S. 399 f.); Palandt-Sprau, § 823 Rn. 53. 101 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/13 ff., 4/28 („objektive Sorgfaltspflichten“); Koziol/Welser, BR I, S. 450; Apathy/Riedler, BR III, SR BT, § 13 Rz. 17 („Verkehrssicherungspflichten“). Verkehrssicherungspflichten stellen begrifflich bereits anerkannte und durch die Rechtsprechung konkretisierte allgemeine Sorgfaltspflichten und damit eine Untergruppe zu Letzteren dar. Ebenso Honsell, Haftpflichtrecht, § 4 N. 31; Schwenzer, OR AT, N. 50.32; BK-Schnyder, Art. 41 N. 38; Zimmermann, JZ 1980, 10, 11. 102 Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 54 f., § 5 N. 78 ff.; Berner-Komm./ Brehm, Art. 41 N. 183 ff. 103 Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III 4; Lang, S. 64 ff.; Medicus, SR II, Rn. 756; Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 27 ff.; Staudinger-Hager, § 823 Rn. E 27, 29 ff.; MüKo-Mertens (3. Auflage), § 823 Rn. 23; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/28; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 44; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 56 ff.; BernerKomm./Brehm, Art. 41 N. 183. 104 Lang, S. 58 ff., 68, 74 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht, Rz. 4/29, 4/53; SoergelKrause, § 823 Anh. II, Rn. 12.

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Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Rechtsgüterschutz des Geschädigten kann nur die Gefahr sein, die der Schädiger in Hinsicht auf die später eintretende Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Geschädigten schafft. Ausgangspunkt für die ergänzende Aufstellung ungeschriebener objektiver Verhaltenspflichten im Wege der Interessenabwägung ist deshalb, dass derjenige, der für eine Gefahr oder einen Gefahrenbereich verantwortlich ist, sein Verhalten so steuern muss, dass die Realisierung dieser Gefahr in der Verletzung geschützter Rechtsgüter vermieden wird.105 Die Aufstellung einer Verhaltenspflicht zur Steuerung oder Vermeidung der Gefahr setzt voraus, dass die Gefahr in den Herrschaftsbereich des Verantwortlichen fällt – sei es, indem der Handelnde die Gefahr erst geschaffen hat oder aus anderen Gründen für einen existierenden Gefahrenzustand verantwortlich ist – und ihre Realisierung in einer Rechtsgutsverletzung für ihn vorhersehbar und vermeidbar war.106 Die Verantwortung für bestimmte Gefahrenquellen lässt sich anhand verschiedener Zurechnungsgründe bestimmen. Sie bilden den Ausgangspunkt für die Feststellung einer Verhaltenspflicht, denn sie legen fest, wer überhaupt als Adressat einer Verhaltenspflicht in Betracht kommt.107 In den Rettungsfällen schafft der Notlagenverursacher durch sein zur Notlage führendes Verhalten eine Gefahr dafür, dass sich ein Retter, der zur Hilfe eilt, verletzt. Anknüpfungspunkt für die Gefahrverantwortung ist hier also die Ingerenz. Der Gefahrschaffung als wesentliches Argument für die Haftung des Gefahrverantwortlichen können vor allem die Möglichkeit des Geschädigten, die Gefahr zu umgehen und eine Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter zu vermeiden, sowie die Zumutbarkeit der Gefahrsteuerung für den Gefahrverantwortlichen nach der Verkehrsanschauung als Argumente entgegenstehen. Folgende Kriterien für die Abwägung zwischen Rechtsgüterschutz und Handlungsfreiheit werden deshalb immer wieder abstrakt benannt:

105 Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III 1 d; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 46; SoergelKrause, § 823 Anh. II Rn. 8 f.; Koziol/Welser, BR I, S. 451; Apathy/Riedler, BR III, SR BT, § 13 Rz. 17; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 42; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 54 f., § 4 N. 44; Honsell, Haftpflichtrecht, § 4 N. 32; BK-Schnyder, Art. 41 N. 38 jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen. 106 Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 8 f.; Staudinger-Hager, § 823 Rn. E 26; MüKo-Wagner, § 823 Rn. 225; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 44, 46. 107 Die häufigsten Kategorien stellen dar die Gefahrverantwortung aufgrund einer Zustands- oder Bereichsverantwortung, aufgrund Übernahme der Gefahrsteuerung und aufgrund vorangegangenen gefährlichen Tuns (Ingerenz), vgl. Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III 3 a–c; Staudinger-Hager, § 823 Rn. E 25; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 48 ff.; Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 20 ff. Ohne einen Zurechnungsgrund besteht auch keine persönliche Verantwortung, auch wenn faktisch die Steuerung der Gefahr möglich wäre. Es gilt dann der Grundsatz, dass eben keine allgemeine Rechtspflicht besteht, andere vor Schäden zu bewahren.

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aa) Konkrete Gefährlichkeit des schadensursächlichen Verhaltens Die Gefährlichkeit eines Verhaltens ergibt sich aus dem jeweiligen Grad der Gefahr (Risiko), die von einem Verhalten oder einem Zustand für die Rechtsgüter anderer ausgeht, aus Art und Ausmaß des drohenden Schadens sowie der Eintrittswahrscheinlichkeit.108 Grundsätzlich gilt, je gefährlicher ein Verhalten in Hinsicht auf die Verletzung eines geschützten Rechtsguts ist, desto größeres Gewicht kommt dem Rechtsgüterschutzgedanken, dem Grundsatz neminem laedere, innerhalb der Interessenabwägung zu. Zu beachten ist dabei aber, dass die jeweilige Gefahr für das jeweils konkret betroffene Rechtsgut bestehen muss. Bei der Konstituierung einer Verhaltenspflicht ist deshalb zu beachten, dass nicht abstrakt auf die Schaffung einer Gefahrenquelle, sondern vielmehr darauf abgestellt werden muss, ob der Gefahrverantwortliche den konkret Betroffenen der konkreten Gefahr aussetzen durfte.109 bb) Gefahrsteuerungsaufwand des Handelnden Mit der Gefährlichkeit des Verhaltens hängt der Aufwand zusammen, der zur Vermeidung oder wirksamen Steuerung der Gefahr erforderlich ist. Als Aufwand sind dabei finanzielle, aber auch sonstige immaterielle Aufwendungen sowie die Wirksamkeit etwaiger Sicherungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen.110 Hier gilt allgemein: je größer die Gefährlichkeit eines Verhaltens ist, desto größere Sorgfalt, den Schadenseintritt zu vermeiden, ist dem Handelnden abzufordern.111 Da die einzelnen Parameter und ihre Abwägung wohl nie einer exakten Quantifizierung zugänglich sind, lässt sich in Hinsicht auf die Konstituierung einer Verhaltenspflicht lediglich sagen: je größer die Gefahr, je schlimmer der drohende Schaden und je geringer der Vermeidungsaufwand, desto eher besteht eine Verhaltenspflicht.112 cc) Erwartungen an den Selbstschutz des Gefährdeten Ebenfalls in die Abwägung einzubeziehen sind die Möglichkeiten des Gefährdeten, sich selbst vor den für seine Rechtsgüter bestehenden Gefahren zu schützen. Absolute Sicherheit kann nicht verlangt werden.113 Es ist deshalb zu fragen, 108 Vgl. Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III 4 b; Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 29; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 51; Lang, S. 64; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/30; BernerKom./Brehm, Art. 41 N. 187 („allgemeine Vorsichtsregel“); Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 86 ff. 109 Lang, S. 64. 110 Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III 4 b; Lang, S. 65; Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 32; KBB-Karner, § 1294 Rz. 4. 111 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/30; Palandt-Sprau, § 823 Rn. 51. 112 Larenz/Canaris, SR II/2, § 75 III 4 b. 113 BGH NJW 1980, 392.

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inwieweit vom Gefährdeten selbst erwartet werden kann, dass er sich vor der Realisierung einer Gefahr schützt, wieweit also das Prinzip der Eigenverantwortung reicht.114 Die zu fordernde Sorgfalt des Gefährdeten kann als Teil des Mitverschuldens zu berücksichtigen sein, in Einzelfällen aber auch so evident im Vordergrund stehen, dass hierdurch die Verantwortlichkeit des Gefahrverursachers und damit eine Gefahrsteuerungspflicht entfällt.115 Letzteres ist denkbar, wenn eine Gefahr besonders offensichtlich ist und der Gefährdete den Schaden selbst ohne großen Aufwand vermeiden kann, oder wenn der später Geschädigte gerade dazu bestellt war, die Gefahr zu bannen.116 Zu berücksichtigen ist jedoch immer, welche Eigensorgfalt von der Verkehrsgruppe der Gefährdeten erwartet werden kann. Bei Kindern etwa besteht eine wesentlich geringere Erwartung hinsichtlich des Selbstschutzes.117 dd) Rechtspolitische Erwägungen: Verkehrsanschauung und Sozialwert des Verhaltens Gefährlichkeit, Gefahrsteuerungsaufwand und Selbstschutzmöglichkeiten sind – da es sich bei der Feststellung einer Verhaltenspflicht um Rechtsfortbildung handelt – nicht im „luftleeren Raum“ zu werten. Da mit der Feststellung der Verhaltenspflicht die Entscheidung darüber fällt, ob das Verhalten des Gefahrverantwortlichen rechtlich zu missbilligen ist mit der Folge, dass ihm auch die Verantwortung für die Rechtsgutsverletzung zugewiesen wird und er für den daraus resultierenden Schaden haftet, hat der Richter, der hier die Steuerungsfunktion des Gesetzgebers im Bereich des Deliktsrechts übernimmt, in die Abwägung rechtspolitische Erwägungen einfließen zu lassen.118 Maßgeblich für die Beurteilung der einzelnen Abwägungsaspekte sowie für die Abwägung insgesamt ist die Verkehrsanschauung. Die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Gefahrbeseitigung bzw. -steuerung119 als äußere Grenze dafür, ob und ggf. in welchem Umfang eine Verhaltenspflicht besteht, muss sich danach bemessen, was im Verkehr allgemein erwartet wird. Was zumutbar ist, also ob eine Verhaltenspflicht (überhaupt) existiert und wo ihre Grenzen liegen, kann nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Verkehrsanschauung, dem common sense er114 Lang, S. 66; Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 30. Teilweise wird in diesem Zusammenhang vom Vertrauensgrundsatz gesprochen. (MüKo-Wagner, § 823 Rn. 251: Auf welche eigenen Sorgfaltsvorkehrungen des Opfers darf der Gefahrverantwortliche vertrauen?) 115 Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III 4 c; Staudinger-Hager, § 823 Rn. E 32. 116 Staudinger-Hager, § 823 Rn. E 32 m.w. N. (Hinweis bzgl. besonderer Gefahrsteuerungsverantwortung des Geschädigten auf OLG Karlsruhe VersR 1989, 82; OLG Köln VersR 1992, 470, 471). 117 Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III 4 c mit Rechtsprechungsnachweisen. 118 Vgl. MüKo-Mertens (3. Auflage), § 823 Rn. 23 f. 119 Vgl. Staudinger-Hager, § 823 Rn. E 35; Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 32.

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mittelt werden.120 Es ist allgemein anerkannt, dass nicht jeder Gefahr vorgebeugt werden kann und Sicherungen von absoluter Wirksamkeit kaum möglich sind.121 Die ansonsten erforderlichen Maßnahmen würden das soziale Leben vielfach zum Erliegen bringen.122 Anerkannte Konsequenz hieraus ist, dass Gefahren bestehen, deren Realisierung trotz möglicher Verantwortungszuweisung vom Geschädigten nach der Verkehrsanschauung hinzunehmen sind, weil entweder eine Gefahrsteuerung durch den Verantwortlichen nicht erwartet wird, und/oder davon auszugehen ist, dass der Gefährdete in ausreichendem Maße in der Lage ist, sich vor Rechtsgutsbeeinträchtigungen selbst zu schützen. Das Recht erlaubt das „maßvolle Risiko“.123 Nur das Übermaß an konkreter Gefahr verlangt vom Schädiger, dass er sein Verhalten anders einrichtet. Erträgliche Gefahren in maßvollem Umfang dürfen grundsätzlich eingegangen werden, wenn nicht noch andere Momente entgegenstehen.124 Erlaubte Risiken sind dann allgemeine Lebensrisiken, deren Konsequenzen nach dem Grundsatz casum sentit dominus jeder selbst zu tragen hat. Zur Steuerung bzw. Vermeidung von Gefahren bedarf es daher grundsätzlich nur solcher Maßnahmen, die ein umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere vor Schaden zu bewahren, bzw. umgekehrt, ein vernünftiger Angehöriger eines bestimmten Verkehrskreises erwarten darf.125 Auch weitergehende, grundsätzliche rechtspolitische Erwägungen wie die praktikable Handhabung eines Gefährdungsver- bzw. Gefahrsteuerungsgebots und die Vermeidung uferloser Schadensersatzansprüche und einer Flut von Schadensersatzklagen sind anzustellen.126 Sie dienen wie die Berücksichtigung der Verkehrsanschauung letztlich als Korrektiv gegenüber einem ansonsten überbetonten Rechtsgüterschutz und damit als wesentliche Kriterien für die Handlungsfreiheit des Schadensverursachers. Bedeutsam für die Gewichtung der sich gegenüberstehenden Interessen kann ferner, abgesehen von der tatsächlichen Gefährdung, der Sozialwert der schadensverursachenden Handlung auf Seiten des Schädigers sein.127 So kann es eine Rolle spielen, ob der Schädiger bei seinem Verhalten einen billigenswerten 120 Lang, S. 67; Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 28; MüKo-Mertens (3. Auflage), § 823 Rn. 24. 121 Staudinger-Hager, § 823 Rn. E 35 mit Rechtsprechungsnachweisen. 122 Soergel-Krause, § 823 Anh. II Rn. 30. 123 Lang, S. 64. 124 Lang, ibid. 125 Staudinger-Hager, § 823 Rn. E 35 mit Rechtsprechungsnachweisen. 126 Lang, S. 81; v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, § 4 Rn. 481 ff. („policy considerations“); MüKo-Mertens (3. Auflage), § 823 Rn. 24 (Verhältnismäßigkeitsprinzip, Postulat volkswirtschaftlicher Angemessenheit und Erfüllbarkeit, Gedanke einer volkswirtschaftlich angemessenen Risikodistribution). 127 Lang, S. 65; MüKo-Mertens (3. Auflage), § 823 Rn. 23; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/31 („legitimes Interesse der Allgemeinheit“).

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Zweck oder aber überhaupt kein einsichtiges Interesse verfolgt.128 Während im ersten Fall das Gewicht des Rechtsgüterschutzes zu Lasten einer größeren, weil billigenswerten Handlungsfreiheit eingeschränkt sein kann, ist es denkbar, dass im zweiten Fall umgekehrt die Nutzlosigkeit des gefährlichen Verhaltens als Grund für die größere Gewichtung des Rechtsgüterschutzes gegenüber der Handlungsfreiheit zu Buche schlägt. ee) Fehlverhalten und Fehlverhaltensgrad als Abwägungskriterien Teilweise wird darauf hingewiesen, dass der Grad des Fehlverhaltens sowohl des Schädigers als auch des Geschädigten eine wichtige Rolle für die Interessenabwägung (Zurechnung) spielen könne.129 Dem liegt in Hinblick auf den mittelbaren Schädiger der nachvollziehbare Gedanke zugrunde, dass innerhalb der Interessenabwägung dem Rechtsgüterschutz des Geschädigten erhöhtes Gewicht zukommen kann, wenn ein gesteigertes Fehlverhalten im Vorfeld zu einer gesteigerten Gefährdung führt. Das ist jedenfalls für die Fälle anerkannt, in denen das schadensursächliche Verhalten zielgerichtet ist, also vorsätzlich auf die ansonsten weniger wahrscheinliche Rechtsgutsbeeinträchtigung hin gesteuert wird.130 Vorsätzlich herbeigeführte Tatfolgen gelten deshalb gemeinhin als „adäquat verursacht“.131 Bei der Überlegung, daraus einen verallgemeinerungsfähigen Gedanken auch im Bereich der fahrlässigen Schädigung dahingehend zu entnehmen, dass ein gesteigertes Maß an Fehlverhalten des fahrlässigen (mittelbaren) Schädigers beim Setzen der Erstursache generell als Argument zur Begründung der Pflichtwidrigkeit im Rahmen der Interessenabwägung heranzuziehen sei,132 ist Vorsicht geboten und Folgendes zu bedenken: Zunächst sei klargestellt, dass ein Fehlverhalten und sein Ausmaß, das als Kriterium für die Interessenabwägung zur Feststellung der Pflichtwidrigkeit einer 128

Lang, S. 65. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, § 4 Rn. 457 ff. (Grobes Verschulden des Beklagten/Klägers); Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/18: Das Gewicht der Rechtswidrigkeit als Zurechnungsmoment könne durchaus unterschiedlich sein. Seine Schwere hänge u. a. von dem Grad der Vernachlässigung der objektiv erforderlichen Sorgfalt ab. Ebenso Willburg, S. 48; Rummel-Reischauer, § 1304 Rz. 5. 130 Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/30, 8/16; Rummel-Reischauer, § 1295 Rz. 12. 131 BGHZ 79, 259, 262; Lange, JZ 1976, 198, 200; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/16 m.w. N. 132 So v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, § 4 Rn. 459: „Die Tendenz ist sachlich richtig [. . .]. Sie zeigt zudem, dass Moralvorstellungen auf die Ermittlung von Ursachenzusammenhängen einen erheblichen Einfluss nehmen. Der Vorsatztopos ist dafür nur ein Beispiel unter vielen.“ Zur „Adiquität“ als relativem Begriff im Sinne Wilburgs vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/15 f.; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 31. 129

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mittelbaren Schädigung herangezogen werden soll, sich denknotwendig nur aus einer separaten Bewertung des Schädigerverhaltens in anderem Zusammenhang, nämlich in Hinsicht auf das Setzen der Erstursache ergeben kann. Ein Fehlverhalten gegenüber dem erst mittelbar Geschädigten kann mit dem Hinweis auf den Fehlverhaltensgrad des Schädigers nicht gemeint sein, da diesbezüglich gerade erst zu ermitteln ist, ob sich das Verhalten des Schädigers als Fehlverhalten darstellt. Bei der Bestimmung der objektiven Verhaltenspflicht in Bezug auf die erst mittelbar verursachte Schädigung durch Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen werden Existenz und Schutzbereich einer solchen (weiteren) Verhaltenspflicht und damit die an den Handelnden von der Rechtsordnung gestellten objektiven Verhaltensanforderungen erst festgelegt. Erst an diesen Verhaltensanforderungen lässt sich ablesen, in welchem Maß sich der Handelnde in Bezug auf die herbeigeführte mittelbare Rechtsgutsverletzung fehlerhaft, d.h. unsorgfältig verhalten hat. Den Fehlverhaltensgrad in Hinsicht auf die mittelbar verursachte Schädigung in die Abwägung einzustellen, hieße, unzulässigerweise nachträglich subjektiv begründete, nämlich von einer mangelnden Willenssteuerung abhängige Erwägungen zu berücksichtigen, obwohl es um die objektive Festlegung verallgemeinerungsfähiger, wenn auch einzelfallbezogener Anforderungen geht (wie hätte sich ein ordentlicher Verkehrsteilnehmer in der konkreten Situation verhalten müssen?).133 Die Bedeutung eines solchen Fehlverhaltens für die Abwägung zwischen der Handlungsfreiheit des Schädigers und dem Rechtsgüterschutz des mittelbar Geschädigten hängt davon ab, ob und welcher Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und der mittelbar eintretenden Schädigung besteht. Ein Fehlverhalten des Handelnden innerhalb der Interessenabwägung zu seinen Lasten zu gewichten, erscheint nur gerechtfertigt, wenn zunächst überhaupt ein Zusammenhang zwischen dem Vorwurf an sein Verhalten und der mittelbaren Schädigung besteht und der in der Missbilligung zum Ausdruck kommende Verhaltensunwert deshalb eine entsprechend Einschränkung seiner Handlungsfreiheit gegenüber dem Rechtsgüterschutzinteresse des mittelbar Geschädigten erlaubt. Da Ausgangspunkt für die Statuierung einer Verhaltenspflicht stets die Gefährdung von Rechtsgütern durch ein bestimmtes Verhalten ist, besteht ein solcher Zusammenhang dann, wenn gerade durch das Fehlverhalten zugleich auch die Gefahr geschaffen oder erhöht wird, die sich in der mittelbaren Beeinträchtigung der geschädigten Rechtsgüter niederschlägt. Das wird wegen des Ingangsetzens eines weiteren, zur Schädigung führenden Kausalverlaufs meist, aber nicht immer der Fall sein. Dann jedenfalls ist das Handlungsfreiheitsinteresse des Schädigers gegenüber dem Integritätsinteresse des mittelbar Geschädigten eingeschränkt 133 Vgl. zum objektiven Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt MüKoGrundmann, § 276 Rn. 55; MüKo-Mertens (3. Auflage), § 823 Rn. 23: Die Abwägung ist für das Rechtswidrigkeitsurteil bei unvorsätzlichen Verhaltensweisen typisierend vorzunehmen, nicht aus dem spezifischen Blickwinkel des Täters.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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schutzwürdig, weil der Unwert des Verhaltens (Fehlverhalten/Fehlverhaltensgrad) gerade auf der Schaffung/Erhöhung einer Gefahr basiert, die sich auch in der Rechtsgutsbeeinträchtigung der Rechtsgüter des mittelbar Geschädigten realisiert. Das konkrete Gewicht, das einem Fehlverhalten des Schädigers innerhalb der Interessenabwägung zur Feststellung einer Pflichtwidrigkeit der mittelbaren Schädigung zukommt, hängt davon ab, wie sehr das Fehlverhalten zur Schaffung bzw. Erhöhung der Gefahr für die mittelbar geschädigten Rechtsgüter beigetragen hat. Je stärker die Gefährdung der mittelbar geschädigten Rechtsgüter gerade auf das Fehlverhalten zurückgeht, desto weniger schutzwürdig ist der Handelnde. Im Zusammenspiel hiermit ist dann die Überlegung richtig, dass sich das Unwerturteil über ein Verhalten im Vorfeld innerhalb der Interessenabwägung umso stärker auswirkt, je größer das Fehlverhalten bei Schaffung/Erhöhung der Gefahrenlage war. Der Gedanke eines gesteigerten Fehlverhaltens als Argument für den Rechtsgüterschutz des mittelbar Geschädigten birgt also wie bereits erwähnt insoweit einen richtigen Kern, als mit der Feststellung, der Handelnde habe sich im Vorfeld grob unvorsichtig verhalten, mitunter – aber eben nicht zwingend – einher geht, dass der Handelnde nicht nur in Hinsicht auf die Erstursache, sondern auch in Hinsicht auf die Rechtsgüter des mittelbar Geschädigten eine Gefahr geschaffen und/oder erhöht hat und ihm deshalb mangels Abwendung/Vermeidung (auch) dieser Gefahr ein besonderes Maß an Unvorsichtigkeit schon im Vorfeld der eigentlichen Schadensrealisierung attestiert und in Hinsicht auf das Eintreten der Schädigung wertend angelastet werden kann. Hinweise auf die Gewichtung eines „Fehlverhaltens“ werden sich auch aus dem Charakter der Verhaltensregel entnehmen lassen, gegen die der Handelnde beim Setzen der Erstursache verstoßen hat. Einen Verstoß gegen Sorgfalts-/Verhaltensregeln, die dem eigenen Schutz des Handelnden dienen, wird man, um die Handlungsfreiheit des Einzelnen nicht übermäßig einzuschränken und eine ausufernde Haftungsverantwortung zu vermeiden, grundsätzlich untergeordnete Bedeutung zusprechen müssen. Dem Verstoß gegen eine ungeschriebene Verhaltenspflicht, die dem Schutz anderer dient, oder einem gefährdungshaftungsrechtlich relevanten Verhalten, die beide von der Rechtsordnung toleriert und erst bei einer Rechtsgutsbeeinträchtigung relevant werden, wird man prinzipiell weniger Gewicht beizumessen haben, als dem Verstoß gegen ein normiertes Verhaltensgeoder -verbot, dessen gesetzliche Statuierung bereits belegt, dass aus seiner Nichtbeachtung typischerweise besondere Gefährdungen und Schädigungen folgen. 3. Weitere Zurechnungsüberlegungen Vielfach und gerade in Deutschland wird darauf hingewiesen, dass über die anhand der Äquivalenz- und Adäquanztheorie auf der Ebene der Schadensverursachung erzielten Ergebnisse hinaus eine Einschränkung der ansonsten drohen-

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

den Haftung erforderlich sei. Dadurch wird der Anschein erweckt, dass es – auch und gerade in den problematischen Fällen der mittelbaren Schädigung – neben den Haftungselementen der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens zusätzlicher einschränkender (Zurechnungs-)Kriterien zur Begrenzung der ansonsten uferlosen Haftung des Schadensverursachers bedürfe.134 Deshalb werden vornehmlich in Deutschland unter dem Stichwort der objektiven Zurechnung, aber teilweise auch in Österreich und der Schweiz verschiedentlich Versuche unternommen, eine „Einschränkung der Haftung“ für schadensursächliches Verhalten durch Zurechnungsüberlegungen zu erreichen.135 Hierzu zählen insbesondere die Lehre vom Schutzzweck der Norm bzw. vom Rechtswidrigkeitszusammenhang und die Aufstellung besonderer, fallgruppenbezogener Zurechnungskriterien, wobei nicht endgültig geklärt zu sein scheint, wie sich die hier aufgestellten besonderen Zurechnungsvoraussetzungen zueinander verhalten und in das dogmatische Gesamtgefüge der Verschuldenshaftung passen.136 a) Schutz- und Normzwecktheorie/Rechtswidrigkeitszusammenhang Die Lehre vom Schutzzweck der Norm137 und die Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang,138 die in der Sache auf dasselbe abzielen,139 stellen zur Begrenzung der Haftung auf den Schutzzweck der die Haftung begründenden Vorschrift(en) ab. Dieser Ansatz ist heute im Grunde überall akzeptiert.140 Hat der Handelnde gegen eine Haftungsvorschrift verstoßen, so muss er nur dann für die so verursachten Folgen einstehen, wenn die einschlägige Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck die Vermeidung dieser Folgen in der konkreten Art und Weise

134 Vgl. Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 62 ff. („[. . .] Adäquanztheorie bedarf der Ergänzung durch eine wertende Beurteilung [. . .]“); Fuchs, S. 69 (Lehre vom Schutzzweck als „weiteres Korrektiv der Schadenszurechnung“). 135 Vgl. Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 11 ff. Unter dem Stichwort „Grenzen des adäquaten Kausalzusammenhangs“ sind hier besondere, fallgruppenbezogene Wertungskriterien der österreichischen Rechtsprechung in Fällen aufgezeigt, in denen auch der Bundesgerichtshof ausdrücklich mit besonderen Zurechnungskriterien argumentiert. In der Schweiz werden unter der Kategorie „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ ebenfalls Fälle eingeordnet, in denen aufgrund besonderer Wertungen der an sich gegebene adäquate Ursachenzusammenhang letztlich doch verneint wird (vgl. BK-Schnyder, Art. 41 N. 20; kritisch Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 37; Schwenzer, OR AT, N. 20.03. 136 Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 26. 137 So der in Deutschland und der Schweiz vornehmlich verwendete Begriff, vgl. Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 62; Schwenzer, OR AT, N. 19.07; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 32 („Schutzzweck-“ oder „Normzwecktheorie“). 138 So die in Österreich verwendete Bezeichnung, vgl. Koziol/Welser, BR I, S. 453. 139 MüKo-Oetker, § 249 Rn. 116; Koziol/Welser, BR I, S. 453. 140 Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 62; KBB-Karner, § 1295 Rz. 9; BK-Schnyder, Art. 41 N. 34; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 32.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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beabsichtigt.141 Durch den Schutzzweck oder Schutzbereich der jeweiligen Haftungsnorm kann die Haftung sowohl in persönlicher (wen will die Vorschrift schützen?) als auch in sachlicher (was will die Vorschrift schützen?) und modaler Hinsicht (vor welchen Gefahren will die Vorschrift schützen?) konkretisiert und begrenzt werden.142 Die in diesem Zusammenhang häufig auftretenden Schwierigkeiten liegen darin, den Schutzbereich der jeweiligen Haftungsnorm vollständig zu bestimmen. Je weniger dabei der Zweck der Schutzpflicht/Haftungsnorm eindeutig bestimmbar ist, umso mehr droht die Schutzzweckbetrachtung zum „Platzhalter für nicht weiter spezifizierte subjektive Wertungen zu werden“.143 Soweit die Rechtsordnung explizit konkrete Verhaltensnormen (Schutzgesetze) aufstellt, lassen sich daraus durch Auslegung in der Regel einigermaßen sichere Erkenntnisse darüber gewinnen, welche Art von Verhalten die jeweilige Vorschrift steuern will, um daraus resultierende Schäden zu vermeiden.144 Hier geht es in erster Linie um die Klarstellung des modalen Schutzbereichs, d.h. welchem gefährlichen Verhalten in Hinsicht auf daraus drohende Schäden konkret vorgebeugt werden soll. Aber auch die Auslegung solcher gesetzlicher Verhaltensnormen stößt gerade bei mittelbaren Verletzungen infolge Dazwischentretens eines Dritten an offensichtliche Grenzen. Insoweit wird nämlich in der Regel zweifelhaft sein, ob die jeweilige Verhaltensnorm auch vor entfernteren und fremdbestimmten Verletzungen und Schäden als Resultat der jeweiligen (Zwischen-) Handlung schützen will, wenn primärer Normzweck eigentlich ein anderer, nämlich meist die Regelung bestimmter Verhaltensanforderungen zur Vermeidung hierdurch unmittelbar drohender Gefahren ist.145 Dass der Gesetzgeber auch nur 141 Kötz/Wagner, Rn. 195; Larenz, SR I, § 27 III b 2 (S. 441); Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 62 mit Rechtsprechungsnachweisen; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/18 f.; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 32 f. 142 Apathy/Riedler, BR III, SR BT, § 13 Rz. 26, 13/28; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 28; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/23. 143 HKK-Jansen, §§ 249–253, 255, Rn. 70. 144 Seit langem unstreitig ist deshalb, dass es für die Schadenszurechnung immer auf den Schutzzweck der verletzten Verhaltensnorm ankommt, wenn diese Norm gesetzlich fixiert und als „Schutzgesetz“ im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Kötz/ Wagner, Rn. 196; Larenz, SR I, § 27 III 2 (S. 443); MüKo-Oetker, § 249 Rn. 117; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/18 f., 8/23; Rummel-Reischauer, § 1295 Rz. 8; Oftinger/ Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 32. Geeignete Beispiele hierfür bieten die gesetzlichen Straßenverkehrsregeln, die mit ihren Ge- und Verboten Verhaltensweisen regulieren, um bestimmte negative Folgen der Zuwiderhandlung zu vermeiden. Ein Überholverbot beugt dem Zusammenstoß von Fahrzeugen an unübersichtlichen Stellen vor, ein Tempolimit den Gefahren, die sich bei schneller Fahrt aus der geringeren Kontrolle über das Fahrzeug ergeben etc. 145 Wenn der Gesetzgeber konkrete Verhaltensregeln für den Straßenverkehr aufstellt, will er damit die unmittelbar aus einem verkehrswidrigen Verhalten drohenden Unfälle vermeiden. Das Gebot, bei Rot nicht über die Ampel zu fahren, dient der Vermeidung von Kollisionen und daraus resultierenden Schäden, Gleiches gilt für Vorfahrtsregeln,

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mittelbar und deshalb regelmäßig nur mit einem erhöhten Maß an Ungewissheit eintretende Beeinträchtigungen durch die Aufstellung bestimmter Verhaltensanforderungen regeln wollte, ist schon allein deshalb zweifelhaft, weil es hierfür meist an einem für die abstrakt-normative Regelung erforderlichen typischen und regelmäßig voraussehbaren Verletzungsszenario mangelt. Noch schwieriger gestaltet sich die Frage nach dem Schutzzweck der Norm, wenn die Vorschrift, gegen die das schadensursächliche Verhalten verstoßen hat, keine konkrete Handlung in Bezug nimmt, sondern, wie es bei § 823 Abs. 1 BGB, §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB und Art. 41 Abs. 1 OR der Fall ist, lediglich allgemein und in sehr weiten Grenzen einen sachlichen und persönlichen Schutzbereich beschreibt.146 Aus diesen Vorschriften lassen sich konkrete Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des modalen Schutzbereichs nicht entnehmen, nur die generelle und deshalb wenig hilfreiche Aussage, dass grundsätzlich alle Verhaltensweisen zu unterlassen sind, die die jeweiligen geschützten Rechtsgüter gefährden.147 Auf den modalen Schutzbereich, also die Frage, welche Art und Weise der Rechtsgutsbeeinträchtigung noch von der jeweiligen Haftungsnorm erfasst sein soll, kommt es aber gerade in den Fällen der mittelbaren Schädigungen an. Denn hier muss trotz Rechtsgutsverletzung als Erfüllung des Haftungstatbestandes und der damit verbundenen Erfüllung des sachlichen und persönlichen Schutzzwecks ja gerade eine Eingrenzung der Haftung dadurch erfolgen, dass nur bestimmte, als pflichtwidrig festgestellte Verhaltensweisen von der Haftung erfasst werden. Nur am Merkmal der Pflichtwidrigkeit des schadensursächlichen Verhaltens lässt sich eine Haftungsbegrenzung der ansonsten ihrem Wortlaut nach erfüllten Haftungstatbestände erreichen. b) Schutzbereich der verletzten Verhaltenspflicht Konsequent und folgerichtig ist es, den Schutzzweck der jeweiligen generellen Haftungsnorm durch den Schutzbereich der zur Pflichtwidrigkeitsbestimmung ohnehin zu ermittelnden Verhaltenspflicht zu konkretisieren.148 Dann nämlich Überholverbote etc. Ob infolge von Unfällen entstehende mittelbare Schädigungen von diesen Verhaltensgeboten umfasst sein sollen, lässt sich diesen Vorschriften aber gerade nicht sicher entnehmen. Solche Überlegungen können nur das Ergebnis anderweitiger Wertungen sein, die die Haftungszurechnung als angemessen erscheinen lassen. 146 Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 121; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 32; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/34. 147 Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/22. 148 MüKo-Wagner, § 823 Rn. 277 ff.; ebenfalls MüKo-Mertens (3. Auflage), § 823 Rn. 47; Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 28; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 33; ausführlich Lang, S. 55 ff.; Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 I b und III 6 c; Sourlas, S. 157 ff.; Larenz, SR I, § 27 III 2 (S. 444); Zimmermann, JZ 1980, 10, 12; Kötz/Wagner, Rn. 198; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/28 ff. m.w. N. Im Ergebnis zustimmend Rummel-Reischauer, § 1295 Rn. 8.

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laufen die Überlegungen zur Pflichtwidrigkeit der Schadensverursachung in den Fällen der fahrlässigen mittelbaren Schädigung, d.h. dem Erfordernis eines konkreten objektiven Verhaltenspflicht- bzw. Sorgfaltspflichtverstoßes, mit denen zum (modalen) Schutzzweck der Norm, d.h. der Frage, welche Rechtsgutsbeeinträchtigungen nach der Art ihrer Verursachung dem Schädiger noch zuzurechnen sind, in einem schlüssigen Konzept zusammen. Der (Erst-)Handelnde haftet für mittelbar herbeigeführte Rechtsgutsverletzungen, wenn er eine Gefahr geschaffen hat, die nach Abwägung der in Rede stehenden Interessen eine für Dritte nicht mehr tolerierbare Bedrohung darstellt (Verhaltenspflichtverletzung), und sich diese Gefahr in der naheliegenden Verletzung realisiert hat. Dann aber haftet der Schädiger konsequenterweise auch nur für solche Schäden, die aus der Gefahr resultieren, um deretwillen sein Verhalten als pflichtwidrig anzusehen ist. Durch diese Überlegungen wird deutlich, dass der Feststellung der Pflichtwidrigkeit des fahrlässigen, mittelbar schadensursächlichen Verhaltens im Wege der Bestimmung einer konkreten Verhaltenspflichtverletzung gleichzeitig haftungsbegründende als auch – über die Ermittlung des Schutzbereichs dieser Verhaltenspflicht – haftungsbegrenzende Funktion zukommt.149 Vereinfacht lässt sich sagen: Schutzzweck des jeweiligen generellen Haftungstatbestands ist es eben, die Rechtsgüter Dritter vor widerrechtlicher Verletzung (§ 823 Abs. 1 BGB), Handlung (§ 1294 ABGB) bzw. Schadenszufügung (Art. 41 Abs. 1 OR) zu schützen. Die Widerrechtlichkeit ergibt sich aus dem im Einzelfall konkret zu bestimmenden Verhaltenspflichtverstoß.150 c) Entwicklung fallgruppenbezogener „Zurechnungskriterien“ und implizite Wertungen innerhalb der Adäquanzbetrachtung Immer noch weit verbreitet ist es, statt auf den Schutzbereich der bei mittelbaren Schädigungen maßgeblichen Verhaltenspflicht abzustellen, eine Begrenzung der Haftung über die Anwendung bestimmter wertender Zurechnungskriterien zu erreichen.151 Insbesondere der Bundesgerichtshof hat eine Reihe von fallgruppenbezogenen Kriterien entwickelt, mit denen die Zurechnung der Verletzung oder des Schadens zum Verursachungsbeitrag des mittelbaren Schädigers im Einzelfall begründet oder ausgeschlossen wird.152 149 Vgl. Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 27; Erman-Kuckuck, Vor § 249 Rn. 37; Brüggemeier, S. 126. 150 Anders nur die dort herrschende objektive Widerrechtlichkeitstheorie in der Schweiz, nach deren Auffassung allein die Verletzung eines von der Rechtsordnung geschützten Rechtsguts zur Begründung der Widerrechtlichkeit ausreichen soll. A. A. BKSchnyder, Art. 41 N. 38. 151 Vgl. etwa MüKo-Oetker, § 249 Rn. 121; Medicus, SR I, Rn. 601 f. 152 Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 66 ff. Hierzu zählen insbesondere die Fälle des Dazwischentretens Dritter in den Kausalverlauf (Herausforderungsfälle, Grünstrei-

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Wo diese fallgruppenbezogenen (Zurechnungs-)Kriterien innerhalb der Haftungsprüfung einzuordnen sind, wird nicht immer deutlich.153 Teilweise werden die Zurechnungskriterien explizit als Kriterien zur Bestimmung des Schutzzwecks der Haftungsnorm angesehen und der Schutzzwecktheorie zugeordnet,154 teilweise werden sie ergänzend bei der Adäquanzprüfung berücksichtigt155 oder als eigenständige Zurechnungskriterien bezeichnet. In der Schweiz werden anders als in Deutschland zwar nicht explizit bestimmte (Zurechnungs-)Kriterien in Ergänzung von Äquivalenz- und Adäquanztheorie zum Zwecke einer gesonderten Zurechnungsprüfung aufgestellt. Betrachtet man jedoch die Fälle, in denen sich die Probleme mittelbarer Rechtsgutsverletzungen stellen, zeigt sich, dass die in Deutschland herangezogenen Zurechnungskriterien in ähnlicher Art und Weise implizit in die Adäquanzprüfung mit einfließen156 und innerhalb des Prüfungspunktes der „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“157 bewertet werden.158 d) Schutzzwecktheorie und Zurechnungskriterien als Fragen der Pflichtwidrigkeit Der Forderung, die Haftung des nach Äquivalenz- und Adäquanztheorie schadensursächlichen Verhaltens sei durch die Anwendung bestimmter Schutzzwecküberlegungen oder Zurechnungswertungen zu begrenzen, liegen implizit zwei fenfälle, Rettungsfälle) aber die unter dem Stichwort der psychischen Schadensbereitschaft behandelten Schockschadensfälle. 153 Vgl. Soergel-Spickhoff, § 823 Rn. 26. 154 So häufig der Bundesgerichtshof, vgl. Fuchs, S. 69 ff. 155 Soergel-Mertens, Vor § 249 Rn. 124 ff.; MüKo-Oetker, § 249 Rn. 121. 156 Vgl. die Rechtsprechungsbeispiele bei Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 28 ff., insbesondere zu den Schockschadensfällen, aber auch zu Fällen mittelbarer Schädigung bei Dazwischentreten eines Dritten. Mangels Adäquanz zwischen Ersthandlung und Schädigung bei Dazwischentreten eines Zweithandelnden sah das Bundesgericht etwa den Ursachenzusammenhang als unterbrochen an in einem Fall, in dem ein Knabe einen Bauzaun überkletterte, um an auf der Baustelle liegengelassene Stangen zu gelangen, mit denen er eine Hochspannungsleitung berührte. Die eigenständige Handlung des Knaben stelle ein grobes Selbstverschulden dar, durch das der Kausalzusammenhang unterbrochen werde. Sie sei „verbotswidrig“ und „unvernünftig“ gewesen (BGE 75 II 68, 72). In einem anderen Fall verneinte das Bundesgericht die Adäquanz beim Laufenlassen des Motors eines ansonsten gesicherten Baggers, den ein Unbefugter während der Abwesenheit des Baggerführers falsch bediente und hierdurch beschädigte. Der Bauplatz sei gegen den Zutritt unbefugter Dritter gesichert, das Laufenlassen von Baugerät bei kurzen Arbeitsunterbrechungen üblich und das Hantieren dem Dritten untersagt worden. Selbst wenn man einen adäquaten Zusammenhang annehme, sei dieser durch das „unerlaubte, unnötige und ungleich wirksamere Eingreifen verdrängt worden“ (BGE 98 II 288, 291). 157 Vgl. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 105 und 151 ff.; Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 37, 41 ff. 158 Hierzu sogleich unter 5. a).

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Gedanken zugrunde: Wer von der Notwendigkeit einer Haftungsbegrenzung durch besondere Zurechnungskriterien ausgeht, setzt voraus, dass die Haftung aufgrund der Feststellung der Ursächlichkeit nach diesen beiden Ansätzen bereits im Wesentlichen bejaht159 und eine ausreichende Begrenzung der Haftung durch die Haftungselemente Rechtswidrigkeit und Verschulden nicht zu erreichen ist. Es mag noch gerechtfertigt sein, bei unmittelbar schadensursächlichem Verhalten sowohl Rechtswidrigkeit als auch Verschulden zu indizieren und diese Elemente der Haftung nur bei Vorliegen besonderer Gründe weiter zu erörtern, weil dann ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen schadensursächlichem Verhalten und der von der Rechtsordnung grundsätzlich verpönten Rechtsgutsbeeinträchtigung besteht. Dann liegt der Schwerpunkt der Haftungsbegründung in der Tat auf der Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen Verhalten und Schadenseintritt und entscheidet sich die Haftung regelmäßig mit der Beantwortung dieser Frage.160 Bei mittelbaren Schädigungen aber ist eine gesonderte Feststellung des objektiven Unwerts des fahrlässigen, mittelbar schadensursächlichen Verhaltens in Bezug auf die verursachte Rechtsgutsbeeinträchtigung unabdingbar, aber auch ausreichend, um die Haftung des Handelnden auch in diesem Fall zu begründen und sachgemäß zu begrenzen, wenn man die hierzu anzustellenden Erwägungen gleichsam für die Schutzzweckprüfung fruchtbar macht. Unabhängig davon, ob man diese Frage der Pflichtwidrigkeit dem Element der Rechtswidrigkeit oder des Verschuldens zuordnet, sind hier innerhalb der anstehenden Interessenabwägung zur Festlegung des Bestehens, des Umfangs und des Verstoßes gegen eine konkrete Verhaltenspflicht die rechtlichen Wertungen anzustellen, die eine Schadensverlagerung auch bei nur mittelbarer Verursachung rechtfertigen. Dadurch werden gleichzeitig auch die Grenzen festgelegt, innerhalb derer die Schadensverlagerung gerechtfertigt ist.161 Dass es in den Fällen mittelbarer Schädigungen entgegen den teilweise missverständlichen Formulierungen bei der Schutzzweckprüfung und der Anwendung von besonderen Zurechnungskriterien nicht um die Begrenzung, sondern um die Begründung der Haftung für das „nur“ mittelbar schadensursächliche Verhalten geht, zeigt sich bei näherem Hinsehen. Bei der Untersuchung von Schutzzweckgesichtspunkten ergibt sich dies bereits aus der Fragestellung nach dem Schutzzweck selbst: Wer nach dem Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm fragt, 159 Vgl. Rummel-Reischauer, § 1295 Rz. 6. („Fehlvorstellung, dass man an sich für ein kausales Verhalten haften müsse.“) 160 Hier zeigt sich der erhebliche Einfluss der Erfolgsunrechtslehre auf die dogmatische Entwicklung (vgl. oben I. 1. und 3.). 161 Vgl. Esser/Weyers, SR II/2, § 55 IV; Larenz/Canaris, SR II/2, § 76 III 6; SoergelSpickhoff, § 823 Rn. 28; v. Bar, Verkehrspflichten, S. 107 ff., der dann zu Recht in Zweifel zieht, dass es einer Schutzzweckprüfung noch bedarf, wenn die hierzu erforderlichen Schutzbereichsüberlegungen bereits bei der Bestimmung der konkreten Verhaltenspflicht angestellt werden.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

muss bei der Auslegung der haftungsbegründenden Vorschrift(en) zwangsläufig – offen oder implizit – wertende Überlegungen darüber anstellen, ob das schadensursächliche Verhalten vorwerfbar, also pflichtwidrig ist. Aber auch ein Blick auf die fallgruppenbezogenen Zurechnungskriterien zeigt, dass die hier verwendeten Argumente letztlich darauf abzielen, eine Begründung für die Pflichtwidrigkeit des schadensursächlichen Verhaltens zu liefern.162 Schockschäden etwa sollen nur dann ersatzfähig sein, wenn es sich um medizinisch konstatierbare Gesundheitsschädigungen naher Angehöriger handelt, die nicht als allgemeines Lebensrisiko einzuordnen, sondern auf einen ausreichenden Anlass zurückzuführen sind.163 In Fällen besonderer gesundheitlicher Schadensanfälligkeit sollen untypische Schadensfolgen noch zuzurechnen sein, weil der Schädiger grundsätzlich nicht durch die Schadensgeneigtheit seines Opfers privilegiert werden soll, es sei denn, es handelte sich – etwa bei psychischer Labilität – bei der Reaktion um eine unangemessene Erlebnisverarbeitung, die wegen ihres groben Missverhältnisses zum konkreten Anlass nicht mehr verständlich ist.164 Bei Kettenunfällen sind – anders als in den Grünstreifenfällen – dem Verursacher des ersten Unfalls regelmäßig auch nachfolgende Auffahrunfälle zuzurechnen, weil er diesbezüglich eine gesteigerte Gefahr geschaffen hat.165 Bei Veranlassung einer anderen Person zu gefährlichem Handeln166 wird für die Zurechnung vorausgesetzt, dass für die Zweithandlung ein hinreichender Anlass bestand, die Zweitreaktion vernünftig war und sich die Verletzung letztlich als Folge des gesteigerten Risikos darstellt, zu dem der Zweithandelnde veranlasst wurde.167 All diese Wertungskriterien beschäftigen sich mit der Abgrenzung von Risikosphären als der ureigenen Aufgabe des Pflichtwidrigkeitsmerkmals, erlaubte von missbilligten Verhaltensweisen zu trennen, in den genannten Fällen also zu unterscheiden zwischen „gesteigerten Risiken“ und „allgemeinem Lebensrisiko“,

162 Vgl. auch die Darstellung bei Esser/Schmidt, SR I/2, § 33 II. („Im Wesentlichen handelt es sich hier um Fragen der äquivalenten Kausalität und der auf sie bezogenen Pflichtwidrigkeit im Rahmen der Haftungsbegründung.“) 163 Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 71; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 15; in Anlehnung an die deutsche Rechtsprechung ebenfalls BGE 112 II 118, 127. 164 Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 69 f.; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 12 f.; im Ergebnis ebenfalls BGE 80 II 338, 343 ff. (psychoneurotische Störungen als Folge eines Unfalls – Ausrutschen und Aufprall mit dem Kopf). 165 Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 74 f.; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 33; BGE 83 II 409 ff. 166 In dieser Kategorie des „Dazwischentretens eines Dritten“ (vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 151 ff.) werden zusammengefasst die „Grünstreifenfälle“ (Ausweichen eines Unfalls durch Überfahren des Grünstreifens), „Verfolgerfälle“ (Verletzung eines Verfolgers), „Fluchtfälle“ (Verletzung des Flüchtenden) und auch die „Rettungsfälle“. 167 Bamberger/Roth-Schubert, § 249 Rn. 58; Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 77 ff. mit Rechtsprechungsnachweisen.

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zwischen „typischem/ausreichendem“ und „unangemessenem“ Anlass sowie zwischen „vernünftiger“ und „unvernünftiger“ Reaktion etc.168 4. Zwischenfazit und Ausblick Festhalten lässt sich für die Beantwortung der beiden eingangs aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit den Fällen mittelbarer Schädigungen Folgendes: Ob ein ausreichend wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang zwischen der Erstursache und dem letztlich eingetretenen Schaden trotz Dazwischentretens einer Zweitursache besteht, wird im Rahmen einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung nach der Äquivalenz- und der Adäquanzformel beurteilt. Der durch sie angelegte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist sehr großzügig bemessen. Eine wesentliche Eingrenzung des hiernach haftungsrechtlich relevanten Verhaltens ist – jedenfalls wenn man nicht (wie in der Schweiz) weitere Wertungen innerhalb der Adäquanzprüfung vornimmt – gerade bei den Problemfällen der mittelbaren Schädigung nicht möglich, aber auch nicht erforderlich, da ohne ein entsprechendes Pflichtwidrigkeitsurteil die Haftung des Schadensverursachers nicht besteht. Maßgebliches, haftungsbegründendes Kriterium bei mittelbaren Schädigungen ist die Pflichtwidrigkeit des Erstverhaltens in Bezug auf den mittelbar herbeigeführten Erfolg. Ob das nach der Äquivalenz- und Adäquanztheorie schadensursächliche Verhalten als von der Rechtsordnung zu missbilligendes Verhalten eine Verlagerung der Schadensverantwortlichkeit rechtfertigt, ist grundsätzlich durch die Feststellung zu ermitteln, dass der Handelnde gegen eine objektive Verhaltenspflicht verstoßen hat (vgl. oben I. 2. und II. 2.). Diese erfordert bei mittelbaren Schädigungen, bei denen die Rechtsordnung in der Regel konkrete gesetzliche Verhaltenspflichten in Bezug auf den Eintritt mittelbarer Schäden explizit nicht aufstellt, zunächst, dass eine solche Verhaltensnorm im Wege einer umfassenden Abwägung der Interessen des Schädigers (Handlungsfreiheit) und des mittelbar Verletzten (Rechtsgüterschutz) konstatiert wird. Darüber hinaus existieren weitere Ansätze, denen zufolge bei mittelbaren Schädigungen im Wege einer wertenden Betrachtung eine weitere „Eingrenzung der Haftung“ gegenüber den nach Äquivalenz- und Adäquanztheorie erzielten Ergebnissen erreicht werden soll, wobei es sowohl bei Schutzzwecküberlegungen als auch bei der Prüfung bestimmter Zurechnungskriterien (so man diese nicht ohnehin unter den Schutzzweck der Norm fasst) ebenfalls darum geht, die Pflichtwidrigkeit des schadensursächlichen Verhaltens in Bezug auf den herbeigeführten Schaden zu begründen. Im Einklang mit den Überlegungen zur Pflichtwidrigkeitsfeststellung und deshalb in sich schlüssig erscheint hierbei vor allem der Ansatz, der diese Eingrenzung durch Hinzuziehung des Schutzzweckgedankens erreichen will und hierzu auf den Schutzbereich der die Pflichtwidrigkeit 168

Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 146 und 152.

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begründenden, konkreten Verhaltensnorm abstellt. Soweit insbesondere die Rechtsprechung die Zurechenbarkeit und damit die Pflichtwidrigkeit eines mittelbar schadensursächlichen Verhaltens anhand besonderer fallgruppenbezogener Zurechnungskriterien oder durch weitergehende Überlegungen innerhalb der Adäquanzbetrachtung bestimmt, weicht dieser Ansatz methodisch von dem Erfordernis der Feststellung eines konkreten Verhaltenspflichtverstoßes und damit von der eigentlichen Haftungsdogmatik bei mittelbaren Schädigungen ab. Die unterschiedliche Methode der Pflichtwidrigkeitsbestimmung muss freilich nicht hinter dem dogmatisch schlüssigen Konzept der Verhaltenspflichtverletzung zurückstehen, wenn und solange dieselben Kriterien in die jeweilige Wertung einfließen und gegeneinander abgewogen werden. Dann kann bei richtiger Gewichtung auch mit den jeweils verwendeten Zurechnungskriterien ein sachgemäßer Ausgleich der sich gegenüberstehenden Interessen (Handlungsfreiheit und Rechtsgüterschutz) erzielt werden. Ob dies trotz unterschiedlicher methodischer Herangehensweise bei den hier interessierenden Rettungsfällen zutrifft, wird nachstehend durch eine Auswertung der jeweiligen Rechtsprechung und Literatur in diesem Bereich zu untersuchen sein. Es wird sich zeigen müssen, ob die jeweils unterschiedlichen Begründungsansätze auf die maßgeblichen Argumente und Kriterien zur Frage der ausreichenden Wahrscheinlichkeit und der Pflichtwidrigkeit in den Rettungsfällen zurückgreifen und diese richtig gewichten. Zu diesem Zweck sollen zunächst die Rechtsprechung und Literatur zu den Rettungsfällen in den drei untersuchten Rechtsordnungen, die dort jeweils verwendeten Ansätze und Argumente zur Begründung der Haftung des Notlagenverursachers sowie die Gewichtung der herangezogenen Wertungskriterien eingehend dargestellt werden (D.), bevor anschließend in einem gesonderten Abschnitt (E.) eine umfassende kritische Auseinandersetzung hiermit unter Berücksichtigung der oben abstrakt dargestellten Voraussetzungen für die Interessenabwägung zur Feststellung eines Verhaltenspflichtverstoßes [2. b)] erfolgt. Auf Basis dieser Prüfung und der hieraus gewonnenen Erkenntnisse wird dann ein eigener Vorschlag zur Lösung der Fälle der Bergrettung unterbreitet. 5. Scheinbare Zurechnungskategorien und -elemente Vorab sollen kurz einige immer wieder auftauchenden Begriffe beleuchtet werden, die nach ihrem Wortsinn auch für die sich bei Rettungsfällen stellenden Probleme bedeutsam zu sein scheinen. Hinter ihnen verbirgt sich jedoch keine über die vorstehend dargestellten Überlegungen hinausgehende Lehre oder Erkenntnis. Sie sind Beispiele dafür, dass die Vermischung der für die beiden Wertungsfragen wichtigen Kriterien und die Aufstellung neuer Begrifflichkeiten und Kategorien ohne eigenen Erkenntniswert in Hinsicht auf die Beantwortung der Wertungsfragen allenfalls irreführend wirken kann.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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a) „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ Im Kontext der Frage nach dem Ursachenzusammenhang wird bei mittelbaren Schädigungen, insbesondere beim Dazwischentreten Dritter in den Kausalverlauf häufig von einer „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ gesprochen.169 Vor allem in der Schweiz hat sich zu dieser Frage eine eingehende Kasuistik entwickelt.170 Der Begriff passt auch auf die Rettungsfälle. Man könnte fragen, ob der Kausalzusammenhang zwischen der Verursachung einer Notlage und der erst während der Rettungsaktion eintretenden Verletzung eines Bergretters durch das eigenverantwortliche Handeln der Retter unterbrochen ist.171 Mit dem Begriff der „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ ist jedoch keine eigenständige Zurechnungskategorie mit besonderen Kriterien für die Wertung verbunden, welche Ursachen noch als rechtlich relevant in Bezug auf den eingetretenen Schaden anzusehen sind. Unter dieses Stichwort werden vielmehr all diejenigen Fälle mittelbarer Verursachung gezogen, in denen die Zurechnung von Verhalten und Schädigung verneint wurde, sei es aus Äquivalenz-, Adäquanz- oder Schutzzweck-, Zurechnungsgesichtpunkten oder mangels Verletzung einer Verhaltenspflicht.172 Betrachtet man die Formeln, mit denen eine „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ untersucht wird, zeigt sich die fehlende Bedeutung dieses Begriffs gegenüber den vorstehend dargestellten Zurechnungstheorien deutlich: Voraussetzung für die Ersatzpflicht bei mittelbaren Schädigungen sei, dass der Zusammenhang des jetzt eingetretenen Schadens mit dem schädigenden Ereignis nicht so entfernt ist, dass ein Einstehenmüssen des Schädigers unzumutbar erscheint. Das sei erst zu bejahen, wenn die Ursächlichkeit des ersten Umstandes für das zweite Ereignis völlig unerheblich war.173 Bei einem Dazwischentreten eines Dritten (actus novus interveniens) sei entscheidend, ob die Zweitursache im Hinblick auf den eingetretenen Schaden so stark in den Vordergrund tritt, dass die Erstursache völlig verdrängt wird und der Schaden dem Erstverursacher nicht mehr zugerechnet werden kann und deshalb seine Haftung vollständig entfällt. Unterhalb dieser Schwelle sei die Zweitursache im Rahmen einer Haftungsbe169 BGH NJW 1993, 1779, 1780; 1995, 126, 127; 1999, 1391, 1392; 2000, 947, 948; 2002, 504, 505; BGH VersR 2005, 89, 90; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 11 mit Hinweis auf ZVR 1971/224; ÖRZ 1976/81; BGE 102 Ib 257, 262; 111 II 429, 433 f.; BGE 59 II 171, 183; BGE 81 II 450, 454 E. 3; BGE 98 II 288, 291. Dazu ausführlich Deutsch, S. 104 ff. 170 Vgl. Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 136 ff. mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen. 171 Von dieser Fragestellung gehen auch die Gerichte in ihren frühen Entscheidungen zu den Rettungsfällen aus (dazu sogleich D.). 172 Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 137; Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 37 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 3/17. 173 BGHZ 58, 162, 165 f.; BGH NJW 2000, 947, 948; NJW 2004, 1375.

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schränkung nach § 254 BGB zu berücksichtigen.174 In der Schweiz hat man in Rechtsprechung und Lehre Fallgruppen zusammengestellt, in denen der Kausalzusammenhang als unterbrochen angesehen werden kann. Dies sei der Fall bei höherer Gewalt oder bei grobem Eigen- oder Drittverschulden.175 Mit den hier scheinbar aufgestellten Kriterien („unzumutbar“, „unerheblich“, „in den Vordergrund treten“, „höhere Gewalt“, „grobes Eigen- oder Drittverschulden“) ist mit anderen Worten das formuliert, was durch die Feststellung eines ausreichend engen Ursachenzusammenhangs und der Pflichtwidrigkeit erst ermittelt werden muss. Das Festhalten an diesem Begriff ist deshalb zu Recht immer wieder heftig kritisiert worden.176 Nicht überzeugen kann die geäußerte Kritik zwar insoweit, als teilweise argumentiert wird, der (natürliche) Kausalzusammenhang selbst könne nicht „unterbrochen“ sein, da sonst die Kausalkette nicht in den konkreten Schaden hätte münden können.177 Dass es nicht um den natürlichen Ursachenzusammenhang, sondern um eine „Unterbrechung“ des rechtlich relevanten Zusammenhangs geht, sehen auch diejenigen, die sich des Begriffs bedienen.178 Gegen den Begriff und eine eigenständige Kategorisierung dieser Fälle spricht aber, dass die Wertungsüberlegungen, die bei der Frage nach einer „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ angestellt werden müssen (ausreichender Ursachenzusammenhang und Pflichtwidrigkeit), vermischt und „über einen Kamm geschoren“ werden. Er verleitet dazu, die entscheidenden Wertungen zu verschleiern und stattdessen, losgelöst von den maßgeblichen Kriterien, simplifizierte Ergebnisse ohne echte Begründung zu generieren (der Kausalzusammenhang sei eben unterbrochen oder nicht). b) „Handeln auf eigene Gefahr“ Eng verwandt mit dem Begriff der „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ ist der des „Handelns auf eigene Gefahr“. Setzt sich jemand bewusst einer Gefahr aus, stellt sich die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang gleichwohl derjenige, der für die Gefahr verantwortlich ist, für die Schäden desjenigen einstehen soll, der sich bewusst in die Gefahr begeben hat. Auch hier liegt ein Bezug zu den Rettungsfällen nahe: Wenn sich die Bergretter bei einer riskanten Rettungsaktion verletzen, sollen dann nicht vor allem sie selbst hierfür verant174

Looschelders, S. 429 ff. Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 37 ff.; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 132 ff. 176 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 3/17 („die leider kaum ausrottbare Lehre“); Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 37 („systemwidrig“); ebenso Schwenzer, OR AT, N. 20.03 („in sich widersprüchlich“). 177 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 3/17. 178 Vgl. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 132 ff.; Deutsch, Rn. 156. 175

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wortlich sein, weil sie sich bewusst den Gefahren des Einsatzes ausgesetzt haben? Je nachdem, wie schwer das bewusste Sich-In-Gefahr-Begeben bewertet wird, sind zwei Lösungen denkbar: entweder wird die freiwillige Selbstgefährdung bei der Frage des Mitverschuldens anteilig berücksichtigt und reduziert so die Haftung des Verursachers des gefährlichen Zustandes oder sie wiegt derart schwer, dass die Haftung des Gefahrverursachers schlichtweg auszuschließen ist.179 Zur Unterscheidung der beiden Fälle sind die Kategorien des „echten“ (Haftungsausschluss) und des „unechten“ Handelns auf eigene Gefahr (Mitverschulden) gebildet worden.180 Im ersteren Fall würde man dann insbesondere nach der in der Schweiz entwickelten Lehre sagen, der Kausalzusammenhang sei wegen groben Drittverschuldens unterbrochen.181 Das Begriffspaar des „echten“ und „unechten“ Handelns auf eigene Gefahr thematisiert zwar eine wichtige Abgrenzung zwischen der Haftung des Handelnden an sich und der Berücksichtigung des Mitverschuldens eines Geschädigten.182 Bei dem Begriff „Handeln auf eigene Gefahr“ als solchem geht es aber, wie bei dem der „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ nicht um eine eigenständige Zurechnungskategorie. Ob „echtes“ oder „unechtes“ Handeln auf eigene Gefahr vorliegt, die Selbstgefährdung des Geschädigten für den Gefahrverantwortlichen also haftungsbefreiend wirken soll oder (erst) im Rahmen des Mitverschuldens zum Tragen kommt, ist gerade eine Frage der Abwägung im Rahmen der Pflichtwidrigkeit. Es kommt auch hier auf die nach den beschriebenen Theorien vorzunehmenden Wertungen an, wie sich die Selbstgefährdung bei der Haftung des Gefahrverursachers auswirkt.183 c) „Sozialadäquates Verhalten“ Ein weiterer in diesen Zusammenhang passender Begriff ist der des „sozialadäquaten Verhaltens“. Mit dem Schlagwort der Sozialadäquanz soll im Wesentlichen ausgesagt werden, dass gewisse Beeinträchtigungen von Gütern heute allgemein hingenommen und bestimmte gefährliche Verhaltensweisen geduldet werden.184 Auch dieses Stichwort lässt sich leicht auf die Rettungsfälle übertra179 Zur zwischen beiden Kategorien schwankenden Rechtsprechung vgl. SoergelSpickhoff, Vor § 823 Rn. 105 ff.; vgl. ebenfalls Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/38; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 147. 180 Stoll, Das Handeln auf eigene Gefahr (1961). 181 Vgl. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 147. 182 Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/38; hierzu sogleich unter d). 183 Vgl. die Darstellung bei Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/38; Soergel-Spickhoff, Vor § 823 Rn. 112; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 147. 184 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/37; Schwimann-Harrer, § 1294 Rz. 8; SoergelWolf, § 276 Rn. 119.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

gen: Bergsportliche Aktivitäten sind heute weitgehend gesellschaftlich akzeptiert. Dass es dabei – wie im Straßenverkehr – aufgrund der bestehenden Gefahren zu Unfällen und zu Rettungsaktionen kommt, bei denen sich Bergretter verletzen, liegt auf der Hand. Muss dieser Umstand nicht aufgrund der Sozialadäquanz des Verhaltens eines Bergsportlers geduldet werden, so dass ihm aus seiner Tätigkeit keine Haftungsverantwortung gegenüber dem verletzten Retter erwächst? Hinter dem Begriff des „sozialadäquaten Verhaltens“ verbirgt sich nichts anderes als der Gedanke, dass in den Fällen, in denen „sozialadäquates Verhalten“ angenommen wird, die Rechtsordnung dieses Verhalten nicht missbilligt. Das „Ob“ einer solchen Missbilligung ist aber durch eine entsprechende Wertung im Einzelfall bei der Frage der Pflichtwidrigkeit zu ermitteln. Der Begriff verleitet deshalb allenfalls dazu, durch Hinweis auf die Sozialadäquanz die häufig schwierige Interessenabwägung im Einzelfall zu umgehen und führt so letzten Endes zu unkontrollierbaren Entscheidungen.185 d) Abgrenzung zwischen Haftung und Mitverschulden und Bedeutung des Mitverschuldensanteils für die Pflichtwidrigkeit Wenn unter den Stichworten der „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ und des „Handelns auf eigene Gefahr“ vielfach zugunsten eines Haftungsausschlusses argumentiert wird, der Grad des Fehlverhaltens des Zweithandelnden stehe derart im Vordergrund, dass die Haftung des Ersthandelnden ausgeschlossen sei (grobes Selbst- oder Eigenverschulden),186 stellt sich hier das Problem der Abgrenzung zwischen Haftungsbegründung für mittelbar schadensursächliches Verhalten und einer Kürzung des Haftungsumfangs um den Mitverschuldensanteil des sich letztlich selbst schädigenden Zweithandelnden,187 das auch und gerade in den hier betrachteten Bergrettungsfällen eine Rolle spielt. Diese Abgrenzung ist unerlässlich, denn es muss erst einmal feststehen, ob und wann der Notlagenverursacher dem Grunde nach überhaupt für Schäden der Retter haftet. Erst dann kann die Haftung des Notlagenverursachers in einem zweiten Schritt in ihrem Umfang um den Mitverschuldensanteil des Retters gekürzt werden oder bei ganz überwiegendem Mitverschuldensanteil in Einzelfall sogar entfallen.188 Es ist deshalb bedenklich, den Grad des Fehlverhaltens eines Zweithandelnden (des Retters) schon auf der Ebene der Haftungsbegründung in die Beurteilung über die Haftung des Ersthandelnden bei mittelbaren Schädigungen als haftungsbegrenzendes oder ausschließendes Argument hineinzutragen. So 185

Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/37. Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 137; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 151 ff. 187 § 254 BGB, § 1304 ABGB, Art. 44 Abs. 1 OR. 188 Larenz, SR I, § 31 I, S. 539; Medicus, SR I, Rn. 683. 186

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werden die Grenzen zwischen der Haftungsbegründung und einer Kürzung um den Mitverschuldensanteil verwischt mit der Folge, dass die eigentliche Begründung für oder gegen die Haftung für eine nur mittelbare Schädigung – genauer: die Wertung, wann ein mittelbar schadensursächliches Verhalten in Hinsicht auf den verursachten Verletzungserfolg pflichtwidrig ist – durch den Einbezug des Fehlverhaltens des Zweithandelnden als abwägungsfremdem Aspekt verzerrt wird. Es geht bei der Frage der Pflichtwidrigkeit des mittelbar schadensursächlichen Verhaltens allein um die Bewertung, ob das in Rede stehende Verhalten von der Rechtsordnung objektiv als Fehlverhalten missbilligt wird. Zwar kann ein besonders rücksichtsloses Verhalten, also der Fehlverhaltensgrad des Ersthandelnden bei Setzung der Erstursache in Einzelfällen besonderes Gewicht innerhalb der Interessenabwägung zur Pflichtwidrigkeitsfeststellung erlangen.189 Die Wertung, ob ein mittelbar schadensursächliches Verhalten objektiv als pflichtwidrig in Bezug auf eine bestimmte herbeigeführte Rechtsgutsbeeinträchtigung einzustufen ist, kann aber nicht davon abhängen, ob das Fehlverhalten eines Dritten größer oder geringer war.190 Allenfalls indirekt kann der hier angesprochene Umstand, dass der Zweithandelnde selbst ein erhebliches Maß an Verantwortung in Hinsicht auf seine Verletzung trägt, berücksichtigt werden. Innerhalb der Interessenabwägung maßgeblich ist insoweit, welche Selbstschutzmaßnahmen dem Geschädigten objektiv möglich und zumutbar waren [vgl. oben II. 2. b) cc) und dd)] und deshalb gegen den Rechtsgüterschutz und für die Handlungsfreiheit des Schädigers sprechen. Dadurch wird das objektive Maß an Eigenverantwortung des Zweithandelnden berücksichtigt, das von ihm grundsätzlich erwartet wird. Es kommt für die Pflichtwidrigkeit der mittelbar schadensstiftenden Handlung darüber hinaus aber nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er von diesen Selbstschutzmöglichkeiten im Einzelfall Gebrauch gemacht hat. Letzteres wird den jeweiligen Fehlverhaltensgrad des Zweithandelnden zwar letztlich ausmachen. Dies ist dann aber bei der Frage des Mitverschuldens zu berücksichtigen.

D. Die Rettungsfälle in Rechtsprechung und Literatur Sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind Schadensersatzansprüche eines Retters, der sich bei einem Rettungsversuch verletzt, gegen den Verursacher der Notlage aus unerlaubter Handlung in Rechtsprechung und Lehre weitgehend anerkannt.191 In der Schweiz hingegen findet eine Auseinandersetzung mit 189

Vgl. oben 2. b) ee). Anders v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, § 4 Rn. 460 („grobes Verschulden des Klägers“). 191 Vgl. die Nachweise bei MüKo-Oetker, § 249 Rn. 155; andeutungsweise RummelReischauer, § 1295 Rz. 13. 190

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diesen Ansprüchen in der Rechtsprechung nicht, in der Literatur nur vereinzelt und nur am Rande statt. I. Deutschland 1. Reichsgerichtsrechtsprechung und Herausforderungsformel des Bundesgerichtshofs Die deutsche Rechtsprechung bejaht die deliktische Haftung des Hilfsbedürftigen bzw. des die Notlage verursachenden Dritten gegenüber dem Retter seit jeher großzügig. Das Reichsgericht behandelte die Problematik der Rettungsfälle noch im Rahmen der Adäquanzprüfung.192 Es bejahte den Kausalzusammenhang zwischen Verursachung der Notlage und Schädigung des Hilfeleistenden mit dem Argument, dass die Hilfeleistung als Reaktion in Erfüllung einer sittlichen und rechtlichen Pflicht vorhersehbar und damit ausreichend wahrscheinlich im Sinne einer adäquaten Verursachung war. Anschließend untersuchte es, ob der Kausalzusammenhang zwischen der Notlagenverursachung und der Verletzung des Hilfeleistenden infolge eines Rettungsversuchs „unterbrochen“ sei.193 Es sah sich bei der Prüfung im Wesentlichen zwei Argumenten gegen die Haftung des Notlagenverursachers und somit für eine solche „Unterbrechung“ ausgesetzt, dem freiwilligen Eingreifen des Helfers, sprich der bewussten Inkaufnahme des damit verbundenen Risikos, sowie der unvorsichtigen Ausführung der Hilfeleistung, also dem Selbstverschulden des Retters. Bei der Argumentation des Reichsgerichts pro oder contra eine „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ sticht dabei das Argument heraus, dass das Eingreifen in Erfüllung rechtlicher oder sittlicher Pflichten zum Schutz anderer als Folge der herbeigeführten Gefahren anzusehen sei und den Nothelfer für seine Hilfe grundsätzlich kein Vorwurf des Eigenverschuldens treffe, da er einer sittlichen Pflicht nachkomme, deren Erfüllung ihm

192 Zur Reichsgerichtsrechtsprechung in Bezug auf die Rettungsfälle ausführlich Nökel, S. 89 ff. 193 ROGH 22, 313 (Haftung der Grube für bei der Rettung eines Kameraden verunglückten Bergmann); RG JW 07, 673 Nr. 8 (Haftung für Tod eines Ingenieurs, der beim Betrieb einer Glasbläsermaschine verletzte Betriebsangehörige zu retten versucht hatte); RGZ 29, 120 (Unfall des Retters beim Versuch, eine führerlose Kutsche anzuhalten); RGZ 50, 219 (Unfall beim Versuch, durchgegangene Pferde von einer belebten Dorfstraße fernzuhalten); RG Gruchot 70 (1929) S. 551 Nr. 43 (Verletzung eines Feuerwehrmannes während des Einsatzes, allerdings durch das nicht anweisungskonforme Werfen von Trümmern aus dem brennenden Haus. Das Gericht verneinte hier die Haftung des Brandstifters, weil der Kausalzusammenhang durch das grob fahrlässige Verhalten der Einreißmannschaft unterbrochen worden sei); RGZ 164, 125 (Verletzung des Busfahrers beim Versuch, einen Fahrgast aus dem aufgrund Vergaserbrandes verunglückten Bus zu retten).

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keine Nachteile bringen dürfe.194 Nur eine grob fahrlässig gesetzte Zwischenursache sei hierzu ausnahmsweise geeignet.195 Bei der Betrachtung des (Eigen-) Verschuldens des Nothelfers aufgrund Selbstgefährdung sei zudem zu berücksichtigen, dass keine kühle Überlegung erwartet werden könne, sondern die zu raschem Entschluss drängende Aufregung beachtet werden muss.196 Dabei betont das Reichsgericht die Gefährlichkeit der Notlage („herbeigeführte Gefahren“) und spricht sich dafür aus, dass ein etwaiges Selbstverschulden des Helfers wegen der besonderen Umstände der Hilfeleistung und deren sittlichen Werts allenfalls untergeordnete Bedeutung erlangt. Der Bundesgerichtshof hat die Argumentation des Reichsgerichts zu den Rettungsfällen aufgegriffen und ausgedehnt.197 In einem den Rettungsfällen strukturell vergleichbaren (Verfolger-)Fall198 kam der Schwiegersohn seinem Schwiegervater „zu Hilfe“, indem er den Verursacher eines Unfalls mit dem Schwiegervater verfolgte und dabei selbst einen Unfall erlitt. Der Bundesgerichtshof stellte unter Bejahung des Verursachungszusammenhangs zwischen Unfallflucht und Zweitunfall verallgemeinernd fest:199 „Wenn die durch das Unrecht des Täters geschaffene Lage allgemein geeignet ist, Dritte zu einem solchen Verhalten zu veranlassen, so bleibt der adäquate Zusammenhang bestehen. Das gilt unter dieser Voraussetzung selbst dann, wenn der Dritte fahrlässig gehandelt hat. Der wiederkehrende Hinweis, dass der Retter aus einer Gefahr für Leib und Leben mit seinem Eingreifen einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht nachkomme, ist nicht dahin zu verstehen, dass sich die Haftung des Schuldigen auf solche Fälle beschränke. Er verdeutlicht vielmehr, dass in derartigen Gefahrenlagen das Eingreifen opferbereiter Dritter nahezu zwangsläufig herausgefordert wird, so dass hierbei erlittene Verletzungen unzweifelhaft adäquate Folgen der unerlaubten Handlung sind. Daraus folgt für weniger bedrohliche Situationen lediglich, dass es bei ihnen von den Umständen abhängt, ob die vom Schädiger herbeigeführte Lage als generell geeignet anzusehen ist, Hilfeleistungen Dritter überhaupt und gegebenenfalls in der vorliegenden Form auszulösen.“200 194

RGZ 50, 129; zuletzt RGZ 164, 125. RG Gruchot 70 (1929) S. 551 Nr. 43 (anweisungswidriges Werfen von Trümmern aus einem brennenden Haus). 196 RG JW 07, 673 Nr. 8. 197 Vgl. Nökel, S. 95 ff. 198 Als Verfolgerfälle werden die Fälle kategorisiert, in denen der Ersthandelnde durch sein Verhalten die Verfolgung durch einen Zweithandelnden provoziert, in deren Folge sich der Zweithandelnde verletzt (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 48 ff.; Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 79). Sie haben dieselbe Struktur wie die Rettungsfälle (mittelbare Schädigung: Erstursache – Willensentschluss – Zweitursache – Verletzung) und sind deshalb grundsätzlich nach denselben Kriterien zu lösen. 199 BGH NJW 1964, 1363; der Argumentation unmittelbar folgend OLG Stuttgart NJW 1965, 112 (Verletzung des Retters bei Herausziehen der Insassen aus einem brennenden PKW). 200 BGH a. a. O., 1364. 195

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Damit hat der Bundesgerichtshof den Grundstein für die sog. „Herausforderungsformel“201 gelegt, mit der die Rechtsprechung seither sowohl in Rettungsfällen als auch in strukturell gleichgelagerten Fällen die Haftung des Ersthandelnden trotz Dazwischentretens eines selbständigen und eigenverantwortlichen Zweithandelnden für Schädigungen bejaht, die erst durch den Zweithandelnden unmittelbar verursacht wurden oder bei diesem eingetreten sind.202 Nach ständiger Rechtsprechung sind seither drei Kriterien maßgeblich für die Zurechenbarkeit von Erstverhalten und Verletzung eines durch das Erstverhalten zu seinem selbstschädigenden Handeln veranlassten Zweithandelnden. Zunächst ist zu fragen, ob sich der Zweithandelnde zu der letztlich schadensstiftenden Handlung aufgrund des Verhaltens des Ersthandelnden herausgefordert fühlen durfte. Das sei nicht der Fall, wenn „das Verhalten des die erste Ursache Setzenden lediglich den äußeren Anlass und nur die Gelegenheit für den Verletzten darstellt, sich zusätzlich einem unfallfremden Risiko auszusetzen“.203 Den Maßstab dafür, wann die Zweithandlung durch das Verhalten des Ersthandelnden veranlasst ist, sich der Zweithandelnde also herausgefordert fühlen durfte, setzt der Bundesgerichtshof entgegen des Begriffs „Herausfordern“ gering an. Es genügt, wenn der Willensentschluss des Zweithandelnden auf einer „mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation“204 beruht und nicht eine ungewöhnliche Reaktion auf die Erstursache darstellt.205 Auch eine (Dienst-)Pflicht zum Handeln steht dem Herausforderungscharakter der Erstursache nicht entgegen.206 Der Entschluss des (Zweit-)Handelnden sowie die Art und Weise seines veranlassten Handelns müssen bei wertender Betrachtung (Mittel-Zweck-Relation) sodann vernünftig sein, d.h. in Ansehung der konkreten Umstände als verhältnismäßig erscheinen.207 Die infolge der Zweithandlung eingetretene Verletzung muss sich letztlich als Folge der gesteigerten Gefahrenlage darstellen, der der Ersthandelnde den Zweit201

Zum Begriff der Herausforderungsformel Zimmermann, JZ 1980, 10 ff. Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 155 ff. (Rettungsfälle): Erleidet der Retter einen Schaden, so fällt dieser grds. in den Verantwortungsbereich des Schädigers; der Retter kann Ersatz seines Schadens verlangen (BGHZ 101, 215, 219; BGH NJW 1996, 2646, 2647; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365; OLG Stuttgart NJW 1965, 112; LG Nürnberg-Fürth NJW 1999, 3721 f.; Rn. 164 ff. (Verfolgungsfälle): Der flüchtende Schädiger haftet grundsätzlich für einen Schaden, den ein Verfolgender bei der Verfolgung erleidet (BGH NJW 1964, 1363, 1364; VersR 1967, 580 f.; 1971, 964 ff.; BGHZ 63, 189, 192). 203 BGHZ 57, 25, 28, 30; 63, 189, 192; 132, 164; BGH NJW 1964, 1363; NJW 1976, 568; NJW 1996, 1533; NJW 2002, 2232. 204 BGH NJW 2002, 2232, 2233; NJW 1996, 1533. 205 BGH NJW 1971, 1980; NJW 1995, 126, 127; NJW 2001, 512, 513. 206 BGH NJW 1996, 2646, 2647 (Verletzung eines Feuerwehrmanns); NJW 1996, 1533 (Verfolgung durch einen Polizeibeamten). 207 BGH NJW 1996, 1533, 1534. 202

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handelnden durch die Herausforderung des Zweithandelns ausgesetzt hat. Während der Ersthandelnde für die Folgen des gesteigerten Risikos einzustehen hat, muss der Zweithandelnde sonstige, unter das allgemeine Lebensrisiko fallende Verletzungen selbst tragen.208 In den Rettungsfällen bejaht die Rechtsprechung das Vorliegen dieser Herausforderungskriterien in den meisten Fällen. Bei einer Notlage mit Gefahren für Leib oder Leben sei stets ein ausreichender Anlass für den Retter zum Tätigwerden gegeben. Wie sich schon in der Reichsgerichtsrechtsprechung abgezeichnet hat und vom BGH in der oben erwähnten Entscheidung festgestellt wurde, müsse sich bei Vorliegen einer Notlage der Retter geradezu „zwangsläufig herausgefordert“ fühlen. Das einschränkende Kriterium der Vernünftigkeit des Entschlusses und der konkreten Hilfeleistung wird in Anbetracht des besonderen Werts der bedrohten Rechtsgüter eines Hilfsbedürftigen in den Rettungsfällen besonders weit ausgelegt. Unvernünftig ist die Hilfeleistung nur noch, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen der vom Helfer auf sich genommenen Gefahr und dem mit der Hilfeleistung angestrebten Erfolg besteht.209 Das Eingehen eines hohen Risikos für den Dritten stehe gerade bei akuter Lebensgefahr einer Zurechnung ebenso wenig entgegen wie das hohe Risiko, dass der Rettungsversuch misslingt.210 Verwehrt wird dem Retter die Erstattung seiner infolge der Hilfeleistung entstandenen Schäden deshalb letztlich nur in Einzelfällen, wenn es sich dabei nicht um die Folgen eines durch die Rettungstätigkeit gesteigerten Risikos gehandelt hat, sondern um Schäden, die „zufällig während des Eingreifens eintreten und ebenso gut außerhalb dieses Vorgangs hätten eintreten können“.211 2. Standpunkte der Lehre a) Ablehnende Standpunkte Vereinzelt wird die Bejahung von Schadensersatzansprüchen des Retters gegen den Verursacher der Notlage aus unerlaubter Handlung insgesamt abgelehnt.212 208

BGH NJW 1971, 1982 f.; NJW 1993, 2234; NJW 1996, 1533. BGHZ 101, 215, 221. 210 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365, 1366 (Tötung des Retters bei dem Versuch, einen betrunkenen Fahrzeugführer vor einem herannahenden Zug aus seinem liegengebliebenen Auto zu ziehen); OLG Karlsruhe r+s 1990, 235 (Verletzung des Retters bei riskantem Versuch, den Hilfsbedürftigen von einem Waggon trotz Starkstroms durch die Oberleitung zu retten). 211 BGH NJW 1993, 2234, 2235 (Umknicken eines Feuerwehrmannes beim Einrollen der Schläuche nach dem Einsatz); OLG Köln NJW-RR 1990, 669 (Achillessehnenabriss beim Überqueren der Straße, um einen Notruf abzusetzen); OLG Frankfurt VersR 1971, 786 (Diebstahl der Armbanduhr eines nothelfenden Arztes aus der Jacke, die er während der Hilfeleistung auf die Leitplanke gehängt hatte). 212 Rother, Haftungsbeschränkung, S. 102 ff.; Schwarz, JZ 1966, 162 ff. 209

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Die hierbei angeführte Kritik lässt sich im Wesentlichen auf drei Gesichtspunkte zurückführen. Zunächst wird die Eigenverantwortung des Retters für sein Verhalten in den Vordergrund gestellt. Der Retter habe nur die Möglichkeit, zwischen persönlicher Schadensfreiheit und schadensträchtiger Hilfeleistung zu wählen. Er könne nur an sich selbst denken und dann konsequent jede Gefahr meiden oder er könne an die gefährdeten Menschen oder Güter denken, dann werde er die Rettung versuchen.213 Wenn sich ein unbeteiligter Dritter gewollt in die durch die zuerst gesetzte Bedingung geschaffene Gefahr hineinbegibt, sei dies ein eigenständiger und eigenverantwortlicher neuer Eingriff (des Hilfeleistenden). Es fehle beim Verursacher ein für die Haftung aus unerlaubter Handlung erforderlicher Eingriff in eine fremde Rechtssphäre.214 Der eigentliche Grund für die Bejahung von Haftungsansprüchen liege vielmehr in der Billigung des sittlichen Verhaltens des Hilfeleistenden. Der Fremdnutzen der altruistischen Hilfeleistung sei nicht im Rahmen der deliktischen Haftung, sondern nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu erfassen.215 Letztlich führe die Gewährung von Haftungsansprüchen durch die Rechtsprechung zu einer nicht mehr zumutbaren, ausufernden Haftung des Notlagenverursachers. Die Entscheidung, sich für andere einzusetzen, verdiene zwar vom sittlichen Standpunkt den Vorzug, doch sei es nicht selbstverständlich, dass der Schädiger die Vergrößerung des Schadens, die dadurch entstehen könnte, zu tragen habe. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass ethisches Handeln auch in seinen Konsequenzen zu Lasten des Handelnden gehen müsse, weil es sonst kein wirklich selbstloses Handeln mehr sei.216 Die der Rechtsprechung zu Hilfeleistungsfällen eigentlich zugrunde liegenden Billigkeitserwägungen führten bei Anwendung der dogmatisch zur Verfügung stehenden Haftungsschranken (Adäquanz, Schutzzweckgedanke) zwangsläufig zur einer (vorschnellen) Haftungsbegründung, die sich anschließend nicht mehr sinnvoll begrenzen lasse. Der Schädiger müsse also Risiken tragen, auf deren Steuerung er mit Eingreifen des Dritten (Helfers) keinen Einfluss mehr habe. Es fehle die Berechenbarkeit, die eine Zurechnung des Erfolgs zur deliktischen Verantwortung rechtfertige.217

213

Rother, Haftungsbeschränkung, S. 102 ff. Schwarz, JZ 1966, 162, 166 f. 215 Schwarz, a. a. O.; Rother, Haftungsbeschränkung, S. 105. 216 Rother, Haftungsbeschränkung, S. 102 ff. mit Hinweis darauf, dass sämtliche Fälle altruistischer Selbstgefährdung bis dato zugunsten des selbstlos Handelnden entschieden wurden, und zwar meist gegen solvente Schädiger (Unternehmen), denen die Haftung eher zuzumuten gewesen sei. 217 Schwarz, JZ 1966, 162 ff. 214

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

375

b) Überwiegende Zustimmung – Begründungsansätze Die von der Rechtsprechung mit der Herausforderungsformel erzielten Ergebnisse werden im Schrifttum jedenfalls in den Rettungsfällen ganz überwiegend akzeptiert.218 aa) Zustimmung zur Herausforderungsrechtsprechung Ein Teil des Schrifttums folgt der Herausforderungsrechtsprechung uneingeschränkt mit dem Argument, dass sich bei den von der Rechtsprechung entwickelten Herausforderungskriterien bei richtiger Anwendung weitgehend sachgerechte Ergebnisse erzielen ließen. Insbesondere sei durch das einschränkende Kriterium der Vernünftigkeit und das Erfordernis, dass sich eine besondere Gefahr der Hilfeleistung realisiert haben müsse, ein ausreichender Abwägungsspielraum geschaffen.219 bb) Verletzung einer eigenständigen Gefahrvermeidungspflicht Ein anderer Teil der Literatur hält die von der Rechtsprechung aufgestellten Zurechnungskriterien für nicht ausreichend präzise und zu weitmaschig, als dass durch ihre Anwendung hinreichend befriedigende Begründungen für die Haftung eines Notlagenverursachers zu erzielen seien. Insbesondere komme es darauf an, Grund und Grenzen des haftungsbegründenden Pflichtenverstoßes genauer zu bestimmen.220 Gestützt werden müsse die Haftungsverantwortung des Verursachers einer Notlage in konsequenter Anwendung des dogmatischen Ansatzes der Kombinationstheorie bei mittelbaren Schädigungen auf eine eigenständige (Verkehrs-) Pflichtverletzung gegenüber dem Hilfeleistenden.221 Nach diesem von Nökel222 218 Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 155 ff.; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 53 ff.; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rn. 138; Erman-Kuckuk, Vor §§ 249–253 Rn. 62 f.; Larenz, SR I, § 27 III 5 (S. 452 ff.); Zimmermann, JZ 1980, 10 ff.; Nökel, S. 101 mit weiteren Nennungen bzgl. der anfänglich unreflektierten Akzeptanz der Rechtsprechung in der Literatur (Fn. 2). Kontroverser diskutiert werden hingegen wegen der teilweise nicht nachvollziehbaren Unterschiede in den Ergebnissen der Entscheidungen die Verfolgerfälle und sonstige Fälle, auf die die Herausforderungsformel angewendet wird (Grünstreifenfälle, Auffahrunfallproblematik etc.), vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 164 ff. m.w. N. 219 Medicus, JuS 2005, 289 ff.; Larenz, SR I, § 27 III 6, S. 456 f.; Palandt-Heinrichs, Vorb. v. § 249 Rn. 77 f.; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rn. 138; Fuchs, S. 71. 220 Vgl. Zimmermann, JZ 1980, 10, 12 ff.; Martens, NJW 1972, 740, 742; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 49. 221 Nökel, S. 100 ff.; Zimmermann, JZ 1980, 10 ff.; v. Caemmerer, DAR 1970, 283 ff.; MüKo-Oetker, § 249 Rn. 155; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 53. 222 Nökel, Die Rechtsstellung des Nothelfers – Anglo-amerikanisches im Vergleich zum deutschen Recht, Diss. Freiburg, 1968.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

in Anlehnung an das anglo-amerikanische Recht herausgearbeiteten Ansatz ist maßgeblich für die Gewährung eines Ersatzanspruchs des Retters, dass den Verursacher der Notlage gegenüber dem verletzten Retter eine selbständige Verantwortung trifft, wenn er schuldhaft eine Gefahrenlage schafft, durch die die Rettungstat veranlasst wurde. Es handele sich um eine besondere Ausprägung der allgemeinen Verkehrspflicht, nämlich die Pflicht, keine sozialinadäquaten Gefahrenlagen im gesellschaftlichen Zusammenleben herbeizuführen.223 Die eigentliche Schwierigkeit liege darin, festzustellen, wann die Gefahrenlage (Notlage) rechtswidrig herbeigeführt wurde.224 Dies sei jedenfalls dann leicht zu bejahen, wenn die Gefahrenlage durch ein an sich rechtswidriges (Vor-)Verhalten geschaffen wird, etwa bei Verstößen gegen Verbotsnormen, die auch den Schutz Dritter (wie des Retters) beabsichtigen, oder bei an sich nicht verbotenen Verhaltensweisen, die aber der Gefährdungshaftung unterfallen.225 Ein von der Rechtsordnung an sich nicht verbotenes (Vor-)Verhalten könne aber auch dann rechtswidrig sein, wenn die so geschaffene Gefahrenlage unmittelbar zu einer vermeidbaren Verletzung der geschützten Rechtsgüter eines Dritten zu führen droht. Es gelte dann der allgemeine Grundsatz, dass das eigentlich missbilligte Verhalten darin besteht, einen anderen ohne Notwendigkeit mit einer Gefahrensituation zu konfrontieren, die ihn zu einer riskanten Hilfeleistung veranlasst.226 Diese Voraussetzungen könnten auch bei an sich erlaubtem und besonders auch bei einem solchen Verhalten gegeben sein, das nur den Handelnden selbst in Gefahr gebracht hat.227 Ob auch in diesen Fällen die Schaffung der Gefahr sozial inadäquat war, sei durch eine „soziale Bewertung des Handelns“ zu bestimmen.228 Dabei fällt auf, dass sich auch die Vertreter dieses Ansatzes bei der rechtlichen Würdigung, ob auch bei einem rechtmäßigen Vorverhalten ein Verstoß des Notlagenverursachers gegen den allgemeinen Gefahrvermeidungsgrundsatz vorliege, deutlich an den Wertungen orientieren, die auch die Rechtsprechung im Rahmen der Herausforderungskriterien anstellt. Zur Bejahung einer Gefahrvermeidungspflicht wird etwa darauf verwiesen, dass das eigentlich missbilligte Verhalten darin bestehe, einen anderen ohne Notwendigkeit mit einer Gefahrensituation zu konfrontieren, die ihn zu einer riskanten Hilfeleistung veranlasst229 (Herausforderungsaspekt). 223 Nökel, S. 103 ff., 110; ebenso v. Caemmerer, DAR 1970, 283 ff.; Zimmermann, JZ 1980, 10 ff., 16; Lange/Schiemann, S. 132; MüKo-Oetker, § 249 Rn. 155; StaudingerSchiemann, § 249 Rn. 53. 224 Nökel, S. 104. 225 Nökel, S. 106; ähnlich Zimmermann, JZ 1980, 10, 13. 226 Nökel, S. 104 f.; Zimmermann, JZ 1980, 10, 13 f.; Lange/Schiemann, § 3 X 2 a. 227 Nökel, S. 107 f. mit dem Beispiel des Großstädters, der trotz Warnungen vor einem Wetterumschlag völlig unzulänglich ausgerüstet und unerfahren eine schwierige Bergtour unternimmt und dann prompt in Bergnot gerät. Er handele gegenüber den aufsteigenden Bergführern rechtswidrig und schuldhaft. Zustimmend Zimmermann, JZ 1980, 10, 14. 228 Nökel, S. 108.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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Auch seien die „sittlichen Momente“230 bzw. „von der Rechtsordnung auch an anderer Stelle privilegierte, sozialethisch wünschenswerte menschliche Regungen zu berücksichtigen“ (Vernünftigkeit).231 Vom Schutzbereich der Gefahrvermeidungspflicht seien letztlich nur infolge der Rettungstätigkeit gesteigerte Risiken erfasst, nicht aber das allgemeine Lebensrisiko.232 Im Ergebnis läuft die Wertung, ob die sich in der Notlage verkörpernde Gefahrenlage sozial inadäquat herbeigeführt worden ist und der Notlagenverursacher in Hinsicht auf die Schäden des Retters gegen eine Verhaltenspflicht verstoßen hat, auf zumindest ähnliche Ergebnisse hinaus wie sie auch die Rechtsprechung in Anwendung der Herausforderungskriterien erzielt. Der wesentliche Unterschied besteht dann „lediglich“ in einer unterschiedlichen dogmatischen Verankerung.233 Die Haftung des Verursachers einer Notlage auch in den Fällen, in denen die Notlage nicht durch ein rechtswidriges, sondern an sich rechtmäßiges Vorverhalten herbeigeführt wurde (Selbstgefährdung des Hilfsbedürftigen), ist vereinzelt kritisiert worden.234 Diese Fälle seien grundsätzlich anders zu beurteilen, da die Rechtsordnung eine Selbstgefährdung im Allgemeinen nicht verbiete. Es sei deshalb bedenklich, indirekt durch eine allgemeine Verkehrspflicht ein solches Verbot einzuführen. Ein möglicherweise geringfügiges „Verschulden gegen sich selbst“ sollte nicht zu einem rechtswidrigen Verhalten gegenüber dem Helfer stilisiert werden mit der Konsequenz, dass der Helfer von dem Geschädigten nach deliktsrechtlichen Grundsätzen vollen Schadensersatz verlangen könne.235 Diese Kritik greift also das Argument der die Haftung insgesamt anzweifelnden Stimmen auf, es stehe eine nicht mehr zumutbare Haftungserweiterung im Raume, 229

Nökel, S. 107. Nökel, S. 108 f. 231 Zimmermann, JZ 1980, 10, 13; Lange/Schiemann, § 3 X 2 a: Die Haftung entfällt, wenn eine Gefahrenlage im obigen Sinne nicht vorhanden und das Eingreifen demzufolge unvernünftig war. Vgl. ebenfalls Lüer, S. 145: Den Ausschlag zugunsten des Verletzten können vielmehr öffentliche Interessen geben. 232 Lange/Schiemann, § 3 X 2 a dd; Zimmermann, JZ 1980, 10, 14 mit dem Hinweis, dass es sich bei dieser vielfach „nicht unzweifelhaften“ Abgrenzung um einen der heikelsten Punkte handele. 233 Das zeigt sich schon in der Kombination beider Ansätze [vgl. unten cc)] und wird durch die Aussage deutlich: Erleidet der Retter einen Schaden, so fällt dieser grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Schädigers; der Retter kann Ersatz seines Schadens verlangen (MüKo-Oetker, § 249 Rn. 155). 234 Stoll, S. 411 ff. 235 Stoll, S. 411, 422 f.; ähnlich v. Hippel, S. 171, 175. Zu den Verfolgerfällen wird teilweise vertreten, der Verfolgte habe grundsätzlich keine Pflicht, sich etwa den Polizeibehörden zu stellen. Eine solche Pflicht werde aber durch eine Verhaltenspflicht nachträglich konstituiert (vgl. Esser/Schmidt, SR I/2, § 33 II 2 a). Dies laufe darauf hinaus, „Pflichten eines ordentlichen Flüchtlings“ zu begründen (vgl. Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 49). 230

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

welches umso schwerer wiegt, wenn keine unmittelbar rechtswidrige Vortat, sondern zunächst eine Unvorsichtigkeit in eigenen Angelegenheiten vorliegt. cc) Kombination der Begründungsansätze – Anpassung der Rechtsprechung? Teilweise werden die vom Bundesgerichtshof entwickelten Herausforderungskriterien und der Begründungsansatz einer eigenständigen Gefahrvermeidungspflicht in der Literatur heute miteinander kombiniert.236 Das verwundert nicht angesichts der Tatsache, dass die Herausforderungskriterien der Rechtsprechung und die Feststellung einer Gefahrvermeidungspflicht dasselbe Ziel, die Begründung der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung, verfolgen, die anzustellenden Wertungen in dieselbe Richtung laufen und sich deshalb ohne weiteres unter dem Gesichtspunkt der Schutzzweckbetrachtung vereinen lassen [s. o. C. II. 3. d)]. Umgekehrt scheint auch der dogmatische Begründungsansatz einer eigenständigen Gefahrvermeidungspflicht in der neueren Rechtsprechung zunehmend rezipiert zu werden, ohne dass sich das Konzept einer eigenständigen Verhaltenspflichtverletzung des Notlagenverursachers (bisher) in aller Konsequenz durchgesetzt hat. Die Gerichte betonen zunehmend stärker, dass vor allem die Schaffung einer Gefahr durch den Ersthandelnden maßgebliches Kriterium für die Haftung gegenüber dem verletzten Zweithandelnden sei. Im sog. Nierenspenden-Fall237 hatte eine Mutter ihrem Sohn, dem „unter Außerachtlassung der ärztlichen Sorgfalt“ zuvor die einzige Niere entfernt worden war, eine Niere gespendet. Der Bundesgerichtshof sprach der Mutter einen eigenen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gegen den den Sohn behandelnden Arzt mit Hinweis auf den zuvor geschaffenen Gefahrenzustand und das Bestehen einer Verhaltenspflicht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Literatur zu: „[Erst] wenn der Schädiger verantwortlich einen Gefahrenzustand geschaffen hat, der von einem solchen Gewicht und von einem solchen Aufforderungscharakter an den Retter und Nothelfer ist, dass das von diesem auf sich genommene Risiko ebenso wie die für den zu Rettenden gesetzte Gefahr bei einer wertenden Betrachtung dem Schädiger zuzuordnen ist, [. . .], muss er für die Selbstschädigung des Retters einstehen. . . . Ohne solche, die Haftung begrenzenden Kriterien [Vernünftigkeitsprüfung], [. . .] läge die Haftung desjenigen, der einem anderen Schaden zugefügt hat, für dadurch ausgelöstes Eingreifen Dritter nicht mehr im Schutzbereich der Verhaltenspflicht, keine herausfordernden Rettungs- oder Nothilfesituationen herbeizuführen.“238

236 237 238

Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 155 ff.; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 53 ff. BGH NJW 1987, 2925 ff. BGH NJW 1987, 2925, 2926.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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In einem weiteren Fall, in dem sich ein Feuerwehrmann während eines Einsatzes eine Verletzung zuzog, führte der Bundesgerichtshof aus, es komme für die haftungsrechtliche Zurechnung darauf an, ob sich in dem Unfall eine gesteigerte Gefahrenlage ausgewirkt hat, für die der Beklagte verantwortlich ist: Nicht der Zusammenhang mit dem Rettungseinsatz, sondern die Aktualisierung des von dem Brandstifter herausgeforderten erhöhten Verletzungsrisikos rechtfertigt die Übernahme der Schadenslast durch diesen.239 In dieselbe Richtung geht die Begründung des Bundesgerichtshof in einem neueren Verfolgerfall, in dem ein Polizist dem Fliehenden aus einem Fenster hinterher sprang und sich dabei verletzte. Im Rahmen der Prüfung der „subjektiven Zurechnung“ sieht das Gericht die „Pflichtwidrigkeit“ des Fliehenden in der Herausforderung der Selbstgefährdung des Verfolgers. Der Fliehende habe eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr für den Verfolger geschaffen, obwohl er mit der Verfolgung hat rechnen müssen.240 In einem bisher vereinzelt gebliebenen Fall aus dem Jahr 1996 hat der Bundesgerichtshof sogar explizit auf den Verstoß gegen eine Verkehrspflicht abgestellt.241 Der Vermieter einer für Schweißarbeiten ungeeigneten Werkshalle sei mitverantwortlich für Schäden der Feuerwehrleute, die einen infolge Schweißarbeiten ausgebrochenen Brand bekämpfen. Zurechnungsprobleme, wie sie sich in Fällen der Herausforderung zu einem selbstschädigenden Verhalten des Verletzten ergeben, stellten sich nicht, da der Schaden durch eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Vermieters herbeigeführt worden sei.242 Weitgehend hält die Rechtsprechung jedoch auch in ihren neueren Entscheidungen an den klassischen Herausforderungskriterien fest. Insbesondere die Rechtsprechung der Instanzgerichte zeigt, wie sehr die Herausforderungsformel die Rechtsprechung noch immer prägt.243 II. Österreich 1. Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Auch die österreichische Rechtsprechung gewährt dem verletzten Helfer Schadensersatzansprüche gegen den Verursacher der Notlage aus unerlaubter Hand239

BGH NJW 1993, 2234, 2235. BGH NJW 1996, 1533, 1534. 241 BGH NJW 1996, 2646. 242 BGH NJW 1996, 2646, 2647. Kritisch Gehrlein, VersR 1998, 1334: Zwanglos hätte auch in dem Werkstattfall die Haftung aus einer Herausforderung hergeleitet werden können. 243 OLG Köln NJW-RR 1990, 669; OLG Karlsruhe r+s 1990, 235; OLG Karlsruhe VersR 1991, 353; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365; LG Nürnberg-Fürth NJW 1999, 3721. Vgl. ebenfalls Fötschl, S. 348 f. 240

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

lung. Wie auch das Reichsgericht und anfänglich der Bundesgerichtshof stand in den frühen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zunächst die Frage der Adäquanz im Mittelpunkt der Entscheidungen, bevor der Oberste Gerichtshof dann – im Einklang mit der in Österreich herrschenden Lehre vom Handlungsunrecht – die Haftung maßgeblich mit der Verletzung einer Verhaltenspflicht begründete. Eine neuere Entscheidung zeigt, dass der Oberste Gerichtshof sich argumentativ nun zusätzlich an die Herausforderungsformel des Bundesgerichtshofs anzulehnen scheint.244 Den Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Rettungsfällen bildet ein Fall, in dem eine Großmutter ihr auf die Straße gelaufenes Enkelkind vor einem zu schnell fahrenden PKW zu retten versucht hatte und dabei selbst angefahren worden war. Die Fahrerin des Wagens hatte eingewendet, nicht sie, sondern die Geschädigte selbst habe die Verletzung verursacht.245 Dem trat der Oberste Gerichtshof entgegen und bejahte den (adäquaten) Kausalzusammenhang zwischen Gefährdung des Kindes und der Verletzung der Großmutter mit dem Argument, die Fahrzeugführerin habe mit dem Rettungsversuch der Großmutter rechnen müssen.246 In einer weiteren Entscheidung hatte sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage auseinander zu setzen, ob der Brandstifter deliktisch verantwortlich auch für Verletzungen der den Brand bekämpfenden Feuerwehrleute war.247 Wiederum bejahte das Gericht den adäquaten Kausalzusammenhang. Es sei eine immer wieder vorkommende Folge von Bränden, dass mit dem Löschen eines Brandes beschäftigte Feuerwehrleute Verletzungen erleiden, weshalb mit solchen Folgen auch in abstracto gerechnet werden müsse und sie daher adäquate Folgen der Verursachung des Brandes darstellten. Darüber hinaus prüften die Richter nun aber auch, ob zwischen der Brandstiftung und der Verletzung der Feuerwehrleute ein Rechtswidrigkeitszusammenhang bestand. Der Ersatz mittelbarer Schäden könne nur nach ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes, d.h. einer Schutznorm verlangt werden. Schäden, die von einer solchen Schutznorm bzw. vom Schutzzweck der verletzten Norm nicht erfasst werden, müssten als mittelbare Schäden eingestuft werden, die in der Regel nicht zu ersetzen sind.248 Eine Schutznorm mit dem Zweck, auch die Feuerwehrleute vor Schäden zu schützen, erblickte das Gericht schließlich in der strafrechtlichen Vorschrift zur Brandstiftung (§ 459 244

Vgl. auch Fötschl, S. 323 f. OGH ZVR 1968/87, 193 ff. 246 OGH ZVR 1968/87, 194. 247 OGH JBl. 1979/597 ff. 248 Die Terminologie „mittelbarer Schaden“ kennzeichnet nach diesem Verständnis nicht die Struktur der Verursachung einer Verletzung und der Schadensherbeiführung, sondern bezeichnet als solche Schäden, die nicht mehr vom Rechtswidrigkeitszusammenhang erfasst und deshalb nicht erstattungsfähig sind, vgl. Rummel-Reischauer, § 1295 Rz. 9. 245

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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StGB). Sie solle verhindern, dass durch fahrlässige Brandstiftung die dort genannten Rechtsgüter und damit auch die Gesundheit der den Brand bekämpfenden Feuerwehrleute beeinträchtigt werden. Die Richter betonten, dass die Feuerwehrleute zur Bekämpfung eines Brandes gerade verpflichtet seien, sich eine andere Beurteilung allenfalls dann ergeben könne, wenn sich jemand ohne Notwendigkeit und freiwillig in den durch die Brandstiftung bereits geschaffenen Gefahrenbereich begibt.249 Den durch die vorgenannte Entscheidung erweckten Eindruck, es komme darauf an, dass eine gesetzliche Schutznorm den Schutz des mittelbar geschädigten Retters bezwecke, revidierte der Oberste Gerichtshof in der Folgezeit. In einem Verfolgungsfall250 war der Lenker des betroffenen PKW trotz polizeilicher Aufforderung zum Anhalten weitergefahren und hatte so die Verfolgung durch die Polizei provoziert, in deren Folge die Polizeibeamten einen Unfall erlitten. Der Oberste Gerichtshof ließ auch hier den Verfolgten für die Schäden an dem PKW der Polizei haften. Der Verfolgte habe auch in Hinsicht auf die durch die Verfolgung eingetretenen Schäden rechtswidrig und schuldhaft gehandelt, zumal er gegen die Vorschrift des § 97 Abs. 5 StVO verstoßen habe, die ihn verpflichtet, der Aufforderung der Sicherheitsbeamten zum Anhalten Folge zu leisten. Sodann konzedierte der Oberste Gerichtshof gegenüber dem vorstehend geschilderten Urteil jedoch, dass „der Schutzzweck der Vorschrift des § 97 Abs. 5 StVO nicht unmittelbar darin liegt, eine Beschädigung des verfolgenden Fahrzeugs zu vermeiden.“251 Es sei jedoch ausreichend, dass der Verfolgte gegen eine allgemeine Gefahrvermeidungspflicht verstoßen hat: „Der Erstbeklagte schuf [aber] durch seine von der Rechtsordnung verpönte Flucht eine eminente Gefahrenlage – unter anderem für seine Verfolger – und war daher schon nach dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden, verpflichtet, ein Verhalten zu setzen, durch das diese Gefahrenlage wieder beseitigt werde. Dieses konnte nur in der alsbaldigen Aufgabe des Fluchtversuchs bestehen, dazu war der Erstbeklagte jederzeit in der Lage.“252

Noch deutlicher wurde der Oberste Gerichtshof in einem Bergrettungsfall.253 Ein Bergführer war einem in einer Wand verunglückten Kletterer zu Hilfe geeilt und hatte sich bei der Bergungsaktion selbst verletzt. Der Bergführer nahm den Kletterer auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch mit der Begründung, der Kletterer habe den Bergrettungseinsatz dadurch verschuldet, dass er eine sein 249

OGH JBl. 1979/597, 598. OGH JBl. 1987/785 ff. 251 OGH JBl. 1987/785, 786. 252 OGH JBl. 1987/785, 786. 253 Entscheidung vom 30.07.1985, OGH 7Ob602/85 (Online Datenbank des Bundeskanzleramts RIS – Rechtsinformationssystem). 250

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

Können übersteigende Tour unternommen habe und schlecht ausgerüstet gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof stellte zur Frage der Rechtswidrigkeit der Schadensverursachung zunächst ausdrücklich klar, dass die Verletzung eines Schutzgesetzes für die Haftung nicht erforderlich sei. Sodann führten die Richter aus, die mittelbar verursachte Rechtsgutsbeeinträchtigung entfalte zwar eine gewisse Indizwirkung für die Rechtswidrigkeit der schadensursächlichen Handlung. Das in Rede stehende Verhalten sei aber nur dann tatsächlich rechtswidrig, wenn es gegen eine Verhaltenspflicht verstoßen habe. Dies sei durch eine umfassende Interessenabwägung zu ermitteln: „Die Persönlichkeitsrechte genießen zwar grundsätzlich Schutz gegen Eingriffe Dritter. Es ist aber nicht jedes Verhalten rechtswidrig, das diese Rechte gefährdet. Es bedarf vielmehr einer Wertung, bei welcher dem Interesse am gefährdeten Gut stets auch die Interessen des Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müssen: Eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte würde zu einer unerträglichen Einschränkung anderer und der Interessen der Allgemeinheit führen.“254

Die Haftung des Kletterers verneinten die Richter. Sein Verhalten könne schon deshalb nicht als rechtswidrig gegenüber dem Bergführer angesehen werden, weil es jedermann frei stehe, eine Bergfahrt zu unternehmen. Selbst wenn er hierbei gewisse Vorsichtsmaßnahmen außer Acht lasse, handele er nur gegen seine eigenen Interessen, die durch diese Handlungsweise gefährdet werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Retters sei im vorliegenden Fall so gering gewesen, dass sie bei einer notwendigen Interessenabwägung zugunsten des Interesses des Kletterers an seiner Bewegungsfreiheit zurücktreten müsse. Auch könne dem Kletterer allenfalls eine geringe Leichtfertigkeit bei der Verursachung der Notlage vorgeworfen werden, die ein anderes Abwägungsergebnis nicht rechtfertige.255 Auch in einer jüngeren Entscheidung zu einem Rettungsfall256 nahm der Oberste Gerichtshof erneut zur Haftung für ein mittelbar schadensursächliches Verhalten Stellung. Ein abschüssig geparktes Fahrzeug war ins Rollen geraten. Bei dem Versuch, es zum Stehen zu bringen, wurde der Fuß des Helfers von dem Fahrzeug überrollt. Bejaht hat der Oberste Gerichtshof einen Verstoß des Fahrzeugführers gegen § 23 Abs. 5 StVO (Pflicht, ein Fahrzeug so zu sichern, dass es nicht abrollen kann) und diese Vorschrift als Schutznorm angesehen, die dazu bestimmt sei, zufälligen Beschädigungen durch ein abrollendes Fahrzeug vorzubeugen. Bei Verstößen gegen ein Schutzgesetz sei Haftungsvoraussetzung, dass ein Schaden eintritt, den die übertretene Norm nach ihrem Schutzzweck gerade

254

OGH 7Ob602/85, S. 2. OGH, a. a. O., S. 2 f. 256 Entscheidung vom 17.03.2005, OGH 2Ob15/05b (zit. nach Online Datenbank des Bundeskanzleramts RIS – Rechtsinformationssystem). 255

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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verhindern wollte. Der Oberste Gerichtshof bejahte auch diese Frage mit folgender Begründung: „Die Zurechnung solcher [. . .] Schäden folgt aus der Veranlassung der auf die Rettung ausgerichteten Willensbetätigung des Geschädigten, die als psychische Kausalität bezeichnet wird. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit bei psychischer Kausalität setzt eine umfassende Interessenabwägung voraus. Bei der Interessenabwägung ist davon auszugehen, dass jeder selbst zu entscheiden hat, welche Gefahren er auf sich nehmen will. Für diese Entscheidung ist grundsätzlich auch jeder nur selbst verantwortlich. Wenn nicht besondere Umstände vorliegen, ist daher auch niemand verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass ein anderer sorgfältig gegenüber sich selbst oder dritten Personen ist. In der Regel wird der Täter daher mangels Rechtswidrigkeit nicht für den Schaden einzutreten haben, den der andere sich selbst oder dritten Personen zufügt. Die Interessenabwägung kann aber etwa wegen der besonderen Gefährlichkeit der Situation, wegen der Missbilligung des auslösenden Verhaltens des Täters oder wegen des gezielten Einwirkens des Täters zu dessen Lasten ausfallen, sodass das Verhalten des Täters als rechtswidrig zu qualifizieren ist.“257

In der konkreten Entscheidung kommt der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, die Interessenabwägung müsse zugunsten des Handelnden ausfallen mit dem Argument: „Erweist sich danach [. . .] der vom Schädiger zu verantwortende Gefahrenzustand von solchem Gewicht, dass das Eingreifen des Helfers wenn nicht geboten, so doch verständlich und billigenswert erscheint, so sind das von ihm auf sich genommene Risiko und die daraus entstehenden Schadensfolgen dem Schädiger zuzurechnen.“258

Im Ergebnis stützt sich der Oberste Gerichtshof zur Begründung der Haftung damit auf das Argument, der Notlagenverursacher habe eine Verhaltenspflicht verletzt, in deren Schutzbereich auch der Hilfe leistende bei entsprechender Interessenabwägung einzubeziehen sei, weil die geschaffene Notlage den Retter zu seinem (selbst-)gefährdenden Verhalten veranlasst (herausgefordert) habe.259

257

OGH 2Ob15/05b, a. a. O., S. 4. OGH, a. a. O., S. 5. 259 Mit dieser Argumentation lehnt sich das Gericht an die für den österreichischen Ansatz systemfremde deutsche Herausforderungsrechtsprechung an, was durch den Verweis des Obersten Gerichtshofs auf das Werk von Geigel (Der Haftpflichtprozess), d.h. einem deutschen Werk mit Ausrichtung an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, deutlich wird. Mit dieser Entscheidung fällt der Oberste Gerichtshof scheinbar in seine ursprüngliche Argumentation zurück, die Verletzung eines Schutzgesetzes für den Ersatz mittelbar verursachter Schäden vorauszusetzen. Der in dem geschilderten Fall herangezogene Verstoß gegen § 23 Abs. 5 StVO ist bei genauerem Hinsehen aber nur Aufhänger für die entscheidende Interessenabwägung zur Ermittlung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens. Auch wenn der Oberste Gerichtshof dies letztlich in Schutzzwecküberlegungen zu eine Schutzgesetz kleidet, ist maßgeblicher Grund für die Haftung der Verstoß gegen eine allgemeine Gefahrvermeidungspflicht, die auch unabhängig vom Bestehen der herangezogenen Vorschrift hätte Anwendung finden müssen. 258

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

2. Literatur Die österreichische Lehre gründet die Haftung des Notlagenverursachers gegenüber dem Retter dogmatisch konsequent auf den Verstoß des Notlagenverursachers gegen eine Verhaltensnorm (Sorgfaltspflichtverletzung).260 Ebenso wie teilweise im deutschen Schrifttum wird argumentiert, dass den Notlagenverursacher eine Gefahrvermeidungspflicht treffen könne; jedermann habe ein Verhalten zu unterlassen, mit dem er eine Notlage schafft, die andere aus moralischen oder auch rechtlichen Gründen veranlasst, selbstgefährdende Maßnahmen zu setzen.261 Zur Feststellung, ob eine solche Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, sei es notwendig, im Rahmen der Rechtswidrigkeitsfeststellung eine umfassende Interessenabwägung zwischen der Handlungsfreiheit des Ersthandelnden und der Zumutbarkeit von diese einschränkenden Verhaltensnormen einerseits und der Gefährlichkeit des Verhaltens sowie dem Wert der bedrohten Güter andererseits vorzunehmen.262 Ausgangspunkt bei der Interessenabwägung müsse sein, dass jeder sich selbst zu entscheiden hat, welche Gefahren er auf sich nehmen und wie er sich Dritten gegenüber verhalten will. Für diese Entscheidung sei nur er selbst verantwortlich, so dass vorbehaltlich besonderer Umstände auch niemand verpflichtet sei, darauf hinzuwirken, dass ein anderer sorgfältig gegen sich selbst ist. Besondere Umstände mit der Folge, dass das Erstverhalten als rechtswidrig zu qualifizieren ist, könnten sich ergeben aus der besonderen Gefährlichkeit der Situation, dem fehlenden Einsichtsvermögen des Zweithandelnden, der Missbilligung des auslösenden Verhaltens des Ersttäters, die Billigung des Zweitverhaltens durch die Rechtsordnung oder das gezielte Einwirken des Ersttäters.263 In den Verfolger- und Rettungsfällen falle die Abwägung häufig – aber eben nicht immer – zu Lasten des Verfolgten/Verursachers der Notlage aus, weil hier eben besondere Gefahrenlagen aufträten, die durch ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten heraufbeschworen wurden, und der Zweithandelnde im Interesse der Allgemeinheit agiere.264 Vereinzelt wird im Zusammenhang mit Rettungsfällen auf die Zumutbarkeit einer drohenden Haftung hingewiesen und 260 Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 21; KBB-Karner, § 1294 Rz. 4 ff., 6; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/52 ff., 4/55; Rummel-Reischauer, § 1295 Rz. 13; differenzierend Maurer, S. 43 und 51; vgl. zur Literatur in Österreich Fötschl, S. 323 f. 261 Fötschl, S. 323 mit Hinweis auf Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 21; Maurer, S. 50 f. 262 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/52; Koziol/Welser, BR I, S. 450; KBB-Karner, § 1294 Rz. 4; im Ergebnis ebenso Rummel-Reischauer, § 1294 Rz. 13. 263 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/53. 264 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/55; 8/77 ff. Die Formel der Herausforderung des Entschlusses sei nicht aussagekräftig genug, um daran die Entscheidung zu knüpfen. Restriktiv hinsichtlich der Interessenabwägung Maurer, S. 43 und 48 ff., der die Abwägung unter Betonung der zu gewährleistenden Handlungsfreiheit bei fehlenden oder nur leichten Sorgfaltspflichtverstößen des Hilfsbedürftigen zu dessen Gunsten vornehmen will, bei gröberen Sorgfaltspflichtverstößen (Überschreitung der Pistenmarkierung „just

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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betont, zur Vermeidung einer ansonsten unangemessenen Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit sei es erforderlich, dass der Notlagenverursacher ein besonderes Maß an Verschulden an den Tag legen müsse, damit die Interessenabwägung zu seinen Lasten ausfalle.265 Zur Bestimmung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs, d.h. der Frage, ob und warum die Verletzung des Retters noch in den Schutzbereich der verletzten Norm (Schutzgesetz oder Verhaltensnorm) fällt,266 werden zwei Begründungsansätze vertreten. Eine Meinung stellt darauf ab, dass sich der Helfer gerade deswegen in Gefahr begebe, um jene Güter zu schützen, wegen deren rechtswidriger Gefährdung sich der Täter zu verantworten hat.267 Nach anderer Auffassung bedarf es dieser Berufung auf den Zweck der Norm – rechtswidrige Gefährdung geschützter Rechtsgüter – nicht, weil das Verhalten des Täters gegenüber dem Helfer selbständig rechtswidrig sei. „War die Gefährdung dritter, helfend eingreifender Personen objektiv vorhersehbar, so war das Verhalten gerade deswegen, unabhängig von der Gefährdung des zu rettenden Gutes, rechtswidrig.“ 268 III. Schweiz Eine der Rechtslage in Deutschland und Österreich vergleichbare Auseinandersetzung mit der Frage nach einem Schadensersatzanspruch des Retters gegenüber dem Verursacher einer Notlage aus Art. 41 Abs. 1 OR findet in der Schweiz nicht statt. Der Grund hierfür liegt in einer Besonderheit der schweizerischen gegenüber den deutschen und den österreichischen Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Ersatzanspruch des auftraglosen Geschäftsführers nach Art. 422 Abs. 1 OR umfasst de lege lata nicht nur Aufwendungen, sondern explizit auch Schäden, die der Geschäftsführer erleidet. Diese Vorschrift ist vom Gesetzgeber bewusst als echte (Kausal-)Haftungsnorm ausgestaltet worden, die ein Verschulden des Geschäftsherrn gerade nicht voraussetzt. Der Geschäftsführer soll durch for fun“) jedoch den Sorgfaltspflichtverstoß ausreichen lassen will. Ähnlich Tschaler, S. 113 ff.; Pichler, S. 242 f. 265 Pichler, S. 242 f.; Maurer, S. 42 ff., 47 ff. 266 Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/43; Maurer, S. 49. 267 Welser, ÖJZ 1975, 1, 6; daran anknüpfend auch OGH JBl. 1979, 597. 268 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/43; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 21: Das vorwerfbare Verhalten des Schädigers liegt darin, dass er eine Notlage geschaffen hat, die andere aus moralischen oder aus rechtlichen Gründen dazu veranlasst, selbstgefährdende Maßnahmen zu setzen. Das entspricht der von Nökel erarbeiteten Verkehrspflicht, keine sozialinadäquaten Notlagen zu schaffen. Die Vertreter dieser Auffassung können genau genommen auf die Schutzzweckprüfung verzichten, denn wenn zur Begründung der Rechtswidrigkeit eine eigenständige Gefahrvermeidungspflicht angeführt wird, liegt der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen Verstoß gegen die Gefahrvermeidungspflicht und dem daraus erwachsenden Schaden auf der Hand.

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die uneigennützige, sorgfältig vorgenommene Geschäftsführung keinen Nachteil erleiden.269 Haftungsgrund ist allein die Gefahr, die der Geschäftsbesorgung innewohnt.270 Diese spezielle, verschuldensunabhängige Haftung geht der Haftung nach dem allgemeinen Verschuldensprinzip (Art. 41 OR) vor,271 so dass sich eine Erörterung der Pflichtwidrigkeit als Element der Verschuldenshaftung für die schweizerischen Gerichte in der Regel erübrigt.272 Dass eine Haftung des Notlagenverursachers gegenüber dem Retter auch nach Art. 41 Abs. 1 OR jedenfalls theoretisch in Betracht kommt, wird vereinzelt in der Literatur angedeutet.273 In einer ausführlicheren Untersuchung zu Rettungsfällen kommt vor allem Rösler274 zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich eine Haftung des Verursachers einer Notlage für Schäden des Hilfeleistenden auch nach Art. 41 Abs. 1 OR möglich sei. Der adäquate Kausalzusammenhang sei durch das Dazwischentreten der Rettungshandlung nur unterbrochen, wenn die Schadensverursachung auf einem groben Verschulden des Helfers beruhe.275 Einzelne Entscheidungen des Bundesgerichts in strukturell ähnlichen Fällen der mittelbaren Schädigung zeigen, dass die schweizerischen Gerichte – im Rahmen der Adäquanzbeurteilung – die Eigenverantwortung des Zweithandelnden deutlich stärker betonen und dazu neigen, die Haftung des Ersthandelnden für Schäden, die aus einer veranlassten Zweithandlung resultieren, wegen einer „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“ zu verneinen.276 Obwohl in der 269

BGE 48 II 491; 61 II 98; Rösler, S. 62 ff. BK-Weber, Art. 422 N. 11; Lischer, S. 90; Schmidt, S. 170 ff. 271 BK-Schnyder, Art. 41 N. 1. 272 Fraglich ist die Haftung aus Art. 422 Abs. 1 OR jedenfalls dann, wenn objektiv kein Interesse des Hilfsbedürftigen an der Rettung bestand (vgl. hierzu oben 3. Teil, 3. Kapitel B. III.). 273 Schwenzer, OR AT, N. 20.06; Honsell, Haftpflichtrecht, § 3 N. 48 ff. Dort heißt es etwa zur Frage des adäquaten Kausalzusammenhangs bzw. dessen Unterbrechung in den Verfolgerfällen pauschal, dass dies letztlich eine Wertungsfrage sei, die in die eine oder andere Richtung beantwortet werden könne. 274 Rösler, S. 100 ff. 275 Rösler, S. 104 f. Wohl ähnlich Schmidt, S. 172. 276 Vgl. oben C. II. 5. a). In einem Fall hat sich das Bundesgericht mit der Ersatzpflicht eines Gebäudeeigentümers nach Art. 58 OR (Haftung für Schäden, die durch den Zustand eines Gebäudes oder Werkes verursacht werden) gegenüber Feuerwehrleuten auseinandergesetzt, die infolge der Brandbekämpfung getötet wurden (BG SJZ 1947, 159). Das Gericht betonte, dass selbst wenn das Feuer aufgrund Mangelhaftigkeit des Werkes ausgebrochen wäre, das Eingreifen der Feuerwehr jedenfalls nicht zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes zähle und daher die Tötung nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit dem Brandausbruch stehe. Juristisch sei der Kausalzusammenhang durch das Eingreifen der Feuerwehr und die darauf folgende Explosion unterbrochen worden. Damit hat das Gericht letztlich den Schutzzweck der Haf270

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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Schweiz strenggenommen eine gesonderte Auseinandersetzung mit der für die Pflichtwidrigkeit maßgeblichen Frage nach einer Verhaltenspflichtverletzung auf Verschuldensebene erfolgen müsste,277 erfolgen weitergehende konkrete Wertungen zur Bestimmung eines Verhaltenspflichtverstoßes (Sorgfaltspflichtverletzung) innerhalb der Verschuldensprüfung, soweit ersichtlich, nicht. Das scheint darauf zurückzuführen zu sein, dass schon die auch mittelbare Rechtsgutsbeeinträchtigung die Widerrechtlichkeit indiziert und sich der Fahrlässigkeitsvorwurf weitgehend darauf beschränkt, der Handelnde habe die (widerrechtliche) Rechtsgutsverletzung vorhersehen und bei ordnungsgemäßer Sorgfalt vermeiden müssen.278 IV. Zwischenfazit Rechtsprechung und Literatur zu den Rettungsfällen in Deutschland und Österreich zeigen, dass die Frage nach einem hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Notlagenverursachung und der Verletzung des Retters keine signifikante Rolle spielt. Es gilt als ausreichend, dass ein helfendes Einschreiten Dritter in Notfällen allgemein vorhersehbar ist.279 Auch wenn in der Schweiz aus den besagten Gründen einschlägige Fallbeispiele zur Haftung des Notlagenverursachers nach Art. 41 Abs. 1 OR nicht existieren, müsste nach Äquivalenz- und Adäquanztheorie, die auch hier zur Bestimmung eines ausreichend engen Ursachenzusammenhangs herangezogen wertungsnorm in persönlicher Hinsicht verneint, in dem es „mangels bestimmungsgemäßen Gebrauchs“ durch Feuerwehrleute die Tötung nicht vom Schutzzweck des Art. 58 OR erfasst ansah. Mangels Adäquanz zwischen Ersthandlung und Schädigung bei Dazwischentreten eines Zweithandelnden sah das Bundesgericht ferner den Ursachenzusammenhang als unterbrochen an in einem Fall, in dem eine entlaufene Kuh auf die Kuh des Nachbarn stieß, der herbeieilte, um die Kühe zu trennen, dabei stürzte und sich verletzte (BGE 67 II 119, 123). Zu demselben Ergebnis kam das Gericht in einem Fall, in dem ein Knabe einen Bauzaun überkletterte, um an auf der Baustelle liegengelassene Stangen zu gelangen, mit denen er eine Hochspannungsleitung berührte. Die eigenständige Handlung des Knaben stelle ein grobes Selbstverschulden dar, durch das der Kausalzusammenhang unterbrochen werde. Sie sei verbotswidrig und unvernünftig gewesen (BGE 75 II 68, 72). In einem anderen Fall verneinte das Bundesgericht die Adäquanz beim Laufenlassen des Motors eines ansonsten gesicherten Baggers, den ein Unbefugter dann während der Abwesenheit des Baggerführers falsch bediente und hierdurch beschädigte. Der Bauplatz sei gegen den Zutritt unbefugter Dritter gesichert, das Laufenlassen von Baugerät bei kurzen Arbeitsunterbrechungen üblich und das Hantieren dem Dritten untersagt worden. Selbst wenn man einen adäquaten Zusammenhang annehme, sei dieser durch das „unerlaubte, unnötige und ungleich wirksamere Eingreifen verdrängt worden“ (BGE 98 II 288, 291). Vgl. auch Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 129 ff. 277 Vgl. oben C. I. 3. 278 Vgl. Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 51; Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 183 ff. 279 BGH NJW 1964, 1363, 1364; OGH JBl. 1979/597; Soergel-Mertens, Vor § 249 Rn. 137; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/11.

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den,280 grundsätzlich dasselbe gelten. Jedoch zeigt die Handhabung mittelbarer Schädigungen bei einem Dazwischentreten eigenverantwortlich handelnder Dritter in die Kausalkette, dass der Eigenverantwortung dieses Dritten für sein Handeln in der Schweiz großes Gewicht beigemessen und der Kausalzusammenhang deshalb häufig als aufgrund eines „Drittverschuldens unterbrochen“ angesehen wird. In Rettungsfällen ist nach diesem Ansatz eine Haftung des Notlagenverursachers für Schäden des Nothelfers nach Art. 41 Abs. 1 OR zwar denkbar. Sie wird aber an einem nicht ausreichend engen Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen Notlagenverursachung und Schädigung des Nothelfers scheitern, wenn wegen „groben Selbstverschuldens“ des Retters281 oder aufgrund der Tatsache, dass die Verletzung nach dem „gewöhnlichen Lauf der Dinge unwahrscheinlich war“282, der „Kausalzusammenhang“ als „unterbrochen“ anzusehen ist. Dies wird insbesondere bei besonders geschulten Rettern wie der Bergrettung zutreffen, da man deren Eigenverantwortung bei der Hilfeleistung ungleich höher wird einschätzen müssen als bei einem zufällig anwesenden Helfer. Die Pflichtwidrigkeit einer Notlagenverursachung wird in der deutschen Rechtsprechung und einem Großteil des deutschen Schrifttums anhand von drei Zurechnungskriterien (sog. Herausforderungsformel) bestimmt: Der Hilfe leistende muss durch die Notlage zu seiner Tat herausgefordert worden sein, was aufgrund der sittlichen Veranlassung in Notfällen zwangsläufig der Fall sei. Sein Hilfeleistungsentschluss und die konkrete Hilfeleistung müssen nach den Umständen vernünftig gewesen sein, wobei wegen der bedrohten Rechtsgüter des Hilfesuchenden nur geringe Anforderungen diesbezüglich gestellt werden. Letztlich muss sich in der Verletzung des Hilfeleistenden ein gesteigertes Risiko der Hilfeleistung realisiert haben. In Österreich und nach einem Teil der deutschen Lehre soll die Notlagenverursachung nur dann pflichtwidrig sein, wenn der Notlagenverursacher gegen eine Verhaltenspflicht, d.h. die Pflicht, den Hilfeleistenden nicht sozialinadäquaten Gefahren auszusetzen, verstoßen hat. Die Frage, ob und in welchem Umfang eine solche Gefahrvermeidungspflicht bestand, die geschaffene Gefahr also „sozial inadäquat“ war, sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles durch eine entsprechende umfassende rechtliche Wertung zu beantworten. Die für die Frage der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung in Österreich und Deutschland nach beiden Ansätzen jeweils herangezogenen Wertungskriterien gleichen sich weitgehend. Ausgangspunkt für ein Pflichtwidrigkeitsurteil über die Notlagenverursachung ist für die Herausforderungsrechtsprechung ebenso wie nach dem Ansatz des Verhaltenspflichtverstoßes gleichermaßen die Schaffung einer Gefahrenlage, 280 281 282

Vgl. oben C. II. 1. Vgl. Rösler, S. 100 ff. Vgl. Berner-Komm./Brehm, Art. 419 N. 121.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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durch die der Hilfe leistende – zum Einschreiten veranlasst/„herausgefordert“ – einem gesteigerten (Verletzungs- bzw. Schädigungs-)Risiko ausgesetzt wird. In der deutschen Rechtsprechung rückt dieses Element im Vergleich zum Herausforderungsaspekt neuerdings stärker in den Vordergrund und fungiert darüber hinaus als Merkmal der Haftungsbegrenzung, wenn ein Ersatzanspruch nur bei Realisierung einer gesteigerten Gefahrenlage bestehen soll.283 Für den Ansatz des Verhaltenspflichtverstoßes ist die Gefahrschaffung schon dogmatisch zwingender Ansatzpunkt für die Feststellung, ob eine Verhaltenspflicht bestand.284 Wenn die Herausforderungsrechtsprechung auf die Vernünftigkeit des Hilfeleistungsentschlusses und der konkreten Hilfeleistung im Sinne einer Mittel-ZweckRelation abstellt, stehen dahinter Überlegungen zur Eigenverantwortung des Hilfeleistenden und dem ihm möglichen und zumutbaren Selbstschutz als Gegengewicht zu der vom Notlagenverursacher geschaffenen Gefahr. Was kann sich der Helfer in Anbetracht der auch für ihn drohenden Schäden vernünftigerweise zutrauen, welche Risiken muss er meiden? Bei der Bewertung der sozialen Inadäquanz der Notlagenverursachung und bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen finden Eigenverantwortung und Selbstschutz des Helfers ebenfalls Berücksichtigung.285 Eng verbunden mit dem Aspekt der Eigenverantwortung des Hilfeleistenden ist das von beiden Ansätzen gleichermaßen herangezogene Argument des sittlichen Wertes der Hilfeleistung. Die Herausforderungsrechtsprechung reduziert den Maßstab der Vernünftigkeit mit Hinweis auf den besonderen Wert der Hilfeleistung.286 Innerhalb der Wertung/Abwägung zur Feststellung einer Verhaltenspflicht wird das Interesse der Allgemeinheit an der Rettung der bedrohten Rechtsgüter als besonderer Grund für das Bestehen einer solchen Pflicht angeführt.287 283

Vgl. oben D. I. 1. und 2. b) cc). Vgl. oben C. II. 2. b); Nökel, S. 100 f.; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/53. 285 Lange/Schiemann, § 3 X 2 a unter Rückgriff auf das Argument der Rechtsprechung, dass die Hilfeleistungsrisiken nicht in grobem Missverhältnis zum Wert der bedrohten Rechtsgüter stehen dürfen; vgl. auch Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 56; am Beispiel der Verfolgungsfälle Zimmermann, JZ 1980, 10, 13: Für die Vernünftigkeit könne eine ganze Reihe von Gesichtspunkten maßgeblich sein: eingegangenes Risiko des Verfolgers und Dringlichkeit, Alter des Verfolgers, Bekanntsein von Personalien des Verfolgten, Wert der Beute etc. In der österreichischen Rechtsprechung und Lehre kommt der Gedanke der Eigenverantwortung schon allein durch die Betonung des Grundsatzes, jeder sei für sich selbst verantwortlich, zum Ausdruck (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/53), so dass es hier besonderer Gründe überhaupt erst bedarf, die ein Abwägungsergebnis zulasten des Notlagenverursachers rechtfertigen. 286 So schon das Reichsgericht, vgl. oben D. I. 1.; BGHZ 101, 215, 221. 287 Nökel, S. 108; Zimmermann, JZ 1980, 10, 13; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 53 („billigenswerte Motive“); Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/53 und 55 („Billigung des Zweitverhaltens durch die Rechtsordnung“, „Interesse der Allgemeinheit“) und OGH 2Ob15/05b, S. 4 („verständlich und billigenswert“). 284

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Mit der Forderung, es müsse sich bei der Verletzung des Hilfeleistenden um die Realisierung eines vom Notlagenverursacher geschaffenen gesteigerten, nicht aber des allgemeinen Lebensrisikos handeln, stellt die Herausforderungsformel eine Voraussetzung auf, die beim Ansatz des Verhaltenspflichtverstoßes als Frage der Zumutbarkeit der Risiken, die nach der Verkehrsanschauung vom Hilfeleistenden hingenommen werden können, in die Wertung mit einfließt.288 Auch ziehen beide Ansätze zur Begründung der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung das zur Notlage führende Verhalten des Notlagenverursachers heran. Der Bundesgerichtshof spricht etwa im oben zitierten Verfolgerfall davon, dass die Verletzungen des Verfolgers „unzweifelhaft adäquate Folgen der unerlaubten Handlung“ sind.289 Der Oberste Gerichtshof bezieht sich ausdrücklich auf die „von der Rechtsordnung verpönte Flucht“.290 Die deutschen Vertreter des Verhaltenspflichtansatzes sehen in der Rechtswidrigkeit des Vorverhaltens ebenfalls ein maßgebliches Kriterium dafür, die Notlagenverursachung als die Schaffung einer „sozial inadäquaten Gefahr“ zu qualifizieren,291 während in Österreich die „Missbilligung durch die Rechtsordnung“ innerhalb der Interessenabwägung nur ein, wenn auch bedeutender, Aspekt ist.292 Bei der konkreten Wertung der Kriterien lassen sich unterschiedliche Tendenzen erkennen, auch wenn die Ergebnisse meist auf einer Linie liegen. Die deutsche Rechtsprechung und die Vertreter des Verhaltenspflichtansatzes, die sich an den durch die Herausforderungsrechtsprechung vorgenommenen Wertungen orientieren [vgl. oben I. 2. b) bb)], neigen dazu, die Wertung unter Hinweis auf den besonderen sozialen Wert der Hilfeleistung gegenüber der Gefahrschaffung des Notlagenverursachers zugunsten des Hilfeleistenden ausfallen zu lassen,293 insbesondere, aber nicht ausschließlich dann, wenn bereits das Verhalten 288 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/55: Die normalen, stets vorhandenen Lebensrisiken hat der Geschädigte stets zu tragen, da insofern keine Gefahrerhöhung bewirkt wurde. 289 BGH NJW 1964, 1363, 1364. 290 OGH JBl. 1987/785, 786. 291 Nökel, S. 104 ff.; Zimmermann, JZ 1980, 10, 13. 292 OGH 2Ob15/05b, S. 4; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/53 und 55. 293 Nökel, S. 108 f., der darauf verweist, dass die sittlichen Momente, die den Retter antreiben, in beiden Fällen – bei rechtswidrigem und rechtmäßigem Vorverhalten – gleich sind und der Retter praktisch nur selten in der Lage sein wird, von vornherein zu überblicken, von wem die Gefahrenlage herbeigeführt wurde. Allerdings weist Nökel anschließend darauf hin, dass die „sozialethische Bewertung“ im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten kann und die Bewertungsmaßstäbe letztlich von den jeweiligen Verhältnissen und Anschauungen abhängig seien. Vgl. ebenfalls Zimmermann, JZ 1980, 10, 16 (einen sozial inadäquaten Gefahrenzustand für die Rechtsgüter anderer schafft, wer eine Lage schafft, in der sich andere zu einem Eingreifen veranlasst fühlen dürfen); Lange/ Schiemann, § 3 X 2 a (Verhaltenspflicht, keine sozial inadäquaten Notlagen herbeizuführen, aufgrund derer für andere die moralische Verpflichtung zu selbstgefährdendem Eingreifen entstehen kann. MüKo-Oetker, (§ 249 Rn. 155) fasst deshalb zusammen: Er-

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des Notlagenverursachers im Vorfeld rechtswidrig oder gefährdungshaftungsrechtlich relevant war, da dann in der Regel ohne Schwierigkeiten auch auf den sozialethischen Unwert der Notlagenverursachung geschlossen werden könne.294 In Österreich wird im Unterschied hierzu im Ausgangspunkt vor allem die Eigenverantwortung des Retters bei der Hilfeleistung betont.295 Im Ergebnis – das zeigen die zugegebenermaßen wenigen österreichischen Rechtsprechungsbeispiele – fällt die Wertung in den Rettungsfällen gleichwohl häufig aus ähnlichen Erwägungen, insbesondere unter Rückgriff auf das Argument rechtswidrigen Verhaltens und den Allgemeinnutzen der Hilfeleistung296 gegen den Grundsatz eigenverantwortlichen Handelns und für die Haftung des Notlagenverursachers aus. Eine Auseinandersetzung mit dem Kriterium der Pflichtwidrigkeit erfolgt in der Schweiz in Fällen der mittelbaren Schädigung – Beispiele zur Verschuldenshaftung in Rettungsfällen fehlen hier aus den besagten Gründen – nicht. Nur indirekt erfolgen Wertungen innerhalb der Prüfung des Ursachenzusammenhang (Adäquanz) dadurch, dass die Eigenverantwortung des Zweithandelnden bei mittelbaren Schädigungen gegenüber der Verantwortung des Ersthandelnden abgewogen und der Kausalzusammenhang je nach Ergebnis der Abwägung als unterbrochen angesehen wird oder nicht.297

E. Auswertung der Ansätze und Argumente Unterzieht man Rechtsprechung und Literatur zu den Rettungsfällen vor dem Hintergrund der oben zu den beiden maßgeblichen Haftungsmerkmalen „Schadensverursachung“ und „Pflichtwidrigkeit“ allgemein herausgearbeiteten Voraussetzungen einer kritischen Prüfung, ergibt sich Folgendes: In Hinsicht auf die Begründung der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung wird sich zeigen, dass die unterschiedlichen Ansätze in Deutschland und Österreich (Herausforderungsformel und Gefahrvermeidungspflicht) zwar – wie gesehen – auf dieselben (Wertungs-)Kriterien zurückgreifen, diese auch ähnlich gewichten und deshalb vielfach zu denselben Ergebnissen gelangen. Vor dem leidet der Retter einen Schaden, so fällt dieser grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Schädigers. 294 So vor allem Nökel, S. 108; ähnlich Zimmermann, JZ 1980, 10, 13. 295 OGH 2Ob15/05b, S. 4; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/53: Es gelte der Grundsatz, dass jeder für sich selbst verantwortlich sei und deshalb der eigenverantwortlich handelnde Helfer zunächst selbst darauf achten müsse, Schäden bei der Hilfeleistung zu vermeiden. 296 OGH 2Ob15/05b, S. 4; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/55; anders im Ergebnis OGH 7Ob602/85. 297 Vgl. die Berner Komm./Brehm, Art. 41 N. 129 ff. und 136 ff. mit zahlreichen Beispielen.

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Hintergrund der eingangs erarbeiteten Grundsätze zur Abwägung zwischen dem Interesse des Notlagenverursachers (Handlungsfreiheit) und dem Interesse des Hilfeleistenden (Rechtsgüterschutz) offenbart sich aber, dass die Ansätze und die konkret vorgenommenen Wertungen der Kriterien nur in unterschiedlichem Maße überzeugen können (II.). Vorab soll auf die Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit zwischen Notlagenverursachung und Verletzung des Retters vor dem Hintergrund der schweizerischen Tendenz, das Problem der mittelbaren Verursachung eines Schadens durch Wertungen bereits innerhalb Adäquanzprüfung zu lösen,298 nochmals eingegangen werden (I.), obwohl diese Frage in Deutschland und Österreich eine untergeordnete Rolle spielt und trotz der Ausführungen zum Scheinkriterium der „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“. I. Schadensverursachung: Veranlassungscharakter der Notlage als hinreichend wahrscheinliche Ursache Dass der Frage, ob zwischen Notlagenverursachung und Verletzung des Hilfeleistenden ein hinreichend wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang besteht, heute in Deutschland und Österreich zurecht kaum noch Beachtung geschenkt wird, ist vor dem Hintergrund der weiten Äquivalenztheorie und des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs der Adäquanztheorie [vgl. oben C. II. 1. a) und b)] nicht weiter verwunderlich: eine Notlage ist aufgrund der von ihr ausgehenden Appellwirkung an den sittlich-moralischen Drang der Menschen, anderen in Not beizustehen, conditio sine qua non und auch generell geeignet, den Helfer zum Einschreiten zu veranlassen und die Hilfeleistung damit typischerweise vorhersehbar.299 Dabei fällt zunächst auf, dass die in den Rettungsfällen vorgenommene Wahrscheinlichkeits-/Kausalitätsbetrachtung sich fast ausschließlich mit der Veranlassung des Entschlusses zur Hilfeleistung als dem besonderen Problem der „psychisch vermittelten Kausalität“ auseinandersetzt.300 Im Mittelpunkt der Diskussion um diese Fallgruppe steht die Überlegung, dass das Dazwischentreten einer menschlichen Reaktion, insbesondere eines Willensentschlusses innerhalb der Ursachenkette, wie er auch bei der Entscheidung der Bergrettung zur Einleitung

298 Vgl. oben C. II. 3. c) und 5. a) (vgl. hierzu die Rechtsprechungsbeispiele bei Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 3 N. 30; Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 134 ff., 144). 299 BGH NJW 1964, 1363, 1364 („zwangsläufig herausgefordert“); Nökel, S. 103 (Einmal ist es nicht ungewöhnlich und somit voraussehbar, dass sich in einer Gefahrensituation ein Retter einstellt.); OGH JBl. 1979/597 ff. (Immer wieder vorkommende Folge von Bränden sei es, dass mit dem Löschen beschäftigte Feuerwehrleute zu Schaden kommen. Damit müsse „in abstracto“ gerechnet werden.); Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/11. 300 Ausführlich Niebaum, A. II. 2.; Deutsch, Rn. 123 und 161.

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eines Einsatzes vorliegt, grundsätzlich nicht sicher vorhersehbar ist und dem Wortlaut der conditio-sine-qua-non-Formel deshalb scheinbar entgegensteht. Ob auf der Basis der jeweils bekannten Umstände der Entschluss zur Hilfeleistung naturgesetzmäßig immer gleich erfolgen würde, lässt sich nicht sicher sagen. Die Grenzen hierfür liegen in den fehlenden naturwissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten zur menschlichen Psyche.301 Was jedenfalls gesagt werden kann – und hierauf ist der Wert der Äquivalenztheorie beschränkt302 – ist, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig und mit großer Wahrscheinlichkeit eine Notlage auch den Entschluss zu einer Rettungsaktion bedingt.303 Im Ergebnis bestätigt die Äquivalenzformel damit lediglich theoretisch, was faktisch ohnehin auf der Hand liegt. Die Frage, ob die Notlagenverursachung äquivalent kausal für die bei einem Bergrettungseinsatz eingetretene Schädigung eines Retters war, kann man nach der Äquivalenzformel bejahen. Das wäre nämlich nur dann nicht der Fall, wenn die Retter auch ohne die Notlage in derselben Art und Weise tätig geworden wären. Das ist, wenn zwar nicht gänzlich ausgeschlossen,304 so doch extrem unwahrscheinlich. Eine über das Phänomen der „psychischen Kausalität“ hinausgehende gesonderte Betrachtung der Wahrscheinlichkeit zwischen der Hilfeleistung und der Verletzung des Hilfeleistenden findet nicht statt.305 Dies ist streng genommen inkonsequent, weil letztlich auch die Wahrscheinlichkeit zwischen Hilfeleistung und Verletzung unterschiedlich hoch sein kann und für die Gesamtbetrachtung der Wahrscheinlichkeit zwischen Notlagenverursachung und Verletzung des Hilfeleistenden zu beachten ist.306 Gleichwohl fällt dieses „Versäumnis“ nicht ins Gewicht. Wendet man den großzügigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab von Äquivalenz- und Adäquanzformel an, stellt auch die Verletzung infolge der Hilfeleistungstätigkeit in der Regel keine atypische, inadäquate Folge dar und muss deshalb nicht weiter thematisiert werden.307 Dass durch die generelle Bejahung eines ausreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs zwischen der Verursachung einer Notlage, dem Rettungsentschluss und der Verletzung eines Hilfeleistenden nach Äquivalenz- und Adä-

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Vgl. Deutsch, Rn. 161; v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, § 4 Rn. 417. Vgl. oben C. II. 1. a). 303 Zwar ist die Bergrettung verpflichtet, bei begründetem Verdacht einen Einsatz durchzuführen. Die (Zweifels-)Frage aber, wann ein begründeter Verdacht vorliegt, bleibt bestehen. 304 Etwa in dem höchst theoretischen Fall, dass die Bergrettung einen Trainingseinsatz in derselben Art und Weise und an demselben Ort ohnehin durchgeführt hätte. 305 Anders in aller Kürze und im Rahmen der Interessenabwägung zur Pflichtwidrigkeitsbestimmung Pichler, S. 242. 306 Vgl. Zimmermann, JZ 1980, 10, 14 mit dem Beispiel des Bergretters, der beim Anmarsch auf ebener Erde stürzt. 307 So kritisch Schwarz, JZ 1966, 162, 163. 302

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quanztheorie de facto jede Herbeiführung einer Notlage als schadensursächliches Verhalten potentieller Haftungsgrund ist, mag vor dem Hintergrund der oben unter B. I. angestellten Überlegungen auf den ersten Blick nicht ohne weiteres überzeugen. Ob die Bergrettung von der Notlage Kenntnis erlangen würde und/oder auf Basis der ihr (oft unzulänglich) bekannten Umstände eine Rettungsaktion überhaupt einleitet, spielt angesichts der dargestellten Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen für die Rettungsfälle ebenso keine Rolle wie die (je nach Einsatz geringe) Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Bergretter trotz Ausrüstung, Expertise und Erfahrung bei einem ungefährlichen Einsatz verletzt. Theoretisch denkbar ist, unter Berücksichtigung der Tendenzen zu einer strikteren Handhabung des Wahrscheinlichkeitserfordernisses bei mittelbaren Schädigungen vor allem in der Schweiz308 den Besonderheiten der Rettungsfälle bereits auf der Ebene der Schadensverursachung im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsbetrachtung durch einen strengeren Maßstab Rechnung zu tragen und so haftungsrelevante Ursachen von sonstigen Ursachen zu trennen. Zum einen könnte man fordern, dass ein dem Wortsinn der „Herausforderung“ entsprechendes gesteigertes oder überwiegendes Wahrscheinlichkeitsmaß erfüllt sein muss, um einen hinreichenden Ursachenzusammenhang zu bejahen.309 Oder man könnte – wie dies nach schweizerischem Recht in strukturell gleichgelagerten Fällen geschieht – beim Dazwischentreten des Nothelfers in die Kausalkette aufgrund der Eigenverantwortung dieser Person verlangen, dass ein ausreichender Zusammenhang zwischen Erstursache und Schädigung nur anerkannt wird, wenn besondere Umstände dafür vorliegen, dass diese Eigenverantwortung beim Handeln nicht (mehr) überwiegt. Man könnte etwa in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit zwischen Notlage und Hilfeleistungsentschluss einen besonderen Appellcharakter der Situation – z. B. wie bei den Schockschäden ein besonderes Näheverhältnis oder eine über die allgemeine Hilfeleistungspflicht hinausgehende Verpflichtung des konkreten Retters – fordern. Bei der gemeinhin akzeptierten Auffassung, die Hilfeleistung sei stets als adäquate Folge einer Notlage zu betrachten, scheint es sich in der Tat um eine in nicht geringem Maß von Wunschdenken und sittlicher Idealmoral geprägte

308

Vgl. oben C. II. 3. c) und D. III. So andeutungsweise Schwarz, JZ 1966, 162, 163: „Verschärft man die Adäquanztheorie etwas und sieht als kausal nur diejenige Bedingung an, die generell geeignet ist, einen derartigen Erfolg herbeizuführen, so ist die Kausalität und damit die deliktische Haftung des die Gefahrsituation Herbeiführenden schon zweifelhafter.“ Dass es bei der Auslösung eines Willensentschlusses durch das Erstverhalten je nach Umständen unterschiedlich intensiver Appellwirkung bedarf, schwebte ursprünglich wohl auch dem Bundesgerichtshof vor, wenn er forderte, dass es bei weniger bedrohlichen Situationen als bei Hilfeleistungen von den Umständen abhängt, ob die vom Schädiger herbeigeführte Lage generell geeignet ist, Hilfeleistungen Dritter generell und gegebenenfalls in der vorliegenden Form auszulösen (BGH NJW 1964, 1363, 1364). 309

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Vorstellung zu handeln, die der Realität wohl nicht entspricht. Mit dem vielzitierten Satz „Danger invites rescue. The cry of distress is the summons to relief“310 oder wenn der Bundesgerichtshof feststellt, der Hilfe leistende sei durch die Notlage „zwangsläufig herausgefordert“, werden damit die Erwartungen an die allgemeine Hilfeleistungsbereitschaft, d.h. Zivilcourage und Pflichtbewusstsein in der Gesellschaft, wohl deutlich überzogen, wenn man bedenkt, wie häufig moniert wird, dass Vergehen und Verbrechen am helllichten Tage vor den Augen ignoranter Passanten geschehen311 und dass heute zunehmend Auszeichnungen für couragiertes Helfen vergeben werden, um altruistisches Handeln in der Gesellschaft zu fördern.312 Die Schlussfolgerung, dass auf die Notlage nach der Lebensanschauung regelmäßig ein Hilfeleistungsentschluss folge, erscheint hiernach nicht über jeden Zweifel erhaben. Auch könnte man die hinreichende Wahrscheinlichkeit verneinen, wenn angesichts der konkreten Umstände, der Fähigkeiten und Expertise der Retter – insbesondere bei beruflicher und organisierter Hilfeleistung (Feuerwehr, Polizei, Bergrettung) – mit einer Verletzung typischerweise gerade nicht zu rechnen ist. Es erscheint unbillig und wird auch immer wieder gegen die Haftung des Ersthandelnden eingewendet,313 den berufsmäßigen oder sonst eigens geschulten Retter/ Polizisten grundsätzlich als Opfer einer potentiell unerlaubten Handlung zu betrachten, wenn die Verletzung aus einem Verhalten resultiert, für das er besonders ausgebildet ist. Gleichwohl lassen sich die durch Äquivalenz- und Adäquanzformel in ihrer konkreten Anwendung auf die Rettungsfälle erzielten Ergebnisse nicht sinnvoll durch eine Änderung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs im vorgenannten Sinne eingrenzen. Das liegt an den hieran zu Recht kritisierten Eigenheiten der Kriterien selbst.314 Die Wahrscheinlichkeit lässt sich nicht präzise in verschiedene voneinander abgrenzbare Wahrscheinlichkeitsstufen unterteilen und ist folglich als Wertungskriterium nur bedingt, nämlich allenfalls zur Feststellung äußerster

310 Judge Cardozo in Wagner v. International Railway Company, 133 N.E. 437 (New York, 1921); s. Smits, The Good Samaritan in European Private Law, On the Perils of Principles without a Programme and a Programme for the Future, Universität Maastricht, 2000. 311 Vgl. den bei v. Hippel, S. 171 geschilderten Fall: Eine junge Frau wurde mitten in New York überfallen, misshandelt und verletzt. Sie rief laut um Hilfe, aber obwohl dutzende Personen die Hilferufe hörten und den Vorfall vom Fenster ihrer Wohnungen aus beobachteten, unternahm niemand etwas, um auch nur die Polizei zu alarmieren. Die junge Frau verblutete, die Täter entkamen. 312 Es genügt die Eingabe der Stichworte „Zivilcourage“ und „Auszeichnung“ in eine Internet-Suchmaschine, um einen Eindruck darüber zu gewinnen, wie intensiv diese Förderung betrieben wird. 313 BGH NJW 2002, 1533, 1534; NJW 1996, 2646, 2647 (im Rahmen des Mitverschuldens). 314 Vgl. oben C. II. 1. a) und b).

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Grenzen der Schadensverursachung geeignet.315 Grenzt man auf der Grundlage einer strengeren (aber stets unsicheren) Wahrscheinlichkeitsbetrachtung schadensursächliche Beiträge aus, besteht die Gefahr, dass Verursachungsbeiträge als Haftungsgründe von vornherein ausgeblendet werden, die trotz geringerer Wahrscheinlichkeit möglicherweise aus anderen Wertungsgesichtspunkten heraus als Haftungsgründe in Betracht kommen.316 Zumindest aber öffnet eine solche nur vage Wahrscheinlichkeitsbetrachtung Tür und Tor für eine letztlich auf Billigkeitserwägungen basierende und damit willkürliche Abgrenzung,317 die konsistente Begründungen und Entscheidungen nicht erwarten lässt (wo fängt eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ an? Wann überwiegt die Eigenverantwortung des Zweithandelnden nicht mehr?). Der Schwierigkeit der Haftungsbegründung in Rettungsfällen wie in allen Fällen der mittelbaren Schädigung lässt sich im Gegensatz zur reinen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung oder einer allein auf das wenig greifbare Kriterium der Eigenverantwortung des Dazwischentretenden wesentlich differenzierter Rechnung tragen durch eine umfassende Wertung aller hierfür relevanten Umstände bei der Frage, ob die Notlagenverursachung als in Hinsicht auf die verursachte Rechtsgutsbeeinträchtigung des Hilfeleistenden pflichtwidrig anzusehen ist. Das jeweilige konkrete Maß an Wahrscheinlichkeit zwischen Notlagenverursachung und Hilfeleistungsentschluss sowie Hilfeleistung und Verletzung des Retters findet dann innerhalb des Gefährlichkeitsaspekts der Notlagen-/Hilfeleistungssituation als Abwägungskriterium entsprechende Berücksichtigung [vgl. oben C. II. 2. b) aa)]. Für die Rettungsfälle heißt das konkret: Dass Dritte einem Hilfesuchenden zu Hilfe eilen und sich dabei verletzen, mag mehr oder weniger wahrscheinlich sein. Die Hilfeleistung als eine natürliche Reaktion darf aber jedenfalls auf der Ebene der Schadensverursachung nicht durch unsichere Wahrscheinlichkeitsüberlegungen ausgeblendet werden. Entscheidend ist, ob der Notlagenverursacher bei Betrachtung der Gesamtumstände in Hinsicht auf die Verletzungen des Retters pflichtwidrig gehandelt hat. Das im Einzelfall unterschiedliche Maß an Wahr315 Wie wahrscheinlich muss das Eingreifen des Hilfeleistenden bzw. die Verletzung des Hilfeleistenden infolge seiner Rettungstat sein und woran will man dies im Einzelnen festmachen? 316 So ist etwa anerkannt, dass in Ausnahmefällen selbst inadäquate Schadensursachen haftungsrechtlich erfasst werden, wenn der Täter in Bezug auf die konkrete Schädigung absichtlich handelte. Ein solches, praktisch wohl eher seltenes Extrembeispiel bietet die absichtliche Notlagenverursachung: Stößt jemand seinen Bergkameraden im Streit absichtlich in einsamen Terrain von einem Grad herunter und ist sein Auffinden durch die Bergrettung bzw. die Verletzung eines Bergretters beim Einsatz wenig wahrscheinlich, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier die Absicht des Notlagenverursachers besonderes Gewicht erlangt, das die geringe Rettungs- und/oder Verletzungswahrscheinlichkeit aufwiegen muss. 317 HKK-Jansen, §§ 249–253, 255 Rn. 67.

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scheinlichkeit und damit auch die eingangs aufgeworfenen Zweifelsfragen können dann in die Abwägung der Interessen zur Feststellung der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens einfließen. Für die Bergrettung lässt sich festhalten: Besteht auf der Basis der objektiv erkennbaren Umstände ein begründeter Verdacht, dass sich Bergsportler in einer Notlage befinden, dann löst die Rettungsleitstelle oder der Bergrettungsleiter in der Regel einen Such- und/oder Rettungseinsatz aus, weil die Bergrettung hierzu verpflichtet ist. Bei einem Unfall im Gebirge ist deshalb nach dem für die Schadensverursachung anzulegenden, geringen Wahrscheinlichkeitsmaßstab weder der Einsatz noch eine daraus für den einzelnen Bergretter resultierende Verletzung atypische Folge. Die Notlage ebenso wie der objektive Schein einer Notlage sind deshalb grundsätzlich ausreichend wahrscheinlich (adäquat kausal) für den Entschluss zum Einsatz und eine hiermit verbundene Verletzung eines Bergretters. Über die Haftung des Notlagenverursachers oder desjenigen, der den Schein einer Notlage erweckt, ist damit keine Entscheidung getroffen. II. Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung Die abstrakten Vorgaben zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung sind bereits dargestellt worden: Ob die Verursachung einer Notlage trotz des grundsätzlich eigenverantwortlichen Einschreitens des Hilfeleistenden in Bezug auf die Verletzung des Helfers auch als pflichtwidrig angesehen werden kann, muss durch eine umfassende Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen des Notlagenverursachers (Handlungsfreiheit) und des verletzten Helfers (Rechtsgüterschutz) beurteilt werden. Nur durch eine solche Abwägung kann der grundlegenden, bei der Verschuldenshaftung dem Haftungskriterium der Pflichtwidrigkeit zufallenden Funktion des Deliktsrechts, im gesellschaftlichen Leben zwischen Risikosphären zu trennen und haftungsrelevantes von erlaubtem Verhalten zu unterscheiden, ausreichend Rechnung getragen werden.318 Den richtigen methodischen Ansatz zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit einer Notlagenverursachung verfolgen deshalb die österreichische Rechtsprechung und Lehre, die im Rahmen der Feststellung, ob der Notlagenverursacher gegen eine Verhaltenspflicht verstoßen hat, eben eine solche umfassende Abwägung der beiden genannten Interessen verlangen.319 In dieselbe Richtung gehen auch die deutschen Anhänger des Ansatzes vom Verstoß gegen eine Gefahrvermeidungspflicht, die bei der Feststellung, ob der Notlagenverursacher eine „sozial inadäquate“ Gefahr geschaffen hat, wertende Überlegungen anstellen, ohne allerdings die Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen als Prüfungsprogramm 318 319

Vgl. oben C. II. 2. Vgl. oben D. II.

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konkret zu benennen.320 Die Herausforderungsrechtsprechung und ihre Anhänger hingegen stellen rechtliche Wertungen zur Pflichtwidrigkeit unter Schutzzweckgesichtspunkten an, ohne dass das Erfordernis eines Verhaltenspflichtverstoßes und einer Abwägung der Interessen von Notlagenverursacher und Hilfe leistendem hierbei eine explizite Erwähnung finden.321 Dass sich die beiden verschiedenen methodischen Ansätze – Verhaltenspflichtverletzung und Herausforderungsformel – bei der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit trotz Verwendung derselben generellen Wertungskriterien auf den konkreten Wertungsvorgang und die konkrete Gewichtung der Kriterien innerhalb der Abwägung auswirken, zeigt sich bei näherer Betrachtung. Wenn auch die gegen sie vorgebrachte Kritik nicht vollständig zu überzeugen vermag, so offenbart doch vor allem die Herausforderungsformel der deutschen Rechtsprechung in Hinsicht auf die Abwägung der Interessen von Notlagenverursacher und geschädigtem Nothelfer deutliche Schwächen (1.). Aber auch die Wertungen, die von den Vertretern des Ansatzes eines Gefahrvermeidungspflicht/Verhaltenspflicht vorgenommen werden, halten einer genaueren Betrachtung nicht durchgehend stand (2.). 1. Schwächen der Herausforderungsformel a) Vermeintlicher Unterschied bei rechtmäßigem Vorverhalten Teilweise ist darauf hingewiesen worden, dass ein Unterschied zwischen der Herausforderungsformel und dem Konzept eines eigenständigen Verhaltenspflichtverstoßes gegenüber dem Hilfeleistenden in der Schwierigkeit der Rechtsprechung zum Ausdruck komme, mit der Herausforderungsformel auch Fälle zu erfassen, in denen die Notlage durch ein rechtmäßiges Vorverhalten („Verschulden des Hilfsbedürftigen in eigener Sache“) herbeigeführt worden ist. Dann nämlich könne der Schaden des Retters nicht mehr als Folgeschaden eines rechtlich missbilligten Vorverhaltens qualifiziert werden. Während es nach letzterem Ansatz wegen der Eigenständigkeit der Verhaltenspflicht gegenüber dem Hilfeleistenden möglich sei, auch ohne rechtswidriges Vorverhalten zu einem Vorwurf an den Notlagenverursacher zu gelangen, weil dieser eben durch ein an sich rechtmäßiges Verhalten eine unerlaubte Gefahr für den Hilfeleistenden geschaffen habe, könne die Herausforderungsformel den Vorwurf an den Notlagenverursacher nicht ohne weiteres mit dem Vorwurf an das Vorverhalten begründen.322 Diese Bedenken gegenüber der Herausforderungsrechtsprechung sind jedoch unbegründet. Ihnen liegt die irrtümliche Vorstellung zugrunde, der Vorwurf an den Notlagenverursacher hinsichtlich der Verletzung des Hilfeleistenden gründe 320 321 322

Vgl. oben D. I. 2. b) bb) und IV. Vgl. oben D. I. 1. Vgl. hierzu Fötschl, S. 315 f., 320 m.w. N.

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sich nach der Herausforderungsformel (als eine Art „Annex“) maßgeblich auf die Vorwerfbarkeit (Rechtswidrigkeit/Gefährdungshaftungsrelevanz) der zur Notlage führenden Handlung, so dass es bei der Verletzung des Hilfeleistenden letztlich um eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität gehe. Zwar hatte sich die überwiegende Zahl der Entscheidungen zu Rettungsfällen mit einem rechtswidrigen Verhalten oder einem der Gefährdungshaftung unterfallenden Handeln auseinanderzusetzen und konnte das jeweilige Gericht deshalb oft konstatieren, die Verletzungen seien „adäquate Folgen der unerlaubten Handlung“.323 Die Rechtswidrigkeit oder gefährdungshaftungsrechtliche Relevanz des Verhaltens der Person, die die Erstursache setzt, ist für die Vertreter der Herausforderungsformel aber nicht zwingende Voraussetzung dafür, dieses Ersthandeln auch in Bezug auf die Verletzung desjenigen als pflichtwidrig anzusehen, der die Zweitursache setzt. Das hat zuletzt das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Fall klargestellt, in dem der Hilfsbedürftige seine Notlage selbst verschuldet hatte und kein an sich rechtswidriges Vorverhalten gegeben war. Der Hilfsbedürftige war auf einen Waggon geklettert, hatte schwere Verletzungen infolge von Stromstößen durch die Überleitung erlitten und war auf dem Dach des Waggons liegen geblieben. Der ihm zu Hilfe eilende Passant wurde ebenfalls durch Stromstöße verletzt. Das Gericht begründete die Zurechnung damit, der Hilfsbedürftige habe durch sein leichtsinniges Verhalten eine Gefahrenlage geschaffen, die den Retter zur selbstgefährdeten Hilfeleistung herausforderte.324 Auch angesichts der Tendenz in der deutschen Rechtsprechung, deutlicher als bisher auf die geschaffene Gefahrenlage als maßgeblichen Grund für die Zurechnung abzustellen, lässt sich der Einwand, die Herausforderungsformel könne die Fälle selbstverschuldeter Notlagen mangels rechtswidrigen Vorverhaltens nicht erfassen, nicht aufrecht erhalten. b) Allgemeine Kritik am Pflichtwidrigkeitsurteil bei rechtmäßigem Vorverhalten Die vereinzelt gegen die Herausforderungsrechtsprechung geäußerten – gegenüber dem Ansatz einer Gefahrvermeidungspflicht gleichermaßen bestehenden – Bedenken, ein an sich erlaubtes Verhalten dürfe nicht nachträglich durch die Statuierung einer allgemeinen Verhaltenspflicht, eine Selbstgefährdung mit Rücksicht auf andere zu unterlassen, indirekt in ein Verbot umgewandelt werden mit der Folge, dass ein nur „geringfügiges Verschulden gegen sich selbst“ zur vollen, in ihrem Umfang nicht mehr steuerbaren Haftung führt,325 weisen im Kern auf 323

BGH NJW 1964, 1363, 1364. OLG Karlsruhe r+s 1990, 235. 325 Vgl. Stoll, S. 411, 422 f.; in den Verfolgerfällen kritisch Kötz/Wagner, Rn. 162; Esser/Schmidt, SR I/2, § 33 II 2 a. 324

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einen richtigen Aspekt hin, nämlich das nach dieser Ansicht unausgewogene Verhältnis zwischen Verhaltensanforderungen und den daraus resultierenden Konsequenzen. Diese Bedenken sind wegen der hieraus gezogenen pauschalen Schlussfolgerung, in diesen Fällen komme eine Haftung aus unerlaubter Handlung nicht in Betracht, jedoch verfehlt. Richtigerweise müssen die hier angesprochenen Bedenken („geringfügiges Verschulden“ gegenüber voller Haftung) als rechtspolitische Erwägungen in die Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen einfließen. Innerhalb der Abwägung ist dann als ein Aspekt von mehreren zu bewerten, ob dem Notlagenverursacher angesichts der von ihm geschaffenen Gefahren nach der Verkehrsanschauung ein anderes Verhalten zugemutet werden kann und muss oder ob es sich bei dem geschaffenen Risiko um ein maßvolles, vom Verletzten selbst zu tragendes, erlaubtes Risiko handelt und ansonsten eine Flut von Schadensersatzklagen zu befürchten ist.326 Einer solchen Abwägung würde man sich bei einer pauschalen Ausklammerung der Fälle an sich rechtmäßigen Vorverhaltens entziehen. Das kann schon allein deshalb nicht richtig sein, weil diese Argumentation der heute allgemein anerkannten Verkehrspflichtendogmatik generell zuwider läuft, wonach ein an sich erlaubtes, aber eben gefährliches Verhalten nicht per se verboten ist, wegen des Verletzungspotentials aber im Falle einer hierdurch bewirkten Rechtsgutsbeeinträchtigung die Haftung des Handelnden rechtfertigt.327 Ebenso wie es unbillig erscheint, das Stolpern des Bergwanderers auf einer Almenwanderung („geringfügiges Verschulden gegen sich selbst“) als ausreichend schwerwiegende Verfehlung dafür anzusehen, dass er dem Bergretter, der beim Herbeieilen auf ebener Erde ebenfalls stolpert, deliktisch voll verantwortlich ist,328 erscheint es sachgerecht, den vielfach zitierten Bergsportler, der mit völlig unzureichender Ausrüstung und bei Schlechtwetterankündigung schwere Touren unternimmt,329 haftungsrechtlich für Schäden des Retters bei einem so provozierten gefährlichen Einsatz heranzuziehen. Es geht bei der Wertung zur Frage der Pflichtwidrigkeit gerade darum, die Umstände des Einzelfalls sorgfältig abzuwägen und eine stichhaltige Begründung dafür zu finden, warum im einen Fall eine Haftung des unvorsichtigen Bergsportlers womöglich ausscheidet, während sie in einem anderen Fall zu bejahen ist. Eine pauschale Bejahung der Pflichtwidrigkeit und damit der Haftung für die Notlagenverursachung bei ge326

Vgl. oben C. II. 2. b) dd); Lang, S. 64. Es ist gerade die Funktion der Verkehrspflichten/allgemeinen Sorgfaltspflichten, auch bei an sich nicht rechtswidrigem Verhalten wegen der hieraus auch für Dritte erwachsenden Gefahren im Falle einer Rechtsgutsbeeinträchtigung ein Unwerturteil zu begründen. Vgl. hierzu ausführlich Jansen, S. 394 ff.; MüKo-Mertens (3. Auflage), § 823 Rn. 2; Staudinger-Schiemann, § 823 Rn. E 2 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/22 und 28 ff.; Schwimann-Harrer, § 1295 Rz. 39 ff.; Rummel-Reischauer, § 1294 Rz. 5, 11; ebenso BK-Schnyder, Art. 41 N. 38; Berner-Komm./Brehm, Art. 41 N. 187. 328 Zimmermann, JZ 1980, 10, 14 („allgemeines Lebensrisiko“). 329 Nökel, S. 108. 327

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ringfügigem Selbstverschulden ist deshalb ebenso wenig angemessen wie eine generelle Verneinung derselben. c) Wertungsfehler bei Anwendung der Herausforderungsformel Die Wertungsvorgaben der Herausforderungsformel und die hierauf zurückgehende Gewichtung der in die Wertung einbezogenen Kriterien erfüllen jedenfalls in ihrer derzeitigen Anwendung auf Rettungsfälle ihren Zweck, im Wege einer umfassenden Abwägung eine aus dem Blickwinkel der Verschuldenshaftung sachgemäße und interessengerechte Begründung für die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung zu ermöglichen, nur unzureichend. Das liegt maßgeblich an den Schwächen der hier verwendeten Wertungsmethode. Die Aufstellung allgemeiner Zurechnungsvoraussetzungen ohne konkrete Bezugnahme auf die sich gegenüberstehenden Interessen des Notlagenverursachers und des Hilfeleistenden versperrt den Blick für die erforderliche umfassende Interessenabwägung und führt zu einer Verkürzung der für diese Interessenbewertung erforderlichen Gesamtbetrachtung.330 Die jeweils herangezogenen Wertungskriterien selbst werden nicht ausreichend differenziert und die konkreten Einzelfallumstände nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Darüber hinaus werden Wertungsaspekte fehlerhaft gewichtet oder teilweise gar nicht berücksichtigt mit der Folge, dass die Interessen des Hilfeleistenden am Ersatz seiner Schäden deutlich überbewertet werden und die Haftung des Notlagenverursachers oftmals vorschnell bejaht wird. Ein sachgemäßer Ausgleich zwischen den sich gegenüberstehenden Interessen kann so nicht erfolgen und eine nachvollziehbare Eingrenzung der Haftung des Notlagenverursachers nicht erreicht werden.331 aa) Überbewertung des Herausforderungscharakters Ausgangspunkt für die Begründung der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung ist auch nach der Herausforderungsformel, dass der Notlagenverursacher durch die Veranlassung der Hilfeleistung eine Gefahr für den Hilfeleistenden geschaffen hat, die sich letztlich in der Verletzung des Hilfeleistenden realisiert. Die Schaffung einer solchen Gefahr setzt sich in den Rettungsfällen notwendig aus zwei Elementen zusammen, die untrennbar miteinander verknüpft sind: der konkret herbeigeführten Notlage und der hierdurch bedingten Veranlassung zur Hilfeleistung. Die konkrete Gefährdung des Hilfeleistenden kann darauf zurück330 So auch ansatzweise die Kritik von Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 8/77: Die Formel von der Herausforderung des Entschlusses ist allerdings nicht aussagekräftig genug, um daran die Entscheidung (über die Zurechnung) knüpfen zu können. Es muss vielmehr auch hier eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen werden. 331 Insoweit ist die gegen die Bejahung von Schadensersatzansprüchen des Hilfeleistenden gegen den Notlagenverursacher berechtigt, vgl. Schwarz, JZ 1966, 162 ff.; Rother, S. 102 ff.; Stoll, S. 411, 422 f.

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zuführen sein, dass die Notlagensituation selbst eine Gefahrenquelle darstellt, in deren Wirkungsbereich sich der Hilfe leistende notwendigerweise begibt, um den Hilfesuchenden zu retten, und/oder sie kann aus der Gefährlichkeit der nach ihrer Art erforderlichen Hilfeleistung resultieren, und zwar auch dann, wenn die Notlagensituation selbst keine Gefahren für Außenstehende birgt. Ersteres ist etwa der Fall, wenn die Feuerwehr einen Brand bekämpft332, jemand versucht, den bewusstlosen Fahrer eines PKW vor einem herannahenden Zug zu retten333 oder jemand herbeieilt, um einen Schwerverletzten vom Dach eines Starkstrom ausgesetzten Waggons zu ziehen.334 Letzteres war etwa im sog. Nierenspende-Fall gegeben.335 Die Hilfeleistung selbst – Spenden einer Niere – war „gefährlich“ für die Gesundheit der Mutter. Die Gesundheitsbeeinträchtigung des Kindes enthielt selbst keine Gefahr für die Gesundheit der Mutter. Welches Gewicht der vom Notlagenverursacher geschaffenen Gefahr innerhalb der Interessenabwägung zukommt, hängt von den konkreten Einzelfallumständen, der tatsächlichen Gefährdung des Hilfeleistenden ab. Sie ergibt sich aus dem Ausmaß der allgemeinen Bedrohung, dem Wert der hierdurch bedrohten Rechtsgüter und der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.336 Die Intensität der Veranlassung zur Hilfeleistung kann (muss aber nicht) indirekt als Grund für eine größere Gefährdung – genauer: Schadenseintrittswahrscheinlichkeit – zu beachten sein. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Veranlassungsintensität bewirkt, dass der Hilfe leistende aufgrund der Dringlichkeit zu schnellem Handeln veranlasst wird und von ihm deshalb nicht erwartet werden kann, dass er sich in gleichem Maße selbst vor den bestehenden Gefahren schützt, als wenn er seine Rettungstat wohlüberlegt planen kann. Zu Recht weist das Reichsgericht darauf hin, dass keine kühle Überlegung erwartet werden könne und die zu einem raschen Entschluss drängende Aufregung beachtet werden müsse.337 Mit den Einzelheiten der vom Notlagenverursacher für den Hilfeleistenden geschaffenen Gefahr setzen sich die Gerichte jedoch trotz der Bedeutung der konkreten Gefährlichkeit für die Interessenabwägung kaum auseinander. Sie begnügen sich gemeinhin mit der kurzen (pauschalen) Feststellung, dass eine Gefahrenlage bzw. ein gesteigertes Risiko herbeigeführt worden sei,338 ohne näher darauf

332 333 334 335 336 337

BGH NJW 1993, 2234; NJW 1996, 2646. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365. OLG Karlsruhe r+s 1990, 235. BGH NJW 1987, 2925. Vgl. oben C. II. 2. b) aa). Vgl. RG JW 07, 673 Nr. 8 – oben D. I. 1.; ebenfalls Zimmermann, JZ 1980, 10,

12 f. 338 BGH NJW 1987, 2925, 2926; NJW 1993, 2234; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365, 1366; OLG Karlsruhe r+s 1990, 235.

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einzugehen, worin diese Gefahr im Einzelnen bestand und wie wahrscheinlich der Schadenseintritt bei dem herbeieilenden Nothelfer war. Die konkrete Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der Gefährdung des Helfers und die damit verbundene korrekte Gewichtung der Gefahrschaffung innerhalb der Interessenabwägung ist nach dem Konzept der Herausforderungsformel auch deshalb nicht unbedingt notwendig, weil auch noch bei der Abgrenzung des gesteigerten von einem allgemeinen Lebensrisiko eine Korrektur zuvor gewonnener Erkenntnisse – wenn auch, wie sich gleich zeigen wird, auf nicht überzeugender Begründungsbasis – möglich ist. In den Mittelpunkt der richterlichen Argumentation rückt mit dem Erfordernis des Sich-Herausgefordert-Fühlen-Dürfens stattdessen der (scheinbar) besondere Veranlassungscharakter der Notlage, der so nicht nur als Argument zur Überbrückung von Kausalitätszweifeln bei psychischer Veranlassung herangezogen wird, sondern darüber hinaus auch besonderes Gewicht bei der Wertung zur Pflichtwidrigkeitsfrage erhält. So ist etwa zu lesen, der Schädiger müsse für die Selbstschädigung des Retters einstehen, wenn der Schädiger einen Gefahrenzustand geschaffen hat, der von einem solchen Gewicht und einem solchen Aufforderungscharakter an den Retter ist, dass die Risikoverlagerung bei wertender Betrachtung ihm zuzuordnen sei.339 Auch sonst wird gebetsmühlenartig darauf hingewiesen, seit langem sei anerkannt, dass bei Gefahr für Leib oder Leben das Eingreifen opferbereiter Dritter nahezu zwangsläufig herausgefordert wird, so dass hierbei erlittene Verletzungen unzweifelhaft als Folge der unerlaubten Handlung zuzurechnen sind.340 Die besondere Betonung des Herausforderungscharakters der Notlage ist darauf zurückzuführen, dass das Problem der mittelbaren Schädigung zunächst vornehmlich als Kausalitätsproblem („psychisch vermittelte Kausalität“, „Unterbrechung des Kausalzusammenhangs“) erörtert wurde und es der frühen Rechtsprechung zu den Rettungsfällen noch um eine geeignete Begründung dafür ging, die Unsicherheiten bei der Kausalitätsprüfung aufgrund des dazwischentretenden eigenständigen und eigenverantwortlichen Hilfeleistungsentschlusses innerhalb der Kausalkette durch einen besonderen Veranlassungsgrad zu überwinden.341 Heute wird zurecht von keiner Seite mehr in Zweifel gezogen, dass die Verursachung einer Notlage ausreichender Anlass und damit hinreichend wahrscheinlich für einen Hilfeleistungsentschluss ist (vgl. oben I.). Wenn nun der besondere Herausforderungscharakter als Zurechnungskriterium zur Begründung auch der Pflicht339 BGH NJW 1987, 2925, 2926. Dass der Bundesgerichtshof gerade im Nierenspende-Fall den besonderen Aufforderungscharakter als Argument betonen musste, liegt auf der Hand, denn eine besondere Gefahrenlage für die Mutter ging von der Gesundheitssituation des Sohnes entgegen der Formulierung gerade nicht aus. 340 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365 mit Hinweis auf BGH NJW 1964, 1363 f.; BGH VersR 1971, 964. 341 Vgl. auch Zimmermann, JZ 1980, 10, 13 (Fn. 39).

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widrigkeit herangezogen wird, bewirkt diese Vermischung von Schadensverursachungs- und Pflichtwidrigkeitsaspekten, dass das zentrale Kriterium, aus dem sich die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung ergeben muss, nämlich die Schaffung einer nicht tolerierbaren Gefahr für die Rechtsgüter des Hilfeleistenden, in den Hintergrund tritt und die Pflichtwidrigkeit letztlich maßgeblich mit dem Herausforderungscharakter der Notlagenverursachung begründet wird. Allein durch die Bejahung einer ausreichend wahrscheinlichen Veranlassung der Hilfeleistung nach Adäquanzgesichtspunkten wird dann zugleich die Frage der Pflichtwidrigkeit präjudiziert, ohne dass es hierfür einer weitergehenden Begründung, insbesondere einer genaueren Auseinandersetzung mit den Wahrscheinlichkeiten zwischen Veranlassung und Verletzung (Grad der Gefahr) bedürfte. Das lässt sich auch am Wortlaut einschlägiger Entscheidungen ohne weiteres belegen. Hatte der Bundesgerichtshof seinerzeit noch betont, dass bei entsprechenden Gefahrenlagen das Eingreifen opferbereiter Dritter nahezu zwangsläufig herausgefordert wird und deshalb hierbei erlittene Verletzungen unzweifelhaft adäquate Folgen der unerlaubten Handlung seien,342 wird eben dieser Satz heute mit der kleinen aber bedeutenden Korrektur übernommen, dass Verletzungen infolge hinreichend veranlasster Hilfeleistungen unzweifelhaft als Folge der unerlaubten Handlung dieser zuzurechnen seien.343 Die Vermischung der beiden hier aufgeworfenen Wertungsfragen durch die Rechtsprechung führt innerhalb der richterlichen Argumentation zur Zurechnung dann nicht selten zu deutlichen Dissonanzen. So wird die Betonung des Herausforderungscharakters als Zurechnungserfordernis unmittelbar durch die Gerichte selbst konterkariert, wenn in ein und demselben Argumentationszusammenhang erst ein besonderer Aufforderungscharakter gefordert, dieser dann aber bereits bejaht wird mit dem Hinweis, es reiche aus, dass der Hilfe leistende eine „im Ansatz billigenswerte Motivation“ verfolgt.344 342

BGH NJW 1964, 1363, 1364. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1365 f. Vgl. ebenfalls das Beispiel LG Nürnberg-Fürth NJW 1999, 3721, in dem sich die Zurechnungsüberlegungen des Gerichts ebenfalls deutlich auf reine Adäquanz-, sprich allgemeine Vorhersehbarkeitsaspekte beschränken. Wer eine Schlägerei anzettelt, müsse „allgemein“ sowohl damit rechnen, dass ein Dritter einschreitet, als auch damit, dass ein Vierter den Einschreitenden daraufhin niederstreckt. 344 BGH NJW 1987, 2925, 2926; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365, 1366: Es handele sich bei dem Merkmal des „Herausforderns“ um eine normative Korrektur (!) im Rahmen der Zurechnung in den Fällen der sog. psychisch vermittelten Kausalität. Diese Korrektur erscheint dann aber mehr als fragwürdig, wenn die Herausforderung im darauffolgenden Satz dahin umschrieben wird, dass der Schädiger bei dem Geschädigten „eine mindestens im Ansatz billigenswerte Motivation“ zu dessen selbstgefährdendem Verhalten gesetzt hat. Vgl. auch OGH 2Ob15/05b, S. 5: „Erweist sich danach der vom Schädiger zu verantwortende Gefahrenzustand von solchem Gewicht, dass das Eingreifen des Helfers wenn nicht geboten, so doch verständlich und billigenswert erscheint, so sind das von ihm auf sich genommene Risiko und die daraus entstehenden Schadensfolgen dem Schädiger zuzurechnen.“ 343

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Wie bereits dargestellt, liefert der besondere Aufforderungscharakter für den eigentlich wichtigen Wertungsaspekt der konkreten Gefährdung nur ein schwaches und keinesfalls ausreichendes Argument. Denn damit greifen die Richter nur einen (untergeordneten) von mehreren Aspekten heraus, die es im Rahmen der Beurteilung der konkreten Gefährlichkeit zu berücksichtigen gilt. Als vordringliches Argument für die Pflichtwidrigkeit ist der Herausforderungscharakter zudem ungeeignet, da sich die Intensität der Veranlassung als unterschiedlich ausgeprägtes, individuelles psychisches Phänomen und damit die Wahrscheinlichkeit der Gefahrrealisierung kaum jemals genau bestimmen lassen. Sicher sagen lässt sich nur, dass die Notlage Anlass für das Einschreiten des Hilfeleistenden war und eine nach der Verkehrsanschauung vorhersehbare Reaktion ist. Diese Erkenntnis mag für die Feststellung eines ausreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs zwischen Notlagenverursachung und Hilfeleistungsentschluss noch ausreichen. Für die Frage der Pflichtwidrigkeit ist daraus allein jedoch nicht viel zu gewinnen. Stellt man den Herausforderungscharakter als maßgebliches Argument für die Zurechnung in den Mittelpunkt, verschiebt sich dadurch zwangsläufig die Perspektive bei der Betrachtung der Gefahrschaffung. Denn die besondere Appellwirkung einer Notlage ist aus dem Blickwinkel des Hilfeleistenden zu beurteilen und resultiert aus der dem Hilfesuchenden drohenden Gefahr. So rückt implizit die besondere Gefahr für Leib oder Leben des Hilfesuchenden ins Zentrum der richterlichen Argumentation für die Zurechnung. Es kann für die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung aber nicht auf die Bedrohung der Rechtsgüter des Notleidenden, sondern maßgeblich allein auf die Gefahren für die Rechtsgüter des Hilfeleistenden ankommen. Richtig wäre, sich nach Feststellung einer ausreichenden Veranlassung dezidiert mit der für den Hilfeleistenden geschaffenen Gefahr auseinanderzusetzen und diese als maßgebliches Argument für die Pflichtwidrigkeit innerhalb der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Mit der Betonung des Herausforderungscharakters und damit der Gefahr für den Hilfesuchenden unweigerlich verbunden ist, dass der sittliche Wert der Hilfeleistung als maßgebliches Argument für die Zurechnung in den Mittelpunkt rückt. Die Vermischung von Gefahrschaffung und Veranlassung zur Hilfeleistung führt also zu folgendem Ergebnis: Mit der pauschalen Bejahung einer Gefahr für den Hilfeleistenden und der Feststellung, dass dieser – ob besonders intensiv oder nicht spielt im Ergebnis angesichts der gängigen Anforderungen der Rechtsprechung keine Rolle – zum Handeln veranlasst worden ist, wird bereits vorweg, d.h. bei Untersuchung des ersten (Zurechnungs-)Kriteriums die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung und damit ein Vorwurf an den Notlagenverursacher bejaht. Da sich der Hilfe leistende in Notfällen stets herausgefordert fühlen darf, führt nach der Herausforderungsrechtsprechung jede Notlage grundsätzlich zur

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Haftung für Schäden des Helfers.345 Die anschließend berücksichtigten Kriterien der Vernünftigkeit des Hilfeleistungsentschlusses und der konkreten Hilfeleistung sowie das Erfordernis, dass sich eine gesteigerte Gefahr realisiert haben muss, werden nur noch haftungsbeschränkend herangezogen und führen, wie sich sogleich zeigen wird, zu keiner nennenswerten bzw. nachvollziehbaren Korrektur. bb) Vernünftigkeitserwägungen: Ausblendung der Eigenverantwortung des Helfers Das Kriterium der Vernünftigkeit des Hilfeleistungsentschlusses und der konkret durchgeführten Hilfeleistung soll als Korrektiv zur grundsätzlichen Bejahung der „Zurechnung“ bei ausreichender Hilfeleistungsveranlassung fungieren.346 Wie bereits aufgezeigt, besteht im Rahmen der Vernünftigkeitsbetrachtung die Möglichkeit, den für die Interessenabwägung wichtigen Aspekt der Eigenverantwortung des Hilfeleistenden für sein Tun als Gegengewicht zu der vom Notlagenverursacher geschaffenen Gefahrenlage in die Interessenabwägung einfließen zu lassen. In der Rechtsprechung zu den Hilfeleistungsfällen ist das Vernünftigkeitskriterium jedoch nahezu bedeutungslos geworden. Der Grund hierfür liegt in der schon vom Reichsgericht herausgehobenen Erwägung, dass der besondere Charakter der Hilfeleistung als Erfüllung einer sittlichen Pflicht keine hohen Anforderungen an die Vernünftigkeit der Hilfeleistung zulasse.347 Mit diesem Argument wird also der an die Vernünftigkeit anzulegende Maßstab rigoros gesenkt und die hinter der Vernünftigkeitsbewertung stehenden Aspekte der Eigenverantwortung des Hilfeleistenden werden weitgehend ausgeblendet. Ob dem Hilfeleistenden zumutbare Möglichkeiten offen standen, sich selbst zu schützen, findet innerhalb der Interessenbewertung keine nennenswerte Berücksichtigung. Allein ein krasses Missverhältnis zwischen der Selbstgefährdung des Retters und dem zu erwartenden Erfolg rechtfertigt ausnahmsweise die Verneinung der Zurechnung.348 Eine echte Abwägung zwischen der Gefahrschaffung durch den Notlagenverursacher und der Eigenverantwortung des Hilfeleistenden findet nicht statt. Die intendierte Beschränkung der durch das Herausforderungskriterium vorab bejahten Haftung wird also nicht erreicht. Der Notlagenverursacher hat selbst dann für Verletzungen des Retters einzustehen, wenn seine Hilfeleistung besonders riskant und unvorsichtig ausgeführt wird, solange der Zweck, die überragenden Rechtsgüter Leben und Gesundheit vor Schaden zu bewahren, die konkret 345 Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rn. 155: „Erleidet der Retter einen Schaden, so fällt dieser grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Schädigers.“ 346 Vgl. Zimmermann, JZ 1980, 10, 13; Lange/Schiemann, § 3 X 2 a. 347 Vgl. oben D. I. 1. 348 BGHZ 101, 215, 221. Beispiele hierfür scheinen nicht zu existieren.

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eingesetzten Mittel einschließlich der Fehler des Hilfeleistenden rechtfertigt.349 Dies ist bei der Gefährdung von Leib und Leben des Hilfesuchenden immer der Fall. Auch hier zeigt sich, dass die Ausblendung der für die Interessenabwägung wichtigen Eigenverantwortungsaspekte auf Seiten des Helfers letztlich darauf beruht, dass bei den Vernünftigkeitserwägungen nach der Herausforderungsrechtsprechung eine falsche Perspektive zu einer fehlerhaften Gewichtung der Wertungsaspekte führt. Nicht die Gefahr für Leib und Leben des Hilfesuchenden, sondern die durch die Notlage für den Hilfeleistenden geschaffene Gefahr ist mit der vom Hilfeleistenden zu erwartenden Eigenverantwortung abzuwägen. Die Gefährdung der Rechtsgüter des Hilfeleistenden als Geschädigtem und potentiellem Anspruchinhaber allein ist zentraler Anknüpfungspunkt dafür, dem Notlagenverursacher sein Verhalten als pflichtwidrig anzulasten, nicht aber die Gefährdung der Rechtsgüter des Hilfesuchenden. Die Abwägung zwischen den bedrohten Rechtsgütern des Hilfesuchenden und der Vernünftigkeit der Hilfeleistung lässt nicht nur wenig Raum für die Berücksichtigung zumutbarer Selbstschutzmöglichkeiten des Hilfeleistenden innerhalb der Interessenabwägung, sie blendet selbst die Berücksichtigung eines Fehlverhaltens des Hilfeleistenden im Rahmen der Mitverschuldensprüfung weitgehend aus.350 Zwar ist es richtig, dass – wie bereits dargestellt – der aus der sittlichen Pflicht erwachsende Appellcharakter der Notlage zu einer Reduzierung der vom Hilfeleistenden zu erwartenden Vernünftigkeit bei der Hilfeleistung und damit zu einer höheren Verletzungswahrscheinlichkeit führen kann. Dieser Unteraspekt ist aber im Einzelfall darzulegen und innerhalb der Gesamtabwägung der sich gegenüberstehenden Interessen des Notlagenverursachers und des Hilfeleistenden zu berücksichtigen. Nach der Bewertung der ersten beiden Zurechnungskriterien lässt sich demnach festhalten: Die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung wird zunächst unter dem pauschalen Hinweis auf die Gefahrschaffung und unter Betonung des Herausforderungscharakters der Notlage bejaht. Anschließend werden im Rahmen der Vernünftigkeitsprüfung die als Gegengewicht in die Interessenabwägung einzubringenden Eigenverantwortungsaspekte auf Seiten des Hilfeleistenden weitgehend ausgeblendet. Beides ist maßgeblich dadurch bedingt, dass sowohl bei der Betrachtung der Gefahrschaffung („Herausforderung“) als zentralem Kriterium für die Haftung des Notlagenverursachers als auch bei der Frage der Ei349 OLG Karlsruhe r+s 1990, 235. Wenn das Gericht hier die besondere Leichtsinnigkeit des Hilfsbedürftigen anmahnt, ist nicht recht einzusehen, warum dieser Aspekt bei der Hilfeleistung selbst gar nicht mehr, nicht einmal im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen ist. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365. 350 Vgl. OLG Karlsruhe r+s 1990, 235: Aus den gleichen Gründen wäre es auch verfehlt, hier unter Hinweis auf § 254 BGB eine Haftungsverteilung vorzunehmen. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365 f. (keine Erwähnung einer möglichen Schadensteilung).

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

genverantwortung des Hilfeleistenden („Vernünftigkeit“) als Gegenpol hierzu der sittliche Wert der Hilfeleistung als maßgebliches Argument im Vordergrund steht und eine tatsächliche, objektive Gewichtung des individuellen Rechtsgüterschutzes des Helfers gegenüber der individuellen Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers durch die Gemeinnützigkeit der Hilfeleistung verhindert wird. In seiner konkreten Verwendung nimmt der Sittlichkeitsaspekt der Hilfeleistung daher eine derart prominente Stellung ein, dass der Vorwurf, es handele sich bei der Begründung der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung eigentlich um Sittlichkeitsbzw. Billigkeitserwägungen,351 berechtigt ist. Der Hilfeleistende wird durch den Schadensersatzanspruch eher für sein sittliches Verhalten belohnt, als dass der Notlagenverursacher für seine missbilligte, weil gefährliche Tat zur Verantwortung gezogen wird. cc) Ungeeignetheit der Unterscheidung zwischen gesteigertem und allgemeinem Risiko Zwar hat die Rechtsprechung in Einzelfällen die Haftung des Notlagenverursachers für Schäden des Hilfeleistenden mit dem Argument verneint, es habe sich das allgemeine Lebensrisiko, nicht aber eine gesteigerte Gefahr der Hilfeleistung realisiert. Dieses letzte einschränkende Zurechnungskriterium erscheint jedoch zu wenig präzise, als dass es zu einer sachgemäßen Begründung der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung taugt. Wonach bemisst sich, ob das konkret realisierte Risiko als allgemeines Lebensrisiko zulasten des Hilfeleistenden wirkt oder als besonderes, gesteigertes Hilfeleistungsrisiko in den Verantwortungsbereich des Notlagenverursachers fällt? Die Fälle, in denen die Rechtsprechung die Haftung des Notlagenverursachers unter Hinweis auf die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos abgelehnt hat, sind keineswegs eindeutig und hätten mit einer anders nuancierten Argumentation auch anders entschieden werden können. So könnte man argumentieren, dass dem Feuerwehrmann, der nach dem Einsatz beim Aufrollen der Schläuche umgeknickt ist,352 dieses Missgeschick aufgrund der Erschöpfung durch den Hilfeleistungseinsatz passierte. Nicht recht einzusehen ist ferner, dass dem am Unfallort Erste Hilfe leistenden Arzt, der seine Jacke samt Uhr über die Leitplanke gehängt hat, der Verlust der gestohlenen Uhr nicht ersetzt werden soll.353 Ist es nicht ein besonderes Risiko der Hilfeleistung, zu deren Zweck der Arzt sich „überflüssigen Ballastes“ entledigte, dass die im Interesse einer effektiveren Hilfeleistung beiseite gelegten und nicht mehr bewachten Gegenstände gestohlen werden? Hätte der Arzt Jacke und Uhr bei seinen Hilfeleistungsmaßnahmen an351 352 353

Vgl. oben D. I. 2. a). BGH NJW 1993, 2234. OLG Frankfurt VersR 1971, 786.

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behalten oder besser im Blick behalten sollen? Muss an der Entscheidung nicht umso mehr gezweifelt werden, wenn man bedenkt, dass das Ablegen von Jacke und Uhr zur Hilfeleistung gerade vernünftig war und an etwaige Unvorsichtigkeiten des Hilfeleistenden wegen der Dringlichkeit der Situation keine großen Anforderungen zu stellen sind? Auch der dritte Fall, in dem einem Hilfeleistenden Ersatzansprüche mangels Verwirklichung eines gesteigerten Risikos versagt wurden, weckt Zweifel. Wenn jemand wegen der besonderen Dringlichkeit der Situation nach einem Verkehrsunfall „zügigen Schrittes“ die Straße überquert, um einen Notruf abzusetzen, und sich dabei die Achillessehne reißt,354 dann lässt sich genauso gut sagen, dass sich hier ein durch die Hilfeleistung gesteigertes Risiko verwirklicht hat. Der Satz, der Veranlasser hafte nicht für Schäden, die zufällig während des Eingreifens des Hilfeleistenden eintreten und ebenso gut außerhalb dieses Vorgangs hätten eintreten können,355 führt nicht weiter. Damit ist die Prüfungsaufgabe, allgemeines Lebensrisiko von besonderen Hilfeleistungsgefahren zu trennen, lediglich anders formuliert. Es muss eben geklärt werden, wann ein Schaden „zufällig“ eintritt und kein besonderes Resultat der konkreten Hilfeleistungssituation ist. Das wird angesichts der Pauschalität der aufgestellten Kriterien wohl kaum durchgehend schlüssig gelingen können, so dass die Gefahr besteht, dass die Abgrenzung letztlich auf Billigkeitserwägungen basiert.356 Der Verweis auf den möglichen Eintritt eines Schadens auch außerhalb der konkreten Hilfeleistungssituation betrifft vor allem Risiken, die nicht von der Notlagensituation selbst – zum Beispiel dem Brand eines Hauses oder dem Herannahen eines Zuges – ausgehen und deshalb leichter zuzuordnen, sondern primär in der Art der Hilfeleistungstätigkeit angelegt sind. Der Vergleich mit Schäden, die auch sonst ohne weiteres auftreten können, macht die Abgrenzung hier besonders schwierig, wenn der Anlass zu dieser Art von Verhalten auch ein anderer sein kann. Ist es nicht ein typisches, allgemeines Risiko des Reiters/Pferdebesitzers, sich beim Versuch, ein entlaufenes oder durchgegangenes Pferd einzufangen, zu verletzen?357 In den Verfolgerfällen wäre zu fragen: Ist das Risiko, sich bei der Verfolgung eines Flüchtenden zu verletzen, nicht ein Risiko, dass häufig auch bei sämtlichen sportlichen Freizeitaktivitäten besteht? Darf es einen Unterschied machen, ob der Verfolger sich im Dienst bei der Überquerung eines frisch geschnittenen Rasens358 bzw. beim Hinablaufen einer steilen Bahnhofstreppe359

354 355 356 357 358 359

OLG Köln NJW-RR 1990, 669. OLG Köln, a. a. O. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen. Vgl. Zimmermann, JZ 1980, 10, 14 („vielfach nicht unzweifelhafte Abgrenzung“). Vgl. OLG Celle NJW 1979, 723. BGH NJW 1971, 1982. BGH NJW 1971, 1980.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

verletzt, oder ihm dieses Missgeschick beim Wochenendkick bzw. beim Jogging widerfährt? Die Antwort auf diese Fragen kann nicht abstrakt durch eine Gegenüberstellung der konkreten (Hilfeleistungs-)Tätigkeit mit sonstigen, im Alltagsleben ebenfalls üblicherweise eingegangenen Risiken gelingen. Dann ist schon fraglich, wie Letztere zu definieren und einzugrenzen sind. Die Frage, ob sich ein allgemeines Risiko oder ein gesteigertes Risiko verwirklicht hat, hängt maßgeblich von zusätzlichen Aspekten, insbesondere auch von rechtspolitischen Erwägungen ab, die ebenfalls wertend berücksichtigt werden müssen. Die Frage muss richtigerweise lauten: Hat sich ein erlaubtes oder ein missbilligtes Risiko verwirklicht? So war wohl die missbilligte Provokation des Landwirts, die das Scheuen der Pferde bedingte, maßgeblicher Grund dafür, die Verletzungen des Reiters, die sich dieser bei der Verfolgung der durchgegangenen Pferde zuzog, als Verwirklichung eines haftungsrelevanten Risikos anzusehen. In den Verfolgerfällen wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es um die „Verfolgung des Unrechts“ geht.360 Das Kriterium, es müsse sich eine gesteigerte Gefahr und nicht das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht haben, ist zur Begründung der Pflichtwidrigkeit letztlich deshalb untauglich, weil es ein Ergebnis suggeriert, das durch die Interessenabwägung erst ermittelt werden muss. Hier geht es gerade erst darum, zu klären und eine stichhaltige Begründung dafür zu finden, welche Risiken dem Notlagenverursacher anzulasten sind, weil sie nach Abwägung der Interessen als von ihm vorwerfbar geschaffene Risiken einzustufen sind, oder in den Bereich des allgemeinen Lebensrisikos fallen, „zufällig“ und deshalb vom Hilfeleistenden selbst zu tragen sind. d) Fazit Die Auswertung der Herausforderungsrechtsprechung zu den Rettungsfällen zeigt, dass die Herausforderungsformel jedenfalls in ihrer konkreten Anwendung durch die Rechtsprechung keine durchweg schlüssigen und interessengerechten Ergebnisse liefert. Die methodischen Schwächen dieses Ansatzes verhindern, dass in Rettungsfällen die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung in Bezug auf die Verletzung des Retters im Wege der hierzu erforderlichen umfassenden Interessenabwägung ermittelt wird. Eine ausreichend konkrete Auseinandersetzung mit den Einzelfallumständen, die im Rahmen der Interessenbewertung eine Rolle spielen, findet nicht statt. Der sittliche Wert der Hilfeleistung rückt derart in den Mittelpunkt der Argumentation, dass hierdurch Abwägungskriterien ausgeblendet oder unangemessen gewichtet werden. Rechtspolitische Erwägungen kommen kaum und allenfalls am Rande zum Tragen.

360

Zimmermann, JZ 1980, 10, 13; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/55.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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Wenn hier die Herausforderungsrechtsprechung zu den Rettungsfällen aus den vorstehenden Erwägungen heraus kritisiert und ihr die Eignung abgesprochen wird, auf die Frage der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung durchgehend interessengerechte Antworten zu geben, so trägt diese Kritik nur dann, wenn die erforderliche umfassende Interessenabwägung nicht an anderer Stelle innerhalb der Prüfung in Ergänzung der Herausforderungskriterien oder separat erfolgt, sei es bei der Rechtswidrigkeitsprüfung oder bei der Feststellung der Sorgfaltspflichtverletzung innerhalb des Fahrlässigkeitsverschuldens. Genau das ist aber nicht der Fall. Mit der Bejahung der objektiven Zurechnung anhand der Herausforderungskriterien werden die Rechtswidrigkeit der Notlagenverursachung und das Verschulden des Notlagenverursachers nicht mehr oder nur noch am Rande thematisiert. Insbesondere die Frage nach dem Verstoß gegen eine im Verkehr erforderliche Sorgfaltspflicht wird mit dem Hinweis auf die generelle Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der jeweiligen Verletzung ohne große Umschweife bejaht.361 Das ist insofern systematisch konsequent, als durch die Bejahung des Tatbestands im engeren Sinne die Rechtswidrigkeit und beim Fahrlässigkeitsdelikt auch das Verschulden indiziert ist und nur bei Vorliegen besonderer Rechtfertigungs-/Schuldauschließungsgründe ausgeschlossen sein soll.362 Werden die Herausforderungskriterien in der besagten Art und Weise untersucht und bejaht, erfolgt anschließend weder die Feststellung einer Verkehrspflichtverletzung im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung noch wird auf den erforderlichen Sorgfaltspflichtverstoß näher eingegangen. An anderer Stelle wird der Vorwurf der Fahrlässigkeit mit dem Argument abgetan, es genüge, dass der Schädiger die Möglichkeit des Eintritts eines schädigenden Erfolges im Allgemeinen hätte voraussehen können.363 Am Beispiel der Rettungsfälle lässt sich damit belegen, dass die dogmatisch inkonsequente Handhabung der Frage der Pflichtwidrigkeit bei mittelbaren Schädigungen364 – nämlich die von dogmatischen Voraussetzungen weitgehend losgelöste Wertung unter dem Deckmantel der Schutzzweckbetrachtung ohne konkrete Bezugnahme auf die widerstreitenden Interessen – letztlich dazu führt, dass die Pflichtwidrigkeit als zentrales Kriterium für die Verschuldenshaftung maßgeblich aus (Billigkeits-)Gründen bejaht wird, die eine Verlagerung des Schadens aufgrund eines Verschuldens jedoch nicht nachvollziehbar rechtfertigen. 361 OLG Celle NJW 1979, 723 f. (Durchgehen der Pferde und Verletzung beim Einfangen „liegen im Bereich des Vorstellbaren“); BGH NJW 1996, 2646, 2647 (Verletzungen der Feuerwehrleute sind dem Vermieter einer für Schweißarbeiten ungeeigneten Halle „subjektiv zuzurechnen“, weil er mit Schweißarbeiten, dadurch ausgelöstem Brand und der Verletzung „rechnen musste“); BGH NJW 1993, 2234 (es genügt, dass der Schädiger die Möglichkeit des Eintritts eines schädigenden Erfolges „im allgemeinen hätte voraussehen können“). 362 Vgl. oben C. I. 3. 363 BGH NJW 1993, 2234. 364 Vgl. oben C. II. 4.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

2. Notlagenverursachung als Verhaltenspflichtverstoß Folgt man zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung hingegen dem dogmatisch konsequenten Ansatz, der in Österreich und von einem Teil des deutschen Schrifttums vertreten wird (Verhaltenspflicht/Gefahrvermeidungspflicht), geht man im Unterschied zur Herausforderungsrechtsprechung deutscher Gerichte von vornherein von dem richtigen methodischen Ansatz der Pflichtwidrigkeitsermittlung anhand einer umfassenden Interessenabwägung aus.365 Zwar hängt das Ergebnis dieser Interessenabwägung von dem Umständen des konkreten (Rettungs-)Falles ab. Es lassen sich aber abstrakt Richtlinien für die Abwägung in den Rettungsfällen aufstellen, die anschließend beispielhaft auf die Situation der Bergrettung übertragen werden können. a) Interessenabwägung: Einordnung und Gewichtung der relevanten Aspekte Ordnet man den beiden sich gegenüberstehenden Interessen – der Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers und dem Rechtsgüterschutz des Hilfeleistenden – die hierfür jeweils relevanten Abwägungskriterien366 zu, ergibt sich für Rettungs- und Hilfeleistungsfälle folgendes Bild:

365 Vgl. oben D. II. Soweit in Deutschland ebenfalls unter Schutzzweckgesichtspunkten und losgelöst von den Interessen bewertet wird, wann der Notlagenverursacher eine „sozial inadäquate“ Gefahr geschaffen hat, gelten grundsätzlich dieselben Bedenken wie bei der Herausforderungsformel. Die nachfolgende Auswertung der hier angestellten Überlegungen wird zeigen, ob und inwiefern aufgrund dieser Wertung schlüssige Ergebnisse erzielt werden können. Die Auswertung der zur Feststellung einer Verhaltenspflicht herangezogenen Abwägungsaspekte und ihre Gewichtung steht vor der Schwierigkeit, dass – anders als bei der Herausforderungsrechtsprechung – dieser vergleichsweise junge und erst spät auch in der österreichischen Rechtsprechung übernommene Ansatz meist nur in der Theorie erörtert wird und eine der Herausforderungsrechtsprechung vergleichbare Kasuistik fehlt. Erörterungen der Rettungsfälle auf der Basis dieses Ansatzes erfolgen deshalb zwangsweise abstrakt. Wenn Nökel etwa zu dem Ergebnis kommt, den Notlagenverursacher treffe die Pflicht, „keine sozialinadäquaten Notlagen“ (S. 104) zu schaffen, oder statuiert wird, die Interessenabwägung könne „wegen der besonderen Gefährlichkeit der Situation, wegen der Missbilligung des auslösenden Verhaltens oder wegen des gezielten Einwirkens des Täters zu dessen Lasten ausfallen“ (OGH 2Ob15/05b, S. 4; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/53), ist die eigentliche Abwägung erst noch vorzunehmen, um festzustellen, ob die Notlage „sozialinadäquat“ war und ob aufgrund der „Gefährlichkeit der Situation“, der „Missbilligung“ des Täterverhaltens oder gar eines „gezielten Einwirkens“ die Abwägung zulasten der Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers ausfällt. 366 Vgl. oben C. II. 2. b).

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aa) Konkrete Gefährlichkeit der Hilfeleistung Zentrales Argument für das Integritätsinteresse des Hilfeleistenden muss die Gefahr sein, die der Notlagenverursacher durch Herbeiführung der Notlage für den Hilfeleistenden schafft.367 Die konkrete Gefährlichkeit, also die tatsächliche Bedrohung der Rechtsgüter des Hilfeleistenden kann – wie bereits angesprochen – aus der Gefährlichkeit der Notlagensituation (Brand, herannahender Zug, Starkstrom), aus der Art der Hilfeleistung selbst (Einfangen durchgegangener Pferde, Spenden einer Niere) und aus einer Kombination beider Gefahrenquellen herrühren. Maßgeblich hierfür ist, wie wahrscheinlich angesichts der konkreten Umstände das Eingreifen und vor allem die Verletzung des Retters bei der Hilfeleistung ist (Schadenseintrittswahrscheinlichkeit). Das Integritätsinteresse des Hilfeleistenden wiegt umso schwerer, je größer die Gefahr für den Helfer ist. Wird der Helfer veranlasst, ein brennendes Haus zu betreten368 oder den Hilfesuchenden vor einem herannahenden Zug369 oder vor Starkstromgefahren einer Überleitung zu retten,370 so ist die Gefahr für erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen bis hin zum Verlust des Lebens durch die große Gefährlichkeit der Notlagensituation und die Gefährlichkeit des erforderlichen Hilfeleistungsaktes in höherem Maße wahrscheinlich und ungleich größer, als wenn der Hilfe leistende durch Ablegen seiner Jacke am Unfallort droht, seine darin befindliche Uhr zu verlieren371 oder sich beim Überqueren der Straße mit zügigem Schritt die Achillessehne zu reißen.372 bb) Zumutbarkeit der Gefahrsteuerung durch den Notlagenverursacher Trotz der Gefährlichkeit, die von einer Notlagensituation für den eingreifenden Retter im Einzelfall ausgeht, kann dem Notlagenverursacher nur dann und nur insoweit der Verstoß gegen eine Gefahrsteuerungspflicht vorgeworfen werden, als es ihm nach der Verkehrsanschauung angesichts des hierzu erforderlichen Gefahrsteuerungs- bzw. Gefahrvermeidungsaufwands möglich und zumutbar ist, die Realisierung der von ihm geschaffenen Gefahren zu vermeiden.373 Es gilt der allgemeine Grundsatz: je größer die Gefahr für den Hilfeleistenden und je höher

367 Im Ansatz richtig ist die Betonung der besonderen Gefährlichkeit als Grund dafür, in Rettungsfällen die Interessenabwägung (ausnahmsweise) zugunsten des Hilfeleistenden ausfallen zu lassen (vgl. OGH 2Ob15/05b, S. 4; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/55. 368 BGH NJW 1996, 2646; OGH JBl. 1979/597 ff. 369 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365. 370 OLG Karlsruhe r+s 1990, 235. 371 OLG Frankfurt VersR 1971, 786. 372 OLG Köln NJW-RR 1990, 669. 373 Vgl. C. II. 2. b) bb).

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

der Wert seiner bedrohten Rechtsgüter, desto höherer Aufwand muss vom Notlagenverursacher erwartet werden. In den Rettungsfällen besteht hier eine wichtige Besonderheit. Im Vergleich etwa zu den Verfolgerfällen kann mit der Herbeiführung der Notlage als Erstursache die einmal geschaffene Gefahr für den Hilfeleistenden in aller Regel vom Verursacher der Notlage nicht mehr gesteuert werden. Anders als der Verfolgte, der – wie der Oberste Gerichtshof zu Recht anmerkt – notfalls von seiner Flucht ablassen kann, um die hierdurch begründete Gefährdung der Verfolger zu beenden,374 liegt die Hilfeleistung regelmäßig allein in den Händen des Hilfeleistenden selbst und ist jeglicher Steuerung durch den Notlagenverursacher entzogen.375 Im Fokus der Erwägungen muss in Rettungsfällen deshalb stehen, welcher Gefahrsteuerungs- bzw. -vermeidungsaufwand dem Notlagenverursacher im Vorfeld der Notlagenverursachung zumutbar war. Welches Verhalten dem Notlagenverursacher in Hinsicht auf die Gefährdung potentieller Retter abverlangt werden kann, hängt damit maßgeblich vom Charakter des Verhaltens im Vorfeld ab. Berücksichtigt man die Tatsache, dass menschliches Handeln und Zusammenleben stets mit Risiken verbunden ist und Unfälle bzw. Notlagen folgerichtig ein unvermeidbares, hieraus resultierendes Phänomen darstellen, so lässt sich zunächst der Ausgangsfall bilden, dass der Notlagenverursacher einer sozial adäquaten, d.h. einer trotz der hiermit verbundenen Risiken gesellschaftlich akzeptierten und anerkannten Tätigkeit nachgeht und in deren Folge eine Notlage verursacht. Das ist etwa der Fall, wenn die Notlage Folge einer Sportverletzung (z. B. Zusammenstoß beim Fußballspiel; Platzwunde beim Hockey etc.) oder allgemeiner Freizeitaktivitäten (z. B. Wegrutschen mit dem Fahrrad während einer Fahrradtour) ist. Will man der allgemeinen Akzeptanz dieser Tätigkeiten trotz damit verbundener Risiken ausreichend Rechnung tragen, muss unter common sense-Gesichtpunkten der Handlungsfreiheit desjenigen, der im Rahmen einer solchen Tätigkeit eine Notlage verursacht, besonderes Gewicht gegenüber den Rechtsgüterschutzinteressen eines im Notfall herbeieilenden Helfers gegeben werden. Würde man sich dieser Wertung entziehen und lediglich auf die durch die Notlage abstrakt vorhersehbar und vermeidbar geschaffene Gefährdung des Hilfeleistenden abstellen, müsste aus der fehlenden Steuerbarkeit der Gefahr konsequenterweise folgen, dass an den Handelnden schon im Vorfeld allgemein erhöhte Sorgfaltspflichten in Bezug auf die mögliche Schaffung von Notlagen zu stellen 374

OGH JBl. 1987/785, 786 („alsbaldige Aufgabe des Fluchtversuchs“). So auch die berechtigten Bedenken von Schwarz, JZ 1966, 162, 164. In der Herausforderungsrechtsprechung kommt dieser Aspekt innerhalb der Wertung überhaupt nicht zum Tragen. 375

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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sind bis hin zu dem Gebot, risikobehaftete Aktivitäten wie etwa körperbetonte Sportarten von vornherein zu unterlassen. Dass dies wegen der einschneidenden Folgen für die Handlungsfreiheit, der auch wegen des grundsätzlich eigenverantwortlichen Handelns des Hilfeleistenden besonderes Gewicht zukommt, nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand. Das Gut der Handlungsfreiheit würde so in nicht mehr zumutbarem Maße beschränkt. In Hinsicht auf mögliche Verletzungen eines im Notfall Hilfeleistenden dürfen Verhaltensanforderungen an den Handelnden deshalb im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens nicht überspannt werden mit der Folge, dass schon bei Außerachtlassung geringer Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten die volle Haftung für Schäden des Hilfeleistenden droht. Hinzu kommt als ein weiterer Aspekt, dass in der Ausübung einer Vielzahl von gesellschaftlich anerkannten Aktivitäten eine besondere Gefährdung helfender Dritte schon abstrakt nicht angelegt ist, so dass man auch aus diesem Aspekt heraus wohl schwerlich verlangen kann, dass der Notlagenverursacher im Vorfeld sein Verhalten anders steuert. Ein Unfall auf dem Sportplatz oder im allgemeinen Straßenverkehr birgt nicht von vornherein Gefahren, mit denen ein Hilfe leistender nicht umzugehen im Stande wäre. Man wird deshalb im Grundsatz davon ausgehen müssen, dass nach der Verkehrsanschauung sozial übliche Tätigkeiten, die zu Notfällen und zum Eingreifen Dritter im Wege der Hilfeleistung führen, wegen der besonderen Bedeutung der Handlungsfreiheit nicht rechtfertigen, den Rechtsgüterschutz des Hilfeleistenden höher als die Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers einzustufen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann sich dann ergeben, wenn in der Tätigkeit trotz ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz besondere Risiken angelegt sind, die nicht nur eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Unfällen an sich bedingen, sondern gleichfalls erhöhte Gefahren auch für potentielle Hilfe leistende in sich bergen. Wer etwa nach starkem Neuschneefall die gesicherten Pisten verlässt, beschwört nicht nur die Gefahr herauf, selbst durch einen Lawinenabgang verletzt zu werden, sondern verursacht zugleich ein nicht steuerbares Risiko, dass rettend zu Hilfe eilende Skifahrer ihrerseits von weiteren Schneebrettern erfasst werden.376 Für einen im Einzelfall zu bestimmenden Verhaltensmaßstab muss allgemein gelten: Je größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Notlagenverursacher mit seinem konkreten Verhalten eine solche Notlage herbeiführt, aus der auch für einen potentiellen Retter besondere Risiken erwachsen, und je weniger billigenswert das zur Notlage führende Verhalten des Notlagenverursachers ist, desto eher ist ihm zumutbar, sein insofern auch für einen Retter gefährliches Verhalten zu steuern oder zu vermeiden.

376

Vgl. das Beispiel bei Maurer, S. 47.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

cc) Eigenverantwortung des Hilfeleistenden: Möglicher und zumutbarer Selbstschutz Ein weiteres gewichtiges Argument gegen die Haftung und damit für die Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers ist die Eigenverantwortung des Hilfeleistenden für seine Rettungstat.377 Ihr kommt in den Rettungsfällen – wie gesehen – deshalb besondere Bedeutung zu, weil der selbständig und eigenverantwortlich handelnde Retter das Geschehen und damit das „Ob“ und „Wie“ der (Selbst-)Gefährdung regelmäßig allein in den Händen hält, während der Notlagenverursacher keinen Einfluss mehr ausüben kann. Richtig ist es deshalb, anders als in Deutschland378 mit der in Österreich vertretenen Ansicht gerade in Rettungsfällen vom Grundsatz auszugehen, dass jeder zunächst selbst für sich verantwortlich ist und nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen bestimmter Gründe eine Verantwortungsverlagerung anzuerkennen.379 Diesem Regel-Ausnahmegrundsatz wird man nur dann ausreichend Rechnung tragen können, wenn man schon bei der Frage nach dem „Ob“ eines Verhaltenspflichtverstoßes voraussetzt, dass der Notlagenverursacher ein vor dem Hintergrund der Selbstschutzmöglichkeiten des Hilfeleistenden gesteigertes Verletzungsrisiko geschaffen hat, das der Hilfe leistende nicht ohne weiteres sicher zu handhaben im Stande ist.380 Mit anderen Worten: der Rechtsgüterschutz des Hilfeleistenden kann im Einzelfall überhaupt nur dann überwiegen, wenn der Notlagenverursacher eine Situation geschaffen hat, deren Gefahren vom Hilfeleistenden nicht ohne weiteres kontrollierbar sind. Welches Maß an Eigenverantwortung von dem jeweiligen Helfer bei Ausführung der konkreten Hilfeleistung zu erwarten ist, hängt davon ab, welche Selbstschutzmaßnahmen ihm bei gleichermaßen effektiven Handlungsalternativen in der konkreten Situation zur Verfügung standen und ihm nach der Verkehrsanschauung zugemutet werden konnten. Die an den spontanen Helfer zu stellenden Anforderungen werden insbesondere bei dringlichen Eingriffen geringer sein. Die Dringlichkeit der Situation und der durch die Art der Notlage ausgelöste Hilfeleistungsimpuls können sich einschränkend auf das Maß an Vorsicht auswirken, das vom spontan Hilfeleistenden objektiv zu erwarten ist. Von hierzu besonders ausgebildeten Helfern aber ist zu erwarten, dass sie mit den Gefahren einer Notlage „professioneller“ umgehen als spontane Helfer ohne besondere Expertise und Übung. So wird man von einem Feuerwehrmann erwarten können, dass er die vorgeschriebene Schutzkleidung trägt, um Gesundheits377

Vgl. oben C. II. 2. b) cc). MüKo-Oetker, § 249 Rn. 155. 379 Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/55. 380 Anders die Herausforderungsrechtsprechung, die erst nach Feststellung der Haftungsvoraussetzungen sozusagen auf der Rechtsfolgenseite allgemeine Lebensrisiken von gesteigerten Gefahren trennen will. 378

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verletzungen oder Beschädigungen seiner Kleidung zu vermeiden, und dass er aufgrund seiner Routine im Stande ist, die zum Einsatz benötigten Schläuche ohne Verletzung aus- und wieder einzurollen.381 Einem Polizisten wird man aufgrund der von ihm zu erwartenden körperlichen Fitness zumuten können, dass er die Verfolgung eines Mädchens unverletzt übersteht, wenn er dabei eine frisch gemähte Rasenfläche passieren muss.382 Auch kann von dem geschulten Retter eine schnellere Einschätzung der Notlage und der zu ihrer Beseitigung erforderlichen Maßnahmen erwartet werden als von dem spontanen Helfer, der sich plötzlich mit dem Erfordernis der Hilfeleistung konfrontiert sieht. Andererseits handelt es sich um ein besonderes, für den spontanen Helfer nicht ohne weiteres kontrollierbares Risiko, jemanden vor einem herannahenden Zug zu retten383 oder einen Verletzten vom unter Starkstromspannung stehenden Dach eines Zugwaggons zu ziehen.384 Trotz der Expertise bleibt das Löschen eines Hausbrandes mit besonderen, auch für hierzu eigens ausgebildete Feuerwehrleute nicht ohne weiteres steuerbaren Gefahren verbunden.385 Da es bei der Frage der Pflichtwidrigkeit darum geht, objektive Verhaltensanforderungen für den Notlagenverursacher zu bestimmen, kann es bei der Feststellung, welche nach der Verkehrsanschauung zumutbaren Möglichkeiten der Retter hatte, sich vor den Gefahren der Hilfeleistung selbst zu schützen, nur darum gehen, die vom Hilfeleistenden nach den konkreten Umständen zu erwartende Eigenverantwortung objektiv-abstrakt festzulegen. Nicht zu berücksichtigen ist das an diesem Maßstab ablesbare konkret-subjektive Fehlverhalten des Hilfeleistenden als eigener Verursachungsbeitrag. Dieser ist im Rahmen der Mitverschuldensprüfung zu berücksichtigen.386 Festhalten lässt sich demnach, dass der Rechtsgüterschutz des Hilfeleistenden grundsätzlich nur dann die Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers überwiegen kann, wenn in der konkreten Notlagensituation und der hierbei erforderlichen Hilfeleistung Risiken für den Retter bestehen, die dieser – was häufig der Fall sein wird – angesichts der von ihm objektiv-abstrakt zu erwartenden Selbstschutzmöglichkeiten nicht ohne weiteres zu umgehen im Stande war.387 Sie gilt 381 BGH NJW 1993, 2234. Auch wird man von einem Mitglied der freiwilligen Feuerwehr erwarten können, dass es sich angemessen sichert, wenn es ein Modellflugzeug aus einem Baum birgt [OLG Düsseldorf VersR 1973, 826, vgl. oben 3. Teil, 3. Kapitel B. III. 2. b)]. 382 BGH NJW 1971, 1982. 383 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365. 384 OLG Karlsruhe r+s 1990, 235. 385 BGH NJW 1996, 2646; OGH JBl. 1979, 597. 386 Vgl. oben C. II. 5. d). 387 Das mag im Gebirge bei objektiven Gefahren auch für die Bergrettung häufig so sein. Objektiven Gefahren ist die Bergrettung aber je nach Rettungssituation u. U. nicht ausgesetzt oder sie sind für die Bergrettung eingrenzbar bzw. vermeidbar. Gerade im Umgang mit (technischen und taktischen) Schwierigkeiten, sich im Gebirge sicher zu

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es mit den jeweils konkret drohenden Gefahren und den sonstigen Abwägungskriterien in Relation zu setzen. Zwar mag es einfach einzuschätzende Fälle geben, in denen die Eigenverantwortung des Nothelfers angesichts der ihm zumutbaren Selbstschutzmaßnahmen die konkrete Gefährdung deutlich überwiegt, wie etwa das Umknicken des Feuerwehrmannes beim Einrollen der Schläuche nach dem Einsatz. Eine klare Trennung wird in vielen Fällen hingegen nicht möglich sein. dd) Fehlverhalten im Vorfeld als Abwägungskriterium Wie bereits dargelegt, kommt dem Charakter des Verhaltens im Vorfeld wegen der mangelnden Steuerbarkeit des weiteren Kausalverlaufs nach Entstehung der Notlage besondere Bedeutung für die Gewichtung des Rechtsgüterschutzes des Helfers gegenüber der Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers zu. Er kann sich grundsätzlich in beide Richtungen auswirken. Verfolgt der Notlagenverursacher mit seinem Handeln allgemeine akzeptierte (sozialadäquate) oder gar besonders billigenswerte Motive, wird – wie soeben gezeigt – seinem Interesse an der freien Ausübung dieser Tätigkeit grundsätzlich besonderes Gewicht eingeräumt werden müssen.388 Verfolgt die zur Notlage führende Handlung hingegen keine allgemein akzeptierten Zwecke oder ist das Verhalten gesellschaftlich oder sogar von der Rechtsordnung missbilligt, ist das Interesse des Notlagenverursachers an seiner Handlungsfreiheit als in eingeschränktem Maße schutzwürdig einzustufen.389 Es verwundert daher nicht, dass über die unterschiedlichen Begründungsansätze hinweg die Rechtswidrigkeit der die Notlage auslösenden Handlung bzw. die Tatsache, dass diese Handlung gefährdungshaftungsrechtlich relevant ist, als ein wesentliches Argument für die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung herangezogen wird. Ein solches Fehlverhalten im Vorfeld der Notlage wird vielfach und insbesondere in Deutschland als maßgebliches Argument dafür verwendet, die hierdurch für den Hilfeleistenden geschaffene Gefahr ebenfalls als missbilligenswert, das Verhalten des Notlagenverursachers mithin auch in dieser Hinsicht als pflichtwidrig zu charakterisieren. So ist allen voran Nökel der Ansicht, die Frage, wann eine Gefahrenlage rechtswidrig herbeigeführt wurde, sei „leicht zu beantworten“, wenn die Gefahrenlage durch ein an sich schon rechtswidriges bewegen, kommt der Erwartung an die Eigenverantwortung und den Selbstschutz des Retters deshalb Bedeutung zu (vgl. auch OGH 7Ob602/85, S. 2 f.). 388 Vgl. oben bb). 389 Besonders deutlich kommt dieses Argument bei den Verfolgerfällen zum Tragen. Die Tatsache, dass sich der Flüchtling den Aufforderungen der ihn verfolgenden Beamten widersetzt, wird hier zu seinen Lasten gewertet (vgl. Zimmermann, JZ 1980, 10, 13; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/55; Staudinger-Schiemann, § 249 Rn. 51; BGH NJW 1996, 1533).

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oder – weil es der Gefährdungshaftung unterliegt – haftungsrelevantes Verhalten geschaffen worden ist.390 In diese Richtung zielt auch die teilweise im österreichischen Schrifttum und der österreichischen Rechtsprechung vorgebrachte Argumentation, der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen Notlagenverursachung und Verletzung des Helfers sei zu bejahen, wenn der Helfer sich deswegen in Gefahr begibt, weil er jene Rechtsgüter zu schützen beabsichtigt, wegen deren Gefährdung der Täter rechtswidrig gehandelt hat.391 Auch in der deutschen Rechtsprechung findet sich mehrfach der Hinweis auf die rechtliche Missbilligung des Schädigerverhaltens als Rechtfertigung dafür, die Haftung auch auf Schäden des Hilfeleistenden zu erstrecken. So stellt der Bundesgerichtshof etwa im Werkshallen-Fall zunächst fest, der Vermieter der Werkshalle habe, da er die Gefahr eines Brandes als Folge von darin durchgeführten Kfz-Reparaturen einschließlich Schweißarbeiten habe vorhersehen müssen, den Brand fahrlässig mitverursacht, um ihm anschließend auch die Verletzung eines Feuerwehrmannes vorzuwerfen mit der Begründung, er habe schuldhaft eine Verkehrssicherungspflicht verletzt.392 Im Nierenspenden-Fall betonen die Richter bei der Prüfung des Ersatzanspruchs der Mutter, der Oberarzt habe die einzige Niere des Kindes unter „Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflichten“ entfernt.393 In dem Fall, in dem ein Zollbeamter den auf den Gleisen liegengebliebenen PKW-Fahrer vor dem herannahenden Zug retten wollte, stellt das Gericht auf das Verschulden des angetrunkenen Fahrers an der Situation ab und stellt fest, dass die bei dem Rettungsversuch erlittenen Verletzungen „unzweifelhaft als Folge der unerlaubten Handlung dieser zuzurechnen sind“. Die Zurechnung sei nach ständiger Rechtsprechung zu bejahen, wenn die „durch das Unrecht des Täters geschaffene Lage“ allgemein geeignet ist, Dritte zu einem solchen Eingreifen zu veranlassen.394 Schon in seinen frühen Entscheidungen konstatiert der Bundesgerichtshof, dass in Notfällen, in denen das Eingreifen Dritter zwangsläufig herausgefordert werde, vom Helfer „erlittene Verletzungen unzweifelhaft adäquate Folgen der unerlaubten Handlung“ seien.395 Auch der Oberste Gerichtshof argumentiert ähnlich, wenn er darauf abstellt, dass der Ersatz von Schäden eines Feuerwehrmanns sich (auch) daraus rechtfertige, dass der Notlagenverursacher (Brandstifter) gegen eine gesetzliche Schutznorm (§ 459 StGB – fahrlässige Brandstiftung) verstoßen,396 der Verfolgte „durch seine von der Rechtsordnung verpönte Flucht“

390 Nökel, S. 104 ff.; ähnlich Zimmermann, JZ 1980, 10, 13; Lange/Schiemann, § 3 X 2 a. aa. 391 Welser, ÖJZ 1975, 1, 6; OGH JBl. 1979, 597. 392 BGH NJW 1996, 2646, 2647. 393 BGH NJW 1987, 2925. 394 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365, 1366. 395 BGH NJW 1964, 1363. 396 OGH JBl. 1979/597, 598.

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eine Gefahrenlage für die ihn verfolgenden Polizisten geschaffen habe397 oder dass die Rettungshandlung durch das „schuldhafte Verhalten“ des Erstbeklagten veranlasst worden sei.398 Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens im Vorfeld bzw. seine gefährdungshaftungsrechtliche Relevanz pauschal als maßgebliches Argument für die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung heranzuziehen, geht – ebenso wie die Argumentation, ein an sich nicht rechtswidriges (Fehl-)Verhalten könne mangels Vorwerfbarkeit keine Haftung für Schäden des Nothelfers begründen [vgl. oben 1. b)] – fehl und ist gerade für den Ansatz einer eigenständigen Gefahrvermeidungspflicht des Notlagenverursachers nicht stimmig. Der Rückgriff auf die Rechtswidrigkeit bzw. Haftungsrelevanz des Verhaltens als vornehmliches Argument für die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung würde implizieren, dass Hilfeleistung und Verletzung des Retters als haftungsrelevante Folgen des rechtswidrigen Verhaltens im Vorfeld und damit gleichsam als „Haftungsannex“ eines zuvor begangenen Rechtsverstoßes zu charakterisieren sind.399 Das aber steht im Widerspruch zu dem eigentlichen dogmatischen Ansatz, der Notlagenverursacher habe gegenüber dem Hilfeleistenden eine eigenständige Gefahr geschaffen, die selbständiger Grund für die Haftung ist.400 Die Rechtswidrigkeit bzw. Haftungsrelevanz des Verhaltens im Vorfeld würde als pauschales Pflichtwidrigkeitskriterium zudem die erforderliche Abwägung der Interessen von Notlagenverursacher und Hilfe leistendem überflüssig machen, so dass insbesondere Selbstschutzmöglichkeiten des Hilfeleistenden und die Zumutbarkeit der Gefahrsteuerung nach der Verkehrsanschauung keine oder jedenfalls keine ausreichende Berücksichtigung fänden. Jedes normwidrige Verhalten, durch das eine Notlage entsteht, würde tendenziell die Haftpflicht des Handelnden begründen. Überspitzt ließe sich sagen: Wer ordnungswidrig parkt, müsste dem Grunde nach für Schäden des Helfers einstehen, die dieser sich dadurch zuzieht, dass er einem vor Wut über den falsch geparkten Wagen in Ohnmacht fallenden Rentner zu Hilfe eilt. Der Fußgänger, der bei Rot die Ampel überquert, müsste für Schäden haften, die sich ein Dritter dabei zuzieht, einen dem schlechten Beispiel folgenden Jugendlichen vor einem herannahenden PKW zu retten. Jeder Kraftfahrer müsste für sämtliche Hilfeleistungsschäden einstehen, die sich infolge eines Verkehrsunfalls ereignen. Dass dies in dieser Pauschalität nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand.

397

OGH JBl. 1987/785, 786. OGH 2Ob15/05b, S. 3 f. 399 Vgl. hierzu die Erwägungen unter 1. a). 400 Das konstatiert auch Nökel, S. 107: „[. . .] das eigentlich missbilligte Verhalten darin besteht, einen anderen ohne Notwendigkeit mit einer Gefahrensituation zu konfrontieren, die ihn [. . .] zu einer riskanten Hilfeleistung veranlasst.“ (Vgl. auch S. 110: „Eigenständigkeit des haftungsbegründenden Tatbestands und die daraus folgende Unabhängigkeit des Verstoßes gegenüber dem Retter.“) 398

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Vielmehr ist ein Fehlverhalten des Notlagenverursachers innerhalb der Interessenabwägung zur Feststellung der Pflichtwidrigkeit unter Berücksichtigung der eingangs abstrakt dargelegten Erwägungen401 zu werten: Besonderes Gewicht kann dem Unwerturteil über das zu einer Notlage führende Verhalten des Notlagenverursacher in der Interessenabwägung nur dann zukommen, wenn gerade durch das Fehlverhalten eine Gefahr für die Rechtsgüter des Hilfeleistenden geschaffen oder erhöht wurde, so dass zwischen dem Verhaltensunwert der mittelbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung ein (Gefahren-)Zusammenhang besteht, der entsprechende Rückschlüsse auch auf ein (potentielles) Fehlverhalten hinsichtlich der Schädigung des Nothelfers erlaubt und eine entsprechende Einschränkung der Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers rechtfertigt. Handelt der Notlagenverursacher etwa rechtswidrig, schafft oder erhöht er durch sein konkretes Fehlverhalten aber nicht die sich später realisierende Gefahr für den Nothelfer, so enthält die Rechtswidrigkeit zwar ein generelles Unwerturteil über sein Verhalten im Vorfeld mit der Folge, dass gegenüber dem sozialen Wert als Argument für die Handlungsfreiheit [vgl. oben bb)] Einschränkungen angebracht sein können. Maßgebliches Gewicht kann dem rechtswidrigen Charakter dieses Verhaltens – entgegen der bisweilen pauschalen Argumentation in Rechtsprechung und Literatur – dennoch nicht zukommen, weil der konkrete Verhaltensunwert mangels besonderer Gefährdung der Rechtsgüter des Hilfeleistenden keine Aussagekraft für die Schädigung des Nothelfers hat. Die Tatsache, dass der Notlagenverursacher mit der Veranlassung der Hilfeleistung einen weiteren Kausalverlauf in Gang gesetzt hat, kann jedenfalls für sich allein nicht zu einer besonderen Gewichtung führen. Wenn etwa der vom Tatort davonlaufende Dieb beim Überqueren der Straße stürzt und sich verletzt, liegt darin trotz der rechtswidrigen Tat (Diebstahl) für sich betrachtet keinerlei besonderer Unwert hinsichtlich der Schädigung des Hilfeleistenden, der sich beim Herbeieilen verletzt, weil er durch das rechtswidrige Verhalten keinerlei zusätzlicher Gefährdung ausgesetzt wurde. Es besteht für die Frage der Pflichtwidrigkeit der Verursachung des Nothelferschadens kein wesentlicher Unterschied darin, ob der Gestürzte ein Dieb oder ein sich rechtskonform verhaltender Jogger ist. Den Dieb mit Hinweis auf seine rechtswidrige Tat für Schäden des Nothelfers haften zu lassen, hieße, die Gefährdung von dessen Rechtsgütern als maßgeblichen Ansatzpunkt für eine Verhaltenspflicht zu verdrängen und ihm sein Vermögensdelikt auch in Hinsicht auf die Schädigung anzulasten. Ein Gefahrzusammenhang im vorstehenden Sinn wird in vielen, aber eben nicht in allen Fällen bestehen. Das konkrete Gewicht, das einem Fehlverhalten des Notlagenverursachers innerhalb der Interessenabwägung zukommt, hängt 401

Vgl. oben C. II. 2. b) ee).

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dann davon ab, wie sehr das Fehlverhalten zur Schaffung bzw. Erhöhung der Gefahr für die mittelbar geschädigten Rechtsgüter beigetragen hat. Je stärker die Gefährdung des Nothelfers gerade auf das Fehlverhalten zurückgeht, desto weniger schutzwürdig ist der Notlagenverursacher. Ein zu einer Notlage führendes rechtswidriges Verhalten im Vorfeld muss innerhalb der Interessenabwägung eine besondere Gewichtung erfahren, wenn die missachtete Rechtsvorschrift gerade der Vermeidung von solchen Gefahren diente, die sich über die unmittelbare Beeinträchtigung von Rechtsgütern in der Notlage hinaus auch in der Verletzung des Hilfeleistenden auswirken konnten. Zu diesem Ergebnis wird man regelmäßig etwa dann gelangen können, wenn der Notlagenverursacher durch sein normwidriges Verhalten eine gemeingefährliche Situation geschaffen hat. So lässt sich zu Recht aus dem strafrechtlichen Tatbestand der fahrlässigen Brandstiftung ein besonderes Unwerturteil auch hinsichtlich der Gefährdung von Feuerwehrleuten entnehmen, denn diese Vorschrift dient der Vermeidung besonderer Brandgefahren, die nicht nur für die am Ort befindlichen Personen und sonstigen Rechtsgüter relevant sind, sondern eben auch herbeieilende Dritte (Retter) treffen.402 Auch dient das Gebot, einen PKW vor dem Abrollen in geneigtem Gelände zu sichern, der Vermeidung von Gefahren, die sich durch ein unkontrolliertes Wegrollen des Fahrzeugs für Umstehende ergeben. Die Missachtung des Gebots trägt damit einen von der Rechtsordnung bezeichneten Unwert auch in Hinsicht auf die Verletzungen desjenigen Helfers in sich, der versucht, den abrollenden PKW zum Stehen zu bringen.403 Geringeres Gewicht ist hingegen einem Fehlverhalten einzuräumen, das zwar mitursächlich für die geschaffene Gefahrenlage, aber in Hinsicht auf die Gefährdung der mittelbar gechädigten Rechtsgüter von untergeordneter Bedeutung ist. So weist der Oberste Gerichtshof in dem geschilderten Verfolgerfall etwa zu Recht darauf hin, dass nicht die Missachtung der Aufforderung zum Anhalten, sondern die Flucht als solche eine „eminente Gefahrenlage“ für die verfolgenden Beamten schafft.404 Allein dem Umstand, dass der Notlagenverursacher die Hilfeleistung durch ein Fehlverhalten veranlasst hat, wird man für sich betrachtet kein besonderes Gewicht zuweisen können. Der Grad des Fehlverhaltens im Vorfeld kann sich – das Vorliegen des Gefahrenzusammenhangs vorausgesetzt – in unterschiedlichem Maße zu Lasten des Notlagenverursachers innerhalb der Interessenabwägung auswirken. Allgemein lässt sich sagen: je gröber das Fehlverhalten des Notlagenverursachers im Vorfeld zu bewerten ist, d.h. je stärker er die Gefährdung des Nothelfers provoziert, desto weniger schutzwürdig ist er im Vergleich zu dem durch dieses Fehlverhal402 403 404

OGH JBl. 1979/597 ff. OGH 2Ob15/05. OGH JBl. 1987/785, 786.

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ten ebenfalls mittelbar gefährdeten Helfer und desto mehr Gewicht ist dem Verstoß im Vorfeld innerhalb der Interessenabwägung einzuräumen. Je höher etwa die Geschwindigkeitsüberschreitung des Fahrers innerhalb des Straßenverkehrs ist, desto stärker provoziert er den Unfall und damit auch die Gefährdung desjenigen Helfers, der sich trotz der Gefahren des fließenden Verkehrs an die Unfallstelle begibt, um zu helfen. Dies gilt auch für den Verstoß gegen Sorgfaltsregeln, die primär dem eigenen Schutz und nicht der Vermeidung von Gefahren für Dritte dienen. Wer hierdurch eine Notlage und die damit einhergehende Gefährdung des Nothelfers geradezu provoziert, der ist in seinem Handlungsfreiheitsinteresse gegenüber dem Integritätsinteresse des Nothelfers nur eingeschränkt schutzwürdig, auch wenn die missachtete Verhaltenspflicht primär nur der Vermeidung eigener Rechtsgutsbeeinträchtigungen diente. In diesem Zusammenhang zuzustimmen ist deshalb Erwägungen wie der des Oberlandesgericht Karlsruhe, das im Fall des durch Starkstromleitungen verletzten Waggonkletterers betont, der Hilfsbedürftige habe sich durch „unbegreiflichen Leichtsinn“ in eine lebensbedrohliche Notlage gebracht.405 Zu ergänzen gewesen wäre: [. . .] und damit die Gefährdung auch helfend eingreifender Dritter, die sich ebenfalls Starkstromspannungen aussetzen mussten, geradezu provoziert. Ähnliche Anspielungen auf ein besonders grobes Fehlverhalten finden sich in Beispielen der Literatur, wenn etwa auf den Großstädter abgestellt wird, der „trotz Warnungen Einheimischer vor einem Wetterumschlag völlig unzulänglich ausgerüstet und unerfahren eine schwierige Bergtour unternimmt“.406 Die Art der Verhaltens- oder Sorgfaltspflicht, gegen die der Notlagenverursacher verstößt, wird ebenfalls Anhaltspunkte für die Gewichtung gegeben können. Der Verstoß des Notlagenverursachers gegen ein gesetzliches Verhaltensge- oder Verbot wird per se stärker zu gewichten sein als der Verstoß gegen eine ungeschriebene Verhaltenspflicht oder ein gefährdungshaftungsrechtlich relevantes Verhalten, da letzteres Verhalten von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligt und erst bei einer Rechtsgutsbeeinträchtigung Folgen auslöst. Verstößt der Notlagenverursacher mit seinem Verhalten gegen keinerlei Rechtsvorschriften, sondern missachtet er allgemeine Sorgfaltsregeln, die der eigenen Sicherheit dienen, handelt er bei der Verursachung der Notlage zwar fehlerhaft, aber nicht rechtswidrig. Seinem Fehlverhalten kann innerhalb der Interessenabwägung grundsätzlich nur untergeordnete Bedeutung zukommen, will man – insbesondere bei sozialadäquaten Tätigkeiten, etwa der Sportausübung – nicht die Handlungsfreiheit des Einzelnen in nach der Verkehrsanschauung nicht mehr zumutbarem Maße einschränken [vgl. oben bb)]. Zu Recht weist der Oberste Gerichtshof deshalb darauf hin, dass der Kletterer, der gewisse Vorsichtsmaßnahmen

405 406

OLG Karlsruhe r+s 1990, 235. Nökel, S. 108.

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beim Klettern außer Acht lässt, durch seine unsorgfältige Handlungsweise (zunächst) nur gegen seine eigenen Interessen handelt und sich selbst gefährdet, während dies über die Gefährdung zu Hilfe eilender Retter noch nichts besagt.407 Zu beachten bleibt bei all diesen (Wertungs-)Überlegungen, dass ein auch für den Retter gefahrbringendes Fehlverhalten des Notlagenverursachers und dessen Ausmaß nur zwei von mehreren Wertungskriterien innerhalb der zu treffenden Abwägung darstellen und nicht vorschnell als maßgebliche Kriterien herangezogen werden dürfen. Richtig ist es deshalb, die „Missbilligung des auslösenden Verhaltens“ unter Berücksichtigung der genannten Wertungsüberlegungen als einen Teilaspekt in die Interessenabwägung einzustellen.408 Die vorstehenden Erwägungen zur Bedeutung des (Gefahren-)Zusammenhangs zwischen Fehlverhalten und mittelbarer Schädigung in Nothilfefällen mögen gerade bei Normverstößen dazu verleiten, die Frage der Pflichtwidrigkeit eines (Fehl-)Verhaltens in Hinsicht auf die mittelbare Schädigung des Nothelfers unter Schutzzweckgesichtspunkten in Bezug auf die im Vorfeld verletzte Verhaltenspflicht zu diskutieren [vgl. oben 1. a)]. Es muss jedoch strikt zwischen dem Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht im Vorfeld und einer (selbständigen) Gefahrvermeidungspflicht in Hinsicht auf die Rechtsgüter des mittelbar geschädigten Nothelfer getrennt werden. Es kann nicht überzeugend gelingen, die mittelbare Schädigung eines Hilfeleistenden als vom Schutzzweck der im Vorfeld missachteten Verhaltenspflicht erfasst anzusehen. Normierte (Verhaltens-)Pflichten können sinnvoll nur die Vermeidung solcher Rechtsgutsgefährdungen und -beeinträchtigungen dienen, die aus dem Handeln unmittelbar erwachsen, deshalb mit einiger Wahrscheinlichkeit eintreten und generell vorhersehbar sind. Mangels vergleichbarer Prognostizierbarkeit der weiteren Kausalabläufe wird man solchen Verhaltenspflichten aber nicht zusätzlich den Zweck zuschreiben können, auch mittelbare Schädigungen wie die eines Hilfeleistenden zu vermeiden, jedenfalls nicht, ohne den konkreten Schutzzweck einer solchen Verhaltenspflicht zu erweitern und wegen der dann zusätzlichen Zweckrichtung zu verwässern. Wollte man auch eine mittelbare Schädigung wie die des herbeieilenden Nothelfers in den Schutzbereich einer im Vorfeld verletzten Verhaltsnorm einbeziehen, wäre eine einheitliche Bestimmung des Schutzbereichs dieser Verhaltenspflicht mit einer klaren Schutzzweckrichtung nicht möglich. Man müsste nämlich eine Interessenabwägung nicht mehr nur zwischen der Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers und dem Rechtsgüterschutzinteresse des Hilfesuchenden, sondern auch zwischen der Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers und dem Rechtsgüterschutzinteresse des Hilfe-

407 408

OGH 7Ob602/85, S. 3. Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/53; dem folgend OGH 2Ob15/05b, S. 4.

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leistenden vornehmen. Für den Rechtsgüterschutz des Erstbetroffenen und des erst mittelbar geschädigten Helfers sind innerhalb der Interessenabwägung jedoch unterschiedliche Erwägungen anzustellen – unterschiedliche Gefahrengrade, Selbstschutzmöglichkeiten etc. –, so dass ein überzeugendes Ergebnis bei der Bestimmung des Schutzbereichs nicht zu erzielen wäre. Hier zeigt sich erneut die dogmatische Schlüssigkeit des Ansatzes einer eigenständigen Verhaltenspflichtverletzung als Grund für die Haftung des Notlagenverursachers. Denn nur im Rahmen der separaten Bestimmung einer solchen Verhaltenspflicht und deren Schutzbereich ist es möglich, anhand der konkreten Kriterien eine gezielte und von Drittinteressen unabhängige Interessenabwägung vorzunehmen. Im Rahmen der Schutzzweckbetrachtung der im Vorfeld verletzten Norm ist dies nicht zu leisten. Die hierbei im Einzelnen gewonnenen Ergebnisse sind nicht schlüssig und oft in ihren Unterschieden nicht nachvollziehbar.409 Die in den gesetzlichen Gefährdungshaftungsvorschriften zum Ausdruck kommende Risikozuweisung an den Fahrzeughalter bzw. Fahrer rechtfertigt sich beispielsweise aus den Gefahren, die mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs (unmittelbar) verbunden sind. Erforderlich ist deshalb, dass die Rechtsgutsverletzung „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ (§ 7 Abs. 1 StVG) eintritt. Dass aber die Betriebsgefahr in der Notlagensituation fortwirkt, wird nach einem Unfall häufig gerade nicht (mehr) der Fall sein. So mag man noch die Explosionsgefahr eines in einen Unfall verwickelten PKW als Ausfluss der Betriebsgefahr begreifen, die auch für den Hilfeleistenden relevant wird und sich möglicherweise in Verbrennungen niederschlägt.410 Mit dem Betrieb eines PKW nicht mehr in Zusammenhang aber steht die Verletzung des Hilfeleistenden, der sich beim Herbeieilen am Bordstein den Fuß umknickt,411 oder die Gefahr, von einem herannahenden Zug überrollt zu werden.412 Ob die späteren Gefahren, die infolge eines auf den Kraftfahrzeugbetrieb zurückzuführenden Unfalls für Hilfe leistende auftreten, ebenfalls vom Fahrer des Wagens zu verantworten sind, ist eine gesonderte Frage, die sich nicht pauschal unter Rückgriff auf den Gefährdungshaftungsgedanken beantworten lässt.

409 Es ist nicht Schutzzweck der §§ 7, 18 StVG, einen Helfer vor den Gefahren eines herannahenden Zuges zu schützen (so im Ergebnis aber OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365), ebenso wenig, einen heranlaufenden Helfer davor zu schützen, dass er mit dem Fuß am Bordstein umknickt (so im Ergebnis aber OLG Karlsruhe VersR 1991, 353). Zurecht verneint der BGH hingegen den Schutzzweckzusammenhang zwischen Betriebsgefahr und weiteren, durch eigenständiges Folgeverhalten verursachte Schäden, vgl. BGH NJW 1990, 2885 mit weiteren Rechtsprechungszitaten. 410 Vgl. den Fall OLG Stuttgart NJW 1965, 112. Interessanterweise greift das Oberlandesgericht auf den Gedanken der Gefährdungshaftung überhaupt nicht zurück. 411 So aber offenbar OLG Karlsruhe VersR 1991, 535 f. Anders OLG Köln NJW-RR 1990, 669 (Achillessehnenriss). 412 OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365.

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ee) Der sittliche Wert der Hilfeleistung als Abwägungskriterium Nicht nur die deutschen Gerichte, auch die Vertreter des Verhaltenspflichtansatzes betonen bei der Interessenabwägung zugunsten der Rechtsgüterschutzinteressen des Hilfeleistenden häufig den sittlichen Wert der Hilfeleistung.413 Wie bereits anhand der Herausforderungskriterien dargestellt, kann dies leicht dazu führen, dass sich die Perspektive der Wertung verschiebt und so die eigentlich für die Abwägung relevanten Aspekte (Gefahrschaffung – Eigenverantwortung) in den Hintergrund gedrängt werden. Das gilt es im Rahmen der Abwägung zur Feststellung, ob und in welchem Umfang eine Verhaltenspflicht besteht, zu vermeiden. Zwar spielen rechtspolitische Erwägungen auch hier eine wichtige Rolle. Solche Erwägungen müssen sich aber darauf beschränken, die Gefahrschaffung als den eigentlichen Ansatzpunkt für das Pflichtwidrigkeitsurteil und die Eigenverantwortung als Gegengewicht hierzu innerhalb der Interessenabwägung zu präzisieren und in Relation zu setzen. Auch wenn die altruistische Hilfeleistung und die damit verbundene Selbstgefährdung rechtspolitisch förderungswürdig ist, darf der soziale Wert gegenseitiger Hilfeleistung nicht zum eigentlichen Grund für die Haftung des Notlagenverursachers werden. Erhält der soziale Wert der Hilfeleistung zu starkes Gewicht innerhalb der Interessenabwägung, kann dies dazu führen, dass nicht mehr die Schaffung einer nicht mehr tolerierbaren Gefährdung des Hilfeleistenden vornehmlicher Grund für die Haftung ist, sondern letztlich die Anerkennung der Hilfeleistung. Es ginge dann genau genommen nicht mehr um eine echte Verschuldenshaftung des Notlagenverursachers, d.h. eine Verlagerung des Schadensrisikos aus Gründen pflichtwidrigen (unerlaubten) Verhaltens, sondern um eine Haftung aus Billigkeitserwägungen. Mit anderen Worten: der Notlagenverursacher hat dem Hilfeleistenden dessen Schaden aus unerlaubter Handlung allenfalls deshalb zu ersetzen, weil er hierfür pflichtwidrig eine von der Rechtsordnung nicht mehr tolerierbare Gefahr geschaffen hat, nicht aber, weil der Hilfe leistende sich moralisch anerkennenswert verhalten hat.414 Will man letzteren Gedanken, in erster Linie den Hilfeleistenden mit einem Anspruch auf Ersatz seiner Schäden zu „belohnen“, als Haftungsgrund aufgreifen, bedürfte es hierzu des Rückgriffs auf eine andere Anspruchsgrundlage. Die deliktische Haftung des Notlagenverursachers kommt hierfür nicht in Betracht.415 413 Nökel, S. 108 („Die sittlichen Momente, die den Retter antreiben, sind in beiden Fälle [rechtswidriges und rechtmäßiges Vorverhalten] gleich.“ Zimmermann, JZ 1980, 10, 13; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/55 („Interesse der Allgemeinheit“); OGH 2Ob15/05b, S. 4. 414 Im Ansatz berechtigt ist deshalb die Kritik von Schwarz, JZ 1966, 162 ff. und Rother, S. 100 ff. 415 Vorgeschlagen wird deshalb vor allem von Schwarz (JZ 1966, 162) und Rother (S. 100 ff.), dem Hilfeleistenden Schadensersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu gewähren (dazu sogleich). Stoll spricht sich dafür aus, den Gedanken des § 829 BGB analog für den Ersatz von Retterschäden fruchtbar zu machen.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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Richtig ist es deshalb, dem Phänomen altruistischer Hilfeleistung innerhalb der Beurteilung, ob der Notlagenverursacher dem verletzten Hilfeleistenden aus unerlaubter Handlung haftet, nur insoweit Rechnung zu tragen, als sich hierdurch Auswirkungen auf die gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben.416 Das ist der Fall, wenn aufgrund der Dringlichkeit der Hilfeleistung bzw. des Hilfeleistungsimpulses eine Reduzierung der Eigenverantwortung des Hilfeleistenden akzeptiert und auch innerhalb der Mitverschuldensprüfung ein Fehlverhalten des Hilfeleistenden deutlich weniger streng beurteilt wird.417 Darüber hinausgehendes Gewicht darf der sittliche Wert der Hilfeleistung im Rahmen der Abwägung zur Festlegung der Pflichtwidrigkeit aus den vorgenannten Gründen nicht erhalten. ff) Zusammenfassung In den Rettungsfällen lassen sich – stets abhängig vom Grad der für den Nothelfer geschaffenen Gefahren – für die Interessenabwägung zwischen dem Rechtsgüterschutz des Hilfeleistenden und der Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers folgende allgemeine Grundsätze festhalten: Geht der Notlagenverursacher einer sozial adäquaten Tätigkeit nach, tritt das Integritätsinteresse des Hilfeleistenden grundsätzlich hinter das Interesse des Notlagenverursachers zurück, da andernfalls das Interesse des Handelnden an freier Entfaltung durch besondere Sorgfaltsanforderungen schon im Vorfeld einer anschließend nicht mehr steuerbaren Notlagensituation in unzumutbarer Weise eingeschränkt würde und der Eigenverantwortung des selbständig handelnden Hilfeleistenden aufgrund seiner alleinigen Gefahrsteuerungsmöglichkeiten grundsätzlich besonderes Gewicht zukommt. Die Dringlichkeit und der Hilfeleistungsimpuls, die von einer Notlage für den jeweiligen Helfer ausgehen, können dazu führen, dass die an den Retter zu stellenden objektiven Selbstschutzanforderungen einzuschränken sind. Etwas anderes kann sich insbesondere dann ergeben, wenn der Notlagenverursacher Gefährdung und Verletzung des Nothelfers durch ein Fehlverhalten herbeigeführt hat, denn in den Hilfeleistungsfällen kommt innerhalb der Interessenabwägung dem Charakter des Verhaltens des Notlagenverursachers wesentliche Be416 Berücksichtigt wird das Argument der sittlichen Pflicht der Hilfeleistung zudem bei der Frage nach dem hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang (vgl. oben I.). Wenn nämlich bei der Hilfeleistung allgemein unterstellt wird, dass sie aufgrund sittlichen Zwangs typische Folge einer Notlagenverursachung ist, wird damit entgegen praktischer Erfahrungswerte trotz an sich bestehender Unsicherheit eine ausreichende Wahrscheinlichkeit zwischen Notlagenverursachung und Hilfeleistungsentschluss aus Sittlichkeitserwägungen heraus bejaht und das Tor zur Haftung des Notlagenverursachers aufgestoßen. 417 Vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1365, 1366; OLG Karlsruhe r+s 1990, 235; OLG Celle NJW 1979, 723, 724.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

deutung zu. In unterschiedlichem Maße kann sich dabei zu Lasten der Schutzwürdigkeit des Notlagenverursachers auswirken, inwieweit sein Fehlverhalten die Gefahr der Verletzung des Nothelfers, die sich in der mittelbaren Rechtsgutsverletzung letztlich niederschlägt, geschaffen oder erhöht und welches Maß an Unvorsichtigkeit er hierbei an den Tag gelegt hat. Je stärker die Gefährdung und Verletzung gerade auf das Fehlverhalten zurückzuführen und je gröber sein Sorgfaltsverstoß hierbei im Vorfeld ist, desto geringeren Schutz kann die Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers gegenüber dem Rechtsgüterschutz des Nothelfers beanspruchen. Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass der aus der Normwidrigkeit des Verhaltens zutage tretende Unwert gerade in der Schaffung einer Gefahrenlage liegt, die sich nicht nur in einer unmittelbaren Rechtsgutsverletzung und/oder der Notlage als Erstursache realisiert, sondern eben auch für den Nothelfer eine nicht ohne weiteres handhabbare Gefährdung bewirkt. Abgesehen vom Hilfeleistungsimpuls, der sich mindernd auf den von einem Nothelfer zu erwartenden Selbstschutz auswirken kann, kommt dem sittlichen Wert der Hilfeleistung innerhalb der Interessenabwägung grundsätzlich keine wesentliche Bedeutung zu, da ansonsten nicht die Rechtsgütergefährdung als zentraler Ansatzpunkt für die deliktische Haftung um Vordergrund stünde, sondern für den Interessenausgleich zwischen Notlagenverursacher und Nothelfer irrelevante rechtspolitische Erwägungen. Da es für die deliktische Haftung des Notlagenverursachers anders als bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, bei der auf den tatsächlichen Nutzen der Hilfeleistung abzustellen ist,418 allein darauf ankommt, dass der Hilfe leistende aufgrund der objektiven Umstände zum Einschreiten veranlasst wurde und er hierdurch einer besonderen Gefährdung seiner Rechtgüter ausgesetzt wird, ist für die Anwendung der vorstehenden Grundsätze nicht Voraussetzung, dass eine Notlage tatsächlich existiert.419 Allerdings wird man, um die Handlungsfreiheit des vermeintlichen Notlagenverursachers nicht unzumutbar einzuschränken, verlangen müssen, dass sich aufgrund der konkreten Umstände die Notwendigkeit einer solchen Hilfeleistung aufdrängt und an ihrer Notwendigkeit keine vernünftigen Zweifel bestehen. b) Besonderheiten der Bergrettung – eigener Lösungsansatz Für die Fälle der Bergrettung lassen sich aus den vorstehenden Überlegungen für die zentrale Frage der Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung gegenüber einem verletzten Bergretter folgende Schlüsse ziehen:

418

Vgl. oben 3. Teil, 3. Kapitel B. Vgl. auch das Beispiel bei Nökel, S. 103 f. (Filmcrew, die in einer Fußgängerzone einen Raubüberfall nachstellt und so Passanten zum Einschreiten veranlasst). 419

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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Bergsport ist eine gesellschaftlich auf breiter Basis akzeptierte und je nach Betätigungsart gesunde, wünschenswerte Freizeitaktivität. Die damit einhergehenden Unfallrisiken sind grundsätzlich als sozial adäquate Risiken einzustufen, deren Verwirklichung in einer Notlage nicht per se dazu führen darf, dem Bergsportler besondere, über die für die jeweilige Unternehmung allgemein geltenden Verhaltensanforderungen abzuverlangen und ihn so in seiner Sportausübung unzumutbar einzuschränken. Auch wird man angesichts der besonderen Ausbildung und Expertise, über die die Bergretter verfügen, davon ausgehen können, dass die Bergretter in der Lage sind, Gefahren bei der Durchführung eines Rettungseinsatzes auch bei gewisser Dringlichkeit der Hilfeleistung bis zu einem bestimmten Grad selbst effektiv zu steuern und zu vermeiden. Schätzt die Bergrettung die mit einem Einsatz verbundenen Gefahren als zu groß ein, kann sie den Einsatz sogar verschieben oder abbrechen.420 In der überwiegenden Zahl von Fällen wird das Interesse des Notlagenverursachers an der freien Ausübung des Bergsports dem Integritätsinteresse der Bergretter deshalb vorgehen und demnach ein Schadensersatzanspruch des Retters gegenüber dem Notlagenverursacher mangels pflichtwidrigen Verhaltens in Hinsicht auf die mittelbar verursachte Schädigung des Bergretters ausscheiden. So wird dem betroffenen Bergretter ohne Hinzutreten weiterer Umstände ein Ersatzanspruch verwehrt bleiben, wenn er sich beim Aufstieg in einfachem Gelände den Fuß umknickt, auf nassem Fels ausrutscht, beim Anfahren mit Skiern auf der Piste oder in freiem Gelände stürzt oder er sich „auf ebener Erde bei einem Sturz das Bein bricht“,421 denn hier ist von ihm grundsätzlich zu erwarten, dass er derartige Risiken eines Einsatzes sicher handhaben kann. Aber auch Verletzungen, die sich der Retter beim Einsatz in schwierigerem Klettergelände, auf Klettersteigen, im (Ski-)Tourengelände422 etc. zuzieht, wird man dem Bergsportler nicht als pflichtwidrig zurechnen können,423 denn auch in schwierigerem Gelände muss der eigens geschulte Bergretter in der Lage sein, sich weitgehend sicher fortzubewegen, und würde es der breiten Akzeptanz des Bergsports auch außerhalb von einfachen Bergwanderungen zuwiderlaufen und den Bergsportler

420 So für Skitouren ebenfalls Pichler, S. 242: „Das mit Risiken verbundene Unternehmen Skitour ist an sich nicht rechtswidrig. Wer hierbei die nötige Vorsicht außer Acht lässt, handelt gegen seine eigenen Interessen, die durch dieses Verhalten gefährdet werden. Die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der bei einem Rettungseinsatz tätigen Personen ist im Allgemeinen doch so gering, dass sie bei der notwendigen Interessenabwägung zugunsten des Interesses des Skifahrers an seiner Bewegungsfreiheit in den Bergen zurücktreten muss.“ 421 Vgl. Zimmermann, JZ 1980, 10, 14. 422 Vgl. Pichler, S. 242. 423 So zu Recht OGH 7Ob602/85. Von dem Bergführer war zu erwarten, dass er die für ihn unschwierige Bergung des abgestürzten Kletterers aus der Wand unverletzt übersteht.

430

4. Teil: Schadensersatzansprüche

in seiner Sportausübung nach der Verkehrsanschauung unzumutbar beschränken, ihn für Risiken der Begehung derartiger Geländearten haften zu lassen. Aus den genannten Erwägungen heraus wird sich an dieser Wertung in der Regel auch dann nichts ändern, wenn der Notlagenverursacher gegen allgemeine Verhaltens-/Sorgfaltspflichten für die Ausübung des Bergsports verstößt und sich so selbst in Gefahr bringt, solange er durch sein Fehlverhalten und sein Ausmaß die Bergretter nicht gleichzeitig besonderen Gefahren aussetzt. Unvorsichtigkeiten in eigenen Angelegenheiten sind ein in allen Lebenslagen und so auch bei der Ausübung des Bergsports regelmäßig auftretendes, auf die menschliche Fehlbarkeit zurückzuführendes Phänomen. Hieran bei der Ausübung gesellschaftlich auf breiter Basis akzeptierter Tätigkeiten wie den verschiedenen Spielformen des Bergsports gemeinhin eine Haftungsverantwortung für Verletzungen eines Bergretter zu knüpfen, würde die freie Ausübung des Bergsports unzumutbar einschränken. Wer auf einer einfachen Bergwanderung in eine Notlage gerät, schafft trotz seines Fehlverhaltens auch dann nicht per se missbilligenswerte Risiken für die Bergretter und handelt somit auch dann nicht pflichtwidrig, wenn die Notlage dadurch herbeigeführt worden ist, dass der Betroffene die Wanderung bei schlechtem Wetter und mit ungenügender Ausrüstung (Orientierungsmittel, Verpflegung, Kälteschutz etc.) durchgeführt, die Route fehlerhaft geplant und/oder die eigene körperliche Konstitution überschätzt hat.424 Damit bringt sich der Bergsportler zu allererst selbst in Gefahr, schafft aber nicht zwingend Gefahren für die Bergretter, die diesen in der Gesamtschau nicht mehr zumutbar wären. Eine andere Beurteilung kann im Einzelfall jedoch gerechtfertigt sein, wenn in der bergsportlichen Betätigung, die in einer Notlage mündet und anschließend den Rettungseinsatz auslöst, besondere Gefahren auch für die Retter bereits angelegt sind und/oder der Bergsportler durch seine Sorgfaltswidrigkeit in eigenen Angelegenheiten ein Risiko für die Bergretter schafft bzw. deutlich erhöht, dessen Vermeidung ihm wegen der erkennbaren Drittgefährdung seines Handelns trotz seines grundsätzlichen Anrechts auf freie Sportausübung zumutbar und von ihm zu erwarten ist. Das kann etwa der Fall sein bei bergsportlichen Unternehmungen, die aufgrund ihres besonders gefährlichen Charakters von vornherein nicht nur für die jeweiligen Bergsportler selbst, sondern aufgrund der technischen Schwierigkeiten oder objektiver Gefahren auch für die im Rahmen einer potentiellen Rettungsaktion eingreifenden Bergretter gesteigerte, trotz der Expertise nicht ohne weiteres beherrschbare Risiken bergen. Bei solchen Unternehmungen ist es dem jeweiligen Bergsportler zumutbar, sich besonders sorgfältig zu verhalten, um die Gefahren einer Notlage zu vermeiden, weil es dann nicht mehr nur um die eigene Sicherheit, sondern eben auch um die Vermeidung von 424 Zumindest irreführend Pichler, S. 243 und Nökel, S. 108, die die Pflichtwidrigkeit scheinbar mit dem Grad des Fehlverhaltens des Notfallverursachers begründen (dazu sogleich).

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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gesteigerten Risiken für die Bergretter geht.425 Ein einfaches Fehlverhalten kann, ein eklatanter Verstoß gegen anerkannte Sorgfaltspflichten bei der Sportausübung im Gebirge wird zu Lasten des Bergsportlers in einer solchen Situation zu berücksichtigen sein. Je größer die potentielle Gefährdung der Retter ist, desto höher sind die Sorgfaltsanforderungen an den Bergsportler im Vorfeld, je gröber sein Fehlverhalten, desto weniger schutzwürdig ist der Bergsportler. Ein grobe Missachtung von bergsteigerischen Sorgfaltsregeln wird demzufolge auch dann eine vom Grundsatz der Haftungsfreiheit abweichende Bewertung rechtfertigen können, wenn zwar nicht die bergsportliche Unternehmung an sich einen besonderen Gefahrencharakter aufweist, aber durch das Fehlverhalten des Bergsteigers eine Verletzung der Bergretter geradezu provoziert, d.h. ihre Wahrscheinlichkeit signifikant erhöht wird. Wer etwa trotz angekündigten Gewitters eine einfache Bergwanderung im Gipfelbereich oder eine Klettersteigtour unternimmt, schafft eine haftungsrechtlich relevante Gefahr dafür, dass ein Retter während der Rettungsaktion durch einen Blitzschlag verletzt wird. Wer nach Neuschneefall bei hoher Lawinenwarnstufe in ungesichertes, steiles Gelände einfährt, ist für die anschließende Verschüttung von Bergrettern verantwortlich. Immer bleibt dabei aber auch die Eigenverantwortung der Bergretter, die in verschiedenen Handlungsmöglichkeiten unter Vermeidung bestimmter Gefahrenquellen zum Ausdruck kommen kann, entsprechend zu gewichten. Auch in den vereinzelt genannten Beispielsfällen wird man deshalb differenzieren müssen und im Einzelfall unter den genannten Voraussetzungen die Haftung des Bergsportlers bejahen können: So wird man den „Großstädter, der trotz Warnungen Einheimischer vor einem Wetterumschlag völlig unzulänglich ausgerüstet und unerfahren eine schwierige Bergtour unternimmt und prompt in Bergnot gerät“426 oder den Skifahrer, der unter „gravierendem Sorgfaltsverstoß (Qualität des groben Verschuldens) gegenüber der eigenen Unversehrtheit“ trotz eines „im Rundfunk angekündigten bevorstehenden Schlechtwettereinbruchs und trotz objektiver Erkennbarkeit der Wetterverschlechterung die gefährliche Tour mit unzureichender Ausrüstung unternimmt“,427 jedenfalls dann zur Verantwortung ziehen können, wenn sich gerade 425 So im Ergebnis wohl auch Maurer, S. 47: „Doch kann sich in solchen Handlungen eine Rechtswidrigkeit gegenüber dem Retter ergeben. Dies dann, wenn der Sorgfaltsverstoß die Entstehung eines Notsituation als wahrscheinlich ansehen lässt bzw. die entstandene Notsituation den Retter aufgrund der Unübersichtlichkeit der Situation gefährdet.“ Und S. 43: „Auch darf nicht übersehen werden, dass ein zu strenger Maßstab die Handlungsfreiheit des Einzelnen in unerträglicher Weise einschränken würde. Andererseits muss sicher beachtet werden, dass durch eine besondere Gefährlichkeit der Situation oder eine mangelnde Erkennbarkeit der Gefährlichkeit für den Retter die Interessenabwägung (in Einzelfällen) zu Lasten desjenigen ausfallen kann, der letztlich den Einsatz ausgelöst hat.“ 426 Nökel, S. 108. 427 Pichler, S. 242 f.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

die hierdurch geschaffenen bzw. erhöhten Gefahren für die Bergretter in einer Verletzung realisieren, sei es weil diese Gefahren in der Schwierigkeit der Route (Absturz bei nassem/vereistem Fels) oder in den Folgen eines Wetterumsturzes (Blitzschlag) liegen. Insoweit handelt es sich um eine „sozial inadäquate“, angesichts der Umstände objektiv pflichtwidrige Gefährdung auch der Retter.428 Die Pflichtwidrigkeit lässt sich nicht allein mit dem Verstoß gegen anerkannte bergsteigerische Grundsätze begründen, die – wie Pichler429 zu Recht feststellt – dem Schutz vor eigenen Verletzungen oder allenfalls dem Schutz anderer Bergsteiger dienen, sondern gerade damit, dass das (gesteigerte) Fehlverhalten des Bergsportlers die Bergrettung besonderen Gefahren aussetzt, die sich dann in der Verletzung realisieren. Im Ausgangspunkt nicht zweifelsfrei ist die Feststellung, dass „die Verhaltensnorm, die verbietet, mit Straßenschuhen auf Bergen zu wandern, [. . .] die Notwendigkeit riskanter Hilfeleistungen einschränken“ soll.430 Eine riskante Hilfeleistung ist eben nur dort denkbar, wo der mit Straßenschuhen ausgerüstete Bergsportler sich auf eine, im Falle eines Einsatzes auch für die Bergretter gefährliche Unternehmung begibt. Allein aus einem „Verschulden gegen sich selbst“, bei dem „schon geringere Unvorsichtigkeiten ein Verschulden bedeuten“ können, ergibt sich die Pflichtwidrigkeit nicht;431 es müssen erst besondere Umstände, namentlich die Schaffung oder Erhöhung einer gesteigerten Gefahr durch ein ggf. gesteigertes Fehlverhalten hinzukommen. Im Ansatz ebenfalls unrichtig, wenn auch im Ergebnis nachvollziehbar ist das bei Maurer genannte Beispiel: „Begibt sich der Skifahrer in das freie Gelände außerhalb der Pistenbegrenzungen und löst dabei eine Lawine aus, erscheint der Sorgfaltsverstoß als grob genug, um eine Rechtswidrigkeit gegenüber den Rettern anzunehmen. Dies insbesondere dann, wenn der Abgang weiterer Lawinen droht.“432 Auch hier wird man eine die Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers überwiegende, nicht tolerierbare Gefährdung der Retter nur annehmen können, wenn den Rettern durch den Einsatz tatsächlich Verletzungen infolge weiterer Lawinenabgänge drohen. Das wiederum hängt davon ab, in welches Gelände 428 Dies scheint letztlich auch Pichler, S. 242 f. einzusehen, wenn er zwar auf die „Qualität des groben Verschulden“ abstellt, sich dann aber beeilt zu betonen, dass der Rechtswidrigkeitszusammenhang dann gegeben sein könnte, wenn der Retter bei einem „gefährlichen Einsatz“ verletzt worden ist oder der Skifahrer im Falle der Bergnot von anderen „unter gefährlichen Umständen“ geborgen werden muss (S. 243). Auch scheint es kein Zufall, dass Nökel (S. 108) auf eine „schwierige Bergtour“ abstellt und das mehrfach umschriebene Fehlverhalten des Großstädters für sich genommen nicht ausreichen lässt. 429 Pichler, S. 242. Ebenso OGH 7Ob602/85, S. 3. 430 So Zimmermann, JZ 1980, 10, 14. Dieses Beispiel aufgreifend Lange/Schiemann, § 3 X 2. a. 431 So aber Fötschl, S. 330 mit Hinweis auf die deutsche Lehre. 432 Maurer, S. 47 und 51.

2. Kap.: Ansprüche aus unerlaubter Handlung

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sich der Skifahrer begeben hat. Allein das Verlassen der gesicherten Pisten hingegen begründet trotz des erheblichen Sorgfaltsverstoßes nicht zwingend besondere Gefahren für die Bergrettung. Allgemein lässt sich festhalten: Je gefährlicher die bergsportliche Unternehmung und je größer deshalb auch die für die Bergretter bei einem möglichen Einsatz bestehenden Gefahren, desto eher kann die Abwägung der Interessen zulasten des Notlagenverursachers führen. Die Überlegungen, die zur Begründung der Pflichtwidrigkeit einer Notlagenverursachung in Hinsicht auf die Verletzung der Bergretter anzustellen sind, setzen das tatsächliche Vorliegen einer Notlage nicht voraus. Sie sind grundsätzlich auch auf die Fälle vermeintlicher Notlagen übertragbar.433 Allerdings sind hier zugunsten der Handlungsfreiheit des vermeintlichen Notlagenverursachers zwei Besonderheiten zu beachten. Gerade in den Fällen, in denen über das tatsächliche Vorliegen einer Notlage Unsicherheit besteht, lässt sich die ausreichende Veranlassung nicht ohne weiteres mit dem Hilfeleistungsimpuls bzw. dem sittlichen Wert der Hilfeleistung an sich begründen. Von der Bergrettung bzw. den Rettungsleitstellen wird man in diesen Fällen deshalb erwarten können, dass sie eine möglichst umfassende Aufklärung des Sachverhalts veranlassen, bevor ein Rettungseinsatz eingeleitet wird. Darüber hinaus wird ein Rettungseinsatz bzw. zunächst eine Suchaktion häufig nicht mit besonderen, für die Bergretter nicht mehr ohne weiteres handhabbaren Gefahren verbunden sein. Eine andere Beurteilung kann sich allenfalls dann ergeben, wenn die konkrete (gefährliche) Route eines vermissten Bergsportlers bekannt war und die Retter Anlass hatten, sich bei der Suche selbst besonderen Gefahren auszusetzen. Bei dem Versäumnis eines Bergsportlers, sich von seiner Unternehmung zurückzumelden oder seinen anderweitigen Verbleib mitzuteilen, wird man deshalb nur in Einzelfällen von einer pflichtwidrigen Gefahrschaffung sprechen können. Das in der Schweiz unter Geschäftsführungsgesichtspunkten und in Hinsicht auf die so verursachten Kosten entschiedene Beispiel des Skifahrers, der sich abends nicht im Hotel zurückmeldet und deshalb eine intensive Suchaktion auslöst,434 wird deshalb nicht ausreichen, einen deliktischen Schadensersatzanspruch des Bergretters, der sich bei einer solchen Suchaktion verletzt, zu begründen. III. Ergebnis Im Ergebnis wird einem Bergretter gegenüber dem Verursacher einer Notlage für während des Einsatzes erlittene Schäden ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB bzw. §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB häufig nicht zustehen. Die Notlagenverursachung ist in Hinsicht auf eine solche 433 434

Vgl. oben a) ff). SJZ 1950, 208 Nr. 76; vgl. ebenfalls Frank, SJZ 1976, 185.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

mittelbare Verletzung in der Regel nicht als pflichtwidrig einzustufen, selbst wenn der Bergsportler die Notlage und den Rettungseinsatz durch eine Unvorsichtigkeit, d.h. einen Sorgfaltsverstoß in eigener Sache ausgelöst hat. Dem nach der Verkehrsanschauung anerkannten Interesse an einer freien Ausübung von Bergsport und der Erwartung an den Selbstschutz der für die Rettung eigens geschulten Bergretter wird innerhalb der Interessenabwägung zur Feststellung einer Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung überwiegendes Gewicht zukommen, solange mit der konkreten Tätigkeit nicht erkennbar besondere Gefahren auch für potentielle Retter verbunden sind. Eine andere Beurteilung kann gerechtfertigt sein, wenn in der Bergsporttätigkeit für den Fall einer Notlage gesteigerte Risiken auch für die Bergrettung angelegt sind und der Bergsportler durch ein zur Notlage führendes Fehlverhalten deshalb erkennbar erhöhte, auch in Ansehung der besonderen Kompetenzen des Bergretters nicht ohne weiteres handhabbare Gefahren für die Bergretter schafft, die sich in der konkreten Verletzung eines Retters niederschlagen. Aufgrund der Gefahr, die durch die Notlagenverursachung auch für die Retter geschaffen oder erhöht wird, im Zusammenspiel mit dem Fehlverhalten des Bergsportlers und dessen Ausmaß kann die Einschränkung der grundsätzlichen Handlungsfreiheit des Bergsportlers gerechtfertigt sein mit der Folge, dass das Integritätsinteresse des betroffenen Bergretters das Interesse des Sportlers an der freien Sportausübung überwiegt und sich das Verhalten des Bergsportlers in Anbetracht der Verletzung des Retters als pflichtwidrig darstellt. Dann ist von ihm zu verlangen, dass er Sorgfaltsstandards der jeweiligen Tätigkeit auch im Interesse der Bergretter beachtet und deren Gefährdung vermeidet. Auf Art und Umfang der nach den jeweiligen Vorschriften zur deliktischen Haftung ersatzfähigen Schäden ist an dieser Stelle nicht weiter einzugehen, da sich hier – anders als bei einem möglichen Schadensersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag435 – keine Besonderheiten ergeben. 3. Kapitel

Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag A. Verschuldensunabhängige Haftung des Hilfeleistungsempfängers In allen drei hier untersuchten Rechtsordnungen ist dem Grunde nach anerkannt, dass der Nothelfer, der sich im Zuge seiner Hilfeleistungstätigkeit verletzt, Ersatz seiner hieraus resultierenden Schäden aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem Hilfeleistungsempfänger beanspruchen kann.436 435

Hierzu sogleich 3. Kapitel B. I.

3. Kap.: Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag

435

In der Schweiz ist der Ersatz von Schäden des Geschäftsführers in Art. 422 Abs. 1 OR ausdrücklich gesetzlich verankert. Die ursprüngliche Fassung des Obligationenrechts hatte in Art. 472a OR die besondere Schadensersatzpflicht des Geschäftsherrn noch nicht enthalten. Dies wurde schon früh als unbillig empfunden und deshalb im Zuge der Anpassung an das ZGB der Ersatz auch von Schäden des Geschäftsführers in Art. 422 Abs. 1 OR aufgenommen.437 In Deutschland und Österreich sind dem auftragslosen Geschäftsführer nach dem Wortlaut der §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB bzw. § 1036 ABGB lediglich seine Aufwendungen zu ersetzen. Auch hier besteht jedoch heute bei unterschiedlichen dogmatischen Begründungsansätzen im Ergebnis Einigkeit, dass dem Geschäftsführer aus Billigkeitsgründen entgegen dem Gesetzeswortlaut und dem Wortsinn der Aufwendung als freiwilligem Vermögensopfer ein Anspruch auch auf Ersatz von im Zuge der Geschäftsführung erlittenen Schäden zukommen soll.438 Der Anspruch des Hilfeleistenden Geschäftsführers auf Ersatz seiner Schäden wird unabhängig von einem Verschulden des hilfesuchenden Geschäftsherrn gewährt und gründet sich allein auf den der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag innewohnenden Gedanken, dass der im Interesse des Hilfsbedürftigen handelnde Nothelfer keinen Nachteil aus seinem fremdnützigen Handeln erleiden soll.439 436 Vgl. Palandt-Sprau, § 683 Rn. 9, § 670 Rn. 9 ff.; KBB-Karner/Koziol, § 1036 Rz. 6; Apathy/Riedler, BR III, SR BT, § 16 Rz. 13; Honsell, OR BT, § 24 III 3; BKWeber, Art. 422 N. 11 jeweils m.w. N.; für Deutschland und Österreich allgemein Fötschl, S. 276; rechtsvergleichend v. Bar, Ben Int, S. 281 f.; Ranieri, S. 637 ff. Zu den jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen insbesondere zu der Frage, ob die Hilfeleistung tatsächlich erforderlich war oder der objektive Schein einer Notlage bereits den Anspruch begründet vgl. oben 3. Teil, 3. Kapitel B. III. 1. 437 Vgl. Schmid, S. 170 m.w. N.; Rösler, S. 62 ff. 438 In Deutschland wird der Ersatz von Schäden teilweise auf eine analoge Anwendung des § 670 BGB, teilweise auf eine extensive Auslegung des auftragsrechtlichen Aufwendungsbegriffs und vereinzelt auf § 242 BGB gestützt (vgl. hierzu im Einzelnen Staudinger-Martinek, § 670 Rn. 17 ff.; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 18; Wollschläger, S. 284 ff. jeweils m.w. N.). In Österreich wird er mit einer entsprechenden Anwendung von § 1014 f. ABGB bzw. §§ 1306a, 1310 ABGB (vgl. KBB-Karner/Koziol, § 1036 Rz. 6 m.w. N.; Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 4; vgl. hierzu Maurer, S. 33 f.) oder § 967 S. 2 ABGB (Meissel, S. 190 ff.) begründet. Daneben hat eine weitere Gruppe von Autoren versucht, den allgemeinen Gedanken der gefahrgeneigten Tätigkeit in fremdem Interesse als Grundlage für den Ersatz solcher Schäden fruchtbar zu machen (vgl. Canaris, RdA 1966, 41; Genius, AcP 173 (1973), 481; Huber, Die Haftung des Geschäftsherrn für schuldlos erlittene Schäden des Geschäftsführers beim Auftrag und bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, Diss. München (1965); Oberhofer, JBl. 1995, 217; Fitz, Risikozurechnung bei Tätigkeit in fremdem Interesse, Diss. Wien (1985). Kritisch Wollschläger, S. 290 f. mit dem Argument, dass das dem Aufwendungsersatz zugrundeliegende Zurechnungsprinzip, durch Aufwendungen zu erzielende Vorteile auszugleichen, bei Schäden gerade nicht passt. 439 BK-Weber, Art. 422 N. 11; Honsell, OR BT, § 24 III. 3. („Entschädigung nach Billigkeit“); Staudinger-Martinek, § 670 Rn. 1, 17 ff., 23; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 18; Koziol/Welser, BR I, S. 505; KBB-Karner/Koziol, § 1036 Rz. 6; zum hinter dieser Bil-

436

4. Teil: Schadensersatzansprüche

Wenn die Fremdnützigkeit maßgeblicher Grund für den Ersatz von Schäden des Hilfe leistenden Geschäftsführers ist, erscheint die Gewährung eines solchen Anspruchs für die Bergrettung insoweit zweifelhaft, als der Bergrettung bei Hilfeleistung ohne Vertragsschluss aus Geschäftsführung ohne Auftrag ein Rettungsentgelt zusteht.440 Dann nämlich ist die „Unentgeltlichkeit“ der Hilfeleistung als Argument für den Ausgleich erlittener Schäden fraglich und man müsste wie bei der entgeltlichen Geschäftsbesorgung prüfen, ob Risiken der Hilfeleistung nicht durch dieses Rettungsentgelt abgedeckt sind.441 Für den besonderen Fall der Bergrettung ist aber zu berücksichtigen, dass die jeweilige, für den Einsatz berechnete Rettungspauschale letztlich kein echtes Rettungsentgelt im Sinne einer Entlohnung der Tätigkeit darstellt, sondern dass hiermit vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, eine sozialverträglich gestaltete, moderate (Pauschal-) Abgeltung der anfallenden und laufenden Rettungskosten bezweckt wird, während die ehrenamtlichen Bergretter selbst unentgeltlich tätig werden.442 Das Rettungsentgelt hat also primär Ausgleichsfunktion für Aufwendungen. Dem Gedanken, dem Retter Ersatz auch für Schäden zu gewähren, die dieser aufgrund unentgeltlich eingegangener Risiken erleidet, steht das Rettungsentgelt folglich nicht entgegen.443 Die Frage, ob der Hilfsbedürftige den Bergrettern das eingegangene Einsatzrisiko durch Zahlung eines Tätigkeitsentgelts mit darin eventuell enthaltenem Risikoaufschlag „abkauft“, stellt sich nicht.444 ligkeitshaftung stehenden Motiv, Menschenhilfe anzuerkennen und zu belohnen vgl. Wollschläger, S. 284 ff. 440 Vgl. oben 3. Teil, 3. Kapitel C. und D. 441 Vgl. Staudinger-Martinek, § 670 Rn. 27; Erman-Ehmann, § 670 Rn. 20. 442 Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 2. a) und B. III. Hiervon zu trennen ist die Tatsache, dass auch andere laufende Kosten, die nicht direkt auf den konkreten Rettungseinsatz zurückzuführen sind, in die Rettungspauschalen mit eingerechnet werden (vgl. 3. Teil, 3. Kapitel C. I.). Damit kommt dem Rettungsentgelt zwar im Vergleich zum nach dem Wortlaut der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähigen Aufwand Vergütungscharakter zu. Eine echte Vergütung als Gegenleistung für erbrachte Leistungen ist es aber nicht. 443 Eine andere Frage ist, ob es sinnvoll erscheint und der Verkehrserwartung eher entspricht, dass Rettungsorganisationen ihre Mitarbeiter hinsichtlich Rettungsrisiken angemessen versichern (vgl. vor allem Wollschläger, S. 294 ff.). Nicht zutreffend ist in diesem Zusammenhang die Ansicht von Graf (Vertrag und Vernunft, S. 355; dem folgend Maurer, S. 35 ff.), der bei „professionellen Nothelfern“ auf einen hypothetischen Werkvertragsschluss abstellen und Schäden von dem hierfür fälligen marktüblichen Entgelt abgedeckt ansehen will. Man müsste jedenfalls die Bergrettung nach dieser Auffassung als nichtprofessionelle Nothelfer einstufen. 444 Etwas anderes könnte für berufsmäßige Retter, wie z. B. den beim Einsatz involvierten Notarzt, der für seine Tätigkeit entsprechend entlohnt wird, gelten. Schwierig liegt auch der Fall des (in Österreich und der Schweiz) zur Nothilfe gesetzlich verpflichteten Bergführers. Er kann seinen Verdienstausfall vom Hilfsbedürftigen ersetzt verlangen. Ob darin aber die Abdeckung auch von Rettungsrisiken zu sehen ist, erscheint fraglich, da Notsituationen sich in ihrem Gefahrenpotential von den Risiken bei „normaler“ Arbeitstätigkeit meist unterscheiden und Notarzt sowie Bergführer die Notfallrisiken bewusst eingehen, nicht aber die Verletzungen einplanen und in ihrem Entgeltanspruch

3. Kap.: Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Erleidet ein Bergretter während eines Einsatzes Schäden, steht ihm folglich ein Anspruch auf Ersatz dieser Schäden gegen den Hilfsbedürftigen aus Geschäftsführung ohne Auftrag dem Grunde nach zu. Während in Deutschland allerdings erforderlich ist, dass tatsächlich eine Notlage gegeben war, es sich also nicht um einen Fehlalarm handelte, ist sowohl in Österreich als auch der Schweiz ausreichend, dass die Bergrettung aufgrund der objektiv erkennbaren Umstände von der Notwendigkeit eines Einsatzes ausgehen durfte.445

B. Einschränkungsbestrebungen So groß die Übereinstimmung zur prinzipiellen Erfassung von Schäden durch den Anspruch des Hilfe leistenden Geschäftsführers ohne Auftrag ist, so sehr besteht Einigkeit darüber, dass es wegen ansonsten drohender Härtefälle nicht angeht, dem Geschäftsführer nach dem Grundsatz der Totalreparation gegenüber dem allein aus Billigkeitsgründen verschuldensunabhängig haftenden Geschäftsherrn stets einen Ersatzanspruch in vollem Umfang, d.h. für sämtliche im Zuge der Hilfeleistung erlittenen Schäden zu gewähren.446 In der Vorschrift des Art. 422 Abs. 1 OR kommt dies unmittelbar dadurch zum Ausdruck, dass der Ersatzanspruch nach „Ob“ und „Wie“447 in das „Ermessen des Richters“ gestellt wird. Auch in Deutschland und Österreich soll die Korrektur des Prinzips der Totalreparation dem Richter durch Gewährung einer „angemessenen Entschädigung“ möglich sein. In Deutschland wird betont, dass es nicht um eine umfängliche Kompensation nach §§ 249 ff. BGB gehe, sondern der auftragsrechtliche Gedanke der angemessenen Schadloshaltung beachtet werden müsse.448 In Österreich wird auf die im Einzelfall unbillige Belastung des Geschäftsherrn und vor allem auf den Aufopferungsgedanken bei der mit Risiken verbundenen Hilfeleistung hingewiesen, um die richterliche Korrektur zu rechtfertigen.449

berücksichtigen (können). Zu einem möglichen rechtsgeschäftlichen Haftungsverzicht durch die Bergrettung, auf die diese Überlegung anspielt, näher unten 5. Kapitel B. III. 445 Vgl. oben 3. Teil, 3. Kapitel B. III. 1. d) und 3. 446 Vgl. Palandt-Sprau, § 670 Rn. 13 („Da der Anspruch stark von Billigkeitserwägungen beeinflusst ist, ist in besonders gelagerten Fällen eine vorsichtige Modifizierung des Alles-Oder-Nichts-Grundsatzes in §§ 249 ff. zugunsten einer angemessenen Entschädigung nach Aufopferungsgrundsätzen vertretbar [. . .]“); MüKo-Seiler, § 670 Rn. 14 mit Rechtsprechungsnachweisen; KBB-Karner/Koziol, § 1036 Rz. 6 und KBB-Bydlinski, § 1014 Rz. 7 ff.; Meissel, S. 191; Honsell, OR BT, § 24 II. 3. 447 Gauch, in: FS Richli, S. 191, 200. 448 Staudinger-Martinek, § 670 Rn. 23; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 67. 449 Grundlegend OGH SZ 68/142 mit Hinweis auf den Grundgedanken der angemessenen Entschädigung in §§ 1015, 1043, 967 ABGB, der zu einer Billigkeitshaftung in Anlehnung an §§ 1306a, 1310 ABGB führe; Meissel, S. 190 ff.; Rummel-Rummel, § 1036 Rz. 4.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

Es stellen sich unmittelbar zwei Fragen: Nach welchen Kriterien soll der Richter entscheiden, ob und in welchem Umfang der Ersatz von Schäden des Nothelfers aus Geschäftsführung ohne Auftrag noch „angemessen“ ist? Lässt sich durch etwaige Kriterien eine durchgängig überzeugende Begrenzung der Ersatzpflicht des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn erreichen? Bei der Betrachtung der jeweils zur Einschränkung des Ersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag herangezogenen Überlegungen lassen sich drei Kategorien unterscheiden. Ein Großteil der herangezogenen Kriterien weist einen Bezug zu Elementen der Verschuldenshaftung, d.h. zur Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn oder des Geschäftsführers auf (I.), ein anderer Teil hingegen betrifft reine Billigkeitserwägungen (II.). Darüber hinaus ist umstritten, welche Schadensarten noch vom Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag erfasst sein sollen (III.). Auch wenn die Zielsetzung, die verschuldensunabhängige Haftung des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn angemessen zu begrenzen, nachvollziehbar ist, die hierzu herangezogenen Kriterien vermögen nicht zu überzeugen. I. Einschränkungskriterien mit Verschuldensbezug 1. Beschränkung auf tätigkeitsspezifische Risiken Anerkannt ist in Deutschland und Österreich, dass zwischen der Ausführung der Hilfeleistung und dem Schaden des Hilfeleistenden nicht nur ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen muss, sondern der Ersatzanspruch zudem auf tätigkeitsspezifische Schäden, die auf ein gesteigertes Tätigkeitsrisiko zurückzuführen sind, beschränkt bleibt, während Schäden in Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos nicht ersatzfähig sind.450 Tätigkeitsspezifische Risiken sollen sich von allgemeinen Lebensrisiken dadurch abgrenzen, dass sie gerade der Geschäftsführung immanent sind und nicht üblicherweise jeden treffen können, so dass sie lediglich zufällig aus Anlass der Geschäftsführung entstehen.451 Des Weiteren sollen nur sog. Zufallsschäden als ersatzfähig anzusehen sein. Das sind solche Schäden, die weder der hilfsbedürftige Geschäftsherr noch der Hilfe leistende Geschäftsführer selbst allein verschuldet hat.452 450 Vgl. Palandt-Sprau, § 670 Rn. 9 ff.; Erman-Ehmann, § 670 Rn. 14 ff.; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 66; MüKo-Seiler, § 670 Rn. 14; Soergel-Beuthien, § 670 Rn. 21; Schwarz, § 5 Rn. 38; Wittmann, S. 88; KBB-Karner/Koziol, § 1036 Rz. 6 und KBB-Bydlinski, § 1014 Rz. 7; Meissel, S. 186 f.; Koziol/Welser, BR I, S. 365; Maurer, S. 32 ff.; vgl v. Bar, Ben Int, S. 276 ff. 451 Staudinger-Martinek, § 670 Rn. 25; Meissel, S. 188. 452 Staudinger-Martinek, § 670 Rn. 24; MüKo-Seiler, § 670 Rn. 14; Soergel-Beuthien, § 670 Rn. 17; Kapfer, § 1014 E 3 und 4; KBB-Karner/Koziol, § 1014 Rz. 7; Meissel, S. 186. Auch wenn immer wieder von Zufallsschäden die Rede ist, bleibt die Defini-

3. Kap.: Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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Diesem Ansatz der Beschränkung auf tätigkeitsspezifische Risiken scheint neuerdings auch das Bundesgericht zu folgen, obwohl eine solche Interpretation hier wegen des explizit geregelten Kausalhaftungsanspruchs, der keine solche Einschränkung enthält, eigentlich nicht angezeigt wäre.453 Ob sich allgemeine Lebensrisiken durchgehend schlüssig und präzise von gesteigerten Risiken der jeweiligen Geschäftsbesorgung trennen lassen, wird mit Recht in Zweifel gezogen.454 Es erscheint beispielsweise nicht einsichtig, warum die Betriebsgefahr des zur Geschäftsbesorgung notwendigen Kfz-Gebrauchs unter das allgemeine Lebensrisiko subsumiert werden soll,455 wenn der Geschäftsführer die Art der Tätigkeit außerhalb der Geschäftsbesorgung nicht oder etwa mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt hätte. Auch lässt sich nicht ohne weiteres nachvollziehen, warum das Einrollen von Feuerwehrschläuchen durch den möglicherweise erschöpften Feuerwehrmann nach dem Einsatz als allgemeines,456 das Ablegen mit dem Boot zu Hilfeleistungszwecken wegen der Dringlichkeit aber ein besonderes tätigkeitsspezifisches Risiko darstellen soll.457 Wo die Grenze zwischen allgemeinem Lebensrisiko und gesteigertem, tätigkeitsspezifischem Geschäftsbesorgungsrisiko liegen soll, bleibt mangels konkreter Abgrenzungskriterien unklar.

tion in Ansehung der zur Eingrenzung des Haftungsumfangs herangezogenen Verschuldenskriterien zweifelhaft (vgl. dazu unten 5. Kapitel B. II. 1.). 453 Vgl. BGE 129 III 181 ohne zu der Unterscheidung von Zufallsschäden und Schäden aus allgemeinem Lebensrisiko aber genauere Ausführungen zu machen. Kritisch Gauch, in: FS Richli, S. 191 ff., 196 ff. Für das schweizerische Obligationenrecht ebenfalls auf Zufallsschäden Bezug nehmend Ranieri, S. 647. Die dort genannten Fälle (BGE II 497 ff. und BGE 61 II 95 ff.) betreffen die besonderen Fälle von Hilfe in Form von Gefälligkeitshandlungen, bei denen Art. 422 OR ebenfalls zur Anwendung kommen soll. 454 Vgl. hierzu insbesondere Blaschczok, in: FS Gitter, S. 105 ff. mit Beispielen und dem Hinweis, dass es entsprechendes Rechtsprechungsmaterial hierzu gar nicht gibt. Gauch, in: FS Richli, S. 191, 201 ff.; a. A. Fitz, S. 86, der meint, dass sich das Kriterium der geschäftsspezifischen Gefahr trotz seiner Relativität „ganz und gar bewährt“ habe. 455 Vgl. Blaschczok, in: FS Gitter, S. 109 f. mit dem Hinweis, dass im Sozialrecht genau das Gegenteil gilt; Staudinger-Martinek, § 670 Rn. 25, der allerdings einschränkt auf „unverschuldete“ Verkehrsunfälle. Dass die Nutzung eines Kraftfahrzeugs gefährlich ist, hat der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des Kfz-Betriebs als Gefährdungshaftung unterstrichen und lässt sich auch daran ablesen, dass Verkehrsunfälle in den allerseltensten Fällen auf Seiten des Fahrers als „unverschuldet“ gelten. 456 BGH NJW 1993, 2234. 457 BGH LM § 677 Nr. 14.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

2. Berücksichtigung des Mitverschuldens auf Seiten des Nothelfers (Geschäftsführers) Ein Mitverschulden des Nothilfe leistenden Geschäftsführers soll bei der Feststellung einer „angemessenen Entschädigung“ ebenfalls anspruchsmindernd berücksichtigt werden.458 Dabei sollen zugunsten des Hilfe leistenden Geschäftsführers Haftungsprivilegien zu beachten sein.459 So haftet er nach § 680 BGB bei der Abwendung einer „drohenden dringenden Gefahr“ nicht für leichte Fahrlässigkeit. Nach Art. 420 Abs. 2 OR ist seine Haftung bei der Abwendung eines „drohenden Schadens“ „milder zu beurteilen“. Im österreichischen Recht fehlt zwar eine diesen Vorschriften vergleichbare Norm. Allerdings wird hier teilweise ebenfalls eine entsprechende Privilegierung des Hilfe leistenden Geschäftsführers de lege ferenda befürwortet.460 Teilweise wird darauf verwiesen, dass bei entsprechender Berücksichtigung der Nothilfeumstände dasselbe Ergebnis durch eine angemessene Abmilderung der zu erwartenden Sorgfalt bei Ausübung der Hilfeleistung erreichbar sei, so dass es einer expliziten Haftungsmilderung gar nicht bedürfte.461 Einem „professionellen Nothelfer“ soll hingegen nach überwiegender Auffassung eine solche Haftungsmilderung nicht zugute kommen, da er für seine Tätigkeit eine berufsentsprechende Vergütung als Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag geltend machen kann.462 Es wird als widersprüchlich empfunden, dem professionellen Nothelfer – wie einem Vertragsgläubiger – auf der einen Seite vergütungsgleich vollen Aufwendungsersatz für seine Arbeitsleistung zu gewähren und ihn im Gegenzug der strengen Vertragshaftung zu unterwerfen, zumal der berufliche Helfer in der Regel durch eine entsprechende Versicherung 458 So schon RG DR 1944, 287, 288; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 70 (entsprechende Anwendung des Gedanken in § 254 BGB); Schwarz/Wandt, § 5 Rn. 46 f.; Soergel-Beuthien, § 670 Rn. 18; Palandt-Sprau, § 670 Rn. 8; im Ergebnis ebenfalls Fötschl, S. 282 ff., 284, der darauf verweist, dass der Mitverschuldenseinwand bisher in der österreichischen Judikatur nicht ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag behandelt wurde, es aber durchaus Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein solcher Mitverschuldensbeitrag des Nothelfers im Rahmen der anzustellenden Billigkeitsüberlegungen einfließen kann. Dem ist vor dem Hintergrund höchstrichterlicher Erwägungen im Rahmen der Billigkeitsprüfung zur Festlegung des Umfangs der Ersatzpflicht zuzustimmen. Der Oberste Gerichtshof will den Umfang der Ersatzpflicht unter anderem von dem seitens des Geschäftsführers eingegangenen Risiko und der Mitwirkung an der Entstehung der Gefahrenlage abhängig machen (vgl. OGH SZ 68/142 = 2Ob46/95, S. 5; 3Ob507/96, S. 8) und spricht die Relevanz des Mitverschuldens in einer Entscheidung sogar explizit an (OGH Ob2325/96t, S. 5: „Richtig ist, dass der Nothelferin nach den im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen kein anspruchsminderndes Mitverschulden anzulasten ist.“). Für die Schweiz vgl. BKWeber, Art. 422 N. 11; ZK-Schmid, Art. 422 N. 57; Lischer, S. 90 (dazu gleich). 459 Vgl. MüKo-Seiler, § 680 Rn. 8 m.w. N. 460 Vgl. Fötschl, S. 282 f. mit Hinweis auf Fitz, S. 176. 461 Fitz, S. 101; Meissel, S. 140. 462 Vgl. hierzu oben 3. Teil, 3. Kapitel C. II.

3. Kap.: Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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abgedeckt ist, deren Kosten er über das Entgelt auf den Vertragspartner bzw. Geschäftsherrn abwälzen kann.463 Will man aber ein Mitverschulden des Nothelfers berücksichtigen, fragt sich, wie dieses gegenüber der reinen Risikohaftung des Geschäftsherrn überhaupt zu bewerten ist.464 Stehen sich bei der Verschuldenshaftung oder der Gefährdungshaftung noch gleichartige, auf Gefahrverantwortung basierende Verursachungsbeiträge gegenüber, findet das Verschulden des Nothelfers bei der Haftung des Geschäftsherrn nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag kein gleichwertiges Äquivalent. Auch fragt sich, wie ein Mitverschulden des Nothelfers mit dem Begriff des Zufallschadens in Einklang zu bringen ist (dazu sogleich). 3. Sonstige Abwägungskriterien: Gefährdung und drohende Schäden Bei der Bestimmung, in welchem Umfang der Ersatz solcher tätigkeitsspezifischer Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag angemessen ist, soll der Richter darüber hinaus die Größe der tatsächlich drohenden Gefahr für den Geschäftsherrn, den Wert der geretteten Güter (Art und Höhe der drohenden Schäden), die Zweckmäßigkeit des Aufopferns und das Risiko für den Geschäftsführer berücksichtigen.465 Wenn man die Größe der Gefahr, den Wert der bedrohten Güter, die Zweckmäßigkeit des Handelns oder gar die Verantwortung für ein Gefahrenpotential bei der Haftung des Geschäftsherrn als Kriterien für eine Haftungsbegrenzung heran463 Vgl. Staudinger-Bergmann, § 680 Rn. 15; Wollschläger, S. 293 f.; Soergel-Beuthien, § 680 Rn. 5; Köndgen, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 371, 393; Helm, Gutachten, S. 335, 403; ZK-Schmid, Art. 422 N. 56; Schmid, S. 171. Auch wenn keine einheitliche Definition des „professionellen Nothelfers“ existiert, will jedenfalls Wollschläger auch diejenigen unter diesen Begriff fassen, die in Ausübung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen tätig werden. Dass diese Argumentation auf die ehrenamtlich tätigen Bergretter so nicht zutritt, weil die Bergrettung zwar Einsatzentgelte verlangt, diese jedoch nur der Kostendeckung, nicht aber der Entlohnung für die ausgeübte Rettungstätigkeit dienen, wurde bereits ausgeführt. Die Rettungspauschalen der Bergrettung stellen kein Äquivalent für die Eingehung tätigkeitsspezifischer Risiken dar, die mit dem jeweiligen Rettungsentgelt als abgegolten anzusehen sind. Darüber hinaus erscheint es sachgerecht, der besonderen Expertise der Bergrettung bei ihren Einsätzen gegenüber dem spontanen privaten Nothelfer dadurch Rechnung zu tragen, dass man den Bergrettern das Haftungsprivileg zwar nicht vollständig versagt, ihre besondere Kompetenz im Wege schärferer Sorgfaltsanforderungen aber jedenfalls entsprechend berücksichtigt (vgl. MüKo-Seiler, § 680 Rn. 6; Erman-Ehmann, § 680 Rn. 2; vgl. ebenfalls differenzierend OLG München NJW 2006, 1883, 1885 zum Fall eines am Unfallort zufällig anwesenden Arztes (Gynäkologen); im Ergebnis zustimmend Roth, NJW 2006, 2814 ff.). 464 Vgl. Oberhofer, JBl. 1995, 217, 220 ff. 465 Vgl. Meissel, S. 191; OGH SZ 68/142; OGH 2Ob2325/96t, S. 5 f.; OGH 3Ob507/96, S. 8; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 22 m.w. N.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

zieht, stellt man letztlich auf genau die Aspekte ab, die eine Gefahrverantwortung des deliktischen Schädigers begründen.466 Folglich wird die Billigkeitshaftung des Geschäftsherrn indirekt doch wieder in die Nähe einer Verschuldenshaftung gerückt, indem man konstatiert, dass der hilfsbedürftige Geschäftsherr in umso größerem Umfang haften muss, je größer die Gefahr und der Wert der bedrohten Rechtsgüter waren. 4. Ausübung des richterlichen Ermessens in der Schweiz In der Schweiz erfolgt eine vergleichbare Beschränkung auf tätigkeitsspezifische Zufallsschäden wohl grundsätzlich nicht.467 Innerhalb der gesetzlich angeordneten richterlichen Ermessensausübung bei der Festlegung des Schadensersatzumfangs sind aber weitgehend dieselben Kriterien mit Verschuldensbezug zu berücksichtigen, wie sie auch in Deutschland und Österreich für die Beschränkung des Ersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag herangezogen werden. Hierzu gehören die potentielle Einstandsverantwortung des Geschäftsherrn, die sich aus einem Verschulden, aber auch aus einem zu vertretenden Gefährdungspotential ableiten lässt468, sowie ein Verschulden des Geschäftsführers, das je nach Ausmaß zu einer Verneinung oder anteiligen Kürzung des Anspruchs führen kann (Mitverschulden).469 In die Erwägungen einfließen sollen in diesem Zusammenhang ebenfalls die Größe der drohenden Gefahr,470 der Wert des bedrohten Gutes471 sowie das Verhältnis von drohender Gefahr und eingegangenem Risiko.472 Die hierzu jeweils dargelegten Erwägungen gelten deshalb hier entsprechend. II. Reine Billigkeitserwägungen Neben den genannten Kriterien zur Einschränkung des Ersatzanspruchs für Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag, die einen Bezug zur Elementen der Verschuldenshaftung entweder hinsichtlich des Nothelfers oder des Hilfesuchen-

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Vgl. oben 2. Kapitel C. II. 2. b). Ausnahme: BGE 129 III 181 (Sonderfall der analogen Anwendung von Art. 422 Abs. 1 OR auf ein Gefälligkeitsverhältnis), ohne allerdings hierzu nähere Begründungen zu liefern. Kritisch Gauch, in: FS Richli, S. 191 ff., 196 ff. 468 ZK-Schmid, Art. 422 N. 57; Schmid, S. 172. 469 Lischer, S. 90; Schmid, S. 172 [zur Besonderheit der Haftungsmilderung nach Art. 420 Abs. 2 OR s. o. b)]. 470 ZK-Schmid, Art. 422 N. 56. 471 BGE 78 II 42 ff., 51. 472 BGE a. a. O.; ZK-Schmid, Art. 422 N. 56; Schmid, S. 171 mit Hinweis auf BGE 48 II 487 ff. (Vernünftigkeit des Verhältnisses zwischen Hilfeleistung und abzuwendendem Schaden). 467

3. Kap.: Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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den aufweisen, werden zur Bestimmung eines „angemessenen“ Ausgleichs auch einzelne nicht verschuldensrelevante, reine Billigkeitserwägungen angeführt. 1. Berücksichtigung des verfehlten Erfolgseintritts Entgegen dem Grundsatz, dass der Schadloshaltungsanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag vom Erfolg der Geschäftsbesorgung unabhängig ist, wenn die Geschäftsbesorgung jedenfalls im Zeitpunkt der Übernahme berechtigt war,473 wird teilweise gefordert, jedenfalls hinsichtlich der Erstattung von Schäden die Tatsache, dass die Hilfeleistung letztlich erfolglos bleibt, entsprechend anspruchsmindernd zu berücksichtigen.474 Diesem Argument ist nicht zu folgen. Wenn maßgeblicher Grund des Ersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag ist, den fremdnützig handelnden Nothelfer für seine Hilfeleistungstat zu belohnen, indem man ihn von Nachteilen seiner Hilfeleistung schadlos halten und so die Bereitschaft zur Hilfeleistung fördern will, darf es auf den Erfolg der Hilfeleistung grundsätzlich nicht ankommen. Der Nothelfer würde andernfalls das häufig bestehende Prognoserisiko tragen und deshalb bei unklarem Ausgang seines Engagements angesichts seines eigenen Integritätsinteresses vernünftigerweise von der Hilfeleistung Abstand nehmen. Mag das Argument für Aufwendungen, die als freiwillige Vermögensopfer noch einen entsprechenden Nutzen (Vorteil) erwarten lassen, wegen der bestehenden Kosten-Nutzen-Relation475 noch eher hinzunehmen sein, wäre die Konsequenz für Nothilfeschäden, dass der Nothelfer Köper- und Gesundheitsschäden nur begrenzt ersetzt verlangen könnte, wenn seine Hilfeleistung nicht vollumfänglich erfolgreich ist. Diese ungleich gravierenderen Folgen dürfte er vernünftigerweise nicht riskieren. Etwas anderes könnte sich für die Bergrettung ergeben, die von vornherein zur Hilfeleistung verpflichtet ist, so dass dem Förderungsgedanken praktisch kein Gewicht zukommt. Andererseits ist aber auch hier nicht ohne weiteres einzusehen, warum der Umfang der Erstattung von Schäden während eines Einsatzes trotz der Verpflichtung zum Einsatz vom häufig zufälligen Erfolg der Rettungsaktion beeinflusst werden sollte, so dass sich sein Ausbleiben stets zu Lasten des betroffenen Bergretters auswirken würde. Der Charakter der Rettungsleistung als unentgeltlichem fremdnützigen Handeln ändert sich nicht, unabhängig davon, ob der verunglückte Bergsportler kurz vor Eintreffen der Bergretter oder aufgrund seiner Verletzungen erst später im Krankenhaus verstirbt.

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Palandt-Sprau, § 683 Rn. 3; KBB-Koziol, § 1036 Rz. 4; BK-Weber, Art. 422 N. 2. Andeutungsweise BGHZ 38, 270, 279; Staudinger-Wittmann (12. Auflage), § 683 Rn. 5; Schmid, S. 171; ZK-Schmid, Art. 422 N. 56. 475 Vgl. hierzu Wollschläger, S. 291. 474

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

2. Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse der Beteiligten Teilweise wird verlangt, die Vermögensverhältnisse der Beteiligten innerhalb der Angemessenheit des Ersatzumfangs zu berücksichtigen, um unbillige Härten zu vermeiden.476 Die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse der Beteiligten erscheint ebenfalls verfehlt, denn es käme einer willkürlichen Risikoverteilung gleich, den Umfang des Ersatzanspruchs von dem Zufall abhängig zu machen, ob es sich bei einem hilfsbedürftigen Bergsportler um einen Schreinergesellen oder um den Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft handelt. Maßgeblicher Grund für den Ersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag ist das Prinzip der Schadloshaltung bei fremdnütziger Interessenwahrnehmung, das durch eine solche willkürliche Risikozuweisung unterlaufen würde.477 Zudem sind die Hinweise auf die Vorschriften des § 829 BGB und § 1310 ABGB in diesem Zusammenhang verfehlt, da es sich insoweit um nicht verallgemeinerungsfähige Bestimmungen handelt, die eine Billigkeitshaftung in Ausnahme der Verschuldenshaftung konstatieren.478 3. Versicherbarkeit von Nothilfeschäden Auch wird die Auffassung vertreten, dass die Versicherbarkeit des „professionellen Nothelfers“ für während der Hilfeleistung erlittene Schäden in die Bewertung mit einfließen müsse und deshalb üblicherweise versicherte Schäden nicht erstattungsfähig seien.479 Das könnte ebenfalls auf die Bergrettungsorganisationen zutreffen, denen daran gelegen sein muss, ihre Mitglieder gegen Einsatzgefahren selbst ausreichend zu versichern, zumal die hierfür fälligen Versicherungsprämien ggf. in den jeweiligen Kostenpauschalen Berücksichtigung finden könnten. Das Argument hat insofern praktischen Charme, als es auf eine in der Praxis ohnehin bestehende Tatsache hinweist, mit der die Schwierigkeit der angemessenen Risikoverteilung mit dem Mittel der Billigkeitshaftung aus Geschäftsführung ohne Auftrag um ein Problemfeld erleichtert werden könnte. Dennoch kann dem Argument so nicht gefolgt werden. Ob und in welchem Umfang jemand aufgrund privater Initiative durch den Abschluss einer Versicherung Vorsorge gegen finanzielle Einbußen getroffen hat, ist ein rein tatsächlicher 476 Wollschläger, S. 298 f.; Helm, Gutachten, S. 335, 391; ZK-Schmid, Art. 422 N. 56; vgl. auch § 1306a ABGB; Meissel, S. 191; ablehnend Wittmann, S. 89 f.; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 68. 477 Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 68; Wittmann, S. 89 f. 478 Wittmann, S. 89; Canaris, RdA 1966, 41, 47. 479 Wollschläger, S. 294; Schmid, S. 171.

3. Kap.: Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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und – insbesondere wenn keine Versicherungspflicht besteht – zufälliger Umstand, nicht aber ein rechtlich überzeugendes Argument. Ein solcher Umstand bietet folglich keine nachvollziehbare Begründung dafür, warum trotz Vorliegens aller Voraussetzungen letztlich dennoch der Anspruch versagt und damit letztlich das Schadensrisiko allein dem (zufällig versicherten) Nothelfer bzw. seinem Versicherer auferlegt wird. Fraglich ist bereits, ob sich derartige Versicherungsprämien tatsächlich durch entsprechend angepasste Vergütungsforderungen kompensieren lassen.480 Zudem ist zu bedenken, dass sich dann die schwierige Frage stellt, welche Tätigkeit „üblicherweise“ zu versichern ist. Würde der Schadensersatzanspruch um üblicherweise versicherte Beträge gekürzt, würde dem Versicherer u. U. zudem ein möglicher Regress verwehrt. Das sich stellende Problem der Totalreparation bei einem Schadensersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag würde letztlich zu Lasten des Nothelfers bzw. seines Versicherers ohne tragfähigen Grund auf einen andere Ebene verlagert. III. Ersatzfähige Schadensarten Letztlich gibt es Ansätze, die verschuldensunabhängige Haftung des hilfesuchenden Geschäftsherrn dadurch zu beschränken, dass man nur bestimmte Schadensarten als erstattungsfähig anerkennt. Der Art nach kann der Hilfe leistende Geschäftsführer zunächst unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen unstreitig Ersatz von Personen- und Sachschäden verlangen.481 Umstritten ist hingegen, ob ihm darüber hinaus Schmerzensgeldansprüche zustehen und hinterbliebene Angehörige des verstorbenen Nothelfers in der Lage sein sollen, ihrerseits Schäden, insbesondere Versorgungsansprüche geltend zu machen. In Deutschland und Österreich werden beide letztgenannten Ansprüche befürwortet, während sich die schweizerische Praxis mehrheitlich gegen sie ausspricht. Anders als in Österreich wurde in Deutschland die Gewährung von Schmerzensgeld bisher weitgehend abgelehnt mit der Begründung, dass der Schmerzensgeldanspruch in § 847 BGB systematisch der deliktischen Haftung zuzuordnen sei, es sich bei dem Anspruch analog § 670 BGB aber eben nicht um einen echten 480 Vgl. Online-Artikel des ORF vom 12.08.2005 „In Geldnot“ (www.orf.at), in dem darauf hingewiesen wird, dass steigende Versicherungskosten die Bergrettung in Österreich immer stärker belasten, die Kompensation dieser Zusatzkosten aber gerade nicht gesichert ist. 481 Heilungskosten: OLG Düsseldorf DAR 1962, 150; LG Heidelberg VersR 1968, 53; BGHZ 52, 115; Verdienstausfall: BGHZ 52, 115; 33, 251, 257; Sachschäden: BGHZ 52, 115 (Kleidung); LG Bückeburg VersR 1954, 455; OLG Oldenburg VersR 1972, 1178 (Kraftfahrzeug); vgl. ebenfalls Fötschl, S. 276 ff.; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 19; Rösler, S. 63.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

Schadensersatzanspruch handele, und mangels Verschuldens des schadensverantwortlichen Geschäftsherrn sich die Genugtuungsfunktion eines solchen Anspruchs auch nicht rechtfertige. Beide Argumente sind durch die Neuregelung des Schmerzensgeldanspruchs in § 253 Abs. 2 BGB, der den Ersatz immaterieller Schäden nicht mehr im Deliktsrechts regelt und auch bei verschuldensunabhängiger Gefährdungshaftung Anwendung finden soll, geschwächt worden, so dass die Gewährung von Schmerzensgeld neuerdings für möglich gehalten wird.482 Dennoch sind Schmerzensgeldansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag dem Nothelfer auch trotz der geänderten Rechtslage in Deutschland richtigerweise (weiterhin) zu versagen.483 Wenn auch der immaterielle Schaden nicht mehr ausschließlich im Bereich der unerlaubten Handlungen verortet wird und ein Schmerzensgeldanspruch auch bei Gefährdungshaftung anerkannt ist, so bleibt doch wesentlicher Ansatzpunkt für die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes das Verschulden oder jedenfalls die generelle Gefahrverantwortung des Haftungsschuldners.484 Beides ist jedoch bei der Nothilfe jedenfalls in Bezug auf die in Deutschland und Österreich aus Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähigen Zufallsschäden, die ein maßgebliches Verschulden oder eine Gefahrverantwortung des Hilfsbedürftigen gerade nicht umfassen sollen, nicht gegeben. Es wäre widersprüchlich, den Ersatzanspruch des Nothelfers für seine uneigennützige Tat wegen des fehlenden Verschuldens des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn im Umfang auf Zufallsschäden zu beschränken, ihm dann aber für seine Verletzungen Genugtuung zu verschaffen, obwohl ein nachvollziehbarer Grund hierfür in der Person des verschuldensunabhängig haftenden Hilfsbedürftigen nicht existiert. Der Ersatz von Hinterbliebenenansprüchen ist hingegen seit langem in entsprechender Anwendung der §§ 844, 845 BGB anerkannt, da es sinnwidrig sei, bei Gesundheitsschäden vollen, bei Tötung gar keinen Ersatz zuzubilligen.485 Dies verhält sich – ebenso wie die Gewährung eines Schmerzensgeldanspruchs – zum 482 Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 69; dafür Schwarz/Wandt, § 5 Rn. 39; dagegen Jauernig-Mansel, § 670 Rn. 10; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 19; zuletzt nach BGHZ 52, 115, 117. In Österreich ordnet § 1325 ABGB nach h. M. unabhängig von der gesetzlichen Grundlage der Haftung bei Körperverletzung auch Zahlung eines Schmerzensgeldes an (vgl. hierzu kritisch Fitz, S. 93 ff.). 483 So MüKo-Seiler, § 683 Rn. 19; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 10; Jauernig-Mansel, § 670 Rn. 10; a. A. Schwarz/Wandt, § 5 Rn. 39. Anders wohl die hA in Österreich, vgl. kritisch Fitz S. 93. 484 Palandt-Heinrichs, § 253 Rn. 11; vgl. ebenfalls KBB-Karner/Danzl, § 1325 Rz. 26 ff. („Kompensationsinteresse“, „Abgeltung“ sämtlicher Schmerzempfindungen). 485 Vgl. RGZ 167, 85, 89 f.; OLG Tübingen MDR 1950, 160; Wittmann, S. 89. In Österreich gilt grundsätzlich § 1327 ABGB. Zur Art der Nothilfeschäden hat es in der österreichischen Judikatur bisher keine genauere Klärung gegeben (vgl. Meissel, S. 186) und auch in der Literatur wird sie nicht eingehender untersucht (vgl. Maurer, S. 32 ff.).

3. Kap.: Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag

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grundsätzlichen Bestreben nach einer Einschränkung der Haftung des Hilfesuchenden widersprüchlich. Gerade derartige Versorgungsansprüche, die über die Kompensation von individuellen Schäden des Nothelfers hinausgehen, stellen tendenziell eine erhebliche finanzielle Belastung für den hilfsbedürftigen Geschäftsherrn dar, deren Angemessenheit bei einem verschuldensunabhängigen Einstehenmüssen zweifelhaft ist. Anders als bei einem Verschulden besteht für eine derart weitreichende Kompensationsverpflichtung kein tragfähiger Grund. In der Schweiz werden dem Nothelfer und ggf. seinen Hinterbliebenen Genugtuungsansprüche bzw. die Zahlung einer Hinterbliebenenrente mit dem Argument versagt, dass diese speziell im Zusammenhang mit den deliktsrechtlichen Vorschriften der Art. 45 und Art. 47 OR geregelt sind und deshalb nur bei Vorliegen einer unerlaubten Handlung erstattungsfähig seien.486 Dieser Ansatz trägt dem Ziel der Haftungsbegrenzung aus den vorgenannten Erwägungen besser Rechnung und erscheint deshalb grundsätzlich vorzugswürdig.

C. Zusammenfassende Stellungnahme und Ausblick Blendet man die vorstehend gegenüber den jeweiligen Einschränkungskriterien geäußerten konkreten Bedenken einmal aus, lässt sich die geltende Rechtslage zum Schadensersatzanspruch eines Nothelfers nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag bezogen auf die Bergrettung wie folgt zusammenfassen: Dem Bergretter stehen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag auf Ersatz seiner Personen- und Sachschäden bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen grundsätzlich zu. In Deutschland und Österreich können seine Angehörigen im Falle des Todes Hinterbliebenenansprüche geltend machen. Schmerzensgeldansprüche sind ihm hingegen richtigerweise zu versagen.487 In der Schweiz stehen dem Bergretter weder ein Schmerzensgeldanspruch noch seinen Angehörigen Hinterbliebenenansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu.488 486 BK-Schnyder, Art. 47 N. 1; ZK-Schmid, Art. 422 N. 63; Schmid, S. 171. Die Gewährung dieser Ansprüche aus Art. 422 Abs. 1 OR wird aber auch hier aus Billigkeitserwägungen befürwortet (vgl. ZK-Schmid, Art. 422 N. 63; Lischer, S. 90; Rösler, S. 63). 487 So MüKo-Seiler, § 683 Rn. 19; Soergel-Beuthien, § 683 Rn. 10; Jauernig-Mansel, § 670 Rn. 10; a. A. Schwarz/Wandt, § 5 Rn. 39. Anders wohl die hA in Österreich, vgl. kritisch Fitz S. 93. 488 Die Befürwortung eines Genugtuungsanspruchs durch Schmid (S. 177) ist dann teilweise folgerichtig, wenn Art. 422 Abs. 1 OR, der ja gerade als Gefährdungshaftungstatbestand ausgestaltet ist und – anders als in Deutschland und Österreich – auch bei verschuldeter Notlage zur Anwendung kommt, Genugtuung für ein Fehlverhalten des Geschäftsherrn zuspricht. Richtigerweise müsste der Genugtuungsanspruch aus denselben Erwägungen aber nach richterlichem Ermessen verneint werden, wenn den Hilfsbedürftigen kein Verschulden an der Notlage trifft.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

Der Ersatzanspruch steht in Deutschland und Österreich unter dem Vorbehalt, dass es sich beim Schadenseintritt um die Verwirklichung von tätigkeitsspezifischen Zufallsschäden handelt, die weder vom Hilfsbedürftigen noch vom Bergretter (von Letzterem überwiegend) zu verantworten sind.489 Trifft den Bergretter an der Schadensentstehung ein Mitverschulden, ist dies anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Dabei ist auf die ihn angesichts der konkreten Umstände des Rettungseinsatzes zumutbarerweise treffenden Sorgfaltsanforderungen abzustellen. Darüber hinaus obliegt es dem Richter, die Größe der tatsächlich drohenden Gefahr für den Geschäftsherrn, den Wert der geretteten Güter (Art und Höhe der drohenden Schäden), die Zweckmäßigkeit des Aufopferns und das Risiko für den Geschäftsführer bei der Festlegung eines „angemessenen“ Entschädigungsumfangs zu berücksichtigen.490 Dieselben Erwägungen werden die Gerichte auch in der Schweiz in ihre Ermessensprüfung nach Art. 422 Abs. 1 OR einfließen lassen. Da es bei der Bergrettung häufig um die Bewahrung von Leib und Leben des Hilfsbedürftigen geht, spricht angesichts der Wertigkeit der bedrohten Rechtsgüter grundsätzlich wenig für eine signifikante Kürzung des Ersatzanspruchs, solange die Bergretter sich an ihre Einsatzregeln halten, sorgfältig vorgehen und keine übertriebenen Rettungsrisiken eingehen. Ob sich darüber hinaus die genannten reinen Billigkeitserwägungen im Umfang der angemessenen Entschädigung niederschlagen, hängt vom Einzelfall und der Ansicht des jeweiligen Gerichts ab. Ihre Anwendung erscheint aus den besagten Gründen jedenfalls zweifelhaft und lässt befürchten, dass Entscheidungen zum Umfang der Erstattungspflicht willkürlich ausfallen, statt ein im Interesse der Rechtssicherheit konsistentes Bild abzugeben. Die Bedenken, die gegen die zur Beschränkung der verschuldensunabhängigen Haftung des Geschäftsherrn herangezogenen Kriterien bestehen, zeigen jedoch, dass sich durch sie eine durchgehend schlüssige Haftungsbeschränkung nicht erreichen lässt. Für die reinen Billigkeitserwägungen liegt dies auf der Hand, gilt aber ebenso für die der Verschuldenshaftungsdogmatik entliehenen Kriterien und die Eingrenzung nach Schadensarten. Das liegt zunächst an der fehlenden Präzision der Kriterien selbst („gesteigerte, tätigkeitsspezifische Geschäftsbesorgungsrisiken“, „Zufallsschaden“), ist aber auch auf die systemwidrige Vermengung von Kriterien aus dem Bereich der Verschuldenshaftung mit dem Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag zurückzuführen. Während bei der Verschuldenshaftung eine Abgrenzung von haftungsrelevanter Gefahr-/Schadensverursachung gegenüber erlaubtem Verhalten innerhalb der Pflichtwidrigkeitsprüfung möglich ist, weil hier bei richtiger Vorgehensweise vor 489

Neuerdings ebenfalls BGE 129 III 181 ff. Vgl. Meissel, S. 191; OGH SZ 68/142; OGH 2Ob2325/96t, S. 5 f.; OGH 3Ob507/96, S. 8; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 22 m.w. N. 490

3. Kap.: Ersatz von Schäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag

449

dem Hintergrund des common sense eine umfassende Interessenabwägung zwischen Handlungsfreiheit und Rechtsgüterschutz der Beteiligten erfolgt und so (interessengebunden) Verantwortungsbereiche danach determiniert werden können, welche Gefahren für ein gedeihliches Zusammenleben noch tolerierbar sind und wann ein Grund für die (vollständige) Schadensverlagerung existiert, ist eine derartige Schadenszuordnung bei der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht möglich. Dem Interesse des Geschäftsführers, keine Nachteile aus der fremdnützigen Geschäftsbesorgung tragen zu müssen, steht der Schutz des Geschäftsherrn vor einer ungebetenen Einmischung und das daraus folgende Interesse gegenüber, nicht unangemessen belastet zu werden. Dem tragen die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag jedenfalls in Deutschland und Österreich in vernünftiger Art und Weise dadurch Rechnung, dass sie den Ersatzanspruch des Geschäftsführers grundsätzlich auf freiwillig getätigte Vermögensopfer begrenzen, also nur die vom Geschäftsführer für den Geschäftsherrn bewusst eingegangenen, potentiell fruchtbaren Kosten in Bezug auf den dadurch geförderten Nutzen als erstattungsfähig anerkennen.491 Durch die Gewährung eines Anspruchs auf Ersatz auch von Schäden wird dieser Interessenausgleich empfindlich gestört, weil bei Schäden, deren Eintritt und Umfang vom Zufall abhängt und nicht steuerbar ist, eine solche, am Nutzen des Geschäftsherrn orientierte Kosten-NutzenRechnung anders als bei Aufwendungen des Geschäftsführers nicht funktioniert. Der in Hilfeleistungsfällen bestehende Nutzen (Erhaltung von Leben und Gesundheit) wird sich nie in ein angemessenes Verhältnis zu den Aufwendungen des Geschäftsführers (Leben und Gesundheit) setzen lassen.492 Eine Begrenzung der verschuldensunabhängigen Haftung kann – wie gesehen – auch nicht durch die Heranziehung von einzelnen, dem Bereich der Schadensverantwortung entliehenen Prüfungskriterien erreicht werden, weil nicht eine Schadensverantwortung, sondern der Nutzen des Geschäftsherrn maßgeblich für die Schadloshaltung nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist. Gerade in Notfällen führt die Heranziehung der verschuldenshaftungsrelevanten Kriterien aus denselben Gründen wie bei der Herausforderungsrechtsprechung außerdem wohl kaum je zu einer wirklichen Einschränkung des Ersatzanspruchs, sondern tendenziell zu einer grundsätzlichen Anwendung des Prinzips der Totalreparation.493 Das Mitverschulden des Nothelfers fällt überhaupt nur ins 491

Vgl. auch Staudinger-Martinek, § 670 Rn. 22. Wollschläger, S. 294. Es verwundert nicht, dass die Rechtsprechung dem Nothelfer den Ersatz seiner Nothilfeschäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag trotz des Vorbehalts des allgemeinen Lebensrisikos praktisch nie versagt (vgl. Blaschczok, in: FS Gitter, S. 111 mit Rechtsprechungsnachweisen (Fn. 25). 493 Es ist nicht ersichtlich, dass ein Gericht in jüngerer Vergangenheit in einem Nothilfefall den Anspruch auf Ersatz von Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung eines Nothelfers nennenswert gekürzt hätte. Bei Personenschäden stellt sich allein schon das moralische Dilemma, dem verletzten Nothelfer die Kosten seiner Heilbehandlung und für sonstige Folgen dem Grunde nach zuzugestehen, ihm dann aber Teile hier492

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

Gewicht, wenn er besonders unsorgfältig gehandelt hat und damit nicht mehr unter das jeweilige gesetzliche Haftungsprivileg bzw. den angesichts der Umstände reduzierten Sorgfaltsmaßstab fällt. Die Größe der Gefahr und der Wert der bedrohten Güter (Leib und Leben des Hilfsbedürftigen) werden das Eingreifen trotz des für den Nothelfer bestehenden Risikos stets als zweckmäßiges Handeln rechtfertigen. Es scheint dann in der Tat „recht und billig“, den unter Einsatz seiner Gesundheit zur Lebensrettung einschreitenden Nothelfer vollumfänglich zu entlasten. Wie schon bei der Erörterung der teilweise geforderten Privilegierung des Nothelfers bei nur vermeintlichen Notlagen im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag494 und bei den Überlegungen zur Herausforderungsrechtsprechung495 tritt auch in diesem Zusammenhang damit letztendlich die Anerkennung altruistischer Menschenhilfe als eigentliches Motiv für die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag in den Vordergrund, so dass auch hier außerhalb der individuell in Einklang zu bringenden Interessen liegende Erwägungen den Ausschlag geben. Die hier geäußerten Bedenken gegen einen Schadensersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag lassen sich auflösen, wenn man den Blick auf den individuellen Interessenausgleich nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag erweitert und sich das Zusammenspiel von deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen, (sozial-)versicherungsrechtlichem Schutz für den Nothelfer und den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Rettungsfällen vergegenwärtigt.496 Dazu bedarf es zunächst eines kurzen Überblicks über den versicherungsrechtlichen Schutz eines Nothelfers in den hier untersuchten Rechtsordnungen (4. Kapitel), bevor abschließend eine Gesamtbetrachtung der genannten Regelungen erfolgt und eine Lösung entwickelt wird (5. Kapitel).

von zu kürzen. Hinterbliebenenansprüche sind jedenfalls in Deutschland (RGZ 167, 85, 89 f.) und wohl auch in Österreich anerkannt. Eine Tendenz zur Bejahung von Schmerzensgeldansprüchen besteht ebenfalls (vgl. Erman-Ehmann, § 670 Rn. 36). Dass die Bedenken gegen das ursprünglich offen vom Reichsgericht befürwortete Totalreparation (RGZ 167, 85, 89, 91) heute wohl eher Lippenbekenntnisse sind, während in der Praxis nichts anderes gilt, zeigen die entsprechenden Kommentierungen: Palandt-Sprau, § 670 Rn. 13 (Umfang der Ersatzpflicht „nach allgemeinen Regeln“, aber mit der Einschränkung, dass in „besonders gelagerten Fällen eine vorsichtige Modifizierung des AllesOder-Nichts-Grundsatzes vertretbar“ sei); Soergel-Beuthien, § 670 Rn. 22 (Auszugehen ist vom Grundsatz der Totalreparation.); MüKo-Seiler, § 683 Rn. 19. 494 3. Teil, 3. Kapitel B. III. 1. b) aa). 495 Oben 2. Kapitel E. II. 1. c) bb) und d). 496 Vgl. im Ansatz Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 63.

4. Kap.: Versicherungsansprüche

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4. Kapitel

Versicherungsansprüche des geschädigten Bergretters In die Betrachtung von potentiellen Ansprüchen der Bergretter auf Ersatz ihrer während eines Einsatzes erlittenen Schäden sind auch Ersatzleistungen der gesetzlichen Sozialversicherer einzubeziehen. Sie wirken sich vor allem in Deutschland unmittelbar auf den Umfang des Ersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag aus und liefern gleichzeitig wichtige Erkenntnisse und Anhaltspunkte für die Gesamtbetrachtung der Schadensrisikoverteilung in den hier untersuchten Rechtsordnungen.

A. Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz des Nothelfers Bergretter werden bei ihren Rettungstätigkeiten in Deutschland nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII497 und in Österreich nach § 176 Abs. 1 Nr. 7 lit. a ASVG498 in den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz der Berufsunfallversicherung einbezogen. Hierzu gehören umfangreiche Versicherungsleistungen für alle Folgen von Körperverletzungen, einschließlich Heilbehandlung, Invalidenrente und auch Ansprüchen von Hinterbliebenen. Sachschäden sind hingegen nicht erstattungsfähig.499 Der Versicherungsschutz besteht grundsätzlich für die gesamte Tätigkeit einschließlich der eigentlichen Hilfeleistung vorangehender Aktivitäten und nachträglicher Aufräumarbeiten und zwar auch dann, wenn die Rettungstätigkeit objektiv erforderlich erschien, tatsächlich jedoch keine Notlage gegeben war.500 Nach § 116 Abs. 1 SGB X bzw. § 332 Abs. 1 ASVG gehen Ansprüche des Versicherten (Bergretters) auf Ersatz von Schäden, die dieser gegenüber einem Dritten (Hilfeleistungsempfänger und deliktisch haftender Notlagenverursacher) hat, im Wege der cessio legis auf den Sozialversicherungsträger über. 497 Die Mitglieder der Bergwacht werden erfasst als „Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen [. . .] unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind [. . .]“. Vgl. Schmitt, § 2 Rn. 8; Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, S. 510. 498 In dieser Vorschrift ist die Bergrettung explizit erfasst: „[. . .] in Ausübung der den Mitgliedern [. . .] des österreichischen Bergrettungsdienstes [. . .] obliegenden Pflichten [. . .]“. Vgl. Fötschl, S. 394 ff. 499 In Deutschland §§ 26 ff. SGB VII, in Österreich §§ 189–220 ASVG. Während der Ersatz von Sachschäden nach § 13 SGB VII nur dem spontanen privaten Nothelfer zukommt und diese Vorschrift gerade nicht den organisierten Retter mit einschließt, findet sich eine entsprechende Regelung für den Ersatz von Sachschäden im ASVG erst gar nicht. 500 Schmitt, § 2 Rn. 80; der Feuerwehrmann, der beim Aufrollen der Schläuche nach dem Einsatz umknickt (BGH NJW 1993, 2234), kann deshalb die Unfallversicherung in Anspruch nehmen; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 72; Maurer, S. 19 ff.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

In Deutschland ist anerkannt, dass der Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X nicht Ersatzansprüche des Nothelfers aus Geschäftsführung ohne Auftrag erfasst.501 Dahinter steht die Überlegung, dass Ansprüche analog §§ 670, 683 BGB keine echten Schadensersatzansprüche sind und der Zweck des öffentlichen Schutzes für Unfallhilfe als Teil staatlicher Daseinsvorsorge, der primär den Helfern, mittelbar aber auch den Gefährdeten zugute kommen soll, einem Forderungsübergang entgegensteht. In Fällen, in denen versicherungsrechtlich gedeckte Schäden des Nothelfers von Dritten oder von dem Hilfebedürftigen selbst aus anderen Gründen zu verantworten sind, soll der Sozialversicherungsträger nur vorläufig zuständig sein und den ansonsten unbillig entlasteten Schädiger in Regress nehmen können. Die Versicherung und damit letztlich die Allgemeinheit (Gemeinschaft der jeweiligen Beitragszahler) sollen aber endgültig belastet bleiben, wenn es sich beim Anspruch auf Ersatz von Zufallsschäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag gerade um eine reine Billigkeitshaftung handelt, die sich auf die Gemeinnützigkeit der Nothilfe (Schadloshaltung aufgrund uneigennützigen Handelns in fremdem Interesse) gründet. Dann muss konsequenterweise auch die Allgemeinheit in Person der jeweiligen Versicherungsgemeinschaft die Kosten tragen, da ansonsten der Hilfsbedürftige durch Inanspruchnahme seitens des Versicherungsträgers wie ein Schädiger behandelt würde.502 In der Konsequenz muss sich der Hilfe leistende Geschäftsführer deshalb im Wege der Vorteilsausgleichung Leistungen des Sozialversicherungsträgers auf seinen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag anrechnen lassen, so dass er gegenüber dem hilfsbedürftigen Geschäftsherrn in Hinblick auf die ersatzfähigen Zufallsschäden letztlich nur noch Ersatz für durch die Unfallversicherung nicht gedeckte Schadensspitzen und Sachschäden beanspruchen kann.503 In Österreich ist dieser Ansatz in der Literatur ebenfalls befürwortet worden.504 Der Oberste Gerichtshof folgt ihm indes nicht. Er verweist darauf, dass sich eine Einschränkung des Regressrechts dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen lässt. Grund für den Einbezug des Nothelfers in den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz sei u. a. gewesen, ihm das Risiko der Insolvenz des Geschäftsherrn abzunehmen, nicht aber, den von der Rettung Begünstigten von seiner Haftung aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag zu befreien. Auch den Gesetzesmaterialien seien keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die Allgemeinheit endgültig zu belasten. Vielmehr handele der Nothelfer in 501 BGHZ 92, 270; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 72; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 21 m.w. N. 502 Vgl. Wollschläger, S. 303 ff.; Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 72; MüKo-Seiler, § 683 Rn. 21. 503 Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 72; Erman-Ehmann, § 670 Rn. 31; MüKoSeiler, § 683 Rn. 21; von Wulffen/Schmalz, SGB X, § 116 Rn. 5 mit Hinweis auf OLG Karlsruhe NJW 1988, 2676; BGH NJW 1985, 492. 504 Fitz, S. 105 ff.; Meissel, S. 189 f., 192.

4. Kap.: Versicherungsansprüche

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der Regel eben auch im individuellen Interesse des Geschäftsherrn, so dass eine „strikte Sozialisierung von Nothilfeschäden“ abzulehnen sei.505

B. Mittelbare Besserstellung des Nothelfers in der Schweiz Den deutschen und österreichischen Regelungen vergleichbare Vorschriften, die den Nothelfer unmittelbar in den Genuss des Versicherungsschutzes der Berufsunfallversicherung kommen lassen, existieren in der Schweiz nicht. Die Bergretter werden aber mittelbar ähnlich den deutschen und österreichischen Regelungen privilegiert. Der Versicherungsschutz ist hier wie folgt aufgebaut: Das Unfallversicherungsgesetz (UVG) normiert sämtliche Sozialversicherungsleistungen, die einem Unfallopfer im Falle von Körperverletzungen zustehen. Hierzu gehören als Versicherungsleistungen grundsätzlich dieselben Ansprüche wie sie das SGB VII und das ASVG vorsehen (Heilbehandlung, Invalidenrente, Hinterbliebenenansprüche etc.).506 Ansprüche auf Ersatz von Sachschäden existieren auch hier nicht.507 Das UVG unterscheidet dann aber hinsichtlich des tatsächlich gewährten Versicherungsumfangs grundsätzlich zwischen Berufsunfällen in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit und sog. Nichtberufsunfällen,508 die sich außerhalb der beruflichen Tätigkeit ereignen.509 Da die Tätigkeit der Bergretter nicht in den Bereich der Berufsausübung fällt,510 können sie bei Unfällen während eines Einsatzes Versicherungsschutz grundsätzlich nur in dem Umfang beanspruchen, den das UVG für Nichtberufsunfälle vorsieht. Der wesentliche Unterschied zwischen Berufs- und Nichtberufsunfällen liegt nicht so sehr im Umfang der gewährten Leistungen, sondern darin, dass der Sozialversicherungsträger511 bei Nichtberufsunfällen versicherungsrechtliche An-

505 OGH 2Ob46/95, S. 5. Hierzu kritisch Fötschl, S. 409 mit dem nicht von der Hand zu weisenden Hinweis auf die unterschiedliche Finanzierung der Unfallversicherung in Deutschland und Österreich als sachgemäßer Grund für die Beibehaltung des Regresses (S. 410 ff.). 506 Inwieweit sich die Ansprüche in ihrem Umfang entsprechen, soll hier nicht weiter erörtert werden. 507 Art. 12 UVG betrifft als Ausnahme von diesem Grundsatz allein „Schäden an Sachen, die einen Körperteil oder eine Körperfunktion ersetzen“. 508 Als Unfall gilt die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äußeren Faktors auf den menschlichen Körper (vgl. Nef, S. 464). 509 Art. 7 und 8 UVG. 510 Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 4. und B. III. Etwas anderes könnte allenfalls für fest angestellte Rettungspiloten der Luftrettung gelten. Die Bodenmannschaften der Bergrettung setzen sich aber allein aus ehrenamtlichen Mitgliedern zusammen. 511 SUVA (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt).

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

sprüche kürzen oder ggf. zurückweisen kann, wenn der Unfall infolge eines Wagnisses oder aus grober Fahrlässigkeit vom Versicherten ausgelöst wurde.512 Eine Privilegierung des Nothelfers und damit auch der Bergretter wird hier indirekt dadurch erreicht, dass eine solche Kürzung von Versicherungsansprüchen bei Nichtberufsunfällen ausgeschlossen ist, wenn der Unfall infolge einer Rettungshandlung eintritt, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Rettungshandlung um ein Wagnis handelt.513 Nach Art. 72 und 73 ATSG tritt der Sozialversicherungsträger in dem Umfang, in dem Leistungen erstattet worden sind, in die Ansprüche des geschädigten Nothelfers ein (Subrogation). Er kann seine gegenüber dem Versicherten erbrachten Leistungen im Wege des Regresses von dem jeweiligen Schuldner ersetzt verlangen.514 Eine dem deutschen Recht vergleichbare Einschränkung des Regresses für unverschuldete Zufallsschäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag sieht das schweizerische Recht nicht vor.

5. Kapitel

Zusammenfassung und Gesamtbetrachtung A. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse Fasst man die potentiellen Ansprüche des Bergretters auf Ersatz der bei einem Einsatz erlittenen Schäden zusammen, ergibt sich für die drei hier untersuchten Rechtsordnungen folgendes Bild: Vertragliche und vertragsähnliche Ansprüche auf Ersatz von während des Einsatzes erlittenen Schäden stehen dem Bergretter in aller Regel nicht zu. Dem verletzten Bergretter steht im Einzelfall ein Anspruch auf Ersatz seiner Schäden aus unerlaubter Handlung gegen den Verursacher der Notlage zu, wenn die Notlagenverursachung auch in Hinsicht auf mögliche Verletzungen des Retters als pflichtwidrig anzusehen ist. Voraussetzung hierfür ist, dass nach einer

512 Art. 37 Abs. 1 und Art. 39 UVG. Die Definition des Wagnisses ist umstritten, wird aber insbesondere bei schwierigeren bergsportlichen Unternehmungen häufig bejaht. Grob fahrlässig handelt, wer jene elementaren Vorsichtsgebote unbeachtet lässt, die jeder verständige Mensch in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen befolgt hätte, um eine nach dem natürlichen Lauf der Dinge voraussehbare Schädigung zu vermeiden. Im Bereich des Bergsteigens ist das der Fall, wenn der Bergsteiger elementare alpine Sorgfaltspflichten missachtet (vgl. hierzu ausführlich Nef, S. 467 ff., insbesondere mit Rechtsprechungsbeispielen zum Wagnis und zu bergsteigerischen Sorgfaltsanforderungen). 513 Vgl. Nef, S. 473. 514 Vgl. Müller, S. 47 ff.

5. Kap.: Zusammenfassung und Gesamtbetrachtung

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umfassenden Abwägung zwischen dem Interesse des Bergsportlers an der freien Ausübung des Bergsports und dem Integritätsinteresse des Bergretter letzteres überwiegt und das zu Notlage und Schädigung des Retter führende Verhalten deshalb als Verstoß gegen eine Gefahrvermeidungspflicht zu charakterisieren ist. Das kann der Fall sein, wenn in der bergsteigerischen Unternehmung bereits ein auch für den geschulten Bergretter bei einem Rettungseinsatz erhöhtes, nicht ohne weiteres kontrollierbares Gefahrenpotential angelegt und/oder durch das zur Notlage führendes, unterschiedlich stark ausgeprägtes Fehlverhalten geschaffen bzw. erhöht wird, wobei das Ergebnis der Abwägung stets vom konkreten Ausmaß der Gefahr für die Retter, dem Verursachungsbeitrag und dem Ausmaß eines Fehlverhaltens abhängt. Vereinfacht ausgedrückt: Der Notlagenverursacher muss durch sein (Fehl-)Verhalten für die Bergretter gesteigerte, nicht ohne weiteres von ihnen kontrollierbare Verletzungsrisiken geschaffen haben, deren Vermeidung von ihm in der Gesamtbetrachtung trotz des Rechts auf freie Sportausübung zu erwarten war. In Deutschland und Österreich stehen dem Bergretter zudem aus Geschäftsführung ohne Auftrag Ansprüche auf Ersatz solcher (Zufalls-)Schäden zu, die infolge eines weder von ihm noch vom Hilfsbedürftigen verschuldeten gesteigerten Risikos (im Unterschied zur Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos) eingetreten sind. In der Schweiz haftet der Hilfsbedürftige nach Art. 422 Abs. 1 OR grundsätzlich für sämtliche Schäden des Bergretters. Der jeweilige Anspruch richtet sich nicht auf eine vollständige Kompensation, sondern auf eine angemessene Entschädigung, die letztlich der Richter unter Berücksichtigung der genannten Kriterien nach billigem Ermessen festzulegen hat. In allen drei Ländern ist der Bergretter jedenfalls hinsichtlich der erlittenen Körperschäden und ihren Folgen durch sozialversicherungsrechtliche Leistungen geschützt. Während der jeweilige Sozialversicherungsträger in Österreich und der Schweiz hinsichtlich sämtlicher dem Bergretter zustehender zivilrechtlicher Ansprüche Regress nehmen kann, wird ihm in Deutschland der Rückgriff auf den Hilfsbedürftigen verwehrt, soweit es um den Ersatz von nach Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähigen Zufallsschäden geht. In Deutschland umfasst der Anspruch des Bergretters gegen den Hilfsbedürftigen aus Geschäftsführung ohne Auftrag damit letztlich „nur“ noch den Ersatz von unverschuldeten Zufallsschäden, die durch die Unfallversicherung nicht abgedeckt sind, i. e. Sachschäden und über den Leistungsumfang hinausgehende Schadensspitzen.515

515 Vgl. Staudinger-Bergmann, § 683 Rn. 72; Erman-Ehmann, § 670 Rn. 31; MüKoSeiler, § 683 Rn. 22.

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

B. Die Verteilung von Nothilferisiken – ein Lösungsvorschlag I. Bestreben der Entlastung des Nothelfers und die Konsequenzen Die Zweifelsfragen und Schwierigkeiten, die bei der Anwendung der Vorschriften über die unerlaubte Handlung sowie der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf die Rettungsfälle hinsichtlich des Ersatzes von Schäden des Nothelfers auftreten, lassen sich auf das Problem zurückführen, die der Nothilfe innewohnenden Risiken angemessen zu verteilen. Dieses Problem ist maßgeblich von dem mehr oder weniger deutlich ausgesprochenen Bestreben verursacht und geprägt, den Nothelfer wegen seiner sittlich wertvollen Tat möglichst weitgehend von den Risiken der Nothilfe zu entlasten.516 Allein, weder die Prinzipien der Verschuldenshaftung noch die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag bieten das richtige Werkzeug, um den hohen moralischen Wert der Nothilfe bei der Verteilung der Nothilferisiken angemessen zu berücksichtigen. Die Verschuldenshaftung sucht einen Interessenausgleich zwischen der Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers und dem Rechtsgüterschutzinteresse des Nothelfers, bei dem systemfremde Billigkeitserwägungen, zu denen die Anerkennung der Sittlichkeit der Nothilfe gehört, das angestrebte Ziel, die Abgrenzung von individuellen Verantwortungssphären im gesellschaftlichen Zusammenleben, verfälschen würde.517 Die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag dienen allenfalls in untergeordnetem Maße der Honorierung von „Menschenhilfe“,518 sie sind vielmehr darauf ausgerichtet, dem Geschäftsführer im Gegenzug für seine unentgeltlichen Mühen die im Interesse des Geschäftsherrn getätigten Aufwendungen zu ersetzen und so einen Kosten-Nutzen-Ausgleich zwischen den beiden Beteiligten herbeizuführen, der ein angemessenes Maß nicht übersteigen soll und – jedenfalls in Deutschland und Österreich – durch die gesetzliche Beschränkung auf freiwillige Vermögensopfer das Interesse des Geschäftsherrn an der Geschäftsbesorgung de lege lata nicht übersteigen kann.519 Rechtsprechung und Lehre müssen diese Regeln und Prinzipien deshalb unter Zuhilfenahme des Sittlichkeitswerts der Nothilfe zwangsläufig aufweichen, um die Entlastung des Nothelfers im Wege einer anderweitigen Verteilung der mit der Hilfeleistung verbundenen Risiken gleichsam durch die Hintertür doch noch 516 Blaschczok, in: FS Gitter, S. 106, der von einer „außerordentlich emotionsbelastet[en]“ Diskussion spricht. Vgl. Wollschläger, S. 284 ff. 517 Vgl. oben 2. Kapitel E. II. 1. c). 518 Wollschläger, S. 24 ff., 40 f.; vgl. zum Meinungsstand insgesamt StaudingerBergmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn. 13 ff. 519 Vgl. Wollschläger, S. 290 ff. Dass dem Geschäftsführer nur „angemessene Entschädigung“ zustehen soll, ist gemeinhin anerkannt (vgl. oben).

5. Kap.: Zusammenfassung und Gesamtbetrachtung

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zu erreichen. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung zeigt sich dies am deutlichsten in der Herausforderungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Interessenabwägung zwischen dem Handlungsfreiheitsinteresse des Notlagenverursachers und dem Integritätsinteresse des Nothelfers letztlich verkürzt zu einer Abwägung zwischen dem moralischen Wert der Nothilfe, also dem allgemeinen Interesse an altruistischer Hilfeleistung und der Handlungsfreiheit des Notlagenverursachers, und die Abwägung dann in aller Regel auch konsequent zugunsten des Nothelfers ausfallen lässt.520 Die Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag werden in Deutschland und Österreich kurzerhand um den Ersatz von Schäden des Nothelfers ergänzt, ohne auf die nun nicht mehr auf nützliche Aufwendungen begrenzte Haftung des Geschäftsherrn Rücksicht zu nehmen. Um den als misslich empfundenen Nebeneffekt einer vollumfänglichen Risikohaftung des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn in Durchbrechung des Verschuldensprinzips wieder auszugleichen, versucht man stattdessen, die Haftung durch zahlreiche, meist der Verschuldenshaftung entlehnten Kriterien wieder einzugrenzen, obwohl Letztere hier eigentlich systemfremd sind, weil es gerade nicht um die Schadensverlagerung aufgrund Verschuldens oder gefährdungshaftungsrechtlich relevanten Verhaltens geht. Im Ergebnis gewinnen damit bei der Verschuldenshaftung im Rahmen der Haftungsbegründung (Pflichtwidrigkeit/Zurechnung) Elemente der Geschäftsführung ohne Auftrag in Form der Fremdnützigkeit der Nothilfe maßgeblichen Einfluss,521 bei der Geschäftsführung ohne Auftrag hingegen kommt es auf der Rechtsfolgenseite wesentlich auf Elemente der Verschuldenshaftung zwecks angemessener Einschränkung der Haftung an. Der im Sinne der angestrebten Entlastung des Nothelfers herangezogene Fremdnützigkeitsgedanke überwindet dann – jedenfalls nach der Herausforderungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs und ihren Verfechtern – ohne größere Mühen das Pflichtwidrigkeitserfordernis für die Verschuldenshaftung, die verschuldenshaftungsrelevanten „Einschränkungs“-Kriterien bewirken in den Nothilfefällen, dass eine Abwägung bzgl. des Ersatzumfangs zugunsten des Nothelfers ausfallen muss und die Risikohaftung des Geschäftsherrn letztlich ins Licht der Verschuldenshaftung mit der Folge eines umfassenden Ersatzanspruchs rückt. Damit ist das eigentliche Ziel erreicht: Der Nothelfer kann seine Nothilfeschäden auf den deliktischen Schädiger und/oder den hilfsbedürftigen Geschäftsherrn weitgehend abwälzen.522 520

Vgl. oben 2. Kapitel E. II. 1. c) bb). Dies ist gleich zweifach verfehlt: Die Betonung des Fremdnutzens der Hilfeleistung ist unzutreffend, wenn ein dritter Notlagenverursacher und nicht der Hilfesuchende für die Notlage verantwortlich ist. Darin zeigt sich zudem, dass letztlich nicht das individuelle Interesse des Hilfsbedürftigen als Rechtfertigung für den Ausgleich von Vermögensverlusten im Mittelpunkt steht, sondern das allgemeine Interesse der Gesellschaft an Hilfeleistung im Notfall. 522 Unterschiede bestehen dann nur noch, wenn die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vorliegen, etwa weil bei einem Fehlalarm der Rettungseinsatz nicht im Interesse des vermeintlichen Opfers liegt. Doch auch hier sind die Gren521

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

Die Vermischung und Ausdehnung der für die beiden Rechtsinstitute maßgeblichen Kriterien523 führt dazu, dass die beiden Rechtsinstitute austauschbar werden.524 Eine tatsächliche Eingrenzung der Haftung erfolgt in beiden Fällen nur noch anhand der zweifelhaften Abgrenzung von allgemeinen Lebensrisiken gegenüber tätigkeitsspezifischen Geschäftsbesorgungsrisiken.525 Letzten Endes bezen in Österreich und der Schweiz, wo schon der objektive Anschein einer Notlage ausreichen soll, dünn. 523 Der reduzierte Haftungsmaßstab innerhalb der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 680 BGB, Art. 420 Abs. 2 OR) entspricht dem innerhalb der deliktischen Interessenabwägung zu berücksichtigenden zumutbaren Selbstschutz, die Größe der Gefahr und der Wert der bedrohten Güter tauchen in beiden Rechtsinstituten als Abwägungskriterien auf, das Vernünftigkeitserfordernis (Mittel-Zweck-Relation) der Herausforderungsrechtsprechung hat keinen anderen Gehalt als das Zweckmäßigkeitskriterium der Nothilfe innerhalb der Prüfung einer Umfangsbeschränkung des Anspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Der Fremdnutzen als Grund für die Haftung des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn aus Geschäftsführung ohne Auftrag fließt mittelbar in die Interessenabwägung zur Pflichtwidrigkeitsprüfung ein und ist nicht mehr auf das wohlverstandene, individuelle Interesse des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn beschränkt. 524 Der Fall des Reichsgerichts (RGZ 167, 85 ff.), bei dem der Retter bei dem Versuch starb, die Insassen eines verunfallten PKW aus dem Gewässer zu retten, in das der Wagen gestürzt war, hätte genauso gut nach den erst anschließend entwickelten Prinzipien der deliktischen Haftung für Nothilfefälle statt nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag entschieden werden können wie der Fall BGH (NJW 1963, 390 ff.), bei dem es um die „Selbstaufopferung“ eines Fahrers ging, der einem querenden Kind auswich und dabei verunfallte. Genauso wenig hätte der Anwendung der Geschäftsführungsvorschriften im Fall OLG Stuttgart (NJW 1965, 112 ff.) statt der deliktischen Haftung etwas entgegengestanden (vgl. hierzu Ranieri, S. 640 ff.). Auch ist nicht einzusehen, warum sich der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen SZ 68/142 und 2Ob2325/96t (darauf folgend) sowie 3Ob507/96 allein auf die Geschäftsführung im Notfall (§ 1036 ABGB) stützte, obwohl eine deliktische Haftung ohne weiteres begründbar war. In den ersten beiden Fällen ging es darum, dass eine Frau, die im Auftrag des Beklagten dessen Haus aufsuchte, dort nur den 10jährigen Sohn und einen auf dem Herd stehenden, überhitzten Topf mit Öl vorfand, bei der Entsorgung des Topfes stürzte und sich schwere Verletzungen zuzog. Es liegt hier doch klar auf der Hand, dass der Hauseigentümer – sei es durch fehlende Beaufsichtigung des Sohnes oder durch Erhitzen des Öls in Abwesenheit jedenfalls eine erhebliche Gefahrenlage, und zwar auch für einen Nothelfer schuf. Im letzteren Fall verneinte der Oberste Gerichtshof die Tierhalterhaftung in Bezug auf die Verletzungen eines Tierarztes, der einen angefahrenen Hund auf Geheiß der Autofahrerin behandelte und dabei gebissen wurde. Das mag schon zweifelhaft erscheinen, jedenfalls fehlte auch hier die Beaufsichtigung des Tieres völlig, wodurch die zur Verletzung führende Kausalkette in Gang gesetzt wurde. Dass von einem unbeaufsichtigten, angefahrenen Hund erhebliche Gefahren für jedermann, nicht nur für den Tierarzt ausgehen, scheint offensichtlich, so dass ein pflichtwidriger Verhaltensverstoß des Tierhalters hätte bejaht werden können. 525 Zur Ungenauigkeit des Abgrenzungskriteriums vgl. oben 2. Kapitel E. II. 1. c) cc) und 3. Kapitel B. I. 1. Etwas anders stellt sich die Lage in der Schweiz dar. Hier kann der Einfachheit halber unmittelbar auf die Kausalhaftung des Geschäftsherrn nach Art. 422 Abs. 1 OR verwiesen werden. Da aber zur Eingrenzung des hieraus erwachsenden Haftungsanspruchs dieselben Kriterien verwendet werden sollen, sind auch hier ähnliche Ergebnisse zu erwarten. BGE 129 II 181 nimmt sogar ebenfalls auf die Abgrenzung zum allgemeinen Lebensrisiko Bezug. Vgl. explizit BGH NJW 1993, 2234, 2235: „Ein Aufwendungsersatzanspruch setzt voraus, dass sich das Opfer an Leben

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steht so die Gefahr, dass beide Rechtsinstitute bei der Anwendung auf die Rettungsfälle zu einer reinen Billigkeitshaftung mit unklaren Grenzen verkommen.526 Durch die damit einhergehende Entlastung des Nothelfers von seinen Nothilferisiken wird zwar eine gewisse emotionale Beruhigung geschaffen, rechtlich durchgängig befriedigende und schlüssige Ergebnisse sind aber nicht zu erwarten. Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht weiter, dass es zum Verhältnis der Schadensersatzansprüche aus Delikt und aus Geschäftsführung ohne Auftrag keine klare Linie zu geben scheint.527 Während in der Schweiz schon aus Praktikabilitätsgründen die Tendenz zu bestehen scheint, den Nothelfer im Wege der verschuldensunabhängigen Kausalhaftung nach Art. 422 Abs. 1 OR von seinen Nothilfeschäden zu entlasten – die Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung ist dann nicht zu prüfen528 –, neigen die Gerichte in Österreich und vor allem in Deutschland dazu, grundsätzlich beide Ansprüche nebeneinander bzw. willkürlich austauschbar anzuwenden.529

oder Gesundheit aus der mit der Geschäftsführung verbundenen Gefahr ergeben hat, und zwar muss es sich – in Parallele zu den Fällen des Schadensersatzanspruchs aus dem Gesichtspunkt der Herausforderung – um eine tätigkeitsspezifische gesteigerte Gefahr handeln.“ 526 Vgl. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 511 ff. mit Hinweis auf den starken „Einfluss von Billigkeitserwägungen in diesem sensiblen Bereich des Haftungsrechts“. Das Phänomen einer Vermischung von Prinzipien der Verschuldenshaftung und der auftragslosen Geschäftsführung wird besonders deutlich im Haftungstatbestand des Art. 422 OR. Hier werden beide Aspekte – Schadloshaltung des unentgeltlich fremdnützig Handelnden und Haftung für die Schaffung unerlaubter Gefahren – in einen Topf geworfen. Der Richter hat größtmöglichen Spielraum, die Rettungsfälle nach seinem Ermessen zu entscheiden. 527 Die einschlägigen Kommentarstellen befassen sich fast ausschließlich mit dem Verhältnis der Ansprüche des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer, nicht aber mit dem Ersatzanspruch des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftsherrn (vgl. Staudinger-Bergmann, Vorbem. zu §§ 677 Rn. 243 f.; MüKo-Seiler, Vor § 677 Rn. 16 f.; Soergel-Beuthien, Vor § 677 Rn. 9) oder nehmen hierzu gar nicht Stellung (so insbesondere in Österreich und der Schweiz); vgl. ebenfalls Fötschl, S. 387 ff. In der Schweiz ist das Verhältnis zwischen Kausalhaftung (dazu gehört auch Art. 422 Abs. 1 OR) und allgemeiner deliktischer Haftung ohnehin insgesamt streitig (vgl. Müller, S. 4 ff. m.w. N.). Schwarz (JZ 1966, 162) sieht die Deliktsvorschriften in den Rettungsfällen durch die §§ 677 ff. BGB ganz, Hauss (S. 340) umgekehrt die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag durch die deliktsrechtliche Entwicklung praktisch verdrängt (andeutungsweise auch Gehrlein, VersR 1998, 1330 – im Ergebnis aber wohl für eine parallele Anwendung). V. Caemmerer (DAR 1970, 291) und Nökel (S. 96 ff.) sprechen sich für eine nur subsidiäre Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag aus. In der Schweiz scheint teilweise eine subsidiäre Anwendung der Art. 41 ff. OR gegenüber Kausalhaftungstatbeständen favorisiert zu werden, während andere beides nebeneinander für möglich halten (vgl. Müller, a. a. O.). 528 Das scheint auch der Grund für die spärliche Rechtsprechung zu den Nothilfefällen in der Schweiz zu sein, s. o. 2. Kapitel D. III. 529 Vgl. BGH NJW 1993, 2234, 2235; Palandt-Sprau, Einf. v. § 677 Rn. 8. Zustimmend Fötschl, S. 390.

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II. Lösungsvorschlag Licht lässt sich in dieses Geflecht bringen, wenn man zwei Weichenstellungen vornimmt: Grenzt man die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag und die Vorschriften über die unerlaubte Handlung danach voneinander ab, ob sich bei Nothilfeschäden eine im deliktsrechtlichen Sinne haftungsrelevante Gefahr verwirklicht hat oder nicht, und gesteht man sich gleichzeitig ein, dass sich das Phänomen der Menschenhilfe nicht allein mit den zivilrechtlichen, auf den individuellen Schadensausgleich im Zweipersonenverhältnis zugeschnittenen Regelungsmodellen lösen lässt,530 sondern es einer Hinzuziehung der Sozialversicherungsträger für eine angemessene Verteilung der Nothilferisiken bedarf, lassen sich sachgemäße Ergebnisse erzielen und einige Probleme vermeiden. 1. Abgrenzung zwischen Zufallsschäden und Schäden, für die eine deliktsrechtliche Verantwortung besteht Erste Voraussetzung ist, dass man den zur Einschränkung der Haftung aus Geschäftsführung ohne Auftrag in Deutschland und Österreich verwendeten und auch in der Schweiz auftauchenden Begriff des Zufallsschadens als das Resultat eines Risikos, das weder der Hilfe leistende Geschäftsführer (in vollem Umfang) noch der Geschäftsherr verschuldet hat, ernst nimmt.531 Daran, dass der Begriff des Zufallsschadens als Schaden, den weder der Geschäftsführer noch der Geschäftsherr verschuldet hat,532 konsequent umgesetzt wird, müssen bei näherer Betrachtung nämlich erhebliche Zweifel aufkommen. Wenn der Bundesgerichtshof etwa zugunsten eines verletzten Feuerwehrmanns deliktische Ansprüche und Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den fahrlässigen Brandstifter nebeneinander überhaupt in Erwägung zieht,533 kann es mit dem Erfordernis des fehlenden Verschuldens nicht weit her sein, denn der Brandstifter hat das Verletzungsrisiko aufgrund des fahrlässig verursachten Brandes verschuldet, d.h. eine auch für die Feuerwehrleute im deliktsrechtlichen Sinne haftungsrelevante Gefahr geschaffen.534 Wenn zur Beschränkung des Schadensersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag auf einen „angemessenen“ Umfang die Größe der Gefahr, die Art der drohenden Rechtsgutsverletzung, die Zweckmäßigkeit des Eingreifens535 und sogar eine Mitwir-

530

Zu Recht Wollschläger, S. 295. Hier geht es wohlgemerkt nicht um die oben kritisierte Abgrenzung zwischen tätigkeitsspezifischen und allgemeinen (Lebens-)Risiken. 532 Vgl. oben 3. Kapitel B. I. 1. 533 BGH NJW 1993, 2234, 2235. 534 Diese Gefahr hat sich im entschiedenen Fall letztlich nur nicht verwirklicht. 535 MüKo-Seiler, § 683 Rn. 22; OGH 2Ob46/95, S. 5; Meissel, S. 191. 531

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kung an der Entstehung der Gefahrenlage536 bzw. das von einem Beteiligten zu vertretene Gefährdungspotential537 in Erwägung gezogen werden sollen, wird damit gerade auf die Determinanten abgestellt, die innerhalb der Interessenabwägung zur Feststellung der Pflichtwidrigkeit bei der Verschuldenshaftung eine Rolle spielen, so dass es schwer fällt, insbesondere hinsichtlich der letztgenannten Kriterien noch von einem völlig unverschuldeten Risiko zu sprechen. Mit keinem Wort geht der Oberste Gerichtshof auf eine potentielle Verschuldenshaftung nach §§ 1294, 1295 Abs. 1 ABGB in folgenden Entscheidungen ein: Weder im Fall einer Frau, die das in einer anderen Wohnung auf dem Herd zurückgelassene, in Brand geratene Öl ins Freie transportieren wollte und sich dabei schwer verbrannte538, noch in dem Fall, in dem ein von einem Auto angefahrener Hund den zur Versorgung des Tieres eilenden Tierarzt539 biss, wurde die Verursachung der jeweiligen Lage thematisiert, obwohl die verschuldete Schaffung der sich hier realisierenden Risiken geradezu greifbar war. Wendet man das Kriterium des Zufallsschadens, der unverschuldet sein muss, d.h. nicht auf eine anderweitig zu verantwortende Gefahr zurückzuführen sein darf, konsequent an, ergibt sich eine klare Abgrenzung zwischen deliktsrechtlich relevanten Gefahren, für die der Notlagenverursacher aufgrund Verschuldenshaftung einzustehen hat, und sonstigen Gefahren, die unter die Schwelle deliktsrechtlicher Haftungsrelevanz fallen. Diese Abgrenzung ist im Wege einer umfassenden Interessenabwägung innerhalb der Verschuldenshaftungsprüfung beim Merkmal der Pflichtwidrigkeit vorzunehmen und kann sich wegen des konkreten Interessenbezugs sowie des Korrektivs der Verkehrsanschauung an präzisen Vorgaben orientieren. Mit ihr einher geht eine klare Abgrenzung zwischen deliktsrechtlicher Verantwortlichkeit und Billigkeitshaftung des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn für Zufallsschäden. In den Fällen, in denen sich eine nach deliktsrechtlichen Maßstäben haftungsrelevante Gefahr verwirklicht, bedarf es der problematischen Anwendung von Verschuldenshaftungsinstrumenten auf den Schadensersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag dann erst gar nicht. Hinterbliebenenansprüche und Schmerzensgeldansprüche sind ohne weiteres zu gewähren, ein Mitverschuldensbeitrag des Nothelfers kann in unmittelbarer Anwendung der entsprechenden Vorschrift berücksichtigt werden und selbst bei einem nur vermeintlichen Notfall kann der Retter ggf. Schäden ersetzt verlangen.540 Es scheint kein Zufall zu sein, dass insbesondere die Rechtsprechung in Deutschland die Prüfung von Ersatzansprüchen mit einer möglichen Anspruchsgrundlage im Deliktsrecht beginnt, denn hiermit wird zuerst festgestellt, ob der

536 537 538 539 540

OGH 2Ob46/95, S. 5. Schmid, S. 172. OGH SZ68/142. OGH 3Ob507/96. Vgl. Hauss, S. 333, 340 f.

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eingetretene Nothilfeschaden einem primären Schädiger zugeordnet werden kann und der Geschäftsherr, so denn ein Dritter deliktsrechtlich verantwortlich ist, seiner allein auf Billigkeitserwägungen basierenden Haftung entgehen kann.541 Denkbar wäre, unterhalb der Schwelle des deliktsrechtlich relevanten Risikos innerhalb der Geschäftsbesorgung weiter den Zufallsschaden als Resultat eines gesteigerten spezifischen Tätigkeitsrisikos von der Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos abzugrenzen. Dann könnte man etwa dem beim Aufrollen der Schläuche umknickenden Feuerwehrmann542 ebenso wie dem Segler, der beim eiligen Auslaufmanöver das Ruder seines Bootes beschädigt,543 Ersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag zugestehen, während derjenige, der rein zufällig in Ausführung des Geschäfts einen Herzinfarkt erleidet,544 leer ausgeht. Allerdings erscheint diese Abgrenzung nicht nur methodisch kaum schlüssig zu sein,545 es muss auch bezweifelt werden, ob eine solche weitergehende Unterscheidung überhaupt in Erwägung gezogen wird.546 Je nachdem, ob an der Schaffung der Notlage und der anschließenden Hilfeleistung zwei Personen (Hilfsbedürftiger, der gleichzeitig Notlagenverursacher ist, und Retter – „Zweipersonenkonstellation“) oder drei Personen (Notlagenverursacher (Dritter), Hilfsbedürftiger und Retter – „Dreipersonenkonstellation“) beteiligt sind, lässt sich damit je nach Art des Risikos, das sich im jeweiligen Nothilfeschaden niederschlägt, folgendes vorläufiges Ergebnis festhalten: In Zweipersonenkonstellationen kann der Retter vom Hilfsbedürftigen sämtliche Personen- und Sachschäden in vollem Umfang ersetzt verlangen und Angehörige können Hinterbliebenenansprüche geltend machen, und zwar unabhängig davon, ob der Hilfsbedürftige das Nothilferisiko deliktsrechtlich zu verantworten hat oder nicht. Während im Falle einer unerlaubten Handlung ohnehin das Prinzip der Totalreparation Anwendung findet, läuft auch der Schadensersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag trotz der theoretischen Begrenzung auf eine „angemessene Entschädigung“ bei Rettungsfällen zur Bewahrung von Leib und Leben des Hilfsbedürftigen ebenfalls auf dieses Ergebnis hinaus. Allein Schmerzensgeldansprüche bleiben dem Retter ohne deliktsrechtliche Verantwortung des Hilfsbedürftigen verwehrt. 541 Vgl. Fötschl, S. 388, der allerdings den Grund hierfür darin ausmachen will, dass das Deliktsrecht „großzügigere Anforderungen“ an den Retter stellt. Das stimmt bei richtiger Anwendung der Regeln der Verschuldenshaftung nicht. 542 BGH NJW 1992, 2234. 543 BGH LM § 683 Nr. 14. 544 Vgl. Beispiel bei Meissel, S. 185 f. 545 Vgl. oben 3. Kapitel B. I. 1. 546 Vgl. BGH NJW 1993, 2234, 2235: Der Verweis auf die Parallelität der Risikoabgrenzung beim deliktischen Anspruch und beim Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag legt den Schluss nahe, dass eine solche Unterscheidung überhaupt nicht bedacht wird. So auch Fötschl, S. 388.

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In Dreipersonenkonstellationen besteht die Besonderheit, dass der Nothelfer vom Hilfsbedürftigen aus Geschäftsführung ohne Auftrag im oben genannten Umfang Ersatz verlangen kann, wenn er den deliktsrechtlich verantwortlichen Notlagenverursacher nicht belangen kann. Dem Nothelfer wird also auf Kosten des Hilfsbedürftigen das Ausfallrisiko für den Ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung abgenommen. 2. Angemessene Berücksichtigung von Sozialversicherungsansprüchen Zweite Voraussetzung für eine sachgemäße Verteilung des Nothilferisikos in den Rettungsfällen ist es, den Fokus auf die zivilrechtlichen Modelle für einen individuellen Schadensausgleich im Zweipersonenverhältnis um den Blick auf die in nicht unerheblichem Umfang bestehenden Sozialversicherungsansprüche zu erweitern.547 Hier erscheint der deutsche Ansatz schlüssig: Soweit der Nothelfer Nothilfeschäden als Sozialversicherungsleistungen ersetzt erhält, wird sein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber dem hilfsbedürftigen Geschäftsherrn im Wege der Vorteilsausgleichung gekürzt und dem Sozialversicherungsträger bleibt ein Regress gegenüber dem hilfsbedürftigen Geschäftsherrn verwehrt. Dass der Sozialversicherungsträger und damit die Allgemeinheit (der Beitragszahler) so letztlich mit dem Großteil der Nothilfeschäden endgültig belastet bleibt, wenn kein deliktischer Schädiger existiert, erscheint als die richtige Konsequenz. Denn wenn Haftungsgrund für Schäden bei der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht mehr der (im Umfang beschränkte) Kosten-Nutzen-Ausgleich, sondern die Erwägung ist, den Nothelfer wegen seines gemeinnützigen Verhaltens möglichst weitgehend von den so erbrachten „Opfern“ (Nothilfeschäden) zu entlasten, dann ist es sachgerecht, eben auch die Allgemeinheit, in deren Interesse die Nothilfe liegt, mit eben diesen Risiken zu belasten. Wenn es sich bei der (Risiko-)Haftung des hilfsbedürftigen Geschäftsherrn für reine Zufallsschäden gerade um das Einstehenmüssen für (delikts-)rechtlich hinzunehmende (zufällige) Risiken handelt, die jeden jederzeit treffen können, dann kann es nur im wohlverstandenen Interesse eines jeden liegen, dass derjenige, der unabhängig vom Erfolg seines Handelns in vernünftigem Rahmen herbeieilt, um diese nicht vermeidbaren Gefahren abzuwenden, von seinen daraus resultierenden Schäden freigestellt wird. Das Argument des Obersten Gerichtshofs, es sei sachgerecht, den hilfsbedürftigen Geschäftsherrn mit den Nothilfeschäden zu belasten, weil die Hilfeleistung gerade in seinem individuellen Interesse erfolgt,548 greift zu kurz. Zum einen kann es äußerst zweifelhaft sein, ob es im individuellen Interesse des Hilfsbedürftigen liegt, ggf. in vollem Umfang bis hin zu Unterhaltszahlungen für die 547 548

So zu Recht Wollschläger, S. 295. OGH 2Ob46/95, S. 5.

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Angehörigen ohne Verschulden und ohne Einflussmöglichkeit einstehen zu müssen.549 Eine Begrenzung auf ein angemessenes Maß der Entschädigung im Interesse des Hilfsbedürftigen erscheint kaum möglich und auch nicht angezeigt, oder will man ab einer bestimmten Höhe dem verletzten Nothelfer oder seinen Angehörigen weitere Zahlungen absprechen? Das individuelle Interesse des Hilfsbedürftigen hängt also auch von dem potentiell zu ersetzenden Schaden ab, der aber weder für den Hilfsbedürftigen noch für den Nothelfer im Vorhinein absehbar, geschweige denn bezifferbar ist. Um derartige Kosten-Nutzen-Relationen geht es in den echten Nothilfefällen auch gar nicht. Weder wird der Hilfsbedürftige dem Nothelfer angesichts potentieller Haftungsfolgen bei seiner Rettungstätigkeit Einhalt gebieten, noch wird sich der Nothelfer in seinem Handeln aus Rücksicht auf eine übermäßige Haftungsbelastung des Hilfsbedürftigen beeinflussen lassen. Es geht vielmehr um das von materiellen Überlegungen losgelöste moralische Phänomen, einem Mitmenschen in Not unabhängig von den eventuellen finanziellen Konsequenzen beizustehen. Nothilfe als sittliches Verhalten hat also einen besonderen Wert für das gesellschaftliche Zusammenleben und damit für die Allgemeinheit, weil die (unvermeidbaren) Risiken einer Notlage jeden treffen können. Die (finanziellen) Konsequenzen einer solchen gemeinnützigen Tat sind wegen der den Einzelnen schnell überfordernden Folgen sinnvollerweise durch die Allgemeinheit aufzufangen. Berechtigt ist der Hinweis, dass eben nur die spezifischen Beitragszahler als Allgemeinheit belastet werden und dies zu einer unbilligen Belastung einzelner Bevölkerungsgruppen führen kann.550 Ziel muss es deshalb sein, den Sozialversicherungsschutz für den Nothelfer nach Möglichkeit auch auf eine möglichst breite Basis zu stellen.551 Vor dem Hintergrund einer solchen Verteilung von Nothilferisiken auch auf den zuständigen Sozialversicherungsträger ergibt sich folgendes Anspruchsgefüge: In Zweipersonenkonstellationen erhält der Nothelfer von der Sozialversicherung zunächst eine „nicht kleinliche Standardversorgung“.552 Hat der Hilfsbedürftige die Notlage verursacht und hierdurch eine deliktsrechtlich relevante Gefahr für den Nothelfer geschaffen, haftet er (ggf. seine Haftpflicht- oder Kfz-Versicherung) gegenüber dem Sozialversicherungsträger in dem Umfang, in dem sie 549 In dem genannten Fall hätte es unter Umständen im Interesse des Beklagten gelegen, dass der Topf mit dem siedenden Öl Feuer fängt und ggf. das Haus abbrennt. Das hätte unter dem Strich weniger kostspielig sein können als die langwierigen Heilbehandlungs- und Unterstützungsmaßnahmen zu finanzieren, insbesondere, wenn eine Versicherung des Hauses für solche Fälle bestand. 550 Fötschl, S. 409 ff. 551 So zu Recht Fötschl, S. 413. 552 Hauss, S. 333, 342. Anders für die Schweiz offenbar Schmid, S. 172 (kein umfassender sozialversicherungsrechtlicher Schutz des auftragslosen Geschäftsherrn).

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Leistungen erbracht hat. Darüber hinaus kann der Nothelfer aus Verschuldenshaftung sämtliche Schadensspitzen und ein Schmerzensgeld fordern. Die Anwendung der Geschäftsführungsvorschriften ist in diesem Fall überflüssig. Hat der hilfsbedürftige Geschäftsherr keine deliktsrechtlich relevanten Gefahren geschaffen, bleibt dem Nothelfer über die Versicherungsleistungen hinaus der Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, um eventuelle Schadensspitzen (eine teurere Krankenbehandlung, einen höheren Verdienstausfall) einzufordern. In Dreipersonenkonstellationen kann der Sozialversicherungsträger seine erbrachten Leistungen vom deliktisch haftenden Notlagenverursacher ersetzt verlangen. Durch das Einstehen des Sozialversicherungsträgers ist auch weitgehend das ohne eine solche Versicherung durch den Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag aufgefangene Risiko des Nothelfers abgedeckt, dass der Notlagenverursacher nicht haftbar gemacht werden kann. Das gilt nicht für etwaige Schadensspitzen, die der Sozialversicherungsträger ohnehin nicht trägt. Der Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag ist auch hier überflüssig. Bei der hier vorgeschlagenen Einbeziehung des Sozialversicherungsträgers in die Verteilung der Nothilferisiken bleibt für die Geschäftsführung ohne Auftrag somit letztlich ein einziger Anwendungsfall: Nur dann, wenn es sich bei den Gefahren der Nothilfe um deliktsrechtlich irrelevante Gefahren handelt, für die niemand im Wege der Verschuldenshaftung einzustehen hat, kann der Nothelfer über die Leistungen der Sozialversicherung hinaus vom Hilfsbedürftigen den Ersatz von Schadensspitzen geltend machen. Dann aber liegt eine weitere Schlussfolgerung nicht fern und erscheint sachgerecht: Warum soll der Nothelfer diese Schadensspitzen überhaupt vom Hilfsbedürftigen verlangen können? Da es sich bei den Unfallversicherungsleistungen um allgemein erforderliche, aber in der Regel auch ausreichende Leistungen im Fall von Körper- und Gesundheitsverletzungen handelt und das SGB VII in § 13 sogar den Schritt hin zur Entschädigung des (privaten) Nothelfers für Sachschäden gemacht hat, werden solche Schadensspitzen letztlich in einer exklusiveren Behandlung (Einbettzimmer, Chefarztbetreuung) oder einem besonderen Verdienstausfall liegen. Es ist nicht einzusehen, warum der Hilfsbedürftige solche Schadensspitzen soll tragen müssen, ohne dass er hierfür einen besonderen Grund in Form einer Verschuldensverantwortung geliefert hat. Hier schließt sich ein Kreis. Für seine gemeinnützige Hilfeleistung wird der Nothelfer auch in einem an allgemeinen Bedürfnissen bemessenen Umfang entschädigt. Damit erspart man sich zugleich die Frage, was eine „angemessene Entschädigung“ des Nothelfers für die von ihm erlittenen Nothilfe-/Zufallsschäden aus Geschäftsführung ohne Auftrag ist.553 553 Wenn man die beiden hier aufgestellten Prämissen konsequent durchsetzt und die Voraussetzungen dafür schafft, dass der Unfallversicherungsschutz für den Nothelfer von einer breiten Öffentlichkeit getragen wird, steht einer Übertragung des Lösungsvor-

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

3. Konsequenzen für die Bergrettung Überträgt man diesen Lösungsvorschlag auf die Bergrettung, ergibt sich Folgendes: Der Bergretter ist im Umfang einer sozialversicherungsrechtlichen Grundversorgung gegen Schäden, die er während des Einsatzes erleidet, abgesichert. Darüber hinaus kann er etwa Schmerzensgeldansprüche oder besondere Schadensspitzen aus Verschuldenshaftung gegen den Notlagenverursacher geltend machen, wenn dieser pflichtwidrig eine nicht mehr ohne weiteres handhabbare Gefahr für die Retter geschaffen hat. Einen Anspruch auf Ersatz von Sachschäden kann er nicht geltend machen. Hier ist allerdings auch von der Bergrettungsorganisation zu erwarten, dass sie entsprechende Schäden ihrer Mitglieder und ggf. Schadensspitzen wegen der ständigen Ausübung der Nothilfe eigens versichert und die Versicherungsprämien, die – anders als bei der Versicherung von Personenschäden – nicht allzu hoch ausfallen werden, über die Rettungspauschalen an die Nutzer ihrer Rettungsleistung weitergibt.554 Eine rechtspolitische Frage ist es letztlich, ob (nicht verschuldete) Personenschäden der Bergretter in letzter Instanz von der Allgemeinheit der Beitragszahler zur Unfallversicherung getragen werden oder besser über die Weitergabe der Versicherungsprämien für eigens abgeschlossene Versicherungen in Rettungspauschalen von den verunglückten Bergsportlern finanziert werden sollten. Ersteres erscheint angemessen, wenn man bergsportliche Unternehmungen in den Kreis der sozial adäquaten Aktivitäten einbezieht. Zudem würde eine umfassende sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Bergrettung dem Umstand gerecht, dass die Bergrettungsorganisationen sich in den Dienst der öffentlichen Träger des Rettungsdienstes stellen und für diese einen Teil der staatlichen Daseinsvorsorge wahrnehmen.555 III. Schadenseintritt bei Abschluss eines Rettungsvertrages: Vertragliche Risikoübernahme? Nach der Betrachtung der potentiellen Ansprüche des verletzten Bergretters ist kurz auf einen letzten Aspekt einzugehen, der bereits im Zusammenhang mit schlags in das Recht Österreichs und der Schweiz nichts im Wege. Eine klare Abgrenzung von der Verschuldenshaftung unterfallenden missbilligten Nothilferisiken und sonstigen allgemeinen Lebensrisiken lässt sich mit Hilfe der oben im 2. Kapitel skizzierten, allen drei Rechtsordnungen zugrundeliegenden Prinzipien erreichen. Der besondere Schutz des Nothelfers durch Sozialversicherung ist in allen drei Rechtsordnungen anerkannt (4. Kapitel). 554 Dies wird auch die Ratio des § 13 SGB VII gewesen sein, der Sachschäden nur privaten Helfern zubilligt. 555 Vgl. oben 1. Teil, 2. Kapitel A. II. 3. und B. IV.

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dem Zweck des Schadensersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag556 und auch im Zusammenhang mit der Haftung aus unerlaubter Handlung557 mehrfach angesprochen wurde. Hinter dem mehrfachen Hinweis auf die Entgeltlichkeit der Rettungstätigkeit der Bergrettung, ihre „Professionalität“ und die Versicherbarkeit von Nothilfeschäden558 steckt letztlich ein Gedanke, der Ansprüchen des Bergretters auf Ersatz seiner Schäden grundsätzlich entgegenstehen könnte. Betrachtet man nämlich die Fälle, in denen zwischen Hilfsbedürftigem und Bergrettung ein Rettungsvertrag zustande kommt,559 stellt sich die Frage, ob die Parteien dann nicht konkludent eine Vereinbarung über die Risikotragung für Nothilfeschäden dergestalt abschließen, dass die Bergrettung die Risiken des Einsatzes wegen ihrer besonderen Expertise und wegen des für den Einsatz verlangten Entgelts übernimmt. Bejaht man eine solche (rechtsgeschäftliche) Einwilligung in die Gefährdung beim Vertragsschluss, ließe sich für den Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag eine Parallele ziehen mit der Folge, dass den Bergretter kein Zufallsschaden mehr ereilt, sondern er aufgrund der Einwilligung in die Gefahr diese selbst zu tragen verpflichtet ist.560 Für den Anspruch aus unerlaubter Handlung könnte eine solche Risikoübernahme den Ausschluss der Pflichtwidrigkeit bedeuten.561 In der Tat finden sich Rechtsprechungsbeispiele, in denen die bewusste Inkaufnahme von Gefahren als rechtfertigende Einwilligung562 oder als konkludenter vertraglicher Haftungsausschluss563 interpretiert wurde. Heute besteht jedoch Einigkeit, dass an einen solchen Haftungsverzicht strenge Anforderungen zu stellen sind.564 Ihn bereits an die bloße Kenntnis der (abstrakten) Gefahr zu knüpfen, sei regelmäßig reine Fiktion, da der Handelnde allenfalls in die Gefährdung, nicht aber in die Verletzung einwillige.565 Es müssen deshalb besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der sich in Gefahr Begebende bereit ist, die Folgen

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Vgl. oben 3. Kapitel A. Vgl. oben 2. Kapitel C. II. 5. b). 558 Vgl. Wollschläger, S. 294; ähnlich ZK-Schmid, Art. 422 N. 56; Schmid, S. 171; Fitz, S. 86 („risque professionelle“). 559 Vgl. oben 3. Teil, 2. Kapitel B. IV. 560 So etwa Maurer, S. 39 f., der auf eine „hypothetische vertragsmäßige Regelung“ abstellt (mit Hinweis auf Graf, S. 355 ff.). 561 Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 147; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/38; MüKo-Wagner, § 823 Rn. 310. 562 RGZ 141, 162, 165. 563 BGHZ 2, 159, 160. 564 BGH NZV 1993, 430, 431; MüKo-Oetker, § 254 Rn. 65; Staudinger-Schiemann, § 254 Rn. 64; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/96; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 147 (Fn. 170). 565 BGH NJW 1964, 860; NJW 1965, 907; MüKo-Mertens (3. Auflage), Vor §§ 823– 853 Rn. 38; Lange/Schiemann, § 10 XVI 2; Koziol, Haftpflichtrecht I, Rz. 4/96; BGE 117 II 548; Oftinger/Stark, Haftpflichtrecht I, § 5 N. 147 (Fn. 170). 557

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4. Teil: Schadensersatzansprüche

der eingegangenen Risiken zu tragen. Hierzu zählt etwa ein besonders hohes Entgelt als Risikoaufschlag und die Vorhersehbarkeit des konkreten Risikos. Auch die Frage, in wessen Risikobereich die Gefahr fällt, soll hierfür eine Rolle spielen.566 Nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen ist danach auch in den Fällen der Bergrettung ein Haftungsverzicht bei Abschluss eines Rettungsvertrages zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem abzulehnen. Weder Bergrettung/Rettungsleitstelle noch Hilfsbedürftiger machen sich beim Vertragsschluss über die Möglichkeit einer Schädigung der Bergretter Gedanken. Der Bergrettung ist ein entsprechender Wille zum Haftungsverzicht bei der Initiierung des Einsatzes objektiv nicht zu entnehmen. Die konkreten Gefahren, die die Bergretter bei ihrem Einsatz eingehen müssen, sind ihnen oft nicht im Vorhinein bekannt. Einen besonderen Risikozuschlag enthält das Rettungsentgelt nicht. Eine etwaige Versicherung ihrer Mitglieder dient in erster Linie der eigenen Absicherung vor den Folgen von Einsatzverletzungen, soll aber keinesfalls den Hilfsbedürftigen von potentiellen Ersatzansprüchen freistellen. Verletzen sich Bergretter deshalb während eines Einsatzes, steht ihnen ein Anspruch auf Ersatz ihrer Schäden nach den oben dargelegten Grundsätzen zu, unabhängig davon, ob der Einsatz im Rahmen eines Rettungsvertrages erfolgte oder nicht. Eine rechtsgeschäftliche Risikoübernahme oder tatsächliche Einwilligung in die Gefährdung ist nicht anzunehmen. Dass dieses Ergebnis sachgemäß ist, wird umso deutlicher, wenn man sich die hier vorgeschlagene strikte Trennung zwischen haftungsrelevanter und nicht haftungsrelevanter Gefahrschaffung vor Augen führt. Es leuchtet ein, dass die Bergrettung vernünftigerweise nicht auf den Ersatz solcher Schäden verzichten wird, die Resultat pflichtwidrig geschaffener, gesteigerter Gefahren sind, die die Bergretter trotz ihrer Expertise nicht ohne weiteres vermeiden können. Schäden als Folge von Risiken, deren sichere Handhabung den Bergrettern hingegen zumutbar ist, werden die Bergretter ohnehin selbst tragen müssen, ohne dass es eines Haftungsverzichts bedarf.567

566

Vgl. Staudinger-Martinek, § 670 Rn. 27; MüKo-Seiler, § 670 Rn. 16. Das wird man selbst für professionelle Retter wie den Notarzt oder – in abgeschwächter Form – für den zur Rettung verpflichteten Bergführer annehmen müssen. Denn auch sie können bei ihrer Tätigkeit grundsätzlich keinen Risikoaufschlag einkalkulieren und wollen den deliktischen Notlagenverursacher, der besondere Einsatzrisiken geschaffen hat, nicht ohne entsprechende Kompensation entlasten. 567

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Im Rückblick auf die in dieser Untersuchung aufgeworfenen Fragen lassen sich abschließend die jeweils gewonnenen Erkenntnisse wie folgt kurz zusammenfassen:

A. Tätigkeiten der Bergrettung und Einbindung in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben Die Bergrettungsorganisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind private Hilfsorganisationen, die sich auf Rettungstätigkeiten im Gebirge spezialisiert haben und über entsprechende Expertise und Ausrüstung verfügen. Ihre Mitglieder werden ehrenamtlich tätig. Zum Tätigkeitsbereich der Bergrettung gehören neben Krankentransport und Notfallrettung die Suche nach Vermissten, die Bergung Toter und die Evakuierung unverletzter, in Not geratener Bergsportler. Diese Tätigkeitsbereiche decken sich weitgehend, wenn auch in regional unterschiedlichem Maße, mit Aufgaben der öffentlichen Hand. Die Wahrnehmung von Aufgaben des sog. Rettungsdienstes fällt in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach den jeweils geltenden Rettungs(dienst)gesetzen vornehmlich in die Verantwortung kommunaler Gebietskörperschaften, meist der Gemeinden. Zum Rettungsdienst zählen zunächst Krankentransport und Notfallrettung, d.h. die medizinisch indizierte Hilfeleistung. Aber auch die Evakuierung Unverletzter und die Suche nach Vermissten werden teilweise – insbesondere in Österreich – gesetzlich als Aufgaben des Rettungsdienstes definiert. Sofern die Evakuierung unverletzter Bergsportler und die Suche nach Vermissten nicht dem Rettungsdienst zugeordnet wird, fallen diese Rettungstätigkeiten ebenso wie die Bergung Toter jedenfalls in den allgemeinen Aufgabenbereich der Polizei bzw. der örtlichen Ordnungs- und Sicherheitsbehörden. Da die jeweils zuständigen Hoheitsträger in der Regel nicht über ausreichende eigene Ressourcen zur Sicherstellung der ihnen übertragenen Rettungsaufgaben verfügen, wird ihnen regelmäßig per Gesetz die Möglichkeit eröffnet, private Hilfsorganisationen mit der Durchführung von Rettungsaufgaben zu beauftragen. Hiervon machen die zuständigen Hoheitsträger in weitem Umfang Gebrauch und binden die Bergrettungsorganisationen aufgrund deren besonderen Kompetenzen und Ausstattung für Einsätze im Gebirge regelmäßig in die Wahrnehmung der jeweiligen öffentlichen Aufgabe in unwegsamem Gelände ein. Die Einbindung erfolgt entweder durch eine generelle vertragliche Beauftragung der Bergret-

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tungsorganisation – so regelmäßig in Hinsicht auf Aufgaben des Rettungsdienstes – oder sie beschränkt sich auf die Hinzuziehung der Bergrettung im konkreten Einzelfall, was meist bei Tätigkeiten außerhalb des Rettungsdienstes der Fall ist.

B. Status der Bergrettung und Rechtsnatur ihres Handelns Welcher Status der Bergrettung bei einem Einsatz zukommt und – hiervon abhängig – welche Rechtsnatur ihr Handeln und die zwischen ihr und dem Hilfsbedürftigen begründete Leistungsbeziehung haben, richtet sich danach, ob und in welcher Art und Weise die Bergrettung mit der konkreten Tätigkeit von Seiten eines hierfür zuständigen Hoheitsträgers beauftragt wurde. Führt die Bergrettung einen Einsatz in Eigeninitiative durch, ohne dass die konkrete Rettungstätigkeit in einen hoheitlichen Aufgabenbereich fällt oder die Bergrettung hiermit generell oder im konkreten Fall von einem zuständigen Hoheitsträger beauftragt worden ist, ergeben sich hinsichtlich Rechtstatus der Bergrettung und Rechtsnatur ihres Handelns keine Besonderheiten. Die Bergrettung ist private Hilfsorganisation und kann als solche nur privatrechtlich Handeln. Ihr Verhältnis zum betroffenen Bergsportlern ist nach den Regeln des Privatrechts zu beurteilen. In allen anderen Fällen stellt sich die Frage, ob das Handeln der Bergrettung infolge der Einbindung in die jeweilige öffentliche Aufgabe nach den Regeln des öffentlichen Rechts oder nach Privatrecht zu beurteilen ist. Diesbezüglich kommt es auf die Art der Einbindung der Bergrettung in die Wahrnehmung der jeweiligen öffentlichen Aufgabe durch den zuständigen Hoheitsträger an. Es lassen sich folgende Differenzierungen vornehmen: Wird der Bergrettung die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben – wie regelmäßig im Bereich des Rettungsdienstes – generell übertragen, kommt es bezüglich der Rechtsnatur ihres Handelns darauf an, in welcher Funktion die Bergrettung tätig wird. Zwei grundlegende Modelle lassen sich identifizieren: Im sog. Submissionssystem wird die Bergrettung als unselbständige Verwaltungshelferin tätig. Führt die Bergrettung einen Rettungseinsatz in dieser Funktion durch, kommt eine Leistungsbeziehung zwischen dem Hoheitsträger und dem Hilfsbedürftigen zustande, in deren Rahmen die Bergrettung lediglich als verlängerter Arm des zuständigen Hoheitsträgers agiert. Die Bergrettung selbst begründet keine eigenständige Leistungsbeziehung zum Hilfsbedürftigen. Die Rechtsnatur des Handelns der Bergrettung teilt die Rechtsnatur des Handelns der zuständigen Behörde. Ein Kostenausgleich für die Durchführung des jeweiligen Einsatzes findet im Innenverhältnis zwischen Bergrettung und Hoheitsträger statt. Der Hoheitsträger wendet sich zwecks Zahlung eines Entgelts bzw. zwecks Gebührenerhebung seinerseits an den Hilfsbedürftigen.

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Im sog. Konzessionssystem, das für den Rettungsdienst in der Mehrzahl der Bundesländer und Kantone gilt, verpflichtet sich die Bergrettung gegenüber dem zuständigen Hoheitsträger vertraglich zur selbständigen Durchführung von Rettungseinsätzen im Gebirge. Als selbständige Verwaltungshelferin begründet sie eigenständige Leistungsbeziehungen zum Hilfsbedürftigen und rechnet ihre Einsätze diesem gegenüber unmittelbar selbst ab. Die Leistungsbeziehungen zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigen im Konzessionssystem unterliegen den Regeln des Privatrechts, da den Bergrettungsorganisationen, anders als einem Beliehenen, in der Regel keinerlei hoheitliche Handlungsbefugnisse zustehen. Fällt ein Rettungseinsatz nicht in den der Bergrettung generell überantworteten Bereich des Rettungsdienstes, wird sie vielfach von den zuständigen Polizei bzw. der örtlichen Ordnungs- und Sicherheitsbehörden mit der konkreten Rettungsoder Bergungstätigkeit beauftragt. Die Bergrettung wird dann als unselbständige Verwaltungshelferin tätig. Ebenso wie innerhalb eines Submissionssystems fungiert sie lediglich als verlängerter Arm der jeweiligen Behörde und begründet keine eigenständige Leistungsbeziehung zum Betroffenen. Während die Bergrettung also im Submissionssystem und bei der Beauftragung durch Polizei- oder Sicherheitsbehörden im Einzelfall ihren Einsatz gegenüber der sie in die jeweilige öffentliche Aufgabe einbindenden Behörde abrechnen kann und muss, ist sie in einem Konzessionssystem und beim Tätigwerden in Eigeninitiative darauf angewiesen, ihre Einsätze gegenüber dem Hilfsbedürftigen direkt auf privatrechtlicher Grundlage abzurechnen.

C. Privatrechtliche Entgeltansprüche der Bergrettung Als privatrechtliche Anspruchsgrundlagen für die Geltendmachung der von der Bergrettung für ihre Einsätze regelmäßig in Ansatz gebrachten Rettungspauschalen kommen ein vertraglicher Zahlungsanspruch oder ein Aufwendungsersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. I. Vertraglicher Entgeltanspruch Ein vertraglicher Entgeltanspruch der Bergrettung setzt voraus, dass sie sich mit dem Hilfsbedürftigen oder einem Dritten wirksam über die Erbringung von Rettungsleistungen gegen Entgelt einigt. Hierzu lassen sich folgende Differenzierungen treffen und folgende Grundsätze festhalten: Ein entgeltlicher Rettungsvertrag wird durch das Hilfeersuchen und die Zusage bzw. Initiierung des Rettungseinsatzes seitens der Bergrettung geschlossen, wenn der Betroffene sich gezielt – meist durch einen Notruf – an die Bergrettung (Notrufzentrale) wendet. Das gezielte Hilfeersuchen des Betroffenen gegenüber der Bergrettung ist wirksames Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Ret-

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tungsvertrages, denn es ist aus Sicht der Bergrettung als Erklärungsempfängerin objektiv erkennbar von dem Willen getragen, qualifizierte Hilfe einer Rettungsorganisation in Anspruch zu nehmen, die – jedenfalls in den hier untersuchten Ländern – üblicherweise gegen Zahlung einer Rettungsvergütung erfolgt. Aus der gezielten Anforderung entgeltlicher Hilfeleistung lässt sich vor dem Hintergrund des unmittelbar eigenen Interesses des Hilfsbedürftigen folgern, dass das Hilfeersuchen als rechtsverbindlich gelten soll. Ein Hilfeersuchen, das nicht (erkennbar) gezielt gegenüber der Bergrettung (Notrufzentrale) erfolgt, ist hingegen als unverbindlicher Hilfeleistungsappell an das Moralempfinden Dritter zu qualifizieren. Es ist inhaltlich meist unbestimmt, lässt aus Sicht der Bergrettung nicht die Bereitschaft zur Zahlung einer üblichen Rettungsvergütung erkennen und kann deshalb nicht als ein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungsvertrages verstanden werden. Die Verständigung der Bergrettung durch Dritte ist trotz einer entsprechenden Zielrichtung des Hilfeersuchens grundsätzlich nicht als verbindliches Vertragsangebot auf Abschluss eines entgeltlichen Rettungseinsatzes zu werten. Anders als der Hilfsbedürftige selbst hat der Dritte regelmäßig kein eigenes Interesse an der Rettung und würde er bei Abgabe einer rechtsverbindlichen Erklärung – sei es im eigenen Namen, sei es als Stellvertreter des Hilfsbedürftigen – durch die Veranlassung des Einsatzes gegenüber der Bergrettung ggf. selbst für die hierdurch verursachten Kosten haften. Auch wenn der Dritte deshalb gezielt organisierte, üblicherweise nur gegen Entgelt erbrachte Hilfeleistungsmaßnahmen veranlasst, lässt sich seinem Notruf aus Sicht der Bergrettung mangels eigenen Interesses und wegen des hiermit verbundenen Haftungsrisikos grundsätzlich nicht der Wille entnehmen, eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben zu wollen. Eine andere Beurteilung kann im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn weitere, erkennbare Anhaltspunkte, insbesondere ein erkennbar eigenes Interesse existieren, die die Interpretation des Hilfeersuchens des Dritten als ein rechtsverbindliches Vertragsangebot zulassen (etwa der Notruf des Notlagenverursachers oder naher Angehöriger). Soweit der Hilfsbedürftige bei Bewusstsein und in seiner Willensbildung nicht eingeschränkt ist, wird sich die Bergrettung jedenfalls beim Eintreffen am Notfallort durch eine entsprechende Verständigung oder (konkludent) durch das tatsächliche Anbieten und die Inanspruchnahme der Hilfeleistung mit dem Hilfsbedürftigen über die Erbringung entgeltlicher Hilfeleistung einigen. II. Anspruch auf Zahlung eines Rettungsentgelts nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Kommt zwischen Bergrettung und Hilfsbedürftigem oder einem Dritten ein Rettungsvertrag nicht zustande, kann die Bergrettung die Zahlung der für den jeweiligen Einsatz üblichen Rettungspauschale vom Hilfsbedürftigen in der Re-

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gel nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag geltend machen. 1. Dass die Bergrettung bei der Durchführung des Rettungseinsatzes wegen der Erfüllung eigener Satzungsaufgaben ein eigenes Interesse verfolgt und aufgrund vertraglicher Einbindung in die Durchführung öffentlicher Aufgaben häufig eine Verpflichtung gegenüber dem jeweils zuständigen Hoheitsträger erfüllt, steht der Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich nicht entgegen. Die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag setzt voraus, dass es sich bei der jeweiligen Tätigkeit – hier dem Rettungseinsatz – um eine „Fremdgeschäftsbesorgung“ handelt. Sinn und Zweck der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist es, für die besondere Konstellation der fremdnützigen, nicht anderweitig geregelten Interessenwahrnehmung gesetzlich einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem Schadloshaltungsinteresse des Geschäftsführers und dem Einmischungsschutzinteresse des Geschäftsherrn zu schaffen. Danach ist der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag eröffnet, wenn der Geschäftsführer bei der Geschäftsbesorgung seine Interessen den Interessen des Geschäftsherrn unterordnet und mangels anderweitiger Regelungen in Bezug auf seine Tätigkeit auch bezüglich seines Schadloshaltungsinteresses grundsätzlich schutzwürdig ist. Diese besondere Konstellation ist bei einem pflichtgebundenen Geschäftsführer, der einer eigenen Verpflichtung nachkommt, regelmäßig nicht gegeben, weil er in Befolgung der ihm obliegenden Pflichten häufig nicht mehr uneingeschränkt oder jedenfalls nicht vornehmlich den Interessen des Geschäftsherrn dient und im Zusammenhang mit seiner Verpflichtung meist Regelungen – insbesondere hinsichtlich der Tragung der mit seiner Tätigkeit verbundenen Lasten – existieren, die mit den Regelungen der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag kollidieren und für deren Anwendung keinen Raum lassen. Ausnahmsweise ist der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag trotz einer Verpflichtung des Geschäftsführers zum Handeln eröffnet, wenn Ziel seiner Verpflichtung gerade das Handeln im Interesse des Geschäftsherrn ist und im Zusammenhang mit der Verpflichtung keine anderweitigen Regelungen bestehen, die dem von diesen Vorschriften bezweckten und geregelten Interessenausgleich zuwider laufen. Wird die Bergrettung als selbständige Verwaltungshelferin in einem Konzessionssystems tätig, ist ein solcher Ausnahmefall zu bejahen. Trotz vertraglicher Verpflichtung der Bergrettung gegenüber dem zuständigen Hoheitsträger zur Durchführung rettungsdienstlicher Einsätze im Gebirge sind die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar: Die Verpflichtung zur Durchführung rettungsdienstlicher Einsätze im Gebirge ist vornehmlich an den Interessen des Hilfsbedürftigen ausgerichtet. Regelungen, die der Anwendung

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der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag entgegenstehen, insbesondere Regelungen zur (anderweitigen) Erstattung der Rettungsaufwendungen enthalten die jeweiligen Rettungs(dienst)gesetze nicht. Wesentliches Merkmal des Konzessionssystems im Rettungsdienst ist es insbesondere, dass sich die Bergrettung zwecks Erstattung ihrer Einsatzkosten unmittelbar an den Hilfsbedürftigen als Nutznießer der Hilfeleistung wendet. Hat die Bergrettung im Geltungsbereich des sozialversicherungsrechtlichen Sachleistungsprinzips eine Leistungsvereinbarung mit den gesetzlichen Krankenkassen über die Erbringung von rettungsdienstlichen Leistungen abgeschlossen, kommt die Bergrettung mit der Hilfeleistung gegenüber dem gesetzlich versicherten Hilfsbedürftigen einer Verpflichtung gegenüber der jeweiligen Krankenkasse nach. In diesen Fällen bleiben die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nach dem hier vertretenen Ansatz zwar grundsätzlich anwendbar, die direkte Inanspruchnahme des Hilfsbedürftigen auf Zahlung eines Rettungsentgelts scheidet aber jedenfalls aus. Die Bergrettung muss sich dann (zunächst) direkt an die Krankenkasse des Geretteten wenden. 2. Die Rettungseinsätze der Bergrettung sind in aller Regel als berechtigte Geschäftsbesorgung zu qualifizieren, da die Hilfeleistung meist als für den Hilfsbedürftigen von Nutzen ist. Zu diesem Ergebnis wird man in allen drei hier untersuchten Rechtsordnungen trotz des in Deutschland (subjektives Prinzip) einerseits und in Österreich und der Schweiz (objektive Theorie) andererseits geltenden unterschiedlichen Maßstabs zur Beurteilung der Nützlichkeit einer Geschäftsbesorgung als Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gelangen. Unterschiedliche Ergebnisse zur Nützlichkeit eines Rettungseinsatzes und damit zur Erstattungsfähigkeit der hierfür geltend gemachten Rettungspauschalen sind nach deutschem Recht und nach österreichischem bzw. schweizerischen Recht in Fällen denkbar, in denen die Nützlichkeit der Rettungstätigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt des Einsatzbeginns insgesamt oder nach Art und Umfang zweifelhaft erscheint. Dass eine Notlage zu Beginn des Einsatzes nicht (mehr) existiert oder aufgrund der äußeren Umstände zu diesem Zeitpunkt bereits Zweifel am Nutzen des Rettungseinsatzes für den Hilfsbedürftigen bestehen, fällt nach der im schweizerischen und österreichischen Recht maßgeblichen Perspektive eines objektiven Betrachters in der Position des Geschäftsführers nicht ins Gewicht. Der Rettungseinsatz ist schon immer dann als nützlich und ein Aufwendungsersatzanspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag immer schon dann dem Grunde nach zu bejahen ist, wenn die Bergrettung anhand der ihr erkennbaren, häufig unsicheren Kenntnis der Sachlage von der Notwendigkeit eines Rettungseinsatzes und der Erforderlichkeit der hierzu scheinbar nötigen Maßnahmen ausgehen durfte. Das kann auch dann der Fall sein, wenn nur der Anschein einer in Wirklichkeit nicht existierenden Notlage bestand, die Notlage sich vor Rettungsbeginn erledigt hatte oder aufgrund be-

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stimmter Umstände der Rettungseinsatz als solcher bzw. in seiner konkreten Art und Weise als unnütz erschien, die Bergrettung selbst dies aber nicht erkennen konnte. Das häufig nicht geringe Prognoserisiko hinsichtlich Erforderlichkeit des Einsatzes als solchem und der Notwendigkeit der konkret getroffenen Rettungsmaßnahmen (Umfang) trägt hiernach weitgehend der (vermeintlich) Hilfsbedürftige. Zu einer differenzierteren und wegen der angemessenen Berücksichtigung des Einmischungsschutzinteresses des Hilfsbedürftigen vorzugswürdigen Lösung gelangt das deutsche Recht mit dem hier geltenden strengen subjektiven Maßstab, nach dem es für die Nützlichkeitsbeurteilung auf die Perspektive des Geschäftsführers selbst und die ihm erkennbaren Umstände (wirklicher oder mutmaßlicher Wille) ankommt. Zwar wird man auch danach in den genannten Zweifelsfällen auch nach diesem Maßstab häufig die Nützlichkeit des Rettungseinsatzes bejahen können, und zwar immer dann, wenn auch aus Sicht des Hilfsbedürftigen der Nutzen des Einsatzes im Zeitpunkt des Einsatzbeginns gegeben zu sein schien und deshalb davon auszugehen ist, dass seine Durchführung dem Hilfsbedürftigen willkommen war. Bei nur vermeintlichen Notfällen oder in den Fällen, in denen sich die Gefahrenlage vor Einsatzbeginn erledigt, steht der Bergrettung nach deutschem Recht aber jedenfalls kein Anspruch nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu, weil die Rettungsaktion dann nicht dem Willen des (vermeintlich) Hilfsbedürftigen entspricht. Das Prognoserisiko hinsichtlich Erforderlichkeit des Einsatzes und der Notwendigkeit der getroffenen Rettungsmaßnahmen ihrem Umfang nach trägt nach diesen Regeln maßgeblich die Bergrettung selbst. Dass der Bergrettung nach deutschem anders als nach österreichischem und schweizerischem Recht in bestimmten Zweifelsfällen mangels Nützlichkeit kein Anspruch gegen den Hilfsbedürftigen auf Ersatz ihrer Aufwendungen zusteht, ist in der Gesamtbetrachtung systemgerecht. Denn die Fehleinsätze der Bergrettung sind regelmäßig darauf zurückzuführen, dass die Bergrettung im Interesse der Allgemeinheit an einem funktionierenden, flächendeckenden Rettungswesen Einsätze auch dann durchführt, wenn Zweifel an ihrer Notwendigkeit nicht ausgeräumt werden können. Dann ist es nur folgerichtig, dass die Kosten für derartige „Fehleinsätze“ auch von der Allgemeinheit, etwa von dem für den Rettungsdienst zuständigen Hoheitsträger getragen und nicht dem vermeintlich Hilfsbedürftigen auferlegt werden. 3. Dass die Bergrettung gegenüber dem Hilfsbedürftigen nicht nur die Aufwendungen für den konkreten Rettungseinsatz in Ansatz bringt, sondern regelmäßig ein Rettungsentgelt verlangt, das auch laufende Kostenpositionen umfasst und sich damit als eine Vergütung für die erbrachten Rettungsleistungen darstellt, steht dem Zahlungsanspruch der Bergrettung trotz entgegenstehenden Gesetzeswortlauts und trotz des gesetzlichen Schadloshaltungsgrundsatzes der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht entgegen. In allen drei Rechts-

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ordnungen ist anerkannt, dass die Zahlung einer Vergütung nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag im Ausnahmefall möglich und u. a. aufgrund des praktischen Bedürfnisses gerade im Rettungswesen erforderlich ist. Voraussetzung hierfür ist, dass eine solche Vergütung wie im Fall der Bergrettung ein für die Geschäftsbesorgungstätigkeit übliches Entgelt darstellt und der Geschäftsherr hierdurch nicht unangemessen benachteiligt wird. Das ist gerade bei Rettungseinsätzen der Bergrettung nicht der Fall, da für den Hilfsbedürftigen eine echte Alternative zur Inanspruchnahme der Bergrettung nicht besteht und die Rettungspauschalen auf ein sozialverträgliches Maß begrenzt sind.

D. Ersatz von Nothilfeschäden Ansprüche auf Ersatz von Schäden, die sie während eines Einsatzes erleiden, können den Bergrettern in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach geltendem Recht nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen oder den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zustehen. I. Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung Ein Schadensersatzanspruch gegen den Verursacher der Notlage gestützt auf eine unerlaubte Handlung wird den Bergrettern nach den in den hier untersuchten Rechtsordnungen geltenden Vorschriften häufig nicht zustehen. Voraussetzung für einen solchen deliktsrechtlichen Anspruch ist, dass die Notlagenverursachung in Hinsicht auf die mittelbar herbeigeführte Rechtsgutsverletzung des betroffenen Bergretters von der Rechtsordnung missbilligt und deshalb als pflichtwidriges Verhalten eingestuft wird, das nach dem Prinzip der Verschuldenshaftung eine Verlagerung der Schadenstragungsverantwortung rechtfertigt. Ob der Notlagenverursacher im Einzelfall durch sein Handeln gegen eine (ungeschriebene) Verhaltenspflicht (Gefahrvermeidungspflicht) verstoßen und deshalb pflichtwidrig gehandelt hat, ist durch eine umfassende Abwägung zwischen dem Handlungsfreiheitsinteresse des Notlagenverursachers und dem Integritätsinteresse des betroffenen Bergretters zu ermitteln. Diese Abwägung wird häufig zu Lasten des Bergretters ausfallen, selbst wenn der Bergsportler die Notlage und den Rettungseinsatz durch eine Unvorsichtigkeit, d.h. einen Sorgfaltsverstoß in eigener Sache ausgelöst hat. Bergsport ist eine weithin als sozialadäquat anerkannte Freizeitbeschäftigung, die nach der Verkehrsanschauung in unzumutbarem Maße eingeschränkt würde, wenn der Bergsportler für Schäden des ihm zu Hilfe eilenden Bergretters grundsätzlich haften und deshalb im Zweifel von seinen bergsportlichen Unternehmungen von vornherein Abstand nehmen müsste, weil er auf den weiteren (Kausal-)Verlauf nach Eintritt der Notlage meist keinen Einfluss mehr hat. Auch wird man die Möglichkeiten der für Einsätze im Gebirge eigens geschulten Bergretter, sich vor den Gefahren eines Einsatzes zu

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schützen, innerhalb der Abwägung zugunsten des Notlagenverursachers gewichten müssen. Eine andere Beurteilung kann sich im Einzelfall jedoch ergeben, wenn der gefährliche Charakter der bergsportlichen Unternehmung und/oder das zur Notlage führende Fehlverhalten des Bergsportlers gesteigerte Risiken auch für die Bergretter im Falle eines Einsatzes bedingen, deren Vermeidung dem Bergsportler trotz der allgemeinen Akzeptanz seiner Tätigkeit und der Kompetenzen der Bergrettung in der Gesamtschau zumutbar und von ihm deshalb zu erwarten war. Als Faustregel wird man festhalten können: Je gefährlicher die bergsportliche Unternehmung und je größer das zu einer Notlage führende Fehlverhalten des Bergsportlers, desto eher ist sein (mittelbar) schadensursächliches Handeln als pflichtwidrig zu qualifizieren.

II. Schadensersatz nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag Ein Schadensersatzanspruch des Nothelfers nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ist in allen drei Rechtsordnungen anerkannt und steht deshalb auch den Bergrettern nach geltendem Recht regelmäßig zu, wenn die Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllt sind. Gleichwohl ist man sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz einig, dass der nach diesen Vorschriften verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch den hilfsbedürftigen Geschäftsherrn unzumutbar benachteiligen würde, wenn dem Nothelfer nach dem Grundsatz der Totalreparation Ersatz sämtlicher der im Zuge der Hilfeleistung entstandenen Schäden zustünde. Die verschiedenen Versuche, die Haftung des Hilfsbedürftigen durch bestimmte, häufig dem Bereich der Verschuldenshaftung entlehnten Kriterien auf ein „angemessenes“ Maß zu beschränken, vermögen nicht zu überzeugen, denn sie bieten bei der verschuldensunabhängigen Haftung des Geschäftsherrn nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag – anders als im Bereich der Verschuldenshaftung – kein geeignetes Instrumentarium für eine durchgehend schlüssige Abgrenzung von angemessener gegenüber nicht mehr angemessener Haftung und lassen daher nicht mehr nachvollziehbare und nur schwer kontrollierbare Entscheidungen zum Umfang der Haftung nach diesen Vorschriften besorgen. Betrachtet man sämtliche für die Schadenstragung in Nothilfefällen relevanten Vorschriften und Regelungen, wird deutlich, dass sich die Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf Nothilfeschäden erübrigt (was jedoch in der Schweiz der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Schadensersatzanspruchs in Art. 422 OR zuwider läuft) und sich ohne Heranziehung dieser Regelungen überzeugende Lösungen für die Verteilung des Risikos von Nothilfeschäden finden lassen.

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III. Abgrenzung der deliktsrechtlichen Haftung von den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag In der Gesamtbetrachtung von Rechtsprechung und Literatur zu den Nothilfefällen zeigt sich, dass die Gewährung von Schadensersatzansprüchen des Retters für Nothilfeschäden aus unerlaubter Handlung und nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag maßgeblich durch das (moralischen) Bedürfnis motiviert ist, altruistische Hilfeleistung als allgemein anerkennenswerte Tat zu belohnen. Der sittliche Wert und der Gemeinnutzen altruistischer Hilfeleistung stellen im System des Privatrechts, das vornehmlich am individuellen Interessenausgleich zwischen den jeweils beteiligten Individuen ausgerichtet ist, jedoch grundsätzlich zweckfremde Erwägungen dar, die bei der Anwendung der jeweiligen Regelungen kaum sinnvoll berücksichtigen lassen. Das zeigt sich auch bei der Berücksichtigung des Allgemeininteresses an altruistischer Hilfeleistung im Rahmen der Verschuldenshaftung und der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag: Bei der Verschuldenshaftung geht es um die Verlagerung von Schadensverantwortung aufgrund eines von der Rechtsordnung missbilligten Verhaltens, dessen Pflichtwidrigkeit es durch Abwägung der sich konkret gegenüberstehenden Schädiger- und Geschädigteninteressen zu ermitteln gilt. Wie insbesondere die Herausforderungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs verdeutlicht, führt die Berücksichtigung des sittlichen Werts von Hilfeleistung in Nothilfefällen dazu, dass nicht mehr die Pflichtwidrigkeit eines Verhaltens in Abgrenzung zu von der Rechtsordnung toleriertem Handeln als maßgeblicher Grund für die Verlagerung der Schadensverantwortung vom Geschädigten auf den Handelnden dient, sondern das Allgemeininteresse an gegenseitiger Hilfeleistung als Rechtfertigung für die Verlagerung der Schadenstragungsverantwortung vom Geschädigten auf den Notlagenverursacher in den Vordergrund rückt. Durch die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag wird ein angemessener individueller Ausgleich zwischen dem Schadloshaltungsinteresse und dem Einmischungsschutzinteresse der Beteiligten für den Fall fremdnütziger, nicht anderweitig geregelter Geschäftsbesorgung angestrebt, der in der Beschränkung des Schadloshaltungsanspruchs des Geschäftsführers auf freiwillige Aufwendungen zum (potentiellen) Nutzen des Geschäftsherrn eine sachgemäße Regelung findet. Die besondere Berücksichtigung des sittlichen Werts der Hilfeleistung führt hier dazu, dass dieses Interessenausgleichssystem durch die Gewährung von Schadensersatzansprüchen wegen der mangelnden Vorhersehbarkeit und Steuerbarkeit von Schäden und ihrem Umfang gesprengt und nicht mehr sinnvoll eingeschränkt werden kann. Die hier offenbar werdenden Ungereimtheiten lassen sich dadurch auflösen, dass man die Betrachtung der dem individuellen Interessenausgleich dienenden, privatrechtlichen Vorschriften um den Bereich des Sozialversicherungsrechts er-

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weitert, dessen Regelungen übergeordnete (Allgemein-)Interessen bei der Frage der Schadenstragung in Nothilfefällen gezielt berücksichtigen und dem Nothelfer gerade wegen des Gemeinnutzens in weitem Umfang Ersatz von Nothilfeschäden gewähren. Dann zeigt sich bei genauer Betrachtung, dass es neben der deliktsrechtlichen Schadenszuweisung bei pflichtwidriger Notlagenverursachung keines weiteren Regelungsinstituts zur Handhabung von Nothilfeschäden bedarf. Alle Schäden, die nicht nach den Grundsätzen der Verschuldenshaftung einem Dritten zugewiesen werden können, werden weitestgehend von der Allgemeinheit der Beitragsleistenden zur Unfallversicherung getragen. Die Anwendung der für die Schadenskompensation ohnehin nicht geeigneten Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag auf den Bereich der Nothilfeschäden erübrigt sich.

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Weishaupt, Arnd: Zur Geschäftsführung ohne Auftrag bei vertraglicher Pflichtbindung des Geschäftsführers, in: NJW 2000, 1002. Welser, Rudolf: Der OGH und der Rechtswidrigkeitszusammenhang, in: ÖJZ 1975, 1. Wieser, Eberhard: Empirische und normative Auslegung, in: JZ 1985, 407. Wilburg, Walter: Die Elemente des Schadensrechts, Marburg a.d. Lahn, 1941. Wittmann, Roland: Begriff und Funktionen der Geschäftsführung ohne Auftrag, Habil. München, 1981. Wolff, Hans J./Bachof, Otto/Stober, Rolf: Verwaltungsrecht – Bd. 1–3, München, 5. Aufl., 2004 (zit.: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltugnsrecht I/II/III). Wollschläger, Christian: Die Geschäftsführung ohne Auftrag – Theorie und Rechtsprechung, Habil. Göttingen, 1976. Zimmermann, Reinhard: Der Selbstmord als Gefährdungssachverhalt – Aufwendungsoder Schadensersatz für den Retter? in: FamRZ 1971, 103. – Herausforderungsformel und Haftung für fremde Willensbetätigung nach § 823 Abs. 1 BGB, in: JZ 1980, 10. – (Hrsg.): Grundstrukturen des Europäischen Deliktsrechts, Baden-Baden, 2003 (zit.: Bearbeiter, in: Zimmermann, Grundstrukturen) Züricher Kommentar: Kommentar zum Schweizerischen Zivilrecht; hrsg. von Peter Gauch und Jörg Schmid, Zürich (zit.: ZK-Bearbeiter).

Sachverzeichnis Adäquanztheorie 345 (siehe auch Kausalität) Alpine Rettung Schweiz 75 ff. – Aufgaben 76 – Einbindung in das Rettungswesen 78 f. – Finanzierung 79 – Organisation und Ausbildung 76 Amtshaftung 107 ff. Äquivalenztheorie 344 (siehe auch Kausalität) Arbeiter-Samariter-Bund 50 auch-fremde Geschäfte (Auch-Gestion) – der Bergrettung 240 ff. – Eigeninteresse des Geschäftsführers 211 f. – Grundsätze 203 ff. – Pflichtenbindung des Geschäftsführers 213 ff. – Subsidiarität der GoA/Interessenausgleich 229 ff. Aufwendungsersatz (aus GoA) 307 ff. Beleihung 89, 93 ff. Bergrettung – Deutschland 67 ff. – Österreich/Schweiz 75 ff. Bergrettungsdienst 75 ff. – Aufgaben 76 – Einbindung in das Rettungswesen 78 – Finanzierung 79 – Organisation und Ausbildung 76 f. Bergwacht – Aufgaben 68 ff. – Einbindung in den Rettungsdienst 71, 117 ff. – Einbindung in sonstige Gefahrenabwehraufgaben 124 ff. – Geschichte 67

– Kosten und Finanzierung 74 – Organisationsstrukturen 69 ff. – Personal, Ausbildung und Ausstattung 72 – Rechtsstatus und Rechtsnatur der Rettungstätigkeiten 117 ff., 124 ff. Botenschaft 176 Daseinsvorsorge und Gefahrenabwehr 47, 56, 88 ff., 96, 115, 143 f., 305 f. Deutscher Alpenverein 67 f. Eigenverantwortung 351, 360, 374, 388 ff., 406 f., 416 ff. Erfolgsunrecht 336 ff. Evakuierung 57 ff., 68 ff., 76, 82, 118 ff. Fehlalarm 75, 197, 271 ff., 321, 437 Fehlverhalten – Abgrenzung zum Mitverschulden 368 ff. – als Grundlage des Verschuldensprinzips 325 ff. – als Kriterium zur Bestimmung einer Verhaltenspflicht 353 ff. – im Vorfeld der Schadensverursachung 353 ff., 398 f., 418 ff. Fremdgeschäftsbesorgung – Begriff 200 ff. – bei Eigeninteresse/Pflichtenbindung siehe auch-fremde Geschäfte – bei Rettungseinsätzen der Bergrettung 240 ff. – Kritik 208 ff. – Theorien 209 f. Fremdgeschäftsführungswille 200 ff., 208 ff., 235 ff. Fürsorgepflicht 252

Sachverzeichnis Gefahrenabwehr 118 ff., 124, 268 ff. Gefahrsteuerung 350 f., 413 Gefahrvermeidung (-spflicht) 375 ff., 397 ff., 412 ff., 455 Geschäftsführung ohne Auftrag – Anspruchsgrundlage für Rettungsentgelte 196 ff. – Aufwendungsersatz 307 ff. – berechtigte Geschäftsführung 255 ff. (siehe auch Nutzen/Nützlichkeit) – Eigeninteresse des Geschäftsführers 211 – Fehlen eines Auftrags/einer sonstigen Berechtigung 250 ff. – Fremdgeschäftsbesorgung 200 (siehe auch Auch-Gestion) – Fremdgeschäftsführungswille 200 ff., 235 ff. – Geschäftsbesorgung 199 – Interessenausgleich (Zweck) 228 ff. – pflichtgebundener Geschäftsführer 213 ff. (siehe auch Pflichtenbindung) – Schadensersatz 434 ff. Haftung – Abgrenzung unerlaubte Handlung und GoA 456 ff., 478 – aus Geschäftsführung ohne Auftrag 434 ff. – aus unerlaubter Handlung 323 ff. – aus Vertrag 323 – Vorvertragliche Haftung 321 Handeln auf eigene Gefahr 366 f. Herausforderungsformel – Entwicklung 370 ff. – Kritik 398 ff. – Literatur 373 ff. Hilfeersuchen – als Vertragsangebot 150 ff. – Begriff 149 Hilfeleistungsabrede 167 f., 169, 254 Hilfeleistungspflicht 122 f., 232, 240 Hilferuf 145, 172 ff.

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Hilfsorganisation – Begriff 50 f. – Einbindung in den Rettungsdienst 51 ff., 86 ff. – Österreich und Schweiz 63 ff., 130 f. Interessenausgleich – als Regelungszweck der GoA 199, 229 ff., 257, 281, 296, 317 – bei Bestimmung von Verhaltenspflichten 348 ff., 428, 449 f., 473 Johanniter Unfalldienst 43, 50 Kausalität – Äquivalenz- und Adäquanztheorie 344 f., 392 – haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität 333 ff. – mittelbare Verursachung 328 ff., 335 ff., 343 ff., 363 f. – psychisch vermittelte Kausalität 393 ff., 403 – Unterbrechung 365 f. – Veranlassungscharakter der Notlage 392 ff. Konzessionssystem 91 ff., 116, 125, 128 ff., 204, 241 ff. Krankentransport 54, 68, 76, 85 ff., 117 ff. Krankenversicherung 74, 95 f., 135 ff., 246 Leistungsvereinbarung 63 ff., 78 ff., 135, 246 ff. Luftrettung 57 f., 81 Malteser Hilfsdienst 43, 50 Mitverschulden 368, 440 Normzwecktheorie 356 Notarzt 44, 58 ff. Notfallrettung 54, 68, 76, 85 ff., 117 ff. Nothilferisiko 462 f.

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Notruf/Notsignal 139 ff., 171, 175, 183 ff. Nutzen/Nützlichkeit (berechtigte Geschäftsbesorgung) – bei vermeintlichen Notfällen 271 ff. – bei Zweifeln 281 ff. – Nützlichkeitserfordernis und Prognoserisiko 256 ff. – Österreich 266 – Schweiz 268 – Voraussetzungen 261 ff. Ordnungsbehörden 96, 119 ff., 215 pflichtgebundener Geschäftsführer – Deutschland 213 ff. – Interessen- und Pflichtenkonflikte 219 ff. – Österreich und Schweiz 226 f. – Pflichten der Bergrettung 240 ff. – Subsidiarität der GoA bei Pflichtenbindung 228 ff. Pflichtwidrigkeit – Abgrenzung zum Mitverschulden 368 – Abgrenzung zum Verschulden beim Fahrlässigkeitsdelikt 339 ff. – Begriff 331 ff. – Dogmatik bei mittelbarer Schadensverursachung 335 ff. – Pflichtwidrigkeit der Notlagenverursachung 397 ff., 428 ff. – Stellung im Prüfungsaufbau 341 ff. – Verhältnis zu Zurechnungsüberlegungen 360 – Voraussetzung eines Verhaltenspflichtverstoßes 347 ff., 412 ff. Polizei 119 ff., 215 f., 241 ff., 381 Rechtsbindungswille 148, 154 ff., 171 ff., 179 ff. Rechtsfolgenbezeichnung 153 f., 158 f., 170 Rechtswidrigkeit siehe Pflichtwidrigkeit Rechtswidrigkeitszusammenhang 356, 385, 419 Rettungsdienst – allgemeiner Rettungsdienst 57

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Aufgaben 53 ff. Aufgabenverteilung 56 ff. Begriff 39 f. bodengebundener Rettungsdienst 57 Durchführung 49 ff. Einordnung in das Rettungswesen 39 f. Entwicklung 41 ff. Finanzierung 62 Leistungsmodelle 91 ff. Österreich/Schweiz 63, 65 Personal 60 Rechtsgrundlagen 45 ff. Rechtsverhältnis gegenüber Hilfsbedürftigen 85 ff. – Rettungsmittel 60 – Zuständigkeitsmodelle/Träger des Rettungsdienstes 47 ff. Rettungs(dienst)gesetz – Deutschland 47 ff. – Gesetzgebungskompetenz 45 – Musterentwurf (D) 46 – Österreich 63 f. – Schweiz 65 f. Rettungseinsatz – Ablauf 139 f. – als Fremdgeschäftsführung 240 ff. – Initiierung als konkludente Annahmeerklärung 187 f. – Kostendeckung durch Versicherungen 135 ff. – Nützlichkeit des Rettungseinsatzes 271 ff. – Problem der rechtlichen Einordnung 141 ff. – Rechtsnatur 128 f., 130 – Veranlassung durch Dritte 148 ff. Rettungsentgelt – aus Geschäftsführung ohne Auftrag 196 ff., 307 ff., 318 – aus Vertrag 138 ff., 194 – Begrenzung auf berufliche/„professionelle“ Hilfeleistung 313 ff. – Rettungspauschale 63, 74, 135, 308 ff., 313, 317, 436, 466

Sachverzeichnis Rettungskette 40 f., 54, 57 Rettungsleitstelle 322, 397, 433 Rettungsmittel 60 ff., 72 Rettungspauschale siehe Rettungsentgelt Rettungsvertrag – Angebot auf Abschluss 150 ff., 174 ff., 189 f. – Annahmeerklärung 187 f., 190 f. – Rechtsnatur 192 – Rechtsverbindlichkeit 159 ff. – vertragliche Risikoübernahme 466 ff. – Zeitpunkt 147, 194 Rettungswesen 39 ff., 46, 475 f. Risiko – allgemeines Lebensrisiko 362, 377, 390, 403, 408 f. – Prognoserisiko zur Notwendigkeit eines Rettungseinsatzes 260, 274, 322, 443 – Schadensrisiko/Nothilferisiko 157, 261, 286, 293 ff., 451, 462 f., 466 ff. Rotes Kreuz 42 ff., 69, 104 Sachleistungsprinzip 135 ff., 197, 246 ff. Schadensersatz siehe Haftung Schadensverursachung siehe Kausalität Schadloshaltung (-sinteresse) 199, 210 ff., 230 f., 257 f., 276 f., 307 ff., 437, 443 f. Schutzbereich 325, 354, 358 ff., 425 Schutzzweck 356 ff., 360 ff., 424 f. Schweizer Alpen-Club 75 ff. Schweizerische Rettungsflugwacht 76 Selbstrettung 289 Selbstschutz 350 f., 360, 389, 416 ff. sozialadäquates Verhalten 367 f. Sozialwert 351 f., 426 Stellvertretung 176 Submissionssystem 90 ff., 117 ff., 241 Subsidiaritätsprinzip 51, 66, 86 Totenbergung 68, 76, 123 Unfallversicherung 137 f., 277, 451 ff., 465 f.

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Verhaltenspflicht – Bedeutung des Vorverhaltens 353 ff., 398 f., 418 ff. – Konstatierung und Verstoß 347 ff. – Notlagenverursachung als Verstoß 412 ff. – richterliche Rechtsfortbildung 437 – Schutzbereich 358 Verhaltensunrecht/Handlungsunrecht 336 ff. Verkehrsanschauung 166, 168, 171 f., 189, 351 f., 415 ff. Vermisstenanzeige 183 f. Vermisstensuche 68 f., 76, 120 ff. Verschulden/Verschuldenshaftung – Abgrenzung zu anderen Haftungsgründen 326 – Abgrenzung zur Rechtswidrigkeit beim Fahrlässigkeitsdelikt 339 ff. – bei mittelbarer Schadensverursachung 335 ff., 339 – des Geschäftsführers ohne Auftrag 275, 278 ff. – Eigen- und Drittverschulden 366 f. – Grundlagen der Verschuldenshaftung 323 ff. – Mitverschulden 368 f. – Prüfungsaufbau 341 ff. Verwaltungshilfe – selbständige Verwaltungshilfe 96 ff., 125, 243 ff. – unselbständige Verwaltungshilfe 98 f., 241 ff. Wasserwacht 57 Willenserklärung 148, 150 ff. Zufallsschaden 438 f., 442, 446 ff., 460 ff. Zurechnung (objektive) 341 ff., 355 ff., 364 ff.