"Allegoria" und "Anagoge" bei Didymos dem Blinden von Alexandria [Reprint 2011 ed.] 9783110834222, 9783110037159

Die Erforschung der Geschichte der biblischen Hermeneutik geht von der Voraussetzung aus, daß menschliches Verstehen imm

164 61 7MB

German Pages 199 [200] Year 1972

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

"Allegoria" und "Anagoge" bei Didymos dem Blinden von Alexandria [Reprint 2011 ed.]
 9783110834222, 9783110037159

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
I. Didymos der Blinde, Person und Werk
A. Leben und Bedeutung des Didymos
1. Leben und Umwelt
2. Origenistische Streitigkeiten
B. Das Werk des Didymos, abgesehen von den Tura-Schriften
1. ‘De Trinitate’ und die ältere Didymosforschung
2. Versuche, weitere Schriften dem Didymos zuzuschreiben
3. Das Problem der Echtheit von ‘De Trinitate’
C. Die neugefundenen Schriften des Didymos
1. Der Fund von Tura
2. Die Didymos-Schriften von Tura
D. Katenenfragmente
E. Zusammenfassung
II. Die griechische Allegorese vor Didymos
A. Allgemeines
B. Die Homerallegorese
C. Die allegorische Auslegung des AT durch Philo
D. Die älteste Form der christlichen Allegorese (Allegorese und Typologie)
E. Origenes
1. Die umfassende Bildung des Origenes
2. Origenes und Philo
3. Origenes und die Gnostiker
4. Die exegetische Methode des Origenes
5. Der Glaube als Voraussetzung christlicher Erkenntnis
F. Die Exegese in der griechischen Kirche nach Origenes
III. Herkunft und Bedeutung der Begriffe „Allegoria“ und „Anagoge“
A. Ἀλληγορία
1. Herkunft und Bedeutung
2. Ἀλληγορία bei Philo
3. Ἀλληγορία im frühen Christentum
4. Ἀλληγορία bei Clemens Alexandrinus
5. Ἀλληγορία bei Origenes und der weiteren christlichen Exegese
B. Ἀναγωγή
1. Herkunft und Bedeutung
2. Ἀναγωγή in der jüdischen und christlichen Literatur vor Origenes
3. Ἀναγωγή im Neuplatonismus
4. Ἀναγωγή bei Origenes
5. Ἀναγωγή in der altkirchlichen Exegese nach Origenes
IV. „Allegoria“ und „Anagoge“ im Werk des Didymos
A. Methodische Vorüberlegungen
B. Schriftauslegung im Zacharias-Kommentar
1. Grundsätzliche Bemerkungen zu Schrift und Auslegung
2. Unverständlicher Wortsinn
3. Einzeluntersuchungen
4. Sind ἀλληγορία und ἀναγωγή austauschbar?
5. Zusammenfassung
C. Untersuchung des Hiob-Kommentars
1. Besonderheiten des Hiob-Kommentars
2. Zur Bedeutung des Wortsinns
3. Das Problem der φιλίστορες und ίστοροῦντες
4. Die ‘Gesetze der Allegorese’
5. Ἀλληγορία und ἀναγωγή im Hiob-Kommentar
D. Untersuchung des Psalmen-Kommentars von Tura
1. Allgemeines
2. Besonderheiten des Psalmen-Kommentars
3. Das Schriftverständnis im Psalmen-Kommentar
4. Auseinandersetzung mit Apollinaris von Laodicea
5. Auseinandersetzung mit einem heidnischen Philosophen
6. Zahlensymbolik im Psalmen-Kommentar
7. Ἀλληγορία und ἀναγωγή im Psalmen-Kommentar
E. Untersuchung des Ecclesiastes-Kommentars
1. Salomo als ‘Ecclesiastes’
2. Ἀλληγορία und ἀναγωγή im Ecclesiastes-Kommentar
3. Die Auseinandersetzung mit Porphyrios
4. Beispiele der Auslegung κατ᾽ ἀναγωγήν im Ecclesiastes-Kommentar
F. Untersuchung der übrigen Schriften des Didymos
1. Neutestamentliche Katenenfragmente
2. Die übrigen Schriften des Didymos
G. Zusammenfassung
V. Ergebnis
A. Die ἀλληγορία als Hilfsmittel christlicher Exegese
B. Die Philosophie als Magd der Theologie
C. Das christologische Fundament der Hermeneutik des Didymos
D. Die Bedeutung der ἀναγωγή bei Didymos
E. Ἀναγωγή und Typologie
F. Ἀναγωγή als Ausdruck der origenistischen Theologie
Ausblick
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Register
1. Namen und Sachindex
2. Bibelstellenregister
3. Wortregister

Citation preview

WOLFGANG A. B I E N E R T

«ALLEGORIA» U N D «ANAGOGE» BEI D I D Y M U S D E M B L I N D E N VON A L E X A N D R I A

PATRISTISCHE T E X T E U N D S T U D I E N IM A U F T R A G

DER

PATRISTISCHEN KOMMISSION D E R A K A D E M I E N D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU GÖTTINGEN · HEIDELBERG · MÜNCHEN UND DER AKADEMIE D E R W I S S E N S C H A F T E N U N D D E R L I T E R A T U R ZU M A I N Z HERAUSGEGEBEN

VON

K. A L A N D U N D W. S C H N E E M E L C H E R

B A N D 13

WALTER D E GRUYTER · BERLIN · N E W YORK 1972

«ALLEGORIA» UND «ANAGOGE» BEI D I D Y M O S DEM BLINDEN VON ALEXANDRIA

VON

W O L F G A N G A. B I E N E R T

WALTER D E G R U Y T E R · B E R L I N · NEW Y O R K 1972

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

ISBN 3 11 003715 7 Library of Congress Catalog Card Number : 72-77437 @ 1972 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung— J . Guttentag Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit Sc Comp., Berlin 30 Printed in Germany Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30

MEINEN ELTERN

VORWORT

Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 1969/70 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Vor der Drucklegung wurde sie noch einmal durchgesehen, teilweise überarbeitet und ergänzt. Angeregt wurde ich zu dieser Arbeit, als ich im Sommer 1966 erstmals mit den neugefundenen Texten des Didymos in Berührung kam. Durch die großzügige Unterstützung des Instituts für Altertumskunde der Universität Köln erhielt ich Zugang zu den ζ. T. noch unpublizierten Texten, um auf diesem neuerschlossenen Gebiet der Patristik zu arbeiten. Zu danken habe ich hierfür neben anderen vor allem den Herren Prof. Dr. Reinhold Merkelbach, Prof. Dr. Gerhard Binder, Prof. Dr. Ludwig Koenen und Dr. L£o Liesenborghs. Vielfältiger Dank gilt Herrn Prof. D. Dr. h. c. Wilhelm Schneemelcher, der mir in Bonn die Möglichkeit zu patristischer Arbeit bot und unter dessen Leitung die vorliegende Untersuchung entstanden ist. Zu danken habe ich auch Frau Prof. Dr. Luise Abramowski, die die Arbeit mit kritischem Rat begleitet und entscheidend gefördert hat. Für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe 'Patristische Texte und Studien' danke ich der Patristischen Kommission der Akademien der Wissenschaften zu Göttingen, Heidelberg, München und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz, insbesondere den Gutachtern Prof. D. Carl Andresen und Prof. Schneemelcher. Ferner habe ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft für einen namhaften Druckkostenzuschuß zu danken. Für die Hülfe beim Mitlesen der Korrekturen danke ich Herrn stud, theol. Rolf Permantiö und vor allem meiner Frau. Bonn, Ostern 1972

Wolfgang A. Bienert

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

VII

Einleitung

1

I. Didymos der Blinde, Person und Werk A. Leben und Bedeutung des Didymos 1. Leben und Umwelt 2. Origenistische Streitigkeiten B. Das Werk des Didymos, abgesehen von den Tura-Schriften 1. 'De Trinitate' und die ältere Didymosforschung 2. Versuche, weitere Schriften dem Didymos zuzuschreiben a) Pseudo-Basilius, Adversus Eunomium I V — V b) Pseudo-Gregor, Adversus Arium et Sabellium c) Pseudo-Hieronymus, Traktat über die Seraphenvision d) Widerlegung eines Montanisten e) Die sieben pseudathanasianischen Dialoge 3. Das Problem der Echtheit von 'De Trinitate' C. Die neugefundenen Schriften des Didymos 1. Der Fund von Tura 2. Die Didymos-Schriften von Tura a) Der Genesis-Kommentar b) Der Hiob-Kommentar c) Der Zacharias-Kommentar d) Der Psalmen-Kommentar von Tura e) Der Ecclesiastes-Kommentar D. Katenenfragmente E . Zusammenfassung

5

. . . .

I I . Die griechische Allegorese vor Didymos A. B. C. D. E.

Allgemeines Die Homerallegorese Die allegorische Auslegung des AT durch Philo Die älteste Form der christlichen Allegorese (Allegorese und Typologie) Origenes 1. Die umfassende Bildung des Origenes 2. Origenes und Philo 3. Origenes und die Gnostiker 4. Die exegetische Methode des Origenes 5. Der Glaube als Voraussetzung christlicher Erkenntnis F. Die Exegese in der griechischen Kirche nach Origenes

5 5 7 8 8 10 10 12 13 13 14 16 20 20 23 23 24 25 26 27 29 31 32 32 33 36 40 43 43 44 45 46 48 49

I I I . H e r k u n f t und Bedeutung der Begriffe „Allegoria" und „Anagoge"

. . .

Α. "Αλληγορία 1. H e r k u n f t und Bedeutung 2. 'Αλληγορία bei Philo 3. 'Αλληγορία im frühen Christentum 4. 'Αλληγορία bei Clemens Alexandrinus 5. 'Αλληγορία bei Origenes und der weiteren christlichen Exegese . . Β. ' Α ν α γ ω γ ή 1. H e r k u n f t und Bedeutung 2. ' Α ν α γ ω γ ή in der jüdischen und christlichen Literatur vor Origenes 3. ' Α ν α γ ω γ ή im Neuplatonismus 4. Α ν α γ ω γ ή bei Origenes 5. ' Α ν α γ ω γ ή in der altkirchlichen Exegese nach Origenes IV. „Allegoria" und „Anagoge" im Werk des Didymos A. Methodische Vorüberlegungen B. Schriftauslegung im Zacharias-Kommentar 1. Grundsätzliche Bemerkungen zu Schrift und Auslegung a) Der Prolog: ZaT 1, 1—9 b) Einleitung zu Buch I I I : ZaT 182, 8—26 c) Einleitung zu Buch IV: ZaT 275, 1—279, 8 d) Schlußformeln e) ZaT 378, 12—13 2. Unverständlicher Wortsinn 3. Einzeluntersuchungen a) Jerusalem und Zion b) Assur — Babylon — Ägypten c) Der Wiedehopf d) Silber und Gold e) Pferd — Maultier — Reiter f) Das Laubhüttenfest g) Das Land, wo Milch und Honig fließt h) Zahlen 4. Sind άλληγορία und α ν α γ ω γ ή austauschbar ? 6. Zusammenfassung C. Untersuchung des Hiob-Kommentars 1. Besonderheiten des Hiob-Kommentars 2. Zur Bedeutung des Wortsinns 3. Das Problem der φιλίστορες und ίστοροΰντες . 4. Die 'Gesetze der Allegorese' 5. 'Αλληγορία und α ν α γ ω γ ή im Hiob-Kommentar D. Untersuchung des Psalmen-Kommentars von Tura 1. Allgemeines 2. Besonderheiten des Psalmen-Kommentars 3. Das Schriftverständnis im Psalmen-Kommentar 4. Auseinandersetzung mit Apollinaris von Laodicea 6. Auseinandersetzung mit einem heidnischen Philosophen

X

51 61 51 52 53 54 55 58 58 59 62 63 67 69 69 71 71 71 74 75 76 76 78 81 81 86 90 93 97 101 103 106 106 108 109 109 112 114 116 117 119 119 121 122 123 127

6. Zahlensymbolik im Psalmen-Kommentar 7. 'Αλληγορία und ά ν α γ ω γ ή im Psalmen-Kommentar E. Untersuchung des Ecclesiastes-Kommentars 1. Salomo als 'Ecclesiastes* 2. 'Αλληγορία und ά ν α γ ω γ ή im Ecclesiastes-Kommentar 3. Die Auseinandersetzung mit Porphyrios 4. Beispiele der Auslegung κ α τ ' ά ν α γ ω γ ή ν im Ecclesiastes-Kommentar F. Untersuchung der übrigen Schriften des Didymos 1. Neutestamentliche Katenenfragmente 2. Die übrigen Schriften des Didymos G. Zusammenfassung V. Ergebnis A. B. C. D. Ε. F.

Die άλληγορία als Hilfsmittel christlicher Exegese Die Philosophie als Magd der Theologie Das christologische F u n d a m e n t der Hermeneutik des Didymos. Die Bedeutung der ά ν α γ ω γ ή bei Didymos Ά ν α γ ω γ ή und Typologie Ά ν α γ ω γ ή als Ausdruck der origenistischen Theologie

128 129 133 133 138 141 145 148 148 151 152 154

154 157 . . . 158 160 162 163

Ausblick

165

Abkürzungsverzeichnis

167

Literaturverzeichnis

169

Register

179 179 183 188

1. Namen und Sachindex 2. Bibelstellenregister 3. Wortregister

XI

EINLEITUNG

Die Erforschung der Geschichte der biblischen Hermeneutik geht von der Voraussetzung aus, daß menschliches Verstehen immer geschichtliches Verstehen ist. „ J e radikaler die Geschichtlichkeit des Verstehens erkannt wird, desto umfassender weitet sich das hermeneutische Problem. Zur Besinnung auf das Wesen der Hermeneutik gehört darum notwendig die Besinnung auf ihre Geschichte" 1 . Da es in Theologie und Verkündigung immer wieder um die Auslegung von biblischen Texten geht, stellt sich für sie das Problem der Hermeneutik und der Erforschung ihrer Geschichte mit besonderer Notwendigkeit. Eine Untersuchung zur altkirchlichen Bibelexegese kann sich in diesem Zusammenhang nicht damit begnügen, die geschichtliche Bedingtheit dieser Exegese herauszustellen. Auch die theologische B e u r t e i l u n g muß den geschichtlichen Zusammenhang berücksichtigen; sie muß, wenn sie gerecht sein will, danach fragen, welche theologische Bedeutung eine geschichtlich bedingte Methode in ihrem historischen Kontext gehabt hat. Bei der modernen Beurteilung der allegorischen Bibelauslegung der alten Kirche wird dieser Zusammenhang zu wenig berücksichtigt. Wenn man jedoch davon ausgeht, daß die Exegeten der alten Kirche die Methode der Allegorese ihrer heidnischen Umwelt entlehnt haben, diese also keine genuin christliche Form der Auslegung darstellt, dann wird man danach fragen müssen, welche t h e o l o g i s c h e Bedeutung sie für die altkirchlichen Exegeten gehabt hat. Will man nicht behaupten, die altkirchlichen Exegeten hätten die ursprünglich heidnische Form der Allegorese naiv und unreflektiert übernommen, dann muß man damit rechnen, daß sie ihr auch einen bestimmten Stellenwert in ihrem theologischen Denken eingeräumt haben, der bei einer Beurteilung zu berücksichtigen ist. Eine historisch gerechte Beurteilung der allegorischen Bibelauslegung wird dadurch erschwert, daß die Begriffe 'Allegorese', 'allegorische Auslegung' in ihrer Bedeutung schillern. Bis heute hat der Begriff 'allegorische Auslegung' innerhalb der Bibelexegese einen leicht negativen Beiklang. Die moderne Auseinandersetzung um 'Allegorie' und 'Typologie' in der alten Kirche wird u. a. von dem apologetischen 1

1

G. Ebeling, Hermeneutik, in: R G G 3 III, Sp. 244.

Bicncrt, Allegoria

I

Bemühen bestimmt, wenigstens einen Teilbereich der altkirchlichen Exegese für theologisch legitim zu erklären — nämlich die typologische Auslegung der Bibel — , während die 'allegorische Auslegung' theologisch zu verwerfen sei2. Historisch betrachtet ist jedoch die Unterscheidung zwischen 'Allegorie' und 'Typologie' problematisch, da die altkirchliche Exegese beide Formen der Auslegung terminologisch nicht unterschieden hat. Eine andere, provozierende These vertritt F. Overbeck. Er schreibt: „Man wird die kaltblütige Geringschätzung, mit der die moderne Theologie von der allegorischen Interpretation zu reden sich gewöhnt hat, besser verstehen, wenn man bedenkt, daß diese Theologie die Einbildung hegt, sich für die Bedürfnisse ihrer Exegese einen Ersatz der preisgegebenen Allegorie verschafft zu haben. Die allegorische Interpretation der Schrift ist aber schlechthin die der Theologie. . . . A l l e t h e o l o g i s c h e E x e g e s e i s t a l l e g o r i s c h , verschämt oder unverschämt, oder sie ist überhaupt keine theologische Exegese mehr, sondern nur das Mittel, Texte, die theologische Exegese in ihrem religiösen Ansehen zu erhalten sich bemüht, in diesem Sinne los zu werden" 3 . Diese These Overbecks, die im klaren Gegensatz zu den Äußerungen seiner Zeitgenossen steht, zeigt am deutlichsten das Problem. In allen Fällen nämlich, in denen die allegorische Auslegung vorschnell negativ oder — wie es Overbeck tut — positiv beurteilt wird, wird nicht unterschieden zwischen einer geschichtlich bedingten Met h o d e der Bibelauslegung und dem Bemühen, biblischen Texten eine für die christliche Verkündigung zu allen Zeiten notwendige theologische D e u t u n g zu geben. Wenn Baentsch in seinem Artikel „Allegorische Auslegung" schreibt: „ E s darf als sicher gelten, daß innerhalb der protestantischen Theologie die Allegorese in jeder Form endgültig überwunden ist" 4 , dann versteht er sie als „Mittel", „wodurch ein späteres Geschlecht den Zusammenhang mit einer großen Vergangenheit wahrt und deren geistiges Erbe in eine neue Zeit hinüberrettet, um es für das geistige und religiöse Leben der Gegenwart fruchtbar zu machen" 5 . Dieses „Mittel" ist seiner Meinung nach bei der Interpretation von historischen Texten

2

Vgl. dazu vor allem die Arbeiten von J. Daniilou; ζ. B. Travers^e de la Mer

Rouge et bapteme aux premiers siecles, in: RechSR 33/1946 S. 402—430 und die eingehende Auseinandersetzung damit bei: H. de Lubac, 'Typologie' et "Allegorisme', in: RechSR 34/1947 S. 180—226. 3

F. Overbeck, Christentum und Kultur. Gedanken und Anmerkungen zur moder-

nen Theologie. Aus dem Nachlaß hrsg. v. C. A. Bernoulli, Basel 1919 (Nachdruck Darmstadt 1963 S. 91).

2

1

Baentsch, Allegorische Auslegung, in: R G G 1 I (1909), Sp. 364.

s

Ebd. Sp. 356.

durch die wissenschaftliche, d. h. für ihn grammatisch-historische Betrachtungsweise ersetzt worden. Baentsch berücksichtigt allerdings nicht, daß die altkirchliche Exegese sich nicht damit begnügen wollte, geistiges Erbe der Vergangenheit zu vermitteln, sondern daß sie sich zugleich als Form der christlichen Verkündigung verstand. Dieser Aspekt schwebt Overbeck offensichtlich vor Augen, wenn er generell alle theologische Exegese als allegorisch bezeichnet. Nur ist das Wort 'allegorisch' in dieser generellen Bedeutung problematisch. Fragt man nach der Terminologie der alten Kirche, so schälen sich bei näherer Betrachtung zwei zentrale Begriffe heraus, mit denen sie ihre Exegese kennzeichnet: 'Allegoria' und 'Anagoge'. Beide Begriffe sind charakteristisch vor allem für Origenes und die von ihm abhängigen Exegeten. Eine Untersuchung der beiden Begriffe innerhalb der altkirchlichen Exegese und Theologie fehlt bisher. Weithin herrscht die Überzeugung, daß 'Anagoge' inhaltlich dasselbe bedeutet wie 'Allegoria'. Am klarsten hat das E. von Dobschütz für die Terminologie des Origenes ausgesprochen: ,,Vor allem ist bei ihm (sc. Origenes) die Terminologie noch ganz im Fluß: es ist d a s s e l b e , was er unter Anagoge und Allegorie versteht, und Tropologie ist kaum davon unterschieden"6. Erst später „differenzieren sich die ursprünglich gleichbedeutend gebrauchten Termini Allegorie und Anagoge, indem jener mehr für die dogmatische, dieser für mystische Deutungen, oder auch jener für die Deutung auf Heilsgüter der Gegenwart, dieser für solche der Zukunft gebraucht wird" 7 . Diese Unterscheidung kennzeichnet den Beginn der Lehre vom vierfachen Schriftsinn, wie er die Exegese des gesamten Mittelalters beherrscht hat und dessen Anfänge sich bis zu Johannes Cassian ins 5. Jh. zurückverfolgen lassen. 'Allegoria' und 'Anagoge' bezeichnen in diesem Zusammenhang nichts anderes als zwei Aspekte eines theologischen Schriftsinnes im Unterschied zum Wortsinn oder historischen Sinn der Schrift. Von hier geht ein direkter Weg zu der bei Overbeck und auch heute noch weithin geläufigen generellen Bezeichnung der altkirchlichen Exegese als 'allegorischer' Exegese. Anders wäre die Lage, wenn sich zeigen ließe, daß Origenes und seine direkten Nachfolger zwischen 'Allegoria' und 'Anagoge' in dem Bewußtsein unterschieden hätten, daß 'Allegoria'ursprünglich zur Bezeichnung der heidnischen Homerexegese verwandt wurde und deswegen keine spezifisch christliche Auslegungsweise bezeichnen konnte. β Ε. von Dobschütz, Vom vierfachen Schriftsinn. Die Geschichte einer Theorie, in: Harnack-Ehrung, Leipzig 1921 S. 6 (Sperrung im Text!). Das Urteil über die Terminologie des Didymos ist ähnlich; vgl. dazu: H. de Lubac, Exegese mödievale, Bd. I, 2, Paris 1959 S. 419; L. Doutreleau, Didyme l'Aveugle, Sur Zacharie, Bd. I, Paris 1962 S. 56 und S. 60 Anm. 1. 7 E . von Dobschütz a. a. O. S. 7.



3

Diesen Nachweis versucht die vorliegende Untersuchung zu bringen. Sie geht dabei aus vom Werk des Didymos, der „ja seinem großen Lehrer (sc. Origenes) auf Schritt und Tritt folgt" 8 . Sein Werk eignet sich für eine solche Untersuchung besonders gut. Insbesondere ist die Quellenlage bei Didymos im Unterschied zu Origenes ungleich günstiger, seit durch den Papyrusfund von Tura fünf umfangreiche Kommentare des Didymos zu Büchern des Alten Testaments ans Licht gekommen sind. Außerdem zeigt die Exegese des Didymos gegenüber Origenes bereits gewisse scholastische Züge und daher eine schärfer ausgeprägte exegetische Begrifflichkeit. All das kommt einer terminologischen Untersuchung der Begriffe 'Allegoria' und 'Anagoge' entgegen. Da als Grundlage einer solchen Untersuchung nur die echten Schriften des Didymos dienen können, bedarf es zunächst eines Überblicks über die bisherige Didymosforschung und einer Abgrenzung der als echt zu betrachtenden Schriften des Didymos. Um die Exegese des Didymos an ihrem geschichtlichen Ort verstehen zu können, müssen die wichtigsten Vorstufen der allegorischen Exegese genannt werden, die auf Didymos mittelbar oder unmittelbar eingewirkt haben. Vor allem bedarf es eines Uberblicks über Geschichte und Bedeutung der beiden Begriffe 'Allegoria' und 'Anagoge' vor Didymos. Diese Überlegungen haben die Gliederung der vorliegenden Arbeit bestimmt. 8

4

H. Urs von Balthasar, Die Hiera des Evagrius, in: ZKTh 63/1939 S. 104.

I. D I D Y M O S D E R B L I N D E , P E R S O N U N D Α. L e b e n u n d B e d e u t u n g des

WERK

Didymos

i. Leben und Umwelt Didymos der Blinde war der letzte bedeutende Leiter der alexandrinischen Katechetenschule 1 . E r wurde wahrscheinlich im Jahre 313 n. Chr. geboren und lebte bis zum Jahre 398. Nach dem Urteil seiner Zeitgenossen gehörte er zu den wichtigsten theologischen Lehrern des vierten nachchristlichen Jahrhunderts. Seine bekanntesten Schüler waren Hieronymus und Rufin. Der Kirchenhistoriker Sokrates stellt ihn in seiner Bedeutung in eine Reihe mit Basilius dem Großen und Gregor von Nazianz 2 . Bereits als K i n d soll Didymos sein Augenlicht verloren haben 3 . Seine umfangreichen Kenntnisse in zeitgenössischer Philosophie, Mathematik und anderen Wissenschaften 4 wie seine umfassende Bibelkenntnis muß er sich demnach mit großem Fleiß angeeignet und im Gedächtnis bewahrt haben. In der Mitte des 4. Jahrhunderts — der Zeitpunkt läßt sich nicht genauer bestimmen — wurde Didymos von Athanasius zum Leiter der Katechetenschule in Alexandria ernannt 5 . In dieser Eigenschaft hat 1 Die wichtigsten Monographien zu Person und Werk des Didymos sind noch immer: J. Leipoldt, Didymus der Blinde von Alexandria (TU 14, 3), Leipzig 1905 und G. Bardy, Didyme l'Aveugle, Paris 1910. Die nach dem Papyrusfund von Tura sich neu stellenden Fragen behandelt: L. Doutreleau, Vie et survie de Didyme l'Aveugle du IV e si£cle ä. nos jours, in: Les Mardis de Dar El-Salam 1 9 5 6 / 5 7 , Kairo 1 9 5 9 S. 3 3 - — 9 2 ; ders.: Einleitung zu ZaT, Bd. I S. 1 3 — 1 3 7 . 2 Sokrates h. e. IV, 25 (PG 67, 527). 3 Die Angaben über den Zeitpunkt schwanken: Palladius, Hist. Laus. 4 (Butler S. 19): ,,τετραέτης τάζ δψει; άττοβαλών"; Hieronymus, Chron. V I I I (GCS 47, 246, I 4 f f . ) : ,,qui post quintum nativitatis suae annum luminibus orbatus"; Rufin h. e. XI, 7 (GCS 9, 1012, iof.): „in parva aetate . . . luminibus orbatus"; Hieronymus vir. ill. 109 (PL 23, 705 A) ebenso; Sozomenos h. e. III, 15 (GCS 50, 125, 26f.) verlegt den Verlust des Augenlichts in die erste Schulzeit; Sokrates h. e. IV, 25 spricht lediglich von einer Augenkrankheit, die Didymos erheblich in seiner Sehkraft beeinträchtigte. 4 Hieronymus vir. ill. 109; Sokrates h. e. IV, 25. 5 Daß Didymos von Athanasius zum Leiter der Katechetenschule ernannt wurde, erfahren wir von Rufin (h. e. XI, 7); vgl. auch Philippus v. Side (PG 39, 229). Der Zeitpunkt der Ernennung ist jedoch unbekannt; vgl. A. van Roey, Didymos der Blinde,

5

er anscheinend ohne größere Unterbrechungen bis an sein Lebensende gewirkt. Als theologischer Lehrer hielt Didymos an der exegetischen Schultradition Alexandriens fest 6 und bewahrte die Theologie des Origenes mit besonderer Treue. Nach der Überlieferung des Hieronymus bezeichnete er Origenes als ,,post apostolos Ecclesiarum magistrum" 7 . Seine Verehrung für Origenes ging so weit, daß er auch dessen Lehren von der Apokatastasis und der Präexistenz der Seelen übernahm, was ihm und seinem Werk später zum Verhängnis wurde. Zu seinen Lebzeiten jedoch war sein Ansehen als theologischer Lehrer unbestritten. Hieronymus bezeichnete ihn, den Blinden, mehrmals ehrfürchtig als „videntem" 8 oder sagte sogar von ihm ,,oculum habens sponsae de Cantico Canticorum" 9 . Rufin nannte ihn „divina in: L T h K 2 3, Sp. 373; J. Leipoldt a. a. O. S. 6 Anm. 2 f r a g t : „Sollte Didymus . . . erst nach 362 Vorsteher der alexandrinischen Schule geworden s e i n ? " ; C. Andresen setzt den Zeitpunkt noch später an und datiert auf „ca. 3 7 1 " (Didymos 3, in: Lexikon der Alten Welt, Z ü r i c h — S t u t t g a r t 1965 Sp. 732—733; wieder abgedruckt in: dtv-Lexikon der Antike 1, München 1969 Sp. 348). β Zum Schulbetrieb in Alexandria vgl.: W . Bousset, Jüdisch-christlicher Schulbetrieb in Alexandria und Rom, Göttingen 1915; G. Bardy, Pour l'Histoire de l'Ecole d'Alexandrie, in: Vivre et Penser 2/1942 S. 80—109; A. Knauber, K a t e chetenschule oder Schulkatechumenat? i n : Trierer Theol. Zeitschr. 60/1951 S. 243—266; H.-I. Marrou, Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum, Freiburg—München 1957. Über den Charakter des Schulbetriebs gehen die Meinungen auseinander. B a r d y spricht von einer „sorte d ' u n i v e r s ^ " zur Zeit des Origenes (S. 109). Marrou betont, daß es „eine öffentliche Theologieschule einzig und allein zur Zeit des Origenes" gegeben habe (S. 473). Demgegenüber gab es seiner Meinung nach im 4. Jh. „keine religiösen Hochschulen mehr" (S. 475); bei Didymos seien es lediglich „Privatstunden ohne Lehramtscharakter, persönliche Beziehungen von Mensch zu Mensch" gewesen (ebd.). Knauber unterstreicht den missionarischkatechetischen Charakter der Schule. E r spricht von einem „Mittelding . . . zwischen dem kirchlich organisierten Tauf Unterricht und jenen vorgeblichen Hochschulvorlesungen", das sich nach antikem Vorbild als ,,'Philosophenschule' für die 'wahre Philosophie*" verstand (S. 260). — Dazu schreibt A. Kehl im Blick auf Didymos: „ W i e dem auch sei, es war ' S c h u l e ' im antiken Sinne." Und er fährt fort: „ I n jedem Falle auch dürfen wir von einer christlichen alexandrinischen Schultradition im Sinne einer Lehrüberlieferung sprechen. Didymus k n ü p f t an Origenes an, mag auch aus den c. 100 Jahren, die zwischen beiden liegen, kaum ein literarischer Niederschlag dieser Tradition erhalten sein" (Kehl S. 47 Anm. 43). 7 Hieronymus, De nom. hebr., praef. (CCL 72, 59, 26); vgl. H. de Lubac, Exigfese midiövale I, 1 S. 241. 8 Prol. z. Gal-Komm. (PL 26, 333 A ) ; Prol. z. Übers, d. Jer.-Hom. u. Ez.-Hom. des Origenes ( P L 25, 583). (Die Bezeichnung 'der Blinde' als Ketzerpolemik gegen Didymos ist m. W . nicht belegt). 9 Vorwort z. Ubers, von 'De spiritu s a n c t o ' (ad Paulinianum) P G 39, 1033; vgl. 217! /

Ο

luce fulgentem Didymum" 1 0 und Euagrius Ponticus ,,ό μέγας καΐ γνωστικός διδάσκαλος" 11 . Sein asketisches Leben beeindruckte nicht nur Palladius, der ihn viermal in seinem Leben aufsuchte, sondern verband ihn auch mit dem ägyptischen Mönchtum. Antonius der Große soll ihn persönlich besucht und ihn wegen seiner Blindheit getröstet haben 12 . Über sein Verhältnis zu Athanasius wissen wir nur wenig. Die Tatsache, daß Athanasius ihn zum Leiter der alexandrinischen Katechetenschule ernannte, läßt jedoch vermuten, daß beide sich theologisch nahegestanden haben. Didymos war Theologe; er wurde aber nicht Priester, sondern blieb 'Laie\ Seine Blindheit hinderte ihn, größere Reisen zu unternehmen. Das mögen die Gründe sein, weswegen sein Name in den Akten der Konzilien und Synoden dieses an kirchenpolitischen Ereignissen reichen Jahrhunderts fehlt. Didymos wirkte als Lehrer und durch seine zahlreichen exegetischen und dogmatischen Schriften.

2, Origenistische Streitigkeiten

Bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts hinein stand Origenes bei den führenden Theologen in hohem Ansehen. Da sich aber in der Auseinandersetzung um die Trinitätslehre nicht nur orthodoxe Kirchenführer, sondern auch Arianer auf ihn berufen konnten, mußte nach dem Sieg des ,,ομοούσιος" auch er in den Sog der antiarianischen Ketzerpolemik geraten. Epiphanius von Salamis war der erste, der eine Liste von Irrtümern des Origenes zusammenstellte und ihn zum Erzketzer machte 13 . Daraus entwickelte sich der erste origenistische Streit, in dessen Verlauf Hieronymus eine unrühmliche Rolle spielte 14 . Er wechselte in das antiorigenistische Lager über und verfeindete sich mit Rufin. Die Auseinandersetzung zwischen Hieronymus und Rufin bezog sich zwangsläufig auch auf die Einstellung zu ihrem gemeinsamen Lehrer Didymos. Hieronymus, der einst nicht genügend Worte gefunden hatte, seinen verehrten Lehrer zu preisen, versuchte nun, dieses Lob abzuschwächen 10

H. e. X I , 7 (GCS 9, 1012 f.). Das Zitat steht bei Sokrates h. e. IV, 23 (PG 67, 520). 12 Hieronymus, Ep. ad Castriciacum, C S E L 54, 677, 20ff.; Rufin h. e. X I , 7; Palladius, Hist. Laus. 4; Sokrates h. e. IV, 25; Sozomenos h. e. III, 15. 13 Epiphanius, haer. 64 (GCS 31, 403ff.); vgl. F. H. Kettler, Origenistische Streitigkeiten, in: R G G 3 IV, Sp. 1701—1702. 14 Vgl. K. Holl/A. Jülicher, Die Zeitfolge des ersten origenistischen Streits, in: K. Holl, Ges. Aufs. II, Tübingen 1928 (Nachdruck Darmstadt 1964), S. 310—350. 11

7

und als unbedeutend hinzustellen15. Rufin blieb seinem Lehrer treu und hielt auch an seiner Verehrung für Origenes fest. Didymos hat wohl nur noch den Beginn dieser Streitigkeiten um das origenistische Erbe miterlebt. Persönlich scheint er davon nicht betroffen worden zu sein. Noch im 5. Jahrhundert war er weithin bekannt und berühmt. Erst nachdem er zusammen mit Origenes und Euagrius Ponticus im Jahre 553 als Ketzer verdammt worden war 16 , schwand sein Ruhm, und seine Schriften gingen zum größten Teil verloren. Nur in jenen Kreisen, die Origenes und seine Theologie verehrten, wurden auch Schriften des Didymos aufbewahrt 17 . Das Verdammungsurteil über Origenes, Didymos und Euagrius Ponticus aber wurde offiziell auf den folgenden Konzilien wiederholt18, da man es als Urteil des 5. ökumenischen Konzils verstand. B. Das W e r k des D i d y m o s , abgesehen von den T u r a Schriften 1. 'De Trinitate

und die ältere Didymosforschung

Bis ins 18. Jahrhundert hinein kannte man von dem umfangreichen Werk des Didymos außer einigen Bruchstücken der Katenenüberlieferung lediglich zwei kleinere Schriften: a) 'De spiritu sancto', eine Abhandlung über den Hl Geist, durchsetzt mit zahlreichen Bibelzitaten, von der nur die lateinische Übersetzung des Hieronymus überliefert ist 19 , und 15

Hieronymus, Apol. adv. Rufin. III, 27 (PL 23, 499); dagegen: Rufin, Apol. in

Hieron. II, 25 (CCL 20, i o i f . ) ; dagegen: Hieronymus, Ep. 84 (Ad Pammachium et Oceanum) ( C S E L 55, i 2 i f f . ) . i« Wahrscheinlich

stammt

der

Urteilsspruch

gegen

Origenes,

Didymos

und

Euagrius von einer im März—April 553 in Konstantinopel abgehaltenen Synode. Erst die späteren Konzilien haben diesen Spruch dem 5. ökumenischen Konzil von 553 in den Mund gelegt; vgl. F. Diekamp, Die origenistischen Streitigkeiten im 6. Jahrhundert, Münster 1899; Bardenhewer II, S. 191 f.; A. Henrichs, Exkurs I: Didymos' Lehre von der Seele, in: HiT Bd. I, S. 311 Anm. 2. — Die Verurteilung des Didymos betraf zunächst nur seine Schriften. Sie wurde aber bereits im Jahre 553 auch auf seine Person ausgedehnt; vgl. F. Diekamp a. a. O. S. 131. 17

S. u. S. 20ff.

18

Vgl. Mansi, Conc. Coli. 11, 632; 13, 377; 16, 180.

19

Text:

PG

39, 1033—1086.

Einen Uberblick über die

Geschichte der ver-

schiedenen Editionen des Textes gibt: L. Doutreleau, Le 'De Spiritu Sancto* de Didyme et ses öditeurs, in: RechSR 51/1963 S. 383—406. Die neueste Monographie über diese Schrift: E. Staimer, Die Schrift 'de spiritu sancto' von Didymus dem Blinden von Alexandrien, Diss. München i960.

8

b) Κατά Μανιχαίων, eine fragmentarisch erhaltene Streitschrift gegen die Manichäer20. Im Jahre 1758 fand man jedoch in einer Handschrift aus dem 1 1 . Jahrhundert ein umfangreiches Werk, das seinem Charakter nach möglicherweise von Didymos stammen konnte. Dieses Werk, das sich vor allem mit Arianern und Makedonianern auseinandersetzt, behandelt in drei Büchern Probleme der Trinitätslehre: Buch I handelt vom Sohn, Buch I I vom Hl Geist und Buch I I I bringt nach einer Zusammenfassung der erörterten Fragen eine Untersuchung der Bibelstellen, die von den Gegnern der Trinitätslehre als Beweismittel verwendet wurden. Leider ist die Handschrift fehlerhaft und lückenhaft — insbesondere fehlen Anfang und Ende des Werkes 21 , so daß der Autor aus inhaltlichen Angaben erschlossen werden muß. Thematik und inhaltliche Einzelheiten der Schrift deuten daraufhin, daß Alexandria ihr Ursprungsort ist. Zeitlich gehört das Werk an das Ende des 4. Jahrhunderts. In seiner ersten Untersuchung hatte J . A. Mingarelli22 es noch vermieden, den Autor der Schrift beim Namen zu nennen. Er hatte lediglich die Vermutung geäußert, Didymos könne der Autor sein. Als sich dagegen kein Widerspruch erhob und — was Mingarelli gehofft hatte — sich auch keine weitere Handschrift des Werkes finden ließ, veröffentlichte er es im Jahre 1769 zusammen mit den anderen Werken des Didymos unter dem Titel 'De Trinitate' 23 . Mingarelli begründete die Autorschaft des Didymos neben der allgemeinen Zuweisung — '4. Jh., Alexandria' — vor allem mit zwei Stellen, in denen sich der Autor von 'De Trin' auf ein früher von ihm verfaßtes Werk über den Hl Geist bezieht24. Er verstand sie als Rückverweise auf Didymos' Schrift 'De spiritu sancto'. Außerdem konnte er sich auf eine Notiz bei Sokrates berufen, Didymos habe ein Werk in drei Büchern über die Trinität geschrieben25. Diese Notiz findet sich allerdings nur bei Sokrates, während Hieronymus und andere Zeugen, Text: PG 39, 1085—1110. Ein weiteres Fragment dieser Schrift findet sich in den Sacra Parallela des Joh. Damascenus, PG 95, 1532 A. Dieses Fragment ist nach Leipoldt (a. a. O. S. 14) das einzige äußere Zeugnis dafür, daß die Schrift von Didymos stammt; vgl. auch Bardenhewer III, S. 112 Anm. 1. 2 1 Es fehlen Buch I c. 1—6; 12—14; Buch II c. 19 u. 22; in Buch III zumindest das Ende von c. 42. 2 2 Ep. ad Archintum praesulem v. 30. Juni 1763 (veröffentlicht 1764), in: PG 39. 9 9 3 — i ° 3 o ; zu dem Vornamen vgl. Bardenhewer I I I S. 105 Anm. 6. 2 3 In seiner Einl. (PG 39, 139—216) begründet er noch einmal ausführlich die Autorschaft des Didymos. 2 4 De Trin III 16 (PG 39, 872 B ) ; III, 31 (PG 39, 949 B—C). 2 5 Sokr. h. e. IV, 25. 20

9

die Didymos persönlich gekannt haben, ein solches Werk nicht erwähnen. Daneben nennt Mingarelli in seiner Untersuchung fünf Beobachtungen, die einer Autorschaft des Didymos zu widersprechen scheinen26. Er hielt sie aber nicht für gewichtig genug, um auf ihrer Grundlage Didymos das Werk abzusprechen. Seither galt die Autorschaft des Didymos für 'De Trin' als gesichert. Alle späteren Darstellungen der Theologie des Didymos basieren in der Hauptsache auf diesem Werk, das J . Leipoldt in seiner Monographie als „Hauptwerk" und „Lebenswerk des Didymos" bezeichnet27.

2. Versuche, weitere Schriften dem Didymos zuzuschreiben a) Pseudo-Basilius, Adversus Eunomium IV—V Auf der Grundlage von 'De Trin' hat man in der Forschung immer wieder versucht, weitere Schriften des Didymos ausfindig zu machen. Der erste und wichtigste Versuch dieser Art stammt von F. X. Funk 28 . Er sieht in den beiden Büchern Adversus Eunomium IV—V des Basilius29 den sogenannten ,,πρώτος λόγος", der an mehreren Stellen in 'De Trin' erwähnt wird 30 . Offenbar bezieht sich der Autor von 'De Trin' an diesen Stellen auf eine früher von ihm verfaßte Schrift, möglicherweise auf sein theologisches Erstlingswerk. Einig ist sich die Forschung darin, daß die beiden genannten Bücher, Adversus Eunomium IV—V, aus verschiedenen Gründen nicht dem Basilius zugeschrieben werden können. Die Zuweisung an Didymos bereitete jedoch zunächst Schwierigkeiten31. Erst nachdem J . Lebon im Jahre 1937 ein syrisches Testimonium dieses Werkes mit dem Na2

« P G 39, 175—176. Leipoldt a. a. O. S. 12. 28 F. X. Funk, Die zwei letzten Bücher der Schrift Basilius' des Gr. gegen Eunomius, in: Kirchengeschichtliche Abhandlungen und Untersuchungen Bd. 2, Paderborn 1899, S. 291—329. 29 Text: P G 29, 671—774. 30 In 'De Trin' wird an 13 Stellen ein -πρώτος λόγος erwähnt: De Trin I I 4 (PG 39, 489 Α); II 6, 7 (529 Α); II 6, 8 (532 Α ) ; II 6, 21 (553 Β); II 6, 22 (553 C); II 23 (745 A); I I I 3 (805 C); I I I 1 5 (864 B); III, 16 (865 C); I I I 18 (888 A ) ; I I I 20 (896 B); I I I 31 (956 A); III 36 (965 C). 31 Auf die Kritik von Leipoldt (a. a. O. S. 26—31) antwortete Funk in: Die zwei letzten Bücher der Schrift Basilius' des Gr. gegen Eunomius, in: Kirchengeschichtliche Abhandlungen und Untersuchungen Bd. 3, Paderborn 1907 S. 3 1 1 — 3 2 3 . Hier bringt Funk neue Testimonien, die die Zusammengehörigkeit der beiden Werke schon früh bezeugen. — Bardy (a. a. O. S. 23—27) hat der These Funks zugestimmt. 27

10

men des Didymos veröffentlicht hatte 32 , schienen die letzten Zweifel an der Richtigkeit der Zuweisung beseitigt zu sein33. Kürzlich aber hat Chr. Bizer die Autorschaft des Didymos erneut in Zweifel gezogen 34 . Bizer überprüft zunächst Funks Hauptargument, die Rückverweise in 'De Trin' auf den sogenannten ,,πρώτος λόγος". Von dreizehn Belegen scheiden vier von vornherein aus, da sich für sie auch nach der Darstellung Funks bei Ps.-Basilius keine Entsprechungen finden lassen. Funk hatte dies mit dem fragmentarischen Zustand von Adversus Eunomium I V — V erklärt. Sieben weitere Belege sind nach der Meinung Bizers zu allgemein gehalten, als daß sich mit ihrer Hilfe eine literarische Verbindung zwischen Ps.-Basilius und 'De Trin' beweisen ließe. So bleiben nur zwei Rückverweise übrig, für die es direkte Parallelen in Ps.-Basilius gibt: De Trin II 6,7 (PG 39, 529A) — Adv. Eun. V (PG 29, 713 A) und De Trin III 36 (PG 39, 965 C) — Adv. Eun. V (PG 29, 744 Df.) 35 . Bizer meint, diese Übereinstimmungen ließen sich auch als Abhängigkeit beider Schriften von einer gemeinsamen Tradition erklären. — Außerdem hat L. Beranger gezeigt 36 , daß mit dem ,,πρώτος λόγος" auch Buch I von 'De Trin' gemeint sein kann. Fehlende Parallelen lassen sich durch den fragmentarischen Zustand dieses Buches erklären. Legt man diese Beobachtungen zugrunde, dann ruht der Beweis der Autorschaft des Didymos für Adv. Eun. I V — V allein auf dem syrischen Testimonium, das Lebon entdeckt hat. Bizer hält dieses Testimonium für zu unsicher, um die Beweislast allein tragen zu können36a. In diesem Zusammenhang muß abschließend noch ein wichtiges Katenenfragment aus dem Johannes-Kommentar des Didymos erwähnt 32

J. Lebon, Le Pseudo-Basile (Adv. Eunom. I V — V ) est bien Didyme d'Alexan-

drie, in: Le Museon 50/1937 S. 61—83. 33

Fast alle Forscher sind heute von der Echtheit des Werkes überzeugt: vgl.

J. Quasten, Patrology Bd. III, Utrecht—Antwerpen 2. Aufl. 1963 S. 88; B. Altaner/ A. Stuiber, Patrologie (7. Aufl.), Freiburg/Basel/Wien 1966 S. 280; L. Doutreleau, Vie et survie . . . a. a. O. S. 88; ders.: ZaT Einl. S. 19; A. Geschc, La christologie du 'Commentaire sur les Psaumes' decouvert ä Toura, Gembloux 1962 S. 353 Anm. 2. (Das Werk -wird in Zukunft abgekürzt: „GeschO".) 34

Chr. Bizer, Studien zu den pseudathanasianischen Dialogen. Der Orthodoxos

und Aetios, Diss. Bonn (1966), Rotaprint 1970 (überarbeitet) S. 2 i 3 f f . 35

In der Zählung Funks sind es die Nummern 2 und 13 (in Bd. 2 S. 318f.).

36

L. Beranger, Sur deux inigmes du De Trinitate de Didyme l'Aveugle, in:

RechSR 51/1963 S. 255—267 (Interessanterweise fehlt in 'De Trin'Buch I der Verweis auf einen τΓρώτος λόγος.). 3βϋ Vgl. Chr. Bizer a . a . O . S. 2 1 4 I ; ebenso B. Pruche, Didyme l'Aveugle est-il bien l'auteur des livres Contre Eunomium I V et V attribute ä Saint Basile de C^saree ? in: Stud. Patr. X (TU 107), Berlin 1970 S. 151—155.

II

werden, das in der bisherigen Forschung weithin unbeachtet geblieben ist. Lediglich B.Dietsche zitiert es als Beleg f ü r die Autorschaft des Didymos von Adv. Eun. IV—V 37 . Es heißt dort u.a.:,, Ei δέφήσεις μείζονα είναι τόν πατέρα, δτιπερ άγέννητος, ό δέ υιός γεννητός, έροϋμεν, ότι των ουσιών οί τρόποι, ου των υπάρξεων". Vergleicht man dies mit den Ausführungen in Adv. Eun. IV (PG 29, 680 Dff.), wo es um das gleiche Problem geht, dann zeigt sich ein deutlicher Widerspruch. Der Satz: „υπάρξεως oöv τρόπος τό άγέννητος, και ουκ ουσίας όνομα" (PG 29, 681 Α) klingt sogar wie eine direkte Polemik gegen Didymos. Da es sich hier um ein dogmatisch zentrales Thema des 4. Jahrhunderts handelt, ist es schwer vorstellbar, daß beide Ausführungen von demselben Autor stammen. Damit dürfte Didymos als Autor für Adv. Eun. IV—V nicht mehr in Betracht kommen. Eine lose Verbindung zwischen den beiden Büchern und dem Werk 'De Trin' braucht deswegen nicht grundsätzlich ausgeschlossen zu sein (vgl. dazu u. S. 16—20). b) Pseudo-Gregor, Adversus Arium et Sabellium Im Jahre 1904 unternahm K. Holl den Versuch, die Schrift 'Adversus Arium et Sabellium', die sich unter den Werken Gregors von Nyssa findet, dem Didymos zuzuschreiben38. Die Bezeichnung der theologischen Gegner, die besondere Form der Trinitätslehre, der strenge Origenismus und die Hebräischkenntnisse des Verfassers der Schrift ließen ihn an der Autorschaft Gregors zweifeln. Vergleiche mit 'De Trin' bestärkten seine Annahme, daß Didymos der Autor sei. J . Leipoldt stimmte dieser Zuweisung begeistert zu39. G. Bardy lehnte sie jedoch ab; ihn konnten die Argumente für die Autorschaft des Didymos nicht überzeugen40. Mit dem Erscheinen der Neuausgabe der Werke Gregors von Nyssa schien die Verfasserfrage zugunsten Gre37

Reuss S. 184 Nr. 17 (zu Joh 14, 28); vgl. B. Dietsche, L'höritage litteraire de Didyme l'Aveugle, in: RScPhTh 2/1941—42 S. 409f. Dietsche möchte mit diesem Beleg die Autorschaft des Didymos beweisen, indem er die Behauptung K. Holls entkräftet, der Ausdruck τρόττοζ τη; υπάρξεως sei „eines der gegen Didymos entscheidenden Argumente" (K. Holl, Amphilochius von Ikonium in seinem Verhältnis zu den großen Kappadoziern, Tübingen—Leipzig 1904 [Nachdruck Darmstadt 1969] S. 245 Anm. 1). Das Vorgehen Dietsches ist jedoch allzu formalistisch und berücksichtigt nicht den Inhalt des Fragments. 38 K. Holl, Über die Gregor von Nyssa zugeschriebene Schrift 'Adversus Arium et Sabellium', in: Z K G 25/1904 S. 380—398 ( = Ges. Aufs. II S. 298—309); vgl. H. Lietzmann, Geschichte der alten Kirche Bd. 3, 3. Aufl. Berlin 1961 S. 245. Text neu herausgegeben von F. Müller in: Gregorii Nysseni Opera III 1, Leiden 1958 S. 71—85· 3 » A. a. O. S. 9. 40 A. a. O. S. 17ff. 12

gors entschieden zu sein 41 . Neuerdings ist die Echtheit der Schrift jedoch wieder umstritten 42 . Didymos dürfte allerdings als Autor nicht mehr in Betracht kommen. Die Verbindungen mit 'De Trin' können als Beweis nicht mehr dienen, da die Echtheit dieser Schrift selbst umstritten ist. Die Hebräischkenntnisse des Verfassers von 'Adversus Arium et Sabellium' sprechen außerdem gegen eine Autorschaft des Didymos (vgl. u. S. 26 und Anm. 122). c) Pseudo-Hieronymus, Traktat über die Seraphenvision Unter den Schriften des Hieronymus findet sich ein Traktat über die Seraphenvision Jes 6 43 . Der lateinische Traktat geht offensichtlich auf eine griechische Vorlage zurück. — Im Jahre 1941 unternahm W. Dietsche den Versuch, diese griechische Urschrift dem Didymos zuzuweisen44. Dieser Versuch ist vor allem deswegen problematisch, weil die Schrift von heftiger Polemik gegen die allegorische Auslegungsmethode des Origenes durchzogen ist, die nicht erst von dem lateinischen Übersetzer eingefügt wurde. Dies zwingt Dietsche zur Annahme einer antiorigenistischen Interpolation der griechischen Urschrift. Dadurch aber wird die Beweisführung mit einer zusätzlichen Hypothese belastet, die überflüssig ist, wenn man an Stelle von Didymos Theophilos von Alexandria als Verfasser annimmt. B. Altaner hat das in seiner Kritik mit Recht hervorgehoben46, und seine Auffassung scheint sich inzwischen auch durchgesetzt zu haben 46 . Selbst wenn Theophilos nicht der Verfasser der griechischen Urschrift des Traktates sein sollte, Didymos dürfte schwerlich als ihr Autor in Betracht kommen. d) Widerlegung eines Montanisten Im Jahre 1905 veröffentlichte G. Ficker aus einer griechischen Handschrift des Escorial die 'Widerlegung eines Montanisten durch einen Orthodoxen'. Zweifellos gehört dieser Dialog seinem theologischen 41 F . Müller a. a. O. Einl. S. L X ; vgl. auch J . Daniölou, L'Adversus Arium et Sabellium de Gregoire de Nysse et l'orig^nisme cappadocien, in: R e c h S R 54/1966 S. 60—66. 42

Vgl. M. van Parys, Exegese et theologie trinitaire, in: Irinikon 4 3 / 1 9 7 0 S. 3 6 2 — 3 7 9 (bes. S. 3 7 5 — 3 7 8 ) ; R. Hübner, Gregor von Nyssa und Markell von Ankyra, in: Ecriture et culture philosophique dans la pensee de Gregoire de Nysse (Actes du Colloque de Chevetogue, 22.—26. Sept. 1969), Leiden 1 9 7 1 S. 199—229 (bes. S. 2 1 1 f. Anm. 1). 43

Text hrsg. v. G. Morin, in: Anecdota Maredsolana III, 3/1903 S. 1 0 3 — 1 2 2 .

41

W . Dietsche, Didymus von Alexandrien als Verfasser der Schrift über die Seraphenvision, Freiburg 1 9 4 1 . 45

B . Altaner, Wer ist der Verfasser des Tractatus in Isaiam V I , 1 — 7 ? in: T h R v 4 2 / 1 9 4 3 Sp. 1 4 7 — 1 5 1 . 4

® Vgl. L. Chavoutier, Querelle originiste et controverses trinitaires ä. propos du Tractatus contra Origenem de Visione Isaiae, in: VigChr 14/1960 S. 9 — 1 4 .

13

Charakter nach ins 4. Jahrhundert 47 . Sicherlich besteht auch eine Verbindung zwischen dem Dialog und der Darstellung der trinitarischen Irrtümer der Montanisten am Ende von 'De Trin' Buch III 4 8 . Aber diese Verbindung deutete Ficker mit Recht als Abhängigkeit der Schrift 'De Trin' von dem Montanistendialog49. Dennoch haben P. de Labriolle 50 und A. Günthör 51 diesen Dialog dem Didymos zuweisen wollen. Günthör begründete seine Annahme im Zusammenhang seiner Untersuchung der sieben pseudathanasianischen Dialoge, die er ebenfalls als Werk des Didymos betrachtete.

e) Die sieben pseudathanasianischen Dialoge Es ist allgemein in der Forschung anerkannt, daß das Korpus der sieben pseudathanasianischen Dialoge nicht auf Athanasius zurückgeht. Es gibt verschiedene Versuche, einzelne Dialoge bestimmten Autoren zuzuschreiben52, darunter auch den Versuch von A. Günthör, sämtliche Dialoge — den Dialog mit dem Montanisten eingeschlossen — dem Didymos zuzuweisen53. Günthör sieht in den Dialogen Vorarbeiten des Didymos zu seinen späteren großen Werken: 'De spiritu sancto' und 'De Trin5. Den Beweis sieht er vor allem in literarischen und dogmatischen Parallelen zwischen den Dialogen und den Werken des Didymos. Die komplizierte These von F. Loofs 54 , nach der die beiden Dialoge 'Contra Macedonianos' älter seien und in 'De Trin'

47

G. Ficker, Widerlegung eines Montanisten, in: Z K G 26/1905 S. 447—463, bes.

458 f« De Trin III 41 (PG 39, 984—989); vgl. auch Hieron. ep. ad Marcellam ( C S E L 54, 31 iff.), der offenbar ebenfalls von dem Dialog abhängig ist. 49 A. a. O. S. 461. Ficker möchte den Autor der antiochenischen Schule zuweisen (a. a. O. S. 462); vgl. Chr. Bizer a. a. O. S. 228ff. 50 P. de Labriolle, Les sources de l'histoire du Montanisme, Fribourg—Paris 1 9 1 3 S. CVII. 51 A. Günthör, Die 7 pseudoathanasianischen Dialoge, ein Werk Didymus' des Blinden von Alexandrien (Studia Anselmiana 11), Rom 1941, bes. S. 23ff. 62 Es handelt sich um 5 Dialoge 'De sancta Trinitate' (Text: P G 28, 1 1 1 5 — 1 2 8 6 ) und 2 Dialoge "Contra Macedonianos' (Text: P G 28, 1 2 9 1 — 1 3 3 8 ) . Folgenden Verfassern wollte man die Dialoge zuschreiben: Maximus Confessor (vgl. P G 91, 649 zu den Dialogen c. Macedonianos); Theodoret v. Kyros (J. Garnier, in: P G 84, 376 ff.); Apollinaris (Dialog 1 — 3 [de trin] vgl. J . Dräseke, Apollinarios von Laodicea [TU 7], Leipzig 1892). 53 Diese Vermutung hatte erstmals E. Stolz aufgestellt: "Didymus, Ambrosius, Hieronymus', in: ThQ 87/1905 S. 395f. (Anm.); dagegen bereits G. Bardy a. a. O. S. 42. 64 F. Loofs, Zwei macedonianische Dialoge, in: S A B 1914, S. 526—551.

14

ihren Niederschlag gefunden hätten, während die fünf Dialoge 'De sancta Trinitate' sowohl von 'De Trin' wie auch von den macedonianischen Dialogen abhängig seien, möchte Günthör überwinden. Zweifellos bestehen Verbindungen zwischen den Dialogen 'Contra Macedonianos' und 'De Trin' 65 . Ebenso gibt es Parallelen zwischen 'De Trin' und den übrigen Dialogen 56 . Damit ist jedoch die Frage der literarischen Abhängigkeit nicht entschieden; erst dann aber ließe sich die Verfasserfrage lösen. H. Rahner faßte seine Kritik an Günthörs Buch in den Worten zusammen 57 : „Der Nachweis läßt trotz vieler guter Beobachtungen ebenso vielen Zweifeln berechtigten Raum, weil sich allzuviel von den beigebrachten Parallelen eben doch aus gemeinsamer Quelle oder aus nachträglicher Benützung des Didymus durch den unbekannten Verfasser der Dialoge erklären läßt". Demgegenüber hat B. Dietsche 58 in einem recht unkritischen Überblick nicht nur die sieben pseudathanasianischen Dialoge, sondern sämtliche — dem Didymos zugeschriebene — Schriften für echt erklärt. Eifrig hält er Ausschau nach weiteren Schriften, die man ihm zuschreiben könnte 59 . In seiner Dissertation aus dem Jahre 1966 lenkt Chr. Bizer 60 zu einer differenzierteren Betrachtungsweise der Dialoge zurück. Im Jahre 1935 hatte H.-G. Opitz die Lösung der Verfasserfrage der pseudathanasianischen Dialoge von der Neuedition der Athanasius-Schriften abhängig gemacht 61 ; diese Forderung nimmt Bizer auf und erfüllt sie zu einem Teil, indem er den Dialog II (de trin) auf der Basis der handschriftlichen Überlieferung analysiert. Dabei zeigt er, daß dieser Dialog aus zwei ursprünglich selbständigen Dialogen besteht, die von einem Redaktor zu einer Einheit verbunden wurden 62 . In dem gesamten Dialogkorpus erkennt Bizer ein Sammelwerk, das aus verschiedenen Einzelteilen zusammengewachsen ist. Ein besonderes Merkmal

66

Vgl. F. Loofs a. a. O. S. 542 t.

58

Ζ. B. De Trin I I I ig

67

H. Rahner, in: Z k T h 65/1941 S. m f . (Zitat S. 112).

(PG 39, 888f.) — Dial. I (de trin), 22 (PG 28, 1149 D).

58

B. Dietsche (s. o. S. 12 Anm. 37), S. 380—414. (B. Dietsche ist identisch mit W.

Dietsche, dem Verfasser der Schrift übei die Seraphenvision [s. o. S. 13 Anm. 44]; vgl. den Aufsatz S. 385 Anm. 1 und S. 399.) 69

A. a. O. S. 414.

60

S. o. S. 11 Anm. 34.

61

H.-G. Opitz, Untersuchungen zur Überlieferung der Schriften des Athanasius,

( A K G 23), Berlin—Leipzig 1935 S. 192 Anm. 1; vgl. M. Hoffmann, Der Dialog bei den christlichen Schriftstellern der ersten vier Jahrhunderte (TU 96), Berlin 1966 S. 59 Anm. 1. 82

A. a. O. S. 142; vgl. S. 160.

15

dieser Sammelwerke ist u. a., daß ihre Handschriften anonym kursierten63. A. Günthör hatte seine These von der Autorschaft des Didymos mit Parallelen aus den Dialogen I—III (de trin) und den beiden Dialogen 'Contra Macedonianos' begründet. Die Dialoge IV—V (de trin) konnte er nur einbeziehen, weil er von der Einheit des Dialogkorpus überzeugt war 64 . Chr. Bizers Analyse hat dagegen gezeigt, daß diese Einheit nicht ursprünglich ist. Außerdem hat Bizer überzeugend nachgewiesen, daß der Dialog I I (de trin) ursprünglich aus zwei Dialogen bestand, die von verschiedenen Verfassern herrührten. Da er auch den Montanistendialog65 mit G. Ficker in Antiochia beheimatet sieht, kann er zusammenfassend formulieren: „Von den sog. sieben pseudathanasianischen Dialogen und dem Montanistendialog sind somit die Dialoge gegen den Montanisten, gegen den Apolinaristen (dial IV), gegen Apolinarios (dial V) und von dial I I der Dialog gegen Aetios aus der Konstruktion Günthörs herauszunehmen"66. Der Rest muß im einzelnen auf der Basis der handschriftlichen Überlieferung überprüft werden. 3. Das Problem der Echtheit von 'De Trinitate'

Im Jahre 1957 hat L. Doutreleau in seinem Aufsatz: ,,Le 'De Trinitate' est-il l'oeuvre de Didyme l'Aveugle?" 6 7 die Echtheit von 'De Trin' erstmals mit gewichtigen Gründen in Zweifel gezogen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte 'De Trin' unbestritten als echtes und zugleich als wichtigstes Werk des Didymos gegolten. Die Darstellung seiner Theologie basierte hauptsächlich auf diesem Werk, und fast alle Versuche, ihm eine weitere Schrift zuzuweisen, wurden, wie oben ausgeführt, mit Parallelen in diesem Werk begründet. Das zeigt die Bedeutung des Problems. Bis heute ist die Frage Doutreleaus noch nicht endgültig beantwortet 68 . Im Rahmen dieser Arbeit kann das Problem zwar nicht ausA. a. O. s. 70. A. Günthör a. a. O. S. 93ff. e6 Vgl. o. S. 13f.; Chr. Bizer a. a. O. S. 228. ββ A. a. Ο. S. 199· Für den Dialog gegen Eunomius (dial II, 2) läßt sich nach der Meinung Bizers trotz mancher Abhängigkeit (vgl. S. 2 1 3 ) keine Verfasseridentität mit Didymos nachweisen. e7 RechSR 45/1957 S. 5 1 4 — 5 5 7 . L. Doutreleau hat seine Argumente noch einmal zusammengestellt in: Vie et survie . . . a. a. O. S. 77—89; vgl. auch ZaT Einl. S. 126—128. 68 Vgl. ZaT S. 128; anders Bizer a. a. O. S. 33. Bizer widerlegt die Verfechter der Echtheit in zwei wichtigen Punkten: 1) E r datiert 'De Trin' mit G. Bardy auf die Jahre 381—385 ( ? ) und unterstreicht die zeitliche Nähe zu ZaT (verfaßt um 63

61

l6

führlich behandelt werden, doch sollen die wichtigsten Argumente für und wider notiert und einige neue Beobachtungen hinzugefügt werden. Das Hauptargument Doutreleaus gegen die Echtheit von 'De Trin' besteht in der andersartigen, teilweise gegensätzlichen Auslegung von Sach 3, 8—4, io in 'De Trin' und dem neugefundenen ZachariasKommentar des Didymos 69 . Doutreleau gibt sehr detaillierte Untersuchungen zu Wortwahl, Stilistik und inhaltlichen Angaben und stellt die wichtigsten Unterschiede zwischen 'De Trin' und Z a T einander gegenüber 70 . Zu diesen Unterschieden gehört u. a. die gegensätzliche Deutung des Berges in Sach 4, 7 einmal auf den Teufel (De Trin) und einmal auf den Erlöser (ZaT). Eine so unterschiedliche Deutung, zumal derselben Bibelstelle, ist auffallend, obwohl die allegorische Auslegung sehr flexibel sein kann 71 . Wenn man voraussetzt, daß 'De Trin' und Z a T ungefähr zur gleichen Zeit verfaßt wurden 72 , dann ist eine so unterschiedliche Auslegung der gleichen Bibelstelle besonders merkwürdig. Berücksichtigt man jedoch, daß 'De Trin' ein dogmatisches Werk ist, während der Zacharias-Kommentar ein exegetisches Werk darstellt, und berücksichtigt man ferner, daß innerhalb der allegorischen Auslegung Unterschiede und sogar Gegensätze möglich sind 73 , 387) (S. 33 Anm. 2 ; 34—37 Anm. 6) — gegen J . Leipoldt und L . Koenen (Ein theologischer Papyrus der Kölner Sammlung, i n : Arch. f. Papforschg. 17/1960 S. 6 1 — 105), die für "De T r i n ' das Entstehungsjahr 395 annehmen, da Hieronymus das W e r k in vir. ill. 109 (verfaßt um 392) nicht erwähnt. — 2) Den Schriftbeweis J e s 6 ; J o h 12, 4 o f . ; Act 28, 25—27 für die Trinität betrachtet er mit M. Tetz gegen L . Chavoutier (s. o. S. 13 Anm. 46) nicht als didymianisch (S. 219—224 Anm. 2). — Leider nennt Bizer keine neuen Belege für die Unechtheit von "De Trin*. 6 9 De Trin I I 14 ( P G 39, 701 A—708 Α) und ZaT 54, 9 — 7 5 , 15; vgl. Doutreleau i n : R e c h S R 1957 S. 538ff. 7 0 L . Doutreleau a. a. O. S. 551 (Schema). 7 1 Vgl. ζ. B . J . Dani61ou, L a fete des Tabernacles dans l'ex£g£se patristique, i n : Stud. Patr. I (TU 63), Berlin 1957 s · 268—271. 7 2 Die Datierung von ZaT auf das J a h r 387 (vgl. Einl. S. 2 3 — 2 7 ) dürfte sicher sein. Schwieriger ist die Datierung von "De T r i n ' : J . Leipoldt a. a. O. S. 9 0 f . denkt an das J a h r 395, da die Schrift in Hieron. vir. ill. 109 nicht erwähnt wird; ähnlich L . Koenen (s,. o. Anm. 68); vgl. auch H. J . Vogt, Coetus sanctorum (Theophaneia 20), Bonn 1968 S. 247 (für eine Spätdatierung von 'De Trin' wegen der Erwähnung der 'Sabbatianer' in: 'De Trin', I 30 [PG 39, 417—420]). — G. Bardy a. a. O. S. 29—31 datiert die Schrift aus inhaltlichen Gründen, die überzeugender sind, auf die J a h r e 382—384. Vgl. dazu Chr. Bizer a. a. O. S. 34—37 Anm. 6. 7 3 Vgl. Bizer a. a. O. S. 34 Anm. 5. Daß Didymos grundsätzlich die doppelte Möglichkeit kennt, zeigt die Auslegung von πέτρα in H i T 380 f. a) auf Christus, b) auf den Teufel, da der Teufel als Nachäffer Christi die gleichen Prädikate bekommen kann. (Ich verdanke den Hinweis auf diese noch nicht edierte Stelle L . Koenen.)

2

Bienert, Allegoria

17

dann sieht man, wie schwer eine eindeutige Entscheidung möglich ist. L. Doutreleau hat deshalb gezögert, trotz seiner ohne Zweifel gewichtigen Argumente, allein auf der Basis von Differenzen in Wortwahl und stilistischen Einzelheiten sowie der allegorischen Auslegung die Echtheitsfrage zu entscheiden. Das wichtigste Argument für die Echtheit von 'De Trin' war und blieb die Verbindung mit 'De spiritu sancto', denn die Echtheit von 'De spiritu sancto' ist unbestreitbar. Unterschiede in Wortwahl und Stilistik zwischen den Kommentaren von Tura und 'De Trin' lassen sich unter Hinweis auf den unterschiedlichen Charakter der Schriften erklären74. Zwei Beobachtungen haben jedoch die Verbindung zwischen 'De Trin' und 'De spiritu sancto' gelockert: a) Noch im Jahre 1960 hatte L. Chavoutier in einem Aufsatz 76 den auffallenden Schriftbeweis in 'De spiritu sancto' und 'De Trin' 76 für die Gottheit von Vater, Sohn und Geist an Hand einer Kombination der Bibelstellen Jes 6, Joh 12, 40 f. und Act 28, 25—27 für eine Einführung des Didymos gehalten und als Spezifikum seiner Theologie betrachtet. Demgegenüber hat M. Tetz überzeugend den Nachweis erbracht, daß diese Kombination zuerst von Markeil von Ankyra verwendet wurde und wahrscheinlich von ihm in die theologische Debatte eingeführt worden ist 77 . b) Das wichtigste Argument für die literarische Zusammengehörigkeit von 'De Trin* und 'De spiritu sancto', mit dem bereits Mingarelli die Autorschaft des Didymos für 'De Trin' begründete, beruht auf zwei Rückverweisen, in denen sich der Autor von 'De Trin' ausdrücklich auf ein früheres Werk über den Hl Geist bezieht. Er verweist an diesen Stellen auf einen von ihm verfaßten λόγος ττερί τοϋ αγίου πνεύματος78. Die Frage ist, ob mit dem Wort λόγος in 'De Trin' unbedingt eine selbständige Schrift gemeint sein muß. Dies hat L. Berangcr mit gewichtigen Gründen bestritten 79 . Er hat dagegen ge74

Vgl. Gesche (s. o. S. n Anm. 33), S. 353—54 (Anm.). Auch A. Kehl hatten die Argumente gegen die Echtheit nicht überzeugen können (Kehl S. 47 Anm. 44). 75 Vgl. o. S. 1 3 Anm. 46 S. u f i . ; vgl. auch G. Kretschmar, Studien zur frühchristlichen Trinitätstheologie (BHTh 21), Tübingen 1956 S. 79. 76 Belege für den Schriftbeweis: 'De spiritu sancto' c. 3 (PG 39, 1034 Cf.); c. 29 ( = 1059 B—C). — De Trin I 19 ( = 3 6 4 B f . ) ; I 31 ( = 424 Cf.); II 11 ( = 657 Ä f f . ) ; und Anspielungen: D e Trin II 23 ( = 744 A); III 2, 28 ( = 797 B ) ; III 2, 35 ( = 800 C). — Vgl. Ps.-Basilius, Adv., Eun. V (PG 29, 721 Cf.). 77 M . T e t z , Zur Theologie des Markell I, in: Z K G 75/1964 S. 217—270, bes. S. 261 f.; vgl. Chr. Bizer a. a. O. S. 220—224 Anm. 78 D e Trin III 16 (PG 39, 872 B ) ; III 31 (PG 39, 949 C). 78 L. Berangcr a. a. O. (s. o. S. 11 Anm. 36). Überzeugend ist m. E. die Parallele zu 'De Trin' III 16 in II 3 (PG 39, 512 Bf.); vgl. S. 2 5 7 !

18

zeigt, daß sich der Autor von 'De Trin' offensichtlich auf Ausführungen bezieht, die er in 'De Trin* II, dem Buch über den Hl Geist, gemacht hat. Dafür spricht auch, daß beide Rückverweise in 'De Trin* III zu finden sind. Diesen Beobachtungen läßt sich noch eine weitere hinzufügen, die die Identität der Verfasser von 'De Trin' und 'De spiritu sancto' nahezu ausschließen dürfte, selbst wenn gewisse allgemeine Verbindungen zwischen beiden Werken bestehen bleiben sollten. Schon Mingarelli hatte in seiner Untersuchung fünf Punkte genannt, die seiner These von der Autorschaft des Didymos zu widersprechen schienen. Er hatte jedoch geglaubt, die Einwände widerlegt zu haben80. Einer dieser Punkte ist die merkwürdige Reihe von heidnischen Zeugnissen (Orpheus, Hermes Trismegistos, Pindar usw.), die in 'De Trin' II 27 als Beweise angeführt werden, daß sogar die Heiden von einer göttlichen Trinität wissen81. Da Buch II von 'De Trin' die Frage der Gottheit des Geistes behandelt, gelten diese heidnischen Zeugnisse dem Autor zumindest als sekundäre Beweisquelle für die Gottheit des Geistes. Dem widerspricht aber sehr deutlich, was Didymos am Anfang von 'De spiritu sancto' schreibt: „Appellatio Spiritus sancti, et ea quae monstratur ex ipsa appellatione substantia penitus ab his ignoratur qui extra sacram Scripturam philosophantur. Solummodo enim in nostratibus Litteris; et notio eius et vocabulum refertur, tarn in No vis quam in Veteribus"82. Schon Mingarelli hatte die mit diesen Worten verbundene Schwierigkeit bemerkt und in einer Anmerkung zu überwinden gesucht83. Er ist der Meinung, der Satz in 'De spiritu sancto' beziehe sich auf den Heiligen Geist, während in De Trin II 27 nur vom Geist allgemein die Rede sei. Diese Lösung kann deswegen nicht überzeugen, weil es in beiden Fällen um die Gottheit des Geistes geht. Wie konstruiert die Beweisführung Mingarellis ist, zeigt die Bemerkung, in 'De spiritu sancto' handle es sich um Philosophen, ,,die nichts aus den göttlichen Büchern schöpften", in 'De Trin' dagegen um solche, ,,die vielleicht (!) irgendwie (!) nach seiner (sc. des Didymos) Meinung aus den heiligen Schriften geschöpft hätten". Dem widerspricht jedoch, daß unter den heidnischen Zeugen auch Porphyrios zitiert wird84, mit dem sich Didymos, wie wir aus den Tura-Papyri wissen, heftig auseinanderge-

«o P G 3 9 , ΐ 7 5 ί · « P G 39, 7 5 3 f f · 82 "De spiritu s a n c t o ' c . 2 (PG 39, 1 0 3 3 ! . ) (gesperrt von mir!). 83 P G 39, 753 Anm. 5. 84 P G 39, 760 B f . 2*

19

setzt hat 86 . Zwar wird Porphyrios in 'De Trin' als ,,ό έττάροττος Πορφύριος" bezeichnet, doch wenige Zeilen später ist auch er in der Zusammenfassung gemeint: "Εχεις οϋν καΐ τους των εξω σοφούς μαρτυpoüvras, ώς αί τρεις μακάριαι υποστάσεις έν μια θεότητι, και ουκ άλλοτε έξεφάνησαν"86. Eine solche Grundeinstellung widerspricht eindeutig den genannten Sätzen aus 'De spiritu sancto'. Verbindet man die zweifellos gewichtigen Argumente Doutreleaus über die sprachliche und sachliche Differenz zwischen ZaT und 'De Trin' mit den Beobachtungen, die eine Verfasseridentität bei 'De spiritu sancto' und 'De Trin' nahezu ausschließen, so wird man an der Autorschaft des Didymos für 'De Trin' kaum mehr festhalten können87. Es bleibt zu fragen, wer außer Didymos als Verfasser von 'De Trin' betrachtet werden kann. Hier macht Chr. Bizer m. E. einen guten Lösungsvorschlag: Bizer sieht in 'De Trin' ein „antihäretisches Kompendium", ein „Sammelwerk" . . . „über die Häresien der Anhomöer, Montanisten und wahrscheinlich auch Makedonianer", vergleichbar den Zusammenstellungen von Dialogkorpora wie den pseudathanasianischen Dialogen88. Da das Werk vermutlich in Alexandria entstanden ist, wäre es nicht ausgeschlossen, daß auch Schriften des Didymos in diesem 'Kompendium' ihren Niederschlag gefunden hätten.

C. Die n e u g e f u n d e n e n S c h r i f t e n des D i d y m o s i. Der Fund von Tura if Auf eine neue Basis hat der Fund von Tura die Didymosforschung gestellt. Im Jahre 1941 fanden ägyptische Arbeiter 10 km südlich von 85

Vgl. G. Binder, Eine Polemik des Porphyrios gegen die allegorische Auslegung

des Alten Testaments durch die Christen, in: Z P E 3/1968 S. 81—95; M. Gronewald, Porphyrios Kritik an den Gleichnissen des Evangeliums, ebd. S. 96. D. Hagedorn/ R. Merkelbach,

Ein neues Fragment aus Porphyrios

'Gegen die Christen',

in:

VigChr 20/1966 S. 86—90. 86 87

P G 39, 761 A. Bedenken gegen die Autorschaft des Didymos ergeben sich auch aus der

Christologie des Werkes; vgl. L. Biranger, L'ame humaine de Jisus dans la christologie du 'De Trinitate' attribuä ä. Didyme l'Aveugle, in: RevSR 36/1962 S. x—47; ders.: Etudes sur la christologie du 'De Trinitate' attribui ci Didyme l'Aveugle, Th£se de doctorat, Lyon 1959—1960. 88

A. a. O. S. 240. Das ist möglicherweise der Grund für die Anonymität der

Überlieferung (vgl. S. 240 Anm. 1 und 69t.). Bizer bezeichnet 'De Trin' an anderer Stelle als „Werk, das in weiten Partien fast den Eindruck einer Sammlung von Schrifttestimonien gegen die häretischen Lehrmeinungen macht" (S. 190).

20

Kairo bei Tura unter jahrhundertealtem Schutt mehr als 2000 Papyrusseiten mit Schriften des Origenes und des Didymos. Ein Bericht von O. Gu^raud aus dem Jahre 1946 machte den Fund erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Ihm folgten verschiedene Aufsätze, die auf den neuen patrologischen Papyrusfund aufmerksam machten89. Den besten Überblick über den Fund vermittelt ein kürzlich veröffentlichtes Verzeichnis sämtlicher in Tura gefundener Schriften 90 . Dort sind alle bisher erfolgten und in Vorbereitung befindlichen Editionen der Schriften notiert. Zugleich wurde die Zitierweise nach den Papyrusseiten festgelegt 91 . Schon O. Gu6raud hatte vermutet, daß die in dem Fund befindlichen Kommentare zu Hiob, zur Genesis und zum Propheten Sacharja von Didymos stammten. Für die beiden anderen Kommentare zum Ecclesiastes (Prediger) und zu den Psalmen vermutete erstmals L. Doutreleau die Autorschaft des Didymos 92 . Zunächst galt das Interesse stärker den Origenesschriften. Sie bilden jedoch nur etwa ein Zehntel des gesamten Fundes, während der größte Teil — mehr als 1800 Seiten — Schriften des Didymos enthält. Der Fund hat erneut bestätigt, daß Didymos einer der treusten Schüler des Origenes gewesen ist. Seine Schriften wurden zusammen mit denen seines Meisters in origenistischen Mönchskreisen tradiert und nach der Verurteilung des Origenismus in der Höhle bei Tura versteckt, um sie vor der Zerstörung durch eifernde Gegner zu bewahren. Vermutlich gehörten die Papyri ursprünglich zu der Bibliothek des Arseniosklosters, dessen Ruinen oberhalb der Fundhöhle heute noch zu sehen sind 93 . Über den Zustand der Papyri, die aus dem 6. Jahr89 O. Guiraud, Note preliminaire sur les papyrus d'Origene d