"Stehen oder Fallen?": Österreichische Politik im Ersten Weltkrieg 9783205793908, 9783205796503

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"Stehen oder Fallen?": Österreichische Politik im Ersten Weltkrieg
 9783205793908, 9783205796503

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Lothar Höbelt

»STEHEN ODER FALLEN?« Österreichische Politik im Ersten Weltkrieg

2015 böhl au verl ag w ien köln weimar

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Karin Leherbauer-Unterberger Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung  : Balto Print, Vilnius Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-79650-3

Inhalt

Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Baisse (September 1914–Mai 1915) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Hausse (Mai 1915–Mai 1916) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Ausgangsposition  : Militär und Politik.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Krise, Teil I  : »Anständig zugrunde gehen«  ?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Krise, Teil II  : Die Heimatfront . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Euphorie  : »Was wir mit unseren Siegen anfangen sollen«. . . . . . . . . . . . . Die Verschränkung von Innen- und Außenpolitik  : »Austro-polnische Lösung« und »Mitteleuropa«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die »Magnatenverschwörung«  : Die Fronde gegen Stürgkh . . . . . . . . . . . . Nationaler Burgfriede  : Die Politik der »zwei Eisen im Feuer«.. . . . . . . . . .

III. Patt (Juni – Dezember 1916) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 Die Brussilow-Offensive  : Von der »Parallelaktion« zu »Oberost« . . . . . . . . . . 98 Das unabhängige Polen  : »Ohne Staat auch keine Armee«.. . . . . . . . . . . . . 109 Das Ende des Ancien Regime  : »Wecken Sie mich so wie gewöhnlich um halb vier« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Weltwende 1917 (Jänner–September 1917).. . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Exkurs  : Die »2. Kriegserklärung« – die USA und die Wunderwaffen. . . . . . . . 131 Friedensfühler  : Richtige Einsichten und grandiose Missverständnisse . . . . . . . 150 Das neue Regime in »Cis«  : Oktroi oder Parlament  ?.. . . . . . . . . . . . . . . . 156 Das neue Regime in »Trans«  : Der Sturz Tiszas und das Machtvakuum in Ungarn . 171 Das »unpolitische« Ministerium Seidler  : Nationale Autonomie und »Querfront« . 183 V. Das Moment der letzten Spannung (Herbst 1917–Herbst 1918) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

Der Schulterschluss Czernin–Kühlmann  : »Noch ist Polen nicht verloren« . Brest-Litowsk  : Der Erstlings- und Brotfriede. . . . . . . . . . . . . . . . Die Sixtus-Affäre und die Legende vom »Vasallenstaat« . . . . . . . . . . Die Sixtus-Affäre und der »deutsche Kurs«  : Teufel und Trautenau . . . . . Exkurs  : Großkroatien – die einzige »versäumte Chance« . . . . . . . . . .

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Inhalt

VI. Epilog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Finis Austriae  : Völkermanifest und Nachfolgestaaten . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Ausblick  : Sieger und Besiegte  ?.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

I. Archive . . . . . . . II. Quelleneditionen . III. Memoiren . . . . IV. Literatur  . . . . .

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Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Bildnachweis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

Meinem Freund Jean-Paul Bled gewidmet

Vorwort

»Die Weltgeschichte ist nicht sentimental und wir dürfen es auch nicht sein.« Baron Max Wladimir Beck im österreichischen Herrenhaus, 23. Oktober 1918

Die Julikrise ist vorbei. Der Krieg hat begonnen. Bekanntlich endete dieser Krieg mit dem Zerfall Österreich-Ungarns  ; oder, wie es ein Kollege – selbstverständlich kein Deutscher, sondern ein russischer Fürst, der in England lebt – unlängst ausdrückte  : Wenn es eine Sünde der Mittelmächte war, den Krieg zu beginnen  ; dann war es eine mindestens ebenso große, ihn zu verlieren, weil Europa sonst viel erspart geblieben wäre, Hitler und Stalin inklusive. »Große Ereignisse werfen ihre Schatten hinter sich«, heißt es bei Heinz Ehrhardt – die Geschichte des Ersten Weltkrieges ist in Österreich meist als unausweichliches Schicksal wahrgenommen worden, als eine antike Tragödie, die zwangsläufig mit dem Untergang enden musste. Wer den Roman auf diese Art vom Ende her liest, riskiert die spannendsten Passagen zu überblättern. Der Erste Weltkrieg folgte keiner simplen Dynamik, wie der Zweite Weltkrieg, der nach seinem Kulminationspunkt 1941/42 für die Achsenmächte in eine unausweichliche Talfahrt mündete, die allenfalls der Glaube an die »Wunderwaffen« auszublenden vermochte. Der »Große Krieg« 1914– 18 hingegen war erfüllt von überraschenden Wendungen, gerade was Österreich-Ungarn betrifft, von Wendungen, die wieder und wieder alle Vorhersagen der Experten widerlegten. Österreich-Ungarn und seine politische und militärische Führung hatten zweifellos ihr gerüttelt Maß an Eseleien auf dem Kerbholz (wie alle anderen auch). Die Monarchie entwickelte aber auch ein erstaunliches Durchhaltevermögen  : Wenn man ihn zu Ende des Jahres 1914 gefragt hätte, ob Österreich-Ungarn den Krieg noch über Jahr und Tag aushalten würde, hätte er unbedingt verneint, schrieb ein preußischer Verbindungsoffizier in seinen Memoiren. Zwei Jahre später, im April 1917, war es der österreichisch-ungarische Außenminister Czernin, der das Gespenst des drohenden Zusammenbruchs an die Wand malte. Doch tatsächlich zusammengebrochen ist 1917 Russland  ; Italien immerhin beinahe. Die larmoyante Perspektive eines zum Untergang verurteilten Reiches wird der österreichischen Politik ebenso wenig gerecht wie das Zerrbild eines willenlosen Vasallen des wilhelminischen Deutschland.

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Vorwort

Vielmehr gilt es, das vielfach aus den Extremen von Wehleidigkeit und Selbstanklagen zusammengesetzte Bild der gängigen Überlieferung zu korrigieren. Beim Ende der Habsburgermonarchie handelte es sich nicht um eine Frage von Loyalität oder Verrat. Politik ist die Kunst des Möglichen. Solange der Ausgang des Krieges unsicher war, solange man in den Worten des Grafen Czernin nicht wusste, ob man »stehen oder fallen« würde, verfolgte das Gros der Beteiligten eine »Politik der zwei Eisen im Feuer« – und das blieb so bis zum Spätsommer 1918. Dieses Buch versucht die Politik des Habsburgerreiches  – die innere wie die äußere  – in diesen Jahren zu rekonstruieren. Mit einer Einführung in die Komplexitäten der inneren Struktur Alt-Österreichs ließen sich natürlich allein schon Hunderte von Seiten füllen, auf die Gefahr hin, den Leser weit über Gebühr zu ermüden. Es erschien mir daher zielführender, auf derlei Besonderheiten »Kakaniens« immer erst dann zurückzukommen, wenn sie für den Gang der Handlung wesentlich waren. Österreich-Ungarn war ein Vielvölkerstaat. Seine Geschichte wurde nach 1918 aus rund einem Dutzend unterschiedlicher nationaler Blickwinkel betrachtet. Das war nicht bloß eine Frage der Ideologie, sondern auch eine der Überlieferung und der Sprachkenntnisse. Um die Letzteren ist es auch beim Verfasser alles andere als ideal bestellt  ; ich habe mich dennoch bemüht, insbesondere der tschechischen und polnischen Perspektive das Augenmerk zu schenken, das ihr gebührt und danke allen, die mich vor sprachlichen Fehldeutungen bewahrt haben, in erster Linie natürlich meiner Frau Šárka, die monatelang mit Zdeněk Tobolka als »Hausfreund« leben musste. Ich bitte um Nachsicht, wenn dennoch das eine oder andere diakritische Zeichen im Eifer des Gefechts in Verlust geraten ist. Schließlich lassen sich auch hundert Jahre nach den Ereignissen immer noch neue Quellen entdecken, die bisher noch nicht ausgewertet wurden, zusätzliche Informationen liefern oder bekannte Episoden in ein neues Licht zu tauchen vermögen. Speziell für die Außenpolitik der Monarchie 1914/15 ist die leider unveröffentlichte Arbeit des viel zu früh verstorbenen britischen Forschers John Leslie zu nennen. Ernst v. Rutkowski, der im Vorjahr verstorben ist, hat mir großzügigerweise seine ausgedehnte Sammlung von Briefen zur Geschichte des konservativen Großgrundbesitzes überlassen. Höchst angenehme Erinnerungen verbinden sich mit der Gastfreundschaft im Donaueschinger Archiv, die mir Prinz Johannes Fürstenberg und Graf Erwein Eltz gewährt haben. Für die Erlaubnis zur Einsichtnahme in das Tagebuch der Prinzessin Henriette Hohenlohe, der Frau des Botschafters in Berlin und Tochter des Armeekommandanten Erzherzog Friedrich, gilt mein aufrichtiger Dank Herrn Herbert Fischer-Colbrie  ; für die Überlassung einer Kopie des Tagebuchs von Baron Oskar Parish v. Senftenberg Dagmar Hajkova und Luboš Velek, der mir auch einige Bilder aus dem Masaryk-Archiv zur Verfügung stellte. Alexander Korb war so liebenswürdig, mir noch in letzter Minute eine Reihe von Kopien aus dem Politischen Archiv des

Vorwort

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Auswärtigen Amtes zu besorgen. Den Hinweis auf das Tagebuch des Bankdirektors und Handelsministers Alexander v. Spitzmüller verdanke ich dem Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Thomas Just  ; denjenigen auf die »Tagebuch-Briefe« des Vertreters des Außenministeriums im AOK, Friedrich v. Wiesner, meinem amerikanischen Mentor John Boyer und meinem alten Freund und Studienkollegen Rudolf Jeřábek, der mir auch eine Reihe von Kopien aus dem Auswärtigen Amt zur Einsicht überließ  ; eine Kopie des Tagebuches des Handelsministers Friedrich v. Wieser (vive la petite difference  !) der verstorbenen Kaiser Karl-Forscherin Elisabeth Kovacs und Maria Zdislawa Röhsner. Anna Ziemlewska war mir mit bewundernswerter Geduld behilflich, Passagen aus polnischen Memoiren und Tagebüchern zu übersetzen und steuerte zudem noch einige Photographien polnischer Staatsmänner bei. Wertvolle Hinweise auf Polonica verdanke ich außerdem Eva Jedruch und Dariusz Makilla, viele Einblicke in die Verhältnisse der ungarischen Reichshälfte Herrn Staatssekretär Zoltan Maruzsa und David Ligeti, dessen Biografie über Generalstabschef Arz v. Straussenburg hoffentlich bald ins Deutsche übersetzt werden wird. Für weiterführende Informationen zur südslawischen Frage bin ich Herrn Botschafter Andrej Rahten, Vojislav Pavlović, Iskra Iveljić, Stjepan Matković und last, but not least meinem alten Studenten Johannes Kalwoda zu Dank verpflichtet. Abschließend ist vielleicht auch ein Hinweis auf den bewusst pragmatischen Zugang zu terminologischen Fragen am Platze. Der offizielle Name der Habsburgerreiches vor 1918 lautete selbstverständlich  : die »österreichisch-ungarische Monarchie«. Es ist keineswegs als Geringschätzung der ungarischen Reichshälfte zu betrachten, wenn der Einfachheit halber im Kontext der internationalen Beziehungen vielfach doch von »den Österreichern« die Rede ist. So ist auch der Untertitel des Buches  : »Öster­reichische Politik im Ersten Weltkrieg« zu verstehen. Die präzise, aber umständlich klingende Unterscheidung zwischen »Reichsdeutschen« und »Deutschöster­ reichern« fand ebenfalls nicht durchgehend Verwendung. Aus dem Zusammenhang geht in der Regel unmissverständlich hervor, wer mit den Deutschen gemeint ist – die Deutschen der Monarchie oder das Deutsche Reich. Gewidmet sei das Buch meinem Freund Jean-Paul Bled, Emeritus der Sorbonne, der seit über einem Vierteljahrhundert die Fahne der Habsburg-Historiografie in Frankreich hochhält und dem ich so viele Anregungen und Begegnungen von Straßburg bis in die Vendée verdanke. Unsere beiden Bücher über den »Fall der Habsburgermonarchie« sind unabhängig voneinander entstanden, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, und dabei doch auch das Resultat vieler gemeinsamer Gespräche. Lothar Höbelt, im Mai 2015

I. Baisse (September 1914–Mai 1915)

»Vielleicht wird er alle Schrecken seiner Vorgänger überbieten, dieser Krieg, aber er wird kürzer als sie, der kürzeste von ihnen sein.« »Reichenberger Zeitung«, August 1914

Die Ausgangsposition  : Militär und Politik

»Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln«, wird gerne Clausewitz zitiert. Clausewitz ging dabei freilich immer noch vom Primat der Politik aus, auch im Kriege. Soweit die graue Theorie  ; in der Praxis nahm sich die Kriegserklärung mehr wie eine Stafettenübergabe aus, wie der Großinquisitor, wenn er den Ketzer dem weltlichen Arm übergibt  : »Ich habe das meinige getan, tun Sie das Ihre …« Die Diplomaten, die eben erst die vielleicht folgenreichste Entscheidung des 20. Jahrhunderts getroffen hatten, waren in den Wochen darauf zu einer Zuschauerrolle verurteilt. Ob sich ihr Kalkül als richtig erweisen würde, hing jetzt von den Militärs ab. Die Rolle, welche der k. u. k. Kriegsminister Baron Krobatin vor und nach 1914 spielte, ist vermutlich unterschätzt worden. Dennoch  : Die Militärs, das war in erster Linie der Generalstabschef, Franz von Conrad (Hötzendorf war sein Adelsprädikat, nicht sein Familienname  !), ein zweifellos intelligenter, ja genialischer, dabei nervöser und sprunghafter Mann, der im Gedankenflug oft den Boden unter den Füßen zu verlieren drohte. Conrad hatte seit Jahr und Tag den Krieg gepredigt, immer wieder auch den Präventivkrieg, war dabei aber bei Franz Joseph, den seine apodiktischen Tiraden irritierten, auf taube Ohren gestoßen. Als »Architekt der Apokalypse«, wie ihn einer seiner Biografen betitelte, macht er deshalb keine ganz so überzeugende Figur, denn zum Kriegsausbruch selbst hatte er wenig beigetragen  : Sein Beitrag beschränkte sich darauf, dass er schon seit dem Vorjahr mit dem Kaiser in dem entscheidenden Punkt einer Meinung war, eine »weitere tatenlose Mobilisierung für kaum möglich« zu halten, sprich  : Es würde 1914 keine kostspieligen Polizeiaktionen und keine leeren Drohungen geben – sondern nur ein Entweder-oder.1 Der Generalstabchef hätte den Krieg allenfalls verhindern können, sobald er ein negatives oder zumindest skeptisch-nuanciertes Urteil über die voraussichtlichen Erfolgschancen abgab. Dazu war er nicht bereit, man ist versucht zu sagen  : natürlich nicht. Und doch mag eine Episode zu denken geben. Sobald die ersten Niederlagen eintraten – und sich bald auch sein Sohn unter den Gefallenen befand –, räumte Conrad ein, für den Krieg sei es 1914 eigentlich bereits zu spät gewesen. Sein Gesprächs-

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I. Baisse (September 1914–Mai 1915)

partner, immerhin der stellvertretende Chef der kaiserlichen Militärkanzlei, FML Ferdinand v. Marterer, stellte ihm daraufhin die offenkundige Frage, warum er sich denn dann nicht gegen den Krieg ausgesprochen hätte – und erhielt die bezeichnende Antwort  : »Als Soldat hätte er doch nicht vom Krieg abraten können.«2 Da steckt natürlich viel von nachträglicher Rationalisierung dahinter  ; aber das Eingeständnis mag sehr wohl auf gewisse Zweifel hinweisen, die ihn vielleicht tatsächlich schon im Sommer erfasst hatten. Anders als in Deutschland und Frankreich, sondern so wie in Russland, wurde zwischen Kaiser und Generalstabschef auch noch ein Armeekommandant eingeschoben, Erzherzog Friedrich, einer der reichsten Männer der Monarchie, ein gütiger Magnat mit einer energischen Frau, Isabella von Croy, im Umgang mit Menschen nahezu schüchtern, zwar lange Zeit kommandierender General im heimischen Pressburg, doch ganz offensichtlich nicht zum Kommandieren geeignet. Das war ganz offensichtlich auch nicht die Absicht, sonst hätte man wohl auf seinen Bruder zurückgegriffen, Erzherzog Eugen, den Hoch- und Deutschmeister, der sich als Feldherr bewähren sollte und dabei eine gewisse Popularität errang. Friedrich fungierte vielmehr als Mediator, wann immer der launische Conrad es sich mit den preußischen Verbündeten verdarb (also fast immer)  ; für diese Aufgabe war er nicht zuletzt deshalb gut geeignet, weil sein Schwiegersohn, Prinz Gottfried Hohenlohe, im Sommer 1914 zum neuen Botschafter in Berlin ernannt worden war, im Krieg die Schlüsselposition innerhalb der österreichisch-ungarischen Diplomatie. Außerdem wirkte der Erzherzog als Puffer oder Prellbock, der Conrad vor Kritik oder auch bloß neugierigen Anfragen aus Wien abschirmte.3 Die Stellung der k. u. k. Armee war eine herausgehobene, im wahrsten Sinn des Wortes. Österreich-Ungarn war bekanntlich eine Doppelmonarchie, eine Großmacht, aber kein Staat. Es bestand aus zwei Staaten, Cisleithanien, den Kronländern diesseits der Leitha, die sich seit 1915 dann endlich auch offiziell Österreich nennen durften, und Ungarn, dem Reich der Stephanskrone. Die bewaffnete Macht war neben den paar Dutzend Diplomaten und der Verwaltung Bosniens die einzige gemeinsame Institution, sehr zum Unterschied vom Deutschen Reich, wo es eine Reichsmarine gab, aber nur ein »verländertes«, nämlich preußisches, bayerisches oder sächsisches Heer. Die Offiziere und Mannschaften der k. u. k. Armee besaßen weder in Cis- noch in Trans- das aktive oder passive Wahlrecht. Das Heer war ein »Staat im Staate«, es entwickelte sich im Kriege zu einem dritten Hoheitsgebiet neben Österreich und Ungarn. Dabei kamen ihm paradoxerweise sogar seine Niederlagen in den ersten Monate zu Hilfe  : Das Heer dehnte seine Herrschaft aus, nicht über besetzte Gebiete, sondern über das eigene Hinterland, das zum Kriegsschauplatz geworden war, insbesondere über ganz Galizien und die Bukowina, auch über einige angrenzende Bezirke in Mähren und Schlesien  ; es richtete begehrliche

Die Ausgangsposition  : Militär und Politik

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Abb. 1  : Der Sitz des AOK im Gymnasium von Teschen und das Schloss des Armeeoberkommandanten einige hundert Meter weiter.

Blicke auf Böhmen, das als politisch unzuverlässig galt und am besten auch einem General unterstellt werden sollte. Es ist viel von der Militarisierung der Gesellschaft vor 1914 geschrieben worden, der Übernahme militärischer Verhaltensweisen durch das Bürgertum, das seinen höchsten Stolz in einem Rang als Reserveoffizier erblickte. Für den Reserveoffizier gab es freilich auch andere Gründe  : Der »Einjährig-Freiwillige« mit Matura diente nicht länger (wie heute), sondern kürzer als die zwei oder drei Jahre, die normale Rekruten zu absolvieren hatten (dafür allerdings auf eigene Kosten). Das Offizierskorps, das aktive zumindest, verfügte über einen hohen Grad an Selbstrekrutierung  : Tornisterkinder, welche die Laufbahn ihrer Väter einschlugen und in den wechselnden Garnisonen auch Brocken aller möglichen Sprachen der Monarchie erlernten. Man hat ihm deshalb das Siegel »Beyond Nationalism« aufgedrückt. Das war wohl nicht immer zutreffend, aber sofern es wahr war, schlug es sich in einer deutlichen Distanz zur bürgerlich-nationalen Öffentlichkeit nieder. Mehr als anderswo war das Heer ein Fremdkörper und bekam das auch oft zu spüren. Das Heer ließ jetzt umgekehrt die Zivilisten spüren, wer im vielbeschworenen Ernstfall das Sagen hatte. Voraussetzung für Kritik war erst einmal Information.

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I. Baisse (September 1914–Mai 1915)

Schon daran mangelte es  ; das AOK berief sich auf die militärische Geheimhaltung  ; seine Kommuniques waren optimistisch gestimmt und inhaltsleer – mit Ausnahmen wie dem berühmten Lapsus am Ende eines Erfolgsberichts  : »Lemberg noch in unserer Hand«  ; das Außenministerium entsandte Bevollmächtigte in das AOK, die als sehr unerwünschte Gäste behandelt wurden  ; ihre Berichte wurden zensuriert, bis der Gesandte Friedrich v. Wiesner, in den Dreißigerjahren dann Anführer der österreichischen Legitimisten, damals ein Bewunderer preußischer Effizienz (im Gegensatz zum Schlendrian der österreichischen »Flaschengrünen«, der Generalstäbler, die ihn so schlecht behandelten), auf den Ausweg verfiel, die eigentlichen Informationen in private »Tagebuchbriefe« an einen Kameraden am Ballhausplatz zu verpacken, den Verfasser des Ultimatums an Serbien, Freiherr Alexander von Musulin.4 Zur Administration der Agenden, die mit dem Krieg und dem Ausnahmezustand anfielen, war ein Kriegsüberwachungsamt geschaffen worden, das von der Zensur bis zu Internierungen alle möglichen Kompetenzen an sich riss, das bezeichnenderweise aber nur in Österreich tun konnte. Denn das Kriegsüberwachungsamt war ein staatsrechtliches Kuriosum, zusammengesetzt aus Beamten der gemeinsamen Ministerien (Außen- und Kriegsministerium) und der »Reichshälften« (Handel-, Innen- etc.) Solche Übergriffe gemeinsamer Behörden lehnte Ungarn kategorisch ab, sondern schuf eigene Institutionen.5 Den militärischen Part vertrat dabei das ungarische Landesverteidigungsministerium, denn nicht zu vergessen  : Neben dem »gemeinsamen« k. u. k. Heer gab es die Landwehren der beiden Reichshälften, nicht Milizverbände, wie der Name suggeriert, oder Reservedivisionen, die Österreich-Ungarn nicht hatte, sondern kleine regulären Armeen, ursprünglich bloß als Konzession an magyarischen Eigendünkel konzipiert, weshalb ihr manche Ungarn-Skeptiker (wie z. B. der Thronfolger Franz Ferdinand) lange Zeit nicht einmal Geschütze zubilligen wollten. Der Außenpolitik verblieb natürlich eine Aufgabe  : Im Ausland gut Wetter für die Sache der Monarchie zu machen und um Verbündete zu werben. Dabei fiel Österreich-Ungarn sogar ein besonders bedeutsamer Part zu. Denn im Norden Europas waren die überzeugten Neutralen beheimatet  : Schweden mit gewissen Sympathien für Deutschland, weil aus Tradition anti-russisch  ; Norwegen mit gewissen Sympathien für England, das dänische Königshaus mit verwandtschaftlichen Beziehungen nach Russland  ; die Niederlande vollends sahen sich geradezu als die Gralshüter der Neutralität  ; allesamt interessant als Treffpunkt, als Nachrichtenbörse, als Vermittler  ; allesamt ängstlich bis ärgerlich über die britische Blockade und den deutschen U-Boot-Krieg, die sich beide nur schwer im geltenden Völkerrecht unterbringen ließen  ; aber bis auf ganz unvorhergesehene Fälle allesamt eben auch neutral.6 Für Süd- und besonders Südosteuropa galt diese »Neutralitätsvermutung« nicht. Hier traten – bis auf Spanien, mit einem König, Alfons XIII., der ein Neffe Erzherzog

Die Ausgangsposition  : Militär und Politik

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Friedrichs war, und einem Ministerpräsidenten, Romanones, der an den Lieferungen an die Entente verdiente – alle ursprünglich Neutralen früher oder später in den Krieg ein. Für große Empörung hat in Österreich seit jeher das Verhalten Italiens gesorgt, des ungetreuen Dreibundpartners. Dabei war das Verhalten seiner Militärs mustergültig  : Sein Generalstabschef Alberto Pollio, mit einer Österreicherin verheiratet, hatte seinen Kameraden Conrad und Moltke noch wenige Wochen zuvor die Vorteile eines Präventivkriegs geschildert  ; leider starb Pollio zum unrechten Zeitpunkt, achtundvierzig Stunden nach dem Attentat von Sarajevo. Doch auch sein Nachfolger Cadorna wollte am 31. Juli die Mobilmachung ausrufen, um den Deutschen rechtzeitig die vereinbarten drei Korps zur Hilfe ins Elsass zu schicken. Er musste sich freilich sagen lassen, dass Italien ganz einfach nicht gegen die Royal Navy Krieg führen könne – darüber hatte Italien seine Partner auch von vornherein nicht im Unklaren gelassen  : Eine entsprechende Klausel, die sogenannte Mancini-Deklaration, war dem Dreibundvertrag beigelegt, nur später fallengelassen worden.7 In Österreich stand man der italienischen Unterstützung ohnehin mit ambivalenten Gefühlen gegenüber  : Am 28. Juli war in Ischl nach dem »Gott erhalte« und »Heil Dir im Siegeskranz« auch noch die italienische Hymne intoniert worden. Doch Italiens Unterstützung war mit Forderungen nach Kompensation verknüpft. Auch dafür gab es einen Paragrafen des Dreibundvertrages. Am Ballhausplatz hatte man die Italiener deshalb auch gar nicht erst in die eigenen Pläne eingeweiht. Es gab keine »Hoyos-Mission« nach Rom. Die italienische Neutralitätserklärung vom 2. August stellte für die Herren am Ballhausplatz deshalb weder eine große Überraschung noch eine große Enttäuschung dar. Cadorna mochte noch 1918 davon schwärmen  : Wenn wir mit den Deutschen gegangen wären, so hätten die Engländer vielleicht Neapel oder Genua bombardiert  ; aber in drei Monaten hätten wir gewonnen.8 Doch gerade zu den vermeintlich entscheidenden ersten Schlachten, so kalkulierte der preußische Generalstab, kämen die Italiener so oder so zu spät, nicht zuletzt deshalb, weil sie dabei auf das österreichische Bahnnetz angewiesen waren. Nicht so sehr Italien stand anfangs im Zentrum der Aufmerksamkeit der österreichischen Diplomatie, sondern die beiden verfeindeten Balkanstaaten Bulgarien und Rumänien. Im August 1914 standen Berchtold und seine Leute vor diesem Problem wie Buridans Esel, der zwischen zwei Heuhaufen verhungert, weil er sich für keines von beiden entscheiden kann. Österreich-Ungarn und Deutschland waren mit Rumänien verbündet, das seit 1866 von einem Hohenzollern als König regiert wurde. Die Beziehungen zur Monarchie waren durch die Stimmung der Öffentlichkeit belastet, die Ungarn wegen der Behandlung der siebenbürgischen Rumänen grollte. (Darüber hatten Anfang 1914 Verhandlungen stattgefunden, die erst im letzten Moment scheiterten, vielleicht sogar am Thronfolger Franz Ferdinand, der Tisza als ungarischem Ministerpräsidenten diesen Erfolg nicht gönnen wollte.9)

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I. Baisse (September 1914–Mai 1915)

Vor allem aber verübelte man in Bukarest den Österreichern ihre Haltung während der Balkankriege  : Damals, im Ersten Balkankrieg, wäre Rumänien allem Anschein nach zu einem Krieg an der Seite Österreichs – zusammen mit der Türkei – bereit gewesen  ; doch das war Berchtold damals noch zu riskant. Im Zweiten Balkankrieg wiederum hatten die Österreicher getrachtet, die rumänischen Gewinne möglichst gering zu halten, um Bulgarien nicht zu sehr zu schwächen, das als Gegengewicht zu Serbien für die Österreicher immer wichtiger wurde. Allerdings  : Die Österreicher hatten eben auch Bulgarien nicht unterstützt, als es im Juni 1913 Serbien angriff. Wie konnten sie sich diese Gelegenheit nur entgehen lassen, Serbien von der Landkarte verschwinden zu lassen, tobte der bulgarische Zar Ferdinand damals, auch er übrigens ein deutscher Fürst, ein Coburger, mit Gütern in Ungarn und einer französischen Mama, raffiniert und intelligent, doch an den europäischen Höfen übelbeleumundet. Da war es äußerst unwahrscheinlich, dass sich die Bulgaren als »gebrannte Kinder« jetzt exponieren würden, um den Österreichern aus der Patsche zu helfen.10 Österreich-Ungarn wollte Bulgarien 1913 nur unterstützen, wenn es sich mit Rumänien gut stellte  ; Rumänien wollte Österreich-Ungarn nur unterstützen, wenn es gegen Bulgarien ginge. Österreich-Ungarn beschwor seine beiden Wunschpartner, sich doch zu vertragen, zur höheren Ehre des Hauses Habsburg und wunderte sich über die Verblendung der Balkanesen, die darauf nicht eingingen. Ähnliche Appelle richtete man an Berlin, das ganz auf die rumänische Karte setzte (daneben auch auf die türkische und die griechische, was seinerseits schlecht zusammenpasste, aber ganz sicher nicht auf die bulgarische). Das Matscheko-Memorandum, an dem man am Ballhausplatz im Frühjahr 1914 arbeitete, sollte die Preußen vom Charme einer bulgarischen Allianz überzeugen. Dahinter stand die Annahme, dass mit Rumänien ohnehin nicht mehr zu rechnen war – eine Überzeugung, zu der inzwischen auch schon Graf Ottokar Czernin neigte, ein Vertrauter Franz Ferdinands, der im Herbst 1913 zum neuen Botschafter in Bukarest ernannt worden war, um das Verhältnis endgültig einer Klärung zuzuführen. Man solle gegebenenfalls noch einen letzten Versuch unternehmen, dann aber auf Bulgarien umsatteln.11 Hatte sich Österreich-Ungarn letzten Endes also doch entschieden, auf welches Pferd es am Balkan setzen wollte  ? Der Eindruck täuscht. Allein schon, um Tiszas Einverständnis zur Kriegserklärung zu bekommen, musste man ihm versprechen, alles nur Mögliche zu tun, um Rumänien zumindest neutral zu erhalten. Dazu kam das Urteil der Militärs  : Rumänien besaß fünf Korps, die im Anschluss an den rechten Flügel der Österreicher gegen Russland eingesetzt werden könnten. Conrad legte auf ihre Kooperation höchsten Wert. Während Tisza Bulgarien nach wie vor für den »archimedischen Punkt« der Situation hielt, warnte Czernin aus Bukarest  : Wenn man Bulgarien schöne Augen machte, riskiere man, die Rumänen ins feindliche Lager zu treiben.12 Rumänien blieb also in der Julikrise weiterhin die erste Adresse für die

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Österreicher. Das Ringen um den Kriegseintritt Bulgariens setzte erst mit gehöriger Verspätung so wirklich ein, im Winter 1914/15, als die Österreicher merkten, dass sie allein gegen Serbien nicht so leicht reüssieren würden. Inzwischen half die latente Drohung einer revanchelustigen bulgarischen Armee im Rücken immerhin, die Rumänen vom Kriegseintritt auf der Gegenseite abzuhalten.13 Weniger die Prioritäten am Balkan, sondern die Priorität der Balkan- oder der Galizienfront führte zu einem Konflikt von Politik und Militär, der mit einem faulen Kompromiss endete, der niemandem half  : Conrad hatte im Juli den Aufmarsch Fall B(alkan) befohlen, weil er seine Armee nicht von Russland immobilisieren lassen wollte. Denn wäre er von vornherein im Norden aufmarschiert, hätten die Russen ihn durch bloße Drohgebärden hinhalten können, auch ohne Kriegserklärung. Inzwischen wäre der groß angekündigte Feldzug gegen Serbien zur »Lachnummer« verkommen, Österreich-Ungarn ein weiteres Mal blamiert. Sobald der russische Kriegseintritt feststand, befahl Conrad jedoch Kehrtmarsch und wollte das Schwergewicht ganz in den Norden verlegen. Eisenbahntechnisch war das am einfachsten zu bewältigen, wenn man die Züge wieder in die Ausgangsbahnhöfe zurückschickte und Plan R(ussland) in Gang setzte. Davor schreckte man aus politischen Gründen zurück  : Man konnte die Helden, die soeben tränenreich verabschiedet worden waren, doch nicht 48 oder 72 Stunden später wieder zum Umsteigen in die Heimat zurückexpedieren. Also wurde ein komplizierter Umweg quer durch Ungarn vorbereitet, der sich auf der Karte zwar kürzer ausnahm, aber viel mehr Zeit beanspruchte.14 Damit nicht genug  : Berchtold – und ganz offensichtlich auch der Kaiser – drängten darauf, möglichst starke Kräfte am Balkan zu belassen, denn dort  – so hoffte man  – warfen österreichische Erfolge unmittelbare politische Renditen ab.15 Siege auf dem Balkan würden Rumänen oder Bulgaren vielleicht doch noch zum Mitgehen bewegen, ein Kalkül, das nicht in Rechnung stellte, wie sehr man auch am Balkan die Hauptfronten im Auge behielt. Diplomaten wie Wiesner, die dem Prestigefaktor große Bedeutung einräumten, wehrten sich allein schon gegen die Bezeichnung »Nebenkriegsschauplatz«. Conrads Skepsis wurde vielfach seiner Rivalität mit Oskar Potiorek zugeschrieben, dem Kommandanten der Balkanstreitkräfte und Favoriten von Conrads Vorgänger, FZM Friedrich v. Beck. Das Ergebnis war  : Ein zusätzliches österreichisches Korps blieb am Balkan zurück. Die Österreicher waren dort nicht viel stärker als die Serben, sprich  : zu schwach für eine Offensive, verbrauchten dort aber viel zu viel Truppen – fast ein Drittel des Heeres – für eine bloße Abwehr.16 Die Militärs, und zwar nicht das AOK, sondern untergeordnete Stellen, hatten inzwischen auch schon eine Entscheidung getroffen, die von der Politik halbherzig und mit diversen Hintergedanken toleriert wurde, nicht zuletzt weil hier unübersehbar die Wechselwirkung von Innen- und Außenpolitik angesprochen wurde. Österreich-Ungarn, oder besser  : seine Erben und Epigonen, führten später gern beredt Klage über

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Abb. 2  : Der adelige Sozialist Jozef Piłsudski im Kreise seiner Legionäre.

die Wühlarbeit der Entente, die nichts unversucht gelassen habe, die verschiedenen Nationalitäten der Habsburgermonarchie gegen ihren legitimen Herrscher aufzustacheln, irredentistische Bewegungen zu fördern und die Saat der Revolution zu säen. Die Warnungen vor der Eigendynamik eine solchen Politik sind nicht ganz unberechtigt  ; doch musste man sich gerade in Österreich sagen lassen  : Wer im Glashaus sitzt … Es waren nämlich die Mittelmächte, und insbesondere die Österreicher, die als erstes mit diesem Instrumentarium des von außen inspirierten »Befreiungskrieges« experimentierten. Dabei sind nicht einmal in erste Linie die Freischärler am Balkan gemeint, die Albaner, die vom österreichischen Konsul in ihren Bergdörfern heimgesucht wurden oder die mazedonischen Guerillas, die gegen gutes Geld nach eigenen Angaben in Serbien immer wieder Brücken sprengten, während die Züge, die auf diesen Strecken verkehrten, wundersamerweise doch immer wieder pünktlich in Saloniki einfuhren. Es handelte sich dabei auch nicht um den »Dschihad«, den »Heiligen Krieg«, wie ihn der Sultan ausrufen ließ, sobald er auf deutscher Seite in den Krieg eingetreten war (in dem Fall waren die Österreicher allerdings skeptisch, auch wenn sie in Bosnien über ihre eigenen Muslime verfügten und ihren wüstenreisenden Pater Musil zur Verfügung stellten, um zwischen Saudis und Osmanen zu vermitteln).17 Nein, der Befreiungskrieg, zu dem die Österreicher aufriefen, spielte sich nicht

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in den Gegenden ab, die Karl May populär gemacht hatte, den Schluchten des Balkans oder den Wüsten Arabiens, sondern mitten in Mitteleuropa. Am 6. August überschritt die »Polnische Legion« unter ihrem Kommandanten Jozef Piłsudski bei Krakau die russische Grenze. Piłsudskis Beziehung zur k. u. k. Armee war schon älteren Datums. Piłsudski, ein unkonventioneller Sozialist adeliger Herkunft aus Litauen, hatte einige Jahre Verbannung in Sibirien hinter sich. Seither war er zum Reisenden in Sachen Revolution geworden. Er hatte deshalb auch schon in Japan vorgesprochen, seine Aktivitäten nach dem Ende des Russisch-Japanischen Krieges aber nach Galizien verlegt, wo er beim Nachrichtenchef des Lemberger Korps Gehör fand. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit waren alsbald unübersehbar   : Piłsudski stellte paramilitärische Verbände auf  ; zu seiner Unterstützung bildeten sich nationale Komitees. Immerhin  : Piłsudski inszenierte keine Attentate in Friedenszeiten, wie Apis und seine Leute  – aber er stand Gewehr bei Fuß für den Ernstfall. Der war im August Abb. 3  : Über Wladislaw Leopold Ritter von Jaworski, 1914 Obmann des Obersten Polnischen 1914 gekommen.18 Nationalkomitees, reimte ein Landsmann kurz zuvor  : Conrad  – und den Preußen  – war »Er treibt Politik, theoretisch, gelehrt / Drum ist ihm nicht immer ganz wohl beim Gedanken kein Erfolg, kein Anhang beschert«. an die unberechenbaren Amateure, die da mit ihnen ins Feld zogen. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen. Für die Polen war ein Krieg zwischen den Teilungsmächten auf alle Fälle eine Chance, eine gute Sache. Doch selbst die Polen, sprich  : die konservativen Polen in Galizien, die mehr als jede andere Gruppe zum Establishment der Monarchie gehörten, auch wenn sie die Wiederherstellung der alten rzeszpospolita nie aus den Augen verloren, trauten Piłsudski nicht ganz über den Weg. Um den radikalen Strömungen entgegenzutreten – oder sie zumindest zu domestizie-

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ren –, gründeten sie deshalb Mitte August 1914 ein »Oberstes Nationalkomitee«, dem Piłsudskis Legion unterstellt wurde. Das Nationalkomitee wurde von den polnischen Parteien in Galizien beschickt wurde, es tagte unter dem beruhigenden Vorsitz von Krakauer Konservativen (Leopold v. Jaworski, in Wien vertreten durch den ehemaligen Statthalter Bobrzynski)  ; dieses Komitee wies den Schönheitsfehler auf, dass sein Lemberger Ableger sich kurz nach dem Einmarsch der Russen am 20. Oktober zusammen mit dem ostgalizischen Teil der Legion auflöste. In Fragen der nationalen »Orientierung«, der Wahl der Bündnispartner im nationalen Befreiungskampf, traten da Bruchlinien zutage  : Für die polnische Oberschicht in Ostgalizien waren vielfach nicht der Zar, sondern die ukrainische Nationalbewegung der Feind Nummer 1. Aber die Ostgalizier saßen weiterhin im Polenklub des Parlaments, einer letzten Klammer, die weiterhin tagte, auch wenn das Parlament momentan nicht tagte.19 Piłsudski, aber auch einige preußische und österreichische Unterbefehlshaber erließen beim Einmarsch in Polen vollmundige Proklamationen, die mit niemandem abgesprochen waren  – und setzten ihre Vorgesetzten damit unter Zugzwang. Über Kriegsziele hatte man sich nicht verständigt, es war bisher ja kaum noch zu den ersten Gefechten gekommen. Doch bereits am 15. August schickte Berchtold seinen Botschafter, übrigens noch nicht Hohenlohe, sondern dessen Vorgänger, den »alten Zigeuner« Szögyeny, zu Staatssekretär Jagow, um ihn im Vorübergehen darauf aufmerksam zu machen, dass Österreich-Ungarn als Siegespreis nichts weniger beanspruche als das gesamte sogenannte Kongress-Polen, das russische Teilungsgebiet mit Warschau – die sogenannte »austro-polnische Lösung« war geboren. Sie sollte sich als »Dauerbrenner« erweisen, mit allen Höhen und Tiefen, bis zum Oktober 1918. Die Begründung für diesen alles andere als bescheidenen Vorschlag, der – subjektiv durchaus ehrlich gemeint – überdies nicht als Forderung, sondern Opfer ausgeschildert wurde, das man der guten Sache bringe, war bei aller Chutzpah in sich durchaus schlüssig. Die Vorstellung, den Krieg der Großmächte zu einem Befreiungskampf umzufunktionieren, habe sich nun einmal der polnischen Öffentlichkeit bemächtigt  ; daran ließe sich nichts mehr ändern, oder nur um den Preis einer fürchterlichen Enttäuschung, welche die Mittelmächte alle Sympathien kosten würde, die ihnen in Polen vielleicht entgegengebracht würden. Allzu wahr sei allerdings auch, dass ein unabhängiges Polen, das selbstverständlich auch Posen und Galizien für sich beanspruchen würde, erst recht eine Gefahr für die Mittelmächte darstelle. Soweit konnte Jagow, der später einmal formulierte  : »Alle Lösungen der polnischen Frage sind ja bekanntlich schlecht«,20 mühelos folgen. Weniger glücklich war Jagow mit Szögyenys (und Berchtolds) Schlussfolgerung  : Um allen Gefahren bestmöglich zu steuern, erkläre Österreich sich bereit, RussischPolen (mit seinen immerhin 12 Millionen Einwohnern) zu übernehmen, zusammen mit Galizien als »dritte Reichshälfte« neben Österreich und Ungarn, oder – falls die

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Ungarn dazu nicht ihre Einwilligung gaben  – schlimmstenfalls als bloße Erweiterung Galiziens, ohne dass sich am Verhältnis Österreichs und Ungarns deshalb notwendigerweise etwas zu ändern brauche (»subdualistische Lösung«). Diese Idee warf selbstverständlich viele Fragen auf, welche Folgen dieser Zuwachs für die Monarchie haben würde, für ihren Zusammenhalt und für das prekäre Gleichgewicht unter ihren Nationalitäten. Vor der Hand wollte Jagow auf all diese Fragen lieber nicht eingehen, sondern machte gute Miene zum bösen Spiel oder tat zumindest so. Er gab Szögyeny eine Antwort, die dieser als prinzipielle Zustimmung deuten konnte und die so auch in der Überlieferung des Ballhausplatzes fest geschrieben wurde  ; für den Hausgebrauch notierte Jagow jedoch vorsorglich  : Die Idee sei »selbstverständlich nicht annehmbar«, er wünsche sie aber »dilatorisch« zu behandeln  ; eine Schlussfolgerung, bei der ihm auch Reichskanzler Bethmann-Hollweg beipflichtete.21 Auch dieses Muster des »Ja, aber …«, der Zustimmung mit Vorbehalten und Hintergedanken, sollte in den kommenden Jahren Schule machen, wann immer es um Polen ging. Die »austro-polnische« Lösung war freilich auch in Österreich nicht unumstritten, von Tisza und Ungarn einmal abgesehen, das auf seiner »Parität« beharrte und keiner Aufweichung des »Dualismus« seine Zustimmung geben wollte. Jagow hatte über die Folgen der »austro-polnischen Lösung« im August 1914 nicht weiter spekulieren wollen, weil er hoffte, dass dieser Kelch schließlich doch an ihm vorbeigehen würde. Erst ein Jahr später kamen er und Bethmann auf das Stichwort zurück, das ihnen die Deutsch-Österreicher inzwischen geliefert hatten  : Mitteleuropa. Denn ebenfalls noch im August 1914, vor den ersten Schlachten, aber erfüllt von patriotischer Siegesgewissheit, richtete der Obmann der größten Fraktion im österreichischen Abgeordnetenhaus, des Deutschen Nationalverbandes, Gustav Groß, ein cholerischer Rauschebart, der im Haus die Iglauer Sprachinsel vertrat, ein Rundschreiben an seine Kollegen, in dem er ausführte  : Österreich werde nach dem Sieg zwangsläufig größer – und damit auch weniger deutsch werden. Deshalb müsse man im Gegenzug das Bündnis mit dem Deutschen Reich in der Verfassung verankern, ja eine Art Bundesrat und ein Zollparlament für die beiden Reichen »gemeinsamen Angelegenheiten« schaffen.22 Mitteleuropa und die austro-polnische Lösung, getragen vom Gedanken einer einvernehmlichen Scheidung, wie sie Polenklub und Nationalverband anpeilten – in den ersten Kriegstagen nahezu spontan entstanden, bildeten ein Dioskurenpaar bis zum Ende. Schon in diesen ersten Reaktionen machte sich ein charakteristischer Zug der österreichischen Kriegszieldebatte bemerkbar  : Es gab natürlich auch in der Habsburgermonarchie Militärs und Diplomaten, die sich um Grenzbefestigungen und Einfallspforten, Einflusssphären und Protektorate, allenfalls auch Märkte und Monopole den Kopf zerbrachen. Wiesner z. B. wollte gleich den gesamten Balkan in österreichische Abhängigkeit bringen  ; in einem Verhältnis, so wie Bayern zum Deutschen

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Reich, war eine auch schon von Conrad verwendete beliebte Formel dafür. Aber die eigentliche Debatte, wie sie die Öffentlichkeit bewegte, nicht die vermeintlich übernationale der Kabinettspolitiker und Generalstäbler, sondern die nationalbewegte der Deutschen, Polen, Tschechen usw., bestand im Ringen um die Umgestaltung der Monarchie im Inneren, um die Reform des Dualismus, oder des österreichischen Zentralismus im Sinne des Föderalismus, oder des österreichischen Föderalismus im Sinne der nationalen Autonomie, all diese Konzepte übrigens keineswegs konsequent bis ans Ende durchgedacht, sondern stets mit Ausnahmen versehen zugunsten der eigenen Volksgruppe. Über die zarten Blüten dieser Kriegszieldebatte legte sich freilich bald der Raureif der militärischen Großwetterlage, die immer weniger großzügige Perspektiven gestattete. Dafür war die Diplomatie wiederum gefragt, sobald die Illusion vom kurzen Krieg zwar noch nicht aufgegeben, aber zumindest nachjustiert werden musste. Das empfahl sich schon einmal deshalb, weil ein allzu kurzer Krieg nach Stand von Ende September nur mit der eigenen Niederlage enden konnte  ; da wollte man lieber noch eine Verlängerung zugeben. Die ersten Niederlagen hatten freilich auch die Nachbarn auf den Plan gerufen  : Im Herbst und Winter 1914 ging es nicht mehr darum, neue Verbündete zu werben, sondern darum, den Ring frei zu halten und die unsicheren Kantonisten, welche die Monarchie umgaben, vom Eingreifen abzuhalten. Die Krise, Teil I  : »Anständig zugrunde gehen«  ?

Am 9. September 1914 gab Moltke, der Jüngere, den Rückzugsbefehl für die deutschen Armeen an der Marne. Damit war der eigentliche Plan der Mittelmächte gescheitert, Frankreich im ersten Anlauf niederzuwerfen, um sich dann in aller Ruhe mit Russland zu beschäftigen. Wenn ihre Vorkriegsannahmen richtig waren, dann mussten die Mittelmächte jetzt verlieren, zerrieben zwischen den französischen Stellungen im Westen und der »russischen Dampfwalze« aus dem Osten. Man befand sich jetzt in genau der Situation, der man hatte zuvorkommen wollen. Moltkes Nachfolger Falkenhayn betonte deshalb auch bald, unter den gegebenen Umständen könne er für einen Sieg nicht garantieren. Über den Abbruch der Marne-Schlacht hat sich nach 1918 eine der hitzigsten und dauerhaftesten »Was wäre wenn …«-Debatten entwickelt. Damals war diese Zäsur allerdings noch nicht so deutlich  : Die deutschen Truppen standen weiterhin tief in Frankreich, der »Wettlauf zum Meer« suggerierte einen Rest von Bewegungskrieg. Unübersehbar war hingegen der Rückzug der Österreicher in Galizien, der achtundvierzig Stunden nach dem Rückzug an der Marne begonnen hatte. Es war die Aufgabe der Österreicher gewesen, die Russen so lange hinzuhalten, bis die Deut-

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schen mit den Franzosen fertig waren, eine Frist, die mit sechs Wochen berechnet worden war. Conrad hatte diese Aufgabe offensiv lösen wollen, indem er den Vorteil der inneren Linie nutzte, sich zuerst gegen die russischen Armeen aus Polen wandte, dann gegen die russischen Armeen aus dem Osten. Die Voraussetzungen dafür waren freilich keine so günstigen wie in Ostpreußen, wo Hindenburg und Ludendorff dieses Manöver mit Bravour gelang. Es gab kein so dichtes Eisenbahnnetz, um die eigenen Truppen rasch herumzuwerfen  ; keine Sperrforts und Seen, die dem Feind das Nachrücken erschwerten. Die beiden Flügel der Russen vereinigten sich am 11. September bei Rawa Ruska. Die Österreicher mussten schleunigst zurück. Sie räumten Lemberg und standen bald am San, dann am Dunajec, nur mehr wenige Kilometer vor Krakau. Die Festung Przemysl wurde von den Russen eingeschlossen und belagert. Fehlschläge führen zur Suche nach Sündenböcken  : Innerhalb der Generalität setzte ein Köpferollen ein, das seinen Höhepunkt erreichte, als zu guter Letzt sogar einer der erfolgreichen Armeekommandanten – Moritz v. Auffenberg – abgelöst wurde, weil er zuvor als Kriegsminister angeblich Insider-Trading betrieben habe. Politisch brisanter waren zwei andere Stoßrichtungen, in denen sich der Unmut des AOK austobte. Da war zum einen die Tendenz vieler Offiziere, überraschende Schlappen auf Verrat zurückzuführen  : Später hatte man dabei meist tschechische Truppenkörper im Visier  ; anfangs war es mehr die ukrainische Zivilbevölkerung in Ostgalizien, die angeblich mit dem Feind konspirierte. Zwar zählte die ukrainische Massenpartei, die kleinbäuerlichen Nationaldemokraten, zu den engagierten Gegnern des Zarenreiches, das seine Ukrainer als Kleinrussen einvernahmte. Aber es gab von alters her auch eine russophile Strömung in Galizien, die solche Verdächtigungen plausibel erscheinen ließ – und deren Anhänger jetzt einer rigorosen Verfolgung ausgesetzt war, bis hin zu einem Massaker an Flüchtlingen in Przemysl.23 Vor allem aber richtete sich der Unmut Conrads gegen die deutschen Verbündeten, die ihm versprochen hatten, nach sechs Wochen mit ihren siegreichen Heeren aus dem Westen auf der Wallstatt zu erscheinen  – und stattdessen nur Verstärkungen in homöopathischen Dosen für den Osten erübrigen konnten. Neben vielen anderen Gravamina, die mehr verletzter Eitelkeit und bewussten Missverständnissen entsprangen, bestand dieser Vorwurf im Prinzip durchaus zu Recht  ; allerdings hätte sich auch Conrad ausrechnen können, dass der versprochene Sechs-Wochen-Sieg im Westen bei annäherndem zahlenmäßigem Gleichgewicht keine so absolut sichere Sache war, sondern nur das erfolgversprechendste Eröffnungsgambit darstellte, mit einem hohen Risikofaktor. Es rächte sich, dass über alternative Szenarien nachzudenken vor 1914 verpönt gewesen war. Man hatte die gewählte Strategie als einzig mögliche ausgeschildert und wollte das Scheitern jetzt nicht eingestehen. Allerdings handelte es sich bei den Kontroversen der Militärs keineswegs einfach um eine Frontstellung Preußen gegen Österreicher, sondern um Interessen, Allianzen

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und Fehden, die Verbündete und Gegner in beiden Heeren zusammenführten. Es kämpften und intrigierten gewisse österreichische Politiker und Militärs, Kommanden und Dienststellen vereint mit gewissen reichsdeutschen gegen andere österreichische und reichsdeutsche Interessen, mit durchaus wechselnden Allianzen. Vielfach versuchte man eigene Interessen durchzusetzen, indem man über Bande spielte und die eigenen Anliegen als Wünsche des Verbündeten zu tarnen versuchte. Wie viele Faktoren hier zusammenspielten, wurde spätestens Ende Oktober klar, als Conrad nach einer weiteren gescheiterten Offensive seiner Frustration mit der Drohung Luft machte, wenn Deutschland nicht schleunigst Verstärkungen großen Stils für die Ostfront in Marsch setze, würden sich die Österreicher nach Süden auf Wien und Budapest zurückziehen. Die Drohung war vielleicht nicht allzu glaubwürdig  ; aber das Anliegen, der Ostfront Priorität einzuräumen, war dem Duo Hindenburg und Ludendorff aus dem Herzen gesprochen. Ludendorff mochte 1917/18 zur Nemesis der Österreicher werden, 1914/15 galt er als ihr bester Mann im deutschen Generalstab, selbst wenn sein Charme zu wünschen übrig ließ. Während Conrad Ludendorff gegen Falkenhayn vorschicken wollte, entwickelte die österreichische Politik andere Vorschläge, den Deutschen die Ostfront schmackhaft zu machen. Man setzte nicht auf die Drohung mit der Trennung beider Heere, sondern auf die Vereinigung unter einem einheitlichen Kommando für die gesamte Ostfront  : »Ober-Ost«, wie es dann erst 1916 zustande kam, sollte Erzherzog Friedrich übernehmen, der selbstverständlich nur als Aushängeschild gedacht war  ; Hindenburg jedoch sein Generalstabschef werden, der eigentlich die Zügel in der Hand hatte. Für Conrad war in diesem Szenarium keine tragende Rolle mehr vorgesehen. Friedrich wurde gefragt, ob man den glücklosen Conrad ablösen solle und antwortete inkohärent, wollte ihm zumindest nicht den Eselstritt versetzen. Gerettet wurde Conrads Position zunächst von seinem Rivalen Falkenhayn, der kein Interesse an Hindenburgs Aufstieg zu einem Oberost-Chef zeigte, der für seine Anliegen dann jedes Mal die österreichische Diplomatie in Gang setzen würde.24 In einem weiteren Punkt begannen sich die Fronten zwischen den deutschen und österreichischen Prioritäten in ihr Gegenteil zu verkehren. Während der Julikrise hatten die Österreicher ihre Kräfte gern am Balkan konzentrieren wollen, während die Reichsdeutschen den Aufmarsch gegen Russland forderten, zur Deckung im Osten, die berühmten sechs Wochen lang, die zum Sieg über Frankreich ausreichen sollten. Oder, wie Conrad tobte später  : »Am Anfang haben wir uns für Deutschland verblutet – und jetzt spielt es die Rolle des großmütigen Helfers in der Not. Die Gesellschaft hätte es verdient, daß die Kosaken nach Berlin gekommen wären – was zweifellos geschehen wäre, wenn wir anders gehandelt hätten.«25 Inzwischen war das Osmanische Reich als deutscher Verbündeter in den Krieg eingetreten. Die Österreicher brachten keinen besonderen Enthusiasmus für den neuen Verbündeten auf. Wenn schon, dann

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wünschten sie sich eine Landung der türkischen Armee bei Odessa, eine amphibische Operation, die wohl selbst die Kräfte weit besser organisierter Reiche überfordert hätte.26 In Deutschland mangelte es zwar ebenfalls nicht an Kritik an den Zuständen im Osmanischen Reich, aber man erkannte auch das Potenzial, das in den Türken steckte. Von allzu fantastischen Plänen, wie einer Offensive gegen den Suezkanal einmal abgesehen, band das Osmanische Reich letztendlich doch über eine Million an Entente-Truppen, die sonst Deutschen oder Österreichern zur Last gefallen wären. Deutschland war daher auch bestrebt, möglichst rasch eine Landverbindung zur Türkei herzustellen, oder doch zumindest eine Verbindung zu Bulgarien, das Transporte weiter nach Konstantinopel ermöglichen würde. Es regte daher eine österreichische Offensive gegen die Nordostecke Serbiens an, den Negotiner Zipfel. Nun waren die österreichischen Kräfte am anderen Ende Serbiens konzentriert, in Bosnien  ; Conrad hielt die ganze Sache für eine Schnapsidee und war empört, als das österreichische Außenamt Anstalten machte, darauf einzugehen. Er erhielt die für den Verkehr zwischen den Verbündeten wie für das Verhältnis zwischen Politik und Militär bezeichnende und besänftigende Antwort, die österreichische Zustimmung sei doch nicht ernstgemeint, sondern nur als Lockvogel gedacht, um »auf dieser Basis die deutschen maßgebenden Kreise zu bewegen, endlich genügend Truppen auf den östlichen Kriegsschauplatz zu senden.«27 Auch in einem weiteren Punkt begann sich Deutschland vermehr für die Geschehnisse auf dem Balkan zu interessieren. Nach Rawa Ruska und dem österreichischen Rückzug hatten die Russen die Karpathen erreicht. Sie standen an der Grenze Ungarns. Gerade wer mit einem kurzen Krieg rechnete, musste ihren Erfolg als gegeben ansehen. War jetzt nicht der Zeitpunkt für die Rumänen gekommen, das Beste aus der Sache zu machen und sich den Russen anzuschließen, zur Befreiung ihrer Ko-Nationalen in Siebenbürgen. Über die Frage, wie dieser Bedrohung am besten zu begegnen sei, entwickelte sich seit Mitte September gröbere Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Verbündeten  ; sie nahmen die Debatten vorweg, wie sie mit noch größerer Erbitterung dann über die Behandlung Italiens ausgefochten wurden. In Rumänien regierte mit König Carol ein Hohenzoller, dem ein Kriegseintritt gegen die Mittelmächte prinzipiell widerstrebte, der deshalb aber nicht den Fortbestand der Dynastie in Gefahr bringen wollte. Man müsse ihm deshalb irgendeine Handhabe geben, der kriegslüsternen Stimmung in Rumänien entgegenzutreten, wurde in Berlin argumentiert. Der extremste Vorschlag in dieser Richtung lautete, man sollte allenfalls einmarschierenden Rumänen keinen Widerstand entgegensetzen und sich hinter der Fiktion verstecken, die Rumänen würden Siebenbürgen doch bloß vor dem Einmarsch der Russen in Schutz nehmen. Mit derlei Andeutungen biss die reichsdeutsche Diplomatie vor allem bei Tisza und den Ungarn auf Granit, die keinen Fuß-

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breit Bodens hergeben wollten, unter welchem Deckmantel auch immer. Wenn den Rumänen schon Zugeständnisse gemacht wurden, dann auf Kosten der österreichischen Reichshälfte, sprich  : in der Bukowina, die fast zur Hälfte rumänisch war, mit den griechisch-phanariotischen Bojaren, die zumindest nach außen hin als Rumänen durchgehen konnten, als tonangebender Schicht, daher auch verhältnismäßig wenig von irredentistischen Sehnsüchten geplagt.28 Aus dem AOK kabelte Wiesner, man solle doch das Judenland Bukowina mit Freuden abtreten  ; auch Conrad war nicht abgeneigt  ; am Ballhausplatz schneiderte man daraus ein viel bescheideneres Angebot  : Man bot Rumänien die Ecke um Suczawa, mit dem Kloster Putna, dem Grabmahl Stephans des Großen, als prestigeträchtigem Juwel. Freilich  : Das österreichische Angebot galt als Belohnung für den Kriegseintritt Rumäniens aufseiten der Mittelmächte, nicht als Stillhalteprämie. Eine Stillhalteprämie wurde inzwischen freilich doch ausgezahlt in Form einer massiven Bestechungsoperation, die einen wahren Geldregen – man sprach von 40 Mio. Reichsmark – auf die politische Elite des Landes niedergehen ließ. Czernin war jetzt und später ein enthusiastischer Verfechter dieser Strategie und rühmte sich seines Geschicks, derlei Handsalben als Wetten zu tarnen. (In einem ähnlichen Fall mussten deutsche Diplomaten in Konstantinopel, um die Form zu wahren, regelmäßig größere Summen in Kartenpartien gegen osmanische Würdenträger verlieren.)29 Man braucht den Erfolg solcher Trinkgeld-Kampagnen  – wie sie von England dann z. B. 1940 in Spanien in Szene gesetzt wurde – nicht zu überschätzen, nicht nur, weil diverse rumänische Politiker, wie Czernin mit Bedauern feststellte, so reich waren, dass derlei Trinkgelder bei ihnen nicht verfingen. Mit Einmalzahlungen war kein dauerhafter Gesinnungswechsel zu bewerkstelligen. Allzu auffälliger Gesinnungswechsel wiederum konnte den Empfänger unglaubwürdig machen. Aber ein gewisser Verzögerungseffekt ließ sich damit vielleicht doch erzielen. Zeit gewonnen, vieles gewonnen – das galt zumindest, solange die Fronten noch in Bewegung waren  ; es galt vor allem im Herbst 1914, denn bald würde in den Bergen der erste Schnee fallen und eine rumänische Offensive viel unwahrscheinlicher machen. Schließlich kamen den Österreichern noch zwei Faktoren zugute  : Der rumänische Thronfolger Ferdinand war mit einer britischen Prinzessin verheiratet, die aus ihren Sympathien für die Entente keinen Hehl machte  ; die Kronprinzessin galt latent als Gefahr, auch wenn sie sich nach Sicherung der Thronfolge ganz offiziell einem Geliebten zugewandt hatte, dem Prinzen Stirbey, der seinerseits in guten Beziehungen zur deutschen Gesandtschaft stand. Doch König Carol lebte gerade noch lange genug, bis zum 10. Oktober, als die kritische Periode bereits vorüber war. Vor allem aber verloren Österreichs Rivalen um die Gunst der Rumänen zuerst die Nerven. Am 1./2. Oktober schloss der russische Außenminister Sazonow mit Ministerpräsident Bratianu einen Vertrag, der Rumänien ganz Siebenbürgen versprach,

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allein schon gegen Zusicherung der wohlwollenden Neutralität. Unter wohlwollender Neutralität wurde verstanden, dass Russland auf der Donau Kriegsmaterial nach Serbien verschiffen durfte, die Mittelmächte über rumänische Bahnen aber keinerlei Munition in die Türkei schicken durften. Freilich  : Um das großzügige Geschenk auch tatsächlich in Empfang nehmen zu können, mussten die Russen den Krieg zuerst einmal gewinnen  ; außerdem handelte es sich dabei um eine Holschuld, Siebenbürgen war für die Rumänen reserviert, musste aber abgeholt werden, also würden sich die Rumänen früher oder später doch noch zu einem Einmarsch bequemen müssen. Für die Österreicher war jedoch vor allem die eine Schlussfolgerung wichtig, die lautete  : Es gab für die Rumänen keinen unmittelbaren Handlungsbedarf, man konnte ruhig noch den Winter über zuwarten, ob die Serie russischer Erfolge anhalten würde oder nicht.30 Den Winter über würden wohl auch die Italiener noch zuwarten. »Die Italiener«, sprich  : der König, Ministerpräsident Salandra und sein neuer Außenminister Sidney Sonnino, hatten sich, wie wir heute wissen, ziemlich früh für den Kriegseintritt aufseiten der Entente entschieden, aus Gründen, die viel mit ihren Vorstellungen von Großmachtpolitik zu tun hatten, aber relativ wenig mit dem Irredentismus, der sentimentalen Zuneigung zu den »unerlösten« Brüdern, die weiterhin unter Habsburgs Joch schmachteten. Sonnino galt sogar zu Recht immer als überzeugter Anhänger der »Triplice«, des Dreibundes  ; sein Vorgänger San Giuliano, der im September 1914 verstorben war, hatte als unerreichbares Ideal einen Krieg bezeichnet, in dem sowohl Frankreich als auch Österreich geschlagen würden.31 Aber Sonnino und Salandra gingen von der Annahme aus, dass ein Staat, der Anspruch erhob auf eine Rolle als Großmacht, nicht untätig zuschauen dürfe, wie ringsum die Welt neu aufgeteilt werde  ; außerdem hatten sie die Überzeugung gewonnen, dass ihre alten Verbündeten allein schon die Neutralitätserklärung als Verrat werteten und sie das Italien auch früher oder später spüren lassen würden. Italien wollte sich, entgegen einem weitverbreiteten Vorurteil, nicht an den Meistbietenden versteigern. Die Verhandlungen um territoriale Konzessionen, wie sie Sonnino mit den Österreichern einerseits, der Entente andererseits führte, stellten daher viel weniger ein Lizit dar als den Versuch, das Terrain aufzubereiten, um im entscheidenden Moment, mit dem Rückhalt der öffentlichen Meinung, in Aktion treten zu können. Aus diesen Voraussetzungen erklärt sich auch der kuriose Charakter dieser Verhandlungen, die lange Zeit gar keine waren  : Die Italiener warteten auf Angebote, die Österreicher auf Forderungen – beide, um sie ablehnen zu können. Offiziell gab es bis fast zum Jahresende keine Bewegung. Dieses Pokern bereitete dem Dritten im Bunde, Deutschland, zunehmendes Unbehagen. In Berlin hatte man von Anfang an mit dem Versuch geliebäugelt, Italien mit Gebietsabtretungen  – gedacht war dabei meist an Welschtirol, an das Trentino  – zum Mitgehen bewegen zu können  ; eine

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Überlegung, die unrealistisch war – und für die Österreicher indiskutabel. »Um sich in Hinkunft ebenso unnütze als peinliche Erörterungen zu ersparen«, hatte Botschafter Hohenlohe gleich zu Beginn in Berlin die Devise ausgegeben  : »Konversationen über Kompensationen seien überflüssig«.32 Der Zweck dieser Zumutungen hatte sich inzwischen freilich verschoben  : Es ging nicht mehr darum, Italien zum Mitgehen zu bewegen, sondern seine Neutralität zu erhalten. Daran hing das Wohl und Wehe beider Reiche. Darin stimmten die Deutschen mit Salandra überein, der sich vom Eingreifen Italiens die Entscheidung des Krieges erwartete. Denn einem italienischen Angriff hätten die Österreicher nichts entgegenzusetzen. Falkenhayn schätzte, die Italiener könnten in fünf Wochen bereits in Agram oder in Marburg sein.33 Die Österreicher hatten diesem Drängen nur die Hoffnung entgegenzusetzen, dass sich bis zum Frühjahr irgendwo ein entscheidender Erfolg erzielen lasse, der die Lebensfähigkeit der Monarchie demonstrieren und Italien die Lust zum Krieg rauben würde. Einen solcher Erfolg hätte möglicherweise die Eroberung Belgrads dargestellt, das Potiorek seinem Kaiser zeitgerecht zum Thronbesteigungsjubiläum am 2. Dezember zu Füßen legte  ; leider ging es kurz darauf wieder verloren, der österreichische Feldzug in Serbien endete mit einem gewaltigen Prestige-Erfolg der Serben, die sich in der Pose des David gefielen, der Goliath erfolgreich die Stirn geboten hatte.34 Nach dieser Schlappe begann auch Berchtold zu schwanken, ob man nicht doch einen Versuch unternehmen solle, Italien auf die eine oder andere Weise zufrieden zu stellen. Ein Beobachter schrieb  : »Wir bezahlen das serbische Königgrätz mit dem Trentino.«35 Auch Deutschland erhöhte seinen Druck auf Österreich mit der Entsendung des Fürsten Bülow als Sonderbotschafter nach Rom. Bülow war bis 1909 selbst Reichskanzler gewesen, mit der Tochter eines italienischen Premiers verheiratet, in Rom bekannt und beliebt  ; auf den ersten Blick eine gute Wahl. Zugleich jedoch ein Rivale Bethmanns und Jagows, beim Kaiser, den er bei seinem Abgang desavouiert hatte, permanent in Ungnade gefallen und für die Österreicher ein rotes Tuch  ; in Summa also doch eine etwas kuriose Entscheidung. In Österreich befürchtete man, allein schon der hochrangige Charakter der Mission würde die Italiener veranlassen, ihre Forderungen hinaufzuschrauben.36 Um Neujahr 1915 herum scheint sich im Wiener Außenamt ein Konsens breitgemacht zu haben, dass man wohl doch keine andere Wahl habe, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Die Entscheidung fiel höchst konstitutionell im Gemeinsamen Ministerrat. Der Widerstand Stürgkhs wäre wohl zu überwinden gewesen  ; doch auf den ersten Blick erstaunlich war  : Für die Integrität Tirols machte sich der ungarische Ministerpräsident Tisza stark, der darin ein schlechtes Beispiel sah, das demnächst auch die Rumänen zu ähnlichen Forderungen reizen könnte. Vor allem aber  : Der alte Kaiser war dagegen. Die reichsdeutsche Seite hatte oft ihre liebe Not,

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sich im komplizierten Geflecht der altösterreichischen Zuständigkeiten zurechtzufinden. Jetzt hingegen war es Franz Joseph, der wie nie zuvor seinem Unmut über die vermeintlich geordneten Zustände in Berlin Luft machte  : Man wisse ja nicht, wer dort eigentlich regiere  : Jagow sei ein Feind Österreichs, Bethmann schwach, Wilhelm II. unberechenbar.37 Im Übrigen verlief das Gespräch zwischen Franz Joseph und Berchtold amikal und herzlich  : Der Kaiser fragte den Minister, ob er es für besser hielt, zu gehen oder zu bleiben. Die Antwort war ein befreiendes Lachen. Der Grandseigneur Berchtold, mit seinem Kunstverständnis und seinem stets wachen Interesse für Frauen und Pferde, hatte sich nie an sein Amt geklammert  ; er hatte es übernommen, weil er als einziger die diplomatischen Fähigkeiten aufwies, zwischen Tisza und Franz Ferdinand zu lavieren. Er hatte selten dogmatisch einen Standpunkt verfochten, sich einen Spaß gemacht, die Vertreter extremer Ansichten an seinem Mittagstisch aufeinander losgehen zu lassen und letztendlich einen Konsens gesucht. Er schlug dem Kaiser Tisza als seinen Nachfolger vor, als Verfechter des alternativen Programmes. Doch Tisza wollte seine Position in Ungarn nicht aufgeben  ; er nominierte stattdessen Baron Istvan Burian als neuen Außenminister. Mit Burian hielt nun tatsächlich ein Kontrastprogramm Einzug am Ballhausplatz. Auf Berchtold, den Mann, der mit allen konnte, folgte der Mann, der mit niemandem konnte. Allein schon der Modus seiner Ernennung legte den Schluss nahe, Burian werde in Wien bloß als der verlängerte Arm Tiszas agieren. Dieser Eindruck war vorschnell  : Burian war keine unbekannte Null, sondern früher selbst Botschafter, inzwischen Minister bei Hofe, Schwiegersohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Fejervary  ; er emanzipierte sich zusehends von seinem Mentor. Den Nachruhm Burians beherrscht vor allem ein Motiv  : Seine professorale Rechthaberei, die in verschiedenen Tonarten besungen wurde. Hitler soll einmal gesagt haben, lieber lasse er sich alle Zähne ziehen als noch einmal mit Franco zu verhandeln. Burians Gesprächspartner waren meist zu erschöpft, um überhaupt noch etwas zu sagen. Ein missgünstiger Untergebener schrieb, er habe in seltenem Maße die Gabe zu langweilen  ; ein anderer, der ihn bei Gesprächen in Berlin erlebte  : »Impossible to get a word in.« Gegen Ende seiner Karriere wurde wie ein Derby seine neuerliche Begegnung mit Kaiser Wilhelm erwartet, als Duell der beiden berüchtigsten Dauerredner des Kontinents. Es scheint in einem Patt geendet zu haben  : Wilhelm seufzte, mit Kaiser Karl komme er zurecht, mit Burian nicht  ; Burian wiederum klagte, Wilhelm lasse ja niemand zu Wort kommen. (Der Chronist kommentierte  : Und wenn Burian das sagt, heißt das was.)38 Das Fazit aus dem Naturell des neuen Außenministers lautete  : Für das Erarbeiten konstruktiver Lösungen im Einvernehmen mit den Verbündeten war Burian nicht der ideale Kandidat  ; für die Abwehr von Zumutungen, die an ihn herangetragen wurden,

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nahezu eine Geheimwaffe. Wenn sich die Welt mit Dialektik erobern ließe, wäre Burian der Mann dafür, seufzte Stürgkh. Er stellte seine Fähigkeiten unter Beweis, als er die ersten Versuche der italienische Diplomatie, auf dem Umweg über den Artikel VII des Dreibundvertrages (Kompensationen im Fall von Erwerbungen des Partners) einen Dialog in Gang zu setzen, sofort mit der entgegenkommenden Nachfrage beantwortete  : Ja richtig, Italien habe doch 1912 Rhodos und vor wenigen Monaten Valona besetzt, ob er da jetzt Forderungen anmelden solle. Als Replik im Völkerrechtsseminar unschlagbar, war der Gedanke vielleicht nicht allzu hilfreich, wenn man Italien milde stimmen wollte. Oder wie einer seiner Botschafter, Merey, einmal urteilte  : Es fehle Burian nicht an Verstand, aber an Intuition.39 Was Tisza, den Kaiser und Burian vereinte – und von fast allen anderen unterschied, war ein Gesichtspunkt, der für das Verständnis der Nicht-Verhandlungen mit Italien zentral ist  : Sie argumentierten, vielleicht auch in Hinblick auf die betroffene Bevölkerung  : Was man freiwillig hergegeben habe, sei für immer verloren. Der Großteil der Politiker, Diplomaten oder Militärs, der sich für Zugeständnisse an Italien aussprach, tat dies nämlich mit dem kaum verhüllten Hintergedanken, sich diese Gebiete – nach gewonnenem Krieg  – selbstverständlich zurückzuholen, vielleicht sogar mit Zinseszinsen. Der Sieger sei in der Lage, jedes Opfer wieder einzubringen. Czernin formulierte es klipp und klar, gegenüber Erpressern gäbe es keinen Ehrenstandpunkt  ; der ehemalige Ministerpräsiden Beck gab die religiöse Absolution  : Er würde jeden Vertrag mit Italien brechen und die Hostie nehmen  ; auch der Thronfolger, Erzherzog Karl, wurde zitiert, man möge den Italienern ruhig ein Stückerl Trentino geben, irgendwann werde man doch über sie herfallen müssen.40 Diese Überlegung war zu offensichtlich, um den Italienern verborgen zu bleiben. Jedes Angebot der Österreicher litt infolgedessen darunter, man »hätte dem ungetreuen Verbündeten niemals die Sorge nehmen können, dass er nach einem Siege der Mittelmächte gezüchtigt und seiner Errungenschaften verlustig gehen würde.«41 Allein deshalb schon müsse Italien »den Geschädigten umbringen, denn Tote üben keine Rache.« Tisza war zwar nicht der Meinung, dass man sich »den Luxus eines Vergeltungskrieges« leisten könne. Aber auch er wusste keine Lösung, wie man es anstellen solle, damit nicht »die Angst vor unserer Rache Italien in den Krieg treibt.«42 Die Österreicher wiederum bewegte die Sorge, selbst wenn man diesmal nachgäbe, so würden die Italiener doch bei nächstbester Gelegenheit ihr Lizit erhöhen und neuerlich Forderungen stellen. Alle Zusagen sollten daher erst beim Friedensschluss effektuiert werden – was natürlich sofort wieder das Misstrauen der Italiener wachrufen musste. Allein schon diese Voraussetzungen reduzierten die Chancen für ein Arrangement auf ein Minimum. Zwar hat Salandra nachträglich eingestanden, hätten die Österreicher seinen letzten Forderungskatalog tatsächlich angenommen, wäre ihm wohl keine andere Wahl geblieben als zu akzeptieren  : Aber dieses Programm um-

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fasste bereits Bozen, das Isonzotal, die Insel Curzola und die Neutralisierung Triests – und das alles sofort. Burians Ernennung führte zu einer Konzentration auf die Hoffnung, mit einem militärischen Erfolg die Italiener doch noch abzuschrecken. Bis zum 1. März werde Italien nichts unternehmen  ; bis dahin gelte daher nicht »das Wort  : periculum in mora«, sondern das Gegenteil.43 Der offensichtliche Angelpunkt einer solchen auf demonstrative Erfolge berechneten Strategie war die von den Russen belagerte Festung Przemysl. Ihr Entsatz sollte das Fanal sein, das bei Italien und Rumänien Zweifel über die Opportunität eines Kriegseintritts aufkommen ließ. Eben weil dieses Ziel aller österreichischen Bemühungen so offenkundig war, fiel natürlich auch jedes Überraschungsmoment aus  ; man kämpfte sich frontal voran, bergauf und im Winter  ; erlitt zum Teil mehr Verluste durch Erfrierungen als durch Feindeinwirkung  ; alles denkbar ungünstige Voraussetzungen für einen Erfolg. Przemysl war eingeschlossen  ; es wurde kaum aktiv belagert, sondern ausgehungert. In der Festung befanden sich über 120.000 Mann, aber nur eine einzige Landwehrdivision, eine anschauliche Illustration, wie in diesem Krieg die Etappe die Oberhand über die »Feuergewehre« gewann. Conrad gab offen zu, der Entsatz der Festung sei strategisch unbedeutend, nur die politischen Vorgaben nötigten dazu.44 Die deutsche Seite intensivierte inzwischen ihre Bemühungen, die Österreicher doch noch zu einem attraktiven Offert an die italienische Adresse zu bewegen. Diese Bemühungen waren vor allem aus zwei Gründen interessant  : Zum einen, man zog alle Register, um auch innenpolitisch den Druck auf den Ballhausplatz – und auf den Kaiser – zu erhöhen und bediente sich dabei mit Vorliebe gerade der katholischen, gern als »ultramontan« verschrienen Strömungen, die man sonst mit solch scheelen Augen ansah. Matthias Erzberger, ein umtriebiger Abgeordneter der katholischen Zentrumspartei, versuchte die österreichischen Christlichsozialen zu mobilisieren  ;45 er vergaß dabei auch nicht auf den Thronfolger und seine Familie. Ein Monarch wie Franz Joseph, der so strikt an den Ressortgrenzen festhielt, war freilich alles andere als ein geeignetes Objekt für Lobbying. Ein Appell von Monarch zu Monarch fiel aus, denn Wilhelm II. erklärte sich für unzuständig  : Er könne das dem Kaiser Franz Joseph nicht zumuten, die Diplomaten müssten das machen  ;46 selbst Obersthofmeister Fürst Montenuovo mit seinem unerreicht guten Zugang zum Kaiser holte sich eine Abfuhr, als er schüchterne Andeutungen in dieser Richtung fallen ließ  ;47 Katharina Schratt – der aus diesem Anlass angeblich sogar Brillanten verehrt wurden – galt als Geheimtipp, doch letztendlich ließ der Kaiser über sie so manche politische Salonlöwen aushorchen, nicht umgekehrt  ; sein bayerischer Schwiegersohn wiederum erklärte offen, er kenne den Kaiser seit nunmehr vierzig Jahren, aber nicht einmal habe er ihm von Politik gesprochen.48 Zum zweiten aber begann man in Berlin zu überlegen, den Österreichern ihrerseits Kompensationen anzubieten, wenn sie sich bloß zu Opfern bereit erklärten. Das

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begann mit einer Goldanleihe, wie sie die Österreicher nötig brauchten  ; setzte sich fort mit dem Angebot, den Österreichern als Kriegsbeute die umstrittenen grenznahen polnischen Kohlengruben zu überlassen, ja sogar ins ärarische Eigentum zu überschreiben  ; bis schließlich sogar ein Angebot erwogen wurde, wie es ein halbes Jahrhundert früher vielleicht den Krieg von 1866 hätte verhindern können  : Preußen überlegte, schweren Herzens, sich von einem Teil der Eroberungen Friedrichs des Großen zu trennen und den Österreichern die Grafschaft Glatz anzubieten. Der Entwurf zu diesem Schreiben lag am 7. März auf dem Schreibtisch Wilhelms II., wurde aber nicht mehr expediert, weil inzwischen von selbst Bewegung in die Situation gekommen war.49 Denn inzwischen bequemte sich auch Burian zu ernsthaften Verhandlungen mit Italien, wenn auch ohne großen Schwung, denn er wollte den letzten Moment abwarten. Jagow reagierte bissig  : Auf den letzten Moment folgt das ›zu spät‹  ; die Grenze sei fließend.50 Schließlich kapitulierte Przemysl am 22. März. Die Abschreckungsstrategie war damit gescheitert. Am 10. April trafen die italienischen Maximalforderungen ein. Damit drohten der Abbruch und das endgültige Scheitern der Verhandlungen. Jetzt spielten die Deutschen ihren letzten Trumpf aus. In den Karpaten war die Lage nach dem Fall Przemysls für die Österreicher kritisch geworden. Man sprach von einem drohenden Durchbruch der Russen in die ungarische Tiefebene. Berlin schlug daraufhin ein Junktim vor  : Es band die Entsendung eines halben Dutzends Divisionen nach Galizien an die Fortsetzung der Verhandlungen mit Rom. Selbst Conrad, der alte Italienhasser, setzte sich inzwischen dafür ein, man müsse die Italiener befriedigen, coute que coute, zumindest aber hinhalten, bis die Offensive in Gang gekommen sei, die mit den versprochenen Verstärkungen anlaufen sollte.51 Doch einmal mehr legten sich Burian und der Kaiser quer. Am 25. April fand eine ergebnislose Aussprache mit den reichsdeutschen Kollegen statt. Conrad forderte wie gewöhnlich ein radikales aut  – aut, nämlich einen Separatfrieden mit Russland auf Kosten der Türkei, verpackt in die Suggestivfrage, Deutschland müsse sich eben entscheiden, welchen Bundesgenossen es lieber opfern wolle.52 Franz Joseph war inzwischen zur Abtretung des Trentino und Aquileias bereit – und das erst bei Kriegsende  ; zu mehr nicht, auch nicht mit Hintergedanken  : Hier machte sich sein Ehrenstandpunkt bemerkbar. In diesen Tagen – und nicht 1914 – ist aus seiner Umgebung mehrfach das Zitat überliefert, dann werde die Monarchie eben anständig zugrunde gehen, und wenn es sein müsse, dann nicht bloß die Monarchie, sondern auch Deutschland.53 Aus dieser gespannten Situation retteten die beiden Verbündeten die Italiener, die am 26. April mit der Entente den Londoner Vertrag unterzeichnet hatten und am 4. Mai formell den Dreibund aufkündigten. Das Resultat konnte jetzt kaum mehr zweifelhaft sein, auch wenn in Wien noch in letzter Minute allerlei Auswege diskutiert wurden  : Zuvor war von einer Mission des

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Thronfolgers die Rede gewesen, jetzt von der Entsendung eines österreichischen Pendants des Fürsten Bülow, des Alt-Außenministers der Jahrhundertwende, des Grafen Agenor Gołuchowski, der mit einer Murat verheiratet war und in Neapel Verwandte hatte.54 Ein Moment der letzten Spannung ergab sich, als die Regierung Salandra am 12. Mai zurücktrat, nicht etwa weil sie ihr Programm als gescheitert ansah, sondern um der potenziellen Opposition in den eigenen Reihen die Zähne zu ziehen. Der frühere Langzeit-Premier Giovanni Giolitti war achtundvierzig Stunden zuvor nach Rom zurückgekehrt  ; eine Mehrheit der liberalen Abgeordneten hatte sich daraufhin beeilt, beim Altmeister der italienischen Politik ihre Aufwartung zu machen und ihre Karten zu hinterlegen  ; Salandra war für Giolitti unter normalen Umständen ein Jausengegner, den er jederzeit stürzen konnte  ; doch gegen den König, der sich vertraglich gebunden hatte, wollte Giolitti nicht Politik machen  ; er lehnte die Betrauung mit der Kabinettsbildung ab und reiste zurück auf seinen Landsitz. Für Salandra erwies sich der Entschluss zum Krieg als Befreiungsschlag gegen den liberalen »Übervater« Giolitti. Er kehrte ins Amt zurück, die Kammer stattete ihn am 20. Mai mit 407 gegen 74 Stimmen mit allen Vollmachten aus.55 Das Bild der Österreicher von der politischen Landschaft Italiens war immer einseitig von einem Ideal monarchischer Solidarität geprägt gewesen  : Sogar nach der Kriegserklärung warf man dem König bloß Schwäche vor  ; eine so junge und unsichere Dynastie könne sich der Volksstimmung nicht entgegenstellen ohne eine Revolution zu riskieren. Die wilden Demonstrationen während der Regierungskrise, von Leuten wie dem Aktionskünstler Gabriele d’Annunzio perfekt inszeniert, schienen dieser Lesart recht zu geben  ; dabei hatte der österreichische Botschafter im Prinzip vermutlich recht mit seiner Annahme, es gäbe in Italien »85 % schweigsame Neutralitätsfreunde, 15 % schreiende Kriegshetzer«.56 Vielleicht war das Zahlenverhältnis nicht ganz so einseitig  : Auch Giolittis schweigende Mehrheit wollte sich vielleicht nur absichern, nicht unbedingt ein pazifistisches Statement abgeben. Doch auch die Massenparteien, die Sozialisten und die Katholiken (die nicht einmal noch ihre Partei hatten, weil sie dem regno d’Italia insgesamt so skeptisch gegenüberstanden) waren keine Kriegstreiber  ; Mussolini war unter den Sozialisten mit seinem Kriegskurs nicht allein, aber eben auch nicht mehrheitsfähig. Er selbst gab einmal zu, die Mehrheit der Italiener sei gegen den Krieg gewesen.57 Das Augusterlebnis, wie immer hinterfragt, hatte in Deutschland und Frankreich eine plausible Kulisse von Burgfrieden und Union Sacrée geschaffen. Wer später in den Krieg eintrat, konnte auf diesen Bonus nicht rechnen. Am 23. Mai folgte die italienische Kriegserklärung. Würde Österreich-Ungarn jetzt anständig zugrunde gehen  ? Die Papierform sprach jedenfalls dafür. In den eingeweihten Zirkeln herrschte eine dementsprechend pessimistische Stimmung, allenfalls ein wenig gelockert durch die Erfolge der deutsch-österreichischen Offensive in Galizien,

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die am 2. Mai eingesetzt hatte. Eine radikal andere Aufnahme fand die italienische Kriegserklärung nur »ganz oben« und »ganz unten«. Franz Joseph gestand seinen wenigen Vertrauten, es sei einer seiner schönsten Momente gewesen, als es mit Italien zum Bruch gekommen sei  ; er habe sich wie von einem Alb befreit gefühlt.58 An der Front aber verlas ein General das kaiserliche Manifest  : »Der König von Italien hat mir den Krieg erklärt. Ein Treubruch ohnegleichen.« In seinem Tagebuch vermerkte er mit Erstaunen  : Truppe reagiert »mit Abscheu und Begeisterung.« Auch der Bankdirektor Spitzmüller notierte  : »… der populärste Krieg, den wir je zu führen hatten.«59 Die Krise, Teil II  : Die Heimatfront

Die militärischen Misserfolge im Herbst 1914 hatten ihre Auswirkungen auch für die »Heimatfront«. Die zumindest langfristig wichtigste davon bestand in einem Erlass vom 28. November, der für Brot und Mehl Höchstpreise einführte, wie bereits seit einiger Zeit von Konsumentenkreisen, insbesondere den Sozialdemokraten gefordert.60 Die staatliche Bewirtschaftung, die damit eingeleitet wurde, erscheint nach den Erfahrungen zweier Weltkriege, samt längeren Perioden von Übergangswirtschaft in den Jahren danach, geradezu als eine Selbstverständlichkeit. Darum ist es nötig, auf einige der charakteristischen Besonderheiten aufmerksam zu machen, die dieses erste Experiment von »Kriegssozialismus« kennzeichneten. Der Zweite Weltkrieg wurde – zumindest auf dem Kontinent – von Regimes ausgefochten, die eine staatliche Lenkung der Wirtschaft im Sinne einer Anspannung aller Kräfte der Nation von vornherein als ihr Ideal ansahen. Zum Unterschied davon waren die Staatsmänner von 1914 in dieser Beziehung alles andere als Überzeugungstäter, selbst wenn sie nicht unbedingt zu den ausgesprochenen Liberalen zählten. Man könnte vielleicht sogar formulieren, das System habe gerade deshalb eine liberale Resultante gehabt, weil Antiliberale aller Schattierungen die Gesetzgebungsmaschinerie blockierten und damit gegen ihren Willen – als Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft – das altliberale Erbe ihrer Vorgänger bewahrten und erhielten. Zugegeben  : Bahn und Post waren personalintensive Staatsbetriebe  ; es gab Schutzzölle und Ansätze von Gemeinwirtschaft auf kommunaler Basis, Marke Lueger  ; man war stolz auf Sozialpolitik, um den Staat seinen Bürgern näher zu bringen und Druck auf die Parlamentarier zu machen, wenn sie sich in nationalen Debatten verloren anstatt produktive »politische Arbeit« zu leisten. Doch gerade weil das altösterreichische Establishment von prinzipiellen Verächtern der sogenannten »Manchester-Schule« durchsetzt war, fällt auf, wie sehr es dennoch deren grundsätzlichen Überzeugungen verpflichtet war. Man war aufgewachsen in einer Gesellschaft mit einer Steuerquote von unter 15 % und hielt sich weitgehend an

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den Grundsatz  : Heilig sei das Eigentum. Vor diesem Hintergrund wurden alle staatsinterventionistischen Maßnahmen mit einem Anflug von schlechtem Gewissen unternommen, wenn auch nicht ohne Stolz auf die Fürsorgepflicht und die patriotische Hingabe, die sich gerade in der Anwendung von Maßnahmen ausdrückte, die normalerweise als verpönt galten, wie das zuallererst natürlich schon für die Aufhebung der Bankakte noch während der Julikrise galt. Das war der große Befreiungsschlag, der es erlaubte, ohne Rücksicht auf Verluste die Druckerpresse zur Finanzierung des Krieges in Gang zu setzen, sprich  : die Kriegskosten über die Inflation auf die Allgemeinheit zu überwälzen, die von ihren Auswirkungen freilich in sozial unverträglich ganz unterschiedlichem Maße betroffen war. Bereits im April 1915 machte sich die Flucht in die Sachwerte bemerkbar, die jede Inflation begleitete  : Findige Anleger nahmen Kredite auf, um Immobilien oder Aktien zu kaufen.61 Hand in Hand mit dem schlechten Gewissen ging die Annahme, dass es sich bei all diesen Maßnahmen um kurzfristige Aushilfen handle, weil der Krieg ja nicht mehr lange dauern könne. Die Verordnung vom 28. November entsprang zwar einerseits dem Eingeständnis, dass er doch nicht ganz so kurz sein würde wie ursprünglich gedacht, sondern wohl noch einen Frühjahrsfeldzug notwendig machen würde  ; sie war, genau genommen, aber auch Ausfluss der Überzeugung, dass er wohl kaum länger als ein Jahr dauern werde. Denn was hier erreicht werden sollte, war noch nicht die Bewirtschaftung im großen Stil, die Erfassung der Vorräte und die Steigerung der Produktion, sondern eine einfache sozialpolitische Maßnahme  : Die städtischen Konsumenten sollten vor Preissteigerungen geschützt werden, wie sie Inflation und Knappheit nun einmal im Gefolge hatten. Kurzfristig mochte diese Maßnahmen ihr Ziel auch erreichen  ; mittel- und langfristig wichen die knappen Güter auf den Schwarzmarkt aus. Erst als zweiter Schritt ergab sich, mit einer gewissen Verspätung, aber unerbittlichen Logik, im Februar 1915 die Erfassung und Beschlagnahmung der Vorräte. Nachdem die Vorräte für den normalen Verbrauch bei Weitem nicht ausreichten, folgte als nächster Schritt die Rationierung, die Einführung von Brotkarten als erste einer langen Reihe von Bezugsscheinen. Doch der Fluch der guten Tat, des Verbraucherschutzes in rein finanzieller Hinsicht, ließ sich nicht mehr gutmachen. Man hatte das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt. Nicht Anreize zur Produktion von Lebensmitteln standen im Vordergrund, sondern Verteilungsgerechtigkeit, Administration des Mangels. Aus der Perspektive des Novembers 1914 ließ sich dagegen auch nichts einwenden  : Produktionsanreize würden ja doch erst nach der neuen Ernte zum Tragen kommen, im Sommer oder Herbst 1915. Bis dahin war der Krieg vorbei. Selbst die Agrarier machten deshalb anfangs gute Miene zum bösen Spiel  : Dieser »Akt des Staatssozialismus« sei notwendig, erklärte der Obmann ihres Reichratsklubs.62 Zwischen den Zeilen konnte man lesen  : Er würde ohnehin bloß den Handel und die Spekulanten treffen. Diese

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extrem kurzsichtige Perspektive, immer noch davon ausgehend, nur für die nächsten paar Monate sorgen zu müssen, um ein augenblickliches Tief zu überwinden, blieb erstaunlich lange vorherrschend. 1914/15 ging es darum, den Ausfall der galizischen Ernte zu kompensieren, die ein Opfer der Kriegsereignisse geworden war. Denn Ostgalizien, Österreichs Anteil an den berühmen Schwarzerdeböden der Ukraine, galt als die Kornkammer Cisleithaniens. 1915 ging es um die aktuelle Missernte, die wohl schon ein wenig mit der lieblosen Behandlung der Landwirtschaft zu tun hatte, denn die österreichischen Hektarerträge brachen ein, die ungarischen nicht (allenfalls konnte man argumentieren, die österreichischen seien vorher auch höher gewesen)  ; 1916 ging es dann um den Ausfall der rumänischen Importe  ; erst 1917 überlegte der Mann, der als österreichische Minimalvariante des »Ernährungsdiktators« von Kaiser Karl berufen worden war, General Ottokar Landwehr v. Pragenau, ob es jenseits der Polemik gegen die Ungarn, die ihre fabelhaften Überschüsse nicht herausrücken wollten, nicht vielleicht doch ein Fehler gewesen war, den Bauern nicht mehr für die Produkte zu bezahlen, die man ihnen wegnahm – so wie es die Engländer getan hatten, nach Österreich das zweite große agrarische Zuschussgebiet.63 Die Brotkarte sollte den Grundbedürfnissen gerecht werden, ein Minimum sicherstellen, das allein zum Überleben nicht einmal ausreichte, sondern nur rund 1300 Kalorien umfasste. Alle übrigen Nahrungsmittel blieben vorerst weiterhin dem Markt überlassen. Das Ergebnis dieser sektoralen Bewirtschaftung war, dass es für Bauern 1915 rentabler wurde, Futtermittel anzubauen und an die Schweine zu verfüttern. Daraufhin wurde im Sommer 1916 die Bewirtschaftung auch auf Vieh ausgedehnt, was auf vermehrten Widerstand stieß. Erst 1917 folgte die Kartoffelkarte – eine Pflanze, die pro Hektar mehr Nährwert lieferte als Getreide, in Österreich aber nicht im selben Ausmaß heimisch war wie im Deutschen Reich (oder in Polen). Der Handelsminister mochte recht haben, wenn er erklärte  : »Österreich ist kein sozialer Staat, die Approvisionierung gehört in den Pflichtkreis der autonomen Verwaltung.« Doch in dieser Grauzone rissen dann teilweise untergeordnete Behörden das Gesetz des Handelns an sich, wie z. B. der tschechische Bürgermeister in Senftenberg, der die Ausfuhr von Zucker aus seiner Stadt verbot  ; die Landbürgermeister konterten prompt mit einem Boykott für Eier und Butter.64 Es fällt auf, dass die Landwirtschaft ganz offensichtlich über keine schlagkräftige Lobby verfügte, um diese Anschläge abzufedern. Zwar gab es die berühmt-berüchtigte Agrarische Zentralstelle des Ritters Alfred Simitsch von Hohenblum, dem Schreckgespenst so manchen österreichischen Ministers. Doch Hohenblums Interesse war auf Handelsverträge fixiert, die er im einträchtigen Zusammenwirken von deutschen und tschechischen Agrariern am liebsten verhindern wollte. Die Gefahren der Bewirtschaftung  – und die Ausschaltung des Parlaments  – hatten seine Organisation

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offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt. Selbst als das Parlament 1917 erneut zusammentrat und der »schweigenden Mehrheit« der Agrarier wieder eine Stimme verlieh, war es um ihre Durchschlagskraft nicht viel besser bestellt, allen Unkenrufen der Sozialdemokratie zum Trotz. Denn die Gewerkschaften waren immer schon zentralistisch organisiert gewesen. Auch die Spitzenverbände der Arbeitgeber, die sich kurz vor dem Krieg noch einmal gründlich zerstritten hatten, vereinigten sich im letzten Kriegsjahr, im Februar 1918, doch noch zum Reichsverband der Industrie.65 Auch der grundbesitzende Adel sammelte sich im Oktober 1917 unter dem Etikett  : »Zentralverband der Waldbesitzer«. (Auch Ex-Außenminister Berchtold war daran beteiligt.) All diese Interessensverbände waren über nationale Streitigkeiten mehr oder weniger erhaben. Allerdings verweigerte bei den Waldbesitzern immerhin ein Teil der staatsrechtlich orientierten Böhmen die Mitarbeit.66 Hohenblums Agrarische Zentralstelle hingegen scheiterte 1918 am deutsch-tschechischen Antagonismus. Die Tschechen schieden aus  ; Hohenblum legte den Vorsitz zurück.67 Die Landwirtschaft war effektiv organisiert nur auf der Ebene der Kronländer. Die Unzufriedenheit mit den Maßnahmen der Regierung war weitverbreitet, aber diffus. Nach außen hin forderten die meisten Kritiker sogar ein noch schärferes Durchgreifen, tendenziell eine Ausdehnung der Bewirtschaftung, zumindest aber ein härteres Vorgehen gegen den Schwarzmarkt, die Schieber, die Privilegierten, die Korruption. Dahinter mochte sich ab und zu auch eine prinzipielle Kritik an den Methoden der Bewirtschaftung verbergen. Bei so manchen Herrenhausmitgliedern ist es schwer vorstellbar, dass sie sich der Misere der Landwirtschaft  – und ihrer Folgen – nicht bewusst waren. Doch eine stärkere Rücksichtnahme auf Marktmechanismen wurde anfangs nur zwischen den Zeilen oder hinter vorgehaltener Hand gefordert. Bewirtschaftung fand freilich nicht bloß in der Landwirtschaft statt, sondern setzte zum Teil schon vorher ein bei kriegswichtigen Rohstoffen wie Buntmetallen, dann dem gesamten schwerindustriellen Komplex von Kohle, Eisen und Stahl. Auch hier bediente sich der österreichische Staat einer der typischen Zwischenlösungen, aus einer Mischung von politischen und pragmatischen Gründen. Die Kriegsgetreideanstalt war eine rein staatliche Institution, die übrigens dem Handelsministerium unterstand, während die Aufbringung des Vieh vom Ackerbauministerium organisiert wurde, das agrarischen Wünschen aufgeschlossener gegenüberstand. Die meisten der »Zentralen« für diese oder jene Rohstoffe oder Branchen stellten hingegen eine Form von »Private-Public-Partnership« dar, von »hoheitlich-privatwirtschaftlichen Hybridkonstruktionen«. Dem Staat fehlte kriegsbedingt einfach das Personal, um eine Ausdehnung seiner Tätigkeit völlig in Eigenregie betreiben zu können, zuweilen auch die Expertise. Man gründete also Gesellschaften von privaten Interessenten und Experten,

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die mit staatlichen Hoheitsrechten ausgestattet wurden, um die Erfassung, Aufbringung und Verteilung knapper Rohmaterialien in die Hand zu nehmen.68 Das Ergebnis konnte sich im Prinzip durchaus sehen lassen. Zum Unterschied vom Agrarsektor wurde auf das nötige Anreizsystem in der Regel sehr wohl Bedacht genommen  : Man konnte in der Kriegswirtschaft gut verdienen und auch die Arbeiterschaft in derlei Betrieben lebte zwar keineswegs in Saus und Braus, schnitt aber besser ab als ihre Kameraden an der Front, oder die misera plebs, die keiner kriegswichtigen Aufgabe nachging. Es gab Anfangsschwierigkeiten, zum Teil wiederum mit der so spät zu Grabe getragen Vorstellung von einem kurzen Krieg erklärbar. So wurde die Errichtung neuer Produktionsstätten noch bis 1916 mit dem Hinweis abgelehnt, bis zu ihrer Fertigstellung sei der Krieg doch längst zu Ende. Doch immerhin  : Die österreichische Stahlproduktion erreichte 1915/16 nie gekannte Höhen und übertraf erstmals die französische. (Dieser Erfolg mochte freilich auch auf unausgenützte Kapazitäten in den Friedensjahren hinweisen.) Auch bei Kohle verzeichnete man – bis zum großen Knick im Herbst 1917 – kaum einen Rückgang.69 Die Kritik an den »Zentralen« speiste sich aus anderen Quellen  : In den Zentralen gaben die Manager der Großindustrie den Ton an, die ihrerseits wiederum eng mit den Großbanken liiert waren  ; der größtmögliche Ausstoß bei knappen Ressourcen ließ sich nun einmal über ›economies of scale‹ erzielen, so wurde argumentiert  ; Großbetriebe wurden bei der Zuteilung von Rohstoffen und Arbeitskräften bevorzugt  ; zuweilen die Produktion auch überhaupt an einem Standort konzentriert. Die mittelständische Wirtschaft  – die z. B. als Brauer oder Baumwollspinner ihr Geschäft kriegsbedingt ohnehin nahezu einzustellen gezwungen war  – verfolgte dieses geschäftige Treiben mit Argusaugen und mit Missvergnügen. Die Zentralen galten als Netzwerke des Insider-Trading, auch ohne Börsen. Schließlich konnte nicht ausbleiben, dass in einem Umfeld, das ganz offiziell fast nur antisemitische Parteien kannte, auch der vermeintliche, vielfach wohl auch tatsächlich jüdische Hintergrund der handelnden Personen zum Gegenstand der Debatte gemacht wurde. Die Kriegsgetreideverkehrsanstalt galt selbst dem Innenminister als »verjudet«. Gewisse Sorten von Spezialstahl durften nur mehr bei Rothschilds in Witkowitz erzeugt werden (sein Werksdirektor über lange Jahre war übrigens ein führender Deutschnationaler, der spätere Handelsminister im Kabinett Schober, Friedrich Schuster)  ; der Firma Petschek, von Kohlenhändlern zu Grubenbesitzern aufgestiegen, gelang während des Krieges der endgültige Durchbruch im nordwestböhmischen Braunkohlenrevier um Aussig  ; sie revanchierte sich durch Zeichnung von Millionensummen an Kriegsanleihe.70 Wir sind mit diesem Exkurs der Entwicklung freilich schon ein wenig vorangeeilt. Im Herbst 1914 machte sich – neben den langsam einsetzenden Mangelerscheinungen – der Misserfolg der österreichischen Waffen auch in einer Erwartungshaltung bemerkbar, die zur anfänglichen deutsch-polnischen Euphorie in einem scharfen

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Kontrast stand. So rechnete der Jungtschechenführer Rašin schon im August zwar ebenfalls mit einem kurzen Krieg, aber mit einem russischen Sieg. Nach dem Verlust Lembergs wurde diese Auffassung in Prag offenbar Gemeingut. Von Kriegsbegeisterung, echter oder gespielter, war bei den Tschechen ohnehin nie die Rede gewesen. In so manchen Äußerungen, die an die Ohren der Behörden drangen, machte sich offene Schadenfreude breit, fielen Worte, die man als verbalen Hochverrat betrachten konnte.71 Das tatsächliche Ausmaß dieser Unmutsäußerungen, im Sinne eines demoskopischen Meinungsbildes zu rekonstruieren, fällt nicht zuletzt deshalb schwer, weil dieser Fragenkomplex von allem Anfang an zum Zankapfel von Politik und Militär geriet. Die Politik repräsentierte in diesem Fall der Statthalter von Böhmen, und ehemalige Ministerpräsident, Fürst Franz Thun, ein Konservativer nicht bloß im weltanschaulichen, sondern auch im parteipolitischen Sinn, sprich  : Mitglied der Partei des böhmischen Adels, die lange Zeit mit den Tschechen verbündet gewesen war und im Landtag ihre Mehrheit garantierte. Diese Bindungen begannen sich unter dem Druck der Kriegsereignisse zu lockern, aber sie bestimmten das Bild Thuns in der deutschösterreichischen Öffentlichkeit. Thun entwickelte sich deshalb bald zur vornehmsten Zielscheibe der Militärs, die seine Ablösung forderten und ohne Rücksicht auf die politischen Gegebenheiten ein scharfes Durchgreifen gegen jegliche Insubordination auch seitens der zivilen Beamtenschaft oder der Zivilisten überhaupt. (Der mährische Statthalter, Baron Bleyleben, war mehr nach dem Geschmack des AOK.) Thun galt als Beschwichtigungshofrat (obwohl er Anfang Oktober selbst schon die Einführung des Standrechts für Böhmen vorgeschlagen hatte), das Militär als Scharfmacher. Der zersetzende Geist im Hinterland wurde für das Versagen tschechischer Truppenteile an der Front verantwortlich gemacht. Diese Lesart war auch »oben« angekommen, sobald Thun deswegen Ende November vom Kaiser zur Audienz befohlen wurde. Im Dezember musste er bereits »Rekriminationen« des AOK beantworten, ob im Repräsentationshaus der Prager Stadtverwaltung tatsächlich Vorbereitungen für den Empfang des Zaren getroffen würden.72 Nach der ruthenischen Landbevölkerung waren nun die tschechischen Städter an der Reihe. Über das Verhalten der Tschechen an der Front herrschte nach 1918 kurioserweise Einigkeit über die Fronten hinweg. Die Altösterreicher sprachen vom »Verrat«  ; in der Tschechoslowakei hielt man das für ein Kompliment, bewies es doch, wie sehr die Tschechen immer schon die Monarchie abgelehnt und die Republik herbeigesehnt hatten. In jüngster Zeit hat sich dafür ein Ausschlag des Pendels in die entgegengesetzte Richtung bemerkbar gemacht  : Die Legende vom Verrat der Tschechen wird als Resultat der übereinstimmenden Propaganda beider Seiten dekonstruiert. Daran ist zweifelsohne richtig, dass es nachweisbaren Verrat, zielbewusstes Handeln im Ein-

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verständnis mit dem Gegner, kaum gegeben hat. Wer sich Jahre später der Tschechoslowakischen Legion anschloss, um dem Leben im unterversorgten und epidemiegefährdeten Gefangenenlager in Sibirien zu entgehen, ließ sich kaum aus diesem Motiv gefangen nehmen, speziell zu einem Zeitpunkt, als es diese Legion noch nicht einmal in der Propaganda gab. Für den Kollaps tschechischer Truppenteile lassen sich in fast allen der untersuchten Einzelfälle plausible und konkrete Gründe anführen, die sich keineswegs auf politische Widersetzlichkeit allein reduzieren lassen. Mit dem Charakter des Vielvölkerstaates haben viele dieser Gründe allerdings sehr wohl zu tun  : Berufsoffiziere hatten die Sprachen ihres Regiments zu erlernen  ; sie dürften das wohl kaum in einem für literarische Ergüsse tauglichen Ausmaß getan haben, aber die Vorschrift bot immerhin die Basis für gewisse Verständigungsmöglichkeiten mit der ihnen anvertrauten Mannschaft. Dazu kam ein eingespieltes Unteroffizierskorps als Mittler. Nach den Verlusten der ersten Kriegsmonate waren die Berufsoffiziere entweder tot oder sie waren befördert worden  ; ihren Platz als Troupiers übernahmen Reserveoffiziere, die über kein solches sprachliches Training verfügten, von den Kadettaspiranten mit ihrer Schnellausbildung (»Hunderttageoffiziere«) einmal ganz abgesehen. So war – um ein prominentes Beispiel zu zitieren – der Reserveleutnant Otto Bauer schon Ende September 1914 Kompaniekommandant (und stolz auf seine militärische Leistung). Anekdotisch schlugen sich diese Kommunikationsschwierigkeiten nieder in den Geschichten von Offizieren, die mit ihrer slowakischen Mannschaft Englisch sprachen, weil manche von ihnen in Amerika gearbeitet hatten oder von der tragischeren, dass man auf ungarische Husaren das Feuer eröffnete, weil man sie für Kosaken hielt.73 Im Falle des ganz überwiegend tschechischen IR 36, das im Sommer 1915 zusammenbrach, hat ein penibler Dissertant nachgerechnet, dass sich zum Zeitpunkt des russischen Durchbruchs kein einziger unverwundeter Offizier mehr bei der Truppe befand, der tschechisch sprach.74 Da überrascht es vielleicht weniger, dass die Gegen­ wehr zu wünschen übrig ließ, noch dazu, wenn ein großer Teil der Truppe aus schlecht ausgebildeten Ersatzreservisten bestand, die erst am Tag zuvor in die Schützengräben eingewiesen worden waren. Hier von Verrat zu sprechen, war nicht zuletzt eine Schutzbehauptung der Führung, die eigene Fehler kaschieren wollten. Sehr wohl lässt sich hingegen argumentieren, dass die Kampfkraft und der Einsatzwille solcher Regimenter notwendigerweise hinter dem von Einheiten zurückblieben, wo Offiziere und Mannschaften eine gemeinsame Sprache sprachen. Soziologische Studien über die Westfront belegen, dass die Truppe zwar oft erbost über die Führung reagierte, ihre Leutnants und Hauptleute aber in die Solidarität der Front miteinbezog und ihren Unmut für Stäbe und Etappe reservierte. Diese oft idealisierte, aber doch nicht zu leugnende Frontkameradschaft musste unter sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten naturgemäß leiden.

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Der Vorwurf, wie er oft gegen die unverlässlichen Mannschaften erhoben wurde, fällt damit in einem gewissen Maße auf die Institution zurück, die es nicht verstanden hatte, die Truppe mit adäquaten Führungskadern auszustatten. Franz Joseph selbst als Armeekenner kommentierte  : »Wissen Sie, das Ganze ist eine Offiziersfrage.«75 Wie immer man es auch dreht und wendet, ein gewisses Schwächemoment lag im multi­ nationalen Charakter der Armee begründet, zumindest sobald die dünne Schicht der gut gedrillten »Profis« durch Landsturmmänner und Reserveoffiziere ersetzt wurde. Allerdings steht die Forschung hier erst in den Anfängen  : Sie hat sich auf die deutsch-tschechischen Kontroversen konzentriert, doch bekanntlich bildeten sowohl Deutsche als auch Tschechen mitsammen immer noch eine Minderheit der Soldaten. Wie stand es z. B. um mehrheitlich slowakische oder polnische Einheiten  ? Ging von der stärkeren Politisierung der  – im Schnitt auch besser gebildeten  – tschechischen Rekruten vielleicht doch ein Impuls aus, der sich in einer stärkeren Distanz zur Monarchie äußerte als es bei den »braven« Bauernvölkern der Fall war  ? Zum Unterschied von den Preußen zogen die »Österreicher« 1914 das erste Mal mit einer Wehrpflichtigen-Armee in den Krieg. Das Liedchen »Pujdeme na Rusa, nevime proc« (Wir ziehen nach Russland und wissen nicht, warum), das tschechische Rekru­ ten beim Ausmarsch sangen, beschrieb einen gängigen Sachverhalt aller bisherigen Kriege  : Soldaten hatten zu kämpfen und sich über die Gründe dafür nicht weiter den Kopf zu zerbrechen. Bloß war diese Devise in einem hoch alphabetisierten Land mit allgemeiner Wehrpflicht und allgemeinem Wahlrecht nicht mehr so leicht aufrecht zu erhalten. Diese Erwägungen ändern nichts daran, dass all diese Unzukömmlichkeiten vom AOK gezielt instrumentalisiert wurden für eine Kampagne gegen Thun, oder sogar als Anlass, um ganz Böhmen in das Gebiet einzubeziehen, wo Kriegsrecht herrschte. Es war ja kein Verdienst des AOK, wenn die Front dem tschechischen Siedlungsgebiet inzwischen bedenklich nahe gekommen war. Der Diplomat Wiesner schimpfte aus dem AOK  : »Stürgkh müßte sich doch dagegen wehren, daß man ihm von hier aus so oberflächlich-dilettantisch ins Handwerk pfuscht«, doch der Ministerpräsident begegnete dem Vorgehen der Militärs nur mit hinhaltendem Widerstand. Thun war ein Kollege und Rivale, den er lange Zeit deckte und im März 1915 schließlich doch ersetzte, als Thun an einer Augenkrankheit zu laborieren begann und beinahe erblindete  ; um dem AOK keinen Vorwand zum Eingreifen zu geben, ernannte Stürgkh schnell den Grafen Max Coudenhove zum Nachfolger Thuns, den Schwiegersohn des Ministerpräsidenten Taaffe, der besser Tschechisch sprach als Thun, auch aus einer konservativen Familie stammte, aber letztendlich doch mehr zur deutschfreundlichen Richtung des Adels neigte.76 Lange vorher schon hatte das Militär den Umstand zu nutzen gewusst, dass die Session des Reichsrates am 25. Juli auch offiziell geschlossen worden war, die Ab-

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geordneten daher ihrer Immunität verlustig gegangen waren und mehrere tschechische Abgeordnete verhaftet, in einer ersten Welle ausschließlich Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei, allen voran ihren Anführer Vaclav Klofáč. Die rechtliche Basis für diese Verhaftungen war umstritten  : Im Nachhinein lassen sich da gewisse Anhaltspunkte finden, die für einen Prozess ausreichten, doch betrafen sie fast alle Episioden, die sich in der Vorkriegszeit abgespielt hatten, wie z. B. die Kontakte des »Antimilitaristen« Klofáč mit dem russischem Nachrichtendienst. Doch seit Kriegsausbruch hatte sich gerade für »panslawistische« Tschechen kein Handlungsbedarf ergeben. Man brauchte bloß abzuwarten, bis die Kosaken am Altstädter Ring auftauchten. Karel Kramář formulierte es klassisch, als er auf die Aufforderung, ins Exil auszuweichen, antwortete  : Er sei kein Mensch, der mit dem Koffer in der Hand in wer weiß was für Hotels herumlungern wolle  ; er warte lieber in Ruhe ab, bis sein Nachbar auf der Krim, der russische Armeekommandant Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, auf dem Hradschin einziehe.77 Die einzige spektakuläre Aktion kam auch nicht aus dem Kreis der üblichen Verdächtigen, sondern aus einer ganz unerwarteten Ecke. Im Dezember 1914 reiste der Abgeordnete und Professor Tomáš Garrigue Masaryk über die Schweiz ins damals ja noch neutrale Italien – und kehrte nicht mehr zurück, sondern gründete im Jahr darauf in London sein Tschechisches National-Komitee, ab Mai 1916 dann zum »tschechoslowakischen Nationalrat« erweitert. Über Masaryk hatte ein Karikaturist eben noch gereimt  : »Doch weil Vergleich mit den Deutschen er predigt/ Ist bei den Tschechen er völlig erledigt.« Sein Sohn Jan, der spätere Außenminister, diente den ganzen Weltkrieg über mit Auszeichnung in der k. u. k. Armee. Der Vater hatte auch ohne Zögern einen Pass ausgestellt erhalten. Masaryks Entschluss ging zumindest zum Teil darauf zurück, dass er mit der russischen Orientierung seiner Landsleute nicht rückhaltlos einverstanden war, sondern die Kontakte nach dem Westen enger knüpfen und eine westlich-republikanische Alternative zu den russisch-monarchistischen Plänen z. B. Kramářs eröffnen wollte.78 Ein ähnlicher Dissens mit den Dissidenten lässt sich auch im Fall des zweiten Komiteegründers im Exil feststellen, des dalmatinisch-kroatischen Politikers Ante Trumbić aus Split, der im Mai 1915 in London ein Jugoslawisches Komitee ins Leben rief. Widerstand gegen den Krieg hätte man zuallererst bei den Serben der Monarchie erwartet, doch gerade aus diesem Bereich liefen verhältnismäßig wenige Hiobsbotschaften ein. Allenfalls hatte ein harter Kern von Aktivisten spätestens anlässlich der Mobilmachung den Weg über die Grenze gefunden. Angesichts des Kriegsrechts war auch hier Ruhe die erste Bürgerpflicht. Tisza verteidigte seine ungarischen Serben gegen einschlägige Verdächtigungen der Militärs  ; in Kroatien war die Serbische Partei weiter Teil der regierenden Koalition  ; ungarische Politiker lobten bis 1918 ihren verlässlichen Opportunismus  ; die beiden serbischen Abgeordneten, die in den öster-

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reichischen Reichsrat gewählt worden waren, ließen sich ebenfalls nichts zuschulden kommen (was nicht verhinderte, dass einer von ihnen eine Zeit lang als Geisel für das Wohlverhalten seiner Landsleute in der Bocche di Cattaro einstehen musste).79 Handlungsbedarf schien nur für Leute vom Schlage Trumbić gegeben, die zwar ein südslawisches Reich anstrebten, aber keinen bloßen Anschluss an Serbien. Sie waren aufgerufen, eine eigenständige Position aufzubauen, die im Fall des Falles ein Verhandlungspotenzial darstellte. Masaryk war der Chef einer eigenen Partei, der Realisten, oft als Ein-Mann-Partei bezeichnet, weil Masaryk ihr e­ inziger Vertreter im Reichsrat war.80 Aber immerhin waren die Realisten nicht bloß in Abb. 4  : Karel Kramář. »Er liebt an Rußland nur die Intellektuellenkreisen überdurchschnitt- Krim / denn davon gehört ein Stückchen ihm« hieß es lich präsent, sondern nahmen eine Art vor dem Kriege. Scharnierfunktion ein zwischen den Nationalsozialisten auf der Linken und den bürgerlichen, liberal-konservativen Jungtschechen, der Partei Kramář, auf der Rechten. Masaryk ließ die Kontakte zu Kramářs Partei auch nicht abreißen, bei allen Unterschieden in der langfristigen Ausrichtung. Trumbić hingegen gehörte der sehr heterogenen Mehrheitspartei der dalmatinischen Kroaten an, die keineswegs insgesamt auf sein Pferd setzte (auch wenn einem von Trumbićs Gesinnungsgenossen, Marko Ćingrija aus Dubrovnik, die zweifelhafte Ehre zuteil geworden war, schon achtundvierzig Stunden vor Kriegsausbruch arretiert zu werden).81 Vor allem aber  : Die dalmatinischen Kroaten machten nicht einmal ein Fünftel der kroatischen Bevölkerung in der Monarchie aus  ; sie waren nicht repräsentativ für die Stimmung der Kroaten im eigentlichen Königreich Kroatien, die gewohnt waren, Serben nicht als potenzielle Verbündete, sondern als Kollaborateure der Ungarn zu betrachten. Das Tüpfelchen auf dem i, oder vielleicht den Paukenschlag, setzte das AOK freilich achtundvierzig Stunden vor der italienischen Kriegserklärung. Es ließ Karel Kramář verhaften, der als führender Kopf der Jungtschechen gewissermaßen als ›Leader of the Opposition‹ bezeichnet werden konnte, selbst wenn dem tschechischen Verband im Abgeordnetenhaus schon lange ein Agrarier (Staněk) vorstand. Kramář war bekannt

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als Bewunderer Russlands, mit einer Russin verheiratet und Besitzer einer Villa auf der Krim (plus einiger Textilfabriken in Böhmen, sein Vermögen wurde auf 3 Mio. Kronen geschätzt). Ironisch war, dass man ihm im Mai 1915 ausgerechnet aus seinen Kontakten zum italienischen Konsul in Prag einen Strick drehen wollte. Kramář hatte aber auch länger und konsequenter als die meisten versucht, den Tschechen einen Platz im altösterreichischen Establishment zu sichern  ; noch 1913 war er mit einem solchen Versuch gescheitert, an seinen Landsleuten, wie er schrieb.82 Seine Karriere ist ein Musterbeispiel dafür, wie situationsbedingt alle Beteuerungen und Unterstellungen von Loyalität und Irredentismus waren. Mit dem Wissen der Nachgeborenen ließe sich rein technisch wohl ein plausibler Anklagegrund finden  ; damals war der Eindruck vorherrschend  – und das wohl zu Recht – hier solle nicht einer Person, sondern eine gesamten Richtung der Prozess gemacht werden. Unabhängig von den juristischen Meriten des Falles stellte sich die Frage, ob es politisch klug war, eine solche zentrale Persönlichkeit des tschechischen politischen Lebens herauszugreifen, um an ihr ein Exempel zu statuieren. Selbst nachrichtendienstlich hätte sich durch diskrete Beobachtung vermutlich mehr erreichen lassen. Aber das AOK war offenbar auf eine Machtdemonstration aus.83 Eine Provokation stellte die Verhaftung Kramářs allerdings für die Politik dar, sprich  : den Kaiser und Stürgkh, die beide erst nachträglich davon erfuhren. Der Kaiser soll wütend gewesen sein. Es wurde angemerkt, es sei »S. Maj. darüber in einer Weise ungehalten, die Bolfras [der langjährige Leiter seiner Militärkanzlei] noch nicht gesehen hat.«84 Freilich, der Monarch erkannte in seinem ausgeprägten Ressortdenken das fait accompli an und sah sich nicht in der Lage, im schwebenden Verfahren gegenteilige Befehle zu erlassen  ; Stürgkh lehnte jede Verantwortung für die politischen Konsequenzen der Verhaftung ab  ; gerade der italienische Kriegseintritt hätte die Möglichkeit für einen Umschwung in der tschechischen öffentlichen Meinung geboten. Angeblich wollte der Ministerpräsident zumindest eine Anzeige auf freiem Fuße bewirken, setzte sich damit aber nicht durch  ; damals, so urteilte einer seiner Minister später, hätte er eigentlich zurücktreten sollen.85 So erreichte die Macht des Militärs um den 23. Mai 1915 ihren Höhepunkt, paradoxerweise und dabei vielleicht doch einer gewissen inneren Logik folgend, am vorläufigen Tiefpunkt der Überlebensaussichten der Monarchie.

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Die k. u. k. Armee hatte bis zum Mai 1915 unter den Erwartungen abgeschnitten  ; ab Mai 1915 übertraf ihr Durchhaltevermögen alle Erwartungen. Der alte Kaiser mit seiner an Götterdämmerung grenzenden stoisch-fatalistischen Unnachgiebigkeit sah sich glänzend bestätigt  : Der Sommer 1915 war für Österreich-Ungarn so etwas wie der Sommer 1940 für Großbritannien  : Ein Aufbäumen nach einer Reihe demütigender Schlappen  : »Their finest hour.« Ein Generalstäbler und späterer Parteigänger der Sozialdemokraten, Oberst Karl Schneller, notierte in seinem Tagebuch  : »Der Krieg im Südwesten hat erst den höchsten moralischen Aufschwung gebracht.«87 Dem »Wunder an der Marne«, dem Rückzug der deutschen Armeen, die knapp vor Paris standen, folgte das Wunder am Isonzo, der Halt für die Italiener, die kurz vor Triest standen – und es auch in dreieinhalb Jahren nicht erreichen sollten. »Wunder« verlangen nach einer Erklärung, die über bloß psychologisch-impressio­ nistische Eindrücke hinausreicht. Sicher  : Der Krieg gegen Italien war populär. Die Empörung über den »Verrat« allgemein. Vor allem aber  : Er stieß auch bei den Natio­ nalitäten auf Resonanz, die dem Slogan vom Kampf der Germanen gegen die Slawen wenig abzugewinnen vermochten. Wenn man in der Militärkanzlei kolportierte, sogar serbische Truppen hätten bei der Nachricht von der italienischen Kriegserklärung ein »Zivio« auf Franz Joseph ausgebracht, so entsprach das vermutlich einer von Wunschdenken getragenen Übertreibung. Doch der kroatische Landtag brachte die Stimmung auf den Punkt, wenn er in einer Resolution davon sprach, es gehe jetzt vor allem einmal darum, slawischen Boden gegen die italienischen Aggressoren zu verteidigen. Zum Kommandanten der Isonzo-Armee wurde Svetozar Boroević ernannt, ein südslawischer Grenzeroffizier, der nach einer Blitzkarriere schon als möglicher Nachfolger Conrads im Gespräch gewesen war. Das wegen seiner umstrittenen Kapitulation vor den Russen aufgelöste Prager IR 28 wurde wieder aufgestellt, nachdem sich seine Reste gegen die Italiener bravourös geschlagen hatten. In Tirol mit seiner eigenen Wehrverfassung wurden die berühmten Standschützen aufgeboten, Freiwillige, die entweder zu alt oder zu jung für den regulären Wehrdienst waren.88 Fazit  : Die »Moral« war besser als bei den Kämpfen im Norden. Daran allein konnte es freilich nicht liegen. Natürlich verdankten die Österreicher viel der Hilfe des »großen Bruders«, freilich in einer Weise, die sich auf dem italienischen Kriegsschauplatz

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nicht unmittelbar bemerkbar machte, ja ihn anfangs sogar schwächte. Berlin hatte bekanntlich Verstärkungen zugesagt, falls die Österreicher bereit wären, durch Verhandlungen mit Italien für ein gewisses Zeitfenster zu sorgen. Falkenhayn stellte dafür acht zusätzliche Divisionen zur Verfügung  ; mehr noch  : das Know-how, das man inzwischen im Westen erworben hatte, was den Stellungskrieg und den Einsatz schwerer Waffen betrifft. Der Technologietransfer erwies sich als das entscheidende Moment  ; diese Dichte an Artillerie war an der Ostfront bisher unerreicht. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice begann am 2. Mai 1915  ; damit kam sie zu spät, um die Italiener noch groß zu beeindrucken, die ihre Entscheidung längst getroffen hatten  ; aber der Durchbruch gelang. Die Speerspitze des Erfolgs waren die deutschen Verbände  ; der Plan stammte von Conrad (und von den Eisenbahnverhältnissen  : Anderswo ließen sich Truppenmassen kaum rasch zuschieben und versorgen).89 Die Offensive war mit Blick auf Italien unternommen worden  ; nach dem Anfangserfolg emanzipierte sie sich von dieser Gründungsgeschichte. In einer Entscheidung, die nun allerdings äußerst gewagt war, beschlossen Conrad und Falkenhayn zwischen 18. und 20. Mai, das Eisen zu schmieden, solange es heiß war, und die Offensive in Galizien fortzusetzen, ohne Rücksicht darauf, was die Italiener inzwischen unternehmen würden. Nur drei oder vier österreichische Divisionen wurden nach Südwesten in Marsch gesetzt. Das entsprach – sehr zum Unterschied vom August 1914 – dem Prinzip der Konzentration der Kräfte  ; es bedeutete dennoch ein Vabanquespiel, freilich eines, das sich bezahlt machte. Der Feldzug im Anschluss an Tarnow-Gorlice wuchs sich zum größten Einzelerfolg dieses Krieges aus  : Ein Monat später, am 22. Juni, wurde Lemberg zurückerobert  ; sechs Wochen darauf fiel Warschau. Dabei verdankte sich dieser Entschluss, alles auf eine Karte zu setzen, nicht allein der seltenen Einigkeit zwischen Conrad und Falkenhayn, sondern mindestens ebenso sehr der Uneinigkeit ihrer politischen Herrn und Meister. Den Deutschen brannte das Problem der Dardanellen unter den Nägeln  : Seit Monaten bombardierte und bestürmte eine britisch-französische Expedition den Eingang zu den Meerengen  ; die Türken verteidigten sich hartnäckig, doch ihre Achillesferse war der Mangel an Munition, insbesondere an Artilleriegeschossen. Ein Durchbruch der Briten würde nicht bloß das Regime in Konstantinopel kippen, sondern Russland mit den Hilfsquellen des Westens verbinden, was sonst nur höchst umständlich über die Arktis möglich war, wo Kriegsgefangene in der Tundra an der Murmanskbahn schufteten. Jagow kam daher auf sein Lieblingsprojekt einer Operation gegen den Negotiner Zipfel Serbiens zurück, der Österreich-Ungarn von Bulgarien trennte  : »Daran hängt meo voto 2/3 des Erfolgs des ganzen Krieges.«90 Die Österreicher, nach zwei gescheiterten Offensiven gegen Serbien mehr denn je gebrannte Kinder, lehnten ab. Ohne bulgarische Unterstützung werde man am Balkan nichts mehr unternehmen. Im Gegenzug verzichtete man in Österreich jedoch auch auf eine stärkere Berücksichtigung der italienischen

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Front, sondern setzte den Feldzug von Tarnow-Gorlice fort. Der große Erfolg entsprang einem politischen Patt, als kleinster gemeinsamer Nenner. Tarnow-Gorlice erklärt die Renaissance der österreichischen Lebensgeister im Allgemeinen, doch keineswegs ihr mirakulöses Durchhalten im Südwesten. Dazu bedurfte es keines Geniestreichs, sondern einer Mehrzahl von Faktoren, die kumulativ ihre Wirkung entfalteten. Die Italiener verfügten auf dem Papier über 36 Divisionen  ; davon kamen anfangs bloß 24 zum Einsatz  ; erst Mitte Juli war die Armee komplett. Die Koordination zwischen Politik und Militär in Italien ließ zu wünschen übrig  ; die sogenannte stille (»rote«) Mobilmachung ab 1. März trug nichts zur Effizienz des Aufmarsches bei. Wenn die bisherigen Kämpfe den Österreichern schon keine Lorbeeren eingebracht hatten, so doch eine gewisse Kriegserfahrung. Artilleristisch gesehen, waren die Österreicher allen anderen Großmächten 1914 unterlegen  ; anders stand es mit den Maschinengewehren, der Abwehrwaffe par excellence. Die Öster­ reicher verfügten davon anfangs genauso wie die Preußen oder die Russen über zwei Stück pro Bataillon, noch dazu von einem ausgezeichneten Modell  : Schwarzlose. Nicht so die Italiener  : Sie hatten ihre MGs bei den Engländern bestellt  ; doch die Lieferungen wurden mit Kriegsausbruch storniert.91 Schließlich machte sich ein statistisches Verwirrspiel bemerkbar, wie es in der gängigen Statistik nach Divisionen nicht aufscheint. Österreich-Ungarn nützte sein »Menschenmaterial« keineswegs optimal aus  : Frankreich, mit einer kleineren Bevölkerung von unter 40 Millionen, vergrößerte seine Armee rasch von 60 auf 110 Divisionen  ; Deutschland expandierte von ca. 100 bis auf ca. 240  ; Österreich-Ungarn von etwas über 50 auf knapp 70. Frankreich bildete in Friedenszeiten über 80 % seiner Jahrgänge militärisch aus, Deutschland immerhin noch über 50 %, Österreich-Ungarn kaum 30 % (Russland allerdings noch weniger).92 Die Monarchie verfügte als einzige Großmacht über keinerlei Kader für Reservedivisionen. Die neu ausgebildeten – oder eben kaum ausgebildeten – Mannschaften wurden fast ohne Offiziere in Marschbrigaden an die Front geschickt  ; Österreich-Ungarn erlitt fast die Hälfte seiner blutigen Verluste im ersten Kriegsjahr  ; Hunderttausende Gefangene und hohe Krankenstände taten das Übrige, um die Stagnation von Habsburgs Wehrmacht im internationalen Maßstab zumindest einigermaßen zu erklären. Das war freilich nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite bestand in den stillen Reserven, auf die man in einem Notfall wie Italien zurückgreifen konnte  ; Öster­reich-Ungarn verfügte über einen relativ hohen Anteil von Soldaten, die nicht in regulären Divisionen organisiert waren. Das begann mit den Gebirgsbrigaden und setzte sich gerade am Balkan und an der Küste in einer Reihe von Garnisonen und Detachments fort, die zusammengerechnet eine nicht unbeträchtliche Stärke erreichten. Conrad beging nach Ansicht seiner Mitarbeiter einen schweren taktischen Fehler, als er im Gespräch mit Falkenhayn in einem unbewachten Moment zugab, auch nach

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Abzug fast aller mobilen Divisionen von der Balkanfront im Februar stünden dort noch immer fast 200.000 Mann – über viel mehr verfügten die Serben auch nicht.93 Den Kern der Isonzo-Armee bildeten diese Truppen von der Balkanfront, die im Mai 1915 fast völlig abgezogen wurden, samt ihrem Kommandanten, Potioreks Nachfolger Erzherzog Eugen, Friedrichs Bruder, einem Mitglied des Erzhauses und katholischen Ordensritter, der mit seinem Generalstabchef Alfred v. Krauss, einem schroff-freigeistigen Alldeutschen, ein unwahrscheinlich kongeniales Team bildete. Freilich  : Wenn man ein Loch stopfte und dafür ein anderes öffnete, dann stellt sich die Frage, warum jetzt nicht zumindest am Balkan die Katastrophe drohte  ? Die Öster­ reicher bereiteten vorsorglich schon die Räumung Sarajewos vor, zumindest durch alle Zivilbeamten, nahmen den Befehl dann aber doch zurück.94 Zum einen waren die Serben von ihren Erfolgen ebenfalls stark mitgenommen worden, zum anderen im Winter 1914/15 von einer Typhusepidemie heimgesucht, die offenbar noch ärger wütete als unter den österreichischen und russischen Truppen in Galizien. Zu guter Letzt aber spielten wohl doch auch politische Faktoren eine Rolle  : Die Serben mochten nicht gerade »Zivio Franz Joseph« rufen, wie ihnen unterstellt wurde, aber sie machten aus ihren Antipathien für den neuen italienischen Verbündeten keinen Hehl. Russlands Außenminister Sazonow hatte im Vorfeld des Londoner Vertrages so manche Sträuße mit den Italienern ausgefochten, als es um die Abgrenzung ihrer Ansprüche in Dalmatien ging. Die Serben betrachteten die Italiener nicht als Verbündete, sondern in erster Linie als Konkurrenten. Pasić ließ sich im Zuge der Verhandlungen tatsächlich einmal dazu hinreißen, im Zweifelsfall würde er lieber unter österreichisch-ungarischer Herrschaft leben als unter italienischer. Die italienische Kriegserklärung beantworteten die Serben nicht mit einem Einfall in Bosnien, um Österreich-Ungarn den Todesstoß zu versetzen, sondern mit einer Invasion des formell unabhängigen, politisch seit Kriegsausbruch verwaisten Albaniens, um den Italienern, die 1914 bereits Valona besetzt hatten, bei der Aufteilung der Beute zuvorzukommen (denn von Albanien stand im Londoner Vertrag nichts). Niemand anderer als der Schwiegervater Viktor Emanuels, König Nikita von Montenegro, gab mit der Besetzung Skutaris den Startschuss, was die Italiener so sehr empörte, dass sie ihren Gesandten aus Cetinje abberiefen.95 Schließlich ging es um den Hund, der nicht bellte, nämlich ein weiteres Mal um Rumänien, das seine Politik gerne mit Italien koordiniert hätte. Im Winter wurde zwischen Rom und Bukarest auch tatsächlich ein entsprechender Vertrag abgeschlossen  ; ohne fixe Bindungen, ging man doch davon aus, dass beide Länder gleichzeitig in den Krieg eintreten würden. Der Informationsfluss kam zum Erliegen, sobald die italienischen Verhandlungen nach beiden Seiten ein gewisses Maß an Komplexität erreichten. Immerhin konnten die Österreicher ihrerseits aus den abgefangenen Telegrammen zwischen Rom und Bukarest wertvolle Erkenntnisse schöpfen. Die Ru-

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mänen hielten sich gar nicht erst mit diplomatischem Geplänkel auf, das als Absprungbasis für den Kriegseinritt herhalten könnte  ; sie stießen dafür auf noch größere Schwierigkeiten mit den Russen als die Italiener. Siebenbürgen war den Rumänen ja schon im Vorjahr versprochen worden  ; für den Kriegseintritt benötigte man einen Zusatzanreiz. Bratianu verlangte Czernowitz, die halb ukrainische Bukowina im Norden, Temesvar, das halb serbische Banat im Süden Siebenbürgens. Doch die Russen – von den Serben gar nicht erst zu reden – erwiesen sich in dieser Hinsicht als unzugänglich. Während diese zähen Verhandlungen noch im Gang waren, ging in Galizien die Offensive von Tarnow-Gorlice los. Rumänien, so hatte Burian dozierte, wolle Zünglein an der Waage spielen, aber »Zünglein erst an der sich schon stark neigenden Waage«.96 Diese Perspektive schien durch die unerwarteten österreichischen Erfolge infrage gestellt. Jetzt war Vorsicht wiederum der bessere Teil der Tapferkeit. Rumänien trat im Mai 1915 nicht in den Krieg ein, sondern verlegte sich ein weiteres Jahr aufs Abwarten. Auf die italienische Diplomatie wirkte das Abschwenken Rumäniens als Schock. Der Generalsekretär der Consulta, des italienischen Außenministeriums, verfasste am 9. Mai eine Notiz  : »Ohne Rumänien kann und darf Italien nicht in den Krieg eintreten.«97 Doch für Italien waren mit dem Londoner Vertrag und der Kündigung des Dreibundes die Würfel bereits gefallen. Allzu kurzfristig-offenkundigen Opportunismus konnte sich eine Großmacht, die als solche ernst genommen werden wollte, nicht leisten. Diese Balkanperspektiven erklären einen großen Teil der Enttäuschungen für die Italiener, die über die ersten paar Kilometer nicht hinauskamen – und zu einer wirklich groß angelegten Offensive auch erst in der 3. Isonzoschlacht im Herbst ansetzten, als Polen schon verloren war, für die Russen nämlich. Dieser Erfolg im Norden hatte schon in den ersten Wochen massiv zur Abschreckung Rumäniens beigetragen  ; sein Ausreifen im Sommer zeitigte weitere, unmittelbare Auswirkungen auf die politischen Konjunkturen am Balkan. Bulgarien und Rumänien hatten einander bisher wechselseitig neutralisiert  : Rumänien hatte Bulgarien zu verstehen gegeben, spätestens seit dem türkischen Kriegseintritt, dass es einem Angriff auf Serbien nicht tatenlos zusehen werde  ; für die Rumänien war der Gedanke an die bulgarische Armee in ihrem Rücken ebenfalls höchst ungemütlich bei all ihren Überlegungen, allenfalls militärisch gegen Österreich vorzugehen. Bulgarien war der Staat, der mehr als die anderen umworbenen Neutralen auch tatsächlich eine Wahl hatte, nicht bloß zwischen Neutralität und Kriegseintritt, sondern zwischen beiden kriegführenden Parteien, mit einer gewissen Schlagseite zu den Mittelmächten, zweifellos, doch mit keiner unüberwindlichen. Immerhin hatte Zar Ferdinand währen der Balkankriege nicht bloß die versäumte Möglichkeit betrauert, Serbien von der Landkarte verschwinden zu lassen, sondern auch mit einem Einzug in Konstantinopel geliebäugelt, als Nachfahre der byzantinischen Kaiser. Die Türken

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hatten im September vor ihrem Kriegseintritt noch einen Freundschaftsvertrag mit Sofia unterzeichnet, doch auf die Unabänderlichkeit dieser Bezeugungen würde niemand große Summen wetten. Der Durchbruch durch die Dardanellen war von Churchill und den Briten ursprünglich nicht als Landungsoperation gedacht, sondern als Möglichkeit, die Kampfkraft all der veralteten Schlachtschiffe der Vor-Dreadnought-Ära zu verwerten, über die Großbritannien im Überfluss verfügte  ; gleich fünf von ihnen im ersten Anlauf zu verlieren, war dann doch ein bisschen zuviel (außer für Churchill). Die Landstreitkräfte, sofern nötig, sollten ursprünglich vor Ort rekrutiert werden. In erster Linie dachte man dabei an Griechenland, das mit den Osmanen noch von den Balkankriegen her einen ungelösten Streit um die ägäischen Inseln auszufechten hatte und seit Langem gegen die Türken rüstete. Die Griechen freilich fürchteten die Bulgaren, die ihre Ansprüche auf das thrakische Gebiet leicht erneuern könnten, jetzt, wo Serbien anderweitig beschäftigt war. Auf Drängen der Entente ließ sich der griechische Premier Venizelos deshalb zu einem Angebot herab, den Bulgaren das Gebiet um Kavalla abzutreten  : Er untermauerte den unpopulären Verzicht vor der Öffentlichkeit statistisch  : Man gebe 30.000 Griechen auf und könne in Kleinasien und den Inseln 800.000 Griechen befreien.98 Daraufhin machten ihm am 6. März, offenbar unabhängig voneinander, gleich zwei gekrönte Häupter einen Strich durch die Rechnung  : Zum einen der Zar Nikolaus, der sich jegliche Einmischung von Griechen oder Bulgaren in Konstantinopel verbat  : Die Meerengen und alles, was dazu gehörte, seien Russland als Kriegsziele zugesichert worden, das ein entsprechendes Landungskorps bereithielt, sobald die britische Flotte sich den Weg durch die Dardanellen gebahnt  – und den deutsch-türkischen Dreadnought (die »Goeben«, jetzt »Yavuz«) ausgeschaltet hatte, der das Schwarze Meer unsicher machte. Zum anderen aber Venizelos‹ eigener König, Konstantin, ein Schwager Wilhelms II., der gegen einen Kriegseintritt war und das Angebot von Kavalla als willkommenen Vorwand benützte, den ungeliebten Premier zu entlassen und Neuwahlen auszuschreiben (die Venizelos im Sommer dann freilich knapp, aber doch gewann).99 Die größte Gefahr für die Mittelmächte war mit diesem 6. März 1915 vermutlich vorübergegangen. Doch die Westmächte ließen nicht locker  : Der Wert der bulgarischen Unterstützung vergrößerte sich, sobald sich der Schwerpunkt des DardanellenUnternehmens auf die Operationen zu Lande verlegte und die Briten, sprich  : die Australier und Neuseeländer, die hier eingesetzt waren, auf der Halbinsel Gallipoli noch auf den Stränden liegenblieben.100 Der Lockvogel für Bulgarien bestand in einer Revision des Bukarester Friedens, sprich  : einer Abtretung von Teilen Mazedoniens, die Bulgarien ursprünglich zugesagt und nach dem Zweiten Balkankrieg vorenthalten worden waren. In dieser Beziehung waren die Mittelmächte freilich im Vorteil, die

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Bulgarien am 6. Juni auf eine Weise Mazedonien zusicherten, wie es die Russen im Herbst mit den Rumänen und Siebenbürgen getan hatten, als Preis allein schon für ihre (wohlwollende) Neutralität. Die Entente tat sich da schwerer, wenn sie ihren tapferen serbischen Verbündeten um den Löwenanteil seiner Gewinne aus den Balkankriegen erleichtern wollte. Wiederum spitzte sich die Frage, wie bei Italien, auf die Frage zu, wann denn diese Gebiete den Besitzer wechseln sollten  : Die Bulgaren bestanden auf Barzahlung, einer Übergabe hic et nunc  ; der Gedanke an eine etwaige serbische Revanche spielte hier eine geringere Rolle  : Die Garantie der siegreichen Großmächte genügte. Auf diesem Sektor konnte die Entente den Mittelmächten allerdings den Rang ablaufen, wenn sie Bulgarien den Leckerbissen Mazedonien auf dem Präsentierteller servierte, ohne dass es dafür irgendwelche militärischen Anstrengungen unternehmen müsse. Dazu benötigte die Entente freilich das, wenn auch noch so widerstrebende, Einverständnis Serbiens. Doch Pasić war – ganz wie die Österreicher gegenüber Italien – allenfalls bereit, einen Teil Mazedoniens herzugeben beim Friedensschluss, sobald Serbien auch tatsächlich in den Besitz Bosniens, des Meereszugangs und der anderen schönen Dinge gekommen war, die ihm in Aussicht gestellt wurden. Der serbische Ministerpräsident beharrte darauf, man könne nichts Gewisses für etwas Ungewisses hergeben, selbst dann, als der russische Botschafter den Kontrast beschwor zwischen der glänzenden Zukunft der Südslawen und den paar armseligen Bergdörfern, um die es da in Mazedonien ginge.101 Ein ähnliches Problem, wenn auch in viel geringeren territorialen Dimensionen, ergab sich für die Mittelmächte in der anderen Richtung  : Mazedonien herzuschenken war für sie kein Problem, doch Bulgarien verlangte auch eine Grenzrevision gegenüber der Türkei, an der Maritza bei Adrianopel, das es 1913 im Ersten Balkankrieg erobert und dann im Zweiten Balkankrieg wieder verloren hatten. Dabei ging es um strategische Gesichtspunkte, Bahnlinien, die Bulgarien brauchte, um seinen Ägäishafen optimal nützen zu können, nicht in erster Linie um ethnische Konflikte. Aber auch hier erwiesen sich die Verhandlungen als überaus zäh, insbesondere angesichts der türkischen Not an Kriegsmaterial, verglichen mit den lumpigen paar Quadratkilometern, um die es in Thrazien ging. Das Verhältnis der Mittelmächte zu den Balkanfragen folgte inzwischen weiterhin dem Muster, das sich seit dem türkischen Kriegseintritt herauskristallisiert hatte  : Deutschland war der drängende Part, der unbedingt und möglichst rasch die notwendige Verbindung nach Konstantinopel herstellen wollte. Burian war jeder Panikmache abgeneigt und wurde darin auch von seinen Kritikern unterstützt, wie z. B. Gottfried Hohenlohe, der schrieb, er halte es »für einen Fehler der Wilhelmstraße, den Balkanstaaten ihre Wichtigkeit ausdrücklich vor Augen zu führen.«102 Im Vordergrund stand dabei immer noch Rumänien. Anfang Juni hatte Czernin noch einmal versucht, den Rumänen den Kriegseintritt aufseiten der Mittelmächte

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schmackhaft zu machen  : »Ich komme nicht mit einer Bitte, sondern mit einem für beide brillanten Geschäft«, erklärte er dem rumänischen Ministerpräsidenten Bratianu. Doch auch er erkannte bald, dass ein solches Unterfangen ohne ein Zubrot in Form von Gebietsabtretungen in Siebenbürgen, nicht bloß von Teilen der Bukowina, aussichtslos wäre. Die Aussicht auf die Eroberung Bessarabiens, das Russland den Rumänen 1878 abgenommen hatte, allein reiche da nicht aus. Wenn es die militärische Lage gestatte, könne man Rumänien immer noch im geeigneten Moment vor ein Ultimatum stellen, sich entweder den Mittelmächten anzuschließen oder den Einmarsch zu gewärtigen, wie es Tisza immer wieder anregte (und dabei auf die Beteiligung Bulgariens hoffte). Sei das nicht möglich, solle man jegliches Drängen einstellen, um keinen Bruch im unrechten Moment zu provozieren. Die deutsche Seite wollte das Drängen freilich keineswegs einstellen  : Am 25. Juni erschienen Bethmann und Jagow in Wien und überredeten Burian zu einer Anfrage in Bukarest, welchen Preis Rumänien fordere, nicht für seine Beteiligung am Kriege, sondern bloß für die Erlaubnis zur Munitionsdurchfuhr in die Türkei. Gebietsabtretungen als Belohnung für die Transiteraubnis allein zog Burian deshalb allerdings immer noch nicht ins Kalkül. Zu seiner Erleichterung beantworteten die Rumänen die Frage ausweichendabschlägig.103 Doch inzwischen hatte sich ein neuer Verhandlungsgegenstand ergeben, der zu einem beinahe atemberaubenden Poker führte. Rumänien hatte riesige Ernteüberschüsse noch aus dem Vorjahr, auf bis zu 5 Millionen Tonnen geschätzt, die es nicht exportieren konnte, seit die Türken die Sperre der Meerengen verfügt hatten. Die Vorräte blockierten die Lagerhäuser und die Frachtwaggons  ; man wisse nicht, wohin mit der neuen Ernte. Die Mittelmächte, allen voran Österreich-Ungarn, seien der einzig mögliche Abnehmer. »Wenn wir anstatt unser Gebiet anzubieten, ihre Ernte aufkaufen, werden wir ihnen mehr imponieren«, war sich Burian sicher. Dieses Druckmittel gelte es zu nutzen  : »Die Rumänen müssen mit jedem Tag, der uns der neuen Ernte näher bringt, fügsamer werden«, schrieb Czernin am 7. Juli.104 Die Chutzpah lag natürlich darin, dass Österreich seinerseits jeden Bissen Brot wie einen Bissen Brot brauchte und es sich im Prinzip gar nicht leisten konnte, auf derlei Zufuhren zu verzichten. 5 Millionen Tonnen – das war mehr als der Jahresbedarf der österreichischen Reichshälfte. Das kokette Zögern Burians und Czernins sorgte da für Unverständnis nicht bloß bei Jagow, dem Burian umgekehrt vorwarf, mit seinem Drängen die Preise zu verderben, sondern auch bei Stürgkh, der nachträglich einen Seufzer der Erleichterung vom Stapel ließ  : »Bisher ist es uns glücklicherweise gelungen, unsere Not vor der rumänischen Regierung soweit zu kaschieren, daß sie sich der ganzen Größe unserer Abhängigkeit vom Import offenbar nicht bewußt geworden ist.«105 Nur über die Umsetzung des Manövers waren Czernin und Burian unterschiedlicher Ansicht. Czernin wollte den liberalen rumänischen Ministerpräsidenten Bra-

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tianu zum Sündenbock dafür stempeln, dass es mit der Ausfuhr nicht klappte und eine »Agrarrevolution« auslösen, wohlgemerkt eine Agrarevolution von oben, »durch alle großen Bojaren«  ; und mit dem Konservativen Alexander Marghiloman ein Ministerium an die Macht bringen, das den Mittelmächten prinzipiell wohlgesonnen war, dem man aber rechtzeitig alle möglichen Zusagen machen müsse, um mit dem innenpolitischen Umschwung auch gleich den Kriegseintritt Rumäniens aufseiten der Mittelmächte unter Dach und Fach zu bringen.106 Burian waren derlei Eventualitäten zu unsicher  ; für eine rein »supposive Kombination« mit Marghiloman wolle er keine Zusagen machen  ; der Getreideexport müsse erst einmal Wurzel fassen, bevor man aus politischen Gründen mit seiner Unterbrechung drohen könne  ; ideal wäre es allerdings, wenn der Export über eine »uns auch politisch dienstbar zu machende Interessensvertretung« abgewickelt werde, nicht über staatliche Stellen. Inzwischen unterhandelte Burian über einen Sondergesandten, Baron Bornemisza, mit dem Finanzminister Costinescu, der als Ententefreund verrufen war, aber aus purer Notwendigkeit schon Mitte Juni selbst den Verkauf der Maisernte aufs Tapet gebracht hatte. Mitte Juli stimmten die Rumänen einem geheimen Transitabkommen zu  : Munitionstransport – natürlich nicht  ; aber zivile Maschinen, warum nicht  ? – nämlich die Drehbänke, die benötigt wurden, um die Munition vor Ort in der Türkei herzustellen. Der Getreideexport wurde von Transportproblemen noch ein wenig verzögert, mündete aber im Dezember in ein Lieferabkommen, das im ersten Halbjahr 1916 nahezu ausschließlich für die Belieferung der österreichischen Reichshälfte verantwortlich war.107 In den Wochen, als Burian und Czernin um Liefer- und Transitabkommen pokerten, fielen hinter den Kulissen auch schon die militärpolitischen Entscheidungen. Die Russen hatten zwar zu guter Letzt doch noch ihr Einverständnis gegeben, den Rumänen die Bukowina und das Banat zu versprechen, was immer ihr Herz begehrte, wenn sie sich bloß der Entente anschlössen. Zu spät  – Bratianu höhnte nur  : »Was wollen Sie, in fünf Wochen haben sich die Russen vielleicht bis Kiew zurückgezogen oder hinter Warschau und Riga …«108 Das war am 22. Juli  ; am selben Tag entschloss sich auch Ferdinand von Bulgarien zum entscheidenden Schritt  : Er ordnete die Entsendung einer Militärmission ins deutsche Große Hauptquartier nach Pleß an. Eine zweite Landung der Entente auf der Halbinsel Gallipoli, am 6. August, die sich bald ebenfalls als Rohrkrepierer herausstellte, brachte noch einmal ein Element der letzten Spannung, das Ferdinand benützte, seine Forderungen hinaufzuschrauben  : Der bulgarische Anteil an der Beute umfasste jetzt nicht bloß Mazedonien, sondern halb Serbien  ; sogar von Ambitionen auf den albanischen Thron für den jüngeren Sohn Ferdinands war die Rede. Bezeichnenderweise sträubte sich Burian gegen diese allzu weitreichenden Konzessionen, bis die deutsche Seite drohte, ohne Rücksicht auf »das unausrottbare Gefühl der Pickiertheit« in Wien, gegebenenfalls werde man auch ohne die Österreicher unterschreiben.109

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Man kann lange spekulieren, ob Bratianu den Sprung gewagt hätte, wären die Russen schon im Frühjahr auf seine Forderungen eingestiegen  ; oder ob Ferdinand für die auf den ersten Blick gefahrlosere Variante optiert hätte, wenn man ihm Mazedonien seitens der Briten und Russen nicht bloß versprochen, sondern schlüsselfertig übergeben hätte. Möglich ja, aber nicht wahrscheinlich  : Voraussetzung für alle diese Händel war nicht bloß die Höhe des Preises, sondern die Bonität des Schuldners. Nur ein Abkommen mit dem Sieger rentierte sich wirklich. In diese Beziehung war die Aufwertung der Balkanstaaten ihnen selbst fast schon unheimlich, sobald es den Anschein gewann, als ob Bulgarien oder Rumänien über Sieg und Niederlage der Großmächte entschieden, während sie doch bloß den richtigen Zeitpunkt abwarten wollten, an dem die Waage sich kaum merklich, aber endgültig zu neigen begann. Verglichen mit dem bisherigen Kriegsverlauf war die Neigung der Waage im Sommer 1915 dramatisch genug. Der griechische König, von den Machinationen der Entente immer mehr abgestoßen, formulierte es gegenüber dem britischen Botschafter mit unverhohlener Schadenfreude  : Man möge zur Kenntnis nehmen, die Deutschen hätten den Krieg einfach gewonnen.110 Diese Erkenntnis sollte nicht das letzte Wort bleiben, wie wir wissen  ; im Sommer 1915 freilich wirkte sie wie eine »self-fulfilling prophecy«. Am 6. September schloss Bulgarien seine Allianz mit den Mittelmächten  ; die Entente verschlimmerte das Übel, als sie den Serben untersagte, mit einem Präventivschlag gegen die Bulgaren zu antworten, solange deren Mobilmachung noch nicht abgeschlossen war. Ein bulgarischer Angriff gegen die Serben hätte dem Wortlaut ihres Bündnisses nach nun allerdings die Griechen zum Eingreifen bewegen müssen. Dort hatte Venizelos nach den Wahlen sein Comeback als Premier gefeiert. Doch er überreizte sein Blatt und wartete die bulgarische Offensive nicht ab, sondern lud die Entente schon vorher zur Entsendung eines Hilfskorps nach Saloniki ein, der sogenannten Orient-Armee. Der österreichisch-ungarische Gesandte in Athen, Szilassy, konstatierte ein politisches Abtreibungsmanöver  : Durch sein vorzeitiges Aufrollen habe Venizelos den casus foederis »vor seiner Geburt getötet«.111 Denn der König entließ Venizelos am 5. Oktober ein zweites Mal Knall auf Fall. Als die Franzosen am selben Tag in Saloniki an Land gingen, fanden sie sich als Invasoren in feindseliger Umgebung wieder. Achtundvierzig Stunden später begann der konzentrische Angriff auf Serbien  ; die Orient-Armee vermochte sich den Weg zu den Verbündeten nicht mehr freizukämpfen  ; die Reste der serbischen Armee, noch gut 100.000 Mann, schlugen sich unter enormen Strapazen quer durch das winterliche Albanien an die Adriaküste durch  ; von dort wurden sie in einem amphibischen Unternehmen, das einmal als »österreichisches Dünkirchen« bezeichnet wurde, von Entente-Schiffen zur Rekonvaleszenz nach Korfu transportiert, wo einst »Sisi« und Kaiser Wilhelm ihren Urlaub verbracht hatten.112

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Die Österreicher hatten sich an diesem Feldzug in ihrer ureigensten Interessenssphäre nicht mit nennenswerten Kräften beteiligt  : Das ursprüngliche vereinbarte Kräfteverhältnis von je sechs deutschen, bulgarischen und österreichisch-ungarischen Divisionen musste auf 6 : 6   : 3 reduziert werden. Militärische Lorbeeren holten sich die Österreicher erst im Jänner 1916, als sie den Lovcen erstürmten und das kleine Montenegro zur Kapitulation zwangen. Die Deutschen hätten mit König Nikita gerne einen »Erstlingsfrieden« abgeschlossen  ; Conrad, der ganz Montenegro annektieren wollte, bestand auf bedingungsloser Kapitulation  ; Nikita erleichterte ihm das Spiel, als er nicht mit seiner Armee in Gefangenschaft ging, sondern nach Frankreich floh.113 In Serbien plädierte Jagow für einen großzügigen Frieden nach »Nikolsburger Muster«, allerdings verbunden mit einem Dynastiewechsel  : Wie überall sonst auf der Balkanhalbinsel sollten »europäische Monarchen« eine zivilisatorische Mission übernahmen  ; Conrad hingegen wollte das Land am liebsten gleich von der Landkarte streichen, sprich  : in einem »summarischen Verfahren […] durch einen die militärische Lage gewissermaßen ratifizierenden diplomatischen Gewaltakt aus der Reihe der europäischen Staaten« ausschalten (und in einem Aufwaschen auch gleich Albanien aufteilen).114 Bei diesen Plänen ging es wohlgemerkt um einen Präventivschlag gegen die eigenen Verbündeten  : Im Falle einer Niederlage wären alle Annexionen selbstverständlich hinfällig, das war selbst Conrad klar  ; doch im Fall des Sieges wollte die Monarchie schon lange vor der Friedenskonferenz vollendete Tatsachen schaffen. Tisza hatte sich jeden Zuwachs an serbischem Territorium schon 1914 verbeten  ; Conrad argumentierte, diese Einschränkung hätte nur für den damals anvisierten Fall einer bloßen Strafexpedition gegen Serbien gegolten  ; In einem Weltkrieg seien andere Maßstäbe anzulegen.115 Burian lavierte zwischen beiden Positionen. Der Ministerrat vom 7. Jänner 1916 ließ die Frage vorerst offen. Ferdinand von Bulgarien  – der Tisza bei der Gelegenheit einen »sarmatischen Mephisto«116 nannte – stimmte Conrad im Prinzip übrigens durchaus zu. Nur in der Praxis kamen sich die beiden »Annexionisten« in die Haare. Vor Tische las man’s anders  : Noch vor Jahr und Tag konnten die Bulgaren den Serben nicht genügend wegnehmen. Jetzt galten sie plötzlich als Rivalen, die einen besorgniserregenden Appetit entwickelten. (Ferdinands Söhne lernten vorsorglich bereits Albanisch.) Zwischen Bulgaren und Österreichern drohten im Bereich des heutigen Kosovo schon ernste Zusammenstöße, bis man sich am 1. April 1916 auf eine Demarkationslinie einigte, die jedoch kein Präjudiz für eine spätere Grenzziehung schaffen sollte. In Serbien blieb es vorerst bei einem Besatzungsregime. Aufseiten der Entente bezog die Orient-Armee, mit der Zeit auf über ein Dutzend englische und französische Divisionen aufgestockt, um Saloniki ihr Lager und litt dort unter der Malaria, ebenso wie die Österreicher in Albanien, das sie im Frühjahr zum Großteil besetzten  ; im Niemandsland zwischen den Armeen trieben albanische

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Freischärler ihr Unwesen  : Ein Bericht sprach davon, Albaner hätten den Bulgaren 6.000 Schafe weggetrieben, ein anderer, von Lajos Windisch-Graetz gewohnt fantasievoll ausgeschmückt, der spätere albanische König Zogu hätte zuerst den Serben 6.000 Gewehre abgenommen, sich von den Österreichern 100.000 Goldkronen zahlen lassen und sei dann erst recht zu den Griechen übergegangen (Letzteres war falsch, man hatte ihn sicherheitshalber rechtzeitig nach Wien komplimentiert). Die Österreicher trösteten sich damit, dafür einen wahren »Wallenstein des Balkan«, Salih Bey Butka, in Dienst genommen zu haben. Auf mehr Resonanz stießen die Österreicher im von Serbien »befreiten« Kosovo  ; seine führende politische Gestalt über Jahrzehnte hinweg, Hassan Bey Pristina, half ihnen hier 10.000 Freiwillige zu sammeln, die sich im Herbst 1916 dann zum Teil dem türkischen Korps an der Ostfront anschlossen.117 Die Orient-Armee der Entente wiederum  – unter dem Kommando eines »linken« französischen Generals, den seine Kameraden gerne abschieben wollten – band die bulgarische Armee, die vorderhand kaum anderswo zum Einsatz gekommen wäre, und brauchte disproportional viel Schiffraum zu ihrer Versorgung. Die Engländer wollten das ganze Unternehmen mehrmals schon am liebsten abblasen, ließen sich von den Franzosen wider besseres Wissen aber immer wieder zum Bleiben überreden. Aufseiten der Mittelmächte setzte sich Kaiser Wilhelm vorerst mit der Devise durch, an der griechischen Grenze stehen zu bleiben, um seinem Schwager weitere Unannehmlichkeiten zu ersparen. Es kursierte das Scherzwort, Saloniki sei eigentlich das größte deutsche Kriegsgefangenenlager. Um das Maß voll zu machen, hatten die Türken – unter »von der Goltz-Pascha« – im Dezember ein britisch-indisches Korps am Tigris eingeschlossen, das im Februar kapitulierte. Aus Anlass dieses muslimischen Triumphs wurden auf der Berliner Hedwigskathedrale die deutschen – und die päpstlichen – Farben aufgezogen.118 Die Verschränkung von Innen- und Außenpolitik  : »Austro-polnische Lösung« und »Mitteleuropa«

Das Jahr der herben Enttäuschungen war vom Jahr der unerwarteten Erfolge abgelöst worden. Diese Erfolge vermehrten allerdings nicht die Friedensaussichten. Ganz im Gegenteil  : Die Hoffnungen auf einen Sonderfrieden mit Russland, die nie sehr realistisch waren, wurden im Juli 1915 vorerst zu Grabe getragen. Von den Westmächten war erst recht kein Anzeichen des Einlenkens zu erwarten  : Hier wartete man auf die Kitchener-Armeen, die britischen Massenheere, die seinem kleinen Berufsheer auf den Kontinent folgen sollten. Die Rückschläge in Osteuropa wurden aus westlicher Sicht durch Gewinne in Übersee kompensiert, die deutschen Kolonien, die bis auf Deutsch-Ostafrika 1915 alle fielen, als letztes um die Jahreswende 1916 Kamerun,

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dessen Schutztruppe im spanischen Rio Muni zum Ärger der Franzosen eine überaus freundliche Aufnahme fand.119 Die diplomatische Perspektive ließ sich mit den Worten des Generaladjutanten Bolfras charakterisieren  : »Wir wissen nicht, was wir mit unseren Siegen anfangen sollen.«120 Damit begann sich, wenn auch immer noch unter optimistischen Vorzeichen, selbst die nachjustierte Vorstellung vom kurzen Krieg langsam, aber sicher in Luft aufzulösen. Die militärischen Erfolge führten zu einer Renaissance der Debatten des August 1914, die damals so rasch von den Ereignissen überrollt worden waren. Die austropolnische Lösung und die Mitteleuropa-Projekte erlebten nach einem kriegsbedingten Winterschlaf ihre Wiederauferstehung.121 Sie konnten, man ist versucht zu sagen  : zum Leidwesen der Verantwortlichen, jetzt auch nicht mehr so dilatorisch behandelt werden wie zuvor  : Hic Rhodus, hic salta  ! 1914 ließ sich die Sache mit dem Ausruf eines österreichischen Generals abtun, der empört und überrascht notierte  : »Die Leute hier sind gar nicht austrophil.«122 Jetzt hatten die Mittelmächte ganz Kongress-Polen in Besitz genommen. Sie konnten einer Entscheidung nur mehr mit Mühe ausweichen. Wiederum kam das System der halbherzigen, nicht ernst gemeinten Zusagen, der Hintergedanken und Vorbehalte, zu seinem Recht. Insbesondere die Militärs, die 1914 (die Österreicher schon zuvor) den ersten Anstoß zu diesen Debatten geliefert hatten, wollten jetzt am liebsten nichts mehr davon wissen. Das galt für die Preußen, mit ihrem gespannten Verhältnis zu ihren heimischen Polen, die zum Großteil im Lager der Nationaldemokraten standen, der Partei Dmowskis, eines Abgeordneten der russischen Duma, der bisher immer einer Wiedervereinigung unter russischem Vorzeichen das Wort geredet hatte. Hindenburg ließ zwar gegenüber dem österreichisch-ungarischen Diplomaten Leopold v. Andrian-Werburg, der als ehemaliger Generalkonsul in Warschau eine große Rolle spielte, ironisch verlauten, man gönne den Österreichern dieses wunderbare Land gern  ; aber man traue seinen Bewohnern nicht. Ähnliches galt aber auch für die Österreicher  : Ihre Diplomatie war durchsetzt mit Skeptikern der austro-polnischen Lösung. Hohenlohe in Berlin hielt genausowenig davon wie Pallavicini in Konstantinopel. Andrian-Werburg selbst war ein aufmerksamer Beobachter der polnischen politischen Szene, aber kein besonders wohlwollender  ; es galt mehr noch für die Militärs, die überall nur Verrat witterten. Conrad fiel zu Polen bloß ein  : Wir brauchen es nur, damit Russland es nicht hat.123 Anfangs hatten sich die Verratsvorwürfe vor allem an die Adresse der Ukrainer gerichtet, oder besser gesagt  : an die Russophilen unter den Ukrainern, die sich eben nicht als Ukrainer fühlten. Dafür fühlte sich die k. u. k. Armee in Ostgalizien vielfach wie im Feindesland. Die Angst vor Franctireurs und Komitadji, die andere Armeen sonst nur beim Vormarsch überfiel, war auch im eigenen Land stets präsent und entwickelte eine gefährliche Eigendynamik  : Dem Gegner, der mit Musketen kämpfte,

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konnte man noch tatsächlich ins Auge schauen. Doch wer konnte bei weittragenden, gezogenen Gewehren schon immer genau sagen, wer von wo geschossen hatte, oder ärger noch  : Wann immer der Feind eigene Schwächen erkannte, hieß es prompt, er sei von ungetreuen Landeskindern informiert worden. Diese Paranoia führte im Herbst in Przemysl zu einem Pogrom gegen ukrainische Flüchtlinge.124 In einem ersten Anlauf stärkte der Generalverdacht gegen die Ukrainer, die als »Tiroler des Ostens« bisher meist Ansehen in Militärkreisen genossen, die Stellung des polnischen Establishments. Doch bald richtete sich der Verdacht auch gegen die Polen  : In Galizien gab es polnische Nationaldemokraten, die zumindest indirekt eine russophile Linie vertraten  : Für sie waren in erster Linie die Ukrainer der Gegner, nicht der Zar. Der ostgalizische Teil der polnischen Legion löste sich schon im September 1914 auf.125 Sobald die Russen in Lemberg eingezogen waren, begann man viele der dortigen Granden der Kollaboration zu verdächtigen. Mit Argusaugen verfolgten österreichische Informanten, wer im Fasching 1915 Einladungen der russischen Besatzer angenommen hatte. Auch so manche konservative Adelige gerieten auf diese Weise ins Zwielicht. Als verdächtig galten bald auch Familien wie die Potockis, politisch über jeden Verdacht erhaben, bloß weil ihre Schlösser von den Russen nicht geplündert worden waren  : »Lancut ist also vollkommen intakt und erhalten geblieben, aber auch sonst sollen die Potockis ziemlich kompromittiert sein …«126 Auch wegen der »politischen Taktlosigkeiten« des ehemaligen Statthalters Leo Pininski liefen Erhebungen, wenn auch »lediglich außergerichtliche«, weil man »unliebsames Aufsehen« vermeiden wollte.127 Die Russen hatten den griechisch-katholischen Erzbischof Szepticky und diverse missliebige Abgeordnete verschleppt, vor allem national-ukrainische. Im Umkehrschluss hatten sich für die zurückgekehrten Österreicher alle verdächtig gemacht, die nicht verhaftet worden waren, darunter z. B. auch Thaddäus Tertil, den spätere Obmann des Polenklubs. Die Frage war nicht, ob sich hinter diesen Anschuldigungen da und dort nicht vielleicht doch ein Körnchen Wahrheit verbarg  ; die Frage war, ob es politisch klug war, Leute mit solchem offenkundigen Mitrauen zu begegnen, die man zur gleichen Zeit als Missionare der austro-polnischen Lösung gewinnen wollte. Andrian-Werburg vertrat da noch eine vergleichsweise milde Linie, wenn er in einem längeren Bericht zu dem Schluss kam  : Der »podolische« (ostgalizische) Adel sei nicht verräterisch, nur unwürdig. Hinter seinem Verhalten stecke Schwäche, nicht böser Wille. Immerhin war Andrian konservativ genug, zu raten  : Eine Vernichtung des Adels läge nicht im Interesse Österreichs, wohl aber seine Disziplinierung. Dass er seine durch den Krieg ruinierten Güter ohne staatliche Subventionen nicht halten könne, biete dafür eine willkommene Handhabe.128 Das AOK hielt sich mit solchen Differenzierungen nicht länger auf. Der Armeekommandant selbst gab – wohl unwillkürlich – den Ton vor, als er nach der Rückerobe-

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rung Lembergs in die Stadt einzog, besser einfuhr. Jubelnde Massen säumten den Weg, doch der Erzherzog blieb in seinem Salonwagen sitzen und verweigerte ein Bad in der Menge.129 Vor die Wahl gestellt zwischen unverlässlichen Ukrainern und unverlässlichen Polen, wollten Conrad und der Generalstab das Land als salomonische Lösung am liebsten weiterhin unter Militärverwaltung stellen. Das klang autoritär, doch unparteiisch – war es aber nicht  : Denn die Ukrainer verloren dadurch politisch kaum etwas, die Polen hingegen brachte es um die Früchte des informellen Ausgleichs, der ihnen seit fast fünfzig Jahren die Herrschaft in Galizien sicherte. Am 30. Juni – Lemberg war seit einer Woche wieder in österreichischer Hand – fiel die Entscheidung. Wie so oft, wenn es strukturelle Fragen ging, nicht bloß um punktuelle Willkür, blieb Stürgkh fest und setzte sich durch. Die zivile Verwaltung, mit ihrem polnischen Gepräge, wurde nicht einfach beiseite geschoben. Als Stürgkhs Trumpf erwies sich das Argument, dafür habe das Militär ja doch nicht das entsprechende, sprachlich geschulte Personal. Dafür wurde als Statthalter ein General bestellt  : Das allein hielt die Mehrzahl der Polen schon für eine Zurücksetzung, eine Einschränkung ihrer wohlerworbenen Rechte, den Statthalter in Lemberg nur im Einvernehmen mit dem Polenklub im Reichsrat zu bestellen. Den ganzen Juli über meldete sich ein polnischer Politiker nach dem anderen zur Audienz beim Kaiser. In einem Rückzugsgefecht nominierte Gołuchowski, dem als »Elder Statesman« hinter den Kulissen eine wichtige Rolle zufiel, wenigstens einen polnischen General für die Stelle  : Rozwadowski. Auch Burian neigte zu dieser Variante, setzte sich aber nicht durch  – ressortmäßig ging ihn die Sache schließlich nichts an. Die Kompromisslösung lautete  : Cherchez la femme – der neue Statthalter, General Colard, war immerhin mit einer Polin verheiratet war und beherrschte die Sprache.130 Sachlich ließ sich der Kompromiss in einem Land unmittelbar hinter der Front durchaus rechtfertigen, selbst wenn man nicht alle Beschwerden über die sprichwörtliche »polnische Wirtschaft« für bare Münze nahm. Bloß politisch war jeder auch noch so unparteiische Eingriff in die polnische Autonomie ein zweischneidiges Schwert in einem Augenblick, wo es um »moralische Eroberungen« ging, nicht bloß in Galizien, sondern auch in Kongress-Polen. Das Nationalkomitee in Krakau wollte als Vorstufe einer Vereinigung auch die anti-russischen Parteien in Kongress-Polen integrieren, stieß damit aber nicht auf Gegenliebe – weder bei den Ansprechpartnern in Warschau noch bei der österreichischen Diplomatie. Andrian-Werburg schrieb  : Das Nationalkomitee bedürfe der »Kontrolle und Überwachung«  ; durch seine Tätigkeit werde eine den Lebensinteressen der Monarchie Rechnung tragende Lösung mehr erschwert als erleichtert.131 Das bloß halbherzige Engagement der Österreicher wurde gleich ein weiteres Mal offenkundig, als es darum ging, wie man den Einzug in Warschau am 5. August zu einer möglichst beeindruckenden politischen Manifestation gestalten könne. Wenig

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hilfreich war von Anfang an, dass die Österreicher zu spät kamen. Die Befürworter der austro-polnischen Lösung wollten das Manko durch eine vollmundige Proklamation ausgleichen. In Berlin war man da skeptisch  : Staatssekretär Jagow meinte  : »Je nüchterner sich die Besitznahme vollzieht, desto besser.« Denn eine Proklamation könne nur »weniger bieten als erwartet oder mehr als gehalten werden kann.«132 Wiederum vermochte sich Burian nicht durchzusetzen. Angeblich, so behauptete Biliński später, habe das Militär die kaiserliche Proklamation konfisziert. Diese zweite Enttäuschung war zuviel für den Polenklub, der drohend zum ersten Mal Bedingungen aufstellte für seine Zustimmung zur austro-polnischen Lösung, nämlich ein ungeteiltes Galizien und ein ebenso ungeteiltes Kongress-Polen.133 Damit erreichte der Streit um die austro-polnische Lösung eine dramatische Zuspitzung. Der Antagonismus zwischen Deutschen und Tschechen in Böhmen, wie er unter der Ägide des »Säbelregiments« in eine neue Runde ging, zählte zur Routine der altösterreichischen Politik  ; einmal gab die Regierung der einen Seite den Zuschlag, einmal der anderen  ; diesmal setzten die Deutschen auf das Militär, die Zivilverwaltung steuerte klammheimlich Gegenkurs. Auch das Tauziehen zwischen Militär und Zivil, ja die Eifersüchteleien der Verbündeten zählten zu den vorhersehbaren Begleiterscheinungen der Kriegszeit. Der Bruch zwischen den politischen Eliten der Polen und Ungarn – zusammengehalten von ihrer gemeinsamer Feindschaft gegen Russland und ihrer Allergie gegen deutsche Dominanz – stellte hingegen ein Novum dar. Deutsche und Tschechen verfügten 1915 über keine Alpha-Tierchen, nur Kleinmeister, die einander gegenseitig im Weg standen. Bei den Tschechen zog im Hintergrund ein schlaues Bäuerlein die Fäden  ; bei den Deutschen war es der Hochadel, der im Kriege bis zu einem gewissen Grad diese Lücke ausfüllte. Ungarn und Polen hingegen verfügten beide über achtungsgebietende Spitzenrepräsentanten, auch in den eigenen Reihen keineswegs unumstritten, doch ausgestattet mit Weitblick und Durchsetzungsvermögen, politische Überlebenskünstler auch, die nach schmerzlichen Niederlagen nicht einfach aufgegeben hatten, sondern zu einem erfolgreichen Comeback angesetzt hatten  : Graf Istvan Tisza und Leon von Biliński. Institutionell war Tisza als ungarischer Ministerpäsident dem Obmann des Polenklubs freilich um Längen voraus. Ja, man könnte formulieren, die tiefere Ursache ihres Konflikts lag in dem Bestreben Tiszas, sicherzustellen, dass sich an dieser Ausgangsposition auch in Zukunft nichts ändern würde. Schon im August 1914 schrieb Tisza, er freue sich über die »kalte Dusche« aus Berlin für die Pläne der österreichischen Polen  ; man müsse diese »Bilińskiaden in gehörigen Grenzen« halten. Er erläuterte diesen Vorbehalt mit dem insbesondere für österreichische Ohren gedachten Argument  : »Als Ungar wisse er, wie schwer es ist, maßlose Ideen und Hoffnungen, wenn sie einmal in ein Land Eingang gefunden hätten, wieder auszurotten.« Man dürfe sich da nicht in ein Lizit um die Gunst der Polen mit Russland einlassen.134

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Die Stellung des ungarischen Ministerpräsidenten war mit der seines österreichischen Kollegen Stürgkh – und das Verhältnis war tatsächlich ein kollegiales, wie Stürgkh immer wieder vorgeworfen wurde  – allerdings nicht zu vergleichen, wie die irreführende deutsche Floskel lautet, sprich  : Zu vergleichen war sie natürlich schon, aber dieser Vergleich fiel eindeutig zugunsten Tiszas aus. Beide besaßen sie das Vertrauen des alten Kaisers in einem ungewöhnlichen Maße. Doch hinter Tisza stand eine solide Mehrheit seiner Partei im ungarischen Parlament, hinter Stürgkh kein Reichsrat mehr und im Reichsrat eine ungewisse Mehrheit, vorausgesetzt, sie kam zum Tragen und wurde nicht von der Obst- Abb. 5  : »Ihm imponierte nichts und niemand«  : ruktion gegenstandslos gemacht. Die Si- Das 2011 neu errichtete Denkmal des »starken Mannes« Ungarns, Ministerpräsident Graf Istvan tuation entsprach geradezu idealtypisch Tisza. einem Diktum aus Franz Josephs frühen Jahren  : »In Ungarn sei eine parlamentarische Regierung möglich, daß sie aber im übrigen Österreich nicht möglich sei, darüber [sic  !] zweifle doch kein Mensch.«135 In Österreich machten die Vielzahl der Parteien und die Schärfe der nationalen Auseinandersetzungen jegliche Mehrheitsbildung schwierig. Das ungarische Parlament war national homogen  : Magyaren mochten bloß knapp über 50 % der Bevölkerung ausmachen, aber sie gewannen aufgrund des eingeschränkten Wahlrechts mehr als 90 % der Mandate im Unterhaus. Die Alternative zu Tiszas »Partei der nationalen Arbeit«, wie sich die Liberale Partei seines Vaters seit ihrer Neugründung 1910 nannte, aber war eine Opposition, die sich um die Unabhängigkeitspartei gruppierte – diese sogenannten 48er wollten theoretisch die Monarchie auf eine Personalunion reduzieren  ; in der Praxis gaben sie es viel billiger, wie Franz Joseph herausgefunden hatte, als Tisza 1905 zum ersten und einzigen Mal die Wahlen verlor. Aber die Unabhängigskeitspartei und die kleineren Parteien in der Mitte waren auf alle Fälle weit anspruchsvoller, was Forderungen auf Kosten der Gemeinsamkeiten der Monarchie betraf. Tisza konnte daher in Wien stets im Bewusstsein auftreten  : Zu ihm gäbe es keine Alternative. Er war im Rahmen des Dualismus, wie es ein Beobachter schön formu-

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lierte, »gegengewichtslos«  ; er bewege sich »ohne Widerstand und Reibung«.136 In der Militärkanzlei notierte man seufzend  : »Wenn Tisza mit seiner Demission droht, wird nicht weiter nach Recht oder Unrecht gefragt, da behält er einfach recht.«137 Österreich war die größere und reichere Reichshälfte. Doch kein österreichischer Ministerpräsident vermochte Tisza Paroli zu bieten  ; Stürgkh wurde vielfach zum Vorwurf gemacht, dass er es nicht einmal versuchte  ; dahinter steckten nicht Schwäche oder Gutmütigkeit, sondern die Überzeugung, dass es für die Deutschen in Österreich vorteilhaft war, die Allianz mit den Ungarn nicht unnötig zu belasten, auch wenn es in Wien immer populär war – und in Luegers Wien erst recht – die Ungarn für alles verantwortlich zu machen, was in der österreichischen Politik tatsächlich oder angeblich schief lief. Österreichische Ministerpräsidenten  – auch die erfolgreichen, ja nahezu legendären wie Max Wladimir Beck (1906–08) oder Ernest v. Koerber (1900–04) – waren meist höhere Beamte, deren Programm das »Fortwursteln« oder »Durchgfretten« war  ; im Laufe der Zeit erwarben sich die meisten von ihnen einen gewissen politischen ›Hautgout‹, hatten es sich mit gewissen Gruppen verdorben, bei anderen Pluspunkte gesammelt  ; dennoch  : Wenn schon nicht beliebig austauschbar, waren sie doch alle ersetzbar. Stürgkh machte hier eine gewisse Ausnahme, weil er immerhin als Politiker und Parlamentarier begonnen und in der Badeni-Zeit sogar als radikal national gegolten hatte. Aber das war lange her  : Auch mit Slawen und Klerikalen pflegte er inzwischen ein gutes Einvernehmen. Stürgkh stützte sich auf keine klare Mehrheit, sondern versuchte in jedem Lager einen Fuß zu behalten. Wenn die Tschechen im Frühjahr 1914 wieder einmal zur Obstruktion griffen, so lag das nach außen hin daran, dass er in Böhmen keinen Landtag einberief, sondern eine Verwaltungskommission eingesetzt hatte  ; dahinter stand  : Die tschechischen Agrarier grollten ihm, weil er nach wie vor in erster Linie auf Kramář setzte, der klagte, dass alle seine Kombinationen immer wieder von den eigenen Ko-Nationalen durchkreuzt würden.138 Unter den üblichen Verdächtigen für den Posten des österreichischen Ministerpräsidenten gab es nur einen, der eine klassische politische Karriere absolviert hatte – und das war Biliński  : Jurist und Universitätsdozent, ein Vierteljahrhundert lang Abgeordneter, zweimal Finanzminister, ein drittes Mal, wenn man den gemeinsamen Finanzminister dazurechnete, der allerdings keine Steuern einhob, sondern im Wesentlichen mit der Verwaltung des »Vermögens« beschäftigt war, das beiden Reichshälften gemeinsam gehörte, sprich  : Bosniens. Biliński hatte die Brücken zur Politik nicht hinter sich abgebrochen  : Er war Konservativer, wie alle Polen, die in Österreich Karriere machten, oder zumindest  : Er war Konservativer gewesen oder hatte als solcher begonnen. Doch schon Bilińskis ursprüngliche politische Heimat, die Krakauer Konservativen, die sogenannten »Stanczyken«, waren nach allen Seiten offen, wie es einer Talentebörse entsprach, die im Zeichen des allgemeinen Wahlrechts um ihre Führungsposition zu kämpfen hatte.

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Vollends seit seinem Sturz als Minister 1910 machte Biliński Politik nach eigener Façon  : Es häuften sich die Kommentare über die »Popularitätshascherei« des »schlauen Taktikers«, ja des »Artisten der Unverläßlichkeit«.139 In den Jahren vor dem Krieg gab Biliński den Linksverbinder  : Er war bei seinen Landsleuten in Ungnade gefallen, weil er sich als Finanzminister ihren Sonderwünschen nicht so aufgeschlossen zeigte, wie es von ihm erwartet wurde, außerdem – aus anderen Gründen  – auch noch beim Thronfolger.140 Stürgkh gelang es, den Konkurrenten, der wie ein »drohendes Gespenst« hinter ihm stand, 1912 auf den Posten des gemeinsamen Finanzministers wegzuloben.141 Daraufhin bastelte Biliński mit den Demokraten, der Abb. 5a: Der »rote Fuchs« Leon v. Biliński, Obmann des Polenklubs 1915-17. Bauernpartei – und den Ukrainern – an einer Wahlreform für den galizischen Landtag. Als Vater des Ausgleichs in Galizien winkte vielleicht doch noch der Aufstieg zum Ministerpräsidenten. Stürgkh machte ihm 1913/14 einen Strich durch die Rechnung  : Die Wahlreform wurde zwar im Landtag durchgeboxt, aber als Belohnung für ihre widerwillige Zustimmung hob der Premier Bilińskis Rivalen in den Sattel. Die Rivalen, das waren in diesem Fall die Ostgalizier, die Nationaldemokraten, die Bischöfe, die von einer Machterweiterung der kleinbäuerlichen Massen nichts wissen wollten. Statthalter wurde Witold v. Korytowski, der immer schon vor der »Korruptionswirtschaft Bilińskis« gewarnt hatte.142 All diese Intrigen hatte Biliński gleichsam aus dem »Exil« geleitet, aus dem gemeinsamen Finanzministerium. In dieser Funktion hatte er bereits mehrfach mit Tisza die Klingen gekreuzt  : 1914, als Biliński den Falken markierte und die Ungarn für den Frieden optierten  ; 1915, als Tisza die ›Hardliner‹ anführte, die jede Konzession an Italien (oder Rumänien) vermeiden wollten, war Biliński ins Lager der Tauben gewechselt  – in dieser Frage zumindest  : Für ihn hatte der Kampf gegen Russland allemal Priorität vor Italien. Allerdings zog der Sturz Berchtolds auch Biliński in Mitleidenschaft. Berchtold nahm das sportsmäßig  ; Biliński nicht, der offen verkündete, er habe wegen Tisza gehen müssen.143 Andererseits kam ihm die Märtyrerkrone gelegen  : Kurz nach seinem Rücktritt am 9. Februar 1915 wurde Biliński prompt wiederum

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zum Obmann des Polenklubs gekürt, obwohl er dem Abgeordnetenhaus schon seit Langem nicht mehr angehörte.144 Die Strategie, die Biliński als Obmann 1915–17 einschlug, unterschied sich grundlegend von seiner Politik 1912/13. Damals wollte er die Bauern ins Boot holen und die Ukrainer versöhnen. Jetzt ging es um den nationalen Schulterschluss  : Die »Podolier«, die ostgalizischen Konservativen, ja selbst die unsicheren Kantonisten unter den Nationaldemokraten mussten wieder integriert werden. Gerade der rechte Rand mochte gute Dienste leisten, wenn es galt, die Konservativen in Kongress-Polen, die sogenannte »Realisten-Partei«, davon zu überzeugen, dass es sich lohnte, auf die Karte der Mittelmächte zu setzen. Zu seinem bevorzugten Partner bei diesen Bemühungen entwickelte sich Gołuchowski, der als ehemaliger Außenminister im Herbst 1915 eine rege Reisediplomatie entwickelte und nach Warschau ebenso reiste wie nach Berlin.145 Vorerst freilich war Burian in Berlin gemeldet, der am 13. August mit BethmannHollweg und Jagow zusammentraf. Nach den Krisensitzungen der letzten Monate herrschte gehobene Stimmung. Inzwischen war Ferdinands Abgesandter im Großen Hauptquartier eingetroffen. Man einigte sich auf einen Balkanfeldzug im Herbst. Burian konnte sich im Ruhm sonnen, überall Recht behalten zu haben  : Die Isonzofront hielt, die Dardanellen genauso. Auch ein weiterer Umstand kam Burian sehr gelegen. Erst wenige Tage zuvor war das Scheitern aller deutschen Hoffnungen auf einen Sonderfrieden mit Russland offenkundig geworden. Die Zarin stand zu Unrecht im Rufe pro-deutscher Intrigen. Die dänischen Vermittler kehrten das eine ums andere Mal mit leeren Händen zurück. Bethmann selbst zog in der Woche darauf die Konsequenzen und verkündete im Reichstag öffentlich  : Man werde Polen nicht mehr an Russland zurückgeben. »Das war Burians Stunde« – so urteilt der beste Kenner der Winkelzüge dieser Jahre, Heinz Lemke.146 Bloß  : Er wusste sie nicht zu nutzen. Burian verstand es nicht, die Beute hic et nunc in die Scheuer zu bringen. Auffällig war das persönliche Missverständnis, das sich mit der Gegenüberstellung einiger Zitate plastisch untermalen lässt. Burian selbst war mit seinem Berliner Auftritt nämlich durchaus zufrieden  : Er schied mit dem »Eindruck der vollkommensten Übereinstimmung in allen prinzipiellen Fragen.« Sein Gegenüber Jagow schilderte seinen Eindruck nach einigen weiteren Darbietungen  : »Burian redet so viel, so lange und so schön, daß er sich nachher einbildet, er hätte durch seinen Vortrag alle überzeugt. Das Publikum ist aber nicht überzeugt, nur erschöpft.« Gottfried Hohenlohe konnte dieser Kritik nur beipflichten. Er klagte Berchtold sein Leid  : Burian »hält einen Tag lang einen Kurs ab, berauscht sich an seiner Eloquenz. […] Impossible to get a word in. Steigende Bitterkeit nach jeder sogenannten Aussprache.«147 Es gab Situationen, für die Burians Dickfelligkeit wie geschaffen war  : In der Abwehr von Zumutungen, die er einfach nicht zur Kenntnis nahm oder in Spitzfindigkeiten en détail auflöste, war seine Ermattungsstrategie kaum zu übertreffen. Doch

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die Verhandlungen über die austro-polnische Lösung zählten nicht zu seinen Sternstunden. Schließlich waren es diesmal die Österreicher, die mit ihren Zumutungen Gehör finden wollten, nämlich der Überlassung ganz Polens, wie es Berchtold im August 1914 angeblich versprochen worden war. Auch die kognitive Dissonanz, der »Eindruck der vollkommensten Übereinstimmung«, lässt sich erklären. Denn die reichsdeutsche Seite war keineswegs prinzipiell gegen die »austro-polnische Lösung«  : An Russland zurückgeben wollte man Polen nicht, es selber schlucken auch nicht, weil damit die polnische Minderheit in Preußen gewaltige Ausmaße erreicht hätte. Bethmann bezeichnete die austro-polnische Lösung daher intern als »die für uns am wenigsten ungünstige«  ; selbst Jagow räumte ein  : »Ein anderer Siegespreis wird sich für die Donaumonarchie kaum finden.«148 Die deutsche Antwort lautete also  : Im Prinzip ja. Doch sie war wie bei den berühmten Fragen an Radio Eriwan mit einem möglicherweise kontraproduktiven »Aber« verbunden, das erst im Laufe der Zeit zutage trat. Der Teufel steckte im Detail, oder vielleicht besser darin, dass es sich bei Polen eben um kein Detail mehr handelte  : 12 Millionen Polen ließen sich nicht einfach irgendwo verstecken. Schon gar nicht, wenn man auch noch die vier bis fünf Millionen Polen dazurechnete, die in Galizien lebten. Die ursprüngliche Idee hatte in der Schaffung einer »dritten Reichshäfte« bestanden. Davon gingen die deutschen und polnischen Politiker aus, die im Winter verhandelten  ; davon ging auch Bethmann-Hollweg bei seinem Treffen mit Burian aus. Freilich  : Schon die arithmetische Problematik wies auf die Schwierigkeit hin, die sich dabei auftat  : Würden drei Reichshälften noch ein Ganzes ergeben, oder  : Wenn sie es taten, mussten die beiden bisherigen Hälften dann nicht etwas von ihrer Stellung abgeben  ? An diesem Punkt erwies sich Tisza einmal mehr als der Spielverderber, und das nicht bloß in den Augen Bilińskis. An der Parität Ungarns mit dem Rest der Monarchie – wie immer er sich auch nannte, woraus immer er auch bestand – war für ihn nicht zu rütteln. Allenfalls konnte Kongress-Polen in das bestehende Cisleithanien hineingezwängt werden. Damit wollte Ungarn sich allenfalls abfinden (freilich um den Preis der Abtretung Dalmatiens und Bosniens, um nur ja kein territoriales Ungleichgewicht entstehen zu lassen). Eine solche Existenz als bloßes Anhängsel Cisleithaniens war weder für das Königreich Polen attraktiv noch entsprach sie den Vorstellungen der Deutsch-Österreicher, die ja für die austro-polnische Lösung in erster Linie deshalb schwärmten, weil sie damit eine deutsche Mehrheit im Reichsrat sichern wollten. Im Eifer des Gefechts wurde hier nicht immer ganz genau kalkuliert  : Ein böhmischer Baron verglich die Zahlen und kam zum Ergebnis. Ohne Galizien war im Reichsrat sehr wohl eine deutsche Mehrheit gegeben, doch sie hing von den Sozialdemokraten ab – ob sich diese Rolle der »Roten« als Zünglein an der Waage für die Deutschnationalen als bekömmlicher erweisen würde als die Riege konservativer Polen, war sehr die Frage.149

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Abb. 6  : Die nationale Zusammensetzung des österreichischen Abgeordnetenhauses

Abb. 7  : Die hypothetische Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses nach dem Ausscheiden Galiziens

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Man konnte die Quadratur des Kreises natürlich auch mit einer sogenannten »subdualistischen Lösung« anpeilen, einem Dualismus innerhalb des Dualismus, wie bei den russischen Puppen. »West-Österreich« (»die Erblande«) und Polen hätten dann kein gemeinsames Parlament mehr, sondern nur mehr Delegationen, so wie es bisher schon für Österreich und Ungarn galt. Diese beiden Delegationen mussten dann ihrerseits eine Delegation bilden, die mit der ungarischen das Armeebudget beschloss. Warum einfach, wenn’s kompliziert auch geht. Die subdualistische Lösung kristallisierte sich als kleinster gemeinsamer Nenner heraus  : Biliński war anfangs sogar bereit, diesen Standpunkt grundsätzlich zu akzeptieren. Bloß die Analogie mit Kroatien – das im ungarischen Parlament nur mit einem symbolischen Kontingent vertreten war – lehnten die Polen ab. Sie könne bloß mutatis mutandis gelten  ; dann aber schon »sehr mutandis«, wie Baernreither resümierte.150 Vom Standpunkt der ordentlichen Beschäftigungspolitik für Hundertschaften von Juristen war die Lösung bestechend, den freudigen Schwung eines Kampfes für die Befreiung Polens ließ ein solches staatsrechtliches Monstrum nun allerdings vermissen. Man konnte die »subdualistische Lösung« freilich auch als Verhinderungsprojekt einstufen  : Burian konnte man in dieser Beziehung keinen Vorwurf machen  : Er bestand auf seinem Schein und hielt am austro-polnischen Projekt fest. Anders war es um Stürgkh bestellt (oder auch um seinen Nachfolger Koerber, der inzwischen als Nachfolger Bilińskis gemeinsamer Finanzminister war). Stürgkhs Enthusiasmus für alle Reformprojekte war endenwollend. Sein späterer Kollege Spitzmüller attestierte ihm eine kuriose »Angst, irgendetwas zu tun, das ihn in den Bereich der Bedeutung oder gar Größe rücken könnte.«151 Man könnte es auch anders formulieren  : Stürgkhs These, dass jede grundlegende Reform zu Erschütterungen führte, die man während des Krieges besser vermeiden sollte, war nicht von der Hand zu weisen. Freilich, wie schon erwähnt, Stürgkh war kein Tisza, der sich auch als Calviner an Luthers Weisung hielt  : Deine Rede sei ja, ja, nein, nein  ! Im Gegenteil  : Mit der Zeit entwickelte Stürgkh eine gewisse Meisterschaft darin, nach allen Seiten hin ungedeckte politische Wechsel auszustellen  – einzulösen selbstverständlich erst nach Kriegsende. Stürgkh ließ nur in unbewachten Momenten offen seine Skepsis durchblicken, z. B. wenn er eine Delegation besorgter Juden beruhigte, aus dem autonomen Polen würde voraussichtlich ohnehin nichts werden.152 Den Ukrainern stellte er über den Baron »Koko« Wassilko, den Führer der Ukrainer aus der Bukowina, den er schon einmal finanziell saniert hatte,153 eine Teilung Galiziens in Aussicht, wenn es denn schon zur austropolnischen Lösung kommen sollte. Wassilko seinerseits bot inzwischen den Deutschen an, für eine Absicherung der deutschen Mehrheit zu sorgen, wenn man seinen Leuten bloß die austro-polnische Lösung ersparte.154 Wie immer man das Ding auch drehte und wendete, im Falle der »austro-polnischen Lösung« würden die Polen innerhalb der Habsburgermonarchie die Deutschen

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und Ungarn zahlenmäßig bei Weitem überholen. Das machte sie – wenn sie entsprechend in den Gremien vertreten waren  – zu einem Machtfaktor, der sein Gewicht zwangsläufig zur Geltung bringen würde. Diese Aussicht führte in Berlin naturgemäß zur Beunruhigung, denn borussophile Polen waren Mangelware. Im August/September 1915 galt die austro-polnische Lösung bei den Reichsdeutschen offenbar noch als kleineres Übel. Mit jedem Monat danach verstärkten sich die Bedenken. Jagow formulierte es klassisch  : Ob die Österreicher Polen denn überhaupt würden »verdauen« können  ? Enerviert fragte er  : Warum die Österreicher denn etwas annektieren wollten, wenn sie schon mit dem, was sie hätten, nicht fertig würden  ?155 Die Antwort hätte natürlich lauten müssen  : Eben deshalb  ! Denn Österreich bestand nicht aus Nationalitäten, sondern aus »Torsi von Nationalitäten«.156 Vielleicht konnte man irredentistische Gelüste ausschalten, wenn man eine Ethnie in ihrer Gesamtheit unter habsburgische Herrschaft brachte. Nach dem Krieg stünde das Deutsche Reich an seiner Ost-Grenze einer Habsburgermonarchie »vom Ortler bis Suwalki« gegenüber, wie Botschafter Tschirschky in einer Denkschrift einmal – geografisch etwas ausladend – warnte. Deshalb müsse man gewisse Garantien für den Kurs dieser künftigen »Donau- und Weichselmonarchie« fordern. Die reichsdeutsche Politik kam deshalb im Herbst 1915 auf die Anregungen zurück, die seit einem Jahr eine lange Reihe deutschösterreichischer Politiker in Berlin deponiert hatte – Österreich sollte mit dem Reich in Hinkunft einen festen Mitteleuropa-Block bilden, eine »ever closer union«, mehr als ein bloßes völkerrechtliches Bündnis, zusammengehalten durch Zollunion oder Militärkonvention. Die »Denkschrift aus Deutsch-Österreich« des Historikers Heinrich Friedjung forderte im Juli 1915 die Reichsregierung  – oder auch Bayern  – sogar ausdrücklich auf, die Initiative zu ergreifen, weil die Monarchie wegen ihrer »dualistischen Gestaltung« dazu nicht imstande sei.157 In Deutschland war es ein Buch, das dieses Schlagwort aufgriff und popularisierte  : Mitteleuropa, von Friedrich Naumann. Max Webers Urteil lautete, Naumanns Mitteleuropa sei als Propagandabuch »unübertroffen, und zwar gerade auch, weil es gewisse Probleme beiseite läßt.«158 Um die Mitteleuropa-Diskussion hat sich ein »Diskurs« entwickelt (und hier passt das verquere Vokabel), der irreführend ist, um es vornehm auszudrücken  : Mitteleuropa als Inkarnation des deutschen Imperialismus, Österreich als sein Objekt. Doch gerade die üblichen Verdächtigen, was expansive Kriegsziele betrifft, hielten sich in dieser Beziehung auffallend zurück. Die Verfechter des Mitteleuropa-Konzepts im Reich waren Mitte-links angesiedelt  : Naumann zählte zu den Sozialliberalen  ; das katholische Zentrum – mit seinen Verbindungen zu den Polen – war nach jeder Richtung hin begeistert  ; auch die Sozialdemokraten waren nicht abgeneigt  ; Widerstand kam von den preußischen Konservativen und Teilen der Liberalen. Bethmann hatte nach ersten Sondierungen mit ihnen den Eindruck, es seien alle

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dagegen.159 Staatssekretär Jagow dürfte die Mitteleuropa-Diskussion ohnehin mehr als Verhinderungsprojekt betrachtet haben, das ihm half, die austro-polnische Lösung auszuhebeln. Die wirtschaftlichen Aspekte waren nicht in jeder Beziehung verlockend. Zweifellos gab es die eine oder andere Branche, die sich da Wachstumschancen ausrechnete. Doch die preußischen Junker fürchteten bei einer Zollunion die Konkurrenz des ungarischen Getreides  ; die Exportindustrie das Bleigewicht der österreichischen Protektionisten, die Handelsverträge mit dem Rest der Welt erschweren würden. Schließlich wickelte Österreich-Ungarn fast die Hälfte seines Außenhandels mit dem Deutschen Reich ab, das Reich aber nur 10 % des seinigen mit der Donaumonarchie. Ob die Deutschen sich wegen dieser 10 % tatsächlich Schwierigkeiten bei den restlichen 90 % einhandeln wollten, fragte ein Skeptiker. Jagow resümierte  : »Die Angelegenheit hat einen großen Haken, denn hier wollen eigentlich weder die beteiligten Ressorts noch die Interessenten einstweilen etwas von einem zu nahen wirtschaftlichen Anschluß wissen.« Selbst die Schwerindustrie folgte schließlich nicht dem Votum der Ruhrgewaltigen um Hugenberg und gab dem offenen Tor zur Weltwirtschaft den Vorzug vor dem mitteleuropäischen Schrebergarten. Allenfalls die Magnaten im katholischen Oberschlesien machten hier eine Ausnahme.160 Das dicke Ende schließlich lautete  : Unter dem Schlagwort der wirtschaftlichen Annäherung verbarg sich schon im ersten Kriegsjahr ein Leistungsbilanzdefizit Öster­reich-Ungarns, das durch Kredite in der Höhe von fast 100 Millionen Kronen pro Monat gedeckt werden musste. Im Krieg hatte das Reich kaum eine andere Wahl als seine(n) Verbündeten »durchzufüttern«. Mit dem Friedensschluss fiel dieser strategische Imperativ weg. Österreich-Ungarn wollte dieses Arrangement jedoch auch in der schwierigen Phase der »Übergangswirtschaft« verlängern. Ein österreichischer Finanzminister rechnete seinen Kollegen einmal vor, Österreich werde nach dem Krieg Anleihen zu 8 oder 8 ½ % aufnehmen müssen, »wie ein Balkanstaat«, wenn es nicht fest mit Deutschland verbunden sei.161 Die »Ordnung und Wiederherstellung unserer Valuta […] im engeren Anschluß an die deutsche Wirtschaft« war ein Argument, für das auch Mitteleuropa-Skeptiker, wie z. B. Stürgkhs Finanzminister Baron Augustin Engel, zugänglich waren.162 Heutige EU-Kenner würden sich in den Überlegungen dieser Jahre sofort zurechtfinden. Was immer Mitteleuropa für die Stellung Deutschlands in Europa bedeutete  – im Wesentlichen vielleicht der freie Zugang zum Orient, die alte Berlin-Bagdad-Idee, die bisher schon ausgesprochen magere Renditen eingebracht hatte – ihm war auf alle Fälle die Rolle des »Nettozahlers« auf den Leib geschrieben. Auf der anderen Seite umschrieb ein Ungar, Prinz Lajos Windischgraetz, die Quadratur des Kreises  : Man müsse die Hilfe Deutschlands natürlich »ausnützen, ohne unter die finanzielle Vormundschaft Deutschlands zu kommen.«163

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In Österreich stieß das Mitteleuropa-Projekt, in all seinen Schattierungen, naturgemäß ebenfalls auf gemischte Reaktionen. Politisch erhofften sich die Deutschen eine Stärkung ihrer Stellung, die Slawen befürchteten ein solches Resultat. Dabei waren manche Missverständnisse im Spiel  : Berlin ging es um die Festigung des Bündnisses, nicht um deutschnationale Gewinne im Nationalitätenstreit, möglicherweise um Berlin–Bagdad, doch nicht um die sprichwörtliche Amtssprache des Nachtwächters von Leitomischl. Als Naumann zu einem Vortrag nach Prag eingeladen wurde, redete er den Deutschen prompt ins Gewissen, konziliant gegenüber den Tschechen zu sein, um sie für den Plan zu gewinnen.164 Dafür gab es wenig Chancen, doch immerhin lauschte ein beträchtlicher Teil der tschechischen Elite Naumanns Ausführungen – und munkelte untereinander, die Einladung gehe auf den tschechischen Sozialistenchef Šmeral zurück.165 Im Frühjahr 1916 besuchte der Agrarier František Udržal – späterer langjähriger Ministerpräsident der Tschechoslowakei – Naumann in Berlin.166 Der parteilose Abgeordnete Rudolf Lodgman von Auen warnte seine sudetendeutschen Kollegen vor dem Irrtum, Berlin werde in Zukunft ihre Geschäfte besorgen  : »Eine Unterstützung in völkischer Beziehung vom Deutschen Reiche ist in Hinkunft weniger denn je zu erwarten.« Jagow, der sich im November mit Baernreither unterhielt, hätte ihm Recht gegeben. Er wiederholte im Gespräch mehrmals  : »Die Deutschen in Österreich müssen sich zunächst selbst zu helfen wissen.«167 Manche der gängigen Annahmen erinnern verblüffend an marxistische Axiome  : Wer konnte schon dafür garantieren, dass eine Zollunion automatisch zu politischer Übereinstimmung führen müsse. Oder wie es ein Agrarier ausdrückte  : Ein Bündnis, »geweiht mit Strömen von Blut«, habe es »wirklich nicht nötig, durch handelspolitische Geschenke künstlich zusammengeleimt zu werden.«168 Wie ausgerechnet die Zollunion den Deutschen zur Vorherrschaft in Österreich verhelfen sollte, war unklar. Sie konnte – je nach Interessenslage – bestenfalls als Zusatzreiz für ein politisches Arrangement dienen. Andererseits besaßen die Lobbyisten ein feines Gehör für die Gefahren, die auf sie zukamen  : Schon im Herbst 1914 regnete es ablehnende Stellungnahmen einschlägiger Interessensverbände. Ein Handelskammersekretär (Tayenthal) zog daraus die Schlussfolgerung  : Es werde die »Politik der Wirtschaft imperativ das vorzuschreiben haben, was in letzter Linie auch ihr einziges Heil ist.« Gerade von den industriellen Kreisen Deutschlands erhoffte er sich da noch viel weniger als von den österreichischen.169 Eine Zollunion war vielleicht noch möglich, aber eine Vorzugsbehandlung für die Monarchie musste an der Meistbegünstigungsklausel aller übrigen Handelsverträge scheitern. In Österreich erwies sich als dezidierter Gegner einer Zollunion vorhersehbarerweise die Schwerindustrie, die es gewohnt war, ihre Kartellabsprachen mit prohibitiven Schutzzöllen abzusichern. Prominent vertreten war dabei der alte WittgensteinClan, Manager mit jüdischen Vorfahren wie Zentraldirektor Wilhelm Kestranek von

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der Prager Eisen und Max Feilchenfeld von der Niederösterreichischen Escompte  ; aber genauso auch der Deutschnationale Friedrich Schuster als Generaldirektor des Rothschild’schen Witkowitz.170 Als mächtiger Drahtzieher im Hintergrund galt der sagenumwobene Gouverneur der Bodencreditanstalt, Rudolf Sieghart, einst Pressesprecher der Liberalen in ihrem Abendrot, dann Leiter des Ministerratspräsidiums unter Koerber und Beck und als Großmeister der Korruption verschrien. Zur »Götzenanbetung« des BCA-Gewaltigen trugen nicht zuletzt seine Gegner bei, die frustriert behaupteten, er sei mächtiger als der Kaiser. Unter den Gerüchten, die im ersten Kriegsjahr die Runde machten, war z. B. auch, er verfüge über einen »direkten Draht« zum AOK, weil er sich um die Scheidung von Conrads Geliebter verdient gemacht habe, als er ihrem Ehemann aus einer finanziellen Patsche half.171 Aus dem Kreis der Großbanken zeigte sich in den einschlägigen Zirkeln der Mitteleuropa-Befürworter regelmäßig nur Julius v. Landesberger, der Präsident der Anglobank. Er berichtete, »die Stellung der seiner Bank nahestehenden Industrien« sei sehr verschieden, »zum Teil ablehnend, zum Teil befürwortend, zum Teil einfach abwartend, in der Überzeugung, man werde sich den neuen Verhältnissen anzupassen versuchen.«172 Zumindest private Sympathien für Mitteleuropa hegte auch Alexander Spitzmüller von der Credit-Anstalt. Doch auch sonst war die Aufnahme in der Industrie keine enthusiastische  : Der Österreichisch-Deutsche Wirtschaftsverband des »wilden« Wiener Abgeordneten Max Friedmann erfreute sich 1914/15 eines großen Zulaufs. Doch seine offen freihändlerischen Positionen wurden zweifellos nur von einer Minderheit geteilt.173 Der Reichenberger Handelskammerbezirk rang sich zu einer positiven Stellungnahme durch  ; auch der Brünner Kammer-Sekretär Otto Lecher machte sich konstruktiv bemerkbar  : Die ungeteilte Souveränität sei identisch mit der Isolierung.174 Die Textilindustrie war protektionistisch, doch ihr Konkurrent war England, nicht Preußen. Man versprach sich da einiges von einem gemeinsamen Auftreten nach außen. Doch letztendlich nahm kaum jemand an, dass man ganz ohne Zwischenzoll-Linie das Auslangen finden werde. Selbst ein Befürworter wie der Sozialpolitiker Eugen v. Phillipovich räumte ein  : »Um die Tatsache, daß wir eine dreimal so große Einfuhr von Fabrikaten aus Deutschland gegenüber unserer Ausfuhr dorthin haben, kommen wir nicht herum. […] Ohne Übergangszeit mit Zöllen für wichtige Zweige unserer Industrie ist die Vereinigung nicht möglich.«175 Findige Bürokraten zogen daraus die bestechende Schlussfolgerung, man müsse die Zölle nur einfach prophylaktisch noch einmal kräftig erhöhen, um Deutschland dann »auf Kosten dritter Staaten Vorteile gewähren« zu können.176 Das virtuelle Ringen um einzelne Zollpositionen stellte bestenfalls ein Vorgeplänkel für die eigentliche politische Auseinandersetzung dar. Einen Vorgeschmack auf die Schwierigkeiten, die dabei zu bewältigen waren, gaben selbst die Treffen der – oh-

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nehin wohlwollenden und zumeist nationalliberalen – Parlamentarier beiden Seiten in München (7. Juli 1915) und Salzburg (13./14. November 1915), auch die Christlichsozialen trafen sich um den Jahreswechsel mit den Zentrumsleuten.177 Es waren übrigens in erster Linie die reichsdeutschen Teilnehmer, die Bedenken äußerten. Die Resolutionen, die verabschiedet wurden, klangen deshalb alle ein wenig nach der Republik mit dem Großherzog an der Spitze.178 Mit Mitteleuropa waren ganz unterschiedliche Sonderwünsche verknüpft  : Mitteleuropa als Gesamtkunstwerk mochte ein Ganzes bilden, das Vor- und Nachteile für alle Teilnehmer sorgsam ausbalancierte. Doch alle Schritte auf dem Weg dahin waren an ein Junktim geknüpft. Jedes Zugeständnis konnte nur gerechtfertigt werden, wenn auf einer ganz anderen Ebene ein entsprechender Schritt in der anderen Richtung erfolgte. Doch dafür bedurfte es eines gut eingespielten Mechanismus. Selbst bei gutem Willen konnte angesichts der komplexen verfassungsrechtlichen Ausgangsposition davon keine Rede sein. Burian bestritt allein schon das zugrundeliegende Junktim zwischen austro-polnischer Lösung und Mitteleuropa. Wenn man alle diese Posten addierte, blieb als Fazit für die Monarchie  : Ein Abschlag an Souveränität gegen einen finanziellen (und territorialen  !) Aufschlag. Freilich  : In den höheren Regionen der österreichischen Politik wurde allein schon der Gedanke, dass Deutschland Garantien für das Wohlverhalten einer vergrößerten Monarchie einfordere, als beleidigendes Misstrauensvotum empfunden. Franz Joseph wollte die Sache auf allerhöchster Ebene beilegen, lud Wilhelm im Herbst 1915 zu einem Besuch in Wien ein und formulierte es noch freundschaftlich, wenn er Wilhelm wissen ließ  : »Zwischen uns seien derlei Formalia doch wohl unnötig.«179 Die Botschaft wurde verstanden. Als der eifrig-ehrgeizige Baernreither Anfang November 1915 Jagow auf die geplante engere Verbindung mit dem Reich ansprach, winkte Jagow bereits ab  : »Diesen Vertrag wird ihr Monarch nicht eingehen.« Bloß Berchtold vertrat hier eine Gegenposition, die frei war von nationalen Sentimentalitäten  : »Gerade weil Deutschland eine weit überlegene und für einen Angriff günstig postierte Militärmacht ist, sollten wir es an uns fesseln und nicht befremden.«180 Im Vordergrund der Opposition stand jedoch einmal mehr Tisza. Der ungarische Ministerpräsident bezeichnete zwar bei Gelegenheit selbst einmal die Ungarn als »vorgeschobene Vedette des Deutschtums«181, aber er erblickte in Mitteleuropa eine »vergrößerte Österreicherei«, die es den Deutschen hüben und drüben ermöglichen würde, Ungarn zu majorisieren, ein »verzuckertes Angebot des Vasallenstaates«.182 So wie bei allem, was die Parität Ungarns in Gefahr brachte, legte er sein Veto ein. Über Mitteleuropa könne man allenfalls verhandeln, wenn die für 1917 anstehende Verlängerung des »Ausgleichs«, sprich  : des Handelsbündnisses zwischen Österreich und Ungarn unter Dach und Fach sei.

Die »Magnatenverschwörung«  : Die Fronde gegen Stürgkh

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Tisza – und Franz Joseph – konnte man nicht so leicht stürzen. Die Verfechter der beiden miteinander verschränkten Projekte  : Mitteleuropa und austro-polnische Lösung nahmen deshalb einen anderen Würdenträger ins Visier  : den österreichischen Ministerpräsidenten Stürgkh, der all diese Debatten als öffentliche Ruhestörung empfand und nach Möglichkeit zu unterbinden trachtete. Angeblich warnte die österreichische Staatsanwaltschaft die Zeitungsherausgeber, der Bewegung für eine Annäherung an Deutschland in ihren Blättern Vorschub zu leisten.183 Auf Wunsch Tiszas lancierte Stürgkh im Juli 1915 einen Artikel im offiziösen »Fremdenblatt«, alle diese Debatten seien verfrüht, bloß um ein Monat später wieder zurückzurudern  : Man habe nichts gegen »realistische Planungen«, bloß gegen »phantastische Pläne«.184 Der Premier war nicht zuletzt verwundbar, weil er zunehmend als Sündenbock herhalten musste für den Mangel an Lebensmitteln  : Die schlechten Ernteergebnisse hatten sich im Herbst 1915 bereits bemerkbar gemacht, die rumänischen Importe wegen der Transportschwierigkeiten noch nicht. Jetzt wie später wurde in solchen Fällen immer wieder suggeriert, die Ungarn hielten ihre Getreidevorräte zurück  : Warum griffen die Österreicher nicht zu entsprechenden Repressalien und lieferten im Gegenzug einfach keine Kohle mehr.185 Stürgkh stand unter dem Generalverdacht der Nachgiebigkeit gegenüber Ungarn. Dieses Misstrauen erstreckte sich vor allem auch auf das klassische Gebiet der Beziehungen zu Ungarn, den »Ausgleich«, sprich  : die Neuverhandlung der finanziellen Verhältnisse beider Reichshälften. Der Wiener Zentrale war daran gelegen, den Ausgleich nicht mehr auf zehn, sondern auf zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre abzuschließen. Derlei Institutionalisierung von Gemeinsamkeiten war in Ungarn nicht populär  ; Tisza war der Mann, sich darüber allenfalls hinwegzusetzen. Aber diese Verwendungszusage hatte ihren Preis  : Tisza kehrte die Taktik seiner Vorgänger um, die 1907/08 für »staatsrechtliche Ornamente« (»wertlose Glasperlen«, wie Tisza sie bezeichnete) eine Erhöhung der Quote in Kauf genommen hatten. Er wollte den finanziellen Beitrag Ungarns gesenkt wissen  : Österreich würde für die Festigung der Gemeinsamkeiten einen Preis auf Heller und Pfennig zu zahlen haben.186 Jede Kampagne gegen Stürgkh sah sich freilich vor ein Problem gestellt. Stürgkh hatte seinen Kollegen in so ziemlich allen anderen kriegführenden Staaten eines voraus  : Der österreichische Reichsrat war schon seit März 1914 vertagt worden  ; wenn es nach Stürgkh ging, würde das wohl auch bis Kriegsende so bleiben. Weil der Reichsrat nicht tagte, waren auch keine Delegationen gewählt worden, die Ausschüsse beider Häuser, die sich mit den gemeinsamen Angelegenheiten befassten. Vor welchem Forum sollte man die Kritik an dem Kriegspremier, der in seiner Friedensroutine verharrte, denn vorbringen  ? Die Presse schied im Zeichen der Zensur ebenfalls aus  ;

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allenfalls zwischen den Zeilen konnte man da klammheimlich Bosheiten absondern. Auch die klassische Hofintrige fiel aus  : Der fünfundachtzigjährige Kaiser bewegte sich nicht in Gesellschaft und verbat sich jede unbefugte Einmischung, auch – manche sagten  : gerade – von Erzherzögen. Die altösterreichische Verfassung kannte kein formelles Misstrauensvotum. Doch sobald sich eine parlamentarische Mehrheit gegen einen Regierungschef bildete, fand sie auch Mittel und Wege, ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Vieles davon spielte sich hinter den Kulissen ab, ohne dramatische Abstimmungen  : So hieß es, Franz Ferdinand habe sich der Christlichsozialen bedient, um seinen ungetreuen Gefolgsmann Beck zu stürzen, der es nicht bloß gewagt hatte, das allgemeine Wahlrecht einzuführen, sondern auch – wie sich die Bilder gleichen – den Ungarn Konzessionen beim Ausgleich zu machen. Sein Nachfolger Bienerth war letztendlich über Bilińskis Schwierigkeiten mit seinen Landsleuten vom Polenklub gestolpert. Stürgkhs Gesellenstück war die Verabschiedung des neuen Wehrgesetzes 1912 mit Zwei-DrittelMehrheit. Anderthalb Jahre später zwang ihn die tschechische Obstruktion im März 1914 zur Vertagung des Hauses  ; er nahm es ihr nicht besonders übel. Schiller hätte gesagt  : Dieser Mortimer starb ihm sehr gelegen … Stürgkh hatte sich im Hause auf keine feste Mehrheit gestürzt, sondern das betrieben, was sein Kollege Bethmann-Hollweg im Reich als eine »Politik der Diagonale« bezeichnete. Bei seinem Amtsantritt formulierte der deutsche Botschafter  : »Stürgkh verbindet in seiner Person, wenn man so sagen darf, verschiedene Parteischattierungen.«187 Früher liberal-verfassungstreu, unterhielt der Steirer inzwischen gute Beziehungen zu konservativen Gruppierungen auch bei Tschechen und Slowenen. Dafür waren die Christlichsozialen nach ihrer Wiener Wahlniederlage 1911 auf Distanz zur Regierung gegangen. Dennoch konnte kein Zweifel darüber bestehen, wer die Achse der Arbeitsmehrheit bildete, die für Budget und Staatsnotwendigkeiten stimmte  : Die bürgerlichen Parteien der Deutschen und Polen, die sich 1911 von ihrem ersten Schock über die Wahlreform erholt und zu einem Comeback angesetzt hatten. Der Nationalverband der deutschfreiheitlichen Abgeordneten bildete seither wiederum die stärkste Fraktion des Hauses, mit rund hundert von 516 Mandaten. Auch im Polenklub mit seinen 70 bis 80 Mitgliedern hatten die Konservativen 1911 wieder die Oberhand gewonnen  ; ihr schärfster Konkurrent am Lande, die Bauernpartei, spaltete sich 1913 – unter tatkräftiger Mitwirkung Stürgkhs übrigens, der im richtigen Moment belastendes Material gegen ihren Parteichef Stapinski der Öffentlichkeit zuspielte.188 Deutsche und Polen bildeten eine Zweckgemeinschaft. Es gab keine ­Koalition, keinen gemeinsamen Ausschuss. Polenklub und Nationalverband waren keine straff organisierten Parteien wie Sozialdemokraten oder Christlichsoziale, sondern Dachverbände. Hin und wieder entdeckte die eine oder andere Gruppe der Polen, die

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bäuerliche Volkspartei oder die Nationaldemokraten, ihre slawische Seele und verbrüderte sich mit den Südslawen   ; ab und zu konterten die Deutschnationalen und gruben ihre Sympathien mit den unterdrückten Ukrainern aus. Eine Zeitlang existierte sogar eine technische Fraktion zwischen den Außenseitern des Reichsrates, dem isolierten Kleeblatt der Alldeutschen und den Ukrainern, der sich bei Abstimmungen ab und zu pikan­terweise auch die Zionisten zugesellten.189 Mit dem Beginn des Krieges wurde die Politik »reprivatisiert«, wie John Boyer es treffend ausgedrückt hat.190 Die Couloirs des Reichsrates fielen als Treffpunkt aus. Jüngere Kollegen dienten an der Front   ; das Hohe Haus zwischenzeitig als Lazarett. Gewisse Zirkel von Politikern und Experten trafen einander in Nobelgaststätten (z.  B. Hopfner in der Kärntnerstraße 61, beim StephansAbb. 8  : Der Reformskeptiker Graf Karl Stürgkh, platz) oder Salons, besprachen die Lage ­Ministerpräsident 1911–16  : »Ein wack’rer Steirer und entwarfen Pläne für die Zukunft. fühlt sich reich/ Durch Dank vom Hause Österreich Bezeichnend war, dass selbst die Anre- / Er kennt des Hauses Hintertüren / Und wußte oft gung zu diesen geselligen Runden meist durch sie zu führen / Er konnte mit Geschick verhanvon Alt-Politikern ausging, wie z. B. dem deln/ Und manche schlimme Zeit vertandeln«. Unterrichtsminister Gustav Marchet, der seinen Ruf wohl mehr gelegentlichen Besuchen bei Katharina Schratt verdankte, oder eben der schon mehrfach erwähnte Joseph Maria Baernreither, ein unverheirateter Gutsbesitzer aus Böhmen, dessen Passion die Politik war, mit weitgespannten Interessen von der englischen Sozialpolitik bis zur Verwaltung Bosniens. Baernreither war 1898, während der Nachwehen der Badeni-Krise, für ein paar Monate Minister gewesen, keine sehr glückliche Zeit für ihn, als deutscher Minister im Kabinett Franz Thun, gegen das alle Deutschen Sturm liefen. Seither arbeitete er unermüdlich an einem Comeback, klug und kenntnisreich, wie er war, aber auch ehrgeizig und intrigant, als staatstragend-catilinarische Existenz, unter jedem Ministerium rerum novarum cupidus. Wir verdanken Baernreither ein Tagebuch, oder

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besser Notizbücher mit gelegentlichen Rückblicken, später immer wieder ergänzt  ; die staatstragenden, weniger interessanten Passagen wurden auf seinen Auftrag nach seinem Tod veröffentlicht  ; die achtzehn Bände mit Zitaten und Observationen liegen in Wien und werden demnächst hoffentlich in ihrer ganzen Pracht ediert werden.191 Der Grund warum Baernreither – mehr als Josef Redlich, der zweite berühmte Tagebuchschreiber dieser Jahre – weiterhin eine gewisse Rolle in der Politik spielte, lag nicht zuletzt an seinem Arbeitseifer, der ihm im Rahmen des sogenannten verfassungstreuen Großgrundbesitzes eine Ausnahmestellung verschaffte  : Baernreither war nicht wie die meisten seiner hochadeligen Kollegen hin- und hergerissen zwischen der Côte d’Azur und der Hirschbrunft, sondern nahm Termine wahr, verfasste Memoranden, antichambrierte und schrieb lange Briefe – nicht nur, aber in erster Linie an den böhmisch-schwäbischen Magnaten Fürst Max Egon Fürstenberg, der in Donaueschingen residierte  – und in Lana, dem heutigen Landsitz des tschechischen Präsidenten. Fürstenberg war Obmann der »Linken«, nämlich der Verfassungspartei im Herrenhaus – und ein Freund Wilhelms II., eine lebendige Klammer zwischen den verbündeten Reichen, in gewisser Weise ein prädestinierter Herold der Mitteleuropa-Idee. Diese Verbindung sicherte auch Baernreither immer noch eine Anwartschaft auf einen Platz an der Sonne. Es war daher wohl auch kein Zufall, dass sich in dieser parlamentslosen Zeit, just in den Tagen, als Biliński sein Ministerium in der Johannesgasse räumen musste, der Abgeordnete und Ministerialrat Ignacy Rosner bei Baernreither ansagte, weil er »das Bedürfnis empfand, daß die Polen und die Deutschen Fühlung nehmen.«192 Rosner war kein Unbekannter  : Er hatte in seiner Jugend für Furore gesorgt, weil er als Protektionskind, als »die sprichwörtliche Nichte der Koalition«, verwandt mit zwei Ministern, auf einen höheren Beamtenposten gehievt worden war. Rosner war weiterhin gut vernetzt  : Zum vereinbarten Treffen am 9. März 1915 brachte er sowohl Biliński mit als auch Leopold v. Jaworski, den Obmann des Obersten Polnischen Nationalkomitees. Baernreither seinerseits lud Marchet ein – und nicht Gustav Groß, den Obmann des Nationalverbandes, den er für unfähig hielt,193 sondern Raphael Pacher. Pacher war eine interessante Wahl  : Als die »Nummer Zwei« der böhmischen Deutschradikalen, ihr Mann fürs diplomatische Fach, einigte er sich mit dem Parteigründer, dem alternden Volkstribunen Karl Hermann Wolf, mühelos auf eine »good cop, bad cop« Strategie. Während Wolf immer noch ein wenig seiner alldeutschen Vergangenheit nachtrauerte, korrespondierte Pacher mit der Kanzlei des Thronfolgers, setzte sich nach dem Zeugnis des Statthalters Thun ehrlich für den Ausgleich mit den Tschechen in Böhmen ein – und galt als Ministeranwärter, sobald einmal auch seiner Partei ein Portefeuille zufallen sollte. Die Deutschradikalen aber waren die bestorganisierte Gruppe innerhalb des Nationalverbandes, mit den Agrariern im Schlepptau in erster Linie eine schlagkräftige deutschböhmische Lobby, doch über den Deutschnationalen Verein Wolfs mit Brückenköpfen auch in anderen Kronländern.

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Kein Zweifel, die polnische Besetzung des Stückes fiel prominenter aus, aber auch die deutschen Teilnehmer verfügten über gute Kontakte nach »unten« und nach »oben«, zum aktivsten Teil des Nationalverbandes und zum Herrenhaus. Man erzielte rasch Übereinstimmung, die austro-polnische Lösung vorausschauend allenfalls auch im Sinne der subdualistischen Lösung durchzuziehen. Gegen die Inartikulation des Bündnisses und die handelspolitische Annäherung an Deutschland erhob sich kein Widerspruch  ; Biliński war mit einer Sudetendeutschen verheiratet und frei von germanophoben »Velleitäten«. Überrascht waren seine Gesprächspartner, wie »auffallend lebhaft« Biliński davon sprach, dass »die Reichsgewalt ohnehin gestärkt werden müsse, da es mit dem Dualismus so wie heute nicht fortgehen kann.« Darin mochte man ein Indiz erblicken, dass die widerwillig anerkannte subdualistische Lösung bestenfalls ein Etappenziel darstellte und nicht Bilińskis letztes Wort bleiben sollte. Scharf äußerte sich Biliński auch »über die Untätigkeit und Unfähigkeit der österreichischen Regierung.«194 Man wird nicht fehlgehen, in der kleinen Runde, die im März die austro-polnische Lösung paktierte, die Keimzelle Abb. 9  : Der alternde »Jung-Siegfried« Karl Hermann der merkwürdigen, wenn schon nicht Wolf, Gründer der Deutschradikalen Partei. im eigentlichen Wortsinn aufsehenerregenden Aktion zu erblicken, die zu Beginn der Herbstsaison als ein parlamentarisches Misstrauensvotum ohne Parlament gegen Stürgkh auskristallisierte. Was diesem ungewöhnlichen Schritt sein besonderes Flair verlieh, war der Umstand, dass er vom Herrenhaus getragen wurde. Das Herrenhaus tagte selbstverständlich ebenfalls nicht. Aber es wies zum Unterschied vom Abgeordnetenhaus mit seinen zwei Dut-

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zend Parteien und seiner nationalen Zerklüftung eine leicht überschaubare Struktur auf  : Es gab eine »Linke«, eben Fürstenbergs Verfassungstreue, alt-liberal bis liberalkonservativ, und vor allem  : deutsch  ; eine »Rechte«, die so ziemlich alle slawischen Mitglieder des Hauses umfasste und dazu die betont katholischen Deutschen (die dann erst 1918 eine eigene Gruppe bildeten)  ; und eine Mittelpartei, das Refugium von Beamten und Hofaristokratie (wie z. B. die Fürsten Kinsky), unter dem Vorsitz des Fürsten Schönburg-Hartenstein, der augenblicklich an der Front weilte und von einigen Militärs schon selbst als Kandidat für eine Ablöse Stürgkhs ins Gespräch gebracht worden war.195 Sein geschäftsführender Stellvertreter Baron Alois v. Czedik war ein alter, eigentlich schon uralter Liberaler, der noch das Jahr 1848 erlebt und als »Eisenbahnpatriarch« (Direktor der Staatsbahnen) Karriere gemacht hatte. Die Rechte war die mit Abstand stärkste Gruppe  : Sie zählte weit über hundert Mitglieder, Linke und Mittelpartei jeweils um die siebzig. Der Plan bestand darin, die drei »Parteichefs« des Oberhauses zu einer gemeinsamen Aktion gegen Stürgkh zu veranlassen, die allein dadurch schon den Anschein der patriotischen Überparteilichkeit gewinnen sollte. Die Speerspitze der Aktion bildeten ganz eindeutig Baernreithers Mentor Fürstenberg und Bilińskis polnischer Kollege Gołuchowski, der stellvertretende Obmann der Rechten. Der Obmann selbst, Graf Heinrich Clam, reiste kurz zuvor wieder an die Front ab, gab aber brieflich seine Zustimmung. Es gibt keinen Grund, Baernreither nicht zu glauben, wenn er im Oktober 1915 schrieb, Fürstenberg sei vor vierzehn Tagen in Wien eingetroffen und habe »mit Gołuchowski die Sache in Fluß gebracht«. Gołuchowski seinerseits behauptete, der Kaiser habe keinen Widerspruch angemeldet, als er ihm vorhielt  : »Diese Regierung führt Österreich in den politischen Bankrott.« 196 Die Exekutiv-Komitees der drei Parteien wurden am 20. /21. Oktober befragt. Die Linke war sofort dafür. Aus der Mittelpartei mit ihrer gouvernmentalen Tradition verlautete nachträglich, es habe »durchaus keine Begeisterung für die Minister-Stürzerei vorgeherrscht«, aber es erhob offenbar auch kein Widerspruch. Nur bei der Rechten gab es offenen Dissens  : Fürst Alfred Windisch-Graetz als Präsident des Herrenhauses lehnte das Ansinnen rundweg ab, die Führung der Aktion zu übernehmen  ; er hatte aber auch »ohne Jubel nichts dagegen«, wenn die drei Obleute auf eigene Faust vorgingen. Der eine oder andere Katholisch-Konservative (z. B. Walterskirchen) äußerte ebenso Bedenken gegen die Aktion wie Prinz »Fido« Schwarzenberg aus der Worliker Linie mit seinen Verbindungen zur tschechischen Politik  ; die wenigen bürgerlichen tschechischen Mitglieder wurden gar nicht erst gefragt, lässt sich vermuten.197 Man mochte sich über eine solche »Magnatenverschwörung« lustig machen, die ausgerechnet das beginnende 20. Jahrhundert in die Schranken forderte. Doch das Trio Fürstenberg–Schönburg–Gołuchowski vertrat eben nicht bloß eine Mehrheit des Herrenhaus, sondern verfügte über beträchtlichen Rückhalt auch im Abgeord-

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netenhaus, bei den beiden stärksten Fraktionen, Nationalverband und Polenklub. Die Herren meldeten sich eines schönen Tages im Herbst – 27. Oktober – bei Stürgkh und sprachen ihm höflich und formvollendet »ein solemnes Misstrauensvotum« aus. Im Gepäck hatten sie eine Denkschrift, die von Baernreither entworfen und von Gołuchowski ein wenig entschärft worden war. Heikle Punkte wie die Forderung nach der deutschen Staatssprache oder die administrative Teilung Böhmens wurden zurückgestellt. Man gab sich stattdessen ganz im Stile späterer Epochen »besorgt« – und kritisierte in erster Linie die Untätigkeit der Regierung. Auf diese Weise ließ sich die Opposition leichter bündeln. Die Stoßrichtung war dennoch unschwer zu erkennen. Als populärer Aufhänger diente der Lebensmittelmangel, die »Approvisionierungsfrage«. Der Tenor war  : Man dürfe »große Fragen nicht einfach an sich herankommen lassen« (ein Hinweis auf die Blockade in der austro-polnischen und Mitteleuropa-Frage), das »Gleichgewicht der Kräfte« innerhalb der Monarchie sei »zu Ungunsten Österreichs gefährdet« (soviel zur von Tisza vielbeschworenen »Parität« zwischen den Reichshälften). Die austropolnische Frage wurde nicht direkt angesprochen  ; nach eingehenden Besprechungen mit Gołuchowski resümierte Baernreither in einem Brief an Fürstenberg  : »Mit der Konstituierung eines 20 Millionen-Polen-Reiches ist der Trialismus gegeben. Es gibt da keinen Ausweg.« Selbst er machte freilich eine kleine Einschränkung  : Es müsse zusätzlich freilich »das Selbstgefühl der Polen nicht verletzende, aber wirksame obrigkeitliche Einrichtungen« geben.198 Nicht der Brief, aber die Denkschrift war für Seine Exzellenz Baron Franz Schiessl bestimmt, den zivilen Vorzimmerchef des Kaisers, einen Würdenträger, so hieß es einmal, der »sehr einflussreich sei, aber selten Einfluß ausübe.«199 Obersthofmeister Fürst Montenuovo, der in der Sache eine undurchsichtige Rolle spielte, hatte zu diesem Weg geraten. Stürgkh quittierte den Vorstoß der Herrenhäusler mit der Bemerkung, da werde er sich wohl erkundigen müssen, ob er noch das Vertrauen des Kaisers besitze – eine Reaktion, die seine Gesprächspartner nicht so leicht zu interpretieren wussten. War das jetzt ein Rückzugsgefecht oder beißende Ironie, um die Herren an die Prärogative der Krone zu erinnern  : Schließlich sollte doch gerade das Oberhaus wissen, wer in Österreich immer noch über Kabinettsbildungen entschied. Franz Joseph reagierte nach außen hin, wie es seinem Ruf entsprach  : Er empfing Fürstenberg in Audienz – und sprach mit ihm angeblich kein Wort von Politik.200 Marterer in der Militärkanzlei, der sichtlich mit der Aktion gegen Stürgkh sympathisierte, zeichnet schon ein, zwei Wochen vor der Herrenhaus-Aktion ein differenziertes Bild von Franz Josephs Reaktion  : Die Frage Stürgkh sei »im guten Fahrwasser«, auch Montenuovo habe sich dafür eingesetzt, dann sei »Gegenwind aufgekommen, da ist der Kaiser bockig geworden, scheint, dass man auch gesagt hat, dass Deutschland ein Gewicht auf den Regierungswechsel legt.«201 Conrad seinerseits saß die Krise mit

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bemerkenswerter Zurückhaltung aus. Zwar hatte Marchet im Sommer in Teschen das Terrain sondiert. Doch so sehr man im Armeeoberkommando bei Stürgkh immer wieder auf hinhaltenden Widerstand gestoßen war und zeitweilig mit der Idee geliebäugelt hatte, einen General an seine Stelle zu setzen, ist es doch fraglich, ob Conrad der Vorstellung eines energischen Nachfolgers tatsächlich soviel abzugewinnen vermochte, wie er vorgab.202 Zwischen der strukturellen Rivalität des AOK mit den zivilen Behörden und dem Richtungsstreit zwischen Stürgkh und der Herrenhausfronde gab es gewisse Parallelen, auch gewisse Berührungspunkte in personeller Hinsicht  : Die Stäbe der höhe­ ren Kommanden waren voll von aristokratischen Ordonnanzoffizieren, die selbst im Oberhaus saßen oder zumindest über gute Verbindungen dorthin verfügten  : Fürsten­ berg selbst zählte dazu, freilich auch sein Widerpart Graf Adalbert (»Montschi«) Sternberg.203 Aber  : Allen Querverbindungen zum trotz – das AOK und die Herren­ hausfronde zogen langfristig nicht am selben Strang. Inhaltlich zählte das AOK keineswegs zu den Anhängern der austro-polnischen Lösung. Diese Divergenzen traten mit der Zeit immer deutlicher hervor  : Conrad argumentierte 1916, »wir müssen die  – von den polnischen Beamten brutalisierten  – Ukrainer auf unsere Seite bringen«  ; Gołuchowski konterte, »das AOK sei eine Maffia. Die Deutschen hätten diese Mißwirtschaft erkannt.«204 Damit war auch gleich ein weiterer Zankapfel angesprochen  : Die Annäherung an Deutschland, wie sie dem Mitteleuropa-Konzept zugrunde lag, entsprach zumindest nicht der augenblicklichen Stimmung in Conrads Umgebung. Denn die Klagen über die Verräterei der Slawen – die später gern als Indiz für eine deutschnationale Grundstimmung im AOK zitiert wurden – waren stets gepaart mit Ressentiments gegen »die deutsche, besser gesagt preußische Anmaßung«.205 Hingegen erlaubten sich gerade Bewunderer des deutschen Wesens  – wie Schneller oder Wiesner  – auch ein differenziertes Urteil über das Verhalten von Tschechen oder Ukrainern  : Der Fehler lag ihrer Meinung nach bei der Führung, nicht bei der Mannschaft. Als im September 1915 wieder Gerüchte über tschechische Überläufer kursierten, die samt Offizieren zum Feind übergegangen seien, schlug Schneller vor  : »Ich bin überzeugt, daß nur die Unordnung daran Schuld ist. Man mache die Probe und gebe die Division auf den südwestlichen Kriegsschauplatz.«206 Wie stand es nun tatsächlich mit der reichsdeutschen Beteiligung an der »Magnatenverschwörung«  ? Wenn der Schritt schon nicht von Berlin ausging, so entwickelte sich Berlin doch zur Klagemauer aller österreichischen Unzufriedenen. Staatssekretär v. Jagow seufzte  : »Solange die Companie Tisza-Burian mit ihrem ergebenen Instrument Stürgkh in wien herrscht, werden wir wohl überhaupt nicht weiterkommen. […] Aber wie sie beseitigen, durch wen sie ersetzen  ?« Tschirschky antwortete  : »Die Beseitigung Stürgkhs wäre natürlich höchst erwünscht. Ich arbeite daran, soweit es

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mir möglich ist.« Interessant war sein Hinweis  : »Ich habe auch eine sehr gute Verbindung mit dem Thronfolger, der ganz für die Idee eines Wechsels im Ministerpräsidium gewonnen ist, der sich aber bisher noch nicht traut, dem alten Herrn damit zu kommen.« Wilhelm II. selbst notierte auf dem Bericht Tschirschkys über die Aktion der Herrenhaus-Parteien  : »Ein starker Schritt. Aber er ist nötig  ! Bedauerlich, daß es so weit hat kommen müssen.«207 Ob Fürstenberg in dieser Richtung Vorarbeit geleistet hatte, ist nicht belegt, aber wahrscheinlich. Jagow war ein Korpsbruder von ihm. Sein Renommee im Auswärtigen Amt war freilich nicht über jeden Verdacht erhaben. Vielleicht war es auch bloß eine Folge des Fehlschlags, wenn es in einer Notiz über ihn hieß  : Man konnte von allen Seiten hören, dass die Aktion »schon deshalb zur Ergebnislosigkeit verurteilt gewesen sei, weil Fürstenberg dabei beteiligt war.«208 Auffallender war, dass auch Gołuchowski kurz zuvor Gespräche in Berlin geführt hatte. Die Fühlungnahmen beschränkten sich nicht einmal auf die deutsch-polnische Achse. Schließlich war der angepeilte Sturz Stürgkhs nur der erste Schritt einer Kampagne, die sich gegen Tiszas Vormachtstellung und seine Opposition gegen Mitteleuropa richtete. Wenn Tiszas Stellung ins Wanken geriet, dann würde Franz Joseph nicht auf die eigentliche Opposition, die Unabhängigkeitspartei, sondern auf die gemäßigten Elemente der bisherigen Opposition zurückgreifen. Darunter war in erster Linie Gyula Andrássy der Jüngere zu verstehen  : Konnte es einen besseren Garanten für ein loyales Festhalten an der 67er-Verfassung geben als den Sohn ihres Schöpfers  ? 209 Tisza und Andrássy waren beide 67er, vertraten dasselbe Milieu, Andrássy in einer aristokratischeren, ausgleichenden Variante, Tisza als Mann der Gentry. Die beiden waren persönliche Rivalen – und in gewisser Weise doch wieder komplementäre Figuren, die einander in der ungarischen Politik ergänzten und ablösten, wie die Figuren in einem Wetterhäuschen. 1912 hatte Tisza als der Drachentöter gegolten, als er das neue Wehrgesetz durchpeitschte und die Obstruktion mit aller Strenge bekämpfte. Damals hatte ihm die österreichische Öffentlichkeit applaudiert (bis auf Franz Ferdinand, natürlich, der in Ungarn seine eigene Politik der Diagonale verfolgte und sich nicht scheute, dabei auch mit dem linken Flügel der Unabhängigkeitspartei zu kokettieren). Jetzt war Tisza nahe daran, zum Buhmann der deutschen Öffentlichkeit zu werden, und nicht bloß der deutsch-österreichischen. Andrássy witterte Morgenluft. Sein Abstecher nach Berlin im Herbst 1915 war in erster Linie dazu gedacht, kundzutun, dass er nichts gegen Mitteleuropa habe, ja nicht einmal gegen einen eigenen polnischen Reichsteil und den Trialismus.210 Vielleicht gab es zu Tisza doch eine Alternative  ? Vielleicht sogar mehr als eine  : Wann immer die ungarische Politik wegen interner Unstimmigkeiten der Liberalen allzu unübersichtlich wurde, hatte der Kaiser auf Sandor Wekerle zurückgegriffen, den Mann für alle Jahreszeiten, ein 67er, aber

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ein 67er mit einem besonders weiten Herzen und einer sprichwörtlichen Flexibilität. Rechtzeitig warf jetzt auch Wekerle, der mit der Gründung einer eigenen Partei spekulierte, mit einem Memorandum für Mitteleuropa seinen Hut in den Ring und kultivierte seine Verbindungen jenseits der Leitha. Selbst Graf Albert Apponyi, nach einer langen Fahrt quer durch die politische Landschaft, von rechts nach links, bei der Unabhängigkeitspartei angekommen, schloss sich dem Reigen an, auch wenn er in der Sache zu weniger Konzessionen bereit war.211 Das nächste halbe Jahr war von einer regen Besuchsdiplomatie geprägt, wie sie zwischen den Parteien diesseits und jenseits der Leitha zu den Seltenheiten gehörte  : Am 30. Jänner waren die Spitzen des Nationalverbandes in Budapest zu Gast  ; am 24. März 1916 dinierten Apponyi, Wekerle und als Draufgabe auch noch die beiden Zichys als Repräsentanten der (kleinen) Katholischen Volkspartei in Wien mit dem Trio Baernreither, Marchet, Pacher und einigen weiteren Honoratioren. Mit von der Partie war auch Altmeister Beck.212 Wer aber sollte die Alternative zu Stürgkh darstellen. Schon Wochen vor dem Misstrauensvotum ging Baernreither mit einem Kandidaten schwanger, der auf den ersten Blick erstaunen musste, nämlich dem Grafen Ernst Silva-Tarouca, ein böhmischer Grubenbesitzer mit einem Schloss bei Prag (Pruhonitz), Ziehsohn des Grafen Egbert Belcredi, eines kämpferischen Konservativen, zusammen mit Belcredi auch Protektor der katholischen Soziallehre, 1911 einer der Kandidaten für den Vorsitz in der Rechten des Herrenhauses. Seine Kandidatur folgte immerhin einer gewissen Logik  : Österreichische Ministerpräsidenten agierten in ihrer Amtszeit meist ganz anders, als es ihrem vermeintlichen weltanschaulichen Hintergrund entsprach, schon einmal um Vorurteile auszuräumen und ihren politischen Spielraum zu erweitern. So war aus dem Stürgkh der Jahrhundertwende, der seinen böhmischen Parteifreunden viel zu national erschienen war, ein Premier geworden, der allseits des Zusammenspiels mit den klerikalen Slowenen bezichtigt wurde und vor dem Militärgericht als Leumundszeuge für Kramář aussagte. Mit umgekehrten Vorzeichen erwarteten Baernreither und Konsorten ein nämliches von dem Konservativen Silva. Diese Hoffnungen waren nicht ganz aus der Luft gegriffen  : Denn im konservativen Großgrundbesitz begann sich ein Riss abzuzeichnen. Die böhmischen Konservativen waren seit den frühen 1860er-Jahren mit den Tschechen verbündet, auch wenn die meisten von ihnen jeder einseitigen nationalen Identifikation auszuweichen bemüht waren. In diesem Sinne bildeten sie neben der Sozialdemokratie die einzige verbliebene übernationale Partei. Mit der Demokratisierung und Radikalisierung der tschechischen Politik dünnten die Beziehungen zu den Konservativen allerdings zunehmend aus  ; aber Demokratisierung und Radikalisierung, das galt für die Deutschböhmen natürlich genauso. Der Druck der Verhältnisse führte zu einer Konvergenz der beiden Adelsparteien, ein Trend, der von Franz Ferdinand und seinem Stichwortgeber in böhmischen Fragen, Ottokar Czernin, nur noch gefördert wurde. Beide Sei-

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ten sollten als geschlossene Gruppierung die Politik des Thronfolgers durchsetzen, so lautete der Plan.213 Nun war der Erzherzog tot  ; der Krieg hatte eine neue Konstellation geschaffen. Die übernationalen Konservativen waren theoretisch immer noch Anhänger des böhmischen Staatsrechts  ; doch dieser »überholte Standpunkt« verkam immer mehr zur grauen Theorie, zu Lippenbekenntnissen, die privat schon niemand mehr ganz ernst nahm. Vor allem aber ließen die Hochtories, wie sie in Anlehnung an englische Vorbilder gerne genannt wurden, sich von niemand in ihrem Patriotismus übertreffen. Da erwies sich die schiefe Optik, in die ihre tschechischen Landsleute seit Jahr und Tag geraten waren, als eine zu große Belastung für das herkömmliche Noblesse-obligeVerhältnis. Während einzelne Tories wie Franz Thun oder »Fido« Schwarzenberg die Tschechen in Schutz nahmen, distanzierte sich andere, wie Heinrich Clam von ihnen, oder besser, sie verlangten von den Tschechen eine Distanzierung, sprich  : eine offene Verurteilung des verräterischen Treibens einer Minderheit. Diese Vertrauenskrise kam erst 1916 offen zum Ausbruch, aber im Gebälk knisterte es schon lange vorher.214 Silva-Tarouca als leibhaftiger Konservativer, mit untadeligem Stammbaum und seit Jahrzehnten im intimen Austausch mit allen Bischöfen, konnte sich als das rechte Aushängeschild erweisen, um eine Politik umzusetzen oder zumindest zu entrieren, die im wesentlichen als eine deutschnationale galt, vor allem, wenn man ihm in Gestalt des Sektionschefs Richard Riedl einen Burschenschafter zur Seite stellte, der in der schwarz-gelben Bürokratie reüssiert hatte, einen in der Wolle geeichten Befürworter der Mitteleuropa-Ideen, der sich als früher Befürworter der Bewirtschaftung von Lebensmitteln hervorgetan hatte. Riedl sollte Handelsminister werden oder auch nur als graue Eminenz im Hintergrund wirken, wie Baernreither das eine Zeitlang anvisierte. Für Außenstehende wirkte die Kombination immer noch befremdlich  : Tschirschky befürwortete die Option und fand gute Worte für Silva  : Natürlich habe er eine »aristokratisch-klerikale Ader«, aber »es ist für uns besser, daß jemand von den Leuten am Ruder in Österreich sitzt, der viel Wasser in seinen klerikalen Wein getan hat als ein sogenannter Liberaler, der dann Renegat wird.« Jagow war von dieser Aussicht weniger begeistert  : Vielleicht wolle Silva »uns nur als Hebel für sein Emporkommen« einsetzen. Auch Fürstenberg vermerkte in seiner eigenen Partei  : Übereinstimmung über die Denkschrift, nicht über Silva-Tarouca.215 Wenig begeistert war auch Franz Joseph selbst. Die Art und Weise, wie er diese Abneigung kundtat, war ein Kabinettsstück – und eine Lektion, wer hier wen zu manipulieren verstand. Der alte Herr erkundigte sich einfach bei Frau Schratt, was für Namen man denn so als Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten nenne. Das Stichwort  : Fürstenberg oder Silva-Tarouca rief bei Franz Joseph nur eine abwehrende Handbewegung hervor  : »Ah, da fallt mir ja die Wahl weh  !« Speziell Silva hielt er für ausgeschlossen  ; Koerber sei zu alt  ; als die Schratt das Gespräch auf Beck oder

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Baernreither lenkte, ignorierte er Letzteren (»von mir schwieg er«, notierte Baernreither betrübt) und zeigte nur an Beck Interesse  : »Das ist schon etwas anderes  !«216 Theoretisch möglich, dass die Schratt auch nur gut schauspielerte (das war schließlich ihr Beruf ) und die Szene erfunden hat, dann freilich aus purer Bosheit, denn beliebt machte sie sich damit nicht. Viel wahrscheinlicher ist, dass Franz Joseph die Gelegenheit benützte, diversen Leuten ein Signal zu senden, sie bräuchten sich nicht zu bemühen  ; allenfalls würden sie den Weg freischießen für Konkurrenten wie Beck, auch er ein Katholik mit tschechischen Wurzeln, der sich nicht in die Karten schauen ließ und über gute Kontakte nach allen Richtungen verfügte. Im Dezember saßen die Verschwörer dann selbst einer der im Krieg besonders häufigen Verschwörungstheorien auf  : Baernreither redete sich ein, Stürgkh wäre doch noch gestürzt worden, wenn nicht »die Platte um Sieghart«, den Bösewicht vom Dienst – ausgerechnet in Verbindung mit der Erzherzogin Valerie – drei Tage lang Frau Schratt vom Kaiser ferngehalten hätte.217 Nun galt Sieghart zwar in der Öffentlichkeit als Stütze des Regimes  : Stürgkh, so hieß es, sei sein Taufpate gewesen, als er zum Katholizismus konvertierte. Als es 1910 um seine Ernennung zum Gouverneur der Bodencreditanstalt gegangen war, fanden sich Franz Ferdinand und Baron Rothschild in inniger Gegnerschaft zu dem Aufsteiger. Doch wer beschwor damals seine Freunde, es sei »von unschätzbarem Wert«, dass Sieghart ernannt werde und vergatterte die Verwaltungsräte, die ihm nahestanden, auf diese Kandidatur  : Niemand anderer als Fürstenberg (der sich immer wieder in finanziellen Schwierigkeiten befand).218 Fürstenberg hatte Sieghart auch jetzt wiederum prompt ins Vertrauen gezogen. Der Banker hielt zwar nur die Umgebung Stürgkhs für unfähig und verteidigte »seinen alten Freund«, verhielt sich in der Krise aber offenbar neutral. Doch auch Stürgkh und Franz Joseph hatten die Signale verstanden.219 Ende November kam es tatsächlich zu einer Regierungsumbildung  : Finanzminister Baron Engel wurde durch Leth ersetzt, den Gouverneur der Postsparkasse  ; über Engel waren allerlei missgünstige Gerüchte in Umlauf  ; »Größenwahn«, ja »destruktive Arbeitswut« wurden ihm nachgesagt.220 In der Erwartung eines kurzen Krieges befangen, wie alle anderen auch, hatte er auf Teufel komm raus auf Pump gelebt. Engel hatte »Lawinen von kurzfristigen Schulden« aufgehäuft – Lawinen, weil es sich um Schatzscheine handelte, die zurückgezahlt werden mußten, nicht um Renten, die bloß Zinserträge einbrachten (die aber dafür theoretisch ewig …  !). Derlei dauerhafte Belastungen konnten aber nur vom Parlament beschlossen werden, Schatzscheine – normalerweise mit sehr kurzer Laufzeit, jetzt schon etwas länger  : bis zu zwanzig Jahren – bedurften dieser Zustimmung nicht. Spitzmüller kommentierte deshalb  : »Die einzige Rettung aus dem finanziellen Engpaß wäre ein ernster Versuch mit dem Parlament. Da ihn die jetzige Regierung nicht übernehmen will oder kann, so heißt das finanzielle Remedium eigentlich

Die »Magnatenverschwörung«  : Die Fronde gegen Stürgkh

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Rücktritt des Ministeriums Stürgkh.«221 Spitzmüller wurde jetzt zwar nicht als Finanz-, aber als Handelsminister von Stürgkh kooptiert. Der Direktor der Creditanstalt, der »Rothschild-Bank«, galt als »weißer Rabe« im Bankgeschäft, weil er einer der wenigen Katholiken in den oberen Rängen der Branche war (sich allerdings nie gut mit den Christlichsozialen verstand). Innenminister wurde der Kurzzeit-Premier des Sommers 1906, Prinz Konrad Hohenlohe, der seine Popularität dem Umstand verdankte, dass er damals nach nur vier Wochen Amtszeit lieber zurückgetreten war als ungarischen Forderungen nachzugeben. Alois Liechtenstein prägte das geflügelte Wort, er sei dem Kaiser »durch eine Triumphpforte entwischt«.222 Spitzmüller war für die alle zehn Jahre anstehende Neuverhandlung des ­»Ausgleichs« mit Ungarn zuständig, des Zoll- und Handelsbündnisses, wo man sich von ihm eine härtere Haltung erwartete – und für die »wirtschaftliche Annäherung« an Deutschland, wo man von ihm eine entgegenkommendere Haltung erwartete. Privat war Spitzmüller da pessimistischer  : Er hielt Naumanns Buch zwar für »eine Bibel«  : »Allein ich sehe den Gestalter nicht.«223 Hohenlohe war für die Betreuung aller Reformprojekte im Inneren zuständig, von der umstrittenen Kreisverordnung für Böhmen bis zum Trialismus (oder auch Quadrilateralismus, sobald Hohenlohe im kommenden Jahr einen Versuchsballon aufsteigen ließ in Richtung eines südslawischen Reichsteiles). Hohenlohe war nicht unbedingt ein Mann des Aktenfleißes, für die Bearbeitung der Details holte er sich den Baron Erasmus Handel als Staatssekretär  ; dafür war Hohenlohes Name ein Programm, als Neffe eines ehemaligen deutschen Reichskanzlers, Bruder des Botschafters in Berlin, der seinerseits Schwiegersohn des österreichischen Armeekommandanten war, dazu noch persönlich auf gutem Fuße mit dem Thronfolger Erzherzog Karl – das war Mitteleuropa in einer Familie. Nur die Polen – so konnte man Zwischenbilanz ziehen – gingen leer aus. Burian verteidigte zwar im November, bei seinem für lange Zeit letzten Besuch in Berlin, das Erstgeburtsrecht der Österreicher auf Polen. Aber Fortschritte machte die »austropolnische« Lösung keine  ; Burian nahm bloß indigniert zur Kenntnis, dass man die Zustimmung dazu in Berlin plötzlich – oder zumindest für ihn plötzlich – an Bedingungen knüpfen wollte  ; ein Junktim zwischen der austro-polnischen Lösung und den Mitteleuropa-Plänen war für ihn nicht akzeptabel. Jagow hatte die Erwartungshaltung der Berliner skizziert  : »Man erwartet Vorschläge Österreichs [..] und ist gespannt, was Burian bringen wird.«224 Doch da sahen sich die Herren enttäuscht  ; Burian nahm das Wenn und Aber der Berliner im Gepäck mit und ward so bald nicht mehr gesehen. Auch ein Besuch Kaiser Wilhelms in Wien am 29. November brachte nur eine Fülle von Lippenbekenntnissen und Sonntagsreden hervor, wie sie für Gipfeltreffen üblich sind. Konkrete Ergebnisse gab es nicht  ; an Burians Dickfelligkeit prallten alle deutschen Anregungen ab. Erst im Februar 1916 nahm er den Faden wieder auf – doch inzwischen hatte die deutsche Seite die Sache komplett fallengelassen.225

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Burians erneut unter Beweis gestellte Dialogunfähigkeit war freilich zumindest in der Sache nicht allein seine Schuld. Wer das Protokoll des gemeinsamen Ministerrates zur Hand nimmt, das vor seiner Abfahrt getagt hatte, wird zugestehen müssen  : Burian fand sich dort von einem Chor von Skeptikern umgeben, die ihm alles andere auf den Weg mitgaben als für die austro-polnische Lösung zu werben. Der Tenor lautete vielmehr  : Auf die lange Bank schieben und seinerseits Bedenken anmelden. Das war für ein nach außen mit Zähnen und Klauen verteidigtes Kriegsziel allerdings eine kuriose Taktik  : Diese Haltung begann tatsächlich dem vielfach kolportierten Scherzwort zu gleichen  : Wer verliert, bekommt Polen.226 Allenfalls mochte man Polen als Faustpfand betrachten, als eine Hypothek, die man zum gegebenen Zeitpunkt einlösen konnte. Nicht der Konflikt, sondern der Mangel jeglicher Auseinandersetzung war das Beunruhigende. Man stritt nicht über die austro-polnische Lösung, man strich wie die Katze um den heißen Brei. Die Österreicher vermochten nicht zu sagen, wie sie sich die austro-polnische Lösung konkret vorstellten  ; die reichsdeutsche Seite vermochte nicht zu sagen, wie sie sich die Garantien konkret vorstellte, die Österreich-Ungarn bieten sollte. Schließlich war jedem das Bismarck-Wort geläufig, keine Großmacht werde ihre Existenz im Ernstfall der Vertragstreue opfern. Falkenhayn hatte ursprünglich für eine Militärkonvention mit Österreich-Ungarn plädiert, seine Meinung aber dann geändert und Kehrtmarsch befohlen  : Deutschland solle Polen lieber selbst behalten.227 Das Ergebnis war mit Blockade noch viel zu konkret umschrieben. Wenn selbsternannte Experten inzwischen in vorauseilendem Gehorsam über die Details der künftigen mitteleuropäischen Zollunion rangen, war das ein Placebo. Die Zeche zahlten zunächst einmal die Polen, die auch im Wiener Kabinett nach wie vor bloß mit einem farblosen Beamten als Minister für Galizien vertreten waren. Es blieb vorerst dabei  : Die »Befreiung« vom russischen Joch nahm die Form eines gewöhnlichen Besatzungsregimes an. Die Mittelmächte hatten Kongress-Polen in zwei Zonen geteilt  : Der größere, nördliche Teil mit Warschau unterstand dem deutschen Generalgouverneur v. Beseler  ; der kleinere, aber  – was wichtig war  – landwirtschaftlich ertragreichere Teil einem k. u. k. General in Lublin  ; dass mit Andrian-Werburg ein Polen-Skeptiker nach Warschau zurückkehrte und scharfzüngige Berichte lieferte, freut die Historiker heute mehr als die Polen damals.228 Nationaler Burgfriede  : Die Politik der »zwei Eisen im Feuer«

Manche sahen nach der Regierungsumbildung Hohenlohe schon als den kommenden Mann  ; andere betrachteten ihn bloß als Flankenschutz für Stürgkh, der in Richtung

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Berlin und AOK, wo seine Verwandten saßen, für gut Wetter sorgen sollte.229 Dazu kam ein aktueller Anlass, über die Herrenhaus-Fronde hinaus. Dem Premier stand eine Peinlichkeit noch bevor, oder wie Redlich kommentierte  : »Stürgkh wirft Ballast aus, um das drohende Gebirge des Kramář-Prozesses überfliegen zu können.«230 Peinlich war für Stürgkh schon einmal, dass er den Prozess nicht verhindern konnte. Der Premier zählte keineswegs zu den Zeugen der Anklage. Er erklärte vielmehr, die »Anklage sei unhaltbar«, und versuchte auch Kollegen, wie z. B. den ehemaligen Ministerpräsidenten Beck, für eine Aussage zugunsten Kramářs zu mobilisieren.231 Auf 105 Seiten bemühte sich ein biederer Oberleutnant-Auditor redlich, Kramář hochverräterische Gesinnung nachzuweisen. Doch Gesinnung war nicht strafbar (zumindest in Alt-Österreich nicht). Hochverrat, so die Verteidigung, könne man doch wohl nur durch Handlungen, nicht durch Unterlassungssünden begehen. Selbst das Militär bescheinigte Kramář eine »nach außen hin ungemein korrekte Haltung«. Die Beweisführung beruhte daher  – neben dem Appell an die Emotionen der patriotischen Öffentlichkeit  – auf einer umwegigen Konstruktion, der Haftung »des Mittäters ohne eigentliche Ausführungshandlung«.232 Was ausländische »Neoslawisten« seit Kriegsbeginn publiziert hatten, war Kramář nicht zur Last zu legen, auch wenn er mit den Autoren von früher her bekannt war (aber das war er mit der österreichischen Regierung schließlich auch gewesen). Der Eindruck schuldhaften Verhaltens sollte per Assoziationem erweckt werden. Politische Gegner, wie z. B. der deutschradikale Abgeordnete Wichtl, mochten daraus Verschwörungstheorien konstruieren. Seine Broschüre  : »Kramář als Urheber des Weltkrieges« verband in fantasievoller Weise panslawistische und freimaurerische Motive. Schlüssige Belege lagen derlei Etüden der Kriegspropaganda naturgemäß keine bei. Die Verhandlung, die fast ein halbes Jahr in Anspruch nahm, verlief nicht ohne pikante Seitenblicke  : Einen prominente Rolle bei allen Verdächtigungen spielte Kramářs russische Frau – doch gerade sie hatte immer zur Vorsicht geraten und bezeichnete den Mitangeklagten Rašin als den bösen Geist ihres Karliček. Mit dem italienischen Konsul habe er sich getroffen, gab Kramář zu, aber bloß, weil er Triest für die Slawen erhalten wollte, wie er mit treuherzigem Augenaufschlag zu Protokoll gab. Auf seine »Passivität« im Krieg gegen Russland angesprochen, appellierte Kramář an die Stimmung gegen die »Verräter« im Süden  : Er sei immer gegen jeden Krieg gewesen – außer einem einzigen  : dem gegen Italien. Wenn seine ganze Politik hochverräterische Ziele verfolge, so spielte Kramář seinen Trumpf aus, dann seien auch die kaiserlichen Kabinette der letzten zwanzig Jahre zu belangen, die ihm dabei Schützenhilfe geleistet hatten. Am 17. Februar 1916 sagte Stürgkh prompt zugunsten Kramářs aus. Die Zuschauertribünen im Landwehrgericht am Hernalser Gürtel 12 waren voller Prominenz. Das Schauspiel, wie das halbe Establishment der Monarchie für einen Hochverräter ein-

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trat, der dennoch prompt zum Tode verurteilt wurde, war seit den Wirren des Jahres 1848 nicht mehr dagewesen. Man konnte von Politjustiz sprechen oder ganz im Gegenteil die Unabhängigkeit der Militärrichter von der Politik hervorheben  ; auf alle Fälle ließ der Prozess die Unstimmigkeiten innerhalb der obersten Führung der Monarchie grell hervortreten. In Berlin schimpfte pikanterweise gerade die Tochter des Armeekommandanten, die Prinzessin Hohenlohe  : Die Reichsdeutschen hätten auch so ihre Schwierigkeiten mit den Elsässern, aber sie machten kein solches Affentheater daraus  : »Bei uns wird immer von diesen Sachen viel zu viel gesprochen.«233 Kramář hatte 1913/14 eine politische Niederlage erlitten und sich auch 1914/15 aufs Abwarten verlegt. Der aufsehenerregende Prozess machte ihn 1915/16 zum Märtyrer. Als er im Oktober 1917 – nach der schrittweisen Begnadigung durch Kaiser Karl – nach Prag zurückkehrte, wurde er als Nationalheld gefeiert. Dieses Happy End war freilich 1915/16 noch nicht abzusehen. Auf der einen Seite war das Vorgehen des Militärs selbstverständlich nicht geeignet, für die Monarchie bei den Tschechen Sympathiewerbung zu betreiben. Märtyrer waren als Tote gefährlicher als zu Lebzeiten, wie zur gleichen Zeit auch die Engländer nach dem Osteraufstand in Irland feststellten.234 Der Prozess Kramář bildete da nur die Spitze des Eisberges. Über das Prager Militärkommando hatte sich Thun beklagt  : »Unausgesetzt machen sie eine Dummheit nach der anderen, und wenn sie herauskommt, lügen sie wahrhaft klassisch und berichten in den schwärzesten Farben.«235 Langfristig konnte sich dieser Generalverdacht gegen die Tschechen nur zu einer »self-fulfilling prophecy« auswachsen. Die Tschechen hatten sich in einen Schmollwinkel zurückgezogen. Doch mit einschlägigen Drohungen provozierte man bestenfalls Dienst nach Vorschrift in Schwejk’scher Manier. Natürlich gab es gewisse Indizien für das weit geringere Engagement der Tschechen in Sachen Patriotismus. So hätten die Tschechen im Schnitt nur ein Zehntel soviel Kriegsanleihe gezeichnet wie die Deutschböhmen, behauptete eine Statistik.236 Man merkte die Absicht und war verstimmt – doch was sollte oder konnte man dagegen schon tun  ? Schließlich konnte man im Prinzip ja auch loyaler Staatsbürger sein und den Krieg dennoch für falsch halten. Die Begleiterscheinungen des Krieges sorgten überall für Unmut, nicht bloß in Böhmen. Noch vor Ende des Kramář-Prozesses kam es in Wien zu Hungerkrawallen  ; deshalb unterstellte niemand den Wienern, sie wollten die Kosaken oder gar die »Katzelmacher« in der Hofburg einziehen sehen. Und selbst wenn die Pauschalverdächtigungen zutrafen, die hinter jeder Ecke Hochverrat witterten, was folgerte daraus  : Man konnte schließlich nicht Hunderttausende füsilieren oder einsperren, die man als Soldaten und Arbeitskräfte brauchte  ? Die andere Seite der Medaille war freilich auch  : Dem politischen Establishment der Tschechen war mit Blick auf den Kramář-Prozess nicht sehr wohl zumute.237 Kramář war immer schon eine eigenwillige und umstrittene Persönlichkeit gewesen.

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Der Vorwurf seiner Kollegen gegen ihn anno 1916 lautete schlicht und einfach, er habe auf das falsche Pferd gesetzt. Die Russen waren nicht nach Prag gekommen (und als er im Kerker von der Russischen Revolution hörte, war Kramář sogar geneigt, seinen Kritikern recht zu geben  : »Jetzt sind wir fertig.«238) Es ging nicht darum, ob man an Österreich als Idee glaubte, ob man es – wie der junge Palacký – für unverzichtbar hielt, sodass man es erfinden müsse, wenn es nicht schon bestünde, oder ob man – wie der alte Palacký – an ihm verzweifelte.239 Kramář selbst hatte mehrere dieser Phasen mitgemacht, die allesamt in seinem Prozess zur Sprache gekommen waren. Worum es ab 1914 für die Tschechen ging – und für alle anderen, die im politischen Rampenlicht standen – war nicht, ob sie an Österreich als abstrakte Idee glaubten, sondern ob sie an das Überleben Österreichs glaubten. Es ging um die normative Kraft des Faktischen im Jahr nach Tarnow-Gorlice. Ob die Österreicher den Krieg gewinnen würden, hing nicht wirklich von der Haltung der Parteien ab. Wenn Österreich-Ungarn aber im Begriff war, den Krieg zu gewinnen  – oder ihn zumindest einigermaßen intakt überlebte  –, dann musste die tschechische Politik trachten, aus der ungünstigen Optik, in die sie geraten war, mit möglichst wenig Kollateralschaden auszusteigen, für die Tschechen als Nation, für ihre Partei, ihre Institutionen, für sie persönlich. Da war es dann vielleicht sogar angebracht, den »Verrat« des Prager Infanterieregiments – ob vermeintlich oder tatsächlich, aufgebauscht oder nachvollziehbar – zumindest nach außen hin pflichtschuldigst zu verurteilen, wie es eine gar nicht so kleine Anzahl tschechischer Politiker im Vorjahr befürwortet hatte.240 Ganz ähnlich – nur mit umgekehrten Vorzeichen – sahen das ihre nationalen Widersacher, die Deutschösterreicher, im Speziellen die Sudetendeutschen und insbesondere die Deutschböhmen. Jetzt war der Moment gekommen, wo es galt, den Mantel des Weltgeistes im Vorbeirauschen zu erhaschen. Eine solche Gelegenheit, langgehegte Wünsche zu verwirklichen, durfte man sich nicht entgehen lassen. 1915 befand sich die tschechische Politik in der Defensive. Das machte die Verteidigung des Status quo erstrebenswert und führte zu einem gewissen Gleichklang mit der Linie Stürgkhs, der alle Reforminitiativen am liebsten auch bis zum Nimmerleinstag, zumindest aber bis nach Kriegsende hinausschieben wollte. Der Verband der tschechischen Abgeordneten, der Česky Svaz, rühmte im Rückblick ausdrücklich seine »konsequente Passivität« (dusledne pasivity), die zwar nicht wohlwollend-günstig, aber auch nicht gefährlich und deshalb erträglich war.241 In der Bedrängnis der Tschechen – aber auch für die Deutschen, die »jetzt oder nie« riefen – hatte nationale Solidarität über Nacht einen besonderen Stellenwert bekommen. Nationale Solidarität als politischer Kampfruf war bisher meist verwendet worden, um politischen Mitbewerbern das rechte Verständnis dafür abzusprechen. In den letzten zehn Jahren vor 1914 hatte sich das tschechische Parteienspektrum ausdifferenziert, in fünf

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größere Gruppen (und einige Kleinparteien, darunter auch Masaryks Realisten).242 Dieser Prozess ließ sich nicht mehr rückgängig machen, aber man klammerte sich in der Ausnahmesituation des Weltkriegs aneinander, vor allem aber, man wollte sich auf keinen Fall gegeneinander ausspielen lassen. Man, das waren insbesondere die tschechischen Massenparteien  : die Agrarier unter Antonín Švehla, einem Verhandlungsgenie von hohen Graden, der sich nie in den Wiener Reichsrat wählen ließ, sondern lieber von Prag aus die Fäden zog, und die Sozialdemokraten unter Bohumil Šmeral, einem Verfechter der marxistischen Orthodoxie (er sollte später zur KPČ wechseln), aber gerade deshalb in nationalen Belangen moderat. Um diese rot-grüne Achse gruppierten sich die »Schmuddelkinder«  : auf der Rechten die Katholiken, die mit Abstand stärkste Partei in Mähren, die in Böhmen bei den letzten Wahlen jedoch ohne Mandat geblieben waren  ; die Katholiken galten als zu schwarz, vor allem aber zu schwarz-gelb  ; auf der anderen Seite die Jungtschechen und die Nationalsozialisten, die ins Visier der kaiserlichen Militärs geraten waren. Vaclav Klofáč, der Langzeit-Boss der Nationalsozialisten – er sollte die Partei von ihrer Gründung bis in die Dreißigerjahre leiten – war schon Anfang September 1914 in Polizeigewahrsam genommen  ; die Eisenbahnergewerkschaft seiner Partei bald darauf aufgelöst worden. Er und seine Leute waren berüchtigt für ihre anti-militaristischen Instinkte und galten daher als die üblichen Verdächtigen, sobald die Hiobsbotschaften über die im Hinterland verhetzten Mannschaften im AOK eintrafen.243 Mit der Verhaftung von Kramář und Rašin im Frühjahr 1915 waren dann auch die Jungtschechen kompromittiert  ; kurz nach ihnen wurde dann, fast noch sensationeller, auch Jaroslav Preiss, der Generaldirektor der größten tschechischen Bank, der Zivnostenka [Gewerbebank], verhaftet. Der gute Rat Švehlas und Šmerals an die bürgerliche Konkurrenz lautete  : Eine neue bürgerliche Partei bilden, in die all ihre kompromittierten Vorgänger gereinigt und geeinigt eingehen sollten. Der Rat war ernstgemeint  ; er ging nicht zuletzt von einer Anregung Trnkas aus, des letzten verbliebenen Tschechen im Kabinett  : Es sei nötig, dem Drängen der Deutschen ein Gegengewicht entgegenzustellen, aber selbstverständlich ohne die Radikalen, die nur schaden könnten.244 Auch das Timing war bezeichnend, just zum Zeitpunkt des »Sturmlaufs« gegen Stürgkh im Oktober. Am 14. November erschien ein entsprechender Artikel des ehemaligen Handelsministers František Fiedler, eines alten Rivalen von Kramář. Am 8. Dezember 1915 wurde die vereinigte bürgerlich-freisinnige Partei offiziell aus der Taufe gehoben, unter dem Vorsitz des 80-jährigen Karel Mattuš, eines alttschechischen Veteranen der TaaffeÄra. Noch gemäßigter konnte man kaum auftreten. Das heikle Thema Kramář wurde geschickt umgangen  : Für den Fall eines Freispruches wurde ihm der Vorsitz offengehalten  ; den Kritikern in den eigenen Reihen hielt man das Argument entgegen, eine demonstrativ gemäßigte Haltung könne Kramář

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vor Gericht nur helfen. Von links kam kein Widerspruch  : Auch die Nationalsozialisten waren ursprünglich zum Mitgehen bereit, wenn auch nur als Verbündete  ; ja selbst Masaryks Realisten, unter seinem Verbindungsmann Šamal, erklärten, sie wollten sich einer Sanierung der politischen Verhältnisse nicht entgegenstellen, solange sie der Exilpropaganda nicht schade.245 Die Drahtzieher im Hintergrund waren Šmeral, Švehla und der H ­ istoriker Zde­něk Tobolka für die Jung­tschechen (allenfalls mochte der Letztere als Chronist seine Rolle vielleicht überbetont haben). Was sie wollten, war eine geschlossene Front nach außen, unter Einbeziehung der Radikalen, die neu- Abb. 10  : Antonín Švehla, Obmann der tschechischen Agrarier – mit »zwei Eisen im Feuer«. tralisiert, aber nicht isoliert werden sollten  ; die schwarzen Schafe, die der tschechischen Politik gefährlich werden konnten, sollten nicht in die Wüste geschickt, sondern in der nationalen Solidarität aufgehoben werden, geschützt, aber versteckt  ; eine geschlossene Front, die ihr Gewicht in die Waagschale legen konnte, mit einer Stimme sprach und nicht dem alten habsburgischen (und Stürgkh’schen) Divide et Impera zum Opfer fiel. Es war keine Front der 150-prozentigen Schwarzgelben  ; im Gegenteil  : Die Katholisch-Nationalen, die in diesem Ruf standen, waren erst in letzter Minute informiert und beigezogen worden. Der konservative Großgrundbesitz als traditionelles Scharnier zu den Hofkreisen wurde bewusst nicht ins Spiel gebracht. Šmeral mochte das größere Wirtschaftsgebiet der Habsburgermonarchie tatsächlich einem Kleinstaat vorziehen, sprach damit aber keineswegs für alle seine Genossen. Švehla sah einfach die Gefahren, die drohten, sollten sich die Tschechen frühzeitig und öffentlich einseitig binden. Er vertrat daher von Anfang an – und nicht erst ab irgendeinem geheimnisvollen Punkt der Enttäuschung und Desillusionierung – eine Theorie der »zwei Eisen im Feuer«.246 Solange man nicht wusste, wie der Krieg ausging, musste man für jede Eventualität gerüstet sein, sich die Rückkehr zur Politik des »business as usual« offenhalten. Er peilte deshalb eine Arbeitsteilung an zwischen Exil und Heimatfront, ohne wechselseitige Verratsvorwürfe, mit gelegentlicher, klammheimlicher Abstimmung in den wesentlichen Fragen. Für Masaryk galt in dieser Beziehung  – mit umgekehrten Vorzeichen  – was der Volksmund nach 1918 über die

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Wendehälse sang  : »Gott beschütze, Gott erhalte/ Unseren Renner, unseren Seitz/ Zuguterletzt, man kann nie wissen/ auch den Kaiser in der Schweiz.« Švehla war der Pragmatiker der tschechischen Politik  ; dem Fraktionskollegen Dürich, der als einziger Abgeordneter Masaryk ins Exil folgte (und ihm dort viele Schwierigkeiten bereitete), gestand er vor dessen Abreise, er habe nie so viel lügen müssen wie derzeit (und entließ ihn durch den Hinterausgang).247 Masaryk und Beneš unterhielten ein Netzwerk in der Heimat, das unter dem Namen »Maffia« bekannt wurde. Die »Maffia« verfügte über Kontaktmänner in allen Parteien. Ihren Einfluss und ihre Effektivität darf man zumindest 1915/16 nicht überschätzen  : Die ersten konspirativen Gehversuche waren nicht frei von kuriosen Details  : Auf der einen Seite stellte sich heraus, dass Beneš’ Schwiegermutter in zweiter Ehe ausgerechnet den seinerzeitigen Sicherheitschef der Prager Polizeidirektion geheiratet hatte, Wenzel Olic, der seiner Stieftochter rechtzeitig Warnungen zukommen ließ  ; auf der anderen Seite stellte sich der erste Bote Masaryks so ungeschickt an, dass ihn sein Adressat, der Sozialdemokrat František Soukup, für einen ›Agent Provocateur‹ hielt und umgehend Meldung bei der Polizei erstattete.248 Der Primat der Innenpolitik und damit der nationalen Solidarität galt auch für die Deutschen, mit gewissen situationsbedingten Modifikationen, allerdings. Die militärische Großwetterlage sprach zu ihren Gunsten. Dieses »window of opportunity« wollte man ausnützen  : Thun klagte, man wolle »unter Hervorhebung des eigenen Patriotismus die böhmischen Kreise politisch vernadern.«249 Doch ein »Endsieg« war in der Innenpolitik genauso wenig abzusehen wie im Kriege selbst. Weder in der einen noch in der anderen Richtung ergab sich eine Möglichkeit, die günstigen Konjunkturen in dauerhafte Erfolge umzumünzen. Die Regierung schob alle Reformvorhaben auf die lange Bank. Einen »Plan B«, für den Fall der Niederlage, hatten die Deuschen zum Unterschied von den Tschechen nicht, allenfalls ebenfalls ein »zweitens Feuer im Eisen«. Das »zweite Eisen im Feuer«, das war für die Deutschen Österreichs natürlich das Deutsche Reich. Doch operationalisierbar war diese Option nur schwer  : Sie entsprach mehr einer Lebensversicherung, die nur im Fall des Ablebens ausbezahlt wurde  : Das Deutsche Reich würde – ein geflügeltes Wort schon seit Jahrzehnten – die »Schmerzensschreie« der Deutschösterreicher nicht überhören, die von der slawischen Mehrheit vergewaltigt wurden  ; sollte Österreich zerfallen, so winkte der »Anschluss« als letzte Zuflucht. Doch für die praktische Politik diesseits dieser apokalyptischen Visionen bot das Reich wenig konkrete Hilfeleistung. Die Zollunion mochte dem einen oder anderen deutschnationalen Fabrikanten gar nicht so recht sein  ; die Pilgerfahrten deutschösterreichischer Politiker nach Berlin  – eine simple Folge der Gravitationskraft, wie Baernreither erklärte – galten zwar nicht als Hochverrat wie die Kontakte mit Masaryk oder Trumbić im westlichen Exil, aber sie machten nichtsdestoweniger nach »oben hin« böses Blut, wie immer wieder bestätigt wurde.250

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An der Spitze des Nationalverbandes standen keine genialen und charismatischen »Führer«. Der Nationalverband selbst war ein Zusammenschluss verschiedener Parteien, die auf Landesebene weiterexistierten. Einheitlich waren die Deutschnationalen dort, wo sie am schwächsten waren  : als Deutsche Volkspartei in den Alpenländern. In Böhmen und Mähren, ihren Hochburgen, gab es nicht bloß (ex-alldeutsche) Deutschradikale und (ex-liberale) Deutschfortschrittliche, sondern auch Agrarier und Nationalsozialisten (bis 1918  : Deutsche Arbeiterpartei), wie sie im tschechischen Parteienspektrum eigene Lager bildeten, im deutschen aber weiterhin dem Nationalverband angehörten. Agrarier und Bürgerlich-Nationale, die bei den Tschechen um die Vorherrschaft rangen, hatten sich bei den Deutschböhmen zu einer einvernehmlichen Arbeitsteilung zusammengefunden – der Kampf gegen die Sozialdemokratie, die auch in den Industriedörfern der ländlichen Wahlkreise eine starke Stellung einnahm, schweißte sie zusammen. Es gab unter den freisinnigen Parteien keine klaren Fronten, aber alte Ressentiments, persönliche Rivalitäten und vor allem regionale Differenzen, zwischen Alpenund Sudetendeutschen, in Böhmen wiederum zwischen »geschlossenem Sprachgebiet« in Nordböhmen und »Sprachinsulanern«, z. B. in Prag oder Budweis. Unter der administrativen Teilung Böhmens würden die Prager Eliten leiden, die Reichenberger und die »Randlbehm« profitieren  ; eine Aufwertung der Kronländer war für die Deuschen in der Steiermark oder in Kärnten von Vorteil, für die Sudetendeutschen von Nachteil. Der Nationalverband erfreute sich deshalb auch keines guten Rufes  : Schon vor 1914 kursierte der Spottvers  : »Der eine saß, der andere stand / Der eine stimmte für, der andere wider, / das war der Nationalverband, / stimmt an das Lied der Lieder.« Gustav Groß als Obmann war ein Fortschrittlicher, getragen vom Verbund der Radikalen und Agrarier in Böhmen  ; in den Alpenländern formierte sich schon vor 1914 eine verbandsinterne Opposition, die sich gegen Groß, insbesondere aber auch gegen Stürgkh richtete. (All politics is local  : Angeführt wurde diese Fronde gegen den Steirer Stürgkh von Oskar Reichenauer, dem Chefredakteur der »Grazer Tagespost«.)251 Diplomatisches Talent unterstellten Groß nur wenige seiner Kollegen. Doch er bemühte sich redlich, die Basis der deutschnationalen Politik zu erweitern. Er pflegte die Kontakte mit den Ungarn, vor allem aber, er bemühte sich um ein Einvernehmen mit den Christlichsozialen. Die Christlichsozialen standen seit 1911 im Schmollwinkel der österreichischen Politik  : Damals hatte ein Wahlbündnis zwischen Sozialdemokraten und Deutschfreiheitlichen außerhalb des Nationalverbands sie fast aller ihrer Wiener Sitze beraubt. Die Fraktion wurde im vierteljährlichen Rhythmus von jeweils einem anderen der »Bauerngeneräle« aus den Alpenländern geführt. Für die Wiener verhandelte daneben auch Bürgermeister Richard Weiskirchner, einer der Diadochen Luegers, der unter der Versorgungskrise litt, die seine oppositionellen Instinkte verstärkte  : »Man könne dem Zorn der Massen nur vorbeugen, wenn man sich selbst

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an die Spitze der Bewegung stelle«, wurde er zitiert.252 Im Hintergrund war Albert Geßmann, der eigentliche Vertreter des politischen Katholizismus im »schwarzen« Lager, der Erbe Luegers auch, der leer ausgegangen war, als Dissident immer noch ein gefragter Mann. Eine Einigung kam dennoch zustande  : Der Kulturkampf nahm in Zeichen der Kriegskalamitäten sehr stark an Aktualität ab. Man hatte andere Sorgen als Schulaufsicht und Eherecht. Auch hier war das Bestreben nach Einigkeit, nach Bündelung der nationalen Interessen, mit Händen zu greifen. Im September 1915 formulierte man zwischen Nationalverband und Christlichsozialen gemeinsame »Richtlinien der deutschen Politik«, ein Maßnahmenkatalog ohne überflüssige Ecken und Kanten, konzentriert auf das wesentliche. Ein Zugeständnis an die Adresse der Christlichsozialen, das intern für Aufregung sorgte, war das Eingehen auf ein größeres Maß an Länderautonomie.253 Nur Randgruppen auf beiden Seiten, Altliberale und Altklerikale, äußerten sich skeptisch über diesen Schulterschluss der beiden deutsch-bürgerlichen Blöcke. Auffallen mochte im Vergleich zum tschechischen Beispiel die Stellung der Sozialdemokraten, die zwar kontaktiert, aber letztendlich doch nicht wirklich zur Mitarbeit eingeladen wurde. Allerdings hielt die deutsch-österreichische Sozialdemokratie selbst immer noch an der Fiktion einer »internationalen« Partei fest, mit italienischen und ukrainischen Hospitanten. (Die Tschechen waren schon 1911 abgesprungen, die Polen folgten ihnen im Februar 1916.) Unter den deutschen Forderungen ragte  – neben der Sonderstellung Galiziens  – besonders hervor  : Die Kreisverordnung für Böhmen, ein Projekt, das in gewisser Weise bis 1848/49 zurückreichte, in den 1880er-Jahren dann unter dem Titel »administrative Teilung Böhmens« neu belebt worden war. Dahinter stand ein im Prinzip nicht unbilliges Verlangen  : Böhmen war nach Galizien das größte Kronland Österreichs, seit 1883 mit tschechisch-konservativer Mehrheit im Landtag. Warum sollte man die Kompetenzen des Landtages und des Landesausschusses (= der Landesregierung) oder zumindest einen Teil davon nicht an untergeordnete, bürgernahe Gremien delegieren, im Sinne einer Autonomie der deutschböhmischen Bezirke  ? Die Sache klang sehr nach technisch-administrativem Kleingedruckten. Sie stand im Widerspruch zum Geist des böhmischen Staatsrechts, das die Unteilbarkeit des Königreichs postulierte, aber eine besondere Bedrückung der Tschechen ließ sich daraus nicht gerade ableiten. Die meisten dieser Bestimmungen waren von den Tschechen im Rahmen der Ausgleichsverhandlungen vor 1913 auch bereits durchgewinkt worden – und hier lag des Pudels Kern  : nämlich im Austausch gegen Forderungen der Tschechen, wie z. B. die innere tschechische Amtssprache und/oder eine stärkere Beiteilgung an der Macht in Wien, wie sie gerade Kramář immer wieder ins Auge gefasst hatte. Davon war jetzt im Zeichen des »ministeriell-militärischen Neozentralismus«254 allerdings keine Rede

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mehr. Den Preis für die De-facto-Autonomie Deutschböhmens hätte im Sinne der Vorkriegsverhandlungen die Zentralverwaltung zu zahlen gehabt  ; aber die Regierung dachte nicht daran, den Tschechen ausgerechnet jetzt irgendwelche Zugeständnisse zu machen oder ihre Kontrolle über die böhmische Selbstverwaltung zu lockern. Daraus ergab sich die zentrale Schwierigkeit des deutschen Programms  : Der böhmische Ausgleich, so hieß es, konnte entweder ganz oder gar nicht verabschiedet werden. Die Deutschböhmen aber wollten ihren Teil jetzt schon in Empfang nehmen, ohne Rücksicht auf die Desiderata der Tschechen und der Regierung. An diesem Punkt setzte Stürgkh ein. Er erklärte den Deutschradikalen, ihre Forderungen ließen sich ja doch nur auf dem Weg des Oktroi verwirklichen, durch einen »Staatsstreich von oben«. Die Einberufung des Reichsrates hingegen würde ihnen bloß unüberwindliche Schwierigkeiten in den Weg legen. Die Strategie Baernreithers und Silva-Taroucas sei in diesem Sinne kontraproduktiv. Stürgkh und seine Regierung hingegen würden im geeigneten Augenblick schon die richtigen Bestimmungen auf dem Verordnungswege in Kraft setzen, Hohenlohe und Handel arbeiteten bereits an den Details – und tatsächlich finden sich im Nachlass Handels diverse einschlägige Entwürfe, nicht bloß hingeworfene Konzepte, sondern gedruckte Ministerratsvorlagen.255 Die Deutschradikalen folgten prompt den Sirenenklängen des Premiers und seiner Mittelsmänner (leider wissen wir in dem Fall nicht, um wen es sich dabei handelt – Baernreithers Kompagnon Pacher trat jedenfalls in den Hintergrund). In ihrem Schlepptau segelten offenkundig auch die Agrarier, die »schweigende Mehrheit« des Nationalverbandes  ; Baernreither hatte hier den ehemaligen Minister Schreiner als Strippenzieher im Verdacht. Die oppositionelle Strategie wurde nicht von den Flanken, sondern vom harten Kern des Nationalverbandes her aufgerollt  : Karl Hermann Wolf, der Anführer der Deutschradikalen, unterlief schon im Jänner 1916 die Drohung mit der Einberufung des Reichsrates  ; das käme nicht infrage. Im März notierte Redlich, der Nationalverband stünde fest zu Stürgkh  ; Baernreither schrieb kurz darauf, die Regierung habe den ganzen Nationalverband »demoralisiert«, und führe »mit Versprechungen, Zeitungssubventionen die Herren am Nasenringe.«256 Auch inhaltlich kam aus dem Randbereich des nationalen Lagers ein Gegenentwurf, die sogenannte Osterbegehrschrift, eine Antwort auf die prosaischen »Richtlinien« der Politiker vom September, entworfen von den Repräsentanten der Civil Society, Vereinsmeiern, Altherrenverbänden, Universitätsprofessoren, die ihrer Gefühlspolitik folgten – und als Allheilmittel für alle Randgebiete des Reiches auf Jahre hinaus die Militärverwaltung empfahlen, als Vorhut eines Germanisierungsregimes. Höhere Schulen sollten im ganzen Reich womöglich überhaupt nur mehr auf Deutsch unterrichten. Die austro-polnische Lösung wurde »subdualistisch« auf eine bloße Sonderstellung reduziert  ; auffällig waren dagegen die Sympathien für die Ukrainer, die ein eigenes Kronland erhalten sollten. Die »Tiroler des Ostens« erwiderten das K ­ ompliment

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prompt mit einer Denkschrift, die sich für eine »stramme zentripetale Organisation«, die deutsche Staatssprache und den obligatorischen Deutschunterricht schon in der Volksschule aussprach.257 Zur Domestizierung der Radikalen, um sie zu majorisieren und zu neutralisieren, war im Mai 1916 auf deutscher Seite ein ganz ähnliches Manöver im Gange wie auf tschechischer Seite kurz zuvor. Der Anstoß ging von den Alpenländern aus, von dem Kärntner Otto Steinwender, dem Gründer der Deutschnationalen dreißig Jahre zuvor, in diesem Sinne ein würdiges Gegenstück zu Mattuš, und von Carl Beurle, dem Doyen der oberösterreichischen Deutschnationalen. Bisher waren die Deutschradikalen die einzig organisierte Untergruppe des Nationalverbands gewesen. Jetzt sollten alle in einer bürgerlichen Sammelpartei zusammengefasst werden, einer Arbeitspartei (die Bezeichnung war ein verstecktes Kompliment an die Adresse Tiszas  !). Redlich, der übrigens wie so oft eine schwankende Haltung einnahm, notierte  : »Trostlose Verworrenheit  : Klar ist nur das eine, dass Friedmann, Zenker e tutti quanti [die bisher außerhalb des Abb. 11  : Otto Steinwender, Elder Statesman Nationalverbandes stehenden Wiener der Deutschnationalen, Initiator der Deutschen Arbeitsgemeinschaft 1916. Abgeordneten] ebenso wie die alpenländischen Abgeordneten sich gegen die unter Patronanz Stürgkhs aggressiv gewordenen Deutsch-Radikalen eine Stütze bereiten wollen.«258 Die Deutschnationalen Österreichs hatten es satt, nach der Pfeife einiger nordböhmischer Partikularisten zu tanzen. Durchschlagender Erfolg war diesen Bemühungen weder auf deutscher noch auf tschechischer Seite beschieden  : Der tschechische Anlauf zur bürgerlichen Einheitspartei blieb im Sommer 1916 stecken  ; seinen wesentlichen Zweck hatte er bis dahin erreicht  – die tschechische Politik zu rehabilitieren. Die »Deutsche Arbeitsgemein-

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schaft« kam im September 1916 auf parlamentarischer Ebene zustande, nicht als flächendeckende Parteiorganisation, wie ursprünglich geplant, sondern als Zusammenfassung aller bisher fraktionslosen Mitglieder des Nationalverbandes, über vierzig Abgeordnete, damit immerhin eine relative Mehrheit des Verbandes. Auch einige bisher außerhalb des Verbandes stehende Abgeordnete stießen dazu  : die freihändlerische Gruppe um den Wiener Max Friedmann und den steirischen »Agrarrebellen« Baron Ferdinand v. Pantz.259 Für Turbulenzen sorgte wie üblich, dass die Wiener Freiheitlichen heillos zerstritten waren. Sie bildeten ein Refugium der Ein-Mann-Fraktionen, ähnlich wie bei den kleinen tschechischen National-Fortschrittlichen, Staatsrechtlichen und Realisten. Um im Jargon der Frontberichte zu sprechen  : Die semi-oppositionelle Fronde der Mitteleuropa- und Polen-Fans hatte 1915/16 gewisse Geländegewinne zu verzeichnen, aber keinen Durchbruch erzielt. Doch inzwischen hatten sich die Voraussetzungen ein weiteres Mal verschoben  : Die austro-polnische Lösung, der Ausgangspunkt all ihrer Überlegungen, war von der Brussilow-Offensive hinweggefegt worden. Das Problem des letzten Jahres  : »Wir wissen nicht, was wir mit unseren Siegen anfangen sollen«, war nicht mehr aktuell. Die Habsburgermonarchie stand vor einer Krise, die sich nicht mehr so glorios bewältigen ließ wie der »Dreifrontenkrieg« vom Frühjahr 1915, als man wider Erwarten doch nicht »anständig zugrunde gegangen« war.

III. Patt (Juni – Dezember 1916) »Der Annexion Kongresspolens an Österreich könnten wir nun einmal nicht zustimmen, denn Niemand könnte uns zumuten, unseren militärischen Schutz im Osten Österreich zu überlassen.«260

Die Brussilow-Offensive  : Von der »Parallelaktion« zu »Oberost«

»Was wir mit unseren Siegen anfangen sollen  ?« Die Frage galt nicht bloß für die Diplomatie, sondern auch für die Militärs. Viribus unitis hatten die Mittelmächte ab Mai 1915 durchschlagende Erfolge erzielt. Im Osten boten sich jetzt kaum noch lohnende Ziele. Die fast 1000 km lange Ostfront zwischen Baltikum und Bukowina um den einen oder anderen Frontbogen zu erweitern, bot keine attraktiven strategischen Perspektiven (was nicht heißt, dass es die Österreicher nicht im September 1915 in den wolhynischen Sümpfen probiert hätten, als »Schulbeispiel, wie man es nicht machen darf«).261 Im Südosten, an der Salonikifront, war es angeblich Kaiser Wilhelms Rücksichtnahme auf seinen griechischen Schwager, die eine Fortsetzung der Offensive gegen Saloniki verhinderte.262 Als Beschäftigungstherapie für die bulgarische Armee wurde um die Jahreswende auch die Alternative eines Ultimatums gegen Rumänien erörtert, wie es der deutsche Botschafter in Bukarest vorschlug  : Einmarsch oder Bündnis  – eine wahre »shot-gun marriage«, die hier angedacht, freilich auch wiederum verworfen wurde, nicht zuletzt aus Angst vor einer Gefährdung der gerade erst massiv anlaufenden Getreidelieferungen.263 Mit den Schluchten des Balkan allein war es nicht getan  : Auch die Türken verfügten nach dem Abzug der Entente von Gallipoli über überschüssige Energien. Unentwegte Weltpolitiker träumten von einem Vorstoß an den Suezkanal, Karl Hermann Wolf schwärmte in Reichenberg bereits von »der Pickelhaube auf der Cheopspyramide« – ein Unternehmen, das von Franz Joseph zu Recht skeptisch beurteilt wurde. An einer Wüstenfront, wo die Entente ihre Truppen direkt aus Ozeandampfern versorgen konnte, die Mittelmächte die ihren bloß mit Kamelkarawanen, konnte das Ergebnis kaum fraglich sein.264 Auch aus dem erhofften Bündnis mit Persien wurde nichts. Die Entente wollte in der Krise des Herbst 1915 kein Risiko eingehen und stellte dem Schah ein Ultimatum der Art, wie es die Mittelmächte den Rumänen dann doch nicht zu stellen wagten  : Der Schah zog die Kapitulation vor den Russen der Flucht aus Teheran vor.265 In Lybien nahmen U-Boote Kontakt auf mit den Senussi  ; die italienischen Garnisonen wurden aus dem Landesinneren fast komplett vertrieben. In Marokko machte

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der Berber-Scheich Rai Suli posthum auch in Hollywood Karriere  ; das Original hatte wenig Ähnlichkeit mit Sean Connery, bereitete den Franzosen aber immer wieder Schwierigkeiten. Im Somaliland trieb der »Mad Mullah« sein Unwesen, der sich dabei neuerdings auch auf den Kalifen berufen konnte. Dennoch  : Mit dem in letzter Zeit vielzitierten »Heiligen Krieg« hatten all diese Ablenkungsmanöver wenig zu tun, mehr mit lokalen Rivalitäten. Über gelegentliche milde Gaben an Geld und Gewehren ging umgekehrt auch die Unterstützung der Mittelmächte nicht hinaus. Aber all diese kolonialen Entzündungsherde banden immerhin eine erkleckliche Zahl feindlicher Truppen und materieller Ressourcen.266 Dem britischen Generalstab waren diese Nebenfronten, die bei den Politikern mitunter so beliebt waren und so teuer im Verbrauch kamen, von Saloniki angefangen über Mesopotamien bis Palästina, ein Dorn im Auge. (Der »Golfkrieg« in Mesopotamien galt von Anfang an als eine Marotte der indischen Vizekönige.) Sie erfreuten sich aber auch im deutschen Großen Hauptquartier keiner großen Beliebtheit. Als Hauptkriegsschauplatz sah man hie wie da nur die Westfront an. Falkenhayn hatte über die deutschen Divisionen im Südosten längst disponiert. Am 21. Februar 1916 begann die Schlacht vor Verdun, die wie kaum eine andere in der Mit- und Nachwelt eine einhellige Verurteilung erfahren hat. Eine überzeugende Verteidigungsstrategie lässt sich da schwerlich aufbauen, allenfalls Milderungsgründe vorbringen, frei nach Shakespeare  : Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Der Ausgangspunkt war  : Deutschland konnte sich nicht einfach auf den Lorbeeren des Vorjahres ausruhen, denn die Zeit arbeitete gegen die Mittelmächte, langsam, aber sicher. Es ging auch nur ganz vordergründig um die Festung selbst. Falkenhayn wollte vielmehr die – damals noch – überlegene schwere deutsche Artillerie gegen die Franzosen in Stellung bringen, an einer Stelle, wo eine flexible Verteidigung ausgeschlossen war und das Fehlen von Eisenbahnen die Versorgung erschwerte. In ­einem statistisch-formalen Sinne ging dieses Kalkül vermutlich sogar auf  : Die Verluste beider Seiten waren enorm, doch die französischen immer noch etwas höher als die deutschen. Aber die vagen Hoffnungen auf einen politisch-psychologischen Kollaps in Frankreich blieben aus. Frankreich musste in Zukunft mit seinen Reserven haushalten, fand in Petain auch den richtigen Mann dafür, doch es dachte nicht an einen Sonderfrieden, allen Hoffnungen zum Trotz, die man im Lager der Mittelmächte immer wieder auf den Vorkriegspremier Caillaux setzte, den französischen Giolitti.267 Auf österreichisch-ungarischer Seite hatte Conrad seit Dezember mit einer Offensive, einer »Strafexpedition« gegen Italien geliebäugelt. Auch hier konnte man die ketzerische Frage stellen  : Wenn den Italienern trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit das ganze letzte Jahr über kein Durchbruch gelungen war, wieso sollten die immer noch unterlegenen Österreicher auf einmal mehr Erfolg haben  ? Vorsprung durch Technik, unterschiedliche Verlustraten, logistische Erwägungen  – all das spielte bei

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Conrads Planungen keine Rolle. Die Österreicher sollten einfach von den Südtiroler Bergen aus in die venezianische Ebene durchbrechen, in den Rücken der italienischen Armeen am Isonzo  : Spiel, Satz und Sieg. Oder, wie Wiesner – der Kritiker vom Dienst im AOK – es mit einem zweischneidigen Kompliment ausdrückte  : Conrads Ideen seien »als Ding an sich strategisch genial« – nicht ohne die Nebenbemerkung  : Es fehle ihm bloß »das Verantwortungsgefühl, seine Gedanken mit den realen Verhältnissen in Einklang zu bringen«.268 Eine reichsdeutsche Teilnahme an der »Strafexpedition« war schon deshalb nicht geplant, weil Italien sich mit Deutschland immer noch nicht im Krieg befand. Dieser Schönheitsfehler hätte sich notfalls mit einem Federstrich korrigieren lassen, aber Falkenhayn hielt von der ganzen Operation wenig. Über die eine Eisenbahnlinie Innsbruck – Verona könne man eine wirkliche Großoffensive nicht längere Zeit am Leben erhalten, im Gebirge erst recht nicht. Kurioserweise war stattdessen von türkischen Divisionen die Rede, die gegen Italien zum Einsatz kommen sollten – immerhin hatten die Türken seit dem Lybienkrieg von 1911/12 – als der Bruder Enver Paschas, des türkischen Kriegsministers, die Verteidiger in Lybien kommandiert hatte – noch eine Rechnung mit den Italienern offen. Der bisher meist abschätzig behandelte Verbündete erwies sich auch gar nicht als abgeneigt  : Enver Pascha wollte den Österreichern zwei Divisionen zur Verfügung stellen, doch man kam zum Ergebnis, ihre Ausrüstung sei nicht auf dem erforderlichen Stand.269 Ein osmanisches Korps kam den Österreichern im Herbst in Galizien dann doch noch zu Hilfe.270 Verglichen mit der »Blutmühle« von Verdun erzielten die Österreicher im Mai 1916 gegen Italien immerhin noch einen Achtungserfolg. Die Offensive war mehrfach verschoben worden  ; auch sie war ursprünglich als Winterschlacht angelegt gewesen. Vom Überraschungsmoment konnte da kaum mehr die Rede sein. Dennoch wurden die ersten italienischen Stellungen überrannt  ; die beiden Kleinstädte Asiago und Arsiero genommen  ; der Thronfolger Erzherzog Karl höchstpersönlich kommandierte im Zentrum der Kämpfe das neugeschaffene XX. Korps  ; man hatte 30.000 Gefangene gemacht, 300 Geschütze erbeutet und immerhin den Rand der Ebene erreicht, bevor die Offensive Ende Mai steckenblieb,wie meist in solchen Fällen, weil die Artillerie, die den ersten Durchbruch ermöglicht hatte, nicht so rasch neue Feuerstellungen beziehen konnte.271 Auch der politische Widerhall konnte sich sehen lassen. Allerdings zogen die Öster­ reicher daraus wenig Gewinn. Die italienische Öffentlichkeit stellte sich die Frage, wieso die Österreicher in einer Woche weiter vorgestoßen waren als die Italiener in einem Jahr. Der relative Erfolg der »Strafexpedition« wurde nicht etwa dem General­ stabschef zum Verhängnis, Cadorna, sondern der Regierung Salandra, die in der Kammer immer nur mit geliehenen Mehrheiten operierte. Unter dem achtzigjährigen Paolo Boselli, einem Sonnino-Anhänger, aber persönlichem Freund Giolittis, der sich als

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idealer Verbindungsmann anbot, wurde das Kabinett auf breiterer Basis rekonstruiert, eine »Regierung der nationalen Einheit«, das hieß  : mit Sozialisten und Katholiken angereichert. Die Regierungsumbildung bedeutete eine Vierteldrehung in Richtung der ursprünglichen Kriegsskeptiker, aber eben auch eine stabilere Plattform.272 Für das endgültige Abblasen der Offensive hatten die Österreicher auch eine Ausrede parat, auf die sie gut und gerne hätten verzichten können. Noch Ende Mai hatte die Prinzessin Hohenlohe stolz notiert, in Berlin sage man mit Blick auf Verdun bereits  : »Hätten wir nur das österreichisch-ungarische AOK im Westen  !«273 Dieser gute Ruf war nicht von Dauer. Denn am 4. Juni brach in Podolien und Wolhynien die sogenannte Brussilow-Offensive los, die als Schlacht bei Luck begann und binnen Kurzem weite Teile der österreichischen Ostfront zum Einsturz brachte. Der Misserfolg förderte eine Peinlichkeit nach der anderen zutage  : Die Russen waren im Osten natürlich weiterhin zahlenmäßig überlegen, am Südabschnitt jedoch kaum. Gerade hier hatten sie auf das Überraschungsmoment gesetzt, schon einmal weil sie für ein Trommelfeuer nicht genügend Munition hatten. Die Zustände an und hinter den österreichisch-ungarischen Schützengräben wurden als gemütlich bis idyllisch, doch wenig militärisch beschrieben  ;274 das Kommando der 4. Armee, unter Erzherzog Josef Ferdinand aus der Toskana-Linie, soll sich gerade auf der Jagd befunden haben (Wiesner sprach von einem »Capua in den wolhynischen Sümpfen«). Die Hiobsbotschaft platzte in Teschen mitten in die Feierlichkeiten anlässlich des 60. Geburtstags Erzherzog Friedrichs.275 Der russische Vorstoß traf keine Hauptschlagader des Reiches. Aber die k.(u.)k. Wehrmacht verlor im Verlauf der Brussilow-Offensive fast 400.000 Gefangene. Das war vom humanitären Standpunkt aus vielleicht immer noch besser als die fast ebenso vielen Toten vor Verdun. (Freilich  : Wieviele die Gefangenschaft überlebten, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Genaue Zahlen waren da inmitten des russischen und österreichisch-ungarischen Zusammenbruchs 1918 schwer zu ermitteln.) Aber es stellte der Kampfkraft der Monarchie kein gutes Zeugnis aus – und es riss eine Riesenlücke in die Reihen der Verteidiger. Hochmut kommt vor dem Fall  : Das Selbstbewusstsein und der Eigendünkel des AOK hatte einen herben Schlag erlitten. Wiederum wurden deutsche Verstärkungen gebraucht, um die Front zu stabilisieren, bis Ende Juli immerhin bereits rund ein Dutzend Divisionen, das war mehr als 1915 bei Tarnow oder 1917 bei Caporetto benötigt wurden. Diesen Bitten nachzukommen war für die Oberste Heeresleitung nicht leicht  : Denn am 1. Juli begann im Westen der englische Entlastungsangriff für Verdun, die Somme-Schlacht. Umso mehr galt  : Wie bei einer »Rettungsaktion« im Finanzleben, wollten die »Geldgeber« auch hier die Kontrolle über die Verwendung der Mittel in der Hand behalten, schon einmal, weil sie dem Management der angeschlagenen Firma nicht trauten. Das war – in dürren Worten gesagt – die Rationale des »friendly

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take-over« der Ostfront, der »Machtübernahme« der Preußen, die binnen zwei Monaten zur Schaffung von »Ober-Ost« führten, dem einheitlichen Kommando für die gesamte Ostfront (oder besser gesagt  : des Großteils der Ostfront, weil eine Heeresgruppe unter dem Thronfolger im Süden immer noch ausgenommen war, dafür jedoch mit einem preußischen Generalstabschef bestückt wurde, keinem geringeren als dem Herrn v. Seeckt, dem späteren Kommandeur der Reichswehr in der Weimarer Republik). So weit, so gut – oder auch so schlecht, so jedenfalls steht es in den meisten Handbüchern zu lesen, als Schulbeispiel für das einseitige Abhängigkeitsverhältnis von »den Deutschen«. Wer etwas genauer hinsieht, wird freilich bald erkennen, dass die Verhältnisse um einiges komplexer waren. Natürlich, Conrad musste mit dem Hut in der Hand in Berlin um Verstärkungen betteln  : Ein solcher Canossagang fiel ihm selbstverständlich nicht leicht. Zu einem früheren Zeitpunkt hatte er geklagt, er träte damit, »buddhistisch gesprochen, in das zehnte Stadium der Selbstverleugnung«.276 Er sei ein »warmer Anhänger des engsten Zusammenschlusses Österreich-Ungarns und Deutschlands, und zwar auf alle Zukunft«,277 doch – Tisza lässt grüßen – nur auf der Basis einer strikten Parität, die von den Eckdaten her einfach nicht (mehr) gegeben war, unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft noch weniger als vorher. Beobachter klagten, Conrads Umgebung bestünde aus »lauter Deutschenfressern«, eine Stimmung, die auch auf den Thronfolger abfärbe.278 Im Eifer des Gefechts entschlüpften dem Chef zuweilen Aussprüche wie  : »Die Gesellschaft hätte es verdient, daß die Kosaken nach Berlin gekommen wären«  ; oder auch, er hoffe es noch zu erleben, den Säbel gegen die Deutschen ziehen zu dürfen.279 Freilich  : Lockere Sprüche wurden auch anderswo gern kolportiert  ; man muss hier nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Umso mehr, als Conrad in seinem Gegenüber Falkenhayn im Sommer 1916 einen durchaus verständnisvollen Zuhörer fand, der keineswegs auf einer Übernahme der Ostfront bestand. Ganz im Gegenteil  : Falkenhayn wollte nur die Heeresgruppe, die in Galizien als »Feuerwehr« eingesetzt wurde, einem deutschen Kommando unterstellen, am liebsten dem schneidigen und charmanten Mackensen, der sich in der Funktion als »Bündnisfeldherr par excellence« schon während des Feldzugs gegen Serbien bewährt hatte. Die Schilderhebung des Duos Hindenburg und Ludendorff zu »Oberost« war ihm kein Anliegen, um es milde auszudrücken. Wenn Hindenburg schon nicht umgangen werden könne, dann sollte er eben die Heeresgruppe im Norden mit der in Galizien vertauschen.280 Aus der Perspektive des Jahres 1918, ja schon des Jahres 1917, nahm sich der unaufhaltsame Aufstieg des Duos Hindenburg und Ludendorff als das aus, was die Entente immer schon behauptet hatte, als der fleischgewordene Herrschaftsanspruch des »preußischen Militarismus«. Doch aus der Perspektive des Sommers 1916 waren die Gewichte anders verteilt  : Der politische General, der seinem Kanzler ins Handwerk

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zu pfuschen versuchte, war Falkenhayn. Eben weil er die Lage pessimistischer einschätzte als die Militärs im Osten, die von ihren operativen Erfolgen geblendet waren, von den Siegen, mit denen man nichts anfangen konnte, neigte Falkenhayn zu radikalen Alternativen  : Eine davon war der Sonderfriede mit Russland gewesen, dem er lange Zeit anhing  ; eine andere die hintergründige Ermattungs-Strategie vor Verdun, die notwendigerweise zu enttäuschten Erwartungen führen musste, weil man ihre Rationale der Öffentlichkeit schwerlich schmackhaft machen konnte. Jetzt war die Reihe an der Idee des uneingeschränkten U-Boot-Krieges als einzige Methode, auch den Engländern zu Leibe zu rücken. Als die Marine im Frühjahr 1916 diese Möglichkeit einforderte, endete diese Krise noch mit dem Abgang von Admiral Tirpitz, dem Übervater der deutschen Flotte. Doch Falkenhayn blieb und ließ nicht locker. Vor diesem Hintergrund war die Idee allerdings verlockend, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben und dem lästigen Falkenhayn mit Hindenburg & Ludendorff ein Gegengewicht gegenüberzustellen. Ludendorff – vor 1914 eine Zeitlang Mitarbeiter des jüngeren Moltke, von Falkenhayns Vorgänger – galt als »Typus des bei uns Österreichern unbeliebten und – vielleicht nicht mit Unrecht – sehr eingebildeten preußischen Generals«, wie es Erzherzog Friedrichs Adjutant Graf Herberstein ambivalent formulierte.281 Er war kein genialer Feldherr, von ihm stammte keine Idee, die »als Ding an sich« Bewunderung erweckte, aber einer jener »Macher«, die Kompetenz ausstrahlten und den Eindruck vermittelten, ihre Ideen auch tatsächlich umsetzen zu können. Hindenburg wiederum war der Heros von Tannenberg. Ob sein Nimbus jetzt auf besonderen Leistungen beruhte oder auf klugem »spin-doctoring«, wie man heute sagen würde, seine Popularität war eine Tatsache, mit der zu rechnen war. Prinzessin Hohenlohe gab den Eindruck korrekt wider  : »Ich bin im allgemeinen nicht für Stimmungsmacherei, aber wenn’s wirkt. […] Hat ein Mittel die gewünschte Wirkung, so muß man es gebrauchen, auch wenn es nur ein Schwindel ist.«282 Schon früh tauchte daher die Idee auf, sich Hindenburgs Nimbus zu politischen Zwecken zu bedienen. Siegen konnten der Kaiser und sein Kanzler auch allein, durch das Brandenburger Tor einreiten und die Huldigungen des Volkes entgegennehmen, dazu brauchte man keinen gütigen Haudegen, der einem die Schau stahl. Aber für den entgegengesetzten Fall, nicht gerade die Niederlage, daran wollte man nicht denken, aber die parti remis, den unsicheren, umstrittenen, nicht allzu glorreichen Ausgangs des Krieges schien die Sache mit Hindenburg an der Seite viel leichter durchzustehen. Diese Überlegung war schon 1915 kurz einmal aufgetaucht  ; sie avancierte im Sommer 1916 – angesichts trüber gewordener Aussichten und angesichts des Konflikts mit Militärs wie Tirpitz oder Falkenhayn – im Kreis von Bethmann-Hollweg und seinem Staatssekretär Jagow nahezu zur Staatsraison  : »Zum Frieden müssen wir meo voto durchaus Hindenburg holen, was er unterschreibt, akzeptiert das deutsche Volk, selbst wenn es wenig ist.«283 Jagows Nachfolger Zimmermann formulierte es

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ironisch  : Der Kanzler »suche jetzt hinter der ehernen Figur Hindenburgs Schutz und Deckung.« Franz Joseph witterte zu Recht schon bald »eine Intrige gegen Falkenhayn«. Bethmann-Hollweg strebte mit der Schaffung von Ober-Ost in erster Linie einen Befreiungsschlag gegen den unbequem gewordenen General an. Nicht viel anders nahm sich die Perspektive aus der Sicht Wiens und des Ballhausplatzes aus. Auch hier gab es einen unbequemen General. Die Berichte Wiesners zeugen von einer steigenden Erbitterung gegen Conrad und seine Mitarbeiter, diese »Soldateska, im Unglück verzagt, im Glück zügellos«. Ein Signum der »Generalstabsrepublik« war, dass relativ untergeordnete Stellen, vielfach bloße Obristen, wie z. B. »Conrads böser Geist« O ­ skar Slameczka, sich in einer Machtfülle sonnten, von der viele höherrangige Exzellenzen nur träumen konnten.284 Nun war auch Wiesner in der Hierarchie nicht besonders weit oben angesiedelt. Aber die Erfahrungen des Frühjahrs 1916 waren geeignet, seinen Kassandrarufen eine gewisse Plausibilität zu verleihen. Die Parallelaktion der beiden Generalstabschefs, Asiago und Verdun, ohne jede Koordination, war eine Sünde wider den Geist des Zweibundes und der Mittelmächte. Der Gegenschlag der Entente  : Die Brussilow-Offensive im Juni, die Somme im Juli, die 6. Isonzoschlacht im August, die den Italienern mit der Eroberung von Görz erstmals vorzeigbare Gewinne einbrachte, suggerierte hingegen das Bild eines einträchtigen Zusammenwirkens. Freilich  : Dass Falkenhayn nicht gegen Italien mitmachen wollte, war nicht Conrads Schuld. Hätte er österreichische Divisionen nach Verdun schicken sollen  ? (Drei österreichisch-ungarische Batterien landeten schließlich doch noch dort.285) Die Vorstellung, zuerst den schwächeren italienischen Gegner zu besiegen und sich dann erst mit Macht gegen Frankreich zu wenden, stieß auch bei manchen reichsdeutschen Kameraden auf Verständnis. Doch Conrads Umgebung verstärkte den Eindruck der Abgehobenheit und Isolation. Es war kein alldeutscher Propagandist, sondern Wiesner, der spätere Legitimistenführer der Dreißigerjahre, der sich »gegen die Legende vom Verrat böhmischer und ruthenischer Regimenter« wehrte, der im Sommer 1916 formulierte  : Conrad müsse unter Kuratel gestellt werden. »Man muß unsere Armee stets im engsten Verbande mit deutschen Truppen kämpfen lassen. […] Alle weiteren Kriegsunternehmungen können nur mehr im engsten Einvernehmen der beiden Heeresleitungen beschlossen werden. Jeder selbständige Entschluß muß als prinzipiell ausgeschlossen gelten.«286 Diese Schlussfolgerung stieß in Wien auf keinerlei Widerstand, weder auf dem Ballhausplatz, bei Burian, noch hundert Meter weiter, in der Herrengasse, dem Sitz des Ministerpräsidenten Stürgkh. Beide hatten immer wieder unter den Querschüssen Conrads gelitten. Man hatte in Wien keine direkte Aktion eingeleitet, den Generalstabschef zu stürzen. Denn wer hätte innerhalb der komplizierten altösterreichischen Verfassungsstruktur schon das Recht zu einer solchen Initiative – der Kaiser einmal

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ausgenommen. Aber wenn Aussicht bestand, im Gegenzug vermehrt deutsche Unterstützung für die Ostfront locker zu machen, so war die Herabstufung Conrads ein Preis, den man in Wien mit Freuden zu zahlen bereit war. Eine ganze Reihe österreichischer Minister, Diplomaten und Politiker (und ungarischer, wie z. B. Andrássy) bekundeten ihr Einverständnis mit der Schaffung von »Ober-Ost« unter Hindenburg.287 Schließlich hatte man einen ganz ähnlichen Vorschlag selbst schon im Herbst 1914 lanciert  : Erzherzog Friedrich als nomineller Oberkommandierender, mit Hindenburg als Stabschef aller verbündeten Armeen im Osten. Eine ganz ähnliche Lösung schlug jetzt auch der Thronfolger Erzherzog Karl vor, der nach seinen Erfahrungen als Korpskommandant auf das AOK schlecht zu sprechen war   : Das Armeeoberkommando sollte geteilt werden, Erzherzog Friedrich die russische, sein Bruder Eugen die Abb. 12  : Eine kleine Schar Österreicher focht (und gesamte Italienfront übernehmen   ; der fiel) doch schon 1916 bei Verdun. Kaiser selbst aber den Oberbefehl führen  – mit Hindenburg als Stabschef.288 Auf dieser Ebene war kein Dissens zwischen dem Verbündeten und dem künftigen Kaiser wahrzunehmen  : Nur dass ihm selbst dann ein preußischer »Aufpasser« zugeteilt wurde, nämlich Seeckt, zählte zu den »unerwünschten Nebenwirkungen«, die Karl vergrämten. Es blieben bloß noch die Details auszuhandeln. Bereits am 9. Juni hatte Herberstein, Friedrichs Generaladjutant, im Wiener Jockey-Club ein Rendezvous mit Obersthofmeister Montenuovo. Am 13. Juni erschien Marterer als Abgesandter der Militärkanzlei im AOK in Teschen. »Die unheilvollen Folgen der […] ganz voneinander getrennten und gegenseitig streng geheimen Aktionen« wurden thematisiert. Den Kaiser irritierte auch die Informationspolitik Conrads  ; er erfahre aus den Zeitungen mehr als aus den Berichten des AOK. Conrads Adjutant verteidigte seinen Chef  : »Ja, was glaubt denn der Hof. Mir sein ja doch im Krieg. Da kann man doch nicht

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jedermann alles erzählen.«289 Sobald sich die russische Front der ungarischen – und der rumänischen  !  – Grenze näherte, schrillten auch bei Burian die Alarmglocken. Er urgierte am 17. Juli »die mit Recht als unerlässlich erkannte Vereinheitlichung der Kriegführung an der Ostfront.«290 Am Tag darauf trafen einander Conrad und Falkenhayn in Berlin und einigten sich darauf, sich auf eine solche Lösung nicht zu einigen. Doch diesmal wurden gegen das suspensive Veto der beiden Generalstabschefs die monarchischen Prärogative in Stellung gebracht. Die Politiker mobilisierten die allerhöchsten Herrschaften. Am 27. Juli lud Kaiser Wilhelm den Erzherzog Friedrich nach Pleß  ; nach dem Essen zogen sich die beiden Oberkommandanten zurück, während Bethmann sich mit Conrad unterhielt. Dann verkündete der Erzherzog das Ergebnis  : »Oberost« war geboren. Erzherzog Friedrichs Tochter kommentierte mit weiblichem Hausverstand  : »Warum sowohl die Deutschen als auch wir zwei Jahre dazu gebraucht haben, um zur Einsicht zu gelangen, daß ein einheitliches Kommando die Grundbedingung für einen siegreichen Feldzug ist, bleibt mir unverständlich.« In Berlin frohlockten Hohenlohe und das Auswärtige Amt unisono  : Kaiser Wilhelm seien über Falkenhayn endlich die Augen geöffnet worden.291 In gewisser Weise war freilich auch »Oberost« nur eine Teillösung. Auf österreichischer Seite strebte Herberstein eine »viel radikalere Neuregelung« an, eine »einheitliche Leitung über alle Fronten«,292 auf reichsdeutscher Seite ging Falkenhayn mit demselben Slogan am 23. August zum Gegenangriff über  : Denn auf dem Umweg über eine »einheitliche Kriegsleitung« konnte er die Oberhoheit über Hindenburg zurückgewinnen. Am 25. August war Herberstein bei Franz Joseph und verließ Schönbrunn »mit einem Seufzer der Erleichterung, […] glücklich über den erzielten Erfolg.« Tags darauf überbrachte er Conrad die bittere Pille. Der Generalstabschef ließ seiner Empörung freien Lauf  : »Wer hat dieses Schriftstück verbrochen  ?« Herberstein darauf  : »Seine Majestät hat es mir selbst diktiert.« Der Kaiser mochte hinter den schwammigen Diskussionen über »Mitteleuropa« ein Attentat auf seine Herrschergewalt vermuten, aber er hatte Verständnis für militärische Notwendigkeiten. Der einzige Wermutstropfen für Herberstein war  : »Es hätte ein ganz anderes Aussehen, wenn wir früher freiwillig die Anregung dazu gegeben hätten …«293 Das Übereinkommen über die »Oberste Kriegsleitung« (OKL) kam gerade rechtzeitig zur rumänischen Kriegserklärung am 27. August. Es war für den Rumänienfeldzug wie geschaffen, ja man könnte sagen  : Es wurde speziell für den Rumänienfeldzug geschaffen. Denn die Idee ging nicht zuletzt auf eine Anregung Enver Paschas zurück, der Bulgarien »fest und sicher an uns« binden, sprich  : in gewisser Weise ebenfalls unter Kuratel stellen wollte.294 Das im ersten Anlauf geschaffene »Oberost« reichte im Süden nur bis in die Gegend von Lemberg  ; es bedurfte daher einer Ergänzung für den Fall eines neuerlichen Balkankrieges. Dennoch ergab sich ein Paradoxon  : Die

Die Brussilow-Offensive  : Von der »Parallelaktion« zu »Oberost«

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OKL war als Vorsichtsmaßnahme gegen Rumänien konzipiert und ausgeschildert worden. Doch an eine unmittelbar bevorstehende Kriegserklärung glaubte Falkenhayn zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht mehr. In diesem Sinne informierte er auch seinen kaiserlichen Herren. Das Ergebnis war, dass Kaiser Wilhelm einen Nervenzusammenbruch erlitt, als beim abendlichen Skat die Nachricht von der Kriegserklärung eintraf – und Falkenhayn am nächsten Tag prompt in die Wüste schickte (das war in diesem Fall wörtlich zu nehmen  : 1917 wurde ihm als Trostpflaster die 6. osmanische Armee anvertraut, mit Hauptquartier in Damaskus).295 Im Großen Hauptquartier jubelten die Gegner Falkenhayns  : »Man möchte sich fast freuen, daß Rumänien uns so viele gute Sachen vermittelt hat.«296 Mit der Entlassung Falkenhayns veränderte die Kombination von »Oberster Kriegsleitung« und »Ober-Ost«, die jetzt in Personalunion geführt wurden, allerdings ihren Charakter. Denn zum Nachfolger Falkenhayns wurde niemand anderer ernannt als Hindenburg selbst. Conrad witterte deshalb schon Morgenluft  : Vielleicht seien Falkenhayns OKL-Pläne mit seinem Abgang hinfällig geworden. Eine Audienz am 3. September belehrte ihn eines besseren. Vergeblich versuchte er daraufhin den Erzherzog Friedrich zu einer demonstrativen gemeinsamen Demission zu überreden.297 Aus dem Gleichgewicht gebracht wurde mit Hindenburgs Schilderhebung allerdings auch die Strategie Bethmann-Hollwegs, die aufmüpfigen Militärs gegeneinander auszuspielen. Hindenburg als alleiniger Militärgewaltiger war ein potenziell viel gefährlicherer Kontrahent als Falkenhayn. Der Sieger von Tannenberg entwickelte sich zum Zauberlehrling der deutschen Politik. Für Österreich-Ungarn zeitigte die OKL hingegen keine negativen Auswirkungen. Sie legte im Rumänienfeldzug ihre Bewährungsprobe ab – mit Truppen aller vier Verbündeten, inklusive der österreichisch-ungarischen Donauflotille  – und trat danach kaum mehr in Erscheinung. Wo auch  ? Der italienische – und der albanische – Kriegsschauplatz waren von vornherein ausdrücklich ausgenommen worden  ; die russische Front war 1917 bereits über weite Strecken stillgelegt. Größere Operationen wurden hier weder geplant noch durchgeführt. Die Verluste der Österreicher im Osten betrugen 1917 weniger als ein Fünftel des Vorjahres.298 In Fällen, welche »die Integrität der Monarchie« betrafen, sicherte eine Geheimklausel Franz Joseph überdies ein Vetorecht zu – wie es dem Sultan oder dem bulgarischen Zaren nicht eingeräumt wurde.299 Grund zur Beschwerde hatten in diesem Zusammenhang allenfalls die Bulgaren, die am Balkan das Gros zweier Armeen stellten, gegen Saloniki und gegen Rumänien, die jetzt beide unter deutschem Kommando fochten. Der rumänische Kriegseintritt am 27. August kam deshalb so überraschend, weil er so oft befürchtet und angekündigt worden war, dass schon niemand mehr damit rechnete. Eine hübsche Theorie besagt, die Österreicher hätten über Funkaufklärung sehr wohl den richtigen Termin erfahren, man hätte aber nicht mit dem orthodoxen

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Kalender gerechnet, der eine Verschiebung um dreizehn Tage mit sich brachte. Oder aber auch, Falkenhayn habe die Meldungen als Panikmache abgetan, die nur darauf abzielte, zusätzliche Truppen für den Südosten frei zu machen. Rumänien stand 1916 auf alle Fälle unter einem gewissen Zugzwang  : Die russischen Versprechungen vom Herbst 1914 waren ausdrücklich als Holschuld bezeichnet worden. Rumänien musste Siebenbürgen zum geeigneten Zeitpunkt auch tatsächlich in Besitz nehmen, nicht etwa auf die gebratenen Tauben warten und die Beschlüsse der künftigen Friedenskonferenz abwarten. Die Anfangserfolge der Brussilow-Offensive waren beeindruckend genug, die Überzeugung hervorzurufen, der geeignete Zeitpunkt sei jetzt eingetreten. Die Versuchung war groß  ; aber auch die Gefahr, dass Rumänien schließlich doch leer ausgehen würde, wenn es diese Gelegenheit abermals vorübergehen ließ.300 Militärisch entwickelte sich die rumänische Intervention binnen Kurzem zu einem Desaster. Im September 1915 hatte die Entente den Serben einen Präventivkrieg gegen Bulgarien untersagt  ; im September 1916 war es Rumänien, das gegen Österreich, sprich  : vor allem gegen Ungarn vorgehen, der Konfrontation mit Bulgarien aber am liebsten ausweichen wollte. Bratianu wiegte sich in der Hoffnung, die Bulgaren würden sich neutral verhalten, wenn sie befürchten mussten, in der Dobrudscha nicht bloß auf Rumänen, sondern auch auf russische Verbände zu treffen. Ganz so absurd war der Gedanke vielleicht nicht. In Sofia forderte die Opposition schon einen Sonderfrieden  ; achtundvierzig Stunden lang schien die bulgarische Reaktion tatsächlich unsicher. Dann gab Ferdinand von Bulgarien seine Entscheidung bekannt  : Selbstverständlich werde er seinen Bündnispflichten nachkommen und aufseiten der Österreicher kämpfen. Seine Verbündeten nahmen ihm die Schrecksekunde übel, gingen aber dennoch auf den Vorschlag der Erzherzogin Isabella ein, Ferdinand für seinen Entschluss den Maria-Theresien-Orden zu verleihen.301 Zum Unglück für die Rumänen hatte die Brussilow-Offensive zu diesem Zeitpunkt ihren Kulminationspunkt schon überschritten. Im Juni 1916 – vom Mai 1915 ganz zu schweigen – hätte der rumänische Angriff noch dramatische Wirkungen auslösen können  ; doch da mangelte es noch an den nötigen Munitionsreserven. Auf der einen Seite war die russische Unterstützung für Rumänien, das sich so lang hatte bitten lassen, alles andere als überwältigend. Das Zusammenwirken der Mittelmächte hingegen war diesmal mustergültig – wenn auch um den Preis politischer Hypotheken  : Um Bulgaren und Türken zu motivieren, machten die Militärs, zum Teil, ohne die Diplomaten zu fragen, beiden Seiten politische Zusagen, die nur schwer in Einklang miteinander gebracht werden konnten. So wurde z. B. Enver Pascha wiederum ein Zipfel des Gebiets bei Adrianopel versprochen, das schon mehrfach den Besitzer gewechselt hatte.302 Militärisch klappte alles vorzüglich  : Man beschränkte sich in Siebenbürgen zunächst auf die Verteidigung und führte den Hauptstoß in den Rücken der Rumänen,

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von Bulgarien aus über die untere Donau. Am 6. Dezember wurde Bukarest besetzt  ; die rumänische Regierung wich nach Jassy aus  ; zwei Drittel des Landes waren besetztes Gebiet. Die Militärverwaltung war in erster Linie deutsch, mit einer Minderheitsbeteiligung der Österreicher, und bulgarischen Ansprüchen auf die Dobrudscha, nicht bloß den Streifen, den Bulgarien 1913 verloren hatte, sondern das gesamte Gebiet südlich der Donau, inklusive des Hafens Constanza, den ihnen Deutschland keineswegs gönnen wollte … Das unabhängige Polen  : »Ohne Staat auch keine Armee«

Die Krise im Südosten war im Winter 1916/17 bereinigt – bis auf einen Faktor, der Österreich noch schwer zu schaffen machte. Mit der Kriegserklärung Rumäniens waren auch die Getreidelieferungen ausgefallen, die im ersten Halbjahr 1916 fast ausschließlich für die Versorgung der »westlichen Reichshälfte« gesorgt hatten. Die österreichische Ernte war ein weiteres Mal zurückgegangen. Der Ausfall war kurzfristig nur durch Anleihen bei den Verbündeten wettzumachen, die selber Einschränkungen vornehmen mussten  : Der »Rübenwinter« 1916/17 wurde auch in Deutschland sprichwörtlich. (In Österreich waren auch Rüben Mangelware  : Man hatte den Anbau von Zuckerrüben anfangs zurückgenommen, ohne Rücksicht auf den hohen Nährwert.303) Ungarn übernahm in Hinkunft allein die Versorgung des Heeres, gab aber nichts für das österreichische Hinterland ab.304 Die Hungerrationen ließen eine diffuse Unzufriedenheit aufkeimen, die ganz unterschiedliche politische Formen annehmen konnte, der mit politischen Mitteln aber nicht beizukommen war. Doch auch die »hohe Politik« wurde von den Krisen des Sommers 1916 stärker in Mitleidenschaft gezogen als von der so bravourös überstandenen des Vorjahres. Der »austro-polnischen« Lösung, wie sie im August 1914 konzipiert worden war, versetzte die Brussilow-Offensive den Gnadenstoß. In Berlin war man spätestens im Februar 1916 davon abgekommen, Mitteleuropa hin oder her. Max Weber schilderte es seinem österreichischen Kollegen Redlich vielleicht etwas melodramatisch, aber in der Sache richtig  : Bethmann könne »an die Laterne kommen«, wenn man in Preußen erfährt, was für Angebote er den Österreichern noch ein halbes Jahr zuvor gemacht habe.305 Man befürchte nämlich eine polnische Irredenta, von der man annahm, dass Österreich ihrer – zum Unterschied von den Russen – nicht Herr würde. Burian hatte sich in der ihm eigenen Art bloß geweigert, den Wink mit dem Zaunpfahl zur Kenntnis zu nehmen. Gottfried Hohenlohe  – zugegebenermaßen  : immer schon ein Gegner der »austro-polnischen« Lösung – gestand im März, er habe keine Ahnung, was sein Minister eigentlich mit Polen vorhabe.306 Im Rückblick formulierte Burian den Hergang dann so  : Die Deutschen seien »eines Tages errötend erschienen

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und haben erklärt, daß sie ihr Angebot nicht aufrecht erhalten könnten.« Das war Mitte April 1916 gewesen. Burian gab sich überrascht und rauschte würdevoll ab. Unter diesen Bedingungen könnten die Verhandlungen eben derzeit nicht weitergeführt werden könnten. Er stehe dem Reichskanzler für eine Wiederaufnahme des Gedankenaustausches zur Verfügung, sobald Bethmann es sich anders überlegt habe.307 Zum Teil waren an der Abkehr von der »austro-polnischen« Lösungauch die Erfolge im Süden »schuld«, die in militärischer Hinsicht ja keine österreichisch-ungarischen waren, politisch aber doch so manche Expansionsaussichten für die Habsburgermonarchie boten. Burian  – und noch viel mehr Conrad  – hatten bei dieser Gelegenheit auch alle gutgemeinten Ratschläge in den Wind geschlagen, am Balkan ein Exempel zu statuieren – nämlich ein Exempel der Milde. Man konnte in Berlin demnach davon ausgehen, dass sich Österreich-Ungarn am Balkan schadlos halten würde. Man müsse ihm also nicht mehr »als einzig möglichen Siegespreis« Polen überlassen. Diesem Tausch  – Verzicht auf Polen und Expansion auf dem Balkan  – hätte z. B. Kriegsminister Krobatin sofort zugestimmt, Conrad vermutlich ebenfalls.308 Nun galt für Jagow  : »Alle Lösungen der polnischen Frage sind bekanntlich schlecht.«309 Den Russen wollte man Kongress-Polen nicht zurückgeben, den Österreichern nicht überlassen, selbst bestenfalls einen »Grenzstreifen« behalten, ein paar Festungen und ein paar Kohlengruben (was immer noch für genügend böses Blut sorgte). So blieb als Lösung nur ein – mehr oder weniger – unabhängiges Polen, ein Pufferstaat, selbstverständlich mit Anlehnung an das Deutsche Reich. Im britischen Empire mit seinen feinen Abstufungen von indirekter Herrschaft fand sich umgehend ein treffender Vergleich  : Das Projekt laufe auf eine »Ägyptisierung« Polens hinaus.310 Auch in Polen selbst, so konstatierte der österreichische Horchposten in Warschau, Andrian-Werburg, hätten die »Unabhängigkeitsfanatiker, auf die man dereinst felsenfest baute«, sich mehr und mehr als »ernstliche Gegner einer austro-polnischen Lösung erwiesen«. Die deutsche Lösung hielt er deshalb allerdings erst recht für unrealistisch. Denn es sei ein »Wahn, daß man mit Aussicht auf Erfolg die Unabhängigkeit genauso dosieren könne, wie es dem Deutschen Reich am besten passe.«311 Das Projekt hätte leicht ebenso in der Schwebe bleiben können, wie seit fast einem Jahr die »austro-polnische« Lösung, wenn nicht die Brussilow-Offensive auf diesem Sektor eine ungeahnte Katalysatorwirkung entfaltet hätte. Zum einen schwächte sie natürlich die Verhandlungsposition der Habsburgermonarchie. Es war geradezu rührend, wie einander Conrad und Burian – die beiden Sturköpfe par excellence – plötzlich gegenseitig aufforderten, zur »Pflege des Verhältnisses« mit Deutschland »Selbstüberwindung und Selbstverleugnung« walten zu lassen.312 Jagow wollte die (Un-) Gunst der Stunde nützen  : »Jedenfalls muß jetzt mit allen Mitteln gearbeitet u. alle Hunde losgelassen werden. Vielleicht gelingt es doch mit Tisza zu arbeiten. […] Ob der Kaiser und seine Umgebung, vor allem Montenuovo, wirklich so versessen auf die

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Annexion Polens sind  ?« Burian allerdings sei »ein harter Klotz, der sich nur mit festen Schlägen bearbeiten läßt. Sonst prallt alles ab.«313 Dem AOK fiel – zum Unterschied von Burian – der Verzicht auf die »austro-polnische« Lösung prinzipiell ja keineswegs schwer. Eine Teilung Polens – vielleicht sogar im Rahmen eines Sonderfriedens mit Russland  – war hier immer wieder erwogen worden, wobei die genaue Grenzziehung selbstverständlich vom Kriegsverlauf abhängen würde. Doch eben dieser Kriegsverlauf führte zu einem dialektischen Umschlag  : Urplötzlich propagierten ausgerechnet die Militärs – die hüben und drüben nicht viel von den Polen hielten – die Idee eines unabhängigen Polen, und zwar eines unabhängigen Polen hic et nunc. Der Hintergrund war denkbar einfach – vielleicht allzu einfach, um nicht von vornherein das Odium auf sich zu ziehen  : Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Das zu schaffende, und zwar möglichst bald zu schaffende unabhängige Polen war nämlich aufgerufen, seinen Beitrag zu leisten im Kampf um seine Unabhängigkeit. Mit anderen Worten  : Es sollte den Mittelmächten, denen langsam der Ersatz an Mannschaften ausging, als Rekrutenreservoir dienen. In gewisser Weise knüpften die Militärs damit dort an, wo sie 1914 im Kleinen begonnen hatten – bei der Polnischen Legion. Conrad gestand inzwischen sogar zu, dass Piłsudski ein »mordsschneidiger Kerl«, ja sogar ein »tüchtiger Soldat« sei, der nur leider »alles auf eigene Faust« machen wolle  ; die Mannen (und vereinzelte Amazonen) seiner Legion seien »im Gefecht ganz famos«, doch überall sonst fehle es an der notwendigen Disziplin.314 Das Problem umschrieb ein Pole selbst  : Die Legion sei eben ein sozialistischer Verein. Die konservativen Polen hingegen waren  – konservativ, sprich  : sie zeigten wenig Lust, sich für die Mittelmächte zu schlagen  – und wenn es schief ging, von den Russen dafür enteignet zu werden. Gołuchowski versicherte, es sei für begüterte Polen unmöglich, sich für die Österreicher zu erklären, bevor sie sich nicht absolut sicher sein könnten, keinesfalls wieder an Russland zurückzukommen.315 Das dürfe man ihnen nicht übel nehmen. Sich für ein Polen ausgerechnet unter der Obhut Piłsudskis zu engagieren, hatten Gołuchowski und seine Standesgenossen vermutlich noch weniger Lust (damals zumindest, zehn Jahre später war es anders). Das AOK kannte derlei Bedenken im Juni 1916 nicht. Erste Überlegungen müssen wohl schon vor der Brussilow-Offensive eingesetzt haben  ; aber sie kamen danach erst so richtig in Fahrt. Der Vertreter des AOK in Warschau, Oberst Josef Paić, war Feuer und Flamme für diese Idee. Am 25. Juni traf er deshalb eigens mit Ignacy Daszynski zusammen, dem führenden Kopf der polnischen Sozialisten in Galizien, dann fuhr er zu Conrad, der seinen Vorschlägen voll zustimmte. Man akzeptiere den »Pufferstaat«  : Eine »sofortig eingesetzte Regierung« sollte »in ganz Polen die Aushebung besorgen«, durchaus »unter Heranziehung der verpönten radikalen Elemente«, wie Andrian ironisch bemerkte, mit Piłsudski als »einzig möglichem Kriegsminister«. Bei »sehr be-

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scheidener Schätzung«, so die unbescheidene Annahme, ließen sich auf diese Weise bis zum kommenden Frühjahr 300.000–500.000 Mann ins Feld stellen. Ludendorff unterstrich die Rationale dieser überraschenden Wendung  : »Alles ist Machtfrage, und wir brauchen Menschen.«316 Inzwischen machte auch Burian gute Miene zum bösen Spiel. Er sah ein  : »Mars regiert die Stunde.« Immerhin waren das die Wochen, als er deutsche Verstärkungen für die bedrohte österreichisch-ungarische Front im Osten aufzutreiben versuchte, um Rumänien vielleicht doch noch vom Kriegseintritt abzuhalten. Außerdem war im Zusammenhang mit der Einbindung der ungarischen Opposition das Projekt aufgetaucht, Gyula Andrássy zum Außenminister zu ernennen, der schon seit Längerem für sich in Wien und Berlin Stimmung zu machen versuchte. Tisza wollte Burian halten, drängt ihn aber, die »austro-polnische« Lösung ad acta zu legen und sich mit Berlin zu verständigen. Der Hinweis tat seine Wirkung  : Nach wochenlangen Rückzugsgefechten gab Burian plötzlich seine Zustimmung zur Schaffung eines polnischen Pufferstaates als »erbliches Königreich«. Burians Note – ein »meisterhaftes Schriftstück«, wie ihm attestiert wurde – wurde am 22. Juli aufgesetzt, am 28. Juli 1916 überreicht  ;317 am Tag zuvor war in Pleß die Einigung über »Ober-Ost« erzielt worden. Beides mochte auf den ersten Blick den Eindruck eines österreichischen Rückzugs auf der ganzen Linie erwecken. Strukturell betrachtet, handelte es sich jedoch um gegenläufige Entwicklungen  : Denn mit dem Verzicht auf die austro-polnische Lösung fiel auch ein Gutteil der Motivation für die Mitteleuropa-Pläne weg. »Ober-Ost« war eine temporäre Aushilfe, die sachlich nur allzu gerechtfertigt war  ; die langfristige Annäherung hingegen wurde auf Eis gelegt. Tisza war es mit dem Verzicht auf Polen tatsächlich ernst  : Er wollte seine Hände in Unschuld waschen. Schon bei Kriegsbeginn hatte er den Österreichern gegenüber argumentiert, man solle die Verwaltung Polens zunächst einmal lieber den Preußen überlassen  ; dann würden die Polen einen späteren Wechsel zu den Österreichern als Erlösung empfinden. Deshalb war er gegen jedes Kondominium in Polen und gegen jede Teilnahme an einer »Bevormundung« Polens.318 Mit dieser Linie setzte sich Tisza offenbar auch bei Franz Joseph durch  : Der Kaiser zeigte sich desinteressiert an dem dynastischen Trostpflaster, mit dem Wilhelm II. seinem Verbündeten die bittere Pille versüßen wollte, nämlich dem Vorschlag, den Erzherzog Karl Stephan zum Regenten Polens auszurufen. Jagow argwöhnte, der Erzherzog sei »wohl nicht in besonderer Gunst beim Apostolicus  ?«319 Karl Stephan war ein Cousin Friedrichs und Eugens, als einer der wenigen Habsburger in seiner Jugend Marineoffizier, mit einer Villa in Lussinpiccolo, lebte im galizischen Saybusch, nicht allzu weit von Teschen. Seine Töchter waren mit polnischen Granden wie z. B. Olgiard Czartoryski verheiratet. Deutsche Diplomaten leisteten passiven Widerstand gegen die Marotte ihres Monarchen und unkten  : »Karl Stephan ist mehr Pole als Erzherzog.«320 Darüber hätten sie sich keine

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Sorgen zu machen brauchen  : Wien reagierte auf den Vorschlag – jetzt und später – immer ablehnend. Bethmann traute dem Frieden noch nicht ganz. Der Fahrt nach Wien, um die polnische Frage ein Jahr nach dem Einzug in Warschau endlich unter Dach und Fach zu bringen, wollte er am liebsten ausweichen. Die Erfahrung lehre, dass es ja doch keinen Sinn habe, mit Burian zu verhandeln.321 Doch diesmal strafte der Ungar die Kritik Lügen, er habe immer nur Argumente, nie Ideen.322 Er nahm die Verbündeten beim Wort und machte sich zum Advokaten der polnischen Unabhängigkeit  : So einigte man sich am 11./12. August 1916 erstaunlich glatt darauf, die Konstituierung des Königreichs zwar erst nach Kriegsende, die Proklamation der polnischen Unabhängigkeit aber möglichst bald vorzunehmen. Es war Burian – zusammen mit Conrad –, der auf eine rasche Umsetzung der Beschlüsse drängte, während sich in Berlin bald wiederum Gegenströmungen bemerkbar machten. Denn Wilhelm II. witterte nach dem Sturz des russischen Außenministers Sazonow im Juli 1916 wiederum Chancen auf einen Sonderfrieden, die er ausloten wollte, bevor man den Zaren mit der Unabhängigkeitserklärung Polens endgültig vor den Kopf stieß  ; Burian wiederum befürchtete das Gegenteil  : Die Russen könnten den Mittelmächten mit einer großen Geste an die Adresse der Polen zuvorkommen. (Sazonow scheint diese Absicht tatsächlich gehabt zu haben – das war mit ein Grund für seinen Rücktritt.)323 Die rumänische Kriegserklärung machte den Hoffnungen Wilhelms II. vorerst ein Ende, ließ den Zeitpunkt für eine große Geste der Mittelmächte aber ebenfalls nicht optimal erscheinen. Innenpolitisch war die eine wie die andere Lösung der Polenfrage in Deutschland nicht populär  ; Bethmann wollte die Proklamation deshalb bis zur Vertagung des Reichstages hinausschieben. Er musste sich den Anschein geben, von der Heeresleitung zu diesem Schritt gedrängt zu werden  ; die Heeresleitung wiederum wollte in einem Zuge auch gleich das österreichische Besatzungsgebiet um Lublin übernehmen. Bei dieser Gelegenheit riss selbst dem stets um Ausgleich bemühten Botschafter Gottfried Hohenlohe die Geduld  : »Man sei hier in der Wilhelmstraße zuweilen nicht recht bei Troste.« In einem für das Verhältnis der Verbündeten recht typischen Wendung erklärte ihm Jagows Nachfolger, der neue Staatssekretär Zimmermann, daraufhin, er kenne den Kanzler doch, man wäre den Österreichern ja dankbar, wenn sie beim Reichskanzler gegen Ludendorff Stellung bezögen.324 Sobald es um die Exegese der Abmachungen vom 12. August ging, war Burian in seinem Element. Die »Anlehnung an Deutschland«, die Polen in die Wiege gelegt werden sollte, bestand für ihn – dem ursprünglichen Zweck der Übung entsprechend – in der »Aufsicht und obersten Führung« der polnischen Armee. Eine Vorrangstellung in politischen Fragen widerspräche hingegen »dem Sinn und Wortlaut unserer Vereinbarung«. Intern gab die deutsche Seite ihm dabei sogar Recht  ; ihr Blick ins Archiv

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ergab, »die Akten […] weisen die Gerechtigkeit unseres Standpunktes nicht einwandfrei nach.«325 Österreichs Rolle war als die eines »Kompaziszenten« umschrieben worden ein Vokabel, das wenig geläufig war und diverse Interpretationsschwierigkeiten heraufbeschwor. Dem Vorwurf, Österreich-Ungarn strebe ein »Kondominium« in Polen an  – böse Zungen sagten  : ein »Kontra-Dominium«  –, begegnete Burian bei der abschließenden Besprechung in Pleß am 18. Oktober mit treuherzigem Augenaufschlag  : Man strebe überhaupt kein »Dominium« an, schließlich ginge es doch um die Unabhängigkeit Polens.326 Die entscheidende Lücke der Vereinbarungen vom 12. August war das Versäumnis, irgendwelche konkreten Abmachungen über das Provisorium zu treffen, das in Polen zwischen der Proklamation und der Konstituierung des Königreichs herrschen sollte. Paićs ursprünglicher Plan hatte bekanntlich eine Regierung vorgesehen, die sofort mit der Aushebung einer Armee beginnen könne  ; auch Conrad hatte die Verbindung eingesehen  ; doch die deutsche Seite, so argwöhnte Andrian, wolle sich »um die polnische Regierung herumdrücken.«327 Damit behielt er nur zu Recht. Das Ergebnis war  : Am 5. November wurde feierlich die polnische Unabhängigkeit proklamiert, doch als »Rahmen ohne Bild« – ein erbliches Königreich ohne König, ein Staat ohne Regierung.328 Den Vorschlag, Erzherzog Karl Stephan zum Regenten zu ernennen, hatten die Österreicher bekanntlich abgelehnt. Burian war der Meinung, ein Regent werde sich in der Übergangszeit bloß abnützen  ; er solle daher nicht mit dem späteren König ident sein. In Aussicht nahm er für diese Position deshalb Karl Stephans Schwiegersohn Olgierd Czartoryski – oder sogar Gołuchowski, obwohl (oder gerade weil) er die Abkehr von der austro-polnischen Lösung bis zuletzt bekämpft hatte.329 Tatsächlich eingesetzt wurde inzwischen bloß ein Beratungsgremium in Form eines polnischen Staatsrates  ; die Verwaltung blieb in den Händen der Besatzungsbehörden. Damit war nicht bloß der Zeitplan, sondern das gesamte Konzept von Polen als Juniorpartner im Kampf gegen Russland umgestoßen. Die Konservativen wagten sich weiterhin nicht aus der Deckung, angeblich hatte ihr wichtigster Vertreter, Fürst Zdzislaw Lubomirski, dem Zaren eine neutrale Haltung zugesagt  ;330 die Linke um Piłsudski, auf die Paić gesetzt hatte, aber reagierte auf die bloß virtuelle Unabhängigkeit Polens mit dem Slogan, der sogar plakatiert wurde  : Ohne Regierung auch keine Armee.331 Dazwischen blieb nur ein schmaler Grat von »Aktivisten«. Am 1. Dezember zog das Polnische Hilfskorps in Warschau ein, wie die Legion jetzt hieß, die inzwischen von dem österreichischen Grafen Szeptycki kommandiert wurde. Das Hilfskorps sollte den Kern der künftigen polnischen Armee bilden. Doch unter den gegebenen Umständen meldete sich nur ein Bruchteil der projektierten halben Million freiwillig zum Kriegsdienst. Die Prinzessin Hohenlohe bemerkte spitz, die Werbung hätte wohl mehr Erfolg gehabt, wenn man nach Kronprätenden-

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ten, nicht nach Soldaten gesucht hätte.332 Zu allem Überfluss entwickelte sich eine Kontroverse über den Eid, den diese Freiwilligen zu schwören hatten  – auf Kaiser Wilhelm oder auf das unbekannte Wesen, den »künftigen polnischen König«, eine Kompromisslösung, die niemand befriedigte  ? Das Endergebnis war, dass letztendlich selbst von den paar Tausend, die sich zu den Fahnen gemeldet hatten, die Mehrzahl den Eid verweigerte, die empörten Preußen aber bald darauf Piłsudski arretierten und die Legion den Österreichern ohne Dank zurückstellten.333 Die Militärs der Mittelmächte wollten im Handumdrehen eine Armee aufstellen, die Bildung des Staates aber auf die lange Bank schieben  ; das Kalkül ging nach hinten los  : Sie bekamen nach Jahr und Tag schließlich doch einen Staat, wenn auch mit eingeschränkter Souveränität, aber keine Armee. Die Militärs – allen voran Ludendorff – verloren deshalb auch bald das Interesse an ihrer Schöpfung. Für sie hatte das unabhängige Polen »seine ganze Pointe« verloren. Conrad ging schon wieder von einer neuerlichen Dreiteilung Polens beim Friedensschluß aus und erging sich bloß in Vorwürfen, 100.000 Mann hätte man wohl zusammen bekommen, wenn die Deutschen bloß geschickter vorgegangen wären.334 Dem deutschen Generalgouverneur v. Beseler in Warschau wurde allgemein das Zeugnis ausgestellt, er sei bemüht gewesen, das beste aus der Situation zu machen  : Doch seine Zugeständnisse – zuerst ein Staatsrat, dann die Übergabe einiger Verwaltungszweige wie Justiz und Unterricht, schließlich im November 1917 doch noch die Einsetzung einer Regierung – kamen in der Regel zu spät, um noch auf ein dankbares Echo zu stoßen. Bei den Österreichern stieß Beseler dabei auf bloß halbherzige Unterstützung und auf viel klammheimliche Schadenfreude. Die Österreicher sonnten sich im Bewusstsein ihrer relativen Popularität  – eine Popularität, die sie zuweilen wohl auch überschätzten und die im Grunde auf dem Axiom beruhte, dass die Polen bekanntlich Russen und Preußen ablehnten und daher auf lange Sicht keine andere Wahl hätten, als sich an den Österreicher zu orientieren. Dazu bedurfte es keiner besonders ausgefeilten Strategie. Beselers Nachkomme und Biograf fasste das Dilemma in die Worte  : »Auf der einen Seite das Aktivum Galizien, auf der anderen Seite das Passivum Posen.«335 Die Polen durchschauten das Spiel natürlich  – die Tagebücher z. B. der Fürstin Lubomirski sind voll von spitzen Bemerkungen über die Perfidie Wiens –, aber sie machten gute Miene zum bösen Spiel, weil auch sie an einem zweiten Eisen im Feuer interessiert waren. Wenn Hohenlohe ihnen vorwarf, sie wollten die Besatzungsmächte gegeneinander ausspielen, war man versucht zu antworten  : Ja, was denn auch sonst  ? 336 Burians Strategie, gegen alle deutschen Vorbehalte die Erweiterung der polnischen Autonomie zu forcieren, warf ihre Rendite noch lange nach seinem Abgang ab, selbst dann noch, als die Österreicher im Frühjahr 1917 ein weiteres Mal auf Polen verzichteten. Denn die österreichischen Besatzungsbehörden vor Ort verfolgten ihr Spiel-

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chen weiter, auch wenn »von oben« keine ausdrücklichen Weisungen vorlagen. So hielt einer ihrer Diplomaten, der Graf Wladyslaw Skrzynski, der Botschaft in Bern zugeteilt, von dort aus auch Kontakt mit den Landsleuten, die im Lager der Entente standen. Denn in der polnischen Frage sei es als einziger immerhin möglich, dass wir »im eigenen Interesse uns dem Programm unserer Feinde nähern.« Er fragte bei Andrian im April 1917 schon einmal an, ob er die Nationaldemokraten aufmuntern solle, für den Prinzen Sixtus von Bourbon-Parma als Regenten einzutreten, den Schwager der Kaiserin, der damals gerade in einer ganz anderen Mission unterwegs war.337 Nun war Skrzynski, mit seinen intimen Kontakten zur französischen Aristokratie, zweifellos ein Sonderfall. Czernin bezeichnete ihn später einmal als »zu drei Vierteln Pole, zu einem Viertel Ententist«.338 Nicht zu leugnen war freilich  : Die Österreicher verfügten in Polen über einen strukturellen Vorteil. Ihnen stand in Galizien einfach ein weit größeres Reservoir an Polen zur Verfügung, die im österreichischen Staatsverband Karriere gemacht hatten und jederzeit in Polen eingesetzt werden konnten. So taucht der uns schon bekannte Abgeordnete Rosner als Pressechef Andrians in Warschau auf  ; im Umkreis der Legionen waren die Sozialisten Lieberman und Moraczewski tätig  ; in Beselers polnischen Staatsrat nominierten die Österreicher übrigens prompt auch Piłsudski  ; sein Nachfolger als Kommandant der Legion, Graf Stanislaw Szeptycki, wurde zum neuen Gouverneur in Lublin ernannt. Als man sich endlich doch zur Ernennung einer Regierung durchrang, ein Jahr zu spät, nominierte der Staatsrat als Ministerpräsidenten prompt den österreichischungarischen Diplomaten Grafen Adam Tarnowski, der soeben aus Amerika zurückgekehrt war  : Sein Bruder war Obmann der Krakauer Konservativen, sein Schwager Zdzislaw Lubomirski. So wäre die austro-polnische Lösung quasi durch die Hintertür zum Zug gekommen. Es war kein Wunder, dass Beseler hier sein Veto einlegte (wofür sogar Czernin Verständnis äußerte).339 Sicherlich  : Auch Beseler verfügte über Persönlichkeiten wie den Grafen Hutten-Czapski oder die Familie Radziwiłł, die eine ähnliche Scharnierfunktion zwischen Preußen und Polen wahrnahmen. Aber in diesem Punkt verfügten ganz eindeutig die Österreicher über die stärkeren Bataillone. Das Ende des Ancien Regime  : »Wecken Sie mich so wie gewöhnlich um halb vier.«

Der Prophet gilt nichts im eigenen Vaterlande. In Polen hatte Burian sich einen guten Abgang verschafft, auf Kosten der deutschen Verbündeten. Daheim geriet seine Position zusehends ins Wanken. Der rumänische Kriegseintritt wurde ihm zur Last gelegt. Im Vorjahr hatte sich seine Politik des Aussitzens und der Unnachgiebigkeit bewährt, jetzt nicht mehr. Czernin setzte das Gerücht in Umlauf, man hätte zumindest eine Verzögerung der Kriegserklärung erreichen können, wenn Burian bloß zu Verhand-

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lungen bereit gewesen wäre. Der Kaiser selbst klagte  : Burian »prophezeit immer das Gegenteil von dem, was dann eintritt.«340 Vielleicht hatte er sich mit seinem brillanten Kurswechsel im Sommer 1916 auch zwischen alle Stühle gesetzt. Die einen grollten ihm, weil er die austro-polnische Lösung aufgegeben hatte, die andern, weil er seinen professoralen Kleinkrieg mit den Deutschen unbeirrt weiterführte. Zur letzteren Kategorie dürfte auch Franz Joseph selbst gezählt haben. Schon am 13. September gestand er Berchtold  : »Auf die Dauer werde es mit Burian nicht gehen. Wissen Sie mir keinen Minister des Äußeren  ?«341 Die Liste der möglichen Kandidaten ließ keinen prädestinierten Nachfolger erkennen  : Gottfried Hohenlohe wollte nicht  ; Andrássy – der schon im Juli in Berlin davon geschwärmt hatte, Burian zu stürzen  – mochte der Kaiser nicht, der ihn für einen »Dilettanten« hielt  ; auch Nikolaus Szecsen, der ehemalige Botschafter in Paris, genoss bei ihm keine große Sympathien.342 In Berlin jedenfalls ließ man keine Gelegenheit vorübergehen, Burian zu demontieren. Auf Anregung Tschirschkys und Bethmanns lud Kaiser Wilhelm am 9. Oktober sogar den Thronfolger nach Pleß ein, um ihm gut zuzureden, einen Wechsel am Ballhausplatz zu betreiben – eine im Licht späterer Kontroversen recht bemerkenswerte Episode. 343 Auch intern formierten sich erneut die Kritiker. Tschirschky kommentierte boshaft, Stürgkh und Tisza hätten sich geeinigt, »Burian über Bord zu werfen, um sich selbst zu retten.«344 Ob Tiszas Position tatsächlich gefährdet war, stand dahin. Der »starke Mann« der ungarischen Reichshälfte besaß das Vertrauen des Monarchen in einem außergewöhnlichen Ausmaß und verfügte über eine solide Mehrheit im Parlament. Doch auch an ihm war der Kriegseintritt Rumäniens nicht spurlos vorübergegangen. Sein Versuch, die Opposition einzubinden und zu neutralisieren, hatte kurz zuvor mit einem Eklat geendet. In fast allen kriegführenden Staaten war eine schrittweise Verbreiterung der Regierungsmehrheit in Richtung einer Konzentrationsregierung, eines »National Government«, im Gange. Da hatten sich vielfach schon größere Gegensätze zusammengefunden als sie die gesellschaftlich doch recht homogene ungarische Parteienlandschaft aufzuweisen hatte. Doch nicht zu Unrecht hieß es  : Selbst wenn dieses »patriarchalische Milieu« unter dem Krieg gelitten habe, so sei es das »Charakteristikum der politischen Kämpfe Ungarns, dass sie nur zum unbedeutenden Teil auf Grundlage politischer Prinzipien, zum allergrößten aber infolge persönlicher Differenzen geführt werden.«345 Tisza hatte im Juli einen Kabinettsrat eingerichtet, der auch die Oppositionsführer (Andrássy, Apponyi und Rakovszky von der Katholischen Volkspartei) einbinden und mit allen relevanten Informationen versorgen sollte. Doch das Einvernehmen wurde bereits am 23. August von Andrássy gekündigt, der sich in seinen Aussichten auf das Außenamt getäuscht sah. Der Burgfriede und sein Scheitern brachte beiden Seiten Blessuren ein. Tisza verlor einen seiner Minister, Béla Serenyi, aber er behielt seine

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Mehrheit im Parlament. Die Opposition hingegen musste aufgrund ihres Eingehens auf Tiszas Avancen eine Spaltung hinnehmen. Der Eintritt in den Kabinettsrat war in Abwesenheit Mihaly Károlyis beschlossen worden, formell immer noch Präsident der Unabhängigkeitspartei. Károlyi  – pikanterweise der Schwiegersohn Andrássys  – trat daraufhin mit einer kleinen Schar von Anhängern aus der Partei aus.346 Seiner neuen Fraktion schlossen sich zwar nur rund zwei Dutzend Abgeordnete der Unabhängigkeitspartei an  ; über sechzig blieben bei Apponyi. Doch die Äußerste Linke im ungarischen Abgeordnetenhaus verfügte damit über eine Galionsfigur aus dem innersten Kreis des Establishments, mit guten Kontakten, die von Czernin bis zu den ungarischen Sozialdemokraten reichten. Wenige Tage nach dem Platzen des Arrangements mit der Opposition führte der Kriegseintritt Rumäniens im ungarischen Parlament zu erregten Debatten. Dem Ministerpräsidenten wurde vorgeworfen, für den Schutz oder zumindest die rechtzeitige Evakuierung der siebenbürgischen Grenzgebiete nicht rechtzeitig gesorgt zu haben. Lajos Windischgraetz hielt in der geheimen Sitzung des Reichstages am 15.  September eine Philippika gegen die Missstände im AOK, die in Lobeshymnen für Hindenburg endete. Das AOK seinerseits stattete den katholischen Abgeordneten Smrecsanyi ganz offenbar mit Material gegen die Unzukömmlichkeiten der zivilen österreichischen und ungarischen Verwaltung aus, inklusive der verdächtigen Serben, die von Tisza in Schutz genommen wurden.347 Die Opposition spielte mit verteilten Rollen  : Andrássy forderte die Einberufung der Delegationen, die sein Vater als Institution ins Leben gerufen hatte  ; die Unabhängigkeitspartei drohte, man werde sonst einen Gesetzesentwurf einbringen, dass die gemeinsamen Minister vor dem Reichstag zu erscheinen hätten. Tisza ließ sich in der Hitze des Gefechts zu Indiskretionen hinreißen, die wiederum beim deutschen Verbündeten für Ärger sorgten, weil seine Behauptung, die in Ausscht gestellten Konzessionen der Mittelmächte an die Adresse der Rumänen, aber auch der Italiener im Vorjahr, seien ja gar nie ernst gemeint gewesen, den Sprachregelungen des Auswärtigen Amtes zuwiderliefen. Er musste sich den Vorwurf gefallen lassen, seine Äußerungen lieferten bloß der Entente-Propaganda neue Nahrung.348 Die ungarischen Querelen spielten auch in die andere Reichshälfte hinüber. Der Opposition wurde attestiert, es sei ihr gelungen, »die politischen Geister in Österreich wieder zu beleben.«349 Die Wortführer der Herrenhaus Fronde des Vorjahres unternahmen einen weiteren Anlauf. Sie regten zwar nicht die Einberufung des Reichsrats, aber ebenfalls die Einberufung der Delegationen an, der Ausschüsse beider Parlamente, die über das Budget des Außen- und Kriegsministeriums zu beraten hatten. Alfred Windisch-Graetz als Präsident des Herrenhauses hatte dabei den Eindruck, dass es die ungarische Opposition  – Andrássy und Alfreds Vetter Lajos WindischGraetz – war, die »in Wien hineingestänkert und sich an zwei empfängliche Gemü-

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ter, nämlich Max Fürstenberg und Ernst Silva-Tarouca, mit Erfolg gewandt« habe.350 Mit von der Partie war in dieser Runde auch schon Ottokar Czernin, der nach der rumänischen Kriegserklärung soeben ein paar unangenehme Tage in Bukarest verbracht hatte – und im kleinen Kreis mit einem Friedensprogramm aufhorchen ließ.351 Heinrich Clam steuerte die Information bei, dass Stürgkh tatsächlich – ganz im Sinne von Tschirschkys Vermutung – »mehr auf eine Erörterung der auswärtigen Politik – eventuell sogar in den Delegationen – als auf eine Prüfung der ApprovisionierungsAngelegenheiten einzugehen geneigt wäre.«352 Als Windisch-Graetz am 18. September bei Stürgkh nachfragte, einigten sich beide rasch auf ein aufwendiges Procedere, um der Initiative möglichst viele Steine in den Weg zu legen. Die Herren sollten zuerst die Exekutiv-Komitees ihrer Herrenhausparteien konsultieren, dann Plenarversammlungen einberufen, die für den 5./6. Oktober anberaumt wurden. Freilich  : Selbst in seiner eigenen Gruppe, der Rechten, blieb Windisch-Graetz mit seinen Bedenken in der verschwindenden Minorität  ; auch die böhmischen Mitglieder – von Fido Schwarzenberg bis Mattuš – hatten, wenn auch mit Vorbehalten, Silvas Initiative zugestimmt. Windisch-Graetz trug sich deshalb schon mit dem Gedanken, die Präsidentschaft des Herrenhauses niederzulegen. Auch in der Mittelpartei stimmten 33 Mitglieder für die Einberufung der Delegationen, nur sechs dagegen, doch soll hier die Nachricht den Ausschlag gegeben haben, dass sich die beiden anderen Gruppen des Herrenhauses bereits für die Einberufung ausgesprochen hatten. Ex-Ministerpräsident Beck habe geschwiegen, was WindischGraetz so kommentierte  : Er liege »offenbar auf der Lauer und wolle sich nach keiner Richtung hin festnageln.«353 Auch aus dem Abgeordnetenhaus waren gewisse Warnsignale wahrzunehmen. Silva-Tarouca hatte schon im Juli Zusammenkünfte von Parlamentariern über die Wiedereinberufung des Reichsrates veranstaltet, war jedoch  – wie üblich  – auf den strikten Widerstand der Deutschradikalen gestoßen, die auf Stürgkh setzten.354 Doch inzwischen hatte sich Steinwenders Deutsche Arbeitsgemeinschaft konstituiert und einen ersten Erfolg errungen, als sich im Nationalverband eine knappe, wenn auch vielleicht bloß Zufallsmehrheit – von neunzehn gegen sechzehn Stimmen bei zwölf Enthaltungen – für die Einberufung des Parlaments ergab. Der Antrag stammte vom Linzer Bürgermeister Franz Dinghofer, der Wolf offen vorhielt, »Stürgkh denkt nicht an irgendwelche staats- und verfassungsrechtliche Änderungen zugunsten der Deutschen«.355 Immerhin befand sich unter den Befürwortern auch der Präsident des Abgeordnetenhauses, der Salzburger Julius Sylvester. Ein Beobachter meinte  : Man wolle das ungarische Beispiel nachahmen und Stürgkh zumindest zur Bestellung eines parlamentarischen Beirats bewegen  ; der Kärntner Dobernig wiederum meinte, »wir müssen ein Parlament haben in Hinblick auf Ungarn«, nämlich als Gegengewicht  ; Johann v. Chlumecky als Fossil der liberalen Ära (Minister im Kabinett Auersperg der

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1870er-Jahre) formulierte es kernig  : Die »politische Grabesstille in Österreich« sei »doch der größte Skandal.«356 Auch bei den Christlichsozialen waren die Meinungen geteilt  : Ihr formeller Obmann Alois Liechtenstein hielt das Parlament nur »für einen Ort, wo man schlecht frühstückt«.357 Der Abgeordnetenklub wollte sich am Nationalverband orientieren, der in dieser Frage augenblicklich wenig Orientierung zu bieten hatte  ; so gewann im Zweifelsfall der andere Bezugspunkt, die Loyalität zur Regierung die Oberhand, oder wie eine Zeitung schrieb  : »Die Abgeordneten wissen nicht, ob sie das Parlament wollen dürfen«. Der Salzburger Viktor v. Fuchs als Elder Statesman und der Tiroler Josef Schraffl, der künftige Landeshauptmann, sprachen sich für ein »Im Prinzip ja, aber …« aus  : Man wisse ja nicht, was dann im Parlament so alles gesprochen werde. Im Moment könne man eine Einberufung daher nicht empfehlen. Damit war ein Seitenhieb auf unberechenbare Redner wie Wolf und Wichtl verbunden  ; in der Sache gab man ihnen damit freilich Recht.358 Bei den »Voraussetzungen« für eine Einberufung des Parlaments dachte man bei den »Schwarzen« daher weniger an Kreisverordnungen in Böhmen, sondern an eine vorsorglich oktroyierte Geschäftsordnung des Hauses. Weniger Bedenken hatten die Agrarier in der Partei  : »Der Bauernstand bedarf dringend einer parlamentarischen Tribüne«, forderte Stöckler, der Chef des starken niederösterreichischen Bauernbundes. Die Parteitaktiker mochten ihren strategischen Erwägungen nachgehen  ; doch unter den Hinterbänklern gewann die Idee einer Reaktivierung des Parlaments an Boden, nicht zuletzt deshalb – so lässt sich vermuten – weil damit auch die Immunität der Abgeordneten wiederherstellt wurde, waren doch nicht bloß Tschechen und Polen, sondern auch biedere Christlichsoziale und Deutschnationale von der Armee immer wieder gemaßregelt und »konfiniert« worden. 359 Die Polen waren verunsichert über das offensichtliche Abrücken von der austropolnischen Lösung. Biliński als Obmann des Polenklubs hatte von seinem Kollegen Jaworski im April 1916 auch die Führung des Obersten Nationalkomitees übernommen. Die Reihen der Polen waren jetzt dicht geschlossen  : Die ostgalizischen Konservativen traten dem Nationalkomitee bei  ; die Sozialdemokraten dem Polenklub. Auf der Rechten stand nur mehr eine kleine Gruppe um den Fürsten Witold Czartoryski und den Lemberger armenischen Erzbischof Teodorowicz weiterhin abseits.360 Gegen alle Unabhängigkeitsparolen der polnischen Linken hatte Biliński am austropolnischen Kurs festgehalten und am 29. April 1916 von den vereinigten polnischen Parteien in diesem Sinne eine Huldigungsadresse verabschieden lassen – bloß um sich wenige Wochen später im Stich gelassen zu fühlen.361 Dass Burian zu diesem Kurswechsel durch die Brussilow-Offensive gezwungen worden war, machte die bittere Pille nicht schmackhafter. Dazu kamen die alten Beschwerden über die Militärverwaltung  : Die Offiziere, die als Bezirkshauptleute

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amtierten   ; die »sprichwörtliche Feindseligkeit der tschechischen Gendarmen«  ; die ausbleibenden Zahlungen nach dem Kriegsleistungsgesetz  ; schließlich auch die Warnung, man sei zwar »weit entfernt […] der Verwaltung im Königreich Polen eine antisemitische Richtung anzuempfehlen«, aber es seien dort einfach zuviel Juden als Mittler zur Bevölkerung tätig. Die österreichische Diplomatie ihrerseits war nicht in der Lage, Bilińskis Verdienste entsprechend zu würdigen. Aus Warschau riet Andrian, sich bei der »neuen Orientierung unserer Polenpolitik« besser an Bobrzynski zu halten, den Statthalter der Jahre vor 1913, den er als den »ersten österreichischen Statthalter Galiziens« bezeichnete, einen »mit den übrigen Größen Galiziens ganz unkommensurablen Faktor«, ganz anders als die »Bilińskis, Leos, Czartoryskis e tutti quanti …«362 Abb. 13  : Der Salzburger Baron Viktor Fuchs, Elder In der Debatte des Polenklubs am 3./4. Statesman der Katholisch-Konservativen  : »Nicht zu Oktober hagelte es Kritik an der Regie- zelotisch, nicht zu lau / Nicht gänzlich schwarz, bloß rung – und an der Klubführung. Der Be- mohrengrau / Freiherr v. Fuchs ist gut erzogen / Und richt Bilińskis wurde nicht anstandslos der Regierung stets gewogen.« zur Kenntnis genommen. Ein Abgeordneter bezeichnete ihn als Schwindel, die Sozialisten brachten einen Misstrauensantrag gegen Biliński ein, der in der Debatte gerade noch einmal entschärft und auf Burian umgemünzt wurde. Die schließlich verabschiedete Resolution besagte, der Polenklub halte an seinen bisherigen Zielen fest. Das klang konservativ, enthielt aber eine deutliche Stoßrichtung gegen die Regierung, die an diesen Zielen eben nicht mehr festhielt.363 Staatsrechtlich waren den Polen in Galizien  – anders als den Deutschböhmen – von Stürgkh keinerlei Lockangebote mehr unterbreitet worden. Schon wegen ihrer Klagen über das Walten des Militärregimes in Galizien konnte den Polen ein parlamentarisches Forum zur Erörterung ihrer Gravamina nur erwünscht sein. Angesichts dieser Stimmung unter den drei großen, »staatserhaltenden« Klubs berief Sylvester für den 23./24. Oktober eine Obmännerkonferenz ein. Der Druck auf Stürgkh nahm ganz offensichtlich zu. Auch Conrad hielt die Einberufung des Reichs-

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rats für eine »doch zu überlegende Maßnahme« – und erhielt vom Kaiser die Antwort  : Dafür bräuchte man »einige Bismarcks …«364 Da Stürgkh kein solcher war, wollte Franz Joseph ihm derlei Herausforderungen offenbar lieber nicht zumuten. Dem Ministerpräsidenten wurde weiterhin ein »fast frevelhaft zu nennender Gleichmut«365 (O-Ton Tschirschky) attestiert. Das lag zum einen an der ambivalenten Ausgangsposition  : Die deutsch-polnische Achse verfügte im Reichsrat über eine Mehrheit, aber nicht über die Zwei-Drittel-Mehrheit, wie sie für die Verfassungsänderungen notwendig war, die sie anpeilten  ; in dieser Beziehung liefen sie tatsächlich Gefahr, sich mit der Wiedereinberufung des Parlaments in eine Sackgasse zu manövrieren. Doch auf der anderen Seite klangen auch die Versicherungen Stürgkhs immer hohler, er werde die erwünschten »Voraussetzungen« mittels Oktroi schon zu bewerkstelligen wissen. Wolf mochte daran noch glauben  ; doch dieser Glaube wurde von immer wenigeren geteilt. Intern hieß es, Stürgkh wolle die Aktion erst in Szene setzen, »wenn der letzte Schuß gefallen« sei.366 Bis dahin solle auch der Reichsrat vertagt bleiben. Freilich fanden Hohenlohe und Handel bei ihrem Amtsantritt Anfang 1916 noch keinerlei bestimmten Pläne oder Vorarbeiten zu einem solchen Oktroi vor. Es ergab sich, dass Konrad Hohenlohe  – der als Aufpasser berufen worden war  – im Sommer 1916 einen gesundheitliche Krise durchmachte. Der Ministerpräsident ließ ihn ungerührt auf Urlaub gehen. Sein frohgemuter Kommentar  : »Bei uns ist’s wie im Omnibus. Der eine steigt aus, der andere steigt ein«, ließ erahnen, dass er den Urlaub als Vorstufe zur Demission betrachte.367 Für Hohenlohe führte seit Ende August Handel die Geschäfte, der inzwischen auch die entsprechenden Vorlagen fertiggestellt hatte. Eine neue Verfassung sollte mit einer Beseitigung der Doppelverwaltung im zentralistischen Sinn einhergehen. In Böhmen sollten die verbleibenden Selbstverwaltungskompetenzen des Königreichs an Kreisbehörden und Kreistage delegiert werden, verbunden mit einer Wahlreform, die Agrariern und Sozialdemokraten zugute kam und erstmals auch das Frauenwahlrecht vorsah. Handel legte das Elaborat im September dem Kaiser mit dem Motivenbericht vor, er, der seinen Völkern vor einem halben Jahrhundert eine Verfassung gewährt habe, könne sie auch »zur Reparatur« wieder an sich ziehen, ein Nachfolger nicht. Franz Joseph schien das Argument einzuleuchten  : »Und deshalb muß ich es machen«, wenn auch mit der Betonung auf dem Subjekt, nicht dem Prädikat. Der Kaiser fragte in den Wochen darauf mehrfach nach, ob Stürgkh die Vorlagen bereits studiert habe.368 Um die letzten Tage des Premiers bildete sich bald eine Reihe von Legenden. Sobald Kaiser Karl zur Regierung kam, bedauerte er  : »Es sei schade, daß weiland S.M. nicht gewisse Dinge im Octroi-Wege gemacht habe. […] er habe gehört, Stürgkh habe die Absicht gehabt, es in 2, 3 Tagen zu tun.« Worauf Fürstenberg herausplatzte. »Das hat er mir 5 mal gesagt.«369 Auch Pacher und Wolf kolportierten seitens der Deutschradikalen, Stürgkh habe sich kurz vor seinem Tod zur »Erwirkung des Oktrois« bereit

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erklärt und den Wunsch nach einem äußeren Anlass ausgesprochen. Sie hätten deshalb eine Abgeordnetenkonferenz einberufen, die im Augenblick ihres Zusammentretens von der Nachricht des Attentats auf den Ministerpräsidenten überrascht wurde.370 Doch wenn Stürgkh im Oktober 1916 eine Entscheidung anpeilte, dann wohl nicht über die böhmischen Angelegenheiten, sondern über die viel dringlichere Frage, was angesichts der knapp bevorstehenden polnischen Unabhängigkeitsproklamation mit Galizien geschehen solle. Eine Besprechung darüber hatte Stürgkh allerdings für den 24. Oktober anberaumt. Dass er weitergehende Pläne damals schon verwirklichen wollte, erscheint hingegen unwahrscheinlich. Das politische Kalkül sprach dagegen  : Mit der Herausgabe von Handels Verordnungen hätte er die berühmt-berüchtigten »Voraussetzungen« Wolfs erfüllt und den Weg zum Parlament freigemacht. Das lag kaum in seinem Interesse. Stürgkh wurde am 21. Oktober beim Mittagessen im Restaurant des Hotels Meisl & Schadn (heute »Ambassador« in der Kärntner Straße) erschossen. Der Attentäter, Friedrich Adler, der Sohn des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden, gab zwar an, den letzten Anstoß zu seiner Tat habe das Verbot einer Versammlung gegeben, auf der für die Einberufung des Parlaments gesprochen werden sollte. Der Tat lag freilich in erster Linie ein innerparteilicher Konflikt zugrunde, in diesem Fall verbunden mit einem Vater-Sohn-Konflikt. Auf die Frage der Polizisten, was ihm denn eingefallen sei, antwortete Adler  : »Eingefallen  ? […] Wo alles in unserer Partei so feig ist und niemand Ideale hat  ?«371 Montschi Sternberg lag richtig, als er kommentierte, hier habe sich jemand durch Meuchelmord Redefreiheit verschaffen wollen. Es ging Adler um seinen großen Auftritt vor Gericht. Das Attentat erregte Erstaunen, als Fanal – wie vom Attentäter beabsichtigt – wirkte es nicht. Vater und Partei versuchten den Attentäter für verrückt erklären zu lassen. Der Sohn war empört  : »Indem Du für die Erhaltung meines Lebens sorgst, förderst Du Deine politischen Geschäfte.«372 Achtundvierzig Stunden nach dem Attentat trat die Obmännerkonferenz des Abgeordnetenhauses zusammen und erteilte den Plänen des Herrenhauses in Richtung der Delegationen eine eindeutige Absage, nicht aus Liebe zu Burian, wie man vermuten darf, sondern weil man sie als ein Manöver betrachtete, das von der Einberufung des Parlaments ablenken, sie zumindest hinausschieben sollte.373 Franz Joseph ernannte Ernest v. Koerber zu Stürgkhs Nachfolger, den Langzeit-Premier der Jahrhundertwende, der seit 1915 im Gemeinsamen Finanzministerium auf sein Comeback wartete. Koerber stellte am 30. Oktober sein Kabinett vor. Zum Unterschied von Stürgkh umfasste die Ministerliste auch zwei Vollblutpolitiker  : Koerber selbst war ein josephinischer Beamter, der als freisinniger Deutscher nach damaliger Einschätzung auf der Linken einzuordnen war. Als Ergänzung auf der Rechten berief er als Ackerbauminister den Grafen Heinrich Clam-Martinic, den Obmann der Rechten des Herrenhauses, der nach einigen Bedenken annahm  ;374 als Minister für Galizien den ehemaligen

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Statthalter Michael Bobrzynski, im Vergleich zu seinem kenntnisreichen, aber farblosen Vorgänger, dem Ministerialrat Morawski, ein politisches Schwergewicht. Kurioserweise ergab sich hier ein Spiel mit vertauschten Rollen  : Der konservative Böhme Clam und der katholische Pole Bobrzynski waren offen für die Forderungen des Nationalverbandes  ; Koerber hingegen suchte das Einverständnis mit den Slawen. Koerber verkörperte Verwaltungsroutine und »business as usual«. Von Stürgkh unterschieden ihn im Prinzip nur Nuancen  : Er hatte noch konsequenter seine Zweifel über die austro-polnische Lösung angemeldet  ; als jemand, der gerne ökonomische Anreize für politische Zwecke einsetzte, war er vielleicht ein wenig offener für Mitteleuropa-Pläne  ; nicht zuletzt deshalb jedoch ein Kritiker des Ausgleichs mit Ungarn, den Stürgkh mit Tisza ausgehandelt hatte. Vor allem aber  : Er war für die Einberufung des Parlaments. Zwar hatte er schon einmal aufgrund der tschechischen Obstruktion mehrere Jahre (1902–05) ohne Parlament regiert. Doch jetzt erklärte er den Tschechen prompt, sie sollten sich nicht von diesen Reminiszenzen in die Irre führen lassen. Was das Oktroi betraf, formulierte er (allerdings erst nach seinem Abgang)  : Jetzt müsse man sich um Kartoffeln kümmern, nicht um die Staatssprache.375 Was die Kartoffeln betraf, rief Koerber ein zentrales Ernährungsamt ins Leben, wie vom Nationalverband gefordert. Die Neuschöpfung entsprach dem Usus, für jedes Problem eine eigene Behörde zu schaffen. Ursprünglich wollte Koerber den ehemaligen Ministerpräsidenten Beck für das Ernährungsamt gewinnen, der ihm absagte, weil es um dessen Kompetenzen anfangs noch recht kümmerlich bestellt war. Schon einmal, weil es bis zur nächsten Ernte weit hin war, lag der Nachdruck einmal mehr auf der Verteilung, nicht auf der Vermehrung der Lebensmittel. Bei den Kompetenzen legte sich nicht zuletzt das Ackerbauministerium quer. Die Agrarier, lange mit einem tschechischen Beamtenminister, Zenker, ohne viel Einfluss, verfügten mit Clam wieder über einen Sprecher, der sein politisches Gewicht in die Waagschale legen konnte. Das Ernährungsamt musste vorerst mit einem farblosen Beamten vorlieb nehmen. Als schüchterne Vorhut einer Parlamentarisierung bekam es einen Beirat, der sich aus Vertretern der Parteien zusammensetzte, für die Sozialdemokraten z. B. Karl Renner, für die Christlichsozialen den Bregenzerwälder Bauern Jodok Fink, die beiden späteren »Republikgründer«.376 Für die »Voraussetzungen«, wie sie der Nationalverband einforderte, sah es unter Koerber freilich düster aus. Allerdings, eine dieser Voraussetzungen landete als Einstandsgeschenk geradezu zwangsläufig auf seinem Schreibtisch, nämlich das allerhöchste Handschreiben vom 4. November 1916, das Galizien eine Erweiterung seiner Autonomie in Aussicht stellte und das Kronland nicht bloß informell – das war schon seit 1868 der Fall –, sondern auch verfassungsrechtlich aus dem Rahmen der übrigen Kronländer heraushob. Der 4. November, das war der Vorabend der Proklamation des Königreichs Polen in Warschau. Der Zeitpunkt des Handschreibens war bewusst so

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gewählt worden, dass von deutscher Seite keine Reaktionen mehr zu erwarten waren. Der Verbündete war über die Geheimniskrämerei nicht erfreut  ; auch wenn es sich bloß um eine interne Maßnahme handelte, wäre man für eine Vorinformation dankbar gewesen.377 Die Stimmung in Galizien, so wurde berichtet, sei freudig erregt über die Unabhängigkeit Polens  ; doch geprägt von Niedergeschlagenheit unter den politischen Eliten des Landes, die sich auf ein Abstellgeleis geschoben sahen. Was die Preußen für den Fall der austro-polnischen Lösung immer befürchtet hatten, konnte jetzt auch den Österreichern blühen  : Ein Schielen über die Grenzen, eine Irredenta. Das Handschreiben sollte diesen Gefahren rechtzeitig entgegen steuern. Diese Befürchtungen hatte ja von Anfang an Pate gestanden beim Entschluss des Ballhausplatzes, sich auf die austro-polnische Lösung einzulassen. Dieses Projekt, mit all seinen Vorund Nachteilen, hatte sich als nicht realisierbar erwiesen. Als Ersatz musste man den österreichischen Polen ein Angebot machen, das zwar immer noch keine besonders begeisternden Perspektiven bot, aber zumindest ihren langgehegten Autonomieforderungen entgegenkam. Die Idee stammt möglicherweise von Burian  ; Stürgkh – und nach ihm Koerber – waren nur das ausführende Organ.378 Franz Joseph soll Koerber am Tag seiner Ernennung einfach mitgeteilt haben  : »Ich habe den Polen das versprochen, das muss durchgeführt werden.« Die Tschechen waren über das Handschreiben als Speerspitze der sogenannten »Voraussetzungen«, als »halbes Oktroi«, übrigens weit mehr erbittert als über eine allfällige Kreisverordnung für Böhmen. Die Kompetenzen von Kreistagen konnten schließlich vom nächsten Minister wieder aufgehoben, Sprachengesetze unterlaufen werden  ; doch  : Waren die Galizier einmal aus dem Reichsrat ausgeschieden, dann war die deutsche Mehrheit perfekt. Freilich, ganz so perfekt war gar nichts. Denn das kaiserliche Handschreiben entpuppte sich als nicht viel mehr als eine Absichtserklärung. Über Details und Ausführungsbestimmungen musste erst verhandelt werden. Koerber hatte das Handschreiben als fait accompli übernommen, den Entwurf aber umgearbeitet und »so unklar als möglich« gemacht, was ihn zu dem Schluss befähigte  : »Die ganze Sache sei nicht abzusehen in ihrer Ausführbarkeit.«379 Insbesondere fügte er den Satz ein, alles müsse »gesetzmäßig« erfolgen. Wenn man darunter die ZweiDrittel-Mehrheit im Reichsrat verstand, so war das ein Begräbnis erster Klasse. Die »Sonderstellung Galiziens« in Aussicht gestellt zu haben, war der letzte bedeutsame Herrscherakt Franz Josephs. Der alte Kaiser stand inzwischen im 87. Lebensjahr. Ein Großteil der »modernen Welt« mochte ihm sehr fern stehen  ; doch er beherrschte sein Metier. Seine Umgebung versuchte Aufregungen von ihm fern zu halten  ; da schimmern zuweilen Manipulationsabsichten durch. Aber gerade in entscheidenden Fragen waren ihr dabei wenig Erfolge beschieden  : Von den Abtretungen an Italien bis zur Entlassung Stürgkhs waren alle einschlägigen Einflüsterungen gescheitert. Be-

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sucher fanden den alten Kaiser gebeugt und müde, aber fast übereinstimmend geistig erstaunlich frisch.380 Um den 9. November herum erfasste ihn eine Lungenentzündung, die nach einer vorübergehenden Phase der Erholung am 21. November zum Tod führte. Seine Familie bewahrte das Bild eines Herrschers, der noch um 16 Uhr Akten erledigt hatte, um 18 Uhr eingeschlafen und um 21 Uhr gestorben war. Seine letzten Worte seien gewesen  : »Wecken Sie mich so wie gewöhnlich um ½ 4 Uhr.«381 Der junge, gerade 30-jährige Kaiser Karl machte durch sein liebenswürdig-informelles Auftreten Furore  : Es gäbe jetzt einen »Habsburger auf dem Thron, der telephoniert, bei Ministerbesprechungen keinen Frack duldet« (und seinen Besuchern Zigaretten anbot).382 Politisch war Karl ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, mit einer Ausnahme vielleicht  : Er war von einer persönlichen Frömmigkeit, die sich von der Praxis Franz Josephs, ja auch vom vielzitierten – und von Insidern oft relativierten – »Klerikalismus« Franz Ferdinands unterschied, dabei aber keinen Niederschlag fand in einem besonders engen Verhältnis zu den katholischen Parteien seines Reiches. So zählten z. B. Prinz Alois Liechtenstein, der Obmann der Christlichsozialen, oder auch die Grafen Zichy als Gründer der ungarischen Katholischen Volkspartei, niemals zu den Vertrauten Karls. Eher schon machte sich diese Prädisposition in Kontakten zu Vertretern des Vatikan oder der reichsdeutschen Zentrums-Partei bemerkbar. Karl war kein »Kaiserlehrling«, bei niemandem in die Schule gegangen. Vielleicht war gerade deshalb immer so sehr vom Einfluss der Familie seiner Frau die Rede, weil man ihn schwer zuordnen konnte. Viele von den Legenden und Vorurteilen, die sich um Kaiser Karl ranken, waren späteren Frontstellungen zuzuschreiben. Für die Zeitgenossen, die seine Thronbesteigung erlebten, waren zunächst einmal zwei Eindrücke vorherrschend. Zum einen, er verließ sich ganz offensichtlich in erster Linie auf das Personal aus dem Beraterkreis Franz Ferdinands, auf Männer wie Clam und Czernin. Als Tüpfelchen auf dem i wurde vermerkt, dass er als eine seiner ersten Maßnahmen den Rücktritt Siegharts als Präsident der Bodencreditanstalt durchsetzte – ein nahezu testamentarisch überlieferter Akt der Pietät, ein deutlicher Bruch mit gewissen Kontinuitäten des ›ancien regime‹.383 Zum anderen aber, Karl tat in der Sache das genaue Gegenteil dessen, was (fast) alle von Franz Ferdinand erwartet hatten  : Er legte Wert auf ein gutes Einvernehmen mit Ungarn (wenn auch nicht notwendigerweise mit Tisza). Czernin bemerkte dazu nur, wäre Franz Ferdinand noch am Leben, hätte er seine Ansichten auch geändert.384 Es wurde nachträglich oft als Fehler betrachtet, dass Karl sich noch im Dezember 1916 in Budapest krönen ließ und den Eid auf die ungarische Verfassung ablegte. Übersehen wird zumeist, dass das gleiche Problem in Österreich noch viel aktueller war. Auch hier stand ein »Gelöbnis« auf die Verfassung an. Das »halbe Oktroi« vom November 1916, die Zusicherung der Sonderstellung Galiziens, schrie, politisch betrachtet, förmlich nach Vollendung – oder Umkehr.

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Wiederum sollte man sich hüten, den Roman vom Ende her zu lesen. Karl hatte sich öfters für eine stärkere Berücksichtigung der Slawen ausgesprochen  ; ihm wurden diverse undiplomatische »Sager« über Preußen zugeschrieben. Darin schien auf den ersten Blick eine Antithese zu den Forderungen der Deutschnationalen begründet. Dennoch begann die Regierungszeit Karls ganz anders. Seine Mannschaft – Czernin, Clam und Hohenlohe – war eng verbunden mit der Semi-Opposition unter Stürgkh, mit der Troika Baernreither-Fürstenberg-Nostitz, der Lobby, die für die Erfüllung der »Voraussetzungen« plädierte. Daraus ergab sich rasch ein Konflikt zwischen Karl und Koerber  : Koerber wollte auch die Kreisverordnungen »umarbeiten« und dem Parlament vorlegen. Anders gesagt  : Man solle dem Parlament eine Chance geben – vielleicht auch nur eine Chance, sich unmöglich zu machen. Erst wenn das Parlament sich schuldig gemacht hätte, könne man zum Oktroi und zum Notverordnungsregime zurückkehren. Diese Linie entsprach der Vorkriegspraxis, Phasen des autoritären Regimes mit Anläufen zur Wiederbelebung des parlamentarischen »Apparats« abzuwechseln, oft in recht kurzatmiger Form. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dieser Weg unter den Bedingungen des Weltkriegs tatsächlich gangbar war  ? Sobald die Obstruktion (z. B. der Tschechen gegen die »Voraussetzungen«) einsetzte, konnte die Regierung in altbewährter Manier freilich verkünden, das Abgeordnetenhaus habe seinen »Nichtbefähigungsnachweis« erbracht. Doch das Parlament nach drei Jahren einzuberufen, um es kurz darauf wieder heimzuschicken, wäre mitten im Kriege eine Blamage für die Monarchie. Der Kaiser schwankte sichtlich  : »Jetzt sei es doch schwer, mit etwas Staatsstreich-artigem zu beginnen«, aber auch vom Reichsrat sei »viel fruchtbare Arbeit nicht zu erwarten.«385 Das Ergebnis jedenfalls war  : Am 13. Dezember nahm Koerber seinen Abschied.386 Es folgte ein kurzes Intermezzo unter Spitzmüller, der mit der Bildung eines Kabinetts beauftragt wurde. Auch Spitzmüller zählte zur Riege der Minister, die Stürgkh im Vorjahr aufgenommen hatte, um der Opposition die Spitze abzubrechen, der Not gehorchend, nicht dem eigenen Triebe. Leider setzt sein Tagebuch gerade für diese Zeit aus. Aber die Umrisse der Situation zeichnen sich dennoch ziemlich klar ab. Spitzmüller sollte ein politisches Ministerium bilden, kein bloßes Beamtenkabinett  : Die Gewichte waren im Vergleich zu Koerber zur deutschen Seite hin verschoben  : Zwar sollte Clam durch einen konservativen Ackerbauminister ähnlichen Zuschnitts ersetzt werden, den mährischen Landeshauptmann Graf Otto Serenyi. Doch dazu kam ein deutschliberaler Handelsminister mit politischer Verankerung, nicht bloß ein Sektionschef als Vertrauensmann der Industrie  ; außerdem sollte Baron Handel jetzt auch offziell das Innenministerium übernehmen. Dennoch holte sich Spitzmüller bei den deutschen Parteien eine Abfuhr. Groß als Obmann des Nationalverbandes sprach sich gegen einen Eintritt in sein Kabinett aus. Steinwender orakelte  :

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III. Patt (Juni – Dezember 1916)

Der designierte Premier sei ein »Vertreter des Großkapitals und weil integer, daher gefährlicher.«387 Auf das Intermezzo Spitzmüller folgte ab 20. Dezember 1916 die eigentliche »Machtübernahme« der Clique, der »Adelsjunta«, die auf die eine oder andere Weise mit Franz Ferdinand verbunden gewesen war. Auffallend war die Koppelung zwischen Innen- und Außenpolitik, die bisher in getrennten Bahnen verliefen und nur zeitweise Berührungspunkte aufwiesen. Mit Koerber bzw. Spitzmüller fiel jetzt auch Burian. Beim Trio Czernin-Clam-Hohenlohe schien die Ressortverteilung anfangs beinahe nebensächlich. So rechnete z. B. Berchtold mit Czernin als Ministerpräsidenten, die Diplomaten ebenfalls, die seine Berufung auf den Ballhausplatz anfangs für einen schlechten Scherz hielten. Konrad Hohenlohe wurde gemeinsamer Finanzminister, dann Obersthofmeister, weil man ihm aus Gesundheitsrücksichten keine administrative Kleinarbeit zumuten wollte. (Im gemeinsamen Finanzministerium fand stattdessen Burian Zuflucht – schließlich sollte zumindest einer der drei »gemeinsamen« ein Ungar sein.) Czernin, Clam und Hohenlohe kamen aus unterschiedlichen Parteien, nahmen auch wieder unterschiedliche Wege  : Hohenlohe starb noch 1918, Clam wurde in der Ersten Republik Führer der Monarchisten, während Czernin nach der Sixtus-Affäre zur bête noire vieler Legitimisten avancierte. Doch um die Jahreswende 1916/17 vermittelte das Trio einen ziemlich kompakten Eindruck. Mit Clam als österreichischem Ministerpräsidenten war in der Innenpolitik ein gewisses Element der Kontinuität gegeben. Der Name allein galt zu Unrecht als ein Programm  : Heinrichs gleichnamiger Onkel Heinrich war einer der Verfechter des böhmischen Staatsrechts gewesen – das Heinrich der Jüngere jedoch privat längst für einen überwundenen Standpunkt erklärt hatte. Zwei Wochen vor seiner Ernennung zog Clam sich  – zusammen mit Windisch-Graetz  – aus dem Vorstand des konservativen Großgrundbesitzes Böhmens zurück, weil der sich nicht hinreichend von den »Verrätereien« der Tschechen distanzierte.388 Der Drall, die Richtung des Ministeriums Clam, nach außen zumindest, war durch die zwei Politiker gegeben, die als einzige neu ins Kabinett eintraten  : Dem Prager Brauer Karl Urban als Handelsminister hatte seine Partei den Eintritt ins Kabinett Spitzmüller ausgeredet, ihn aber in der Nacht darauf noch einmal aus dem Bett geworfen, um bei Clam anzuheuern. Ihm zur Seite stand der unermüdliche Baernreither als Minister ohne Portefeuille, sprich  : deutscher Landsmannminister. Urban und Baern­reither waren keine Radikalen, weder im Wort- noch im Parteisinne, deutschfortschrittlicher Abgeordneter der eine, verfassungstreuer Großgrundbesitzer der andere, Mitglieder der Restmenge, die vom Zerfall der Liberalen Partei geblieben war. Die beiden verkörperten als Vertrauensmänner des Nationalverbandes die verbindliche Seite des Oktroi, aber nichtsdestoweniger das Oktroi. Im Nationalverband

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geizte zwar Steinwender mit Vorschusslorbeeren, Wolf hingegen zeigte sich enthusiastisch  : »In einem Kabinett, das mit so großen Aufgaben betraut ist, müssen wir vertreten sein«, ja  : »Urban muß bei Schwierigkeiten nicht gleich die Flinte ins Korn werfen.«389 Damit schien die Richtung klar  : Wie immer auch die außenpolitische Linie des neuen Kaisers aussehen würde, sofern man von Linie in den Wechselfällen des Krieges reden konnte, im Inneren präsentierte sich sein erstes Kabinett als Vollstrecker dessen, was später als der »deutsche Kurs« beschrieben wurde. Die Opposition gegen Stürgkh hatte sich durchgesetzt.

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Abb. 14  : Der böhmische Deutschfortschrittliche Karl Urban, Handelsminister 1916/17.

IV. Weltwende 1917 (Jänner–September 1917)

»Eine Blamage wie die Fehlberechnung unserer Marineleitung uns gebracht hat, ist noch nie dagewesen.« Graf Botho Wedel an Brockdorff-Rantzau, 17. August 1918390

In den ersten beiden Kriegsjahren waren die politisch-militärischen Konjunkturen für Österreich-Ungarn ziemlich eindeutig ausgefallen  : Misserfolge und Krisen im ersten Jahr, Erfolge und Euphorie im zweiten Kriegsjahr, von Tarnow-Gorlice bis zum Vorabend der Brussilow-Offensive. Derlei militärische Zäsuren waren in der zweiten Hälfte des Krieges nicht mehr so leicht auszunehmen. Die Dynamik verlagerte sich weg von den Fronten, ins Hinterland, zur Kriegswirtschaft, die – zu spät – ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, auf hohe See und nach Übersee. Dabei erfolgten die Ausschläge des Pendels seit Mitte 1916 in immer kürzeren Abständen, überlagerten die Wellen dieser kurzfristigen Konjunkturen einander zunehmend. Wenn 1917/18 überraschende Kehrtwendungen an der Tagesordnung waren, so lag das auch, aber nicht allein am Naturell der »neuen Männer«, von Kaiser Karl und seinem Außenminister Graf Ottokar Czernin. Auch die Wechselwirkung von Innen- und Außenpolitik wurde immer intensiver. Als Relais-Station dieser Verbindung erwies sich einmal mehr Galizien  : Das Ringen um die austro-polnische Lösung war ab dem November 1916 im Takt von bloß wenigen Monaten immer neuen Wandlungen unterworfen. Dementsprechend reagierte der Polenklub, dem im altösterreichischen parlamentarischen Spektrum seit jeher die Rolle des »Züngleins an der Waage« zufiel. Aber auch die Sozialdemokratie erfuhr eine Aufwertung, gespeist von den Anforderungen der Kriegswirtschaft im Inneren, aber auch induziert von den Fernwirkungen der Russischen Revolution. Seit der Wiedereinberufung des Reichsrats in Österreich spielten sich die Auseinandersetzungen zwischen den Nationalitäten wiederum im Lichte der Öffentlichkeit ab. Was als Gewinn an verfassungsmäßiger Substanz positiv zu Buche schlug, machte sich negativ bemerkbar als Verlust an Handlungsfähigkeit seitens der Politik. Innerhalb dieser neuen Unübersichtlichkeit, dieser vielschichtigen Verzahnung komplexer Faktoren, stechen dennoch zwei Entwicklungen hervor, die diesen Jahren in erster Linie ihren Stempel aufdrückten  : Der Kriegseintritt Amerikas und die Russische Revolution. Im Lichte der Zeit nach 1945, als die Nachfahren Wilsons und Lenins als Supermächte die Herrschaft über Europa antraten (und teilten), ist dieser Prozess zuweilen als ein einheitlicher gesehen worden, als Weltwende, als Ablöse des alten Europa durch zwei zwar europäisch geprägte, aber doch wesentlich

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außereuropäische Mächte, die auch weltanschaulich und gesellschaftspolitisch Alternativentwürfe zu den Ordnungsprinzipien des »alten Europa« bildeten. Aus dieser übergreifenden Perspektive des endgültigen Eintritts in das »Zeitalter der Massen«, um mit Gladstone oder Ortega y Gasset zu sprechen, signalisierten beide eine Herausforderung – und einen Linksruck. Damals freilich handelte es sich um gegenläufige Entwicklungen. Nicht etwa in dem ideologischen Sinne von Kapitalismus versus Kommunismus, der nach 1945 zum Ausgangspunkt des »Kalten Krieges« wurde  ; sondern was ihren Einfluss auf den Ausgang des Weltkrieges betrifft. Die Intervention der USA war der Grund, warum die Mittelmächte diesen Krieg verloren  ; dass Lenin Russland aus dem Krieg herausführte der Grund, warum ihn die Mittelmächte beinahe doch noch gewannen. Die Partie blieb also bis zuletzt spannend  – ganz im Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg. Erst im Hochsommer 1918, wenige Wochen vor dem Waffenstillstand, zeichnete sich unmissverständlich ab, dass Österreich-Ungarn mit seinem Bündnisse fallen, und nicht stehen würde – und selbst dann blieb die Tiefe dieses Falles, der plötzliche Kollaps der Monarchien, den Zeitgenossen weiterhin verborgen. Das »missing link« zwischen dem Kriegseintritt Amerikas und der Oktoberrevolution aber war der Generalquartiermeister des preußischen Großen Generalstabes, Ludendorff, der mit seiner Option für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg den Kriegseintritt Amerikas provozierte  – und mit dem berühmten »plombierten Zug«, der Lenin von Zürich zurück nach Russland expedierte, wenig später den Putsch der Bolschewiki ermöglichte, der Russland endgültig aus dem Krieg ausscheiden ließ. Österreich-Ungarn spielte im Ersten Weltkrieg bei Weitem nicht jene passive Leidensrolle, als Werkzeug des »deutschen Militarismus«, wie das von einer kuriosen Allianz aus konservativen Austriaken und progressiven borussischen »Junkerfressern« vielfach zum Dogma erhoben worden ist. In dem einen Punkt freilich erweist sich auch dieses abgeschmackte Klischee als nicht so leicht falsifizierbar  : Österreich-Ungarn spielte bei diesen beiden Weichenstellungen bloß eine Statistenrolle. Exkurs  : Die »2. Kriegserklärung« – die USA und die Wunderwaffen

Die Erklärung des »uneingeschränkten U-Boot-Krieges« ist einmal als die »2. Kriegserklärung« bezeichnet worden. Der Ausdruck erscheint passend, weil er mit der »1. Kriegserklärung« durch Österreich-Ungarn das eine gemein hat, man wollte die Eskalation des Krieges selbstverständlich nicht, aber man hat sie sehenden Auges in Kauf genommen  ; er passt auch im Sinne von Christopher Clarks »Schlafwandlern«  : Man hat – 1914 wie 1917 – zwar einen »großen« Krieg in Kauf genommen, war sich aber der Dimensionen immer noch nicht ganz bewusst, die er annehmen würde. Die »1.

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Kriegserklärung« stellte das Schicksal der Monarchie zur Disposition  ; die »2. Kriegserklärung« entschied über dieses Schicksal. Es erscheint daher angebracht, selbst im Rahmen einer Darstellung, die in erster Linie Österreich-Ungarn gewidmet ist, an dieser Stelle etwas weiter auszuholen. Nach allen Eckdaten waren die USA auch 1914 schon Weltmacht Nummer 1. Bloß durfte man dabei nicht nach den Heeresstärken fragen (denn wozu brauchten die USA ein Heer  ? Ihre Präsenzstärke betrug weniger als 100.000 Mann.) Selbst bei der Kriegsmarine nahm sie hinter Großbritannien und dem Deutschen Reich bloß den dritten Platz ein (und hatte dabei damals schon mehr den japanischen Rivalen im Visier als die Europäer.) Doch wenn Deutschland 1913 so viel Stahl produzierte, wie der Rest Europas zusammengenommen, so produzierten die USA so viel Stahl wie der Rest der Welt zusammen. In diesem Sinne kann man die geringe Beachtung, die man den USA vor 1914 in den europäischen Staatskanzleien schenkte, mit Fug und Recht als den eigentlichen blinden Fleck der kontinentalen Diplomatie betrachten. Als mildernde Umstände ins Treffen führen lässt sich allenfalls die Erfahrungstatsache, dass sich die USA an den Querelen der Europäer bisher stets desinteressiert gezeigt hatten. Selbst während des Spanisch-Amerikanischen Krieges von 1898 hatte zwar die Ostküste eine Panik ergriffen, sobald ein spanischer Kreuzerverband Kurs auf die Karibik nahm, aber kein US-Schiff hatte damals in der Gegenrichtung den Atlantik überquert. Im Nachhinein wurde der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg oft als unvermeidlich hingestellt. Wiederum ergibt sich in diesem Punkt eine seltsame Allianz der Extreme  : Preußische Militärs, konfrontiert mit den Folgen ihrer Fehleinschätzung, waren selbstverständlich bemüht, ihre Verantwortung zu relativieren, wenn sie so argumentierten, zumeist mit dem Hinweis auf vermeintliche ökonomischen Abhängigkeiten  ; dabei stoßen sie auf gelegentliche Resonanz bei progressiven Amerikanern, wie z. B. Jay Winter – wohlgemerkt ein Experte für die Sozial- und Kulturgeschichte des Krieges, nicht für die politischen Entscheidungsfindungsprozesse  –, die diesem Argument bloß eine andere Stoßrichtung verleihen, wenn sie die Behauptung daran knüpfen, der Krieg sei für Deutschland deshalb schon vom ersten Tage an verloren gewesen.391 Eben deshalb lohnt sich ein Blick auf die tatsächliche Haltung der USA zum europäischen Krieg. Dafür gab es einen Präzedenzfall, der gut hundert Jahre zurücklag. Damals hatte der letzte Weltkrieg, gegen Napoleon, ebenfalls die USA auf den Plan gerufen – und zwar gegen England, im sogenannten »War of 1812«. Auslöser waren auch damals Übergriffe der Kriegführenden gegen die amerikanische Handelsschiffahrt gewesen. Da war zum einen das allgegenwärtige Übel des Guerillakriegs zur See, der privaten Freibeuter. Außerdem verboten Engländer wie Franzosen allen Neutralen das Anlaufen feindlicher Häfen. Was dem Fass den Boden ausschlug, war freilich die englische Praxis, amerikanische Schiffe nach vermeintlichen Deserteuren zu un-

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tersuchen und dabei ein paar Tausend Amerikaner zum Dienst in der Royal Navy zu zwingen. Inzwischen hatte sich die Praxis des Seekriegs verändert. Die Freibeuterei als staatlich lizensierte Piraterie und private Einkommensquelle war Mitte des neunzehnten Jahrhunderts für illegal erklärt worden (ausgerechnet die USA hatten sich damals dieser Klausel nicht angeschlossen  !) Man wollte eine klare Trennung zwischen Kriegsschiffen und Handelschiffen herbeiführen. Die neutrale Schiffahrt sollte von allen Beeinträchtigungen verschont bleiben.392 Diese Regelung stammte aus dem Jahre 1856 – seither waren im Gefolge der Haager Landkriegsordnung in der sogenannten Declaration of London 1909 auch die Regeln des Seekrieges zwar überarbeitet, die entsprechenden Paragrafen aber nicht mehr ratifiziert worden. In England war man sich vor 1914 übrigens noch keineswegs im Klaren, ob man dem Schutz des neutralen Handels oder den möglichst uneingeschränkten Rechten der Kriegführenden Priorität einräumen solle. Die Verfechter einer möglichst freien Hand für die Royal Navy waren übrigens Isolationisten und keineswegs ident mit den Verfechtern der informellen französischen Allianz, die sich in diesen Jahren herauskristallisierte. Schlimmstenfalls, so argumentierten die »Navalisten«, konnte man störende Paragrafen im Ernstfall immer noch über Bord werfen.393 Der Erste Weltkrieg führte zu einem Wiederaufleben von Blockade und Kaperkrieg großen Stils, nur in ganz anderen Formen als bisher. Der Handelskrieg alten Stils war nicht zur Aushungerung bestimmt, oder besser gesagt  : er war bestimmt zur Aushungerung im finanziellen Sinne – nicht die Importe, sondern die Exporterlöse des Gegners sollten unterbunden werden. Der Handel mit Kontrabande – Waffen und Munition – nahm dabei in der Regel nur einen geringen Stellenwert ein. 1914/15 ging England jedoch zu einer ganz anderen Form der Blockade über, der Absperrung von allen Zufuhren, Rohstoffen und Lebensmitteln, die in Bausch und Bogen zu Kontrabande erklärt wurden, zu kriegswichtigen Gütern. Dieser Definition ließ sich in einem modernen Krieg eine gewisse Logik nicht absprechen  ; sie widersprach jedoch der gängigen Praxis ebenso wie den Bestimmungen, die England 1856 oder 1909 unterschrieben hatte. Die britische »Blockade« (die mit einer Blockade im herkömmlichen Sinne nichts mehr zu tun hatte) lief auf eine Rationierung auch der Neutralen hinaus. Bereits am 22. August, keine drei Wochen nach Kriegsausbruch, sahen sich die Niederlande mit einem solchen Ultimatum konfrontiert.394 Auf der anderen Seite war auch der traditionelle Kaperkrieg mithilfe von Kreuzern, zuweilen auch Hilfskreuzern, nur mehr eine Randerscheinung. Als ideale Waffe für den Handelskrieg kristallisierten sich dafür bald die Unterseeboote heraus, die jegliche Blockade ohne große Schwierigkeiten »unterlaufen« konnten. Allerdings waren die U-Boote nicht imstande, Handelsschiffe zu stoppen, zu durchsuchen und mit einem Prisenkommando zu versehen. Feindliche Besatzungen konnten nicht als Ge-

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fangene an Bord genommen, sondern bestenfalls in Rettungsbooten ausgesetzt werden. Aus der Natur der neuen »Wunderwaffe« ergab sich »eine Pandorabüchse voller Probleme.« Allein schon das Auftauchen zur zeitraubenden Kontrolle eines Schiffes war für die äußerst verwundbaren, durch einen einzigen Treffer außer Gefecht zu setzenden U-Boote ein riskantes Manöver. Bei allen in Erwägung gezogenen und anbefohlenen Unterscheidungen zwischen Passagierschiffen und Frachtern, Neutralen und Entente-Fahrzeugen, bewaffneten und unbewaffneten Dampfern »fielen die praktischen Gegebenheiten schwer ins Gewicht.« Nicht immer ließen sich »bei Nacht, Nebel und Sturm […] die feinen Unterschiede« durch das Periskop feststellen.395 Die einfachste und erfolgversprechendste Variante des U-Boot-Krieges bestand in der Versenkung aller Schiffe in einem gewissen Seegebiet – und zwar aller, auch neutraler Schiffe, da feindliche Dampfer sonst einfach auf neutrale Flaggen ausgewichen wären. Dieser Vorgangsweise ließ sich eine gewisse Logik ebenfalls nicht absprechen  ; auch sie widersprach selbstverständlich der »Prisenordnung« von 1856. Die USA als führender Neutraler sahen sich also zwei kriegführenden Parteien gegenüber, die geltende Regeln in einer Art und Weise auslegten bzw. ignorierten, die den amerikanischen Handel schwer beeinträchtigte. Für die öffentliche Meinung bestand allerdings insofern ein Unterschied, als die Beeinträchtigung durch die Briten die Form von Schikanen und Verdienstentgang annahm, der U-Boot-Krieg aber immer wieder auch Menschenleben forderte. Von deutscher Seite wurde argumentiert, der Handelskrieg der U-Boote richte sich bloß gegen die völkerrechtswidrige Form der britischen Blockade. Man würde mit Freuden darauf verzichten, sobald die USA bei den Engländern ein Ende dieser Blockade durchsetzten. Dazu sahen sich die USA freilich nicht in der Lage. An gelegentlichen Protestnoten ließ es die Wilson-Administration nicht fehlen  ; aber ihnen allen fehlte der rechte Nachdruck. Der deutsche Botschafter in den USA, Graf Bernstorff, hatte völlig Recht, wenn er schrieb  : »Niemand würde ihm [Wilson] glauben, wenn er England mit Krieg drohte.« Im Gegenteil  : Für Wilson stellte das Jahr 1812 ein warnendes Beispiel dar, wie leicht derlei Dispute, sobald sie öffentlich geführt wurden, eine schwer kontrollierbare Eigendynamik gewannen. Er vermied daher bewusst eine prinzipielle Auseinandersetzung mit den Methoden des britischen Wirtschaftskrieges.396 Damit war ein gewisses Ungleichgewicht der amerikanischen Neutralität treffend umschrieben. Es gab in den USA eine große Gruppe von Deutsch-Amerikanern, vor allem in einigen Staaten des mittleren Westens (in Chicago erwarb sich der republikanische Bürgermeister William Thompson den Spitznamen »Kaiser Bill«)  ; es gab die Iren, mit ihren starken Vorbehalten gegen alles, was mit dem Britischen Empire zusammenhing  ; es gab schließlich die Juden, die gewohnt waren, das zaristische Russland mit seinen Pogromen als primäres Feindbild zu betrachten. All diese Elemente konnten allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Bevölke-

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rung mit ihren Sympathien zweifelsohne eher aufseiten der Entente stand. Ein Krieg mit England war daher tatsächlich als ausgeschlossen zu betrachten  ; ein Krieg mit Deutschland nicht unbedingt. Die wirtschaftlichen Verflechtungen verstärkten dieses Ungleichgewicht noch. Die USA traten für die Freiheit der Meere ein (wie schon 1812) und nahmen den Briten die Unterbrechung ihres Handels mit Deutschland natürlich prinzipiell übel  ; aber sie wurden finanziell durch das rapide Wachstum der Exporte in die Entente mehr als entschädigt. Die USA blickten auf ein Jahrhundert eines beispiellosen Wachstums zurück. Doch Wachstum bedeutet fast immer auch Schulden, Schulden bedeuteten fast immer auch die City of London. Die Kriegskonjunktur des Ersten Weltkriegs – die schwierigen ersten Monate abgerechnet – erlaubte es den USA als Volkswirtschaft, den Schuldenberg eines Jahrhunderts binnen weniger Jahre abzutragen. Jeglicher Gedanke an ein Embargo oder ähnliche Maßnahmen, wie sie die USA z. B. vor 1812 ergriffen hatten, um den Engländern ihre Entschlossenheit zu demonstrieren, verbot sich deshalb von selbst. Dieses Ungleichgewicht schlug 1915 in einer Reihe von diplomatischen Kontroversen zu Buche. Am bekanntesten war zweifellos der Fall der »Lusitania«, eines von U-Booten am 7. Mai versenkten britischen Passagierdampfers, der allerdings auch Munition geladen hatte, wie sich später herausstellte  ; bei seinem Untergang starben mehr als hundert Amerikaner. Die Verhärtung der amerikanischen Politik fand ihren sichtbaren Ausdruck im Rücktritt von Staatssekretär William Jennings Bryan, der als Vertreter des »isolationistischen« Mittleren Westens und passionierter Kritiker des Ostküsten-Establishments kein Risiko eingehen wollte, in die Streitigkeiten der Europäer verwickelt zu werden. Der Erfolg gab Wilson freilich recht  : Die deutsche Diplomatie lenkte nach einem weiteren Zwischenfall im August umgehend ein. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg, die automatische Versenkung jedes Schiffes im Kriegsgebiet um England, wurde ausdrücklich zurückgenommen. In eine ähnliche Kontroverse waren auch die Österreicher verstrickt, man ist versucht zu sagen  : kurioserweise. Die k. u. k. Marine verfügte damals nämlich noch gar nicht über zum »Kreuzerkrieg« geeignete Boote mit entsprechendem Aktionsradius. Dafür fuhren deutsche U-Boote im Mittelmeer unter rot-weiß-roter Flagge, weil Berlin sich bis zum August 1916 offiziell noch nicht mit Italien im Krieg befand. Ein solches Boot hatte am 7. November 1915 ein italienisches Schiff torpediert, die »Ancona«  ; wiederum waren dabei einige amerikanische Opfer zu beklagen. Der Fall lag diesmal freilich etwas komplizierter  : Die »Ancona« hatte sich zur Wehr gesetzt und ihre Versenkung damit in einem gewissen Sinne herausgefordert. Burian wollte seinem Temperament entsprechend den Fall daher erst einmal gründlich untersuchen und juristisch durchfechten. Es war das Auswärtige Amt in Berlin, das ihn bat, doch Gnade vor Recht ergehen zu lassen und sich um des lieben Friedens willen bei

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den USA zu entschuldigen.397 Die Habsburgermonarchie war in Washington damals übrigens nur mehr durch ihren Geschäftsträger vertreten, Baron Erich Zwiedinek. Botschafter Dumba war im Herbst 1915 zur unerwünschten Person erklärt worden, wegen seiner Unterstützung für streikwillige ungarische Munitionsarbeiter bei Bethlehem Steel. Zum Verhängnis wurde ihm dabei angeblich ein Lese- oder Tippfehler. Er habe doch nur von einem Streik, einem »Ausstand« gesprochen, vorgeworfen werde ihm hingegen die Vorbereitung eines »Aufstandes«.398 Das Ungleichgewicht der amerikanischen Neutralitätspolitik fand um die Jahreswende 1915/16 auch seinen Niederschlag in der Mission von Wilsons Vertrautem Oberst Edward House (der wegen seines Ranges in der texanischen Nationalgarde in Europa oft zu Unrecht als Berufsmilitär angesehen wurde). House sollte zwischen den Streitparteien vermitteln  ; er besuchte Berlin, Paris und London (nicht aber Wien oder Petersburg) und entwickelte einen Plan, der zwar vom Status quo ante ausging, aber englisch-französischen Vorstellungen sehr viel näher kam (nicht zuletzt war dabei auch von der Rückgabe Elsass-Lothringens die Rede, freilich gegen Entschädigungen in Übersee). Mit dem englischen Außenminister Grey war abgesprochen worden, die USA sollten den Vorschlag zum gegebenen Zeitpunkt in der Öffentlichkeit lancieren – und sich dann mit der Seite solidarisieren, die darauf einging. Konkrete Zusagen vermochte House freilich nicht zu machen  : Seine Initiative war ein Musterbeispiel der von Wilson später so verteufelten Geheimdiplomatie. Was immer der Oberst auch an Andeutungen fallen ließ, den amerikanischen Kongress konnte er damit nicht präjudizieren. Zur Probe aufs Exempel sollte es freilich gar nicht erst kommen  : Denn das englische Kabinett war über den Wert der amerikanischen Vorschläge geteilter Meinung  ; der Schatzkanzler verwies auf die Finanzierungslücke, die sich auftat und ein Eingehen auf amerikanische Wünsche nahelegte  ; die Militärs und das aufstrebende politische Talent David Lloyd George wollten zuerst noch die Somme-Offensive durchziehen. Im Zweifelsfall siegte damit im Mai 1916 die ablehnende Stellungnahme.399 Das Scheitern der House-Mission läutete eine neue Phase der amerikanischen Neutralitätspolitik ein, die für die Mittelmächte weit günstigere Aussichten bot, als solche freilich nicht überall entsprechend gewürdigt wurde. Der amerikanische Kongress war im Frühjahr 1916 – noch während House in London verhandelte – schon nahe daran, eine Resolution zu verabschieden, die amerikanischen Bürgern davon abriet, auf Schiffen kriegführender Nation zu reisen  : Damit wären Fälle wie die »Lusitania« oder die »Ancona« in Zukunft hinfällig. Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Senat, Senator William Stone, war ein Parteifreund Wilsons, in der hintergründigen Bedeutung dieses Wortes, nämlich Kampagne-Manager von Wilsons Gegenkandidaten »Champ« Clark auf dem Parteikongress von 1912 und Senator von Missouri, mit seinem starken deutsch-amerikanischen Element. Wilson

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vermochte ihn gerade noch im letzten Moment davon abzubringen, die Resolution einzubringen, die alle Bemühungen der Regierung desavouiert hätte, die Deutschen zur Raison zu bringen.400 Wieder gab der Erfolg Wilson recht  : Deutschland verzichtete am 4. Mai 1916 de facto vorerst überhaupt auf die Fortsetzung des U-Boot-Krieges im Atlantik.401 Damit waren alle Reibungsflächen für eine Zeitlang verschwunden. Ein deutsches Handels-U-Boot verkaufte in Baltimore meistbietend seine Ladung an Farbstoffen, als Krönung der Idylle stattete U 53 im Oktober dem Hafen von Newport einen Besuch ab und bot Führungen an Bord an. Es legte nach 24 Stunden vorschriftsmäßig wieder ab und versenkte vor der Küste ein halbes Dutzend englischer Schiffe, lege artis nach Prisenordnung und ohne Verluste von Menschenleben. Umso deutlicher traten die Kontroversen mit der Entente in den Vordergrund, die »schwarze Listen« von US-Firmen in Umlauf brachte, die mit Deutschland in Verbindung standen und amerikanischen Schiffen, die sich nicht an die Vorgaben der britischen Admiralität hielten, die Aufnahme von Kohle in britischen Häfen verweigerten (»bunkering agreements«). Wilson überlegte im Sommer schon ernsthaft die Möglichkeit amerikanischer Repressalien.402 Vor allem aber  : Amerika befand sich im Wahlkampf. Die Republikaner waren seit dem Bürgerkrieg die natürliche Mehrheitspartei der USA  ; die Demokraten konnten sich nur auf den Süden verlassen und auf Proteststimmen im agrarischen Westen hoffen. Zünglein an der Waage war in solchen Fällen dann meist der Staat New York. Woodrow Wilson war 1912 nur deshalb gewählt worden, weil sich die Republikaner gespalten hatten und mit zwei Kandidaten angetreten waren. Diesmal einigten sich die Republikaner auf einen Kompromisskandidaten, den Oberstrichter Charles E. Hughes, aber der Krieg entwickelte sich zu einem Mühlstein um ihren Hals. Denn zu den Republikanern zählten die Isolationisten der Prairie-Staaten und traditionellerweise auch ein Großteil der Deutschamerikaner, genauso wie Alt-Präsident Teddy Roosevelt und die Neu-England-Staaten mit ihren eindeutig pro-britischen Sympathien. Wilsons Slogan »He kept us out of the War« half ihm da im Westen genügend zusätzliche Stimmen zu gewinnen, um am 7. November haarscharf wiedergewählt zu werden. Die New Yorker Zeitungen bejubelten am nächsten Morgen bereits Hughes Sieg, als die Auszählung in Kalifornien  – Wilson hatte dort um ganze 3.773 Stimmen gewonnen  – alle Berechnungen wiederum auf den Kopf stellten. Wilsons heißester Wunsch war in Erfüllung gegangen  : Er hatte auch ohne New York gewonnen. Zwiedinek resümierte  : Roosevelt hätte mit seiner kriegerischen Rhetorik viele Wähler »kopfscheu« gemacht  ;403 er und Bernstorff waren beide mit dem Ergebnis zufrieden. Dazu hatten sie allen Grund  : Denn inzwischen zeichnete sich im Verhältnis der USA zur Entente eine Krise ab, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Der schöne Spruch  : »The business of America is business«, stammte zwar erst aus den

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Zwanzigerjahren. Die Klage, dass Amerika sich aus Geschäftsinteressen der Entente verschrieben habe, war schon älter. Doch gerade diese Polemik entlarvt die dahinterstehende Fehleinschätzung der tatsächlichen Vorgänge in der Finanzwelt. Denn die Kriegskonjunktur neigte sich Ende 1916 ihrem Ende zu. An Aufträgen mangelte es nicht. Aber um die Zahlungsfähigkeit der Entente war es inzwischen schlecht bestellt. Die Engländer verfügten nicht mehr über genügend Dollar, um die laufenden Rechnungen zu bezahlen. Eine Zeitlang hatte man sich mit Anleihen in Amerika über die Finanzierungslücke hinweggeholfen. Doch schon um die Jahreswende 1915/16 blieb J. P. Morgan, das Bankhaus, das die Geschäfte der Entente besorgte, auf der jüngsten Anleihe sitzen. Für den Geschmack des Anlegerpublikums wurden zu wenig Zinsen und zu wenig Sicherheiten geboten.404 Dabei hatte die Politik im Herbst 1915 die Anleihe noch zur Exportförderung gutgeheißen. Ein Jahr später tat sie das nicht mehr  : Das Federal Reserve Board sprach am 28. November 1916 eine ausdrückliche Warnung vor englischen Schatzscheinen aus. Die »Fed« als erst kürzlich geschaffenes Substitut für die Nationalbank, die es in den USA seit den Zeiten Präsident Jacksons nicht mehr gab, war 1913 wesentlich von dem deutschen Bankier Paul Warburg konzipiert worden. Warburg, seit zwanzig Jahren in den USA beheimatet, war ein Partner von Kuhn, Loeb & Co, den großen Rivalen J.P. Morgans  ; Finanzminister war Wilsons Schwiegersohn William McAdoo, der seine Lehrzeit an der Wall Street ebenfalls bei Kuhn, Loeb & Co. verbracht hatte. Zwar stimmte die Chemie auch zwischen Warburg und McAdoo nicht, doch schlimmer noch war es um das Verhältnis des Finanzministers zum eingefleischt republikanischen Haus Morgan und seinen Repräsentanten bestellt. McAdoo war skeptisch gegenüber weiteren Anleihen an die Entente  ; seiner Meinung nach sollte England besser alle seine amerikanischen Guthaben und Investitionen auflösen, im Sinne einer »finanziellen Monroe-Doktrin«  ; Warburg wiederum kam im Herbst 1916 schon deshalb eine bedeutende Rolle zu, weil der starke Mann der »Fed«, der New Yorker Benjamin Strong, der großen Wert auf das Einvernehmen mit der Bank of England legte, krankheitshalber einige Zeit ausfiel.405 Edvard Beneš in Paris sah hinter diesem Netzwerk schon eine großangelegte Verschwörung am Werk, die von Jakob Schiff  – einem Verwandten der Warburgs und Sohn des Gründers von Kuhn, Loeb & Co., der als Oberhaupt der New Yorker jüdischen Gemeinde galt – über den französischen Verständigungspolitiker Caillaux bis nach Österreich reichte  : »Eine böse Sache, sehr gefährlich … Die Wiener Banken und die Juden haben dabei eine große Rolle gespielt.«406 Auch die Engländer waren gegen derartige Vorstellungen nicht immun  : Juden galten per se als deutschfreundlich und/oder pazifistisch. Sir Edward Grey schlug deshalb schon 1916 ein Arrangement für Palästina vor, zu dem Zweck, »to bring over to our side the Jewish forces in America, the East and elsewhere which are now largely, if not preponderantly, hostile

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to us.«407 Die sogenannte Balfour-Declaration vom Herbst 1917, die eine jüdische Heimstatt in Palästina in Aussicht stellte, war ein Versuch, auf dem Umweg über die Unterstützung zionistischer Bestrebungen mit Deutschland in eine Konkurrenz um die Sympathie der Juden einzutreten (wobei man im Herbst allerdings schon mehr die russischen als die amerikanischen Juden im Visier hatte und die Attraktivität des Zionismus für die etablierten, assimilierten Eliten wohl überschätzte).408 Gerade die passionierten Anhänger von Verschwörungstheorien zählten deshalb zu den Befürwortern der Balfour-Declaration  : »In any case Zionism will be set in motion by our enemies if we do not do so.«409 Entgegen allen einschlägigen Verdächtigungen spiegelte die Warnung der »Fed« vom November 1916 nicht unbedingt politische Vorurteile wider, sondern solide Anlageberatung. Wilson hatte sie anfangs sogar noch schärfer formulieren wollen, um den Druck auf England zu erhöhen, auf seine Friedensvermittlung einzugehen. »The business of America is business.« Die Entente hatte ganz einfach ihr Triple A eingebüßt. Um weiterhin Lieferungen im gewohnten Ausmaß zu beziehen, benötigte England 75 Mio $ im Monat, mehr als die Hälfte davon für den Bedarf seiner Alliierten. Die letzten Reserven reichten gerade noch bis zum April 1917. Dann war Schluss  ; allenfalls durch den Abverkauf der letzten Beteiligungen in den USA mochte man sich noch eine Zeitlang über Wasser halten.410 Damit war dann auch der große Vorteil der Entente, ihr Zugriff auf die Ressourcen der ganzen Welt, vorbei. Ihre Kriegsanstrengungen mussten von diesem Zeitpunkt an drastisch nachlassen, in einem noch viel höheren Maß als das bei den Mittelmächten mit ihrem langsamen Verschleiß der Fall war. Doch wieder kam alles anders. Ludendorff und die OHL retteten die Engländer rechtzeitig vor dem Bankrott. Die Verbesserung der deutsch-amerikanischen Beziehungen im Sommer und Herbst 1916 beruhte auf einem labilen Kompromiss innerhalb der deutschen Führung. Da waren zum einen die Ressortstandpunkte  : Die Kriegsmarine, insbesondere die U-Boot-Besatzungen, vertrat naturgemäß den Standpunkt, es sei ein durch nichts zu rechtfertigendes Entgegenkommen, die neue, revolutionäre Waffe, die so hoffnungsvolle Ansätze gezeigt habe, nicht in der Weise einzusetzen, wie es den Gegebenheiten am besten entsprach, nämlich in Form des uneingeschränkten, »rücksichtslosen« UBoot-Krieges. Auf der anderen Seite war das Auswärtige Amt besorgt um die Beziehungen zu den Neutralen, nicht bloß zu den USA, sondern auch den Niederlanden und Dänemark, die Deutschland weiterhin einen Spalt zum Weltmarkt öffneten und selbst Versorgungsgüter lieferten. Jagow wetterte gegen die »Marinewüteriche« und wollte dem Risiko eines Bruches mit Amerika aus dem Wege gehen. Dazwischen standen der Kanzler, der Kaiser und die Heeresleitung. Die Lusitania-Krise 1915  – bei all ihrer Dramatik  – war noch verhältnismäßig leicht auszusitzen. Denn die Erklärung aller Gewässer rund um die britischen Inseln

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zum Kriegsgebiet am 18. Februar 1915 war mehr eine propagandistische – und von Kanzler Bethmann-Hollweg damals noch mitgetragene  – Trotzreaktion auf die britische »Hungerblockade« als eine ernstgemeinte Strategie.411 Eine solche Strategie mochte früher oder später ihre Rendite abwerfen  ; vorerst jedoch besaß Deutschland noch viel zu wenig U-Boote, um diese Drohung auch wirklich in die Tat umzusetzen. Die Versenkung der »Lusitania« war ein Zufallstreffer, in mehr als einer Beziehung  : U-Boote waren extrem langsame Fahrzeuge, zumal wenn sie unter Wasser operierten. Passagierdampfer waren aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit gegen ihre Angriffe nahezu immun. Das galt 1917/18 dann auch für die großen Ocean Liners, die als Truppentransporter Verwendung fanden und völlig ungehindert den Atlantik überquerten. Dramatischer verlief die Debatte um den U-Boot-Krieg ein Jahr später, im Frühjahr 1916. Denn jetzt stellte sich auch der Chef des Generalstabes, Falkenhayn, hinter die Forderungen der Marine. Diese Haltung entsprach Falkenhayns – und Tirpitz’ – pessimistischer Sicht, Deutschland könne mit keinem Sieg mehr rechnen, nicht zuletzt weil Österreich-Ungarn den Krieg nicht mehr lange durchhalten könne. Es müsse entweder einen Sonderfrieden im Osten schließen oder England auf andere Weise in die Knie zwingen. Zu diesem Zweck hatte die Marine inzwischen ausführliche Berechnungen angestellt  : Bei entsprechendem Einsatz der U-Boote könne man England, das in viel höherem Maße von Importen abhängig sei als alle Kontinentalmächte, binnen sechs Monaten zum Frieden zwingen. Admiralstabschef Henning v. Holtzendorff, der berufen worden war, weil er innerhalb der Marine zu den »Tauben« zählte, wollte zwar selbst keinen Krieg mit den USA riskieren, war aber schon im Frühjahr 1916 bereit, seinen Kopf zu verwetten, dass diese Prognosen zutrafen. Gottfried Hohenlohe, als Österreicher ohne viel Verständnis für die »Gott strafe England«Stimmung im Reich, fragte ihn daraufhin verwundert, was er denn im Ernstfall mit dem Kopfe anfangen solle, der keine wirkliche Entschädigung für das Risiko einer Niederlage darstelle.412 Die Diplomaten vermochten das Ringen um den U-Boot-Krieg auch 1916 noch einmal für sich zu entscheiden. Es blieb beim U-Boot-Krieg nach Vorschrift. Großadmiral Tirpitz nahm als Marinestaatssekretär schon im März seinen Abschied, aus Gesundheitsrücksichten, wie offiziell verlautbart wurde, und verärgerte seinen Kaiser damit, die nächsten Tage ganz offenbar kerngesund in Berlin spazieren zu gehen. Die Marine stellte in einer Justament-Reaktion den U-Boot-Krieg daraufhin für die nächste Zeit überhaupt ein. Allerdings wurde das deutsche Einlenken begründet  – und als »Karenz-Zeit« befristet – mit dem Motivenbericht, man wolle den USA inzwischen Gelegenheit geben, auch die Briten zur Rücknahme aller völkerrechtlich umstrittenen Maßnahmen zu bewegen und behalte sich eine Wiederaufnahme des U-Boot-Krieges vor, sollten diese Bemühungen keinen Erfolg zeitigen. Die USA un-

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ternahmen vereinzelte Schritte in dieser Richtung, wenn sie z. B. den Status bewaffneter Handelsschiffe infrage stellten oder von Vertretern der Entente eine Verpflichtung verlangten, dass ihre Handelsschiffe von sich aus nicht das Feuer auf U-Boote eröffnen durften. Prinzipiell lehnte das State Department aber jegliches Junktim zwischen den deutschen Zusicherungen und den englischen Reaktionen ab.413 Bethmann-Hollweg musste gegen Jahresende mit einem neuen Vorstoß der Marineleitung rechnen. Ein Versuch, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen, war die Absetzung ihres Verbündeten Falkenhayn im August. Von Hindenburg und Ludendorff erwartete man sich, dass sie den von ihnen so geflissentlich genährten Erwartungen gerecht würden, den Krieg in Eigenregie zu gewinnen, ohne die Hilfe der U-Boote dafür in Anspruch nehmen zu müssen. Gerhard Groß hat die Reaktion der Helden von Ober-Ost einmal treffend mit der Situation einer Oppositionspartei verglichen, die im Wahlkampf eine Steuersenkung verspricht, bloß um nach Amtsantritt und Kassasturz zum Schluss zu kommen, dass dafür kein Geld vorhanden sei.414 Jedenfalls begannen die Äußerungen der 3. OHL schon bald sehr viel weniger Optimismus zu versprühen. Damit war eine politische Gefahr verbunden. Bethmann hatte Hindenburg geholt, um ihn als politisches Schutzschild zu verwenden. Jetzt wurde er die Geister, die er gerufen hatte, nicht mehr los. Der Kanzler konnte sich auch nicht einfach auf den Primat der Politik berufen  : Denn er hatte sich dem Reichstag gegenüber verpflichtet, bei der anstehenden Entscheidung das fachliche Urteil Hindenburgs zu respektieren. Die katholische Zentrumsfraktion, als Zünglein an der Waage im Reichstag, hatte sich in einer Resolution ausdrücklich auf diese Zusicherung berufen.415 Bevor es sich Hindenburg und Ludendorff womöglich anders überlegten, wollte Bethmann-Hollweg deshalb unbedingt Friedensverhandlungen in Gang bringen, oder zumindest Verhandlungen mit den USA über Friedensbedingungen, um einer Eskalation vorzubeugen. Am liebsten wäre es ihm deshalb auch gewesen, eine solche Initiative noch vor der Proklamation des Königreichs Polen in Gang zu setzen. Doch in dem Punkt geriet der Kanzler in das Kreuzfeuer der Militärs und des österreichisch-ungarischen Verbündeten, die es beide im Spätsommer 1916 plötzlich sehr eilig hatten mit der polnischen Unabhängigkeit. Dazu kamen die Querschüsse seines Monarchen, der auf einmal wiederum nach dem Strohhalm eines Sonderfriedens mit Russland griff. Der Kriegseintritt Rumäniens machte dieser Hoffnung ein Ende, ließ eine Friedensinitiative dafür aber wiederum als Schwächezeichen erscheinen. In dieser Situation wäre es Bethmann sehr willkommen gewesen, wenn die USA die Initiative ergriffen hätten.416 Dazu war Wilson prinzipiell auch bereit, wollte aber zuerst die Wahlen im November abwarten. Schließlich regte bei der Schlussbesprechung über Polen am 18. Oktober dann auch Burian eine Friedensinitiative an, der jedoch eingehende Erörterungen über die beiderseitigen Kriegsziele vorausgehen sollten. Aus all diesen Gründen verschob sich das Angebot der Mittelmächte bis knapp vor Jahres-

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ende, nach der Einnahme von Bukarest. Es erfolgte schließlich erst am 12. Dezember 1916.417 Die Vorgeschichte und der Kontext der Friedensnote ließen für Eingeweihte erkennen, dass es Bethmann mit seiner Initiative durchaus ernst war. Nach außen hin freilich nahm sich das Ergebnis des langen Hin und Hers als das klassische Mäuslein aus, das geboren ward, als die Berge kreißten. Die Briten hatten sich im Mai nicht auf ein Einsteigen auf eine Vermittlung auf einer immer noch halbwegs günstigen Basis einigen können. Bethmann unternahm einen solchen Versuch, die widerstrebenden Interessen und Meinungen im Reich auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, erst gar nicht. Das deutsche Angebot erweckte daher auch bloß den Eindruck eine wenig originellen Propaganda-Übung  : Die Mittelmächte gaben sich nach den jüngsten Erfolgen wiederum siegessicher, wären aber zu Verhandlungen selbstverständlich bereit. Konkrete Anhaltspunkte, etwa gar Lockangebote, die man vor der Öffentlichkeit schwer ablehnen konnte, legte man keine vor. Burian war in dieser Beziehung anderer Meinung gewesen  : Er war um konkrete Vorschläge nicht verlegen  ; allerdings hatte seine Aufstellung wenig werbewirksamen Charakter, denn Burian ging von der Methode aus, zunächst einmal mehr zu verlangen, um im Laufe der Verhandlungen dann allenfalls nachgeben zu können. Man müsse »mehr fordern als man zu erreichen erwarte und dürfe sich nicht durch ein Minimum die Hände binden.«418 Seine Liste enthielt daher einige Punkte, die Berlin ein wenig zu scharf erschienen, wie z. B. die komplette Annexion Montenegros. Burians Hauptanliegen in den Besprechungen mit Bethmann war eine Besitzgarantie, die »Integritätsklausel«  : Österreich-Ungarn hatte im Südwesten (Görz) und im Nordosten (Bukowina) einige Gebietstreifen eingebüßt  ; es betrachtete seine Eroberungen als Pfänder, die allenfalls eingetauscht werden könnten, um nicht mit Verlusten aus dem Krieg auszusteigen. Schlimmer noch war es in dieser Beziehung um das Osmanische Reich bestellt, das sich ebenfalls um eine Besitzgarantie bemühte. Was von derlei Versprechungen zu halten war, enthüllt die beruhigende Versicherung Jagows, man möge den Türken ruhig alles versprechen, was ihr Herz begehrte – und im Ernstfall einfach behaupten, »man sei einfach nicht in der Lage, den Krieg weiterzuführen oder dergleichen«, bis Basra, Mekka oder was auch immer für Wüstennester zurück unter osmanische Obhut gebracht würden.419 Was die Türken betraf, waren die Österreicher ohnehin freigiebig mit guten Ratschlägen, das Osmanische Reich wäre ohne arabische Anhängsel doch viel kompakter und lebensfähiger. Als Einstieg in ernsthafte Verhandlungen erwies sich die Friedensnote der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916 genauso als Schlag ins Wasser wie die Aufforderung Wilsons einige Tage später, die kriegführenden Staaten möchten ihm doch ihre Friedensbedingungen bekannt geben, um eine Vermittlung zu ermöglichen. Dabei spielte der Umschwung eine Rolle, der kurz davor in England stattgefunden hatte  : Am

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7. Dezember war Lloyd George als neuer Premier angelobt worden. Sein Vorgänger Asquith, Außenminister Grey und die Altliberalen, wären angesichts der Finanzlage durchaus bereit gewesen, auf eine Friedensvermittlung einzugehen. Doch sie wurden von einer Allianz der Extreme ausgehebelt, dem Ulster-Veteranen Sir Edward Carson am rechten Flügel der Konservativen und dem populistischen Sozialliberalen Lloyd George am linken Flügel der Liberalen, der versprochen hatte, den Krieg bis zum »K.O.Schlag« gegen Deutschland fortzusetzen, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Londoner City. Es ergab sich das Paradoxon  : Lloyd George ging nicht auf Wilsons Wünsche ein, begab sich mit seiner Politik aber mittel- und langfristig noch viel mehr in die Abhängigkeit von den USA.420 Die Entente reagierte unter diesen Umständen auf beide Avancen – Bethmanns und Wilsons – mit kalter Verachtung, entsprach aber wenigstens formell Wilsons Wunsch, indem sie ihm ein Kriegszielprogramm aushändigte, das zwar keinerlei Entgegenkommen erkennen ließ, schon einmal weil es eine Addition der Wünsche aller Partner darstellte, aber immerhin konkrete Anhaltspunkte lieferte. Erstmals befand sich darunter auch ein Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, oder zumindest die unterdrückten Nationalitäten im habsburgischen und osmanischen Machtbereich  – ohne konkrete Handlungsanweisung, aber als Verbeugung vor der amerikanischen Öffentlichkeit, die hehre Prinzipien mehr schätzte als territoriale Forderungen. Um nicht ganz zurückzustehen, wies Bethmann seinen Botschafter an, Wilson wenigstens vertraulich mitzuteilen, was sich Deutschland als Verhandlungslage vorstellen könne. (Das Papier enthielt übrigens auch die Wiederherstellung Serbiens, unter der montenegrinischen Dynastie allerdings.) Wilson seinerseits hatte am 21. Jänner 1917 vor dem Senat seine Vorstellungen skizziert, die in der Formel gipfelte  : »Ein Friede ohne Sieger und Besiegte«. Es gehe um das Einvernehmen zwischen den Mächten, nicht um das Gleichgewicht, nahm er eine englische Lieblingsidee aufs Korn. Die Entente quittierte die Rede mit kaum verhülltem Groll als Kapitulation vor dem deutschen Militarismus und schnöden Verrat an den Idealen des Westens.421 Verrat war auf amerikanischer Seite bis zu einem gewissen Grad sehr wohl im Spiel, aber anders als es in den entrüsteten Kommentaren zum Ausdruck kam. Wilson wollte einen Kriegseintritt der USA vermeiden und als Friedensbringer dastehen. Er betonte die de facto nicht existierende Äquidistanz zu den Kriegsparteien, um Druck auf England auszuüben. Seinen Staatssekretär Lansing hingegen plagte das Schreckensszenarium  : Was, wenn Deutschland auf die Wünsche des Präsidenten einging, die Entente aber nicht  ? Lansing informierte deshalb hinter dem Rücken des Präsidenten die Botschafter der Entente im Vorhinein von Wilsons Plänen, und suggerierte entsprechende Formulierungen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Dieses Doppelspiel raubte den Aktionen Wilsons naturgemäß viel von ihrer Wirkung. »Kaum jemals in der amerikanischen Geschichte hat ein Kabinettsmitglied den Prä-

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sidenten auf solche Weise hintergangen«, heißt es dazu jüngst in der amerikanischen Historiografie.422 Freilich, nachträglich betrachtet, hätte sich Lansing gar nicht so sehr bemühen müssen. Denn inzwischen war am 8./9. Jänner – nach einer Vorentscheidung schon Ende Dezember – im Großen Hauptquartier in Pleß die Entscheidung für den »uneingeschränkten U-Boot-Krieg« gefallen. Admiral Holtzendorff war in den eigenen Reihen zunehmend unter Druck geraten und trat die Flucht nach vorne an. Die Marine legte zur Untermauerung ihrer Pläne dieselben Statistiken über die britische Versorgungslage vor wie im Vorjahr – das allein musste zu denken geben. Geändert hatten sich nach ihrer Ansicht nur zwei Faktoren – und zwar zugunsten Deutschlands. Erstens verfügte das Reich inzwischen über hundert U-Boote, nicht mehr über bloß vierzig wie im Frühjahr. Zweitens aber – und dieser Aspekt fiel besonders ins Gewicht, weil er den Zeitdruck erhöhte – witterte man eine Chance, die so bald nicht wiederkehren würde. England sei wegen der Missernte in der westlichen Hemisphäre stärker als sonst auf Importe aus Argentinien und Australien angewiesen, die besonders viel Schiffsraum in Anspruch nahmen. (Freilich stand im selben Memorandum auch, dass von 150 Schiffen, die täglich England anliefen, nur fünf bis sechs Getreide führten.) Jetzt oder nie  : Die Ernte auf der südlichen Halbkugel begann im Jänner  ; daher müsse der verschärfte U-Boot-Krieg pünktlich mit 1. Februar 1917 einsetzen. Dann bestünde die Chance, ja die Gewissheit (siehe Holtzendorffs Haupt) Großbritannien binnen eines halben Jahres auszuhungern. Ludendorff hatte seit einiger Zeit erkennen lassen, dass er sich den Argumenten der »Marine-Wüteriche« anschloss. Dieser Schulterschluss der Militärs war keineswegs selbstverständlich  : Heer und Marine waren alles andere als kongeniale Partner, sondern immer schon Rivalen um knappe Mittel. Vielleicht lag gerade darin der Charme der neuen Wunderwaffen. Anders als eine Schlachtschiffdivision, die Megatonnen von Stahl in Anspruch nahm, die anderswo fehlten, stellten die U-Boote eine kostengünstige und wenig personalintensive Alternative dar. Die U-Boot-Waffe erlitt hohe Ausfälle – und verlor im ganzen Krieg doch nur einen Bruchteil der Toten, die Falkenhayn vor Verdun in Kauf genommen hatte. Erstaunlich bleibt vielleicht allenfalls der Prestigefaktor, das Eingeständnis des Heeres, den Krieg anders nicht mehr gewinnen zu können. Einen Verständigungsfrieden aber hatte die Entente soeben noch weit von sich gewiesen. Vor diesen Argumenten kapitulierte der Kaiser – und in seinem Gefolge auch der Kanzler. Sein neuer Staatssekretär Zimmermann jedoch – insofern eine hübsche Parallele zu Lansing und Wilson  – war ihm längst in den Rücken gefallen und setzte dem Drängen der Militärs keinen weiteren Widerstand mehr entgegen.423 Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg war ein Vabanquespiel. 1866 hatte Preußen mit dem Zündnadelgewehr tatsächlich eine »Wunderwaffe« besessen – und das schon

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seit über zwanzig Jahren, aber in Bismarcks Überlegungen spielten derlei technische Details keine Rolle. Jetzt setzte man bewusst auf ein Alles oder Nichts, im Vertrauen auf eine »High-tech-Lösung« neuesten Datums. Den Charakter des rouge et noir verlor dieses Kalkül nur, wenn man von zwei Voraussetzungen ausging, entweder der pessimistischen Annahme, dass der Krieg so oder so verloren war, oder aber davon, dass die Ressourcen der USA auch bisher schon der Entente zur Verfügung gestanden waren  ; Washington darüber hinaus aber  – mit oder ohne Kriegserklärung  – nichts weiter unternehmen werde, sein Eingreifen daher »ziemlich belanglos« bleiben werde.424 Wenn man die sechs Monate bis zum Zusammenbruch Englands wörtlich nahm, hätten die USA bis dahin ja nicht einmal Zeit, um überhaupt größere Truppenkontingente auszurüsten. Allerdings steht der Vorwurf im Raum, dass nicht einmal Ludendorff selbst wirklich an ein Kriegsende im August glaubte.425 Er erwartete sich vermutlich bloß eine relative Verbesserung, kein K.O. im Kampf gegen England. Doch selbst wenn er darauf vertraute, die Amerikaner würden keine Truppen nach Europa schicken (diese Entscheidung blieb tatsächlich noch eine Zeitlang in der Schwebe), sondern nur pro forma in den Krieg eingreifen, so wie es später z. B. Brasilien und eine Reihe anderer lateinamerikanischer Staaten taten, völlig ausgeblendet blieb in diesem Szenarium die Lage auf den Finanzmärkten  : Mit den USA als Verbündeten war die Entente plötzlich wieder kreditwürdig, waren die finanziellen Sorgen, die ihr Durchhaltevermögen massiv bedrohten, wie weggeblasen. Österreich-Ungarn wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Im U-Boot-Krieg spielte die k. u. k. Marine nur eine sehr geringe Rolle (selbst wenn sie mit dem Korvettenkapitän Georg v. Trapp den vermutlich bekanntesten U-Boot-Kapitän des Ersten Weltkrieges hervorbrachte).426 Wilhelm II. wollte Kaiser Karl die bittere Pille bloß versüßen, als er Holtzendorff nach Wien entsandte, um den Plan persönlich vorstellen, begleitet von der treuherzigen Versicherung, er überlasse die Entscheidung seinem Verbündeten. Dabei handelte es sich selbstverständlich um eine SuggestivFrage, deutlicher noch als bei der Hoyos-Mission 1914, der Frage, ob Deutschland den Österreichern gegen die Russen zu Hilfe kommen würde. Auch damals war die eigentliche Entscheidung im innersten Kreis längst gefallen. Holtzendorff ließ die Katze aus dem Sack, als ihm herausrutschte, die Befehle ließen sich gar nicht mehr rückgängig machen, da die Boote schon ausgelaufen seien. Voller Enthusiasmus reagierten übrigens die k. u. k. Militärs, von Conrad, der sich schon seit Längerem unter die Befürworter des U-Boot-Krieges eingereiht hatte427 über Kriegsminister Krobatin bis zum Marinekommandanten Großadmiral Anton Haus, der an »das Eingreifen der USA in militärischer Hinsicht keine weitgehenden Befürchtungen« knüpfte (sich jedoch auf der Rückfahrt von Pleß im ungeheizten Zug eine Lungenentzündung holte und noch im Jänner verstarb).428

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Czernin ließ sich etwas länger bitten. Er sandte seinerseits einen hochrangigen Diplomaten nach Berlin. Stellvertretend für die Skeptiker gab auch Tisza zu Protokoll  : »Die k. u. k. Regierung könne die deutschen Illusionen bezüglich einer baldigen Aushungerung Englands nicht teilen.«429 Czernin ließ sich erst dann zu einer halbherzigen Zustimmung herab, als ihm die deutschen Militärs versicherten, sie könnten ohne den verschärften U-Boot-Krieg keine Garantie mehr dafür übernehmen, die Westfront zu halten. Czernin ließ diesen Offenbarungseid der üblicherweise so großspurigen Verbündeten ausdrücklich zu Protokoll nehmen  : Wenn es tatsächlich so schlecht um Deutschland stünde, müsse er wohl oder übel seine Einwilligung geben  ; er sehe darin freilich ein Eingeständnis, dass auch Deutschland den Krieg nicht mehr lange fortsetzen könne, was bloß seine These unterstreiche, dass man ernsthaft an einen baldigen Friedensschluss – allenfalls auch unter gewissen Opfern – denken müsse, wie er das schon seit Längerem behaupte. Das volle Gewicht des amerikanischen Kriegseintritts dürften freilich auch die Öster­reicher unterschätzt haben. Es sei kein Ding der Unmöglichkeit, dass die Amerikaner ein Heer nach Europa schickten, warnte Czernin im Juni – die Formulierung lässt darauf schließen, dass er es vielleicht doch nicht für allzu wahrscheinlich hielt.430 Seine Sorgen, so scheint es, galten insbesondere der Haltung der europäischen Neutralen, z. B. von Norwegen, das »sich mehr noch als bisher als britische Kolonie verhalten« und jetzt vermutlich in den Krieg eintreten werde oder der Reaktion von Spanien, das Czernin besonders zuvorkommend behandelt sehen wünschte, bis hin zur finanziellen Entschädigung für etwaige Verluste oder Bestechungssummen für den Premierminister Romanones, der zur Entente neigte, von König Alfons aber nach einer dramatischen Konfrontation entlassen wurde.431 »Die Geldfrage« stelle jedenfalls »kein Hindernis« dar, was die Handsalben für Romanones betrifft, ließ Czernin verlauten. Allenfalls auch anderen Neutralen für die »Kollateralschäden« des U-Boot-Krieges finanzielle Entschädigungen in Aussicht zu stellen, wie Czernin anregte, überstieg allerdings die Möglichkeiten der Reichsleitung.432 Hohenlohe steuerte in Berlin noch den vielleicht typisch österreichischen Vorschlag bei, den uneingeschränkten U-Boot-Krieg zwar zu führen, wenn es denn unbedingt sein müsse, aber heimlich, still und leise, ohne durch offizielle Erklärungen alle Brücken hinter sich abzubrechen. Sobald sich dann erste Zwischenfälle ereigneten, könne man immer noch tiefschürfende Untersuchungen ankündigen und habe auf alle Fälle einmal Zeit gewonnen, bevor die Entente oder die USA zu Gegenmaßnahmen greifen könnten. Die Idee klang bestechend, vor allem wenn man das enge Zeitfenster der berühmten fünf bis sechs Monate in Betracht zog. Tatsächlich war schon fast ein Drittel der Periode verstrichen, bis in der zweiten Hälfte des März das erste amerikanische Schiff versenkt wurde. Die Marinegewaltigen lehnten den Vorschlag jedoch mit der Begründung ab, ohne öffentliche Bekanntmachung falle der abschreckende Effekt auf die Neutralen

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weg, mit dem man rechnete – ein weiterer Beweis, wie sehr ihre angeblich so hieb- und stichfesten Berechnungen von psychologischen Unwägbarkeiten abhingen.433 Nach außen hin ließen sich die Mittelmächte den Dissens freilich nicht anmerken. Im Gegenteil  : Die Österreicher steuerten sogar noch extra eine Begründung bei  : In der Adria (die nun freilich ein Kriegsgebiet in einem ganz anderen Sinne war als die »Western Approaches«) hätten die Gegner schon mehrfach Handels- und Passagierschiffe ohne Warnung angegriffen (von den vier zitierten Beispielen war allerdings nur ein einziges, die ›Dubrovnik‹, im Mai 1916 tatsächlich versenkt worden). Man ließ deshalb hoheitsvoll verlauten  : »Österreich-Ungarn und seine Verbündeten werden fortan die gleiche Methode anwenden.«434 Der österreichische Beitrag war nicht sehr bedeutend  : Zwar wurden gerade im Mittelmeer die größten Erfolge erzielt. Doch der Löwenanteil ging auf das Konto deutscher Boote, die vom österreichischen Kriegshafen Cattaro aus operierten. Die Monarchie verfügte damals über elf U-Boote, von denen jedoch nur ein einziges für den Kreuzerkrieg geeignet war. Just an dem Tag, als in Pleß die folgenschwere Konferenz zusammentrat, hatte der US-Botschafter in Berlin den Toast ausgebracht, die Beziehungen zwischen seinem Land und dem Deutschen Reich seien »niemals besser gewesen als jetzt«.435 Dieses plakative Wohlwollen verkehrte sich schlagartig in sein Gegenteil  : Wilson sah sich von Deutschland desavouiert und antwortete mit dem sofortigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Der designierte neue österreichisch-ungarische Botschafter, Graf Adam Tarnowski, kam ausgerechnet am selben Tag, dem 3. Februar 1917, in Washington an. Wilson bedauerte, ihn nicht mehr empfangen zu können, ließ aber keinen speziellen Groll gegen die Österreicher erkennen  : Es handle sich dabei um eine prinzipielle Frage, ohne spezielle Animosität gegen die Monarchie. Die amerikanische Kriegserklärung an Deutschland erfolgte erst nach dem Eintreffen der Nachricht von der Versenkung erster amerikanischer Schiffe am 19./20. März. Wilson versuchte sich noch eine Zeitlang einen gewissen Spielraum zu bewahren  : Er komme aus dem Süden, daher wisse er, was Krieg bedeute, hatte er Ententefreunden im Norden einmal entgegengehalten  ; die weiße Rasse solle sich nicht gegenseitig vernichten.436 Die Entscheidung für den Krieg wurde politisch erleichtert, aber nicht herbeigeführt durch die Veröffentlichung des sogenannten ZimmermannTelegramms, eines von den Engländern abgefangenen und dechiffrierten Bündnisangebot des Deutschen Reiches an Mexiko. Die Geschichte gewann an Reiz durch die handelnden Personen, Zylinder und Sombrero, nämlich den deutschen Militärattache, Franz v. Papen, den späteren Reichskanzler, der in die ersten Kontakte zu den mexikanischen Bürgerkriegsparteien zumindest eingeweiht war – und den mexikanischen Revolutionär Pancho Villa, der im Frühjahr 1916 mit einem Überfall auf die Grenzstadt Columbus in New Mexico den Anlaß für die US-Intervention in Mexiko geliefert hatte.

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Die Amerikaner verfolgten mit Villa in Mexiko zwar einen Rivalen der Regierung Carranza, die selbst schon einmal darum gebeten hatte, bei ihrer Jagd auf Villa amerikanische Eisenbahnen benutzen zu dürfen.437 Doch durfte bei dieser Art von Nachbarschaftshilfe die mexikanische Souveränität nicht allzu offenkundig in Mitleidenschaft gezogen werden. Villa zog seine amerikanischen Verfolger deshalb bewusst immer weiter ins Landesinnere hinein, bis sich die Regierung gezwungen sah, ihnen schließlich aus Prestigegründen doch militärisch entgegenzutreten. Ein Krieg zwischen Mexiko und den USA lag deshalb gegen Ende des Jahres 1916 durchaus im Bereich des Möglichen. Die Österreicher hatten die Regierung Carranza übrigens nicht einmal offiziell anerkannt  ; aus Mangel an diplomatischer Routine war Carranza diese Zurücksetzung allerdings verborgen geblieben.438 In der Beurteilung der Bürgerkriegsparteien wahrte der österreichisch-ungarische Geschäftsträger Kanya seine Neutralität  : In der Verfolgung seiner Gegner und »in der Liebe zum schönen Geschlecht gebühre Villa, in betreff der Pferde- und Automobildiebstähle aber ganz entschieden den Carranzisten die Palme«  ; noch am glimpflichsten »mit der seiner Obhut anvertrauten Bevölkerung« umgegangen sei der Bauernführer Zapata.439 Das großzügige Angebot Zimmermanns, das Mexiko von Texas bis Kalifornien reiche Beute versprach, war vielleicht nicht ganz ernst zu nehmen. Es kam überdies zu spät, weil die Amerikaner im Jänner 1917 gerade zum Rückzug aus Mexiko bliesen  ; noch im November hatte Carranza selbst in Berlin um Finanz- und Waffenhilfe angesucht. Verbunden mit der Einladung an den pazifischen Rivalen Japan, sich an derlei Plänen zu beteiligen, machte die Depesche auch in den Regionen der USA böses Blut, die von den Schmerzen der christlichen Seefahrt weniger betroffen waren. Aufsehen erregte nicht zuletzt, dass Zimmermann mit entwaffnender Ehrlichkeit am 3. März die Echtheit des Telegramms bestätigte. Das Gesetz über die Bewaffnung aller Handelsschiffe hätte allerdings früher oder später auch ohne Zimmermann-Telegramm zum Krieg geführt. Auch die Obstruktionsreden (»filibuster«) einiger Senatoren aus den Prairiestaaten (die John F. Kennedy später in seine ›Profiles of Courage‹ aufnahm) änderten daran nichts. Das Zimmermann-Telegramm ebnete allenfalls den Weg der Kriegserklärung vom 6. April im Kongress, wo sie mit 373 zu 50 im Repräsentantenhaus, mit 82 zu 6 im Senat bestätigt wurde. Die entscheidende Weichenstellung, die Aufhebung aller Beschränkungen für Kredite an die Entente, war bereits am 8. März erfolgt. Am 25. April bewilligte der Kongress die Aufnahme von 7 Mrd. Dollar an Kriegskrediten, drei davon für die Alliierten bestimmt – auch wenn sich über deren Verwendung noch erregte Debatten entspannen.440 Tarnowski hatte lange nach einem Weg gesucht, sich auch ohne offizielle Akkreditierung als Vermittler und Sprachrohr der Mittelmächte in Amerika nützlich machen zu können. Auch Czernin suchte eine Zeitlang nach versöhnlichen Gesten (so wollte er z. B. amerikanische Schiffe schonend behandelt wissen, was dem Prinzip

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des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs selbstverständlich zuwiderlief ), brach dann aber als Geste der Solidarität mit Deutschland am 9. April die Beziehungen zu den USA ab (die mit ihrer Botschaft in Sofia weiterhin einen Horchposten im Lager der Mittelmächte unterhielten). Die USA ihrerseits erklärten der Donaumonarchie erst am 7. Dezember 1917 den Krieg, ohne äußeren Anlass, mehr oder weniger als Solidaritätsgeste an die Adresse Italiens, das damals unter der Niederlage von »Caporetto« litt, kurioserweise begleitet von der ausdrücklichen Versicherung, man wolle die inneren Strukturen der Monarchie weder »schädigen noch verwandeln« (»impair or re-arrange«).441 Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg führte bekanntlich nicht zum Erfolg. Die UBoot-Fahrer selbst traf keine Schuld am Versagen der Marineleitung  : Sie erfüllten ihr Plansoll, übertrafen es im Frühjahr sogar noch. Im April 1917 versenkten sie fast 1 Mio. BRT, mehr als zehn Schiffe pro Tag. Der Kardinalirrtum – einer, der sich in diesem Jahrhundert noch oft wiederholen sollte – lag in der Unterschätzung der Flexibilität der Wirtschaft durch militärische Planer und ihre zivilen Helfershelfer  : Es ist berechnet worden, dass allein schon das schnellere Ent- und Beladen der Schiffe einen Gutteil des Ausfalls an Tonnage wettmachte. Der U-Boot-Krieg wurde von der Entente in den Häfen gewonnen. Großbritannien könne einen Ausfall von 20 % seiner Zufuhren verkraften, nicht aber das Doppelte, hatte Holtzendorff prophezeiht. Den hohen Versenkungsziffern zum Trotz betrug der Rückgang 1917 gerade einmal 20 %. Damit ist nicht gesagt, dass der U-Boot-Krieg England und die Entente nicht vor beträchtliche Schwierigkeiten stellte  : Der Erste Seelord Lord Jellicoe erging sich im April in Pessimismus. Wie in Deutschland das Heer die Marine, so nahm in England die Marine das Landheer in die Pflicht und bestand auf einer Operation zur Gewinnung der belgischen Nordseehäfen, ein Angriff, der im Schlamm Flanderns steckenblieb und zu den umstrittensten Episoden der britischen Kriegsgeschichte gehört. An der Westfront trat somit als unmittelbare Folge des U-Boot-Krieges das genaue Gegenteil dessen ein, was Ludendorff im Jänner Czernin hatte weismachen wollen, nämlich verschärfte britische Angriffe. Die Knappheit zwang die Entente außerdem, Prioritäten zu setzen  : Bevor England hungerte, sollte z. B. lieber Italien frieren (weil es keine Kohle mehr geliefert bekam). Engagements in Übersee (wie z. B. Saloniki) wurden nach Möglichkeit zurückgefahren. Erst ab dem Sommer entspannte sich die Lage. Ende Juli wurde sogar wiederum für eine Kampagne in Ostafrika grünes Licht gegeben, vor Weihnachten dann Jerusalem anvisiert. Der anvisierte Terminplan stellte vielleicht von Anfang an die Achillesferse des ganzen Planes dar. Czernin kommentierte mit beißender Ironie  : Er zweifle keineswegs am Erfolg des U-Boot-Krieges. Die Frage sei nur, »ob wir bis dahin noch am Leben wären.« Bis zum 1. August 1917 sollte England an den Rand des Verhungerns gebracht werden. Doch selbst wenn diese Rechnung aufging, begann nicht genau

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dann die neue Ernte  ? Konnte man nicht noch einige Tage »Kuchen« essen, oder Heringe, bis der Zyklus von Neuem begann  ? Czernin wies auf die Wiener hin, die sich inzwischen auch mit der Hälfte ihrer gewohnten Rationen begnügen mussten. Es entstand der Verdacht, die Berechnungen der Marine seien vielleicht deshalb erst so spät vorgelegt worden, um keiner eingehenden Überprüfung mehr standhalten zu müssen.442 Bis zum August 1917 hatten sich allerdings wiederum ganz andere Perspektiven aufgetan  : Die Aufmerksamkeit der Mittelmächte wandte sich neuerdings dem Osten zu. Der Februar 1917 hatte mit dem uneingeschränkten U-Boot-Krieg den einen Teil der »Weltwende« eingeleitet  ; die »Februar-Revolution« in Russland – auch wenn sie nach gregorianischem Kalender erst im März ausbrach – den zweiten. Friedensfühler  : Richtige Einsichten und grandiose Missverständnisse

Der U-Boot-Krieg und die Russische Revolution hatten auch das gemeinsam  : Man musste ihre Ergebnisse zunächst einmal abwarten. Vielleicht behielten die U-BootEnthusiasten ja doch Recht  ? Wenn man sich schon auf das Vabanquespiel eingelassen hatte, durfte man jetzt nicht die Nerven verlieren. Undurchschaubar waren vorerst einmal auch die Konjunkturen in Petersburg. Der Sturz des Zaren wurde vielfach auf ein britisches Komplott zurückgeführt, das alle Querschüsse des Hofes ein für allemal ausschalten wollte. Die erste Reaktion im deutschen Großen Hauptquartier lautete  : »Die Petersburger Revolution hilft uns nicht, im Gegenteil  : Jetzt sind die Hauptkriegshetzer am Ruder.« 443 Die neue russische Mitte-Links-Regierung in Petersburg setzte den Krieg fort. Ihr bürgerlich-liberaler Charakter wurde zumal in den USA mit Erleichterung quittiert. Hinter der proklamierten Solidarität mit der Entente verbargen sich von Anfang an auch Gegenströmungen, z. B. die Sozialisten, die jetzt in der Regierung vertreten waren und Schlagworte vom Selbstbestimmungsrecht der Völker propagierten, die als Verhandlungsgrundlage dienen konnten. Auch nach dieser Richtung hin musste man die Situation erst einmal ausreifen lassen. Im Auge des Sturms ist es stets am ruhigsten, heißt es. Am Wendepunkt des Krieges angelangt, so oder so, bemächtigte sich der deutschen Führung in der ersten Hälfte des Jahres 1917 eine durch und durch attentistische, abwartende Haltung. Diese Haltung stand im Gegensatz zur Stimmung in Wien, die von Aktivismus geprägt war. Kaiser Karl und Czernin hatten beide unabhängig voneinander Mitte 1916 ihrer Überzeugung Ausdruck verliehen, dass der Krieg nicht mehr länger dauern dürfe und könne. Ausgangspunkt war für Karl die Ersatzlage, wie sie in ähnlicher Weise für fast alle Kriegführenden galt (mit einer gewissen Phasenverschiebung selbst für die Engländer, die für 1918/19 ebenfalls mit einer spürbaren Verkleinerung ihrer Armee

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rechneten). Schon im Sommer 1916 rechnete Karl als Thronfolger und frischgebackener Heeresgruppenkommandant  : »Im März 1917 das letztes Marschbatallion […] Bis dahin muß Friede geschlossen werden.«444 Czernin schrieb sein Memorandum unter dem Eindruck der Brussilow-Offensive. Seinen Grundgedanken erläuterte er nach seiner Rückkehr am 24. Oktober auch dem Kreis um Fürstenberg. »Je länger der Krieg dauert, desto größer wird die Gefahr.« Deshalb Friede selbst um den Preis gewisser Opfer  ; auch wenn gewisse Ideen eines corriger la fortune damit vielleicht noch nicht ganz aufgegeben waren. Ein Frieden auf der Basis des Status quo ante  – zumindest unter den Großmächten  – erschien Czernin durchaus erstrebenswert. »Es muß England klar gemacht werden, daß es keinen Sieger und keine Besiegten gibt« (hier nahm Czernin die Formulierung Wilsons vorweg). Der Weg dazu führe über die Neutralen, die diesen Gedanken aufgreifen müssten. Als Initiator dachte Czernin dabei in erster Linie an König Alfons XIII. von Spanien, Erzherzog Friedrichs Neffen. »Alles hängt davon ab, daß diese Sache geschickt gemanaged wird.« Denn  : Sei eine solche »Konferenz einmal zusammengetreten, wird sie nicht mehr auseinandergehen. Die große Unterströmung für den Frieden in ganz Europa wird das verhindern.«445 Für dieses Projekt gelte es in den Delegationen Stimmung zu machen und den Druck auf Burian zu erhöhen, so Czernin im Herbst. Beim nächsten Erfolg wäre »der Moment gekommen, die Situation politisch zu eskomptieren«. Inzwischen war Bukarest gefallen, und Burian auch. Der neue Ministerpräsident Clam-Martinic war mit Czernins Plan schon im Herbst ganz einverstanden gewesen. Dahinter stand – bei ihm wie bei Karl – ein gewisses Desinteresse an der austro-polnischen Lösung, die damals gerade ad acta gelegt wurde  : »Die Züchtung des polnischen Gedankens hat die Situation so verfahren.« Man sah das Gebiet von Lublin bloß als Kompensationsobjekt an und wollte sich alle Lösungen der Frage offen halten. Die erste Sitzung des gemeinsamen Ministerrates unter Karl geriet um die Jahreswende unversehens zu einer Lobeshymne auf den Dreikaiserbund seligen Angedenkens. Nicht von ungefähr hieß es, unter Karl kämen die Ratgeber – und die Ideen Franz Ferdinands – wieder zu Ehren.446 Was den Balkan betrifft, vertraute Czernin ganz offensichtlich darauf, dass die bulgarischen Erfolge inzwischen neue Maßstäbe gesetzt hatten. Im Gegenzug könne man Serbien allenfalls sogar den Zugang zum Meer bewilligen. Karl stimmte prinzipiell zu, hätte in Belgrad freilich gerne einen »Regimewechsel« gesehen, die Ablöse der Karageorgevic durch eine »europäische« Dynastie, nach dem Muster von Bulgarien, Griechenland und Rumänien. In dem Punkt zumindest traf er sich mit den Vorstellungen, die einst Jagow vertreten hatte. Als Kernpunkt galt auf alle Fälle  : Schadlos halten könnten sich alle Beteiligten – an Rumänien, das man beliebig aufteilen könne, zwischen Österreich-Ungarn und Russland, eventuell auch unter Beteiligung von

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Bulgarien und Deutschland. Zu guter Letzt, so ließ Czernin seiner Fantasie freien Lauf, könne ja an der Donaumündung, die keiner dem anderen gönnen wollte, »ein kleiner Staat in der Größe von Monaco oder Liechtenstein bestehen bleiben.«447 Czernin bewies damit – in Form und Inhalt – zweifellos mehr Flexibilität als sein Vorgänger Burian. Seine Überlegungen trafen sich dafür mit den Warnungen Tiszas, der schon ein halbes Jahr vor Czernin, am Höhepunkt der österreichischen Erfolge, gewarnt hatte, man dürfe bei aller Tapferkeit nicht vergessen, dass die Gegner am längeren Ast säßen, man sie auch nicht zum Frieden zwingen könne, sondern zum Frieden überreden müsse.448 Hier zeichneten sich die Umrisse einer neuerlichen Achse zwischen »Cis« und »Trans« ab  : Selbst die Bedenken Tiszas gegen die Annexion von rumänischem Gebiet vermochte Czernin auszuräumen. Czernin hatte schon zwischen Franz Ferdinand und Tisza vergeblich zu vermitteln versucht  ; auch bei Karl und Tisza war er damit nicht viel erfolgreicher, wie sich herausstellte. Dabei lagen der ungarische Ministerpräsident und der Thronfolger, der alte wie der neue, in außenpolitischen Fragen keineswegs weit auseinander. Doch die Chemie stimmte zwischen ihnen nicht, selbst wenn Karl seinen Launen keinen so apodiktischen Ausdruck verlieh wie sein Onkel. Die Feinde zum Frieden überreden  – wie ließ sich das bewerkstelligen  ? Einen Frieden auf der Basis des Status quo ante hatte die Entente soeben erst zurückgewiesen. Es ergab sich da ein kurioser Gleichklang zwischen Ludendorff und den meisten Staatsmännern der Entente, die eine parti remis, ein Unentschieden, einen Frieden ohne Sieger und Besiegte mit einer Niederlage gleichsetzten. Dahinter stand keineswegs nur blinder Chauvinismus. Man konnte diese Vorbehalte auch in systemtheoretische Überlegungen kleiden  : Wer einen neuen Krieg verhindern wolle, müsse die unausgegorene Situation bereinigen, die vor 1914 in Europa geherrscht habe. Die Sache müsse ausgefochten und zur Entscheidung gebracht werden. Die sogenannte »halbhegemoniale Stellung« des Bismarck-Reiches müsse gekürzt werden, um das »halb« – oder um die Hegemonie. Deutschland und die Westmächte glaubten beide aus der jetzigen Situation das Maximum herausholen zu müssen, weil die Zeit denn doch gegen sie arbeite. Das erklärt die Verbissenheit, mit der starke Kräfte auf beide Seiten einen Verständigungsfrieden aus Überzeugung ablehnten, aufseiten der Westmächte wohl noch um einiges mehr als auf deutscher Seite.449 Denn die »Einkreisung«, die Deutschland beschwor, war eine Augenblicks-Konstellation. Wenn der Krieg mit einer Behauptung Deutschlands endete, das einer »Welt von Feinden« trotzte, würden diverse Partner der Entente es sich wohl überlegen, an dieser Orientierung festzuhalten. Russland war ein offensichtlicher Kandidat für einen solchen Seitenwechsel. Das Zuckerbrot der amerikanischen Vermittlung vom Frühjahr 1916, die man in London schließlich doch verworfen hatte, hatte nicht zuletzt in der Aussicht bestanden, die USA zu einem

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Engagement in Europa, zu einer Garantie der Friedensordnung überreden zu können, als permanentes Gegengewicht zu einem unbesiegten Deutschland.450 Um die Chancen, die Feinde zum Frieden überreden zu können, war es daher schlecht bestellt  : Aus den angeführten prinzipiellen Bedenken, wie aus der besonderen Situation des Frühjahrs 1917 heraus  : Die eine Seite erwartete sich die entscheidenden Hilfe von den U-Booten, die andere von den Amerikanern. Hic et nunc wollte sich da – aus nachvollziehbaren Gründen – niemand aus der Deckung wagen. Mit seiner Schlussfolgerung, den U-Boot-Krieg nolens volens zu akzeptieren, aber bloß als Teil einer Taktik von Zuckerbrot und Peitsche, begleitet von einer CharmeOffensive auf leisen Pfoten, stand Czernin im Februar 1917 ziemlich allein da. Eine Initiative der anderen (und gewissermaßen doch wieder der eigenen Seite) musste ihm da allerdings sehr gelegen kommen, auch wenn sie in grandiosen Missverständnissen und schließlich in einer Affäre endete, die Czernins Ruf (und den Karls) bis heute weit über Gebühr bestimmt  : die Reisen der Brüder Sixtus und Xavier von BourbonParma, der Brüder der Kaiserin Zita. Dass Karls Schwäger auf der gegnerischen Seite standen, war für die nationale Öffentlichkeit ein Stein des Anstoßes (bis hin zur Habsburg-Krise ein halbes Jahrhundert später), für die aristokratischen Eliten der Jahrhundertwende nicht unbedingt ein Anlass zur Verwunderung. Dasselbe galt schließlich auch für die Verwandten der Zarin  ; die Mutter des bulgarischen Zaren war eine Französin usw. Irgendwie war in den Herrscherhäusern jeder mit jedem verwandt, deswegen aber noch lange nicht unbedingt befreundet  ; aber es ergaben sich Anknüpfungspunkte. Bourbon-Parma, das klang nach Italien  : Doch gerade mit dem Regno d’Italia, das sie aus ihrem Fürstentum vertrieben hatte, standen die Parmas eher auf Kriegsfuß. Als Bourbonen fühlten sie sich im Zweifelsfall als Franzosen, doch dort verweigerte ihnen die Republik den Eintritt ins Heer. Die beiden Prinzen landeten deshalb in der belgischen Armee. Diese Atmosphäre war für ihre Mission vielleicht wichtiger, als man annimmt, denn der belgische König war nun tatsächlich an einem Status-quo-ante-Frieden interessiert, der ihm sein Land zurückgab, ohne sich allzu viel Gedanken über die europäische Großwetterlage zu machen. Zu Weihnachten 1916 dürften die Prinzen auf Anregung ihrer Mutter, der Herzogin von Parma, ihre Mission am belgischen Hof erstmals besprochen haben. Die weiteren Schritte sind bekannt  : Sie nahmen Kontakt auf mit dem französischen Präsidenten Poincaré. Czernin, der Verhandlungen um jeden Preis in Gang setzen wollte, stilisierte die Kontaktaufnahme schon vor der ersten Treffen mit den Prinzen zu etwas hoch, was sie nie war, nämlich zu einer »seitens Frankreich dargebotenen Hand«.451 Die Prinzen hielten sich an ihre Instruktionen und übergaben einen Forderungskatalog, der sich wenig von den Bedingungen unterschied, welche die Entente im Jänner

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Wilson unter die Nase gehalten hatte.Unter diesen Forderungen befand sich selbstverständlich auch Elsass-Lothringen. Karl und Czernin griffen diese Forderung auf, fast möchte man sagen  : verbissen sich in sie und machten sie zum Kardinalpunkt ihrer Politik der nächsten Monate. (Für Czernin war der Gedanke nicht einmal neu  : Er hatte eine Abtretung des Elsass sogar schon in der Krise des Herbst 1914 erwogen  !452) Ob man die ›revindications‹ der Franzosen jetzt als gerecht beurteilte oder nicht, ob Czernin von den genauen Formulierungen wusste, die Karl in diesem Zusammenhang in einem Schreiben an Sixtus zu Papier brachte, eines steht unumstößlich fest. Karl und Czernin setzten alles daran, die deutsche Seite in dieser Frage zu Konzessionen zu bewegen. Die Situation wies durchaus ihre Parallelen auf zur Konstellation des Frühjahrs 1915. Damals hatte Deutschland die Österreicher zu Abtretungen an Italien beschworen, zuletzt sogar eigenes Gebiet als Kompensation angeboten. Dieselbe Strategie verfolgten jetzt die Österreicher. Im ersten Anlauf hatte Czernin für seinen Vorschlag vielleicht etwas unglücklich argumentiert  : Er schlug die Abtretung Elsass-Lothringens oder zumindest eines Teiles davon vor, während er für Österreich-Ungarn auf eine Bestandsgarantie pochte. Die Kombination musste nun allerdings die ungläubige Reaktion provozieren  : »Graf Czernin hat soeben erklärt, er könnte auch nicht einen Quadratmeter österreichischen Bodens an Italien abtreten, wir aber sollen den Franzosen ein Stück der Reichslande geben.«453 Karl erkannte den Fehler sofort und bot Wilhelm II. am Wochenende darauf als Kompensation ganz Galizien an, das er als Einstandsgeschenk an das deutsch dominierte Polen weiterverwerten könne (im Herbst war dann sogar von Österreichisch-Schlesien die Rede). Österreich-Ungarn zeigte sich erstmals an Polen tatsächlich desinteressiert. Czernin formulierte  : »Nur dadurch, daß wir auf den Balkan gehen und Deutschland Polen verkaufen, kann der Gedanke an eine partielle Abtretung von Elsaß-Lothringen Gestalt annehmen.«454 Der Gedanke war bestechend. Wenn Deutschland gegen die Abtretung des Elsass den Krieg beenden und dafür Polen als Satellitenstaat einheimsen konnte, so war das strategisch ein höchst vorteilhafter Handel. Genauso wie es natürlich auch einen höchst vorteilhaften Handel dargestellt hätte, 1915 die Neutralität Italiens mit dem Trentino und ein paar Kilometern Karst zu erkaufen. In beiden Fällen erlauben die Diskussionen um das Für und Wider interessante Einblicke in die inneren Verhältnisse, Vorurteile und Vorlieben der beteiligten Staatsmänner. Die Österreicher nahmen den Deutschen 1915 ihr Drängen übel und stiegen auf das Angebot erst im letzten Monent ein. Bethmann war 1917 allenfalls zu Gebietstäuschen bereit, sprich  : propagandistisch wertvolle Forste in den Vogesen gegen die Erzgruben von Briey. Das galizische Angebot lehnte Kaiser Wilhelm dankend ab. Zustande kam am 17./18. Mai 1917 auf einer Konferenz im neuen deutschen Hauptquartier in Bad Kreuznach bloß eine »Kriegszielkonkordanz«, die Deutschland in Polen den vorherrschenden

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Einfluss einräumte, Österreich-Ungarn dafür in Rumänien.455 Als wesentlich erwies sich freilich in beiden Fällen, dass man die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatte. Die Italiener betrachten die österreichischen Offerte 1915 zu Recht mit Misstrauen  ; von französischer Seite lag 1917 überhaupt kein entsprechendes Angebot vor, das Deutschland mit einer freien Hand im Osten lockte. Da Missverständnis steigerte sich zur Groteske, sobald beide Seiten aus den Gesprächen mit den Prinzen in Laxenburg  – und aus einer weiteren Sondierung, die Graf Revertera am 20. Juni avisierte – den Schluss zogen, einem Sonderfrieden auf der Spur zu sein.456 Karl und Czernin kleideten ihren Appell an die deutsche Seite in die Formel  : »Haben wir Frankreich gewonnen, so sind wir Sieger, und Deutschland kann sich anderweitig ausgiebig entschädigen.« 457 Doch von einer Bereitschaft zum Abschluss ohne die Verbündeten war nie die Rede gewesen. Die Prinzen wiederum interpretierten das Verständnis Karls als Bereitschaft zu einem Bruch mit Deutschland. Auch hier war ganz offensichtlich der Wunsch der Vater des Gedankens. Ein Bruch mit Deutschland war nicht ausgeschlossen  : Aber unter welchen Bedingungen  ? Czernin hat in der ihm eigenen burschikosen Offenheit die Hypothese seinen deutschen Kollegen erläutert, die sie im Telegrammstil festhielten  : »Annahme  : Entente stellt Friedensangebot auf dem status quo ante  : Ihr sagt Weiterkämpfen. Wir sagen Schluß. Dann Bündnisfall hinfällig.«458 Wohlgemerkt  : Status quo ante – von Elsass-Lothringen war da noch nicht einmal die Rede. Es kann nicht oft genug betont werden  : Ein solches Angebot traf nie ein  ; es war nach Lage der Dinge auch weder von Frankreich noch von England zu erwarten. Wenn Czernin in seinen Memoiren schrieb, »die ersten Gespräche erweckten den Eindruck, daß die Westmächte bereit seien, uns als Brücke zu Deutschland und zu einem allgemeinen Frieden zu benützen«, so gab er – bei allen nachträglichen Rechtfertigungsversuchen  – seinen ersten Eindruck vermutlich richtig wieder. Czernin wähnte sich auf einer erfolgversprechenden Fährte  : Sonst hätte er nicht bereits Ende Mai Hohenlohe als Leiter der Friedensdelegation in Aussicht genommen und zwar in naher Zukunft, weil er ihm ans Herz legte, schon einmal vorsorglich Urlaub zu nehmen, damit seine Abwesenheit von Berlin nicht auffiele.459 Noch im August schrieb er einem unbeteiligten Beamten, der Informationen über die Zukunft Montenegros einholen wollte, beiläufig, es gebe Anzeichen dafür, »daß die Friedensprogramme der einzelnen kriegführenden Staaten sich mehr und mehr annähern.«460 Gewisse Indizien für eine französische Verhandlungsbereitschaft, die solche Hoffnungen zu nähren imstande waren, schienen allerdings gegeben  : Im April 1917 hatte Premier Ribot gegen den Rat des Kriegsministers Painleve, der auf amerikanische Verstärkungen warten wollte, die sogenannte Nivelle-Offensive anbefohlen  ; das Ergebnis war nicht bloß ein Fehlschlag, übrigens nicht einmal ein besonders dramatischer, sondern eine Welle von Meutereien, wie sie in diesem Krieg beispiellos waren.

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(Österreicher und Italiener schlugen sich im Zweifelsfall in die Büsche oder ließen sich gefangen nehmen, aber sie meuterten nur ganz selten – und wenn, dann nur in der Etappe, nicht an der Front  !) Im September 1917 übernahm Painleve als Ministerpräsident für kurze Zeit selbst das Kommando  ; Painleves »geheime Manöver« waren angesichrs seiner »sprichwörtlichen Entschlußlosigkeit« schwer zu durchschauen  ; dahinter witterte man die Figur Caillaux’, der als Gegner eines Kriegs a l’outrance galt und dem man zutraute, aus dem Hintergrund innerhalb der regierenden Radikalen Partei auch weiterhin die Fäden zu ziehen. Dennoch sorgte allein das Problem ElsassLothringen dafür, dass eine Bewegung, die sich auf das Schlagwort vom »Frieden ohne Annexionen und Kontributionen« berief, in Frankreich nie so recht Fuß fassen konnte.461 Die Missverständnisse betreffend einen Sonderfrieden hatten für die Österreicher – noch lange vor der Sixtus-Affäre des April 1918 – ein unangenehmes Nachspiel. Die Prinzen waren mit ihren Anregungen auf Resonanz gestoßen, nicht bloß bei Poincaré, sondern auch beim neuen englischen Premier David Lloyd George. Der Wermutstropfen in ihrem Bericht war allerdings die Weigerung der Österreicher, irgendwelche Abtretungen an Italien ins Auge zu fassen (es sei denn, ganz wie Bethmann beim Elsass, im Zuge eines Gebietstausches, der Österreich zu allem Unglück vielleicht auch noch mit der Schirmherrschaft über Somalia belastet hätte).462 Lloyd George war Feuer und Flamme für das Sonderfriedensprojekt. Doch während Karl sich erwartete, dass seine Gesprächspartner ihren mäßigenden Einfluss auf Italien geltend machen würden, so wie er es bei Deutschland versuchte, sah Lloyd George den gegebenen Ausweg darin, Italien rechtzeitig zum Besitz von Triest zu verhelfen, indem die Westmächte den Schwerpunkt ihrer Anstrengungen dieses Jahr an den Isonzo verlegten. Die Österreicher konnten von Glück sagen, dass seine Militärs die Pläne Lloyd Georges konterkarierten. Die schwere Artillerie der Entente blieb in Flandern, nur ganz wenige Batterien verlegten an den Isonzo. Dennoch kamen die Italiener einem Durchbruch nie so nahe wie im Sommer 1917.463 Das neue Regime in »Cis«  : Oktroi oder Parlament  ?

Czernin versuchte 1917 nicht bloß Bewegung in die festgefahrenen Fronten der europäischen Politik zu bringen, er galt auch als der eigentliche starke Mann der österreichischen Innenpolitik. Seit Jahrzehnten hatte kein Außenminister der Monarchie eine solche Stellung eingenommen oder auch nur angestrebt. Die Innenpolitik drehte sich Anfang 1917 um die Frage  : Sollte der Kaiser die berühmt-berüchtigten »Voraussetzungen« für die Wiedereinberufung des Parlaments per Oktroi in Kraft setzen oder nicht  ? Oder wie sein Premier Clam mit gespielter Verwunderung vermerkte  :

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Alle seine Gesprächspartner hielten die bestehende Verfassung für schlecht und reformbedürftig  ; doch gleichzeitig forderten sie alle ein Gelöbnis des Kaisers auf diese Verfassung ein.464 Das Interesse am Oktroi hat sich in erster Linie dem Leib- und Magenthema der altösterreichischen Politik zugewandt, nämlich dem deutsch-tschechischen Verhältnis. Der eigentliche Angelpunkt jedoch, der langfristig die Weichen stellte – und deshalb auch bei den Tschechen weit mehr Befürchtungen hervorrief als die deutsche Staatssprache oder die Kreistage – war die Sonderstellung Galiziens. »Der Kaiser will davon nichts hören«, notierte ein Beobachter Mitte März 1917.465 Kein Wunder, waren das doch gerade die Tage, als er sich dazu durchrang, das Kronland Kaiser Wilhelm anzubieten. Dem Verlangen der Deutschen nach einem Ausscheiden der galizischen Abgeordneten aus dem Reichsrat wäre auf diese Weise natürlich ebenfalls Rechnung getragen worden. Es lässt sich aber auch leicht ermessen, mit welcher Ernsthaftigkeit man in den Wochen zuvor über die Ausgestaltung der Rechte eines Kronlands diskutierte, das man demnächst im Zuge einer großangelegten europäischen Flurbereinigung an den Mann bringen wollte  ; oder auch, wie feinfühlig man danach auf die Wünsche der ungeliebten Kinder reagierte, die man nicht los geworden war. Die Sonderstellung Galiziens stand damit von Anfang an unter einem unglücklichen Stern. Czernin galt im April dann als der Hauptschuldige, weil er wegen der Russischen Revolution und ihrer Wirkung auf die Sozialdemokraten das Oktroi im letzten Moment doch noch verhindert habe. »Am frappierendsten ist doch, daß die Ansichten und Gefühle der russischen Sozialisten so wertvoll gehalten werden, um hier diesen plötzlichen Umschwung zu begründen.«466 In der Tat  : Gerade dieser »frappierende« Befund legt den Umkehrschluss nahe, dass dieser Umschwung kein gar so plötzlicher war, sondern dass Czernin bloß nach einem passenden Vorwand suchte. Gegenüber Tisza verwahrte sich Czernin auch prompt, aus »Liebe zu den Sozi« dem Oktroi »den Todesstoß gegeben« zu haben.467 Tatsächlich hatte Czernin seit jeher wenig Begeisterung aufgebracht für das Junktim, das die Erfüllung deutscher und polnischer Wünsche auch weiterhin miteinander verband. Eine Kontroverse zwischen Hohenlohe in Berlin (der kein unabhängiges Polen wollte) und Andrians Nachfolger Ugron in Warschau (der möglichst rasch einen polnischen Staat einrichten wollte) entschied er salomonisch dahingehend, man müsse sich einfach alle Optionen offenhalten.468 Die preußische Klage über »die Neigung der deutschen Verwaltungen durch Bedenken juristischer Natur die große Politik zu stören«469, galt auch für die Österreicher. Die Details der galizischen Regelung wurde der Wiener Bürokratie überlassen, mit ihrer zentralistischen Tradition. Baron Handel, der unter Clam jetzt auch de iure das Innenministerium übernahm, hatte einen sehr weitgehenden Entwurf für die Kreiseinteilung Böhmens vorgelegt. Er scherzte einmal, er wisse, dass die Tschechen in ihm einen neuen Alba sehen.470 In der galizischen Frage trat er sehr viel weniger

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entschieden auf. Ein Kollege Clams notierte schon im Jänner 1917  : »Jedenfalls ist die Sonderstellung Galiziens, wie das ›Kipfelbacken‹, auf ›nach dem Krieg‹ verschoben.« Handel bastele nur noch an einer Übergangslösung, einer Quadratur des Kreises, die »den Deutschen die Majorität verschaffen und dabei den Galizianern Anteil an der Legislative« verschaffen solle.471 Handel selbst schrieb  : Man müsse »den Eindruck vermeiden, als ob die Regierung ihre Zusage nicht ernsthaft weiter verfolgen würde, dabei aber keine Entscheidung treffen, die unwiderruflich präjudizieren würde …«472 Die Wiener Bürokratie wollte sich die Kontrolle über Galizien nicht aus der Hand nehmen lassen. Sobald man derlei Vorbehalte aussprach, stand als Retourkutsche freilich im Raum, dass auch die Polen auf die Kontrolle über die Wiener Bürokratie nicht verzichten, sprich  : dem Wiener Reichsrat doch nicht auf immer und ewig den Rücken kehren wollten. Die Probleme betrafen nicht zuletzt den Nervus Rerum  : In welcher Form sollte Galizien seinen Beitrag zu den gemeinsamen Angelegenheiten leisten  ? Etwa in Form von Quoten, die nach dem Beispiel Ungarns immer wieder neuverhandelt werden mussten  ? Oder als fixe, ein für allemal festgelegte Summe. Oder würde das Land von Wien bloß Überweisungen erhalten, wie es Finanzminister Spitzmüller vorsah, der nachrechnete, dass Galizien ohnehin defizitär sei. Schließlich war Galizien – zum Unterschied von Böhmen – ein armes Land. Von den Wiener Ressorts waren Justiz und Unterricht zu Konzessionen bereit, Inneres, Finanzen und Eisenbahnen nicht. Aussprachen zwischen Biliński, dem ehemaligen Finanzminister, und Spitzmüller, seinem ehemaligen Sektionschef, die damals schon in Unfrieden geschieden waren, führten zu keinem Ergebnis. Die Sonderstellung Galiziens lief Gefahr, sich allein auf die Maßnahmen zu beschränken, die um 1870 schon einmal diskutiert worden waren  ; diese Kompetenzen blieben weit unter dem Niveau der Länderrechte im Deutschen Reich, wie sie Biliński als Minimum einforderte.473 Das Projekt der Sonderstellung Galiziens wurde auch von der deutschen Politik in Österreich nicht mit besonderem Nachdruck verfolgt, sondern mit einer kuriosen Haltung des  : »Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass.« Nationalverband und Christlichsoziale hatten schon im November 1916 einen gemeinsamen Ausschuss von je neun Vertretern ins Leben gerufen. Auf einer Sitzung im Wiener Rathaus am 30. Jänner 1917 gaben die Christlichsozialen in einem Punkt nach  : Es sollte in Zukunft deutsche Staatssprache heißen, nicht bloß »Verkehrssprache«. Dafür wurde der Paragraf über die Sonderstellung Galiziens mit diversen Einschränkungen umgeben und »die gemeinsamen Staatsinteressen betont, was allgemeine Zustimmung fand«. Dieser Passus fand seinen Niederschlag in der Formel, die sich im Beschluss des Nationalverbandes vom 23. Februar genauso findet wie in den Entwürfen Handels  : »Insofern die Gesetzgebung und Verwaltung des Landes Galizien den Bedürfnissen des Reiches und der Verpflichtungen des Landes gegenüber dem Reich nicht entspricht, kann das Reich die betreffenden Angelegenheiten an sich ziehen.« Auf parlamentarischer

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Ebene entsprach diesem Vorbehalt der Passus  : Die künftigen Delegationen Galiziens und »West-Österreichs« sollten nicht auf Gedeih und Verderb aneinandergekettet sein, sondern nur auf »Gedeih«. Im Klartext  : Bei gegensätzlichen Beschlüssen müsste es eine Möglichkeit geben, die Polen zu überstimmen oder zumindest auch ohne sie Beschlüsse zu fassen.474 Mit einer solchen Minimalvariante auf Bewährung war bei den Polen nicht zu punkten  : Schon nach der Sitzung im Rathaus wurden selbst unter den Konservativen gewichtige Stimmen laut, die Sache aufzugeben. Bobrzynski warnte  : »Das bloße Versprechen der Autonomie nach dem Kriege nützt nichts«  ; es war charmant verklausuliert, wenn er Baernreither am 16. Februar schrieb  : »Es will mir nicht gelingen, meine Befürchtungen zu unterdrücken, ob die von den deutschen Parteien revidierten und ohne Fühlungnahme mit dem Polenklub veröffentlichten Beschlüsse hinsichtlich der Erweiterung der Autonomie Galiziens nicht darnach angetan sind, dieser Frage ihre Aktualität zu benehmen.« Biliński klagte eine Woche später  : »In letzter Zeit fangen die deutschen Parteien heftig an, die Finanzautonomie Galiziens zu bekämpfen.«475 Hier war Baernreither gefordert. Er hatte die Verbindung mit den Polen, zwischen Pacher und Biliński, vor zwei Jahren hergestellt. Jetzt war Baernreither endlich (wieder) Minister, Minister ohne Portefeuille, mit dem Auftrag, die Verfassungsänderungen unter Dach und Fach zu bringen. Baernreithers Talent zur Intrige, verbunden mit Sachkenntnis und Fleiß, war allgemein anerkannt. Doch als Minister war der Meister selbst zur Zielscheibe geworden, hatte an Manövrierfähigkeit eingebüßt. Man gewinnt den Eindruck  : Der Kenner verbiss sich in die Details der böhmischen Sprachenverordnungen und ließ die Zügeln schleifen, was seine eigentliche Aufgabe im Kabinett betraf  : den Kontakt mit den Polen aufrecht zu erhalten, den er vor zwei Jahren geknüpft hatte  – und dieser Linie innerhalb des Nationalverbandes und der Regierung zum Durchbruch zu verhelfen. Für das Oktroi als solches traten in erster Linie die Deutschböhmen ein  – doch gerade in Böhmen bestand eine gewisse Unterströmung, in Galizien lieber mit den Ukrainern zu kokettieren, die mit ihrer Forderung nach nationaler Autonomie auf einer Linie mit den Deutschböhmen lagen. Prompt fand sich in den Entwürfen Handels ein Passus über Kreisverwaltung auch in Galizien, der Ende Februar dann abgeschwächt wurde auf die Schaffung von »Organisationen auf nationaler Grundlage« für die Ukrainer – und die paar Tausend Deutschen in Galizien, die nach der Abtretung Bialas noch verbleiben sollten. Neben Baernreither wäre es Aufgabe Pachers gewesen, an das Junktim zwischen deutschen und polnischen Forderungen zu erinnern. Leider sind von ihm für diesen Zeitraum keine Aussagen überliefert, doch auch dieses Schweigen war beredt. Er war bei der Sitzung im Rathaus dabei, die das Bekenntnis zur Sonderstellung Galiziens verwässerte, aber er meldete keine Bedenken an.

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Dennoch tut man den Deutschradikalen vermutlich unrecht, wenn man sie für das Scheitern der Sonderstellung verantwortlich macht. Oder, besser gesagt  : Dabei handelte es sich im Wesentlichen um eine Unterlassungsünde. Die Gegner der Autonomie Galiziens fanden sich vor allem unter den »Gemäßigten«, die zwischen Steinwenders Arbeitsgemeinschaft und den Deutschradikalen lavierten. Es waren Wiener Beamte wie der Abgeordnete Leopold Waber (der spätere Vizekanzler der Ersten Republik) oder der schlesische Handelskammersekretär Robert Freißler, die immer wieder Einschränkungen durchsetzen und dabei Hand in Hand mit der Zentralbürokratie gingen. Auch Handelsminister Urban zählte zu den Bedenkenträgern, wie diverse seiner Denkschriften erkennen lassen, Redlich erst recht. Um es auf den Punkt zu bringen  : Die Deutschradikalen waren in diesem zentralen Punkt nicht radikal genug, oder selbst nicht überzeugt genug, um ihre Partner im Nationalverband zu überzeugen – oder in gewohnter Weise zu terrorisieren.476 Die Bedeutung der Sonderstellung Galiziens lag in dem Entweder-oder, das ihr zugrunde lag  : Entweder Galizien schied aus »Cisleithanien« aus oder nicht  ? Da gab es kaum Raum für Zwischenlösungen. Das Staatsgebiet und die Zusammensetzung des Parlaments zu verändern, ließ sich nur über einen allerhöchsten Machtspruch bewerkstelligen. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit dafür würde sich im Abgeordnetenhaus nicht finden, denn Polen und Deutsche stellten bloß 60 % des Hauses. Alles andere hingegen, was sonst noch unter den Titel »Reparatur der Verfassung« fiel, waren vergleichsweise nachrangige Materien, die man auch vereinzelt oder ad hoc angehen konnte. Kreisbehörden als Expositur der Prager Statthalterei – mit ähnlichen Lösungen war ohne jede Verfassungsnovelle schon vor Jahrzehnten in Tirol experimentiert worden. Deutsche Staatssprache  – was genau hatte man darunter zu verstehen und wer wachte über die Einhaltung, ganz abgesehen davon, dass die Regierung stets die Meinung vertreten hatte, derlei Regelungen gingen das Parlament nichts an. Die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses schließlich war 1909 probeweise reformiert und seither jährlich verlängert worden.477 Vielleicht konnte man sich auch weiterhin mit diesen Provisorien behelfen. Sprich  : Wenn der große Brocken Galizien wegfiel, wenn man das Paket sowieso aufschnüren wollte, warum sollte man dann der Details halber  – Details nicht aus der Perspektive Reichenbergs, aber aus der Perspektive Wiens  – das Odium eines Staatsstreiches von oben auf sich nehmen, bloß um Stürgkhs geplatzten Wechseln zu Kursgewinnen zu verhelfen  ? Die Regierung wollte mit dem Oktroi ja keineswegs eine Phase des Neo-Absolutismus einläuten, sondern die vielzitierten »Voraussetzungen« schaffen für die Wiedereinberufung des Parlaments. Vielleicht hätten die Tschechen 1915 alles noch geschluckt  ; vielleicht auch noch, wenn man das Oktroi unmittelbar nach dem Thronwechsel exekutiert hätte. Kaiser Karl war nicht gegen den Inhalt des Oktroi  ; er seufzte, es wäre ihm lieber gewesen, Franz Joseph hätte ihm manches aus

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dem Wege geräumt. Aber inzwischen war das Projekt zerredet worden, das Selbstbewusstsein der Tschechen gestiegen. Gegen die Obstruktion im Parlament konnte man sich absichern, wenn man in einem Aufwaschen auch gleich eine neue Geschäftsordnung oktroyierte  ; aber nicht gegen den Boykott des Reichsrates durch Tschechen und Südslawen, von dem in einem solchen Fall die Rede war.478 Dann stand man vor der Weltöffentlichkeit mit einem deutschen Rumpfparlament da. Eine bessere Bestätigung konnten die Unterstellungen der Entente gar nicht finden  ! Lohnte es sich, dieses Risiko einzugehen wegen der Kreisverordnungen, die von Baernreither ohnedies gerade entschärft wurden  ? Innenminister Handel war in der Monarchie als Beamter viel herumgekommen, doch nicht in Böhmen. Sein Entwurf auf dem Reißbrett »depossediert den Landtag fast ganz«, wie es hieß.479 Baernreither hingegen knüpfte an das Muster der Ausgleichsverhandlungen vor dem Kriege an. Er war durchaus bereit, den Tschechen inhaltlich entgegen zu kommen und beklagte, dass »Clam der innige Kontakt zu den Tschechen fehlt, auf den wir gerechnet haben«. Nach seinen Vorstellungen war jetzt wieder Vorsorge getroffen für gemischtsprachige Zonen  ; die Landesbehörden hatten einen Teil ihrer Kompetenzen zurückgewonnen.480 Doch er übersah, dass es in dieser Phase nicht mehr in erster Linie um Inhalte ging. Den Tschechen fiel es immer schwerer, die Fassade der Einigkeit aufrecht zu erhalten. Sie konnten ein Oktroi, wie es ihre Gegner seit Jahr und Tag forderten, selbst dann nicht hinnehmen, wenn es de facto harmlos sein mochte. Der Ministerpräsident war in dieser Frage ein Zerrissener. Graf Heinrich ClamMartinic war ein ehemaliger Obmann der böhmischen Konservativen, der sich seiner Partei bis zu einem gewissen Grad entfremdet hatte. Aber er war deshalb doch kein Konvertit. Der konservative Großgrundbesitz sah sich als supranational, als Partei über den Nationen, als prädestinierter Vermittler. Diese Rolle schloss ein »Oktroi«, einen Staatsstreich von oben keineswegs aus  : Die Erwartung, dass der böhmische Ausgleich, wie er 1911/12 nahezu fertig verhandelt worden war, durch ein kaiserliches Machtwort in Kraft gesetzt werden müsse, weil sich niemand fände, der dafür auch in der Öffentlichkeit die Verantwortung übernehmen wolle, war auf beiden Seiten schon vor dem Krieg vielfach geäußert worden. Das »Annapatent«, das im Juli 1913 die autonome Landesverwaltung durch eine Verwaltungskommission ersetzt hatte, war ein erster Schritt in diese Richtung, einer, der zwar formal tschechische Prinzipien verletzte, in der Sache jedoch die Taktik der Deutschen durchkreuzte, weil er ihre Obstruktion im Landtag gegenstandslos machte und das Königreich Böhmen vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrte.481 Clam wollte auf diese Tradition zurückgreifen. Er peilte ein Oktroi an, aber eines, das  – wie 1913  – zumindest teilweise hinter den Kulissen auch mit jenen Politikern auf beiden Seiten abgesprochen worden war, die später in der Öffentlichkeit augenzwinkernd dagegen opponierten. Der tschechische Sozialdemokrat Vlastimil Tusar streute Salz in die Wunden der Deutschen, wenn er

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sie noch während des Krieges verhöhnte, Clam habe sie mit den Vorspiegelungen falscher Hoffnungen auf ein Oktroi doch nur gefoppt.482 Czernin verband mit der tschechischen Politik viel weniger als den Premier  ; er war entgegen der Familientradition Abgeordneter der deutsch-zentralistischen Verfassungstreuen gewesen. Doch gerade Czernin lieferte Clam im Jänner 1917 das Stichwort für eine Anknüpfung mit den Tschechen. Die Entente hatte bekanntlich auf Wilsons Anfrage mit dem Hinweis auf die unterdrückten Nationalitäten der Habsburgermonarchie geantwortet. Das Außenministerium wünschte sich als Replik daraufhin eine entrüstete Zurechtweisung seitens der berufenen Vertreter dieser Nationalitäten, allen voran der Tschechen. Der Česky Svaz, der Reichsratsklub, war nicht einmal abgeneigt, diesen Wünschen entgegenzukommen. Sein Vorsitzender, der Agrarier Staněk, wurde dabei von Hruban begleitet, dem Führer der Katholiken, die ohnehin am schwarz-gelben Flügel der tschechischen Politik angesiedelt waren. Staněk wollte die Gelegenheit selbstverständlich freilich auch dazu benützen, ein wenig Propaganda für tschechische Anliegen und Gravamina zu machen. Der Text, den er vorlegte, war strenggenommen bloß eine Erklärung des Bedauerns darüber, dass die unrechtmäßige Schließung des böhmisches Landtages es den Tschechen leider unmöglich mache, gegen die Unterstellungen der Entente von geeigneter Stelle aus Protest zu erheben. Czernin versuchte der Formulierung die Giftzähne zu ziehen und konnte dabei nach stundenlangem Zureden am 31. Jänner sogar einen Erfolg verbuchen.483 Der Tschechische Abgeordnetenverband verabschiedete seine Loyalitätserklärung ohne störende Nebensätze. Diese lammfromme Verhalten wurde ihm in Teilen der Öffentlichkeit durchaus übel genommen  : In den Parteien behielten die Pragmatiker weiterhin die Oberhand  ; doch in der »civil society« begann es zu rumoren. Das Resultat war – unter tatkräftiger Mithilfe von Masaryks Vertrauensmann Šamal – ein »Manifest der Schriftsteller«, unter Federführung des Dramaturgen Jaroslav Kvapil und des Romancier Alois Jirásek, als Verfasser auflagenträchtiger historischer Romane ein böhmischer Sir Walter Scott. Das Manifest richtete sich gegen die faulen Kompromisse der Politikerkaste und war auf seine Weise ein Pendant zur »Osterbegehrschrift« der deutschen Professoren und Vereinsmeier, denen im Vorjahr die Richtlinien des Nationalverbandes zu windelweich erschienen waren. Verärgert fragten »Aktivisten« wie Tobolka die Verfechter eines solchen Konfrontationskurses, ob sie das tschechische Volk denn unbedingt nach Golgatha führen wollten.484 Ein Resultat war freilich auch  : Seit der Verlautbarung vom 31. Jänner, die als sein brillanter Einstandscoup gehandelt wurde, stand Czernin gewissermaßen in der Schuld der Tschechen. Staněk zumindest behauptete vor der Vollversammlung seiner Abgeordneten, der Außenminister habe nicht bloß erklärt, der Kaiser habe die Tschechen gern, sondern sehr wohl auch Versprechungen gemacht, was den Kurs der Innenpolitik betrifft. Clam griff den Faden auch umgehend auf. Am 3. Februar be-

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fragte er den Freiherrn Oskar Parish v. Senftenberg, »welche Konzessionen können den Deutschen in Böhmen per Oktroi gemacht werden, ohne die Tschechen endgültig und unheilbar in die Opposition zu treiben  ?«485 Parish, ein Nachfahre schottischer Bankiers, die sich um die Zeit des Wiener Kongresses in Böhmen angesiedelt hatten, war insofern ein geeigneter Ansprechpartner, weil er sich bemühte, innerhalb der böhmischen Konservativen eine mittlere Linie zu halten, zwischen Schwarzenberg und Schwarzenberg sozusagen, nämlich Prinz Friedrich (»Fido«) aus der Worliker Linie mit seinen tschechischen Kontakten auf der einen Seite, Fürst Johann aus der älteren, Krumauer Linie auf der anderen, streng übernationalen Seite. Parish schloss die Sonderstellung Galiziens von vornherein kategorisch aus  ; er riet auch vom Vetorecht nationaler Kurien im Landtag ab, wie es 1890 in Aussicht gestellt worden war  ; sah aber sehr wohl gewisse Chancen für Kreisbehörden, selbst wenn ihm die Handel’schen Entwürfe in dieser Beziehung viel zu weit gingen. Damit lag er in der Hierarchie der Abneigung richtig, war aber vielleicht immer noch zu optimistisch. Denn die Loyalitätserklärung der Tschechen war ein Geschäft auf Wechselseitigkeit. Wen man zu einer solchen Geste aufforderte, konnte man am nächsten Tag nicht als unsichere Kantonisten links liegen lassen. Die Boykottdrohung bekam unter diesen Umständen zusätzliches Gewicht. Vom Kaiser selbst dürfte ein letzter Versuch ausgegangen sein, vor den Deutschen das Gesicht zu wahren. Er ließ den Melniker Fürsten Friedrich Lobkowicz sondieren, ob die Tschechen sich mit der deutschen Verhandlungssprache abfinden würden im Austausch gegen eine feierliche Krönung in Prag (wie sie Franz Joseph nie vollzogen hatte  !). Auch diese Minimalvariante fand keine Abnehmer.486 Die Überzeugung, dass mit einem Oktroi nicht mehr zu rechnen, ja dass es das Pulver gar nicht mehr wert sei, verbreitete sich deshalb auch bei den deutschen Parteien. Am 16. Februar bekräftigten die Christlichsozialen noch einmal das gemeinsame Programm mit dem Nationalverband  ; einen Monat später, am 13. März, notierte Parish, dass die Christlichsozialen in ihren letzten Verlautbarungen die »Voraussetzungen« gar nicht mehr erwähnten. Noch viel schärfer ins Zeug legten sich die Gegner der Deutschradikalen innerhalb des Nationalverbandes. Steinwender suchte schon Anfang März den Kontakt zu den Tschechen, typischerweise in erster Linie zu den tschechischen Sozialdemokraten, ihrem Obmann Šmeral und Tusar als seiner Wiener Außenstelle. Ende des Monats lud auch Hermann Braß, das einzige Herrenhausmitglied der Deutschnationalen und Obmann der Deutschnationalen Geschäftsstelle, Tusar ein und sprach sich gegen das Oktroi aus  : Man müsse einen Kompromiss finden.487 Mitte April ließ Czernin, der noch Anfang März mit dem Argument  : »Die Tschechen schreien so oder so, gleich wieviel man ihnen zumutet«, auf die schnelle Umsetzung des Oktroi gedrängt hatte,488 dann die Bombe platzen  : Die internationale Lage gestatte kein Experimentieren mit einem Oktroi mehr.

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Die internationale Lage, das war eine Erklärung der neuen russischen Regierung über einen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen, mit einem Postskriptum über das Selbstbestimmungsrecht. Czernin sprang auf diesen Zug sofort auf  : Am 26. April ließ er im offiziösen ›Fremdenblatt‹ eine Erklärung veröffentlichen, dass Österreich den Annexionsverzicht als Grundlage eines Friedensschlusses akzeptiere. Die internationale Lage, das war – auch wenn die Deutschösterreicher es (mit Ausnahme Lodgmans) nicht wahrhaben wollten  – übrigens auch die mangelnde Begeisterung der Reichsdeutschen für das projektierte Oktroi. Der neue deutsche Botschafter in Wien, Graf Botho Wedel, zeigte sich kooperativer als sein Vorgänger Tschirschky  ; doch auch für ihn, wie für Kaiser Wilhelm, galt Koerber als der verlässliche Partner, nicht die böhmischen Grafen, die ihn abgelöst hatten  ; die Sonderstellung Galiziens als Teil des österreichischen Liebeswerbens um die Polen war ihnen von Anfang an suspekt  ; die Interna der böhmischen Kreisverwaltung interessierten sie nicht, ja 1918 sollte Wedel sogar argumentieren, um das Bündnis zu stärken, müsse man auch die Slawen dafür gewinnen  ; die »parlamentarische Maschinerie in Betrieb zu setzen« hielt Staatssekretär Zimmermann schon 1917 für ein nützliches Ventil.489 Die internationale Lage, das war schließlich auch die Initiative der Sozialdemokraten, auf dem Umweg über ihre russischen Genossen, die Regierungspartei geworden waren, mit einem Kongress der Zweiten Internationale in Stockholm Friedensverhandlungen in Gang zu bringen. Nicht dass Czernin tatsächlich an den Erfolg dieser Konferenz glaubte, die über Vorberatungen nicht hinauskam  ; aber er wollte beweisen, dass es nicht die Mittelmächte waren, an denen diese Initiative scheiterte.490 Das Einvernehmen mit den Sozialdemokraten suchte die Regierung auch aus zwei weiteren Gründen  : Der Winter 1916/17 war wegen des Ausbleibens der rumänischen Lieferungen zum Rüben- und Hungerwinter geworden. Die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft mit der Versorgungslage führte zu Streiks in der Rüstungsindustrie. Die Partei sollte als Bändiger ihrer darbenden Genossen gewonnen werden (mit dem Mieterschutz als Zubrot, der im Frühjahr 1917 dekretiert wurde). Nicht zum letzten Mal sollten politische Konzessionen helfen, den Mangel an Kalorien wettzumachen. Dabei hatte man vor allem die tschechische Sozialdemokratie im Visier  : Denn die wichtigsten Rüstungsbetriebe, von den Pilsener Škodawerken bis Witkowitz bei Ostrau, befanden sich in den böhmischen Ländern. Vielleicht ließen sich damit auch willkommene politische Nebeneffekte erzielen  : Denn es war ein offenes Geheimnis, dass – neben den Katholiken – Šmeral und seine Anhänger unter den Tschechen in nationalen Fragen am kompromissbereitesten waren. Diese Erwägungen versetzten dem Oktroi den Gnadenstoß, im Sinne eines Tropfens, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Fassade des zielbewussten Reformeifers war längst brüchig geworden, zumindest aus der Nähe betrachtet. Aus der Ferne freilich blieb einmal mehr der Eindruck von Verrat und Enttäuschung, des Scheiterns

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hundert Meter vor dem Ziel  : »Den Sudetendeutschen entgeht faktisch zwischen Lipp’ und Kelchesrand ein großer Erfolg.«491 Die zwei deutschböhmischen Minister, Baernreither und Urban, stellten am 20. April 1917 ihre Portefeuilles zur Verfügung, ließen sich dann aber doch zum Bleiben überreden. Die Regierung versprach, sich für die parlamentarische Erledigung der umstrittenen Materien einzusetzen, ganz so, als ob sich dabei auch nur die geringsten Erfolgschancen boten. Die Krise wurde im ersten Anlauf überraschend schnell verkleistert, ein Indiz dafür, dass man die Enttäuschung schon geraume Zeit geahnt und gewissermaßen diskontiert hatte. Die Strategie der Deutschradikalen lag in Trümmern  ; aber sie waren anscheinend zu desorientiert, um unmittelbaren Widerstand zu leisten. Ihren Kardinalfehler charakterisierte Parish  : »Als Clam auftrat, hatten sie Österreich eigentlich zur Disposition. Da sie ihrer Sache sicher zu sein schienen, gaben sie sich gar keine Mühe, sich irgendwelche Bundesgenossen zu verschaffen.«492 Anders stand es um die Bundesgenossen, die sie vergrämt oder zumindest nicht entsprechend gepflegt hatten, die Polen  : Die Sonderstellung Galiziens war ja keineswegs ein nationales Hochziel, sondern nach der Enttäuschung über die abgeblasene austro-polnische Lösung bestenfalls ein Trostpreis gewesen. Bobrzynski, der polnische Landsmannminister im Kabinett Clam, hatte die Verwässerung der ersten Entwürfe nicht verhindern können. Fünf Minuten vor Zwölf schaltete sich im April Biliński als Obmann des Polenklubs ein und präsentierte ein Programm, das Galizien eine Stellung verlieh, nicht wie Kroatien, sondern wie Ungarn  : De facto lief sein Forderungskatalog auf eine Form des Trialismus hinaus, wie sie für ganz Polen geplant gewesen war.493 Das offene Bekenntnis der Regierung zum business as usual, zurück zum Start, war eine Provokation. Wenn schon Rückkehr zum Start, so argumentierten die Polen, dann auch wirklich – Rückkehr zur Zivilverwaltung in Galizien, mit einem Statthalter, der im Einverständnis mit dem Polenklub ernannt wurde, wie es in Friedenszeiten stets der Fall gewesen war. Im Hintergrund spielte natürlich auch die unbefriedigende Situation im angeblich unabhängigen Polen eine Rolle. Sogar der handverlesene Staatsrat stellte den Besatzern am 1. Mai 1917 ein Ultimatum  : Ein halbes Jahr nach der »Unabhängigkeit« müsste endlich ein Regent ernannt und eine Regierung eingesetzt werden. Nicht zuletzt deshalb endete bald danach auch die Werbung für die polnische Armee mit einem Fiasko. Ohne staatliche Institutionen konnte von Wehrpflicht keine Rede sein  ; eine Zwangsrekrutierung durch die Besatzungsmächte schied aus. Die wenigen Tausend Mann, die sich gemeldet hatten, verweigerten im Juli dann in ihrer Mehrzahl den Eid auf das unbekannte Wesen, den »künftigen polnischen König«. Die deutschen Behörden ließen daraufhin Piłsudski, den sie für die Misere verantwortlich machten, in Festungshaft nehmen. Auf der anderen Seite erfolgten nach der russischen Revolution erstmals auch schüchterne Angebote aus Petrograd. Plötzlich wurden die Polen von

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beiden Seiten umworben. Das Alleinstellungsmerkmal der Unabhängigkeitserklärung seitens der Mittelmächte ging verloren, sobald das Angebot auch von der Gegenseite honoriert wurde.494 Der Polenklub berief für den 28. Mai 1917 – unmittelbar vor dem Zusammentritt des Reichsrates – in Krakau eine Versammlung ein, gemeinsam mit den Landtagsabgeordneten, und verabschiedete eine Resolution, die nach einem völlig unabhängigen Polen verlangte, mit Zugang zum Meer (eine versöhnliche Interpretation lautete, darunter könnte auch bloß die freie Schiffahrt auf der Weichsel verstanden werden, nicht gleich Gebietsforderungen bis Danzig.) Die Krakauer Resolution wurde vom Abgeordneten Wlodzimierz Tetmajer eingebracht, einem städtischen Maler, der für die bäuerliche Volkspartei kandidiert hatte. Die Konservativen hatten im Vorfeld eine Abstimmung darüber im Polenklub mit 17 zu 22 knapp verloren  ; sie schlossen sich jetzt bis auf zwei (Abrahowicz und Lubomirski) der Mehrheit an, um sich nicht komplett zu isolieren. Selbst Adam Tarnowski, der verhinderte Botschafter in Washington, stimmte mit ein wenig schlechtem Gewissen mit.495 Als Czernin im Mai aus dem deutschen Hauptquartier in Bad Kreuznach zurückkehrte, gestand er Clam  : »Leider ist es mir nicht gelungen, meine Absicht zu verwirklichen, welche dahin geht, durch Bewilligung eines polnischen Regenten unsere Polen wieder in die Majorität zurückzuführen.«496 Biliński sah seine Mission als gescheitert an und legte die Führung des Polenklubs nieder, der prompt dem Wiener Kabinett das Misstrauen aussprach. Liberale (Demokraten) und Konservative wurden in die Defensive gedrängt  ; als Motor der oppositionellen Stimmung profilierte sich jetzt die bäuerliche Volkspartei, die ›Ludowcy‹ (PLS). Ihr Chef, Ex-Minister Ladislaus Długosz, rechnete vor, in Galizien sei ein Viertel der Ackerflächen unbearbeitet geblieben, weil die Regierung ihre Zusagen nicht eingehalten habe. Er forderte nicht bloß die Einstellung aller Requisitionen, sondern Anbauprämien und »Preise wie in Ungarn.«497 Der agrarische Unmut war allgemein  ; bei den Deutschen wurde er durch politische Rücksichten immer wieder gebremst, bei den Tschechen ging er in der prinzipiel­ len Oppositionshaltung auf. Bei den Polen vermochte er sich 1917 effektiv Bahn zu brechen. Biliński war 1915 von der PLS, den Ludowcy, aufgefordert worden, das Präsidium zu übernehmen  ; sie entzogen ihm jetzt (von dem kleinen Häuflein National­ demokraten einmal abgesehen) als erste ihre Unterstützung. Freilich, zum Unterschied von den Tschechen, wo Švehla mit Meisterschaft nicht bloß die Partei zusammenhielt, sondern mit den Agrariern auch den Česky Svaz dirigierte, war die polnische Volkspartei zentrifugalen Kräften unterworfen. Der Zustrom heterogener Elemente hatte sie 1911 zur stärksten Fraktion gemacht (wie bei den Tschechen), aber um den Preis einer mehrfachen Fraktionierung. Der linke, antiklerikale Flügel um den Gründer Jan Stapinski hatte die PLS schon vor Kriegsausbruch verlassen  ; sein Widerpart Wincenty Witos näherte sich mit den so-

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Abb. 15  : Grafik Polenklub

genannten »Piasten« zunehmend den Nationaldemokraten  ;498 eine regierungsfreund­ liche Gruppe begann sich um den Hofrat Andreas Kedzior zu sammeln, einen »blassen Eunuchen«, der in Lemberg das wichtige Meliorations- und Wasserbaureferat verwaltete.499 Das Resultat war  : Es gab im Polenklub keine tragfähige Mehrheit  : Von 76 Mitgliedern verfügten Konservative und Demokraten nur über 34  ; ein paar Abgeordnete der Volkspartei – mit zwanzig Mann die stärkste Fraktion – oder ehemalige Nationaldemokraten spielten Zünglein an der Waage.500 Als Ausdruck der unklaren Verhältnisse folgte auf Biliński eine lange Reihe bloß auf drei Monate gewählter provisorischer Obmänner, zunächst einmal der parteilose Gutsbesitzer Łazarski, aus Wiener Perspektive immer noch eine recht auskömmliche Alternative. Sobald die Polen dem Ministerium die Freundschaft aufkündigten, stand Clam Ende Mai mit Parlament, aber ohne parlamentarische Mehrheit da. Seine Lösung bestand in einem Konzentrationskabinett, einem (multinationalen) ›National Government‹, mit dem Slogan  : »Mein Programm ist Österreich. Wer geht mit mir  ?«501 Dahinter mochte die Idee stecken, doch einfach die patriotischen Kräfte aller nationalen Lager um sich zu sammeln, die schweigende Mehrheit, und die Krakeeler und klammheimlichen Irredentisten auszugrenzen. Doch auf eine derartige Festlegung wollte sich niemand einlassen, niemand einen Konflikt innerhalb der eigenen Nation vom Zaun brechen oder auch nur einen schwelenden Konflikt an die Oberfläche treten lassen. Ob man wollte oder nicht, man musste mit den nationalen Blöcken rechnen.

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Bei den Deutschnationalen wären die führenden Köpfe – Dobernig als Galionsfigur für Steinwenders Arbeitsgemeinschaft, ja, bei aller Enttäuschung auch Pacher für die Deutschradikalen  – laut Baernreither (»Portefeuillehunger«) nur zu gerne Minister geworden.502 Doch eine Konzentrationsregierung anzupeilen, hieß in erster Linie die Tschechen für eine Arbeitsmehrheit im Hause zu gewinnen. Clams Problem war, dass seine Absage an das Oktroi von den Tschechen nicht honoriert wurde. In der tschechischen Öffentlichkeit wurde gerade in den Tagen nach Einberufung des Reichsrats der Aufruf der Schriftsteller lanciert  ; Švehla ließ vom konservativen Historiker Pekař zwar ein Gegenmanifest verfassen.503 Aber er hatte die Botschaft sehr wohl verstanden  : Die Loyalitätserklärung vom 31. Jänner musste zwangsläufig die Stellung des Masaryk’schen Komitees im Exil untergraben  ; der Česky Svaz hatte sich damit ein wenig zu weit aus dem Fenster gelehnt. Masaryk und Beneš forderten die »Heimatfront« im Gegenteil schon zur passiven Resistenz auf  : Das würde im Ausland Eindruck machen.504 Um den offenen Bruch mit dem Exil zu vermeiden, musste die tschechische Politik im Inland in der nächsten Runde wieder ein wenig zurückrudern. Eine offene Unterstützung der kaiserlichen Regierung hatte darin keinen Platz. Der Česky Svaz betonte daher, seine Stellung zum Kabinett Clam sei unverändert oppositionell. Die Wiedereröffnung des Reichsrates hatten die Tschechen begrüßt, weil sie ein Ende der Drohung mit dem Oktroi bedeutete. Den Reichsrat selbst hatten die Tschechen freilich immer nur mit einer Verwahrung betreten, die ihre Distanz zur Dezemberverfassung von 1867 zum Ausdruck brachte. Die Sozialdemokratie hatte sich bei ihrem ersten Auftreten 1897 von dieser staatsrechtlichen Verwahrung distanziert (diese Erklärung war damals der Anlass zum Bruch mit den Nationalsozialisten). Inzwischen waren die Sozialdemokraten erstmals dem tschechischen Abgeordnetenverband beigetreten. Allein deshalb schon stand eine Neuformulierung des Programms des Česky Svaz auf der Tagesordnung. Die Ideen der Sozialdemokratie bewegten sich in Richtung nationaler Autonomie. Auf der anderen Seite erhob die kleine Gruppe der radikalen Staatsrechtler klipp und klar die Forderung nach dem tschechischen Staat in seinen historischen Grenzen, ohne jede Bezugnahme auf das Haus Habsburg. Bei den Agrariern blieb Prašek mit einem ähnlichen Antrag nur knapp in der Minderheit. In dieser Beziehung erwies sich der Kompromiss, den Šmeral für die Sozialdemokraten und Tobolka für die Jungtschechen unter der Patronanz Švehlas aushandelten, als ein genialer politischer Schachzug  : Šmeral bestand auf einem Dualismus der beiden maßgebenden Prinzipien, Staatsrecht und Selbstbestimmung, in einem Sinne, der sich gegen den real existierenden Dualismus richtete. Man ließ in der offiziellen Erklärung vom 30. Mai neben der altbekannten staatsrechtlichen Hauptmelodie das Seitenmotiv der nationalen Autonomie erklingen, speziell zugeschnitten auf die Slowaken, die neuerdings

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für ein derartiges Staatsgebilde reklamiert wurden, alles innerhalb des Rahmens der Habsburgermonarchie, versteht sich.505 Koerber, dem Tobolka auf der Ringstraße begegnete, erklärte ihm sofort  : »Sowas kann ihnen kein österreichischer Ministerpräsident bewilligen.«506 Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Eben darum ging es ja auch  : Die Erklärung war in ein dynastisches Gewand gekleidet, schloss aber die Gefahr aus, dass ihre Forderungen auch tatsächlich erfüllt und die Tschechen dadurch gezwungen werden könnten, Masaryk und sein Exilkomitee Lügen zu strafen. Als Rudolf Lodgman von Auen, der Dissident unter den Deutschböhmen, sich bei Tobolka erkundigte, wie es denn mit der nationalen Autonomie für die Sudetendeutschen stünde, holte er sich eine eindeutige Abfuhr.507 Allenfalls mochte man – wie schon 1849 bei den Beratungen während des Reichstages von Kremsier  – darauf zurückkommen, sobald auch den Slowaken ihre Autonomie eingeräumt worden war. Diese Möglichkeit schien 1849 gegeben, als kaiserliche Armeen mit russischer Unterstützung die ungarische Revolution niederwalzten, nicht 1917, als die Ungarn eben erst im Kampf gegen Russland ihre Bewährungsprobe abgelegt hatten. Vordergründig könnte man jetzt zum herkömmlichen Schluss kommen, der Dualismus habe die Lösung des Problems verhindert. Wer der Entstehung und dem Zweck der tschechischen Erklärung nachgeht, wird dieser Interpretation nicht so ohne Weiteres folgen. Denn das Schicksal der Slowaken hatte bei allen bisherigen Erörterungen der Tschechen eine vernachlässigenswerte Rolle gespielt. Die Entdeckung der slowakischen Frage bezweckte vielmehr zweierlei  : Die Forderungen im Rahmen der Monarchie zu halten, anders als die radikalen Staatsrechtler wie Baxa oder Kalina es wollten  ; aber auch jegliche Gefahr auszuschalten, von der Regierung beim Wort und in die Pflicht genommen zu werden. Denn einen Konflikt mit Ungarn über eine solche Frage konnte sich kein Kabinett leisten. Die Devise lautete  : Man musste immer soviel fordern, dass es die Regierung nicht bewilligen konnte. Hinter diesem Wedernoch konnte die tschechische Politik weiterhin ihr Sowohl-als-auch, ihre Politik der zwei Eisen im Feuer praktizieren – durchaus im Einklang mit den Vertretern des Exils, die dieser Strategie ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt hatten.508 Der Česky Svaz lehnte auch das Angebot Clams glattweg ab, in ein rekonstruiertes Kabinett wiederum einen Landsmannminister zu entsenden. Den Eselstritt versetzte dem Kabinett Clam dann Anton Korošec, der Anführer der katholischen Slowenen, dem es gelungen war, hinter sich alle Südslawen der österreichischen Reichshälfte in einem Abgeordnetenklub zu versammeln. Stolz vermeldete der Abgeordnete Marko Ćingrija aus Dubrovnik den Seinigen, man werde es nicht glauben, aber es sei ihnen tatsächlich gelungen, eine kaiserliche Regierung zu stürzen.509 Ursprünglich pflegten die katholischen Slowenen bloß die Verbindungen zu den ehemaligen Lieblingen Franz Ferdinands, der »großkroatischen« Reinen Rechtspartei, die mit den kroati-

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schen Demokraten und Liberalen an der dalmatinischen Küste im Streit lag. Doch während des Krieges machte sich auch bei den dalmatinischen Kroaten die Tendenz zum nationalen Schulterschluss bemerkbar. Nicht bloß die Demokraten um Split  – die wegen ihrer serbenfreundlichen Einstellung 1914 vielfach als erste interniert worden waren, Ćingrija sogar schon einige Stunden vor Kriegsausbruch –, auch ihre alten Widersacher von der streng katholischen und schwarz-gelben Rechtspartei stellte ihre anti-serbischen Bedenken zurück und unterschrieben in einem dialektischen Umschlag die Forderung nach der Vereinigung aller Südslawen in einem Reichsteil. Die beiden früheren Antipoden, der slowenische Priester Jan Krek und der dalmatinische Linksaußen, der freigeistige Abgeordnete Smodlaka aus Split, begruben öffentlich das Kriegsbeil.510 Die Metamorphose der Großkroaten zu Jugoslawen  – die im eigentlichen Kroatien etwas zögerlicher vonstatten ging  – wurde als Katalysator von den Slowenen gefördert, die fürchteten, ohne maximalen Rückhalt im Süden zwischen Deutschen und Italienern zerrieben zu werden. Die Südslawen hatten schon seit März ein gemeinsames Vorgehen mit den Tschechen vereinbart. Man wollte sich von den Tschechen nicht trennen, gerade in dem Moment nicht, als die Tschechen ebenfalls den Kampf gegen den Dualismus auf ihre Fahnen geschrieben hatten, der für die Tschechen ein taktischer Notbehelf war, für die Südslawen jedoch das Um-und-auf all ihrer Bestrebungen darstellte. Auch bei den Südslawen bestand die Rechtspartei auf dem kroatischen Staatsrecht, die Slowenen auf der nationalen Selbstbestimmung. Das Ei des Kolumbus bestand in der logisch fragwürdigen, aber politisch effektiven Kombination beider Prinzipien, die im Parlament präsentiert und dann in einer großen Unterschriftenkampagne daheim ratifiziert wurde. Möglicherweise stammte sogar die ursprüngliche Anregung, die Tschechen sollten dieses Vorgehen einfach kopieren – und sich dabei auf die Slowaken berufen – von Smodlaka.511 Die Verweigerungshaltung der Tschechen erreichte ihren Höhepunkt, als im Juli die Versuchung an den Česky Svaz herangetragen wurde, seine Vorstellungen doch in einen Unterausschuss des Verfassungsausschusses einzubringen. Am 12. Juli stand der Antrag der Klubführung auf der Tagesordnung, den Unterausschuss zu beschicken. Wer die Verfassung reformieren wolle, getreu der Erklärung vom 30. Mai, könne da nicht nein sagen. Die üblichen Verdächtigen (Nationalsozialisten etc.) meldeten ihre Bedenken an, unter einem formellen Vorwand  : Die Mandate der Abgeordneten würden normalerweise diese Woche auslaufen  ; das Haus sei daher zu solchen weitreichenden Entscheidungen nicht mehr legitimiert. Dieser Antrag wurde mit 65 gegen 15 Stimmen kurzerhand abgelehnt. Doch dann stellten die Agrarier einen Vermittlungsantrag. Man solle die Entscheidung doch besser aufschieben, bis der Nationalausschuss in Prag – eine Clearing-Stelle aller tschechischen Parteien  – seine diesbezüglichen Beratungen abgeschlossen habe.

Das neue Regime in »Trans«  : Der Sturz Tiszas und das Machtvakuum in Ungarn

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Ihr Vertagungsantrag, der absehbarerweise ein Nein bedeutete, wurde ganz knapp mit 43 gegen 39 Stimmen angenommen. Für die Mitarbeit im Ausschuss, für eine »aktivistische Politik«, stimmte eine kuriose Allianz der gesellschaftlichen Gegensätze  : die orthodoxen Sozialisten, die Handvoll Katholiken und der bürgerlich-konservative Teil der Jungtschechen. Auf der anderen Seite standen der linke Flügel der Bürgerlichen, der die Sozialisten von der nationalen Flanke her aufrollen wollte, und der rechte Flügel der Agrarier, dem die Zusammenarbeit mit den Sozialisten prinzipiell widerstrebte, die »Auerochsen«, wie sie später genannt wurden, mit ihrer Galionsfigur Prašek und der Zeitung »Večer« (Abend). Als Staněk im Abgeordnetenhaus beklagte, in der neuen Regierung sei kein einziger Tscheche mehr vertreten, zieh Prašek ihn indirekt der Heuchelei  : Er würde dagegen protestieren, einer deutschzentralistischen Regierung durch ein oder zwei abkommandierte Tschechen einen Deckmantel zu verschaffen. »Uns ist es so lieber. Die ganze Welt soll sehen, was für ein System hier in Österreich waltet.«512 Der Nationalausschuss in Prag beschloss am 25. Juli vor jeder meritorischen Erörterung zunächst einmal eine Verbreiterung seiner Basis vorzunehmen. Am nächsten Tag war in der Zeitung bereits zu lesen, die Beschickung des Unterausschusses sei abgelehnt worden. Tobolka kommentierte säuerlich  : Das sei eigentlich keine Politik der zwei Eisen im Feuer mehr  ; auf diese Art verfüge man nur mehr über eines. Andere machten die Rivalitäten unter den Agrariern für diese Taktik verantwortlich  : Man habe sich gegenseitig hinauflizitiert.513 Doch hinter der Taktik Švehlas stand sehr wohl eine nachvollziehbare Logik. Man wollte abwarten und sich nicht einseitig binden. Bis zum Sommer 1917 hatte sich weder das Eingreifen Amerikas noch das Ausscheiden Russlands bemerkbar gemacht, nach außen zumindest, denn die Abwendung der britischen Zahlungsunfähigkeit war ein Nicht-Ereignis, das nur im kleinen Kreis wahrgenommen wurde. Das neue Regime in »Trans«  : Der Sturz Tiszas und das Machtvakuum in Ungarn

In Österreich war der Riege der Frondeure gegen Stürgkh nur ein zweifelhafter Erfolg beschieden. Dem Meister des zielbewussten Hinhaltens waren die ehrlichen Zauderer gefolgt, die auf äußere Anreize reagierten, man konnte auch sagen  : sich von den Umständen treiben ließen. Stürgkhs erkrankter Innenminister Konrad Hohenlohe war nach einem Zwischenspiel als gemeinsamer Finanzminister als Obersthofmeister reaktiviert worden  ; Fürstenbergs Mitverschworener Czernin zum Leiter der Außenpolitik avanciert, der sich aufführte wie ein Reichskanzler. Doch von ihrem ursprünglichen Programm kamen die neuen Männer rasch ab. Der deutsche Botschafter Wedel behielt mit seiner Prognose recht  : »Die Regierung wird Koerber in Dingen folgen müssen, über die er stürzte …«514

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In Ungarn war das Endergebnis ein ähnliches  ; der ursprüngliche Eindruck freilich ein noch viel größerer. Denn die Ablöse Tiszas ließ sich nicht mit dem Wechsel eines Ministerpräsidenten in Wien vergleichen, allenfalls noch mit dem Fall Conrads, der im Jänner 1917 mit dem AOK nach Baden bei Wien übersiedeln, im Februar dann seinen Posten räumen musste, um eine Heeresgruppe in den Tiroler Bergen zu übernehmen. Sein Nachfolger Arthur Arz v. Straussenberg, ein Siebenbürger Sachse, der Karl bei der Verteidigung seines Heimatlandes im Herbst 1916 aufgefallen war, zeichnete sich durch ein geschmeidigeres, »sanguinisches« Temperament aus. Er sah es als seine Aufgabe an, den Kaiser auf seinen nahezu unaufhörlichen Reisen quer durch die Monarchie zu begleiten und trat seinen Vorstellungen nicht offen entgegen.515 Die politische Stellung des Militärs in Österreich hatte, verstärkt durch den Wiederzusammentritt des Reichsrates, eine gewaltige Einbuße erlitten. Ein solches Zurechtstutzen allzu machtbewusster Untertanen war wohl auch in Ungarn intendiert. Beide Entlassungen, Conrads und Tiszas, konnte man  – wie die Verstoßung Siegharts – als Teil des Vermächtnisses Franz Ferdinands auffassen, der ihre Ablöse schon 1913/14 betrieben hatte. Doch die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Tisza gestaltete sich schwieriger. Der Wechsel in Ungarn ging am 22. Mai 1917 über die Bühne, als in Österreich gerade erst Kehrtmarsch befohlen worden war, zwischen der Einberufung und dem Zusammentritt des Reichsrates. Doch welche inhaltlichen Folgerungen verbanden sich damit  ? In der Frage des Krönungseides hatte Karl den ungarischen Wünschen sofort nachgegeben. In der brennenden Frage der Approvisionierung hatte Tisza nachgegeben, als er im Februar 1917 der Errichtung eines gemeinsamen Ernährungsamtes unter dem General Ottokar Landwehr von Pragenau zustimmte. Karl zog daraus den voreiligen Schluss  : Wenn man Tisza energisch komme, werde er sehr klein.516 Die Installierung des Ernährungsamtes stieß in Ungarn vorhersehbarerweise auf geharnischte Kritik  : In der Sache, weil sein einziger Zweck ja nur darin bestehen konnten, Ungarn zu vermehrten Lieferungen an die österreichische Reichshälfte zu veranlassen. In der Form, weil eine zusätzliche »gemeinsame« Institution der Verfassung widersprach, daher nach ungarischer Auffassung von vornherein allenfalls beratenden Charakter haben könne. Diese Kritik wurde von der Opposition lautstark geäußert und war vorhersehbar  ; bemerkenswert war hingegen die Rede, die Gyula Andrássy aus diesem Anlass am 26. Februar 1917 im Budapester Parlament hielt. Die ungarische Opposition stand ja nur zum Teil wirklich links von Tisza  : Links stand zweifellos der sogenannte »Wahlrechtsblock«  : Mihail Károlyis 48er-Partei, die Budapester Demokraten des »Sensations-Anwalts« Vilmos Vázsonyi und die Radikalen des Historikers Oskar Jaszi, der mit seinen unterhaltsamen Holzschnitten der ungarischen Gesellschaft so viele Historiker auf Abwege geführt hat.517 Diese äußerste Linke mochte im Lande über einen

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gewissen Rückhalt besitzen, im Parlament zählte sie bloß zwei Dutzend von über 400 Abgeordneten. Der größere Teil der Unabhängigkeitspartei folgte dem Grafen Albert Apponyi, einem eleganten Mann von Welt und gefeierten Redner, der nationales Pathos mit verbindlichem Auftreten verband, ursprünglich jedoch von rechts kam, von den Konservativen. Als rechtsstehend galt auch die Katholische Volkspartei des Grafen Aladar Zichy, die eine Minderheit verkörperte, die sich von einer Wahlrechtsreform vielleicht noch am ehesten etwas erwarten durfte. Als eigentlicher »leader of the opposition« – und englische Vergleiche standen in Ungarn seit jeher hoch im Kurs  – aber sah sich Andrássy. Wie Heinrich Clam in Öster­reich verkörperte auch sein Name ein Programm, mit dem Unterschied, dass sich Andrássy d. J. nicht von seinem Vater distanzierte, sondern als den eigentlichen Erben der 67er-Tradition betrachtete, die Tiszas bloß als Usurpatoren. Wir haben es hier mit einer Rivalität politischer Dynastien zu tun, bei der aus der freundschaft­ lichen Rivalität der Väter die bittere Feindschaft der Söhne entsprang, wie bei den Pitts und den Fox im England des späten 18. Jahrhunderts. Andrássy baute auf die Stimmen der Linken, der 48er mit ihrem rituellen Misstrauen gegen Wien, aber was er im Haus präsentierte, war ein Programm der wahren Siebenundsechziger, der Einheit der Monarchie und der Verständigung mit Österreich, ja der Mittelmächte. Da war von der Verteidigung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges die Rede und von der gemeinsamen Erledigung der Ernährungsfragen. Tisza, der Mann des Kampfes um des Kampfes willen, galt Andrássy bloß als Hindernis der Eintracht, im Lande wie unter den Verbündeten. Schließlich leide auch Österreich unter dem »Imperialismus der Arbeitspartei« Tiszas.518 Andrássys Rede war ein mündlich vorgetragenes Bewerbungsschreiben um die Führung eines Kabinetts der nationalen Einheit, einer Konzentrationsregierung, wie sie in Kriegszeiten nahelag. Unbescheiden war freilich die Forderung, die Opposition wolle zwar mitarbeiten, doch nicht unter Tisza, der immerhin die absolute Mehrheit des Hauses hinter sich wusste. Dahinter stand ein unausgesprochenes Kalkül Andrássys  : Ohne Tisza als Premier würde sich das Gros seines Anhangs wohl über kurz oder lang Andrássy anschließen. Prinzipielle Unterschiede zwischen beiden bestanden kaum, bloß im Stil, in der kompromisslosen Härte Tiszas, die mit Andrássys Verständigungsbereitschaft nach allen Seiten kontrastierte. Ein solcher Wechsel der Kulissen hatte schon zweimal stattgefunden  : 1906 hatte Tisza nach seiner Wahlniederlage die Liberale Partei aufgelöst und seinen Anhängern den Beitritt zu Andrássys Verfassungspartei freigestellt  ; 1910 war dasselbe geschehen, nur in umgekehrter Richtung  : Andrássys Gefolgsleute kehrten nach dem Scheitern der Koalition mit der Unabhängigkeitspartei reumütig zu Tisza zurück. Bloß eine kleine Gruppe um Andrássy selbst machte das Spiel nicht lange mit und rief im September 1913 die Verfassungspartei von neuem ins Leben.519

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Es war kein so völlig abwegiger Gedanke, dass sich ein solcher Wechsel der Kulissen – den guten Willen von oben vorausgesetzt – auch diesmal wiederum bewerkstelligen ließe, ganz ohne Neuwahlen, die unberechenbar waren, weil sie zu einer Polarisierung führen und entweder Tisza oder der Linken mit ihren revolutionären Allüren zu einer Mehrheit verhelfen könnten. Die Liberale Partei von Tiszas Vater war ein Konglomerat von Mitte-Links-Strömungen gewesen, von Abspaltungen und Neuzugängen, nicht sehr homogen, doch zweifellos eine lebendige Partei. Die Partei der nationalen Arbeit war das, was man später vielleicht als Kanzlerwahlverein bezeichnet hätte. Die Opposition klagte schon darüber, dass sie im Parlament gezwungen sei, Selbstgespräche zu führen, weil niemand ihre Kritik beantwortete – außer dem Ministerpräsidenten selbst. Tisza selbst sah sich bemüßigt, die Angriffe gegen seine »Mameluken« unter Berufung auf statistische Daten zu relativieren. Seine Leute seien eben solide Grundbesitzer, keine windigen Advokaten und Journalisten, die große Sprüche klopften.520 Andrássys Vater, der »schöne Gehängte« (weil nach 1849 in Abwesenheit zum Tode verurteilt), ist als Schwarm der Kaiserin Elisabeth in die Operettenwelt eingegangen. Von Zita sind keinerlei analogen Sympathiebezeugungen für Andrássy den Jüngeren überliefert. Dem Sohn fehlte ganz allgemein die Kunst, sich beliebt zu machen  ; Franz Joseph hatte ihn pflichtschuldigst empfangen, aber nie favorisiert  ; seine hintergründige Rhetorik, »das Gegenteil von Beredsamkeit«, wurde von einem Bekannten literarisch verewigt  : »Seine Sätze bildeten sich schwerfällig, manchmal stotternd, als ob er im Geist tastend nach den Ausdrücken suchte […] bis das entscheidende Wort dann glänzend genau und treffend erschien und alle mit sich riss.«521 Von Czernin wurde Andrássy mit Misstrauen beäugt, schon einmal weil Andrássy seine Ambitionen gleichmäßig zwischen dem Amt des Ministerpräsidenten und des Außenministers verteilte, schließlich hatte auch sein Vater nacheinander beide Ämter innegehabt. Von Tisza sprach Czernin in seinen Memoiren hingegen in den höchsten Tönen  : »Ihm imponierte nichts und niemand – und er war treu wie Gold.«522 Hohenlohe und Clam mochten Tiszas Fall vielleicht weniger bedauern. Korruptionsvorwürfe besaßen im Zuge der Kriegswirtschaft eine besondere Plausibilität. Gustav Groß notierte in der Obmännerkonferenz achtundvierzig Stunden nach Stürgkhs Tod  : »Ich will nur ein Wort sagen, bei dem uns alle ein gewisses Grauen überkommt und das heißt  : Heereslieferungen …«523 In Österreich hatte im April 1917 eben erst der sogenannte Kranz-Prozess großes Aufsehen erregt. Ludwig Kranz, der Präsident der Depositenbank, hatte mit dem Ministerium krumme Geschäfte gemacht, angeblich ärarische Bestellungen auf eigene Rechnung weiterverkauft. An den »Schiebern« ein Exempel zu statuieren, die aufgrund von »Protektion« in der Lage waren, die Bewirtschaftung zu umgehen oder sogar von ihr zu profitieren, war populär. Als Folgen des Prozesses trat  – als letzter der alten Garde Franz Jose-

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phs – Kriegsminister Krobatin zurück, der immerhin schon seit 1912 amtierte. Sein Nachfolger Stöger-Steiner stand zu ihm in einem Verhältnis wie Arz zu Conrad  ; Kranz Nachfolger als Chef der Depositenbank hingegen, Camillo Castiglioni, der Herr über die österreichische Luftfahrtindustrie, sollte den Ruf seines Vorgängers bei Weitem übertreffen  : Er galt geradezu als die Symbolgestalt der Kriegsgewinnler. Auch die Wiener Polizeidirektion kam wegen der »Pascherwirtschaft« ins Gerede  ; die Untersuchung legte den Grundstein zum Aufstieg von Johannes Schober, der an der Aufdeckung des Skandals beteiligt war und nachrückte, sobald sein neuer Chef im Juni 1918 zum Innenminister ernannt wurde.524 Korruptionsfälle führte auch die ungarische Opposition gegen die Regierung Tisza ins Feld. Ins Zwielicht geriet peinlicherweise der Vizepräsident seiner Arbeitspartei, Baron Daniel  ; eine Reihe von Abgeordneten, die sich um Aufträge der Heeresverwaltung beworben hatten, mussten ihre Mandate niederlegen.525 Doch das eigentliche politische Thema war ein anderes  : Es setzte in wohldosierter Heuchelei an dem Punkt ein, wo Tisza sich aus Prinzipientreue eine gewisse Blöße gegeben hatte  : nämlich in der Wahlrechtsfrage. Die Frage geisterte seit 1905 durch die politische Landschaft, als der König (wie er in Ungarn korrekterweise hieß) mit dem Oktroi des allgemeinen Wahlrechts gedroht hatte, falls die bei den Wahlen erstmals erfolgreiche Unabhängigkeitspartei nicht endlich Vernunft anzunehmen gewillt war. Das Resultat hatte damals darin bestanden, das allgemeine, gleiche Wahlrecht zwar in Österreich einzuführen, die Frage in Ungarn aber weiter in Schwebe zu lassen. Das allgemeine Wahlrecht war ein zweischneidiges Schwert  : Als Drohung gegenüber allen nationalen Forderungen der Ungarn eignete es sich deshalb so gut, weil jede Erweiterung des Wahlrechts zwangsläufig zu einer Vermehrung der Mandate für die Nationalitäten führen musste, die fast die Hälfte der Bevölkerung stellten, im Parlament aber nur in Spurenelementen vertreten waren. Die andere Seite der Medaille freilich war  : Die 67er, die Verteidiger der Gemeinsamkeit mit Österreich, gewannen ihre Parlamentssitze vielfach gerade in den gemischtsprachigen Wahlkreisen, z. B. in der heutigen Slowakei. Die »schwarz-gelbe« Tendenz war bei den herrschenden Minderheiten am festesten verankert, dort wo nationale Selbstbestimmung als Bedrohung wahrgenommen wurde, nicht als Chance. Die Unabhängigkeitspartei hingegen verdankte ihre Mandate dem magyarischen Herzland, oder wie der Spruch lautete  : In der Tiefebene kann man leicht radikal sein. Franz Ferdinand hatte mit den Befürwortern der Wahlreform noch länger kokettiert, mit den Nationalitätenvertretern wie dem Rumänen Alexander Vajda-Voivod und dem Slowaken Milan Hodza, aber – mehr oder weniger klammheimlich – auch mit Gyula Justh, dem damaligen Führer der Unabhängigkeitspartei, einem »Michael Kohlhaas« der ungarischen Politik, der es mit der Wahlreform auch tatsächlich ernst meinte, was keineswegs für alle Mitglieder der Opposition galt.526 Die Mittelparteien,

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Andrássy, Apponyi und Konsorten, suchten vielmehr nach der Quadratur des Kreises, nach einer Erweiterung des Wahlrechts ohne Beeinträchtigung des magyarischen Charakters des Parlaments, nach populären Parolen ohne Prämie für den sozialen Umsturz. Ursprünglich hatte Andrássy auf das Pluralwahlrecht gesetzt  ; jetzt befürwortete er das »Heldenvotum«. Wer sich für das Vaterland im Felde schlug, habe sich doch wohl auch das Anrecht auf Mitbestimmung erworben. Man müsse den Kriegsschauplatz als patriotische Erziehungsinstitution auffassen  : »Das Wahlrecht honoriert das Diplom.«527 Es war typisch für Tisza, dass er dieses Argument nicht aufgriff, die Vorlage nach dem Muster Stürgkhs auf die lange Bank schob, im Ausschuss entschärfen ließ und sich mit der Gewissheit vertröstete, dass Neuwahlen ohnehin erst nach dem Kriege geschlagen würden, sondern offen sein Nein deponierte. Er sei mit seiner eigenen Wahlreform schon 1913 bis an die Grenze des Zulässigen gegangen, alles Weitere sei unverantwortlich. Nun ließe sich lange darüber rechten, ob die Soldaten im Schützengraben nicht andere Sorgen plagten als das Wahlrecht oder darüber, wie ernst es der Opposition mit ihren Vorschlägen tatsächlich war. Ebenso gewiss war freilich auch  : Die Optik sprach nicht für Tisza. Selbst Burian klagte, er müsse endlich aufhören, mit der ganzen Welt zu rechten. Selbst ob der Premier unter den bisherigen Wählern noch über eine Mehrheit verfügte, war zweifelhaft. Im dritten Kriegsjahr war die patriotische Begeisterung verflogen, die Mühen der Ebene vorherrschend, selbst in einem Land mit vergleichsweise guter Versorgungslage wie Ungarn. Ein Konzentrationskabinett, wie es ab Mai plötzlich auch in Österreich als Zielvorstellung propagiert wurde, wäre zweifellos im Sinne des Herrschers gewesen. Karl ließ Tisza bei einer Reise nach Gyöngyös wissen, er sei mit dem Kurs nicht einverstanden  : »Graf Tisza hat demissioniert. S. M. verlangt eine wirkliche Wahlreform.«528 War jetzt die Stunde Andrássys gekommen, zur Übernahme der Arbeitspartei auszuholen, sich an die Spitze der 67er zu stellen und das Einvernehmen von Krone und Nation wiederherzustellen  ? Oder war vielleicht gerade er inzwischen zu einem Feindbild avanciert, das mögliche Überläufer abschrecken musste  ? Sollte man vielleicht besser auf Mitglieder der Arbeitspartei zurückgreifen, die unter Tiszas Vorgänger Lukacs gedient hatten und seither im Schatten gestanden waren, wie z. B. die Grafen Béla Serenyi oder Janos Zichy  ? Selbst Erzherzog Joseph war als Kandidat im Gespräch. Es war vielleicht typisch für das vorsichtig-zögerliche Verhalten, dass Karl nach längeren Konsultationen einen von Andrássys Parteigenossen zum Ministerpräsidenten ernannte, und zwar denjenigen, den auch Tisza als Ministerkollegen akzeptiert hätte  : den erst 36-jährigen Grafen Moritz Esterházy. Esterházy galt als »Wiener Ungar«, aber demokratischen Reformen aufgeschlossen. Die Wahl mochte ausgleichend wirken, aber sie war nicht gerade ein Signal der Entschlossenheit.529

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Der König konnte Tisza entlassen, aber er konnte ihn nicht zu einer Koalition zwingen. Allerdings fuhr Tisza keine Katastrophenstrategie. Er zog sich für einige Monate zurück und ging als Oberst eines Honvedregiments an die Front. Seine Partei würde Esterházy und seinen Nachfolgern selbstverständlich nicht die »Staatsnotwendigkeiten« verweigern, nicht gegen das Budget stimmen usw., jegliches Reformprogramm aber blockieren. Die Sozialisten und der Wahlrechtsblock um Károlyi hatten von ihrem Standpunkt aus durchaus recht, wenn sie Esterházy nahelegten, auf Neuwahlen zu bestehen, bloß um resigniert festzustellen  : Esterházy »benimmt sich sehr korrekt, eher zu zaghaft«. Tisza aber verstehe es, die Verhältnisse zu verwirren und lasse seine Verbindungen spielen zu gewissen Abgeordneten der Unabhängigkeitspartei, die einst mit seiner Unterstützung gewählt worden seien. Esterházy aber fürchte sich zuviel vor Apponyi und stehe »mit anderthalb Füßen im alten Kurs.«530 Von einer Verabschiedung der Wahlreform konnte unter diesen Umständen keine Rede sein. Oder besser, Tisza ließ die Wahlreform in einer etwas verwässerten Form erst im Juli 1918 durch, nachdem alle ihre Befürworter schon wieder aus der Regierung ausgeschieden waren. Die Zahl der Wahlberechtigten hatte sich damit immerhin fast verdoppelt, von ca. 8 % auf 13 % der Bevölkerung, sprich  : die Hälfte der erwachsenen Männer, jene mit mindestens sechs Jahren Schulbildung.531 Das eigentliche Ringen drehte sich von Anfang an um diesen »Bildungszensus« und um die Wahlkreiseinteilung, die möglichst wenig Mandate z. B. für die Rumänen produzieren sollte. Wo war die geheime Wahl vorgesehen, wo nicht  ? Verstand man unter Bildung den Nachweis von Ungarisch-Kenntnissen in Wort und Schrift  ? Selbst das »Heldenvotum« wies so seine Tücken auf  : Verstand man darunter nur die Träger der Tapferkeitsmedaille (darauf hätte sich auch Tisza eingelassen) oder auch alle Helden der Etappe  ? Mit den Sozialdemokraten hatte Tisza dabei die wenigsten Schwierigkeiten  : Ihnen ein paar städtische Wahlkreise einzuräumen war für ihn kein Casus Belli, nur am Lande (und unter den Nationalitäten) sollte Ruhe herrschen.532 Am Tag nach Tiszas Rücktritt hatte die Opposition über den »Schwanengesang des Tigers« gespottet und eine Halbierung seiner Fraktion vorausgesagt. Inzwischen hatte Esterházy zwar Serenyi als Handelsminister gewonnen, aber nur dreizehn von über 250 Abgeordneten der Arbeitspartei schlossen sich ihm an. Die »erhoffte Auflösung der oppositionellen Mehrheit trat nicht ein.«533 Esterházy trat noch während der Sommerpause zurück. Achtundvierzig Stunden lang wurde sein Parteichef Andrássy als Nachfolger gehandelt. Wedel resümierte, es gehe ihm wie den Kardinälen, die als »papabile« ins Konklave gingen, aber nie gewählt wurden. Dabei mag nicht zuletzt eine Rolle gespielt haben, dass Karl von seinem Geheimdienst zugetragen worden war, Andrássy intrigiere mit den Reichsdeutschen gegen Czernin.534 Der König entschied sich am 19. August für Sandor Wekerle, den Mann für alle Jahreszeiten, den schon im Mai Burian und auch Tisza empfohlen hatten als jemanden,

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der am ehesten in der Lage war, im Geiste eines Konzentrationskabinett zu regieren. Wekerle war ein Routinier, schon in den Neunzigerjahren erstmals Premier gewesen, dann ein weiteres Mal als Dompteur der Koalition von 1906 bis 1910. Er war mit der Situation vertraut, als 67er einer Regierung vorzustehen, deren Anhänger sich zum Großteil aus 48ern rekrutierten. Diesmal kam noch die Schikane dazu, zwischen dem »linken« Kabinett und dem »rechten« Reichstag zu finassieren. Man meinte, wenn überhaupt jemandem, so könnte Wekerle »die Spaltung der Tisza-Partei gelingen, auf die Graf Esterházy vergeblich hoffte.« Dem neuen Premier eilte der Ruf voraus, er sei »münchhausenisch veranlagt«. Viele Anekdoten rankten sich um seine angebliche Lügenhaftigkeit. Man könnte auch sagen, diese Veranlagung lag an der Situation, die er – das eine um das andere Mal – zu bewältigen hatte. Als ›trouble-shooter‹ in heiklen Situationen musste er gegensätzlichen Strömungen das Gefühl vermitteln, letztlich doch in ihrem Interesse zu arbeiten. Der deutsche Botschafter urteilte  : Wekerle, der »gemütliche Schwabe« (seine Familie war unter Maria Theresia aus Vorderösterreich nach Ungarn gekommen), sei »persönlich unzuverlässig, politisch zuverlässig.«535 Das eine bedingte das andere. Eine Mehrheit im Reichstag vermochte Wekerle freilich ebenso wenig herbei zu zaubern wie sein Vorgänger. Die Arbeitspartei bröckelte nicht ab, zusammengehalten von der Empörung über die defaitistischen Äußerungen Károlyis. Tisza knurrte einmal, in Anspielung auf den Caillaux-Prozess in Frankreich, ein Clemenceau würde schon wissen, was er mit solchen Leuten zu tun habe. Károlyi selbst gehörte der Regierung nicht an  ; für seine Partei saß der »Burgenländer« (mit Schloss in Neufeld) Graf Tivadar Batthyány im Kabinett, als Minister a latere, sprich  : Verbindungsmann zum König. Károlyi war der Wechsel zu Wekerle suspekt, aber er wurde von den bürgerlichen Mitgliedern des Wahlrechtsblocks, Vázsonyi, aber auch den Sozialdemokraten gedrängt, die Aussicht auf eine Wahlrechtserweiterung nicht durch einen vorzeitigen Austritt seiner Partei aus der Regierung zu torpedieren.536 Tisza kehrte im Oktober zum richtigen Zeitpunkt, während der erfolgreichen Offensive gegen Italien, von seinem »Fronturlaub« zurück und bereitete der Regierung über eine Routineangelegenheit eine Abstimmungsniederlage  ; diesmal, so ließ er generös verlauten, sei das bloß als Warnung zu betrachten, noch nicht als Misstrauensvotum, beim nächsten Mal vielleicht schon …537 Die Regierung Wekerle, die bei ihrer offiziellen Existenzberechtigung auf Granit biss, musste sich nach einer Ersatzbefriedigung umsehen. Sie konnte keine Drehung nach links vollziehen, weil ihr das Parlament dabei nicht folgte  ; die Erweiterung nach rechts aber gelang nicht, weil Tiszas Partei nicht abbröckelte. Die Masse ihrer Anhänger im Parlament waren weder Andrássy- noch Károlyi-Jünger, sondern konventionelle Nationalisten, wie sie die Unabhängigkeitspartei nun einmal prägten. Allemal populär war bei ihnen die Durchsetzung des ungarischen Standpunkts gegenüber den

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»Schwaben«. Um die Jahreswende 1917/18 warf Wekerle ihnen als »Beschwichtigungspulver« deshalb die Forderung nach einer Trennung der gemeinsamen Armee in ein österreichisches und ein ungarisches Heer zum Fraß vor, immer schon eine Lieblingsidee der Unabhängigkeitspartei, »vom König aus freien Stücken zur Erörterung gestellt«. Da konnte selbst Tisza nicht nein sagen. Man konnte die Debatten über die Armeetrennung als ein Zeichen der Auflösung der Monarchie betrachten oder als eine Anerkennung dafür, dass alle Vorbehalte gegenüber Ungarn durch die Ereignisse widerlegt worden waren. Die Kriegsmarine sollte kurioserweise weiterhin gemeinsam bleiben (weil man sie sonst den Österreichern hätte überlassen müssen  ?). Ein »Marschallsrat« in Wien reagierte auf diese Zumutungen mit einem empörten Nein  ; doch Karl verwies darauf, man möge den Ungarn die Freude doch gönnen, schließlich sei die Umsetzung all der schönen Pläne ausdrücklich auf die Friedenszeit vertagt worden – eine typische »Wekerliade« eben.538 Das Problem hingegen, das hic et nunc gelöst werden musste, war die Approvisionierung der westlichen Reichshälfte. Die rumänischen Lieferungen kamen im Laufe des Jahres 1917 erst langsam wieder in Gang. Daher die Bettelfahrten nach Berlin, die im Jänner 1917 einsetzten und naturgemäß die österreichische Verhandlungsposition schwächten. Im Mai 1917 mussten die Rationen für Schwerarbeiter gekürzt werden (die anderen waren schon am Minimum angelangt). Eine Streikwelle und Unruhen, die mit der Eröffnung des Reichsrates zusammenfielen, waren die Folge. Angesagt waren allerlei kurzfristige und kurzsichtige Aushilfen  : So sollten eine Zeitlang zumindest Zubußen an Fleisch das fehlende Brot ersetzen, schon einmal, um Futtermittel für das Vieh zu sparen. Hatte man anfangs ein Kälberschlachtverbot erlassen, so wurde jetzt das Steuer herumgeworfen. Ein Abgeordneter fragte grimmig nach, ob die Regierung Jungvieh denn für Ungeziefer halte.539 Die Ressorts führten ihren Kleinkrieg  : Das Innenministerium sah sich als Anwalt der Konsumenten  ; das Ackerbauministerium bestand auf der Erhaltung der »Kapazität« und prüfte auch kriegsbedingte Maßnahmen auf ihre Nachhaltigkeit  : Maximal ein Fünftel des Viehbestandes dürfe jährlich geschlachtet werden.540 Zur besseren Einbringung der Ernte griff man auf Ansätze von Mechanisierung zurück – und auf die Freistellung von Soldaten als Erntehelfer. Fast eine Million wurde mobilisiert, von Arbeitsbataillonen über Kriegsgefangene und Beurlaubte bis zu regulären Truppen.541 Nicht immer wurden diese »Ernteurlauber« von den Landwirten auch tatsächlich als Hilfe empfunden.542 Dennoch  : 1915 – mitten in der Eroberung Polens – oder 1916 – zwischen Brussilow-Offensive und rumänischem Kriegseintritt – hätte das AOK ein derartiges Ansinnen wohl schroff zurückgewiesen. In der Priorität für die »Ernteschlacht« des Sommers 1917 spiegelte sich das nach dem Rübenwinter und den Frühjahrsstreiks erwachte Bewusstsein für die ökonomische Krise ebenso wie das Gefühl der relativen militärischen Sicherheit (das sich in der 11. Isonzoschlacht

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Mitte August dann freilich als ein wenig trügerisch erweisen sollte). Außerdem sollte die Ernte diesmal schon ein Monat früher einsetzen – eine Weisung, die erregte Debatten unter Fachleuten auslöste. Landwehr als Ernährungsbeauftragter hatte auch eine gewisse Liberalisierung angedacht, aber nicht konsequent genug. Von 6. bis 9. September 1917 wurde eine dreitägige Enquete abgehalten, ob man nicht zum System Sedlmayr übergehen sollte, zur Kontingentierung, sprich  : Dem Landwirt sollte nicht mehr alles weggenommen, bis auf eine gewisse Kopfquote  ; sondern umgekehrt  : Er müsste ein gewisses Kontingent abliefern (das für den Armeebedarf und sozial Bedürftige ausreichte), den Rest konnte er frei verkaufen. Theoretisch hatte Landwehr für das System Sedlmayr Sympathien  ; auch Militärs wie Arz (staatsrechtlich immerhin ein »Ungar«) oder Krauß, der klagte, man könne doch nicht auch noch gegen die eigenen Bauern Krieg führen, sprachen sich in diesem Sinne aus  ; in den besetzten Gebieten wurde vielfach ähnliches praktiziert  ; auch der neue Ministerpräsident Seidler, der ja aus dem Ackerbauministerium kam, sah das Problem. Doch praktisch traute sich niemand so recht darüber. Produktionsanreize, gut und schön  ; doch bis zur nächsten Ernte war es noch fast ein Jahr. Die Konsumenten würden also zunächst einmal nur die Preissteigerungen zu spüren bekommen. Zwar konnte man die Teuerung allenfalls mit Lebensmittelsubventionen abfedern, die man aber gerade in den Griff bekommen wollte, um die Inflation nicht weiter anzuheizen.543 Die Herren gingen unverrichteter Dinge auseinander. »Selbst jene, die der Kriegswirtschaft am schärfsten zuleibe gingen, fanden nicht den Mut, das Betreten neuer Wege zu empfehlen.« Die Politiker fürchteten sich mehr vor dem aktiven Unmut der städtischen Konsumenten als vor der passiven Resistenz der agrarischen Produzenten, die erst recht wieder auf die Endverbraucher zurückfiel. Das Resultat beschrieb ein Agrarier  : Wir haben in Österreich das billigste Brot von ganz Europa, nur leider haben wir kein Brot.544 Im nächsten Jahr wollten sich die Agrarier verpflichten, beim Übergang zu einem von ihnen administrierten Kontingentierungssystem den Mindestbedarf der Nicht-Selbstverbraucher zu garantieren, doch Seidler vertröstete sie auf ein »Ernährungsbündnis« der Mittelmächte, das nie zustande kam. Nur in Niederösterreich scheint man sich 1918 doch darauf geeinigt zu haben, die Aufbringung eines gewissen Kontingents einfach dem christlichsozialen Bauernbund zu überlassen, ohne die Behörden damit im Einzelnen zu befassen. In Böhmen verhinderte der nationale Zwiespalt eine ähnliche »Bewirtschaftung von unten«  ; sie kam ab Sommer im tschechischen Gebiet in Ansätzen doch noch zustande, allerdings ohne dass die österreichischen Behörden überhaupt noch gefragt wurden, als subversive Selbsthilfeorganisation – und Vorläufer der »rot-grünen« Koalition in den ersten Jahren der Tschechoslowakischen Republik.545 Solange man sich in Österreich zu keiner Reform durchringen konnte, gab es nur ein Allheilmittel, nämlich höhere Lieferungen aus Ungarn. Ein Dauerbrenner all die-

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ser Debatten waren die höheren Kopfquoten, die höheren Preise und die laschere Bewirtschaftung jenseits der Leitha, wo der Viehverkehr noch überhaupt nicht geregelt war und die Selbstverwaltung der Komitate der passiven Resistenz Vorschub leistete. Für ein Vorgehen nach österreichischem Muster  – unabhängig davon, ob es jetzt zweckmäßig war oder nicht  –, waren die administrativen Voraussetzungen einfach nicht gegeben, wie Stürgkh und Tisza immer wieder betont hatten.546 Doch Tisza war als Sündenbock für die Versäumnisse der österreichischen Politik geradezu prädestiniert. Auch die reichsdeutschen Stellen, die von Wien um Aushilfe ersucht wurden, schlossen sich dieser Sprachregelung nur allzu gerne an. Botschafter Wedel drahtete, man müsse Czernin dazu bewegen, Tisza die Unterstützung zu entziehen, damit in Ungarn endlich einmal scharf durchgegriffen werde.547 Es war kein Zufall, dass Andrássy in seiner Kandidatenrede auch einer gemeinsamen Ernährungsbilanz das Wort geredet hatte. Freilich  : Gerade auf diesem Sektor machte sich der Wechsel von Tisza über Esterházy zu Wekerle kontraproduktiv bemerkbar machte, zumindest für die Österreicher. Tisza war ein harter Verhandler, was ungarische Interessen betraf, aber er war nicht in erster Linie um Popularität bemüht. Dieses Kompliment machten ihm selbst seine schärfsten Gegner  : »Nach Volkstümlichkeit hat er nie gehascht, auch nicht viel von ihr gehalten.«548 Er dachte in langfristigen Kategorien, war deshalb immer wieder zur momentanen Aushilfe bereit. Im Oktober 1916 hatte er die Heeresversorgung auf die Rechnung Ungarns übernommen, größere Lieferungen – und 100.000 Rinder – noch am Vorabend seiner Demission zugesagt. Seine Nachfolger, die auch politisch von der Hand in den Mund lebten, sahen sich dazu nicht in der Lage. Czernin war kein unvoreingenommener Zeuge, aber er hatte wohl nicht unrecht, wenn er schrieb  : Das Koalitionsregime sei gezwungen, bei allen »Entschlüssen die Meinung der verschiedenen Parteichefs, denen es in erster Reihe um ihre Volkstümlichkeit zu tun ist, zu einem Kompromiss zu verwässern.« Die Minderheitsregierung Wekerle sei vor allem darauf Bedacht, »nicht durch ein zu scharfes Vorgehen sich in der Wählerschaft Feinde zu machen.«549 Die Vorwürfe galten zunächst dem Ministerium Esterházy, das mit den Ernteverordnungen zurückhielt, bis es zu spät war, dann dem Grafen Janos Hadik als ungarischem Ernährungsminister, Andrássys Vertrauensmann im Kabinett Wekerle, der mit der einen Hand zurücknahm, was er mit der anderen gewährte. Er wurde gedrängt, die Reste des freien Markts für Getreide auszuschalten, die sich in Ungarn – im Gegensatz zu Österreich  – noch legal erhalten hatten, unter der kakanischen Formel  : Die Selbstversorgung der Nicht-Selbstversorger. Er tat es auch, allerdings erst Ende Oktober, als die Kuh bereits aus dem Stall war  ; dafür setzte er die Kopfquoten für ungarische Verbraucher sogar noch hinauf.550 Die Krise erreichte ihren Höhepunkt, als Hadik die Lieferungen an die Armee angeblich auf die Hälfte kürzte (oder fehlten

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bloß die Züge  ?). Czernin und Landwehr fuhren daraufhin extra ins Hauptquartier nach Adelsberg, wo Karl dem Beginn der 12. Isonzoschlacht entgegenfieberte, um vom Kaiser die Abberufung Hadiks zu verlangen, denn – siehe Wedels Argumentation vom Frühjahr – solange man in Ungarn angeblich in Saus und Braus lebe, könne man von Deutschland keinerlei Zuschüsse erwarten.551 Die Ungarn pflegten auf derlei Vorwürfe zu antworten, die Deutschen sollten sich lieber den Kopf darüber zerbrechen, wie man die Rationen in ihrem Besatzungsrayon Rumänien kürzen könne. Diesmal drohte Wekerle sogar mit dem Rücktritt  ; der Kaiser empfing ihn zur Audienz. Der gemütliche Schwabe, der so schwer nein sagen konnte, behandelte die Österreicher wie seine Landsleute auch. Er versprach Besserung, oder besser  : Er gab eine Verwendungszusage ab, Hadik werde sich bessern. Eine Entlassung Hadiks gegen den Rat Wekerles, sprich  : eine Regierungskrise in Ungarn, wollte wiederum der Karl nicht provozieren. Das Spiel wiederholte sich mehrmals. Inzwischen drohte das Kriegsministerum mit Requisitionen in Ungarn. Damit hätte man freilich in gewisser Hinsicht den Bock zum Gärtner gemacht  : Das Heer hatte zwar gerade den Sieg von Caporetto erfochten, dafür aber so viel rollendes Material in Anspruch genommen, dass die Versorgung im Hinterland erst recht zusammenbrach.552 Eine Lösung  – zumindest auf der personellen Ebene  – ergab sich erst im Jänner 1918. Das Scheitern der Wahlrechtsvorlage an der Mehrheit der Tisza-Anhänger im Parlament führte zum Ausscheiden der Linksparteien aus dem Kabinett Wekerle. Im Zuge der Regierungsumbildung (genau genommen  : auf österreichischen Druck schon ein paar Tage früher) konnte Wekerle jetzt endlich auch Hadik fallenlassen. Hadiks Nachfolger Lajos Windischgraetz, der Kritiker der Armee, war vom besten Willen beseelt – und bekam 50.000 Soldaten zu Requisitionszwecken zugeteilt. Mit dem Slogan der Armeetrennung band Wekerle dafür das Gros der Unabhängigkeitspartei fester an sich. Apponyi hatte immer schon den Standpunkt vertreten  : Gute Freunde, strenge Rechnung. Die beiden Parteien Andrássys und Apponyis verschmolzen unter Wekerles Führung Anfang Februar 1918 zu einer »48er-Verfassungspartei«, dem politischen Pendant zur eierlegenden Wollmilchsau. Die Regierungsumbildung signalisierte einen Rechtsruck, der vom Parlament nicht honoriert wurde  : Ein halbes Dutzend Abgeordnete der Unabhängigkeitspartei (unter Bizony) machten die Fusion nicht mit und gingen in die Opposition  ; etwa gleich viel Tisza-Anhänger (unter Janos Zichy) erbarmten sich des Premiers und schlossen sich der Regierungspartei an. Das war zu wenig. Spätestens jetzt war klar  : An Tisza führte kein Weg mehr vorbei, es sei denn  : Man schlug doch noch Neuwahlen.553 Die Vorstellung, dass es Wien mit Tiszas Nachfolgern leichter haben würden, fand nur in einer einzigen Beziehung auch tatsächlich Erfüllung. Tisza hatte auf dem Abschluss eines verbesserten Ausgleichs bestanden, bevor die Monarchie in Verhandlun-

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gen mit Deutschland eintrat. Verbessert, das hieß  : Ungarn zahlte bei der sogenannten »Quote«, dem Anteil an den Ausgaben für Heer und Diplomatie, 21/2 % weniger, dafür würde die Laufzeit dieses »Zoll- und Handelsbündnisses« zwischen den beiden Reichshälften von 10 auf 20 Jahre erhöht. Diese Verlängerung war der Unabhängigkeitspartei nicht schmackhaft zu machen. Ein Ungar seufzte  : »Graf Apponyi verharrt auf seinem bekannten Standpunkt der vollkommenen Negation gegenüber einem langfristigen Ausgleich mit Österreich. Merkwürdigerweise glaubt er jedoch, einen solchen mit Deutschland schließen zu können.«554 Im November 1917 einigte man sich deshalb auf ein Provisorium  : Der bestehende Ausgleich wurde bis 1919 verlängert. Bis dahin zahlten die Ungarn weiterhin mehr. Die Verhandlungen mit Deutschland hatten inzwischen ohnehin schon angefangen. Derlei staatsrechtliche JustamentStandpunkte seiner Landsleute hatte Wekerle schon zehn Jahre früher kommentiert  : Die Narren geben gutes Geld für Glasperlen. Aber wenn es politisch opportun war, gab er seinen Segen dazu, damals wie heute.555 Das Theater um Hadik unterstrich die Botschaft bloß noch  : »Unter Tisza hätte es das nicht gegeben.« Es war unvorstellbar, dass Czernin – oder Berchtold – von ihm den Rücktritt eines seiner Minister verlangt hätten. Ungarn war in der Hackordnung zurückgefallen  ; es rächte sich durch kindische Trotzreaktionen. In außenpolitischer Beziehung ließ sich aus den Ansichten der ungarischen Regierungsparteien nach Tiszas Sturz noch weniger eine klare Linie herausdestillieren als in der Innenpolitik. Das Spektrum reichte vom Zweibund-Gegner Károlyi bis zum Mitteleuropa-Befürworter Andrássy, von Friedensaposteln bis zu Hurrapatrioten vom Schlage Istvan Bethlens, des Ministerpräsidenten der Zwischenkriegszeit, politisch einem Wanderer zwischen den Welten, damals gerade Mitglied von Andrássys Verfassungspartei, der noch im Vorjahr davon geschwärmt hatte, Serbien zu annektieren und die Rumänen aus Siebenbürgen auszuweisen.556 Allerdings, Ehre wem Ehre gebührt  : Wekerle hatte als Mitteleuropa-Anhänger bei der reichsdeutschen Diplomaten eine gute Presse, erhob als Ministerpräsident die auswärtige Politik aber keineswegs zu seinem Steckenpferd. Ungarn behinderte die Politik Czernins nicht – von seiner Eifersucht auf Andrássy einmal abgesehen. Es war ihm nach Tiszas Sturz auch keine Stütze. Das »unpolitische« Ministerium Seidler  : Nationale Autonomie und »Querfront«

In Österreich hatte Karl hatte nach dem Rücktritt Clams am 23. Juni 1917 Ernst v. Seidler mit der Führung einer Übergangskabinetts betraut. Die Sommerpause sollte dazu genützt werden, über die Bildung einer dauerhaften Regierung zu verhandeln. Seidler war Sektionschef im Ackerbauministerium  ; als Jurist und Professor an der

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Hochschule für Bodenkultur hatte er dem damaligen Thronfolger Karl Unterricht erteilt  ; als Wasserrechtler war er mit dem Prädikat »von Feuchtenegg« geadelt worden. Seidler hatte 1914/15 dem Kreis um Marchet und Baernreither angehört, zumindest Einladungen erhalten, war aber nicht besonders hervorgetreten. Dem Charakter der Übergangsregierung entsprach die Erklärung, die er verlas  : Er betrachte seine Regierung ausdrücklich als unpolitisch. (Später wurde daraus das Bonmot, der Kaiser habe Seidler »untersagt, sich mit Politik zu befassen.«)557 Seidlers erstes Kabinett bestand daher aus beamteten »Leitern« ihrer Ministerien. Baron Handel als Verfasser der diversen Entwürfe für ein Oktroi wurde als Innenminister durch Graf Friedrich Toggenburg abgelöst, einen der deutschen Hochkonservativen, von dem man hoffte, dass er als Neffe Franz Thuns vielleicht auch bei den Tschechen Gnade finden würde.558 Dem Provisorium Seidler wurde vom Haus am 26./27. Juni 1917 ein Budgetprovisorium bewilligt, sprich  : ein Budget nicht auf ein Jahr, sondern bloß auf einige Monate, das keine politischen Akzente setzte, sondern für die »Staatsnotwendigkeiten« sorgte, indem es die bestehenden Ziffern einfach fortschrieb. Das Budgetprovisorium war in Österreich fast schon zur Routine geworden – es kam vielen entgegen. Es war im Prinzip natürlich ein strukturkonservatives Modell, denn es blieb im Wesentlichen alles beim Alten  ; zugleich war die Kurzatmigkeit dieser Vorgehensweise aber auch wie geschaffen für die Begehrlichkeiten der Parlamentarier. Denn die Parteien hätten so öfter Gelegenheit, die üblichen Erpressungen an der Regierung zu begehen, urteilte der Abgeordnete Gustav Hummer, der wusste, wovon er sprach, denn er sollte es in dieser Disziplin noch zu wahrer Meisterschaft bringen.559 Diesmal hatte die Regierung erst gar kein Budget vorgelegt. Sie verlangte ganz einfach die Vollmacht, in unbegrenzter Höhe Kredite aufzunehmen. Das Haus begrenzte die Summe nach oben und den Zeitraum nach unten, nicht bis Jahresende, sondern nur bis Ende Oktober 1917. Dafür wurde das Budgetprovisorium jedoch mit einer beeindruckenden Mehrheit von 292 zu 150 verabschiedet. Tschechen, Südslawen und Sozialdemokraten stimmten routinemäßig dagegen  ; aber selbst Prašek, der als Geheimer Rat jetzt am radikalen Flügel der Tschechen zu finden war und in seine Rede einflocht, wenn Kramář ein Hochverräter sei, dann »sind wir alle Hochverräter«, urteilte wegwerfend  : »Dieser Verlegenheitsregierung scharf entgegenzu treten, ist eigentlich undankbar.«560 Man konnte es freilich auch als ein kurioses Alarmsignal für ein konservatives Regime auffassen, wenn mit Kramář und Prašek ausgerechnet die beiden reichsten tschechischen Politiker die Speerspitze der radikalen Opposition bildeten. Aber war mitten im Krieg nicht Handlungsfähigkeit gefragt  ? Auch da fand man einen Ausweg. Das Abgeordnetenhaus machte sich mit der einen Hand über die 173 Notverordnungen her, die papierene Hinterlassenschaft des Kriegsabsolutismus, aber es bewilligte der Regierung mit der anderen Hand gleichzeitig ein Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz, über das die »Neue Freie Presse« schrieb, »vielleicht noch

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niemals habe ein österreichisches Parlament einer Regierung so weitgehende Vollmacht erteilt«.561 Diesem kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz war bekanntlich ein Leben nach dem Tode der Monarchie beschieden. Es feierte 1932/33 als Instrument der Minderheitsregierung Dollfuß eine Auferstehung. Diese unbeabsichtigten Nachwirkungen standen im auffälligen Kontrast zu seiner Genesis, die sich 1917 ohne großes Aufsehen vollzog. Generalredner für das Gesetz war ausgerechnet der Sozialdemokrat Wilhelm Ellenbogen, der sich zwar gegen den Ausdruck »Kriegssozialismus« verwahrte, aber argumentierte, die Kriegswirtschaft erfordere nun einmal entschiedenes staatliches Handeln und es sei besser, diese Verordnungen würden aufgrund eines Ermächtigungsgesetzes erlassen als mit dem berüchtigten § 14. Seidler schlug in dieselbe Kerbe  : Er wolle sich jetzt nicht auf die »tausendjährige Frage« einlassen, ob privatwirtschaftliche Wege oder gemeinwirtschaftliche Methoden besser zum Ziel führten. Die Regierung erblicke in der parlamentarischen Kontrolle ihrer Aktivitäten jedenfalls »eine moralische Stütze gegenüber der Bevölkerung«.562 Vermutlich waren gerade deshalb die Agrarier skeptisch  : Eine festere gesetzliche Basis für die Fülle an Verordnungen, die sie bedrängten, war nicht nach ihrem Geschmack. »Die Wirtschaft der Zentralen hat den Patriotismus ins Wanken gebracht«, klagte ein biederer Christlichsozialer vom Leithagebirge über die »Hyänenwut bei den Requirierungen«. Ein polnischer Gutsbesitzer nahm in seiner Beschreibung die Realität des nächsten Jahrhunderts vorweg. Er sei zwar Jurist, aber auch er könne die Flut der Verordnungen nicht mehr bewältigen  : »Wir bekommen Verordnungen, wann wir säen sollen, wann wir ernten, wann wir Dünger ausführen, wann wir dreschen sollen, immer von Tag zu Tag, bei sonstiger Strafe von 5000 bis 20000 K. Aber die Rechnung wurde immer ohne den lieben Herrgott gemacht, der nicht regnen ließ, wann es die Regierung wollte …« (Freilich, als wahr erwies sich vielfach vermutlich auch die Beobachtung  : »Man verordnet viel und führt eigentlich am Lande nichts durch …«)563 Wider Willen großes Aufsehen erregte nur die Amnestie vom 2. Juli, ein Gnadenakt des Herrschers, der von irgendjemand gegengezeichnet werden musste, und dieser Jemand war Seidler. Die Amnestie betraf nicht bloß Tschechen, sondern auch Deutsche – dem alldeutschen »Guru« Georg Schönerer zum Beispiel wurde sein 1888 aberkannter Adelstitel wiederverliehen, was er prompt grollend ablehnte  ; aber die Öffentlichkeit hatte nur Augen für Kramář, der schon im Frühjahr zu 15-jährigem Kerker begnadigt worden war. Seidler verhandelte mit Tobolka über eine Freilassung, die ohne Manifestationen stattfinden sollte. Die Amnestierten sollten sich auf ihre Landgüter zurückziehen und sich still verhalten. Kramář Mithäftling Rašin besaß bei Pisek eine Villa namens »Amerika«  ; die »Neue Freie Presse« bekam diese Nachricht in die falsche Kehle und mutmaßte sofort, er wolle auswandern.564 Die Indignation in der deutschen Öffentlichkeit war weit verbreitet. Der Agrarier Viktor Waldner, der sich Seidler gegenüber damit einverstanden erklärt hatte, wurde

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zur Zielscheibe wütender Pressepolemiken. Dass die Amnestie für Kramář von der deutschen Politik »als Niederlage empfunden würde, sei verständlich  ; dass man es so offen zeige, dumm«, urteilte Parish.565 Czernin wand sich in Ausflüchten und wollte von allem nichts gewusst haben. Auch in Seidlers Kabinett waren die Meinungen geteilt. Der Eisenbahnminister Banhans – schon sein Vater hatte dieses Ressort innegehabt, als es noch zum Handelsministerium gehörte – brachte es auf den Punkt  : Eine Amnestie sei schön und gut  ; aber sie hätte »nicht verschenkt« werden dürfen, sondern an gewisse Gegenleistung gebunden werden müssen.566 Dazu kam noch vor Ferienbeginn die Verabschiedung der »Lex Franta«  : Die nichtdeutsche Mehrheit des Abgeordnetenhauses beschloss das einzige, worüber sie sich einig war, dass nämlich endlich auch Reden protokolliert werden sollten, die nicht auf Deutsch gehalten wurden. Es war eine der wenigen, wenn nicht die einzige Gelegenheit, bei der die vielzitierte »slawische Mehrheit« des Hauses zum Tragen kam. Das Abstimmungsergebnis lautete 203 zu 185, auch die deutschen Sozialdemokraten stimmten mit den Deutschbürgerlichen dagegen. Das war eine symbolische Lappalie, die in Zeiten der Kriegszensur plötzlich an Wert gewonnen hatte  : Denn Auszüge aus den Protokollen des Reichsrates konnten von der Zensur nicht konfisziert werden  ; auf diese Weise ließen sich anstößige Passagen »immunisieren«. Das Tauziehen um die Lex Franta verschärfte den Eindruck, die Regierung habe den Deutschen den Rücken gekehrt, insbesondere als sie alle Hebel in Bewegung setzte, im Herrenhaus einen gegenlautenden Beschluss zu verhindern, der einen Konflikt beider Häuser heraufbeschworen hätte.567 Die Amnestie war natürlich auch als Geste des guten Willens gedacht, um die Verhandlungen über die Regierungsbildung zu erleichtern, ja deshalb vielleicht sogar vorverlegt worden. Auch bei den Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten war an Deutsche gedacht, die bei den Tschechen aus dem einen oder anderen Grund positive Aufnahme finden könnten, wie z. B. Josef Redlich, ein Außenseiter im Nationalverband, oder Heinrich Lammasch, ein Außenseiter in der Mittelpartei des Herrenhauses. Redlich wurde vom Nationalverband nicht mehr als einer der ihren angesehen, selbst von Dobernig und der Arbeitsgemeinschaft, von den Deutschradikalen ganz zu schweigen. Lammasch, als Kontaktmann zur Gruppe um den Großhändler Meinl, war ein Wissenschafter, der für einen Versöhnungsfrieden eintrat. Er kam Czernin damals noch gelegen, um auf Deutschland Druck auszuüben, sich vielleicht doch noch zur Abtretung des Elsass zu bequemen, verfügte aber über keinerlei Erfahrung in der Innenpolitik. Wie ernst gemeint diese exotischen Sondierungen waren, muss dahingestellt bleiben. Als Alternative wurden auch die Namen einiger Generäle kolportiert, unter anderem auch Franz Ferdinands ehemaliger Kabinettschef Bardolff.568 Auf alle Fälle kristallisierte sich im Laufe des Juli heraus, dass an eine Einbindung der Tschechen – in der einen oder anderen Form, als Teil der Regierung oder der Arbeitsmehrheit – nicht zu denken war. Die fragile Einheit des Česky Svaz hätte ein sol-

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ches Experiment nicht vertragen  ; in dieser Situation kam den radikalen Minderheiten ein Vetorecht zu. Der Obmann der tschechischen Sozialdemokratie, Šmeral, trat mit einem flammenden Bekenntnis zu Österreich zusammen mit Redlich und Lammasch am 17. Juli auf einer Friedensversammlung auf, aber er geriet zunehmend unter Druck in der eigenen Partei. Der Česky Svaz verteidigte ihn gegen die Querschüsse diverser Blätter, musste aber auf seine Kritiker Rücksicht nehmen. Die Tschechen schossen sich auf den böhmischen Statthalter Coudenhove ein  ;569 doch selbst wenn man ihnen dieses Bauernopfer gebracht hätte, an eine offen regierungsfreundliche Haltung war nicht zu denken, das bewiesen die Vorgänge um die Teilnahme am Unterausschuss für Verfassungsfragen. Allenfalls einer Persönlichkeit traute man zu, das Unmögliche möglich zu machen, dem legendären Strippenzieher und österreichischen Giolitti, Max Wladimir Beck, der gegen Ende Juli zu Karl zitiert wurde. Widerwillig bewundernd schrieb Wedel  : Der Mann, »der sich vorschiebt und von allen Seiten geschoben wird, ist Beck. Er genießt eigentlich nirgends Vertrauen und doch weist alle Welt, sogar seine Gegner, auf ihn als den gegebenen, ja den einzig möglichen Mann hin.« (Hier seufzte Kaiser Wilhelm, ebenfalls gerade mit einer Kanzlerkrise konfrontiert  : »Wie Bülow  !«)570 Zweifellos gefördert wurde Becks Berufung von Czernin, der für seine auswärtige Politik eine stabile Basis benötigte und daheim seine Ruhe haben wollte. Beck kam aus einer utraquistischen Familie in Südböhmen  ; sein Vater war 1848 noch in einem tschechischen Wahlkreis gewählt  ; dem Sohn wurde in seiner Zeit als Premier vorgeworfen, die Verwaltung diverser Ministerien den Tschechen ausgeliefert zu haben. Doch ob ihm die Tschechen tatsächlich Vorschusslorbeeren bewilligen würden, war äußerst fraglich. Dazu wurden Gerüchte kolportiert, der Kaiser sei skeptisch wegen Becks guten Beziehungen zu Sieghart, seinem Faktotum als Sekretär des Ministerratspräsidiums.571 Sobald sich keine große Lösung abzeichnete, kein übernationales ›National Govern­ment‹, machte Karl aus dem Provisorium Seidler am 31. Juli ein Definitivum. Als politische Leitlinie der neuen Regierung war von nationaler Autonomie die Rede. Das klang nach wegweisenden Reformen, nach einer Vorwegnahme des Völkermanifests vom Oktober 1918, nach Eingehen auf Wilsons Ideen und nach versäumten Chancen. Der politische Hintergrund des Sommers 1917 war vermutlich doch etwas prosaischer, hatte mehr mit einem Rechenkunststück zu tun. Wenn die Polen beleidigt waren und die Tschechen sich allen Lockrufen verweigerten, wer blieb dann noch für eine Mehrheitsbildung im Abgeordnetenhaus übrig  ? Im Prinzip rechnete man natürlich weiterhin mit dem Gros der Deutschbürgerlichen (selbst wenn unklar blieb, ob die Deutschradikalen nach den Enttäuschungen des Frühjahrs nicht auf Rache sannen  ?) Übrig blieben, als Zünglein an der Waage, dann natürlich die Ukrainer, die Südslawen und die Sozialdemokraten.

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Diese Liste lässt den Charme des Schlagworts von der nationalen Autonomie nun allerdings verständlich erscheinen. Denn sie alle galten im Prinzip als Anhänger oder Nutznießer der nationalen Autonomie. Das Schlagwort war imstande, die Front der Austro-Slawen zu spalten, wie sie sich soeben erst bei der Lex Franta – zum ersten und einzigen Mal – zusammengefunden hatte.572 Für die Tschechen in Böhmen und die Polen in Galizien war das Schlagwort natürlich ein Gräuel. Die Ukrainer waren genauso selbstverständlich dafür. Für die Südslawen hatte der Kroate Spinčić, aus Istrien, eben erst einen Reformvorschlag vorgelegt, der eine Gliederung der Monarchie in fünf nationale Gebiete vorsah. Die Slowenen konnten von nationaler Autonomie nur profitieren. Ihre Volksgenossen waren auf sechs Kronländer verteilt  ; nur in der Krain verfügten sie über die Mehrheit, überall sonst stellten sie Minderheiten. Außerdem traf die Forderung nach nationaler Autonomie natürlich den Kern der deutschböhmischen »Voraussetzungen«, die durch Hintertür wieder salonfähig wurden. Nationale Autonomie – das war der gemeinsame Nenner einer politischen »Querfront«, von Parteien, die einander ansonsten spinnefeind waren, wie Sozialdemokraten und Deutschradikale, die aber in diesem einen Punkt unübersehbar gewisse Berührungspunkte aufwiesen. Die deutschen Sozialdemokraten wollten ihre Premiere als Regierungspartei nicht gerade in einer Zeit von Militärwillkür und Hungersnot feiern  ; sie lehnten die Übernahme eines Ressorts ab, ließen aber deutlich eine gewisse Kompromissbereitschaft durchblicken, sei es, dass sie einzelnen Vorlagen ihre Zustim­ mung nicht versagten oder sich in gewissen Fällen der Stimme enthielten. An ihnen wäre die Kombination zweifelsohne nicht gescheitert. Die Ukrainer wären wohl ebenso zu haben gewesen. Ihr Spiritus rector, »Koko« Wassilko, wurde von Czernin zu allerlei Missionen benützt. Die Sache spießte sich bei den Slowenen, die dem Angebot nicht trauten  : Dahinter stand ein Machtkampf zwischen dem Obmann im Reichsrat, Anton Korošec, und Ivan Šusteršič, dem Landeshauptmann und ungekrönten Herzog der Krain. Handel hatte als Karotte im Zuge des geplanten Oktroi den Anschluss des Küstenlands, sprich von Görz und Istrien – mit Ausnahme von Triest und Pola – an die Krain bereit gehalten  ; denn auf Kosten der Italiener, die mit wenigen Ausnahmen (wie dem Landeshauptmann von Istrien, Luigi Rizzi, oder dem Bürgermeister von Zara, Luigi Ziliotto) als Irredentisten abqualifiziert wurden, ließen sich leicht Konzessionen machen. Vielleicht könnte man Josef Pogačnik, einen untadeligen Reserveoffizier, der einstens Franz Ferdinands (und Bardolffs) Wohlgefallen erregt hatte und auch schon als Kompromisskandidat für den Präsidenten des Abgeordnetenhauses im Gespräch war, als ersten slowenischer Minister berufen.573 Im Juni hatten die Südslawen noch für das Budgetprovisorium gestimmt, doch am 7. August lehnten die Slowenen Seidlers Angebot ab. Bei den Slowenen war die Grundstimmung bäuerlicher-konservativer als bei den Tschechen  ; ihr Wunsch nach einer Verenigung der Südslawen unter Habsburgs

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Abb. 16  : Ivan Šusteršič, Landeshauptmann der Krain. 1912 reimte der Karikaturist noch  : »So haßt den Führer die Partei/ Und fügt sich doch der Tyrannei«  ; doch 1917 kehrte ihm seine Allslowenische Volkspartei den Rücken.

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Abb. 17  : »Herr Pogačnik war Offizier / Sehr schneidig ist noch die Manier«. Vizepräsident des Abgeordnetenhauses und Ministerkandidat 1917.

Szepter war mehrheitlich ernst gemeint  ; aber die Logik einer Politik der zwei Eisen im Feuer war auch ihren politischen Eliten klar. Der Konflikt innerhalb der slowenischen Katholiken wurde in klassischer Manier vom Laibacher Bischof Jeglić entschieden – und zwar gegen Šusteršič.574 Die Umrisse der gescheiterten Kombination zeichneten sich in der Zusammensetzung des Kabinetts ab. Seidler bildete ein Beamtenkabinett, aber  : Erstmals fand sich in den Ministerlisten ein Slowene und ein Ukrainer. In beiden Fällen natürlich keine Politiker und keine berufenen Vertreter ihrer Volksgruppe, aber doch Vertrauensmänner im Sinne Trnkas, die Kontakte herstellen konnten und inzwischen als Platzhalter dienten, bis es sich ihre Landsleute vielleicht anders überlegten. Der Jurist Ivan Žolger

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aus dem Ministerratspräsidium – Autor eines bahnbrechenden Studie über das Hofzeremoniell – für die Slowenen, Johann Horbaczewski – Professor in Prag – für die Ukrainer. Wassilko stellte Seidler dafür den Bruch der »unnatürlichen Verbindung« der Ukrainer mit der tschechischen Opposition in Aussicht.575 Als Verbeugung vor den Anliegen der Sozialdemokratie konnte man die Schaffung eines Ministeriums für Soziale Verwaltung betrachten, für das schon Baernreither Vorarbeiten geleistet hatte. Außerdem wurde im Ministerratspräsidium vorsichtshalber schon einmal ein Department für Verfassungsrevision eingerichtet. Schließlich suchte Seidler nach einem böhmischen Konservativen, einem Surrogat-Tschechen, als Ackerbauminister  ; mehrere Lobkowitz sollen abgelehnt haben, Ernst Silva-Tarouca – eben erst zum Führer der Rechten des Herrenhauses gewählt – griff mit beiden Händen zu – nicht ganz ohne Hintergedanken, seinen Chef vielleicht demnächst beerben zu können.576 Die Fronten im deutsch-tschechischen Konflikt hatten sich seit der Frühjahrstagung verhärtet. Damals tastete man sich noch vorsichtig ab. Der Kontakt mit der Heimat, die Bodenhaftung mit wem auch immer ließ taktische Winkelzüge vergessen und »nackensteife« Opposition an Anwert gewinnen. Im Juli hatte sogar der Natio­ nalverband noch mit einer Koalitionsregierung spekuliert. Pacher und Dobernig wären nicht ungern Minister geworden und dachten dabei an Šmeral als Kompagnon, der in Mähren extra aus einem Zug geholt wurde – und ablehnte. Doch allein schon die Anfrage wurde Šmeral verübelt. Die innerparteiliche Opposition gegen ihn um die Pilsener Gruppe Habrman/Pik und die Konkurrenz, die Nationalsozialisten um den Jungstar Střibrny und sein Blatt »Česka Demokracie«, spielten einander die Bälle zu, bis Šmeral noch vor dem Parteitag im Oktober den Kampf aufgab.577 Bei den Tschechen hatten sich die städtisch-bürgerlichen Abgeordneten jetzt tatsächlich zu einem Klub vereinigt, doch nicht mehr unter Mattuš oder sonstigen vertrauenerweckenden Honoratioren, sondern unter dem aus der Haft entlassenen Nationalsozialisten-Chef Klofáč  ; Kramář selbst, der versprochen hatte, der Politik »auf absehbare Zeit« fern zubleiben, ließ sich im Oktober in Prag feiern  ; auch ein Teil der Agrarier hatte sich an der Kampagne gegen Šmeral beteiligt. Parish verzweifelte angesichts der verkehrten Welt  : »Die Agrarier am äußersten Flügel und als Staatsstütze die Sozialdemokraten  ! […] Die Böhmen sind wie von der Tarantel gestochen.«578 Auf alle Fälle machten die Tschechen unmissverständlich klar, dass mit ihnen derzeit kein Bund zu flechten war. Ein Vertrauensmann des Kaisers, Baron Erwin Nadherny, drang im September bis zu Šamal vor, Masaryks Vertrauensmann, der ihm ausrichtete  : All diese Vorschläge seien »impraktikabel.«579 Der Gemütszustand bei den Deutschen war nicht viel ausgeglichener. Steinwender gab namens des Nationalverbandes eine maßvolle, aber entschiedene Linie vor  : Man halte – im Gegensatz zu den tschechischen Forderungen – am Dualismus fest (der sich auch bei den Deutschen nicht immer uneingeschränkter Beliebtheit erfreut

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hatte) und strebe für Böhmen eine Lösung an, »die den Tschechen nichts nimmt und den Deutschböhmen die Selbstregierung und die Selbstverwaltung sichert.«580 Den in erster Linie Betroffenen, den Deutschradikalen, war diese platonische Solidarität zu wenig. Ihr großes Projekt war geplatzt, die Schrecksekunde vorbei. Der Amnestieerlass war ihnen nahezu willkommen als Ventil und Anlass für publikumswirksame Entrüstung. Die kathartische Wirkung blieb dennoch aus. Karl Hermann Wolf und die Seinen kehrten nach Wien zurück, wild entschlossen, ihrer Frustration Luft zu machen, ohne Rücksicht auf taktische Finessen. Die Deutschradikalen beschlossen, es den Tschechen gleichzutun und ihre Ausschussmandate niederzulegen. Als ihre Kollegen dabei nicht mitziehen wollten, sprengten sie kurzerhand den Nationalverband. Die Kollegen aus dem Nationalverband rächten sich, als sie bei den Delegationswahlen statt eines Deutschradikalen einen Sozialdemokraten wählten. Im Rückblick erscheint auffällig, dass der umstrittene Antrag nicht von Wolf selbst eingebracht wurde, sondern von Oskar Teufel, dem Benjamin des Hauses, der den Parteigründer zunehmend in den Hintergrund drängte. Bezeichnend war auch eine weitere Episode  : Daszynski, der wortgewaltige Pole, der seit zwanzig Jahren mit Wolf die Klingen kreuzte, antwortete auf die Tiraden über »die Peitsche«, mit der man auf die »Renitenz gegen den Staatsgedanken« reagieren müsse, erstaunlich irenisch und ironisch  : Mit Wolf als Deutschnationalem wolle man sich gerne auseinandersetzen, von Volk zu Volk, unerträglich sei es bloß, wenn sich die deutschen Irredentisten von ehedem als privilegierte Österreicher aufspielten.581 Andererseits wurde dem Missvergnügen der Deutschradikalen meritorisch eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen. Seidler hatte im Verfassungsausschuss – ganz im Sinne seines »unpolitischen Kurses« – erklärt, ihm sei jede Lösung recht, auf die sich die Parteien einigen könnten. Diese Naivität nahm (sogar) ihm niemand ab  ; im Gegenteil  : Das Parlament fühlte sich gefrotzelt. Die Deutschradikalen wollten die Regierung zwingen, Farbe zu bekennen und die Initiative zu ergreifen. Damit standen sie nicht allein  : Von allen Seiten des Hauses regnete es Aufforderungen, in mehr oder weniger scharfer Form, doch bitte ein wenig präziser Stellung zu beziehen  : Der Tscheche Švejk bezeichnete die Ausführungen Seidlers in einem Zwischenruf als »Kandidatenrede eines Abgeordneten« (Seidler konterte, das sei doch keine Schande  !)  ; Viktor Adler wünschte sich für die Sozialdemokraten von der Regierung wenigstens einen Anknüpfungspunkt  ; der Agrarier Waldner charakterisierte die Situation als »eine Regierung ohne Mehrheit – eine Mehrheit ohne Kohärenz und Verbundenheit«, derlei zaghafte Zurückhaltung« sei eine »schlechte politische Lenkmethode«. Daszynski forderte seitens der Polen verbindliche Angaben über »die Mittel und Wege, mit welcher der Herr Ministerpräsident die Mehrheit in diesem Hause zustandebringen will.« Nathan Loewenstein, ein polnisch-jüdischer Industrieller, der von

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den Nationaldemokraten zu den regierungsfreundlichen Demokraten ohne Präfix gewechselt war, formulierte es in Anspielung auf die Mangelerscheinungen der Kriegswirtschaft später einmal so  : Wir hätten zuerst unter Stürgkh einen Verfassungsersatz gehabt, dann unter Clam einen Gelöbnisersatz, das Kabinett Seidler hätte als Ministerersatz gedient und präsentiere jetzt einen »Programmersatz«. Bloß die Südslawen signalisierten ihren Übergang zur prinzipiellen Opposition  : »Ob die Regierung geht, ob wir gehen [sprich  : die Regierung das Parlament heimschickte], das ist für uns alles eins.«582 Eine sichere Mehrheit war unter diesen Umständen nicht auszumachen. Zwei Alternativen boten sich an  : Die Rückkehr zum autoritären Regime mit dem Notverordnungsparagrafen – oder das Experiment von Neuwahlen. Diese Option wurde am 2. Oktober im Beisein des Kaisers im Kreis der Statthalter besprochen, und zwar ausdrücklich unter der Prämisse der nationalen Autonomie innerhalb der Landesgrenzen als Wahlparole, verbunden mit der Einführung der deutschen Staatsprache bei Behörden 2. und 3. Instanz (bis auf Galizien). Wie vielleicht nicht anders zu erwarten, rieten die Landeschefs fast einhellig von Neuwahlen ab. Als Argument  – vielleicht auch bloß als Vorwand – mussten die administrativen Schwierigkeiten herhalten, die zu erwarten waren, wenn fast die Hälfte der Wähler (2,7 von 5,7 Millionen) augenblicklich im Feld stand. Zumal in Böhmen versprach sich Coudenhove davon nur eine Verschlechterung der Lage. Es würden nur noch »radikalere Elemente« nachkommen. Interessant waren dennoch die Stimmungsberichte aus den verschiedenen Ecken des Reiches. Differenziert fiel insbesondere das Urteil über die Haltung der Südslawen aus  : In Dalmatien hänge die Stimmung allein von der Versorgungslage ab  ; in der Krain vom Bischof, der leider mit der südslawischen Deklaration sympathisiere. Aus Steiermark und Kärnten waren dafür eindeutige Signale zu vernehmen. Die dortigen »Deutschen würden die nationale Autonomie nicht vertragen«. Allenthalben betonte man, bei einer Auflösung des Hauses müsse man sich vorher mit den Sozialdemokraten ins Einvernehmen setzen, um Unruhen zu vermeiden. Seidler ventilierte damals schon Reformen des Wahlrechts für die Landtage und Gemeinden. Lieber als Neuwahlen hätten die Landeschefs die Rückkehr zum Paragraf 14 gesehen, begleitet allenfalls von einem Feigenblatt in Form eines Ersatz-Gremiums wie z. B. einem Staatsrat. Karl monierte  : Dann wären wir wieder bei Stürgkh gelandet, aber  : »Jedenfalls müsse etwas geschehen, wenn das Budget verweigert wird.« 583 Als richtungsweisend erwies sich da der Rat des ehemaligen Innenministers Heinold (»dilatorische Politik«) und seines Kollegen Bleyleben, inzwischen Statthalter von Niederösterreich  : »Als Ausweg ergibt sich nur das Fortwursteln.« Wenn man keine Neuwahlen schlagen und das Scheitern der Parlamentsoption auch nicht offen eingestehen wollte, blieb nur eine Lösung  : Die Achse zu reaktivieren, die in guten wie in bösen Tagen die Abwicklung der laufenden Geschäfte gestattet hatte, nämlich

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die deutsch-polnische. Wenn man den gesamten Polenklub auf seine Seite brachte, konnte man zur Not sogar auf die aufmüpfigen Deutschradikalen verzichten. Allerdings  : Die Polen wieder in das gewohnte Fahrwasser zu lenken, dazu war Österreich in Eigenregie nicht in der Lage. Bisher hatte sich die Innenpolitik der Monarchie über weite Strecken als eine Funktion der außenpolitischen Konstellationen dargestellt  ; jetzt schlugen die innenpolitischen Schwierigkeiten verstärkt auf die Außenpolitik zurück. Die Haltung der Polen in Österreich hing nicht zuletzt vom Schicksal des benachbarten polnischen Königreiches in statu nascendi ab. Czernin musste seinen deutschen Gesprächspartnern im Herbst 1917 gestehen  : »Ohne eine Regierung in Polen sei es nicht möglich, in Österreich parlamentarisch zu regieren.«584

V. Das Moment der letzten Spannung (Herbst 1917–Herbst 1918) »Es ist aber vorstellbar, dass damals die Politik aller, auch der nichtdeutschen Parteien – und zwar bis in die letzten Monate der Monarchie  – sowohl mit dem Sieg als auch mit dem Untergang des Reiches rechnete und ihre Politik deshalb Alternativen Raum bieten musste, zumal die staatspolitischen Entscheidungen nicht bei ihnen lagen, sondern das Ergebnis des Kriegsgeschehens und der Ententepolitik waren.«585

Der Schulterschluss Czernin–Kühlmann  : »Noch ist Polen nicht verloren«

Das Verhältnis zwischen Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich war im Sommer 1917 starken Spannungen ausgesetzt, obwohl  – oder vielleicht  : gerade weil  – Czernin und Bethmann-Hollweg im Prinzip eine durchaus ähnliche Politik verfolgten. Beide peilten einen Verständigungsfrieden an, mit kleinen Gewinnen, wenn möglich, doch mit dem Status quo ante als Ausgangspunkt (von Polen einmal abgesehen, dem inzwischen alle Kriegführenden einmütig die Unabhängigkeit in Aussicht stellten). Die Integritätsklausel hatte Österreich-Ungarn auf der Kreuznacher Konferenz im Mai 1917 durchgesetzt. Formell musste Deutschland jetzt bis zur Rückgewinnung von Görz und Czernowitz kämpfen  ; unklar blieb, ob diese Formel auch für die deutschen Kolonien galt. Burian hatte sich stets dagegen verwahrt, Tsingtao in dieser Beziehung mit Tarnopol gleichzusetzen.586 Politisch ergab sich zwischen Bethmann und Czernin ein gewisses Ungleichgewicht, anders als man es auf den ersten Blick vermuten würde. Natürlich, das Deutsche Reich war der stärkere Partner  ; doch Bethmann-Hollweg hatte diverse Rücksichten zu nehmen, auf den Reichstag, der im Sommer eine Friedensresolution verabschiedete  ; auf die Oberste Heeresleitung, die auf Annexionen auch im Westen bestand  ; zwar gab Bethmann ausdrücklich zu Protokoll, dass Schweigen in diesem Fall keine Zustimmung bedeute  ; aber er konnte sich nie ganz sicher sein, wie der Kaiser im Ernstfall reagieren würde. Czernin hingegen hatte kein Parlament zu fürchten, allenfalls die Delegationen, die aufgrund des Votums der Herrenhausmitglieder ein zahnloses Ungeheuer darstellten  ; auch das AOK tat sich in der Ära Arz nicht mehr durch Querschüsse hervor. In Ungarn galt Andrássy als Rivale, vertrat in der Sache aber kaum eine andere Linie. Wer sich auf das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Verhältnisse des Partners berief, machte sich seit jeher der Heuchelei schuldig. Denn es war kaum an-

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zunehmen, dass verantwortliche Politiker in Fragen, bei denen es ihrer Ansicht nach um Sein oder Nichtsein ging, auf intensives Lobbying verzichten würde. Die Bemühungen der deutschen Seite, die 1915 auf Abtretungen an Italien bestand, hatten böses Blut gemacht  ; nicht viel anders erging es Czernin, der 1917 alle Register zog, um dem deutschen Verbündeten den Verzicht auf zumindest Teile des Elsass einzureden. Bis zu einem gewissen Grad war Bethmann der Druck von außen sogar willkommen, um eigene Anliegen durchzusetzen. Wenn Czernin tobte, »die Mundtotmachung der Alldeutschen sei die vordringliche Pflicht aller Patrioten«, sprach er dem Reichskanzler aus dem Herzen.587 Hohenlohe stieß in dieser Beziehung in dasselbe Horn  : Als die konservative Fronde gegen den Kanzler eine Soiree im Hotel Adlon veranstaltete, bedauerte er  – die robuste Praxis der Österreicher im Hinterkopf  –, dass die nicht angemeldete Versammlung nicht wegen »Verhetzung« dem Staatsanwalt übergeben worden sei.588 Doch Czernin beließ es nicht beim diplomatischen Verkehr. Er klüngelte mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Graf Hertling, ja sogar mit dem Admiralstabschef Holtzendorff  ; es hieß, er selbst sei es gewesen, der – kurioserweise auf dem Umweg über Wassilko – den Kontakt zwischen dem Kaiser und Matthias Erzberger herstellte, dem umtriebigen Zentrums-Abgeordneten, über den Czernin sich nachmals so beschwerte  ; die Militärs verdächtigten ihn bereits, Czernin stecke hinter der Friedensresolution des Reichstags, die sich die Formel »ohne Annexionen und Kontributionen« zueigen machte.589 Vor allem aber, Czernin bemühte vielleicht über Gebühr das Totschlag-Argument, Österreich könne keinen weiteren Kriegswinter mehr durchhalten  ; vorher müsse ganz einfach Frieden geschlossen werden. Um in dieser Beziehung eine glaubhafte Drohkulisse aufzubauen – und gleichzeitig seine eigene Unentbehrlichkeit zu unterstreichen – verwies Czernin mit Vorliebe auf die sogenannte »Schokoladenpartei«, so genannt nach dem Großhändler Julius Meinl, der mit Lammasch und anderen Friedensaposteln in Kontakt stand. Selbst Károlyi wurde anfangs von Czernin noch zu allerlei undiplomatischen Ausritten ermuntert.590 Der sächsische Gesandte in Wien vermutete durchaus zu Recht, dass Czernin »gelegentlich Deutschland gegen seine pazifistischen Gegner, umgekehrt aber auch diese gegen Deutschland ausspielt.«591 Diese Taktik nährte im deutschen Hauptquartier den ungerechtfertigten Verdacht, Österreich-Ungarn werde das Bündnis vielleicht demnächst aufkündigen. Die »schlappen und hinterhältigen« Österreicher »stänkern und hetzen«. Es war gewissermaßen ein Erfolg dieser Bemühungen, wenn es im Herbst 1917 im Berliner Auswärtigen Amt hieß  : »Jeder Nachfolger Czernins wird vermutlich umschwenken«.592 Als vertrauensbildende Maßnahme im klassischen Sinn ließ sich dieser Bluff kaum charakterisieren. Die Botschafter, Hohenlohe in Berlin und Wedel in Wien, die als ehrliche Makler zu agieren versuchten, waren um ihre Aufgabe nicht immer zu beneiden.

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Angeblich kursierte bereits ein Scherzwort, das von Czernin als dem »anderen Luther« sprach, unter Bezugnahme auf dessen berühmte Worte vor dem Wormser Reichstag  : »Hier stehe ich, ich kann auch anders.« Schließlich dementierte Czernin die Gerüchte, die er selbst genährt hatte, mit dem entwaffnenden Bekenntnis  : »Österreich-Ungarn stehe und falle mit seinem Bündnisse. Was er aber nicht wisse, sei, ob es stehen oder fallen werde.«593 Tatsächliche Differenzen zwischen den beiden Verbündeten ergaben sich dabei weniger im Westen, sondern im Osten. Czernin behauptete später, die russischen Militärs hätten bereits im Frühjahr ein Sonderfriedensangebot unterbreitet, das bloß an der Schwerfälligkeit der deutschen Diplomatie gescheitert wäre. Hohenlohe hingegen verteidigte den Standpunkt Berlins, es gäbe im revolutionären Russland derzeit beim besten Willen niemand, der sowohl willens als auch fähig wäre, mit den Mittelmächten zu verhandeln. Man müsse die Situation ausreifen lassen. Anfang August – als auf der anderen Seite die Entente Russland bereits langsam abzuschreiben begann – gab dann schließlich auch Czernin zu, für einen Separatfrieden im Osten gäbe es »wenig Aussicht, weil niemand da sei mit der genügenden Autorität.«594 Dafür zeichnete sich im Hochsommer ein letztes Mal die Fata Morgana eines möglichen Friedens im Westen am Horizont ab. Eingefädelt hatte diese Kontakte die Fürstin Odescalchi, eine Angehörige des römischen »schwarzen« Adels, Schwiegermutter des österreichischen Diplomaten Graf Nikolaus Revertera und entfernte Cousine des französischen Ex-Politikers und Nachrichtenoffiziers Graf Abel Armand. Die Ergebnisse des Treffens der beiden (am 7. und 22. August) sollten sich einmal mehr als enttäuschend herausstellen  : Revertera kommentierte, derlei Bedingungen hätte Napoleon allenfalls nach Austerlitz stellen können. Armand verlangte Elsass-Lothringen und die Neutralisierung des Rheinlandes, bot dafür allerdings Entschädigungen in Madagaskar oder Indochina an. (Andeutungen über eine französische Zustimmung zu einer deutschen Expansion im Baltikum finden sich nur in der österreichischen, nicht in der französischen Überlieferung  !) Umso höher waren die Erwartungen im Vorfeld, nicht zuletzt weil die Fürstin beiden Seiten das Gefühl vermittelt hatte, die jeweils andere Seite hätte den ersten Schritt getan und die Initiative ergriffen.595 Damals hatten es die Österreicher schon nicht mehr mit Bethmann zu tun. Der Kanzler war Mitte Juli 1917 einem konzentrischen Angriff von allen Seiten erlegen. Beteiligt daran waren die üblichen Verdächtigen, von der OHL bis zu den Alldeutschen  ; aber auch die Linke ließ Bethmann fallen. Eine Schlüsselrolle auf parlamentarischer Ebene spielt dabei Erzberger, der über den Kanzlersturz die Friedensresolution des Reichstags, vielleicht auch die Parlamentarisierung des Kabinetts in die Wege leiten wollte. Einen engagierten Verteidiger gewann Bethmann dafür im österreichischungarischen Botschafter, der auf eigene Faust zu einer Rettungsmission ausrückte. Hohenlohe war sich nicht ganz sicher, ob sein Chef über Erzberger etc. nicht eventuell

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doch mit diversen Frondeuren in Verbindung stand. Er suchte im Juli deshalb auch gar nicht erst um Instruktionen an, sondern erfand ganz einfach einen Auftrag seines Souveräns, um ad hoc bei Wilhelm II. vorzusprechen, dem er vor Augen führte, welche Belastung der Sturz Bethmann für das Verhältnis zu Wien bedeuten würde. Als der Kaiser entgegnete, das sei doch eine flagrante Einmischung in innere Angelegenheiten, gab Hohenlohe zur Antwort  : »Aber doch gewiß in Ihrem Sinne, Majestät  !«596 Mit einer Rücktrittsdrohung setzten sich Hindenburg und Ludendorff schließlich doch noch gegen den Kanzler durch. In einem Punkt freilich nutzte Wilhelm die Intervention Hohenlohes. Er zitierte das Veto der Österreicher gegen den Fürsten Bülow als Nachfolger, den einzigen Kandidaten, der über die Bandbreite verfügte, die heterogene Allianz der Extreme, die sich zum Sturze Bethmanns gefunden hatte, vielleicht auch tatsächlich eine Zeitlang zumindest politisch zu integrieren. Hindenburg war sprachlos  – und sprach von einem »zweiten Olmütz«, unter Berufung auf die Demütigung Preußens durch die Österreicher 1850, sobald man Wien ein Veto in der Kanzlerfrage einräume.597 Bethmanns Nachfolger Michaelis war ein Übergangsund Verlegenheitskandidat  ; drei Monate später machte mit dem Bayern Hertling der Wunschkandidat der Österreicher doch noch das Rennen, mit einem linksliberalen Vizekanzler an der Seite. Ironisch berichtete Hohenlohe  : »Mehr oder weniger über Nacht ist Deutschland in die Reihe der parlamentarischen Staaten oder wenigstens in die Reihen jener getreten, die man mit etwas gutem Willen als solche bezeichnen kann.«598 (Notabene  : Dieser »gute Wille« fehlt den meisten deutschen Historikern.) Mit Bethmann war auch der allzu geschmeidige Zimmermann in der Versenkung verschwunden  : Sein Nachfolger Richard v. Kühlmann, mit gutem Willen ebenfalls ein Bayer (aus einer fränkischen Familie, in München aufgewachsen), erwies sich nach ersten Schlagabtäuschen als kongenialer Partner Czernins. Gerade weil er nicht »in das Schlepptau der österreichisch-ungarischen Politik geraten« wollte, hielt er es für nötig, dass Deutschland in der Friedensfrage selbst die Initiative ergreife.599 Kühlmann war ein Verfechter eines Verständigungsfriedens, dabei jedoch überzeugt, die Abtretung Elsass-Lothringens lasse sich innenpolitisch nicht durchsetzen. Doch an der Räumung Belgiens solle die Sache  – ganz im Sinne der Friedensresolution des Reichstages – nicht scheitern. Das war ein Fingerzeig, mehr an die englische als an die französische Adresse gerichtet. Zwar verwickelte seine Bereitschaft, auf Annexionen in Belgien zu verzichten, Kühlmann in einen Dauerkonflikt mit der OHL, die – ähnlich wie die Franzosen mit dem linken Rheinufer – auf »Garantien« bestand, dass sich auf diesem Gebiet auch nicht die geringsten Ansätze für feindliche Machenschaften etablieren dürften. Doch vermochte Kühlmann mit dem Kronrat von Bellevue am 11. September den Konflikt zumindest in der ersten Runde für sich zu entscheiden.600 Als Kühlmann im August 1917 sein Amt antrat, hatte sich die Ausgangslage im Vergleich zum Frühjahr wiederum verändert. Die Hoffnungen beider Verbündeter

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hatten sich als Illusion erwiesen – die deutschen Hoffnungen auf eine Entscheidung durch den U-Boot-Krieg ebenso wie die österreichischen auf einen Verständigungsfrieden via Frankreich. Zwar meinte Karl, mit dem Angebot einer »Revision des Hubertusburger Friedens«, sprich  : der Abtretung Österreichisch-Schlesiens, die Deutschen doch noch zu Gesprächen über das Elsass bewegen zu müssen. Auch Czernin hatte anfangs daran gedacht, Armands Bedingungen vor der Weitergabe an Berlin noch »ein wenig zu frisieren«. Doch Kühlmanns ablehnende Haltung brachte ihn bald davon ab, noch dazu, wo Österreich-Ungarn nach der 11. Isonzoschlacht erstmals um Waffenhilfe für die Italienfront ersuchen musste. Man einigte sich, auf einen Statusquo-Frieden im Westen hinzuarbeiten, aber die Frage des Elsass ad acta zu legen. Czernin bat Revertera Mitte September schon, dem Kaiser »weitere Versuchungen« in dieser Richtung zu ersparen.601 Es war Zeit für eine Zwischenbilanz. Damit war auch die polnische Frage wiederum zur Disposition gestellt. Wenn Österreich den Deutschen nicht mehr »Polen verkaufen« musste, um das Elsass auf den Markt zu werfen, dann ergaben sich auch im Osten wieder neue Kombinationsmöglichkeiten. Michaelis war unglücklich mit dem polnischen Erbe seines Vorgängers. Der Charme der in Aussicht gestellten deutschen »Vorherrschaft« in Polen war nach demFiasko mit der Legion im Juli und der Verhaftung Piłsudskis längst abgeblättert. Die bissige Bemerkung der Prinzessin Hohenlohe brachte es auf den Punkt  : »Da die Deutschen mit den Polacken gar nicht fertig werden, so wird jetzt wieder die Möglichkeit der Angliederung des Königreichs Polen an die Monarchie in Erwägung gezogen.«602 Die Militärs der Mittelmächte hatten 1916 eine polnische Armee gewollt, keinen Staat  ; 1917 sah man sich zur Bildung eines Staates gedrängt, ohne Aussicht auf eine Armee. Die beiden Regierungen kamen überein, der Forderung des polnischen Staatsrates vom 1. Mai nachzugeben und einen Regenten einzusetzen, oder besser ein Triumvirat als Regentschaftsrat. Die Entscheidung fiel schon Ende Juli, wurde aber erst am 12. September verlautbart. Dazwischen war für den 1. September der Antrittsbesuch Kühlmanns bei Kaiser Karl angesetzt. Zwischen »Tür und Angel«, während der Autofahrt von Reichenau nach Wien, brachte Czernin beiläufig die polnische Frage zur Sprache  : »Falls es uns bei der jetzigen Regelung nicht wohl sei, sei er auch bereit, das Abkommen zu revidieren, in dem Sinne, daß Deutschland in Rumänien, Österreich in Polen eine Vorzugsstellung einnehmen solle.«603 Selbstverständlich versuchte jeder der beiden den Eindruck zu erwecken, er täte dem anderen bloß einen Gefallen. Doch Czernin rückte bald mit der Sprache heraus  : Ohne eine Regierung in Polen ließe sich auch Österreich nicht regieren, zumindest nicht verfassungsmäßig. Dafür aber bedürfe es einer Gesamtlösung, die zuallererst bei den Polen selbst Anklang fände. Es ergab sich, dass Kaiser Wilhelm, unzufrieden mit der Routine seines Lebens als Adabei im Großen Hauptquartier, die Schauplätze

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der Ruhmestaten seiner Armeen besichtigte und von Rumänien begeistert war. Das Land war nun allerdings für jede Besatzungsmacht eine Freude  : Verglichen mit dem »Rübenwinter« in Mitteleuropa, flossen dort noch Milch und Honig (und Erdöl, dem im Ersten Weltkrieg allerdings noch nicht jene überragende Bedeutung zufiel wie im Zweiten)  ; die Bevölkerung war frei von Ressentiments  ; das Nachtleben legendär  : Bukarest galt als »Klein-Paris«, und  : »Sinaia schlug Monte Carlo um viele Längen.«604 So wurde kurzerhand im Herbst ein Tausch vereinbart und die Abmachungen von Kreuznach einfach umgedreht  : Rumänien war jetzt für Deutschland reserviert (in welcher Form auch immer  !  ?)  ; Polen wiederum für Österreich-Ungarn. Die austropolnische Lösung feierte Wiederauferstehung. Um allen staatsrechtlichen Komplikationen aus dem Weg zu gehen, sollte das Land diesmal in Form einer Personalunion mit Österreich vereinigt werden, sprich  : Nicht Erzherzog Karl Stephan sollte Regent, sondern Karl demnächst König von Polen werden  – mit Galizien als Einstandsgeschenk, so stand es zumindest zwischen den Zeilen zu lesen. Der OHL versuchte Kühlmann den Umschwung – ohne nachhaltigen Erfolg – mit dem Argument schmackhaft zu machen, es gäbe dazu keine wirkliche Alternative, denn schon unter der jetzigen »Kandidaten-Lösung« gelte  : »Wenn die Polen z. B. den Kaiser Karl freiwillig wählen, können wir das verhindern  ?«605 Der Umschwung kam gerade noch zurecht, um die Regierung Seidler – oder auch das Wiener Parlament  – zum Leben zu begnadigen, den Österreichern  – so oder so  – eine Blamage zu ersparen. Der Polenklub hatte sich im Mai zu einer oppositionellen Haltung durchgerungen. Hinter der einheitlichen Fassade der Krakauer Resolution vom 28. Mai verbargen sich jedoch Zielsetzungen ganz unterschiedlicher Reichweite. In Teilen der Nationaldemokraten und des »Piasten«-Flügels der Volkspartei mochten klammheimliche Sympathien für die Entente zum Tragen kommen, sobald auch Russland den Polen im Prinzip die Selbstbestimmung in Aussicht stellte. Bilińskis Nachfolger als Obmann des Polenklubs, Łazarski, hingegen verwahrte sich im Reichsrat schon im Juni gegen die Deutung, die Krakauer Resolution sei gegen die Dynastie und den Staat gerichtet. Der Polenklub mache sein Vorgehen gegenüber der Regierung vielmehr von der Wiederherstellung der Zivilverwaltung in Galizien abhängig, von »der vollständigen Rückkehr zu den früheren Zuständen« – und von konkreter Hilfe bei der Wiedergutmachung der Kriegsschäden (um Anregungen auf diesem Gebiet hatte man vorsorglich schon Experten nach Ostpreußen entsandt, die mit vielen schönen und teuren Vorschlägen zurückkamen). Das war eine Marschroute für eine Rückkehr in den Schoß der Regierungsmehrheit, um den entsprechenden Preis natürlich.606 Doch im Sommer hatte der Krach über die Angelobung der polnischen Legionen und die Verhaftung Piłsudskis neuen Anlass zur Verbitterung geboten. Die oppositionelle Strömung im Polenklub verschärfte daraufhin das Tempo. Die Glanzleistung

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Bilińskis im Vorjahr hatte in der Komplettierung des Obersten Nationalkomitees bestanden, das nun wiederum Vertreter aller Parteien umfasste. Aufgabe des Komitees war die politische Aufsicht über die Polnische Legionen. Die Gegner Bilińskis argumentierten  : Wenn die Legion nicht mehr gebraucht oder vom AOK ihrem eigentlichen Zweck entfremdet wurde, den Kern der zukünftigen polnischen Armee zu bilden, dann brauchte es auch kein Nationalkomitee mehr. Die Mehrzahl der Parteien zog deshalb ihre Vertreter aus dem Nationalkomitee zurück und verlangte die Auflösung des kümmerlichen Rests, der Gefahr lief, zu einem bloßen Wurmfortsatz der Konservativen zu verkommen. Auch hier war ein »les extremes se touchent« zu verzeichnen. Die Opposition kam sowohl von rechts, von den Nationaldemokraten, als auch von links, von den Sozialisten. Die Kluft übertrug sich auf den Polenklub, der immer so stolz darauf gewesen war, seine schmutzige Wäsche nicht vor der Öffentlichkeit zu waschen. Eine gemeinsame Beratung aller Reichsrats- und Landtagsabgeordneten am 2. September endete mit dem Exodus der Oppositionellen  ; die Sitzung musste ergebnislos abgebrochen werden. Łazarski reichte seinen Rücktritt als Obmann des Polenklubs ein. Wochenlang vermochte man sich nicht auf einen Nachfolger zu einigen. Am 23. September, unmittelbar vor Beginn der Herbstsitzungen des Reichsrates, ergab der erste Wahlgang ein Patt  : Łazarski erhielt 26 Stimmen, Witos von den Piasten und Nationaldemokraten 28  ; die Sozialisten mit elf Stimmen für Daszynski bildeten das Zünglein an der Waage. Ein zweiter Wahlgang brachte keine Änderung  ; beim dritten kandidierte Witos nicht mehr, seine Anhänger gaben leere Stimmzettel ab. Łazarski nahm die Wahl nicht an. Jetzt amtierten der Reihe nach die Obmannstellvertreter. Was für den Polenklub eine Blamage darstellte, erwies sich für die Konservativen als Chance  : Denn die oppositionelle Allianz begann zu zerbröseln. Die Konservativen konnten die Opposition von links und von rechts gegeneinander ausspielen, im Herbst 1917 die Sozialisten, im Frühjahr den Kedzior-Flügel der Volkspartei heranziehen.607 Inzwischen war am 12. September das Manifest der Mittelmächte erlassen worden, das die Bereitschaft verkündete, in Polen endlich staatliche Institutionen zu schaffen. Justiz- und Unterrichtsverwaltung sollten jetzt schon in polnische Hände übergehen. Am 27. Oktober wurde als provisorisches Staatsoberhaupt der dreiköpfige Regentschaftsrat vorgestellt, bestehend aus dem Fürsten Zdzislaw Lubomirski, dem Erzbischof Krakowski und Graf Ostrowski als Mitbegründer der ›Realistenpartei‹, allesamt Konservative, die sich bisher nicht als überzeugte Anhänger der Mittelmächte hervorgetan hatten. Der Regentschaftsrat wiederum ernannte – ganz den konstitutionellen Gepflogenheiten entsprechend  – am 7. Dezember auch eine Regierung. Für April waren dann Ergänzungswahlen in den Staatsrat geplant, als Surrogat eines polnischen Parlaments. Die Hälfte seiner Mitglieder sollte jetzt von den Selbstverwaltungsgremien auf unterer Ebene entsandt werden.608

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X.

Abb. 18  : Das Ergebnis der Abstimmung über das Budgetprovisorium am 23. Okt. 1917

Der Polenklub war bereit, den guten Willen zu honorieren. Als Anzahlung bewilligte er der Regierung Seidler am 23. Oktober ein Budgetprovisorium, nicht auf ein halbes Jahr, wie es die Konservativen vorschlug, aber immerhin auf vier Monate, bis Ende Februar 1918.609 Das Ergebnis der Abstimmung lautete 227 Pro-Stimmen (davon 54 Polen) und 170 Kontra-Stimmen (die Ukrainer enthielten sich der Stimme). Loewenstein als Generalredner sprach von »Ansätzen von Vertrauen, die in unserem Votum enthalten sind«, Daszynski ergänzte, die Polen sähen keinen Grund, »die Stellung Österreichs im Krieg gegen Russland zu schwächen.«610 Mit diesem Motivenbericht konnten alle leben. Die polnische Opposition fügte sich der Klubdisziplin, bloß ein Teil der Piasten verließ den Saal. Hinter den Kulissen setzte Biliński zu einem Comeback an. Er führte bei den Beratungen mit Czernin im Spätherbst das große Wort – und scheute sich nicht, selbst die Deutschen zu verteidigen  : Es habe »lange Zeit sozusagen zum guten Ton gehört, über die Reichsdeutschen ganz ordentlich herumzuschimpfen.« Das sei im politischen Leben unpraktisch. Wir müssen uns vertragen. Er antworte auf derlei Klagen immer  : »Ja, wer hat Euch denn geholfen, das Land zurückzuerobern von den Russen.«611 Den Österreichern kam bei ihrem zweiten (oder dritten) Anlauf zur austro-polnischen Lösung ein Faktor zugute, der bis zu einem gewissen Grad für ein »renversement« der außenpolitischen Orientierungen in Polen sorgte. Gerade als Anfang November die Details der neuen Regelung in Berlin verhandelt wurden, traf die Nachricht von der »Oktoberrevolution« ein. Die Erste Russische Revolution hatte für die Polen auch eine russische Option eröffnet  ; die Oktoberrevolution machte diese Hoffnungen wiederum zunichte. Die antirussische Orientierung war bisher in erster Linie eine Sache der Linken gewesen (und der Juden). Doch seit Lenin das

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Ruder übernommen hatte, blieb gerade den polnischen Konservativen, den Leuten, die etwas zu verlieren hatten und die daher bislang allen Risken aus dem Weg gegangen waren, keine andere Wahl mehr als der Anschluss an die Mittelmächte. Es wurde kolportiert, der Zar selbst habe Lubomirski schon im März freie Hand dazu erteilt.612 Wenn man schon auf die Mittelmächte zu setzen gezwungen war, stellten die Österreicher für die Polen vielleicht tatsächlich die auskömmlichere Variante dar. Als es Ende November um die Ernennung des ersten polnischen Ministerpräsidenten ging, nominierte der Regentschaftsrat dafür prompt den Grafen Adam Tarnowski, den verhinderten österreichisch-ungarischen Botschafter in Washington, verwandt und verschwägert mit der gesamten polnischen Elite. Gegen diese »Machtübernahme« durch die Österreicher legte Beseler als deutscher Generalgouverneur sein Veto ein. Man einigte sich schließlich auf Jan Kucharzewski, einen »bekehrten« Nationaldemokraten, der aus der Schweiz nach Hause zurückgekehrt war. Beseler war bereit, Kucharzewski um des lieben Friedens willen zu akzeptieren, auch wenn er ihn immer noch für einen »Strohmann« Tarnowskis hielt.613 Mit der austro-polnischen Lösung in leicht veränderter Gestalt erlebten auch die Mitteleuropapläne eine Renaissance. Auch sie hatten ihren Charakter inzwischen subtil verändert. Zwar blieb der ursprüngliche Zusammenhang bestehen  : angesichts eines habsburgischen Polen die Sicherheit der deutschen Ostgrenze durch eine Vertiefung des Bündnisses zu garantieren. Doch daran wurden inzwischen auf beiden Seiten innenpolitische Kombinationen geknüpft. Kühlmann brauchte die Mitteleuropa-Lösung (ganz ohne Naumann’sche Überhöhung, wie er betonte), um der OHL entgegentreten zu können, die mit ihrem Devise »Der Starke ist am mächtigsten allein« das Heil des Reiches ausschließlich in territorialen »Sicherheiten« erblickte. Hohenlohe fasste zusammen  : »Kühlmann hat erkannt, daß er den Kampf mit der Obersten Heeresleitung – der wohl unvermeidlich ist – nur auf Grund eines grossen, fertigen Programmes mit Aussicht auf Erfolg unternehmen kann und ist daran, dieses Programm zu überdenken und auszuarbeiten und so wird vielleicht bald zum letzten Mal der Moment kommen, wo es an uns liegen wird, ob wir da mitarbeiten oder uns in irgendeiner anderen Weise orientieren wollen.«614 Nur wenn Kühlmann mit seiner Strategie durchdrang, konnte auch Czernin auf einen Erfolg seiner Idee eines Statusquo-Friedens im Westen hoffen. Auch in Österreich waren die inneren Verhältnisse ausschlaggebend  : Czernin brauchte die Aussicht auf die austro-polnische Lösung, um die Situation im Inneren stabilisieren zu könne, kurzfristig, um Seidler zu einer Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu verhelfen  ; mittelfristig, um die Polen vielleicht doch noch aus dem Abgeordnetenhaus hinaus zu komplimentieren. Sobald es sich um eine Personalunion, nicht mehr um das Gespenst des Trialismus handelte, fielen auch so manche Bedenken

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über die innere Struktur Österreich-Ungarns weg. Was Mitteleuropa betraf, hatten die Schwierigkeiten der Kriegswirtschaft ebenfalls eine neue Rationale für Verhandlungen hic et nunc geschaffen, wie sie ab Juli 1917 in Gang kamen. Hohenlohe, der maßgeblich daran beteiligt war, den Bund zwischen Kühlmann und Czernin zu flechten, fasste es in einem Privatbrief an seinen Chef so zusammen  : »Wenn ich das Gefühl hätte, dass bei uns alles, wenn auch nicht am besten  – was heute nirgends der Fall ist – aber nur so weit normal steht, dass wir damit rechnen können uns in absehbarer Zeit aus eigenen Kräften von den Schäden und Leiden dieses Krieges zu erholen, so würde ich mich wahrscheinlich auch gegen jeden weiteren Anschluss an das Deutsche Reich aussprechen. Wie die Dinge dermalen, u. z. für die gesamte Monarchie liegen, habe ich diese Überzeugung jedoch weniger denn je.« Bei der »panischen Angst vor geordneten Verhältnissen« und der »vollkommen chaotischen Verfahrenheit der österreichischen Verhältnisse« befürchtete Hohenlohe jedoch einen Zusammenbruch. »Müßten wir uns aber in einem solchen Augenblick hilfesuchend an Deutschland wenden, so wäre dies allerdings die schwerste Demütigung und gleichzeitig  – wenn es denn überhaupt noch eine Rettung gibt  – der Todesstoß jeder Selbstständigkeit der Monarchie.« Österreich-Ungarn müsse daher rechtzeitig einen Pakt schließen, der diesen Gefahren vorbeuge. Seine Argumentation gipfelte in dem Paradoxon  : »Ich bin vielmehr überzeugt, daß wir wenn, überhaupt nur im Anschluss an Deutschland wieder auf eigene Füsse und zu einer kräftigen selbstständigen Stellung kommen können.« Der österreichische Finanzminister Wimmer gab ihm dabei in der Sache völlig recht, wenn er darauf hinwies  : »Bei den Verhandlungen mit Deutschland seien eine Konsolidierung der schwebenden Schuld und Zusicherungen für die Zukunft anzustreben. […] Um den Preis einer Zollunion wäre valutapolitisch sehr viel zu erreichen.« Vor diesem Hintergrund war es freilich auch kein Wunder, dass die Reichsbank immer zu den ausgesprochenen Skeptikern einer voreiligen Verbrüderung mit den Österreichern zählte.615 Die austro-polnische Lösung konnte freilich nur dann eine langfristige Option darstellen, wenn sie von den Polen tatsächlich als ein Schritt zur Wiederherstellung der alten ›rzeszpospolita‹ aufgefasst wurde und nicht als schlecht verhüllte »vierte Teilung« Polens. Annexionen, wie sie die OHL als Glacis für Ostpreußen plante, oder auch die Schaffung eines Groß-Litauen bis nach Grodno und Bialystok unter deutschem Protektorat, konnten hier nur kontraproduktiv wirken. Czernin plante deshalb ein Junktim  : Er wollte das gesamte Mitteleuropa-Projekt zur deutscher Zufriedenheit ausverhandeln, seine Verabschiedung aber vom Verzicht auf alle deutschen Ansprüche gegenüber Polen abhängig zu machen. Sind diese »Arbeiten fertig, so werden wir dasselbe nicht unterschreiben, sondern den Deutschen kategorisch erklären, daß sie uns entweder Polen zu unseren Bedingungen überlassen müssen, oder wir ziehen unsere Propositionen zurück.«616

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Mitteleuropa war auch in seiner zweiten Auflage keine Kapitulation vor alldeutschen Vorstellungen, sondern ein Gegenprojekt, das Kühlmann die Möglichkeit geben sollte, der OHL mit Aussicht auf Erfolg entgegen zu treten  – und Österreich im mitteleuropäischen Rahmen die entsprechende Unterstützung zuteil werden zu lassen, ohne deshalb jedes Mal mit dem Hut in der Hand in Berlin vorstellig werden zu müssen. Der Charme dieses Arrangements lag nicht zuletzt in der Fristentransformation  : In Czernins Kalkül würden alle österreichischen Zugeständnisse erst nach Friedensschluss fällig werden, die deutschen hic et nunc, um den Frieden überhaupt erst zu ermöglichen. Czernin appellierte deshalb an Karl  : Man müsse den Deutschen »Konzessionen auf militärischem und finanziellem Gebiet machen, unter der Bedingung, daß sie ihre Kriegsziele den unseren anpassen.«617 Im ersten Schritt erforderte dieses Manöver freilich Entgegenkommen. Damit stieß Czernin bei Karl, der langfristigen Bindungen misstraute, immer wieder auf punktuellen Widerstand, ohne dass es darüber je zum offenen Bruch kam. Der Kaiser wehrte sich anfangs gegen die Aufnahme der Wirtschaftsverhandlungen  ; er wollte bei der Offensive gegen Italien am liebsten nur österreichisch-ungarische Truppen einsetzen, die an der Ostfront von deutschen abgelöst würden – ein Arrangement, das Arz allerdings für nicht praktibalel hielt.618 Im Oktober empörte den Kaiser dann ein plumpes Manöver der OHL, die eben erst im Ringen um das Schicksal Belgiens gegen Kühlmann den kürzeren gezogen hatte und die Österreicher dafür verantwortlich machte. Der deutsche Verbindungsoffizier beim AOK, Cramon, erschien daher eines schönen Tages bei Karl und ließ durchblicken, die OHL würde ihr Versprechen einer Unterstützung gegen Italien möglicherweise überhaupt zurückziehen, wenn Österreich-Ungarn fortfahre, ihre Politik im Westen zu konterkarieren. Karl ging dem Bluff im ersten Moment auf den Leim und sah sich in seinem Verdacht bestätigt, Deutschland wolle um jeden Preis Lüttich behalten und vereitle damit den Frieden.619 Eine Zeitlang hatte Czernin Dissidenten wie Lammasch und Károlyi zu instrumentalisieren versucht, weil er ihre Äußerungen als Drohkulisse für pädagogisch wertvoll hielt  ; er hatte ihre Reden und Artikel insgeheim gefördert oder zumindest gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Seit dem Entstehen der Achse mit Kühlmann hatte er seine Strategie geändert. Es ging ihm jetzt nicht mehr darum, mit allen Mitteln Druck auf Berlin auszuüben, sondern die Vertrauensbasis zu stärken. Der Eindruck, Österreich-Ungarn würde bei nächster Gelegenheit ausscheren, war jetzt bloß noch Wasser auf die Mühlen der OHL, die Österreich prinzipiell misstraute. Die Geister, die er gerufen hatte, wollte er deshalb so schnell wie möglich loswerden oder doch zumindest zum Schweigen bringen. Diese Bemühungen waren Teil des Ringens um die Gunst des Monarchen, ganz ähnlich wie im Deutschen Reich, wo Wilhelm II. aufgerufen – und überfordert – war, im Kreuzfeuer von Auswärtigem Amt und OHL souveräne Entscheidungen zu treffen. Die beiden Außenminister klammerten sich

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aneinander, um ihre Monarchen vom Ausbrechen abzuhalten, Wilhelm in die eine, Karl in die andere Richtung. Im Herbst holte Czernin zu einem Rundumschlag gegen die »unverantwortlichen« Ratgeber Karls aus. Der Kaiser zumindest solle sich nicht dem Vorbild der Parteien anschließen und eine Politik der zwei Eisen im Feuer betreiben. Sich gegen jegliche Hintertreppenpolitik zu verwahren war das gute Recht jedes Ministers  ; Czernin machte als überzeugter Verfechter konstitutioneller Verfahrensweisen freilich keine besonders glaubwürdige Figur. Anlass war der Krach um Erzberger, der Czernins geheimes April-Memorandum im Parteivorstand des Zentrums verlesen hatte. Czernin und Botschafter Hohenlohe drohten wegen der Indiskretion beide mit ihrem Rücktritt. Zum Schluss einigte man sich auf die Formel, das Memorandum sei wohl zufällig in das Kuvert mit den Schriften geraten, die Erzberger dem Kaiser zur Durchsicht hinterlassen habe.620 Hohenlohe klagte, der Kaiser »äußere ganz unzuverlässigen Leuten gegenüber seine deutschen Antipathien« und wollte damals schon »einen Eindruck völliger Abhängig­keit von der Casa Braganca-Parma« feststellen. Zitas Mutter war eine Braganca. Hohenlohes Frau notierte kurz zuvor, warum ihr Familienzweig und insbesondere ihre Mutter, Erzherzogin Isabella, mit den Parmas so wenig harmoniere, habe sie selbst nie ergründen können.621 Als Bauernopfer in diesem Konflikt fiel Graf PolzerHoditz, der Kabinettschef des Kaisers, der im November seinen Platz räumen musste. Czernin installierte dafür einen seiner eigenen Vertrauensmänner, den Grafen August Demblin, im Vorzimmer des Kaisers und schlug nach Beck jetzt  – ebenso vergeblich – Gottfrieds Bruder Konrad Hohenlohe als Ministerpräsidenten vor, der ihm den Rücken freihalten sollte.622 Bevor diese Spannungen noch eskalieren konnten, führten die militärischen Konjunkturen Czernin zum Höhepunkt seiner Laufbahn. Die Hilfe für die Österreicher im Süden betrug, wie vor zweieinhalb Jahren bei Tarnow-Gorlice, sieben Divisionen. Wiederum entwickelte sich, was als Aushilfe gedacht war, um die Front zu begradigen und stabilisieren, zu einem durchschlagenden Erfolg, nicht zuletzt, weil das obere Ison­zotal ideale Bedingungen für den Giftgaseinsatz bot. Cadorna scheint an die Möglichkeit einer größeren Operation so spät im Jahr trotz aller Meldungen bis zuletzt nicht wirklich geglaubt zu haben. Die 12. Isonzoschlacht, in Italien bekannt unter dem Namen Caporetto (Karfreit), stellte einen der halben Dutzend großen Einzelerfolge dieses Krieges dar. Die Italiener wurden vollkommen geschlagen. Sie verloren 3000 Geschütze und 300.000 Gefangene. Hunderttausende verloren den Kontakt zu ihren Einheiten und irrten hinter der Front herum, die bis an die Piave zurückgenommen werden musste, unweit der Lagunen vor Venedig.623 Jetzt ging es Schlag auf Schlag. Die gereizt-nervöse Atmosphäre des Sommers machte einer neuerlichen Euphorie Platz. Am 24. Oktober begann die Offensive

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im Süden  ; man steckte auf seiten der Mittelmächte gerade in den Vorbereitungen für ein Monarchentreffen auf italienischem Gebiet, aufseiten der Entente für eine Krisen­sitzung in Rapallo, als am 7. November die Nachricht vom Putsch Lenins eintraf. Sein »Erfinder« Ludendorff reagierte zunächst abfällig, es handle sich bei den Bolschewiken bloß um eine »revolutionäre Partei, die zufällig den Telegrafen in der Hand habe«.624 Wieder hieß es, solange man wisse nicht, wer in Russland wirklich regiere, könne man nicht verhandeln. Czernin teilte die Zweifel an der Langlebigkeit des bolschewistischen Regimes. Für ihn war das allerdings kein Grund zur Vorsicht, sondern im Gegenteil  : ein Grund mehr, das Eisen zu schmieden, solange es heiß war. »Je kürzer Lenin an der Macht bleibt, desto rascher muß verhandelt werden.« Er argumentierte, jede Regierung, die auf Lenin folgte, wäre wahrscheinlich nicht zum Friedensschluss bereit  ; aber sie würde den Krieg auch nicht neuerlich vom Zaun brechen, wenn der Friede bis dahin geschlossen war.625 Einer Entscheidung wurden die Mittelmächte enthoben, weil Lenin selbst die Initiative ergriff  : Am 26. November tauchten aus dem Morgennebel an der Düna die weißen Fahnen seiner Parlamentäre auf. Achtundvierzig Stunden später erfolgte das offizielle Friedensangebot. Die Westmächte waren eingeladen, an den Verhandlungen teilzunehmen  : Die Österreicher hofften, die Deutschen fürchteten, sie würden darauf auch tatsächlich einsteigen. Die Russen ließen sich jedenfalls nicht aufhalten, als Briten und Franzosen erwartungsgemäß ablehnten, sich ausgerechnet im Sog des russischen Zusammenbruchs auf Verhandlungen einzulassen.626 Der Sonderfriede stand vor der Tür. Wiederum schien es, als hätten die Mittelmächte zu guter Letzt doch noch gewonnen. Und diesmal wussten sie auch sehr genau, was sie mit ihren Siegen anfangen sollten. Allerdings lösten gerade diese Erfolge in der Heimat neuerliche Turbulenzen aus. Brest-Litowsk  : Der Erstlings- und Brotfriede

Die Entente hatte Russland schon seit längerer Zeit als Bundesgenossen abgeschrieben. Die Oktoberrevolution  – im Westen nicht ganz zu Unrecht, wenn auch etwas einseitig, als Werkzeug deutscher Agenten betrachtet – setzte für sie bloß noch den Schlusspunkt unter eine Entwicklung, die sich seit einigen Monaten abzeichnete. Für die Mittelmächte lagen die Dinge anfangs etwas weniger klar. Selbst wenn Lenin mit deutscher Unterstützung – dem berühmten plombierten Zug, aber auch diversen finanzielle Zubußen – zur Macht gelangt war, so galt doch gerade in diesem Metier das Wort, dass Dankbarkeit keine politische Kategorie ist. Niemand konnte in Wien oder Berlin voraussehen, dass Lenin aus ganz anderen Motiven tatsächlich zu einem Frieden um jeden Preis bereit war  : Zu einem Sonderfrieden, nicht bloß zu einem

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Universalfrieden  ; auch wenn dieser Friede Russland um die Erwerbungen der letzten beiden Jahrhunderte bringen würde, ganz einfach aus dem Grund, weil es ihm in erster Linie darum ging, die Herrschaft der Bolschewiki in Russland zu konsolidieren – und weil er damit rechnete, dass die Weltrevolution all diese Bestimmungen in Kürze gegenstandslos machen würde.627 Vor diesem Hintergrund erscheint vieles, was sich in den ersten Wochen des Jahres 1918 abspielte, als bloßer Theaterdonner, als dramatische Gesten und Spiegelfechterei. Doch mit dieser hintergründigen Nachgiebigkeit der Russen war nicht von vornherein zu rechnen. Sobald die Delegierten sich am 22. Dezember 1917 in Brest-Litowsk versammelten, machte sich vielmehr ein gegenläufiges Muster bemerkbar. Die Mittelmächte standen unter Zeitdruck  : Denn für sie handelte es sich in erster Linie darum, ihre Truppen aus dem Osten rechtzeitig abzuziehen, um im Frühjahr auch Frankreich  – nach dem Muster von Caporetto  – einen empfindlichen, ja entscheidenden Schlag zu versetzen, bevor die Amerikaner in Masse in Europa eintrafen. Sie mussten daran interessiert sein, schnell zu konkreten Ergebnissen zu gelangen. Für die Sowjets empfahl sich als probates Druckmittel daher eine Verzögerungstaktik. Noch dazu waren die Verhandlungen öffentlich  : An der Tagesordnung waren brillante Rededuelle über Gott und die Welt. Der deutsche Staatssekretär Kühlmann und Leo Trotzki als russischer Delegationsleiter »lieferten sich Wortgefechte über den Grad der Abhängigkeit des Nizams von Haiderabad von der britischen Krone und über Ausmaß und Machtbefugnis des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten.« Ein österreichischer General kommentierte schadenfroh-anerkennend  : »Die Wortgefechte werden immer hitziger, wobei Trotzki alles eher als den Kürzeren zieht.« Aus der Ferne verglich ein historisch gebildeter britischer Beobachter die Debatten gar mit dem Streitgespräch zwischen Luther und Eck vier Jahrhunderte zuvor.628 Der eigentümliche Reiz der Inszenierung wurde noch durch den Kontrast in der Zusammensetzung der beiden Verhandlungsdelegationen erhöht   : So stand dem böhmischen Aristokraten Czernin, »nervös tänzelnd wie ein Araberpferd«, der russische Jude Trotzki gegenüber, der noch vor gar nicht so langer Zeit mit den Wiener Genossen im Café Central diskutiert hatte  ; unter dem Begleitpersonal imponierten den Berichterstattern als farbige Extreme der deutsche General Max Hoffmann, dem nachgesagt wurde, seinen Argumenten bei passender Gelegenheit mit donnernden Faustschlägen auf die Tischplatte Nachdruck zu verleihen, und auf russischer Seite eine wegen diverser Attentate einst zum Tod verurteilte Untergrundkämpferin, die in ihrer Rolle als düster-schweigsame »Mörderin« beeindruckte. Worum ging es bei den Verhandlungen eigentlich  ? Auf den ersten Blick um eine »Neuordnung« der Welt, zumindest der kontinentalen Welt. Czernin brachte es auf den Punkt, als er auf Trotzkis (zutreffende) Sottisen, das unabhängige Polen verfüge weder über einen König noch über feste Grenzen, ebenso zutreffend replizierte, das-

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selbe gelte schließlich auch für Trotzkis Russland.629 Panta rhei  – alles fließt, alles stand zur Disposition, und doch wieder nicht. Denn über die Grundzüge des Friedens, der hier geschlossen werden sollte, gab sich kaum jemand Illusionen hin. Russland würde auf Polen verzichten (das unter Kaiser Karl mehr oder weniger unabhängig sein sollte) und im Norden auf Kurland und Litauen, die unter Fürsten aus diversen deutschen Duodezdynastien vielleicht etwas weniger unabhängig sein würden  : Schon im September hatten die kurländischen Barone Kaiser Wilhelm um seinen Schutz ersucht, am 11. Dezember wurde ein Bundesvertrag mit einer litauischen Nationalversamlung, der Taryba, unterzeichnet.630 Mit diesen Verlusten hatte sich die russische Delegation im Prinzip abgefunden. Es ging ihr nur mehr darum, diese Verluste als Annexion zu brandmarken, und nicht als Ausfluss des von ihr selbst verkündeten Selbstbestimmungsrechts. Die Deutschen hatten zur Unterstützung ihres Standpunkts diverse Honoratiorenversammlungen einberufen, die sich von Russland lossagten. Trotzki verlangte Plebiszite, freilich erst nach Abzug der deutschen Besatzungstruppen – ein Risiko, das wiederum die Oberste Heeresleitung nicht eingehen wollte. Die Diplomaten waren da optimistischer, oder auch bloß manipulativer. Czernin schrieb zu Jahresbeginn  : »Kühlmann und ich sind der Meinung, daß bei entsprechender Vorbereitung und Geschicklichkeit das Abstimmungsergebnis nicht gefährdet ist.«631 Auch wenn die Art und Weise der Unabhängigkeit, die den baltischen Staaten da in Aussicht gestellt wurde, von voller Souveränität weit entfernt war, ein Dasein als deutscher Klientelstaat war einer Existenz als russische Provinz – oder als Sowjetrepublik – vermutlich vorzuziehen. Darüber hinaus entwickelte die OHL unübersehbar Appetit, über das bisher schon besetzte Gebiet hinauszugreifen und auch Livland und Estland von Russland abzuspalten und in Satellitenstaaten zu verwandeln – das mochte sich genauso gut oder genauso schlecht mit dem Selbstbestimmungsrecht vereinbaren lassen, wie Kurland oder Litauen, aber es war nur schwer in Einklang zu bringen mit dem Grundsatz des uti possidetis, der Grenzziehung entlang der bestehenden Frontlinien, wie er allen anderen Bestimmungen des Brester Friedens zugrunde lag. Czernin geriet in Brest überhaupt bald an mehreren Fronten in einen Konflikt mit der deutschen Obersten Heeresleitung. Dabei ging es zum einen um Polen. Die austro-polnische Lösung stand seit dem Herbst 1917 wiederum hoch im Kurs. Um die Jahreswende sprach der Warschauer Regentschaftsrat in Wien vor  ; am 28. Jänner beschloss er endgültig, Kaiser Karl die Krone Polens anzubieten.632 Doch die OHL wollte ihre Zustimmung dazu von Gebietsabtretungen abhängig machen, die in Polen auf schärfsten Widerstand stoßen mussten. Die Polen erwarteten sich von Kaiser Karl die Erweiterung Kongress-Polens um Galizien, aber auch um Wilna und Grodno im Nordosten, keine »vierte Teilung« des Landes zugunsten Preußens, ob es sich dabei jetzt um die Narew-Festungen im Norden handelte oder die Kohlengruben von Dom-

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browa gleich jenseits der österreichischen Grenze, die schon jetzt keinen geringen Beitrag zur Energieversorgung der Habsburgermonarchie leisteten. Die Achse Kühlmann–Czernin bewährte sich. Die deutsche Diplomatie stellte sich in dem Konflikt hinter die Österreicher. Botschafter Wedel beschwor ganz im Sinne Czernins die Mitteleuropa-Lösung, die mit der austro-polnischen Lösung in einem unlösbaren Zusammenhang stand. Czernin bluffe keineswegs, wenn er auf einem ungeteilten, oder wie Karl es später einmal ausdrückte  : »unbeschnittenen« Polen bestand. Die Belassung von Dombrowa bei Polen sei eine Conditio sine qua non  ; sonst würde Kaiser Karl  – immer schon ein Skeptiker  – nie auf den Handel eingehen. »Dann geht es eben nicht, dann stehen [wir] beide vor einem unüberwindlichen Abgrund.« Kühlmann gab den Druck auf die Militärs weiter. Er und Hindenburg drohten beide mit ihrem Rücktritt  ; der Kampf um die Gunst – oder die Launen – Kaiser Wilhelms wurde in nahezu Czernin’scher Manier mit Schreiduellen und Weinkrämpfen ausgefochten. Ein Kronrat am 7. Jänner 1918, dann ein preußischer Ministerrat am 4. Februar, gaben Kühlmann immerhin vorerst recht.633 Zu den polnischen Grenzfragen kam das offensichtliche Bestreben der Militärs, den russischen Kollaps zu weiteren Eroberungen zu nützen, vielleicht auch das Sowjetregime, dem sie zur Macht verholfen hatten, gleich wiederum zu stürzen, sobald es seine Schuldigkeit getan hatte. Aus der Sicht der Österreicher, die ja – von Polen einmal abgesehen – keine territorialen Forderungen an Russland stellten, war die Sache klar  : Auf derlei riskante Manöver mit all ihren uferlosen Weiterungen könne man sich nicht einlassen, die Verhandlungen dürften ganz einfach nicht scheitern. Man dürfe die Erwartungen der Öffentlichkeit in diesem Punkt nicht enttäuschen. Czernin berief sich dabei auf positive Befehle Kaiser Karls. Schlimmstenfalls würden sich die Österreicher gezwungen sehen, ihrerseits einen Sonderfrieden mit Russland zu unterschreiben. Einem ungarischen Delegationsmitglied gegenüber, dem ehemaligen Finanzminister Gusztav Gratz, behauptete Czernin sogar, er verfüge über einen direkten Draht zu Wilson  : Auch nach dieser Richtung hin könne er jederzeit einen Sonderfrieden abschließen.634 Wir wissen freilich, dass Czernin zu diesem Zeitpunkt mitnichten über derlei Kontakte verfügte, ja, die Idee eines Sonderfriedens mit den USA wenig später als Irrweg bezeichnete, wenn beide Seiten nicht auch ihre Verbündeten an den Verhandlungstisch brächten. Es handelte sich hier also wiederum um den Aufbau einer Drohkulisse, um die Deutschen zum Einlenken zu zwingen  ; von Gratz erwartete Czernin offensichtlich, dass er die Ausbrüche des Ministers brühwarm an die Deutschen weitergab. Unter diesen Umständen war es freilich auch verständlich, dass manche Beobachter – wie z. B. der kroatische General Csicserics, der immerhin als einer der Kandidaten des Kaisers für den Posten des Generalstabschefs gegolten hatte  – über kurz oder lang zum Schluss kamen, Czernin werde immer nervöser, wechsle seine Ansichten

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von Viertelstunde zu Viertelstunde und stehe ganz offensichtlich vor dem Zusammenbruch. Man möge sich in Wien daher rechtzeitig Gedanken über eine Vertretung machen. Karl selbst seufzte nach Czernins nächstem Besuch in Wien  : Czernin drohe zweimal täglich mit der Demission.635 Bei ihren Adressaten in Berlin stieß diese Taktik Czernins auf gemischte Reaktionen  : Kühlmann war im Prinzip mit Czernin einer Meinung. Er bat Czernin bloß, ihm die Drohung mit dem Sonderfrieden schriftlich zu geben, weil sie seine Position gegenüber der OHL stärken würde. Botschafter Hohenlohe dagegen hielt derlei Gerede für viel zu riskant  : Wenn man das Ende der Waffenbrüderschaft in den Raum stelle, provoziere man damit allenfalls das Ende aller deutschen Lieferungen, auf die Österreich-Ungarn in diesen Tagen besonders angewiesen war. Die in erster Linie angesprochenen Militärs hingegen reagierten kühl  : Ob die Österreicher mit Russland Frieden schlössen oder nicht, sei irrelevant, da einander an der Ostfront ohnehin nirgends mehr russische und österreichisch-ungarische Truppen gegenüberstünden – eine Tatsache, die Czernin selbst bestätigte, wenn er aus demselben Grund österreichischen Parlamentariern bald darauf wegwerfend erklärte  : »Petersburg sei für uns eine quantite negligeable.«636 Hinter diesem überraschenden Befund stand nicht bloß die Arroganz der Sieger, sondern der Auftritt eines neuen Mitspielers auf der politischen Bühne. Zwischen die Österreicher und die Russen schob sich gegen Ende des Jahres 1917 nämlich die unabhängige Ukraine, oder vorsichtiger formuliert  : Die Kiewer »Rada«, eine provisorische Regierung, über deren tatsächlichen Machtbereich die Meinungen auseinander gingen. Die Ukraine mit ihren gut dreißig Millionen Einwohnern war ein Riesenbaby, politisch freilich noch im embryonalen Zustand. Dennoch spielten die Abgesandten Kiews ihre Rolle ausnehmend gut. Ohne jede diplomatische Routine verstanden sie es meisterhaft, sich die Interessen der Großmächte zunutze zu machen, die jede für sich ihren Grund hatten, im Süden Russlands ein Gegengewicht zu den Bolschewiki aufzubauen. Als allererste hatte die Entente mit dieser Idee geliebäugelt, insbesondere die Franzosen mit ihrer Militärmission in Rumänien, die vor Ort das Terrain erkundete. Alle Kräfte, die sich den Verrätern in Petersburg entgegenstellten, waren aus ihrer Sicht willkommen  ; vielleicht konnte die Entente auf diese Weise einen Fuß in der Tür behalten und doch noch eine Art von Ersatz-Ostfront gegen die Mittelmächte am Leben erhalten.637 In dieser Beziehung erwiesen sich die vielumworbenen Ukrainer freilich als unsichere Kantonisten, denn ihr nächster Verehrer war niemand anderer als Ludendorff, der schon im Dezember für die Anerkennung der Ukraine plädierte. Der Generalquartiermeister wollte damit gleich zwei Fliegen auf einen Schlag treffen  : Über die Ukraine konnte Deutschland nicht bloß Russland unter Druck setzen und eventuell selbst einen Zugang zum Schwarzen Meer finden, es konnte mit diesem

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»baltisch-pontischen« Konzept einer Landbrücke zwischen Litauen und der Ukraine auch das misstrauisch beäugte Polen im Osten »abkapseln«.638 Als Dritter im Bunde stellte sich Mitte Jänner 1918 ganz überraschend Czernin ein, den zwar mit Ludendorff in allen anderen Fragen ein Verhältnis verband wie Hund und Katz, doch was die Ukraine betraf, herrschte Übereinstimmung. Czernin verband mit dem Gedanken an die Anerkennung der Ukraine einen Zusatzreiz von enormer Suggestivkraft, eine Fata Morgana freilich, die keinen Reflex gefinkelter strategischer Pläne darstellte, sondern schlicht und einfach Hungerfantasien entsprang  : In der österreichischen Nahrungsbilanz klaffte bis zur nächsten Ernte eine Lücke, die alles bisher dagewesene in den Schatten zu stellen drohte – und die Ukraine galt als die Kornkammer Europas. Während Russland »nichts zu exportieren hat als die Revolution, besitzt die Ukraine viel Getreide, welches sie uns geben will.«639 Wie es im Jahre 1918 noch mehrfach vorkommen sollte, war man inzwischen bereit, alle Rücksichten auf ordnungspolitische Fragen höherer Ordnung zurückzustellen, sobald es um die unmittelbare Krisenbewältigung ging. Den Frieden mit der Ukraine verhandelte tatsächlich in erster Linie Czernin  ; diesmal waren zur Abwechslung einmal die deutschen Unterhändler nicht viel mehr als Komparsen. Diese vornehme Zurückhaltung hatte ihren Grund. Schließlich gingen die Kompensationen, die man der Ukraine anbot, zulasten der Österreicher, oder besser  : der Polen – der Polen, die schon Österreicher waren oder es demnächst werden wollten. Die Ukraine wurde nicht bloß anerkannt, sondern im Friedensvertrag war auch von ihren Grenzen die Rede  : Demnach umfasste die Ukraine auch den Bezirk Cholm, der im Zuge administrativer Reformen kurz vor dem Krieg von KongressPolen hätte getrennt werden sollen. Dazu war es bisher noch nicht gekommen  : Erst die siegreichen Mittelmächte versprachen dem Ukas des Zaren nachträglich Geltung zu verschaffen. Über die tatsächliche ethnische und konfessionelle Zusammensetzung des Distrikts wurden erwartungsgemäß weitabweichende Statistiken kolportiert. Ein Scherzbold formulierte, Cholm sei zweifellos der dichtbesiedeltste Landstrich Europas, denn er werde von mindestens 85 % Polen und 90 % Ukrainern bevölkert.640 Damit nicht genug, wurde den Ukrainern in einem geheimen Zusatz-Protokoll auch noch die Teilung Galiziens und die Schaffung eines eigenen ukrainischen Kronlands zugesichert. Auf keinen Fall dürften die Ukrainer zu einem polnischen Staat geschlagen werden – sonst müsste die Ukraine Österreich »bis aufs Messer bekämpfen«.641 Spätestens in einem halben Jahr verpflichtete sich die österreichische Regierung eine dementsprechende Vorlage im Reichsrat einzubringen. All das sollte freilich nur unter der einen Voraussetzung geschehen, »daß die in der Ukrainischen Republik vorhandenen Überschüsse an Brotgetreide mindestens eine Million Tonnen betragen« und »deren rechtzeitige Aufbringung innerhalb kürzester Zeit« sichergestellt werde. 1 Million Tonnen – das war immer noch weniger als die rumänischen Vorräte, die Ös-

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terreich 1915/16 aufs Korn genommen hatte. Ob die Ukraine in ihrem gegenwärtigen Zustand, mit ihrem Chaos zwischen Revolution und Sezession, inmitten bürgerkriegsähnlicher Zustände, zu derartigen Exportanstrengungen in der Lage war, stand in den Sternen. Die ukrainischen Vertreter hatte deshalb auch darauf gedrungen, die konkreten Zahlen nicht in den Frieden aufzunehmen, sondern nur in einen separaten Lieferungsvertrag  ; die Mittelmächte wiederum behielten sich vor, die Ratifikation des Friedens von den vollzogenen Lieferungen abhängig zu machen. Keiner besonderen Fantasie bedurfte es hingegen, um sich auszumalen, wie die Polen – diesseits und jenseits der österreichischen Grenzen – auf den »Kotau« vor den Ukrainern reagieren würden (wie Czernin sein Verhandlungsergebnis in entwaffnender Offenheit vor dem Ministerrat ausschilderte).642 Machte sich hier der Primat der Außenpolitik geltend und drohte, die österreichische Innenpolitik durcheinander zu wirbeln  ? Oder war es nicht vielmehr ein Bumerang-Effekt, der sich hier bemerkbar machte  : Um dem Unmut der darbenden Wiener zu steuern, sah sich der Ballhausplatz gezwungen, außenpolitische Haken zu schlagen, ohne Rücksicht auf die innenpolitischen Kollateralschäden, die damit einhergingen  ? Schließlich betonten in diesen Tagen auch die Sozialdemokraten immer wieder, nicht bloß an der OHL, sondern auch an den Polen und an dem Werben um die polnische Königskrone dürfe der Frieden nicht scheitern. Wie sehr die Heimatfront nach Entlastung schrie, wurde der politischen Klasse just in den Tagen um den 15./16. Jänner 1918 ad oculos demonstriert, als der vergrippte Czernin vom Krankenbett aus seine Zugeständnisse an die Ukrainer machte.643 In Österreich brachen wilde Streiks aus. Über die Ursache brauchte man nicht lange zu rätseln  : Am Vortag war eine weitere Kürzung der Brotrationen angekündigt worden. Während Czernin auf die OHL Druck ausüben wollte, musste Österreich in Berlin um 400 Waggons Mehl vorstellig werden. Die Versorgung litt nicht bloß unter den generellen Mangelerscheinungen, sondern unter den Nachwirkungen des Verkehrschaos, das die erfolgreiche Offensive gegen Italien ausgelöst hatte  : Hunderte Züge stauten sich nach wie vor im Süden und fehlten im Zentralraum um Wien. Oder war der Mundraub bloß der Anlass, nicht die Ursache der Streiks  ? Hungerkrawalle gingen Hand in Hand mit Friedensdemonstrationen. Am Vortag hatten auch schon sozialdemokratische Protestversammlungen gegen die sprichwörtlichen Faustschläge des Generals Hoffmann in Brest stattgefunden  : Der Friede dürfe an der OHL nicht scheitern. Der Kaiser selbst war einer der ersten, der argumentierte, wenn auch noch so viel zum Essen da wäre, so stünde man doch vor einer Revolution, wenn der Friede nicht zustande käme.644 Die Lage bot Anlass für jede Menge von Verschwörungstheorien, wie sie während des Krieges mit seiner Nachrichtensperre besonders üppig wucherten. Der polnische Sozialist Daszynski äußerte den Verdacht, es handle sich bei dem »Ausstand« um eine »bestellte Arbeit Czernins«. Selbst FML Marterer,

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der Chef der Militärkanzlei fragte sich  : »Die Sache ist unheimlich und ich kann den Gedanken nicht von mir weisen, daß die Regierung die Bewegung nicht ungern sieht, um auf Ungarn [wegen der Getreidelieferungen] und Deutschland [wegen der Beschleunigung der Friedensverhandlungen] einen Druck zu üben. Ich sagte dies heute Seiner Majestät, der lachend nein sagte.«645 Dem biederen Seidler traute wohl tatsächlich niemand ein solches Spiel mit dem Feuer zu. Dafür gab es andere Verdächtige. Die Bolschewiki, das war schließlich bloß die Bezeichnung für die Mehrheitsfraktion auf dem Parteitag der russischen Sozialdemokratie Anno 1903. War es nicht denkbar, dass die Sowjets ihre Genossen mobilisierten, um den Mittelmächten die Lust auf eine Fortsetzung des Krieges zu nehmen und günstigere Bedingungen für die Russen herauszuschlagen. Zu Beginn der Ver- Abb. 19  : Dr. Viktor Adler, der »Hofrat der handlungen hatten die Militärs argu- Revolution« und Vater des Stürgkh-Attentäters mentiert  : Die russische Regierung müsse Friedrich Adler. klein beigeben, da sie sonst zweifellos gestürzt wird.646 Drehten die Bolschewiki den Spieß jetzt um und drohten ihrerseits den Mittelmächten mit der Revolution  ? Tatsächlich finden sich Anzeichen dafür, dass die Aktion von »einem Kreis linksradikaler Betriebsvertrauensmänner in Wiener Neustadt […] systematisch vorbereitet wurde.«647 Für sie war die Kürzung der Mehlration bloß der gegebene Anlass für den Startschuss einer Rätebewegung in Österreich, die mit der herkömmlichen Organisation der sozialdemokratischen Gewerkschaften bald in ein Konkurrenzverhältnis geriet. Mit der Linie der »offiziellen« Partei verband die Streikenden wenig  : So war z. B. der in der Woche zuvor verstorbene Abgeordnete für Wiener Neustadt und stellvertretende Parteivorsitzende, Engelbert Pernerstorfer, ein prominenter Vertreter des rechten Parteiflügels gewesen. Der Sozialistenführer Viktor Adler reagierte im Parlament kokett auf alle Verdächtigungen – »Mein Freund Trotzki, oder mein Feind Trotzki – Sie können das eine oder das andere sagen, es ist beides richtig« –, ließ dabei aber eine brillante Verteidigungs-

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rede für Czernin vom Stapel. Besorgten Diplomaten hatte er kurz zuvor versichert, Czernin benötige keinen Vertrauensvorschuss, denn er besäße eine Popularität »wie in Österreich nie zuvor ein anderer Minister.«648 Den Sozialdemokraten wurde von Freund und Feind attestiert, dass sie ihr möglichstes getan hätten, die Streikbewegung einzudämmen und in geregelte Bahnen zu bringen. Die Konferenzen der Arbeiterführer mit den Ministern waren von gegenseitigem Verständnis, ja Mitleid getragen. »Die Sozialisten sind sehr erschrocken über die Streiks«, notierte ein Konservativer  ; Adler wiederum meinte gönnerhaft  : »Der Ernährungsminister hat uns leid getan.«649 Die Sozialdemokraten versuchten noch ein wenig politisches Kleingeld herauszuschlagen, wenn sie für ihre Kooperationsbereitschaft eine Demokratisierung des Gemeindewahlrechts in Rechnung stellten, was wiederum die bürgerlichen Parteien in hellen Aufruhr versetzte. Doch binnen einer Woche war der Spuk vorbei. Inzwischen drohte die Unsicherheit über den Ausgang der Friedensverhandlungen und die Furcht vor Unruhen im Inneren in eine »persönliche Krise Kaiser–Czernin« zu münden. Czernin wollte den Krieg im Osten zwar ebenfalls um fast jeden Preis beenden, dazu aber nicht durch eine Bewegung im Hinterland gezwungen werden. Er klagte, die Hoffnung auf die Revolution in Österreich mache die Russen vollkommen unnachgiebig und werde noch im letzten Moment alles verderben. Deshalb empfahl er zwar einerseits seinem Sektionschef Flotow, Kontakt mit den führenden Sozialdemokraten aufzunehmen, plädierte aber andererseits auch, falls sich die Lage nicht beruhigen sollte, für die Einsetzung eines Militärregimes in Österreich. Vor allem entsetzte ihn die »Zensurpraxis der Regierung, die alle Nachrichten über den Strike durchließ«, verbunden mit einem Seitenhieb auf den »Schludrian in der Ernährungsfrage«. Er finde keine Worte, »um den apathischen Zustand Seidlers richtig zu kennzeichnen«. Der eigentliche Sündenbock aber war der ungarische Ernährungsminister Hadik. Die ungarische Regierung sei außerstande, ihren Aufgaben nachzukommen. Dazu bedürfe es Männer, welche »den Willen aufbringen, auch unvolkstümliche Entschlüsse mit aller Entschlossenheit durchzusetzen«, mit einem Wort  : Czernin empfahl die Rückkehr Tiszas, als Ministerpräsident oder auch als gemeinsamer Ernährungsminister, gegen die sich der Kaiser ganz offensichtlich sträubte. Erstmals wurde in diese Kontroversen auch die Kaiserin hineingezogen, die Czernins Tonfall befremdlich fand.650 Doch sobald Czernin mit seinem Ukraine-Frieden in der Tasche in Wien eintraf, herrschte wiederum eitel Wonne. Karl versprach  : »Wenn die Regierungen beim Kronrate Schwierigkeiten machen würden, so würde er sie entlassen, denn den Frieden ließe er sich keineswegs verderben.« Zwar fand beim Kronrat am 22. Jänner zumal Wekerle namens der Ungarn, »wir würden die Autonomie Ostgaliziens um ein Linsengericht verkaufen«. Wenn man einer solchen Einmischung von außen nachgebe, gerate man auf eine schiefe Bahn. Doch dem Argument Czernins, er würde jederzeit eine andere Politik machen, sobald Ungarn die Versorgung Österreichs mit Getreide

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garantieren könne, hatte er nichts entgegen zu setzen.651 Die Drohung mit Tisza ante portas tat ihre Wirkung. Der widerspenstige Hadik als Stein des Anstosses wurde entlassen. In Österreich waren die Streiks zu Ende gegangen. Im Sinne der Anregung Czernins wurde der Generaloberst Schönburg-Hartenstein dennoch am 28. Jänner zur Audienz bestellt und informiert, dass er für den Fall innerer Unruhen als Ministerpräsident ausersehen sei, mit FML Bardolff als Innenminister – zwei hohe Militärs, und doch alles andere als Kommissköpfe, sondern mit reicher politischer Erfahrung  : Schönburg war immerhin Obmann der Mittelpartei des Herrenhauses, somit ein Pendant zu Silva-Tarouca und Fürstenberg  ; Bardolff war vor 1914 Chef der Militärkanzlei des Thronfolgers gewesen, mit intimen Kontakten zu Politikern fast aller Couleurs, von den Deutschradikalen bis zu den Ukrainern. »Für den Fall, daß der Kaiser von der Regierung abgeschnitten werden sollte, wird Erzherzog Eugen zu seinem Stellvertreter ernannt.«652 Schönburg wurde inzwischen provisorisch zum Kommandanten der Truppen im Hinterland ernannt, der Titel dann noch einmal geändert und das Amt schließlich Anfang März sang- und klanglos aufgelöst, ohne dass Schönburg noch einmal vom Kaiser empfangen worden wäre.653 Im Zusammenhang mit den Friedensverhandlungen hatte auch der deutschtschechische Antagonismus in Böhmen neue Nahrung erhalten. Die Sowjets hatten das Selbstbestimmungsrecht der Völker ja keineswegs in den Raum gestellt, um die Abtretungen von russischem Territorium zu kaschieren, sondern als Maxime, die allgemeine Geltung haben sollte. Czernin wies jede Analogie mit Österreich-Ungarn selbstverständlich postwendend zurück, doch die Tschechen hakten an diesem Punkte ein und begleiteten die Auseinandersetzungen in Brest-Litowsk mit pertinenten Fragen, warum das Selbstbestimmungsrecht bloß für »ein Handvoll Estländer« und demnächst »vielleicht auch noch Grönland« gelte, aber nicht für Mitteleuropäer.654 Die Tschechen verlangten in Brest gehört zu werden. Aus dem Gefühl heraus, »irgendetwas tun zu müssen«, verfielen Šamal und Rašin auf die Idee eines kurzfristig anberaumten Surrogat-Landtages, einer feierlichen Versammlung am 6. Jänner, zu der alle tschechischen Reichsrats- und Landtagsabgeordneten ohne Unterschied der Partei geladen wurden  : Die dort verabschiedete Dreikönigs-Deklaration – die von der Zensur prompt konfisziert wurde – unterschied sich inhaltlich nicht allzu sehr von den Erklärungen des Vorjahres, unterstrich jedoch die »Internationalisierung« der böhmischen Frage und ließ als Novum das pflichtschuldige Lippenbekenntnis vermissen, das all diese Forderungen selbstverständlich unter dem Szepter der angestammten Dynastie realisiert werden sollten.655 Erst zwei Tage später – ohne jeden Zusammenhang mit den Prager Kundgebungen – wurde das Selbstbestimmungsrecht auch von Präsident Wilson aufgegriffen, der in zehnten seiner berühmten »14 Punkte« noch recht ambivalent formulierte  : »The

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peoples of Austria-Hungary whose place among the nations we wish to see safeguarded and assured, should be accorded the freest opportunity of autonomous development.«656 Wilsons Erklärung war insofern als Reaktion auf Brest-Litowsk zu betrachten, weil die Entente die halbherzige Einladung der Russen ausgeschlagen hatte, doch auch an der Konferenz teilzunehmen. Diese Weigerung musste vor der heimischen Öffentlichkeit propagandistisch verkleistert werden, um pazifistischen Strömungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch in England gab Lloyd George deshalb Anfang Jänner eine Erklärung ab (Mansion House Speech), die weit zurückhaltender ausfiel, als z. B. die Antwort auf die Friedensnote der Mittelmächte ein Jahr zuvor. Für Czernin ergab sich jetzt erst die Chance einer Anknüpfung, als er Wilsons 14 Punkte in einer Rede am 24. Jänner erstaunlich positiv »als eine bedeutende Annäherung an den österreichisch-ungarischen Standpunkt« würdigte. Ratschläge, wie die Monarchie im Inneren zu regieren sei, müsse er höflich, aber entschieden ablehnen, aber er konstatierte weitgehende Übereinstimmung in diversen anderen Fragen  ; einigen Punkten (wie z. B. der Abrüstung oder der Freiheit der Meere) würden »wir sogar mit großer Freude zustimmen«.657 Die tschechische Deklaration war in erster Linie mit Blick auf das Ausland konzipiert worden, gerichtet weniger an die Westmächte (dort leistete ohnehin Masaryk Überzeugungsarbeit), sondern als Appell an die Russen, sich doch ihrer slawischen Brüder anzunehmen. So zumindest wurde ihr Schritt von den böhmischen Konservativen aufgefasst, die freilich von Anfang an Bedenken hegten, ob Trotzki die tschechischen Wünsche tatsächlich ein Anliegen waren, oder »ob Kroat und Tschech ihm nicht völlig Hekuba wären«.658 Unmittelbare Resonanz fand die Dreikönigs-Deklaration dafür bei den nationalen Gegnern, den Deutschböhmen. Sie nahmen die unverhüllte Forderung nach Souveränität der böhmischen Länder zum Anlass, ihrerseits am 20. Jänner die Schaffung eines eigenen Kronlands Deutschböhmen zu verlangen und schworen, keinen böhmischen Landtag mehr anzuerkennen (der seit 1913 ohnehin nicht mehr tagte). Die Forderung nach einem eigenen Kronland Deutschböhmen stand in einem seltsamen Gleichklang  – oder auch Kontrast  – mit dem Kronland Ostgalizien, wie es Czernin soeben insgeheim den Ukrainern in Aussicht gestellt hatte. Neue Kronländer konnten freilich nicht von heute auf morgen aus der Taufe gehoben werden. Als Abschlagszahlung urgierte Karl Hermann Wolf bei der Regierung deshalb die Errichtung des Kreisgerichts Trautenau – eine Quisquilie, aber von großer symbolischer Bedeutung. Parish seufzte, die Deutschen wüssten genau, »daß sie gar nichts vom Kreisgericht Trautenau haben, wie ja die Tschechen auch gar nichts damit verlieren. Aber es ist das Zeichen, daß die deutschen Wünsche und Verlangen vor den tschechischen zu berücksichtigen sind.«659 Wolf war Abgeordneter von Trautenau  ; das Kreisgericht, »ein alter Zirkusschimmel«, war den Deutschen schon vor fünfundzwanzig

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Jahren zugesagt worden, als Teil der nationalen Abgrenzung der Gerichtssprengel, dann aber dem Scheitern der damaligen nationalen Ausgleichsverhandlungen zum Opfer gefallen.660 Inzwischen hatte sich Czernin am 22. Jänner im Ministerrat Vollmachten für seinen Vertrag mit den Ukrainern geben lassen und war nach Brest zurückgekehrt. In der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 1918 wurde in Brest der Erstlingsfriede dieses Krieges unterzeichnet, mit einem Staat freilich, der als solcher am Krieg gar nicht teilgenommen hatte, sondern erst mit dem Frieden sein Debut auf dem internationalen Parkett feierte. Eingedenk der versprochenen Million Tonnen Getreide, prägte der Wiener Bürgermeister Richard Weiskirchner für den Vertrag mit der Ukraine den hoffnungsvollen Terminus »Brotfriede«. »S. Majestät ist glücklich«, notierte man in seinem Vorzimmer. Zur Feier des Tages ergoss sich auf die Würdenträger des Reiches ein Regen von Orden, Beförderungen und Standeserhöhungen. Um ein Haar wäre Czernin – trotz so mancher sich abzeichnender Differenzen mit Karl – damals in den Fürstenstand erhoben worden.661 Der »Brotfriede« zeitigte freilich von Anfang an unerwünschte Nebenwirkungen. Czernin hielt daran fest, auch den Frieden mit Russland zu perfektionieren. In letzter Minute war es Kühlmann gelungen, unter Hinweis auf die drohende Trennung von den Österreichern, alle Querschüsse der OHL mit ihren »maßlosen Begierden« nach dem ganzen Baltikum abzuwehren. Doch Trotzki war nicht gewillt, den Verlust der Ukraine unter ferner liefen zu verbuchen  : Wenn schon Selbstständigkeit, dann unter einer bolschewistischen Führung. Die Sowjets installierten in Charkow eine Gegenregierung, die militärisch recht kräftige Lebenszeichen von sich gab. Peinlicherweise gelang ihr am Tage der Unterzeichnung des Brotfriedens sogar, Kiew zu besetzen. So erwiesen sich nicht – wie befürchtet – die Forderungen der OHL, sondern Czernins Überraschungscoup mit der Ukraine als Stolperstein auf dem Weg zum Frieden im Osten. Trotzki verfiel auf die originelle Lösung, die Verhandlungen am 10. Februar abzubrechen – und den Krieg einseitig für beendet zu erklären. Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin  ? Die Diplomaten aller vier Mittelmächte waren mit Trotzkis Abreise im Prinzip einverstanden. Auf österreichischer Seite hatte man sogar schon selbst ein ähnliches Vorgehen erwogen  ; der Gesandte Wiesner telegrafierte  : »Hier ist man der Ansicht, daß dies eigentlich die beste Lösung ist.«662 Die Sowjets demobilisierten. Das hieß  : Man war den Krieg im Osten los, konnte ohne Friedensvertrag aber in den besetzten Gebieten »nach Gutdünken schalten und walten.«663 Auch Kühlmann gab sich damit zufrieden und meinte, wegen einer solchen Formalität könne man doch nicht weiter Krieg führen. Doch damit hatte er die Rechnung ohne die OHL gemacht, die sofort ihre Chance witterte, doch noch Livland und Estland zu okkupieren. Dabei hatte sie diesmal auch den Reichskanzler auf ihrer Seite, der sich auf den Standpunkt stellte  : Der Abbruch der Verhandlungen

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stelle eine Aufkündigung des Waffenstillstands dar – und den Kaiser, der sich als Retter der europäischen Throne vor der Revolution sah. Deutschland stellte den Sowjets ein Ultimatum und begann am 18. Februar mit seinem »Eisenbahnvormarsch« – »Eisenbahnvormarsch« deshalb, weil die Sowjets keinen Widerstand leisteten, aber auch, so hieß es, weil alle wirklichen Kampftruppen eilends nach Westen abtransportiert worden waren und im Osten nur mehr »Fußmarode« zurückblieben (und Kavallerie, die ein letztes Mal ein adäquates Betätigungsfeld fand). Die Österreicher sollten sich auf Wunsch Kaiser Karls an dem Vormarsch zunächst ausdrücklich nicht beteiligen. Dabei stieß man freilich auf ein Problem. Denn die in Bedrängnis geratene Kiewer Rada hatte an die Österreicher einen Hilferuf ergehen lassen, wie ihnen das von der österreichisch-ungarischen Diplomatie auf dem Umweg über den Abgeordneten Wassilko suggeriert worden war. Schon zur Sicherung der begehrten Getreidevorräte war österreichische Präsenz geboten. Das Ergebnis war ein Spiel mit verdeckten Karten  : Karl beharrte auf seinem Veto, das nicht bloß von Czernin bekämpft, sondern auch vom AOK klammheimlich umgangen wurde (das erste Mal, dass Arz in puncto Eigenmächtigkeiten in die Fußstapfen Conrads trat). Erst nach zehn Tagen und einem neuerlichen Hilferuf der Ukrainer lenkte Kaiser Karl ein. Schließlich lieferten sich deutsche und österreichisch-ungarische Truppen noch einen Wettlauf, wer als erster in Odessa eingezogen sei. Die Ukraine wurde in Besatzungszonen geteilt  : Deutschland behielt Kiew und die Krim  ; die österreichischungarische Zone schlängelte sich dazwischen von Galizien über fast tausend Kilometer bis zum Asow’schen Meer.664 Die Reaktion Kaiser Karls war von der Furcht diktiert worden, durch den deutschen Vormarsch in uferlose Auseinandersetzungen in den Weiten Russlands verwickelt zu werden. Diese Sorge erwies sich als unbegründet  : In einer dramatischen Sitzung des Zentralkomitees der Bolschewiki am 23. Februar setzte sich Lenin (mit Unterstützung Stalins) gegen alle Kritiker durch. Das deutsche Ultimatum wurde akzeptiert. Die russischen Truppen räumten die Ukraine und Finnland. Livland und Estland verblieben vorläufig im russischen Staatsverband, wurden aber von deutschen Truppen besetzt, die dort Unabhängigkeitsbewegungen ins Leben zu rufen versuchten, unter maßgeblicher Beteiligung des deutsch-baltischen Adels. Zum endgültigen Abschluss des Friedens am 3. März reisten die Außenminister gar nicht mehr selbst an. Die Verhandlungen wurden in drei Tagen im Eiltempo durchgezogen, so schnell, dass man mit den russischen (und ungarischen) Übersetzungen gar nicht mehr nachkam.665 Lenin kommentierte das Ergebnis ungerührt  : Er werde den Vertrag weder lesen noch seine Klauseln erfüllen. Auch auf deutscher Seite hatten zumal der Kaiser und die Militärs so ihre Hintergedanken, was das bolschewistische Regime betraf. Lenin rechnete mit dem Tag X + 1, der Weltrevolution, der Revolution zumal in Deutschland  ; die Deutschen rechneten – ebenso wie die Entente – mit dem Sieg der Gegenre-

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volution und kultivierten vorsorglich »weißrussische« Generäle. Kühlmann bemerkte über dieses Liebeswerben einmal ironisch, es sei doch »merkwürdig, daß alle unsere Freunde Adjutanten des Zaren waren.«666 Dennoch hielt das Zweckbündnis von Berlin und Moskau, die Kombination weltanschaulicher Extreme, vom Auswärtigen Amt gegen alle Querschüsse der Militärs abgeschirmt, bis zum Ende des Krieges. Der ­Osten band immer noch eine gewisse Anzahl von Truppen, 10–15 % der Feldheere der Mittelmächte – aber dieser Abgang machte sich nicht allzu dramatisch bemerkbar, denn es waren nicht die Sturmtruppen oder die schwere Artillerie, die im Guerillakrieg in der Ukraine gebraucht wurden.667 Wenn Czernin und Kühlmann der Perfektionierung des Brester Friedens fernblieben, verbarg sich dahinter keine innerliche Distanzierung  ; das Duo hatte bloß augenblicklich wichtigeres zu tun. Denn mit dem russischen Waffenstillstand war auch die Position Rumäniens unhaltbar geworden, das 1917 noch mit großer Zähigkeit den letzten, ihm verbliebenen Rest an Territorium verteidigt hatte. Militärisch bedeutete der Zusammenbruch Russlands für Rumänien eine Katastrophe, politisch eine Chance. Denn solange Russland auf dem Friedenskongress zumindest ein Trostpreis zustand, stand Czernins Idee einer Aufteilung Rumäniens im Raum. Nach dem russischen Zusammenbruch vermochte sich Rumänien hingegen schon einmal Bessarabien zu sichern. Ernsthaft zu fürchten hatte es nur mehr um die Dobrudscha, die Gebiete südlich der Donau, auf die Bulgarien ein begehrliches Auge geworfen hatte. Rumänien war im Rahmen der »Kriegsziel-Konkordanz« vom Herbst 1917, als man die Abmachungen des Frühjahrs 1917 umdrehte und zur »austro-polnischen« Lösung zurückkehrte, zur deutschen Einflusssphäre geschlagen worden. Was unter diesem Vorrang der Deutschen genau zu verstehen war, blieb offen  ; prinzipiell ging man dabei immer von einer gewissen Analogie mit Polen aus. In Polen war Karl als König in Aussicht genommen, auch wenn nicht alle Preußen diese Lösung als optimal oder endgültig ansahen. In Rumänien regierte zwar bereits ein Hohenzoller, der jedoch beim Chef des Hauses verständlicherweise in Misskredit geraten war. Kaiser Wilhelm spielte hier mit der Vorstellung eines »Regime-Wechsels«, z. B. durch die Berufung seines Schwagers Friedrich Karl von Hessen. Vor diesem Hintergrund war es keine Selbstverständlichkeit, dass Czernin Anfang Februar das Gesetz des Handelns an sich riss und – ganz im Gegensatz zu seinen Tiraden des Vorjahres – König Ferdinand in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gegen einen Frontwechsel zu den Mittelmächten das Überleben der Dynastie zusagte. Der frühere Militärattache Maximilian Randa traf sich »nach Einbruch der Dunkelheit auf freiem Felde« mit einem Flügeladjutanten des Königs, der auf das Angebot erleichtert einging und prompt ein paar Tage später sein Entente-freundliches Kabinett Bratianu entließ.668 Schwierigkeiten bereitete bloß noch die Frage der Nord-Dobrudscha mit dem Hafen Constanza. Zwar gönnte sie den Bulgaren keiner ihrer Verbündeten so wirklich,

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aber nur die Türken wollten das auch laut sagen. Folglich wurde sie im Vorfrieden von Buftea am 5. März, achtundvierzig Stunden nach Brest-Litowsk, vorläufig »zur gesamten Hand« an alle vier Mittelmächte abgetreten. Um die Rumänen zu diesem Verzicht zu bewegen, war am 27. Februar ein letztes Ultimatum notwendig gewesen, das seiner kuriosen Begleitumstände halber wert ist, genauer unter die Lupe genommen zu werden. Denn eigentlich handelte es sich bei dem Ultimatum um einen Bluff  : Türkische Truppen würden sich kaum für die bulgarischen Ansprüche schlagen  ; die Deutschen waren längst Richtung Westfront abgezogen  ; die Österreicher aber fielen aus, weil sich Karl auch hier gegen weitere Kämpfe sträubte. Der Bluff gelang dank strikter Geheimhaltung  : Den Rumänen blieb Karls Veto verborgen  ; umgekehrt habe man, wie Kühlmann nach Hause berichtete, aber auch »den hohen Herrn in die genaueren Einzelheiten der hiesigen Verhandlungen nicht vollkommen eingeweiht.« Dementsprechend wetterte Karl nach dem Krieg über Czernins Freundschaft mit Kühlmann als »die höchste Potenz der Deutschtümelei«  ; mit dem Ergebnis war er aber auch dann noch zufrieden. 669 Bis zum endgültigen Frieden von Bukarest am 7. Mai gab es noch einige Turbulenzen zu bewältigen. Man hatte in Berlin das österreichische fait accompli akzeptiert und sich gegen die Absetzung die Dynastie entschieden. Doch konnte und wollte man es verhindern, wenn die Rumänen von sich aus einen neuen König wählten  ? Hinter dieser treuherzigen Formel verbarg sich das Kalkül des deutschfreundlichen konservativen Politikers Carp, einen Kandidaten zu wählen, der Kaiser Wilhelm und Ludendorff genehm war – und dafür als kleines Dankeschön die Dobrudscha zurückzuerhalten. Kaiser Karl hingegen lehnte »im Interesse des monarchischen Prinzips« einen Dynastiewechsel ab und sprach abschätzig von einigen »von Deutschland bezahlten Bojaren«. Gegen diese Intrigen bewährte sich ein weiteres Mal die Achse Kühlmann–Czernin. Zum Ministerpräsidenten ernannt wurde der österreichische Kandidat Marghiloman, den Czernins Vertrauter Demblin einmal als den »Opportunisten durch und durch« bezeichnete  – was als Kompliment gemeint war  : Man solle ihn deshalb halten, »solange es geht«. Czernin aber schrieb gönnerhaft in seinen Memoiren  : »Es herrschte damals bereits eine gewisse Baisse in Königen auf dem europäischen Markte, und ich fürchtete, diese Baisse zur Deroute zu steigern, wenn wir noch weitere Könige auf den Markt warfen.«670 Der Vertrag von Brest-Litowsk (samt seinem Nachspiel in Bukarest) hatte immer schon mit übler Nachrede zu kämpfen. Es fällt selbstverständlich leicht, das Selbstbewusstsein, das die Mittelmächte im Frühjahr 1918 zur Schau trugen, mit Blick auf ihren Kollaps ein halbes Jahr später als Hybris einzustufen. Und doch  : Die Resultate des Friedens von Brest erwiesen sich in gewisser Weise als viel dauerhafter als die Ergebnisse der Pariser Vororteverträge 1919/20. Die Tschechoslowakei und Jugoslawien gehören der Vergangenheit an  ; die baltischen Staaten und die Ukraine sind

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wiederauferstanden, von Polen und Finnland ganz zu schweigen. Allerdings ging es der Kritik meist weniger um diese langfristigen Prägungen, sondern vielmehr um die kurzfristigen Wechselwirkungen zwischen dem Frieden im Osten 1917/18 und dem Frieden im Westen 1918/19. Auf einen einfachen Nenner gebracht  : Das »Diktat« von Versailles sei die Retourkutsche gewesen für den drakonischen Frieden im Osten. »Für die Entente war Brest-Litowsk zweifellos ein Rubikon«, heißt es demnach auch in der jüngsten, ausgezeichneten Studie über die Ukraine in diesen Jahren. Der Autor könnte sich dabei sogar auf Czernin selbst berufen, der schon vor Ort klagte, »der unstillbare Annexionshunger Deutschlands verdirbt jeden Frieden im Westen.«671 Dieses Urteil beruht freilich auf einer irrtümlichen Einschätzung der britischen Politik, für die Brest-Litowsk keine Überraschung darstellte. Im Gegenteil  : In London rechnete man schon mit der Loslösung Livlands und Estlands, als Kühlmann den Ambitionen der OHL noch eine Absage erteilte – und war sich nur nicht darüber im Klaren, ob sich Deutschland im Baltikum mit einem »Protektorat« begnügen würde.672 Die Westmächte waren zu einem Status-quo-Frieden im Westen weder vor noch nach Brest-Litowsk bereit. Ein paar Quadratkilometer mehr oder weniger im Osten machten da keinen Unterschied. Allerdings  : Der deutsche Sieg im Osten war für die Engländer sehr wohl mit existenziellen Befürchtungen verbunden, die bis zu einer Bedrohung der britischen Stellung in Indien oder im Mittleren Osten reichten. Aber dabei ging es nicht um Estland als deutschen Satelliten und nicht einmal um die Ukraine, sondern – um die Einschätzung des bolschewistischen Russlands als deutschen Satelliten und mögliches Sprungbrett für Angriffe gegen das Empire in Asien. Der französische General, der in sein Tagebuch schrieb, die Bolschewiken seien ja doch nur Agenten der »Boches«, brachte diese Stimmung auf den Punkt. Natürlich war die Partnerschaft von »Boches« und »Bolshies« eine brutale Freundschaft  : Die Bolschewiki exekutierten die Zarenfamilie, Verwandte des Kaisers  ; die Mittelmächte exekutierten Freischärler in der Ukraine, Gesinnungsgenossen der Sowjets. Österreichische Diplomaten in Moskau wurden von Gewissensbissen geplagt ob der »Mitschuld an dem Großwerden des Roten Terrors«.673 Dennoch sprach bis zum Herbst 1918 wenig gegen die grundlegende These von der stillschweigenden Achse Berlin–Moskau. Sobald man diese These aber einmal akzeptierte, war es völlig gleichgültig, ob die Demarkationslinie zwischen Berlin und seinen anrüchigen Handlangern nun an der Düna verlief oder am Peipus-See  ; ja, jegliches Entgegenkommen von deutscher Seite musste den Eindruck der Komplizenschaft zwischen Lenin und Ludendorff nur noch verstärken. Die OHL hat im Februar 1918 »brinkmanship« betrieben und war überflüssige Risken eingegangen  – aber diesmal ging ihr Kalkül dank Lenin auf. Gravierende Fehler, die sich im Herbst »rächen« würden, sind den Mittelmächten in Brest-Litowsk keine unterlaufen, zumindest in außenpolitischer Hinsicht.

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In innenpolitischer Hinsicht löste der Brester Friede freilich einen Sturm aus  – nicht der angeblich »karthagische« Friede mit Russland, sondern das Abkommen mit der Ukraine. Die Polen fühlten sich von der österreichischen Regierung verraten. Das Verhalten Czernins goss zusätzlich Öl ins Feuer  : Er hatte die Teilnahme einer polnischen Delegation an den Verhandlungen in Brest abgelehnt, selbst als der Warschauer Regentschaftsrat dafür mit Adam Tarnowski einen österreichischen Diplomaten nominierte  ; den polnischen Ministerpräsidenten wollte er lieber nicht in Brest empfangen, sondern bestellte ihn nach Wien  ; dafür berief er in der Endphase der Verhandlungen den Abgeordneten Wassilko nach Brest, den Obmann der regierungstreuen Ukrainer aus der Bukowina, den er schon öfter für vertrauliche Missionen verwendet hatte. Um Wassilkos Privatleben und seine Schulden rankten sich allerlei pikante Gerüchte  ; Stürgkh hatte mitgeholfen, ihn schon einmal finanziell zu sanieren. Während ein Zeitungsartikel Wassilko (und Czernin) schmeichelte  : »Ein Schauspieler würde ihn als Modell nehmen, wenn er einen Diplomaten darzustellen hätte«, ließ Gołuchowski seiner Empörung vollen Lauf, als er im Wiener Jockey-Klub lauthals verkündete, es sei unerhört, dass ausgerechnet wegen dieses »Zuchthäuslers« zwei Kaiser ihr Wort gebrochen hätten.674 Dazu kam der Vorwurf der bewussten Fehlinformation. Am 22. Jänner hatte der Kronrat die Zugeständnisse an die Ukrainer abgesegnet, nicht ohne gewisse Bedenken seitens der Ungarn und der Militärs. Am Tag danach hatte Czernin den polni­schen Herrenhausmitgliedern erklärt, die Grenzziehung im Osten sei noch lange nicht spruchreif. Die Empörung war allgemein  : In Warschau trat die Regierung Kuchar­ zewski nach nur zwei Monaten Amtszeit zurück  ; in Lublin der Generalgouverneur der österreichisch-ungarischen Besatzungszone, der polnische Graf Szepticky, der zuvor als Nachfolger Piłsudskis die Polnische Legion kommandiert hatte  ; die Legion meuterte und versuchte sich nach Russland durchzuschlagen  : Ein paar Hundert Mann unter Oberst Haller gelang diese Flucht auch, der Rest wurde interniert, Dutzenden Offizieren musste im Sommer ein peinlicher Prozess gemacht werden, mit polnischen Reichsratsabgeordneten wie Loewenstein als Starverteidigern. Der Polenklub in Wien kündigte den sofortigen Übergang zur schärfsten Opposition an. Die Herrenhausmitglieder, mit Gołuchowski und Biliński an der Spitze, machten da keine Ausnahme. Ihr Beschluss drohte die Rechte des Herrenhauses zu sprengen, die letzte wirklich multinationale Partei des alten Österreich. Geheime Räte und Kammerherren überlegten, dem Kaiser ihre Orden und Auszeichnungen zu retournieren. Im Abgeordnetenhaus schien das letzte Stündlein für die deutsch-polnische Achse geschlagen zu haben, die seit Jahrzehnten das Rückgrat der Arbeitsmehrheit stellte und auch Seidler im Oktober noch einmal sein Budgetprovisorium bewilligt hatte. Selbst in den Delegationen konnte Czernin nicht mehr auf eine ­sichere Mehrheit zählen, sobald die Polen in Opposition gingen.675 In Galizien fan-

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den Massendemonstrationen statt. Es herrschte eine »stille Revolution«, still vielleicht nur deshalb, weil die Honoratioren sich an die Spitze stellten und die Behörden jegliche Konfrontation vermieden. Die österreichische Polenpolitik lag ganz augenscheinlich in Trümmern. In Warschau hatte man ursprünglich geplant, Karl am 20. Februar 1918 auch offiziell zum künftigen König von Polen auszurufen. Davon konnte jetzt natürlich keine Rede mehr sein. Stattdessen fuhr Karl Ende Februar zu Kaiser Wilhelm in Große Hauptquartier im belgischen Spa und erklärte sein Einverständnis zur sogenannten »Kandidatenlösung«. Die Polen sollten einen König wählen. Gedacht war dabei in erster Linie wiederum an einen Habsburger, den Erzherzog Karl Stephan. Kaiser Karl – und letztendlich auch der Kandidat selbst  – waren über diese Ehre freilich nicht allzu erfreut. Denn seine Wahl sollte in erster Linie den Österreichern helfen, das Gesicht zu wahren und nach außen hin kaschieren, dass Polen mit dem Ende der HoffnunAbb. 20  : Nikolai Ritter von Wassilko gen auf eine »austro-polnische« Lösung »Ein kluger Mann, der es versteht, in der einen oder anderen Form nahezu wie man sich nach dem Winde dreht«, zwangsläufig wiederum in die preußi- doch beliebt, sche Interessenssphäre hinübergeglitten »weil er mit Schick und Grazie lumpt, und passiv, nicht nur aktiv pumpt.« war.676 Vertreter der OHL bearbeiteten polnische Notabeln angeblich schon bald mit weitergehenden Vorschlägen  : Anstelle der Personalunion mit Österreich-Ungarn sollte die Personalunion Polens mit Litauen und Kurland treten, unter Prinz Joachim, dem jüngsten Sohn Kaiser Wilhelms, der eine Zeitlang im Stab Hindenburg gedient hatte.677 So ließe sich das alte Jagellonenreich des Spätmittelalters, das über zwei Jahrhunderte als Personalunion funktioniert hatte, unter der Ägide der Hohenzollern erneuern. Im österreichischen Abgeordnetenhaus griff Ex-Minister Glabinski, der Obmann der Nationaldemokraten, die mit der

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Oktoberrevolution ihren russischen Leitstern verloren hatten, zum äußersten Mittel, den Österreichern seine Verachtung zu bekunden  : Die Deutschen seien wenigstens ehrlicher gewesen  ; das reichsdeutsche Zentrum (mit seinen polnischen Hospitanten) verglich er lobend mit den österreichischen Christlichsozialen. In Wien machte daraufhin prompt das Gerücht die Runde, Glabinski arbeite jetzt für die Preußen.678 Die plötzliche Aktivität Czernins in Rumänien stand mit diesen Plänen in einem gewissen Zusammenhang. Vielleicht ließ sich die »Kriegsziel-Konkordanz« ein weiteres Mal umdrehen  : Rumänien für Österreich, Polen für Preußen, wie im Frühjahr 1917 schon einmal angedacht. Doch Kaiser Wilhelm winkte ab  : Er wolle sich nicht aus Rumänien »hinaussetzen« lassen, weil die Österreicher seit Brest Angst vor den Polen hatten.679 Die Verhältnisse in Polen, wie in Rumänien, blieben daher zunächst in der Schwebe. Die Neuordnung im Osten bedeutete aus der Sicht der Mittelmächte in erster Linie  : Man wollte sich alle Möglichkeiten offen lassen. Aus dynastischer Sicht ergab sich zwischenzeitig die paradoxe Situation, dass Berlin den Österreichern einen Habsburger auf dem polnischen Thron schmackhaft machen wollte, Wien den Preußen die Beibehaltung der Hohenzollern in Rumänien. Für Seidler kam der Umschwung, den Czernin mit seiner Ukrainepolitik ausgelöst hatte, zu einem denkbaren ungünstigen Zeitpunkt. Denn das Budgetprovisorium vom vergangenen Herbst lief Ende Februar 1918 aus. Ohne die Polen war eine parlamentarische Mehrheit für eine Verlängerung nicht in Sicht. Um dieser Klemme zu entkommen, versuchte Seidler über seinen Ackerbauminister Silva-Tarouca und dessen Freunde unter den böhmischen Tories, wie z. B. »Fido« Schwarzenberg oder Friedrich Lobkowicz, Kontakte zu den Tschechen herzustellen. Falls diesen Sondierungen tatsächlich Erfolg beschieden war, mochte eventuell auch Silva selbst an die Stelle von Seidler als Ministerpräsident treten. Als einer der eifrigsten Verfechter einer solchen Lösung erwies sich übrigens der später so berühmte österreichische Nationalökonom Joseph Schumpeter, damals noch relativ unbekannter Professor in Graz, der sich als »Konservativer und Föderalist« mit ausgefeilten Drehbüchern für Vorsprachen und Audienzen bei Parish vorstellte.680 Dabei mochte Seidler – oder Silva – eventuell sogar Karel Kramář zu Hilfe kommen, seit seiner Entlassung aus der Todeszelle die unumstrittene Galionsfigur der tschechischen Fundamental-Opposition. Denn Kramář hatte sein Blatt überreizt, als er am 9. Februar eine neue Partei gründete, die »Staatsrechtliche Demokratie« (später  : Nationaldemokraten), die ihren ersten Aufruf mit der Reminiszenz einleitete  : »300 Jahre nach der Katastrophe am Weißen Berg …« Nach außen hin nahm Kramář das Programm auf, das 1915/16 Tobolka verkündet hatte, nämlich eine bürgerliche Einheitspartei zu bilden, gleichrangig mit Sozialdemokraten und Agrariern. De facto lief Kramářs Neugründung jedoch auf die definitive Spaltung seiner ehemaligen jung­ tschechischen Partei hinaus. Die kleineren radikalen Gruppierungen (die verwaisten

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Realisten Masaryks und das Duo der unentwegten Staatsrechtlich-Fortschrittlichen) schlossen sich ihm an, doch von den jung­tschechischen Abgeordneten folgte ihm zunächst bloß ein einziger (Franta). Kramář Neugründung war in einem gewissen Sinne antizyklisch erfolgt. Schließlich standen die ersten Monate des Jahres 1918 im Zeichen beeindruckender Erfolge der Mittelmächte. Kramář selbst war sein Abgeordnetenmandat nach seiner Verurteilung aberkannt worden  ; er genoss formell keinerlei Immunität mehr. Doch nach Todesurteil und Amnestie hielt er seine Position offenbar für unangreifbar genug, um herausfordernd radikale Positionen zu beziehen. Nicht alle seiner Kollegen wollten ihm nach Caporetto und Brest-Litowsk dabei folgen. Der Primat der nationalen Solidarität, wie er über dreieinhalb Jahre bei Deutschen, Tschechen und Polen als absolutes Muss gegolten hatte, wurde im letzten Kriegsjahr allenthalben brüchig. Die tschechische Dreikönigs-Deklaration war z. B. von den Katholisch-Nationalen nur mit Vorbehalten mitgetragen worden  ; doch von einer so feierlichen nationalen Kundgebung wollte man sich nicht ausschließen. Kramář kündigte diesen Konsens, alle Streitigkeiten nur intern zu behandeln und sich nach außen hin keine Blöße zu geben, bis zu einem gewissen Grad auf, als er eine Partei ins Leben rief, die bestimmt war, den Kollegen den Teppich unter den Füßen wegzuziehen, die sich als pro-österreichische »Aktivisten« in mühsamer Kleinarbeit um seine Freilassung bemüht hatten. Die jung­tschechischen Kollegen warfen Kramář schnöden Undank vor und sannen auf Rache  ; die Katholiken waren ihm nie recht grün gewesen  ; vor allem aber, auch Švehla und den Agrariern war es zwischen den radikalen Flügeln von Střibrnys Nationalsozialisten und Kramářs Nationaldemokraten zunehmend ungemütlich zumute. Parish berichtete, die Tschechen ängstigten sich vor Kramářs Neugründung und wollten »packeln«  ; der Sekretär des Česky Svaz habe deshalb schon bei ihm vorgesprochen. In einem Bericht an Seidler hieß es, durch den Zusammenbruch Russlands sei eine politsche Ernüchterung eingetreten, die wenn schon nicht »positiv-patriotische, so doch sachlich-seriöse« Politik als Gebot der Stunde erscheinen lasse.681 Aus diesen schüchternen Anzeichen einer Polarisierung innerhalb der tschechischen Politik ließ sich mit viel Optimismus ein Szenarium ableiten, dass doch noch zu einer feinsäuberlichen Scheidung führen könnte, frei nach dem Muster  : Die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten ins Töpfchen. Böhmische Konservative wie »Fido« oder Friedrich Lobkowicz drängten die Regierung, den potenziellen »Aktivisten« mit einem attraktiven Programm entgegenzukommen, das als Anknüpfungspunkt oder zumindest Diskussionsgrundlage dienen könnte. Rein theoretisch zeichnete sich eine solche Lösung vielleicht sogar ab, wenn man von einem Konzept ausging, das sich dem Subsidiaritätsprinzip verschrieb, oder im englischen Jargon unserer Tage  : »devolution«  : Der Zentralstaat sollte Kompetenzen an die Länder abgehen (als Verbeugung vor den Anhängern des böhmischen

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Staatsrechts)  ; die Länder wiederum im Sinne der nationalen Autonomie (und der Sudetendeutschen) an die neu zu schaffenden Kreise. Noch unter Stürgkh oder Clam wäre eine solche Abkehr von den Traditionen des bürokratischen Zentralismus wohl von vornherein als Anathema betrachtet worden. Dieser Vorbehalt war unter Kaiser Karl nicht mehr im selben Ausmaß gegeben. Innenminister Toggenburg arbeitete an Entwürfen für nationale Autonomie, wohlgemerkt  : innerhalb der bestehenden Kronlandsgrenzen, mit der Hilfe von Eichhoff und Kelsen, dem alten Franz-FerdinandBerater und dem späteren Architekten der republikanischen Verfassung.682 Auch die deutschen Parteien seien zu Verhandlungen selbst über »weitreichendste« Programme bereit, kolportierte Fürstenbergs Mitstreiter Nostitz. Doch angesichts der aufgeschaukelten Emotionen der letzten Jahre, der Revolution der steigenden Erwartungen, war ein solches – bloß in Umrissen vorliegendes – Programm administrativer Frontbegradigungen nicht wirklich mitreißend genug, um althergebrachte Frontstellungen zu überwinden. Die Runde böhmischer Elder Statesmen, der Silva das Programm Mitte März vorlegte, zeigte sich jedenfalls wenig angetan.683 Vor allem aber  : Die indirekten Kontakte zu den Tschechen waren ein zartes Pflänzchen, das hingebungsvoll gepflegt werden wollte, doch keine unmittelbaren Ernteaussichten versprach in Form einer breiten Mehrheit im Reichsrat, die binnen Wochen, ja Tagen Gewehr bei Fuß stehen sollte. Selbst ein Empfang Staněks beim Kaiser am 27. Februar, der Czernin höchst unangenehm aufstieß, vermochte da keine Wunder zu wirken.684 Da war eine andere Alternative schon attraktiver  : Der Polen Leid war der Ukrainer Freud. Freilich gab es im Reichsrat gut zweieinhalb Mal so viel Polen als Ukrainer. Daraus allein ließ sich keine Mehrheit zimmern. Eine Mehrheit ergab sich – knapp, aber doch – bloß, wenn wirklich alle Ukrainer und alle Deutschen geschlossen mitsammen stimmten. Alle Deutschen, das hieß im Klartext  : Auch die deutschen Sozialdemokraten, die einmal mehr zum umworbenen Partner avancierten. Die »Sozis« geizten nicht mit ironischen Gunstbezeugungen für den einen oder anderen bürgerlichen Politiker, wenn sie z. B. Steinwender oder Lodgman Lernfähigkeit attestierten, 685 wollten ihr Debut als Regierungspartei aber nicht gerade im Zeichen allgemeiner Unzufriedenheit mit der Versorgungslage feiern. Allenfalls – so lautete eine der kolportierten Varianten – würden sie sich auf das Argument zurückziehen, mit ihrem Votum für das Budget(provisorium) eine Rückkehr zum Notverordnungsregime verhindert zu haben. »Das Abgeordnetenhaus hat sich zum Leben begnadigt«, umschrieb die »Neue Freie Presse« dieser Argumentation folgend das Resultat der Abstimmung am 7. März 1918 (bereits nach einigen Tagen des sogenannten Ex-LexZustandes  !) Das Abgeordnetenhaus bewilligte mit 240 gegen 121 Stimmen ein weiteres viermonatiges Budgetprovisorium, mit 202 gegen 165 die Kriegskredite. Dazu hatte es der Sozialdemokraten, die für das Budget und gegen die Kredite stimmten, letzten Endes gar nicht bedurft. Denn der Polenklub  – eben noch voll von Rache-

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Abb. 21  : Das Ergebnis der Abstimmung über die Kriegskredite am 7. März 1918

schwüren und Kampfeseifer – hatte sich der Stimme enthalten und damit Seidler und seinem deutschbürgerlichen Anhang (nicht zu vergessen die Ukrainer  !) eine komfortable Mehrheit ermöglicht.686 Welch eine Wendung durch Gottes Fügung  !  ? Zwar waren Daszynskis Sozialisten, die noch im Herbst souverän die Situation beherrscht hatten, diesmal aus Protest gegen den »Umfaller« aus dem Polenklub ausgetreten, das kleine Häuflein der Nationaldemokraten stellte einen solchen Schritt zumindest in Aussicht. Doch damit gewannen die Konservativen wieder an Oberwasser  ; gestützt auf die eine Hälfte der bäuerlichen »Piasten«, mit dem bleichen Hofrat Kedzior als Spiritus rector und den Geldgebern der Partei im Hintergrund.687 Vorausgegangen war der Abstimmung eine Audienz der Polen bei Kaiser Karl und Seidler. Ein Abgeordneter hatte unlängst gehöhnt, seit Seidler lügen gelernt habe, halte er sich für einen Staatsmann. Zu diesen Künsten musste der in die Enge getriebene Ministerpräsident nun allerdings seine Zuflucht nehmen, als er den Inhalt des sogenannten Kronlandprotokolls schlichtweg leugnete und auf Anfrage jegliche Absicht einer Teilung Galiziens weit von sich wies. Auch er verfiel deshalb als überführter Verräter dem Bannfluch des Polenklubs, sobald wenige Wochen später der Text des geheimen Zusatzabkommens bekannt wurde.688 Freilich  : Hatte sich der Polenklub tatsächlich entschieden, in der Stunde seiner größten Erbitterung Gnade vor Recht ergehen zu lassen, und nicht bloß das Parlament, sondern auch das Kabinett Seidler zum Leben zu begnadigen, bloß auf einige freundliche Worte des Herrschers hin, begleitet von Zusicherungen eines Premiers, den ohnehin niemand ernst nahm, wie das eine um das andere Mal versichert wurde  ?

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Hatten sich da nicht doch irgendwelche anderen Einflüsse bemerkbar gemacht. Parish kam der Sache vermutlich schon näher, als er eines der polnischen Herrenhausmitglieder im Jockey-Klub vertraulich nach den Motiven des plötzlichen Sinneswandels fragte. Maßgeblich – so gestand der Kollege – waren auch diesmal außenpolitische Momente gewesen. Es war die Warschauer Regierung, die verlangt habe, dass »der Kolo [Polenklub] abrüste und nicht ihre Kreise stört.« Denn in Warschau sah man in der austro-polnischen Lösung den einzigen Schutz vor Abtretungen an Deutschland, die das unabhängige Polen zum Zwergstaat degradieren würden.689 Dem Regentschaftsrat in Warschau war nicht nach Revanchepolitik zumute. Polen befand sich zwischen den Preußen und den Bolschewiki. Lenin war für Aristokraten und Kirchenfürsten klarerweise Anathema. Preußen verfügte in Warschau über eine gewisse Lobby, die Radziwiłłs und ein kleineres Parteienbündnis  ; doch das Gros der polnischen Politik traute den Schalmeienklängen Berlins nicht so ganz, sondern suchte weiterhin Rückhalt an Österreich-Ungarn, nicht aus Zuneigung, sondern aus Resignation, wie die Fürstin Lubomirski schrieb, als »pis aller«, denn  : »Man verändert sich mit den Konjunkturen …«690 Sogar Roman Dmowski, als Obmann des Polnischen Nationalkomitees im Pariser Exil, forderte im Frühjahr 1918 seine nationaldemokratischen Gesinnungsgenossen in Polen auf, die Mitarbeit im Warschauer Staatsrat nicht auszuschlagen.691 Auf der anderen Seite hatte Seidler vor der Wiener Abstimmung Czernin händeringend um einen »Akt formeller Freundlichkeit« gegenüber dem Regentschaftsrat gebeten.692 Das Kalkül ging auf  : Jozef Ostrowski, einer der drei Mitglieder des Regentschaftsrates, verband die Fahrt nach Wien, um den Kollegen vom Polenklub gut zuzureden, dem Vernehmen nach auch gleich mit einem Abstecher nach Budapest. Das ursprüngliche trialistische Konzept sollte unter anderen, für die Ungarn akzeptableren Vorzeichen eine Neuauflage erleben. Hatte Ministerpräsident Wekerle nicht unlängst erst das Ziel einer selbstständigen ungarischen Armee auf seine Fahnen geschrieben  ? Ein eigenes Heer hätte Polen nach Wunsch der Mittelmächte schon längst aufbauen sollen. Ergaben sich da nicht gemeinsame Fluchtpunkte, nämlich die Idee einer Personalunion, doch verstärkt durch die Klammern einer gemeinsamen Außenpolitik, eines gemeinsamen Generalstabs und eines Handelsbündnisses, abgeschlossen auf 25 Jahre.693 Als Ergebnis hätte die Wiener Zentrale zwar Kompetenzen abgegeben, aber ihren territorialen Einflussbereich erweitert. Kaiser Karl hatte die austro-polnische Lösung nie als sein besonderes Liebkind betrachtet. Aber am 3. April setzte er ein eigenhändiges Schreiben an Kaiser Wilhelm auf, das die Rückkehr zu der Lösung ankündigte, wie sie Czernin so lange verfochten hatte  : Militärkonvention und langfristiges Bündnis (auch hier war die Rede von 25 Jahren) im Abtausch gegen die Überlassung eines wohlgemerkt »unbeschnittenen« Polens an Österreich als einzig mögliche Lösung, die dort Zufriedenheit und somit auch Stabilität verbürge.694

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Die Düpierten bei dieser neuerlichen Wendung waren einmal mehr die Böhmen, nicht die Tschechen der Couleur Kramář und Masaryk, sondern die Konservativen in ihren verschiedenen Schattierungen um Silva, Parish und Schwarzenberg, samt ihren klammheimlichen Gesinnungsgenossen unter den Rivalen Kramář. Parish – seit Dezember 1917 auch offiziell Stellvertreter Schwarzenbergs als Parteichef der Konservativen  – hatte stets daran festgehalten, man könne ein Ausscheiden der Polen ohne gleichzeitige einvernehmliche Regelung der böhmischen Verhältnisse im staatsrechtlichen Sinne nicht zugeben. Seit dem Brester Eklat hatte man zumindest auf eine Konvergenz der Negation gerechnet, auf ein gemeinsames Votum von Polen und Tschechen, das Seidler und dem »deutsch-zentralistischen« Kurs den Garaus machen oder die Regierung zumindest urbi et orbi zum Eingeständnis zwingen würde, im Hause über keine Mehrheit mehr zu verfügen. Daraus ließe sich dann allenfalls – ganz im Sinne der Emigration – ableiten, die österreichische Regierung könne nicht mehr das Recht beanspruchen, für ihre Völker zu sprechen. Die erste Märzwoche brachte für die Tschechen deshalb eine doppelte Enttäuschung  : Die Sowjets hatten in Brest kapituliert, ohne bei all ihren Winkelzügen auf die böhmische Frage auch nur einzugehen  ; die Polen aber hatten auf den Appell an die slawische Solidarität in den Worten des Bauernführers Stapinski bloß geantwortet  : So lange könne man nicht warten. Die Polen hätten am längsten gelitten, sie verdienten auch als erste die Freiheit. Parish resümierte, nicht ohne Bitterkeit, die sich an beide Seiten richtete  : Die Böhmen seien »ebenso wütend wie niedergeschmettert.«695 Die Sixtus-Affäre und die Legende vom »Vasallenstaat«

Auch die nächste Wendung der österreichischen Innenpolitik ging von der Außenpolitik aus, oder zumindest vom Außenminister. Czernins Verhältnis zu seinem Kaiser war schon seit längerer Zeit starken Spannungen ausgesetzt. Der Minister des kaiserlichen Hauses benahm sich vielfach wie ein Hausmeier, der nicht übel Lust hatte, den Kaiser unter Kuratel zu stellen. Czernin selbst gab rückblickend zu, er habe mit dem Kaiser gesprochen wie der »Präfekt mit einem Theresianisten«.696 Diese Differenzen hatten einen ersten Höhepunkt im Frühherbst des Jahres 1917 erreicht, mit der Krise um die Reisen Lammaschs und die Indiskretionen Erzbergers, die mit der Entlassung von Karls Kabinettschef Polzer-Hoditz geendet hatte. Polzers Rückkehr auf den einen oder andere Posten war ein stehender Topos der Gerüchteküche. Parish kommentierte ironisch, selbst wenn der Portier vom Nordbahnhof stirbt, heißt es sofort  : Polzer ante portas.697 Die Erfolge in Italien beflügelten den Kaiser, der nach Caporetto seine Frontbesuche intensivierte und im November in Triest und Aquileia mit Kaiser Wilhelm

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zusammentraf. (Auch Ferdinand von Bulgarien sagte sich an, Wilhelm II. wich dem geplanten Drei-Monarchen-Treffen am Tagliamento aber aus.)698 Was die Brester Verhandlungen und die absolute Notwendigkeit eines Friedensschlusses im Osten betraf, gab es keinerlei Divergenzen zwischen Karl und Czernin. Doch das Tauziehen um den Eisenbahnvormarsch in Russland und das Ultimatum gegen Rumänien Ende Februar 1918 ließen neuerliche Differenzen zutage treten. Wenn ein Beamter vorsorglich notierte, er lege der kaiserlichen Kanzlei amtliche Depeschen nur mehr nach Rückfrage beim Minister vor, sprach das für ein getrübtes Vertrauensverhältnis.699 Amateur-Diplomaten und Zwischenträger, die nach einigen sachlich unergiebigen Konversationen mit entfernten Bekannten Wilsons frohgemut behaupteten, sie verfügten über eine Möglichkeit für Friedensverhandlungen »fix und fertig auf dem Präsentierteller«, sorgten für weitere Irritationen.700 Als Wilson am 5. März auf die freundlichen Töne aus Wien mit der offiziellen Gegenfrage reagierte, er würde gerne mehr über die österreichisch-ungarischen Friedensvorstellungen erfahren, insbesondere was den Balkan betraf, fühlte sich Czernin bemüßigt zu betonen  : »Ein Separatfriede mit Amerika, mit welchem wir eigentlich nur auf dem Papier Krieg führen, hilft uns gar nichts.« Es käme vielmehr darauf an, auf dem Weg über Amerika die Entente zum Frieden zu bewegen – und »auch wir müssen unsere Verbündeten hinter uns ralliieren.«701 Unter diesen Umständen sorgte es für Aufsehen, dass sich Czernin schon Mitte März bei seinen Freunden im Herrenhaus, in erster Linie Clam und Fürstenberg, eine Vertrauenskundgebung bestellte. Die offensichtliche Erklärung, dass er damit bloß der zu erwartenden, geharnischten Kritik der Polen zuvorkommen wollte, überzeugte niemand so recht. Man wollte nicht bloß wissen, für wen, sondern auch gegen wen sich die Kundgebung richte. Auslöser war offenbar eine Meldung von Czernins Vertrautem Demblin, der Kaiser habe sich hinter seinem Rücken auf eine Vermittlungsaktion des Papstes eingelassen. Fürstenberg gab auf Anfrage offen zu, das Verhältnis des Kaisers zu Czernin habe stark gelitten  ; er sprach von einer »direkten gegenseitigen Aversion«.702 Dieser Perspektive eines heraufdämmernden, unausweichlichen Konflikts steht freilich das Schreiben Karls vom 3./6. April gegenüber, das nahezu wortwörtlich Czernins Argumentation vom Herbst aufgriff  : Das Junktim von Mitteleuropa und austro-polnischer Lösung, entweder ganz oder gar nicht. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Czernin wenige Stunden, bevor der Kaiser das Schreiben konzipierte, das so ganz in seinem Sinne abgefasst war, den Startschuss zur endgültigen Entfremdung gab, als er am 2. April seine berühmt-berüchtigte Rede vor dem Wiener Gemeinderat hielt. Als fatal erwies sich im Rückblick in erster Linie die kurze Passage, die sich mit den Kontakten zur französischen Regierung beschäftigte. In der Sache ging es Czernin bei seinen Indiskretionen vermutlich darum, das zentrale Faktum dieser Sondierungen herauszuarbeiten  : Die österrei-

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chisch-ungarische Seite sei zu einem Frieden auf der Basis des Status quo ante bereit  ; Frankreich (und Italien) nicht. Ein sachlicher Fehler unterlief Czernin schließlich mit der Behauptung, die Gespräche seien von Georges Clemenceau ausgegangen, der erst seit November 1917 französischer Ministerpräsident war. Die öffentliche Kontroverse, die sich daraufhin zwischen Clemenceau und Czernin entspann, drehte sich in erster Linie um diese Frage, wer den Anstoß zu den Treffen in der Schweiz gegeben habe. Czernins Äußerungen – das ist im Lichte der Enthüllungen Clemenceaus wichtig – bezogen sich keineswegs auf die Mission des Prinzen Sixtus im Frühjahr, sondern auf die Gespräche zwischen Revertera und Armand, die im August begonnen hatten und in einer dritten Runde erst unlängst im Februar 1918 fortgesetzt worden waren. Daraus resultierte der Irrtum über die Urheberschaft der Kontakte, denn die Vermittler hatten in diesem Fall, um über die Anfangsschwierigkeiten hinweg zu kommen, beiden Gesprächspartnern den Eindruck vermittelt, die Initiative wäre von der jeweils anderen Seite ausgegangen. Clemenceau war zu Beginn der Gespräche freilich noch nicht im Amt  ; Revertera hatte nach dem letzten Treffen jedoch berichtet  : Armand »steht zu Herrn Clemenceau in demselben Verhältnis wie seinerzeit zu Painleve. […] Clemenceau ist – ebenso wie Painleve es war – bereit, mit uns zu verhandeln.«703 Czernin hatte daher Grund, von einer Kontinuität der französischen Politik auszugehen. Er muss die Armand-Revertera-Gespräche jedoch ganz offensichtlich als abgeschlossene Episode betrachtet haben, die ans Ende ihrer Nützlichkeit gelangt waren, sonst hätte er sie kaum in dieser Form preisgegeben. Wenig glaubwürdig erscheint hingegen seine nachträgliche Behauptung, er habe mit der Offenlegung der Kontakte zum Sturz Clemenceaus beitragen wollen.704 Zwar geht aus diversen Randbemerkungen hervor, dass man sich bei den Mittelmächten – und speziell am Ballhausplatz – übertriebenen Hoffnungen hingab, der Hochverratsprozess, den Clemenceau gegen seinen ehemaligen Parteifreund Caillaux angestrengt hatte, werde mit einer Niederlage des Premiers enden. Doch es war nicht recht einzusehen, warum der Hinweis auf eine etwaige Mitwisserschaft Clemenceaus an den Friedenssondierungen ihm in dieser Beziehung zu schaden vermochte – insbesondere, wenn er mit der Versicherung einherging, dass Frankreich einem Friedensschluss ohne Elsass-Lothringen niemals seine Zustimmung erteilt habe. Allenfalls mochten derartige Enthüllungen Clemenceau sogar gelegen kommen, um die Stellung seines Rivalen, des Staatspräsidenten Poincaré, zu untergraben.705 Die Lektüre des Redemanuskripts legt vielmehr eine ganz andere Schlussfolgerung nahe. Czernin erwähnte die Armand-Revertera-Gespräche nur als Illustration, um ein weiteres Mal die Bereitschaft der Monarchie zu dokumentieren, jederzeit auf der Basis des Status quo ante abzuschließen, aber eben nur auf dieser Basis, getreu der von ihm schon mehrfach verwendeten Formel  : Für uns ist Straßburg wie Triest. Sogar

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Viktor Adler hatte ihm in dieser Beziehung im Parlament vor kurzem Schützenhilfe geleistet, als er an die Slawen des Hauses appellierte, diese Formel werde ihnen wohl nicht ganz ungelegen kommen.706 Um die Slawen des Reiches ging es auch Czernin, allerdings in einem weniger versöhnlichen Sinne. Denn der Hauptakzent der Rede, der im ersten Augenblick als weit kontroversieller angesehen wurde, lag auf dem Gebiet der Innenpolitik, für die Czernin streng genommen gar nicht zuständig war. Czernin fuhr nach einem Seitenhieb auf Masaryk und die Tschechen im Exil nämlich polemisch fort  : »Es gebe auch in der Monarchie eine Reihe Masaryks …« Man konnte darin einen bewussten Schlag gegen die Versuche Silvas und anderer böhmischer Aristokraten erblicken, zumindest einen Teil der Tschechen an die Regierung heranzuführen. Ein Abrücken vom »deutschen Kurs« im Inneren schien Czernin im gegenwärtigen Stand der Verhandlungen mit Deutschland alles andere als opportun. Die Rede zeitigte in dieser Beziehung auch prompt Wirkung  : Nicht die Pauschalverdächtigung war der Stein des Anstosses, sondern im Gegenteil  : Der plumpe Versuch, die »Masaryks« unter den Tschechen und die »Gutgesinnten« auseinander zu dividieren, traf einen empfindlichen Nerv der tschechischen Politik, die genau diese Ausdifferenzierung seit Jahr und Tag mit allen Mitteln zu verhindern suchte. Czernin provozierte damit – ähnlich wie mit seinen Aussagen in Brest um den Jahreswechsel – bloß eine neuerliche Solidaritätskundgebung aller tschechischen Parteien in Prag, im Obecni Dum am 13. April, gefolgt ein Monat später von einer »Geburtstagsfeier« des Nationaltheaters, die zur Allslawischen Konferenz mutierte, die auch von Slowaken und Kroaten, ja sogar vereinzelten Polen besucht wurde.707 Für die Entstehung einer gesprächsbereiten Fronde gegen die Richtung Kramář–Ša­ mal–­Střibrny stellte Czernins Zwischenruf zweifellos eine Hürde dar. In Prag vermerkten die Vertreter der »Maffia«, der Brückenköpfe des Exils in der Heimat, mit Schadenfreude  : Gerade die »Opportunisten« (wie Fiedler oder Šmeral) sähen jetzt ein, dass man heutzutage eben keine andere Politik betreiben könne als die Opposition. Aus der Gegenrichtung aber klagte Parish  : »In Böhmen waren Ansätze zur Spaltung des Klubs gegeben. […] Den Agrariern waren die Radikalen unheimlich. Das alles ist mindestens aufgehalten.«708 Darin mochte man mit viel Fantasie die Andeutung einer versäumten Chance erkennen. Allzu tragfähig war diese Chance allerdings nie gewesen. Denn auch die »Opportunisten« waren nur in der Lage, ihre Politik zu verfolgen, solange sie eben opportun erschien, sprich  : die militärischen Erfolge der Mittelmächte anhielten. Im Mai 1918 spaltete sich dann übrigens nicht der Česky Svaz, wie es die Reaktionen auf Kramářs Parteigründung hatte erwarten lassen, sondern im Gegenteil Parishs Partei, der konservative Großgrundbesitz in Böhmen, der die Tschechen doch noch für eine österreichfreundliche Politik hatte gewinnen wollen. Die konservativen Adeligen hatten unter »Fido« Schwarzenbergs Leitung festgestellt, sie müssten sich selbst weit mehr am nationalen Leben beteiligen, wenn sie überhaupt noch Einfluss ausüben

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wollten – und verloren auf diesem Weg prompt ihre »utraquistischen«, übernationalen Mitglieder, von Fidos Vetter Johann Schwarzenberg in Krumau, dem größten Grundbesitzer Böhmens, über Alfred Windischgraetz bis zu Parish selbst, der mit seiner Entscheidung allerdings noch einige Zeit zögerte.709 Bis dahin war die innenpolitische Kontroverse allerdings längst von der Auseinandersetzung mit Clemenceau in den Hintergrund gedrängt worden, die ihren Höhepunkt erreichte, als Clemenceau den Brief Karls an seinen Schwager Sixtus vom 24. März 1917 veröffentlichte, in dem von den »justes revindications« Frankreichs auf Elsass-Lothringen die Rede war. Nun war es im internationalen Verkehr keineswegs unüblich, Mitteilungen, die unter dem Siegel der Verschwiegenheit erfolgt waren, als ungeschehen zu betrachten und abzuleugnen, sobald die vereinbarte Vertraulichkeit nicht mehr gegeben war – so hatte es Karl auch in diesem Fall ursprünglich in Aussicht gestellt.710 Diese Vertraulichkeit war von beiden Seiten gebrochen worden  : Auf französischer Seite hätte Sixtus das Schreiben nur vorlesen, aber nicht Poincaré aushändigen sollen  ; auf österreichischer Seite hatte Czernin den Streit vom Zaun gebrochen. Der diplomatische Routinier Gołuchowski, ein Dutzend Jahre zuvor selbst Außenminister, kritisierte deshalb auch  : Wenn man schon lügen musste, hätte man den ganzen Brief als Falsum erklären und dabei bleiben sollen.711 Stattdessen ließ das Krisenmanagement, auf Neudeutsch das »spin-doctoring«, auf­seiten der Österreicher viel zu wünschen übrig. Karl ließ sich auf Erörterungen im Detail ein, stellte die Existenz des Briefes als solchen nicht in Abrede und erklärte nur den umstrittenen Passus für eine Fälschung. Aufs Leugnen verlegte sich hingegen Czernin, der von dem Brief und seinem brisanten Inhalt nichts gewusst haben wollte. Das mochte dem Buchstaben nach vielleicht sogar richtig sein  ; komplett irreführend war jedoch die Pose Czernins, die Kontakte Karls mit seinem Schwager seien hinter dem Rücken des Außenministers erfolgt, aufgrund von »Hintertreppeneinflüssen« der Kaiserin und ihrer Familie, der »Parmas«, um die sich bald eine Reihe von absurden Gerüchten entspann, frei nach dem Muster  : Credo quia absurdum (bis hin zum Vorwurf, die Mutter der Kaiserin habe mittels deutscher U-Boote [!] Schwarzhandel mit dem neutralen Spanien betreiben wollen  !)712 Karl fragte sich mit Recht  : »Ja, was will denn der Czernin eigentlich – er hat ja immer geradeso gesprochen.«713 Parish fand für Czernin bloß die zweifelhafte Entschuldigung  : »Am wahrscheinlichsten ist, daß sich Czernin in seiner Oberflächlichkeit nicht um den Wortlaut des Briefes gekümmert hat, und dieser weiter ging, als beabsichtigt war.«714 Als fatal erwies sich, dass Czernin den Kaiser dazu überredete, sein persönliches Ehrenwort zu verpfänden. Damit wurden alle konstitutionellen Usancen auf den Kopf gestellt. Nicht der Minister hatte die Verantwortung zu übernehmen für alles, was während seiner Amtszeit geschehen war (ob mit seinem Wissen oder nicht), sondern der Monarch sollte Czernin einen Persilschein ausstellen, der ihn von

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jeder Verantwortung frei sprach. Selbst Freunde, die Czernins politische Linie teilten, urteilten kritisch  : »Er hätte alles auf sich nehmen müssen. Doch solche antike Größe liegt ihm fern.«715 Stattdessen fand sich der Kaiser im Zwielicht wieder, weil man in der Öffentlichkeit seinen gewundenen Erklärungen wenig Glauben schenkte. Ihren Höhepunkt erreichte die Krise, als Czernin dem Monarchen nahelegte, sich am besten eine Zeitlang für regierungsunfähig erklären zu lassen und – wie für den Fall einer physischen Verhinderung schon einmal besprochen  – Erzherzog Eugen zum Regenten zu ernennen, den populären Heerführer, der vor kurzem als Oberkom­ mandant der Südwestfront abgelöst worden war, weil sich das AOK seit dem russischen Frieden  – von Besatzungstruppen abgesehen  – ohnehin nur mehr Italien zu widmen hatte.716 Der Vorschlag stellte eine originelle Erweiterung der Politik der zwei Eisen im Feuer auf die Dynastie dar  : Ging der deutsche Kurs schief, könnte Karl mit einem »Ich hab’s ja gleich gesagt« die Regierungsgeschäfte wieder übernehmen. Für Karrierepolitiker war ein solcher taktischer Rückzug überlegenswert, für Mitglieder des Erzhauses schwer vorstellbar, selbst wenn Czernin später behauptete, Karl sei im ersten Moment darauf eingegangen  ; erst die Kaiserin habe dem Plan eine deutliche Absage erteilt717 (einmal ganz abgesehen davon, dass derlei Mechanismen in Österreich durchgehen mochten, doch nicht in Ungarn). Czernins an Hysterie grenzende Nervosität, vielleicht auch nur die theatralisch-melodramatische Ader, die er immer wieder unter Beweis stellte, feierten Triumphe. Karl hatte schon viel früher geklagt  : Es gebe Zeiten, da reiche Czernin alle Viertelstunden seine Demission ein. Diesmal hatte er den Bogen in mehr als einer Beziehung überspannt  : Am 14. April erfolgte die Entlassung Czernins.718 Diese sogenannte Sixtus-Affäre hat das Bild des jungen Kaisers vielleicht mehr geprägt als alles andere in seiner gesamten Regierungszeit. Sie hat zur Abkehr der (Deutsch-)Österreicher von der Monarchie wohl einiges beigetragen. Die Klischees und Legenden, die damals entstanden, waren mitverantwortlich für die überspannte Furcht vor dem »Legitimismus« in der Ersten Republik und entfalteten noch ein halbes Jahrhundert später während der »Habsburg-Krise« der Sechzigerjahre ihre Wirkung. Die Nachhaltigkeit dieser Wirkungsgeschichte ist gewiss ein erstaunliches Phänomen. Sie verleitet vielleicht auch dazu, die unmittelbaren Folgen der Affäre für die Politik des Jahres 1918 zu überschätzen, die gerne in ebenso melodramatischen Farben geschildert wurden und werden  : Vom versuchten Verrat am Bundesgenossen bis zum Vasallenverhältnis zu Deutschland, das angeblich durch sie begründet wurde. Hier gilt es die Proportionen zurecht zu rücken. In reichsdeutschen Regierungskreisen machte die Affäre keinen so großen Eindruck, wie Czernin es an die Wand gemalt hatte, der einmal mehr vom drohenden Einmarsch in Böhmen fantasierte. Warum auch  ? Czernin hatte Bethmann-Hollweg schließlich 1917 umgehend über die Kontakte zu französischen Vertrauensmännern informiert. Ob man die Formel

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von des »justes revindications« jetzt als Captatio Benevolentiae auffasste oder als Einschränkung, die Ansprüche nur insoweit zu unterstützen, als sie gerecht seien, das Eintreten Karls (und Czernins) für die Abtretung Elsass-Lothringens war bekannt und aktenkundig, hatte er doch Galizien, einen flüchtigen Moment lang sogar Österreichisch-Schlesien als Kompensation dafür angeboten. Der deutsche Zeitungsleser mochte überrascht und entsetzt reagieren, für die »Insider« bestand kein Grund dazu. Für den Besuch Karls im deutschen Hauptquartier in Spa ein Monat später, vom 12. bis 14. Mai 1918, hat sich die Bezeichnung »Canossagang« eingebürgert. Dabei wird übrigens meist übersehen, dass auch das mittelalterliche Original zwar als Demütigung Kaiser Heinrichs IV. vor dem Papst, aber letztendlich doch als gelungener politischer Schachzug in die Geschichte eingegangen ist. Wenn die Stimmung vor dem Monarchentreffen so beschaffen war, dass Botschafter Hohenlohe seinem Tagebuch anvertraute  : »Lieber ohne Gasmaske zu einem Angriff als zu dieser Entrevue«, so lag das weniger an den Enthüllungen Clemenceaus als an der betrüblichen Tatsache, dass sich der österreichische Ernährungsminister gezwungen gesehen hatte, aus purer Not kurz zuvor einige deutsche Getreideschiffe auf der Donau ohne Rücksprache mit Berlin einfach zu konfiszieren. Er selbst gab zu, dabei handle es sich um »Piraterie«  ; doch es sei ihm einfach keine andere Wahl geblieben, um eine Katastrophe hintan zu halten.719 Kühlmann empfahl Wilhelm II. im Vorfeld von Spa eine »ritterliche und großherzige Haltung«.720 Offizieller Verhandlungsgegenstand war die Umsetzung der Mitteleuropa-Pläne, von den »auf unsere Wehrmacht bezüglichen Abkommen« (wie Karl das Projekt einer Militärkonvention am 6. April umschrieben hatte) bis zur Verlängerung des Bündnisses auf weitere 25 Jahre und dem Beginn von ernsthaften Verhandlungen über einen Handelsvertrag, der möglichst nahe an eine Zollunion heranreichen sollte. Einziger Misston war der Verweis Wilhelms II. auf die Militärkonvention Preußens mit Bayern als Vorbild, ein Vergleich, der bei Karl erwartungsgemäß weniger gut ankam. Derlei Floskeln mochten die Legende bestätigen, Karls »Canossagang« nach Spa  – als Sühne für die Sixtus-Affäre  – hätte das Vasallenverhältnis Österreich-Ungarns zu Deutschland besiegelt. Ein Vasallenverhältnis zwischen Deutschland und der Habsburgermonarchie mochte man natürlich allein schon aus dem Kräfteverhältnis ableiten, das sich während des Krieges zuungunsten Österreich-Ungarns verschoben hatte. Bei einem relativ knappen Vorsprung an Bevölkerung (65 Mio. gegenüber 54 Mio.) stellte das Deutsche Reich 1917/18 gut dreimal so viel Divisionen ins Feld und produzierte sechsmal soviel Stahl. Österreich stand bei Deutschland von Anfang an finanziell in der Kreide und nahm seit 1916/17 immer wieder auch seine Zuflucht zu Aushilfen auf dem Nahrungsmittelsektor. Dieser Befund begründete Abhängigkeit, die freilich dadurch aufgewogen wurde, dass Deutschland es sich gar nicht leisten konnte, Österreich-Ungarn

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pleite oder sonst wie zugrunde gehen zu lassen. Später hat man für diese paradoxe Umkehr von Abhängigkeiten den Begriff »leverage of the weak« geprägt. Mit dem Zweibund, Mitteleuropa oder irgendwelchen vertraglichen Verpflichtungen hatten diese Abhängigkeiten bestenfalls am Rande zu tun. Im Gegenteil  : Was immer man da auch an langfristigen Perspektiven ableiten wollte, von Mitteleuropa erwartete man sich in österreichischen Regierungskreisen in erster Linie eine Fortdauer der finanziellen Unterstützung über das Kriegsende hinaus. Doch was war in Spa wirklich beschlossen worden  ? Monarchenübereinkünfte stellten beim Temperament der beiden Herrscher die Diplomaten vor schwer lösbare Probleme, genau zu definieren und festzuhalten, worüber man sich geeinigt hatte. Die österreichische Überlieferung gleitet über das Problem mit dem simplen Satz hinweg  : Über die Verhandlungen in Spa sei »dem Archive keinerlei Aufzeichnung zugekommen.« Karl selbst formulierte rückblickend  : »Damals ist es uns gelungen, die überschlauen Preußen furchtbar hinein zulegen.«721 Handfeste Abmachungen waren ganz offensichtlich keine getroffen worden, sondern nur ein »pactum de contrahendo«, sprich  : Man einigte sich darauf, sich über die vorliegende Materie zu einigen, früher oder später … Ein einziger Punkt machte da vielleicht eine Ausnahme. Laut Hohenlohes Aufzeichnungen hatten Karl und Wilhelm ohne viel Federlesens und im besten Einvernehmen die »austro-polnische« Lösung ein weiteres Mal ad acta gelegt. Nicht das angebliche »Vasallenverhältnis« war also das Novum von Spa, sondern der Umstand, dass Kaiser Karl leichthin auf das Quidproquo verzichtete, dass Czernin für die Vertiefung des Bündnisses immer in Rechnung gestellt hatte, nämlich die Krone Polens. Schriftlich festgelegt worden war dieser Verzicht freilich nicht. Das sollte sich für die deutsche Seite noch rächen  : Denn mit den Detailverhandlungen war der neue österreichisch-ungarische Außenminister betraut worden  – und der hieß wiederum Burian. Czernins Vorgänger wurde auch sein Nachfolger. Im Gespräch mit Botschafter Hohenlohe erläuterte Karl seine Wahl  : »Tisza sei ihm zu grob, Andrássy wolle er nicht und ich [Hohenlohe] hätte es nicht angenommen.«722 Über die Wochen nach der Eroberung Warschaus 1915 hat ein Kenner geschrieben  : »Das war Burians Stunde« – aber damals verstand er nichts daraus zu machen. Auf die Situation des Frühjahrs 1918 traf das Zitat schon viel besser zu. Der dickköpfige Ungar erwies sich in der speziellen Situation des Jahres 1918 geradezu als österreichische »Wunderwaffe«. Burian besaß nicht den weltmännischen Charme Berchtolds oder die entwaffnend-burschikosen Umgangsformen Czernins in seinen besseren Tagen  ; aber in der Abwehr von Zumutungen, oder was er dafür hielt, war er unschlagbar. Den Verzicht auf Polen weigerte er sich schlichtweg zur Kenntnis zu nehmen. Die »klaglose Erledigung der polnischen Frage« sei »die unabweisliche Voraussetzung« für »unser Entgegenkommen« auf allen anderen Gebieten, erklärte er bei seinem nächsten Besuch in Berlin am 11./12. Juni 1918. In seinem Bericht las sich

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das so  : Er habe diesen Standpunkt »klar und ausführlich begründet« und »Stoff zur ernstesten Erwägung« gegeben. Er resümierte  : »Der Eindruck meiner Ausführungen auf meine Mitredner war ein sichtlich starker.«723 Mitte Juli 1918, nach dem Sturz Kühlmanns, begann Berlin eine letzte Gegenoffensive. Natürlich stünde es den Polen frei, ganz im Sinne ihres alten Wahlkönigreichs nach Belieben einen Herrscher zu berufen. Doch sollten ihnen gewisse Zusatzbedingungen auferlegt werden, falls es sich dabei um einen regierenden Monarchen handelte.724 Burian saß auch diese Krise aus  : Was immer die deutsche Seite auch für Bedingungen im Auge habe, dabei könne es sich keineswegs um territoriale Forderungen handeln. Wilhelm II. seufzte, mit Karl sei er sich einig, doch mit Burian werde er nicht fertig. Erzherzog Karl Stephan war immer wieder als Lückenbüßer im Gespräch gewesen  ; er lehnte diesmal endgültig ab. Im September – wenn auch unter Rahmenbedingungen, die sich seit dem Frühjahr erheblich verschoben hatten – ging Berlin schließlich zähneknirschend erst recht wieder (mit gewissen Mentalreservationen) auf die austro-polnische Lösung ein.725 Was den Ausbau des Mitteleuropa-Blocks betrifft, scheint gerade die deutsche Seite bald die Lust an weiteren Verhandlungen verloren zu haben. Zumindest stellte Burian nach einem Vierteljahr fest, man sei »unsererseits dem Wunsch einer tunlichsten Beschleunigung der betreffenden Vereinbarungen durchwegs gerecht« geworden  ; nur leider seien die internen Beratungen der deutschen Seite noch nicht abgeschlossen. Die Entwürfe, die bis dahin vorlagen, sahen den Casus Foederis übrigens erst beim Angriff mindestens zweier Großmächte als gegeben an. Bisher hatte schon Russland allein als Auslöser gegolten  ; aber mit Russland hatte ÖsterreichUngarn ja seit Brest keine gemeinsame Grenze mehr. Als Fleißaufgabe lieferte Burian auch gleich den Entwurf eines Interpretationsabkommens mit, das »die Grenzen unserer wechselseitigen Bündnisverpflichtungen in dem gegenwärtigen Kriege genauer bestimmen« sollte. Waren es im Frühjahr die Deutschen gewesen, die nach Garantien für das Bündnis gerufen hatten, so argumentierten sie angesichts des Burian’schen Präzisierungsdranges, man könne doch nicht auf alle Eventualitäten eingehen.726 In Angriff genommen wurde bloß der vieldiskutierte Handelsvertrag, und kurz vor Kriegsende, am 11. Oktober, auch noch zu einem unterschriftsreifen Abschluss gebracht. Die Verhandlungen standen von vornherein unter der Devise  : »Weder gemeinsame Gesetzgebung, noch gemeinsame Zolleinnahmen, noch gemeinsame Organe.«727 Von Souveränitätsverlust war also keine Rede. Dafür jubelte der österreichische Handelsminister Wieser über das Ergebnis. Sein Delegationsleiter Richard Schüller – der auch noch für Dollfuß die Verhandlungen mit Mussolini führte – habe »sein Programm auf das I-Tüpfelchen durchgesetzt.« Die österreichisch-ungarischen Agrarprodukte konnten zollfrei ins Reich exportiert werden  ; doch Österreich musste

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auf seine Industriezölle nicht verzichten. Ein bezeichnendes Detail zur innerösterreichischen Debatte verdient erwähnt zu werden. Zu den Skeptikern der wirtschaftlichen Annäherung an Deutschland zählte bekanntlich die Schwerindustrie. Von Sektionschef Riedl stammt der Vorschlag, man könne deren Widerstand vielleicht besänftigen, wenn man die Prager Eisen mit der Alpine Montan fusioniere, sprich  : das österreichische Eisenkartell zum Monopol ausbaue …728 Für die Militärkonvention war Burian fachlich nicht zuständig. Cramon als deutscher Verbindungsoffizier zum AOK legte am 8. Juli einen Entwurf vor, der bald darauf dem »Schlaf des Gerechten« verfiel. Vorgeschlagen wurde in erster Linie der Austausch von Militärmissionen. Dafür müssten die österreichischen Offiziere deutsch beherrschen, was wohl keine allzu große Hürde darstellte, die preußischen Kandidaten aber ungarisch lernen.729 Wenn das so heiß umstrittene Projekt stillschweigend fallengelassen wurde, so lag das nicht zuletzt am Desinteresse und an den Vorurteilen Hindenburgs, der zum Unterschied von Falkenhayn bei Gelegenheit schon einmal erklärte, man solle sich nicht an einen Kadaver fesseln, und die österreichischen Deutschen für wertlos erklärte. Vielleicht hatte die OHL im Sommer 1918 auch ganz einfach andere Sorgen. Das künftige Verhältnis zu Russland war für sie weit wichtiger als Österreich-Ungarn, von der Westfront einmal ganz abgesehen.730 Allerdings wurde als sichtbarer Ausdruck der Waffenbrüderschaft die Entsendung einiger österreichisch-ungarischer Divisionen an die Westfront beschlossen  ; nur ein Frontbesuch Kaiser Karls dort unterblieb.731 Die »Kanonen an der Westfront«, auf die sich Karl nach der Sixtus-Affäre berufen hatte, nämlich die berühmten 30,5-cmMörser, wurden durch kleinere Kaliber ergänzt. Diese mehr symbolische Unterstützung war im Prinzip schon Ende 1917, als Dank für die Hilfe bei Caporetto, beschlossen worden  ; doch Hindenburg hatte die Piave-Offensive vorgezogen  ; die Aktivierung dieser Zusage hatte weniger mit Spa zu tun, als mit einer neuerlich Lebensmittelaushilfe Ende Juni 1918. Insgesamt war an die Entsendung von sechs Divisionen gedacht  ; nur zwei siebenbürgische kamen vor Kriegsende tatsächlich noch zum Einsatz und kreuzten in der Gegend von Verdun, mit britischen Beute-MGs ausgerüstet, noch kurz die Klingen mit den Amerikanern.732 Von dem »Vasallenverhältnis« zum Deutschen Reich aufgrund der Sixtus-Affäre und des »Canossaganges« bleibt bei näherer Betrachtung kaum etwas übrig. Wie so oft, wenn kein materieller Schaden zu bemerken ist, hat sich das Augenmerk vielfach auf die vermeintlichen moralischen Auswirkungen gerichtet. Selbst wenn das Gerede vom Vasallenverhältnis irreführend oder zumindest übertrieben war, so mache sich allein schon der Eindruck, dass Deutschland »uns an sich kette«, für Österreich-Ungarn nachteilig bemerkbar. So argumentierte am Ballhausplatz schon im Mai 1918 Burians Sektionschef Kajetan v. Merey, ein Diplomat aus der Schule Gołuchowskis.733 Auch Mensdorff kommentierte  : »Es war nichts anderes möglich, aber auf der ganzen Welt wird es so

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aufgefasst, als hätten wir uns unserer Unabhängigkeit ganz begeben und wären eine Art Vasall von Berlin geworden.«734 Robert A. Kann machte die Sixtus-Affäre in seiner ersten wissenschaftlichen Behandlung des Themas sogar »unbestritten« verantwortlich für den Entschluss der Westmächte, »das Todesurteil der Monarchie auszusprechen.«735 Hier lohnt sich ein Blick auf die näheren Umstände dieses angeblichen »Todesurteils«. Denn die Westmächte haben ein solches Urteil nie gefällt, sie haben es in Saint Germain und Trianon bestenfalls ratifiziert, als sie sich auf den Boden der vollzogenen Tatsachen stellten und den inzwischen erfolgten Staatsgründungen auf dem Gebiet Österreich-Ungarns ihren Sanktus gaben. Ihr Beitrag zum Zerfall der Monarchie bestand in erster Linie in ihren militärischen Erfolgen ab September 1918. Damit fiel die normative Kraft des Faktischen weg, die bisher die Monarchie zusammengehalten hatte. Der Weg war frei für die Selbstständigkeitsbestrebungen der Nationalitäten der Monarchie. Diese Bestrebungen gab es seit Anfang des Krieges, potenziell auch schon davor, jedenfalls lange bevor sich die Entente über das Schicksal der Monarchie irgendwelche Gedanken gemacht oder entsprechende Pläne verkündet hatte. Es hieße die Position der vermeintlich allmächtigen »Großen Vier«, die 1919 in Paris über die »neue Weltordnung« verhandelten, bei Weitem überschätzen, wenn man davon ausgeht, sie hätten die Möglichkeit gehabt, die auf ihre Unabhängigkeit pochenden Nachfolgestaaten zur Rückkehr in den habsburgischen »Völkerkerker« zu zwingen, um des europäischen Gleichgewichts oder sonstiger abstrakter Ideale willen. Was die Existenz der Nationalstaaten auf dem Gebiet der Monarchie betraf, standen die Westmächte im Herbst 1918 vor einem fait accompli, an dem sich nichts mehr ändern ließ. Allenfalls über die eine oder andere Grenzberichtigung ließ sich noch reden.736 Mit der Sixtus-Affäre und der Konferenz von Spa konnte sich für die Westmächte, was die Einschätzung der Habsburgermonarchie betrifft, nur in einer einzigen Beziehung etwas ändern. Sie raubten ihnen endgültig alle Illusionen über die Bereitschaft der Monarchie zu einem Sonderfrieden. Doch diese Bereitschaft hatte nie bestanden, oder eben nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen – nämlich dem Angebot eines Status-quo-Friedens, der von Deutschland zurückgewiesen würde. Alles andere waren Illusionen, die auf Missverständnissen und Wunschdenken beruhten. Aus diesen illusionären Erwartungen allein ließ sich auf Dauer keine alliierte Österreich-Politik ableiten oder aufbauen. Österreich-Ungarn von Deutschland zu trennen, wurde daher ab Mai 1918 als impraktikabel angesehen, vielleicht auch als inopportun.737 Denn seit Brest war ein Sonderfriede auch militärisch viel weniger attraktiv geworden. Ein Österreich-Ungarn, das Anfang 1917 aus dem Krieg ausschied, als Sixtus zu seiner Mission aufbrach, hätte Dutzende russischer Divisionen zum Einsatz gegen Deutschland freigesetzt  ; eine Monarchie, die 1918 ihren Frieden mit dem Westen machte, nur mehr die Italiener, die wohl kaum bereit gewesen wären, an der Westfront gegen Deutschland weiterzukämpfen.

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Im Winter 1917/18, kurz vor Weihnachten, hatte in der Schweiz noch einmal ein Gespräch zwischen einem österreichischen und einem britischen Repräsentanten stattgefunden. Kurioserweise handelte es sich beim österreichischen Vertreter um den Cousin König Georgs V., den früheren Botschafter in London, Graf Albert Mensdorff  ; beim britischen Emissär um General Jan Smuts, Mitglied des Kriegskabinetts des Empire, seiner Herkunft nach ein alter Burengeneral. Die Unterredung verlief unverbindlich, aber äußerst amikal  : Smuts ließ durchblicken, Österreich-Ungarn könne als Gegengewicht zu Deutschland vielleicht noch einmal nützliche Dienste leisten. Doch diese Überlegung basierte auf der Annahme, dass der Krieg trotz aller alliierten Anstrengungen in einer ›parti remis‹ enden würde.738 Es war nicht die Enttäuschung über Spa, die diese Überlegung gegenstandslos machte. Vielmehr wich die Annahme einer ›parti remis‹ ab dem Sommer 1918 der alliierten Zuversicht, das Deutsche Reich spätestens 1919 doch noch niederringen zu können. Eine endgültige Entscheidung, ja auch nur eine systematische Aussprache über die alliierten Kriegsziele gegenüber Österreich-Ungarn hat es nie gegeben. Diese Kriegsziele bestanden aus einer Addition punktueller Zugeständnisse und Versprechungen, die Frankreich und England im Laufe der Zeit diversen Bundesgenossen als Belohnung für ihren Beitritt zur Entente in Aussicht gestellt hatten  : Im Londoner Vertrag waren Südtirol und das adriatische Küstenland für Italien reserviert worden, mit Ausnahme der Teile Dalmatiens, die zusammen mit Bosnien und der heutigen Vojvodina an Serbien fallen sollten. Die Anwartschaft auf den Südosten der Monarchie, vom Banat bis zur Bukowina, inklusive Siebenbürgens, ja vielleicht sogar bis zur TheißGrenze, hatte Bratianu ersteigert. Allenfalls diese Anweisung mochte inzwischen als überholt gelten, seit der Aussteller des Wechsels, Russland, ebenso zusammengebrochen war wie der Empfänger, Rumänien.739 Im Norden bestand zwischen beiden kriegführenden Parteien inzwischen sogar Einigkeit über die Schaffung eines unabhängigen Polen, auch wenn sich hinter dieser Formel zweifellos höchst unterschiedliche Vorstellungen über die Gestalt der wiedererstandenen Rzeszpospolita verbargen. Zog man all diese Randbereiche ab, dann blieb der »historische Kern« der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie zurück  : Die Alpenregion, Ungarn und die böhmischen Länder. Zerfall oder Fortbestand der Monarchie hingen von den Beziehungen zwischen diesen drei Länderkomplexen ab, die ihre drei größten Ethnien beherbergten. Die Tschechen hatten sich die Option der Unabhängigkeit mit ihrer Politik der zwei Eisen im Feuer den gesamten Krieg über offengehalten. Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass die Mehrheit ihrer politischen Eliten diese Option wahrzunehmen gedachte, sobald die militärische Lage es gestattete. Wenn England und Frankreich dieser Option im Sommer 1918 einen unverhofften Auftrieb verschafften, als sie den tschechischen National-Ausschuss im Exil, sprich  : das Team Masaryk-Beneš, als kriegführende Macht anerkannten, so lag

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das daran, dass die Tschechen tatsächlich zu einer kriegführenden Macht geworden waren, die international mit aufsehenerregenden Erfolgen aufhorchen ließ. Doch mit der österreichischen Politik hatte diese Heldentaten nur am Rande zu tun. Österreich-Ungarn hatte bis Ende 1917 über anderthalb Millionen Kriegsgefangene verloren. Darunter mussten sich, wenn man einfach nur den statistischen Mittelwert in Rechnung stellt, gut 200.000 Tschechen befinden. Diesen Gefangenen war von russischer Seite ab 1916 das Angebot gemacht worden, dem öden und ungesunden Lageralltag zu entfliehen, wenn sie sich freiwillig zum Dienst in der »Tschechoslowakischen Legion« meldeten, die anfangs noch als Teil der russischen Armee galt, denn der Zar und seine Minister misstrauten Masaryk und Beneš. Mit der »Februarrevolution« verschwanden diese Vorbehalte  : Der Plan Beneš’, die tschechoslowakische Legion zur Keimzelle eines neuen Staates zu machen, begann greifbare Gestalt anzunehmen.740 Die Legion legte am 2. Juli 1917 im Gefecht von Zborow ihre Bewährungsprobe ab und wurde bis zur Oktoberrevolution auf rund 40–50.000 Mann aufgestockt. (Weniger bekannt ist ein weiterer Verband aus ca. 12.000 Kriegsgefangenen rumänischer Nationalität, der in der Moldau aufgestellt wurde.741) Nach dem Frieden von Brest war die Tschechoslowakische Legion in Russland zu einem Fremdkörper geworden. Masaryk schloss deshalb am 15. März 1918 mit den Sowjets ein Abkommen über den Abtransport der Legion nach Frankreich. In allen inner-russischen Auseinandersetzungen pro und contra Bolschewiki sollte die Legion bis dahin strikte Neutralität bewahren.742 Wie ließ sich dieser Stellungswechsel am besten bewerkstelligen  ? Zunächst war an den Weg über Archangelsk und das Eismeer gedacht, dann entschied man sich für die Route über die Transsibirische Eisenbahn, nach Wladiwostok, dann weiter rund um die Welt per Schiff. Allerdings bestanden die Sowjets auf der Entwaffnung der Legion  ; damit waren gewisse Reibereien nahezu vorprogrammiert. Zur ersten bewaffneten Auseinandersetzung kam es dann nach einem Zusammenstoß im Bahnhof von Tscheljabinsk am 14. Mai, zwischen den Tschechen, die nach Osten fuhren, und österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen, die in der Gegenrichtung unterwegs waren, weil sie in die Heimat entlassen wurden. Die Kämpfe erreichten bald größere Ausmaße. Die Legion ging militärisch gegen die Sowjets vor und bemächtigte sich der Eisenbahn. Mit ihren Panzerzügen beherrschte sie bald die Lebensader Sibiriens.743 Zur gleichen Zeit – und zunächst noch völlig unabhängig von den Geschehnissen in Sibirien – begannen auch die Westmächte zu zweifeln, ob man die Legion wirklich auf eine Weltreise schicken solle. Vielleicht könnte die Legion vor Ort nützlichere Dienste leisten und den harten Kern der anti-bolschewistischen Kräfte in Russland bilden, die aufseiten der Entente weiterkämpfen wollten (oder dies zumindest vorgaben, wie man vielleicht ergänzen muss). Der Verstoß der Legion gegen die von oben verordnete Neutralität im russischen Bürgerkrieg machte sich politisch bezahlt.

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Masaryk (damals gerade in den USA) war weiterhin skeptisch über ihre neue Rolle als Speerspitze der Gegenrevolution  ; doch in Paris wusste Beneš die Gunst der Stunde zu nützen. Er stellte der Entente großzügig die Legion zur Verfügung, verlangte dafür aber die Anerkennung als politisches Führungsorgan, als »supreme organ of the Czechoslovak movement«, als kriegführende Macht, frei nach dem Muster, wie es schon im Vorjahr die Polen auf der anderen Seite der Barrikaden vorexerziert hatten  : Ohne Regierung auch keine Armee  ! Militärisch machte die Tschechoslowakische Legion im Sommer 1918 Furore. Der 8. August 1918, als die Briten bei Amiens ihre Offensive starteten, wurde als der »schwarze Tag des deutschen Heeres« berühmt-berüchtigt. Am selben Tag traf in Moskau die Nachricht ein, dass die Tschechen nach Europa zurückgekehrt waren, die Wolga erreicht und Kasan eingenommen hatten. Mit damals bloß 12.000 Mann westlich des Urals war es der Legion gelungen, das Sowjetregime in seine erste große Krise zu stürzen. Der Erste Weltkrieg hatte sich über Nacht zu einem Russischen Erbfolgekrieg entwickelt. Eine Division mehr oder weniger an der Westfront war ohne Belang. Im Osten war der Grenznutzen ein viel höherer, konnten auch kleine Verbände große Wirkungen erzielen. Das galt für Ludendorffs Kosaken oder Finnen auf der einen Seite, wie für die tschechischen Legionäre der Entente auf der anderen. Mit Österreich, mit Karl und Czernin, den Gravamina der Böhmen, dem Kreisgericht von Trautenau und der Amtssprache des Nachtwächters von Leitomischl hatte diese Entscheidung wenig bis gar nichts zu tun. Die Engländer waren bereit, einen gewissen Preis für die Verwendung der Legion zu bezahlen, als sie Masaryk und Beneš einen gewissen diplomatischen Status zubilligten, vermieden aber bewusst Ausdrücke wie »Souveränität« oder »provisorische Regierung« und legten sich keineswegs auf eine Zerschlagung Österreich-Ungarns fest, wie Unterstaatssekretär Lord Robert Cecil ausdrücklich festhielt. Die Unterstützung der »unterdrückten Nationalitäten«, wie sie Cecil im Mai als logische Schlussfolgerung aus dem Scheitern der Sonderfriedenshoffnungen abgeleitet hatte, blieb auch im Herbst noch eine im wesentlich bloß propagandistische.744 Wenig begeistert von der Intervention in Russland und ihren Begleiterscheinungen waren übrigens gerade die Anhänger des Selbstbestimmungsrechts katexochen, die Amerikaner. Als man in London die Tschechoslowakei im August als »independent nation« apostrophierte, machte sich Staatssekretär Lansing – der ab und zu freilich auch selbst in dieses Horn geblasen hatte – darüber lustig, als Österreicher würde er jetzt mit der Anerkennung der Unabhängigkeit von Irland, Ägypten und Indien kontern.745 Allenfalls führten die Aktionen der Legion dazu, dass der Streit der Nationalitäten in Böhmen, der sich bislang in der einen oder anderen Straßendemonstration ausgetobt hatte, aber im wesentlich gottlob unblutig verlaufen war, in den Weiten Sibiriens, am Baikalsee und am Rande der Mongolei, erstmals handgreifliche Formen an-

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nahm. Nach dem Muster von Tscheljabinsk trafen hier Tschechen, die für die Entente kämpften, auf reaktivierte, ehemalige österreichisch-ungarische Kriegsgefangene deutscher (oder wie in Tscheljabinsk  : ungarischer) Nationalität, die im Interesse ihres Heimatlandes für die Sowjets Partei ergriffen – selbst wenn ihr militärisches Potenzial von der Entente vermutlich stark übertrieben wurde. Weltanschaulich handelte es sich dabei meist um einen Kampf mit verkehrten Fronten  : National-konservative Deutsche engagierten sich für die Bolschewiki, die Tschechoslowakische Legion, mit ihren prinzipiell wohl eher links angesiedelten Mannschaften, kämpfte gegen Lenin. Einer der wenigen Tschechen, der untypischerweise in der Roten Armee diente, und das sogar als Kommissar, war übrigens Jaroslav Hašek, der Autor des »Braven Soldaten Schwejk«, mit seiner sehr viel harmloseren Laufbahn als subversives Element der k. u. k. Armee.746 Die Sixtus-Affäre und der »deutsche Kurs«  : Teufel und Trautenau

Die Sixtus-Affäre löste große internationale Aufregung aus, quer über die Fronten hinweg. Ihre tatsächlichen Kollateralschäden waren bei näherer Betrachtung weniger beeindruckend. Dafür hinterließ sie ihre Spuren in der Innenpolitik der Monarchie. Überraschenderweise zunächst einmal in Ungarn. Karls Entscheidung, Burian zum Nachfolger Czernins zu ernennen, mochte rückblickend als Signal der Kontinuität gewertet werden. Damals stieß sie weitgehend auf Unverständnis. »Wie das kam, weiß ich nicht«, notierte Marterer entgeistert. Karls Sekretär Werkmann empfahl dem Kaiser Tisza mit den Worten  : »Wenn Tisza sich vor Eure Majestät stellt, dann sind Eure Majestät wohl gedeckt.«747 Als Berchtold im Jänner 1915 zurücktrat, lehnte Tisza eine Berufung nach Wien ab, weil er die Herrschaft über Ungarn nicht aufgeben wollte und es niemand gab, dem er sie anvertrauen könnte. Dieses Problem stellte sich im April 1918 nicht mehr. Im Gegenteil  : Mit der Ernennung Tiszas zum Außenminister hätte Karl auf elegante Weise den Mann in die Pflicht nehmen können, der im ungarischen Parlament weiterhin über die stärkeren Bataillone verfügte. Die Minderheitsregierung Wekerle, die zwischen Károlyi und Tisza balancierte, wäre damit von einem Alpdruck befreit worden. Denn die Möglichkeit, der Regierung durch Neuwahlen vielleicht doch noch eine Mehrheit zu verschaffen, war im März noch einmal erwogen – und schließlich doch verworfen worden.748 Karl sondierte nach mehreren Seiten, erwog verschiedene Varianten und erweckte diverse Hoffnungen – so ließ er z. B. auch den Botschafter Markgrafen Georg Pallavicini eigens aus Konstantinopel anreisen –, entschied sich dann aber anscheinend spontan für Burian. Die Ernennung war vom Hauch eines Provisoriums umgeben, weil Burian das Portefeuille des gemeinsamen Finanzministers behielt, das er seit Dezem-

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ber 1916 bekleidete, als standesgemäßes Ausgedinge und um unter den gemeinsamen Ministern wenigstens einen Ungarn zu haben. Doch die Ernennung eines Ungarn zum »Superminister« wurde von Wekerle und seinem Kabinett keineswegs dankbar aufgenommen. Wekerle war weder befragt noch informiert worden  ; zu sehr galt Burian immer noch als Mann Tiszas  ; Wekerle sah darin einen Affront und reichte seine Demission ein. Tisza sei ihm zu grob, begründete Karl seine Ablehnung. Tisza konnte damit zufrieden sein, denn auf dem Weg über die neuerliche Krise des Kabinetts Wekerle hob Karl den »Grobian« innenpolitisch endgültig wieder in den Sattel. In einer für Karls Regierungstil nicht untypischen Episode war anfangs nicht ganz klar, wer denn eigentlich den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte. Wekerle und Szterenyi boten einander daraufhin telefonisch wechselseitig Ressorts in ihrem Kabinett an. Schließlich blieb Wekerle Premier, doch seine eben erst gegründete Regierungspartei zerfiel. Nach Károlyi im Jänner trat nun auch Andrássy – der weder im Inneren noch im Äußeren zum Zug gekommen war  – den Gang in die Opposition an. Karl ließ Apponyi beschwören, doch wenigstens seinem Flügel der Unabhängigkeitspartei den Weg zur Unterstützung der Regierung freizugeben, wenn er schon selbst kein Portefeuille mehr annehmen wollte. Die Abstimmung in Apponyis Partei fiel mit 46 zu 43 knapp zugunsten der Regierung aus  ; letztendlich traten die 43 Oppositionellen zusammen mit Apponyi aus, insgesamt 61 Abgeordnete blieben bei Wekerle, als Neuzugang stellte sich Istvan Bethlen ein.749 Tisza schickte zwei seiner Vertrauensleute ins Kabinett und erklärte, die Regierung mit Wohlwollen zu behandeln. Die umstrittene Wahlreform wurde ein weiteres Mal verwässert. Davon waren nicht allzu viele potenzielle Wähler betroffen – die Zahl sank in der letzten Runde noch einmal von 3,2 auf 2,8 Millionen, verglichen mit knapp anderthalb Mio. vor dem Krieg – aber was zählte, war der Eindruck, dass Tisza sich schließlich doch durchgesetzt hatte. Nach einem Jahr der Irrfahrten war die ungarische Innenpolitik beinahe wiederum zum Ausgangspunkt zurückgekehrt.750 Auch in Österreich war die Ausgangslage die gleiche geblieben. Zwar reagierte die öffentliche Meinung  – oder was immer im Zeitalter vor demoskopischen Erhebungen dafür gelten mochte  – entsetzt und empört, gereizt bis hysterisch auf die Enthüllungen über die suspekten Kontakte ihres Monarchen. Czernin hatte sich einen guten Abgang gesichert. Der Verächter der Volkssouveränität brillierte auf Kosten des Kaisers in der Rolle »Bürgerstolz vor Fürstenthronen«. Czernin sei populär wie nicht einmal Lueger in seinen besten Tagen, resümierte Baernreither.751 Hosianna und Crucifige  : Hatte man im Vorjahr so mancher Beobachter bedenklich das Haupt geschüttelt über die weitverbreitete Abneigung gegen die Reichsdeutschen, so war der »deutsche Kurs« nach dem Sieg im Osten und den Erfolgsmeldungen aus dem Westen jetzt offenbar wieder sehr populär.

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Auffällig daran war weniger die Kritik am Kaiser, sondern die Provenienz dieser Kritik. Parish schrieb über die Stimmung im aristokratischen Jockeyklub  : Er säße lieber mit Masaryk und Kramář beisammen  ; das seien zwar auch Hochverräter, aber dahinter stecke wenigstens eine Idee. Der Generaladjutant Prinz Lobkowitz meldete, er fühle sich im Herrenhaus wie unter lauter Bolschewiken.752 Auf das Herrenhaus konzentrierte sich auch die Aktion der ersten Tage. Die Linke und die Mittelpartei wollten eine Kundgebung vom Stapel lassen, die gegen »unverantwortliche Einflüsse« auf die Führung der Geschäfte Stellung bezog. Beide Parteien verfügten nur über knapp die Hälfte der Mitglieder  ; bezeichnend war, dass man in der augenblicklichen Lage dennoch mit einer klaren Mehrheit für ihren Vorstoß rechnete. Auch (ehemalige) Hofwürdenträger wie Montenuovo oder Schießl erhoben keinen Einspruch. Doch Alfred Windisch-Graetz als Präsident des Herrenhauses, der sich 1916/17 so scharf gegen die tschechischen Verrätereien ins Zeug gelegt hatte, stellte sich auch diesmal schützend vor den Thron. Er werde zu diesem Zweck keine Sitzung einberufen, allenfalls zurücktreten. Der Kaiser zeigte noch weniger Verständnis  : Der Adel habe sich um den Thron zu scharen und nicht zu demonstrieren.753 Die Aktion verlief im Sande. Das Missvergnügen eines großen Teils der Aristokratie und ihre Parteinahme für Czernin waren ein gesellschaftlicher Faktor, der sich langfristig in einer gewissen Entfremdung vom Kaiser niederschlug, aber keine unmittelbaren politischen Folgen zeitigte. Anders stand es um die Situation im Unterhaus. Der Reichsrat war für Außenpolitik nicht zuständig  ; aber Seidler war es nachgerade gewöhnt, Czernins Bocksprünge ausbaden zu müssen. Rufe nach dem »deutschen Kurs« waren selbstverständlich auch von »Volksboten« zuhauf zu hören. Diese Äußerungen erhielten deshalb einen so brisanten, ans Irredentistische grenzenden Charakter, weil die Debatten um den Wert oder Unwert des kaiserlichen Dementis mit einer erneuten Ernährungskrise zusammenfielen. Zuerst kommt das Fressen, dann die Moral, sollte Brecht später einmal dozieren. Fatal war, wenn beide zusammen serviert wurden. Gekürzt wurden im April 1918 zur Abwechslung die Rationen der »Selbstversorger«, der Bauern, die Vorschüsse leisten sollten, bis die fabelhafte Million Tonnen Getreide aus der Ukraine eintraf. Darüber hinaus konnte Hilfe, Aushilfe, nur von Deutschland kommen. In den Grenzgebieten verabschiedete man Resolutionen, die für einen »Anschluss« plädierten, nämlich  : einen Anschluss an das deutsche Ernährungsgebiet. Das galt nicht bloß fürs Erzgebirge, dem Hungerleiderdistrikt par excellence, dem der Kaiser Ende April einen Besuch abstattete, sondern z. B. auch für das heilige Land Tirol mit seinem christlichsozialen Landeshauptmann.754 Diese Kombination politischer und wirtschaftlicher Gravamina ergab eine brisante Mischung. Den Kaiser bewegte die Sorge um die möglichen Reaktionen auf die Sixtus-Affäre  ; für seinen Ministerpräsidenten Seidler kam die Gefahr aus einer anderen

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Richtung. Die Polen hatten ihm im März nur dank guten Zuredens aus Warschau die Kriegskredite bewilligt. An eine Wiederholung dieses Gnadenakts war nicht zu denken, weil zusammen mit den Enthüllungen Czernins und Clemenceaus auch eine weitere Indiskretion die Runde machte, die in Wien im Windschatten der SixtusAffäre nahezu unterging, nicht aber in Krakau, wo man des geheimen Kronlandprotokolls habhaft geworden war, das eine Teilung Galiziens in Aussicht stellte – und die Unterschrift Seidlers trug, der den Polen Anfang März das Gegenteil versprochen hatte. Czernin war für die Polen als Feindbild ausgefallen  ; Seidler nahm seine Stelle als Sündenbock ein.755 Damit stand man dort, wo man gestanden war, als die Cholmer Bombe im Februar geplatzt war (bloß der Termindruck war weniger groß). So war es kein Wunder, dass auch die Überlegungen, die im Frühjahr angestellt wurden, einen gewissen Eindruck des Déjà-vu vermitteln. Da war zum einen die Alternative eines Militärregimes, nicht mehr bloß als Prophylaxe gegen exzedierende Streikende, sondern tout azimut, oder mit dem alten hussitischen Kampfruf umschrieben  : »proti všem«, als potenzieller Rundumschlag gegen alle, die aus der Notlage der Dynastie politisches Kapital schlagen wollten. Als Signal in dieser Richtung wurde gewertet, dass Bardolff am 26. April zur Audienz befohlen wurde. Seidler vertagte den Reichsrat Anfang Mai vorsorglich einmal, um einem Sturm im Parlament auszuweichen  ; allenfalls konnte man seine Wiedereinberufung bis spätestens Mitte Juli hinauszögern. Da war zum anderen die schüchterne Möglichkeit einer Annäherung an die Tschechen, via Silva und seine Kontakte zu den böhmischen Konservativen, die mit den tschechischen Parteien freilich inzwischen nur mehr sehr lose Kontakte aufrecht erhielten. Silva erhielt am 23. April den Auftrag, in Richtung einer solchen »Burgfriedensregierung« aus nationalen »Treuhändern« zu sondieren und stellte vorsorglich bereits eine Kabinettsliste zusammen (die unter anderem Schumpeter und Friedrich Lobkowicz umfasste). Diese Variante war von Anfang an mit allzu vielen Imponderabilien behaftet. Aber man wollte sie zumindest ausloten  ; das Ergebnis blieb rund zwei Wochen in der Schwebe, dann erst – um den 12. Mai – gab Silva auf. Die Tschechen ließen sich nicht aus der Reserve locken  ; ärgerlich richtete Silva ihrem Obmann Staněk aus, sie hätten sich alles folgende nur selbst zuzuschreiben. Die Polen aber verlangten Garantien für die Unversehrtheit nicht bloß Galiziens, sondern auch Kongress-Polens, die schwer zu beschaffen waren.756 Da war, zu guter Letzt, der altbekannte eingefrorene Posthornton, das Kreisgericht von Trautenau. Die Regierung wollte sich zuallererst einmal absichern gegen Querschüsse aus dem Lager der über die Sixtus-Affäre irritierten Deutschnationalen. Seidler gab zu, »die Verordnungen mögen Unsinn sein, seien wohl auch Unsinn, aber wir hätten uns zu tief eingelassen.«757 Das Ringen um die Autonomie Deutschböhmens erinnert an Churchills Zitat über Ulster (Nord-Irland), das durchaus seine Parallelen

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zu Böhmen aufwies. Die Welt sei durch den Krieg auf den Kopf gestellt worden  ; doch sobald sich die Nebel verzogen hatten, kamen die Kirchtürme von Fermanagh and Tyrone zum Vorschein, die schon 1914 die Diskussion beherrscht hatten. Man mag die Engstirnigkeit beklagen, den Kirchturmshorizont, der in einem Moment, wo das Schicksal des Kontinents auf Messers Schneide stand, keine anderen Sorgen kannte als derlei administratives Kleingedrucktes. Die ›Polnischen Stimmen‹ mokierten sich über »jene deutschen Elemente, welche die Siege Hindenburgs zur kleinen deutschböhmischen Münze auszuschroten nicht müde wurden.« Derlei »kleinliche Krämerpolitik« verdiente umgekehrt wohl auch nicht das Prädikat »besonders radikal«, wenn man von der Dynastie, die über Nacht ins Zwielicht geraten war, nichts weiter forderte als die Ernennung einiger Kreishauptleute. Selbst Staněk gab dem Vernehmen nach zu, die Maßnahme sei »nicht allzu schlimm«.758 Diese Kombination verweist auf einen »Anstifter«, der nicht im Kreis der üblichen Verdächtigen angesiedelt war  : Nicht Karl Hermann Wolf, der Czernins Abgang nicht besonders tragisch nahm, weil er ihm wegen der Absage an das Oktroi im Vorjahr grollte, sondern Philipp v. Langenhan, der damals für ein Einlenken plädiert hatte (»umgefallen war«), jetzt aber im Parlament als erster für Czernin eine Lanze brach und im Windschatten der SixtusAffäre für kurze Zeit zum »gegenwärtig wohl einflußreichsten deutschnationalen Führer« avancierte.759 Langenhan ließ sich beschreiben als der deutsche Wassilko, wenn auch vielleicht mit einem weniger farbigen persönlichen Hintergrund. Wie Wassilko stellte er ein besonderes Talent unter Beweis, zur richtigen Zeit am richtigen Ort aufzutauchen  ; wie Wassilko hatte er seine politische Karriere in der Bukowina begonnen, wo sein Vater zum Handelskammerpräsidenten gewählt worden war  ; wie Wassilko hatte er mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen und war im Kriege als Ordonnanzoffizier öfters auch vom Außenministerium in diversen Missionen verwendet worden, eine Zeitlang auch als Verbindungsoffizier zum preußischen Kriegsministerium  ;760 1911 als Kompromisskandidat für einen böhmischen Wahlkreis gewählt, schloss er sich innerhalb des Nationalverbandes als Parteiloser zuerst Steinwenders Arbeitsgemeinschaft an, nach dem Zerfall des Nationalverbandes der sogenannten Deutschnationalen Vereinigung, die in erster Linie als Refugium der bürgerlich-liberalen Fortschrittspartei in den böhmischen Ländern diente. Langenhan trat nicht selbst ins Rampenlicht  ; er blieb auch als Politiker Verbindungsoffizier. Der Generalstab der deutschen Politik in Österreich bestand im Sommer 1918 aus einem Kleeblatt, das sich eigentlich aus Randfiguren, Außenseitern und Grenzgängern rekrutierte  : Waldner, Pantz und Teufel. Sicherlich  : Die Deutschradikalen waren weiterhin das Schwungrad der deutschen Politik  ; aber das große Wort führte dort nicht mehr Wolf, und auch nicht der kongeniale, weil komplementäre Pacher, sondern der immer schon als allzu regierungsfreundlich bekannte Benjamin

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der Fraktion, der noch nicht vierzigjährige Znaimer Gurkenfabrikant Oskar Teufel, wohlgemerkt kein Deutschböhme. Als sein Alter Ego fungierte mit Gustav Hummer ein besonderes Feindbild der Alldeutschen, ein Wiener Apotheker, dem Teufels gute Kontakte einträgliche Stellen im Presseapparat der Regierung eintrugen.761 Teufel wurde »eine merkwürdige suggestive Kraft« attestiert, »durch die er offenbar Seidler ganz beherrscht, der gerne glauben möchte, was ihm der andere sagt.«762 Um die deutschbürgerlichen Fraktionen hinter sich zu scharen, benötigte Teufel allerdings die Unterstützung des Obmanns des Nationalverbandes, den es nicht mehr gab, weil er selbst ihm ein paar Monate zuvor den Eselstritt versetzt hatte. An die Stelle des Nationalverbandes war ein lockerer Verband der deutschnationalen Parteien getreten, nicht weniger als sechs an der Zahl. Den Obmann des Verbandes stellten die Agrarier als größte Fraktion. Die Deutsche Agrarpartei bestand zu zwei Dritteln aus Deutschböhmen. Doch um die Alpenländer nicht zu vergrämen, die mit dem Klagenfurter Zeitungsherausgeber (»Freie Stimmen«) Dobernig den letzten Obmann des Nationalverbands gestellt hatten, nominierte man für die Obmannstelle Viktor Waldner, der als Kärntner unter den Sudetendeutschen, als Universitätsprofessor (Zivilrechtler in Innsbruck) unter den Bauern und Gutsbesitzern eine gewisse Ausnahmeposition einnahm. Es waren nicht die behäbigen Obmänner der großen Fraktionen, die Waldners Strategie bestimmten, wie sich bald herausstellte, sondern Querdenker wie Teufel. Die Verbindung zu Seidler aber besorgte allem Anschein nach ein weiterer inneralpiner Agrarier, der Obersteirer Ferdinand v. Pantz, in parteipolitischer Hinsicht ein Wanderer zwischen den Welten. In landwirtschaftlichen Belangen hatte Pantz mit Waldner vor dem Krieg diverse Sträuße ausgefochten. Waldner war ein Anhänger der konventionellen Schutzzollpolitik  ; Pantz zählte als Vertreter der »Hörndlbauern«, die Futtermittel zukaufen mussten, zu deren Kritikern.763 Pantz hatte sich deshalb von den Christlichsozialen abgewendet, den Agrariern, dann dem Wiener Freihändler Max Friedmann angeschlossen und war mit ihm zu Steinwenders Arbeitsgemeinschaft gestoßen. Die enge Verbindung zu Seidler ergab sich vermutlich über Pantz’ Bruder Anton, einen Kollegen Seidlers aus dem Ackerbauministerium (in den Zwanzigerjahren dann einige Jahre Direktor des niederösterreichischen Bauernbundes). Als Obmann des ›Deutschen Zentrums‹ führte Ferdinand v. Pantz seit Herbst 1917 eine Mini-Fraktion  ; um dieselbe Zeit taucht er erstmals als Postillon d’amour Seidlers auf, damals noch, als er Kontakte zu tschechischen Abgeordneten zu knüpfen versuchte.764 Waldner und Teufel versuchten, doch noch »einen Skall nach Hause zu bringen«, wie Parish es formulierte, sprich  : die gescheiterten Spekulationen auf die Dankbarkeit der Regierung in letzter Minute mit einem Prestigeprojekt zu kaschieren. Seidler wiederum trat jetzt vielleicht zum ersten Mal aus der Rolle als treuer Diener seines Herren heraus und entwickelte ein eigenes Profil, wie es das Abgeordnetenhaus seit

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Jahr und Tag eingefordert hatte. Der Ministerpräsident wollte sich im aktivsten Teil der potenziellen Regierungsmehrheit eine Lobby heranzüchten, die ihm persönlich verpflichtet war. Manche hielten ihn nach wie vor für ein »politisches Kind«  ; andere zollten ihm das Kompliment, er sei »weit schlauer und unehrlicher, als man ihm nachsagt.«765 Diese politische Augenblickskonstellation wurde von April bis Juli 1918 auch von einer militärischen Konjunktur getragen, die allen Beteiligten das Gefühl vermittelte, den Weltgeist vorbeirauschen zu hören – jetzt war ganz offensichtlich der Augenblick gekommen, von dem Bismarck gesprochen hatte, als er sagte, es gelte, die Zipfel seines Mantels zu erhaschen. Am 21. März, keine drei Wochen nach dem Frieden von Brest, war die langerwartete deutsche Offensive im Westen losgebrochen. Die Erwartungshaltung hat Czernin rückblickend wohl zutreffend formuliert  : England und die USA seien militärisch nicht zu besiegen  ; aber an die Eroberung von Paris oder Calais habe er geglaubt  – und daran, dass ein solcher Erfolg die Gegner an den Verhandlungstisch bringen würde, zu akzeptablen Bedingungen. Kritiker mochten schon in der Anfangsphase der »Kaiserschlacht« diverse Alarmsignale ausmachen, die gegen einen durchschlagenden Erfolg sprachen, von den verhältnismäßig geringen Gefangenenzahlen bis zu den ständig wechselnden Schwerpunkten der Offensive. Als einer der wesentlichen Faktoren im Hintergrund machte sich die Erschöpfung des Pferdematerials bemerkbar. Damit war die Artillerie vielfach nahezu unbeweglich geworden.766 Doch für den heimischen Zeitungsleser waren die Geländegewinne nach Jahren des Stellungskrieges immer noch beeindruckend genug. Der erste Angriff blieb Anfang April fünf Kilometer vor Amiens stecken, der Stadt, die mit ihrer Brücke über die Somme die Verbindung zwischen der englischen und der französischen Front sicherstellte  ; im zweiten Durchgang gelang ein Einbruch bei den Portugiesen, die England unaufgefordert mit der Entsendung von Truppen nach Flandern in Verlegenheit gebracht hatten  ; im dritten Anlauf Ende Mai stießen die deutschen Armeen noch einmal an und über die Marne vor. Wenn Clemenceau damals gelobte, sich vor, in und hinter Paris zu schlagen, spiegelten sich in diesen Durchhalteparolen sehr wohl auch gewisse Befürchtungen. Selbst ein Skeptiker wie Parish, mit seinen angelsächsischen Vorfahren und Verbindungen, leitete seine Kritik an der tschechischen Politik im Frühjahr mit dem Satz ein  : »In diesem Augenblick, wo sich der Sieg den Deutschen zuneigt …«767 Die heimische Grundstimmung war prosaischer. In den Wählerkreisen der bürgerlichen Parteien zeichnete sich eine Mittelstandsbewegung ab, als Protest gegen die Deklassierung des alten und neuen Mittelstandes, der Beamten wie der Gewerbetreibenden, die zwischen Zentralen und Arbeiterschaft zerrieben, von Bewirtschaftung oder Inflation um ihren Verdienst gebracht wurden. Die Bewegung konnte auf die Sympathien des Handelsministers zählen  : »Der arische Mittelstand darf nicht in der

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Versenkung verschwinden.«768 Doch dem Mittelstand fehlte die gewerkschaftliche Organisation des Proletariats, die ab 1916 wiederum großen Zulauf verzeichnete  ; es blickte neidisch auf die Profite der kapitalistischen »Kriegsgewinnler«. Eine Vermögensabgabe zur Deckung der Kriegskosten war einer der Dauerbrenner Steinwenders, der sich als Budgetreferent den politischen Luxus leistete, auch wirklich zum Thema zu sprechen. Diese Bewegung war betont überparteilich, ja lagerübergreifend, und stand doch in einer gewissen Verbindung zu den sogenannten Volksräten, Organen der nationalen Schutzvereine, die sich von den Parlamentariern zunehmend emanzipierten, vielfach aber doch ein gewisses Naheverhältnis zum Deutschnationalen Verein aufwiesen, einer Gründung Karl Hermann Wolfs. Seidlers »deutscher Kurs« lag im Trend, eine Zeitlang zumindest, bis sich das Kriegsglück im Sommer zu wenden begann. Diese Begleiterscheinungen verschaffte ihm freilich immer noch keine parlamentarische Majorität. Der deutschbürgerliche Block allein war dafür zu wenig, selbst wenn man dazu einige Bruchstücke aufsammelte (wie Wassilkos Handvoll Ukrainer, die beiden Friulaner, ein paar Rumänen). Die Tschechen fielen als Partner für Waldner, Teufel & Co. aus  ; die Polen für Seidler. Das Gedeihen ihrer Partnerschaft hing davon ab, dass seine Anhänger entweder Seidler dazu überreden konnten, das Parlament heimzuschicken und mit dem Paragraf 14 zu regieren – oder aber, es gelang doch noch, irgendwie eine parlamentarische Mehrheit zusammenzustoppeln. Gegen den Ausweg einer Rückkehr zum autoritären Regiment legten sich einige von Seidlers Ministern quer, wie z. B. Toggenburg, der deshalb schon im Juni zurücktrat und durch den Wiener Polizeipräsidenten Edmund v. Gayer ersetzt wurde, oder Silva, der ständig nach einem Grund suchte, doch nicht zurücktreten zu müssen. In Wien kursierte das makabre Bonmot  : »Den Stürgkh hat der Adler geholt, den Toggenburg der Geier und jetzt holt den Seidler der Teufel.«769 Auch das Einverständnis des Kaisers mit einem §-14-Regime konnte nicht unbedingt vorausgesetzt werden. Als die Polen Seidler am 11. Juni noch einmal eine eindeutige Absage erteilten und das Kabinett daraufhin pro forma demissionierte, nahm der Kaiser den Rücktritt am 27. Juni zwar erwartungsgemäß nicht an, gab aber die Losung aus, vom verfassungsmäßigen Weg nicht abzuweichen. Mit dem Notverordnungsparagrafen war in Friedenszeiten immer wieder regiert worden, doch immer nur dann, wenn obstruierende Minderheiten das Parlament lahmgelegt hatten. 1918 sah die Situation anders aus  : Die Zuflucht zum § 14 wäre ein Eingeständnis, im Parlament keine Mehrheit mehr zu finden. Allenfalls die Auflösung des Abgeordnetenhauses bot sich als Ausweg  – oder zumindest Drohung – an, mit Neuwahlen, die zumindest bis zum Herbst hinausgeschoben werden konnten, vielleicht auch länger …770 Die Problematik einer parlamentarischen Mehrheitsbildung unter den gegebenen Umständen ließ sich anhand der Statistik umreißen  : Seit 1914 waren fast zwei

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Dutzend Abgeordnete verstorben, vier gefallen, zwei in Kriegsgefangenschaft geraten (einer davon kam aus Sibirien rechtzeitig wieder zurück)  ; drei Abgeordnete hatten ihre Mandate niedergelegt, einer war entmündigt worden  ; sechs Tschechen, zwei russophile Ukrainer, ein Slowene waren rechtskräftig verurteilt, der Trientiner Sozialist Cesare Battisti 1916 sogar hingerichtet worden, nachdem er als italienischer Offizier in österreichische Gefangenschaft geraten war. Im feindlichen Ausland befanden sich die beiden Tschechen Masaryk und Dürich, ein Slowene und zwei Italiener. Sie wurden kurzerhand ihrer Mandate verlustig erklärt wurden, sobald sie dreißig Tage nach Eröffnung des Reichsrats immer noch nicht in Wien erschienen waren.771 Sehr wohl erschienen war der polnische Graf Alexander Skarbek  : Er hatte sich in Lemberg mit den Russen eingelassen und eine Zeitlang in der Schweiz verbracht, doch  : »von gerichtlichen Schritten gegen ihn wurde vorderhand abgesehen, weil das AOK solche als inopportun bezechnet hatte.« Drei Ukrainer waren von den Russen verschleppt worden, inzwischen aber wohlbehalten zurückgekehrt  ; ein vierter, Theofil Okuniewskij, stand hingegen im Verdacht, freiwillig mitgegangen zu sein.772 Neuwahlen für erledigte Mandate waren während des Krieges keine ausgeschrieben worden  ; doch in den galizischen Doppelwahlkreisen rückten Ersatzmänner nach. Per Saldo zählte das Haus im Frühjahr 1918 statt ursprünglich 516 Abgeordneten nur mehr 471. Doch die Mehrheitsverhältnisse hatten sich kaum verschoben  : Von den Deutschen waren mehr verstorben oder gefallen, von den Nichtdeutschen mehr verurteilt oder ihres Mandats verlustig erklärt worden. Die Deutschbürgerlichen verfügten über ca. 170 Mandate (94 Deutschnationale, 67 Christlichsoziale, einige »Wilde«), die Fundamentalopposition über ca. 140 (95 Tschechen, 32 Südslawen und 14 Italiener), die Polen über fast 80 (davon waren noch gut 60 im Polenklub verblieben). Der Rest des Hauses verteilte sich im Wesentlichen auf 30 Ukrainer – und 40 deutsche Sozialdemokraten. Die Ukrainer mochten zu gewinnen sein, solange die Regierung zu den Polen auf Distanz ging  ; am 4. Juli gab Seidler vorsorglich doch noch einen Entwurf in Auftrag für eine Teilung Galiziens in ein (polnisches) Großherzogtum Krakau und ein (ukrainisches) Königreich Lodomerien  ;773 fünf Rumänen und zwei Friulaner waren ebenfalls zu haben. Damit kam man auf bestenfalls 210 Stimmen. Da half es wenig, wenn Seidler, wie man munkelte, dazu überging, die Polen »jetzt einzeln zu bestechen«.774 Wie immer man es auch drehte und wendete, mindestens zwanzig Stimmen fehlten. Die Mehrheit hing ganz eindeutig von den Sozialdemokraten ab. Den Nachgeborenen galten die Deutschradikalen als Rechte  ; den Zeitgenossen die Christlichsozialen. Wem immer man da auch die Palme zuerkannte, der »deutsche Kurs« hing vom erfolgreichen Werben um die politische Linke ab. Die Sozialdemokratie hatte eine Regierungsbeteiligung schon im Vorjahr abgelehnt. Dieser Beschluss schloss ein Arrangement über eine »Arbeitsmehrheit« im Abgeordnetenhaus keineswegs aus. An Angeboten ließ es die Regierung nicht fehlen  : Auch jetzt tauchte wieder

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Abb. 22  : Seidlers Nachfolger als Ministerpräsident, Max v. Hussarek  : »Er blieb als ehrlich Klerikaler / In vielen Fragen liberaler.«

die Reform des Gemeindewahlrechts im demokratischen Sinne auf und die Einführung des Acht-Stunden-Tags. Mitte Juli lautete die Devise  : »Die Deutschbürgerlichen machen den Sozialdemokraten in aller Form den Hof.«775 Als besonderer Lockvogel war an die Schaffung von Arbeiterkammern gedacht. Seidler befahl über Nacht die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfes. In Niederösterreich bestand bereits eine Vorform der Sozialpartnerschaft, der paritätischen Lohnkommission  ; jetzt wurde an die Ausdehnung des Modells auf die gesamte österreichische Reichshälfte gedacht. Das Lizit des in Bedrängnis geratenen Premiers und seiner Einflüsterer war ein schlagender Beweis für die gängige Praxis der Kriegsjahre, wie der verzweifelte Schuldner nachhaltige Belastungen in Kauf zu nehmen zur Be-

friedigung unmittelbarer Bedürfnisse. Es musste natürlich fraglich sein, ob Renner – der sich optimistisch zeigte – und Seitz – der sich weniger optimistisch zeigte – von ihren Parteigremien auch tatsächlich die Ermächtigung zu einem Abschluss auf dieser Basis erhalten hätten, aber allein schon die Leichtfertigkeit, mit der derlei Konzessionen in den Raum gestellt wurden, ließen bei bürgerlichen Interessenvertretern die Alarmglocken schrillen. Es begann sich innerhalb der Deutschbürgerlichen eine Fronde herauszubilden, die quer durch alle Parteien und Untergruppen ging  : Handelskammervertreter wie Freißler oder inzwischen auch Gross und Langenhan, dem »deutschen Kurs« ursprünglich durchaus geneigt, begannen ihre Skepsis deutlich zu artikulieren. Der Obmann der Prager Deutschfortschrittlichen, Bruno Kafka, ein Vetter des Dichters, sprach verächtlich vom »Kuhhandel« der Regierung mit den Sozialdemokraten.776 Auch die ehemaligen Minister Urban und Baernreither, die 1917 mit einem ­Oktroi schwanger gingen, waren ihren Nachfolgern nicht wohlgesonnen und hatten sich von der Politik der Deutschradikalen wiederum entfernt. Die Seidler’schen Kreisverord­nungen kritisierte Baernreither ebenso wie die Entwürfe Handels im Jahr zuvor (oder alle, die nicht von ihm stammten  ?) und lancierte gegen sie Artikel in den Prager Zeitungen. Urban verteidigte Seidler anfangs noch, schwenkte aber dann im Sommer ebenfalls um.777

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Den ländlichen Christlichsozialen war die ganze Sache zu ­riskant. Der Vorarlberger Jodok Fink war gegen das Ministerium, der oberösterreichische Landeshauptmann Prälat Hauser zumindest gegen den § 14.778 Der projektierte Pakt mit den Sozis – siehe Wahlreform – vergrämte auch den Flügel um den Wiener Bürger­meister Weiskirchner, der am Bündnis mit dem Nationalverband am konsequentesten festgehalten hatte.779 Vor allem aber  : Es tat sich eine Alternative auf. Der Polenklub ließ deutlich durchblicken, dass er keineswegs unbedingt in der Opposition zu verharren gedachte. Wieder waren es außenpolitische Erwägungen, der Wunsch Warschaus nach Unterstützung gegen die preußischen Pläne, die dabei eine Rolle spielten. Der Entscheidung war ein Schattenboxen der beiden Verbündeten vorausgegangen. Czernin hatte schon im März Adam Tarnowski vorgeschickt. Er gab ihm als »Leitlinie« mit auf den Weg, der Vertrag mit der Ukraine werde sich »wahrscheinlich als hinfällig« erweisen  ; damit ergäben sich für die Polen wiederum diverse Möglichkeiten, freilich nur, »wenn sie uns helfen«. Andernfalls müsse man sie ihrem Schicksal überlassen  : Dann werde die deutsche Grenze wohl knapp vor Warschau verlaufen. Die deutsche Seite informierte die Polen als Retourkutsche über das geheime Kronlandprotokoll  : Der Gesandte Ugron berichtete, er »könne die Erregung gar nicht beschreiben, mit welcher meine Mitredner [darunter auch Biliński und Gołuchowski] diese Frage erörtert haben.«780 Die Obleute des Polenklubs im Frühjahr 1918, der Konservative Graf Georg Baworowski und der Demokrat Thaddäus Tertil, waren Repräsentanten der beiden traditionell habsburgfreundlichen Parteien, doch von einem persönlichen Profil, das sie auch für die oppositionellen Strömungen akzeptabel machte, vor allem für die Mehrheit der zerstrittenen Ludowcy. Um einer regierungsfreundlichen Parteiengruppierung die Wege zu ebnen, kam aus Warschau diesmal der Ex-Premier Kucharzewski.781 Als eine Woche später auch sein Nachfolger Steczkowski, einst Leiter der CA-Filiale in Lemberg, nach Krakau pilgerte, wollte sich Außenminister Burian typischerweise zunächst gegen diese »Einmischung« in innere Angelegenheit verwahren, die zwar »gut gemeint« sei, doch gegen alle »politischen Usancen« verstoße und »irredentistische Prätensionen« erkennen lasse. Steczkowski kehrte den Spieß um  : Man solle doch die formellen Bedenken beiseite lassen und »das Meritum in Betracht ziehen«  : »Die österreichische Regierung muß mir Dank wissen, denn ohne den Druck, den ich als Vertreter der polnischen Regierung ausgeübt habe, wären vielleicht Beschlüsse gefaßt worden, die ihr sehr unangenehm hätten werden können.«782 Den neuen Obmann des Polenklubs, Tertil, verband mit Waldner als Obmann des Verbandes der deutschnationalen Parteien, das Schicksal, von den Militärs in seinem Heimatbezirke schon einmal interniert bzw. ausgewiesen worden zu sein.783 Die Polen gaben sich aufgrund der Krakauer Beratungen im Prinzip konziliant, hart blieben sie nur in einem Punkt  : Sie forderten den Kopf Seidlers, dessen Zusagen und

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Versprechungen sie nicht mehr trauten.784 Die Sache musste vor der Sommerpause spruchreif werden. Die Verhandlungen gingen Mitte Juli in die Endphase. Vergeblich bot Waldner den Polen »sachliche Garantien«, wenn sie von ihrem »Personaldiktat« abrückten. Die »Bohemia« orakelte  : »Ist Seidler wirklich eine Staatsnotwendigkeit  ?« Schlimmer noch  : Der Deal mit Renner ließ sich nicht perfektionieren. Am 14. Juli berief Seidler spätabends eine Obmännerkonferenz ein  ; am 16. langte die Absage der Sozialdemokraten ein.785 Im Hintergrund spielte wohl auch eine Rolle, dass die Siegfriedenshoffnungen ins Wanken geraten waren. Ausschlaggebend für die Stimmung in Österreich-Ungarn war dabei das Scheitern der Offensive über die Piave ab 15. Juni, die »SonnwendSchlacht«, wie sie in Italien genannt wurde. Es ergab sich keine Gelegenheit, den Marschallstab zu überreichen, den seine Generäle für Kaiser Karl eigens hatten anfertigen lassen  : Er hätte ihm in der nächsten eroberten Stadt, Treviso oder gar Venedig, feierlich überreicht werden sollen. Die Italiener besangen den Abwehrerfolg mit dem Lied »Il Piave mormora«, denn das Hochwasser hatte den Österreichern nach drei Tagen die Brücken über den Fluss weggerissen.786 Wieser hatte kurz davor noch stolz notiert, wie erhebend es sei, dass »wir« den entscheidenden Schlag führen dürften. Zwei Wochen später zog er das Resümee  : »Es ist die Macht gar nicht da, um den § 14 durchzusetzen. Das wäre unter Stürkgh gegangen, vielleicht noch unter Clam, aber nicht heute nach dem missglückten Piave-Versuch.«787 Ein Monat später scheiterte die letzte deutsche Offensive im Westen  ; am 18. Juli erfolgte bei Villers-Cotteret der Beginn des alliierten Gegenschlags. Kühlmann hatte das Ergebnis schon am 24. Juni vorweggenommen, als er in einer Rede festhielt, der Krieg sei mit militärischen Mitteln nicht mehr zu gewinnen. Diese Offenherzigkeit kostete ihn seinen Job. Die OHL benützte die Gelegenheit, ihren Gegenspieler als Defaitisten doch noch abzuservieren. Tatsächlich beriefen sich Südslawen und Tschechen umgehend auf das Eingeständnis Kühlmanns. Wie Conrad im Mai 1915, erreichte so auch Ludendorff seine größte Machtfülle im Augenblick der Niederlage.788 Noch hielt sich eine gewisse Zeit die Hoffnung, der Krieg werde zumindest in einer ›parti remis‹ enden (so äußerte sich Berchtold noch am 10. September). Aber die Euphorie, die allenfalls dazu hätte verleiten können, mit fliegenden Fahnen zum § 14-Regime zurückzukehren, war verflogen. Am 22. Juli nahm Karl die Demission Seidlers an und ernannte den Unterrichtsminister Baron Hussarek zu seinem Nachfolger. Hussarek galt als Klerikaler, schon einmal wegen seiner akademischen Karriere als Kirchenrechtler, nahm aber keine großen Veränderungen im Kabinett vor und stellte sich drei Tage später der Abstimmung über das Budgetprovisorium. Das Ergebnis fiel mit 215 zu 195 nicht allzu überwältigend aus, dafür bekam Hussarek die vollen sechs Monate bewilligt. Die deutsch-polnische Achse hatte ihre Funktionstüchtigkeit unter Beweis gestellt. So wie bei den Tschechen

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Abb. 23  : Das Ergebnis der Abstimmung über das Budgetprovisorium am 26. Juli 1918

mit Kramářs Neugründung war auch hier die nationale Solidarität an den Rändern abgebröckelt, aber eben nur an den Rändern. Die polnischen Nationaldemokraten votierten nur sehr verhalten gegen den Klub, die Deutschradikalen gaben die Abstimmung frei – und es stellte sich heraus, dass nur Teufel, Hummer und Pantz sich mit zwei, drei Getreuen der Stimme enthielten und bald darauf die Deutsche Unabhängigkeitspartei ins Leben riefen, eine deutliche Anspielung auf ihr ungarisches Pendant. (Es zählt zu den Ironien der Geschichte, dass ausgerechnet Teufel sich in den Zwanzigerjahren einen Namen als legitimistischer Verschwörer machte.)789 Die österreichische Politik war nach vier Jahren Krieg und diversen Turbulenzen zu ihrem Ausgangspunkt zurückgekehrt. Alle Projekte einer Verfassungsreform hatten sich als inoperabel erwiesen. Es regierte ein Beamtenkabinett (mit Silva als einzigem Politiker honoris causa), gestützt auf eine deutsch-polnische Arbeitsmehrheit. Die Kriegs-Session des Reichsrats, der Altweibersommer des altösterreichischen Parlamentarismus, war geprägt von einer skrupulösen Vermeidung von Notverordnungsparagrafen und Obstruktion, wie sie schon lange nicht mehr dagewesen war. Die Tschechen hätten das Haus natürlich jederzeit sprengen oder lahm legen können. Die neue Geschäftsordnung beschränkte zwar die Redezeiten, doch gegen das brachiale Vorgehen von hundert Mandataren war sie machtlos. Doch die Tschechen hatten die Wohltaten der parlamentarischen Immunität schätzen gelernt. Sie scheuten vor derlei militanten Friedensmanövern zurück. Die Regierung kokettierte zwar des Öfteren mit dem § 14, entschied sich aber immer wieder dagegen. Diese abnorme Normalität vermochte das alte Österreich nicht zu retten  ; denn die Entscheidungen fielen anderswo. Aber sie verdient zur Kenntnis genommen zu werden.

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Exkurs  : Großkroatien – die einzige »versäumte Chance«

Die Suche nach dem Stein der Weisen, der Lösung, die alle Völker des Reiches zufrieden stellte, war politische Alchemie. Eine solche einvernehmliche Lösung gab es nicht  : Es ging hier nicht um Prinzipien, sondern um Interessen. Die Deutschen waren für die nationale Autonomie der Deutschböhmen und gegen die nationale Autonomie der Slowenen in der Steiermark  ; die Tschechen für das Selbstbestimmungsrecht der Slowaken und gegen das Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen  ; die Polen für die Unabhängigkeit Polens und gegen die Unabhängigkeit der Ukrainer. Der Reigen ließe sich beliebig fortsetzen. Auch die Schuldzuweisung an die bestehende Verfassung, den Dualismus, knüpft zwar an durchaus gängige Muster an, für alle Übel der Monarchie magyarischen Hochmut verantwortlich zu machen. Dieser Interpretation mangelt es nicht an Popularität, einst und jetzt, wohl aber an Plausibilität. Die ungarische Reichshälfte verzeichnete aus diversen Gründen während des Weltkriegs vermutlich sogar weniger Schwierigkeiten mit ihren Nationalitäten als die Österreicher. Tiszas Opposition gegen die »trialistische Lösung« der austro-polnischen Frage wirkte als Sand im Getriebe der Kriegszielpolitik  ; aber sie war nicht ursächlich verantwortlich für das Scheitern der austro-polnischen Lösung 1916. Der Dualismus verhinderte selbstverständlich jegliches Eingehen auf die Forderung nach einem tschechoslowakischen »Reichsteil«. Aber dabei handelte es sich in erster Linie um ein Verhinderungsprojekt, das tschechische Politiker vor der Versuchung schützen sollte, kaiserlichen Ministerien irgendwelche Liebesdienste erweisen zu müssen. Was immer Czernin auch 1917/18 mit Rumänien vorhatte, aufteilen oder erhalten, bei Ungarn stieß er mit seinen Plänen auf keinen Widerstand. Nur in einem Punkt war es tatsächlich das dualistische Staatsgefüge, das maßgeblich dazu beitrug, eine politische Chance vorübergehen zu lassen – in der südslawischen Frage. Natürlich war Ungarn gegen eine trialistische Lösung im Süden, gegen einen südslawischen Reichsteil, ebenso wie gegen einen Trialismus im Norden, in Polen. Mit dieser Skepsis standen die Ungarn übrigens keineswegs allein  : Auch in Wien wurde eine solche Lösung nur für den Fall in Erwägung gezogen, dass Österreich-Ungarn auf dem Balkan in die Lage versetzt würde, seine Maximalziele zu realisieren, sprich  : Montenegro und große Teile Serbiens zu annektieren. Nach einem solchen »Endsieg« hätte sich eine solche Variante zur Integration der »Neoacquisita« geradezu angeboten. Noch im Frühjahr 1918 waren auf einer Konferenz der militärischen Statthalter im Süden, in Serbien, Bosnien und Montenegro – einer davon war immerhin der ehemalige österreichische Ministerpräsident Graf Clam-Martinic – deutliche Sympathien für diese Maximalvariante geäußert worden.790 Das Programm des Südslawischen Klubs, eine Vereinigung immer noch im Rahmen der Habsburgermonarchie, wie es im Mai 1917 im Reichsrat verkündet worden

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war, war kein Verhinderungsprojekt, sondern von fast allen Unterzeichnern zweifellos ernst gemeint,791 unabhängig davon, ob man Serben, Kroaten und Slowenen nun tatsächlich als ein Volk betrachtete, wie es bei der erwähnten Konferenz gerade Clam tat, der argumentierte, nationalen Einigungsbestrebungen könne man auf die Dauer nicht mit Erfolg entgegentreten. Selbst wenn man jede Volksgruppe für sich betrachtete, ergab sich ein Zustand, der als unbefriedigend wahrgenommen werden musste. Die Slowenen als Volk von anderthalb Millionen waren auf sechs Kronländer verteilt  ; rund zweieinhalb Millionen Serben lebten in Ungarn, Kroatien, Bosnien und Dalmatien  ; vom Sonderfall der bosnischen Moslems (ca. 600.000) einmal ganz abgesehen. Die Serben befleißigten sich während des Krieges einer auffallenden politischen Zurückhaltung. Sie ließen sich zu keinen provokanten Kundgebungen hinreißen, verabschiedeten keine vollmundigen Resolutionen und beschränkten sich auf politische Interventionen bei den Behörden. Ihre opportunistische Politik in Reinkultur lieferte zum Ingrimm der Scharfmacher unter den Militärs (wie z. B. des Kroaten Sarkotić als Militärbefehlshaber in Bosnien) kaum Anlass zum Eingreifen. In Bosnien suchte Dimović, der von Biliński subventionierte Wahlsieger von 1913, Kontakte zu den Kroaten und übersiedelte schließlich sogar selbst nach Kroatien. Die Serben in Ungarn waren zum Teil sogar in die Regierungspartei Tiszas integriert, betonten den Standpunkt der Orthodoxie und standen südslawischen Träumereien skeptisch gegenüber.792 Die Unterstellung, sie wünschten insgeheim eine Renaissance der serbischen Waffen herbei, mochte nicht von der Hand zu weisen sein  ; doch solange sich diese Perspektive nicht abzeichnete, bevorzugten sie eindeutig den Status quo. Ein südslawischer Reichsteil unter habsburgischen Vorzeichen besaß  – bis auf manche traditionelle Grenzerfamilien – für sie keine sonderliche Attraktivität. Der Status quo, nämlich die Stellung Bosniens als dritter Reichsteil faute de mieux, war auch vom Standpunkt der bosnischen Moslems, an deren Loyalität niemand zweifelte, das bei Weitem kleinste Übel, um der Majorisierung durch die einen oder anderen christlichen Nachbarn zu entgehen. Die Slowenen wiederum hatten ihre eigenen Gründe, Rückhalt bei den Serbokroaten im Süden zu suchen  : Sie fühlten sich in Cisleithanien isoliert, eingeklemmt zwischen Deutschen und Italienern. Freilich  : Rücksichtnahme auf die Italiener der Monarchie spielte nach 1915 keine Rolle mehr. Der italienisch dominierte Landtag von Istrien war 1916 aufgelöst worden  ; der slowenische Abgeordnete von Triest, Otokar Rybař, forderte 1917 prompt auch die Annexion des letzten von Slowenen bewohnten Zipfels in »Reichsitalien«. In den Entwürfen Handels fanden sich auch Pläne zur Einverleibung des Küstenlandes in das Herzogtum Krain.793 Ob diese Pläne dem Landeshauptmann Šusteršič bekannt waren, ist nicht sicher  ; für dessen innerparteilichen Widersacher Korošec und seine Linie, die 1917 in der Slowenischen Volkspartei die Oberhand behielten, war diese Ersatzbefriedigung auf Kosten der Italiener allein zweifellos zu wenig attraktiv.

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Anders stand es um Kroatien und die Kroaten, die im Laufe des Krieges höchst zwiespältige Erfahrungen sammelte. Zwar hieß es in der offiziösen Geschichte des wirtschaftlichen Zusammenbruchs  : »Zu den glücklichen Gegenden, die den Hunger nicht kannten, gehörte in erster Reihe Kroatien«794, aber auch  : Kroatien sei »sehr scharf ausrekrutiert worden«. Tatsächlich war Varazdin der Bezirk mit dem höchsten Prozentsatz an Gefallenen in der gesamten Monarchie  !795 Im Gegensatz zu den Tschechen wurde die Tapferkeit der Kroaten auch stets belobigt und anerkannt. Eine Reihe von kroatischen und/oder Grenzer-Offizieren – Boroević, Sarkotić, Csicserics, Paić  – hatten im Krieg diverse Schlüsselpositionen inne. Im benachbarten, zu über zwei Dritteln ebenfalls kroatischen Dalmatien wiederum dienten die Rekruten in der Regel in der k. u. k. Marine, der sich keine Gelegenheit bot, große Schlachten zu schlagen. Die Zahl der Gefallenen war daher gering. Doch dafür wütete im Küstenland – »wo die Produktion hauptsächlich aus Steinen besteht«796 – der Hunger, nicht zuletzt aufgrund der kriegsbedingten Beeinträchtigung der Fischerei, die bis 1917 nur mit ausdrücklicher Bewilligung des Militärs ausgeübt werden durfte. Wenn zwischen 1914 und 1918 tatsächlich eine Chance vergeben wurde, die Auffassungen eines beträchtlichen Teiles der nationalen Öffentlichkeit an den Fortbestand der Monarchie zu binden, dann in Kroatien. Wie bei Sherlock Holmes’ berühmter Kurzgeschichte, war das auffallende Indiz der Hund, der nicht bellte. Im Norden – was Böhmen oder Galizien betrifft – wurden zumindest immer wieder weitreichende Pläne gewälzt (die sich erst fünf Minuten vor Zwölf in alles andere als Wohlgefallen auflösten). Im Süden hingegen herrschte politische Windstille. Niemand unternahm den Versuch, der südslawischen Bewegung, wie sie 1917 unzweifelhaft an Dynamik gewann, durch eine Förderung der großkroatischen Programms – mit seinem antagonistischen Verhältnis zu den Serben – zuvorzukommen oder ihr zumindest den Wind aus den Segeln zu nehmen. Für dieses Versäumnis war in erster Linie nun tatsächlich der Dualismus verantwortlich. Ungarn arbeitete seit eh und je an einer Eindämmung kroatisch-nationaler Bestrebungen, in den ersten Jahrzehnten nach 1867 mit Hilfe »unionistischer« Parteien, welche die Bindung an Budapest betonten oder zumindest akzeptierten und ihre Wahl dem Druck der Behörden verdankten. Sobald sich Mehrheiten auf diese Weise nicht mehr garantieren ließen, setzte Budapest zunehmend auf ein Bündnis mit der serbischen Minderheit in Kroatien. Vor 1914 regierte in Kroatien eine SerboKroatische Koalition  : Innerhalb dieser Koalition befanden sich die Vertreter der serbischen Minderheit in der Mehrheit  ; nur eine Minderheit der kroatischen Mehrheit entschied sich bei den letzten Wahlen für diese Politik. Sogenannte »Virilisten«  – hohe Beamte mit Sitz im Sabor, dem kroatischen Landtag – verbürgten die Mehrheit der Koalition.797 In der Opposition befanden sich die Vertreter des kroatischen Staatsrechts, die nicht bloß mehr Unabhängigkeit von Ungarn einforderten, sondern auch Dalmatien

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und Bosnien für Kroatien reklamierten. Hier wären die Ansätze für ein nationales Projekt gelegen, das  – im geografischen wie im übertragenen Sinne – nicht über die Grenzen der Monarchie hinausreichte. Freilich  : Die »Rechtspartei« (sprich  : Staatsrechtspartei, auf kroatisch meist einfach als »Pravasi« bezeichnet) hatte sich 1913 (wieder einmal) gespalten. Unter den bosnischen Kroaten nahm diese Spaltung die Form einer innerkirchlichen Konflikts an  : Bischof Stadler auf der einen, die Franziskaner auf der anderen Seite. Doch hinter der Rechtspartei, ja hinter ihrem intransigenten Flügel, der »Reinen Rechtspartei« des Dr. Frank, stand auch die potenzielle Mehrheitspartei des Landes, die Bauernpartei von Stjepan Radić, die Abb. 24  : Das Denkmal des kroatischen Bauernführers Stjepan Radić in Zagreb bloß unter dem Zensuswahlrecht noch nicht so recht zur Geltung kam. Zusammen mit ein paar Magnaten, die sie unterstützten (wie z. B. der ehemalige Banus Baron Rauch), bezeichnete man dieses Oppositionsbündnis spöttisch gern als die »Heilige Allianz«.798 Von österreichischer Seite hatte Stürgkh die Bindung der kroatischen Rechtspartei an Šusteršič und die katholischen Slowenen gefördert. Mit der Schubumkehr, die diese Verbindung erfahren hatte, nicht mehr als klerikales Gegengewicht zu südslawischen Bestrebungen, sondern als Einstiegsdroge, lag eine Neuorientierung in der Luft – aber sie fand nicht statt. Die »Heilige Allianz« ließ umsonst ihre guten Beziehungen zu Armeekreisen spielen, um einen Regimewechsel in Zagreb herbeizuführen. Dafür mochte man in erster Linie die Bequemlichkeit der Ungarn verantwortlich machen, die mit dem Status quo der Serbo-Kroatischen Koalition zufrieden waren. Zu Konzessionen waren freilich auch die Österreicher nicht bereit. Schließlich bestand die Minimalvariante des kroatischen Staatsrechts im Anschluss Dalmatiens an Kroatien, der 1860 im Prinzip zugesagt und seither immer wieder auf die lange Bank geschoben worden war. Als die ungarische Regierung  – auf Drängen Burians  – im Frühjahr 1918 diese Forderung »im Sinne einer Kräftigung des kroatischen Elements« aufgriff, weil »die südslawische Agitation einen solchen Umfang angenommen habe, dass etwas dagegen gemacht werden müsse«, stieß sie damit bei den Wienern auf we-

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V. Das Moment der letzten Spannung (Herbst 1917–Herbst 1918)

nig Gegenliebe.799 Das sture Festhalten am eigenen »Besitzstand« galt nicht bloß für die ungarische Reichshälfte. Unter den Würdenträgern des Reiches machte sich nur der bosnische Militärkommandant Sarkotić für die großkroatische Lösung stark, als jener »Plattform, von welcher die beiden dynastie- und staatsfeindlichen Strömungen der serbischen und jugoslawischen Propaganda allein mit Erfolg bekämpft werden können.« Doch auch er verzweifelte an der Realisierung seines Programms. Im Sommer 1918, so schätzte er, stünden bereits ganz Dalmatien und 60 % von Kroatien auf dem jugoslawischen Standpunkt.800 Sein letzter Vorschlag lief 1918 schließlich darauf hinaus, die kroatischen Teile Bosniens zu Österreich, die serbischen zu Ungarn zu schlagen – das war angesichts der ethnischen Gemengelage ein Versuch am untauglichen Objekt. Was die Österreicher daran hinderte, mit der großkroatischen Lösung im Sinne des althergebrachten Divide-et-Impera eine Gegenmine zu den serbophil-jugoslawischen Ideen zu zünden, waren nicht zuletzt ihre klammheimlichen Annexionsgelüste. Großkroatien war ein Bollwerk gegen den Balkan  ; ein Pufferstaat gegenüber Groß-Serbien, keine Ausgangsbasis für weitere Erwerbungen, für Expansion und Integration. Solange die Partie im Südosten nicht endgültig entschieden war, wollte man sich da lieber nicht vorzeitig binden. Fazit  : »Die Kroaten sagen  : Österreich kümmert sich nicht um uns.«801 Das zögerliche Verhalten der habsburgischen Staatsmänner fand sein Pendant übrigens auch aufseiten der Entente  : Wo die Österreicher allenfalls zu viel Rücksicht nahmen auf die Ungarn, lavierten die Westmächte zwischen Serben und Italienern. Bosnien und Slawonien war 1915 den Serben zugesagt worden, das Küstenland und Dalmatien den Italienern. Über das Schicksal des eigentlichen Kerns von Kroatien war damit noch nichts gesagt worden. Das südslawische Komitee des dalmatinischen Kroaten Trumbić erfreute sich diverser Zuwendungen seitens der Westmächte  ; aber es errang nie die Stellung, die Masaryk 1918 einnahm, nicht zuletzt, weil es keine südslawische Legion gab, die an einem neuralgischen Punkt des Krieges plötzlich ihr Gewicht in die Waagschale zu legen vermochte. Zum Unterschied von den Tschechen verfügte Trumbić auch über keinen »direkten Draht« zur Heimatfront. Die Deklaration von Korfu, das mühsam genug zustande gekommene gemeinsame Kommunique der zwei Exilpolitiker Pasić und Trumbić, erfuhren die Leser daheim erst aus der »Neuen Zürcher Zeitung«. Dem britischen Foreign Office wurde vorgeworfen, was die Südslawen betrifft, habe es ein bloßes Hinausschieben des Problems als Politikersatz betrachtet.802 Zum Unterschied vom unabhängigen Polen, das spätestens 1917 beide Seiten auf ihre Fahnen geschrieben hatten, lief Kroatien für beide anscheinend unter ferner liefen. Vor diesem Hintergrund des quieta non movere war es kein Wunder, wenn der gemäßigte Flügel der Rechtspartei über slowenische Vermittlung 1917/18 ins südsla-

Exkurs  : Großkroatien – die einzige »versäumte Chance«

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wische Fahrwasser geriet und ebenfalls eine Politik der »zwei Eisen im Feuer« bevorzugte. Ihr berühmter Slogan der Äquidistanz  : »Nicht für und nicht gegen Österreich, nicht für und nicht gegen Ungarn, nicht für und nicht gegen Serbien«, 803 begann immer mehr Schlagseite zu bekommen. Selbst katholische Priester sprachen vom südslawischen Problem als einem gordischen Knoten, der eines neuen Alexanders harrte (gemeint war natürlich der serbische Prinzregent). Der Bauernführer Radić erkannte und verstärkte den Trend, als er im April 1918 mit den »Frankisten« und der »Heiligen Allianz« brach und wenig später bereits als Star auf einem Slawenkongress in Prag gastierte.804 Als das südslawische Thema dann von Kaiser Karl angesichts des Zusammenbruchs der Balkanfront Ende September wieder auf die Tagesordnung gesetzt wurde, war es kein Wunder, wenn man ihm antwortete  : »Majestät, es ist zu spät …«805 Man braucht dieses Versäumnis freilich auch nicht über Gebühr zu dramatisieren. Die Monarchie hätte sich nicht retten lassen, auch wenn in Agram rechtzeitig ein Widerpart zur Idee des SHS-Staates entstanden wäre. Es handelte sich um eine Ausnahmesituation, die nicht auf andere Völker übertragbar war. Es gab innerhalb der Monarchie kein zweites Volk wie die Kroaten, die im Fall des Sieges der Entente bloß vor der Perspektive standen, eine Minderheitenposition gegen die andere eintauschten. Ein kroatischer Regierungschef, Zoran Milanović, hat deshalb erst unlängst räsonniert  : Der Erste Weltkrieg sei einer jener alten Kriege, von denen man nicht wisse, »ob wir ihn gewonnen oder verloren haben …«806

VI. Epilog

»Ein entscheidender Krieg wird dies wohl unter keinen Umständen werden. […] Eben der 1. Punische Krieg.«807 Oskar Parish v. Senftenberg, 31. Dezember 1915

Finis Austriae  : Völkermanifest und Nachfolgestaaten

Der Reichsrat trat nach seiner Sommerpause am 1. Oktober 1918 wieder zusammen. Bis dahin hatte sich die Szenerie völlig verwandelt. Der Krieg war ganz offensichtlich verloren, auch wenn man an den österreichisch-ungarischen Fronten davon vorerst noch nichts bemerkte. Im Gegenteil  : Stolz wiesen die Österreicher später auf die »letzte Offensive der Mittelmächte« hin, die Schlacht von Vieri-Berat in Albanien Mitte August  ; zu ergänzen wäre vielleicht  : die letzte Offensive in Europa, denn im September nahmen die Türken Baku, von Lettow-Vorbecks Einmarsch in Rhodesien im November ganz zu schweigen. Doch gerade die überseeische Dimension gab keinen Anlass zu optimistischen Prognosen  : Seit dem Beginn der Offensive vom März war eine Million Amerikaner in Frankreich gelandet. Der 8. August ging als der »schwarze Tag des deutschen Heeres« in die Geschichte ein. Seine Kampfmoral begann deutlich nachzulassen. Wohlgemerkt  : Der militärische Wendepunkt ging dem moralischen Niedergang voraus  ; aber ihre Wechselwirkung verschärfte die Misere.808 In dieses sich langsam immer mehr verdüsternde Bild der Lage platzte Mitte September die Nachricht vom Zusammenbruch der bulgarischen Front in Mazedonien. Die »Gärtner von Saloniki«, die vielbelächelte multinationale »Orient-Armee« der Entente, hatte doch noch ihren Beitrag zum Kriegsgeschehen geliefert. Diese Schlacht am Magla-Massiv entschied den Krieg selbstverständlich nicht, half ihn aber nicht unwesentlich zu verkürzen, um mindestens ein halbes Jahr. Denn jetzt gab es kein Halten mehr. Bulgarien bat noch im September um Waffenstillstand  ; damit war auch der Fall des Osmanischen Reichs eine bloße Frage der Zeit geworden. Am 28. September erlitt Ludendorff im Großen Hauptquartier in Spa einen Nervenzusammenbruch und gab den Krieg für verloren. Plötzlich hatte es gerade Deutschland mit einem Waffenstillstandsansuchen sehr eilig. Es folgte ein wenig erbaulicher Wettlauf der beiden Verbündeten  : Burian hatte schon vor dem Debakel am Balkan eine Initiative gestartet, die immer noch von einem gewissen Realitätsverlust zeugte. Für unverbindliche Gespräche auf Augenhöhe, wie er sie anregte, zeigte die Entente im Augenblick ihres sich abzeichnenden Triumphs vorhersehbarerweise noch weniger Interesse

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als zuvor. Ebensowenig von Erfolg gekrönt war der Versuch, sich auf Wilsons Erklärungen vom Beginn des Jahres zu berufen, ihn »beim Wort zu nehmen« und auf die 14 Punkte »festzunageln«.809 Das Offert war abgelaufen. Wilson verschärfte jetzt das Tempo mit immer neuen Forderungen an die Adresse Berlins, die – als »fünfzehnter Punkt« – auf eine Form von ›regime change‹ hinausliefen, auf Garantien gegen den Fortbestand des vielzitierten ›preußischen Militarismus‹.810 Mit dem militärischen Zusammenbruch war unwiderruflich auch das Ende der Habsburgermonarchie gekommen. Dazu bedurfte es gar nicht mehr der Note Wilsons vom 18./19. Oktober, der Burian kurzerhand beschied, er könne und wolle den Beschlüssen der Jugoslawen und Tschechoslowaken über die Gestaltung ihrer Zukunft nicht vorgreifen.811 Die Entente war vom überstürzten Kriegsende im Herbst 1918 genauso überrascht wie die Mittelmächte. Sie hatte sich in bezug auf das Schicksal ÖsterreichUngarns zu keiner gemeinsamen oder endgültigen Stellungnahme durchgerungen. Ihre Erklärungen zugunsten der »unterdrückten Nationalitäten« waren allesamt mit einem Hintertürchen versehen  ; allenfalls der französische Bündnisentwurf an Beneš vom 10. September mochte hier eine Ausnahme machen. Doch selbst in Frankreich gab es gewichtige Stimmen, die darauf hinwiesen  : Der Zerfall der Monarchie würde über kurz oder lang zum Anschluss von 10 Mio. Deutschösterreichern an das Reich führen. War eine solche Entwicklung wirklich im Sinne Frankreichs oder sollte man diese Deutschen nicht besser im Rahmen einer Donaukonföderation neutralisieren  ? All diese Überlegungen mussten im Oktober 1918 bereits als überholt gelten. Die Erklärungen des Česky svaz im Reichsrat ließen schon zu Beginn des Monats an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Staněk, keineswegs ein Radikaler, applaudierte offen den Tschechen, die aufseiten der Entente kämpften. Endlich flogen im hohen Haus wiederum Tintenfässer, doch Abschiedssymphonie gab es keine, weil von denen, die Abschied nehmen wollten, schon kaum mehr wer erschienen war.812 Die beiden sozialistischen tschechischen Parteien versuchten die Bürgerlichen mit einem Generalstreik am 14. Oktober zu übertrumpfen. In Ostrauer Revier rief damals schon ein Abgeordneter im Überschwang der Gefühle die tschechoslowakische Republik aus.813 Die normative Kraft des Faktischen, die bisher zur Vorsicht gemahnt hatte und zur Politik der zwei Eisen im Feuer, machte sich jetzt in der Gegenrichtung bemerkbar  : Warum sollten sich die Nationalitäten der Monarchie mit weniger zufrieden geben als mit der vollen Selbstständigkeit  ? Kaiser Karl versuchte diesen Prozess mit seinem Völkermanifest vom 16./17. Oktober in geregelte Bahnen zu lenken  – und Wilson entgegen-, aber auch zuvorzukommen. Aus den Abgeordneten des Reichsrates sollten sich Nationalräte bilden und über die Form der künftigen Zusammenarbeit in Unterhandlung treten, als eine »Art österreichischer Friedenskonferenz unter Vorsitz der Krone«, oder auch als »Liquidierungskomitee des alten Österreich«, das sich in einen »Völkerausschuß zum Aufbau

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VI. Epilog

des neuen« Österreich verwandeln sollte.814 Eine Übertragung von Hoheitsrechten an die Nationalräte war vielleicht implizit angedeutet, aber nicht explizit ausgesprochen worden. Nationalräte als außerparlamentarische Clearing-Stellen der Parteien waren in Prag und Agram überdies ja längst gegründet worden  ; Karl stellte ihnen gleichsam nur ein offizielles Pendant an die Seite. Das Völkermanifest knüpfte an die früheren Entwürfe auf der Basis der nationalen Autonomie an. Man konnte weder dem Kaiser noch Teufel, der bei den Vorberatungen wiederum beigezogen wurde, so viel Naivität zutrauen, dass die Tschechen darin auf einmal eine akzeptable Basis für Reformen erblicken würden – noch dazu, wo die ungarische Reichshälfte vom Völkermanifest ausdrücklich ausgenommen war, man ihnen also kein Äquivalent in Form der slowakischen Autonomie anzubieten in der Lage war.815 Ministerpräsident Hussarek führte nur mehr formell die Geschäfte. Einen Nachmittag lang betraute der Kaiser Silva doch noch mit der Regierungsbildung und entschied sich dann für Lammasch, der mit Seipel und Redlich kommende Größen in sein Kabinett aufnahm, den Ereignissen aber hilflos gegenüberstand.816 Vielleicht kommt man der Sache näher, wenn man sich an den Kommentar des Handelsministers Wieser hält, der in seinem Tagebuch sehr wohl notierte  : »Mit unserer nationalen Autonomie locken wir keinen tschechischen Hund vor den Ofen«, aber darauf vertraute  : »Diese ganze Flut muß man ablaufen lassen.«817 Es werde sich schließlich herausstellen, dass sich die Siedlungsgebiete in Böhmen gar nicht voneinander trennen ließen. Dann könne man einen Kompromiss vorschlagen  : Böhmisches Staatsrecht – und Oberhoheit über die Sudetendeutschen – ja, aber nur dann, wenn Böhmen weiterhin im Verband einer modifizierten oder reaktivierten Monarchie verblieb. Kramář reagierte auf derlei Vorstellungen der Wiener mit mehr oder weniger gespielter Verwunderung darüber, dass die Herren »das geschichtliche Ereignis des Weltkrieges nicht zu würdigen« wüssten. »Wir haben gesiegt und sind dadurch in die Stellung gekommen wie die Wiener Regierung nach der Schlacht am Weißen Berg.«818 Kramář war gegen jede Kontinuität von Gemeinsamkeiten in Form einer Donaukonföderation, eines mitteleuropäischen Commonwealth oder wie immer man es zu bezeichnen beliebte. Die Tschechen müssten die Möglichkeit nützen, nach dreihundert Jahren endlich von Österreich loszukommen. Emotionell sprachen aus diesen Worten vielleicht seine Erfahrungen in der Todeszelle. Intellektuell war seine Skepsis unter den gegebenen Umständen begreiflich  : Sobald dem gemeinsamen Monarchen irgendwelche Prärogative verblieben, ergab sich früher oder später das Szenarium von 1848, als der König von Kroatien gegen den König von Ungarn kämpfte und der Kaiser von Österreich das Ringen in gemessener Entfernung beobachtete – es sich bei allen dreien aber um dieselbe Person handelte … Den letzten Anstoß zur Zerfall der Monarchie gab die sogenannte Andrássy-Note vom 27. Oktober  : Die Monarchie verkündete, dass sie unabhängig von ihren Verbün-

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deten in Waffenstillstandsverhandlungen eintreten werde. Andrássy war achtundvierzig Stunden vorher endlich am Ziel seiner Wünsche angekommen und – wie einst sein Vater – zum Außenminister ernannt worden. Der deklarierte Mitteleuropa-Befürworter war tragischerweise dazu ausersehen, als erste, ja einzige Aufgabe das Bündnis mit Deutschland zu kündigen, das sein Vater begründet hatte (und in der inneren Politik seinen Schwiegersohn Károlyi davon abzuhalten, mit einem ungarischen Nationalrat ebenfalls eine revolutionäre Bewegung in Gang zu setzen). Die Deutschösterreicher ergingen sich von links nach rechts, von den Sozialdemokraten bis zu alten kaiserlichen Generälen, in Empörung über diese »Felonie in letzter Minute«, die »gar keinen Nutzen bringen kann«, wie Hohenlohe richtig voraussah.819 Dabei war die AndrássyNote von der rührenden Versicherung Karls begleitet, er werde auf keinen Fall einen gegen Deutschland gerichteten Durchmarsch fremder Truppen durch Österreich zulassen, sondern notfalls lieber den Kampf fortsetzen.820 Die Andrássy-Note wurde von Freund und Feind nicht bloß als Anfang vom Ende wahrgenommen, als Ankündigung eines Waffenstillstandes, sondern bereits als das Ende selbst, als Kapitulation der Monarchie. Am Tag darauf übernahm der ›narodni vybor‹ in Prag die Macht und rief die Tschechoslowakische Republik aus (die von Deutschland prompt anerkannt wurde  !). Masaryk gehörte nicht zu diesen »Männern des 28. Oktober«, aber er wusste sein Netzwerk in der Heimat, seine parteiübergreifende »Maffia«, geschickt zu benützen, um sich als »Befreier-Präsident« eine zentrale Position in der ČSR zu sichern. Am 29. Oktober sagte sich der kroatische Sabor von Ungarn los, am 30. Oktober übernahm Andrássys Schwiegersohn Michael Károlyi im Namen des Nationalausschusses die Macht in Budapest  : »So wurde die Staatskrise zur Familientragödie.«821 Genau genommen handelte es sich dabei eigentlich schon um den zweiten revolutionären Schritt  ; den ersten hatte noch Wekerle gesetzt, als er als Reaktion auf das Völkermanifest die Gemeinsamkeiten mit Österreich für aufgehoben erklärte und die Personalunion verkündete. Die Italiener (bis auf die zwei katholischen Friulaner) erklärten den Anschluss an »Reichsitalien«. Nur in der Bukowina zog sich die Machtübergabe noch bis zum 6. November hin, schließlich war Rumänien selbst noch von den Mittelmächten besetzt.822 Otto Bauer hat diese »österreichische Revolution« treffend charakterisiert  : Keine proletarische Revolution (auch wenn man in Wien 1918/19 zuweilen diesen Eindruck vermittelt bekam), sondern eine Revolution der nationalen Bourgeoisie, ausgelöst vom Sieg der Entente-Heere – selbst wenn dieser Sieg, klugerweise, zum Unterschied von 1945, von den Regierungen in Wien und Berlin schon diskontiert wurde, lange bevor Entente-Truppen ihr Territorium betraten.823 Die Diplomatie der Entente hatte am Zerfall der Monarchie keinen – oder doch nur einen vergleichsweise geringen – Anteil. Sie ließ den Entwicklungen ihren Lauf, im großen und ganzen durchaus wohlwollend, aber in einem gewissen Sinne alternativlos  : Selbst wenn sich am Quai d’Orsay oder

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VI. Epilog

im Foreign Office jene Fachleute durchgesetzt hätten, die für den Erhalt der Habsburgermonarchie plädierten, so wäre es doch ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, die Völker Mitteleuropas zur höheren Ehre der ›balance of powers‹ zu zwingen, sich die Chance auf die Gründung von Nationalstaaten nach westlichem Muster entgehen zu lassen. Eine Reform der Monarchie als Kompromiss zwischen äußerem Druck und innerer Dynamik hätte nur für den Fall der ›parti remis‹ eine gewisse Realisierungschance besessen. Das »Ausland«, Entente und Exil, hatte nur dort ein gewichtiges Wörtlein mitzusprechen, wo es um die Ausnahme von der Regel ging, die da lautete  : Selbstbestimmungsrecht der Völker. (Der Urheber des Slogans, Präsident Wilson, mochte dabei vielleicht nicht unbedingt in ethnischen Kategorien gedacht haben, aber so wurde es in Europa verstanden.) Die Entente hatte es in der Hand, den Nachfolgestaaten, die in ihrem jugendlichen Expansionsdrang auf dem besten Weg waren, Vielvölkerstaaten im kleinen zu werden, das eine oder andere Territorium zu verweigern, Grenzen zu ziehen, allenfalls Plebiszite zu veranstalten. Auf diesem Sektor machte sich Beneš’ Vertrag mit Frankreich bezahlt  ; auf diesem Sektor setzte 1919 in Paris ein intensives Lobbying ein, ging es doch auch um konkurrierende Ansprüche vermeintlicher Siegerstaaten untereinander. Anders ausgedrückt  : Die Friedenskonferenz entschied nicht über die Existenz der Nachfolgestaaten als solche, sondern bloß noch über Grenzstreitigkeiten zwischen ihnen, über die Zugehörigkeit von Eger und Teschen, von Marburg und Völkermarkt, von Kaschau und Großwardein (aber schon nicht mehr über Fiume und Smyrna …) Ein gewisser Ermessensspielraum war allenfalls dort gegeben, wo es nicht um Nationalstaaten ging, sondern um Föderationen – oder vielleicht besser Konglomerate, denn eine föderative Ordnung kam weder in der Tschechoslowakei noch im SHSStaat ( Jugoslawien) zustande. Ob die Slowaken tatsächlich Teil der Tschechoslowakei werden wollten, lässt sich nachträglich schwer feststellen. Die Entscheidung wurde ihnen abgenommen, nicht erst von der Friedenskonferenz, sondern zuvor schon von der ungarischen Räterepublik, die im Sommer 1919 erfolgreiche Anstrengungen unternahm, Oberungarn wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, damit aber eine Gegenbewegung auslöste. Die Orientierung an den Tschechen war bei den slowakischen Protestanten fest verankert  ; Béla Kun und Genossen überzeugten auch die Katholiken, in Prag zumindest das kleinere Übel zu sehen.824 Auch für Slowenen und Kroaten lässt sich die Frage stellen  : Warum nicht gleich ein eigener Nationalstaat  ? Es war die Furcht vor den Nachbarn, die sie Anlehnung suchen ließ  : Für die Slowenen war der deutsche Drang zum Meer im November 1918 vielleicht keine so aktuelle Gefahr, umso mehr die italienische Präsenz an der Adria. Ein unabhängiges Kroatien schließlich, zog man die serbischen und italienischen Ansprüche ab, wäre auf einen Runpfstaat um Zagreb reduziert worden, auf den

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Umfang des frühbarocken Kroatien, ohne das osmanische Slawonien und ohne das venezianische Dalmatien. Das Aufgehen eines ex-österreichischen Staates der Slowenen, Kroaten und Serben im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (man beachte die umgekehrte Reihenfolge  !) half hier Verluste – und zunächst auch Konflikte – vermeiden. Ein Sonderstatus kam von Anfang an Polen zu  : Seine Unabhängigkeit war von beiden Streitparteien im Prinzip außer Streit gestellt worden. Die Macht übernahmen hier zum Unterschied von den Nachfolgestaaten die »Kollaborateure« der Mittelmächte, die rechtzeitig das sinkende Schiff verließen. Biliński hielt der Monarchie noch am 24. Oktober im Herrenhaus einen ambivalenten Nachruf  : »Was die Zukunft des Volkes anbelangt, stehen wir in einer Linie mit den extremsten Sozialisten«, aber  : »Wir hoffen, daß die Dynastie wieder aufsteigen wird …« Schon am 7. Oktober hatte der Regentschaftsrat in Warschau die volle Unabhängigkeit verkündet. Die Abtretung zumindest der »unbestritten polnischen Siedlungsgebiete« Galiziens galt von vornherein als ausgemacht, auch in Wien  ; am 27. Oktober konstituierte sich in Krakau eine Liquidationskommission. Die Österreicher vermochten der Sache noch einen bestimmten Drall zu verleihen, als sie in ihrer Besatzungszone, in Lublin, die Geschäfte an den Sozialisten Daszynski übergaben. Die Konfrontation zwischen den Linken in Lublin und den Konservativen, die in Warschau amtierten, wurde salomonisch gelöst  : Als Deus ex Machina erschien am 10. November Piłsudski, soeben aus der Festungshaft entlassen, dem sich beide unterordneten.825 Das neue Polen begnügte sich auch nicht mit der sogenannten Curzon-Linie, der Ostgrenze, die ihm die Westmächte 1919 zubilligten. Es expandierte nach Osten, nicht ganz bis zu den Grenzen von 1772, aber weit genug, um zusammen mit den Sowjets der unabhängigen Ukraine das Lebenslicht auszublasen. Es war kein Wunder, dass die Ukrainer die einzigen waren, die 1918 Interesse an einer Aufrechterhaltung der altösterreichischen Gemeinsamkeiten signalisierten. Als ihr Vertreter ließ »Koko« Wassilko noch einige Jahre seine Wiener Verbindungen spielen, ohne Erfolg allerdings.826 Der Rest ist Österreich, heißt es in einem geflügelten Wort, das gern Clemenceau zugeschrieben wird, sich aber nicht belegen lässt.827 Und Ungarn, so wäre zu ergänzen. Die beiden ehemaligen »Herrenvölker« beriefen sich ohne Erfolg auf das Selbstbestimmungsrecht  : Drei Millionen Sudetendeutsche, zwei Millionen Szekler kamen unter Fremdherrschaft. Der Kaiser von Österreich konnte von niemandem für abgesetzt erklärt werden, weil es kein Österreich mehr gab. Er verzichtete im November 1918 vorerst auf seinen Anteil an den Regierungsgeschäften  – nicht ohne Hintergedanken. Renner formulierte es im Staatsrat ganz richtig  : Die Monarchie als Staatsform werde augenblicklich von ihren Repräsentanten selbst als nicht zeitgemäß betrachtet. Was zeitgemäß ist, unterliegt freilich dem Wandel. Karl selbst erläuterte

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VI. Epilog

seine Strategie im Sommer 1919 einem seiner Getreuen, dem uns schon bekannten Andrian-Werburg  : Er bedauerte, dass man in Deutsch-Österreich einer Revolution durch Nachgiebigkeit den Wind aus den Segeln genommen habe. Denn  : »Der offene Bolschewismus hält sich ja in Österreich nur kurze Zeit. Schließlich hätte dann doch die Entente intervenieren müssen und dann wäre der Moment für die Monarchie viel schneller wieder da.« 828 Dieses Kalkül ging in Ungarn auch beinahe auf. Mithilfe der Entente siegte die Gegenrevolution829 – und die Monarchie als Idee, als Reich der Stephanskrone, wenn auch nicht als Realität, als Fortsetzung der Regierung König Karls IV. In Ungarn entwickelte sich gegen den Vertrag von Trianon unter der Devise »nem, nem, soha  !« (Nein, nein, niemals  !) ein Revisionismus, der konkrete Ziele verfolgte (und 1938–41 auch umsetzte). In ›Rest-Österreich‹ entschied sich die Sozialdemokratie gegen die Revolution und verteidigte mit Zähnen und Klauen die Einheit der Arbeiterklasse gegen alle putschistischen Strömungen aus Ungarn. Revolution und Gegenrevolution spielten sich in evolutionären Bahnen ab. Man wusste den Druck der Straße – ob von links oder von rechts, von Roten Garden oder Heimwehr  – ohne Scheu für eigene Zwecke zu instrumentalisieren, aber man hielt sich – bis 1933 – an die parlamentarischen Spielregeln. Als gemeinsamer Nenner blieb eine hysterisch aufgeladene Stimmung gegen die Habsburger zurück, die auf die Verdächtigungen während der SixtusAffäre zurückging und deren Ausläufer noch bis in die Zweite Republik reichten. Ein auf konkrete territoriale Ziele gerichteter Revisionismus konnte in Rest-Österreich nicht Platz greifen, oder wenn, dann nur auf dem Umweg über den Anschluss an Deutschland, als Reichsidee, die an das alte Heilige Römische Reich anknüpfte. Die Große Koalition, die sich 1918–20 die Republik aneignete und ihr eine Verfassung überstülpte, Arbeiter und Bauern, waren die politischen Gewinner, selbst wenn die Sozialdemokraten die angepeilte »absolute« Mehrheit wegen des von ihnen eingeführten Frauenwahlrecht deutlich verfehlten  ; die schwarzen »Bauerngeneräle« erlitten, verglichen mit den Reichsratswahlen des Jahres 1911, eine katastrophale Niederlage – und bildeten ab 1920 doch die Mehrheitspartei, weil die freisinnigen Sudetendeutschen nicht mehr mitstimmen durften. Das deutschösterreichische Establishment von Adel und Bürokratie, zählte ganz eindeutig zu den Verlierern – nicht ohne eigene Schuld, wie oft betont worden ist. Die Kritik ist berechtigt, aber oft überzogen. Die bürgerlichen Parteien im Wiener Parlament setzten auf Hausse, wie die Mehrheit des Bürgertums in so ziemlich allen kriegführenden Ländern. Sie entwickelten wenig politische Fantasie. Ihre »Führer« waren biederer Durchschnitt, Wolf – der »alternde Jungsiegfried« – und Steinwender galten bereits als Elder Statesmen  ; Lueger war tot, Liechtenstein bloß Frühstücksdirektor der Christlichsozialen. Die originellen Köpfe des Parlaments waren allesamt Außenseiter und Einzelgänger, von Lodgman und Langenhan über Teufel und Pantz, Friedmann und Redlich, die zumindest in dieser

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Beziehung durchaus in einem Atem genannt werden können. Unter diesen Voraussetzungen war es verständlich, dass Graf Ottokar Czernin das Vakuum füllte und als Lichtgestalt von den »freisinnigen Spießern« gefeiert wurde, die er verachtete.830 Raphael Pacher, der ab 1916 rätselhaft im Halbdunkel verschwindet, formulierte es nach Kriegsende in einem hübschen Paradoxon  : »Die Ereignisse haben den deutschradikalen Abgeordneten Recht gegeben, nur der Ausgang des Weltkrieges hat den endlichen Erfolg verhindert.«831 Die ehemaligen Alldeutschen hatten zur unrechten Zeit ihr Faible für die Monarchie entdeckt. Sie haben sich keine Verdienste um den Fortbestand des Reiches erworben, aber sie waren auch nicht schuld an seinem Untergang. Die Tschechen hatten von Anfang an ein »zweites Eisen« im Feuer. Der Krieg hat die Nationalitätenkonflikte zweifellos verschärft, sobald Politik nicht mehr Elitensport war, sondern existenzielle Fragen am Spiel standen. Zu dieser Eskalation beigetragen haben nicht zuletzt die Übergriffe des Militärs, das zum Unterschied vom Deutschen Reich nicht wirklich imstande war, der Außenpolitik ins Handwerk zu pfuschen, sich dafür aber weit mehr Sonderrechte im Inneren herausnahm. Aber nicht einmal Staněk wagte zu behaupten, dass der ›deutsche Kurs‹ Seidlers und das Kreisgericht von Trautenau den ›point of no return‹ markierten, an dem sich seine Landsleute von der Monarchie abwandten.832 Die Monarchie zerfiel, weil sie ein Vielvölkerstaat war und einen großen Krieg verlor. Daneben fallen alle anderen Erklärungsmuster kaum ins Gewicht. Die oftbeschworene ›Reformunfähigkeit‹ der Monarchie war in erster Linie ein Ausfluss der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse. Für einen Umbau des Reiches war keine Zwei-Drittel-Mehrheit abzusehen. Der Trend zur nationalen Autonomie als Ordnungsprinzip, der sich schon in der Vorkriegszeit abgezeichnet hatte, fand auch während des Krieges seine Fortsetzung. Aber nationale Autonomie war ein Programm der Minderheiten – und deshalb auch im Reichsrat bloß ein Minderheitenprogramm. Sobald es um Verfassungsfragen ging (und nicht um Wirtschaftspolitik), hatte man mit festgefügten nationalen Blöcken zu rechnen, die einander wechselseitig blockierten. Jeder dieser Blöcke war ängstlich bemüht, eine politische ›Kernspaltung‹ in ›Gutgesinnte‹ und ›Hochverräter‹ zu vermeiden. Eine Strategie wie Stürgkhs Vorkriegspolitik der Diagonale, die davon ausging, einen Fuß in jedem nationalen Lager zu behalten, erwies sich deshalb als undurchführbar. Dieser gordische Knoten hätte sich mit dem Schwert des Oktroi zerschlagen lassen, wie 1916/17 des Längeren diskutiert. Der Kaiser und seine Regierung entschieden sich dagegen – selbst im Fall des deutsch-polnischen Junktims, das sich immerhin auf eine knappe Mehrheit des Parlaments berufen konnte. Ein Bruch mit der deutschmagyarischen Dominanz und ein deutliches Entgegenkommen gegenüber Tschechen und Südslawen waren noch viel weniger mehrheitsfähig, mit oder ohne Dualismus. In Ungarn muss die Entlassung Tiszas als Resultat einer Fehlspekulation betrachtet

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VI. Epilog

werden, der vergeblichen Hoffnung auf den Zerfall seiner ›Arbeitspartei‹  ;833 freilich ging es dabei von vornherein nur um Systemkosmetik, nicht um wirklich entscheidende Weichenstellungen. Engherzige nationale oder staatsrechtliche Standpunkte bildeten den Sand im Getriebe, der 1917 das deutsch-polnische Projekt vereiteln half und 1918 die ungarisch-kroatischen Vorschläge über unverbindliche Erörterungen nicht hinausgelangen ließ. Aber bei diesen nicht zustande gekommenen Reformvorhaben handelte es sich wohlgemerkt um Ausführungsbestimmungen Mitteleuropas im weitesten Sinne, nicht um eine Umgestaltung der Habsburgermonarchie im Sinne der Vorstellungen der Entente. Es bleibt die ›Was wäre wenn‹-Frage  : Hätte die Monarchie ihre Existenz retten können durch eine außenpolitische Kehrtwendung, den Sonderfrieden, selbst wenn er als Seitenwechsel empfunden worden wäre  ? Schließlich  – laut Bismarck  – kann man von niemand erwarten, seine Existenz auf dem Altar der Vertragstreue zu opfern. Hätte nicht gerade das Establishment der Monarchie alle Ursache gehabt, seine ins Wanken geratene Stellung durch eine Flucht nach vorne zu sichern  ? Dieses Verständnis von Staatsräson wäre vor 1848 selbstverständlich erschienen  ; es war den Leuten auch nach 1945 wiederum plausibel zu machen. In der Hitze des Gefechts 1917/18 war eine solche Kehrtwendung allerdings schwer operationalisierbar. Man liebt den Verrat, nicht den Verräter. Doch selbst wenn die Entente ein solches Manöver zu honorieren bereit gewesen wäre, hätte die Monarchie dadurch im Inneren tatsächlich an Rückhalt gewonnen – oder sich nur zwischen alle Stühle gesetzt  ? Die innenpolitische Basis für eine solche gewagte Strategie war jedenfalls denkbar schmal. Im Nachhinein lässt sich immer noch argumentieren  : Schlimmer hätte es auch dann nicht kommen können. Doch Kaiser Karl beschloss, wie es Franz Joseph in einer ganz anderen Situation formuliert hatte, lieber anständig unterzugehen. Ausblick  : Sieger und Besiegte  ?

Der Erste Weltkrieg als die »Urkatastrophe« des 20. Jahrhunderts hat das Verhältnis der Europäer zum Krieg grundlegend gewandelt. Friedrich der Große und William Pitt, Napoleon und Bismarck haben ihren Entschluss zum Krieg stolz hinausposaunt, zumindest nach getaner Arbeit ohne Scheu einbekannt. Seit 1918 hingegen treibt die »Kriegsschuldfrage« die Gemüter um, anfangs freilich in einer bewusst auf Deutschland zugespitzten Form, handelte es sich bei der einschlägigen Klausel des Versailler Vertrages doch weniger um ein moralisches Verdikt, sondern um die pseudorechtliche Basis der Reparationszahlungen. »L’Allemagne payera tous« – das erwies sich in der Praxis immer noch als undurchführbar, aber es klang zumindest auf den ersten Blick plausibel. In diesem Zusammenhang von Österreich-Ungarn oder vom Zarenreich

Ausblick  : Sieger und Besiegte  ?

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zu reden, die ihren unübersehbaren Anteil am Kriegsausbruch hatten, die es in dieser Form aber nicht mehr gab, hätte dem französischen Steuerzahler als arge Frozzelei erscheinen müssen. Der Erste Weltkrieg unterschied sich von den Kriegen im Jahrhundert zwischen Waterloo und Sarajewo durch seine lange Dauer und durch seine horrenden Opfer­ zahlen  – und durch sein Ergebnis, das niemand so recht zufriedenstellte. Wilson sprach in seiner letzten Rede vor dem Paukenschlag des uneingeschränkten U-BootKrieges zur Ärger der Entente von einem Frieden ohne Sieger und Besiegte. Besiegte gab es 1918 zuhauf  : Österreich-Ungarn zählte unübersehbar dazu, das Osmanische Reich, aber auch das Zarenreich. Aber gab es tatsächliche Sieger des Ersten Weltkrieges  ? Die Frage ist nicht bloß in jenem konventionell-humanitären Sinne zu verneinen, dass es nach jedem Krieg nur Verlierer geben könne (aber doch auch die einen oder anderen »Kriegsgewinnler«  ?) Nach den deutschen und italienischen Einigungskriegen, nach den Balkankriegen gab es eindeutige Sieger, waren langanstehende Fragen »durch Blut und Eisen« einer Lösung zugeführt worden. Die Bilanz des Ersten Weltkriegs lässt keine solchen Schlussfolgerungen zu. Zweifellos  : Die USA waren der Sieger des Krieges, der Faktor, der die Entscheidung herbeigeführt hatte. Aber was hatten sie gewonnen  ? Territoriale Gewinne strebten sie keine an. Die USA waren vom größten Schuldner zum größten Gläubiger der Welt geworden. Aber diese Entschuldung war schon vor dem Kriegseintritt gelungen. Die Kredite jedoch, die Amerika seinen Verbündeten nach 1917 gewährte, wurden nie zurückgezahlt  ; sie setzten – zusammen mit der Reparationsfrage – allenfalls ein Schuldenkarussell in Gang, das mitverantwortlich war für den raschen Zusammenbruch der Finanzwelt ab 1929. So war es kein Wunder, dass man in den USA den Kriegseintritt bald als Fehler, ja in gewissem Maße als Ergebnis einer Verschwörung ansah – und in den Dreißigerjahren mit der Verabschiedung von Neutralitätsgesetzen einer Wiederholung vorbeugen wollte. England hatte sich als die Drehscheibe der Entente bewährt. Doch die Londoner City musste ihre bis dahin unangefochtene Position mit der Wall Street teilen, das britische Empire seine Führungsrolle innerhalb der angelsächsischen Welt. Territoriale Gewinne verzeichneten in erster Linie die »Sub-Imperialismen« des Empire, die »kleinen Kobras« neben der vollgefressenen »Boa Constrictor«, wie es ein ForeignOffice-Mitarbeiter einmal ausdrückte.834 Australien bekam einige Inseln im Pazifik, Südafrika das heutige Namibia, wenn schon nicht Ostafrika  ; Britisch-Indien brachte den Feldzug im Persischen Golf doch noch zu einem erfolgreichen Ende (vor allem aber hatte es von der Sowjetunion weniger zu befürchten als vom Zaren)  ; Ägypten hatte einen zweifelhaften Erfolg zu verbuchen mit der Rangerhöhung der ScherifenDynastie, die im fruchtbaren Halbmond Fuß fasste – und bald darauf Mekka an die Saudis verlor.835 Auch in England begann sich eine »semi-isolationistische« Stim-

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mung breit zu machen. Die Entsendung eines Massenheeres auf den Kontinent wurde vielfach als Abkehr von britischen Traditionen betrachtet. Die Aufrechterhaltung der »neuen Weltordnung« betrachtete England nicht  – oder nur in einem sehr eingeschränkten Maße – als seine Aufgabe  : »We cannot act alone as the policeman of the world«, formulierte es Andrew Bonar Law, Lloyd Georges Nachfolger als Premierminister, übrigens ein gebürtiger Kanadier, zu Beginn der Zwanzigerjahre.836 Italien brachte die enttäuschenden Resultate des Krieges mit der Formel von der »vittoria mutilata« auf den Punkt. Dafür gab es gewisse Gründe, selbst wenn die Empörung überzogen wirkte  : Italien hatte seine dalmatinischen Ansprüche nach dem Londoner Vertrag reduziert, sah sich jedoch in der Hoffnung betrogen, dafür mit Albanien entschädigt zu werden. Fiume – das italienisch war, aber im Londoner Vertrag nicht erwähnt worden war – bot sich als Trostpflaster an, um den Preis innenpolitischer Spannungen. Auf der »altra sponda« des Mittelmeeres, in Lybien, benötigte Italien mehr als ein Jahrzehnt, die im Kriege fast verlorengegangene Kolonie zu »pazifizieren«. Auf der »altra sponda« der Adria stellte Frankreich den Ambitionen Italiens, in Südosteuropa die Nachfolge der Habsburgermonarchie anzutreten, die Kleine Entente entgegen. Die latente Spaltung des Landes in Kriegsbefürworter und -gegner eskalierte nach 1918 zu einem stillen Bürgerkrieg, der 1922 mit dem Marsch auf Rom und der Machtergreifung Mussolinis endete.837 Frankreich hatte mit begrenzten Ressourcen, ausgehend von einer Bevölkerungszahl kleiner als Österreich-Ungarn und einer Industrielandschaft, die von den Deutschen 1914 zum Großteil überrollt worden war, ein beachtenswertes militärisches Potenzial aufrechterhalten. Es feierte 1918/19 die Revanche für 1870/71 und die »Desannexion« Elsass-Lothringens. Aber es hatte den Eckpfeiler seiner Sicherheitspolitik verloren, die russische Allianz, von den Milliarden, die es im Zarenreich investiert hatte, einmal ganz abgesehen. (Eine der fantasievolleren Kompromissvorschläge der Jahre 1917/18 hatte deshalb auch gelautet  : Deutschland bekäme freie Hand im Osten, unter der Bedingung, eine Bürgschaft für die französischen Außenstände in Russland zu übernehmen.838) Die USA weigerten sich, eine Garantie gegen allfällige deutsche Angriffe oder irgendwelche sonstigen Verpflichtungen in Europa zu übernehmen, mehr noch  : als Frankreich 1923 die Reparationen mit militärischer Gewalt einzutreiben versuchte, riefen ihm die Finanzmärkte der Wall Street ein unmissverständliches Halt zu. Frankreich begann daraufhin die Maginot-Linie zu bauen, von der A. J. P. Taylor mit Recht gesagt hat  : Sie schützte Frankreich, aber auch Deutschland, weil man darauf vertrauen konnte, dass von diesem Monument der Defensive keine Angriffe ausgehen würden.839 Bleibt das Deutsche Reich. Zweifellos  : Der Versailler Vertrag bedeutete eine enorme Hypothek für die Weimarer Republik. Alois Liechtenstein bezeichnete den Vertrag als absurd  ; fügte aber hinzu, gerade deshalb könne man ihn ruhig unterschrei-

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ben, weil er an den Realitäten von selbst scheitern werde.840 Das Reparationsproblem belastete nicht bloß die internationalen Beziehungen, sondern die gesamte Finanzund Wirtschaftspolitik der Zwischenkriegszeit. Aber wie sah es mit den Verlusten des Reiches aus  : Es hatte seine Kolonien eingebüßt – dafür musste jeder Finanzminister dankbar sein, denn bis auf Togo hatte sich alle als Verlustposten erwiesen. In Europa hatte Deutschland ca. 10 % seiner Bevölkerung und seines Territoriums abtreten müssen. Der Verlust des Korridors und der oberschlesischen Kohlengruben förderten ein Ressentiment gegen Polen, das doch als Pufferstaat gegenüber Russland unschätzbare Dienste leistete. Die Gefahr eines Zweifrontenkrieges bestand für Deutschland nur mehr in sehr abgeschwächter Form. Denn was Deutschland vor 1914 wirklich fürchtete – auch wenn es in der »Gott strafe England«-Stimmung der Kriegsjahre hie und da überdeckt wurde – war Russland, sobald es seine Massen durch eine beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung auch tatsächlich in eine Kraft verwandelte, der Deutschland dann nichts mehr entgegen zu setzen hätte. Deutschland und Russland waren die beiden potenziellen Weltmächte auf dem Kontinent, neben den beiden angelsächsischen Seemächten. Unter diesem Blickwinkel war das Ergebnis des Weltkrieges mehr als eindeutig  : Deutschland hatte im Osten Gebiete mit rund 4 Mio. Einwohnern verloren, Russland über 20 Mio. – und das noch ohne die Ukraine gerechnet  ! Darüber hinaus wurde Russland über Jahre hinaus von einem Bürgerkrieg verwüstet und blieb international die gesamte Zwischenkriegszeit über isoliert. Anders gesprochen  : Die Niederlage Deutschlands im Westen 1918/19 hatte den Sieg im Osten 1917/18 keineswegs aufgehoben. Deutschland war bis zu einem gewissen Grad nach wie vor der strategische Sieger des Krieges. Der Zerfall der Donaumonarchie bedeutete den Verlust des einzigen verlässlichen Verbündeten Deutschlands. Doch er wog im Zweifelsfall geringer als der Verlust der russischen Allianz für Frankreich. Das kleine Österreich und Ungarn blieben potenzielle Partner. Weiter im Süden konnte Deutschland, wie sich in den Dreißigerjahren herausstellte, jederzeit zwischen Jugoslawien und Italien wählen. Die Kleine Entente – das Bündnis zwischen der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien  – eignete sich zur Abwehr ungarischer Revisionsforderungen oder habsburgischer Restaurationspläne  ; gegen aggressive Ambitionen von Großmächten bot es keinen Schutz. Das Fazit lautete  : Die Westmächte hatten den Krieg zwar nicht verloren, sie waren noch einmal davongekommen  ; aber sie hatten nicht wirklich gewonnen. Die Partie zwischen Deutschland und Russland hatte mit einem Punktesieg Deutschlands geendet. Das Ringen um die Vorherrschaft auf dem Kontinent war verschoben worden, auf einen zweiten Großen Krieg, der diesmal tatsächlich eindeutige Ergebnisse lieferte, die fast ein halbes Jahrhundert hielten. Die Friedensordnung von 1945 erwies sich als vergleichsweise dauerhaft, nicht weil sie notwendigerweise

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»gerechter« oder »weitblickender« war als ihre Vorläufer, sondern weil zwei Supermächte sie ratifizierten und garantierten. Das Ergebnis von Yalta und Potsdam wich erst nach 1989 schließlich einer europäischen Neuordnung, die  – mit Blick auf die Landkarte des ehemaligen ›Ostblocks‹ – jedenfalls mehr von Staaten geprägt ist, die ihre Gründung dem Frieden von Brest-Litowsk verdanken als von den Schöpfungen von Versailles und Saint Germain. Die EU aber bemüht sich um den Ausbau jener Mechanismen, die einst für Mitteleuropa vorgesehen waren …

Quellen- und Literaturverzeichnis I. Archive 1. Österreichisches Staatsarchiv  : a) Haus-, Hof- und Staatsarchiv Kabinett, Geheimakten 20, 21 Politisches Archiv (PA) : PA I (Österreich-Ungarn, allgemein)  : Kartons 498–500 (Geheime Korrespondenz mit milit. Behörden), 500–505 (Geheime Verhandlungen mit Deutschland), 518 (Geheime Verhandlungen mit Rumänien Juni–Juli 1915), 522 (Türkei), 523 (Polnisches Problem), 536 (Botschaftsarchiv Berlin), 583, 926–927 (Verhandlungen über das polnische Problem), 945 (Türkei, allgemein 1917), 952 (Friedensverhandlungen), 963 (Friedenssondierungen 1917–18), 1013, 1015, 1023 & 1039 (Polnisches Problem 1917–18), 1049 (verschärfter U-Boot-Krieg), 1072 (Vertreter des MdÄ in Bukarest), 1074 (Vertreter des MdÄ in Cetinje, Skutari), 1092a (Nachlass Graf Ottokar Czernin) PA III (Preußen) 171–173 PA V (Sachsen) 55, 56 PA XV (Bulgarien) 78 PA XXXIII (USA) 52 PA XXXIV (Mexiko) 14 PA XL (Tagesberichte) 57 Nachlass Joseph Maria Baernreither, Karton 6–7 (Tagebücher), 37 (Ungarn), 38 (Polen), 47–50 (Korrespondenz) Nachlass Karl Banhans, Via vitae Nachlass Graf Leopold Berchtold, Karton 4 (Briefe), 5 (Tagebücher 1914–18) Nachlass Gustav Groß, Karton 1–5 (Korrespondenz) Nachlass Baron Erasmus v. Handel, Karton 1 und 2 Nachlass Gustav Marchet, Karton 19 (Korrespondenz) Nachlass Alexander v. Spitzmüller, Tagebuch Nachlass Graf Friedrich Szapary, Karton 6 Nachlass Friedrich v. Wieser, Karton 1 (Tagebuch 1918) b) Kriegsarchiv-Nachlasssammlung B/3  :5, Tagebuch General Graf Viktor Dankl B 14  :14, Tagebuch Generaloberst Baron Josef Roth v. Limanowa-Lapanow B/15, Tagebuch Oberst Rudolf Kundmann B/16, Tagebuch FML Ferdinand v. Marterer B/54, Tagebuch GM Anton v. Pitreich B/58  :4, Manuskript August v. Urbanski  : »Das Tornisterkind« B/198  :3, Nachlass FML Maximilian v. Csicserics  : Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk B/509  : 2, Tagebuch Oberst Karl Schneller B/762, Erinnerungen Fürst Aloys Schönburg-Hartenstein B/874, Nachlass Baron Johann Eichhoff (25  : Verfassungsreform, 150  : Erinnerungen)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

B/1438, Nachlass Oberst Joseph v. Paić Nl. Friedrich v. Wiesner (Moskauer Fonds 707-1/1 bis 4) c) Allgemeines Verwaltungsarchiv Ministerratspräsidium (MRP), K. 242, 243 Nachlass Baron Max Wladimir Beck 33–39 (Korrespondenz). E/1713  :10, Nachlass Walter Breisky E/1777  : 2, Manuskript John Leslie Nachlass Paul Samassa Nachlass Pichl 36 (Schönerer  : Korrespondenz mit Abgeordneten) Nachlass Nikolaj v. Wassilko 1–3 2. Steiermärkisches Landesarchiv Familienarchiv Herberstein, Karton 50, Graf Herbert Herberstein 65/1 (Tagebuch). 3. Tiroler Landesarchiv Nachlass Emil Kraft, Kartons 1–6 (Politische Korrespondenz) 4. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA/AA) Österreich 70/49 (allg. Angelegenheiten), 74/2 (Presse), 86/6 (Abgeordnete), 86/20 (Staatsmänner), 88/7 (Ministerien), 91/17, 18 (parl. Angelegenheiten), 92/3 (Ungarische parlamentarische Angelegenheiten), 92/6a (Ungarische Staatsmänner), Botschaft Wien geheim 7 5. Nationalarchiv Prag PMT (geheim), Statthalterei-Präsidium, K. 25, 26 PM 1911–1920, K. 4953, 4954 PM Korrespondenz Coudenhove 4, 5 6. SOA [Statni Oblastni Archiv = Staatl. Gebietsarchiv] Klattovy, Familienarchiv Windischgraetz K. 651 (Herrenhaus 1913–18), K. 658 7. SOA Praha, Familienarchiv Waldstein K. 105, Nr. 3863, Sign. V-7/III, Angelegenheiten des Zentralverbands der Waldbesitzer 8. SOA Zamrsk, Familienarchiv Parish v. Senftenberg Tagebuch Oskar Parish v. Senftenberg 9. Fürstlich Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen, Max Egon, Mappen  : Politik 17/18  ; Politik im Kriege 14–18  ; Herrenhaus 17+18  ; Politik 17/18 Wien  ; Politik im Kriege  : Briefe  ; Diverse Korrespondenzen 14–18  ; Neubelebung parl. Lebens Juli – Dez. 1916 10. Gräflich Czernin’sches Archiv Maria Rain  : Korrespondenz Otto mit Ottokar Czernin (1916–18) 11. Sammlung Ernst v. Rutkowski  : Korrespondenz Ernst Silva-Tarouca mit seiner Frau 1918 Konservative 1914–18

Quelleneditionen

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Korrespondenz Ferdinand (»Fede«) Lobkowitz 12. Tagebuch Prinzessin Henriette v. Hohenlohe (Privatbesitz Wien) 13. Nachlass Freiherr Alois Czedik v. Bründelsberg (Privatbesitz Wien) II. Quelleneditionen Holger Afflerbach (Hg.), Kaiser Wilhelm II. als Oberster Kriegsherr im Ersten Weltkrieg. Quellen aus der militärischen Umgebung des Kaisers 1914–1918 (München 2005). APP = Andre Scherer & Jacques Grunewald (Hg.), L’Allemagne et les problemes de la paix pendant la Premiere Guerre Mondiale, 4 Bde. (Paris 1962–1978). DDI = Documenti Diplomatici Italiani, V. Serie, Bd. 3–6 (Rom 1985–1989). August Demblin (Hg.), Minister gegen Kaiser. Aufzeichnungen eines österreichisch-ungarischen Diplomaten über Außenminister Czernin und Kaiser Karl (Wien 1997). Erwein Eltz & Elisabeth Kaindl-Schönborn (Hg.), »Wie das Leben jeden verändert …« Tagebuchaufzeichnungen der Johanna Gräfin von und zu Eltz, geb. Gräfin von Schönborn-Wiesentheid, aus den Jahren 1896–1944 (München [2011]) Fritz Fellner & Doris Corradini (Hg.), Schicksalsjahre Österreichs. Die Erinnerungen und Tagebücher Josef Redlichs 1869–1936, 3 Bde. (Wien 2011). Franz Adlgasser & Margret Friedrich (Hg.), Heinrich Friedjung. Geschichte in Gesprächen. Aufzeichnungen 1898–1919, Bd. 2 (Wien 1997). FRUS = Papers relating to the Foreign Policy of the United States Walter Görlitz (Hg.), Regierte der Kaiser  ? Kriegstagebuch, Aufzeichnungen und Briefe des Chefs des Marine-Kabinetts Admiral Georg Alexander von Müller 1914–1918 (Göttingen 1959). Frank Hadler (Hg.), Weg von Österreich  ! Das Weltkriegsexil von Masaryk und Beneš im Spiegel ihrer Briefe und Aufzeichnungen aus den Jahren 1914 bis 1918. Eine Quellensammlung (Berlin 1995). Theophil Hornykiewicz (Hg.), Ereignisse in der Ukraine 1918–1922, 4 Bde. (Philadelphia 1966). Elisabeth Kovacs (Hg.), Kaiser und König Karl I.(IV.). Politische Dokumente aus Internationalen Archiven (Wien 2004). Miklos Komjathy (Hg.), Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Budapest 1966). –, Die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk. In  : MÖStA 41 (1990) 264–318. Martin Kučera (Hg.), Zdeněk Tobolka. Můj deník z první světové války (Prag 2008). Erwin Matsch (Hg.), Wien–Washington. Ein Journal diplomatischer Beziehungen 1838–1917 (Wien 1990). Rudolf Neck (Hg.), Arbeiterschaft und Staat im Ersten Weltkrieg 1914–1918, 2 Bde. (Wien 1964/68). –, Österreich im Jahre 1918. Berichte und Dokumente (Wien 1968). Alfred Opitz & Franz Adlgasser (Hg.), Der Zerfall der europäischen Mitte. Berichte der sächsischen Gesandtschaft in Wien 1917–1919 (Graz 1990). T.G. Otte (Hg.), An Historian in War and Peace. The Diaries of Harold Temperley (Farnham 2014). Janusz Pajewski (Hg.), Pamietnik ksieznej Marii Zdzislawowej Lubomirskiej 1914–1918 (Posen 2002). Ursula Prutsch & Klaus Zeyringer (Hg.), Leopold von Andrian (1875–1951). Korrespondenzen, Notizen, Essays, Berichte (Wien 2003). Sborník dokumentů k vnitřnímu vývoji v českých zemích za I. světové války 1914–1918, 5 Bde. (Prag 1993–97).

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Anmerkungen

  1 Galantai, Monarchie und Weltkrieg 179  ; auch ders., Prelude 84.   2 Marterer-Tb. 12./13.9.1914.   3 Vgl. Höbelt, Mediator.   4 Wiesner-Briefe, 9. u.18.10.1914  ; Musulin, Ballplatz 268.   5 Scheer, Ringstraßenfront 63 ff., 145 ff.   6 Hobson et alii, Scandinavia 38 f.; Klinkert et alii, Nederland Neutraal.   7 Afflerbach, Dreibund 83 ff., 410, 779  ; Rocca, Cadorna 5–7, 50–53  ; Rusconi, L’azzardo 41, 90 f., 150 f.; Monzali, Dalmatia 204.   8 Rusconi, L’azzardo 7.   9 Höbelt, Thronfolger und die Parteien 22. 10 Höbelt, Balkan Wars 140  ; Hannig, Franz Ferdinand 168. 11 ÖUAP VIII 186–195. 12 Geheime Kabinettsakten 20, Tisza 8.7.1914  ; Nl. Berchtold 4, Czernin 24.9.1914. 13 Fried, War Aims 53. 14 Ratzenhofer, Beiträge zu 1914 18  ; Kronenbitter, Krieg im Frieden 514  ; Höbelt, Nordfront 88. 15 Marterer-Tb. 24.8.1914, auch 9.1.1915  ; Jerabek, Potiorek 134 f., 172. 16 Jerabek, Potiorek 110–132. 17 Will, Kein Griff 242 ff.; Knauseder, Freischärler. 18 Bachmann, Kriegsgrund 65 ff. 19 Wator, Nationaldemokratie 258 f. 20 PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, Jagow an Tschirschky, 16.2.1916. 21 Leslie, Eastern Policy 48, 344  ; auch 29, 45, 340. 22 Nl. Groß 4, fol. 1, 23.8.1914  ; vgl. auch Müller, Annäherung und Abgrenzung 29. 23 Wendland, Russophile  ; Bachmann, Kriegsgrund 196 ff. 24 Höbelt, Nordfront 94 f.; Afflerbach, Falkenhayn 276 ff.; Schmitz, Siedlice-Kontroverse 398 ff. 25 KA, B/1450  :357, Conrad an Gina, 15. u.17.4.1915. 26 Komjathy (Hg.), GMR 174 (7.9.1914)  ; Spitzmüller-Tb. 13.11.1914  ; Wiesner-Briefe 31.10.1914. 27 PA I 499, fol. 70, Berchtold an Giesl, 26.11.1914. 28 Schmidt, Beziehungen zu Rumänien 68–77  ; Silberstein, Troubled Alliances 184–191. 29 Spitzmüller-Tb. 22.9.1914  ; Wiesner-Briefe 20.9.1914  ; Baernreither-Tb. XIII, fol. 93 f. (4.11.1914)  ; PA I 518, Liasse XLVII/7d, Bericht 69 A-B, 17.7.1915  ; Torrey, Rumania and the Belligerents 180  ; Trumpener, Germany and the Ottoman Empire 274 f. 30 Torrey, Irredentism and Diplomacy  ; Vinogradov, Years of Neutrality 455  ; Flotow, Erinnerungen 108. 31 Rusconi, L’azzardo 100  ; vgl. auch Renzi, Shadow of the Sword 82–104. 32 PA III 171, Berichte 1914, fol. 323, 20.11.1914. 33 Schneller-Tb. 20.5.1915. 34 Jerabek, Potiorek 180 ff. 35 FFA Donaueschingen, Mappe  : Politik im Kriege  : Briefe, Baernreither an Fürstenberg 20.3.1915. 36 Bülow, Denkwürdigkeiten III 182 ff.; Monticone, Germania e la neutralita 28 ff. 37 Berchtold-Tb. 9.1.1915. 38 Nl. Berchtold 4, Hohenlohe 18.10.1915  ; Spitzmüller-Tb. 28.10.1918.

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Anmerkungen

39 Renzi, Shadow of the Sword 184  ; Burian, Drei Jahre 38  ; Berchtold Tb. 12.1.1915. 40 Spitzmüller-Tb. 7. u.12.5.1915  ; Berchtold-Tb. 6.1.1915. 41 Hutten-Czapski, Sechzig Jahre II 196. 42 Wertheimer (Hg.), Tisza-Briefe 199 (1.5.1915), 206 (4.5.1915)  ; Komjathy (Hg.), GMR 222 (8.3.1915). 43 Wertheimer (Hg.), Tisza-Briefe 143 (5.1.1915). 44 Höbelt, Nordfront 98 f.; Forstner, Przemysl 235 ff.; Tunstall, Blood on the Snow. 45 Nl. Weiskirchner, Pattai 9.3.1915, Erzberger 30.4.1915  ; Erzberger, Erlebnisse 29–34  ; Epstein, Erzberger 145 f. 46 PA/AA, Österreich 88/7, Jagow an Tschirschky, 2.2.1915. 47 Marterer-Tb. 25.2.1915. 48 Afflerbach (Hg.), Kriegsherr 221 (Lyncker-Briefe 8.3.1915)  ; Berchtold Tb. 14.1.1915. 49 Zechlin, Krieg und Kriegsrisiko 253–255  ; Afflerbach (Hg.), Kriegsherr 742 f. (Plessen-Tb. 5./7.3.1915). 50 Wie Anm. 46. 51 Berchtold-Tb. 22.4.1915  ; Leslie, Eastern Policy 132, 150, 194–198  ; Afflerbach, Falkenhayn 276  ; Zechlin, Krieg und Kriegsrisiko 308 f.. 52 PA I 499, fol. 171, 2.4.1915. 53 Marterer-Tb. 4.4. u. 4.5.1915  ; Berchtold-Tb. 20.5.1915  ; PA/AA, Österreich 88/7, Jagow an Tschirschky, 6.4.1915  ; Afflerbach (Hg.), 220 (Lyncker-Briefe 6.3.1915). 54 Berchtold-Tb. 1.5.1915  ; Marterer-Tb. 6. u. 27.3., 14.5.1915. 55 Rusconi, L’azzardo 136 ff.; Renzi, Shadow of the Sword 247 ff.; Compagno, 1915. 56 Berchtold-Tb. 4.1.1915. 57 Renzi, Shadow of the Sword 264. 58 Berchtold Tb. 1.7.1915  ; Spitzmüller-Tb. 30.5.1915 59 Roth Tb. 23.5.1915  ; Spitzmüller-Tb. 23.5.1915. 60 Löwenfeld-Ruß, Volksernährung 48 ff., 83  ; Gratz/Schüller, Zusammenbruch 55  ; Sbornik I 105. 61 Spitzmüller-Tb. 29.4.1915. 62 Hans Damm im Deutschen Agrarblatt, 10.3.1915  ; ähnlich auch schon 2.12.1914  ; vgl. auch seinen Brief vom 22.10.1914 in Nl. Groß 2. 63 Zu den Ernteergebnissen jetzt Weltkriegsstatistik 223 ff. 64 Parish-Tb. 10.5.1916  ; Redlich-Tb. 22.10.1915  ; Landwehr, Hunger 113  ; Pattera, Ernährungsausschuß 8  ; Moll, Steiermark 95, 107. 65 Sturmayr, Interessenpolitik 198-200.. 66 Parish-Tb. 27.4., 27.10., 6. & 15.11.1916  ; Berchtold-Tb. 27.1.& 20.4.1918  ; FFA, Diverse Korrespondenzen, Zuschrift 12.10.1917  ; RA Waldstein, Nr. 3863, Angelegenheiten des Zentralverbandes, Bericht über das erste Verbandsjahr bis 31.12.1918. 67 Deutsches Agrarblatt, 16.2.1918  ; FFA, Herrenhaus 17–18, Karl Auersperg 15.7.1918. 68 Moll, Steiermark 98  ; Löwenfeld-Ruß, Volksernährung 72–75  ; Wegs, Kriegswirtschaft 26 ff., 51 f. 69 Wegs, Kriegswirtschaft 54, 59  ; Homann, Kohlenversorgung xxiv  ; Weltkriegsstatistik 294. 70 Berchtold-Tb. 4.3.1916  ; Wegs, Kriegswirtschaft 40, 125. 71 Tobolka, Denik 4.8.1914. 72 Baernreither-Tb. XIII, fol. 43 (5.9.1914)  ; AVA, MRP 243, Nr. 436  ; Sbornik I 96–98, 120, 125  ; Vyslozil, Heinold a Cerny 114. 73 Schneider, Kriegserinnerungen 44, 46, 58, 119  ; Hanisch, Bauer 84  ; Lein, Pflichterfüllung. 74 Reiter, Desertionsproblematik 362 ff. 75 Clam. In  : Steinitz (Hg.), Erinnerungen 162  ; vgl. auch Jerabek, Brussilow-Offensive 568–575. 76 Wiesner-Tagebuchbriefe 7.12.1914  ; Galandauer, Thun 312 ff.; Führ, AOK 46 f.

Anmerkungen

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  77 Tobolka, Deník März 1915  ; Führ, AOK 30.   78 Tobolka, Deník 1./2.10.1914  ; Sbornik II 51  ; Paulová, Maffie I 170–2  ; Sichulski, Karikatur 111  ; Še­ divý, Cesi 177 ff.; Zeman, Masaryks.   79 AVA, MRP 242, Nr.9  ; Komjathy (Hg.), GMR 667 (30.5.1918)  ; Kalwoda, Dalmatien 121, 126  ; Paulová, Maffie I 192  ; Toscano, Serbia e l’intervento 59–69  ; zu den ungarischen Serben als Teil der Regierungspartei vgl. auch HHStA, Nl. Franz Ferdinand 11, Brosch Nr. 117, 7.6.1910.   80 Luft, Führungsgruppen 449, A 205 ff.   81 Ich danke Johannes Kalwoda für den Hinweis.   82 Vgl. die Beiträge von Martina Pruková und Lothar Höbelt in Bílek/Velek (Hg.), Kramář  ; Luft, Führungsgruppen 440, A 186.   83 Führ, AOK 48 ff.; Müller, Hochverratsprozeß.   84 Marterer-Tb. 24.5.1915.   85 Redlich-Tb. 30.5., 1.6. 1915  ; Berchtold-Tb. 23.1.1916  ; vgl. Müller, Hochverratsprozeß 84, 89.   86 Schneider, Kriegserinnerungen 350.   87 Schneller-Tb. 15.8.1915.   88 Marterer-Tb.1.6.1915, Wiesner-Briefe 10.11.1914  ; Lein, Pflichterfüllung 182 ff.   89 Höbelt, Nordfront 102 f.; Rauchensteiner, Weltkrieg 323 f.   90 PA/AA, Österreich 88/7, Jagow an Tschirschky, 9.5.1915  ; vgl. auch Kundmann-Tb. 16.–20.5.1915  ; Ullrich, Entscheidung im Osten  ; Kraft, Kriegführung 82–88  ; Mühlmann, Heeresleitung und Balkan 106–112.   91 Rusconi, L’azzardo 164 ff.; Klavora, Karstfront 50 ff.; Cabrio, Migliatrice I 104–8, 165–7  ; Felberbauer, Maschinengewehre 266–9  ; Rauchensteiner, Weltkrieg 413 ff.   92 Ferguson, Der falsche Krieg 130 f.; Watson, Ring of Steel 111.   93 Schneller-Tb. 17.5.1915.   94 Marterer Tb. 31.3.1915  ; Redlich-Tb. 15.6.1915.   95 Toscano, Serbia e l’intervento 32, 54, 79, 92–95  ; Höbelt, Montenegro.   96 Komjathy (Hg.), GMR 235 (18.6.1915)  ; Höbelt, Balkan und Entente 61 f.; Renzi, Shadow of the Sword 134 f., 215–227.   97 DDI V/3, 505.   98 Theodoulou, Greece and the Entente 311 ff.   99 Höbelt, Balkan und Entente 59 f. 100 Erickson, Ordered to Die 83 ff.; Carlyon, Gallipoli 99 ff. 101 Friedrich, Bulgarien und die Mächte 269  ; Toscano, Serbia e l’intervento 130, 134, 148. 102 PA III 171, Berichte 1915, Nr. 63-B, fol. 126, 11.7.1915. 103 PA I 518, Liasse XLVII/7d, Tel. 709, 5.6.1915  ; vgl. auch Czernin, Im Weltkriege 127 f. 104 Nl. Szapary 8-8, Burian an Tisza, 30.7.1915  ; PA I 518, Liasse XLVII/7d, Tel. 855. 105 Gratz/Schüller, Zusammenbruch 272 f. (Stürgkh an Tisza, 15.3.1916). 106 PA I 518, Liasse XLVII/7d, Bericht 69 A-B/P, 17.7.1915  ; Tel. 904, 27.7.1915. 107 Ebd., Burian an Bornemisza, Tel. 11, 11.7.1915  ; Burian an Czernin, Tel. 710a, 29.7.1915. 108 DDI V/4, 274, 22.7.1915. 109 PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, Jagow an Tschischky 5.9.1915  ; Friedrich, Bulgarien und die Mächte 235–263  ; Stiefler, Bulgarien 36–69  ; Silberstein, Troubled Alliance 167–177. 110 Theodoulou, Greece and the Entente 169. 111 PA XVI/66, Nr. 1050, 19.10.1915. 112 Höbelt, Balkan und Entente 63 f.; Dutton, Politics of Diplomacy 41 ff.; Fassy, Commandement 19 ff.; Baumgartner, Dünkirchen  ?  ; Schwanke, Albanien 53 ff.

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Anmerkungen

113 Höbelt, Montenegro. 114 APP I 203 (31.10.1915)  ; PA I 499, fol. 300’, Conrad an Burian, 28.11.1915  ; Kraft, Kriegführung 136  ; Fried, War Aims 124 ff. 115 PA I 499, fol. 401, Conrad an Tisza, 4.1.1916. 116 Hohenlohe Tb. 15.2.1916. 117 PA I 1068, fol. 444  ; Windisch-Graetz, Helden und Halunken 89 f.; Kerchnawe (Hg.), Militärverwaltung 92 f., 290  ; Schwanke, Albanien 406 f., 453–5  ; Berchtold-Tb. 8.12.1917. 118 Hohenlohe-Tb. 30.4.1916. 119 Strachan, War in Africa 54, 57  ; Romero Salvado, Spain 70. 120 Marterer-Tb. 21.8.1915. 121 Vgl. Conze, Polnische Nation 73  : »Die Diplomatie ruhte bis April 1915.« 122 Dankl-Tb. 28.8.1914. 123 Kundmann-Tb. 27.10.1915. 124 Höbelt, Nordfront 115 f.; Wendland, Russophile 544 ff. 125 Leslie, Eastern Policy 60–63. 126 Herberstein-Tb. 9.8.1915. Immerhin gab Herberstein zu, dass Josef Potocki  – der in Lemberg den Zaren bewirtet hatte – als russischer Untertan gewisse Rücksichten zu nehmen habe  ; vgl. auch AVA, MRP 243, Nr. 486. 127 PA I 926, Liasse 11n, Wiesner 5./12.1.1916 (fol. 193, 198)  ; Mick, Lemberg 86 ff., 146 ff. 128 HHStA, Nl. Szapary, Geheimbericht Andrians, 26.7.1915, S. 8, 26, 28  ; Mick, Lemberg 128 f. 129 Schneller-Tb. 23.6.1915  ; Höbelt, Mediator 246. 130 Gołuchowski schlug als letzten Ausweg vor, Böhm-Ermolli zum Statthalter zu ernennen, mit Rozwadowski als zugeteiltem General  ; Marterer-Tb. 12., 18.7.1915  ; Führ, AOK 65–71. 131 PA I 927, Liasse 11o, Bericht 64, 14.10.1915 (fol. 287, 291)  ; Hutten-Czapski, Sechzig Jahre 261. 132 Leslie, Eastern Policy 240, 520  ; Dolezal, Burian 23–26. 133 Leslie, Eastern Policy 272–276, 545–547  ; Biliński, Wspomnienia II 95. 134 Wertheimer (Hg.), Tisza Briefe 65 (28.8.1914)  ; 59 »Wasser in den polnischen Wein« (24.8.1914)  ; HHStA, Kabinettskanzlei, geheim 21, fol. 60–67 (Ministerbesprechung 20.8.1914)  ; vgl. Vermes, Tisza 265 ff. 135 Höbelt/Georgiev, Clam 191. 136 Spitzmüller-Tb. 4.1.1915. 137 Marterer-Tb. 23.2.1915. 138 Höbelt, Fraktionen 992–6. 139 Spitzmüller-Tb. 29.10. u.14.11.1911, 25.6.1912. 140 PA/AA, Österreich 88/7, Berichte vom 10.12.1908, 28.11.1909, 8.7. u. 14.12.1910  ; Spitzmüller-Tb. 31.10.1911. 141 PA/AA, Österreich 86/19, 20.2.1912. 142 Nl. Beck 35, Korytowski 10.11.1910. 143 Spitzmüller-Tb. 26., 29.1.1915  ; Redlich-Tb. 30.1. u. 10.2.1915  ; Nl. Czedik, Biliński 11.2.1915. 144 NFP 20.2.1915 (Abendblatt). 145 PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, Jagow an Tschirschky, 29.9.1915. 146 Lemke, Allianz und Rivalität 180. 147 PA/AA, Österreich 88/7, Jagow an Tschirschky, 25.2.1916  ; Nl. Berchtold 4, Hohenlohe 18.10.1915  ; Dolezal, Burian 33–38, 82–90. 148 APP I 173 (11.9.1915), 177 (2.9.1915). 149 Parish-Tb. 7.4.1917.

Anmerkungen

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150 Baernreither-Tb. XIV, fol. 69 (9.3.1915)  ; Mitis (Hg.), Fragmente 272. 151 Spitzmüller-Tb. 1.11.1914. 152 Nl. Szapary 6/6, Protokoll vom 30.3.1915. 153 Spitzmüller-Tb. 4.4. u.13.5.1914  ; vgl. auch 22.6.1913. 154 Baernreither-Tb. XV, fol. 66 (13.11.1915). 155 Baernreither Tb. XV, fol. 50 (9.11.1915), Berchtold-Tb. 14.4.1916. 156 Canis, Weg in den Abgrund 569. 157 Müller, Annäherung 161 f. Bethmann reagierte am 25. September mit einer Einladung nach Berlin. 158 Müller, Annäherung 149. 159 APP I 180 (16.9.1915). 160 PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, Jagow an Tschirschky, 29.9.1915  ; Nl. Marchet 9, fol. 74 ff., Verhandlung der industriellen Körperschaften 8.5.1915 (Günther)  ; Soutou, L’or et le sang 65 f., 77 f., 82 f., 436. 161 Baernreither Tb. XV, fol. 70 (13.11.1915). 162 Müller, Annäherung 128 (Ministerkonferenz vom 24.8.1915). 163 FFA, Denkschrift Ludwig Windisch-Graetz’, 15.8.1918. 164 FFA, Mappe  : Politik im Kriege  : Briefe, Baernreither 20.11.1915  ; Müller, Annäherung 154 f. 165 Tobolka, Denik 1.2.1916. 166 Rokosky, Beran 82. 167 Nl. Groß 2, Lodgman  : Gedanken über die zukünftige Politik der Deutschen in Österrech, 10.5.1915  ; Baernreither-Tb. XV, fol. 50  ; Höbelt, Militärregime 761. 168 Hohenblum im Deutschen Agrarblatt, 30.10.1915. 169 Nl. Baernreither 49, 29.10.1914. 170 Spitzmüller-Tb. 23.11.1915  ; Sandgruber, Millionäre 337, 371. 171 Spitzmüller-Tb. 22.1.1911, 8.10.1915  ; Berchtold-Tb. 4.3.1916 (Zitat Konrad Hohenlohe). 172 Nl. Marchet 19, fol. 703, Wettstein 28.3.1915. 173 Nl. Marchet 9, fol. 192 ff. (Protokoll 27.3.1915)   ; Müller, Annäherung 93 f. 174 Nl. Marchet 9, fol. 9–28 (Debatte in der Reichenberger Kammer, 2.3.1915)  ; Nl. Marchet 8, fol. 86–103 (Lecher, Wirtschaftspolitik, 30.4.1915). 175 Nl. Baernreither 49, Briefe vom 8. u. 14.12.1914. 176 Nl. Marchet 9, fol. 74 ff., Verhandlung der industriellen Körperschaften  ; Müller, Annäherung 130. 177 Nl. Groß 4, fol. 348 f. (Fuchs 22.12.1915)  ; Nl. Groß 5, Schraffl 13.10.1916  ; ebd. Konvolut  : Zusammenarbeit der Parlamentarier. 178 Müller, Anlehnung 177–180. 179 PA/AA, Österreich 88/7, 16.10.1915 über die Anregung Montenuovos zum Besuch Wilhelms  ; Berchtold-Tb. 180 Berchtold-Tb. 26.6.1916. 181 Wertheimer (Hg.), Tisza Briefe 175 (Brief an Hugo Ganz, 3.4.1915). 182 Baernreither-Tb., XV, fol. 86 (6.1.1916)  ; Redlich-Tb. 3.2.1916  ; Ehrenpreis, Kriegs- und Friedensziele 115. 183 Hinweise auch Nl. Baernreither 49, Phillipovich 20. u. 22.12.1914. 184 Müller, Annäherung 113, 122. 185 Baernreither notiert die Anregung Kestraneks bereits im März 1915 (Tb. XIV, fol. 70). 186 Kabinett, geheim 20, 1916, fol. 19–26, Tisza 9.2.1916  ; Spitzmüler-Tb. 23.1.1916  ; Vermes, Tisza 331  ; Spitzmüller, Ursach 39. 187 PA/AA, Österreich 86/19, 3.11.1911.

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Anmerkungen

188 Stochel-Nabielska, Parteienspektrum 342–6. 189 Höbelt, Fraktionen 981. 190 Boyer, Culture and Crisis 379. 191 Oskar v. Mitis (Hg.), Fragmente eines politischen Tagebuchs (1939)  ; Biografie von Harald Bachmann  ; Doris Corradini, die bewährte Mitarbeiterin Fritz Fellners, wird die Edition der Tagebücher betreuen. 192 Baernreither-Tb. XIV, fol. 42 (5.2.1915)  ; Radzyner, Madeyski 162 f. 193 Baernreither-Tb. XIII, fol. 51 (Sept. 1914)  ; Nl. Marchet 19, Baernreither 8.9., 9.10., 31.12.1914, 8.1.1915. 194 Baernreither-Tb. XIV, fol. 68-70 (10.3.1915). 195 Redlich-Tb. 6.8.1915. 196 Baernreither-Tb, XV, fol. 35-41. 197 Die detailliertesten Aufzeichnungen in FFA, Mappe  : Politik im Kriege 14–18, Oct. 14–21  ; PA/AA, Österreich 88/7, Berichte vom 16., 23., 29. u. 31.10.1915  ; RA Windisch-Graetz 651, Notizen 18.10., 20.10., 4.11.1915, Redlich-Tb. 22.10.1915. 198 FFA, Baernreither, 20.11.1915  ; der Text des Memorandums bei Czedik, Ministerien IV 453–455. 199 Redlich-Tb. 10.3.1916. 200 Redlich-Tb. 30.10.1915. 201 Brief Marterers, in  : Kundmann-Tb. 7.10.1915. 202 Jundmann-Tb. 26.7.1915  ; Redlich-Tb. 30.8.1915  ; Führ, AOK 170. 203 Herberstein-Tb. 7.9.1915 nennt Max Fürstenberg, Hugo Windisch-Graetz, Montschi Sternberg  ; Redlich-Tb, 4.3.1915 über das Kommando der 2. Armee unter Böhm-Ermolli, ebenfalls mit Bezug auf Fürstenberg. 204 Kundmann-Tb. 21.3.1916  ; Berchtold-Tb. 5.8.1916. Auch Bardolff, oft für politische Positionen genannt, hatte aus seiner Zeit beim Thronfolger enge Beziehungen zu den Ukrainern (Höbelt, Franz Ferdinand 20 f.) 205 KA, B/1450  :357, Conrad an Gina, 10.10.1915. 206 Schneller-Tb. 13.9.1915  ; Wiesner verwahrte sich gegen »die Legende vom Verrat böhmischer und ruthenischer Regimenter«. Man müsse unsere Armee nur »stets im engsten Verbande mit deutschen Truppen kämpfen lassen.« (PA I 499, fol. 524-532). 207 PA/AA, Botschaft Wien, geheim 7, Jagow 29.9.1915, Tschirschky 10.10.1915  ; PA/AA, Österreich 88/7, Marginalie zum Bericht vom 23. 10. 1915. 208 PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, 23.6.1916. 209 Lemke, Allianz und Rivalität 231-240. 210 PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, Jagow an Tschirschky 29.9.1915. 211 Ungarn  : Spitzmüller-Tb. 19.4.1915  ; Berchtold-Tb. 4.1., 26.3.1916  ; Baernreither-Tb. XV, fol. 73–80, Brief an Fürstenberg, 20.11.1915  ; Redlich-Tb. 18.10.1915  ; Nl. Groß 5, Berzeviczy 14.12.1916. 212 Redlich-Tb. 31.1.1916  ; Baernreither-Tb. XV, fol. 103 (25.3.1916). 213 Höbelt, Thronfolger und die Parteien 16 f. 214 Nl. Baernreither 49, Nostitz 18.5.1915  ; Parish-Tb. 9., 12.12.1915. 215 PA/AA, Österreich 88/7, Tschirschky 16.10.1915, mit Marginalien Jagows. 216 Baernreither XV, fol. 45 (4.11.1915)  ; auch Koerber vermeldete, der Kaiser sei »vor allem über die Kandidierung des Grafen Silva-Tarouca indigniert gewesen« (Redlich-Tb. 11.11.1915). 217 Baernreither-Tb. XV, fol. 81 (7.12.1915)  ; Redlich-Tb. 12.12.1915. 218 PA/AA, Österreich 86/19, 3.11.1911  ; Nl. Baernreither 47, Fürstenberg 23.2.1910. 219 Montenuovo behauptete hingegen, die Aktion habe die Kabinettsumbildung bloß verzögert (RA Windisch-Graetz 651, Notizen 10.11.1915).

Anmerkungen

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220 Golu Luszknabe (Bae 5.8.16)  ; Spitzmüller-Tb. 17.2. & 10.3.1915. 221 Spitzmüller-Tb. 26.9.1915. 222 Höbelt, Konrad Hohenlohe 211. 223 Spitzmüller-Tb. 8.11.1915. 224 Baernreither-Tb. XV, fol. 53 (9.11.1915). 225 APP I 218-220 (14.11.1915), 227 (29.11.1915)  ; Conze 143 ff.; Lemke 256-259. 226 Redlich-Tb. 8.1.1915  ; Baernreither-Tb. XV, fol. 60  ; Conze 237 unter Berufung auf den Grafen Westarp. 227 APP I 164 (5.9.1915), 259 (23.1.1916)  ; Lemke 242, 254. 228 Hauser, Militärverwaltung 11 ff. (Posener Abkommen 10.1.1915), 35 ff. (Teschener Abkommen 14.9.1915). 229 Redlich-Tb. 20.9.1916. 230 Redlich-Tb. 27.11.1915. 231 Nl. Beck 39, Stürgkh 21.12.1915. 232 Redlich-Tb. 20.11.1915, 12.12.1915  ; dort auch laufende Prozessberichte  ; Müller, Hochverratsprozeß 88, 197. 233 Hohenlohe Tb. 29.4.1916. 234 Aan de Weil, War and Politics 93 ff. 235 Galandauer, Thun 313. 236 Winkelbauer, Kriegsanleihen.. 237 Tomás Pavlíček, Politicum a martyrium v nejdelším trestním procesu první světové války. In  : Bílek & Velek (Hg.), Kramář 365. 238 Tobolka, Politicke dějiny 54. 239 Kořalka, Palacký 274, 488. 240 Tobolka, Deník 4. u. 15.10.1915  ; Sedivy, Cesi 171. 241 Tobolka, Deník 15.2.1917 (Bericht Staněks). 242 Vgl. Luft, Führungsgruppen 88 ff. 243 Marterer-Tb. 14.11.1914. 244 Tobolka, Denik 1., 9. u. 28.10.1915. 245 Tobolka, Denik 8.12.1915  ; Šedivý, Česi 187 ff. 246 Velek, Bürgerliche Parteien 174 f.; Rokoský, Beran 78  ; zu Šmerals Rolle auch Mitis (Hg.), Fragmente 282. 247 Rokoský, Beran 84, 87. 248 Prag, Sth.Präs., geh. 16/2, fol. 864 ff.: Anklageschrift gegen Masaryk, S. 134–137, 144  ; Sborník II 143  ; Jesser, Erinnerungen 20 f., 101 f.; Šlehofer, Soukup 47. 249 Sborník II 38 (26.1.1915). 250 FFA, Politik im Kriege, Baernreither 20.11.1915. 251 Höbelt, Kornblume 281 ff. 252 Redlich-Tb. 12.7.1916, vgl. Boyer, Culture and Crisis 375 ff.. 253 Kabinett, geheim 21, fol. 13–15  ; Nl. Handel 2, fol. 1049-1054  ; Nl. Groß 4, fol. 316 ff.; Nl. Marchet 19, fol. 447, Czedik 16.9.1915  ; Sbornik III 85  ; Boyer, Culture and Crisis 388–392  ; Meier, Christlichsoziale 32–42  ; Müller, Annäherung und Abgrenzung 180–4. 254 Redlich-Tb. 25.4.1916. 255 Nl. Handel 1, fol. 452 ff. 256 Redlich Tb. 20.1. u. 2.3.1916  ; Baernreither Tb. XVI, fol. 32 (30.6.1916). 257 Die ›Osterbegehrschrift‹ abgedruckt in Sbornik III 116–124  ; Nl. Handel 2, fol. 916–922, Denkschrift der ukrainischen Parlamentarier.

300

Anmerkungen

258 Redlich-Tb. 20.5.1916  ; Höbelt, Kornblume 334–8. 259 Sitzungsprotokolle der Arbeitsgemeinschaft finden sich im Nl. Kraft 6/6. 260 PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, Jagow an Tschirschky, 13.6.1916. 261 Schneller-Tb. 7.9.1915  ; Rauchensteiner, Weltkrieg 468 ff. 262 Afflerbach, Falkenhayn 343  ; Mühlmann, Heeresleitung und Balkan 143-154. 263 PA I 499, fol. 562, Rückblick Czernins 9.7.1916  ; Mühlmann, Heeresleitung und Balkan 159 f. 264 Sbornik III 40 (Versammlung in Reichenberg, 25.1.1916)  ; Berchtold-Tb. 8.12.1915  ; Jung, Wüstenkrieg 45  ; Thorau, Lawrence 59. 265 Will, Kein Griff 276 ff. 266 Del Boca, Africa Orientale 855–8  ; Neulen, Feldgrau in Jerusalem 101 f.; Romero Salvado, Between War and Revolution 70  ; Thorau, Lawrence 60, 66 f.; Will, Kein Griff 297. 267 Zu den Kontakten vgl. APP I 388 f., 399 f., 414  ; Foley, Verdun  ; Afflerbach, Falkenhayn 360 ff.; vgl. auch Berstein, Radićal Party. 268 PA I 499, fol. 524-532. 269 Kundmann-Tb. 31.1., 7. u. 25.2., 10.3.1916. 270 Erickson, Ordered to Die 137 ff.; Jung, Wüstenkrieg 74 f.; Seminararbeit von Florian Lang. 271 Pantenius, Angriffsgedanke 1032, 853 ff.; Rocca, Cadorna 128 ff.; Artl, Karl als General 59, Rauchensteiner, Weltkrieg 524 ff. 272 Melograni, Storia Politica 179 ff.; Ullrich, Classe politica II 645. 273 Hohenlohe-Tb. 31.5.1916. 274 Herberstein Tb. 11.9.1915.. 275 Herberstein-Tb. 4.6.1916  ; Jerabek, Brussilow-Offensive 571 f.; Rauchensteiner, Weltkrieg 543 ff. 276 Kundmann-Tb. 12.5.1915. 277 PA I 499, fol. 267, Conrad an Burian, 23.10.1915. 278 Schneller Tb. 22.10.1914  ; Herberstein-Tb. 27.11., 2.12.1914  ; Sbornik II 42 (Stürgkh an Thun, 31.1.1915).. 279 KA, B/1450  :357, Conrad an Gina, 15.4.1915  ; Herberstein-Tb. 28.7.1916. 280 Afflerbach, Falkenhayn 430 ff. 281 KA, B/1450  :357, Conrad an Gina, 24.1.1915  ; Herberstein-Tb. 30.8.1915. 282 Hohenlohe Tb. 3. u. 17.7.1916.; vgl. die Biografien von Pyta und Nebelin. 283 PA/AA, Österreich 88/7, Jagow an Tschirschky, 3.8.1916  ; ganz ähnlich Bethmann  : »Mit Hindenburg könne er einen enttäuschenden Frieden machen, ohne ihn nicht.« (Müller-Tb. 26.7.1916). 284 Wiesner Tb-Briefe 15. u. 20.1.1916  ; Kronenbitter, ›Krieg im Frieden‹ 60. 285 Polatschek, Westfront 25. 286 PA I 499, fol. 524–532, o.D. (Burian am 27. Juni vorgelegt)  ; zitiert auch bei Jerabek, Brussilow-Offensive 502 f. 287 Janßen, Kanzler und General 225, 230 f.; Afflerbach, Falkenhayn 432 f. 288 Berchtold-Tb. 19. u. 24.6., 27. u. 29.7.1916. 289 Herberstein-Tb. 21.6.1916. 290 PA I 502, Liasse LXVII/3, fol. 674  ; Musulin an Wiesner, 22.7.1916 (›ad aeternam rei memoriam‹)  ; Jerabek, Brussilow-Offensive 410-420. 291 Hohenlohe Tb. 31.7. & 3.8.1916  ; PA I 502, Hohenlohe 30.7.1916 (Tel. 221). 292 Herberstein-Tb. 4.8.1916. 293 Herberstein-Tb. 22., 25./26.8.1916. 294 PA I 502, Liasse XLVII/3-13, Conrad an Burian, 23.8.1916.

Anmerkungen

301

295 PA I 502, Liasse XLVII/3-13, fol. 756, Thurn 31.8.1916  ; Groß, Operationen gegen Rumänien 150 f.; Nebelin, Ludendorff 212 ff. 296 Afflerbach (Hg.), Kriegsherr 874. 297 Hohenlohe-Tb. 3.9.1916. 298 Weltkriegsstatistik 162 f. 299 PA I 502, Liasse XLVII/3-13, fol. 743, Burian an Conrad, 3.9.1916  ; fol. 716, Burian an Hohenlohe 13.9.1916. 300 Jerabek, Brussilowoffensive 437, 453 f., 461 f.; Afflerbach, Falkenhayn 446–450  ; Vinogradov, Neutrality 458 f.; Torrey, Decision to Intervene. 301 Stiefler, Bulgarien 113 f., Silberstein, Troubled Alliance 231–243  ; Afflerbach (Hg.), Kriegsherr 418 f.; Hohenlohe-Tb. 4.9.1916, 8.6.1917. 302 APP IV 79, 84. 303 Löwenfeld-Ruß, Volksernährung 230 f. 304 Komjathy (Hg.), GMR 417 (16.10.1916)  ; Gratz/Schüller, Zusammenbruch 66. 305 Redlich-Tb. 6.6.1916. 306 Kundmann-Tb. 4.3.1916. 307 Lilla, Aspekte 239  ; PA I 500, Liasse XLVII/3, Protokoll der Besprechungen am 14./15.4.1916  ; Bericht Burians vom 18.4.1916. 308 Kundmann-Tb. 22.11.1915. 309 APP I 270-2, Jagow an Tschirschky, 16.2.1916. 310 Lemke, Allianz und Rivalität 321. 311 PA I 926, Liasse 11o, fol. 230 (17.1.1916), 369 (28.2.1916). 312 PA I 499, fol. 500 f., 16./17.6.1916. 313 PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, Jagow an Tschirschky 19.6.1916. 314 Kundmann-Tb. 31.1.1916. 315 Baernreither-Tb. XV, fol. 73 (19.11.1915). 316 PA I 502, Liasse XLVII/3-12, fol. 219–230, Briefe Andrians, 26./30.6.1916  ; Paić, Das austropolnische Projekt, fol. 55  ; Paić Notizbücher 25./27.6.1916  ; Conze, Polnische Nation 172 f.; Lemke, Allianz und Rivalität 309 f., 353  ; Gaul, Polish Kingdom 216 f. 317 Mensdorff-Tb. 13./20.7.1916  ; APP I 413 f., 416–420  ; Conze 183. 318 HHStA, Kabinettskanzlei, geheim 21, fol. 64  ; Dolezal, Burian und Polen 121–3. 319 PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, Jagow an Tschirschky, 13.6.1916. 320 APP I 350 (Wilhelm II. an Jagow), 647 (Wedel)  ; vgl. die gegensätzlichen Eindrücke von Hohenlohe Tb. 6.2.1916 und Redlich-Tb. 11.11.1915  ; Bogumil Novotny, Ein Admiral erzählt seinem Enkel 77  ; Dolezal, Burian 117. 321 Hohenlohe Tb. 2.8.1916  ; Conze, Polnische Nation 186. 322 Berchtold-Tb. 3.9.1916  ; Dolezal, Burian 121-139. 323 PA I 502, Liasse XLVII/3-12, Hohenlohe 20.8.1916 (fol. 435), Antwort Burians 21.8.1916  ; Mankoff, Entente and Poland 760 f. 324 PA I 502, Liasse XLVII/3-12, Larisch 8.10.1916  ; Bericht Hohenlohes 116 A–C, 18.10.1916  ; vgl. Steglich/Winterhager, Polenproklamation 116. 325 PA I 502, Liasse XLVII/3-12, fol. 63, p.D. 4971, 8.10.1916  ; APP I 646 (28.12.1916). 326 PA I 503, Liasse XLVII/3-16bis, fol. 129’  ; vgl. auch Conze, Polnische Nation 187 f.; Dolezal, Burian 155–157, 175–181. 327 PA I 502, fol. 179, 23.9.1916. 328 Lemke, Allianz und Rivalität 356.

302

Anmerkungen

329 Dolezal, Burian 198-201  ; Hutten-Czapski, Sechzig Jahre 321 f. 330 Zur Haltung Lubomirskis HHStA, PA I 927, Berichte 46-C (19.8.1916, fol. 97), 60 A-D (3.10.1916, fol. 253). 331 Conze, Polnische Nation 233  ; Hutten-Czapski, Sechzig Jahre 320. 332 Hohenlohe-Tb. 30.11.1916. 333 Nl. Paić, fol. 87–141  ; Conze, Polnische Nation 199, 242–260, 271–282  ; 334 Afflerbach (Hg.), Kriegsherr 878 f. (Plessen-Tb. 11.11.1916)  ; Hohenlohe-Tb. 18.12.1916. 335 Conze, Polnische Nation 257. 336 Hohenlohe-Tb. 30.4.1916. 337 PA I 1013, fol. 526-9, Skrzynski an Andrian, 10.4.1917. 338 Steglich (Hg.), Friedensversuche cxiii, 268. 339 PA I 926, Liasse 11n, Andrian 16.8.1915 (fol. 11), 30.11.1915 (fol. 146)  ; Hauser, Militärverwaltung 56, 116, 155, 174  ; Lemke, Allianz und Rivalität 267. 340 Hohenlohe-Tb. 24.9.1916. 341 Berchtold Tb. 13.9.1916  ; ähnlich  : Hohenlohe-Tb. 3. u. 18.10.1916. 342 PA/AA, Österreich 91/17, Bericht vom 16.3.1914  ; Berchtold-Tb. 11.8.1916. 343 APP I 513-515  ; für weitere Vorstöße gegen Burian vgl. Hohenlohe-Tb. 1.11.1916. 344 PA/AA, Österreich 88/7, Tschirschky an Jagow, 17.9.1916. 345 PA/AA, Österreich 92/3/13, Budapest A 103 (6.12.1915), A 23 (27.4.1915). 346 PA/AA, Österreich 92/3/13, Budapest A 18, 12.7.1916  ; Galantai, Hungary 183 f., 199. 347 Übersetzungen der Reden im Nl. Baernreither 37 (Smrecsanyi 19.9.1916 u. 21.3.1917). 348 Kabinett, geheim 21, fol. 42 ff., Reden Andrássys und Apponyis am 9.9.1916  ; Redlich-Tb. 23. u. 27.8.1916  ; Reichspost 15.9.1916, S. 9  ; Vermes, Tisza 343–5. 349 PA/AA, Österreich 92/3/13, Bericht 5./6.9.1916. 350 RA Windisch-Graetz 651, Notizen 5.9.1916. 351 Hohenlohe-Tb. 24.9.1916  ; FFA, Neubelebung, Protokoll 24.10.1916. 352 RA Windischgraetz 651, Antwort auf Clams Brief vom 9.9.1916. 353 RA Windischgraetz 651, Notizen 6.10.1916  ; Abstimmungsliste im Nl. Czedik. 354 FFA, Neubelebung, Baernreither 26.7.1916. 355 Nl. Kraft 6/6, Protokoll DNV 14.9.1915  ; Reichspost 15.9.1915, S.5. 356 Nl. Beck 33, Julius Benešch 24.7.1916  ; Nl. Czedik, Plener 22.7.1916  ; FFA, Neubelebung, Chlumecky 10.10.1916. 357 Berchtold-Tb. 16.7.1916  ; Meier, Christlichsoziale 14–17. 358 Prager Tagblatt, 20.10.1916 (angeblich von Steinwender)  ; Reichspost 19.9.1916, S.3 (Fuchs)  ; Boyer, Culture and Crisis 399, 621 f. 359 Höbelt, Kornblume 332, 338. 360 PA/AA, Österreich 91/17, Bericht vom 24.1.1916  ; PA I 926, Liasse 11o, fol. 369 (28.2.1916), fol. 118 f. (22.4.1916)  ; Polnische Stimmen 19.2., 18.3., 1.4. u. 29.4.1916  ; Wator, Nationaldemokratie 263. 361 PA I 927, Liasse 11o, fol. 294–299, Andrian 19.5.1916  ; Auersperg 22c, Julius Benešch, Aufstellung über Galizien, 15.9.1917  ; Hauser, Militärverwaltung 44 f.; Lemke, Allianz und Rivalität 274, 278 f., 296, 302–6. 362 Kabinett, geheim 20, fol. 136–151, Denkschrift im Auftrag der politischen Kommission des Polenklubs, 3.6.1916 (= Biliński, Wspomnienia II 398-412)  ; PA I 1067, Warschau, fol. 71–73, 25.7.1916. 363 NFP 5./6.10.1917  ; Biliński, Wspomnienia II 101-104. 364 Jerabek, Brussilow-Offensive 607 f. 365 APP I 478-481, Bericht Tschirschkys, 28.9.1916.

Anmerkungen

303

366 Handel, Erinnerungen 68. 367 Redlich-Tb. 30.8.1916. 368 Handel, Erinnerungen 68, 87–92, 99 f. 369 RA Windisch-Graetz 651, Notizen 1.12.1916. 370 Molisch, Bewegung 246. 371 Maier/Maderthaner (Hg.), Physik und Revolution 11, 27. 372 FFA, Mappe  : Besprechungen Frühjahr 1917, Sternberg (Mai 1917)  ; Maier/Maderthaner (Hg.), Physik und Revolution 12 (Brief vom 21.2.1917), 29 (AZ 22.10.1916). 373 FFA, Neubelebung, gemeinsame Sitzung HH-AH, 23.10.1916. 374 RA WGr 651, Notizen 29.10.1916  ; Friedjung, Geschichte in Gesprächen II 416 f. 375 Tobolka, Denik 13. u. 15.2.1917 (Bericht Staněks über die Unterredung vom 30.11.1916). 376 Redlich-Tb. 12.11.1916  ; Czedik, Ministerien IV 533  ; Sbornik III 253. 377 Lemke, Allianz und Rivalität 368. 378 Wassilko weigerte sich lange zu glauben, dass der Entwurf tatsächlich schon von Stürgkh vorbereitet worden sei  ; vgl. Nl. Wassilko 1, Paul Schulz 17.11.1916  : »Der wahnsinn war längst beschlossen.« 379 Redlich-Tb. 23.11. u. 16.12.1916. 380 PA I 502, Liasse XLVII, Hohenlohe 24.8.1916 (Tel. 242)  ; PA/AA, Österreich 88/7, Tschirschky an Jagow über Helfferichs Eindrücke, 31.1.1916  ; Hohenlohe-Tb. 14.10.1916  ; APP I 541 (Cramon, 4.11.1916). 381 Hohenlohe-Tb. 22.11.1916. 382 PA/AA, Österreich 92/6/8, Sylvester 1916. 383 Redlich-Tb. 27.12.1916. 384 Mensdorff-Tb. 29.12.1916. 385 RA Windischgraetz 651, Notizen 1.12.1916. 386 FFA, Mappe Herrenhaus 17/18, Nostitz 4.12.1916   ; Mappe   : Politik im Kriege, Baernreither 11.12.1916. 387 Nl. Kraft 6/6, Protokoll Arbeitsgemeinschaft 19.12.1916. 388 Prag, Windisch-Graetz an Coudenhove, 8.12.1916  ; Parish-Tb. 8.12.1916  ; Friedjung, Geschichte in Gesprächen II 418-420  ; Höglinger, Clam 109 f. 389 Nl. Kraft 6/6, DNV 19.12.1916. 390 PA/AA, Nl. Brockdorff-Rantzau 2/3. 391 Vgl. z. B. Cramon, Bundesgenosse 97 f., 116  ; Winter vertrat diese Ansicht im Rahmen eines Symposiums (»How Fighting Ends«) in Leeds im Juni 2009. 392 Lemnitzer, 1856 Declaration. 393 Coogan, End of Neutrality 106 ff.; Osborne, Blockade 27-29. 394 Coogan, End of Neutrality 160 f., 167  ; Klinkert/Kruizinga/Moeyes, Nederland Neutraal 135 ff.; Osborne, Blockade 62-64. 395 Uhle-Wettler, Tirpitz 377 f.. 396 APP I 405, 13.7.1916  ; Coogan, End of Neutrality 180, 193, 216, 254. 397 PA/AA, Österreich Botschaft 7, Nr. 76, 15.12.1915  ; Halpern, Meditteranean 194-198  ; Aichelburg, U-Boote 129–132  ; Davis, ›Ancona’-Affair  ; Link, Wilson IV 62–72. 398 Dumba, Dreibund 406-9  ; Horcicka, Dumba-Archibald-Affäre  ; Link, Wilson III 645-50, Phelps, U.S.-Habsburg Relations 226 ff. 399 Link, Wilson IV 102–138  ; Larsen, War Pessimism 810–814. 400 Link, Wilson IV 167–193  ; Doenecke, New History 159–166. 401 Birnbaum, Peace Moves 86, 90.

304

Anmerkungen

402 Link, Wilson V 65–69, 113 f.; Soutou, L’or et le sang 365 f. 403 HHStA, PA XXXIII 52, Bericht 38 A-B, 15.11.1916  ; vgl. Link, Wilson V 149, 160. 404 Burk, Sinews of War 66–75. 405 Burk, Sinews of War 26, 57, 84 f., 92, 234  ; Link, Wilson V 200–202  ; Soutou, L’or et le sang 124–7, 342–6, 373–7  ; Rosenbaum, Warburg 137  ; Cooper, Gold Balance 221–5. 406 Hadler (Hg.), Weg von Österreich 409  ; ganz ähnlich Temperley Diaries 106 (22.2.1917), bzw. über Rumänien  : »Every Jew is of course a natural German spy« (163, 4.7.1917) 407 Reid, Empire of Sand 125. 408 Levene, Balfour Declaration 58, 76  ; vgl. auch Sebag Montefiore, Jerusalem 498, 521  ; Friedman, Germany, Turkey and Zionism 336, 382, 417  ; Reid, Empire of Sand 39, 101, 115, 134  ; Ferguson, Der falsche Krieg 232 f. 409 Temperley Diaries 195 f. (8.10.1917). 410 Burk, Sinews of War 95  ; Soutou, L’or et le sang 371, 389. 411 Uhle-Wettler, Tirpitz 383. 412 Hohenlohe-Tb. 6.3.1916  ; Birnbaum, Peace Moves 50, 59  ; Afflerbach (Hg.), Kriegsherr 821. 413 Hohenlohe-Tb. 26.3.1916  ; Link, Wilson IV 223-279  ; Afflerbach, Falkenhayn 395–403  ; Uhle-Wettler, Tirpitz 390-3. 414 Diskussion anlässlich der Tagung in Wien über den Krieg auf dem Balkan 2009. 415 Bongard, Zentrumsresolution 47–56. 416 APP I 535-9, 581, 591 f. 417 Birnbaum, Peace Moves 152, 223, 230, 247  ; Steglich, Bündnissicherung 49-54, 89 f., 95–100, 105  ; Steglich/Winterhager, Polenproklamation 118. 418 PA I 503, Liasse XLVII/3-16bis, fol. 153’ (15./16.11.1916). 419 PA I 522, Liasse XLVII/8b, Hohenlohe Tel. 292, 1.10.1916. 420 Turner, British Politics 125 ff.; Soutou, L’or et le sang 369–372. 421 Link, Wilson V 265–272  ; Knock, End All Wars 112 ff. 422 Doenecke, New History 234  ; Link, Wilson V 199  ; Soutou, L’or et le sang 377. 423 Birnbaum, Peace Moves 281-323  ; Nassua, Zimmermann-Telegramm 10 f. 424 Epkenhans (Hg.), Hopman-Tb. 4.2.1917. 425 Müller-Tb. 6.2.1917. 426 Aichelburg Ü-Boote II 150-3, 473  ; Trulei, U-Boot-Kommandanten 133 ff. 427 Schon im Herbst  ; vgl. PA I 503, Liasse XLVII/3-15, Beilage zu Bericht 97/P (4.9.1916). 428 Nl. Szapary 6, Protokoll der U-Boot-Konferenz 20.1.1917  ; Polzer-Hoditz, Geheimmappe 272 f.; Halpern, Haus 301 ff. 429 Komjathy (Hg.), GMR 457 (22.1.1917)  ; vgl. auch Hohenlohe-Tb. 13. u. 29.1.1917  ; PA I 1092a, Protokoll der Sitzung vom 20.1.1917  ; Gonda, Unrestricted Submarine Warfare  ; Horcicka, United States Entrance. 430 PA I 583, fol. 535–550 (Rede 13.6.1917)  ; Martin, AEF. 431 PA I 503, Liasse XLVII/3–15, Kopenhagen, Tel. 26, 22.1.1917  ; PA I 952, Liasse 25e, Czernins Tel. 63, 7.1.1917, Hohenlohe-Tb. 18.5.1917  ; Romero Salvado, Between War and Revolution 84–88  ; ders., Spain 40–42. 432 PA I 1049, Liasse 61b, Antworten auf das Rundschreiben vom 21.2.1917 433 PA I 503, Liasse XLVII/3–15, Bericht 9/P A-B, 18.1.1917. 434 PA I 503, Liasse XLVII/3–15, fol. 15–19  ; Sieche, Zeittafel 138, 143, 153, 160, 166. 435 PA III 173, Bericht 4/P, 10.1.1917  ; vgl. auch Afflerbach (Hg.) Kriegsherr 885. 436 Link, Wilson IV 213 (15.3.1916)  ; V 294–296.

Anmerkungen

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437 Vandiver, Pershing 601  ; Katz, Secret War 334 ff.; Link, Wilson IV 200–213, 282–313, V 332–336. 438 PA I XXXIV 14, Liasse III, Bericht 2/P, 29.2.1916. 439 PA I XXXIV 14, Liasse III, Bericht 1/P, 5.2.1915  ; vgl. Smith, Last Trumpet 147 (»not normal in his casual manner of taking lives and taking women«)  ; Katz, Villa 499 ff. 440 Link, Wilson V 381 f.; Burk, Sinews of War 94 f.; Soutou, L’or et le sang 460 ff.; Kennedy, Profiles in Courage 214 f., jüngst Boghardt, Zimmermann Telegramm (vgl. Rezension in ihr 36 [2014] 804). 441 FRUS US Kr erkl. 442 APP II 298, Stegemann, Marinepolitik 63, 75, 101. 443 Afflerbach (Hg.), 475 (Lyncker-Briefe 18.3.1917)  ; Hohenlohe-Tb. 1.5.1917  ; APP II 29. 444 Berchtold-Tb. 21.8.1916. 445 FFA Donaueschingen, Protokoll Baernreithers  ; das Memorandum vom 12.7.1916 abgedruckt in APP I 402-4. 446 Komjathy (Hg.), GMR 440 ff. (12.1.1917). 447 APP II 51 (26.3.1917)  ; Fried, War Aims 202. 448 Geheimes Kabinettsarchiv 20, 1913–15, fol. 180–6 (4.12.1915). 449 Näher ausgeführt in Höbelt, Mourir pour Liege  ? 450 Larsen, War Pessimism 798. 451 Komjathy (Hg.), GMR 492 f. (16.3.1917)  ; Polzer-Hoditz, Geheimmappe 320 ff.; Grieser-Pecar, Mission Sixtus 69 ff. 452 Shanafelt, Mission to Romania 212. 453 APP II 56, Aufzeichnung des Treffens mit Bethmann, 26.3.1917. 454 Undatierte Denkschrift Czernins in Werkmann, Verbündeter 158. 455 APP II 50–60  ; Meckling, Außenpolitik 248  ; Fischer, Griff 474. 456 Czernin, Brief-Affaire 22–24. 457 Czernin, Im Weltkrieg 98. 458 Fischer, Griff nach der Weltmacht 540, vgl. auch Kovacs (Hg.), Dokumente 254 (12.9.1917). 459 Hohenlohe-Tb. 23.5.1917. 460 PA I 1074, Cetinje, fol. 102, 18.8.1917. 461 Soutou, Marches de l’Est 371–4   ; Newhall, Clemenceau 332 ff., 349, 368 ff. 462 Kovacs, Karl I.(IV.) 172. 463 Thompson, White War 241–5, 279–282  ; Rocca, Cadorna 239–243  ; Rothwell, British War Aims 110– 6  ; Terraine, Haig 330–5, 356 f. 464 Tobolka-Tb. 24.5.1917. 465 Parish-Tb. 19.3.1917. 466 Parish-Tb. 17.4.1917. 467 Czernin, Im Weltkrieg 229. 468 PA I 1013, fol. 79 ff. (Hohenlohe 12.2.), fol. 69 ff. (Ugron 19.2.1917), fol. 180 ff. (Czernin 27.2.1917). 469 Hutten-Czapski, Sechzig Jahre II 418. 470 Tobolka-Tb. 10.2.1917. 471 Parish-Tb. 18. u. 31.1.1917  ; vgl. Höbelt, Unendliche Geschichte 42 f. 472 Nl. Baernreither 38, Entwurf Handel 11.3.1917. 473 Nl. Czedik, Beck 15.2.1912  ; Nl. Baernreither 38, Bobrzynski an Clam, 24.4.1917  ; Biliński, Wspomnienia II 128-135. 474 Nl. Baernreither 38, Protokoll der Sitzung im Rathaus  ; Waber, Zur Sonderstellung Galiziens (10.2. 1917)  ; Beschluß des Nationalverbandes 23.2.1917  ; Entwurf Handel 28.2.1917  ; Reichspost 17.2.1917  ; Nl. Groß 4, fol. 576 ff.; Stöckler, 27.1.1917  ; fol. 566 (Vollversammlung 9.11.1916).

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Anmerkungen

475 Nl. Baernreither 38, Protokoll Sitzung 3.2.1917 mit Wodzicki und Badeni  ; Briefe Bobrzynski 24.1. u. 16.2.1917  ; PA I 1013, Besprechung Czernins mit Mitgliedern der polit. Kommission des Polenklubs, 22.2.1918 (fol. 147). 476 Nl. Handel 2, fol. 15  ; Nl. Baernreither 38, Waber, 10.2.1917 (Zur Sonderstellung Galiziens)  ; Beschluß des NV 23.2.1917  ; MS Urbans zur polnischen Frage ( Juni 1918). 477 Vgl. Kalwoda, Geschäftsordnung. 478 Parish-Tb. 4.2.1917, 7.4.1917. 479 Parish-Tb. 3.2.1917. 480 Baernreither-Tb. XVII, fol. 61 (7.3.1917)  ; vgl. die Entwürfe vom 11.1. und 3./18.4.1917 im Nl. Handel 2, fol. 187–196, 281–290, 421 ff., der Kreisordnungen fol. 303, 372, 382 ff. 481 Höglinger, Clam 89 ff.; Höbelt, Consensual Coup d’Etat. 482 StPAH XXII 2894  ; vgl. auch Höglinger, Clam 140 f., 145 f. 483 Tobolka-Tb. 22./23.1. u. 31.1.1917  ; Parish-Tb. 31.1.1917  ; Rees, Czechs 26 f. 484 Tobolka-Tb. 20.5.1917  ; Rees, Czechs 41  ; Tobolka, Dějiny IV 233 ff.; Paulová, Tajný výbor 187, 211, 269. 485 Parish-Tb. 3.2.1917  ; Županič, Parishové. 486 Tobolka-Tb. 13.4.1917 (S. 340 f.)  ; Parish-Tb. 2.4.1917. 487 Tobolka-Tb. 9.3.1917, Brief Tusars an Šmeral 27.3.1917  ; Parish-Tb. 13.3.1917  ; Reichspost 17.2.1917. 488 Baernreither-Tb. XVII, fol. 61 (7.3.1917). 489 APP II 126, Anm. 2 (17.4.1917)  ; zu Wedel vgl. APP I 646 (28.12.1916), II 203 (15.5.1917)  ; Koralka, Germany’s attitude. 490 Parish-Tb. 12.7.1917  ; Meckling, Aussenpolitik 72 f. 491 Parish-Tb. 17.4.1917. 492 Parish-Tb. 23.6.1917. 493 Nl. Baernreither 38 (und Nl. Handel 1), Brief Bobrzynksis an Clam, 14.4.1917  ; Biliński, Wspomnienia II 128-138. 494 Conze, Polnische Nation 242 ff., 280 ff. 495 Biliński, Wspomnienia II 140  ; Wator, Nationaldemokratie 265–269, Seiwald, Polenpolitik 73 f. 496 PA I 504, fol. 1001, Telegramm an Clam, 18.5.1917. 497 Nl. Breisky E 1713/10, Protokoll Konferenz v. 19.3.1917 (Wiederaufrichtung Galiziens)  ; Kopie MRPräs. 1595 ex 1917  ; Biliński, Wspomnienia II 152. 498 Stochel-Nabielska, Parteienspektrum 337 ff. 499 Lubomirska-Tb. 691 (18.10.1918)  ; Witos, Wspomnienia I 310. 500 Nationaldemokraten und Sozialisten zählten je acht Abgeordnete  ; fünf waren parteilos  ; NFP 6.9.1917, S. 3. 501 Tobolka-Tb. 24.5.1917. 502 Baernreither-Tb. XVIII, fol. 14 (27.6.1917)  ; Seidler, Aus schwerer Zeit (NFP 20.7.1924, S.4). 503 Paulová, Tajný výbor 211. 504 Paulová, Tajný výbor 186 f. 505 StPAH XXII 34 (30.5.1917)  ; Tobolka-Tb. 12., 16.–18., 23., 28.5.1917  ; Paulova, Tajný Vybor 223-6. 506 Tobolka-Tb. 27.5.1917. 507 Tobolka-Tb. 1.5.1917  ; Memo. Ebd. 386-399  ; Nl. Gross 4, Lodgman  : Mein politisches Glaubensbekenntnis, Sept. 1917, vgl. Höbelt, Militärregime 760 f. 508 Tobolka-Tb. 412  ; Tobolka, Dejiny IV 239-251. 509 Bister, Korošec 239. 510 Kalwoda, Dalmatien  ; Lukan, Slowenische Politik 161–163  ; Paulova, Tajný Vybor 236.

Anmerkungen

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511 Paulová, Tajný výbor 237  ; Lukan, Krek 210 f.; Bister, Korošec 214–218. 512 Tobolka-Tb. 422 (12.7.1917)  ; StPAH XXII 443 (26.6.1917). 513 Tobolka-Tb. 11./12.7., 25./26.7.1917  ; Parish-Tb. 24. u. 27.7.1917  ; Baernreither-Tb. XVIII, fol. 21  ; Paulová, Tajný výbor 285 f., 291-5. 514 PA/AA, Österreich 86/1, Sylvester 1916. 515 Hohenlohe-Tb. 6.7.1918  ; Cramon, Bundesgenosse 107 f., 134  ; Broucek (Hg.), General im Zwielicht I 399. 516 Marterer-Tb. 10.3.1917. 517 PA/AA, Österreich 92/6/8, Tel. 53, 8.6.1917  ; Fischer, Jaszi und Karolyi 25. 518 Übersetzungen der Reden finden sich im Nl. Baernreither 37. 519 Geyr, Wekerle 213 f., 323  ; Vermes, Tisza 121, 135, 192. 520 Reden Andrássys 8. Feb., Tiszas 19. Feb. 1917 (Nl. Baernreither 37). 521 Miklos Banffy, Verschwundene Schätze. Roman (Wien 2013) 344. Das Original erschien 1937 in Budapest. 522 Czernin, Im Weltkrieg 186  ; vgl. auch Kovacs (Hg.), Dokumente 523 Nl. Groß 4, Gabelsberger-Notizen 23.10.1916. 524 Marterer-Tb. 28.4.1917  ; Kovacs (Hg.), Dokumente 608 f.; Hubert, Schober 32  ; Stiefel, Castiglioni. 525 PA/AA, Österreich 92/3/13, Budapest A 6, 26.1.1917. 526 Karolyi, Mein Kampf 53  ; Batthyány, Ungarn 38  ; Erenyi, Tisza 173, 180  ; Bled, Franz Ferdinand 144  ; Höbelt, Franz Ferdinand 21 f. 527 Rede vom 26. Feb. 1917 (Dt. Übersetzung Nl. Baernreither 37)  ; Erenyi, Tisza 148, 326. 528 PA/AA, Österreich 92/6/8, Wien Tel. 285, 22.5.1917  ; Vermes, Tisza 399 f.; Batthyány, Ungarn 92, 104. 529 Erenyi, Tisza 324–328  ; Karolyi, Mein Kampf 200 ff.; Galantai, Hungary 248 f.; zu Zichy, den auch Tisza empfahl  : PA/AA, Österreich 92/3/13, Budapest A 23, 16.3.1917  ; NFP 18.9.1917, S. 5, PolzerHoditz, Geheimmappe 413-9. 530 Nl. Wassilko 3, Konvolut 5, Briefe Diner-Denes 6.6., 14.6., 1.7.1917  ; Vermes, Tisza 415, Maruzsa, Tisza 180 f. 531 Galantai, Hungary 296 f.; Vermes, Leap into the Dark 40  ; Maruzsa, Tisza 186  ; die letzte Änderung nicht berücksichtigt bei Geyr, Wekerle 378 f. 532 Karolyi, Mein Kampf 210, 261  ; Vermes, Leap into the Dark 38 f.; Erenyi, Tisza 329  ; vgl. auch NFP 16.9.1917, S. 3 über Vázsonyis Entwurf. 533 PA/AA, Österreich 92/6/8, Tel. 249, 22.8.1917  ; Vermes, Tisza 404 f. 534 Marterer-Tb. 5.7.1917. 535 PA/AA, Österreich 92/6/8, Wien Tel. 249, 22.8.1917  ; Geyr, Wekerle 27, 364. 536 Karolyi, Mein Kampf 259 f.; Galantai, Hungary 257  ; Erenyi, Tisza 340. 537 PA/AA, Österreich 92/6/8, Budapest Tel. 149-151, 27./30.10.1917. 538 PA/AA, Österreich 92/6/8, Budapest Tel. 12, 17.1.1918  ; Baernreither-Tb. XVIII, fol. 95, 101 (3./5.1. 1918)  ; Marterer-Tb. 4.12.1917, 7.1.1918  ; Kovacs (Hg.), Dokumente 331  ; Geyr, Wekerle 372  ; Galantai, Hungary 284 f.; Erenyi, Tisza 345 f.; Polzer-Hoditz, Geheimmappe 543 f.; Maruzsa, Tisza 182. 539 StPAH XXII 441 (Huber, 26.6.1917). 540 Landwehr 163–169  ; Löwenfeld-Ruß 189–197  ; 541 Pitreich-Tb. 1.6.1917. 542 StPAH XXII 829 (Brunner, 10.7.1917)  ; Parish-Tb. 30.12.1916, 12.3.1917. 543 Landwehr, Hunger 109  ; Gratz/Schüller, Zusammenbruch 73  ; Pattera, Ernährungsausschuß 210  ; Krauß, Ursachen 108  ; Polzer-Hoditz, Geheimmappe 613. 544 Seidler, Aus schwerer Zeit (NFP 2.9.1924, S.2)  ; Deutsches Agrarblatt 16.3.1918.

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Anmerkungen

545 NFP 15./17.5.1918  ; Wieser-Tb. 13.6.1918  ; Rokosny, Beran 95-99. 546 PA/AA, Österreich 92/6/8, Wien Tel. 335, 1.12.1916  ; 547 PA/AA, Österreich 92/6/8, Wien Tel. 200, 20.3.1917. 548 Karolyi, Mein Kampf 289. 549 Landwehr, Hunger 52, 84  ; Gratz/Schüller, Zusammenbruch 60  ; Demblin, Aufzeichnungen 200 (16.1.1918). 550 Nl. Baernreither 37, 1917/18, fol. 17–27, Scheiben Seidlers, 25.8.1917  ; Landwehr, Hunger 104, 108, Gratz/Schüller, Zusammenbruch 73  ; Löwenfeld-Ruß, Volksernährung 152 f.; Windischgraetz, Helden und Halunken 105–111. 551 Landwehr spricht vom 8. Oktober  ; was nicht mit Demblins Aufzeichnungen übereinstimmt  ; vgl. dagegen Pitreich-Tb. 24.10.1917, 7.2.1918. 552 Wegs, Transport 133  ; Rauchensteiner, Weltkrieg 814 f. 553 PA/AA, Österreich 92/6/8, 28.1.1918  ; Pitreich-Tb. 20.3.1918  ; Geyr, Wekerle 374  ; Maruzsa, Tisza 182 f.; Karolyi, Mein Kampf 266, 294, 305. 554 Nl. Groß 5, Konvolut  : Zusammenarbeit Parlamentarier, Albert Berzeviczy 14.12.1916. 555 Geyr, Wekerle 238 f., 386 f.; Spitzmüller, Ursach 40–43, 62, 69, 78. 556 Rede vom 3. März 1917 (Nl. Baernreither 37), vgl. auch Erenyi, Tisza 169, 328. 557 StPAH XXII 414 f. (26.6.1917)  ; Baernreither-Tb. XVIII, fol. 97  ; vgl. auch Kosnetter, Seidler 3 ff. 558 Redlich-Tb. 9.8.1915. 559 StPAH XXII 1602 (18.10.1917). 560 StPAH XXII 443, 446, 483 (26.6.1917)  ; Luft, Führungsschichten 433, A 259 ff. 561 Seidler in NFP 20.7.1924, S. 3. 562 StPAH XXII 817, 851 (10.7.1917). 563 StPAH XXII 424, 427 (Parrer, 26.6.1917), 217 (Łazarski, 13.6.1917)  ; Parish-Tb. 20.5.1917. 564 Müller, Prozeß 221 ff.; Tobolka-Tb. 2.7.1917  ; Kovacs (Hg.), Dokumente 611 f. 565 Parish-Tb. 4.7.1917  ; vgl. Redlich-Tb. 25.8.1917  ; Polzer-Hoditz, Geheimmappe 441. 566 Nl. Banhans, Via vitae II/4, fol. 94–102  ; Hohenlohe-Tb. 5.7.1917. 567 Parish-Tb. 12./14.6.1917  ; Höbelt, Parteien und Fraktionen 999. 568 Redlich-Tb. 3.–8.7.1917  ; 1./3.8.1917  ; Baernreither-Tb. XVIII, fol. 32, 39 (5./9.7.1917)  ; Benedikt, Meinlgruppe 136 f., 151 f.; Polzer-Hoditz, Geheimmappe 450 ff. 569 Parish-Tb. 17. u. 24.8.1917. 570 PA/AA, Österreich 91/17, 8.7.1917. 571 Redlich-Tb. 21.8.1917  ; Allmayer-Beck, Anton Beck 52 ff.; Polzer-Hoditz, Geheimmappe 468–477. 572 Seidler, Aus schwerer Zeit (NFP 25.7., 2.8.1924, S.3)  ; Polzer-Hoditz, Geheimmappe 606 ff. 573 Slg. Rutkowski, Turba an Lobkowitz, 7.5.1917  ; Nl. Franz Ferdinand 8, Bardolff Nr. 1a (o. D., 1912). 574 Tobolka-Tb., Brief Tusars 21.4.1917  ; Seidler in NFP 20.7.1924, S. 4  ; Bister, Korošec 249 ff.; Rahten, Šusteršič 287 ff.; Rumpler, Hussarek 80  ; Lukan, Krek 205–221  ; Bobic, Dilemmas 149 f.; Monzali, Dalmatia 339. 575 Nl. Wassilko 3, Brief vom 3.9.1917. 576 Parish-Tb. 4./7.10.1917  ; Rumpler, Völkermanifest 17. 577 Redlich-Tb. 1./3.8.1917  ; Tobolka-Tb. 28.7. u. 12.8.1917, Brief Staněks 4.8.1917  ; Paulova, Tajný Vybor 287, 298  ; Karnik, Na rozcesti 155 ff.; Vykoupil, Střibrny 56 ff. 578 Slg. Rutkowski, Parish an ›Fido‹, 29.7.1917  ; Parish-Tb. 2.11.1917. 579 Paulova, Tajný Vybor 333 f. 580 NFP 25.9.1917, S. 5. 581 StPAH XXII 1251 (27.9.), 1362 (2.10.), Delegationswahl  : 1977 (13.11.1917).

Anmerkungen

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582 StPAH XXII 1176 (25  ?.9.), 1213 (26.9.), 1346, 1362 (2.10.1918), 1280 (27.9.1917). 583 Kabinettsakten, geheim 21, fol. 128–135. 584 Meckling, Außenpolitik 190. 585 Meier, Christlichsoziale 183. 586 PA I 536, fol. 217 (4./6.12.1916). 587 Zitiert bei Habsburg-Lothringen, Bayerische Beziehungen 182. 588 PA III 173, Bericht 33-B, 5.3.1917. 589 PA I 1092a, Nl. Czernin, Tel. 314, 2.5.1917  ; Bericht 65, 4.5.1917  ; PA I 536, fol. 118–131, Czernin an Hohenlohe, 6.5.1917  ; Epstein, Erzberger 190, 194  ; Steglich, Friedenspolitik 84, 125  ; Cramon, Bundesgenosse 114 f., 127 f.; Werkmann, Verbündeter 175–9, 262 f. 590 Karolyi, Mein Kampf 199, 222, 225, 227, 237 f.; Batthyány, Ungarn 111. 591 Opitz/Adlgasser (Hg.), Zerfall 68 (3.10.1917). 592 APP II 525 (Kühlmann, 3.11.1917)  ; Afflerbach (Hg.), Kriegsherr 509, 512 (Lyncker-Briefe 17. u. 25.6.1917) 593 Cramon, Bundesgenosse 151  ; APP II 297 (Konferenz mit Michaelis, 1.8.1917). 594 Baernreither-Tb. XVIII, fol. 18 (24.6.1917)  ; Meckling, Außenpolitik 227 (Hohenlohe 25.4.1917)  ; Konferenz mit Michaelis, 1.8.1917. 595 Steglich, Friedensversuche xiv–xxxviii, 5–91, hier  : 19 f.; Stevenson, French War Aims 74  ; Soutou, Marches de l’Est 377 f. 596 Hohenlohe-Tb. 10.7.1917  ; PA I 504, fol. 956–960, Bericht Hohenlohes 11.7.1917  ; Erzberger, Erlebnisse 262. 597 PA I 504, fol. 930–4, Bericht Hohenlohes 16.7.1917  ; Pyta, Hindenburg 278. 598 PA III 173, Bericht 152 A, 3.11.1917. 599 APP II 380, 390. 600 Fischer, Griff 535–8, 544–6. 601 Kovacs (Hg.), Dokumente 254 (12.9.1917)  ; Steglich (Hg.), Friedensversuche 2X ff.; Marterer-Tb. 26. u. 31.8.1917  ; Schöckl, Isonzofront 106, 131, 135, 143. 602 Hohenlohe-Tb. 6.11.1917. 603 Steglich (Hg.), Friedensversuche 65 (Kühlmann an Grünau, 5.9.1917). 604 Mayerhofer, Deutsche Besatzung 158, auch 44, 295, 377. 605 APP II 488 (7.10.1917). 606 StPAH 214–220 (13.6.1917)  ; Wator, Nationaldemokratie 269 f.; Nl. Baernreither 38, Bericht des LTAbg. Raczynski ( Juni 1915). 607 NFP 3./4.9.1917  ; 24.9.1917, S.5  ; 26.9.1917, S.7  ; Wator, Nationaldemokratie 271 f. 608 Conze, Polnische Nation 289 f., 302–318  ; Makilla, Proto-Parliament. 609 StPAH XXII 1744 (23.10.1917)  ; NFP 18. u. 23.10.1917  ; Höbelt, Fraktionen 1002. 610 StPAH XXII 1738, 1744 (23.10.1917). 611 PA I 583, fol. 726. 612 PA I 1013, fol. 222, Hoenning 14.3.1917  ; allerdings kein Hinweis in Lubomirska-Tb.; Höbelt, Unendliche Geschichte 45 f. 613 Conze, Polnische Nation 309  ; Seiwald, Polenpolitik 138  ; Lubomirska-Tb. 14.6., 1.7., 28.9.1917. 614 Hohenlohes Briefe in PA I 536, fol. 98-104 (30.9.1917, privat), 81–9 (6.10., offiziell). 615 Komjathy (Hg.), GMR 568 (6./15.9.1917)  ; Soutou, L’or et le sang 711. 616 Bihl, Brest-Litovsk 21 f. (Czernin an Karl, 24.12.1917). 617 PA I 1092a, Nl. Czernin, Entwurf eines nicht abgeschickten Schreibens, 16.10.1917.

310

Anmerkungen

618 Kovacs (Hg.), Dokumente 188–191 (Karl an Czernin, 14.5.1917)  ; Czernin, Im Weltkrieg 286 f., Marterer-Tb. 31.8.1917. 619 Marterer-Tb. 10.10.1917  ; Demblin 45 (11.10.1918). 620 Hohenlohe-Tb. 31.8., 3.9., 8.9., 17.9.1917  ; Czernin, Brief-Affaire 12  ; Erzberger, Erlebnisse 120 f. 621 Hohenlohe-Tb. 4.2. (»Brouille«) . 8.9.1917  ; vgl. auch Kovacs (Hg.), Dokumente 321. 622 Demblin (Hg.), Aufzeichnungen 34 f. (20./21.9.1917)  ; Marterer-Tb 24.11.1917  ; Hohenlohe-Tb. 12.9.1917. 623 Zecha, Giftgas 72  ; Schöckl, Isonzofront 318 ff.; Thompson, White War 296-324  ; Rauchensteiner, Weltkrieg 818 ff. 624 Marterer-Tb. 9./11.11.1918  ; Steglich, Friedenspolitik 239. 625 Czernin, Im Weltkrieg 298 (17.11.1917)  ; vgl. Meckling, Außenpolitik 250–4 626 Steglich, Friedenspolitik 243 f., 252 f., 298. 627 Service, Lenin 338 ff. 628 KA, B/198  :3, fol. 8, 46 (11.1.1918)  ; Baumgart, Ostpolitik 20  ; Temperley Diaries 236 (20.1.1918). 629 Bihl, Brest-Litovsk 97 f. 630 Liulevicius, Kriegsland 250, 255. 631 Bihl, Brest-Litovsk 131. 632 Höbelt, Unendliche Geschichte 47. 633 APP III 120 f. (Wedel 14.12.1917)  ; 203–5  ; 215–7 (Kronrat 7.1.1918)  ; Steglich/Winterhager, Polenproklamation 143  ; Baumgart, Ostpolitik 66 f.; Geiss, Grenzstreifen 124–137  ; Pyta, Hindenburg 311 ff. 634 Gratz, Augenzeuge 115, 120, 127. 635 Marterer-Tb. 22.1.1918  ; B/198  :3 (Nl. Csicserics), fol. 72 (20.1.1918)  ; Berchtold-Tb. 25.1.1918  ; Demblin, Aufzeichnungen 61 (18.1.), 63 (23.1.1918), 228 f. 636 PA I 583, fol. 625’ (23.1.1918)  ; APP III 170 f., 182–184 (27.12.1917)  ; Meckling, Außenpolitik 288– 295. 637 Torrey (Hg.), Berthelot-Tb. 18.11., 2. & 27.12.1918  ; Kettle, Russia and the allies 119, 142 ff.; Carley, Origins. 638 Fischer, Weltmacht 624  ; Meckling, Außenpolitik 218. 639 Demblin, Aufzeichnungen 208 (Telegramm Czernins 17.1.1918). 640 Opitz/Adlgasser (Hg.), Zerfall 115  ; Kindler, Cholmer Frage 116 f., 226, 260, 281, 304  ; 641 B/198  :3, fol. 63 (15.1.1918). 642 Komjathy (Hg.), GMR 630 (22.1.1918)  ; Hornykiewicz (Hg.), Ereignisse II 96–180  ; Wargelin, Price of Bread 776–778  ; Horak, First Treaty. 643 APP III 271 f. 644 Plaschka, Innere Front I 66. 645 PA I 583, fol. 617’, Besprechung 23.1.1918  ; Marterer-Tb. 18.1.1918. 646 B/198  :3, fol. 1 (3.1.1918). 647 Flanner, Auslösung 156. 648 StPAH XXII 2820-4 (22.1.1918)  ; Demblin, Aufzeichnungen 217  ; Unfried, ›Linke‹ 116–119. 649 Slg. Rutkowski, Parish an ›Fido‹, 25.1.1918  ; Plaschka, Innere Front I 71. 650 Demblin, Aufzeichnungen 60 f. (16.1.1918), 198, 200, 215 (Telegramme Czernins 15./16.,18.1.1918), 203, 206 (Telegramme Demblins 16./17.1.1918). 651 Komjathy (Hg.), MRP 630 f. (22.1.1918)  ; Demblin, Aufzeichnungen 204 (Telegramm 16.1.1918). 652 Demblin, Aufzeichnungen 65 (27.1.1918). 653 Marterer-Tb. 29.1.1918  ; Parish-Tb. 6.2.1918  ; Berchtold-Tb- 6.2.1918  ; Schönburg-Memoiren, fol. 278 f.; Plaschka, Innere Front I 159–165.

Anmerkungen

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654 StPAH XXII 2812 (Klofáč, 22.1.), 2895 (Tusar, 23.1.1918). 655 Paulova, Tajný vybor 373–6. 656 FRUS 1918, Supplement I 15 f.; Unterberger, Rise 104–114. 657 HHStA, PA I 583, fol. 318–333  ; Meckling, Außenpolitik 324–6  ; Czernin, Im Weltkrieg 260 f., 403 f. 658 Slg. Rutkowski, Parish an ›Fido‹, 4.12.1917. 659 Parish-Tb. 22.4.1918. 660 Baernreither-Tb. XVIII, fol. 129 (11.2.1918)  ; Marterer-Tb. 7.2.1918  ; Parish-Tb. 22.4.1918  ; Höbelt, Kornblume 344. 661 Marterer-Tb. 9. & 18.2.1918  ; Demblin, Aufzeichnungen 68 (9.2.1918)  ; Werkmann, Verbündeter 186. 662 Komjathy (Hg.), GMR 628  ; PA I 1092a, Tel. Wiesners 10.2.1918. 663 B/198  :3, fol. 109 f. (10.2.1918). 664 Hohenlohe-Tb. 31.1.1918  ; Hornykiewicz (Hg.), Ereignisse II 286 f., 327  ; Dornik/Lieb, Ukrainepolitik 114 f. 665 Komjathy, Brest-Litowsk  ; Carr, Revolution III 58-67. 666 Baumgart, Ostpolitik 27, 186. 667 Hornykiewicz (Hg.), Ereignisse IV 16  ; Dornik/Lieb, Ukraine 228  ; Fong, German Divisions. 668 Meckling, Außenpolitik 300  ; Werkmann, Verbündeter 188–191. 669 Bornemann, Bukarest 44  ; Kovacs (Hg.), Dokumente 323, 329. 670 PA XL 57, Mappe Demblin, Tel. 116 (4.4.1918)  ; PA I 1092a, Czernin an Berchtold, 11.8.1928  ; APP III 195 f.; Czernin, Im Weltkrieg 356  ; Torrey, Marghiloman. 671 Dornik/Lieb, Ukrainepolitik 113. 672 Steglich (Hg.), Friedensversuche 304, 366. 673 Horcicka, Mission in Moskau 496 f., 507. 674 PA I 1023, Tel. 897 (24.12.), 914 (27.12.) & 928 (29.12.1917)  ; Neues Wiener Journal, 19.5.1918  ; Spitzmüller-Tb. 22.6.1913, 4.4.1914 (auch 19.4. u. 3.5.1914)   ; Baernreither-Tb. XVII, fol. 93   ; Berchtold-Tb. 25.2.1918  ; StPAH XXII 3252 (21.2.1918). 675 HHStA, PA I 583, fol. 224, Warnung Baernreithers, 19.3.1918  ; fol. 501 ff. Listen der Mitglieder. Von den 60 Delegationsmitgliedern galten als absolut zuverlässig nur mehr die 15 Deutschbürgerlichen und die 14 Mitglieder von Linker und Mittelpartei des Herrenhauses. 676 Lubomirska-Tb. 666 (1.9.1918)  ; Paić, Austropolnisches Problem 164  ; Hauser Militärverwaltung 230–240  ; Hutten-Czapski, Sechzig Jahre 495  ; Höbelt, Unendliche Geschichte 51 f.; Mick, Lemberg 170-177. 677 Parish-Tb. 18.3.1918  ; Clark, Life in Power 315. 678 StPAH XXII 3289 (22.2.1918)  ; Slg. Rutkowski, Parish an ›Fido‹, 10.4.1918. 679 Czernin, Im Weltkrieg 283  ; Fischer, Weltmacht 688. 680 Parish-Tb. 24. u. 27.2., 17.3.1918. 681 Slg. Rutkowski, Parish an ›Fido‹, 17.2.1918  ; Nationalarchiv Prag, PM 1911–1920, K. 4953, Sign. 8/1/4/17, Bericht 11.3.1918. 682 KA, B/874  :150 (Erinnerungen Eichhoffs), fol. 35 ff.; Rumpler, Völkermanifest 29 f.; Marterer (Tb. 17.1.1918) charakterisierte Kelsen als »einen Juden, der mit absoluter Unfehlbarkeit auftritt«. 683 Parish-Tb. 1./2., 16.3.1918  ; Nl. Banhans, Via vitae II/4, fol. 109 f. 684 Hohenlohe-Tb. 27.2.1918. 685 StPAH XXII 3568 (Renner über Steinwender), 3931 (Ellenbogen über Lodgman). 686 Zellmayr, Parlament 65  ; Kosnetter, Seidler 131 f. 687 Ich danke Eva Jedruch und ihrer Schwester Katerzyna Angermann für diesen Hinweis  ; Polnische Stimmen 23.3.1918.

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Anmerkungen

688 PA I 1039, Liasse 56/32, fol. 158, Wiesner an Czernin, 7.3.1918  ; vgl. auch StPAH XXII 3954  ; ParishTb. 11.6.1918. 689 Slg. Rutkowski, Parish an ›Fido‹, 11.3.1918  ; Parish-Tb. 10.3.1918. 690 Lubomirska-Tb. 617 (8.3.1918)  ; vgl. auch 378 (29.12.1917), 600 (5.2.1918). 691 PA I 1015, Tel. 325, 21.4.1918  ; vgl. auch PA I 1072, Nr. 23, 4.2.1918  ; Lubomirska-Tb. 653 (6.7.1918)  ; Temperley Diaries 243 (8.2.1918)  ; Sibora, Diplomacja Polska 351 ff., 380 f.; Hutten-Czapski, Sechzig Jahre 471 ff.; Makilla, State Council. 692 HHStA, PA I 583, fol. 212, 4.3.1918. 693 Parish-Tb. 18.3.1918  ; vgl. auch Brief an ›Fido‹ vom gleichen Tag (Slg. Rutkowski). 694 PA I 1039, Liasse LVI/30, fol. 146–148 (= APP IV 90-92)  ; vgl. auch Kovacs (Hg.), Dokumente 324 f. 695 StPAH XXII 1891 (Stapinski, 9.11.1917)  ; Parish-Tb. 8.3.1918. 696 Nl. Banhans, Via vitae II/1, fol. 29. 697 Slg. Rutkowski, Parish an ›Fido‹, 16.3.1918  ; Polzer-Hoditz, Geheimmappe 515. 698 Marterer-Tb. 11./13.11.1917. 699 Steglich (Hg.), Friedensversuche 68, Höbelt, Czernin 27 f. 700 Benedikt, Meinlgruppe 202. 701 PA I 1092a, Czernin an Demblin, 10.3.1918. 702 Demblin, Aufzeichnungen 73 (19.3.1918), 241–6  ; Parish-Tb. 19./20.3.1918. 703 Steglich (Hg.), Friedensversuche 69, 73. 704 Steglich (Hg.), Friedensversuche 38, 42  ; Kann, Sixtusaffäre 68 f. 705 PA I 500, Liasse XLVII/2b, Lagebericht IX, S. 29 (28.1.1918)  ; Suarez, Briand IV 356–8  ; Berstein, Radićal Party 50, 54  ; Duroselle, Clemenceau 610 ff., 631 ff.; vgl. auch demnächst die ClemenceauBiografie von Jean Garrigue. 706 StPAH XXII 2820-4. 707 Rees, Czechs 102 f., 112. 708 Parish-Tb. 7.4.1918  ; Paulova, Tajný vybor 572 (Tb. Šamal 5.4.1918). 709 Parish-Tb. 27./28. & 30.5.1918. 710 Kovacs, Untergang oder Rettung 139 f. 711 Parish-Tb. 7.4.1918. 712 PA I 1092a, Czernin 713 Hohenlohe-Tb. 17.4.1918. 714 Parish-Tb. 14.5.1918. 715 Berchtold-Tb. 14.4.1918 (Carl Kinsky)  ; Höbelt, Czernin 31 f. 716 Hohenlohe-Tb. 13. u. 21.4.1918. 717 Czernin, Brief-Affaire 50 f. 718 Die ausgewogenste Darstellung bei Grieser-Pecar, Mission Sixtus 261 ff.; vgl. auch Demblin, Aufzeichnungen 78 f., 93 f., 261–3. 719 Hohenlohe-Tb. 6./7.5.1918  ; Landwehr, Hunger 191–6  ; Pattera, Ernährungsausschuß 194–216. 720 APP IV 108. 721 PA I 505, Liasse XLVII/3-23, fol. 18  ; Kovacs (Hg.), Dokumente 618. 722 Hohenlohe-Tb. 17.4.1918. 723 PA I 505, Liasse XLVII/3-23, fol. 30 f. 724 PA I 505, Liasse XLVII/3-25, fol. 318 f. (Aide Memoire Cramons, 19.7.)  ; 324–8 (Burian an Hohenlohe, 21.7.1918). 725 PA I 1015, fol. 323 (18.8.), 447 (27.8.1918)  ; APP IV 265 (29.7.), 271 f. (4.8.), 297 f. (23.8.), 383 (28.9.1918)  ; Höbelt, Unendliche Geschichte 52.

Anmerkungen

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726 PA I 536, Mappe  : Ausbau des Bündnisses, fol. 33–35 (15.7.1918). 727 PA I 536, fol. 75 v., Ergebnis der Besprechungen vom 11./12.6.1918  ; vgl. auch APP IV 230  ; Soutou, L’or et le sang 719. 728 Wieser-Tb. 14.8. & 12.10.1918  ; Nautz (Hg.), Schüller Papiere 28  ; Soutou, L’or et le sang 710–724. 729 Broucek, Militärkonvention 467. 730 APP II 489  ; Nebelin, Ludendorff 389 f. 731 APP IV 110  ; Hohenlohe-Tb. 22.4.1918. 732 Hohenlohe-Tb. 7.12.1917, 3.1.1918  ; Polatschek, Westfront 49 f., 66-77, 86, 91  ; Etschmann, Westfront 97 ff.; Broucek (Hg.), Zeidler 296-9. 733 PA I 505, Liasse XLVII/3-23, fol. 163–8, Denkschrift Mereys, Mai 1918. 734 Mensdorff-Tb. 21.5.1918. 735 Kann, Sixtusaffäre 54. 736 So auch Evans, Creation of Yugoslavia 168  ; Calder, New Europe 213. 737 Seton-Watson, New Europe 278 (Cecil an Derby, 21.5.1918)  ; Temperley Diaries 267 (16.4.1918). 738 Steglich (Hg.), Friedensversuche cix–cxxviii, 295–302, 308–317  ; Fest, Peace or Partition 152–177, 187–206. 739 Vgl. dazu schon Temperley Diaries 81 (2.1.1917). 740 Hadler (Hg.), Weg von Österreich 329, 359, 462. 741 PA I 1072, Bukarest, Bericht 93/P, 17.8.1918  ; Torrey (Hg.), Berthelot-Tb. 21.6.1917. 742 Unterberger, Rise 62, 136, 152 f., 165, 219, 235, 286  ; Kalvoda, Genesis 172, 200, 310. 743 Leidinger/Moritz, Gefangenschaft 385 ff.; Mawdsley, Russian Civil War 63 ff. 744 Seton-Watson, New Europe 294 f., 305  ; Callcott, Last War Aim 988  ; Temperley Diaries 294 (25.7.1918), 302 (17.8.1918). 745 Kalvoda, Genesis 390, 393. 746 Kalvoda, Genesis 317, 474  ; Nachtigal, Kriegsgefangenschaft 105 f. 747 Marterer-Tb. 17.4.1918  ; Werkmann, Verbündeter 250 f. 748 Berchtold-Tb. 15./17.3.1918  ; Maruzsa, Tisza 184. 749 Mensdorff-Tb. 6.5.1918  ; NFP 8.5.1918, 12.5., S.8, 14.5, S.6, Geyr, Wekerle 376. 750 Geyr, Wekerle 378  ; Erenyi, Tisza 351 f., Vermes, Tisza 426, 430  ; Maruzsa, Tisza 184 f. 751 Baernreither-Tb. XIX, fol. 26. 752 Slg. Rutkowski, Parish an ›Fido‹, 21.4.1918  ; Grieser-Pecar, Mission Sixtus 332. 753 Parish-Tb. 22.4.1918  ; Baernreither-Tb. XIX, fol. 31-33  ; Nl. Czedik, »Kundgebung Mitte und Linke«, 23.4.1918. 754 Wieser-Tb. 2.5.1918  ; Redlich-Tb. 17.5.1918. 755 Vgl. Polnische Stimmen 6.7.1918 über die Veröffentlichung in der »Nowa Reforma«. 756 Parish-Tb. 12./13.5.1918  ; Wieser-Tb. 18.6.1918  ; Redlich-Tb. 9. u. 12.5.1918. 757 Wieser-Tb. 11.5.1918. 758 Polnische Stimmen, 27.4.1918  ; Wieser-Tb. 1.5.1918. 759 Baernreither-Tb. XVIII, fol. 14 (27.6.1917), 129, XIX, fol. 21 (15.4.1918)  ; Parish-Tb. 22. & 26.4.1918  ; Opitz/Adgasser (Hg.), Zerfall 137, 141. 760 Nl. Wassilko 3, Konvolut 5, Briefe Langenhan 4.6. u. 12.9.15  ; Hohenlohe-Tb. 22.6. & 25.9.1916, 14.1., 1.9. & 31.10.1917  ; PA/AA, Botschaft Wien geheim 7, Jagow an Tschirschky 28.5.1916  ; PolzerHoditz, Geheimmappe 522. 761 Egerer Nachrichten 5./7.3.1914  ; NFP 25./26.4.1918  ; AZ 19.12.1918  ; Höbelt, Kornblume 344. 762 Wieser-Tb. 10.7.1918. 763 Deutsches Agrarblatt 1.1.1913, 11.3.1914.

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Anmerkungen

764 Tobolka, Denik 17.10.1917  ; Verwechslung der beiden Brüder bei Kovacs (Hg.), Dokumente 332. 765 StPAH XXII 3987 (Daszynski, 16.7.1918)  ; Parish-Tb. 23.6.1918. 766 Czernin, Weltkrieg 243  ; Barnett, Swordbearers 318 ff.; Storz, Was hätte  ?. 767 Parish-Tb. 19.4.1918. 768 Wieser-Tb. 12.5.1918. 769 Slg. Rutkowski, Brief Silvas an seine Frau, 4.7.1918. 770 Wieser-Tb. 12., 23./24., 27.6.1918. 771 StPAH XXII 12 f., 1165 f. 772 LV Praes, Parlamentarische Gruppe, Nr. 10820  ; Wator, Nationaldemokratie 260. 773 KA, B/874  : 22, Nl. Eichhoff, Verfassungsreform während des Krieges. 774 Parish-Tb. 30.6.1918. 775 Wieser-Tb. 10. u. 13.7.1918  ; zum Achtstundentag schon 1.5.1918. 776 Wieser-Tb. 23.6.1918. 777 Nl. Baernreither 49, Briefe Bruno Kafkas 11. u. 18.5., 17.7.1918. 778 Wieser-Tb. 18.6.1918. 779 Wieser-Tb. 16.7.1918. 780 PA I 1039, Liasse 56/30, fol. 134–6, Leitsätze Czernins für Tarnowski, 24.3.1918  ; fol. 159–167, Ugron an Czernin, 6.4.1918, zu Tarnowski auch PA I 1015, Bericht 97 A–B, 30.4.1918. 781 HHStA, PA I 1015, Telegramm 432, 30.5.1918. 782 HHStA, PA I 1023, Bericht 137-B/P, 11.6.1918. 783 StPDel XXII 37  ; Kovacs (Hg.), Dokumente 612  ; zu Tertil auch Polnische Stimmen 29.9.1917. 784 Wieser-Tb. 12., 24.6.1918  ; Redlich-Tb. 12.6.1918  ; Biliński, Wspomnienia 169, 431. 785 StPAH XXII 3908 (16.7.1918)  ; Wieser-Tb. 26.6., 14. u. 16.7.1918. 786 Fiala, Letzte Offensive  ; Minniti, Il Piave 58, 67 ff.; Rauchensteiner, Weltkrieg 953 ff. 787 Wieser-Tb. 15. & 29.6.1918. 788 Nebelin, Ludendorff 388 f., 431  ; Bister, Korošec 288. 789 Rumpler, Hussarek 11, 28–34  ; Höbelt, Fraktionen 1004 f.; ders., Teufelspuk 53 f. 790 Abgedruckt bei Peters, Sarkotić 219-233 (13./14.5.1918). 791 Paulova, Tajný Vybor 244  ; Bister, Korošec 214-8. 792 Peters, Sarkotić 85, 94, 179, 238 ff. 793 Nl. Baernreither 38, Entwurf Handel 11.3.1917  ; Bister, Korošec 186, 256  ; Peters, Sarkotić 134. 794 Gratz/Schüller, Zusammenbruch 84  ; vgl. auch Temperley Diaries 334 (20.11.1918). 795 Landwehr, Hunger 23, 56  ; Weltkriegsstatistik 179. 796 StPAH XXII 2178 (Ernährungsminister Höfer, 21.11.1017)  ; Trogrlic, Dalmazia 191 f. 797 Komjathy (Hg.), GMR 665 (30.5.1918). 798 Markovic, Party of Right  ; Biondich, Radić  ; Paulova, Maffie 424 ff.; Paulova, Tajný Vybor 104  ; 799 PA I 505, Liasse XLVII/3–23, fol. 76–83 (11./12.6.1918)  ; Komjathy (Hg.), GMR 662–5 (30.5.1918)  ; Cornwall, Habsburg Elite 265. 800 Peters, Sarkotić 245 (Brief an Burian, 16.8.1918)  ; vgl. auch Trogrlic, Dalmazia 198–200. 801 Vgl. Clams Argumentation bei Peters, Sarkotić 219 ff. 802 Evans, Creation 172 f., 177, Temperley Diaries 92 (2.2.1917). 803 Evans, Creation 183. 804 Rumpler, Hussarek 89  ; Paulova, Tajný Vybor 416 ff. 805 Rumpler, Völkermanifest 19  ; Bister, Korošec (Titel)  ; Spitzmüller-Tb. 23.9.1918 ff. 806 Zitiert bei Jakovina, Großer Krieg 106. 807 Parish-Tb. 31.12.1915.

Anmerkungen

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808 Zur Debatte darüber vgl. Ferguson, Der falsche Krieg 294 f., 310, 336, 370 f., 393  ; Höbelt, »Stahlgewitter« 77 f. 809 Komjathy (Hg.), GMR 689 (2.10.1918). 810 Temperley Diaries 318 (9.10.1918). 811 FRUS 1918, Supplement I 368. 812 StPAH XXII 4314-21 (Staněk, 2.10.118)  ; Slg. Rutkowski, Silva an seine Frau, 2.10.1918. 813 Neck (Hg.), Arbeiterschaft II 709. 814 FFA Donaueschingen, Mappe  : Politik im Kriege, Aufzeichnungen über die Audienz am 12.10.1918  ; Benedikt, Meinlgruppe 271 (7.10.1918). 815 Slg. Rutkowski, Silva an seine Frau, 6., 16. u. 18.10.1918  ; Rumpler, Völkermanifest 23, 37, 41, 48, 51, 58. 816 Slg. Rutkowski, Silva an seine Frau 12./13.10.1918  ; Spitzmüller-Tb. 14.10.1918. 817 Wieser-Tb. 2.& 4.10.1918. 818 Wieser-Tb. 13.11.1918, ähnlich schon 25.10.1918. 819 Hohenlohe-Tb. 26.10.1918  ; FRUS 1918, Supplement I 404 f. 820 Kovacs (Hg.), Dokumente 657  ; Bled, L’agonie 415-417  ; Wagner, Villa Giusti. 821 Andrássy, Diplomatie 294. 822 Nl. Handel 2, fol. 1373 ff. (Manuskript  : Graf Josef Ezdorf, Die letzten Tage Österreichs in der Bukowina). 823 Bauer, Österreichische Revolution 633–5. 824 Tibor Hetes, The Northern Campaign of the Hungarian Red Army, 1919. In  : Pastor (Hg.), Revolutions and Interventions 55–60  ; James Mace Ward, Priest, Politician, Collaborator. Jozef Tiso and the Making of Fascist Slovakia (Ithaca 2013) 55 ff. 825 StPHH XXII 1218-29 (24.10.1918)  ; Conze, Polnische Nation 382 ff.; Rumpler, Hussarek 37 ff.; Rumpler, Völkermanifest 87 (MR 15.10.1918)  ; Hauser, Polenpolitik 300 ff. 826 Vgl. das Material in Nl. Wassilko 2  ; Mick, Lemberg 206 ff. 827 Zollinger, »L’Autriche, c’est moi« 623 ff. 828 Prutsch/Zeilinger (Hg.), Andrian-Korrespondenzen 509 (Notiz 28.6.1919)  ; ähnlich Baernreither-Tb. XIX, fol. 75  ; Spitzmüller-Tb. 5. u. 11.11.1918. 829 Vgl. Leslie C. Tihany, The French Army and Rightist Restoration in Hungary, 1918-1919. In  : Pastor (Hg.), Revolutions and Interventions 377–393  ; Glenn Torrey, The Romanian Intervention in Hungary 1919. In  : ebd. 301-320. 830 Opitz/Adlgasser (Hg.), Zerfall 147 (8.5.1918). 831 Höbelt, Deutschnationale 104 f. 832 Wieser-Tb. 1.5.1918. 833 Vgl. auch Rauchensteiner, Weltkrieg 767 (»unsinnig«). 834 Temperley Diaries 44 (21.8.1916). 835 Madawi Al-Rasheed, A History of Saudi-Arabia (London 2002) 41–46  ; John C. Wilkinson, Arabia’s Frontiers. The Story of Britain’s Boundary Drawing in the Desert (London 1991) 132–140  ; Jacob Goldberg, The Origins of British-Saudi Relations  : The 1915 Anglo-Saudi Treaty Revisited. In  : Historical Journal 28 (1985) 693–703  ; Lieshout, Wingate  ; Nevakivi, Arab Middle East 16 ff.; Reid, Empire of Sand 150 ff. 836 A. J. P. Taylor, English History 1914–45 (Oxford 1965) 192 (Brief an die »Times«, 6.10.1922). 837 Vgl. Pietro Pastorelli, L’Albania nella Politica Estera Italiana (Neapel 1970) 29, 35, 184 f., 220 ff.; Angelo del Boca, Gli Italiani in Libia. Tripoli bel suol d’amore 1860–1922 (Rom 1986)  ; Marco Mondini, La Politica delle armi. Il ruolo dell’esercito nell’avvento del fascismo (Bari 2006)  ; Loreto Di Nucci, Lo Stato-partito del fascismo. Genesi, evoluzione e crisi 1919–1943 (Mailand 2009).

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Anmerkungen

838 Steglich (Hg.), Friedensversuche 287, 326. 839 Stephen A. Schuker, The End of French Predomnance in Europe. The Financial Crisis of 1924 and the Adoption of the Dawes Plan (Chapel Hill 1976)  ; A.J.P. Taylor, The Second World War (London 1975) 49  ; Sheffield, Forgotten Victory 272. 840 Das Neue Reich, 15.6.1919.

Bildnachweis Abb. 1, 12, : Hannes Rosenkranz Abb. 2, 5a: Polnische Akademie der Wissenschaften Abb. 3, 8, 9, 11, 13, 14, 16, 17, 19, 20, 22 (und die dazugehörenden Verse) aus Casimir v. Sichulski, Der österreichische Reichsrat in der Karikatur (Wien 1912) Abb. 4, 10: Masaryk-Institut, Prag Abb. 5: Zoltan Maruzsa, Budapest Abb. 6, 7, 15, 18, 21, 23: Thomas Höbelt Abb. 24: Lothar Höbelt

Personenregister

Notabene: Nicht aufgeführt wurden Kaiser Franz Joseph I. und Kaiser Karl I. Adler, Friedrich 123 Adler, Viktor 123, 213 f., 232 Alfons XIII. v. Spanien 14, 146, 151 Andrássy, Graf Gyula 81, 105, 112, 117, 172 f., 176, 182, 194, 236, 244, 264 f. Andrian-Werburg, Leopold v. 57, 59, 86, 110 f., 114, 157, 268 D’Annunzio, Gabriele 33 Apponyi, Graf Albert 82, 117 f., 173, 176 f., 182, 244 Armand, Graf Abel 196, 198, 218, 231 Arz v. Straussenburg, Arthur Frh. 132, 180, 194 Auffenberg, Moritz v. 23

Bolfras, Arthur Frh. 44, 57 Bonar Law, Andrew 272 Bornemisza, Gyula 53 Boroević v. Bojna, Svetozar 45, 258 Boselli, Paolo 100 Boyer, John 75 Braß, Hermann 163 Bratianu, Jan 26, 49, 52–54, 108, 219, 240 Bryan, William Jennings 135 Bülow, Fürst Bernhard 28, 33, 187 Burian, Graf (seit 1917) Istvan 29, 31, 49, 52–52, 60, 64, 67, 72, 85 f., 104, 106–117, 120, 125, 128, 135, 141 f., 151 f., 176 f., 236–8, 243, 253, 259

Baernreither, Joseph Maria 67, 70, 72, 75 f., 79, 83 f., 92, 95, 127 f., 159, 161, 165–8, 184, 190, 199 f., 244, 252 Balfour, Sir Arthur 139 Banhans, Karl 186 Batthyány, Graf Tivadar 178 Bauer, Otto 40, 265 Baworowski, Graf Georg 253 Baxa, Karel 169 Beck, Graf Friedrich 17 Beck, Max Wladimir Frh. 30, 62, 71, 74, 82–4, 87, 119, 124, 205 Beneš, Edvard 92, 138, 168, 240–2, 263 Berchtold, Graf Leopold 15–20, 28 f., 37, 63, 65, 72, 117, 128, 183, 243 Bernstorff, Graf Johann-Heinrich 134, 137 Bethlen, Graf Istvan 183, 244 Bethmann-Hollweg, Theobald v. 21, 28 f., 52, 64 f., 68, 74, 103–109, 113, 117, 140–4, 194–7, 234 Beseler, Hans v. 86, 115, 202 Beurle, Carl 96 Biliński, Leon v. 60, 62–7, 76 f., 120 f., 158 f., 165, 201, 222, 253, 257, 267 Bleyleben, Oktavian Frh. Regner v. 39, 192 Bobrzynski, Michael 20, 121, 124, 159

Cadorna, Luigi 15, 100, 205 Caillaux, Joseph 99, 138, 156, 231, 254–7 Carp, Petru 220 Carranza, Venustiano 147 Carson, Sir Edward 143 Castiglioni, Camillo 175 Cecil, Lord Robert 242 Chlumecky, Johann Frh. 119 Churchill, Winston 50, 246 Ćingrija, Matko 43, 169 f. Clam-Martinitz, Graf Heinrich 78, 83, 119, 123– 8, 151, 156, 158, 161 f., 165–7, 173 f., 192, 230 Clark, Christopher 131 Clark, James Beauchamp (»Champ«) 136 Clausewitz, Carl v. 11 Clemenceau, Georges 231–3, 246, 249 Colard, Hermann v. 59 Conrad v. Hötzendorf, Graf (seit 1917) Franz 11, 17, 19, 23–5, 31 f., 45–7, 55, 57, 71, 79, 99 f., 102–6, 110, 113 f., 121, 145, 172, 254 Costinescu, Emil 53 Coudenhove, Graf Max 41, 187, 192 Cramon, August v. 204 Csicserics, Maximilian v. 209, 258 Czartoryski, Fürst Olgierd 112, 114

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Personenregister

Czartoryski, Fürst Witold 120 f. Czedik v. Bründelsberg, Alois Frh. 78 Czernin, Graf Ottokar 16, 26, 30, 51–3, 82, 116, 119, 126–30, 146, 148–55, 162–4, 174, 177, 181–8, 193–7, 201–14, 228–35, 242, 245, 249, 256, 269 Daniel, Baron Ernö 175 Daszynski, Ignacy 111, 191, 200 f., 212, 227, 267 De Martino, Giacomo 49 Demblin, Graf August 205, 220, 230 Dinghofer, Franz 119 Dimović, Danilo 257 Długosz, Ladislaus v. 166 Dmowski, Roman 57, 228 Dobernig, Josef 168, 186, 248 Dürich, Josef 92, 251 Dumba, Constantin 136 Eichhoff, Johann Frh. 226 Ellenbogen, Wilhelm 185 Engel, Augustin Frh. 69, 84 Enver Pascha 100, 106, 108 Erzberger, Matthias 195, 205, 229 Esterházy, Graf Moric 176 f., 181 Eugen, Erzh. 48, 105, 112 Falkenhayn, Erich v. 22, 38, 46 f., 86, 99 f., 102–7, 140, 144 Feilchenfeld, Max 71 Ferdinand v. Bulgarien 16, 49, 53–5, 64, 108, 230 Ferdinand v. Rumänien 26, 219 Fiedler, František 90, 232 Fink, Jodok 124, 253 Flotow, Ludwg Frh. 214 Frank, Josip 259 Franz Ferdinand, Erzh. 14 f., 29, 74, 81–3, 126, 128, 151 f., 169, 172–5, 186, 188, 226 Freißler, Robert 160, 252 Friedjung, Heinrich 68 Friedmann, Max 71, 96 f., 268 Friedrich, Erzh. 12, 24, 58 f., 85, 101–5, 112, 151 Fuchs, Viktor v. 120 f. Fürstenberg, Fürst Max Egon 76, 78–84, 126, 128, 151, 215, 230

Gayer, Edmund v. 250 Geßmann, Albert 94 Giolitti, Giovanni 33, 99, 187 Gladstone, William 131 Gołuchowski, Graf Agenor 33, 59, 64, 78–81, 111, 114, 222, 233, 238, 253 Gratz, Gusztav 209 Grey, Sir Edward 136, 138, 143 Groß, Gustav 21, 76, 93, 127, 174, 252 Habrmann, Gustav 190 Hadik, Graf Janos 181–3, 214 f. Haller, Jozef 222 Handel, Erasmus Frh. 85, 95, 122 f., 127, 157–61, 184, 252 Hassan Bey (Pristina) 56 Hašek, Jaroslav 243 Haus, Anton 145 Hauser, Johan Nepomuk 253 Heinold v. Udynski, Karl Frh. 192 Herberstein, Graf Herbert 103, 105 Hindenburg, Paul v. 23 f., 57, 102–7, 118, 141, 197, 209, 223, 238, 247 Hodza, Milan 175 Hoffmann, Max 207, 212 Hohenlohe, Prinz Gottfried 12, 20, 28, 51, 57, 64, 109, 113, 115, 117, 140, 155, 195–7, 203–5, 210, 235 f. Hohenlohe, Prinzessin Henriette 88, 101, 103, 106, 114, 198, 205 Hohenlohe, Prinz Konrad 85 f., 95, 122, 127 f., 171, 174, 205 Holtzendorff, Henning v. 140, 144 f., 149, 195 Horbaczewski, Johann 190 House, Edward 136 Hruban, Moritz 162 Hugenberg, Alfred 69 Hughes, Charles E. 137 Hummer, Gustav 184, 248, 255 Hussarek, Max Frh. 252, 254, 264 Hutten-Czapski, Graf Bogdan 116 Isabella, Erzherzogin 12, 108, 205 Jagow, Gottlieb v. 20 f., 28 f., 32, 46, 52, 55, 60, 64 f., 68–72, 80–3, 85, 103, 110, 113, 139, 142, 151

320 Jaszi, Oskar 172 Jaworski, Wladyslaw Leopold v. 19 f., 76, 120 Jeglić, Anton Bonaventura 189, 192 Jirásek, Alois 162 Joachim, Prinz v. Preußen 223 Joseph, Erzh. 176 Josef Ferdinand, Erzh. 101 Justh, Gyula 175 Kafka, Bruno 252 Kalina, Antonín 169 Kann, Robert A. 239 Karl Stephan, Erzh. 112, 114–6, 223, 237 Karolyi, Graf Mihaly 118, 172, 177 f., 183, 195, 204, 243, 265 Kedzior, Andreas 167, 200, 227 Kelsen, Hans 226 Kennedy, John F. 148 Kestranek, Wilhelm 70 Klofáč, Vaclav 41, 90, 190 Krek, Janez E. 170 Koerber, Ernest v. 62, 67, 83, 123–7, 169, 171 Konstantin v. Griechenland 50, 54, 56, 98 Korošec, Anton 169, 188, 257 Korytowski, Witold v. 63 Krakowski, Jozef 200 Kramář, Karel 41 f., 44, 87–9, 94, 184–6, 190, 224 f., 229, 232, 245, 255, 264 Kranz, Ludwig 175 f. Krauß, Alfred 48, 180 Krobatin, Alexander Frh. 11, 110, 145, 175 Kucharzewski, Jan 202, 253 Kühlmann, Richard v. 197–9, 202, 204, 208–10, 217–21, 235, 237, 254 Kun, Béla 266 Kvapil, Jaroslav 162 Lammasch, Heinrich 186 f., 204, 229, 264 Landesberger, Julius v. 71 Landwehr v. Pragenau, Ottokar 36, 172, 180, 182 Langenhan, Philipp v. 247, 252, 268 Lansing, Robert 143 f., 242 Łazarski, Stanislaw 167, 169–171 Lecher, Otto 71 Lemke, Heinz 64 Lenin 130 f., 201, 206 f., 218, 221, 228

Personenregister

Leth, Karl v. 84 Lettow-Vorbeck, Paul v. 262 Lieberman, Herman 116 Liechtenstein, Prinz Alois 120, 126, 268, 272 Lloyd George, David 136, 143, 156, 216, 272 Lobkowicz, Prinz Friedrich 163, 225, 246 Lobkowicz, Prinz Zdenko 245 Lodgman v. Auen, Rudolf 70, 164, 169, 226, 268 Loewenstein, Nathan 191 f., 201 Lubomirski, Fürst Zdzislaw 114–6, 200–2, 228 Ludendorff, Erich 23 f., 102 f., 112, 115, 131, 139, 141, 144, 149, 152, 154, 162, 197, 206, 210, 230, 242 Lueger, Karl 34, 93 f., 244, 268 Mackensen, August v. 102 Marchet, Gustav 75 f., 80, 82, 184 Marghiloman, Alexandru 53, 220 Marie v. Rumänien 26 Marterer, Ferdinand v. 12, 79, 105, 212 Masaryk, Tomáš Garrigue 41, 91 f., 168, 190, 225, 232, 240–5, 251, 260, 265 McAdoo, William 138 Meinl, Julius 186, 195 Mensdorff, Graf Albert 238, 240 Merey, Kajetan v. 30, 238 Michaelis, Georg 197 f. Milanović, Zoran 261 Moltke, Graf Helmut 22, 103 Montenuovo, Fürst Alfred 31, 79, 105, 110, 215 Moraczewski, Andrzej v. 116 Morgan, John Pierpont 138 Musil, Alois 18 Mussolini, Benito 33, 237, 272 Musulin, Alexander v. 14 Nadherny, Erwin Frh. 190 Napoleon I. 132, 270 Naumann, Friedrich 68, 70, 85 Nikita v. Montenegro 48, 55 Nikolaus II., Zar v. Rußland 50, 150 Nostitz, Graf Erwein 127 Okuniewski, Theofil 251 Olic, Wenzel 92 Ortegy y Gasset, José 131

Personenregister

Ostrowski, Jozef 228 Pacher, Raphael 76, 82, 95, 122, 159, 168, 247, 269 Paić, Joseph v. 111, 114, 258 Painleve, Paul 155 f., 231 Palacký, František 89 Pallavicini, Markgraf Georg 57, 243 Pantz, Anton v. 248 Pantz, Ferdinand v. 97, 247 f., 268 Papen, Franz v. 147 Parish v. Senftenberg, Oskar Frh. 163, 165, 190, 216, 224, 228 f., 232 f., 245, 248 f., 262 Parma, Herzogin Maria Antonia 153, 233 Pasić, Nikola 51, 260 Pekař, Josef 168 Pernerstorfer, Engelbert 213 Petain, Philippe 99 Phillipovich, Eugen v. 71 Pik, Ludvik 190 Piłsudski, Jozef 19 f., 111, 114 f., 165, 222, 267 Pininski, Graf Leo 58 Pogačnik, Josef v. 188 f. Poincaré, Raymond 153, 156, 231 Pollio, Alberto 15 Polzer-Hoditz, Graf Arthur 205, 229 Potiorek, Oskar 17, 48 Prašek, Karel 168, 171, 184 Radić, Stjepan 259, 261 Radziwiłł 116, 228 Rakovszky, Istvan 117 Randa, Maximilian v. 219 Rauch, Baron Paul 259 Redlich, Josef 76, 109, 160, 186 f., 264, 268 Reichenauer, Oskar 93 Renner, Karl 92, 124, 252, 254 Revertera, Graf Nikolaus 155, 196, 231 Ribot, Alexandre 155 Riedl, Richard 83, 238 Rizzi, Luigi 188 Romanones, Graf Alvaro 15, 146 Roosevelt, Theodore 137 Rosner, Ignacy 76, 116 Rozwadowski, Jan 59 Rybař, Otokar 257

321 Salandra, Antonio 27 f., 30, 33, 100 Salih Bey 56 Šamal, Premysl 91, 162, 190, 215 San Giuliano, Marchese Antonio 27 Sarkotić v. Lovcen, Stefan Frh. 257 f., 260 Sazonow, Sergej 26, 113 Schiessl, Franz Frh. 79, 245 Schiff, Jakob 138 Schneller, Karl 45, 56, 80 Schober, Johannes 175 Schönburg-Hartenstein, Fürst Alois 78, 215 Schönerer, Georg (v.) 185 Schraffl, Josef 120 Schratt, Katharina 31, 75, 83 f. Schreiner, Gustav 95 Schüller, Richard 237 Schumpeter, Josef 224, 246 Schuster, Friedrich 38, 71 Schwarzenberg, Prinz Friedrich (»Fido«) 78, 83, 119, 163, 224 f., 229, 232 Schwarzenberg, Fürst Johann Adolf 163, 233 Seeckt, Hans v. 102, 105 Seidler v. Feuchtenegg, Ernst 180, 183–8, 191, 199, 201, 213 f., 222, 224, 227, 229, 245–55 Seipel, Ignaz 264 Seitz, Karl 92, 252 Serenyi, Graf Béla 117, 176 f. Serenyi, Graf Otto 127 Sieghart, Rudolf 71, 84, 127 f., 158 Silva-Tarouca, Graf Ernst 82 f., 95, 119, 190, 215, 224, 246, 264 Simitsch v. Hohenblum, Alfred 36 f. Sixtus, Prinz v. Bourbon-Parma 116, 153–5, 233 Skarbek, Graf Alexander 251 Skrzynski, Graf Wladyslaw 116 Slameczka, Oskar 104 Šmeral, Bohumir 70, 90 f., 163 f., 168, 187, 190, 232 Smodlaka, Josip 170 Smuts, Jan Christiaan 240 Sonnino, Sidney 27 Soukup, František 92 Spitzmüller v. Harmersbach, Alexander Frh. 71, 84, 127 f., 158 Stalin, Josef 218 Staněk, František 43, 162, 171, 226, 246 f., 263, 269

322 Stapinski, Jan 74, 166, 229 Steczkowski, Jan K. 253 Steinwender, Otto 96, 119, 127, 129, 163, 168, 226, 247–50, 268 Sternberg, Graf Adalbert (»Montschi«) 80, 123 Stirbey, Fürst Barbu 26 Stöckler, Josef 120 Stöger-Steiner, Rudolf Frh. 175 Stone, William 136 Střibrny, Jiři 190, 225 Strong, Benjamin 138 Stürgkh, Graf Karl 28, 30, 41, 44, 52, 59, 61, 63, 67, 73–80, 84–9, 93, 95, 104, 117, 119, 121–7, 129, 171, 174, 176, 181, 192, 222, 259, 269 Šusteršič, Ivan 188 f., 257, 259 Švehla, Antonín 90 f., 168, 171, 225 Sylvester, Julius 119, 121 Szepticky, Graf Stanislaw 114, 222 Szepticky, Graf Andrej 58 Szilassy, Gyula Frh. 54 Szögyeny-Marich, Graf Laszlo 20 f. Tarnowski, Graf Adam 116, 147 f., 166, 202, 222, 253 Taylor, A.J.P. 272 Teodorowicz, Jozef 120 Tertil, Tadeusz 58, 253 Tetmajer, Wlodzimierz 166 Teufel, Oskar 191, 247–9, 255, 268 Thompson, William 134 Thun, Fürst Franz 39, 41, 83, 88, 92, 184 Tirpitz, Alfred v. 103, 140 Tisza, Graf Istvan 15 f., 25, 28–30, 41, 52, 55, 60 f., 65, 72 f., 79–81, 96, 102, 110, 112, 117 f., 124, 126, 146, 152, 157, 174–9, 181 f., 214, 236, 243 f., 256 f., 269 Tobolka, Zdeněk 91, 162, 169, 171, 185, 224 Toggenburg, Graf Friedrich 184, 250 Trapp, Georg v. 145 Trnka, Ottokar Frh. 189 Trotzki, Leo 207 f., 213, 216 f. Trumbić, Ante 41–3, 92, 260 Tschirschky, Heinrich Frh. 68, 80, 83, 117, 122, 164 Tusar, Vlastimil 161, 163

Personenregister

Udržal, František 70 Ugron de Abranfalva, Istvan 157, 253 Urban, Karl 128 f., 160, 165, 252 Vajda-Voivod, Alexandru 175 Valerie, Erzherzogin 84 Vázsonyi, Vilmos 172, 178 Venizelos, Elefterios 50, 54 Viktor Emanuel 27, 48 Villa, Pancho 147 f. Waldner, Viktor 185, 191, 247 f., 253 Warburg, Paul 138 Wassilko, Nikolaj v. (»Koko«) 67, 188, 190, 195, 218, 222 f., 247, 267 Weber, Max 68, 109 Wedel, Graf Botho 130, 164, 171, 177, 181 f., 187, 195, 209 Weiskirchner, Richard 93, 217, 253 Wekerle, Sandor 81 f., 177–83, 215, 228, 244, 265 Werkmann, Karl v. 243 Wichtl, Friedrich 87, 120 Wieser, Friedrich v. 237, 249, 254, 264 Wiesner, Friedrich v. 14, 21, 26, 41, 80, 217 Wilhelm II., deutscher Kaiser 29, 31 f., 50, 54, 56, 72, 76, 81, 85, 106 f., 112–5, 141, 145, 147, 154, 157, 164, 197 f., 204–9, 219 f., 223 f., 229, 235 Wilson, Woodrow 130, 134–8, 141–3, 162, 209, 215 f., 230, 263, 266 Wimmer, Ferdinand 203 Windischgraetz, Fürst Alfred 78, 118 f., 128, 233, 245 Windischgraetz, Prinz Lajos 56, 69, 118, 182 Winter, Jay 132 Witos, Wincenty 166, 200 Wolf, Karl Hermann 76 f., 95, 98, 119–23, 129, 191, 216, 247, 250, 268 Xavier, Prinz v. Bourbon-Parma 153 Zapata, Emiliano 148 Zenker, Franz Frh. 124 Zichy, Graf Aladar 82, 126, 173 Zichy, Graf Janos 176, 182 Ziliotti, Luigi 188 Zimmermann, Arthur 103, 113, 144, 147

323

Personenregister

Zita, Kaiserin v. Österreich 126, 174, 205, 214, 234 Zogu v. Albanien 56

Žolger, Ivan 189 Zwiedinek v. Südenhorst, Ernst Frh. 136 f.

LOTHAR HÖBELT

FRANZ JOSEPH I. DER KAISER UND SEIN REICH EINE POLITISCHE GESCHICHTE

Franz Joseph I., ein Kaiser, der nicht bloß über ein Reich herrschte, das einen »Anachronismus« darstellte, sondern der auch längst jeden Kontakt mit einer sich rapide verändernden Welt verloren hatte? Dieses Buch zeichnet ein ganz anderes Bild und unternimmt eine Neubewertung der Epoche und der Person Franz Josephs, der sich zu einem der bestunterrichteten Politiker seiner Zeit entwickelte und nach der Krise der 1860er-Jahre Schritt um Schritt seine innenpolitische Handlungsfreiheit zurückgewann. Er verstand es, die Habsburgermonarchie in einem Zustand wohltemperierter Unzufriedenheit zu belassen, die kein gemeinsames Agieren der liberalen Kräfte ermöglichte, aber auch nicht den Bestand übergreifender Institutionen gefährdete. Diese Balance, die ständig nachjustiert werden musste, war das Geheimnis der Regierungskunst Kaiser Franz Josephs I. 2009. 171 S. 135 X 210 MM. GB | ISBN 978-3-205-78316-9

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MARIA MESNER, ROBERT KRIECHBAUMER, MICHAELA MAIER, HELMUT WOHNOUT (HG.)

PARTEIEN UND GESELLSCHAFT IM ERSTEN WELTKRIEG DAS BEISPIEL ÖSTERREICH-UNGARN

Der Band betritt historiographisches Neuland, indem er die Haltung der politischen Parteien der Habsburger Monarchie ins Zentrum der Betrachtung stellt. Die Widersprüche, in denen sich die Parteien vor und bei Kriegsausbruch befanden, und wie sie ihre Haltungen und Strategien im Verlauf des Krieges änderten, werden in den einzelnen Beiträgen auf einer breiten Grundlage von historischen Quellen dargestellt. Eingebettet werden diese Betrachtungen in Schilderungen der zeitgenössischen Zivilgesellschaft und kulturhistorische Analysen. Mit Beiträgen von Maureen Healy, Johannes Schönner, Lutz Musner, Gernot Stimmer, András Gerö, Maddalena Guiotto, Regina Wonisch, Maria Mesner, Michaela Sohn-Kronthaler, Erwin A. Schmidl, Wolfgang Maderthaner, Lorenz Mikoletzky und Manfried Rauchensteiner. 2014. 243 S. 14 S/W-ABB. BR. 170 X 240 MM. | ISBN 978-3-205-79620-6

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WOLFRAM DORNIK, JULIA WALLECZEK-FRITZ, STEFAN WEDRAC (HG.)

FRONTWECHSEL ÖSTERREICH-UNGARNS „GROSSER KRIEG“ IM VERGLEICH

Mit seiner breit angelegten Perspektive auf die Geschichte des Ersten Weltkrieges folgt der vorliegende Sammelband den aktuellen Trends der internationalen Weltkriegsforschung. Die Autoren untersuchen nicht nur die sogenannte „Heimatfront“ des Ersten Weltkrieges, sondern werfen gleichermaßen einen Blick auf andere Kriegsschauplätze. Die zwanzig Beiträge versuchen die Ereignisse zwischen 1914 und 1918 sowohl in die langen Linien des 19. und 20. Jahrhunderts einzubetten, wie auch die oft an die nationalstaatlichen Perspektiven gebundenen Grenzen aufzubrechen. Als Ergebnis liegen nun neue Einblicke vor, die diesen ersten weltumspannenden Krieg, der das gesamte folgende Jahrhundert prägte, in einem neuen Licht erscheinen lassen. 2014. 466 S. 6 GRAFIKEN. GB. 155 X 235 MM | ISBN 978-3-205-79477-6

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MANFRIED RAUCHENSTEINER

DER ERSTE WELTKRIEG UND DAS ENDE DER HABSBURGERMONARCHIE 1914–1918

Die Geschichte von der Entfesselung des Ersten Weltkriegs, von der Rolle Kaiser Franz Josephs, vom Verhalten der Nationalitäten der Habsburgermonarchie bis zum Zerfall eines 630-jährigen Reiches liest sich wie ein spannender Roman. Es geht um Politik und Krieg, das Bündnis mit Deutschland, Krieg als Ausnahmezustand und als Normalität. Das Buch, von einem der führenden Historiker Österreichs, ist eine mitteleuropäische Enzyklopädie des Ersten Weltkriegs. Dieser Titel liegt auch für eReader, iPad und Kindle vor. 2013. 1222 S. 32 S/W-ABB. UND 2 KARTEN. GB. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-205-78283-4 [BUCH] | ISBN 978-3-205-79259-8 [EBOOK]

„Ein epochales Werk.“ Der Spiegel Geschichte

„Rauchensteiner gibt einen vorzüglichen Überblick über all das, was man […] über Kaiser Franz Joseph und den Untergang der Donaumonarchie immer schon wissen wollte.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung

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