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German Pages [408] Year 2005
ΝΤΟΑ 56 Christoph RiedoEmmenegger
Prophetischmessianische Provokateure der Pax Romana
Novum Testamentum et Orbis Antiquus Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Herausgegeben im Auftrag der Stiftung BIBEL+ORIENT Freiburg Schweiz von Max Küchler, Peter Lampe und Gerd Theissen
Band 56
Academic Press Fribourg Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen
Christoph Riedo-Emmenegger
Jesus von Nazaret und andere Störenfriede im Konflikt mit dem Römischen Reich
Academic Press Fribourg Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 2005
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Veröffentlicht mit Unterstützung des Hochschulrates Freiburg Schweiz, der Pfarrei St. German Gurmels, der Pfarrei St. Peter und Paul Düdingen und Frau Berti Schaller Die Druckvorlagen der Textseiten wurden vom Autor als PDF-Datei zur Verfügung gestellt.
© 2005 by Academic Press Fribourg / Paulusverlag Freiburg Schweiz Herstellung: Paulusdruckerei Freiburg Schweiz ISBN 3-7278-1540-X (Academic Press Fribourg) ISBN 3-525-53959-2 (Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen) ISSN 1420-4592 (Novum Testam. orb. antiq.)
Meiner Familie
νπ
VORWORT
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2003 von der Theologischen Fakultδt Freiburg Schweiz als Dissertation angenommen unter dem Titel "Das Rφmische Imperium Expan sion, Machterhaltung und der Umgang mit Provokateuren. Ein Beitrag zum Verstδndnis des Schicksals Jesu und anderer prophetischmessianischer Stφrenfriede und ihrer Bewegungen im 1. Jahrhundert n.Chr. in Palδstina". F٧r die Publikation wurde sie geringf٧gig ٧berarbeitet. Die Verwirklichung dieser Arbeit ist nicht nur das Ergebnis einer jahrelangen Auseinander setzung mit dem Thema und unzδhliger damit zusammenhδngender Fragen, sondern sie ver dankt sich auch der Hilfe und Unterst٧tzung vieler Personen: So danke ich in besonderem Masse Prof. Dr. Max K٧chler, der diese Arbeit angeregt und ٧ber die Jahre mit viel Interesse begleitet und gefφrdert hat. Meinen Kolleginnen und Kollegen vom Biblischen Departement der Universitδt Freiburg Schweiz danke ich bestens f٧r die motivierende und vielseitige Unterst٧tzung. Namentlich erwδhnen mφchte ich Siegfried Ostermann, PD Dr. Yohanan Goldman und Prof. em. Georg Schelbert. Besten Dank auch an Dr. Gregor Emmenegger vom Patristischen Institut f٧r seine Hilfe. Meinen Br٧dern Dr. Dominicq Riedo und Romano P. Riedo danke ich ganz besonders f٧r die vielseitige Unterst٧tzung im Informatikbereich. Auf ihr grosses Wissen und ihre Hilfsbe reitschaft konnte ich jederzeit zδhlen. Ewald Schorro danke ich herzlich f٧r die freundliche Ausleihe seines tragbaren Computers. Dem Bistum LausanneGenfFreiburg sei f٧r den finanziellen Beitrag an meinen Forschungs aufenthalt in Jerusalem gedankt, und der Stiftung St.Helena f٧r die ٢bernahme der diesbe z٧glichen Reisekosten. Prof. Dr. Franz Mali danke ich f٧r die ٢bernahme des Koreferates und f٧r seine wertvollen Anregungen. Franz Stadelmann danke ich bestens f٧r das gewissenhafte Korrekturlesen. Prof. Dr. Max K٧chler, Prof. Dr. Gerd Theissen und Prof. Dr. Peter Lampe danke ich f٧r die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe NOVUM TESTAMENTUM ET ORBIS ANTIQUUS (NTOA). Dr. Roger Pfister von der Dienststelle Forschungsfφrderung Polygon der Universitδt Frei burg Schweiz danke ich f٧r die elektronische Publikation der zur Dissertation gehφrenden Exkurse unter eThesis. F٧r einen finanziellen Zuschuss zuhanden der Publikation danke ich ganz herzlich folgenden Personen und Institutionen: Frau Berti Schaller, die nicht nur die Publikation, sondern auch meinen Forschungsaufenthalt in Jerusalem grossz٧gig unterst٧tzt hat; der Pfarrei St. German Gurmels, wo ich wδhrend sechs Jahren als Pastoralassistent gearbeitet habe; meiner Heimat pfarrei und derzeitiger Arbeitgeberin, der Pfarrei St. Peter und Paul D٧dingen; dem Hoch schulrat Freiburg Schweiz.
vm Ein ganz besonderer Dank geb٧hrt meiner Frau Hildegard. Sie hat mir all die Jahre die Zeit freigehalten, meine Forschungen voranzutreiben und die Dissertation und deren Publikation zu einem guten Ende zu bringen. Ihr Beitrag an meiner Arbeit kann deshalb nicht hoch genug eingeschδtzt werden. Schliesslich danke ich auch meinen Eltern Paul und Rose RiedoSchaller ganz herzlich f٧r ihre grosse und vielseitige Unterst٧tzung.
D٧dingen, 26.9.2005
Christoph
Riedo-Emmenegger
INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG
1
TEILI STRATEGIEN DER MACHTERWEITERUNG UND SICHERUNG DES RÖMISCHEN IMPERIUMS IN DER REPUBLIK UND DER KAISERZEIT A POLITISCHE STRATEGIEN: DIPLOMATIE UND KRIEGSF٢HRUNG 1
1.1
5
ENTWICKLUNG UND DIFFERENZIERUNG DER STRATEGIEN IN DER ZEIT DER REPUBLIK
5
Sicherheit durch Vertrδge: amici, socii und clientes
5
1.1.1
Di eamicitia
6
1.1.2
Der Vertrag unter "gleichwertigen" Partnern: foedus aequum
8
1.1.3
Der Vertrag unter ungleichen Partnern: foedus iniquum
15
1.1.4
Rφmische Herren und ihre clientes
16
1.1.5
Die Hauptaufgaben der clientes am Beispiel von Herodes 1
19
1.1.6
Die Rolle der einheimischen Eliten beim Aufbau des rφmischen Weltreiches
25
1.2
Sicherheit durch Annexion: die Provinzen als direkt kontrollierte Pufferzonen
30
2
MODIFIZIERTE STRATEGIEN UNTER DEN VERÄNDERTEN BEDINGUNGEN DER KAISERZEIT
3 3
2.1
Von Augustus bis Nero: Die julischclaudische Strategie
33
2.1.1 2.1.2
Sicherung statt Vergrφsserung des Reiches Der Schutz der Grenzen als Hauptaufgabe der Armee als mobiler Eingreif truppe
34 35
2.1.3
Klientelreiche als aktive Pufferzonen
36
2.1.4
Die Betreuung und ٢berwachung der clientes durch die rφmischen Herren
39
2.1.5
Loyalitδtsbezeugungen von Klientelherrschern: das Beispiel von Herodes 1
42
2.1.6
Unterschiedliches Vorgehen gegen٧ber den Klientelreichen des Ostens und Westens
43
2.1.7
Mφglichkeiten und Grenzen der rφmischen Armee und rφmischer Diplomatie
46
2.1.8
Die strategische Stationierung der Legionen und der Erfolg des Klientelsystems ...47
2.2
Ergebnis
49
X
Inhaltsverzeichnis
3
D A S KONZEPT DER PERMANENTEN KRIEGSBEREITSCHAFT
5 1
3.1
Diplomatie und Kriegsf٧hrung: zwei Seiten einer Medaille
52
3.2
Vom Geplδnkel bis zum Zerstφrungskrieg: die breite Palette rφmischer Kriegsf٧hrung
54
3.3
Die rechtliche Legitimierung des Krieges: die Theorie des bellum iustum
58
3.4
Das rφmische Kriegsrecht
63
3.5
Die philosophische und religiφse Legitimierung des Krieges
66
3.6
Ergebnis
68
4
DIE RÖMISCHE ARMEE ALS INSTRUMENT DER KRIEGSF٢HRUNG
7 0
4.1
Die rφmische Armee der Republik: von der Miliz zur Berufsarmee
70
4.2
Die Schaffung der Berufsarmee unter Augustus
70
4.2.1
Ordnung und Versorgung von Legionen und Hilfstruppen
71
4.2.2
Die Sorge um die Loyalitδt der Truppen
72
4.2.3
Die Prδtorianergarde, cohortes urbanae und cohortes Vigilium
74
4.2.4
Erste Flottenreformen
75
4.3
Die Konsolidierung der Berufsarmee in der fr٧hen Kaiserzeit
76
4.3.1
Legionen und Hilfstruppen
76
4.3.2
Flotte, Prδtorianergarde und equites singulares in der Zeit nach Augustus
78
4.3.3
Massnahmen zur Sicherung der Loyalitδt der Soldaten
80
4.3.4
Die rφmische Armee als gesellschaftlicher Integrationsfaktor
81
4.4
Das Erfolgsrezept der rφmischen Armee
82
4.5
Die rφmische Armee in Friedenszeiten
83
4.5.1
Vielfδltige Aufgaben in den Provinzen
84
4.5.2
Kontakte und Konfliktpotential zwischen Soldaten und Zivilbevφlkerung
88
4.6
Die Versorgung und Finanzierung der Berufsarmee
91
4.7
Ergebnis
91
Inhaltsverzeichnis
XI
Β ADMINISTRATIVE UND FINANZIELLE STRATEGIEN
93
D I E PROVINZEN ALS SCHUTZG٢RTEL UM ITALIEN: D I E AUSBEUTUNGS VERWALTUNG DER REPUBLIK
9 3
5.1
Die unumschrδnkte Gewalt des Statthalters
93
5.2
Das Fehlen eines politischen Reichskonzepts und der Untergang der Republik ....97
6
DIE PROVINZEN ALS TEIL DES RΦMISCHEN WELTREICHES: DIE VERWAL TUNG IN DER KAISERZEIT
9 9
6.1
Verδnderte Voraussetzungen f٧r das Imperium: der Prinzipat als neue Mon archie
99
6.2
Die Entwicklung einer neuen Reichskonzeption: vom Stadtstaat zum Reichs staat
103
6.3
Verwaltungsund Steuerreformen wδhrend der Prinzipatszeit
105
6.3.1
Rφmische Zentralisation und Ausbau der lokalen Selbstverwaltung
105
6.3.2
Massnahmen gegen Korruption und Ausbeutung
110
6.3.3
Steuerreformen
113
5
6.3.4
Vielfδltige Ausgaben f٧r das Funktionieren des Staates
115
6.3.5
Positive Auswirkungen der Reformen auf die Provinzen
115
6.3.6
Fortwδhrende Korruption und Misswirtschaft
118
6.4
Ergebnis
123
7
DIE FINANZIELLE ABSICHERUNG DER RΦMISCHEN HERRSCHAFT
1 2 4
7.1
Steuern der Peripheriegebiete f٧r die Interessen des Zentrums
124
7.2
Vielfδltige Steuern, Abgaben und Leistungen
126
7.3
Der Zensus als Berechnungsgrundlage f٧r die direkten Steuern
126
7.4
Die PublikanenGesellschaften
128
7.5
Die Steuerbelastung in den Provinzen
129
7.6
Die Legitimierung der Steuern
131
7.7
Steuern f٧r Rom von j٧discher Seite
134
7.8
Ergebnis
138
Inhaltsverzeichnis
XU
c RELIGIÖSE UND IDEOLOGISCHE STRATEGIEN
140
8
D I E RΦMISCHE RELIGION ALS GESELLSCHAFTLICHER INTEGRATIONSFAKTOR 1 4 0
8.1
Die religiφse Toleranz von Seiten Roms und ihre Grenzen
8.2
Der Kaiserkult
142
8.2.1
Eine neue Reichskonzeption und ihr religiφser Ausdruck
142
8.2.2
Religiφse Voraussetzungen
144
8.2.3
Der Kaiserkult im Osten und Westen
146
8.2.4
Die Divinisierung der Kaiser als Herrschaftslegitimation
149
141
8.2.5
Der Kaiser als Bindeglied zu den Gφttern und als Garant der Weltordnung
150
8.2.6
Der Kaiserkult als religiφspolitische Einigungskraft
153
8.3
Religion und Armee
155
8.4
Rom, Juden und Christen
155
8.4.1
J٧dische Privilegien unter rφmischer Herrschaft
156
8.4.2
Auseinandersetzungen zwischen Rom, Juden und Christen
161
8.5
Ergebnis
163
9
IDEOLOGISCHE A B B I L D E R DER RΦMISCHEN SICHERHEITSSTRATEGIEN
1 6 5
9.1
Die Ideologie der Pax Romana als Herrschaftslegitimation
165
9.2
Die religiφse Begr٧ndung der rφmischen Weltherrschaft: die Pax Romana als Geschenk der Gφtter
169
Privilegierte Nutzniesser der rφmischen Weltherrschaft: im Genuss von Frei heit und Sicherheit
171
9.4
Die ideologische Auseinandersetzung mit den Feinden des Imperiums
173
9.5
Ergebnis
174
9.3
Inhaltsverzeichnis
XIII
D ERKLÄRUNGSVERSUCHE F٢R DIE ERSTAUNLICHE EXPANSION DES RÖMISCHEN IMPERIUMS
175
M O D E R N E ERKLÄRUNGSMODELLE F٢R DIE M A C H T A U S D E H N U N G R O M S : ZWEIFELHAFTER IMPERIALISMUS IN VERSCHIEDENEN VARIATIONEN
1 7 5
10.1
Wirtschaftlicher Imperialismus
176
10
10.2
Militδrischer Imperialismus
183
10.3
Politischer Imperialismus
183
10.4
Kultureller Imperialismus
191
10.5
Ergebnis
192
11
D A S RΦMISCHE ERFOLGSREZEPT A U S ANTIKER SICHT
1 9 4
XIV
Inhaltsverzeichnis
TEIL II DAS RΦMISCHE IMPERIUM ALS BESTIMMENDE MACHT IN PALÄSTINA IM 1. JAHRHUNDERT N.CHR. BIS ZUR ZERSTΦRUNG JERUSALEMS UND DER KONFLIKT MIT PROPHETISCHMESSIANISCHEN BEWEGUNGEN Ε KLIENTELF٢RSTEN UND PROKURATOREN ALS SACHWALTER DER SICHERHEITSINTERESSEN ROMS 197 1 2
D I E NACHFAHREN VON HERODES I. A L S KLIENTELF٢RSTEN IM DIENSTE R O M S
1 9 7
12.0
De Bello Judaico von Flavius Josephus als historische Hauptquelle
197
12.1
Folgen des Machtvakuums: Unruhen nach dem Tod von Herodes 1
199
12.2
Das kurze Intermezzo von Archelaus als Ethnarch
201
12.3
Der Erfolg des Tetrarchen Antipas und das Stolpern ٧ber seine Ambitionen
202
13
D I E RΦMISCHE PROVINZ IUDAEA UNTER DEN PROKURATOREN
2 0 5
13.1
Das Verhδltnis der Provinz Iudaea zur Provinz Syrien und der Konflikt mit den Parthern
206
Die Stabilisierung der rφmischen Herrschaft als primδre Aufgabe der Statt halter
211
13.2
13.2.1 Die Garantierung von Ruhe und Ordnung
211
13.2.2 Die Einbindung der lokalen Eliten
211
13.2.3 Jurisdiktion
212
13.3
J٧dische Selbstverwaltung
215
13.4
Die Finanzierung der rφmischen Herrschaft und φffentlicher Projekte und die rφmische M٧nzpropaganda
218
13.5
Die rφmische Besatzungsmacht
219
13.6
Zusammenarbeit und Konflikte zwischen rφmischen Beamten und j٧dischen Gruppen in Judδa
222
13.7
Der Zwischenfall um die Kaiserstatue von Caligula
228
13.8
Zunehmende Instabilitδt und Anarchie in der zweiten Prokuratur
230
13.9
Eine Vielfalt von Provokateuren und Stφrenfrieden
232
13.9.1 Messianische Kφnigsprδtendenten
232
13.9.2 Rδuber und Widerstandskδmpfer
235
13.9.3 Der Fall Jesus ben Ananias
240
13.10
243
Ergebnis
Inhaltsverzeichnis
XV
F GESTALT UND SCHICKSAL
PROPHETISCH-MESSIANISCHER
BEWEGUNGEN
245
D IE SOGENANNTEN ZEICHENPROPHETEN ODER "ACTION PROPHETS "
246
14.1
Die verschiedenen prophetischen Gruppen und ihre Führer
247
14.1.1
Theudas (44-46 n.Chr.)
247
14.1.2
Eine Gruppe von namenlosen Gestalten unter Felix (52-60 n.Chr.)
250
14.1.3
Der Prophet aus Ägypten (52-60 n.Chr.)
252
14.1.4
Ein namenloser Prophet unter Festus (60-62 n.Chr.)
255
14
14.1.5
Ein namenloser Prophet (70 n. Chr.)
256
14.1.6
Jonathan, ein Sikarier (um 72 n.Chr.)
257
14.2
Gemeinsame Charakteristika der Zeichenpropheten
260
14.2.1
Die Ankündigung von Zeichen
260
a) Der Begriff "Zeichen" im A T
261
b) Der Begriff "Zeichen" bei Josephus
261
c) Die "Zeichen" der Zeichenpropheten
262
14.2.2
Prophetische Führer und messianische Erwartungen
263
14.2.3
Die Rolle der Zeichenpropheten bei der Erwartung von Gottes Eingreifen
264
14.2.4
Das Verhältnis der Zeichenpropheten zum bewaffneten Widerstand
264
14.2.5
"Gaukler", "Betrüger" und "Falschpropheten"
266
14.2.6
Zahlenmässig ansehnliche Bewegungen
267 268
14.2.7
Volksbewegungen
14.2.8
E x o d u s aus den vorgegebenen Strukturen und hin zu geschichtsträchtigen Orten
269
14.3
Ergebnis
270
15
D ER SAMARITANISCHE PROPHET (UM 3 5 / 3 6 N .CHR.)
271
15.1
Der beabsichtigte Zug auf den Garizim und seine Folgen
271
15.2
Das Nachspiel vor dem syrischen Legaten Vitellius
274
16
JOHANNES DER TÄUFER ( 2 7 / 2 8 - 2 9 / 3 0 N .CHR.)
276
16.1
Gestalt, Botschaft und Programm des Täufers
276
16.2
Der gewaltsame Tod des Täufers
278
16.3
Johannes der Täufer und Jesus
281
16.4
Ergebnis
282
XVI
Inhaltsverzeichnis
17
JESUS VON NAZARET ( 3 0 N . C H R . )
2 8 4
17.1
Botschaft, Programm und Laufbahn Jesu
284
17.2
Die Konflikte mit der j٧dischen Elite
290
17.2.1 Konflikte auf dem Lande
290
17.2.2 Konflikte mit der j٧dischen Behφrde in Jerusalem
292
17.2.3 Tempelreinigung und Tempelwort im j٧dischen Kontext
292
17.2.4 Die Angst vor Unruhen im Volk und vor Aufwiegelung
297
17.2.5 Volksverf٧hrung, Gotteslδsterung und Hochverrat
298
17.3
300
Die Konflikte mit der rφmischen Besatzungmacht
17.3.1 Kφnig der Juden
300
17.3.2 Tempelreinigung und Tempelwort im rφmischen Kontext
304
17.3.3 Steuerverweigerung
304
17.4
Vorlδufiges Ergebnis
304
17.5
Punkte der Kontinuitδt zwischen vor und nachφsterlicher Jesusgruppe
306
17.6
Die verδnderte Perspektive nach Ostern
307
17.7
Die politischmilitδrische Unbedrohlichkeit der Jesusbewegung
308
17.8
Die erstaunliche Ausbreitung der Jesusbewegung und des Christentums
309
18
D I E UNTERSCHIEDLICHEN REAKTIONEN DER RÖMISCHEN H E R R S C H A F T S MACHT GEGEN٢BER DEN PROPHETISCHMESSIANISCHEN BEWEGUNGEN
3 1 0
18.1
Die massive militδrische Reaktion gegen die Zeichenpropheten und den sama ritanischen Propheten und ihre Bewegungen 310
18!2
Beschrδnkte Massnahmen gegen den Tδufer und Jesus von Nazaret und ihre Bewegungen 311
19
ZUSAMMENFASSUNG
3 1 3
Inhaltsverzeichnis
χ ν π
ANHANG L
LITERATURVERZEICHNIS
3 1 5
L.l
Textausgaben, ٢bersetzungen, Hilfsmittel
315
L. 1.1
Altes und Neues Testament
315
L. 1.2
Ausserbiblische Quellen und Hilfsmittel
316
L.2
Spezialliteratur
329
S
STELLENVERZEICHNIS (AUSWAHL)
3 7 2
5.1
Antike Autoren
372
5.2
Flavius Josephus
376
5.3
Altes und Neues Testament
377
5.4
Weitere Quellen
381
xrx
Inhaltsverzeichnis
EXKURSE* Α
DIE WEITERENTWICKLUNG DER POLITISCHEN STRATEGIEN VOM AUSGE HENDEN 1. JAHRHUNDERT AN
A.l
Von den Flaviern zu den Severern: Die strategische Antwort auf neue Be dingungen
Α. 1.1
Eine neue Sicherheits und Grenzpolitik
Α. 1.2
Neue Herausforderungen f٧r die Armee
Α. 1.3
Die Hauptaufgaben der rφmischen Armee von flavischer Zeit an
A.2
Die Krise des 3. Jahrhunderts n.Chr. und die neuen Strategien
Β
DIE RΦMISCHE ARMEE DER REPUBLIK: VON DER MILIZ ZUR BERUFSARMEE
Β. 1
Die Armee in der fr٧hen Republik
B.2
Der Kampf um Italien und um die Vorherrschaft auf dem Mittelmeer
B.3
Die Gracchischen ArmeeReformen
B.4
Gaius Marius
B.5
Die zunehmende Bedeutung der auxilia Soldaten
B.6
Die neuen Feldherren: charismatische F٧hrergestalten
B.7
Feldherren, Soldaten und Veteranen als neue Machtfaktoren in der Politik Roms
B.8
Soldaten und Veteranen in der Zeit zwischen Cδsar und Augustus
C
DIE RΦMISCHE ARMEE DER KAISERZEIT: FAKTOREN DER LOYALITΔTS FΦRDERUNG UND IHRE FINANZIERUNG
C.l
Sold
und der wachsende Einfluss der
C. 1.1
Sold in den Legionen
C. 1.2
Sold in den Hilfstruppen
C. 1.3
Sold in der Prδtorianergarde und den cohortes
C. 1.4
Sold und Abfindung in den cohortes
urbanae
Vigiliae
C.2
Alters Vorsorge
C.2.1
Abfindungen f٧r die LegionsVeteranen
C.2.2
Abfindungen f٧r die Veteranen der Hilfstruppen
C.2.3
Das aerarium
militare
Diese Exkuse sind als PDFDatei unter der Adresse http://ethesis.unifr.ch/theses/RiedoC.pdf im Internet abrufbar.
XX
Inhaltsverzeichnis
C.3
Donati ven
C.4
Besondere Zuwendungen
C.5
Die Finanzierung der Berufsarmee
C.5.1
Armee und staatliche Finanzen
C.5.2
Die Armeekosten als Hauptposten der Staatsausgaben
C.6
Privilegien
C.7
Auszeichnungen
C.8
Militärische und gesellschaftliche Aufstiegschancen
C. 8.1
Senatoren und Ritter
C.8.2
Gewöhnliche Soldaten (Angehörige der plebs)
C.9
Strafen
D
D IE RÖMISCHE A RMEE ALS EIGENER KOSMOS
D.l
Von Beruf Soldat
D. 1.1
Zulassung zur Armee
D. 1.2
Rekrutierungsgebiete
D. 1.3
Der Eintritt in die Armee
D.2
Dienstzeiten
D.3
Ausrüstung des Legionärs
D.4
Taktik und Organisation
D.5
Aufbau der militärischen Einheiten
D.5.1
Die Legion
D.5.2
Die Hilfstruppen
D.5.3
Besondere Abteilungen: Schützen und Schleuderer
D.5.4
Bestand der römischen Armee
D.5.5
Die römische Flotte und ihre Stützpunkte
D.6
Training
D.7
Tägliche Verrichtungen und besondere Aufgaben
D.8
Medizinische Versorgung
D.9
Die vielen Vorteile des Soldatenlebens
D. 10
Soldaten und Armee als Wirtschaftsfaktoren
D. 11
Die römische Heeresversorgung
D. 11.1
Die Versorgung der Armee mit Getreide
D . l 1.2
Getreide für Soldat und Pferd
D. 11.3
Fleisch, Pelz- und Lederwaren
D. 11.4
Waffen aus Italien und den Provinzen
Inhaltsverzeichnis
D. 11.5 Das Konzept der rφmischen Heeresversorgung D. 12
Armee und Zivilstand: Ehe, Vaterschaft und B٧rgerrecht
D. 13
Religion und Armee
D. 13.1 Der Standartenkult D. 13.2 Religiφse Feste und Feiern in der Armee D. 13.3 Nichtoffizielle Gottheiten und Gφtter D.13.4 Der Kaiserkult in der Armee
Ε
DIE AUSBEUTUNG DER PROVINZEN IN REPUBLIKANISCHER ZEIT
Ε. 1
Die Verelendung der Provinzen durch die Verschuldungsspirale
E.2
Erpressung, Korruption, Beg٧nstigung: Alltag in den Provinzen
F
RΦMISCHE STEUERN
F. 1
Direkte Steuern
F. 1.1
Grundsteuern
F. 1.2
Personensteuern
F. 2
Indirekte Steuern
F.2.1
Hafengeb٧hren, Verkaufssteuern, Gewerbesteuern, Erbschaftssteuern u.a.m.
F.2.2
Zolle
F.2.3
Weitere Geldzahlungen
F. 3
Naturallieferungen
F.4
Fron
G
D A S SCHWERTRECHT DER RΦMISCHEN STATTHALTER UND DIE IN JUDÄA EINGESETZTEN LEGIONEN
G. 1
Prδfekten und Prokuratoren der Provinz Judδa und das ius gladii
G.2
Die in den beiden Kriegen involvierten und in Judδa stationierten Legionen
Η
WEITERE KLIENTELF٢RSTEN AUS DEM HERODIANISCHEN GESCHLECHT IN PALÄSTINA
Η. 1
Die lange Regierungszeit eines unauffδlligen Klientelf٧rsten: Philippus als Tetrarch
H.2
Judδa unter Agrippa I.: ein kurzes Intermezzo als relativ autonomer Staat
H.3
Agrippa II.: Vasall im Dienste Roms und im Kampf gegen den sich abzeich nenden Aufstand
XXI
1 E I N L E I T U N G
Die bestimmende politische Grφsse im Palδstina1 des 1. Jh.s n.Chr. war die Weltmacht Rom. Die rφmische Machtelite mit dem Kaiser bestimmte und reglementierte deshalb das Leben auch hier an der φstlichen Peripherie des Imperiums. Aus rφmischer Sicht musste dieses Le ben auf die Stabilisierung der eigenen Herrschaft ausgelegt sein. Aktivitδten mit mφglicher oder effektiver destabilisierender Wirkung waren auf allen Stufen der politischen Verant wortlichkeit aufmerksam zu verfolgen und nφtigenfalls zu unterbinden. Somit wurde unter der Herrschaft der Rφmer im Palδstina des 1. Jh.s n.Chr. auch ein prophetischeschatologisches Wirken "stets als politisch brisant, ja sogar subversiv, sanktioniert, gerade weil es geeignet war, die Massen in Unruhe zu versetzen"2. Dieser Aussage ist klar zuzustimmen. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage, wie das unterschiedlich harte Vorgehen der politischen Machtha ber gegen die einzelnen prophetischmessianischen Bewegungen zu erklδren ist. Wir kφnnen in diesem Zusammenhang davon ausgehen, dass sich in der Regel die Reaktion seitens der rφmischen Machthaber am Ausmass der Stφrung der φffentlichen Ruhe orientierte.3 Unter Bewegung verstehe ich mit Theissen "einen kollektiven Versuch, durch eine wachsende Anhδngerschaft ein gemeinsames Ziel außerhalb etablierter Institutionen zu verwirklichen"4. Theissen zieht dabei die Definition von Giddens heran: "A social movement may be defined as a collective attempt to further a common interess or secure a common goal, through collec tive action outside the sphere of established institutions." 5 Mit dieser verbindet Theissen die Definition von Rammstedt. Gemδss Rammstedt ist eine soziale Bewegung "der Prozeß des Protestes gegen bestehende soziale Verhδltnisse, der bewußt getragen wird von einer an Mit gliedern wachsenden Gruppierung" 6 . Solche Bewegungen kφnnen im Anschluss an Heberle und Fiensy auch als grφssere Gruppen von Menschen verstanden werden (grφsser als eine Grossfamilie und Mitglieder aus mehr als einem Weiler oder Dorf), deren Angehφrige zur Mehrheit aus dem gewφhnlichen Volk stammen und ٧ber eine lδngere Zeit ein gemeinsames Programm verfolgen. Sie sind einerseits besser organisiert und strukturiert als etwa eine spontane Volksansammlung bei einem Protest. Andererseits unterscheiden sich derartige Be wegungen von politischen Parteien, die einen hφheren Organisationsgrad aufweisen. 7 Prophetisch-messianisch soll so verstanden werden, dass im Programm dieser Gruppen und Bewegungen sowohl prophetische wie auch messianische Z٧ge feststellbar sind. Was das messianische Element betrifft, so kann mit Thoma festgehalten werden, dass der "Messias vielschichtig ... eine von Gott in der Entscheidungszeit f٧r die Endzukunft nach Israel ge sandte Gestalt mit variierenden kφniglichen, priesterlichen und prophetischen Eigenschaften ist"8. Den Messias als eine allgemein verbindliche Gestalt eschatologischer Erwartungen gab es also zu keiner Zeit. Vielmehr begegnen als Gesalbte "Idealgestalten der Vergangenheit, das
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"Palδstina" ist bei Historikern und Geographen bis ins 1. Jh. n.Chr. zwar nicht durchgδngig, aber doch vielfach bekannt als Landschaftsname ohne exakte Abgrenzung und ohne offizielle Bedeutung. Diese re lative Offenheit des Begriffs entspricht dem geographisch nicht eindeutig abgrenzbaren Wirkungsgebiet der prophetischmessianischen Bewegungen wie auch dem wechselnden Umfang der Provinz Judδa und dem Einbezug der Tetrarchien, insbesondere derjenigen von Herodes Antipas. Zum Begriff "Palδstina" und seinem Verhδltnis zur rφmischen Provinz Judδa vgl. Noth, Palδstina (1939) 125144, sowie auch Keel K٧chler Uehlinger, OLB 1 (1984) 279285.
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Egger, Crucifixus (1997) 191. Vgl. zum subversiven Charakter religiφser Aktivitδten im rφmischen Im perium auch Bowersock, Subversion (1990) 291320. Zum Prinzip der Verhδltnismδssigkeit der eingesetzten Mittel s.u. Kap. 5.1.
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Jesusbewegung (2004) 99.
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Sociology ( 3 1999) 511
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Bewegung (1986) 38.
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Heberle, Social Movements (IESS XIV/1968) 438444; Fiensy, Leaders of Mass Movements (1999) 3ff.
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Redimensionierungen (1993) 216. Vgl. auch Thoma, Entw٧rfe (1992) 22f. und Messiasprojekt (1994) 132f.
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Einleitung
Gottesvolk sowie eschatologische Gestalten (Laienf٧hrer, Hohepriester, Prophet)"9. Dabei ist der Messias eine "aus vielen Traditionen sowie aus verschiedenen sozialen und religiφsen Erfahrungen gewonnene, gleichsam synthetische Entwurfsgestalt f٧r das endg٧ltig neue, bes sere und nicht zerbrechliche Zeitalter. Zu dieser mehrdeutigen und stets noch nicht abgerun deten Messiasauffassung werden wir durch die Hebrδische Bibel und vor allem durch das nachbiblischfr٧hj٧dische Schrifttum hingef٧hrt"10. Wie die Konkretionen solcher Erwartun gen im Programm der einzelnen Gruppen und Bewegungen aussahen, wird bei deren Dar stellung in Kap. 1417 ersichtlich. Zwei Fragekomplexe stehen im Zentrum der hier vorgelegten Arbeit: Woran misst sich erstens der Grad einer Stφrung der φffentlichen, von Rom verordneten Ruhe und Ordnung in einem besetzten Land wie Palδstina? Welches sind die Kriterien f٧r die Bemessung der Hδrte des Eingreifens seitens der Machthaber? Nat٧rlich spielen beim Eingreifen der Verantwortli chen immer auch subjektive Einschδtzungen und Gr٧nde eine Rolle. Trotzdem lδsst sich ein unterschiedlich hartes Vorgehen etwa gegen Johannes den Tδufer und Jesus einerseits und gegen die sog. Zeichenpropheten andererseits feststellen. Ein zweiter Fragekomplex ist damit verbunden: Lassen solche Kriterien schliesslich auch Schl٧sse darauf zu, welche Bewegungen Aussicht hatten, nach einer Konfrontation mit dem rφmischen Imperium noch weiter zu machen? Dazu gehφren sicher nicht Gruppen oder Be wegungen, welche ihr eschatologisches Programm primδr mit militδrischen Mitteln zu ver wirklichen suchten. Denn eine militδrisch angelegte Konfrontation mit Rom setzte die rφmi sche Kriegsmaschinerie mit ihrer eigenen Dynamik in Gang und f٧hrte in dieser Situation unweigerlich und unerbittlich zur eigenen Niederlage. Der Krieg von 66 bis 70 n.Chr. mit der Zerstφrung Jerusalems und seines Zentralheiligtums sind beredte Zeugnisse f٧r ein solches, gescheitertes Projekt. Solche Gruppen und Bewegungen sollen deshalb von der hier vorlie genden Untersuchung ausgeschlossen werden, denn die militδrische Konfrontation mit dem rφmischen Imperium bedeutete den stδrksten Angriff auf die rφmischen Sicherheitsinteressen und hatte im Falle solcher Gruppen keine Aussicht auf Erfolg. Im Zusammenhang mit der Si tuation in Palδstina vor Ausbruch des Ersten J٧dischen Krieges werden diese Gruppen aller dings in einer kurzen ٢bersicht dargestellt. Denn als militante Antwort auf die besondere Besatzungssituation in Palδstina sind sie Teil des gesellschaftlichen und religiφsen Umfelds prophetischmessianischer Bewegungen. Die Erweiterung und Sicherung der rφmischen Herrschaft erfolgte auf verschiedenen strategi schen Ebenen: Auf der Ebene der Politik wurden diese Strategien als Wechselspiel von Di plomatie und Kriegsf٧hrung durchgesetzt. Auf weiteren Ebenen lassen sich administrative und finanzielle sowie religiφse und ideologische Strategien beschreiben. Die rφmische Herrschaftspolitik liess sich daneben auch nur dank einer besonderen Gesell schaftsstruktur durchsetzen: diese Struktur definierte Rechte und Pflichten der einzelnen Gruppen wie auch die Durchlδssigkeitskriterien f٧r die einzelnen Gesellschaftsgruppen und schichten. Andererseits hatten die oben genannten rφmischen Strategien auch den Zweck, diese besondere Sozialstruktur abzusichern. Alle diese Strategien fanden schliesslich auch ihren juristischen Ausdruck auf der Ebene des rφmischen Rechts." Diese theoretisch klar unterscheidbaren Bereiche waren in der Praxis allerdings stark mitein ander verhδngt: Verδnderungen etwa im diplomatischen Bereich hatten auch Konsequenzen auf militδrischer oder finanzpolitischer Ebene. Oder Entwicklungen auf militδrischer Ebene hatten ihre Auswirkungen auf die Sozialstruktur: So ist etwa die Entstehung des Prinzipats
Niebuhr, Erwartungen (1993) 344. Thoma, Messiasprojekt (1994) 132. Zum besonderen Phδnomen der Kollektivierung des Gesalbtenbeg riffs zwischen dem 3. Jh. v.Chr. und dem 1. Jh. n.Chr. vgl. Roose, Eschatologische Mitherrschaft (2004) 4753. Vgl. dazu etwa Kariowa, Rφmische Rechtsgeschichte (1885); Mommsen, Rφmisches Strafrecht (1899); Volkmann, Rechtssprechung (1935); Riccobono, Fontes Iuris Romani Antejustiniani IIII (19401943); Kδser, Rφmische Rechtsgeschichte ( 2 1967); Wieacker, Rφmische Rechtsgeschichte (1988).
Einleitung
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gegen Ende des 1. Jh.s v.Chr. nicht ohne die Entwicklung der rφmischen Armee von der Mi liz zur Berufsarmee verstδndlich.12 In Teil I der hier vorliegenden Arbeit sollen die Strategien dargestellt werden, welche die rφ mischen Eliten in den einzelnen Bereichen zur Erweiterung und Sicherung des imperium Romanum verfolgten.13 Dies geschieht in den meisten Fδllen auch im Hinblick auf die spδtere Republik, da die Expansion des rφmischen Weltreiches hier ihre grφsste Intensitδt erreichte. Dies hatte bleibende Auswirkungen auf die Prinzipatszeit. Zudem behielten die hier zugrunde liegenden Expansions und Sicherheitsstrategien trotz gewisser Anpassungen ihre G٧ltigkeit ٧ber den Wechsel von der Republik in die Kaiserzeit hinein. In der vorliegenden Arbeit wird die Sozialstruktur der rφmischen Gesellschaft aufgrund ihres fortschreitenden Wandels und ihrer Komplexitδt allerdings nicht in einem eigenen Kapitel dargestellt. Jedoch soll in den verschiedenen Kapiteln nach Bedarf darauf Bezug genommen werden. Zudem ist hier auch die Frage angebracht, ob (neben einzelnen, die Sozialstruktur di rekt betreffenden Massnahmen durch die rφmischen Eliten) nicht auch die verschiedenen Si cherheitsstrategien in den oben erwδhnten Bereichen des rφmischen Imperiums das gemein same Ziel hatten, dessen besondere Sozialstruktur einschliesslich der privilegierten Situierung der bestimmenden Eliten abzusichern und so auch die Expansion und Stabilisierung der rφ mischen Herrschaft zu gewδhrleisten. Eine gesonderte Darstellung unterbleibt auch, weil die verschiedenen prophetisch messianischen Bewegungen in Palδstina durch ihr besonderes Programm und Profil nicht in erster Linie und explizit die Sozialstruktur des imperium Romanum angriffen, auch wenn diese Sozialstruktur implizit und in einem grφsseren Horizont nat٧rlich in vielen Fδllen in Frage gestellt wurde.14 So ist selbst beim bewaffneten Widerstand gegen Rom nicht sicher, ob es hier zunächst um einen direkten Angriff auf die Sozialstruktur ging. Vielmehr sollte wohl das j٧dische Volk durch den Sieg ٧ber die Besatzer von der rφmischen Herrschaft befreit und so wieder aus dem sozialen Gef٧ge des Imperiums und seinen f٧r die Widerstandskδmpfer nicht tolerierbaren Implikationen heraus gelangen.15 Dass danach auch ein endg٧ltiger Sieg ٧ber die rφmischen Herren und damit der Umsturz der Sozialstruktur des imperium Romanum Teil bestimmter messianischer Erwartungen war, davon kφnnen wir ausgehen. Aus den gleichen, zur Sozialstruktur genannten Gr٧nden unterbleibt hier auch eine gesonderte und umfassende Darstellung des rφmischen Rechts, in dessen Gesetzen die Sicher
Vgl. etwa Schneider, Militδrdiktatur (1977); De Blois, Army and Politics (1987). Vgl. auch Exkurs B. Ich gebrauche hier den von Luttwak, Strategy (1979) benutzten Begriff der "Strategie", auch wenn er "Strategie" primδr im Hinblick auf die Rolle und Funktion des rφmischen Militδrs verwendet. Dies ent spricht der Tatsache, dass "Strategie" seinen Ursprung in der militδrischen Begrifflichkeit (στρατηγό«, στρατηγία) hat. Luttwaks Werk wurde in der Folge stark rezipiert. Widerspruch erfolgte jedoch in Hin sicht auf eine gewisse anachronistische R٧ckprojizierung eines modernen Strategiekonzeptes auf den Kontext rφmischer Herrschaftssicherung (vgl. Wheeler, Roman strategy (1993) 741.215240). In der Geschichte der Expansion und der Sicherung des imperium Romanum lδsst sich eine gewisse Gesetzmδssigkeit im Einsatz von Mechanismen zum Zweck des Erreichens der machtpolitischen Ziele beobachten. Der wiederkehrende Einsatz dieser Mechanismen, eingebettet in ein Gesamtkonzept, erlaubt es deshalb, in einem weiter gefassten Sinn auch in anderen Bereichen als dem militδrischen Handlungs feld von Strategien zu sprechen. Der StrategieBegriff kann also sehr gut auf weitere Funktionsbereiche eines Staates angewandt werden (vgl. Mattern, Strategy (1999) 81). Dabei spielt die Frage, ob diese Me chanismen und Strategien immer bewusst eingesetzt bzw. verfolgt und auch so deklariert wurden, keine ausschlaggebende Rolle. Dies gilt auch f٧r die Mk 10,4345 Parr. belegte Forderung Jesu: Hier wird nicht der direkte oder gewaltsame Angriff auf die Sozialstruktur des Imperiums und den ihr eigenen Machtmechanismen gefor dert. Vielmehr sollen die J٧nger Jesu im Hinblick auf sein eigenes Vorbild durch ihr Zusammenleben Zeugnis f٧r ein alternatives Gesellschaftsmodell innerhalb des Imperiums abgeben (vgl. etwa Seeley, Rulership (1993) 234250; Hoffmann, Herrschaftsverzicht (1994) 139170; Wischmeyer, Herrschen (1999) 2844). Dass ein solches Gesellschaftsmodell mit zunehmender Nachahmung auch das gδngige Herrschaftsmodell von Gewalt und Unterdr٧ckung in Gefahr bringen konnte, versteht sich von selbst. So beschreibt G. Theissen die Entwicklung der Jesusbewegung als "Sozialgeschichte einer Revolution der Werte" (2004). S.u. Kap. 13.9.2.
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Einleitung
heitsstrategien des Imperiums juristisch ihren Ausdruck fanden.16 Es ist nämlich einleuchtend, dass prophetischmessianische Bewegungen, die durch ihr besonderes Programm den römi schen Sicherheitsstrategien zuwider handelten, auch mit dem römischen Recht in Konflikt gerieten. Allerdings soll bei der Darstellung der JesusBewegung in Teil II der Frage nachge gangen werden, welches der juristisch formulierte Vor wurf der Behörden an Jesus gewesen sein könnte, der zu seiner Verhaftung und Hinrichtung f٧hrte. In zwei Kapiteln des ersten Teils soll dann auch der Frage nach der Motivierung f٧r die er staunliche Expansion des imperium Romanum und seiner Absicherung gestellt werden. Da bei werden auch antike Stimmen zu Wort kommen. Krieg als extremste Variante der Durchsetzung der eigenen Machtinteressen ist in der rφmi schen Politik eine Selbstverstδndlichkeit. Dies gilt nicht nur in der Aussenpolitik, sondern noch viel mehr in der Innenpolitik. Diesem Umstand verdankt sich auch die eminent wichtige Stellung, welche die rφmische Armee in der rφmischen Gesellschaft und Geschichte spielt. Ohne rφmische Armee sind weder die rφmische Machtpolitik, die Expansion, die Sozial struktur, die Verwaltungsstruktur, noch die finanzielle Seite des rφmischen Staates verstδnd lich. Deswegen wird ihrer Darstellung in dieser Arbeit ein grosses Gewicht beigemessen. Aus dem gleichen Grund werden in diesem Zusammenhang auch verschiedene Aspekte des Kon zeptes der permanenten Kriegsbereitschaft beleuchtet. In Teil II der hier vorliegenden Arbeit geht es um die Umsetzung der rφmischen Sicherheits strategien in Palδstina durch die Klientelf٧rsten der Herodesfamilie sowie die Statthalter der ersten beiden Prokuraturen. In Konflikt mit diesen Strategien gerieten dabei auch verschie dene prophetischmessianische Bewegungen. Ihre eigene Gestalt und ihr Programm beein flussten hier auch ihr besonderes Schicksal beim gewaltsamen Eingreifen der lokalen Verant wortlichen, die allesamt im Dienste Roms standen. Dabei sollen die Gr٧nde f٧r das unter schiedlich harte Eingreifen der politisch und militδrisch Verantwortlichen aufgezeigt werden, die im besonderen Programm und Profil der jeweiligen Bewegung bzw. ihrer F٧hrergestalten wurzeln. Dieses besondere Programm und Profil soll dabei auch als mitverantwortlich f٧r den Umstand interpretiert werden, ob eine Bewegung nach der Konfrontation mit dem rφmischen Imperium gewisse Chancen auf einen Fortbestand hatte oder nicht. In der vorliegenden Arbeit habe ich versucht, Fragen, Erkenntnisse und Erklδrungsversuche der Geschichtsforschung zu den Strategien der Machterweiterung und Sicherung des rφmi schen Imperiums fruchtbar zu machen f٧r die in der j٧dischen und christlichen Exegese viel fach untersuchten prophetischmessianischen Bewegungen und den ihre Programme und Schicksale dokumentierenden Zeugnissen. Die Arbeit will also eine Verstδndnisbasis f٧r die Mechanismen und die Strukturen des rφmischen Imperiums schaffen, um so das Schicksal Jesu und anderer prophetischmessianischer Gestalten und ihrer Bewegungen im Kontext des rφmischen Imperiums besser zu verstehen. Bei meiner Arbeit wusste ich mich besonders den historischkritischen Methoden der Ausle gung von literarischen Zeugnissen verpflichtet. Dies gilt sowohl f٧r die Texte j٧discher und christlicher, als auch f٧r die Texte paganer antiker Autoren. Dabei wurden insbesondere auch soziologische Fragestellungen ber٧cksichtigt, die heute einen integralen Bestandteil histo rischkritischer Exegese ausmachen. Aufgrund der Fragestellung der vorliegenden Arbeit versteht es sich jedoch von selbst, dass der Frage nach der Historizitδt die grφsste Bedeutung zukommt. Zur Untermauerung einzelner Gesichtspunkte im Gedankengang der vorliegenden Arbeit habe ich auch einige Exkurse verfasst. In ihrer Ausf٧hrlichkeit und Komplexitδt gehφren sie jedoch nicht zum Duktus selbst. Aus Kostengr٧nden sind sie nicht in Buchform publiziert, sondern sind als PDFDatei unter der Adresse http://ethesis.unifr.ch/theses/RiedoC.pdf im Internet abrufbar. Anders wäre dies sicher bei einer primär innenpolitischen, das römische Zentrum betreffenden Thematik. So war die gesetzliche Komponente in der Funktion des römischen Staatswesens von zentraler Be deutung, und politische Auseinandersetzungen traten im Senat häufig als Konflikte um die Einführung oder Abschaffung von Gesetzen in Erscheinung. Ein Beispiel dafür mögen die langjährigen Aus einandersetzungen zwischen Optimaten und Populären in der späten Republik sein.
5 TEIL I STRATEGIEN DER MACHTERWEITERUNG UND SICHERUNG DES RΦMISCHEN IMPERIUMS IN DER REPUBLIK UND DER KAISERZEIT A
POLITISCHE STRATEGIEN: DIPLOMATIE UND KRIEGSF٢HRUNG I
ENTWICKLUNG UND D I F F E R E N Z I E R U N G DER STRATEGIEN IN DER Z E I T DER R E P U B L I K 1 7
1.1
Sicherheit durch Verträge: amici, socii und clientes
In republikanischer Zeit hatte Rom auf äussere Bedrohungen stets mit Expansion reagiert, ganz gleich, ob eine solche Bedrohung nun real war oder nur als Vorwand f٧r weitere Ge bietserweiterungen diente.18 Schon relativ fr٧h manifestierte sich das Streben Roms nach der Hegemonie Europas gegen٧ber konkurrierenden Grossmδchten. Livius formuliert den un missverstδndlichen Anspruch Roms auf Europa gegen٧ber den seleukidischen Herrschern bei seiner Beschreibung der Verhandlungen von Flamininus von 193 v.Chr. mit den seleukidi schen Gesandten Nenippos und Hegesianax." Flamininus f٧hrt dabei aus: "... auch ich werde die zwei Bedingungen anführen, über die hinaus das meldet d e m König es für den Abschluss eines Freundschaftsverhältnisses mit dem römischen Volk keine weiteren gibt. Die eine: Wenn er will, dass wir uns um nichts kümmern, was sich auf die Städte in Kleinasien bezieht, dann soll er auch selbst ganz Europa fernbleiben. Die andere: Wenn sich jener nicht an die Grenzen Kleinasiens hält und nach Europa hinüber geht, dann sollen auch die Römer das Recht haben, die bestehenden Freundschaftsver hältnisse mit den Gemeinden Kleinasiens zu bewahren und neue zu schliessen." (Livius
34,58,13) Bei seinen HegemonieBestrebungen bediente sich Rom sowohl einer vielgestaltigen Diplo matie wie auch der militδrischen Eroberung, je nachdem um welche Art von "Partner" bzw. Gegner es sich handelte und welches Vorgehen erfolgsversprechender war. So sind im Falle Roms Diplomatie und militδrische Unterwerfung im Grunde genommen einfach zwei Seiten einer Medaille.20 Rom verstand auch seine Diplomatie primδr als ein Instrument, das im Dienst seiner herrschaftlichen Machterweiterung bzw. erhaltung stand.21 Somit gab es im re
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Hier soll und kann es nicht um die Bewertung der Intentionen der massgeblichen politischen Gruppen gehen, welche die rφmische Expansionspolitik wδhrend der Republik und der Prinzipatszeit angetrieben haben. Eine wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung mit dem Phδnomen der Dependenz des hel lenistischen Ostens von Rom zur Zeit der rφmischen Weltreichsbildung w٧rde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist auch nicht deren Ziel. Einen ForschungsUberblick (bis 1986) sowie einen eigenen Er klδrungsversuch zur Problemstellung wie auch eine F٧lle weiterf٧hrender Literatur bietet Podes, De pendenz (1986). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 93. Vgl. Gundel, Flamininus (KP 2/1979) Sp. 563566; Podes, Dependenz (1986) 188. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 69f. Eines der vielen Merkmale dieses Verstδndnisses war auch die Gestaltung der rostra, der Rednerb٧hne in Rom. Das Besteigen der Rednerb٧hne kann in Rom gleichsam mit "φffentlich politisch wirken" gleich gesetzt werden. Die Rostra erhielt ihren Namen von den Schnδ beln erbeuteter antiatischer Schiffe (vgl. Livius 14,8,12). Auch Augustus Hess die rostra aedis Divi luli an der Westseite des Forums mit Blickrichtung auf den Tempel des Divus lulius errichten und mit den bei Actium erbeuteten Schnδbeln der gegnerischen Schiffe verzieren (vgl. Gross, Rednerb٧hne (KP 4/1979) Sp. 1363f.). Vgl. Magie, Asia Minor I ( 2 1966) 472ff. mit Blick auf die rφmische Diplomatie in Kleinasien. Vgl. auch SherwinWhite, Roman citizenship ( 2 1973) 188. Tiberius soll einmal zu seinem Neffen Germani
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Teil I Strategien der Machterweiterung und Sicherung des Römischen Imperiums
publikanischen Rom im Grunde genommen auch keine Diplomatie der Friedenszeiten, son dern Diplomatie war eigentlich Krisen und Konfliktdiplomatie.22 F٧r den Erfolg der rφmischen Diplomatie sprach dabei nicht nur die Stδrke der rφmischen Truppen, sondern auch die Einstellung der lokalen F٧hrungsschichten. Diese sahen hδufig in einem B٧ndnis mit Rom Vorteile, auch wenn sie dadurch bedeutende politische Entschei dungskompetenzen abtreten mussten. In solchen B٧ndnissen trafen sich demnach die Interes sen der rφmischen F٧hrungsschicht mit denjenigen der Peripherieeliten.23 Gerade der Sieg in Kynoskephalai von 197 v.Chr. gegen Philipp V. hatte im griechischen Osten die Attraktivitδt Roms als Adressat f٧r die aussen wie innenpolitische Konfliktregelung deutlich gesteigert. So gibt es unzδhlige Fδlle, bei denen nicht Rom selbst die Initiative ergriff, sondern seitens der Eliten von Peripherienationen oder Städten um Beistand oder Schlichtung eines Streites angegangen wurde.24 Durch einen 161 v.Chr. geschlossenen Freundschafts und B٧ndnisvertrag mit Rom versuch ten auch die Makkabδer den Konflikt mit den Seleukiden zu internationalisieren.25 Die Initia tive ging dabei von j٧discher Seite aus, wobei sich die aufgehende Weltmacht Rom als scheinbar idealer Partner anbot. Der Senat anerkannte dabei die Autonomie der j٧dischen Gemeinschaft, was nat٧rlich ein Problem f٧r die Regenten Antiochias darstellte. Die Inter vention von Demetrius im Jahre 158 v.Chr. in Kappadozien erlaubte es dann Rom, sich in die (internen) Angelegenheiten des seleukidischen Reiches einzumischen.26 F٧r Rom war das B٧ndnis insofern von Vorteil, als dass es sich dadurch eine Schwδchung der seleukidischen Herrschaft erhoffen konnte.27 Der aus j٧discher Sicht erfolgreiche Mak kabδeraufstand hatte dazu gef٧hrt, dass Antiochos V. die Anordnungen seines Vorgδngers aus dem Jahre 167 v.Chr. aufhob und damit der unmittelbare Kriegsanlass beseitigt wurde. Doch die Ambitionen der Makkabδer gingen trotz Widerstand der sog. Chasidim in die Richtung weiter, die Fesseln der seleukidischen Fesseln gδnzlich zu lφsen und auch politische Unabhδngigkeit wiederzuerlangen.28 Auch dies lag im Interesse Roms. 1.1.1
Die amicitia
Durch die Gewδhrung des B٧rgerrechtes an einzelne Gemeinden, durch Annexionen und Ko lonisierung konnte Rom im 4. Jh. sein Staatsgebiet betrδchtlich erweitern.29 Gerade durch die Schaffung von Kolonien gelang es Rom, jeweils eine Art Br٧ckenkopf in einem fremden Ge biet zu schaffen und dadurch seine Herrschaft auszuweiten und zu stabilisieren. Dieses Vor gehen sollte sich auch in den spδteren Jahrhunderten bewδhren, wo hδufig Militδrkolonien als Herrschaft sicherndes Element sowohl in besetztem wie auch noch nicht annektiertem Gebiet errichtet wurden. Daneben ermφglichten Rom vor allem auch die bilateralen Abkommen oder Vertrδge mit anderen Staaten Italiens die Ausweitung seines Einflussgebietes. Denn in der
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cus gesagt haben, er hδtte durch Diplomatie mehr erreicht als mit militδrischen Anstrengungen (vgl. Ta citus, Annalen 2,26; Cassius Dio 67,7; 68,9; vgl. auch Tacitus, Germania 42). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 54f. Vgl. Podes, Dependenz (1986) 97f.l86f. Gemeint sind hier nat٧rlich Funktions und nicht Werteliten. Zur Definition einer Funktionselite vgl. Endruweit, Elitebegriffe (1979) 43: "Eine Elite ist ein soziales Subjekt, dessen Mitglieder f٧r das Sozialsystem charakteristische soziale Prozesse entscheidend beein flussen und dadurch den anderen Mitgliedern des Systems ٧berlegen sind." Nach Badian, Imperialismus (1980) 130, ist deshalb rφmische Geschichte auch primδr Geschichte der herrschenden rφmischen Klasse. Vgl. dazu schon Geizer, Nobilitδt (1912) und ( 2 1983). Eine Zusammenstellung solcher Initiativen der Peripherie bietet Podes, Dependenz (1986) 196203. Vgl. 1 Makk 8,17; Donner, Geschichte Israels II (1986) 449f. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 163166. Vgl. Smallwood, Roman rule (1976) 16; Baumann, Rom und Juden (1983) 17f. und insbes. die Lite raturangaben ebd. Anm. 58. Vgl. Donner, Geschichte Israels II (1986) 449. Vgl. Schneider, Militδrdiktatur (1977) 47f.
Α Politische Strategien
7
römischen Aussen und Expansionspolitik bedeutete "Nichtannexion ... niemals zugleich Nichteinmischung"30. Freundschaftsabkommen mit verschiedenen Mittelmeerstaaten finden sich ab dem 3. Jh. v.Chr. Ein solcher FreundschaftsPakt mit einem nichtrömischen Gemeinwesen war der erste Schritt auf der Skala der direkten Einflussnahme Roms.31 Als amici wurden gewöhnlich Völ ker genannt, welche treu zur Politik Roms standen, oder von denen dies zumindest erwartet wurde. Die hier ausgedr٧ckte amicitia kann einfach Wohlwollen des Senates gegen eine fremde Stadt oder einen anderen Staat bedeuten.32 Und sie kann, muss aber nicht, eine Folge eines Konfliktes oder Krieges und Objekt, Teil oder Konsequenz 33 eines Vertrages sein. Die se amicitia verpflichtete die Partner zumindest zur Neutralitδt bei Auseinandersetzungen Roms mit Dritten sowie die wohlwollende Behandlung rφmischer Kaufleute und Handelsrei sender. In bestimmten Situationen konnte sie aber auch ein aktives Handeln beinhalten, wie etwa die militδrische Unterst٧tzung. Auf keinen Fall wurde die Gunsterweisung und die Aus zeichnung durch die amicitia Roms aber umsonst ausgesprochen. So begr٧ndet schon die weniger verbindliche amicitia in den Augen Roms "ein eher hierarchisches, indirekt herrschaftliches denn wirklich partnerschaftliches Verhδltnis. Sie intendiert die Ausrichtung der Politik des anderen auf rφmische Vorstellungen und impliziert (unausgesprochen) die Anerkennung rφmischer Stδrke und ٢berlegenheit und damit letztlich rφmischer Oberho heit."34 Gemδss einer Inschrift aus dem Jahre 139 v.Chr. wird dieses Verhδltnis in Bezug auf Rom und einige Stδdte Kleinasiens folgendermassen beschrieben: Die verschiedenen Partner wollen (sollen) sich anstrengen, "mit Frieden und ganzer Eintracht und Freundschaft das gegenseitige Wohlwollen zu be wahren" (SIG 3 685,14f.).
Etwas realistischer dr٧ckt es Cδsar aus, der die Ubier, die ihn um seinen Schutz angegangen waren, als amici bezeichnet. So versteht Cδsar diese Freundschaft in der Art, dass diese amici seinen Befehlen unterworfen waren.35 Zugegebenermassen kamen auch die Rφmer ihren eigenen Verpflichtungen meistens ohne Umschweife nach und griffen ihren amici nφtigenfalls auch militδrisch unter die Arme. Ein (tatsδchliches oder nur angebliches) Bittgesuch eines amicus blieb in den seltensten Fδllen unbeantwortet. Auch auf reale oder nur scheinbare Bedrohungen eines "Freundes" anwortete Rom bereitwillig mit einer Intervention, um seinen Schutzverpflichtungen nachzukommen.3'' So spielte die δussere Bedrohung eines amicus hδufig eine Rolle bei rφmischen Kriegserklδ rungen.37
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Badian, Imperialismus (1980) 19. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 33f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 59. Vgl. Caesar Bellum Gallicum 1,35,4; Cimma, Reges Socii (1976) 29. Vgl. Livius 8,2,12; 8,26,2. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 60. Vgl. auch Cimma, Reges Socii (1976) 2832. Vgl. Caesar, Bellum Gallicum 4,8.16; 6,9. Sicher verhδlt es sich so beim Hilferuf der Hδduer, auf den Cδsar bereitwillig mit militδrischer Interven tion reagierte (vgl. Caesar, Bellum Gallicum 1,31; 6,12; Wuilleumier, Haedui (KP 2/1979) Sp. 912; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 60). So wurde in Rom der Beginn des gallischen Krieges (225222 v.Chr.) als notwendige Antwort auf den Angriff auf rφmische Alliierte verstanden (vgl. Polybius 2,2,7). Allerdings hatte Rom zuvor Druck aus ge٧bt auf seinen Kriegsgegner, etwa durch die Militδrkampagne des Jahres 238/7 v.Chr. unter P. Vale rius Falto (vgl. Polybius 2,21,16; Zonaras 8,18), was eine schwache gallische Aktion gegen die rφmi sche Kolonie Ariminum provozierte (vgl. Harris, Imperialism (1979) 193.197f.). Provozierend mag auch das Gesetz von C. Flaminius, Tribun des Jahres 232 v.Chr., gewirkt haben, das die Aufteilung des ager gallicus unter rφmische B٧rger ermφglichen sollte (vgl. Broughton, Magistrates I (1951) 225; Gun del, Flaminius (KP 2/1979) Sp. 566). Auch beim 2. Punischen Krieg war der direkte Anlass die Erobe rung des mit Rom offenbar befreundeten Sagunt durch Hannibal gewesen; im Hintergrund standen aller dings die gegenlδufigen Interessen Roms und des wieder erstarkten Karthagos in Spanien und im Mit telmeerraum (vgl. Bengston, Rφmische Geschichte ( 6 1988) 72, oder Harris, Imperialism (1979) 200 205, mit Quellen und Lit.). Auch Pergamon gegen٧ber kam Rom seinen (Selbst) Verpflichtungen nach beim Ausbruch des 3. makedonischen Krieges (vgl. Harris, Imperialism (1979) 227233, mit Quellen und Lit.). Im Zusammenhang des achδischen Krieges ist Sparta der bedrδngte "Freund" (vgl. Livius, Pe
8
Teil I Strategien der Machterweiterung und Sicherung des Römischen Imperiums
1.1.2
D e r V e r t r a g u n t e r "gleichwertigen" P a r t n e r n : foedus
aequum
M i t den ausseritalischen socii verband der römische Staat ein foedus aequum oder ein foedus iniquum, j e n a c h d e m o b es sich z u m i n d e s t theoretisch u m ein gleiches o d e r ungleiches V e r tragsverhältnis handelte. 38 D a s foedus aequum verlangte von den beiden Vertragspartnern die H i l f e l e i s t u n g bei der A b w e h r von äusseren G e f ä h r d u n g e n d u r c h Dritte. 39 D a s s R o m bei all seinen Kriegshandlungen die V e r b ٧ n d e t e n heranzog, sagt allerdings m e h r ٧ber die subjektive Einschδtzung seiner Kriege aus denn ٧ber den wirklichen Aggressor: R o m sah sich in seinen K r i e g e n stets als a n g e g r i f f e n e Partei o d e r als B e s c h ٧ t z e r m a c h t a n d e r e r G e m e i n s c h a f t e n wie auch als W a h r e r (und nicht e t w a Mehrer!) des eigenen Besitzstandes. 4 0 Bei Cicero findet sich diese Idee explizit, dass das rφmische I m p e r i u m quasi durch die Verteidigung seiner Verb٧n deten entstanden sei. Er schreibt: noster autem populus 3,35). 41
sociis defendendis
terrarum
iam omnium
potius est (De re publica
U n d an anderer Stelle meint Cicero, dass die rφmischen Magistraten Kriege n u r f ٧ r die B u n d e s g e n o s s e n und z u m W o h l e des I m p e r i u m s g e f ٧ h r t hδtten und ex harte una re maximam laudem capere studebant, flde defendissent (De offieiis 1,26).42
si provincias,
si socios aequitate
et
Nat٧rlich k o n n t e n A g g r e s s i o n e n auch provoziert w e r d e n , w e l c h e d a n n d i e e i g e n e Verteidi g u n g rechtfertigen liessen. 4 3 Erst n a c h d e m g e g e n E n d e d e r R e p u b l i k d a s r φ m i s c h e Reich durch die Eroberungskriege zu grossen Teilen geschaffen war, wurden viele Kriege in der Tat zur Verteidigung des I m p e r i u m s gef٧hrt. 4 4 D i e V e r t r δ g e mit N a c h b a r s t a a t e n e r m φ g l i c h t e es R o m d e m n a c h , d i e e i g e n e n (aggressiven) militδrischen Aktionen entweder als Akt der Verteidigung oder als Hilfeleistung an B ٧ n d n i s staaten zu verstehen bzw. darzustellen und so seinen E i n f l u s s u n d Aktionsradius kontinuier
riochae 51 ff.; Pausanias 7,1213; Iustinus 34,1; Harris, Imperialism (1979) 240244). Vor dem Aus bruch des 3. Punischen Krieges schliesslich wird Sagunt bedroht, wobei unklar ist, ob die Stadt mit Rom ٧berhaupt in einem Freundschaftsverhδltnis stand, da Polybius von m a n s und Livius von socii spricht (vgl. Abel, Saguntum (KP 4/1979) Sp. 1500f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 60.275 Anm. 6). 38
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F٧r die italischen Verb٧ndeten galten teilweise etwas andere Bedingungen. So konnten diese zum Teil f٧r die Aushebungen herangezogen werden und wurden besteuert. Im Jahre 89 v.Chr. erhielten diese nach dem Bundesgenossenkrieg das rφmische B٧rgerrecht (vgl. Bengston, Rφmische Geschichte (61988) 147 150). Socii kann mit Partnern, Bundesgenossen ٧bersetzt werden. Zur Terminologie von socius vgl. Wegner, Untersuchungen (1969). Vgl. eine Auflistung von militδrischen Hilfeleistungen seitens verb٧ndeter Staaten bzw. Stδdten von Ende des 3. bis Mitte des 2. Jh.s v.Chr. bei Podes, Dependenz (1986) 180183. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 61. Zum Beispiel der Auseinandersetzung um Messana vor Beginn des 1. Punischen Krieges und zur nachtrδglichen Beschφnigung durch die Geschichtsschreibung vgl. Heuss, Imperialismus ('1970) 3746, mit Quellen und Lit. Vgl. auch Cicero, Pro lege Manilla de imperio Cn. Pompei 14. Allerdings relativiert Cicero selbst diese Sichtweise wieder (vgl. In M. Antonium oratio Philippica 8,12). Zur Frage von Imperialismus und Verteidigungsideologie in der rφmischen Politik von 32770 v.Chr. vgl. Harris, Imperialism (1979) 163254. So ٧berlassen die Rφmer etwa ihrem Verb٧ndeten Massinissa, dem Kφnig von Numidien, die Kontrolle des Friedens zwischen Rom und Karthago, auch wenn oder vielleicht gerade weil sie dessen Expansi onsgel٧ste kennen. Als Massinissa schliesslich in karthagisches Gebiet einfδllt, widersetzen sich die Pu nier. Da sie Rom zu diesem Zweck nicht um Erlaubnis gefragt haben, erklδrt ihnen Rom umgehend den Krieg. Eine karthagische Gesandtschaft kommt zwar den hohen Forderungen nach 300 Geiseln und der Abgabe sδmtlicher Waffen nach, die von Rom geforderte Zerstφrung Karthagos und die Umsiedlung in ein k٧stenfernes Gebiet kommt aber einer Selbstaufgabe gleich und wird abgelehnt. In der Folge haben die Rφmer den notwendigen Anlass, um das wiedererstarkte Karthago endg٧ltig zu zerstφren und dessen Gebiet zu annektieren (vgl. Polybius 36,6,7; Bengston, Rφmische Geschichte ( 6 1988) 115119; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 37). Gemδss Polybius war der Krieg gegen Karthago aber schon beschlossene Sache lange bevor im Verhalten Karthagos der gesuchte Anlass gefiinden war (36,2,1; Harris, Imperia lism (1979) 234240). Vgl. Harris, Imperialism (1979) 252.
Α Politische Strategien
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lieh zu erweitern.45 F٧r seinen Teil versprach Rom, die Bundesgenossen zu sch٧tzen, was es in den meisten Fδllen auch bereitwillig tat und seiner (zumindest moralischen) Schutzver pflichtung nachkam.46 Dass Rom jedoch bei der Belagerung Sagunts zugewartet und seinen (nicht ganz klaren) B٧ndnispflichten erst Folge leistete, als die Stadt 219 v.Chr. von Hannibal schon eingenommen war, und der Karthager dann 218 v.Chr. den Ebro ٧berschritt, sollte f٧r Rom gravierende Konsequenzen haben.47 So fanden die Rφmer in der Folge in Spanien keine Verb٧ndeten mehr, da sie nach Ansicht der angefragten mφglichen socii ihre B٧ndnispflichten vernachlδssigt hδtten und somit keine verlδsslichen B٧ndnispartner wδren.48 Offensichtlich hatte dieses schlechte Beispiel rφmischer B٧ndnistreue aber einschδrfende Wirkung auf das zuk٧nftige Verhalten Roms. Denn hier wurde deutlich, dass versδumte B٧ndnispflichten dem Ansehen und damit auch der Attraktivitδt Roms schadeten. Ihrerseits verzichteten die verb٧ndeten Staaten hδufig auf ihre aussenpolitische (und immer mehr auch innenpolitische) Souverδnitδt. Sie verpflichteten sich ausserdem, im Bedarfsfall Truppen aufzubieten und unter das rφmische Oberkommando zu stellen.49 Damit konnten un zδhlige socii herangezogen werden f٧r einen Krieg, durch den diese im Prinzip gar nicht tan giert wurden. Aufgrund der geographischen Gegebenheiten war es zudem wahrscheinlicher, dass Rom entlang seiner Grenzen angegriffen wurde als dass ein kleiner B٧ndnisstaat be droht wurde. Demnach erwuchs Rom aus diesen Vertrδgen der grφssere Vorteil. Weiter schloss Rom meist nur bilaterale Vertrδge, von denen es den grφssten Nutzen hatte.50 Diese Vertrδge banden die neuen Partner stark an Rom und schrδnkten deren aussenpoliti schen Aktivitδten drastisch ein, und zwar sowohl mit Staaten innerhalb wie ausserhalb des rφmischen Hegemoniebereiches.51 Rom bildete also gewissermassen den Knotenpunkt eines Beziehungsgeflechts zu seinen B٧ndnispartnern, die untereinander kaum oder gar keine Be ziehungen pflegen durften.52 Dadurch sollte auch eine Koalition von solchen B٧ndnispartnern zum Nachteil der rφmischen Hegemonie verhindert werden.53 Hier, machten sich die rφmi schen Eliten demnach den Leitspruch zunutze: Divide et impera!5* In der Sekundδrliteratur wird diese besondere Interaktionsstruktur zwischen den Staaten auch als feudal bezeichnet.55 Bei seiner Politik kam Rom sicher auch die Zerstrittenheit vieler Nachbarstaaten untereinander und deren Suche nach eigenen Vorteilen gegen٧ber ihren un
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Vgl. Badian, Imperialismus (1980) 28; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 11. Zum 1. Punischen Krieg vgl. Polybius 1,10,31,11,1; zum 1. illyrischen Krieg vgl. Polybius 2,8,312; zu den gallischen Krie gen vgl. Polybius 2,21,3.6 und 2,22; zum Krieg gegen Hannibal vgl. Polybius 3,8,17 (= FHG 809 F 21). Vgl. auch Brunt, Laus imperii (1978) 170ff., mit den vielen hier aufgef٧hrten Beispielen. Zur rφ mischen amicitia und den unterschiedlichen foedera mit Nachbarstaaten oder gemeinschaften vgl. Ge sche, Weltbeherrscher (1981) 5968, sowie im Detail Cimma, Reges Socii (1976). Vgl. Sallust, Bellum Jugurthinum 14; Bellum Alexandrinum 34; Brunt, Laus imperii (1978) 169. Zum Angriff auf Bundesgenossen als Kriegsanlass vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 7378, mit Bei spielen. Vgl. Abel, Saguntum (KP 4/1979) Sp. 1500. Vgl. Livius 21,19,8ff.; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 75.77f. Vgl. Schneider, Militδrdiktatur (1977) 47f. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 62. Vgl die vielen Beispiele bei Podes, Dependenz (1986) 141159. Vgl. etwa das Verbot f٧r Karthago, nach dem 1. Punischen Krieg (264241 v.Chr.) freundschaftliche Beziehungen zu anderen Staaten aufzunehmen (vgl. Polybius 3,27,4; Podes, Dependenz (1986) 141f.). Vgl. Galtung, Structural Theory (1971) 89. Galtung, True Worlds (1980) 121ff„ nennt diesen Mecha nismus "fragmentation" (vgl. auch Podes, Dependenz (1986) 70f.). Ob diese Maxime in der Tat als Leitlinie die rφmische Expansionspolitik bestimmte, ist umstritten. Si cher ist auf jeden Fall, dass dieser Spruch die Folgen rφmischer Vertragspolitik treffend beschreibt (vgl. Podes, Dependenz (1986) 165). Ob er expressis verbis schon in der Antike gebildet wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Literarisch belegt ist er erst f٧r Kφnig Ludwig XI. aus Frankreich (1423 1483), dessen Leitspruch "diviser pour regner" latinisiert wurde (vgl. Duden 12 Zitate (1998) 122). Zur Definition einer feudalen Struktur vgl. Galtung, Feudal Systems (1970) 127f. Anm. 13; True Worlds (1980) 121ff.; Podes, Dependenz (1986) 70f. Vgl. schon Syme, Roman Revolution (1939) 12.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und Sicherung des Römischen Imperiums
mittelbaren Nachbarn zugute. 56 Viele dieser Staaten erachteten wohl ein Bündnis mit Rom als dem weiter entfernten Partner als die bessere Lösung, die vor der Einflussnahme oder gar An nexion durch einen nahen Nachbarn Schutz gewähren sollte. Die Zerstrittenheit der östlichen Nachbarstaaten Roms untereinander dürfte deshalb ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Schaffung der Weltmacht Rom geleistet haben.57 Diese Zerstrittenheit der hellenistischen Staaten kommt gemäss einer von Polybius überliefer ten Rede dem Willen Roms zur Machtausdehnung entgegen. Diese Rede soll 217 v.Chr. von Agelaos, dem führenden Vertreter der ätolischen Friedenspartei anlässlich von Friedensver handlungen zwischen der Hellenensymmachie unter der Führung Makedoniens und dem Äto lerbund, Messenien, Elis und Athen auf der anderen Seite gehalten worden sein.58 Der Redner tadelt ihre Zerstrittenheit und ermahnt die hellenistischen Staaten und insbesondere den ma kedonischen König Philipp V. zur Einigkeit in Anbetracht des erstarkenden Rom. Im Hin blick auf Rom (und Karthago) meint Agelaos, dass sich die Staaten im Osten in acht nehmen müssten angesichts der Grösse der Heere und der Bedeutung des sich im Westen entwi ckelnden Krieges: "Denn es ist doch einem jeden, der sich auch nur einigermassen um Politik k٧mmert auch jetzt schon klar ob nun die Karthager die Rφmer oder die Rφmer die Karthager in diesem Krieg besiegten: Es ist zu erwarten, dass sich die Sieger unter keinen Umstδnden mit der Herrschaft ٧ber Italien und Sizilien begn٧gen, sondern kommen und ihre An griffsplδne und ihren Einfluss ausdehnen werden ٧ber das gebotene Mass hinaus. Daher ermahne ich euch alle, vor der Gefahr auf der Hut zu sein, vor allem Philipp. Das bedeu tet, dass er aufhφrt, die Griechen zugrunde zu richten und sie zu einer leichten Beute f ٧ r jeden Angreifer zu machen, sich im Gegenteil um sie wie um seinen eigenen Kφrper zu k٧mmern und ٧berhaupt allen Teilen Griechenlands seine F٧rsorge zuzuwenden, als ge hφrten sie ihm zu eigen. Treibt er eine Politik in diesem Sinne, wird ihm die Zustimmung der Griechen zuteil werden und er an ihnen zuverlδssige Mitstreiter bei gegnerischen An griffen gewinnen; die δusseren Feinde werden seine Herrschaft weniger bedrohen, da sie entmutigt sein werden angesichts der Treue der Griechen zu ihm ..." Und Agelaos bat sie alle inständig, "die Differenzen mit den Griechen und die Kriege gegen sie bis auf politisch ruhigere Zeiten zur٧ckzustellen und vor allem in diesem Punkt darauf bedacht zu sein, dass er die Freiheit behalte, sich nach seinem Willen mit ihnen zu vertragen oder Krieg zu f٧hren. Wenn er es erst einmal zugelassen haben w٧rde, dass die im Westen sichtbaren Wolken ٧ ber Griechenland heraufziehen, dann, so sagte er, habe er die grosse Bef٧rchtung, dass die Waffenstillstδnde, die Kriege und ٧berhaupt die Kinderspiele, die wir jetzt miteinan der spielen, uns gr٧ndlich ausgetrieben werden mit der Konsequenz f٧r uns, dass wir dann die Gφtter anflehen werden, uns diese Freiheit wiederzugeben, nach unserem eige nen Willen miteinander Krieg zu f٧hren und Frieden zu schliessen, allgemein gesagt: Herren ٧ber die eigenen Streitigkeiten zu sein." (Polybius 5,104,311) Für Agelaos wäre demnach die Beilegung der Krise zwischen Makedonien und den griechi schen Staaten eine Möglichkeit für all diese Staaten gewesen, ihre Souveränität zu bewahren und die Entscheidungskompetenzen nicht an eine Grossmacht abzugeben. 59 Die Bedrohung des hellenistischen Ostens durch die Grossmächte des Westens musste für die Zuhörer von Agelaos durchaus real gewesen sein. Denn um nachvollziehbar zu sein, be durften die Argumente von Agelaos einer gewissen Realitätsnähe und Stichhaltigkeit. Dies
Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 106f.; Podes, Dependenz (1986) 150ff. Der Vertrag Ätoliens mit Rom aus dem Jahre 212/211 v.Chr. war f٧r diesen Staat ein Mittel, sich vor der drohenden Invasion durch Makedonien zu sch٧tzen (vgl. Bengston, Rφmische Geschichte (61988) 80). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 106ff. Zur Frage der Authentizitδt vgl. Podes, Dependenz (1986) 218f. Ob diese Rede nun authentisch ist oder nicht, sie belegt zumindest, dass entweder Agelaos oder Polybius oder auch beide die Uneinigkeit klei nerer Staaten f٧r die Erstarkung einer Grossmacht als bedeutend erachteten. Vgl. Podes, Dependenz (1986) 222f.
Α Politische Strategien
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wird auch dadurch unterstrichen, dass g e m ä s s Polybius die R e d e effektiv 217 v.Chr. z u m Friedensschluss von Naupaktos f٧hrte.® W e n n also schwδcheren oder schutzbed٧rftigen Staaten der Schutz R o m s angeboten, wenn amicitia und societas also nicht gar aufgezwungen wurden, gerieten diese Staaten hδufig fak tisch zu Protektoraten des Besch٧tzers. 6 1 Dies gilt auch f٧r den Fall, dass die Initiative nicht von R o m ausging. M a k e d o n i s c h e Gesandte sprechen dieses Vorgehen R o m s anlδsslich der panδtolischen B u n d e s v e r s a m m l u n g von 199 v.Chr. in Naupaktos an, also zu B e g i n n des 2. rφmischmakedonischen Krieges (200197 v.Chr.). U m von einem B٧ndnis mit den Rφmern abzuraten, kommentieren sie die Hilfeleistung R o m s gegen٧ber M e s s a n a und Syrakus mit folgenden Worten: "Um Messana zu Hilfe zu kommen, sind sie [die Römer] anfangs nach Sizilien hinüber gegangen, zum zweitenmal, um das von den Karthagern bedrängte Syrakus zu befreien; Messana und Syrakus und ganz Sizilien haben sie jetzt selbst als abgabenpflichtige Pro vinz ihren Beilen und Rutenbündeln unterworfen." (Livius 31,29,67) W e n n R o m mit anderen bzw. stδrkeren Staaten vermehrt Freundschafts und Beihilfevertrδge schloss und damit diplomatisch aktiv wurde und nicht sofort militδrisch einschritt, stellte dies g e w i s s e r m a s s e n ein Privileg dar. D e n n dies setzte voraus, "dass R o m das auswδrtige G e meinwesen als kulturellzivilisatorisch einigermassen ebenb٧rtig erachtet, dass es ferner eine eigenstδndige historische Tradition als politischer (Macht)Faktor besitzt und zudem in stadt bzw. reichsstaatlicher Form organisiert ist" 62 . Verb٧ndete Staaten konnten im Z u g e der gegenseitigen Verpflichtungen auch zur Entsendung von Gesandten nach R o m gezwungen werden, u m vor d e m Senat Rechenschaft abzulegen. 63 Doch in vielen Fδllen ging die Initiative von den socii selbst aus, die manchmal schon bei po tentiellen Krisen Gesandtschaften nach R o m schickten. 64 Amicitia und societas sollten also das Verhδltnis der verschiedenen Staaten juristisch regeln und wurden zu StandardKonventionen. Allerdings dienten sie im G r u n d e der H e g e m o n i e R o m s und stellten Zugestδndnisse des Senates dar. 65 Der Stratege des achδischen Bundes Ly kortas meint in einer viel zitierten R e d e aus d e m S o m m e r 184 v.Chr. z u m Verhδltnis seines B u n d e s zu R o m , n a c h d e m der rφmische Gesandte Appius Claudius Pulcher die Verbindun gen des achδischen Bundes zu Sparta kritisiert hatte: "Ich weiss, Appius Claudius, dass diese Rede, die ich bis jetzt gehalten habe, weder eine von Bundesgenosse zu Bundesgenosse noch die eines freien Volkes ist, sondern in Wahr heit eine von Sklaven, die sich vor ihren Herren streiten." (Livius 39,37,9) Die Suprematie R o m s im Verhδltnis seines B u n d e s zu R o m durchaus anerkennend, meldet Lykortas gegen٧ber Appius Claudius trotzdem einen zaghaften Protest an: "'Scheinbar', sagst du, 'ist es ein Vertrag zu gleichen Rechten; tatsächlich jedoch bedeutet er für die Achaier eine gnädig gewährte Freiheit, für die Römer noch obendrein den Be sitz der Herrschaft.' Ich nehme das wohl wahr, Appius, und wenn man es nicht darf, ent rüste ich mich nicht darüber ... aber ich bitte euch, wie gross auch immer der Unterschied zwischen Römern und Achaiern sein mag, dass nur nicht unsere und eure Feinde gleiche Rechte bei euch haben wie wir als eure Bundesgenossen, ja sogar noch bessere ... Die Feinde fordern mehr, als die Bundesgenossen haben." (Livius 39,37,13ff.)
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Vgl. Polybius 5,105,1. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 333. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 56. Dazu gehφrte sicher auch der Vertrag mit dem achδischen Bund (evtl. um 192/191 v.Chr.), der wahrscheinlich eine Klausel enthielt, welche die gegenseitige militδrische Hilfe betraf (vgl. Polybius 23,9,1213; Podes, Dependenz (1986) 181). Vgl. Schneider, Militδrdiktatur (1977) 48f. Vgl. Podes, Dependenz (1986) 27Iff. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 331f.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und Sicherung des Römischen Imperiums
Die faktische Überlegenheit Roms wird nochmals deutlich durch den Rekurs auf die Furcht vor den Göttern. Diese sind die einzigen, welche die Achäer noch mehr f٧rchten als die Rφ mer. In der Darstellung von Livius meint Lykortas: "Wir haben z w a r Respekt v o r euch, ihr R φ m e r , und, w e n n ihr so wollt, f ٧ r c h t e n wir e u c h auch; a b e r m e h r noch r e s p e k t i e r e n u n d f ٧ r c h t e n wir d i e u n s t e r b l i c h e n Gφtter." (Livius
39,37,17)66 Die Bedingungen eines Vertrages wurden gewφhnlich in Bronzetafeln eingraviert und im Staatsarchiv auf dem Kapitol deponiert. Das hier aufbewahrte Dokument des foedus sollte da bei einen den Gφttern wohlgefδlligen und ewigen Frieden {pia et aeterno pax) herbeif٧hren. Eine Verletzung eines solchen Vertrages mit Rom brachte für den Vertragsbrüchigen Partner schwerwiegende Konsequenzen mit sich.67 Die in den B٧ndnisvertrδgen beschriebenen Beziehungen waren zumindest in der Theorie zu erst paritδtisch, spδter verlagerte sich das Machtgefδlle durch dessen politische und militδri sche Machtexpansion (noch mehr) zugunsten Roms. Trotz (anfδnglicher) juristischer Gleich berechtigung gab es demnach kaum politische Gleichstellung. Der Ursprung des Begriffes socius et amicus populi Romani ist juristischer Natur und geht auf das ausgehende 3. Jh. v.Chr. und auf die Einmischung Roms in das seleukidische und ptolemδische Reich zur٧ck. Formaljuristisch wurde damit die Souverδnitδt des Staates nicht angetastet; dieser kam aber unter den Machteinfluss Roms. 68 Die Vertrδge mit den MittelmeerStaaten im 3. Jh. v.Chr. stellten also formal eine Art internationales Recht dar, wδhrend Rom effektiv seine Macht ٧ber die verb٧ndeten Staaten aus٧bte.69 Spδter wurde dann auch der juristische Gehalt des Vertrages der politischen Realitδt ange passt.70 Denn ab der Mitte des 2. Jh.s v.Chr. waren es in der Regel nur noch interne Schwie rigkeiten wie etwa der Marsch Sullas gegen Rom, der Bundesgenossenkrieg oder die B٧rger kriege, welche die Hegemonie der rφmischen Republik ersch٧ttern konnten. Und nur noch selten gelang es einem anderen Staat bzw. Staatsmann, f٧r die Alliierten Roms eine echte B٧ndnisAlternative darzustellen. Ein solcher Politiker war Mithradates VI. Eupator (132/1 63 v.Chr.), dessen Macht Rom erst nach drei Kriegen (8985; 8383; 7467 v.Chr.) endg٧ltig brechen konnte.71 Wenn sich im 2. Jh. v.Chr. also die reges socii et amici populi Romani der Hegemonie Roms unterwarfen, lag dies also auch daran, dass nach der Niederlage von Antiochos III. von 191 v.Chr. an den Thermopylen Mittelmeerstaaten wie Ätolien keine B٧ndnisAlternative mehr blieb.72 Dabei konnte sich Rom immer mehr in die inneren Angelegenheiten der verb٧ndeten Staaten einmischen, wozu etwa die Gerichtsbarkeit gehφrte: Noch im Jahre 60 v.Chr. wurde zwar durch einen Senatsbeschluss die Gerichtshoheit der civitates liberae in Privatangelegenheiten rφmischer B٧rger garantiert. 73 Und auch noch 59 v.Chr. erhielt die unabhδngige Rechtsstel lung der freien Stδdte mittels der lex Iulia de pecuniis repetundis ihre Bestδtigung. 74 Doch schon 58 v.Chr. wurde die Jurisdiktion des Statthalters in Prozessen rφmischer Glδubiger ge 66
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Zu Lykortas vgl. Volkmann, Lykortas (KP 3/1979) Sp. 816f. Die Historizitδt darf nat٧rlich ange zweifelt werden, doch die Rede gibt gut die Machtverhδltnisse (aus der Perspektive von Livius) wieder. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 193; Gesche, WeltbeheiTscher (1981) 61. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 177181.184f. Der Vertrag mit den Juden, die zwischen Seleukiden und Ptolemδern gewissermassen "eingeklemmt" waren, aus dem Jahre 161 v.Chr. wie auch seine Konse quenzen finden sich 1 Makk 8,2328.3132; 15,1524. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 259.331 336. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 107. Vgl. Bengston, Rφmische Geschichte ( 6 1988) 150156.164.168171; Podes, Dependenz (1986) 281. Vgl. auch Harris, Imperialism (1979) 273, mit Quellen und Lit. Vgl. Livius 38,8,3ff.; Polybius 21,25,811; Podes, Dependenz (1986) 271. Gemδss Polybious verbot M. Acilius Glabrio zudem Ätolien, in Zukunft Gesandtschaftsreisen nach Asien bzw. ins Seleukiden reich zu unternehmen (vgl. Polybius 20,10,4). Vgl. Cicero, Atticus 1,19,9; 20,4; 2,1,10. Vgl. Cicero, In L. Pisonem 16,37.
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gen freie Städte durch die lex Clodia de provinciis consularibus ausgeweitet.75 Wenn sich Rom möglicherweise auch durch die Einfalle nördlicher Stämme in die Provinz Makedonien zu diesem Schritt veranlasst sah, zeigt sich hier doch deutlich, wie sich der politische Einfluss Roms immer mehr auch auf interne Bereiche verb٧ndeter Stδdte und Staaten ausweitete.76 In gewissen Fδllen lφste Rom ein bestehendes Staatsgef٧ge in kleinere Teile auf, um dessen Macht zu brechen. So wurde das Kφnigreich Makedonien in vier Republiken aufgeteilt. Durch das Verbot an diese Republiken, untereinander in Beziehungen zu treten, verstδrkte Rom die feudale Interaktionsstruktur und damit seine eigene Machtstellung.77 So teilte auch der Statthalter Syriens, Gabinius, nach dem Aufstand Alexanders Judδa im Jahre 57 v.Chr. in f٧nf Synedrien auf.78 Rφmischen B٧rgern gegen٧ber blieben die socii dabei im Nachteil. So waren diese vom Pro vokationsrecht ausgeschlossen, das die magistratische Strafgewalt gegen٧ber rφmischen B٧r gern einschrδnkte. Auch bei der Ausdehnung dieses Gesetzes auf die Armee wurden die socii nicht ber٧cksichtigt.79 Dass dieses Gesetz ٢bergriffe von rφmischen B٧rgern auf nichtrφmi sche erleichterte, sollte insbesondere in den Provinzen sp٧rbar werden. Im 2. Jh. v.Chr. scheinen sich solche ٢bergriffe rφmischer Magistrate auf socii gehδuft zu haben.80 Diese wurden 182 v.Chr. zur Finanzierung von Spielen in Rom herangezogen, was der Senat spδter wieder untersagte. Immer wieder kam es zu ٢bergriffen auf Bundesgenos sen, meist ohne grosse Konsequenzen f٧r die Verantwortlichen. C. Gracchus f٧hrt in einer Rede mehrere Fδlle daf٧r an, dass angesehene B٧rger verb٧ndeter Staaten auf Geheiss rφmi scher Beamter ausgepeitscht wurden, weil sie deren Forderungen nicht oder zu wenig schnell erf٧llten.81 Diese politische Deklassierung der Bundesgenossen stand damit eigentlich in Wi derspruch zum Prozess der Romanisierung Italiens.82 So ist auch noch im 1. Jh. v.Chr. die Gleichwertigkeit anderer Staaten mit Rom vertraglich festgehalten. Doch Vertrδge mit Rom sollten auch daran gemessen werden, wie sie empfun den und interpretiert wurden. Auch dadurch lassen sich die Absichten Roms ersehen. Die an tiken Geschichtsschreiber sprechen jedenfalls davon, dass Staaten, die mit Rom Vertrδge ab geschlossen haben, unter der Herrschaft Roms stehen. Mit seinen verb٧ndeten Staaten ging Rom zwar weiterhin formaljuristisch als Freunde und Verb٧ndete um, doch in der Tat wurden sie immer stδrker dem Imperium Romanum unter worfen. Den Anspruch Roms, an den wichtigen Entscheidungen verb٧ndeter Staaten teilzu nehmen, zeigt sich beispielhaft an den Weisungen von T. Quinctius Flamininus sowohl an den achδischen Strategen Diophanes wie auch an die Kriegsgegner, die Messener. Auf Inter vention von Flamininus stoppte Diophanes seinen Angriff auf die Messener. Livius berichtet von Flamininus: " . . . und als er [Diophanes] ihm [Flamininus] die Gründe für den Angriff erläuterte, ta delte ihn Quinctius leicht, weil er eine so bedeutende Handlung ohne seine Vollmacht unternommen hatte ..." 75
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Vgl. Cicero, De provincibus consularibus 4,7. Vgl. Podes, Dependenz (1986) 159. Vgl. Livius 45,18,18; 45,29,10; Podes, Dependenz (1986) 155. Vgl. Josephus, Ant. 14,91; Josephus, Bell. l,169f. Vgl. Schneider, Militδrdiktatur (1977) 49. 173 v.Chr. liess ein rφmischer Zensor die marmornen Dachziegel eines s٧ditalischen Tempels f٧r den Bau eines rφmischen Tempels verwenden, oder der Consul desselben Jahres L. Postumius verlangte in Praeneste Quartier auf Kosten der Stadt, was ihm auch gewδhrt wurde und so einen bedenklichen Prδ zedenzfall schuf (vgl. Schneider, Militδrdiktatur (1977) 49). Vgl. Livius 40,44,1 Iff.; 42,l,7ff.; 42,3,Iff.; Gellius 10,3,3ff. Vgl. Schneider, Militδrdiktatur (1977) 49. Der Begriff der "Romanisierung" ist allerdings nicht ohne weiteres zu bestimmen. Sicher ist einmal die Verleihung des rφmischen B٧rgerrechtes Ausdruck der Ro manisierung. Andererseits ist es die ٢bernahme politischer und kultureller Verhaltensmuster und In stitutionen rφmischer Prδgung durch die Eliten provinzieller Stδdte. StarT, Empire (1982) 96101, gibt als Gradmesser der Romanisierung an, inwieweit Exponenten provinzieller Eliten in ihren literarischen Erzeugnissen sich selbst als Rφmer verstehen und nicht mehr von einem "Gegen٧ber" zu den Rφmern schreiben, sondern von einem "Wir".
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Teil I Strategien der Machterweiterung und Sicherung des Römischen Imperiums
Den Messenern redet Flamininus ebenfalls ins politische Gewissen: "... wenn sie etwas hätten, wogegen sie protestieren oder was sie sich für die Zukunft si cherstellen wollten, dann sollten sie zu ihm nach Korinth kommen". (Livius 36,31,89) H ä u f i g versuchte R o m , durch intensive Propaganda andere Staaten von der Rechtmässigkeit seiner Vorherrschaft und Überlegenheit zu ٧berzeugen. Erfolgreich war dabei insbesondere die Freiheitserklδrung, die T. Quinctius Flamininus o f f e n b a r 196 v.Chr. bei der Feier der Isthmien verlesen liess. Diese Erklδrung garantierte den griechischen Staaten, die vorher von den Makedonen abhδngig gewesen waren, Freiheit und Selbstregierung. 83 Flamininus verband hier geschickt die M e t h o d e n rφmischer mit den Lektionen griechischer Geschichte. Nach seiner M e i n u n g konnte die rφmische Elite sehr gut die eigene Hegemoniepolitik verfolgen und gleichsam als Befreier der Griechen auftreten." 4 Bei seiner Abreise von Griechenland 194 v.Chr. korrigiert Flamininus aber die allzu euphori sche Interpretation der Freiheitserklδrung als Unabhδngigkeitserklδrung. Flamininus δussert sich dazu in paternalistischer Weise 85 folgendermassen: "Die Freiheit, die mit fremden Waffen errungen und ihnen durch die Redlichkeit einer auswärtigen Macht zurückgegeben worden sei, sollten sie durch eigene Sorgfalt behüten und bewahren, damit das römische Volk wisse, dass es Menschen die Freiheit gegeben habe, die ihrer würdig seien, und dass sein Geschenk gut angelegt sei." (Livius 34,49,11) Die Freiheit ist also ein munus populi Romani, und dieses Geschenk verpflichtet zur Freund schaft und Loyalitδt gegen٧ber Rom. 86 I m 1. Jh. v.Chr. wurden die B e z i e h u n g e n zu anderen Staaten noch einseitiger: aus amicitia und societas des 3. und 2. Jh.s entwickelte sich ein neuer Begriff: amicus et socius populi Romani. Dieser Begriff verkφrpert das Verhδltnis R o m s zu praktisch allen Mittelmeerstaaten, welches in der Tat die H e g e m o n i e R o m s ist, auch wenn der entsprechende Vertrag immer noch eine Art internationales Recht darstellt. Die damit verbundene Einmischung in die In nenpolitik kam auch bei Lδndern zum Zuge, welche nicht militδrisch erobert wurden, wie etwa bei den Territorien der Ptolemδer. Unter A u g u s t u s geht dieser Prozess dann noch weiter: R o m interveniert i m m e r m e h r und wandelt beliebig Klientelstaaten in Provinzen um." 7 H δ u f i g geschieht dies beim T o d eines amtierenden Klientelf٧rsten. 8 " Internationales Recht wird aber weiterhin ausge٧bt mit un abhδngigen Staaten bzw. Vφlkern wie den Parthern, denen R o m militδrisch nicht b e i k o m m t . " So u n t e r w a r f e n die Parther in der Zeit, in der R o m die Gebiete der Provinzen Asia (129 v.Chr.) und Cilicia (102 v.Chr.) annektiert hatte, Medien, Persis, Elymais und Mesopotamien. Ihre Machtinteressen standen hier meist in Konkurrenz zu denen Roms, und ihre Herrschafts vorstellungen d٧rften sich an der Wiederherstellung des "Fruchtbaren Halbmondes" orientiert haben. F٧r die Verwirklichung der Idee eines Nachfolgereiches der grossen Kφnigreiche des Orients hatten die Parther mit der Schaffung der parthischen Hauptstadt Ktesiphon eine wich tige Ausgangsbasis geschaffen. Zur Idee eines parthischen Grossreiches gehφrte dabei zwei felsohne die R ٧ c k e r o b e r u n g Syriens und der freie Z u g a n g z u m Mittelmeer. 9 0 Der T r a u m ei 83
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Vgl. Polybius 18,4246, insbes. 18,44,27; 18,46,5; Reinmuth, Isthmien (KP 2/1979) Sp. 1474f.; Dahlheim, Herrschaft (1977) 112ff.; Harris, Imperialism (1979) 142; Bengston, Rφmische Geschichte (61988) 90f.; Podes, Dependenz (1986) 296f. Vgl. Badian, Foreign Clientelae (1958) 73ff.; Imperialismus (1980) 16. Livius 34,50,1 spricht davon, dass die Zuhφrer "diese Worte gleichsam eines Vaters" vernahmen. Vgl. Livius 35,31,816; Podes, Dependenz (1986) 301f. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 337; Paltiel, Vassais (1991) 138ff. Vgl. dazu auch Josephus, Ant. 16,290ff.: Äusserlich soll die Souverδnitδt von Herodes gewahrt bleiben, effektiv aber werden rφmisches Recht und rφmische Hegemonie ausge٧bt und auch in der Innenpolitik Judδas praktiziert. "Klientelf٧rst" soll hier somit nicht als exakter, staatsrechtlich genau umschriebener terminus technicus verwendet werden, sondern als umfassender Sammelbegriff f٧r die mit Rom "befreundeten" F٧rsten mit jeweils variierenden Rechten, Befugnissen und Pflichten (vgl. Baumann, Rom und Juden (1983) 3f.). Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 337f. Vgl. Wolski, Iran und Rom (1976) 203.
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Α Politische Strategien
nes Nachfolgereiches von A l e x a n d e r d e m G r o s s e n , den in d e n letzten T a g e n C ä s a r s die W e l t m a c h t R o m als letzte grosse A u f g a b e zu formulieren sich anschickte, w u r d e durch die Parther allerdings in die harte machtpolitische und militärische Wirklichkeit zur٧ckgeholt." So g a b Augustus seinerseits diesen T r a u m auf und schδtzte die Stδrke der beiden Weltmδchte weitaus realistischer ein. 92 Der sich entwickelnde G e d a n k e einer A u f t e i l u n g der Welt in eine parthische und eine rφmische Seite wurde dabei ideologisch und mit einem grossen propagan distischen A u f w a n d abgesichert durch die These der Minderwertigkeit des fremden und dege nerierten Volkes, von d e m sich R o m abzugrenzen hδtte.' 3 Bei den rφmischen Autoren findet sich deshalb die ganze Bandbreite von der B e w u n d e r u n g bis zur Angst vor d e m weitgehend unbekannten Volk aus d e m Osten.' 4 W o R o m allerdings militδrisch ٧berlegen war, wurden aus Freundschaftsvertrδgen H e g e m o nievertrδge, auch w e n n die gleichen Termini zur A n w e n d u n g k a m e n . R o m bzw. der Senat bzw. die herrschende Elite diktierten anderen Staaten damit immer mehr ihren Willen auf. 95 Der zu leistende G e h o r s a m R o m g e g e n ٧ b e r wird dann hδufig als "Wohlwollen" deklariert, wie dies eine Inschrift aus Ephesus aus dem Jahre 85 v.Chr. und im Hinblick auf den Krieg gegen Mithridates zeigt: "... das Volk bewahrt das alte Wohlwollen gegenüber den Römern, den Rettern aller, und stimmt allen Anordnungen bereitwillig zu ... Weil unser Volk aber von Anfang an das Wohlwollen gegenüber den Römern bewahrt, ... hat es entschieden, den Krieg gegen Mithridates aufzunehmen für die römische Herrschaft und die gemeinsame Freiheit."96 Im Inneren R o m s hingegen spielte sich der Kampf zwischen Senat und Equites ab, die immer mehr M a c h t erlangten. Die damit einher gehenden Zentralisierungsbestrebungen, die Augu stus unter d e m Begriff der concordia ordinum weiter trieb, betraf auch die Randgebiete, die nun hδufig in Provinzen umgewandelt wurden.' 7
1.1.3 Der Vertrag unter ungleichen Partnern: foedus iniquum W a s sich unter d e m foedus aequum faktisch entwickelte, stellt b e i m foedus iniquum bereits den Ausgangspunkt dar: die auch juristisch festgehaltene Unterwerfung des socius unter die Hegemonie Roms. Dieses Verhδltnis traf auf die meisten socii Italiens zu, wδhrend es ausser halb der Peninsula eher die Ausnahme bildete. Die B٧ndnispartner R o m s wurden dabei ein seitig und generell zur Stellung von HilfstruppenKontingenten verpflichtet, wδhrend R o m in der Stellung des in foedere superior seinen Beistand nach e i g e n e m E r m e s s e n festsetzen konnte. 98 I m von Livius ٧berlieferten Vertrag der Ätoler mit R o m von 189 v.Chr. ist diese einseitige Verpflichtung festgeschrieben: "Das aitolische Volk soll dieselben zu Feinden haben wie das römische Volk und soll Waffen gegen sie tragen und in gleicher Weise Krieg führen ..." (Livius 38,11,3) D e r socius musste dabei die ٧bergeordnete maiestas populi Romani anerkennen und verlor gleichzeitig seine Souverδnitδt. So heisst es im Vertrag mit den Ätolern klar: Imperium maiestatemque vius 38,11,2).
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populi Romani gens Aetolorum conservato
sine dolo malo (Li
Vgl. Dahlheim, Rφmische Kaiserzeit (1984) 86. Zur Wunschvorstellung eines Vorstosses rφmischer Truppen bis nach Indien vgl. Plutarch, Antonius 37. Vgl. Strabo 11,9,2. Ein Stδrkegleichgewicht zwischen dem Partherreich und Rom sehen auch Josephus, Ant. 18,46 und Plinius, Naturalis historiae 5,88. Zur Konkurrenz zum Partherreich vgl. auch Kap. 13.1. Vgl. Sonnabend, Fremdenbild (1986) 206216. Dies umso mehr, als sich auch in Rom immer wieder Stimmen meldeten, welche die Tilgung der Schande der Niederlagen gegen die Parther forderten (vgl. ebd. 204). Vgl. Sonnabend, Fremdenbild (1986) 198 Anm. 181, mit vielen Quellenangaben. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 341. SIG3 1 742 Iff.lOff. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 342. Vgl. Harris, Imperialism (1979) 62; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 64.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und Sicherung des Römischen Imperiums
A u s s e r h a l b Italiens k o m m t ein foedus iniquum in der R e g e l bei militärisch b e s i e g t e n G e g n e r n w i e m ö g l i c h e r w e i s e auch bei einer freiwilligen deditio zur A n w e n d u n g . D a b e i haben s i c h die "Partner" R o m b e d i n g u n g s l o s unterzuordnen. 9 9 In Italien hatte unter a n d e r e m d i e s e B e h a n d l u n g der socii R o m s d e n B u n d e s g e n o s s e n k r i e g v o n 9 1 8 9 v.Chr. zur Folge. 1 0 0 D i e s e r b e w i r k t e s e i n e r s e i t s d i e s c h r i t t w e i s e V e r l e i h u n g d e s r ö m i s c h e n B ü r g e r r e c h t e s an d i e l a t i n i s c h e n u n d i t a l i s c h e n socii in d e n Jahren 9 0 u n d 8 9 v.Chr. 101 N u n wurde in Italien nicht m e h r z w i s c h e n cives Romani und d e n socii unterschieden, die z w a r wehrpflichtig g e w e s e n waren und Steuern zahlen mussten, o h n e aber die Privilegien d e s r ö m i s c h e n Bürgerrechtes b e a n s p r u c h e n zu können. 1 0 2 1 . 1 . 4
R ö m i s c h e H e r r e n u n d i h r e
clientes
E i n e n besonderen Fall mit v i e l e n m ö g l i c h e n Varianten stellt d a s Verhältnis der clientes zu ih ren r ö m i s c h e n Herren dar. 103 In der A b h ä n g i g k e i t s s k a l a v o n r ö m i s c h e m Z e n t r u m u n d Peri pherie ist e i n Klientelverhältnis z w i s c h e n einer P r o v i n z u n d einer z w i s c h e n s t a a t l i c h e n B e z i e h u n g einzustufen. 1 0 4 E i n e Art Klientelverhältnis stellten s c h o n b e s t i m m t e Patronatsbeziehun g e n v o n i t a l i s c h e n S t a d t g e m e i n d e n b z w . v o n ihren r ö m i s c h orientierten s t ä d t i s c h e n O b e r schichten zu führenden r ö m i s c h e n Persönlichkeiten dar, w i e etwa C a p u a zu Cicero oder Alba F u c e n s zu Cäsar, aber auch die Provinz Sizilien zu Marceller. 1 0 5 D i e e t w a s g r ö s s e r e A u t o n o m i e der K l i e n t e l r e i c h e g e g e n ü b e r d e n P r o v i n z e n ist darin ersicht lich, dass d i e s e nicht z u m ager publicus gerechnet wurden. 1 0 6 S o verfügte H e r o d e s über sein Territorium nicht nur als G e s e t z g e b e r u n d Richter. Er war hier auch Finanzverwalter u n d M i litärkommandeur v o n R o m s Gnaden. 1 0 7 D i e s e s V e r h ä l t n i s z w i s c h e n K l i e n t e l h e r r s c h e r u n d patronus k o n n t e d u r c h g ä n g i g e B e z i e hungscharakteristika w i e amicus oder socius näher b e s t i m m t sein. S o n e n n t e t w a A u g u s t u s
Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 64. Zur bedingungslosen Kapitualtion s.u. Kap. 3.4. Die italischen socii waren zwar verpflichtet, immer mehr Truppen zu stellen. Bei der Verteilung der Beute waren sie aber gegen٧ber den rφmischen Soldaten benachteiligt und bei Landzuweisungen wurden sie nicht ber٧cksichtigt, weil sie nicht das rφmische B٧rgerrecht besassen (vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 131). Durch die 90 v.Chr. verabschiedete lex Iulia wurde allen, den Rφmern treu gebliebenen Latinern und Bundesgenossen das rφmische B٧rgerrecht verliehen. Aufgrund der lex Plautia Papiria aus dem Jahre 89 v.Chr. konnten alle socii das B٧rgerrecht erhalten, wenn sie innerhalb von 60 Tagen die Waffen nie derlegten und sich in Rom meldeten. Den Bewohnern Italiens s٧dlich des Padus schliesslich wurde durch ein Gesetz von Cn. Pompeius Strabo das latinische Recht verliehen (vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 130ff.; Bengston, Rφmische Geschichte ( 6 1988) 148f.). Vgl. auch Exkurs B.5. Vgl. Bengston, Rφmische Geschichte ( 6 1988) 147150. Gemδss optimatischer Bestrebungen sollten sich die neuen B٧rger aber nur in 8 der 35 tribus eintragen kφnnen. Erst der massive Druck der Gewaltherr schaft des Populδren Cinna Hess den Senat 84 v.Chr. diese Regelung widerrufen. Doch die zensorische Registrierung der neuen B٧rger wurde bis 70/69 v.Chr. verschleppt. Und die lokale Selbstverwaltung der italischen Stadtgemeinden als Ausgleich f٧r ihre schlechten Mφglichkeiten, das B٧rgerrecht tatsδchlich in Rom auszu٧ben, wird erst unter Cδsar und den ersten Prinzipes Realitδt (vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 132f.). Die Klientel als Rechtsinstitut ist auch f٧r den etruskischen und sabinischen Raum belegt und stellt ein klares Abhδngigkeitsverhδltnis des sich in den Schutz des Patrons sich ٧bergebenden Klienten (in fidem se dare) dar. Dieser gewδhrt dem Klienten nach seiner Aufnahme (in fidem suscipere) Schutz und Hilfe in der Not. Seinen Ursprung d٧rfte die Klientelbeziehung in der Landleihe patrizischer Grossbauern an kleinbδuerliche Siedler haben (vgl. Hausmaninger, Clientes (KP 1/1979) Sp. 1224f.). Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 306: Egger, Crucifixus (1997) 23. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 65; Podes, Dependenz (1986) 43f. Anm. 2. Zum Problem einer einheitlichen rφmischen Gesellschaftsstruktur vgl. Christ, Sozialstruktur (1980) 218221, der ein eige nes Schichtenmodell vorlegt. Dieses Modell d٧rfte der vielschichtigen und vielgestaltigen rφmischen Ge sellschaft wohl nδher kommen als verschiedene, marxistisch inspirierte Klassenmodelle (vgl. ebd. 197 228). Vgl. auch Gelzer, Nobilitδt ( 2 1983) 4956, im Hinblick auf die Entstehung der politischen Patro natsbeziehungen aus dem Bereich der persφnlichen Beziehungen der rφmischen Nobilitδt der Republik. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 313f. Vgl. Burr, Rom und Judδa (1972) 885; Cimma, Reges Socii (1976) 307.
Α Politische Strategien
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Herodes I. einen dxXos και σύμμαχοϊ, was dem lateinischen amicus et socius entspricht.108 Dabei ist festzuhalten, dass die Begriffe socius et amicus in republikanischer Zeit sich auf das römische Volk bezog und deshalb über den Senat vertraglich geregelt wurden. Im Falle von Herodes beziehen sich die Bezeichnungen aber auf das Verhältnis zu Augustus selbst. Dies passt sehr gut zum Bestreben des ersten Prinzeps wie auch seiner Nachfolger, die aussenpoli tischen Beziehungen zu monopolisieren. Es ist allerdings schwierig, in der individuellen Be ziehung zwischen patronus und cliens die gleichen rechtlichen Beziehungen zu postulieren, wie sie zu einem früheren Zeitpunkt zwischen dem römischen und anderen Völkern festgelegt waren.109 Es kommt dabei nicht von ungefähr, dass gerade Antonius einen bedeutenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Beziehungen zwischen clientes und patronus hatte, wie sie später im Prin zipat funktionieren sollten. So wechselte Antonius wenig willfährige Klientelherrscher durch Opponenten aus, die er als kooperativer einschätzte."0 Weil diese neuen Klientelherrscher al lerdings häufig nicht von lokaler königlicher Abstammung waren, verfügten sie zum Teil über wenig Rückhalt in der ansässigen Bevölkerung. Um so stärker mussten sie sich selbst an ih ren römischen patronus binden.1" Hier zeigte sich also ein weiterer bedeutsamer Wechsel des Klientelsystems der Republik hin zum Prinzipat. Es waren primär die politischen Führer der Fürstentümer und Königreiche des Ostens, mit denen ein römischer Herrscher ein solches Klientelverhältnis einging. Dazu gehören etwa Numidien, Galatien, Kappadokien, Bosporus, Pontus, Judäa und später zeitweise auch Par thien und das zum Partherreich eine Schlüsselstellung einnehmende Armenien.112 Die monar chische Regierungsform schien dabei besonders geeignet für das Klientelverhältnis.113 Deshalb waren die neuen Klientelherrscher in vielen Fällen auch nicht dem kaiserlichen Ge richtshof, sondern dem Kaiser persönlich Rechenschaft schuldig. Denn als Klientel des Kai sers waren diese Herrscher in ein persönliches Verhältnis zum Kaiser getreten."4 In der Regel wurden nur Komplotte und andere Staatsverbrechen von Klientelkönigen vom Senat verhandelt und auch abgeurteilt.115 Natürlich hatte der Kaiser auch hier die Möglichkeit, einen Gerichtsfall durch sein Koerzitionsrecht an sich zu ziehen." 6 Vielleicht war es diese 108
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Vgl. Braund, Client Kings (1988) 76. So wird Antonius vorgeworfen, er hätte sich im Osten des Rei ches wie ein König aufgef٧hrt.
Vgl. Jacobson, Client Kings (2001) 24. Dieser verδnderte Aspekt des Klientelsystems wird auch deutlich in der Verwaltung der kaiserzeitlichen Provinzen. In Judδa etwa wurden die Hohenpriester nach den oben genannten Gesichtspunkten eingesetzt. Dies f٧hrte teilweise zu einer hδufigen Auswechslung des Ho henpriesters. Diese Einsetzungspolitik d٧rfte sicher mitverantwortlich gewesen sein an der zunehmenden Instabilitδt der Provinz Judδa vor Ausbruch des Krieges im Jahre 66 n.Chr. (s.u. Kap. 13.8).
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Vgl. Josephus, Ant. 17,246. Zur Rechtsstellung von Herodes vgl. Bammel, Rechtsstellung (1968) 73 79; Baumann, Rom und Juden (1983) 228237. Zur Unterscheidung von titularem und persönlichem Freundschaftsbegriff vgl. Marshall, Friends (1968) 3955; Timpe, Herrschaftsidee (1962) 334375.
Dies wird durch das lange und wechselvolle Ringen Roms und Parthiens um Armenien deutlich. Arme nien nahm aber auch eine wichtige wirtschaftliche Stellung ein und bildete aufgrund seiner geographi schen Lage einen wichtigen Knotenpunkt f٧r den Asienhandel bis Indien (vgl. Sidari, Problema partico (1982)21). Zu diesem besonderen Verhδltnis vgl. etwa Salier, Personal Patronage (1982). Vgl. Sueton, Augustus 60 und die an dieser Stelle bei Sueton aufgelisteten Aufgaben, welche die Klien telherrscher ihrem patronus gegen٧ber zu erf٧llen hatten. Antiochos von Kommagene wurde vom Senat zum Tode verurteilt, weil er einen Gesandten seines Bru ders getφtet hatte, der in Rom ٧ber den Bruderstreit berichten sollte (vgl. Cassius Dio 52,43,1). Ar chelaos von Kappadokien, welcher schon unter Augustus von seinen Untertanen beschuldigt worden war (vgl. Sueton, Tiberius 8), wurde unter Tiberius wegen beabsichtigter Empφrung vor den Senat zitiert und dann wegen der Nichtbeachtung von kaiserlichen Anordnungen in die Verbannung geschickt (vgl. Cassius Dio 57,17,3ff.; Philostratos, Vita Apollonii 1,12; Gwatkin, Cappadocia (1930) 7ff.; Rogers, Criminal Trials (1935) 25f. Auch Phoeskuporis von Thrakien wurde ins Exil geschickt, und zwar im Jahre 18 n.Chr. wegen perduellio (= Hochverrat u.δ.), einem beliebten Anklagepunkt f٧r die Beseitigung unliebsamer politischer Gegner (vgl. Tacitus, Annales 2,67; Rogers, Criminal Trials (1935) 30; Medi cus, Perduellio (KP 4/1979) Sp. 623f.). Vgl. Volkmann, Rechtssprechung (1935) 31.85ff.187.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und Sicherung des Römischen Imperiums
Möglichkeit des Prinzeps, welche Herodes I. bewog, Augustus bei jedwelchen politischen Problemen anzurufen." 7 Als persönlicher Freund unterstand Herodes auch bei Staats verbrechen zuallererst einmal der persönlichen Gerichtsbarkeit des Kaisers. Als Augustus im Nabatäerstreit Herodes androhte, ihn nicht mehrL\os, sondern nur noch ÜTrfjicoos (Untertan) zu nennen, drohte er Herodes damit nicht nur mit dem Entzug der persönlichen Freundschaft, sondern auch, seine Angelegenheiten nun dem Senat zu ٧berlassen.118 Damit hδtte er aber der perduellio angeklagt werden kφnnen, welche nicht nur die Verbannung, sondern gar die To desstrafe nach sich ziehen konnte. 1 " In jedem Fall handelt es sich bei einer Klientelbeziehung um ein klares Abhδngigkeitsverhδlt nis eines Schwδcheren von einem Schutz gewδhrenden Stδrkeren. Dass die politische Ent scheidungsmacht mit diesem System von der Peripherie des Imperiums ins rφmische Zentrum verlegt wurde, zeigt sich auch in den vielen Reisen eines Klientelherrschers wie Herodes I. nach Rom oder zu anderen Treffpunkten mit rφmischen Herrschern.120 Ein Klientelverhδltnis scheint Rom auch nach der Eroberung Palδstinas durch Pompeius reali siert zu haben. Nach der Eroberung Jerusalems wandelte Pompeius Judδa in einen Tributδr staat um. Pompeius setzte dabei Hyrkan II. als schwachen Herrscher ein, wobei er ihm offen sichtlich den Kφnigstitel entzog.121 Dass damit dennoch weiter ein Hasmonδer an der Spitze des j٧dischen Staates stand, sollte offenbar die j٧dischnationalistischen Anspr٧che befriedi gen.122 Die Selbstδndigkeit des j٧dischen Staates war nun nur noch in dem Masse vorhanden, in dem diese von Rom toleriert wurde. Das Krδfteverhδltnis ist also eindeutig, und bei den rφmischen Autoren wird die gewaltsame Unterwerfung des j٧dischen Staates hervorgehoben. Tacitus schreibt: Romanorum primus Cn. Pompeius ludaeos domuit (Historiae 5,9,1). Ähnlich tφnt es bei Livius: Cn. Pompeius ludaeos subegit (Epistulae 102). Und Cicero bezeichnet den Vorgang der Unterwerfung der Juden deutlich als deren Verskla vung: ... quod est victa, quod elocata, quod serva facta (Pro L. Valerio Flacco 69). Es ist deshalb mφglich, dass Pompeius, der rφmischen Gepflogenheit f٧r die Provinzen ent sprechend, auch f٧r den Tributδrstaat Judδa jurisdiktionale Richtlinien erliess.123 Judδa wurde dabei zwar weder in eine Provinz umgewandelt, noch direkt der neuen Provinz Syria einverleibt, dieser jedoch zugeordnet.124 Dabei verkleinerten die Rφmer den ehemaligen
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Vgl. Bammel, Rechtsstellung (1968) 78 mit Anm. 35a. Vgl. Josephus, Ant. 16,290; Marshall, Friends (1968) 39f.; Timpe, Herrschaftsidee (1962) 352ff. Vgl. zum Begriff und zum Verfahren Brecht, Perduellio (RE 19/1937) Sp. 615639. Vgl. dazu die ٢bersicht bei Jacobson, Client Kings (2001) 23, mit den Belegstellen f٧r Josephus. Vgl. Josephus, Bell. 1,153; Ant. 14,73f.; Abel, Siege de Jerusalem (1947) 243255; Donner, Geschich te Israels II (1986) 452f.; Bengston, Rφmische Geschichte ( 6 1988) 174f. Vgl. auch Josephus, Ant. 20,244 mit der Andeutung, dass Hyrkan nicht mehr als Kφnig, sondern als Ethnarch eingesetzt war (vgl. Baumann, Rom und Juden (1983) 37f.). Gemδss Josephus, Ant. 14,91 war es allerdings erst die Neuord nung unter Gabinius, welche die Juden von der Monarchie zur Aristokratie bzw. Hierokratie f٧hrte. Ga binius hatte Judδa in 5 Verwaltungsbezirke eingeteilt, die jeder von einem regionalen Sanhedrin geleitet wurde und die ihrerseits gegen٧ber der rφmischen Behφrde verantwortlich waren (vgl. Baumann, Rom und Juden (1983) 55). Cassius Dio 37,16 spricht wohl irrt٧mlicherweise von der "βασιλεία", die Hyrkan verliehen wurde. Vgl. Baumann, Rom und Juden (1983) 41. Dies kφnnte zumindest die Aussage des Historikers Ammianus Marcellinus (geb. um 330 n.Chr.) bedeu ten, der das Geschichtswerk von Tacitus weiterf٧hrte (bis zum Tod des Valens 378 n.Chr.) In Bezug auf die Eroberung Jerusalems schreibt Ammianus Marcellinus: ... verum has quoque regiones Sorte Pompeius Iudaeis domitis et Hierosolymis captis in provinciae speciem delata iuris dictione formavit (Res gestae 14,8,12). Allerdings ist die genaue Bedeutung insbesondere von delata iuris dictione in der Sekun dδrliteratur umstritten (vgl. Egger, Crucifixus (1997) 17f. mit Lit.). Zu Ammianus vgl. etwa Fuhr mann, Ammianus (KP 1/1979) Sp. 302304, mit Lit.
Α Politische Strategien
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Hasmonäerstaat stark und schnitten ihn vom Mittelmeer ab.125 Zudem lösten die Römer die hellenistischen Städte aus dem Verband heraus.126 Diese Massnahme ist angesichts römischer Urbanisierungspolitik nicht verwunderlich, sondern ist als Romanisierungsmassnahme ver ständlich.127 Dass auch innerhalb des j٧dischen Vasallenstaates autonome Stadtterritorien verblieben, sollte wohl auch hier die Romanisierung vorantreiben und gleichzeitig den j٧di schen Tributδrstaat machtpolitisch schwδchen.128 Dazu gehφrte auch, dass nun die territoriale Einheit Palδstinas beseitigt war. Dass viele dieser Stδdte und Stadtterritorien einen bedeuten den Lokalpatriotismus entwickelten und pflegten, ist auch von dieser besonderen Konstella tion her verstδndlich.129 1.1.5
Die Hauptaufgaben der clientes am Beispiel von Herodes I.
Wδhrend dem Klienten also Dienstleistungen auferlegt wurden (officio), war der Patron im Prinzip nur moralisch zu eigenen Leistungen bzw. Gefδlligkeiten verpflichtet (beneficia)." 0 Die Leistungen der Klientel waren dabei von unterschiedlicher Art: dazu gehφrten etwa Geld zahlungen, Waffen und Getreidelieferungen, die Verpflegung und Beherbergung von militδ rischen Einheiten und die Entsendung von Hilfstruppen.131 Dies wird auch von Hyrkan II. be richtet, der ca. 55 v.Chr. gleich wje auch der Idumδer Antipater den Statthalter Syriens, Ga binius (5755 v.Chr.) bei dessen Ägyptenfeldzug unterst٧tzte.132 Mφglicherweise wurde Anti pater aufgrund seiner vielfδltigen Loyalitδtserweise deshalb schon von Gabinius zum Verwal ter Judδas ernannt, und wδre demnach etwa f٧r die Aufrechterhaltung des (militδrischen) Friedens im Lande und f٧r die Eintreibung der Steuern verantwortlich gewesen.133 Die Gewδhrleistung von innerer Sicherheit gehφrte zu einer der wichtigsten Aufgaben eines Klientelherrschers wie Antipater.134 Der Idumδer Antipater hatte zur besseren Kontrolle des ihm anvertrauten Gebietes seine beiden Sφhne, Phasael ٧ber das Gebiet von Jerusalem und Herodes ٧ber Galilδa, als Befehlshaber eingesetzt, da er nach Josephus Hyrkan als zu wenig durchsetzungsfδhigen und willigen Herrscher erachtete.135 Ganz in seinem Sinne ging Hero des mit Entschlossenheit deshalb gleich bei seinem Amtsantritt als Befehlshaber ٧ber Galilδa gegen den Rδuberhauptmann (άρχιληστη5) Hiskia vor. Ihn setzte Herodes mitsamt vielen Anhδngern gefangen und Hess sie ohne Gerichtsverhandlung hinrichten. Hiskia war gemδss Josephus zuvor mit seiner Bande durch Syrien gezogen und hatte die betroffene Bevφlkerung Vgl. Zeitlin, Judean State I (1962) 354f.; Brauer, Iudaea Weeping (1970) 17; Baumann, Rom und Juden (1983) 40f. Vgl. die unvollstδndigen Angaben bei Josephus, Bell. 1,154157 und Ant. 14,74ff. Vgl. auch Plutarch, Pompeius 39,4; Egger, Crucifixus (1997) 15. Vgl. die ٢bersicht bei Donner, Geschichte Israels II (1986) 453f.; Baumann, Rom und Juden (1983) 39 42. Vgl. Jones, Cities ( 2 1971), mit vielen Beispielen. Vgl. Baumann, Rom und Juden (1983) 40. Dies war eine Massnahme, welche auch in Iturδa nach der Eroberung des Ostens etwa durch Pompeius mit Erfolg praktiziert wurde (vgl. Jones, Urbanisation (1931) 265275). Indem Iturδa in seinem Zusammenhalt geschwδcht wurde, entzog man damit auch dem j٧dischen Staat eine Mφglichkeit, hier grossflδchig Verb٧ndete f٧r einen mφglichen Aufstand gegen Rom zu gewinnen. Im ersten Aufstand gegen Rom waren denn auch Idumδer, Iturδer und Nabatδer auf beiden Seiten der Kriegsparteien anzutreffen (vgl. Kasher, Jews (1988) 208ff.). Vgl. Bammel, Neuordnung (1959) 81; Dahlheim, Herrschaft (1977) 266; Geiger, Local Patriotism (1990) 142. Vgl. Seneca, Beneficia 1,4; Badian, Imperialismus (1980) 31ff; Garnsey Salier, Empire (1987) 148 154. Nach einigen rφmischen Autoren wird das Verhδltnis verschiedener gesellschaftlicher Glieder zu einander dadurch bestimmt, wem und wie die einzelnen Glieder Dienste bzw. Gefδlligkeiten zu erweisen haben (vgl. Plinius, Epistulae 2,6,2; 7,3,2; Seneca, Epistulae morales 94,14). Vgl. auch die Beispiele bei Jacobson, Client Kings (2001) 26f. Vgl. Josephus, Bell. 1,175; Ant. 14,99; Baumann, Rom und Juden (1983) 60. Vgl. Josephus, Ant. 14,139; Baumann, Rom und Juden (1983) 63f. Vgl. dazu auch die Hypothesen von Schallt, Herodes (1969) 750753. Vgl. Brauer, Iudaea Weeping (1970) 71; Burr, Rom und Judδa (1972) 886; Stern, Herodian Dynasty (1974) 227; Egger, Crucifixus (1997) 27. Vgl. Josephus, Bell. 1,203; Ant. 14,158; McLaren, Power (1991) 68.
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in Angst und Schrecken versetzt.136 Dieser Hiskia war wahrscheinlich der Vater von Judas Galiläus, einem der Gründer der Widerstandsbewegung gegen die römischen Besatzer.137 Dass die innere Sicherheit eines Klientelreiches immer wieder gefährdet und ihre Garantierung eine wichtige Aufgabe der Klientelfürsten war, zeigt sich auch am Aufstand der Trachoniter. Diese begehrten während der Reise von Herodes I. zu Augustus nach Aquileia gegen den Klientelkönig auf. Ihr Aufstand wurde jedoch von den Generälen von Herodes und seinen Truppen niedergeschlagen.138 Ebenso wichtig für einen Klientelfürsten war die Verteidigung der äusseren Grenzen seines Reiches, die häufig mit denjenigen des imperium Romanum zusammenfielen.139 Dazu kamen auch Geldzahlungen: Als Cassius in Apamea die Belagerung des Bassus beendete, sorgte er dafür, dass alle Truppen einschliesslich der Cäsarianer zu ihm übergingen.140 Die Unterhaltung des grossen Heeres, über welches Cassius nun plötzlich verfügte, verschlang natürlich grosse Summen.141 Obwohl den grösseren Betrag die syrischen Städte aufzubringen hatten, musste auch der jüdische Staat 700 Talente beisteuern.142 Antipater fühlte sich offensichtlich dafür verantwortlich und setzte auch seine beiden Söhne wie ebenfalls seinen politischen Gegner Malichus für das Herbeischaffen der Summe ein. Herodes erwies sich dabei als äusserst dienstbeflissen. Er hatte als erster die 100 Talente zusammen, die er auf seinem Gebiete zu beschaffen hatte, und konnte sich damit bei Cassius Longinus in ein günstiges Licht setzen.143 Dass sich seine Anstrengungen nicht nur negativ auf die jüdischen Bevölkerung Galiläas auswirkten, welche die grosse Summe von 100 Talenten aufzubringen hatte, zeigen folgende Beispiele: Die Bewohnerinnen und Bewohner von Gophna, Emmaus, Lydda und Thamna wurden offenbar von Cassius in die Sklaverei verkauft, weil sie zu wenig Eifer bei der Beschaffung des Geldes an den Tag legten.144 Auch Malichus musste mit dem Tod rechnen, weil er sich offenbar zu wenig entschlossen beim Auftreiben des Geldes zeigte. Nur weil Hyrkan für ihn 100 Talente bereitstellte, welche Antipater dann zu Cassius brachte, entging Malichus dem sicheren Tod.145 Antipater hatte es hier geschickt angestellt, auch seinen Opponenten Malichus einzubeziehen, der hier in das Dilemma geriet, sich entweder für die Sympathie der römischen Machthaber oder des jüdischen Volkes zu entscheiden. Die loyale Unterstützung römischer Interessen seitens eines Klientelfürsten wird immer wieder am Beispiel von Herodes I. deutlich. So begab sich Herodes nach der Niederlage seines patronus Antonius bei Actium nach Rhodos, wo er im Frühjahr des Jahres 30 v.Chr. mit Octavian zusammentraf. Dass er dabei gemäss Josephus ohne das königliche Diadem und in schlichter Kleidung auftrat, entsprach der tatsächlichen Rollen- und Machtverteilung und sollte seine Unterwerfung unter den neuen Machthaber Roms augenscheinlich machen. Bei seiner Rede scheute sich Herodes nicht, seinen Einsatz für Antonius und damit auch für Rom zu betonen. Er hätte Antonius zudem mit Bundesgenossen und Getreidelieferungen unter die 136
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Vgl. Josephus, Bell. 1,205; Ant. 14,159. Vgl. Josephus, Bell. 2,56; Ant. 17,271; Hengel, Zeloten (1961) 336-340. S. auch u. Kap. 13.9.2. Bei Josephus ist ά ρ χ ί λ η σ τ ή β quasi ein terminus technicus für Rebellenführer (vgl. Josephus, Ant. 2,253.275; 4,135; 5,50; Ant. 16,274; 17,271; 20,5; Vita 105). Vgl. dazu Hengel, Zeloten (1961) 2547; Kreissig, Zusammenhänge (1970) 137; Rajak, Josephus (1983) 84ff. Vgl. Josephus, Ant. 16,130. Vgl. zu diesen Aufgaben auch Braund, Client-Kingship (1984) 91-103. Vgl. Cicero, Epistulae ad familiares 12,11,1; 12,12,2; Brutus 2,3,3; In M. Antonium oratio Philippica 11,32; Vellerns Paterculus 2,69,2; Appian, De bella civilia 3,78; 4,59; Cassius Dio 47,26.28; Josephus, Bell. 1,219; Ant. 14,271f.320. Vgl. Petrikovits, Militärisches Handwerk (1976) 598f.; Baumann, Rom und Juden (1983) 117. Vgl. Josephus, Bell. 1,220; Ant. 14,272; anders Syncellus I pag. 576 (Ed. Dindorf), der 800 Talente angibt (vgl. Schürer - Vermes I (1973) 280 Anm. 52; Baumann, Rom und Juden (1983) 118). Vgl. Josephus, Bell. l,220f.; Ant. 14,273f. Vgl. Josephus, Bell. 1,222; Ant. 14,275; Vogel, Holy Land Sites (1971) 28 (Emmaus) und 57 (Lydda); Stegemann, Sozialgeschichte ( 2 1997) 111. Vgl. Josephus, Ant. 14,276. Bell. 1,222 erwähnt Josephus zwar die Herkunft des Geldes nicht, dies bildet jedoch keinen inhaltlichen Gegensatz zur erstgenannten Version. Die Differenzen dürften sich aus der verkürzten Darstellung im Bellum ergeben, welche diese Periode im Gegensatz zu den Ant. knapper wiedergibt (vgl. Baumann, Rom und Juden (1983) 119 Anm. 13).
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Arme gegriffen. Dass er dabei seine geplante militärische Unterstützung für Antonius bei der Auseinandersetzung mit Octavian nicht verheimlichte, sollte seine Zuverlässigkeit als Bündnispartner wohl ebenfalls unterstreichen. Eine Zuverlässigkeit, deren auch Octavian bei einer Bestätigung seiner Königswürde gewiss sein dürfte. Und mit seiner Behauptung, er hätte Antonius geraten, Kleopatra beseitigen zu lassen, wollte er nach Josephus wohl suggerieren, dass er schon vor Aktium die Propaganda von Octavian übernommen hätte.146 In der Tat war ja nicht Antonius der Krieg erklärt worden, sondern nur Kleopatra. Damit sollte offensichtlich auch der Eindruck erweckt werden, dass es sich in der Auseinandersetzung zwischen Octavian und Antonius nicht um einen Bürgerkrieg, sondern um einen gewöhnlichen Krieg handelte. Auf jeden Fall bedeutete der Sieg Octavians über Antonius aber auch die Betonung Roms als Machtmetropole für die Geschicke des imperium Romanum gegenüber Alexandria und dem Osten. Dies wurde mit dem dreifachen Triumph (13.-15. August 29 v.Chr.) in der Hauptstadt Rom propagandistisch unterstrichen.147 Ob sich Octavian auch durch die Behauptung oder das furchtlose Auftreten des Herodes bei seiner Entscheidung leiten Hess, kann nicht erwiesen werden. Offenbar schien der Idumäer aber der richtige Mann zu sein, um die schwere Aufgabe der Herrschaft über Palästina zu erfüllen.148 Neben Herodes bestätigte Octavian auch Amyntas von Galatien, Archelaos Sisennes von Kappadokien wie auch Polemos in Pontos in ihrer jeweiligen Stellung. Damit machte er deutlich, dass Antonius mit der Auswahl dieser Klientelherrscher eine gute Wahl getroffen hatte und bestätigte in diesem Punkt dessen Orientpolitik. Die vormalige Loyalität dieser Klientelherrscher Antonius gegenüber deutete Octavian offenbar primär als Loyalität gegenüber Rom und nicht als Feindschaft gegen ihn selbst.149 Seine Loyalität konnte Herodes dann erneut unter Beweis stellen, als Octavian mit seinem Heer im Sommer durch Syrien gegen Alexandria zog, um hier den letzten Widerstand von Antonius und Kleopatra zu brechen. In Ptolemais (Akko) wurde der Sieger von Aktium und sein Heer von Herodes empfangen und reich bewirtet. Auf dem Weitermarsch der römischen Truppen nach Pelusion stellte Herodes sein Organisationstalent unter Beweis, als der Idumäer durch die gute Versorgung des römischen Heeres mit Wasser und Nahrung dessen Marschtempo positiv beeinflusste. Dadurch erwarb sich Herodes offenbar die Anerkennnung von Octavian und dessen Soldaten.150 Im Zuge seiner militärischen Unterstützung stellte Herodes im Jahre 26 v.Chr. 500 Soldaten seiner Leibgarde Aelius Gallus für dessen Arabien-Feldzug zur Verfügung. 151 Und im Jahre 14 v.Chr. brachte Herodes persönlich seine neu erbaute Flotte zur Unterstützung von M. Vipsanius Agrippa bei dessen geplanten Bosporus-Expedition. 152 Herodes zeichnete sich bei beiden Unternehmungen durch schnelles und energisches Handeln aus. Auch bei ihrer gemeinsamen Rückreise erwies sich Herodes wiederholt als treuer socius et amicus und machte wie Agrippa in vielen Städten grosszügige Spenden. Weiter konnte er die Iiier mit Agrippa aussöhnen. Und für die Chier übernahm Herodes die ausstehenden Steuern und erreichte für sie sogar eine Befreiung von den Einfuhrzöllen. 153 Für die Juden in der Diasopora hatte die
Vgl. Josephus, Bell. 1,387-390; Ant. 15,187-193; Kasher, Jews (1988) 135f. Vgl. Cassius Dio 51,21,5ff.; Harrison, Supremacy (1997) 75. Vgl. die Rede, welche Josephus, Bell. 1,291 f. (und ähnlich Ant. 15,194f.) dem angehenden Prinzeps in den Mund legt. Stegemann, Sozialgeschichte ( 2 1997) 112, umschreibt die Loyalität Herodes I. gegenüber Rom treffend damit, dieser hätte quasi als römischer Prokurator gewaltet. Vgl. Stern, Herodian Dynasty (1974) 234f.; Kienast, Augustus (1982) 370ff.; Baumann, Rom und Juden(1983) 195 Vgl. Josephus, Bell. l,394f.; Ant. 15,199f.; Stern, Herodian Dynasty (1974) 234; Millar, Roman Near East ( 2 1994) 30f. Natürlich muss auch hier wie im Folgenden die Perspektive von Josephus berücksichtigt werden. Doch das hier Beschriebene passt ausgezeichnet in das Bild von Herodes I. Vgl. Josephus, Ant. 15,317; Strabo, Geographia 16,4,23; Cassius Dio 53,29,3-7; Plinius, Naturalis Historiae 6,160f.; Hennig, Terrae Incognitae I ( 2 1944) 301-308; Jameson, Campaign of Aelius Gallus (1968) 72-78; Stern, Herodian Dynasty (1974) 238; Jameson - Wissmann, Geschichte des Sabäerreiches (1976) 308-544. Vgl. Josephus, Ant. 16,16-21; Cassius Dio 54,24,4-7; Reinhold, Agrippa (1933) 106-123. Vgl. Josephus, Ant. 16,22-26; Stern, Herodian Dynasty (1974) 242.
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Freundschaft zwischen Herodes und Agrippa insofern positive Auswirkungen, als dass dieser in Streitigkeiten für die jüdischen Interessen entschied. Der inneren wie äusseren Stabilisierung seiner Herrschaft galt auch die rege Bautätigkeit von Herodes I.154 Dazu gehörte sicher einmal der Aus- bzw. Neubau von Festungen und die Ansiedlung von Militärkolonien innerhalb seines Regierungsgebietes. Die Errichtung von Kolonien in der Auranitis, Trachonitis, Batanäa und Gaulanitis war nicht nur Ausdruck seiner starken Hellenisierungs-, Urbanisierungs- und damit auch Romanisierungsanstrengungen, sondern führte auch zur Reduktion des Nomadentums in dieser Gegend und dem Verschwinden Ituräas als eigenständiger politischer Grösse. Es erstaunt nicht, dass diese Anstrengungen die vollumfängliche Unterstützung Roms genossen.155 In Jerusalem Hess Herodes die 37 v.Chr. erheblich beschädigte Festung Baris wiederaufbauen. Dass sie von nun an Antonia genannt wurde, spricht dafür, dass die Neubenennung noch vor der Schlacht bei Aktium erfolgt war.156 Hier wurden dann auch wieder die Festgewänder des Hohepriesters aufbewahrt, was augenfällig das Abhängigkeits- und Machtverhältnis zwischen politischer und religiöser Führung dokumentierte.157 Indem Herodes der Hasmonäerfamilie das Sukzessionsrecht entzog und wie seine Nachkommen oder die römischen Statthalter die Hohenpriester quasi nach Belieben ein- und absetzen konnte, destabilisierte er ganz klar deren Machtposition.158 Ausserdem verstärkte Herodes Jerusalem mit der Errichtung der drei gewaltigen Türme, die er nach Mariamne, seinem Freund Hippikos und seinem verstorbenen Bruder Phasael benannte.159 In Judäa baute Herodes drei Festungen aus bzw. neu auf: die hasmonäische Hyrkania, die später der Inhaftierung politischer Gegner diente, sowie die neu gebauten Festungen Kypros und Herodion.1™ In Samaria hatte die ehemalige Hasmonäerfestung Alexandreion dieselbe Kontroll-und Sicherheitsfunktion.161 In Idumäa stand weiterhin felsenfest die schon 37 v.Chr. ausgebaute Festung Masada.162 Wie Masada hatten auch die in Peräa gelegenen Festungen Machärus und Herodion wohl den gleichen Zweck der Abwehr innerer und äusserer Feinde des Königreiches.163 Dabei liess Herodes das Alexandreion, das in Judäa gelegene Herodion sowie die Hyrkania, Machärus und Masada durch prachtvolle Palastanlagen ausstatten, die ihm als prunkvolle Zufluchtsorte dienen sollten.164 Mit seinen baulichen Vorkehrungen stärkte Herodes also einerseits seine militärische wie politische Machtstellung gegen Zum Bauprogramm vgl. etwa die Bibliographie von Marcus, Josephus XIII (LCL/1969) 579-589; Richardson, Herod (1996) 174-211.215; Roller, Building Programm (1998) mit Lit. Vgl. Kasher, Jews (1988) 210. Vgl. Josephus, Bell. 1,401; 5,238-247; Ant. 15,409; 18,91f.; Schallt, Herodes (1969) 366-370; Smallwood, Roman rule (1976) 73.561-564. Vgl. zu dieser Festung auch De Sion, Antonia (1955). Vgl. Josephus, Ant. 15,403f.; 18,91f.; Smallwood, Roman rule (1976) 74.90f.; Baumann, Rom und Juden (1983) 197f. Allerdings hatten auch die Hasmonäer die Festtagsgewänder im Palast aufbewahrt, so dass hier Herodes eigentlich keine neue Gepflogenheit einführte. Jedoch hatten die hasmonäischen Fürsten gleichzeitig die politische und religiöse Führung inne. Vgl. Josephus, Ant. 20,249; Safrai, Self-government (1974) 401. Vgl. Josephus, Bell. 2,46; 5,161-175.238-245; Ant. 16,144; 17,257; Vogel, Holy Land Sites (1971) 44-49; Bieberstein - Bloedhorn, Jerusalem II (1994) 89. Zur Hyrkania vgl. Josephus, Bell. 1,364; Ant. 15,366; Schallt, Herodes (1969) 341; Smallwood, Roman rule (1976) 75 Anm. 75; Keel - Küchler, OLB 2 (1982) 587-593. Zur Kypros vgl. Josephus, Bell. 1,417; Ant. 16,143; Smallwood, Roman rule (1976) 75 Anm. 46.; Harder, Herodes-Burgen (1962) 4954; Keel - Küchler, OLB 2 (1982) 513-516. Zum Herodeion vgl. Josephus, Bell. l,265.419ff.; Ant. 14,360; 15,323ff.; Schallt, Herodes (1969) 357f.; Smallwood, Roman rule (1976) 75 Anm. 47; Keel - Küchler, OLB 2 (1982) 650-661. Vgl. Josephus, Bell. 1,308; Ant. 14,419; Schalit, Herodes (1969) 342; Schürer - Vennes I (1973) 307; Smallwood, Roman rule (1976) 75 Anm. 48. Vgl. Schalit, Herodes (1969) 343-358; Schürer - Vermes I (1973) 307f.; Smallwood, Roman rule (1976) 76 mit Anm. 52; Yadin, Excavation of Masada (1965) 1-120; Vogel, Holy Land Sites (1971) 58f.; Negev - Rehork, Masada (Archäologisches Lexikon zur Bibel/1972) 230-238. Vgl. Josephus, Bell. 1,419; Schalit, Herodes (1969) 342f.; Schürer - Vermes I (1973) 307; Smallwood, Roman rule (1976) 75ff.; Gichon, Idumea and the Herodian Limes (1967) 27-42. Vgl. Josephus, Bell. 7,164-177 (Machärus); 7,280-303 (Masada); Ant. 15,324 (Herodeion) 16,13 (Hyrkania und Alexandreion). Vgl. auch Marcus - Wikgren, Josephus VIII (LCL/1963) 579-589 mit Lit.
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innen wie aussen, andererseits erfüllte er damit auch die Ziele der geltenden römischen Sicherheitsstrategie. Die Verteidigung der römischen Interessen war und blieb deshalb auch für den jüdischen Klientelkönig die Frage über das (zumindest politische) Sein oder Nichtsein. Für einen socius et amicus fielen die Interessen Roms eben mit den eigenen zusammen.165 Die Romanisierungs- und Hellenisierungsbestrebungen von Herodes, die in seiner Pflicht als Klientelherrscher von Roms Gnaden lagen, zeigen sich also in vielen Punkten.166 Dazu gehört auch, dass Herodes die ihm gewährte Autonomie nutzte, um aus dem jüdischen Staat quasi eine hellenistisch orientierte Monarchie zu machen. Dabei konnte er auf die schon von den Hasmonäern eingeführten hellenistischen Merkmale von Armee und Verwaltung aufbauen.167 So finden sich nicht nur viele Griechen unter den Freunden und Beratern von Herodes168, sondern auch die Hierarchie seines Hofstaates ist hellenistisch169. Auch die Offiziere tragen griechische Titel.170 Seine Söhne Hess Herodes durch griechische und vielleicht auch römische Pädagogen erziehen.171 Und 23 v.Chr. sandte Herodes die Söhne der Mariamne zur Ausbildung nach Rom, wo sie von Augustus freundlich aufgenommen wurden.172 Der König selbst studierte unter der Aufsicht von Nikolaus von Damaskus griechische Philosophie, Rhetorik und Geschichte.173 Dass der jüdische Klientelkönig den Erwartungen seines patronus entsprach, wird klar im Umstand, dass Herodes von Augustus das Recht erhielt, einen seiner Söhne als Nachfolger für sein Königreich zu bestimmen.174 In der Realität hatte dieses Recht allerdings mehr Designationscharakter, da die Bestimmungen des jüdischen Klientelkönigs von Rom ratifiziert werden mussten. Im Jahre 20 v.Chr. wurde Herodes von Augustus zudem als Berater des syrischen Statthalters ernannt, auch wenn nicht klar ist, was dies für genaue Konsequenzen hatte.175 Die Zufriedenheit der römischen Herren zeigte sich 15 v.Chr. auch in einem Besuch von Agrippa in Jerusalem, als dieser seine Ehrerbietung dem Tempel gegenüber durch die Opferung einer Hekatombe deutlich machte und nach Josephus durch die Verköstigung des Volkes dessen Sympathien erhielt.176 Mit Agrippa verband Herodes eine besonders gute Beziehung, die vielleicht schon in die Zeit seiner Krönung im Jahre 40 v.Chr. in Rom zurückreichte.177 Das gute Einvernehmen zwischen Herodes und seinen römischen patroni war sicher auch eine Folge davon, dass Herodes das Machtgefälle stets respektierte und ohne Roms Einwilligung keine nennenswerten aussenpolitischen Aktivitäten unternahm. Erster Ansprechpartner war hier der syrische Statthalter, den Herodes nicht nur um Erlaubnis für seine diversen AktiVgl. Josephus, Ant. 17,246; Stern, Herodian Dynasty (1974) 237. Vgl. dazu auch Levine, Judaism (1998) 33-95; Jacobson, Client Kings (2001) 30-34. Vgl. Schallt, Herodes (1969) 167.403-411; Jacobson, Client Kings (2001) 30f. Dazu gehören etwa Nikolaus von Damaskus, dessen Bruder Ptolemaios wie auch ein weiterer Ptolemaios, welcher die Finanzverwaltung organisierte und den königlichen Siegelring inne hatte (vgl. Schürer - Vermes I (1973) 31 Of. mit Anm. 79). Vgl. etwa die φ ί λ ο ι (Weggefährten) und die CTuyyepeis (Verwandten) bei Josephus, Bell. 1,460.473.494f.535.537f.556.571.592; 2,11; Ant. 15,31; 16,357; 17,70.93.198.219.225. Weitere Quellen bei Baumann, Rom und Juden (1983) 208 Anm. 60. Vgl. Schallt, Herodes (1969) 167-183, mit Belegen und Diskussion. Vgl. die Josephus, Ant. 16,242 genannten Andromachos und Gemellus, die für Griechen und möglicherweise, aber nicht zwingend für Römer stehen könnten (vgl. S c h ü r e r - Vermes I (1973) 311; Smallwood, Roman rule (1976) 83 mit Anm. 72). Vgl. Josephus, Ant. 15,342f. Vgl. Baumann, Rom und Juden (1983) 208f. Vgl. Josephus, Ant. 15,343. 12 v.Chr. wurde dieses Recht insofern erweitert, als es Herodes gestattet wurde, sein Reich auch unter mehrere Söhne aufzuteilen (vgl. Josephus, Ant. 16,129; Schallt, Herodes (1969) 159ff.; Smallwood, Roman rule (1976) 87-90). Vgl. Josephus, Bell. 1,399; Ant. 15,360; Hahn, Herodes als Prokurator (1965) 25-44, mit Quellen und Lit. Vgl. Josephus, Ant. 16,12-15; Stern, Herodian Dynasty (1974) 241f. Offensichtlich hatte Herodes seinerseits Agrippa im Winter 23/22 v.Chr. bei dessen Aufenthalt in Mytilene auf Lesbos besucht, der hier von 21-23 v.Chr. weilte (vgl. Josephus, Ant. 15,350; Cassius Dio 53,32,1). Vgl. Stern, Herodian Dynasty (1974) 241.
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vitäten nachzusuchen hatte, sondern der Herodes im Bedarfsfall helfend unter die Arme griff.178 Die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen vom peripheren Königreich Judäa in das politische Machtzentrum Rom ist aber auch daran ersichtlich, dass Herodes im Jahre 12 v.Chr. bei seinem letzten Besuch in Rom Augustus als Schiedsrichter in seinen Familienstreitigkeiten anrief." 9 Hier trafen Augustus und Herodes auch die wirtschaftliche Vereinbarung, dass Herodes die Hälfte der Ausbeutung der zyprischen Kupferminen erhielt. Dafür gab er Augustus allerdings 300 Talente in bar, wodurch dem Prinzeps die Zahlung des congiarium bedeutend leichter fiel.180 Herodes gelang während seiner langen Regierungszeit der Spagat zwischen den unausweichlichen Forderungen seiner römischen Herren und den Besonderheiten seiner jüdischen Untertanen und bescherte Judäa dadurch eine relativ hohe politische Stabilität.181 Diese wurde jedoch durch ein unerbittliches und teilweise grausames Regime erkauft, das mit vielen Leiden für seine Untertanen verbunden war. Das Beispiel von Herodes zeigt jedenfalls sehr gut, dass Rom ein Klientelverhältnis offensichtlich besonders dann einging, wenn es seine Interessen über einen Vasallenstaat ausreichend gewahrt sah.182 Tacitus schreibt im Blick darauf von "der alten und schon früh gepflogenen Gewohnheit des römischen Volkes, auch Könige als Werkzeuge für die Versklavung zu gebrauchen" ... vetere ac iam pridem recepta populi Romani consuetudine, tutis et reges (Agricola 14,l). 18 '
ut haberet instrumenta servi-
Cassius Dio seinerseits nennt Klientelstaaten in einem Atemzug mit anderen von Rom unterworfenen Staaten. Und Sallust lässt Mithradates sagen, dass die Römer Eumenes von Pergamon zu ihrem erbärmlichsten Sklaven gemacht hätten.184 Möglicherweise erachtete Rom auch den militärischen oder verwaltungstechnischen Aufwand für eine direkte Übernahme eines Territoriums als zu gross. Oder aber der Vasallenstaat war militärisch zu stark für eine unmittelbare Unterwerfung und Rom musste sich mit dem Klientelverhältnis begnügen, wie dies zeitweise etwa auf Armenien oder das Partherreich zutraf.185 Häufig besass der Klient nicht nur die Gewalt über sein Territorium, sondern Rom Hess seinen Vasallen auch einen gewissen Spielraum, was die Aneigung weiterer Territorien betraf.186 Dies eröffnete Rom über die Klientelherrscher einen Zuwachs seiner Einflusssphäre. Allerdings Hess man sie nur soweit gewähren, als dass Rom nicht eigene Interessen verletzt sah. Da beim Klientelverhältnis jeder Herrscherwechsel gewisse Risiken bezüglich Loyalität des Nachfolgers und der Erbringung der von Rom geforderten Dienstleistungen mit sich brachte, wurden derartige Ereignisse von Rom genau beobachtet und häufig auch direkt gesteuert. W o
Vgl. Stern, Herodian Dynasty (1974) 239. Vgl. Josephus, Ant. 16,96-126. Einblick in diese Streitigkeiten vor dem Hintergrund der komplexen Familiensituation der Herodes-Dynastie bietet ausführlich Kokkinos, Herodian Dynasty (1998). Vgl. Josephus, Ant. 16,128; Gabba, Finances (1990) 163. Das congiarium war ursprünglich eine Spende eines Beamten und in der Prinzipatszeit des Kaisers an das römische Volk in Form von Naturalien, Gutscheinen oder Geld. Vgl. dazu Augustus, Res Gestae 15; Cassius Dio 54,29,4; Sueton, Augustus 42,2; Gilbert, Princeps und Plebs (1976) 66; Van Berchem, Distributions de ble (1939) 119-140.162179; Gross, Congiarium (KP 1/1979) Sp. 1276. Vgl. Gabba, Finances (1990) 160. Josephus, Bell. 1,386-397, gibt u.a. einen Überblick über die beträchtlichen Leistungen von Herodes (bzw. von dessen Untertanen) Antonius und später Octavian gegenüber. Vgl. dazu auch Appian, Syriaca 50, und Mithridatius 114. Vgl. Cassius Dio 51,18,1; Sallust, Bellum Jugurthinum 31,9; Brunt, Laus imperii (1978) 169. Gegenüber dem Partherreich war nicht nur der ruinöse Feldzug von Crassus ein eindeutiger Fehlschlag, auch die späteren Feldzüge unter Nero, Trajan und Marc Aurel brachten keine länger andauernden Erfolge (vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 187f.293f.310f.). Vgl. etwa die Freiheiten, die Massinissa von Numidien gegenüber Karthago oder Deiotarius von Galatien gegenüber Pontus und Kleinarmenien genossen (vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 67).
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dies dem römischen patronus angezeigt erschien, wurde das Klientelreich auch direkt der römischen Oberhoheit unterstellt und deshalb in eine Provinz umgewandelt.187 1.1.6
Die Rolle der einheimischen Eliten beim Aufbau des römischen Weltreiches
Die Herrschaftsausweitung des römischen Imperiums führte im Prinzip über Beziehungen der soziopolitischen Eliten Roms und der anvisierten Bündnis- bzw. Klientelstaaten. Indem die römische Elite aber den Klienten Privilegien gewährte, wurden diese zu einer machtstützenden Teilhabergruppe gemeinsamer Interessen und Vorrechte.188 Die Verpflichtung und Gewinnbeteiligung der lokalen Eliten liess diese möglicherweise auch gegen die eigene Bevölkerung agieren. Damit fungierten sie als Instrumente im Dienste der Interessen des römischen Zentrums und reduzierten dessen Aufwand für die Kontrolle über das betreffende Gebiet.189 Von römischer Seite wurde dabei gegen Ende der Republik darauf geachtet, besonders romtreue Klienten auf den jeweiligen Thron zu heben, wie dies im Osten des Reiches geschah: 37/36 v.Chr. setzte Antonius kurzerhand Polemon in Pontos, Archelaos Sisenes in Kappadozien und Amyntas in Galatien ein. Dabei ist von keinem ihrer Vorgänger - Dareios, Ariarathes und Kastor - zu lesen, dass er verstorben wäre."0 Juba, Herodes I. und Archelaos von Kappadozien kamen jeweils aus Nachbarländern.191 Antonius musste in seiner Einsetzungspolitik natürlich mitbedenken, dass er in absehbarer Zeit gegen Octavian anzutreten hatte. Erfolg konnte er dabei nur haben, wenn der Osten des Reiches geschlossen hinter ihm stand. Die Loyalität des Klientelfürsten den römischen Herrschern gegenüber war dabei besonders sicher, wenn der eingesetzte Klientelherrscher und seine Familie im regierten Volk keinen besonders grossen Rückhalt bzw. Sympathie genoss, wie dies etwa bei Herodes I. in Judäa der Fall war.192 Obwohl aus römischer Sicht diese Massnahmen durchaus Erfolg hatten und Antonius damit den Osten des Reiches stabilisieren konnte, hatten sie für ihn persönlich auch Nachteile. Sein Gegner Octavian konnte sie als unrömisches Verhalten brandmarken und schliesslich sogar einen bellum iustum gegen Antonius führen.193 Trotzdem dürfte diese Strategie der Einbindung der lokalen, von römischer Seite her bestimmten oder gar eingesetzten Eliten einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung des römischen
Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 66. Vgl. Podes, Dependenz (1986) 99. Vgl. zum demographischen Profil der römischen Machtelite der Kaiserzeit Scheidel, Emperors (1999) 254-281, mit Lit. Mattern, Strategy (1999) 1-23, spricht in diesem Zusammenhang von "The Decision-Making Elite". Die römische Elite war für die Durchsetzung ihrer Ziele und Interessen auf die Zustimmung der plebs angewiesen (vgl. für die ausgehende Republik De Blois, Army and Politics (1987) 35). Zum Wechselspiel zwischen Elite und plebs anlässlich augenfälliger Inszenierungen politischer Auseinandersetzungen vgl. Bell, Spectacle of Power (1997) 1-22. Vgl. StarT, Empire (1982) 99f.; Podes, Dependenz (1986) 100. Zu Polemon in Pontos vgl. Appian, De bella civilia 5,319; 5,75; Plutarch, Antonius 38; Cassius Dio 49,25,4; Strabo 12,3,38; Buchheim, Orientpolitik (1960) 5 1 f f „ mit weiteren Quellen und Lit.; Hoben, Kleinasiatische Dynasten (1969) 39-53; Magie, Asia Minor I ( ^ ό ό ) 433ff.; II (21966) 1283f.; Dörrie, Polemon (KP 4/1979) Sp. 970. Zu Archelaos Sisenes vgl. Cassius Dio 49,32,3; Tacitus, Annales 2,42,2; Buchheim, Orientpolitik (1960) 55f. mit weiteren Quellen und Lit.; Hoben, Kleinasiatische Dynasten (1969) 179-194; Magie, Asia Minor II (21966) 1286 Anm. 26; Rumpf, Archelaos (KP 1/1979) Sp. 503; Paltiel, Vassais (1991) 41f. Zu Amyntas in Galatien vgl. Cassius Dio 49,32,3; Buchheim, Orientpolitik (1960) 58f. mit weiteren Quellen und Lit.; Hoben, Kleinasiatische Dynasten (1969) 121138; Volkmann, Galatia (KP 2/1979) Sp. 669. Vgl. Jacobson, Client Kings (2001) 24. Vgl. Baumann, Rom und Juden (1983) 187ff. Vgl. Syme, Roman Revolution (1939) 259-275; Buchheim, Orientpolitik (1960) 92-97; Bengston, Marcus Antonius (1977) 153-183.286-298; Huzar, Mark Antony (1978) 185ff. Allerdings musste Kleopatra als offizielle Feindin herhalten, da Octavian im Jahre 36 v.Chr. nach dem Sieg über Sextus Pompeius verkündet hatte, künftig nicht mehr gegen römische Bürger zu kämpfen (vgl. Appian, De bella civilia 4,128). Bei der feierlichen Kriegserklärung gegen Kleopatra fungierte Octavian selbst nach altem Brauch als Fetiale (vgl. Cassius Dio 50,4,59). Vgl. dazu Syme, Roman Revolution (1939) 276-312; Bengston, Marcus Antonius (1977) 230-253; Charlesworth, War of the East ( 5 1971) 66-111; Kienast, Augustus (1982) 5 I f f .
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Weltreiches geleistet haben. 194 Allerdings bestimmte dabei R o m , w i e weit die lokalen Eliten a m G e w i n n der Zusammenarbeit beteiligt wurden und w i e viel Freiheit sie n o c h g e n i e s s e n konnten. Plutarch meint bedeutsam und eindeutig: "Freiheit ... geniessen die Völker (noch) soviel, wie unsere Herrscher es zugestehen. Mehr wäre vielleicht auch gar nicht gut für sie." (Moralia 813f815a) Für die e i n h e i m i s c h e n Eliten hatte die Kooperation mit R o m aber nicht nur wirtschaftliche Vorteile. A u c h i m Falle, dass ein M i t g l i e d in U n g n a d e fallen sollte, zahlte sich die Z u s a m menarbeit mit R o m aus. W ä h r e n d Mitglieder tieferer Schichten sehr oft hingerichtet wurden, mussten A n g e h ö r i g e der kooperierenden Oberschicht häufig nur ins Exil gehen. 195 M i t H i l f e der e i n h e i m i s c h e n Eliten wurde also e i n e Art "Brückenkopf" in e i n e m Peripherie g e b i e t errichtet, d e s s e n U n t e r w e r f u n g o d e r z u m i n d e s t D o m i n a n z R o m anstrebte. 196 Damit wird auch klar, dass diese römische Strategie die verschiedenen Unterschiede zwischen Stadt und Land, A r m und Reich, städtischen Eliten und der M a s s e der L a n d b e v ö l k e r u n g eher ver grösserte denn verkleinerte. 197 D i e s e Strategie wurde auch bei verstärkter R o m a n i s i e r u n g w i e e t w a der U m w a n d l u n g eines Gebietes in eine Provinz weiter verfolgt. 198 D i e M a s s e der Bevölkerung hatte zu diesen B e z i e h u n g e n zwischen den Eliten von Peripherie und Zentrum k a u m e t w a s zu sagen, sie trug j e d o c h die F o l g e n v o n Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen seitens ihrer politischen Führerschaft. 199 D i e s wird auch aus der R e d e d e s Atheners L e o n i m Jahre 1 8 9 v.Chr. deutlich, der in den Streitigkeiten z w i s c h e n den R ö m e r n und den Ätolern zu vermittlen suchte. Polybius überliefert dabei auch folgendes: Darin jedoch gehe der Senat gänzlich fehl, wenn er seinen Zorn gegen die Massen [der Ätoler; Anm. C.R.] richte. Denn das Folgende geschehe in politischen Systemen mit der Menge ebenso wie mit dem Meer: Dieses sei zwar von seiner Natur aus immer still und ruhig und um es zusammenfassend zu sagen von der Art, dass es niemandem je zu schaffen mache, der mit ihm zu tun habe und sich ihm anvertraue. Wenn aber heftige Winde einfielen, es aufwühlten und wider seine Natur zwängen, in Bewegung zu sein, dann gebe es nichts Furchtbareres und Gefährlicheres als das Meer. Das sei nun auch den Aitolern widerfahren: "Solange sie unbeeinflusst blieben, waren sie unter allen Griechen diejenigen, die euch am treuesten ergeben und eure zuverlässigsten Helfer in allen Unter nehmungen waren. Als aber aus Asien Thoas und Dikaiarchos dahergebraust kamen, aus Europa Menestas und Damokritos, die Massen aufwühlten und wider ihre Natur zwangen, alles und jedes zu sagen und zu tun, da wollten sie aus einem verfälschten Bewusstsein heraus Unheil über euch heraufbeschwören und haben es sich selber eingebrockt. Ihr solltet daher gegen jene mit unnachsichtlicher Strenge vorgehen, mit der Menge dagegen Mitleid haben und euch versöhnen, denn ihr wisst, wenn sie wieder unbeeinflusst sind,
Vgl. Gamsey - Salier, Empire (1987) 11. Vgl. Starr, Empire (1982) 99f. Dies geschah vielleicht auch häufig ganz pragmatisch im Hinblick auf eine spätere Wiederverwendbarkeit der Bestraften. Vgl. Podes, Dependenz (1986) 80f.85. Natürlich ist hier auch ein Protestverhalten der Elite einer Peripherienation gegenüber Rom denkbar, wenn diese sich daraus einen Gewinn verspricht. Vgl. zur theoretischen Wahrscheinlichkeitbestimmung eines solchen Verhaltens Podes, Dependenz (1986) 110-125. Um hierbei von Imperialismus sprechen zu können, muss gemäss Galtung, Structural Theory (1976) 81-85, die oben skizzierte Brückenkopfbildung gegeben sein. Später bezeichnet Galtung die Brückenkopfbildung auch als eigenständigen Mechanismus des Imperialismus (vgl. True Worlds (1980) 119ff.). Podes, Dependenz (1986) 83ff. arbeitet den Mechanismus der Brückenkopfbildung ebenfalls in seine Theorie ein. Vgl. Gamsey - Salier, Empire (1987) 203. Dies sollte auch während der Prinzipatszeit keine grössere Veränderung erfahren. Es erstaunt auch nicht, dass bei sozialen Unruhen die lokalen Eliten oder Teile davon als Kollaborateure der römischen Herrscher häufig Ziel der Attacken von Aufständischen waren. Der jüdische Aufstand gegen Rom ist ein gutes Beispiel dafür. Vgl. etwa für Gallien Drinkwater, Gallic Iulii (1978) 817-850. Im republikanischen Rom hatte das Volk zumindest theoretisch die Chance, über die Volkstribunen Einfluss auf die Politik zu nehmen. Doch dazu musste der römische Bürger nach Rom selbst gehen, um sein Stimmrecht auszuüben, was etwa nach der Verleihung des Stimmrechts an ganz Italien nur wenigen möglich war.
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werden sie, zumal wenn sie euch die Rettung zu verdanken haben, euch von allen Griechen wieder am treuesten ergeben sein." (Polybius 21,31,8-16)200 Dass die breite Masse des Volkes häufig kaum Einfluss auf die Bündnispolitik ihrer Elite hatte, geht auch aus dem Urteil des Flamininus zum promakedonischen Umsturz in Argos 198 v.Chr. oder der Rede des C. Decimius 168 v.Chr. vor der rhodischen Volksversammlung hervor.201 Auch wenn sich in diesen Aussagen die Tendenz des römischen Standpunktes widerspiegelt, die Schuld für Fehlentwicklungen und -entscheidungen (und damit gegen die Interessen Roms) einigen Wenigen zuzuweisen, die über politischen Einfluss verfügen oder denen dies zumindest unterstellt wird: ganz falsch dürfte diese Einschätzung sicher nicht sein.202 Für Rom galt es demnach im Zuge seiner Aussenpolitik "die strategisch entscheidend und einflussreich placierten Gruppen im anderen System zu erkennen und ... deren Interessen an der Erhaltung oder dem Ausbau ihrer Positionen mit den eigenen, prinzipiell nach innen gleichgelagerten Interessen zu koordinieren oder gar zu identifizieren"203. Für die romfreundlichen Eliten ihrerseits galt es, sich des Wohlwollens des römischen Zentrums zu versichern. Dies geschah etwa durch Ehrungen für die Göttin Roma204 oder für die römischen Promagistrate205. Daneben waren allerdings auch Geldzahlungen ein probates Mittel. So wurde Ariarathes IV. von Manlius Vulso erst nach der Zahlung von 300 Talenten in die amicitia aufgenommen.206 Und Pompeius liess sich von Tigranes I. für die Bestätigung der Königswürde 6000 Talente und den römischen Truppen ein grosszügiges Donativ bezahlen.207 Ptolemaios XI. zahlte grosse Summen an Gabinius und Crassus verlangte von den asiatischen Königen neben Truppen auch Geld208. Deiotarius unterstützte als ehemaliger Anhänger von Pompeius später auch Cäsar finanziell, um sich dadurch seine Königswürde erneut zu verdienen.209 Und Appian berichtet, dass Brutus, Cassius und Antonius von Königen, Dynasten und freien Städten Kleinasiens gigantische Summen erpressten.210 Augustus seinerseits liess sich die Inthronisation von Herodes mit 800 Talenten vergolden.211 Insbesondere Ehrungen hatten die Funktion, Wohlwollen zu erregen bzw. zu sichern.2'2 Gerade gegen Ende der Republik genügten allerdings einzelne Ehrbezeugungen nicht mehr, sondern es bedurfte der permanenten Loyalitätsbezeugungen, da es in dieser Zeit besonders schwierig war, den jeweils Mächtigen zu erkennen.213 Für die Eliten der Peripheriestaaten bedeutete die aussenpolitische Φffnung gegenüber Rom und die Anerkennung seiner Hegemonie auch die willkommene Möglichkeit, sich innenpolitischer Konkurrenz zu entledigen. Dies zeigen Beispiele wie etwa die achäische Gesandtschaft von 180 v.Chr. nach Rom. Diese ergreift unter der Führung von Kallikrates die Gelegenheit, sich als prorömische Fraktion die Unterstützung des römischen Senats zum Nachteil der eigenen innenpolitischen Gegner zu siVgl. auch Livius 38,10,4-6. Zu Flamininus: vgl. Livius 34,32,6. Zu Decimius: vgl. Livius 45,10,10. Vgl. auch die Schuldzuweisung durch Josephus auf Einzelpersonen und Gruppen für den Ausbruch und die lange Dauer des Jüdischen Krieges (vgl. u. Kap. 12.0). Krippendorff, Aussenpolitik (1963) 249. Vgl. auch Podes, Dependenz (1986) 294f. Vgl. Mellor, Goddess Roma (1975); Podes, Dependenz (1986) 307. Vgl. Tuchelt, Denkmälerl (1979); Podes, Dependenz (1986) 131.251f. Vgl. Polybius 21,45,1; Livius 39,39,6; Dahlheim, Herrschaft (1977) 270 Anm. 193. Vgl. Appian, Mithradates 104,490; Strabo 11,14,10; Dahlheim, Herrschaft (1977) 270. Vgl. Plutarch, Crassus 17. Der Reichtum von Crassus ist legendär und sprichwörtlich geworden. Gemäss Plinius, Naturalis historiae 33,134, verfügte Crassus allein in Grundstücken über ein Vermögen von 200 Mio. HS (= 50 Mio Denare). Crassus soll gesagt haben, niemand sei wirklich reich, der nicht eine Legion auszurüsten imstande sei (vgl. die Versionen von Plutarch, Crassus, 2; Cicero, De officiis 1,25; Plinius, Naturalis Historiae 33,134 und dazu Badian, Imperialismus (1980) 116f. 155 mit Anm. 20). 210
211
Vgl. Bellum Alexandrinum 34; Cicero, Deiotarius 14,24,25; Dahlheim, Herrschaft (1977) 270. Vgl. Appian, Bella civilia 5,6.75. Vgl. Josephus, Ant. 15,200; 16,128. Vgl. Tacitus, Annalen 4,56; Mellor, Goddess Roma (1975) 14; Podes, Dependenz (1986) 308. Vgl. Dahlheim, Herrschaft (1977) 243; Podes, Dependenz (1986) 309.
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ehern. Die römische Elite kommt dem W u n s c h von Kallikrates bereitwillig nach und äussert durch ein Schreiben an alle Achaier den W u n s c h , Leute wie Kallikrates an der Spitze jeder Gemeinde zu haben. 214 Im Falle von Kallikrates war R o m zwar noch gezwungen, mit C. Claudius Pulcher und Cn. Domitius Ahenobarbus eine römische Gesandtschaft zu seinem Schutz zu entsenden. Die Kollaboration mit R o m stellte f ü r gewisse Politikerkreise der Peripherie d e m n a c h zu diesem Zeitpunkt noch etwas Verpöntes dar. 215 D o c h mit zunehmender W a h r nehmung der Suprematie R o m s wird dieses romkritische Verhalten marginal. Elitenmitglieder wie Kallikrates verstanden es offensichtlich, die positive Sanktionierung ihrer Loyalitätserweise durch R o m innenpolitisch auszuschlachten. D u r c h die Charakterisierung innenpolitischer Gegenspieler als Romfeinde wurde deren Handlungsspielraum massiv eingeschränkt und die eigene Position gestärkt. 216 Die Deportation von romfeindlichen Elitemitgliedern nach R o m war dabei eine Möglichkeit, sich unliebsamer Gegner zu entledigen, während die Geiselhaft der Kinder als Druckmittel verwendet werden konnte. 217 A u c h Sertorius m a c h t e sich die G e i s e l n a h m e als Mittel der R o m a n i s i e r u n g der einheimischen nobiles zunutze, als er Statthalter in Spanien war. Plutarch berichtet: "Am meisten aber gewann er sie durch sein Verfahren mit ihren Söhnen. Er liess nämlich die vornehmsten Knaben aus den Stämmen der grossen Stadt Osca zusammenziehen, be stellte für sie Lehrer in Griechisch und Latein und machte sie so tatsächlich zu Geiseln, während er vorgab, er lasse sie dazu erziehen, dass sie, Männer geworden, an der Regie rung und Staatsverwaltung teilnehmen könnten. Die Väter freuten sich dann ausseror dentlich, wenn sie ihre Söhne in purpurverbrämten Kleidern wohlgeordnet zur Schule gehen sahen, wo Sertorius die Lehrer für sie besoldete, häufig Prüfungen abnahm, an diejenigen, die sich auszeichneten, Preise verteilte und ihnen die goldenen Umhängekap seln schenkte, die die Römer bulla nennen" (Sertorius 14). N a c h d e m es aber dennoch z u m Aufstand kam, liess Sertorius die Knaben "teils töten, teils als Sklaven verkaufen" (Sertorius 25). Die Einbeziehung lokaler Eliten erwies sich demnach in der Regel als probates Mittel, den römischen Hegemoniebereich mit relativ geringem militärischem u n d ö k o n o m i s c h e m Aufwand auszudehnen. Damit verbunden war auch eine Abnahme von Protesten von Mitgliedern peripherer Eliten gegenüber Rom. Die Verschränkung von Aussen- und Innenpolitik an der Peripherie des römischen Imperiums sollte im Klientelsystem der Prinzipatszeit seinen H ö h e p u n k t finden, w o die römischen Kaiser ungehindert in die Innenpolitik der clientes hinein regieren konnten. D o c h auch in den Provinzen war die Interessengemeinschaft zwischen römischer und lokaler Elite von Bedeutung, die durch die Vergabe von Privilegien zur Kooperation im Sinne des römischen Zentr u m s stimuliert werden konnte. 218 Diese Privilegien von häufig wirtschaftlicher Natur schafften die nötigen Voraussetzungen f ü r einen reibungslosen Steuer- und Abgabenfluss in Richtung Rom. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade einflussreiche und vermögende Kreise a m Frieden mit R o m interessiert waren, der ihnen vielfach eine gewisse innenpolitische Auto-
Vgl. Polybios 24,8,6; und 24,10,7; Podes, Dependenz (1986) 314ff. Vgl. Polybios 30,13,8ff.; 30,29,2-7; Podes, Dependenz (1986) 322. Vgl. Livius 41,23-24 zur Auseinandersetzung um die Rückführung von Sklaven aus Makedonien nach Achaia bzw. um die Normalisierung der Beziehungen der Achäer mit dem makedonischen König Perseus. Eine solche Normalisierung wird von Kallikrates schon als Verletzung des Bündnisses mit Rom gewertet, nicht jedoch von seinen innenpolitischen Gegenspielern wie z.B. Archon. Vgl. Livius 42,60,8f; Polybios 28,4,5ff; Podes, Dependenz (1986) 321f.327. Die Entsendung von Sprösslingen aus adeligen Familien nach Rom erfreute sich auch noch während der Prinzipatszeit grosser Beliebtheit. Es ist aber nicht immer leicht zu entscheiden, ob es sich bei den Aufenthalten von Kindern aus Oberschichten bzw. Königshäusern um Studienaufenthalte oder um eine Art Geiselhaft handelte. In gewissen Fällen demonstrierten Elitemitglieder mit der Entsendung von Kindern nach Rom auch ihre freundschaftliche Gesinnung wie dies etwa bei den Söhnen von Phraates IV. aus dem Partherreich zutreffen dürfte, welche von Augustus bevorzugt behandelt wurden (vgl. Sueton, Augustus 43,3; Augustus, Res Gestae 32,2; Braund, Client Kings (1988) 86). Aus römischer Sicht waren dabei auch tolerierte Privilegien immer geschenkte Privilegien.
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nomie inklusive Sicherung der eigenen Privilegien sowie Schutz gegen äussere Feinde bot.219 Davon berichtet auch Josephus, wenn er etwa schreibt, dass die einflussreichen Männer der Stadt Gadara aus Liebe zum Frieden und aus Sorge um ihren Besitz Vespasian die Übergabe der Stadt anboten. 220 Und schon früher hatten die Oberpriester Jerusalems mitsamt den Angesehenen und dem Synhedrium durch eine Intervention bei König Agrippa II. versucht, den durch die Grausamkeit des Statthalters Floras provozierten Aufstand gegen R o m abzuwenden.221 Vielsagend begründet Josephus ihr Vorgehen mit der Δusserung, dass sie wegen ihres Vermögens friedliebende Männer waren.222 Dass auch die Uneinigkeit lokaler Eliten zum Ausbau der römischen Machtsphäre beitrug, wird ebenfalls am Beispiel Armeniens deutlich: Nach dem Tod des armenischen Königs Tigranes II. versucht Augustus, dessen romfreundlichen Bruder Artavasdes II. einzusetzen. Doch aufgrund einer starken proparthischen Stimmung wurde dieser samt den ihn begleitenden römischen Truppen vertrieben. Dies hatte sicher auch damit zu tun, dass in Parthien selbst mit Phraates V. wiederum ein romfeindlicher König herrschte (2 v.Chr. bis 4 n.Chr.). 223 Weil Augustus eine weitere Annäherung zwischen Armenien und dem Partherreich unbedingt verhindern musste, verlieh er seinem Sohn Gaius Caesar das Oberkommando über die römischen Truppen des Ostens. Es war aber nicht nur das grosse militärische Aufgebot, das dieser im Jahre 1 n.Chr. in Syrien übernehmen konnte, sondern im besonderen Masse auch innerparthische Streitigkeiten unter der Nobilität, welche den Partherkönig zum Einlenken gegenüber Rom veranlassten. So überliess Phraates V. beim Treffen mit Gaius Armenien den Römern wiederum als Klientelstaat, während er selbst im Gegenzug von Rom offiziell als parthischer Grosskönig anerkannt wurde. 224 Allerdings sind es kurze Zeit später wiederum innerparthische Thronstreitigkeiten, welche die vertragliche Vereinbarung auf der Basis des Status quo zwischen R o m und dem Partherreich ins Wanken bringen. 225 Denn nach dem Tod des gemässigten Phraates V. wurde seinem romfreundlichen Nachfolger Vonones der Thron von Artabanos III., einem von Teilen des parthischen Adels eingesetzten Gegenkönig, streitig gemacht. Vonones zog sich darauf nach Armenien zurück, wurde aber auch hier von Artabanos vom Königsthron vertrieben (16 n.Chr.). Vonones wurde deshalb vom syrischen Legaten quasi in Schutzhaft genommen. 226 Erst Germanicus konnte im Auftrag von Tiberius 18 n.Chr. mit einer grossen Streitmacht die Interessen Roms wieder durchsetzen. Germanicus besetzte dabei Armenien und übertrug die armenische Herrschaft Zenon, einem Sohn des pontischen Königs. 227 Auf Bitten der Parther wurde dabei auch der Vertrag zwischen den beiden Weltmächten erneuert: ... miserat amicitiam ac foedus memoraturos, et cupere renovari dextras (Tacitus, Anna len 2,58,1).
Die Funktion und Aufgabe der einheimischen Eliten f ü r die Wahrung ihrer und der Interessen Roms werden deutlich bei Plutarch angesprochen. Dabei spielt es auch nur eine geringe Rolle, ob es sich um amici, socii oder clientes von Rom handelt, denn die Machtverhältnisse sind so oder so klar und eindeutig. Plutarch spricht beispielhaft das unterworfene Griechenland an: "Am besten ist es aber, dafür Sorge zu tragen, dass es keinen Aufruhr gibt; und das ist für die wichtigste und schönste Kunst der Politik zu halten. Betrachtet doch die für die Städte grössten Güter: Friede, Freiheit, reichlich Lebensmittel, starke Bevölkerung und Eintracht. Im Blick auf den Frieden haben die Städte jedenfalls in der gegenwärtigen Zeit die 219 220
221 222 223 224
225 226 227
Vgl. Wengst, Pax Romana (1986) 40. Vgl. Josephus, Bell. 4,414. Vgl. zu Gessius Florus auch Tacitus, Historiae 5,10; Paltiel, Vassais (1991) 320. Vgl. Bell. 2,336ff. Vgl. Vellerns Paterculus 2,101; Sidari, Problema partico (1982) 23f. Vgl. Cassius Dio 55,10,21; Volkmann, Parthia (KP 4/1979) Sp. 535; Hanslik, Iulius (KP 2/1979) Sp. 1523; Sidari, Problema partico (1982) 26f.; Egger, Crucifixus (1997) 55. Vgl. Sonnabend, Fremdenbild (1986) 224. Vgl. Tacitus, Annalen 2,4,4; Sidari, Problema partico (1982) 52f.; Sonnabend, Fremdenbild (1986) 225. Vgl. Tacitus, Annalen 2,56,2; Egger, Crucifixus (1997) 55.
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Politiker überhaupt nicht nötig; denn von uns entflohen ist jeder Krieg unter den Griechen, jeder mit den Barbaren. Freiheit haben die Städte so viel, wie die Herrschenden [gemeint sind die Römer; Anm. C.R.] ihnen zuteilen; und mehr ist vielleicht auch gar nicht gut. Gesegnete Fruchtbarkeit der Erde und günstigen Wechsel der Jahreszeiten und dass Frauen gebären 'Kinder gleich den Eltern' sowie Wohlergehen für die Sprösslinge wird jeder vernünftige Mann für seine Mitbürger im Gebet erbitten, von den Gütern allein übrig - was keinem der anderen nachsteht - , ständig die Eintracht und die gegenseitige Freundschaft mit den Landsleuten zu erhalten, Streitigkeiten aber und Feindseligkeiten und alles Übelwollen zu beseitigen, wie bei Auseinandersetzungen unter Freunden ... Endlich lehrt und erklärt er privat und öffenlich den schwachen Zustand Griechen lands, den zu geniessen um mit Ruhe und Eintracht das Leben hinzubringen für die Verständigen besser ist, als sich in einen Wettkampf einzulassen, bei dem das Schicksal keinen Kampfpreis übriggelassen hat. Denn welche Herrschaft, welcher Ruhm wird dem Sieger zuteil? Was für eine Macht, der nicht eine kleine Anordnung des Prokonsuls ein Ende setzen und sie einem anderen übertragen könnte?" (Moralia 824c-e) Der philosophierende Schriftsteller Plutarch versteht es also, aus der (staatspolitischen) Not eine Tugend zu machen. Auch an anderer Stelle weiss Plutarch die Machtverhältnisse zwischen Rom und seinen clientes klar zu formulieren. Aus dem Mund von Philipp V. von Makedonien ist die Einsicht zu hören, dass "von Gnaden der Römer König zu sein, sei eher Sache eines dem Luxus ergebenen Sklaven als eines Mannes von Herz und Mut" (Aemilius 8). Trotz dieser Einsicht verzichtete Philipp offensichtlich nicht auf seinen Königsthron und die Annehmlichkeiten, die damit verbunden waren. 1.2
Sicherheit durch Annexion: die Provinzen als direkt kontrollierte Pufferzo nen
Wo es der römischen Elite angezeigt erschien, den lokalen Königen oder Fürsten die direkte Kontrolle zu entziehen, weil diese die Interessen Roms hier nicht mehr wahrnehmen konnten, wurde ein erobertes Gebiet in eine Provinz umgewandelt. Damit wurde dessen Abhängigkeitsverhältnis zu Rom vollendet, formal besiegelt und gleichzeitig institutionalisiert.228 Dies zeigte sich am Vorgehen Cäsars geradezu exemplarisch. So auferlegte dieser in der Regel den unterworfenen Völkern und Stämmen Tributzahlungen. Die Unterworfenen waren offensichtlich schon besonders privilegiert, wenn Cäsar nicht noch zusätzliche Steuern einforderte. Besiegte wie verbündete Stämme oder Völker konnten aber auch zur Entsendung von Truppenverbänden gezwungen werden und hatten dem Befehl Cäsars zu gehorchen.229 Nun übernahmen die römischen Truppen die Aufgaben, welche die Sicherheitsstrategien des Machtzentrums forderte. Die Abhängigkeit eines Gebietes von Rom bestand also in der Regel schon vor seiner Provinzialisierung, doch aus der Sicht Roms forderten sicherheitspolitische und möglicherweise wirtschaftliche Gesichtspunkte eine direkte Kontrolle und die Stationierung römischer Truppen. So wurde nach Ende des 3. Punischen Krieges (149-146 v.Chr.) und der Zerstörung Karthagos dessen Gebiet 146 v.Chr. in die Provinz Africa umgewandelt.230 Die Kontrolle über das annektierte Gebiet erfolgte im Prinzip über eine Vielzahl von Städten bzw. Völkergemeinschaften, die teilweise ein unterschiedliches Verhältnis zum römischen Eroberer hatten und die sich unterschiedlicher Kontakte mit Rom verdankten. So sind etwa im unterworfenen Gallien civitates foederatae (verbündete Völkerschaften wie die Remi und Lingones), civitates liberae (nominell freie Völker wie die Leucii, Nervii, Treverii und die SuesVgl. Podes, Dependenz (1986) 183.193.206. Vgl. Bellum Gallicum 3,11; 4,6; 6,5; 5,22,4; 7,76,1; 8,49. Vgl. Keppie, Army (1984) 44; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 116ff. Bengston vertritt die Überzeugung, dass Karthago dabei "auf dem Altar des römischen Sicherheitsbedürfnisses geopfert worden" war (118).
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siones) und civitates stipendiariae (tributpflichtige Völker wie die Morini, Menapii und die Ambiani) auszumachen.231 Zu diesen civitates oder Städten gehörte ein genau umrissenes Gebiet, was die Kontrolle der gesamten Provinz wiederum stark erleichterte. Der stark urbanisierte Osten mit seinen unzähligen Städten und Stadtstaaten und der diesen eigenen politischen Kultur und sozialen Differenzierung brachte ideale Voraussetzungen mit für seine Verwaltung und Romanisierung. Im bedeutend weniger urbanisierten Westen hingegen unternahmen die Römer Anstrengungen, die Bildung von Städten und städtischen Eliten zu fördern, die eine Kontrolle erleichtern sollten.232 Nicht urbanisierte Gebiete des römischen Westens blieben unter der Kontrolle der Armee. Hier übernahm ein praefectus civitatium die Kontrolle der ihm anvertrauten Stämme.233 Wo die Urbanisierung schon etwas weiter fortgeschritten war, konnte einem Angehörigen der lokalen Aristokratie (principes) die Kontrolle übertragen werden, der als praefectus oder praepositus vom römischen Armeekommandeur bestimmt worden war.234 Die Akkulturation und Romanisierung war deshalb ein Spiegelbild der Administration und demnach auch des Urbanisierungsgrades eines unterworfenen Gebietes und seiner Bevölkerung. Eine effiziente Regierung und Verwaltung konnte auf Dauer unmöglich durch die Armee allein gewährleistet werden, sondern bedurfte urbaner Strukturen und des Einbezugs der lokalen Aristokratie.235 Der Bau und Ausbau von Städten wurde deshalb gezielt gefördert.236 Dabei konnten aber innerhalb einer neuen Provinz bestimmte Gebiete durchaus autonom bleiben, deren Eliten sich als loyal und zuverlässig erwiesen hatten. Solche Konstellationen förderten wie etwa in Palästina einen gewissen Lokalpatriotismus. 237 Dieser konnte aus römischer Sicht durchaus als wünschenswert angesehen werden. Denn hier wurden Energien und Ressourcen in einem begrenzten und ungefährlichen Rivalitätskampf um Ansehen und Prestige innerhalb des imperium Romanum gebunden, was sich insgesamt als systemstabilisierend auswirken konnte.238 Wo hingegen solche Kräfte in Richtung einer politischen Unabhängigkeit zu führen drohten, wurden diese von den verantwortlichen Behörden sehr schnell wieder in die gewünschten Bahnen gelenkt oder gar ganz unterbunden. Gemäss Strabo teilte Augustus die Provinzen einerseits in senatorische und kaiserliche Provinzen.239 Letztere sind wiederum in drei Kategorien eingeteilt. Judäa gehörte dabei zur dritten Kategorie. In den kaiserlichen Provinzen waren die grossen Truppenverbände stationiert, während in den "befriedeten" senatorischen Provinzen eher in Ausnahmefällen Truppen standen. Gemäss Strabo hatten die kaiserlichen Provinzen eine militärisch-strategisch grössere Bedeutung, weil sie an Völkerschaften grenzten, welche dem Imperium noch nicht einverleibt waren. Deshalb seien in diesen Provinzen auch Rebellionen und Ungehorsam besonders zu
Vgl. Wightman, Gallia Belgica (1985) 55f.; Hanson, Administration (1988) 54f. Vgl. Hanson, Administration (1988) 53-68. Nach Woolf, Urbanisation (1997) 1, betrug der Anteil der städtischen Bevölkerung im grössten Teil des römischen Westens am Ende des letzten vorchristlichen Jahrhunderts nur etwa 5 bis 10 %. Vgl. dazu die erhellende Karte ebd. 2. Unter Augustus oder Tiberius ist ein solcher praefectus civitatium für die Moesi und die Trebelli belegt (vgl. CIL V 1838). Unter Nero oder Vespasian fungiert ein Zenturio der legio XI Claudia als praefectus civitatium der Maezaei und der Daesitiates (vgl. CIL IX 2564). Möglicherweise hatte auch ein centurio regionarius eine ähnliche Funktion inne (vgl. RIB 152). Weitere Beispiele sind zu finden bei Hanson, Administration (1988) 63f. Vgl. CIL III 14324-8; V 7231; Hanson, Administration (1988) 64f. Vgl. Hanson, Administration (1988) 66ff. Vgl. im Hinblick auf Galiläa Horsley, Galilee (1995) 123-127. Horsley vertritt die These, dass sich während der Lebenszeit Jesu Galiläa quasi von einem ländlichen zu einem stark städtisch geprägten Gebiet entwickelte. Doch dies dürfte eine Überschätzung der Entwicklung sein. Vgl. auch Freyne, Urban Culture (2000) 183207. Vgl. Geiger, Local Patriotism (1990) 141150. In der Provinz Syria etwa gab es immer noch etliche Fürstenreiche (vgl. Miliar, Empire (1987) 143-164, mit Lit.). S. auch o. Kap. 1.1.4. Vgl. dazu auch Woolf, Urbanisation (1997) 1-14. Vgl. Geographica 17,3,25 und dazu die Karte bei Junkelmann, Legionen ( 6 1994) 78, oder Lohse, Umwelt des NT ( 8 1989) 226, unter Berücksichtigung der Grenzen des Imperiums unter Augustus.
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befürchten. S o m i t ist auch i m Falle v o n Judäa nicht v o n einer generell geringen B e d e u t u n g für d a s I m p e r i u m zu sprechen. 2 4 0
Diese Einschätzung taucht in der Sekundärliteratur immer wieder auf, so auch bei McGing, Pilatus (1991) 438, der Judäa für "a relatively unimportant place in the Roman world" hält. Judäa war dies vielleicht in Bezug auf seine Grösse, die Lebensmittelversorgung des Imperiums oder das Steueraufkommen, sicher aber nicht in militär-strategischer Hinsicht. Vgl. dazu auch Kap. 13.1.
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MODIFIZIERTE STRATEGIEN UNTER DEN VERÄNDERTEN BEDINGUNGEN DER K A I S E R Z E I T
2.1
Von Augustus bis Nero: die julischclaudische Sicherheitsstrategie
Die römische Erfolgsgeschichte der Republik und der frühen Prinzipatszeit verdankte sich sicher nicht einfach der Genialität der römischen Feldherren oder der Überlegenheit und dem Kampfesmut ihrer Truppen. Der Erfolg stellte sich vielmehr dadurch ein, dass Armee, Diplo matie und die Erschliessung des unterworfenen Landes höchst effizient in den Dienst der strategischen Ziele des Imperiums gestellt wurden. Überhaupt waren die römischen Feldherren weniger für ihre Tollkühnheit oder ihre Unberechenbarkeit bekannt, sondern vielmehr für ihre Vorsichtigkeit und Gründlichkeit.241 So gingen sie wenn möglich offenen Gefechten aus dem Weg und Hessen den Gegner sich in befestigte Stützpunkte zurückziehen. Hier konnte dieser in aller Ruhe belagert und ausgehungert und somit eigenes Blutvergiessen vermieden werden. Auch die Belagerung Masadas nach dem Fall von Jerusalem ist ein gutes Beispiel für die römische Strategie: vom taktischen Standpunkt her machte die aufwendige langjährige Belagerung dieser Wüstenfestung sicher wenig Sinn. Vielmehr dürfte gerade der psychologische Aspekt hier ausschlaggebend gewesen sein: Es konnte nicht angehen, dass jüdische Rebellen weiterhin dem römischen Imperium die Stirn bieten und sich an ihrem Widerstand neue Unruhen entfachen konnten.242 Dabei hielten die Römer die jüdischen Rebellen weder einfach in Schach, noch suchten sie blind die Festung zu erstürmen. Vielmehr wurde durch sorgfältige, gründliche und langwierige Vorbereitungen die Zerstörung der jüdischen Festung und damit des letzten jüdischen Widerstandes vorangetrieben.243 Nach der Eroberung Masadas legte der jüdische Schriftsteller und ehemalige Widerstandskämpfer Flavius Josephus in der damaligen Weltsprache des Ostens Zeugnis davon ab, dass die Römer sogar Berge versetzten, um ihre Ziele zu erreichen. Dass die römischen Truppen zur Erreichung der strategischen Ziele häufig gar nicht eingesetzt werden mussten, verdeutlicht die Eroberung des hellenistischen Ostens, die nur wenige Schlachten erforderte.244 Die Römer machten sich offensichtlich auch die Einsicht zu eigen, dass die Furcht der Gegner vor der römischen Schlagkraft in vielen Fällen erfolgreicher sein konnte als der konkrete Einsatz dieser Schlagkraft.245 Der psychologische Aspekt militärischer Stärke wurde also nicht minder gewichtet als der rein physische Aspekt, und genau auf diesem Prinzip beruhte die römische Abschreckungsstrategie. Die Strategie der Abschreckung ist dabei keine römische Erfindung. Wie in so vielem hatten die Römer auch hierin ihre griechischen Vorbilder. So erklärt etwa Heron in seiner Vorrede zur "Lehre vom Geschützbau" (Belopoiika), wenn ein potentieller Gegner die ständige Verteidigungsbereitschaft seines "Opfers" bemerke, werde er keinen Angriff mehr wagen.246 Nach Tacitus gibt es ohne Waffenmacht keine Ruhe unter den Völkern: ... nam neque quies gentium sine armis ... (Historiae 4,74,1).
In die gleiche Kerbe schlägt auch Vegetius mit seinem viel zitierten Satz:
241
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246 245
Schon Scipio Africanus soll auf die Kritik seiner Vorsichtigkeit geantwortet haben: imperatorem me mater, non bellatorem, peperit ("meine Mutter hat mich als Feldherr geboren, nicht als Krieger"; Frontinus, Strategemata 4,7,4; vgl. Luttwak, Strategy (1979) 121; Starr, Empire (1982) 114f.). Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 25. Zur ungeheuren logistischen Anstrengung hinter dieser Belagerang vgl. Gichon, Siege of Masada (2000) 541-554. Vgl. Josephus, Bell. 7,276.304-319; Richmond, Siege-works (1962) 142-155. Die Römer schütteten dazu auf einer Länge von ca. 125 m eine tragfähige Bahn auf, auf welche eine steinerne Plattform gelegt wurde. Auf dieser Rampe mit einer Steigung von 1:3 (19°) sollte der etwa 30 m hohe Belagerungsturm hinaufgeschoben werden, welcher zur Stürmung der Festung gebaut wurde (vgl. dazu schon Schulten, Masada (1933) 167-171 einschliesslich der Pläne XIII und XIV). Interessanterweise stimmen die Angaben von Josephus in vielen Punkten mit den archäologischen Befunden überein. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 2ff. Vgl. auch Goldsworthy, Army (1996) 285. Vgl. Belopoiika 1; Mau, Heron (KP 2/1979) Sp. 1108.
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... igitur qui desideratpacem, praeparet bellum ... (Epitoma 3 prolegomena). Und Augustus meinte, dass die Römer in ihrem Weltreich ohne ihre Waffen nicht in Sicherheit leben könnten.247 Diese hier literarisch ausgedrückte Abschreckungsstrategie wird auch gegenüber den Parthern angewandt, gegen die Rom etliche schwere Niederlagen erlitten hatte und so eine direkte Konfrontation zu vermeiden suchte. Als nach dem Friedensschluss 18 n.Chr. zwischen Rom und Parthien der parthische König Artabanos III. seine Macht weiter ausbaut und nach dem Tode des armenischen Königs Zenon kurzerhand seinen Sohn Arsakes auf den armenischen Thron setzt, läuten in Rom die Alarmglocken.248 Diese erneute Usurpation Armeniens bedeutete nämlich nur einen Schritt auf dem Weg zur Wiederherstellung eines orientalischen Grossreiches. So schreibt Tacitus über Artabanos: ... simul veteres Persarum ac Macedonum terminos, seque invasurum possessa primum Cyro et post Alexandro per vaniloquentiam ac minas iaciebat ... "... zugleich wies er auf die alten persisch-makedonischen Grenzen hin und kündigte mit prahlerischen Drohungen an, er werde in die zuerst von Kyros und danach von Alexander beherrschten Gebiete einrücken" (Annalen 6,31,2). Tiberius übergibt Vitellius das Oberkommando über die gewaltigen Truppenverbände des Ostens und setzt damit auf deren Abschreckungs wirkung: ... Vitellius ostentasse Romana arma satis ratus ... "... Vitellius glaubte, die römischen Waffen vor Augen geführt zu haben, sei genug" (Tacitus, Annalen 6,37,5). Diese Abschreckungswirkung wird durch Streitigkeiten unter der parthischen Nobilität unterstützt: So erscheint eine oppositionelle parthische Delegation in Rom, welche Tiberius um die Einsetzung von Phraates, einem Sohn von Phraates IV., als Gegenkönig zu Artabanos bittet. Weil dieser aber bereits auf der Reise stirbt, wird kurzerhand Tiridates, ebenfalls ein Verwandter von Phraates IV., mit dem gleichen Mandat beauftragt. Im gleichen Zug erhält der Hiberer Mithridates den armenischen Königsthron, der erfolgreich mit einem Koalitionsheer von Armeniern, Hiberern und Sarmaten gegen den von Artabanos eingesetzten Thronprätendenten Orodes kämpft. Gleichzeitig zwingt der römische Truppenaufmarsch unter Vitellius Artabanos zur Flucht. Unter der Eskorte der römischen Truppen wird Tiridates nach Ktesiphon begleitet, wo er das königliche Diadem erhält. Allerdings dauert seine Herrschaft nicht sehr lange, sondern Artabanos kann dank innerparthischer Streitigkeiten und mittels eines Skythenheeres den Thron zurückerobern, worauf Tiridates Zuflucht in Syrien nimmt.249 2.1.1
Sicherung statt Vergrösserung des Reiches
Während in republikanischer Zeit Rom auf äussere Bedrohungen mit weiterer Expansion reagierte, so wurden zumindest von 6 n.Chr. an bis zum Einmarsch in Britannien von 43 n.Chr. keine grösseren Eroberungsfeldzüge unternommen. Doch auf Expansion verzichtete auch Augustus weder als amtierender Prinzeps noch in seinem Testament, wo er die Elbe als Nordgrenze des Reiches beansprucht.250 Augustus schreibt in seinem Tatenbericht ausdrücklich, dass auch für ihn Expansion ein probates Mittel der Grenzsicherung ist:
Vgl. Cassius Dio 43,18,4. So setzte der parthische König in Media Atropatene, Mesene, Charakene, Persis und Elymais die lokalen Dynasten ab und gleichzeitig sog. "Sekundogenituren" ein (so Schippmann, Parthische Geschichte (1980) 50). Vgl. Tacitus, Annalen 6,33,2; 6,36-37; 6,43-44; Egger, Crucifixus (1997) 56. Augustus Hess Thrakien unterwerfen und begann im Winter 4/5 n.Chr. unter der Führung von Tiberius die Eroberung Germaniens (vgl. Vellerns Paterculus 2,105,3-107,3; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 236; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 166). Zum Testament vgl. Sueton, Augustus lOlff.
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"Bei allen Provinzen des römischen Volkes, denen Völkerschaften benachbart waren, die unserem Befehl nicht gehorchten, habe ich die Grenzen erweitert. Die gallischen und spanischen Provinzen und ebenso Germanien ... habe ich befriedet." (Res gestae 26) In der Tat waren gerade die Eroberungen unter Augustus für den strategischen Zusammenhalt und die Sicherung des Reiches von besonderer Bedeutung. Somit blieb auch in der Prinzipatszeit die Eroberungs- und Expansionsideologie wichtig, wie auch der militärische Erfolg des Kaisers. Im 1. Jh. n.Chr. wurden die Kaiser immerhin noch 116-mal im Triumph gefeiert, während es im 2. Jh. nur noch 46-mal waren.25' Die Sicherung des Reiches war nun wichtiger geworden als seine Mehrung.252 Bezeichnenderweise versuchte etwa Augustus, den seit dem Feldzug von Crassus schwelenden Konflikt mit den Parthern auf diplomatischem Weg zu lösen.253 Diese neue Strategie hatte natürlich auch damit zu tun, dass das Imperium in seiner Ausdehnung nun an natürliche Grenzen wie Meere, grosse Flüsse, Berggebiete und Wüsten stiess. Andererseits boten gewisse Territorien wohl auch zu wenig Anreiz für eine militärische Eroberung oder waren nur schwer zu kontrollieren.254 Damit verbunden galt für diese Periode die Maxime, dass sich militärischer Aufwand und Ertrag das Gleichgewicht halten sollten. Damit konnten die Staatsausgaben, von denen der Militäretat den weitaus grössten Posten ausmachte, in einem zumindest für den Staat wirtschaftlich einigermassen verträglichen Rahmen gehalten werden.255 Die neue Maxime hatte aber auch noch einen weiteren positiven Einfluss auf die römische Gesellschaft. Weil nicht mehr primär Expansionskriege mit dem Ziel der Unterwerfung neuer Völker und Territorien geführt wurden, blieb der grosse Sklavenzustrom aus der Kriegbeute aus, der die Wirtschaft während der Republik völlig verändert hatte.256 Dadurch und aufgrund der Möglichkeit, als Sklave freigelassen zu werden, fanden wieder vermehrt freie Bürger Arbeit auf dem städtischen und landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt.257 2.1.2
Der Schutz der Grenzen als Hauptaufgabe der Armee als mobiler Eingreif truppe
Die innere wie äussere Sicherheit sollte primär durch die in den Provinzen stationierten Truppen gewährleistet werden.258 Diese waren dabei nicht entlang einer befestigten Grenze verteilt, denn die Imperiumsgrenzen bildeten zu dieser Zeit nämlich auch keine genau markierte Linie, sondern vielmehr ein Gebiet bzw. eine Region.259 Zudem war für ein derartiges exklusives Sicherheitskonzept auch die römische Truppenstärke zu gering. So bewegten sich die militärischen Einheiten im Bedarfsfall an den Ort des Geschehens, um hier grössere Aufstände niederzuschlagen und Angriffe abzuwehren.260 Die Gewährleistung der inneren Sicherheit fiel dabei primär in den Zuständigkeitsbereich der weniger beweglichen Legionen. Insbesondere die Steuererhebung führte in den Provinzen immer wieder zu Aufständen.261 Natürlich wurden Vgl. Starr, Empire (1982) 24.115; Braund, Empire (1988) 12. Vgl. Tacitus, Annalen 4,32 (für die Zeit von Tiberius); Starr, Empire (1982) 123; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 166f. Nachdem die unter Crassus verlorenen Feldzeichen sowie Kriegsgefangenen zurückgegeben worden waren, einigte sich Augustus mit den Parthem auf den Euphrat als zukünftige Grenze zwischen den beiden Reichen (vgl. Augustus, Res Gestae 29; Ovid, Fasti 5,579ff.; Cassius Dio 54,9,1; Hanslik, Augustus (KP 1/1979) Sp. 750; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 170). Zu Carrhae vgl. auch u. Kap. 3.3. Vgl. Josephus, Bell. 5,366f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 169; Starr, Empire (1982) 24. Vgl. Gesche, Weltbehemcher (1981) 172; Starr, Empire (1982) 80; Mattem, Strategy (1999) 208f. S. auch Kap. 4.6 sowie Exkurs C.5. Einige Zahlen zu den in verschiedenen Kriegen gemachten Sklaven finden sich u. Kap. 10.1. Zu den Veränderungen in der Landwirtschaft vgl. etwa Schneider, Militärdiktatur (1977) 15-20.5779.152-159.240-243 oder Gamsey - Salier, Empire (1987) 64-82. Vgl. auch Kap. 5.2 und Exkurs B. Vgl. die Übersicht bei Tacitus, Annalen 4,5, über die Stationierung der Legionen unter Tiberius im Jahr 23 n.Chr., die etwa von Parker, Legions (1928) 119, als realistisch angesehen wird. Vgl. Braund, Client Kings (1988) 92; Starr, Empire (1982) 126; Le Bohec, Army (1994) 152. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 19; Starr, Empire (1982) 123f. Vgl. Dyson, Native Revolts (1971) 239-274; Luttwak, Strategy (1979) 18; Mattern, Strategy (1999)135.
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hier im Bedarfsfall auch Hilfstruppen eingesetzt, wie dies einige Beispiele aus Palästina zeigen. Die mobileren auxilia konnten aber auch rascher gegen äussere Bedrohungen eingesetzt werden. Dadurch wurde ein Gegner schnell angegriffen, in eine Auseinandersetzung verwickelt und den Legionen die nötige Zeit zum Aufmarsch verschafft. Die Armee fungierte in dieser Zeit demnach primär als mobile Eingreiftruppe, und nicht als stationäres Grenzwachtkorps, das ein genau umrissenes Gebiet zu schützen hatte. Entsprechend befand sich die Armee häufig im Feld, wo die Soldaten in ihren Zelten schliefen. Und auch die Winterquartiere bestanden grösstenteils aus Holz, wo die Truppen nicht Unterkünfte aus Stein vorfanden und beziehen konnten.262 Die Sicherung der Grenzen blieb auch in der ersten Zeit nach der Amtszeit von Augustus eine Hauptaufgabe der Armee. Dabei wurden viele Winterquartiere (hiberna) zu dauerhaften Legionsstandorten umfunktioniert.263 2.1.3
Klientelreiche als aktive Pufferzonen
Augustus hatte etliche Klientelfürsten und -könige, welche seine Interessen an der Peripherie des Imperiums verfolgten. Im Gegensatz zu den Provinzen galt in den Klientelreichen noch lokales Recht, und die Regierung und die Verwaltung lag in einheimischen Händen. Die Bedingungen für Klientelstaaten wurden aber immer drückender, bis viele von ihnen unter Augustus fast provinziellen Status hatten und der Kaiser sich nahezu unbegrenzt in die internen Angelegenheiten dieser Reiche einmischte.264 Dies wird auch an Palästina unter der herodianischen Familie deutlich. Als Tiberius im Jahre 14 n.Chr. die Nachfolge von Augustus antrat, waren die römischen Provinzen, wo diese nicht wie in Gallien oder Spanien ans Meer grenzten, als primäres Hoheitsgebiet des römischen Imperiums zu einem grossen Teil von einem Sicherheitsgürtel aus Klientelreichen umgeben.265 In Mauretanien regierte immer noch Juba II., der 25 v.Chr. von den Römern eingesetzt worden war. In Palästina war zwar Judäa seit dem Jahre 6 n.Chr. römische Provinz, doch die Herodessöhne Philippus und Antipas regierten noch autonom über die von ihrem Vater vererbten Gebiete von Ituaräa, Batanäa, Trachonitis, Auranitis und Galiläa. Im Osten Palästinas befand sich das Reich der Nabatäer, das ebenfalls unter dem Einfluss Roms stand. Ausser Lycia war West-Anatolien in Provinzen aufgeteilt, weiter im Osten hingegen bildeten Kappadokien und Pontus wichtige Klientelstaaten. Daneben befanden sich auch das Fürstentum von Teukrid oder die Königreiche von Tarkondimotid, Komana oder Kommagene im Schatten Roms und sicherten den südlichen Zugang zum parthischen Reich.266 Auf dem Balkan blieb zumindest Thrakien bis zum Jahr 46 n.Chr. Klientelstaat. Nachdem Tiberius die erfolglosen Angriffe auf die germanischen Stämme eingestellt hatte und sich die beiden stärksten Gegner nun gegenseitig bekämpften, konnte sich auch hier die römische Diplomatie entfalten.267 In der Folge bildeten die Friesen, Bataver, Hermunduri, Markomannen, Quadi und die sarmatischen Iazyges eine Kette von Klientelstämmen. Auch für Britannien wurde ein Klientelverhältnis angestrebt, doch dürfte die von Strabo behauptete enge Verbindung augusteische Propaganda sein.268 Im Gegensatz zu den östlichen KlientelVgl. Luttwak, Strategy (1979) 18ff.; Le Bohec, Army (1994) 150.160. Vgl. Tacitus, Annalen 1,11,7; Smith, Army Reforms (1972) 481; Keppie, Army (1984) 191ff. Vgl. Cimma, Reges Socii (1976) 313f.332. Für das Ende der Regierungszeit von Augustus identifiziert Paltiel, Vassais (1991) 138, 17 amtierende Klientelherrscher/innen: 1. König Kotys von Thrakien; 2. dessen Onkel Rhescuporis, Dynast eines Teils von Thrakien; 3. Königin Pythodoris von Pontus; 4. der Hohepriester Dyteutus von Camana Pontica; 5. Tigranes V. von Armenien; 6. Archelaos von Kappadozien; 7. Antiochos III. von Kommagene; 8. Philopator II. von Ost-Kilikien; 9. Der Hoheprister Ajax und Toparch von Olba; 10. Shamsigeram II. von Horns; 11. der Tetrarch Varus von Arqa; 12. Lysanias II. aus Ituräa; 13. der Tetrarch Philippus; 14. Herodes Antipas; 15. der Nabatäer Aretas IV.; 16. Gambaros; 17. Taimallah. Schon Pompeius hatte diese Strategie energisch verfolgt. So soll der siegreiche Feldherr gesagt haben, bei seiner Ankunft sei Asia Grenzprovinz gewesen, bei seiner Abreise hätte diese inmitten des Imperiumbereiches gelegen (vgl. Plinius, Naturalis Historiae 7,99; Badian, Imperialismus (1980) 112). Zur Geschichte Kommagenes vgl. Paltiel, Vassais (1991) 38-41. Vgl. Tacitus, Annalen 2,26. Vgl. Strabo 4,5,3; Luttwak, Strategy (1979) 20f.
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Staaten, die über kurz oder lang annektiert wurden, blieben die germanischen Klientelstämme weit selbständiger und verlangten R o m eine rege diplomatische Aktivität ab.269 Als Vorbild für das Verhältnis dieser Staaten zu R o m diente weiterhin das aus dem bürgerlichen Leben bekannte Verhältnis des patronus zu seinen clientes. Für geleistete officio seiner clientes verteilte hier der patronus seine beneficia. So war schon f ü r Cicero R o m der Herr über die verbündeten Könige. 270 U n d Augustus spricht klar von den verbündeten Königen als membra partisque imperii (Sueton, Augustus 48). Dies deckt sich mit der oben zitierten Aussage von Tacitus, es wäre eine alte Gepflogenheit der Republik gewesen, Könige für eigene (Sklaven-) Dienste einzuspannen (instrumenta servitudinis).271 Bezeichnend für das Machtverhältnis R o m s zu den Klientelherrschern ist auch die folgende Aussage von Augustus in Bezug auf das Königreich Armenien: "Ich hätte das Königreich in eine Provinz umwandeln können, doch ich zog es vor, den Gepflogenheiten meiner Vorgänger zu folgen." (Res Gestae 27) Geriet ein Klientelstaat weiter in die Abhängigkeit Roms, wurde dies mit der Verleihung des Titel amicus populi Romani ausgedrückt. Dadurch wurde auch auf die geleisteten oder noch zu leistenden Dienste g e g e n ü b e r R o m hingewiesen. 2 7 2 Dabei blieben d e m Klientelfürsten k a u m mehr eigene Befugnisse, und R o m mischte sich direkt in die Innenpolitik ein. Die Bedeutsamkeit der Klientelreiche im römischen Reich hatte vielleicht auch damit zu tun, dass gerade K ö n i g e als Klientel f ü r den jeweiligen patronus einen bedeutenden Prestigezuwachs mit sich brachten. 273 Dies auch deshalb, weil Könige als etwas Besonderes galten und das K ö n i g t u m f ü r R o m selbst formal tabu war. 274 Dies zeigte sich auch bei den T r i u m p h z ü gen durch R o m , bei denen K ö n i g e teilweise in goldenen oder silbernen Ketten mitgeführt wurden. 275 Doch während es in der Republik noch allen römischen nobiles im Prinzip offenstand, Kontakte zu Königen zu pflegen, wurden diese in R o m später von den Kaisern monopolisiert. 276 Doch auch für die Statthalter in den Provinzen gehörte der U m g a n g mit Königen und Fürsten z u m alltäglichen politischen Geschäft. 277 Politische Führer der Republik und später die Kaiser achteten auch darauf, gewisse Klientelreiche durch Heirat stärker untereinander u n d mit R o m zu verbinden, wie dies auch durch römische Erziehung der Königskinder geschehen konnte. 278 Der U m g a n g mit Königen war für die Kaiser demnach nicht nur politisch wichtig, sondern besonders prestigeträchtig. 279 D a -
Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 21. Vgl. De domo sua 90; Brunt, Laus imperii (1978) 169. Vgl. Agricola 14; Brunt, Laus imperii (1978) 169; Paltiel, Vassals and Rebeis 310. S.o. Kap. 1.1.5. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 2If. Dies dürfte auch auf Caligula zutreffen, der zu Beginn seiner Amtszeit zu diesem Zweck auch Dynasten und Tetrarchen zu Königen machte (vgl. die Beispiele bei Paltiel, Vassais (1991) 158f. Anm. 4-5). Vgl. etwa die Darstellung von Mithradates VIII. bei Tacitus, Annalen 12,21. Vgl. auch Plutarch, Galba 13ff; Braund, Client Kings (1988) 73. Vellerns Paterculus 2,82 lässt den König von Armenien Artavasdes in goldenen, Cassius Dio 49,39 hingegen nur in silbernen Ketten im Triumphzug des Antonius auftreten (vgl. Braund, Client Kings (1988) 74ff. mit weiteren Beispielen). Zum Ablauf eines Triumphes vgl. Rüpke, Domi Militiae (1990) 223234. Vgl. Tacitus, Annalen 3,55; Braund, Client Kings (1988) 75. Vgl. Cicero, In Verrem 2,4,67; In L. Pisonem 84; Pro C. Rabirio Postumo 21; Plinius, Epistulae 10,63.67; Braund, Client-Kingship (1984) 60. Vgl. auch die Kontakte zwischen Pilatus und Herodes Antipas (vgl. Hoehner, Antipas (1972) 182), oder die von Josephus geschilderten vielfältigen Beziehungen zwischen den römischen Statthaltern, der herodianischen Familie und den nabatäischen Herrschern. Vgl. etwa Sueton, Augustus 48; Josephus, Ant. 19,236ff; Braund, Client Kings (1988) 85f.; Jacobson, Client Kings (2001) 23ff. Ganz in diesem Sinne verheiratete auch Herodes I. seinen Sohn Alexander mit der Tochter von Archelaus von Kappadozien, Glaphyra (vgl. Josephus, Bell. 1,446; Ant. 16,11). Vgl. Augustus, Res Gestae 3If.; Sueton, Nero 47,2; SHA, Antoninus Pius 9,10.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
zu gehörte auch die Gewährung von Asyl für Könige oder deren Söhne, die in innenpoliti schen Schwierigkeiten steckten.280 Die Klientelstaaten und Stämme bildeten also ein Sicherheitsdispositiv rund um den unmit telbar regierten und verwalteten Teil des römischen Imperiums. Sie formten auch geogra phisch eine Pufferzone. Wie bereits erwähnt, konnten sie dadurch schon früh kleinere Angrif fe von aussen abfangen oder den römischen Truppen die nötige Zeit für den Aufmarsch ge währen.281 Schutz gegen Infiltration, Massnahmen gegen das Piratenunwesen und die Auf rechterhaltung der inneren Sicherheit waren auch in dieser Periode wichtige Aufgaben der Klientelherrscher.282 Dies sollte zudem die römischen Truppen entlasten.283 So bezeichnet eine Inschrift aus der Zeit von Gaius einige Königreiche als "Leibwächter" des Imperiums.284 Die militärische Stärke der Klientelherrscher sollte dabei für ihre Aufgaben einerseits ausrei chend sein, andererseits aber für Rom keine Bedrohung darstellen.285 Diese Disposition führte allerdings auch dazu, dass Rom manchmal mit Hilfe eigener Truppen eingreifen musste, wenn Klientelfürsten die innere und äussere Sicherheit nicht mehr garantieren konnten.286 Rom be tont deshalb auch seine Funktion als Beschützer dieser Klientelreiche, und Cicero bezeichnet Rom als den Zufluchtsort für Könige und fremde Nationen.287 Die Strategie Roms zielte auch darauf ab, in einer Region ähnlich starke Klientelreiche zu erhalten. Diese neutralisierten sich demzufolge in machtpolitischer Hinsicht gegenseitig. Zu dem war ihnen von Rom her eine eigenständige aussenpolitische Diplomatie grösstenteils untersagt, so dass sie auch kaum eine Koalition gegen Rom eingehen konnten. Einen besonderen Fall stellte in diesem Zusammenhang der BosporusStaat dar, der ohne di rekten Anschluss an das römische Imperium sich im Westen der Krim befand. Aufgrund sei ner wirtschaftlichen Attraktivität behielt ihn Rom jedoch unter seinem Einfluss.288 Wie wichtig die Klientelstaaten und -Stämme für das Sicherheitsdispositiv Roms waren, zeigt die Schilderung von Tacitus, der die Königreiche von Mauretanien, Thrakien, Iberien, Alba nien und weitere kaukasische Königreiche im Zuge seiner Auflistung der Legionen aufführt. Für Tacitus hatten diese Klientelstaaten offensichtlich eine ebenbürtige Funktion in der Siche rung der Grenzen wie die römischen Legionen.289 Damit wird klar, dass die Klientelreiche und Schon Herodes hatte am Ende der Republik in Rom Asyl erhalten (vgl. Josephus, Ant. 14,381-389). Vgl. auch Augustus, Res Gestae 32; Sueton, Caligula 44,2; Cassius Dio 60,19,1; Tacitus, Annalen 2,63; Agricola 24,3. Vorher hatte auch Cäsar dem Prinzen Mandubracius in Gallien Schutz gewährt (vgl. Caesar, Bellum Gallicum 5,20). Die Langsamkeit marschierender Truppen erleichterte die Kontrolle über einfallende Gegner. Höhere Geschwindigkeiten und grössere Reisedistanzen pro Tag waren hingegen auf dem Seeweg zu erzielen. Vgl. dazu Casson, Ships (1971) 281-296, mit vielen Beispielen und den die Geschwindigkeit beeinflussenden (äusseren) Variabein. Vgl. zu den Massnahmen gegen Piraten Cicero, In Verrem actio 2,4,66f; Pro L. Valerio Flacco 30. So wurde der Klientelherrscher Zenodorus abgesetzt, weil er einerseits in Illyrien das Banditenwesen zu wenig entschlossen bekämpft (vgl. Josephus, Ant. 16,271) und andererseits Banditenstreifzüge eigener Leute gegen die Trachonitis und Damaskus unterstützt bzw. sich an deren Beute beteiligt hatte (vgl. Josephus, Ant. 15,344; Braund, Client Kings (1988) 90f.). Für Strabo ist die Bekämpfung des Piratenunwesens durch Könige gar erfolgreicher als durch die Römer selbst (vgl. 14,5,6-8). Und gemäss Tacitus, Annalen 6,42,6, mussten die römischen Truppen gar die Hilfe eines Königs zur erfolgreichen Bekämpfung von Banditen in Anspruch nehmen. Vgl. Stevenson, Administration (1939) 47-50. So wurden unter der Herrschaft von Herodes I. keine römischen Truppen nach Judäa gesandt. Nach dem Tod von Herodes und dem kurzen Zwischenspiel von Archelaus wurden in Judäa zuerst nur auxilia-Kohorten stationiert (s.u. Kap. 13.5). Vgl. Smallwood, Documents (1967) Nr. 401; Braund, Client Kings (1988) 92. So beschreibt Cicero Deiotarus von Galatien als stark genug, die Grenzen gegen aussen zu verteidigen, aber zu schwach, um eine Gefahr für Rom darzustellen (vgl. Deiotarus 22). Wahrscheinlich griffen die leg. III Augusta und die leg. IX Hispana in die sich hinziehenden Querelen mit dem aufständischen Tacfarinas ein, in die auch Juba II. und aufständische Gruppen aus seinem Königreich involviert waren, und besiegten diesen 24 n.Chr. (vgl. Cagnat, Armee d'Afrique (1913) 7-24). Vgl. Cicero, Pro P. Sulla 33. Vgl. auch Caesar, Bellum Gallicum 1,44; Braund, Client Kings (1988) 92. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 20; Danoff, Bosporanum regnum (KP 1/1979) Sp. 931ff. Vgl. Tacitus, Annalen 4,5; Luttwak, Strategy (1979) 30.
Α Politische Strategien
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-Stämme in dieser Zeit nicht einfach eine passive, sondern eine aktive Pufferrolle für das römische Imperium darstelltenn. Daneben mussten diese Staaten oder Stämme häufig Truppenkontingente stellen, die teilweise als auxilia in der römischen Armee Dienst taten.290 Darunter befanden sich neben Reitertruppen oft spezialisierte Waffengattungen wie Bogenschützen oder Steinschleuderer. Annektierte Rom das Heimatgebiet oder den Heimatstaat, wurden sie häufig der römischen Armee einverleibt.291 Obwohl die ehemaligen Klientelstämme oder -Staaten dadurch nun der direkten Besteuerung durch Rom unterstellt waren, konnten sie in gewissen Fällen anstelle der normalen Steuern weiterhin Truppen entsenden, wie dies der Fall der Bataver belegt.292 Für eine Eingliederung ins römische Imperium brachten gerade die von Rom unterworfenen Staaten und Gemeinschaften des Ostens gute Voraussetzungen mit. Wo sich die römische Herrschaft nicht primär in Erpressung, Ausbeutung und militärischer Grausamkeit äusserte, traf sie auch nicht zum vornherein auf Ablehnung. Eine Einschränkung ihrer (politischen) Freiheit empfanden nämlich primär die vormaligen herrschenden Gruppen, für die Masse der Bevölkerung änderte sich unter römischer Herrschaft kaum etwas.293 Für sie war die indirekte wie auch direkte Machtübernahme durch Rom nicht unbedingt mit einem Verlust an politischer Freiheit verbunden. Denn auch sogenannt demokratische Staaten des Ostens waren im Grunde nichts anderes als Oligarchien, deren Akteure und Nutzniesser nur eine kleine Gruppe bildeten.294 2.1.4
Die Betreuung und ٢berwachung der clientes durch die römischen Herren
Das Machtverhältnis Roms zu den einzelnen Klientelstaaten weist eine breite und nuancierte Palette auf. Es sollte in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen werden, dass eigentlich das gesamte Imperium Romanum in einem Klientelverhältnis zum Prinzeps stand und nicht nur einzelne Fürstentümer, Stämme oder Königreiche.295 So sieht Tacitus im Königreich Mauretanien ein Geschenk des römischen Volkes an König Juba II.296 Die kaukasischen Klientelreiche schätzt der römische Geschichtsschreiber als römische Protektorate gegenüber äusseren Feinden ein. Über Thrakien sagt Tacitus nur aus, dass es als Klientelreich von Rom gehalten wurde.297 Trotz der Rom eigenen Überheblichkeit, die sich in solchen Aussagen widerspiegelt, darf nicht vergessen werden, dass innerhalb des hegemonischen und weniger territorialen Herrschaftskonzepts dieser Zeit die Klientelreiche für die Sicherheit des Imperiums unverzichtbar waren. So bestätigte Octavian umgehend auch sechs bedeutende Klientelkönige, die noch bei Aktium auf der Seite von Antonius gekämpft hatten.298
Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 24. Bei der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes waren offenbar neben drei römischen Legionen und den Hilfstruppen weitere 15Ό00 Mann beteiligt. Diese wurden einerseits von Antiochus IV. Epiphanes von Kommagene gestellt, der 38 n.Chr. König wurde und 72 n.Chr. sein Königreich verlor. Andererseits befanden sich aber auch Kontingente von Agrippa II., Soemos von Emesa und der Araber Malchus darunter (vgl. Josephus, Bell. 3,64-69). Tacitus gibt ebenfalls eine Liste von Truppen, die von Klientelherrschern für den Krieg gegen die Juden gestellt wurden (vgl. Historiae 5,1). Dass Klientelfürsten Truppen aufbieten mussten, darauf weist auch der Name der legio XXII Deiotariana hin, die ihren Ursprung in einem kriegerischen Konflikt im Galatien von Deiotarus gehabt haben dürfte (vgl. Parker, Legions (1928) 89.271; Keppie, Legion XXII (1990) 54). Zu dieser Legion vgl. auch Daris (2000) 365-367. Vgl. Cheesman, Auxilia (1914) 59. Vgl. Tacitus, Germania 33. Eine bedeutende Ausnahme war sicher Palästina. Vgl. dazu auch Kap. 7.3, 13.9.1 und 13.9.2. Vgl. Wengst, Pax Romana (1986) 18; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 164. Vgl. Braund, Client Kings (1988) 78. Vgl. Tacitus, Annalen 4,5. Zu Juba II. vgl. Gsell, Histoire VIII (1928) 206-276; Romanelli, Province romane (1958) 156-174. Vgl. Tacitus, Annalen 4,5; Paltiel, Vassais (1991) 48f. Vgl. Badian, Roman Imperialism (1968) 4; Luttwak, Strategy (1979) 30. S. auch o. Kap. 1.1.5.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
Herodes I. etwa hatte nach dem Sieg Octavians von Aktium sehr rasch reagiert und sich aus Sorge um seine Zukunft geschickt der Gnade Octavians unterworfen. Der König durfte weiter regieren und revanchierte sich für die Gunst des zukünftigen Prinzeps mit Geschenken, Feierlichkeiten und der Verpflegung der Truppen.299 Die 800 Talente und die anderen Geschenke verschaffte ihm nicht nur bei Octavian das Ansehen, "dass er einen grösseren und glänzenderen Aufwand gemacht habe, als es die Kräfte sei nes Reiches gestatteten. Infolgedessen breitete sich nur um so mehr die ٢berzeugung von seiner Treue und Ergebenheit aus, und es gereichte ihm zu grossem Nutzen, dass er seine Freigebigkeit den Zeitverhältnissen so richtig angepasst hatte." (Josephus, Ant. 15,200f.)
Wenn Josephus von den "Kräften des Reiches" spricht, dürfte wohl klar sein, dass damit letztlich die Steuern zahlende Bevölkerung gemeint ist. Für die wechselnde Loyalität ihrer Herrscher musste demnach auch die Bevölkerung Judäas gerade stehen. Sein Urenkel Agrippa II. tat es Herodes gleich, wenn er etwa 100 Jahre später den Feldherrn und angehenden Kaiser Vespasian "mit seinem Heer in seinem reich ausgestatteten Haus willkommen heissen wollte und da bei auch die Absichten hatte, mit römischer Hilfe seinen gefährdeten Thron zu festigen" (Josephus, Bell. 3,443).
Den machtpolitischen Luxus der Bestrafung erlaubte sich Augustus nur gegenüber weniger bedeutenden Klientelfürsten. So setzte er die tarkondimotidischen Fürsten von HierapolisCastabala in Kilikien ab, aber einige Jahre später setzte er den tarkondimotidischen Herrscher Tarkondimotus II. Philopator wieder ein, dessen Vater bei Aktium auf der Seite von Antonius umkam.300 Auch ein gewisser Alexas (bzw. Alexander) wurde bestraft.301 Das hegemoniale Herrschaftskonzept hatte Augustus aus republikanischer in die Zeit des Prinzipats übernommen, zu dessen Sicherung mussten die Klientelherrscher aber stetig betreut und überwacht werden. Je nach Bedeutung des jeweiligen Herrschers pflegte der paternalistische Augustus einen nachsichtigen und freundlichen Umgang, in gewissen Fällen setzte der Prinzeps seine Politik aber ohne Umschweife durch.302 Zur Etablierung eines guten Kontaktes mit Rom unterhielten gewisse Klientelkönige wie die Könige Mauretaniens auch Niederlassungen in den römischen Kolonien Spaniens von Gades und Carthagena Nova.mi Unter der Klientel des römischen Staates befanden sich auch Herrscherinnen, wie dies Tacitus etwa für Britannien festhält.304 So regierten im Süden Δgyptens teilweise nubische Königinnen, die jeweils als "Kandaken" bezeichnet wurden.305 Diese Herrscherinnen verfügten manchmal über eine beträchtliche Macht, wie die Beispiele von Kleopatra VII. von Δgypten, Dynamis aus dem Bosporusreich oder Pythodoris von Pontus zeigen.306
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Vgl. Josephus, Bell. 1,386-397. Gemäss Josephus, Ant. 15,200 und 16,128 waren es 800 Talente. S. auch o. Kap. 1.1.5. Vgl. Cassius Dio 41,63,1; 47,26,2; 50,14,2; Plutarch, Antonius 61,2; OGIS 752-753; Volkmann, Tarcondimotus (KP 5/1979) Sp. 518; Paltiel, Vassais (1991) 43. Tarkondimotus Philopator kam dann 17 n.Chr. um (vgl. Cassius Dio 54,9,2; Tacitus, Annalen 2,42,5). Vgl. Josephus, Bell. 1,393; Ant. 15,197; Plutarch, Antonius 66.72; PIR I ( 2 1933) 87; Kasher, Jews (1988) 146 mit Anm. 39. Gemäss Josephus, Bell. 1,531 wurde Eurykles von Lakädaimonien nach dessen Intrigen am Hofe des Herodes ohne Zögern in die Verbannung geschickt. Herodes und sein Sohn Archelaus wurden von Augustus hingegen weit rücksichtsvoller behandelt. Letzterer wurde erst nach verschiedenen Anklagen beim Prinzeps in die Verbannung geschickt (vgl. etwa Bell. 1,386-397.400.452-454; 2,1-37.80-100.111-116; s.u. Kap. 12.1. und 12.2). Vgl. Braund, Client Kings (1988) 89. Vgl. Agricola 16. Vgl. Apg 8,27; Strabo 18,820; Plinius, Naturalis historiae 6,29.186; Cassius Dio 8,27; Helck, Kandake (KP 3/1979) Sp. 106; Braund, Client Kings (1988) 71. Vgl. Macurdy, Vassal Queens (1937); Braund, Client Kings (1988) 71.
Α Politische Strategien
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Rom beobachtete und beaufsichtigte stets seine Klientel und wachte über deren Loyalität.307 Im Osten war dies gerade im Hinblick auf die Konkurrenz zum Partherreich besonders wichtig. Dabei bildete etwa das römische Protektorat über Armenien seit 20 v.Chr. ein wichtiges Puffergebiet.308 Hier herrschte zuvor der römerfeindliche Artaxes, der jedoch von Tiberius geschlagen wurde und zu den Parthern fliehen musste. Phraates IV. konnte sich allerdings aufgrund innenpolitischer Probleme nicht auf eine neue Auseinandersetzung mit den Römern einlassen. Er schloss mit Augustus einen Friedensvertrag, wobei den Römern die bei Carrhae (53 v.Chr.) verloren gegangenen Standarten zurück gegeben wurden.309 Augustus feierte diesen Vertrag zwar wie einen militärischen Sieg: Parthos ... supplicesque amicitiam populi Romani petere coegi (Res gestae 29).3,0 Auf dem Forum wurde auch ein Triumphbogen errichtet. Dies alles kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich hier primär um die Abgrenzung und Respektierung der Interessensphären der beiden Völker handelte. 3 " Von einem militärisch zwingenden Erfolg der Römer kann dabei nicht die Rede sein, höchstens von einem diplomatischen.312 Dass die Sorge um die Loyalität der clientes nicht unbegründet war, zeigen auch die Anklagen gegen Archelaus aus Kappadozien (17 n.Chr.) und Antiochus IV. aus Kommagene (72 n.Chr.), sich mit den Parthern gegen die Interessen Roms verbündet zu haben.313 Im Osten wurden gerade Beziehungen zum Partherreich genauestens beobachtet.314 Ein besonderes Augenmerk richtete Rom dabei auf Gebietsvergrösserungen der Klientelreiche. Diese durften nur auf ausdrückliche Genehmigung durch Rom vonstatten gehen. Und militärische Unternehmungen von Seiten der Klientelherrscher durften ausschliesslich defensiver Natur sein.315 Auch die militärische Aufrüstung oder aussenpolitische Kontakte der Klientelherrscher wurden von Rom argwöhnisch beobachtet.316 Die Loyalität der Klientelherrscher wurde von den römischen Staatsführern aber nicht nur kontrolliert, sondern auch durch Gunsterweise honoriert. So erhielten Klienten teilweise die römische Staatsbürgerschaft, was etwa unter der restriktiven Handhabung unter Augustus ein besonderes Privileg darstellte.317 Gebietszuweisungen dienten neben anderem ebenfalls diesem Zweck. So wurde etwa Herodes 24/23 v.Chr. ein Teil von Ituräa zugewiesen, als er noch in der Gunst von Augustus stand. Dieses Gebiet unterstand zuvor Zenodorus, der sich aber als unfähig erwiesen hatte, das Land zu kontrollieren.318 Zuvor hatte Polemos I., König von Pontus, von Antonius das Gebiet des unteren Armenien erhalten. Nachdem Augustus dieses
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Herodes etwa machte sich bei seinem Aufenthalt in Rom den Umstand zu Nutze, dass Antigonus von den Parthem als König eingesetzt wurde und dabei den Senat nicht um Erlaubnis gefragt hatte (vgl. Josephus, Ant. 14,381-389). Vgl. Stern, Judaea (1974) 325; Luttwak, Strategy (1979) 47; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 233. Vgl. Plutarch, Crassus 27; Egger, Crucifixus (1997) 53. Sonnabend, Fremdenbild (1986) 208, bezeichnet in diesem Zusammenhang die augusteische Propaganda als "ad-hoc Regulierungen zur aktuellen Befriedigung hochgesteckter Erwartungen". Für Dahlheim, Kaiserzeit (1984) 93, ist auch hier der römische Begriff der amicitia nichts weiter als reine Fiktion. Vgl. Dahlheim, Kaiserzeit (1984) 89. Vgl. Schippmann, Parthische Geschichte (1980) 46; Sidari, Problema partico (1982) 17. Vgl. Tacitus, Annalen 2,42; Luttwak, Strategy (1979) 32. Zur Dynastie von Kommagene vgl. Paltiel, Vassais (1991) 40. Dass gemäss Josephus auch der Bruder von Herodes I., Pheroras, zu den Parthern flüchten wollte, unterstreicht die Tatsache, dass die Parther als Gegner Roms stets als mögliche Verbündete oder als Exilnation in Frage kamen (vgl. Josephus, Bell. 1,486; Stern, Herodian Dynasty (1974) 245). Vgl. Sands, Client Princes (1908) 93. Vgl. zur Verstärkung der Mauern Jerusalems und zur gastfreundlichen Aufnahme in Tiberias von anderen Klientelherrschern Roms durch Agrippa I. Josephus, Ant. 19,326f.338-342. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 32; Braund, Client Kings (1988) 82f. Vgl. Josephus, Bell. l,398ff.; Paltiel, Vassais (1991) 33 mit Anm. 22.
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Teil I Strategien der Machterweitemng und -Sicherung des Römischen Imperiums
Gebiet später wiederum von Pontus abtrennte, wies er Polemos als Kompensation das Bosporusgebiet zu.319 2.1.5
Loyalitätsbezeugungen von Klientelherrschern: das Beispiel von Herodes I.
Die Abhängigkeit der Klientelherrscher von Rom zeigt sich auch in deren Bestrebungen, in die Gunst ihrer römischen patroni zu kommen oder zu bleiben. Neben dem Herrscherkult und Geschenken waren es weitere Ehrbezeugungen, die dazu benutzt wurden. Die Abhaltung von Festen zu Ehren der Kaiser oder die Benennung von Zimmern, Gebäuden bzw. Gebäudekomplexen320 oder ganzen Städten32' gehörten ebenso dazu wie die Prägung von Münzen, die Benennung von Kindern nach kaiserlichen Familienmitgliedern oder römischen Feldherren.322 Auch wurden Beinamen zugelegt, die der Nähe zu den römischen Staatsmännern und Kaisern Ausdruck geben sollten.323 Seine Verbundenheit mit den römischen patroni unterstrich deshalb auch Herodes durch Zunamen wie φίλοκαισαρ (Freund des Kaisers) oder φιλορωμαιοϊ (Freund der Römer), die auf zwei attischen Inschriften zu finden sind.324 Gefälligkeiten gegenüber hellenistischen Städten und der Kaiserkult waren ebenfalls Möglichkeiten, in der Gunst der römischen Herren zu steigen. Herodes Hess etwa in Zeiten des Hungers Getreide in der Provinz Syria verteilen. Sicher stieg auch durch diese wohltätige Geste sein Ansehen in den Augen seiner römischen Beschützer.325 Wie andere bekundete auch Herodes seine Loyalität dem neuen Herrscher Roms gegenüber durch die Förderung des Kaiserkultes, wobei er offenbar einer der ersten Klientelfürsten war, die sich hier auszeichnen wollten.326 Es ist allerdings gut möglich, dass Herodes dabei nicht nur aus politischem Kalkül, sondern durchaus auch aus persönlicher Überzeugung handelte.327 Dabei veranstaltete Herodes in Jerusalem prächtige Spiele zu Ehren von Augustus, wobei er bemüht war, die jüdische Bevölkerung nicht zu brüskieren und deshalb fast ganz auf kultische Handlungen und Attribute verzichtete.328 Im Gegensatz zu Jerusalem dürfte Herodes auch im 27 v.Chr. als Sebaste wieder aufgebauten und fast ausschliesslich hellenistischen Samaria Vgl. Bowersock, Augustus and the Greek World (1965) 51.53; Luttwak, Strategy (1979) 32; Paltiel, Vassais (1991) 44f. In Jerusalem benannte Herodes unter anderem die Burg Antonia nach seinem Gönner Antonius, als dieser noch massgebliche politische Gewalt im Osten inne hatte (vgl. Josephus, Ant. 15,409). S. auch o. Kap. 1.1.5. Vgl. die gerade epidemisch auftretende Vielzahl von Städten mit dem Namen Caesarea rund ums Mittelmeer (vgl. Sueton, Augustus 60), darunter auch Caesarea Maritima, das von Herodes zu Ehren von Augustus so benannt wurde und das auch einen Tempel für Augustus mit Statuen für den Kaiser und die Göttin Roma aufwies (vgl. Josephus, Ant. 15,339). Auch Samaria wurde von Herodes zu Ehren von Augustus als Sebaste wieder aufgebaut (vgl. Josephus, Bell. 1,403; Trümmer, Kaiserkult (1983) 389). Nach dem Tod von Amyntas von Galatien 25 v.Chr. wurden auch die Hauptstädte der drei Stämme zu Ehren von Augustus Sebaste benannt (vgl. CIG 4010; 4011; 4085). Vgl. Jacobson, Client Kings (2001) 26. Schon Agrippa I. scheint nach M. Vipsanius Agrippa benannt worden zu sein. Agrippa I. selbst legte einer Tochter und zwei Söhnen römische Namen zu: Drusilla benannte er wohl nach der Schwester von Gaius, Drusus nach dem Sohn von Tiberius und seinem Freund, und Agrippa II. wiederum gemäss seinem eigenen Vorbild (vgl. Braund, Client-Kingship (1984) 47.111). Vgl. Braund, Client Kings (1988) 78-81; Jacobson, Client Kings (2001) 26. Zum Herrscher- und Kaiserkult s.u. Kap. 8.2. Vgl. IG III 1 Nr. 551; OGIS 414; Schallt, Herodes (1969) 422f.; Schürer - Vermes I (1973) 308 Anm. 70; Smallwood, Roman rule (1976) 71 mit Anm. 34 sowie 81 mit Anm. 65; Stem, Herodian Dynasty (1974) 237 mit Anm. 3-4 und weiterer Lit. Vgl. Josephus, Ant. 15,299-316; Stern, Herodian Dynasty (1974) 244. Vgl. Otto, Herodes (1913) Sp. 67; Stern, Herodian Dynasty (1974) 241. Vgl. Schallt, Herodes (1969) 456. Gemäss Josephus, Ant. 15,330 hingegen gab Herodes der jüdischen Bevölkerung gegenüber einen Befehl des Augustus an, der ihn zur Einführung des Kaiserkultes sozusagen gezwungen hätte. Beides muss allerdings nicht unbedingt im Widerspruch zueinander stehen. Dazu kommt, dass in den Ant. die Darstellung des Herodes zum Teil weit negativer ausfällt als dies im Bellum der Fall ist. Vgl. Josephus, Ant. 15,267-279; Lämmer, Griechische Wettkämpfe (1973) 200f. Zur Datierung vgl. Baumann, Rom und Juden (1983) 201 mit Anm. 35.
Α Politische Strategien
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offiziell den Kaiserkult eingeführt haben, nachdem er Augustus wie in Cäsarea einen Tempel hatte errichten lassen.329 Bei den Spielen in Cäsarea wurden zum ersten Mal auch Gladiatorenkämpfe durchgeführt, wodurch sie sich durch nichts mehr von den Spielen unterschieden, welche in anderen Regionen des Imperiums zu Ehren des Prinzeps durchgeführt wurden.330 Wie Sebaste war auch Cäsarea eine Wiedergründung, wobei Herodes auf der alten phönizischen Stadt Stratonsturm eine hellenistische Polis mit Theater, Amphitheater und einem Stadion oder Hippodrom erbauen liess.331 Im grossen und sicheren Hafen benannte Herodes den grössten Turm nach dem Sohn von Augustus, Drusus. 332 Auch der vom Hafen her sichtbare Tempel mit den Statuen von Augustus und der Göttin Roma verdeutlichte die Verbundenheit des jüdischen Königs mit dem römischen Herrscherhaus und der hellenistischen Kultur.333 Dass Augustus und Livia Herodes bei seinen Bauvorhaben mit 500 Talenten unterstützten, unterstreicht die Bedeutsamkeit der Romanisierungs- und Hellenisierungsbestrebungen von Herodes. 334 Die finanzielle Sicherung der olympischen Spiele war dabei eine besonders prestigeträchtige Tat.335 Doch auch in Judäa selbst liess Herodes Hippodrome und Amphitheater (Jericho) oder Theater (Jerusalem) errichten, wo unterschiedliche Spiele und Festivitäten abgehalten wurden.336 Bei den Festspielen für Augustus verband Herodes geschickt hellenistische Kultur mit dem Kaiserkult. Vielleicht sollte dabei die jüdische Bevölkerung zu mehr Aufgeschlossenheit und Toleranz geführt und einer Abkapselung gegenüber der hellenistischrömischen Welt entgegengewirkt werden.
2.1.6 Unterschiedliches Vorgehen gegenüber den Klientelreichen des Ostens und Westens Die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Klientelreiche und Stämme des Ostens und des Westens bzw. Nordens legten für Rom schon in republikanischer Zeit eine differenzierte Behandlung ihrer Klientel nahe. So hatten die Klientelreiche des Ostens teilweise schon eine längere politische Tradition, die noch in die Zeit vor der Abhängigkeit von Rom hineinreichte.337 Relativ stabile wirtschaftliche und politische Strukturen und demzufolge auch eine relativ geringe Migration der Bevölkerung erleichterten die Kontrolle der lokalen Herrscher über ihre Untertanen.338 Die Romanisierung der städtischen Eliten war hier deshalb erfolgversprechender als im Nordwesten des römischen Imperiums.339 Dies hatte auch mit der langen Urbanen Tradition östlicher Reiche zu tun.340 Durch diese Voraussetzungen wie auch eine lange Geschichte mit wechselnden Grossmächten in ihrer Region konnten sich Klientelherrscher des Ostens in der Regel die Konsequenzen vorstellen, die eine Herausforderung Roms zur Folge hatte.341 In ihrem Fall genügte deshalb meist das Wissen um die militärische Stärke Roms, um sich dessen Hegemonieanspruch zu beugen. Rom konnte hier also dank seiner Armee die eigenen Ansprüche diplomatisch durchsetzen. Wenn die Kontrolle durch Klien-
Vgl. Josephus, Bell. 1,403; Ant. 15,292.296ff; Schallt, Herodes (1969) 358-365; Schürer - Vennes I (1973) 306; Smallwood, Roman rule (1976) 77 mit Anm. 55; Baumann, Rom und Juden (1983) 202. Vgl. Lämmer, Griechische Wettkämpfe (1973) 182-227; Kaiserspiele (1974) 95-164. Vgl. Josephus, Bell. 1,408-415; Ant. 15,331-341; Levine, Caesarea (1975) 11-18; Ringel, Cesare (1975); Lifshitz, Cesare (1978) 490-518; Vgl. Lehmann-Hartleben, Antike Hafenanlagen (1923) 179-182. Vgl. Josephus, Bell. 1,414; Baumann, Rom und Juden (1983) 203f. Vgl. Josephus, Ant. 16,138f. Vgl. Josephus, Bell. l,426f.; Ant. 16,149; Baumann, Rom und Juden (1983) 203 mit Anm. 55. Vgl. Josephus, Bell. 1,659.666; Ant. 17,161.175-178. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 56f.l64f. So mussten die Römer während der Regierungszeit von Herodes I. nie militärisch in dessen innenpolitische Angelegenheiten eingreifen. Nach seinem Tod geriet die Lage unter seinem Sohn Archelaus jedoch ausser Kontrolle, und Judäa wurde 6 n.Chr. römische Provinz. Zur Niederschlagung der Unruhen, die als "Krieg des Varus" in die jüdische Tradition eingegangen sind, s.u. Kap. 12.1. Vgl. Garnsey - Salier, Empire (1987) 12-19. Vgl. Hanson, Administration (1988) 53. Luttwak, Strategy (1979) 32, spricht in diesem Zusammenhang von einem kulturellen Unterschied zwischen den Klientelreichen des Ostens und des Westens.
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telherrscher ungenügend war, konnten die römischen patroni auch Land annektieren, wie dies unter Tiberius im östlichen Anatolien geschah.342 Gaius wandelte unter der Angliederung von Kilikien und Tracheia Kommagene wieder in einen Klientelstaat um. Antiochus IV. wurde dabei wieder als Herrscher eingesetzt.343 Auch die Söhne des ermordeten Königs Kotys II. von Thrakien, die mit und unter Gaius in Rom gelebt hatten, wurden zu Klientelherrschern gemacht.344 Im Räume Palästinas erfuhr Agrippa I., der Neffe von Herodes dem Grossen, be sondere Förderung von Caligula. Zuvor hatte Tiberius Agrippa einsperren lassen. Aber nach dem Tod von Tiberius im Jahre 37 n.Chr. erhielt er die Tetrarchie des verstorbenen Philippus. Ein Jahr später wurde ihm auch ein Teil des an Syrien angegliederten Ituräa zugesprochen. 40 n.Chr. wurde sein Herrschaftsgebiet um Abilene, Galiläa und Peräa erweitert.345 Dass dieser Politik nicht nur der Wahnsinn von Caligula zugrunde lag, beweist deren Fortführung unter Claudius.346 Dieser fügte dem Herrschaftsgebiet von Agrippa I. im Jahre 41 n.Chr. Judäa und Samaria hinzu, so dass dieser nun über ein noch grösseres Gebiet als Herodes der Grosse re gierte.347 Weiter bestätigte Claudius Mithridates als Herrscher über das Bosporusgebiet, das Polemos II. nicht hatte kontrollieren können. Diesem wurde aber Kilikien zugedacht. Anti ochus IV. wurde wiederum in Kommagene eingesetzt, nachdem Gaius ihn hier 40 n.Chr. ab gesetzt hatte.348 Klientelgebiete wurden also einerseits annektiert.349 Andererseits wurden Pro vinzen wieder in Klientelgebiete umgewandelt. 350 Wohl um die Interessen Roms in den Klientelgebieten besser wahrzunehmen, setzte Claudius einen besonderen Gesandten ein.351 Schwierig für Rom war die Situation bei den Völkern des Westens und Nordens. Eine gerin ge Urbanisation, eine hohe Migrationsquote sowie labilere und undurchsichtige politische und wirtschaftliche Strukturen erschwerten die Kontrolle der lokalen Herrscher über ihre Unterta nen und gefährdeten auch die Stabilität im Verbund mit anderen Völkerschaften.352 Auch konnten sich Völkergruppen dem Hegemonieanspruch Roms durch einen geographischen Rückzug entziehen.353 Allerdings konnten sie dadurch auch interessanter wirtschaftlicher Be ziehungen mit Rom verlustig gehen, die ihnen etwa aufgrund ihrer Mittlerfunktion offenstan
Nachdem Archelaus von Kappadozien, dessen Sohn Herodes umgebracht hatte, aufgrund des Verdachts einer Verschwörung mit dem parthischen Reich vor Gericht gestellt und seines Amtes enthoben wurde, und andererseits Antiochus III. von Kommagene und Philopator von Hierapolis-Kastabala gestorben waren, annektierte Tiberius die drei Staaten. Kappadozien wurde dabei in eine Provinz umgewandelt. Kommagene, das aufgrund seines Zugangs zum Partherreich grosse strategische Bedeutung hatte, wurde der Provinz Syrien zugeordnet. Die abgetrennten Gebiete Kilikien, Tracheia und Lykaonien wurden Archelaus II., dem Sohn des abgesetzten Archelaus I. von Kappadozien, unterstellt (vgl. Sueton, Tiberius 8,37; Tacitus, Annalen 2,42; Luttwak, Strategy (1979) 38). Vgl. Tacitus, Annalen 2,42; Cassius Dio 59,8,2; 59;24,1; Röllig, Kommagene (KP 3/1979) Sp. 280f.; Luttwak, Strategy (1979) 38. Polemos II. erhielt das Königreich Pontus und den Bosporus, der allerdings effektiv von Mithridates beherrscht wurde. Kotys III. erhielt als Königreich das südliche Armenien. Der Mörder von Kotys II., Rhoemetalkes, erhielt einen Teil von Thrakien als Königreich. Und Sohaemus erhielt eine Tetrarchie in Ituräa (vgl. Tacitus, Annalen 11,9; Cassius Dio 59,12,2; Luttwak, Strategy (1979) 38; Stern, Herodian Dynasty (1974) 290; Paltiel, Vassals (1991) 118f.). Vgl. Josephus, Bell. 2,178-217. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 39. Die antiken Geschichtsschreiber bezeugen Caligula einerseits Grosszügigkeit, andererseits schildern sie auch seinen Hang zum Wahnsinn. Diesem Wesenszug dürfte sich etwa die Absetzung und Hinrichtung des mauretanischen Königs Ptolemäus im Jahr 40 n.Chr. verdanken, dessen Herrschaftsgebiet Gaius annektierte (vgl. Fishwick, Annexation (1971) 467f.). Vgl. Josephus, Bell. 2,178-217. Vgl. Cassius Dio 60,8,1; Josephus, Ant. 19,276.355; Volkmann, Antiochos (KP 1/1979) Sp. 392; Röllig, Kommagene (KP 3/1979) Sp. 280. So etwa Judäa 44 n.Chr.; Thrakien 46 und 64 n.Chr. (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 39). Vgl. die Übersicht über die Annexion bzw. Wiedereinsetzung von Klientelreichen von Augustus bis Vespasian einschliesslich graphischer Darstellung bei Paltiel, Vassais (1991) 305-310. Vgl. Tacitus, Annalen 12,21; Luttwak, Strategy (1979) 39; Hanson, Administration (1988) 55ff. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 32f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 57f. Dies tat etwa König Maroboduus, der sich mit seinen Markomannen nach Böhmen zurückzog, um dem Druck Roms zu entfliehen (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 32).
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den.354 Diese Faktoren hatten zur Folge, dass die Romanisierung der soziopolitischen Eliten schwieriger zu handhaben war als im hellenistischen Osten.155 Hier reichte Rom der Rekurs auf die potentielle militärische Macht nicht aus, um die machtpolitischen Ziele zu erreichen.356 Vielmehr mussten konkret Truppen eingesetzt werden, um den Hegemonieanspruch durchzusetzen. Auch hätten aufgrund der grossen Zahl von Stämmen und Stammesgemeinschaften eine Unzahl von Verträgen abgeschlossen werden müssen, ein weiterer pragmatischer Grund für das Ausbleiben grösserer diplomatischer Anstrengungen in diesen Gebieten. So war schon in republikanischer Zeit die aussenpolitische Aktivität Roms in Gallien und Spanien im Grunde nichts anderes gewesen als Militärpolitik mit dem Ziel der Eroberung und Unterwerfung der anvisierten Territorien.357 Diese konkrete Gewaltanwendung hatte aber auch für die Sicherheitsstrategie Roms seine negativen Auswirkungen. Zum ersten konnten die militärischen Kräfte erfolgreich nur gegen einen konkreten Gegner eingesetzt werden. Damit wurden diese aber auch gebunden und standen nicht mehr zur Verfügung für andere Ziele. Andererseits konnten die militärischen Anstrengungen wieder zunichte gemacht werden, wenn sich die Gegner dem Druck Roms entzogen oder sich neu organisierten. Die Länge der germanischen Grenzen trug ebenfalls zur Instabilität dieser Region bei.358 Der Erfolg der diplomatischen und militärischen Anstrengungen konnte auch beeinträchtigt oder zunichte gemacht werden, wenn der Gegner nur über eine lose politische Struktur verfügte und die einzelnen Gruppen oder Stämme von den politischen Führern nur schlecht kontrolliert werden konnten. All diese Faktoren spielten etwa bei der Niederlage des Varus und der Vernichtung der von ihm angeführten drei Legionen im Teutoburger Wald im Jahr 9 n.Chr. zusammen.359 Der Untergang dieser Legionen bedeutete auch das Scheitern der Germanienpolitik von Augustus. Trotzdem gaben die römischen Machthaber nicht auf, und Tiberius startete ab 16 n.Chr. neue diplomatische Versuche zur Festigung der germanischen Grenzen. Gleichzeitig Hess er Germanicus seinen Feldzug abbrechen.360 Nachdem die Anstrengungen, die einzelnen Stammesführer gegeneinander auszuspielen, zu wenig effizient gewesen waren, zielten die Bemühungen mehr dahin, gezielt Stammesführer durch Geld, Auszeichnungen, aber auch militärische Unterstützung für die eigenen Ziele einzuspannen. Diese Führer sollten ihre Untertanen kontrollieren und andere Stammesführer neutralisieren. Durch diese Diplomatie konnten etwa die einst in Rom Furcht erregenden Markomannen und Quadi in Schach gehalten werden.361 Tiberius war offensichtlich der Meinung, man solle die Germanen am besten den Germanen selbst überlassen; ihre Zwietracht und innere Gespaltenheit wären dann der beste Schutz für
Vgl. zu den Handelsprivilegien der Hermunduri Tacitus, Germania 41. Vgl. auch den Hinweis auf ein Handelsabkommen mit germanischen Händlern unter Maroboduus bei Tacitus, Annalen 2,62 (vgl. Wheeler, Beyond Imperial Frontiers (1954) 91-94; Braund, Client Kings (1988) 94). Vgl. Garnsey - Salier, Empire (1987) 12-19. Vielleicht förderte Rom gerade auch deswegen die Erziehung der Söhne von europäischen Stammesführern, um so bei diesen Völkern das Bewusstsein des militärischen Potentials Roms zu fördern (vgl. Tacitus, Agricola 21; Luttwak, Strategy (1979) 32). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 57f.96 Vgl. Le Bohec, Army (1994) 148. Der Gegner von Varus, Arminius, hatte zwar ein Kommando über eine Auxiliareinheit der Cherusker innegehabt und das römische Bürgerrecht besessen, war dann aber gleichwohl von den Römern abgefallen. Er konnte dabei eine grosse Koalition mit den Brukterern, Chatten, Angrivariem, Marsem und anderen Stämmen bilden. Sein Vater Segestes hatte offensichtlich nicht genügend Autorität, um alle Cheruskerstämme zu kontrollieren und vom Abfall von Rom zurückzuhalten. Jedoch blieben er und der Bruder von Arminius, Flavus, den Römern gegenüber loyal und versuchten offensichtlich gar, diese zu warnen (vgl. Tacitus, Annalen 11; Luttwak, Strategy (1979) 33-36; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 237). Zur Geschichte der hier vernichteten legiones XVII, XVIII, XIX vgl. Wiegels (2000) 758 1 .
Vgl. Tacitus, Germania 33-42. Tiberius schickte Germanicus etwas später mit einer neuen Mission in den Osten des Reiches (vgl. Tacitus, Annalen 2,43; Paltiel, Vassais (1991) 127-137). Vgl. Tacitus, Germania 42; Luttwak, Strategy (1979) 36ff.
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Rom.362 Gepaart war diese Strategie der aktiven Unterstützung mit der versteckten oder offenen Drohung von Repressionsmassnahmen, also mit einem passiven Gebrauch der Armee.363 Das Ergebnis dieser Politik lässt sich sehr gut an den Ereignissen in Germanien der Jahre 618 n.Chr. veranschaulichen. Beim Ausbruch der pannonischen Revolte 6 n.Chr. wurde die römische Führung gezwungen, die geplante Invasion in Böhmen abzublasen und mit dem Führer der Markomannen, Maroboduus, eine Einigung zu erzielen. Diese Einigung hielt nicht nur während der ganzen pannonischen Revolte, auch danach schloss sich Maroboduus nicht dem grossangelegten Aufstand germanischer Stämme unter der Führung von Arminius an, während dem die drei Legionen unter Varus aufgerieben wurden. Nachdem 16 n.Chr. die römischen Truppen aus Germanien abgezogen waren, brachen 17 n.Chr. Streitigkeitenzwischen den beiden grössten germanischen Führern, Arminius und Moroboduus, aus. Obwohl letzterer Rom um militärische Unterstützung anging, lehnte Rom dies ab. Nachdem Maroboduus 18 n.Chr. von Arminius geschlagen und vertrieben wurde, erhielt er aber römisches Exil und verbrachte die letzten achtzehn Jahre seines Lebens in Ravenna. Nachdem auch der durch römische Intrigen eingesetzte Nachfolger von Maroboduus, Catualda, von den Hermunduri besiegt wurde, marschierte Tiberius mit seinen Truppen in Germanien ein und ernannte den Führer der Quadi, Vannius, zum Herrscher über die Markomannen. Der neue Klientelherrscher Vannius erhielt zwar finanzielle Unterstützung, nicht aber garantierten Schutz von Rom. So wurde Vannius beim Angriff der Hermunduri seinem Schicksal überlassen, nach seiner Niederlage erhielt auch er römisches Exil.364 Die Strategie Roms in Germanien unter Tiberius zielte klar auf ein Klientelsystem, so unsichere Partner diese Klientelherrscher auch immer sein mochten.365 Gaius plante wohl die Invasion Germaniens und zog zu diesem Zweck Truppen am Rhein zusammen, allerdings ohne dann wirklich in Germanien einzumarschieren.366 Seine beiden Nachfolger Claudius und Nero kehrten dann offensichtlich wieder zur Strategie von Tiberius zurück.367 Dazu gehörten dann auch kleinere Strafexpeditionen als Antwort auf Einfälle germanischer Stämme in römisches Gebiet.368 Trotz dieser Schwierigkeiten wurde die Abhängigkeit von Rom auch in den westlichen Klientelgebieten wahrgenommen und teilweise auch ganz klar formuliert. So bezeichnet sich der Stammesfürst Cogidubnus selbst als Rex et Legatus Augusti in Britannia.m Der Ausdruck dieses doppelten Status' findet sich auch bei Cottius, dem Sohn von Donnus. Für die Römer war er der Präfekt der Alpen, für seine Untertanen aber der König.37" 2.1.7
Möglichkeiten und Grenzen der römischen Armee und römischer Diplomatie
Aufgrund ihres Aufbaus, ihrer Ausrüstung und ihrer Taktik war die römische Armee bestens geeignet, gegen einen militärischen Gegner vorzugehen, dessen wirtschaftliche Basis sich auf Städte stützte und der sich dadurch vor der geballten militärischen Stärke der römischen Truppen nicht zurückziehen konnte. Schwerer tat sich die Armee mit Gegnern, die nicht so leicht zu fassen waren, deren Lebensweise eher nomadischen Charakter hatte und die demnach weniger an Städte gebunden waren.371 Gegen Völker, deren wirtschaftliche Basis mehr in Vgl. Tacitus, Annalen 2,26; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 171. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 37. Vgl. Tacitus, Annalen 2,45f.62f. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 38. Vgl. Sueton, Gaius 43-46. So liess Claudius 47 n.Chr. den gross angelegten Feldzug unter Cn. Domitius Corbulo gegen die Chauci im nördlichen Germanien abbrechen, der aus einem Vergeltungsschlag gegen die von See her einfallenden Canninefates hervorgegangen war. Die römischen Truppen wurden in diesem Zusammenhang angewiesen, sich ans linke Rheinufer zurückzuziehen (vgl. Tacitus, Annalen 11,19). So etwa der Feldzug gegen die Chatten im Jahre 50 n.Chr. (vgl. Tacitus, Annalen 12,27-28; Luttwak, Strategy (1979) 38). Vgl. Dudley - Webster, Conquest of Britain (1965) 184. Vgl. Van Berchem, Conquete (1962) 231; Luttwak, Strategy (1979) 39f. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 45f.
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Dörfern und kleineren Siedlungen lag, konnte in militärischer Hinsicht nur ein Zerstörungskrieg Erfolg versprechen, durch den die Lebensgrundlage der Bevölkerung vernichtet wurde.372 Doch der Preis für einen solchen Krieg war auch für die römische Armee hoch und auf Dauer unbezahlbar. So war der römische Erfolg im rustikalen Germanien sehr bescheiden, und auch gegen die Parther konnte die römische Armee trotz Einzelerfolgen keinen dauerhaften Sieg erringen.373 Erfolg war der römischen Armee und Diplomatie dort beschieden, wo sich ein Gegner auf relativ stabile wirtschaftliche Grundlagen stützte und relativ weit entwickelte und urbane Gesellschaftsstrukturen aufwies. Die drohende Zerstörung dieser Grundlagen und Strukturen durch die Armee verlieh der römischen Diplomatie hier ihre Durchschlagskraft. Potentielle oder akute Gegner konnten somit leichter zu Klienten gemacht werden. Gegen einen Gegner mit eher ländlicher und teilweise weit verstreuter Bevölkerung und einer primär ruralen Wirtschaft stiessen römische Armee und Diplomatie aber an ihre Grenzen. Die Völker Nordafrikas, der arabischen Wüste, der iranischen Halbinsel und Zentraleuropas konnten sich deshalb erfolgreich den römischen Eroberungsversuchen widersetzen oder sich wenigstens diesen entziehen.374 2.1.8
Die strategische Stationierung der Legionen und der Erfolg des Klientelsys tems
Innerhalb des Systems der julisch-claudischen Grenzsicherung waren die Legionen an wenigen Orten im Peripheriegebiet des Imperiums stationiert. Bis zum Verbot durch Domitian waren dabei häufig mehrere Legionen mit den ihnen angegliederten und dem Legionskommandanten unterstellten Hilfstruppen in der gleichen Garnison stationiert.375 Ob in der Tat im Osten, wo weit entwickelte Klientelstaaten einen wichtigen Faktor innerhalb des Grenzschutzes spielten, teilweise nur mittelmässige Legionen eingesetzt waren, ist umstritten.376 Durch die konzentrierte Stationierung der Legionen wurde hier den Klientelstaaten die geballte militärische Stärke Roms vor Augen geführt. Dies bildete einen wichtigen Bestandteil einer Strategie der Abschreckung sowohl den verbündeten Klientelherrschern wie auch möglichen Gegnern gegenüber.377 Im Reichsosten war die römische Politik dabei besonders durch das schwierige Verhältnis zu den Parthern geprägt.378 Gerade dem Partherreich gegenüber musste sich Rom aber lange Zeit auf die abschreckende Wirkung seiner geballten Militärmacht begnügen, denn deren konkreter Einsatz war hier bis anhin mehr oder weniger gescheitert. Im Norden des römischen Reiches verlangte die Bedrohung durch die germanischen Völker eine ständige Präsenz grosser Truppenkontingente. In diesem Gebiet waren deshalb als Warnung für die germanischen Völker auch besonders erprobte Legionen stationiert. Trotz ihrer Stationierung entlang der Peripherie des Imperiums konnten die römischen Armeeeinheiten im Fall einer Bedrohung der inneren und äusseren Sicherheit an einem gewissen Punkt des Imperiums von ihrem jeweiligen Posten abgezogen und ins Krisengebiet gesandt werden. Einerseits sorgte das Klientelsystem für Sicherheit, andererseits war kaum ein koorVgl. Cassius Dio 67,4,6 zur Ausrottung der Nasamonen. Vgl. auch Luttwak, Strategy (1979) 46. Obwohl das Parther- wie später auch das Sassanidenreich Uber grosse Städte verfügte, bestand sein wirtschaftlicher Rückhalt in den unzähligen kleinen Siedlungen einer halbnomadischen Bevölkerung (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 45). Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 46. Vgl. Sueton, Domitian 7. Solche grossen Legionslager waren entlang der Rheingrenze Mogontiacum (Mainz), Vetera (Xanten), Oppidum Obiorum (Köln) (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 46f.) Die vielschichtige Bindung der Legionäre an ihr Lager (und evtl. ihre Kommandanten) machte solche Stützpunkte in der Stärke von vielen tausend Mann zu einem Sicherheitsrisiko für den amtierenden Prinzeps (Grant, Army (1974) 211; Helgeland, Army Religion (1978) 1494). Zur Geschichte der Legionen vgl. Le Bohec, Legions I+II (2000). Diese Meinung vertritt u.a. Luttwak, Strategy (1979) 47. Ausführlich behandelt die Frage nach der minderen Qualität östlicher Legionen Wheeler, Laxity (1996) 229-276. Diese Abschreckungsstrategie ist bis heute aktuell geblieben (vgl. Welwei, Para bellum (1989) 85). Vgl. auch Kap. 13.1.
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dinierter und gemeinsamer Angriff der germanischen Völker mit den Dakern und den Parthern zu befürchten. Die römischen Legionen waren demnach als Eingreiftruppe und als strategische Reserve konzipiert. Ihre Aufgabe bestand deshalb auch in der Abschreckung möglicher Gegner.379 Die Verteilung der Legionen entlang der Peripherie des Imperiums war hinsichtlich plötzlich auftretender Krisen wie bei Volksaufständen auch kein Nachteil. Die Truppen waren relativ schnell zur Stelle, wogegen eine zentrale Stationierung nur unnötigen Zeitverlust bedeutet hätte.380 Auch sprach die geographische Form des römischen Reiches mit dem Halbkreis von Nordafrika über Δgypten, der Levante, Kleinasien bis zum Balkangebiet gegen eine zentrale Stationierung einer Eingreifreserve etwa in Italien. Beim Aufkommen einer akuten Gefährdung der römischen Interessen in diesem Raum hätte zuerst die Zentrale verständigt werden müssen. Erst dann hätten sich die römischen Truppen in Marsch setzen können, wären aber in jedem Fall angesichts der damals üblichen langsamen Transportgeschwindigkeiten zu Land oder zu Wasser nur mit sehr grosser Verspätung im Krisengebiet angekommen. 381 In Italien selbst sorgten zudem die Urbanen und prätorianischen Kohorten für die Sicherheit. Für die Niederschlagung von lokalen Aufständen in "Friedenszeiten" reichte der Bestand der Legionen oder Hilfstruppen in der Regel aus, zudem konnte mit einem tiefen Truppenbestand viel Geld gespart werden. Doch für grossangelegte militärische Operationen mussten die Legionen und Hilfstruppen zuerst auf Sollbestand aufgestockt werden. In der zwei- bis dreijährigen Zwischenzeit waren die Provinzgouverneure gehalten, die militärischen Auseinandersetzungen hinauszuzögern, damit die Armee für den geplanten Feldzug in die zweckmässige Grösse gebracht werden konnte.382 Allerdings beinhaltete das Fehlen einer besonderen strategischen Reserve auch Gefahren für die Sicherheit Roms. Wurden aufgrund einer lokalen Gefährdung aus einer bestimmten Region die (meisten) Truppen abgezogen, stieg hier für die römischen Machthaber das Risiko von Aufständen der unterworfenen Provinzbevölkerung oder von Einfällen durch äussere Feinde.383 Der Abzug von Truppen an einer Stelle der Peripherie des Imperiums konnte sogar eine Kettenreaktion von Problemen auslösen, wie sich dies im Zusammenhang mit der Pannonischen Revolte im Jahren 6-9 n.Chr. zeigt.384
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Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 47f.l70f. Plinius, Epistulae 74, legt allerdings Kontakte zwischen Dakern und Parthern nahe. Dies zeigte sich auch beim jüdischen Aufstand, wo ein römisches Truppenkontingent ziemlich rasch eingreifen konnte, jedoch ohne Erfolg (vgl. Josephus, Bell. 1,494-555). S. auch u. Kap. 13.1 und 13.9.2. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 48. Eine Zusammenstellung über Transportzeiten bzw. die strategische Mobilität von römischen Truppen im Mittelmeerraum bietet Luttwak, Strategy (1979) 82f. Vgl. auch den Exkurs D.4. Vgl. Starr, Empire (1982) 125f. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 48f. Nachdem die Legionen aus Illyricum abgezogen worden waren, die von Südosten her in der Zwei-Fronten-Offensive gegen Maroboduus eingesetzt werden sollten, brach in Pannonien unter der Führung eines gewissen Bato ein Aufstand aus, dessen Ursprung im Zusammenhang mit der Aushebung von römischen Soldaten stand. Tiberius hatte bereits mit fünf Legionen die Donau von Carnuntum aus überschritten, als der Ausbruch der pannonischen Revolte in seinem Rücken ihn zur Umkehr zwang. Die Römer mussten nun so schnell als möglich Frieden mit Maroboduus schliessen. Weiter schloss sich der Legat der Provinz Moesia, A. Caecina Severus, mit seinen Truppen Tiberius an. Diese waren eigentlich für die nördliche Offensive gegen Maroboduus vorgesehen gewesen. Insgesamt waren in diesen vorzeitig abgebrochenen Feldzug etwa 150ΌΟΟ Mann involviert. Der Abzug der zwei Legionen aus der Provinz Moesia ermöglichte aber wiederum dakischen Reitertruppen, in diese Provinz einzufallen. Nun war Severus seinerseits gezwungen, wieder in seine Provinz zurückzukehren, um hier die Gefahr zu beseitigen und die Situation zu beruhigen. Für die Niederschlagung der pannonischen Revolte und die Schlacht am Bathinus-Fluss etwa im Jahre 8 n.Chr. wurden nicht weniger als 10 Legionen sowie 70 Auxiliarkohorten benötigt. Dazu wurden auch noch unzählige Reiter eingesetzt, die zu einem grossen Teil vom Klientelkönig von Thrakien, Rhoemetalkes I., gestellt wurden (vgl. Tacitus, Annalen 2,46; 11,16; Vellerns Paterculus 2,109; Parker, Legions (1928) 82-85; Dyson, Native Revolts (1971) 250ff.; Luttwak, Strategy (1979) 34f.49.207 Anm. 152ff.; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 236).
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Auch wenn Augustus gemäss Tacitus künftige Eroberungen ausschloss und er die Grenzen des Imperiums festlegte, kam es unter dem ersten Prinzeps zur Unterwerfung und Annexion von grösseren Gebieten.385 Dazu gehörten etwa Moesien, Pannonien, Noricum, Rhaetien, das Berggebiet der Via Aurelia386 sowie das küstennahe Alpengebiet (Alpes Cottiae). Auch Judäa wurde unter Augustus in eine Provinz umgewandelt.3"7 Seine Nachfolger hingegen befolgten mit Ausnahme der Invasion Britanniens durch Claudius und diversen "Strafexpeditionen" die augusteischen Weisungen.388 Im Grossen und Ganzen setzten die julisch-claudischen Kaiser zur Sicherung der Imperiumsgrenzen auf das System der Klientelreiche. Weil diese Klientelreiche als aktive Pufferzonen einen grossen Teil des äusseren Bedrohungspotentials neutralisierten, waren im Prinzip noch Kräfte frei für neue Eroberungen.38' Dass das Klientelsystem im Osten durchaus funktionierte, zeigt sich auch daran, dass sich im Bürgerkrieg kein Klientelherrscher gegen Vespasian stellte. Vielmehr erhielt dieser noch von etlichen Klientelherrschern Unterstützung.390 Dass für das römische Zentrum und seine Elite dieses Sicherheitskonzept in dieser Zeit durchaus erfolgreich war, zeigt der Rückblick auf das Werk von Augustus durch Tacitus: "... durch den Ozean oder durch weit entlegene Ströme sei das Reich geschützt; Legionen, Provinzen, Flotten, alles sei untereinander straff verbunden; Recht gelte gegenüber den Bürgern, Rücksicht gegenüber den Bundesgenossen, die Stadt selbst stehe in prächtigem Schmuck; nur in ganz wenigen Fällen habe man Gewalt angewandt, damit im übrigen Ruhe herrsche" (Annalen 1,9,5). Für die Unterlegenen war dies allerdings häufig die Ruhe, welche ihre unzähligen und oft namenlosen Gräber verströmten. Unter den Flaviern und den späteren Kaisern wurden die römischen Sicherheitsstrategien weiter entwickelt.391 Der Grenzschutz wurde ausgebaut und durch bauliche Massnahmen verstärkt. Diese Veränderungen hatten auch mit dem Verschwinden der Unterscheidung zwischen Italien und den Provinzen und einem neuen Verständnis des imperium Romanum als Ganzes wie auch mit den Veränderungen in der politischen Grosswetterlage zu tun. 2.2
Ergebnis
Die Expansion des römischen Weltreiches wurde von römischer Seite aus durch Verträge vorangetrieben und abgesichert, die in der Regel zum grösseren Vorteil Roms mit ausländischen Staaten, Gemeinwesen oder Fürstenhäusern geschlossen wurden. Mit diesen zumindest auf dem Papier teilweise als gleichwertige Partner angesehenen Verbündeten wurde die Einflussnahme Roms vertraglich abgesichert und durch Begriffe wie socius und amicus sprachlich festgelegt (und beschönigt). Dabei war es für die römische Seite von zentraler Bedeutung, die massgeblichen Peripherieeliten zu erkennen und für die eigenen Interessen mittels Beteiligung an der Macht und weiterer Privilegien einzuspannen. 385
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Vgl. Annalen 1,11; anders Tacitus, Agricola 13; Syme, Tacitus I (1958) 10-29. Dieses Gebiet wurde alpes Cottiae genannt nach dem Zensor L. Aurelius Cotta, der hier 241 v.Chr. eine Strasse anlegen liess, die von Rom über die Alpen führte (vgl. Gundel, Aurelius (KP 1/1979) Sp. 764). S.u. Kap. 13. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 49f.; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 240. Möglicherweise hegte Augustus selbst noch den Traum der Welteroberung. Zu den diesbezüglichen Argumenten vgl. Luttwak, Strategy (1979) 207 Anm. 158. Vgl. Luttwak, Strategy (1979)50. Tacitus berichtet, dass Sohaemus von Emesa (Horns), Antiochus IV. von Kommagene oder König Agrippa II. und Königin Berenike sowie weitere Klientelherrscher Truppen zur Unterstützung von Vespasian sandten (vgl. Historiae 2,81; 5,1; Josephus, Bell. 5,460; Volkmann, Antiochos (KP 1/1979) Sp. 392; Luttwak, Strategy (1979) 112; Braund, Client Kings (1988) 75f.). Zum von Tacitus entworfenen Geschichtsbild der Flavier vgl. Briessmann (1955). Weil der hier relevante Zeitraum kaum mehr zum Zeitrahmen der vorliegenden Arbeit gehört, sollen die strategischen Veränderungen in der Sicherheitspolitik des imperium Romanum nur in Form eines Exkurses dargestellt werden (vgl. Exkurs A). Dieser Zeitraum betrifft nur den Sikarier Jonathan, dessen Aktivitäten in der Kyrene ganz in den Anfang der flavischen Periode fällt (s.u. Kap. 14.1.6).
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
Ein weiterer Schritt auf der Abhängigkeitsskala bildete das Klientelsystem. Hier wurde lokalen Fürsten und Königen eine gewisse Autonomie überlassen, damit sie auf ihrem Gebiet die Macht- und Sicherheitsinteressen Rom verfolgten und verteidigten. In diesem klaren Abhängigkeitsverhältnis waren ihre römischen patroni hingegen im Prinzip nur moralisch zu Gegenleistungen verpflichtet. Von römischer Seite aus bedurfte die aktive Rolle der Klientelfürsten im entstehenden Weltreich einer regen Diplomatie. Dies mit dem Ziel, die Erfüllung der von Rom übertragenen Aufgaben und die Loyalität der clientes zu überwachen. In der Kaiserzeit fungierten die Klientelfürsten quasi als römische Statthalter mit einer gewissen Restautonomie. Wo kein Klientelfürst die von Rom geforderten Leistungen (mehr) erbringen konnte, wurde durch die Provinzialisierung eines Gebietes die grösst mögliche Kontrolle angestrebt und die römische Herrschaft gewissermassen institutionalisiert. Im Reichsosten war der grössere Urbanisierungsgrad der Kontrolle des imperium Romanum besonders zuträglich. Die Gründung und der Ausbau von Städten von römischer Seite aus sollte dies zusätzlich fördern. Denn besonders in stark urbanisierten Gegenden hatte die Abschreckungsstrategie durch die geballte militärische Präsenz römischer Truppen Erfolg. Die Armee fungierte dabei als mobile Eingreiftruppe, die im Bedarfsfall an den Ort des Geschehens verlegt wurde. Im Sinne dieser Abschreckungsstrategie wurde auch im Westen des römischen Reiches die Urbanisierung gefördert. Die diplomatischen Bemühungen erhielten ihren nötigen Nachdruck für die Ausbreitung und Sicherung der Machtsphäre Roms aber erst durch die permanente Kriegsbereitschaft seiner Armee. Militärische Mittel für das Erreichen und für die Verteidigung der eigenen Ziele bereitzustellen und auch einzusetzen, ist eine grundlegende und konstante Strategie in der Politik Roms. Aber eine Strategie der Abschreckung konnte nur verfolgt werden, wenn realen und potentiellen Gegnern immer wieder die Folgen eines Einsatzes der römischen Armee vor Augen geführt wurde; ein Einsatz allerdings, welcher der Legitimation gegen innen wie aussen bedurfte und gesetzlich reglementiert wurde. Mit dem Ziel, stets über ein schlagkräftiges Instrument der Kriegsführung zu verfügen, wurde aus dem römischen Milizheer der Republik die Berufsarmee der Kaiserzeit. Zu dieser komplexen Entwicklung trugen auch die sich verändernden gesellschaftlichen Voraussetzungen und die zunehmende Expansion des römischen Reiches bei. Diesen Gesichtspunkten sind die beiden folgenden Kapitel gewidmet.
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D A S K O N Z E P T DER PERMANENTEN K R I E G S B E R E I T S C H A F T
πόλεμοΒ πάντων μεν πατήρ έστι ... "Der Krieg ist Vater aller Dinge ..." (Heraklit Β 53). Diese Aussage Heraklits trifft vielleicht nicht auf alle Staaten der Antike zu, auf das republikanische und kaiserzeitliche Rom jedoch sicher.392 Dabei ist allerdings festzuhalten, dass diese Aussage noch nichts über die "Normalität" des Kriegszustandes in einem Staatswesen aussagt. Sie umschreibt auch nicht die grundsätzliche Einstellung der Römer zu Krieg und Frieden.393 Dies auch dann, wenn die Geschichte Roms auf den ersten Blick als eine endlose Reihe von Kriegen erscheint. 394 Aber die Feststellung Heraklits weist darauf hin, dass die Entwicklung Roms zum Weltreich nur vor dem Hintergrund der Bereitschaft der politisch massgebenden Kräfte verständlich ist, den Krieg als Teil ihrer Politik einzusetzen. Dies wird aber auch im kaiserzeitlichen imperium Romanum seine Geltung behalten.395 Dabei ist zu betonen, dass es in republikanischer Zeit nicht nur die Aristokratie ist, welche Kriegsbereitschaft an den Tag legt.396 Eine Einschätzung der Römer als "Volk der geborenen Soldaten"397 ist dadurch jedoch nicht gerechtfertigt, weil ein solches Pauschalurteil weder die besonderen Umstände der jeweiligen Kriege noch der jeweiligen Agitatoren oder Entscheidungsträger Rechnung trägt.398 Zudem gibt es sehr viele Beispiele, bei denen auf römischer Seite Anstrengungen zur Vermeidung eines Krieges oder Kriegsmüdigkeit feststellbar ist.399 Ebenso verfehlt ist die Meinung, welche der Antike den Krieg, der heutigen Zeit hingegen den Frieden als Grundmodell für das Zusammenleben der Völker unterstellt.400
Nach Finley, Politisches Leben (1986) 82, sollte die "beispiellose Bilanz römischer Kriege und Eroberungen ... nicht den Blick darauf verstellen, daß es auch in der Geschichte der meisten griechischen Po leis nur wenige Jahre, und kaum einmal mehrere Jahre hintereinander gegeben hat, in denen man sich nicht in kriegerischen Auseinandersetzungen befunden hδtte". Im Hinblick auf die moderne Geschichte und die hier feststellbare Kluft zwischen theoretischer Friedenspflicht und praktischer Kriegsf٧hrung ist sicher Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 26, zuzustimmen: "Wie vor Jahrhunderten werden noch immer Kriege gef٧hrt und in nicht geringem Ausmaß. Aufgrund der Erfahrungen der beiden Weltkriege und im Bewußtsein der Gefahren, die die modernen Waffensysteme auch f٧r den potentiellen Angreifer bergen, kam man jedoch zumindest auf der theoretischen Ebene zu dem Ergebnis, daß der Friede das normale Verhδltnis der Vφlker zueinander sein muß. Diese Maxime wurde vertraglich in der UNCharta niederge legt und von fast allen Staaten der Welt anerkannt. Die Anerkennung der Friedenspflicht ist eng mit der Erkenntnis verbunden, daß Krieg an und f٧r sich keine Schicksalsmacht ist. Kriege werden 'gemacht', sind also machbar und eo ipso auch vermeidbar. Weil der Krieg das 'normale' friedliche Zusammenleben der Vφlker und Staaten stφrt, wird er bis auf den Fall des Krieges als Selbstverteidigung, den es im Grunde genommen bei Einhaltung der Regel nicht geben d٧rfte moralisch verurteilt. Die Divergenz zwischen Theorie und Praxis ist offensichtlich." Vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 15.27. Dieser Frage in den weit verstreuten Aussagen der anti ken Geschichtsschreiber nachzugehen, ist das besondere Anliegen von Kostial. Vgl. Bleicken, Verfassung (1975) 161. Vgl. Wiegels, Legions (2000) 747. Zur Entscheidungsfindung bzgl. Kriegseintritt vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 117130. Kostial legt nahe, dass mit Ausnahme eines akuten Verteidigungskrieges im Prinzip auch die Volksversamm lung f٧r einen Krieg stimmen musste, auch wenn es daf٧r nur sehr wenig explizite literarische Zeug nisse gibt. Dies nach der Maxime: nullum bellum iniussu populi. Dabei sagt auch die formale Einbe ziehung der Volksversammlung nat٧rlich noch nichts aus ٧ber die Verteilung der Befugnisse und der Macht im Entscheidungsprozess. So war hier die Volksabstimmung ٧ber einen Krieg relativ spδt ange setzt, und Senat und Konsuln hatten nat٧rlich die weitaus grφsseren Mφglichkeiten und auch einen In formationsvorsprung. Ähnlich dem Volksentscheid mussten in gewissen Fδllen auch die Soldaten f٧r ei nen Krieg motiviert werden (vgl. etwa Cassius Dio 38,35,2 und 38,41,4 zum von Cδsar geplanten Feld zug gegen Ariovist und die Sueben). So Meyer, Staatsgedanke (1948) 273. F٧r Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 15 Anm. 32 ist es im "Grunde ... unmφglich, Begriffe wie 'kriegerisch' oder 'militaristisch' ohne Differenzierung auf ein ganzes Volk und dessen jahrhundertelange Ge schichte zu ٧bertragen". Vgl. die Beispiele bei Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 145157. So zweifelt Nestle, Friedensgedanke (1938) 1, zurecht, "ob es wirklich wahr ist, daß nach modemer An schauung der Friede, nach antiker der Krieg das normale Verhδltnis der Vφlker zueinander ist".
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Was die Kriegsberichterstattung der einzelnen Historiographen betrifft, so gibt die "Art der Berichterstattung und die Kommentare ... vorerst Aufschluß dar٧ber, wie der jeweilige Autor ٧ber Krieg allgemein oder ٧ber einen ganz speziellen Krieg dachte. Es wird also zunδchst ein individuelles Bild das des Historikers oder Philosophen ٧ber die Einstellung eines Einzel nen zu Krieg und Frieden gezeichnet. Es ist auf der anderen Seite jedoch δußerst unwahr scheinlich, daß antike Historiographen und Philosophen mit ihrer Einstellung zu Krieg und Frieden eine dem Zeitgeist vφllig zuwiderlaufende Position bezogen hδtten."401 3.1
Diplomatie und Kriegsführung: zwei Seiten einer Medaille
Durch seine Expansion wie auch die unzδhligen bilateralen Abkommen und Vertrδge wurde Rom immer mehr zur weltpolitischen Drehscheibe, und schon im 2. und 1. Jh. v.Chr. erwarte ten immer mehr Mittelmeerstaaten bei eigenen aussenpolitischen Schwierigkeiten den Schiedsspruch Roms.402 Die zunehmende militδrische ٢berlegenheit hatte die Expansion des imperium Romanum mφglich gemacht, und auch die Diplomatie stand nun klar im Dienste dieser Expansion. Die unzertrennbare Einheit von Diplomatie und Kriegsf٧hrung wird auch daran ersichtlich, dass es in Rom keine eigenstδndigen aussenpolitischen Institutionen und Organe gab. Diese waren offensichtlich auch nicht nφtig, da Rom eine Aussenpolitik "als autonome Form des Agierens offenbar nicht kennt ... ٢berspitzt formuliert: der republikanische Staat (die res publica) erscheint als aussenpolitischer Handlungstrδger nur im Krieg."403 Damit verbunden, fehlte es in Rom auch an einer aussenpolitischen Theorie, die nicht den Krieg im Mittelpunkt hat.404 Denn die einzige aussenpolitische Theorie sowohl bei den republikanischen Schrift stellern wie Polybius, Livius, Sallust oder Cδsar wie auch noch bei den kaiserzeitlichen Au toren wie Tacitus oder Cassius Dio ist diejenige des gerechten Krieges, des bellum iustum.mi Folgerichtig erscheint die Aussenpolitik, f٧r die es eigentlich keinen Begriff gibt, im Prinzip als belli pacisque consilia. Ein anderer Zustand als Krieg oder Frieden scheint es zumindest auch f٧r Ciceros Verstδndnis von Aussenpolitik nicht zu geben. Dies zeigt sich ebenfalls in der hδufig verwendeten Formel domi militiaeque, die sowohl mit "zuhause (in der Heimat) und im Ausland" als auch mit "im Frieden und im Krieg (im Feld)" ٧bersetzt werden kann.406 Und Cicero meint in seiner Charakterisierung der mittleren Republik, dass Kriege zu dieser Zeit einfach dazu gehφrten.407 Wie eng miteinander verkn٧pft Politik und Armee in der Republik waren, lδsst sich einmal am parallelen Aufbau der comitia centuriata, der zivilen, vom Zensus abhδngigen Volksversamm lung, und der von Livius beschriebenen Legion ersehen.408 Damit verbunden fδllt ein weiterer Punkt auf, nδmlich die Identitδt von ziviler und militδrischer F٧hrung im rφmischen Staat. So waren die Konsuln bis gegen Ende der Republik Leiter des Senates und Feldherren in Perso nalunion. Entsprechend eng waren zivile und militδrische Laufbahn miteinander verbunden. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 32. Vgl. auch Gehrke, Rache (1987) 124ff. Gehrke stellt im Hin blick auf die griechischen Gerichtsreden wie auch auf allgemeine Gültigkeit fest, dass man dort zwar log, "daß sich die Balken bogen; aber was der Redner sagte, mußte doch, wie weit es auch immer von der Wahrheit entfernt war, ... plausibel sein, es mußte im Bereich einleuchtender Vorstellungen liegen". Zur Quellenlage und interpretation zum Thema Krieg und Frieden aus römischer bzw. antiker Sicht vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 2938. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 69; Podes, Dependenz (1986) 195. So versucht Rom etwa, im drohenden Krieg seiner beiden socii et amici Attalos und Antiochos zu vermitteln und den Krieg zu ver meiden (vgl. Livius 32,8,16). Vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 151f. mit weiteren Beispielen. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 72f. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 70.275 Anm. 7. Vgl. dazu umfassend Kostial, Kriegerisches Rom (1995). S. auch u. Kap. 3.3. Vgl. Gesche, WeltbeheiTscher (1981) 7073. Vgl. Cicero, De officiis 2,45; Harris, Imperialism (1979) 10. Vgl. Livius 1,4243. Inwieweit die von Livius beschriebene Legion wie auch die comitia centuriata ei ner historischen Realität entsprochen haben, ist hier nicht entscheidend. Von Bedeutung ist primär, dass ein bedeutender Autor wie Livius den Aufbau von Armee und Volksversammlung für den Beginn der Republik als identisch angesehen hat oder dies zumindest glauben machen wollte.
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Dies zeigt sich auch in der Charakterisierung des Zuständigkeitsbereiches der höchsten römischen Magistraten mit Imperium (urspr. inperium). Dieser Begriff beinhaltet sowohl die zivile wie auch die militärische Gewalt und Vollmacht über ein gewisses Gebiet bzw. für eine bestimmte Aufgabe.409 In der Zeit des Prinzipats war der Prinzeps nicht nur der "erste Bürger", sondern auch der oberste Truppenkommandeur.410 Unter der römischen Nobilität herrschte demnach die Über zeugung, dass Erfolg in der Politik Ausbildung genug sein sollte für ein siegreiches Kommando der Truppen wie auch umgekehrt. 4 " Auch wenn es gegenteilige Beispiele genügend gibt. Auch die legati, die Gesandten Roms, sind nicht einfach aussenpolitische Botschafter, sondern sie führen aussenpolitische Missionen nur als Ersatzleute für die verantwortlichen Magistraten aus. Als Provinzgouverneure sind die legati dann sowohl für die zivile Verwaltung wie auch für die militärische Führung verantwortlich.412 Politik und Krieg sind in Rom also auf das Engste miteinander verbunden: Der Krieg erscheint nicht als ultima ratio der Politik oder als deren Fortsetzung mit anderen Mitteln, vielmehr erscheint der Krieg als integrierter Bestandteil der Politik, als eine ihrer "sachgemässen Erscheinungsformen und Methoden"413. So ist etwa für Cicero der Krieg eine legitime, ja sogar die einzig richtige Methode, wenn Diskussionen und Verhandlungen nicht zu einer akzeptablen Lösung für Rom zu führen scheinen; oder wenn der Frieden aus römischer Sicht nur durch Ungerechtigkeiten (iniuriae) erkauft werden kann; oder wenn der Frieden versteckte Fallstricke (insidiae) enthalten würde, die über kurz oder lang zu neuen Konflikten führen würden. Es erstaunt somit nicht, dass Krieg im republikanischen Rom zum politischen Alltag gehört.414 Auch die fest im offiziellen römischen Kalender integrierten Riten Equirria, Quinquadratus und Tubilustrium, welche zwischen dem 27. Februar und dem 23. März begangen wurden, und die zwischen dem 15. und dem 19. Oktober anzusetzenden Riten Equus October und Armilustrium weisen darauf hin, dass der Krieg zum römischen Alltag dazugehörte.415 Der Krieg ist demnach eine Notwendigkeit und gewissermassen der "Normalzustand", wenn auch der Friede theoretisch erstrebenswerter ist.416 Bei siegreichem Ausgang war ein Krieg auch dem Ansehen zuträglich, obwohl Cicero das klärende Gespräch (disceptatio) der Gewaltanwendung vorzieht und es als die menschenwürdigere Möglichkeit der Konfliktlösung ansieht. Als Übel erscheint der (gerechte) Krieg den Römern somit nur faktisch, nicht aber moralisch, und dies vor allem dann, wenn römi sches Territorium davon betroffen wird.4'7 Anders natürlich der Bürgerkrieg, der für viele Römer gleichbedeutend mit Brudermord ist und möglichst schnell beendet werden sollte.418
Vgl. Rosenberg, Imperium (PRE 9.2/1916) Sp. 1201-1211; Bleicken, Imperium (KP 2/1979) Sp. 138Iff.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 71; Podes, Dependenz (1986) 168. Princeps sollte eigentlich ausdrücken, dass Augustus einfach der erste Bürger Roms war. Angesichts der Machtfülle dieses ersten Bürgers stellt der Name allerdings offensichtlich einen Euphemismus dar (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 7f.; Klauck, Religiöse Umwelt II (1996) 51). Vgl. Harris, Imperialism (1979) 10-41. Vgl. dazu auch, jedoch mit dem Augenmerk auf das Verhältnis von militärischem Misserfolg und gesellschaftlichem Konkurrenzkampf innerhalb der römischen Nobilität während der mittleren und ausgehenden Republik, Rosenstein, Imperatores victi (1990). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 72. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 74. Vgl. auch Olshausen, Krieg und Frieden (1987) 237. Zur Frage von Unvermeidlichkeit und Normalität militärischer Konflikte in der römischen Politik vgl. umfassend Kostial, Kriegerisches Rom (1995). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 74. Harris, Imperialism (1979) 53, spricht vom Krieg aufgrund seiner wiederkehrenden Regelmässigkeit von einem "pathologischen Charakterzug" römischer Politik. Vgl. Latte, Römische Religionsgeschichte (1960) 114-121; Harris, Imperialism (1979) 9f. Vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 165.172f. Bei 145 geführten Kriegen zwischen 1945 und 1980 n.Chr. gilt Krieg wohl ebenso für die heutige Zeit als "Normalzustand". Von einer friedlichen Welt sind somit auch wir heute sehr weit entfernt. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 74. Vgl. Cassius Dio 37,24,3; 41,57,4; Appian, Bella civilia 5,1; Valerius Maximus 2,8,7; Olshausen, Krieg und Frieden (1987) 301.303.
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Es erstaunt somit nicht, dass die ungebrochene Bereitschaft zum Krieg eines der herausragenden Merkmale in der Politik Roms darstellt.419 So stehen die Pforten des Janustempels von 237 v.Chr. an ununterbrochen offen als Zeichen dafür, dass Rom irgendwo in einen Krieg verwickelt ist. Erst 29 v.Chr. wird Augustus sie wieder schliessen. Durch ihn bricht mit der pax Augusta auch eine neue Friedenszeit, ein neues Zeitalter an.420 Auch dadurch wird deutlich, dass Rom seine Weltherrschaft in grossem Ausmass seiner Armee verdankt. Zur ungebrochenen Bereitschaft zum Krieg trug wesentlich auch die römische Religion bei. Ihr Beitrag einerseits zur Ausgrenzung des Krieges aus dem Leben der einzelnen Bürger und andererseits zu dessen Integration in das staatliche Leben ist dabei keineswegs zu unterschätzen: So konstruiert die römische Religion Krieg als "eine rein staatliche Aktivität; personifiziert ist der 'Staat' im Feldherrn. Auf der Ebene der Bürger wird der Krieg so wenig thematisiert, daß bei Individuen, die als Soldaten ausgehoben worden sind, der ٢bergang vom Friedens in den Kriegszustand ٧berhaupt nicht, nicht einmal als Bruch, rituell aufgegriffen wird. Es bleibt allein das Aus und Einblenden der b٧rgerrechtlichen Person. Die Zwischen zeit, Krieg, wird zugleich mit Hilfe der Religion auf der staatlichen Ebene voll integriert; Krieg wird als normaler Bestandteil staatlicher Aktivitδt aufgefaßt.1,421 Dadurch wird einerseits der Staat vom Stress des Krieges entlastet, andererseits mischt sich der Staat nicht in die Kriegsf٧hrung ein, die er voll und ganz den Feldherren ٧berlδsst. Der Erfolg militδrischer Aktionen wird dann allerdings mittels militδrischer Riten nach Rom transportiert und dort entsprechend gew٧rdigt. Niederlagen finden hier hingegen keine Ent sprechung: Sie werden als Strafe Gottes f٧r das Versagen des rφmischen Staates und seiner Bevφlkerung angesehen oder dem inhδrenten Ungl٧ckscharakter eines bestimmten Tages zugerechnet, der dann f٧r spδtere Unternehmungen entsprechend gekennzeichnet werden muss. Diese Mechanismen entlasten das militδrische System von Minuspunkten, das immer wieder unbeschwert von angelasteten Niederlagen den Erfolg suchen kann.422 3.2
Vom Geplänkel bis zum Zerstörungskrieg: die breite Palette römischer Kriegsführung
Hand in Hand mit einer regen Diplomatie war es also primδr die rφmische Militδrmaschinerie, welche die Gegner Roms in die Knie zwang und Rom selbst zum Status einer Weltmacht ver half.423 Und auch bei der Sicherung des bestehenden Reiches gegen mφgliche Aufstδnde spielte die Furcht vor einer mφglichen Vergeltungsaktion durch die rφmischen Truppen eine wichtige Rolle.424 Die rφmischen Feldherren setzten ihre militδrischen Mittel dabei unterschiedlich und gezielt ein. Einerseits sollte der Ertrag in einem guten Verhδltnis zum militδrischen Aufwand stehen. Andererseits war es f٧r spδtere Feldz٧ge und die Tδtigkeit der eigenen Diplomaten von Nut zen, wenn die Abschreckungswirkung gross war, die von den rφmischen Truppen ausging.425
Vgl. Harris, Imperialism (1979) 9f. Den politischen Charakter des 1. Punischen Krieges unterstreicht Heuss, Imperialismus ( 3 1970) 71f. Gemδss der bei Varro, De lingua latina 5,165, bezeugten Aussage des Annalisten Piso, verfugte schon Numa, dass die JanusPforten nur geschlossen werden sollten, wenn Friede herrsche (vgl. Eisenhut, Ia nus (KP 2/1979) Sp. 131 Iff.). S. auch u. Kap. 9.1 und 9.2. R٧pke, Domi Militiae (1990) 247. Vgl. R٧pke, Domi Militiae (1990) 247. Vgl. dazu ausf٧hrlich Luttwak, Logic of War and Peace (1987). Obwohl wir heute ٧ber die militδrische Organisation der rφmischen Armee bzgl. Taktik und Logistik ziemlich gut im Bilde sind, bleibt die Fra ge weiter unklar, wie sich der konkrete Kampf gestaltete und ob eher von einer geschlossenen Kampfli nie oder individuell kδmpfenden Soldaten auszugehen ist (vgl. etwa Keegan, Face of Battle (1976); Sa bin, Face of Roman Battie (1999) 117). Eine differenzierte Betrachtung des Schlachtgeschehens auf E bene des Feldherrn, der kδmpfenden Einheit und des einzelnen Soldaten bietet Goldsworthy, Army (1996) 116282. Vgl. Goodman, Opponents (1991) 236ff.; Mattern, Strategy (1999) 210. Vgl. die Beispiele bei Mattem, Strategy (1999) 120f.
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Diese Wirkung spricht auch Plinius in seiner Dankesrede an Trajan an, die er anlässlich seines Konsulats im Jahre 100 n.Chr. hält: "Jetzt aber ist für alle [gemeint sind die äusseren Feinde, die vor dem Regierungsantritt von Trajan übermütig geworden sind; Anm. C.R.] Schrecken, Furcht und Willfährigkeit, die Befehle auszuführen, zurückgekehrt. Denn sie sehen einen römischen Feldherrn, einen von jenen alten und strengen, denen mit Metzeleien bedeckte Felder und durch ihre Siege gefärbte Meere den Namen Imperator gaben ... Sie bitten, sie flehen, wir bewilligen, wir verweigern - beides der Majestät des Reiches entsprechend." (Panegyricus 12) Dass die römischen Truppen offenbar schon in einer frühen Phase der Expansion Roms Angst und Schrecken verbreiten konnten, wird im wehmütigen Rückblick Plutarchs auf die Regierung des Sabiners Numa deutlich. 426 Dieser war gemäss der Überlieferung der zweite König Roms. 427 Plutarch meint zum Wechsel von Numa zu seinen Nachfolgern: "Dasjenige, was Numa zum Ziel seiner Staatsordnung gemacht hatte, dass Rom in Ruhe und Frieden leben sollte, ging sofort mit ihm ins Grab; und die Pforten des Janustempels, den er immer geschlossen gehalten hatte, um gleichsam den Krieg in ihm einzusperren und zu bändigen, rissen sie nach seinem Tod weit auf und erfüllten Italien mit Blut und Leichen." (Numa 26) Für Plutarch ist es deshalb klar, dass Rom durch seine Kriege vorwärtsgekommen ist.428 Nach dem Sieg über die militärischen Gegner war auch die Umsiedlung ganzer Völkerschaften eine geeignete Methode, den Unterworfenen Herr zu werden und zukünftigen Konflikten aus römischer Sicht vorzubeugen. So liess etwa Pompeius die kilikischen Piraten umsiedeln, anstatt sie umzubringen. Und unter Augustus wurden viele Menschen umgesiedelt, wie etwa durch Sex. Aelius Catus die ca. 50'000 Geten von Thrakien in die neue Provinz Moesia oder weitere 100Ό00 später unter Ti. Plautius Silvanus. 429 Cassius Dio bezeugt die Ansiedlung unterworfener Stämme unter Marc Aurel im gesamten Donauraum und sogar in Italien.430 Grausamkeit im Krieg war aber nicht nur Sache der Römer, sondern auch ihrer Gegner. 431 So sollen im Laufe des 1. Mithradatischen Krieges (89-85 v.Chr.) allein in der Provinz Asia durch die Soldaten von Mithradates an einem Tag angeblich 80Ό00 Römer umgebracht worden sein.432 Doch nach der Rückeroberung Vorderasiens durch Sulla wurde Mithradates nicht nur zu einer hohen Kriegsentschädigung, sondern auch der Nachzahlung der Steuerpacht für fünf Jahre und der Lieferung von 70 Schiffen für den Rücktransport der römischen Truppen nach Italien gezwungen. Dazu kamen nach der Reorganisation der Provinz Asia Zahlungen
Zum Verhalten der römischen Streitkräfte gegenüber feindlichen griechischen Städten vgl. einige Beispiele im Verlauf des 1. Punischen Krieges: Akragas (vgl. Diodor 23,9,1); Mytistraton (vgl. Zonaras 8,11); Kamarina (vgl. Diodor 23,9,5); Panormus (vgl. Diodor 23,8,5); Lipara (vgl. Zonaras 8,14,7 und Orosius 4,8,5; vgl. auch 4,9,13). Vgl. dazu Heuss, Imperialismus ( 3 1970) 75. Vgl. Cicero, De re publica 2,23-30; Livius 1,18-21; Dionysios Halikaraasseus, Antiquitates Romanae 2,58-76; Plutarch, Numa; Fliedner, Numa Pompilius (KP 4/1979) Sp. 185f. Zur gewaltsamen Unterwerfung des jüdischen Volkes und seiner literarischen Dokumentation s.o. Kap. 1.1.4. Vgl. Plutarch, Pompeius 28; Mattern, Strategy (1999) 10. Vgl. Strabo 7,3-10 und CIL XIV 3608 zu Augustus. Vgl. 71,11,4. S. weitere Beispiele unter Wierschowski, Wirtschaft (1984) 268 Anm. 674. Vgl. auch Swoboda, Carnuntum ( 3 1958) 36. Vgl. Harris, Imperialism (1979) 53. Brutale Gewalt gegenüber Rebellen und Feinden im Dienst einer Weltherrschaftsidee und einer expansiven Militärpolitik, gepaart mit einer geschickten Vertragspolitik, ist auch keine römische Erfindung, sondern findet sich schon in der Politik vorangehender Grossreiche wie Assyrien (vgl. Otto, Krieg und Frieden (1999) 56-59). Vgl. Plutarch, Sulla 24; Appian, Mithridatius 22-23; Badian, Imperialismus (1980) 96. Über die genaue Zahl der Toten sind sich die Quellen zwar uneinig, nicht jedoch über den blutigen Charakter des Massakers. Vgl. auch Junkelmann, Legionen (1986) Taf. 78a-c, die Abbildung von Skeletten getöteter Briten, die bei der Erstürmung von Maiden Castle durch die von Vespasian geführte legio [I Augusta um 45 n.Chr. gefallen waren.
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von 20Ό00 Talenten und der Unterhalt der stationierten Truppen.433 Sulla Hess zudem seinen Soldaten alle Freiheiten beim Plündern der zurückeroberten Gebiete, gemäss dem Grundsatz, dass der Krieg den Krieg ernähren sollte.434 Auch Cäsar ging teilweise mit grausamer Härte gegen seine Gegner vor. Die Eburonen etwa versuchte er mit allen Mitteln auszurotten. Einmal liess er den Einwohnern von Uxellodunum und allen waffenfähigen Männern der aufständischen Cadurci die rechte Hand abhacken, ganz entsprechend dem brutalen Vorbild von Scipio Aemilianus.435 In Gallien soll Cäsar eine Million Gefangene zu Sklaven gemacht haben.436 Wenn Cäsar einmal als Beute nur Kriegsgefangene machen konnte, wie es im kargen Britannien der Fall war, bildete dies wohl eine Ausnahme.437 Angesichts solcher Vorkommnisse tönt es schon etwas befremdlich, wenn Cäsar in anderen Fällen seine Milde und Nachsicht betont.438 Was ein Zerstörungskrieg für die Gegner der römischen Truppen bedeutete, erhellt der Germanienfeldzug von Germanicus aus dem Jahre 14 n.Chr. Gemäss Tacitus liess Germanicus "einen R a u m von 50 Meilen ... mit Feuer und Schwert völlig verwüsten: nicht Geschlecht, nicht Alter brachte E r b a r m e n ; weltliche G e b ä u d e e b e n s o . . . wie Heiligtümer ... wurden d e m E r d b o d e n gleichgemacht" (Annalen 1,51,1).
Später berichtet Tacitus von der Eroberung des nördlichen Britannien durch seinen Schwiegervater Agricola: Dieser sandte die Flotte voraus, "damit sie an mehreren Stellen plündern und dadurch mächtigen Schrecken und Unsicherheit verbreiten sollte" (Agricola 29,2).
Auch andere, plötzlich unternommene Feldzüge Agricolas dienten dem gleichen Zweck: "Sobald er jedoch genug Schrecken verbreitet hatte, schonte er sie wieder und zeigte ihnen die L o c k u n g e n des Friedens. Durch solche M a s s n a h m e n Hessen sich viele Stämme, die bis anhin unabhängig geblieben waren, bewegen, Geiseln zu stellen und von ihrer E r bitterung abzulassen." (Agricola 20,2-3)
Dabei ist festzuhalten, dass Tacitus Agricola als sehr ehrenwerten Menschen darstellt.439 Auch der erfolgreiche Feldherr Cn. Domitius Corbulo wandte in Armenien eine breite Palette militärischer Mittel und Taktiken an: Er praktizierte "Mitleid gegenüber Bittenden, Schnelligkeit gegen Flüchtige, schonungslose Härte g e g e n diejenigen, die Schlupfwinkel besetzt hatten; die Ein- und Ausgänge der Höhlen liess er mit Reisig und Strauchwerk zustopfen und sie durch A n z ü n d e n ausräuchern" (Tacitus, Annalen 14,23,2).
Der offensichtlich beinharte Corbulo hatte 60 n.Chr. als legatus Augusti pro praetore Cappadociae et Galatiae (54-60 n.Chr.) mit seinen Truppen das Königreich Armenien dem parthischen König Vologaeses I. abgenommen, der hier seinen Bruder Tiridates eingesetzt hatte.440 Allerdings war dieser Erfolg nicht von langer Dauer.
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Plutarch spricht von 2000, Memnon von 3000 (euböischen) Talenten als Kriegsschuld (vgl. Plutarch, Sulla 25; Volkmann, Sulla (KP 5/1979) Sp. 418; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 156). Vgl. Plutarch, Sulla 12; Appian, Mithridatius 30; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 156. Zum Grundsatz vgl. Livius 34,9,12 (s. auch u. Kap. 4.2.2). Vgl. auch Badian, Imperialismus (1980) 37. Vgl. Caesar, Bellum Gallicum 6,34-35.43 und 8,44. Zu Scipio Aemilianus vgl. Appian, Iberica 94. Vgl. Plutarch, Caesar 15; Appian, Celtica 2. Vgl. auch Caesar, Bellum Gallicum 7,89,5. Bellum Gallicum 3,16 und 8,44,1 verteidigt Cäsar sein besonders hartes Vorgehen. Vgl. Caesar, Bellum Gallicum 5,23,2. Vgl. Bellum Gallicum 2,14.28.31; 8,3; 8,21; 8,44. Zu den Wertvorstellungen von Tacitus vgl. Vielberg, Pflichten (1987). Nach Schulten, Geschichte von Numantia (1933) 7-9, ist die Aufzeichnung der römischen Kriege und politischer Aktionen in Spanien eine Liste von Grausamkeiten und Hinterlist. Vgl. Tacitus, Annalen 13,6-8; Josephus, Ant. 20,74; Cassius Dio 63,5,2; Volkmann, Tiridates (KP 5/1979) Sp. 861. Nach Tacitus, Annalen 13,37-41, hatte Corbulo allerdings die Hauptstadt Artaxata schon 58 n.Chr. eingenommen und zerstört. Zu Corbulo vgl. Hanslik, Domitius (KP 2/1979) Sp. 131f.
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Die ganze Härte der römischen Kriegsführung erfahren auch die aufständischen Juden. D a s E n d e der Eroberung Jotapas schildert Josephus folgendermassen: "... als aber die Waffenfähigen hingerafft waren, wurde das übrige Volk unter freiem Himmel und in den Häusern abgeschlachtet, die Jungen ebenso wie die Alten. Vom männlichen Geschlecht blieb niemand am Leben als die unmündigen Kinder, die zusammen mit den Frauen zu Sklaven gemacht wurden. Die Gesamtzahl der Erschlagenen, im Kampf in der Stadt und im Treffen vorher, betrug 15 000 Mann, gefangen wurden 2130." (Bell. 3,304-306) Die grausame Behandlung der Kriegsgefangenen (wie auch deren propagandistische Verwertung) war dabei ein fester Bestandteil der Abschreckungsstrategie, welche die römische K r i e g s f ü h r u n g auszeichnete. Josephus macht dies an vielen Stellen seines Bellum deutlich, auch wenn er b e m ü h t ist, die Nachsichtigkeit der R ö m e r hervorzuheben. 441 Diese Nachsicht gilt aber nur denjenigen, die sich bedingungslos ergeben und die römische Überlegenheit an erkennen. So lässt Josephus auch Eleazar in dessen Rede vor d e m Selbstmord der letzten W i derstandskämpfer auf Masada ausdrücklich auf die Behandlung der Kriegsgefangenen durch die R ö m e r hinweisen. Für ihn ist sogar der Tod die bessere Alternative zur Kriegsgefangenschaft: "Denen aber, die in den Kämpfen gefallen sind, kommt es zu, dass man sie glücklich preise; denn im Einsatz für die Freiheit, und nicht im Verzicht auf sie, sind jene gestorben. Hingegen die Menge derer, die in die Hände der Römer geraten sind - wer möchte nicht mit ihr Mitleid haben? Ja, wer möchte nicht lieber darauf drängen, zu sterben, anstatt mit jenen solches Leid zu teilen? Die einen von ihnen starben, nachdem sie gefoltert oder mit Feuer und Geissein misshandelt worden waren; die anderen dagegen wurden von Tieren halb angefressen und dann lebend noch für einen zweiten Frass vorbehalten, um so den Feinden zu Gelächter und Spiel zu dienen. Dennoch muss man wohl für die elendsten von allen jene halten, die immer noch leben, da ihnen der Tod, obschon sie vielfach darum flehten, nicht vergönnt wird." (Bell. 7,372-374) Gegen wen die römischen Feldherren Milde walten liessen, lag allein in ihrer Entscheidungskompetenz. Flamininus meinte dazu im Jahre 197 v.Chr., dass die R ö m e r ein Volk nicht völlig auslöschen würden bei einer ersten Auseinandersetzung. 4 4 2 Bei wiederholten Rebellionen oder A n g r i f f e n gegen R o m kannte die römische Seite allerdings keine G n a d e mit ihren Gegnern, ganz nach dem Leitspruch Vergils: ... parcere subiectis et debellare superbos ... "... die Unterworfenen schonen und den Trotz der Stolzen brechen" (Aeneis 6,853). Augustus jedenfalls beanspruchte f ü r sich und seine Politik, dass er fremde Völker lieber verschonte denn ausradierte. Vielleicht wurde er dabei von der Überzeugung geleitet, dass Tote keine Steuern bezahlen. 443 Wirtschaftliche Überlegungen dürften deshalb in vielen Fällen das r ö m i s c h e Vorgehen geleitet haben, wenn M i l d e und Nachsicht praktiziert wurden. 444 Dazu gehört auch, dass unter bestimmten Umständen ein Gegner lieber bestochen denn ausgerottet wurde, wenn dies aus römischer Perspektive erfolgsversprechender war. 445 Livius meint jedenfalls zur Ausdehnung des Machtgebietes des römischen Volkes: ... plus paene parcendo victis quam vincendo Imperium auxisse ... "... es habe sein Machtgebiet fast mehr durch Schonen der Besiegten als durch Siege ausgedehnt. (30,42,17). Gerade hier zeigt sich, dass Josephus seine Darstellung des jüdischen Aufstandes nicht nur als Apologie geschrieben hat, sondern gleichzeitig auch als Warnung an jüdische Glaubensgenossen und -innen, in keiner Weise nochmals einen Aufstand gegen Rom zu wagen (vgl. auch Kap. 12.0). Vgl. Polybius 18,37; Brunt, Laus imperii (1978) 184. Vgl. Augustus, Res gestae 3; Brunt, Laus imperii (1978) 184. Ausrottung, teilweise durch Versklavung wird bezeugt für die Salasser (vgl. Strabo 4,6,7; Cassius Dio 53,25). Zu seiner Vorgehensweise gegen die Eburonen vgl. Caesar, Bellum Gallicum 6,35. Vgl. Livius 42,8,5ff; 44,7,5; 44,31,1; Tacitus, Historiae 4,63; Seneca, De dementia. Vgl. Mattern, Strategy (1999) 121.
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Auch Josephus erinnert seine Landsleute in Jerusalem daran, dass es der Natur der Römer entspräche, "Milde im Sieg walten zu lassen und ihren Vorteil wichtiger zu nehmen als das Verlangen zorniger Erbitterung. Es könne aber weder eine menschenleere Stadt noch ein verödetes Land vorteilhaft für sie sein. Deshalb wolle auch jetzt wieder der Caesar [gemeint ist Titus; Anm. C.R.] ihnen die Übergabe anbieten, denn es werde wohl keiner mit dem Leben davonkommen, wenn er die Stadt mit Gewalt nehme, auf keinen Fall aber, wenn sie auch im schlimmsten Unglück nicht auf sein Angebot geachtet hätten." (Bell. 5,372-373) Milde gegenüber den Feinden ist für die Römer deshalb primär ökonomisch motiviert. Philosophische Überlegungen zu diesem Thema sind nur ideologische Beilage. 3.3
Die rechtliche Legitimierung des Krieges: die Theorie des bellum iustum
Die Legitimierung eines Krieges als gerecht ist natürlich vor allem dort von Wichtigkeit, wo die militärische Aggression von Rom selbst ausgeht. Dass dabei gewisse Bedingungen für den aus römischer Sicht legitimen Beginn eines Krieges gegeben sein mussten, weist darauf hin, dass ein Krieg aus moralischem Standpunkt nicht ohne weiteres als unbedenklich galt.446 Ein Krieg musste dabei nicht nur vor der Nachwelt, sondern in starkem Masse auch gegenüber den Zeitgenossen gerechtfertigt erscheinen. Ein Krieg hatte dabei aus römischer Sicht sowohl formal wie auch inhaltlich gerecht zu ein.447 Wo der römische Staat militärisch angegriffen wurde, trat das Recht auf Selbstverteidigung in Kraft und machte eine weitere Legitimierung unnötig. Der Gegner hatte durch seine Aggression von sich aus den Krieg erklärt.448 Der Begriff des bellum iustum taucht expressis verbis erst bei Cicero auf, doch finden sich verstreute literarische Hinweise darauf schon früher.449 Ein weiteres Indiz für eine lange Tradition des gerechten Krieges in Rom ist dessen Einbindung in das Fetialrecht (ius fetiale) und den Fetialritus. Dessen Ursprung wie auch derjenige der Fetialpriesterschaft reicht gemäss den antiken Autoren bis in die Frühzeit Roms zurück.450 Vom Ende des zweiten Jh.s v.Chr. bis zu Cicero findet die Entwicklung der Lehre vom gerechten Krieg dann ihren Höhepunkt.451 Das zwanzigköpfige Kollegium der Fetialen beschäftigte sich unter anderem mit diplomatischen Aufgaben, solange sich die Aussenpolitik Roms noch auf Italien beschränkte.452 Später wurden ihre diplomatischen Aufgaben immer mehr von den Legaten übernommen.453 Neben
Vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 39. Nach Hoch, Politische Sendung (1951) 66f., war es auch das Bestreben von Livius, "jeden Verdacht, Rom führe eine unlegale, aggressive Politik, zu zerstreuen". Vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 169 mit den Schemata ebd. 167 und 168. Vgl. Harris, Imperialism (1979) 167; Rüpke, Domi Militiae (1990) 120f.; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 49.72f. Bei einem militärischen Angriff durch einen Gegner, der sich bis anhin mit Rom noch nicht im Krieg befand, entfiel aus praktischen Gründen natürlich der Einsatz der Fetialen. Allerdings konnten diese noch post eventu in Aktion treten (vgl. Hampl, Stoische Staatsethik (1957) 258). Vgl. Cicero, De officiis 1,36; 2,26-27; Podes, Dependenz (1986) 183f. Dass Cicero die Thematik in seinen Werken de officiis und de re publica behandelt, weist darauf hin, "daß das, was die Theorie des bellum iustum beinhaltete, schon lange Zeit bekannt war" (Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 53). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 75. Allerdings d٧rfte es sich bei etlichen Aspekten um R٧ckproji zierungen handeln. Zum Fetialritus und seiner Entwicklung vgl. ausf٧hrlich R٧pke, Domi Militiae (1990) 97124. Zu den iustae causae im Zusammenhang mit dem Fetialrecht vgl. Cicero, De officiis l,34ff.80; De republica 2,31; 3,34ff. Auch der Begriff des ius fetiale wird zum ersten Mal ausdr٧cklich bei Cicero, De officiis 1,36, genannt. F٧r R٧pke, Domi Militiae (1990) 121, sind die drei Charakteristika dieses Entwicklungsstadiums "Sy stematisierung, Moralisierung und Theologisierung". Gemδss Livius 9,5,1 und 38,42,7, oder Servius, Commentarius in Vergilii Aeneida 1,62, lief die ge samte aussenpolitische Diplomatie ٧ber die Fetialen (vgl. Eisenhut, Fetiales (KP 2/1979) Sp. 541542; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 4049). Vgl. Schrot, Legatus (KP 3/1979) Sp. 534; Harris, Imperialism (1979) 166f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 76; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 5052.
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A u f g a b e n als G e s a n d t e o b l a g e s d e n F e t i a l e n , S t a a t s a k t e n w i e V e r t r a g s a b s c h l ü s s e n o d e r K r i e g s e r k l ä r u n g e n die a n g e m e s s e n e r e l i g ö s e W e i h e und die sakralrechtliche Sanktionierung u n d e i n e m K r i e g s e l b s t "Heiligkeit" zu verleihen. A l l e r d i n g s hatten d i e Fetialen dabei keine e i g e n s t ä n d i g e Entscheidungsbefugnis. 4 5 4 G e r e c h t (iustus) und gottgefällig b z w . g o t t g e w o l l t (pius) ist in R o m e i n K r i e g nur dann, w e n n a u c h d a s r e l i g i ö s f o r m a l e P r o t o k o l l eingehalten wird. D a b e i sah d a s Fetialrecht a u c h keine R e c h t f e r t i g u n g vor, w e n n d i e A g g r e s s i o n v o n R o m a u s g i n g u m e t w a n e u e s L a n d z u g e w i n nen. 455 A u s d e m Fetialrecht aber abzuleiten, d a s s R o m nur Verteidigungskriege zu führen g e w i l l t war, ist z u kurz gegriffen. 4 5 6 T r o t z d e m w a r d i e Institution der Fetialen s i c h e r a u c h zur V e r m e i d u n g v o n K r i e g e n g e s c h a f f e n , und nicht e i n f a c h zu deren Rechtfertigung. 4 5 7 B e i e i n e r P r o v o k a t i o n R o m s w i e e t w a e i n e r G r e n z v e r l e t z u n g w u r d e v o m S e n a t e i n Fetiale entsandt, der v o m Provokateur e i n e W i e d e r g u t m a c h u n g für d e n Zeitraum v o n 3 0 T a g e n ( d i e s iusti) z u fordern hatte (ad res repetundas) b z w . d i e A u s l i e f e r u n g v o n S c h u l d i g e n verlangte (deditio noxae). G e s c h a h d i e s nicht, kehrte der Fetiale zur Berichterstattung n a c h R o m zu rück. F o l g t e nun e i n e o f f i z i e l l e Kriegserklärung R o m s , s o m u s s t e w i e d e r u m ein Fetialpriester an d i e G r e n z e reisen, u m als S y m b o l dafür e i n e n S p e e r ins f e i n d l i c h e G e b i e t zu schleudern (indictio).i5e A u s s e r h a l b Italiens w a r eine s o l c h e V e r f a h r e n s w e i s e natürlich zu zeitraubend, s o d a s s d a s P r o t o k o l l d e n U m s t ä n d e n a n g e p a s s t wurde. 4 5 9 D e r z u s t ä n d i g e legatus verlangte W i e d e r g u t m a c h u n g , und falls d i e s nicht g e s c h a h , erfolgte die Kriegserklärung. 4 6 0 G e r a d e d i e H ö h e der W i e d e r g u t m a c h u n g s F o r d e r u n g erlaubte e s R o m , K r i e g e zu provozie ren. S o sind k a u m Fälle bekannt, bei d e n e n der G e g n e r die Forderungen R o m s erfüllte und s o e i n e n Krieg v e r m e i d e n konnte. 461 M i t der A u s s p r a c h e einer F o r d e r u n g konnte R o m w o h l d e n formalrechtlichen A n s c h e i n e i n e s gerechtfertigten K r i e g e s erwecken. 4 6 2 ٢berhaupt lassen sich in d e n Quellen die "faßbaren c a u s a e b e l l i . . . letztlich alle auf d e n G e d a n k e n d e s g e g n e r i s c h e n
Vgl. Rüpke, Domi Militiae (1990) 97-100; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 47f. Vgl. Scullard, Gracchi (1959) 2, und auch schon Frank, Imperialism (1914) 9. So schreibt etwa Frank, Imperialism (1914) 9, in Bezug auf das ius fetiale, dass "... the Roman mos maiorum did not recognize the right of aggression of a desire for more territory as just causes for war. That the institution was observed in good faith for centuries there can be little doubt". Vgl. auch Vogt, Reichsgedanken (1942) 130f.; Scullard, History ( 3 1961) 43. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 48. Vgl. Rüpke, Domi Militiae (1990) 97-118; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 45f. Livius überliefert solche Fälle 8,22,8 (Paleopolis 327 v.Chr.), 9,45,5-8 (gegen die Aequi im Jahre 304 v.Chr.), 10,12,1-3 (gegen die Samniten 298 v.Chr.), 10,45,6-8 (gegen die Falerii bzw. Falisci 293 v.Chr.). Dies sind m.W. die einzigen bekannten Fälle, bei denen die Fetialen zuerst ad res repetundas gesandt wurden, und es dann erst zur formalen Kriegserklärung kam. Vgl. auch Dionysius Halikaraasseus 15,7-10; Livius 8,23,3-10. Der Speerwurf an die columna bellica könnte auch eine Rückprojizierung des von Augustus zu Propagandazwecken inaugurierten Ritus sein, der ihm im Kampf gegen Antonius bzw. Kleopatra von Nutzen war (vgl. Rüpke, Domi Militiae (1990) 106ff.l 16f.). So lautete die Abfolge der einzelnen Schritte nun nicht mehr res repetuntur, bellum denuntiatur, senatus censet, populus iubet, bellum indictur, sondern Zeit sparender senatus censet, populus iubet, res repetuntur, bellum denuntiatur, bellum indictur (dieses Protokoll betraf bei komplizierten Sachverhalten und im Falle von mehreren Gesandtschaften die letzte). In Rom wurden also schon im Vornherein die nötigen Schritte für ein bestimmtes Verhalten des Gegners unternommen bzw. Entscheidungen gefasst (vgl. Walbank, Declaration (1949) 19; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 50f.). So etwa bei der Kriegserklärung gegen Karthago 238/7 v.Chr. (vgl. Polybius 1,88,10-12; 3,10,3). Vgl. weitere Fälle bei Harris, Imperialism (1979) 267ff. In diesem Sinne trat Karthago im Jahre 238/7 v.Chr. Sardinien an Rom ab und zahlte zusätzliche 1200 zu den als Kriegsentschädigung zu zahlenden 2000 Talenten. Rom hatte sich auf die zweite Bitte der ehemaligen Söldner Karthagos auf deren Seite gestellt (vgl. Polybius 3,27,3-10; Plinius, Naturalis historiae 22,5); Harris, Imperialism (1979) 168.191). Vgl. auch Polybius l,88,8ff.; Livius 21,1,5; Festus 430 L ( = Lindsay Ed. 1913); Grosse, Sardinia (KP 4/1979) Sp. 1553 mit Quellen. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 62, beurteilt das Vorgehen Roms im Zusammenhang mit dem karthagischen Söldnerkrieg und der Auseinandersetzung um Sardinien entschieden als "nackten römischen Imperialismus. In rücksichtslosester Weise hat Rom die momentane Schwäche seines Kontrahenten ausgenutzt, es hat sich territoriale Vorteile gesichert, die bei künftigen Auseinandersetzungen schwer zu seinen Gunsten in die Waagschale fallen mussten." Vgl. zur römischen Frühzeit Welwei, Para bellum (1989) 89. Vgl. Harris, Imperialism (1979) 167f.
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Initialdelikts und dessen Bestrafung" 4 6 3 reduzieren. W e n n allerdings tatsächlich den Forderungen R o m s Genüge getan wird, kann der drohende Krieg vermieden werden. 464 Eine Ersatzhandlung f ü r den Fetialritus bildete auch der Vollzug der rituellen Kriegserklärung an der columna bellica (Kriegssäule) im Tempelbereich der Kriegsgöttin Bellona in Rom, wo ein Stück Land z u m Feindesland erklärt werden konnte. Allerdings ist unklar, wie häufig diese Praxis ihre A n w e n d u n g f a n d und ob nicht der Feldherr diesen Ritus vollzog. 465 O f f e n b a r verschwand die Praktizierung des Fetialritus ab 171 v.Chr. mehr oder weniger oder hatte nur mehr rituelle Bedeutung, so dass die Quellen davon nichts mehr berichten. 466 Erst Octavian belebte den Ritus zu seinem Vorteil wieder. 467 O b gegebenenfalls die Entsendung von weltlichen Legaten ein Zeichen f ü r die Profanisierung bzw. Entmythologisierung des Krieges in R o m zu werten ist, ist schwer zu entscheiden. F ü r Cicero jedenfalls gilt noch immer, dass die rituellen Voraussetzungen f ü r den Sachverhalt des bellum iustum gegeben sein müssen. 468 Die Kriegspraxis etwa Cäsars sah in etlichen Fällen allerdings anders aus. 469 A u c h zu seiner Zeit sollte aber vor der offiziellen Kriegserklärung R o m s und der Proklamierung des Kriegszustandes dem potentiellen Gegner noch die rerum repetitio (Forderung nach W i e d e r g u t m a c h u n g ) übergeben werden. Laktanz meint zu dieser Praxis sarkastisch: "Indem Rom Fetialen gebrauchte, konnte es unter dem Mantel des Gesetzes Kriege vom Zaun brechen und nach dem begehren und trachten, was anderen gehörte, so dass Rom in den Besitz der Welt kam" (Divinae institutiones 6,9,4). Neben den formalen sind natürlich die sachlichen Kriterien entscheidend f ü r die Beurteilung eines Krieges als gerecht oder ungerecht. W e n n es möglich ist, ohne Ungerechtigkeiten in Frieden zu leben, ist das natürlich besser. 470 W e n n aber die iustae causae belli gegeben sind, ist aus römischer Sicht der Krieg unvermeidbar. Der Krieg m u s s dann g e f ü h r t werden, um den eigenen Wertvorstellungen und Ordnungsprinzipien zu entsprechen und das Gesicht vor den socii wie auch vor den Gegnern nicht zu verlieren. 471 Nach Cicero m u s s das ideelle letzte Ziel eines gerechten Krieges aber der Friede sein. 412 So ist auch nach Polybius ein Friede in Ehren und Recht das schönste und kostbarste Gut, ein Frieden in Schmach und erbärmlicher Feigheit jedoch das denkbar Schlechteste. 473 Ein Krieg kann also durchaus der W e g zu einem würdevollen Frieden sein. Der römische Autor übernimmt dabei die Überzeugung von Aristo teles, das Ziel des Krieges sei, in Frieden zu leben. 474 Der Rekurs auf Aristoteles weist darauf hin, dass die Theorie des bellum iustum keine Erfindung römischer Ideologen ist, auch wenn diese Theorie im imperium Romanum von grossem ideologischen Nutzen war. 475 Als wichtigste G r ü n d e f ü r einen gerechten Krieg gelten: die ausgesprochene oder unausgesprochene Bitte um Hilfeleistung seitens eines socius oder eines amicus, der Schutz der Verbündeten, Freunde oder Schutzbefohlenen R o m s , die Missachtung oder einseitige K ü n d i g u n g
Mantovani, B e l l u m Iustum ( 1 9 9 0 ) 25. Vgl. Kostial, Kriegerisches R o m ( 1 9 9 5 ) 88f. Vgl. Servius, Commentarius in Vergilii Aeneida 9,52; Eisenhut, Bellona (KP 1/1979) Sp. 858f.; Rüp ke, D o m i Militiae ( 1 9 9 0 ) 106. Vgl. Badian, Imperialismus ( 1 9 8 0 ) 28f. Vgl. Harris, Imperialism ( 1 9 7 9 ) 167. Nach Cicero, D e officiis 1,11.34, sollte eine militärische Ausein andersetzung erst dann beginnen, wenn die verbale nicht zum Ziel führte oder aus irgendwelchen Gründen nicht stattfinden konnte (vgl. Kostial, Kriegerisches R o m ( 1 9 9 5 ) 61). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher ( 1 9 8 1 ) 77; Rüpke, D o m i Militiae ( 1 9 9 0 ) 120. Vgl. Brunt, Laus imperii ( 1 9 7 8 ) 176. Vgl. Cicero, D e o f f i c i i s 1,2024. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 77. Vgl. D e o f f i c i a 1,23.80. Vgl. P o l y b i u s 4 , 3 1 , 8 . V g l . Aristoteles, Politik 7 , 1 3 , 8 [= 1 3 , 1 3 3 3 a ] : "... π ό λ ε μ ο ν μ ε ν 7 , 1 3 , 1 6 [= 13,1334a]: "... TeXos γ ά ρ ... ε ι ρ ή ν η ... π ο λ έ μ ο υ ... Vgl. Kostial, Kriegerisches R o m ( 1 9 9 5 ) 161f.
eiprjyr|s χ ά ρ ι ν ..." V g l . auch
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eines Bündnisses oder Vertrages wie auch Grenzverletzungen und der Angriff auf römisches Territorium.476 "Der gerechte Krieg ist demnach so will und soll es scheinen nicht ag gressive römische Aktion, sondern stets defensive römische Reaktion auf provokatives Fehl verhalten der Aussenwelt: Abwehr, Schutz, Verteidigung, Besitzstandwahrung und Erhalt des Status quo sind seine Motive, die Ziele, die er verfolgt."477 Ehre, Ruhm und Ansehen bzw. deren Verletzung durch einen Gegner sind neben der materiellen Existenz des Staates dem nach ebenbürtige Gründe für die Lancierung eines gerechten Krieges. So stellt der Angriff auf den verbündeten König Deiotarus eine Verletzung des Rechtes und der Majestät des rö mischen Volkes dar (ius et maiestatemque populi Romani).™ Cicero fasst die Gründe zusam men, die einen gerechten Krieg rechtfertigen. Nämlich: si quid importetur nobis incommodi propulsemus (De officiis 2,18). Wann immer also Rom ein Nachteil erwächst, kann ein Krieg begonnen werden.479 So konn ten die Römer auch den Samniten 322 v.Chr. den Friedensschluss verweigern. Dies mit dem Argument, die Samniten würden nur nach einem Misserfolg den Frieden schliessen. Und vor einem erneuten Angriff könnten sich die Römer deshalb nur durch den endgültigen Sieg schützen. 480 Deshalb erstaunt es auch nicht weiter, dass mittels weiterer theoretischer Konstrukte sogar Cäsar sich als Befreier und Beschützer der gallischen Völker vor den germanischen Eindring lingen darstellen konnte.481 Allerdings darf auch aus dieser Tatsache nicht geschlossen wer den, die Römer hätten die ganze Theorie des bellum iustum nur erfunden, um unter diesem Deckmantel ungestört Kriege zu führen.482 Den oben genannten konkreten Gründen entsprechend gibt es prinzipiell zwei Arten des Krieges: den Krieg um der militärischen und politischen Geltung des Imperiums willen oder den Uberlebenskampf des römischen Staates. Gerade die Erfahrung schwerer militärischer Niederlagen und ihre Erinnerung schürten in Rom die Angst vor realen oder immaginären Bedrohungen und beeinflussten die Kriegsbereitschaft. 483 Φfters erscheint deshalb auch die militärische Wiedergutmachung einer erlittenen Schmach als Kriegsgrund. 484
Vgl. Brunt, Laus imperii (1978) 176f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 11 f. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 68f., unterscheidet zwischen "objektiven Kriegsgründen", die mit den sogenannten "Kriegsanlässen" gleichzusetzen sind. Diese unterteilt Kostial in Territorialverletzungen, Vertragsbrüche und Personendelikte (vgl. die differenzierte Darstellung ebd. 70-88 mit der Übersicht ebd. 70). Als "subjektive Kriegsgründe" bezeichnet Kostial die Motivation der einzelnen Entscheidungsträger bzw. -gruppen für den Beginn eines Krieges. Zu diesen zählt Kostial Beute, Ruhm und Ehre, reale und neurotische Angst (vgl. 91-115). Nach Kostial muss schliesslich noch der Begriff "Kriegsvorwand" eingeführt werden für den Fall, wo ein Magistrat in Abwesenheit eines objektiven Grundes dank der persönlichen Motivation wie Ruhmsucht oder Profitgier einen Anlass bzw. objektiven Grund vorschob. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 78. Vgl. auch Mattem, Strategy (1999) 22f.l09-122. Vgl. Bellum Alexandrinum 34. Vgl. Brunt, Laus imperii (1978) 176f. Zu den Gründen für den Krieg gegen Hannibal vgl. Lucretius 3,836ff; Livius 22,58,3; 27,39,9; 28,19,6ff; 29,17,6; 30,32,2. Vgl. Cassius Dio, Fragmenta 8,36,8; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 164 mit Anm. 609. Vgl. Bellum Gallicum 1,33.45. Zur Operationalisierung des c/i'enie/a-Gedankens und des damit verbundenen /Mes-Konzeptes in den Legitimationsversuchen Cäsars für den gallischen Krieg vgl. Dahlheim, Völkerrecht (1968) 179; Rüpke, Domi Militiae (1990) 121. Etwas anders sehen dies Sallust, Coniuratio Catilinae 54,4, oder Sueton, Caesar 22. Zu Cäsars militärischen Aktionen und deren Legitimierung vgl. die Darstellung bei Brunt, Laus imperii (1978) 178-183. So hält Finley, Krieg und Herrschaft (1987) 86, den Anspruch der Römer, nur gerechte Kriege zu führen für "verlogen". Dies mag aus der Perspektive der Gegner oder eines objektiven Zuschauers durchaus so erscheinen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Römer selbst diese ganze Theorie nur zur äusseren Legitimierung entwickelten, selbst von ihrer Rechtmässigkeit aber nicht überzeugt waren (vgl. dazu auch Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 27). Zur "realen" und "neurotischen" Angst Roms in diesem Zusammenhang vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 109-115, mit Beispielen und Lit. Zur Definition von "Angst" und "Neurotischer Angst" vgl. ebd. 109f. mit Anm. 404. Vgl. Mattern, Strategy (1999) 181-194, mit vielen Beispielen.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
Die subjektive Dehnbarkeit der Gründe, die zum Krieg de imperio bzw. imperii gloria führen können, erlaubten es den römischen Entscheidungsträgern, schon die Nicht-Anerkennung der Überlegenheit Roms oder seiner imperialen Vormachtstellung als Grund f ü r einen bellum iustum heranzuziehen. 485 Das ermöglichte Rom, fast alle seine Kriege der 250 letzten Jahre der Republik als gerecht darzustellen, auch wenn sie modernen Betrachtern häufig als reine Eroberungskriege erscheinen mögen. Aus römischer Sicht durften jedoch subjektive Gründe wie das Streben nach persönlichem R u h m oder Macht keine Gründe für einen Kriegsbeschluss sein, auch wenn sie nach der Kriegserklärung aus römischer Perspektive durchaus zum Zug kommen konnten. 486 Gerade in der ausgehenden Republik wird durch die soziale Ablösung der Armee und ihrer Feldherren deutlich, wie die Kompetenz über Krieg und Frieden immer mehr von den grossen Imperatoren beansprucht wird.487 Dass die Aussicht auf Beute eine wichtige Motivation war, wird auch im Krieg gegen Jugurtha deutlich. So munterte der Konsul und Befehlshaber Q. Caecilius Metellus seine Soldaten mit den Worten auf, sie hätten für den Sieg nun genug gekämpft, ihre weiteren Anstrengungen seien nun für die Beute: ... pro victoria satis iam pugnatum, Jugurthinum 54, l).488
reliquos labores pro praeda fore ... (Sallust, Bellum
Auch die "Aussicht auf einen Triumph war eine besonders starke Triebfeder, die in erster Linie das Verhalten und Vorgehen der Inhaber des militärischen Oberbefehls, Konsuln und Prätoren, beeinflussen konnte" 489 . Bemerkenswerterweise werden in fast allen Kriegen, die Rom führt, mehrere Gründe genannt, wobei es jedoch nicht unbedingt von Bedeutung ist, ob die Beschuldigungen auch tatsächlich zutrafen. 490 Kann ein Krieg trotz der oben genannten günstigen Voraussetzungen für eine Legitimierung nicht als gerecht erklärt werden, sind es aufrechte Männer wie Livius oder Cicero, welche die Ungerechtigkeit eines Krieges beklagen. Bedeutend weiter in seinen prinzipiellen Überlegun gen zur Rechtmässigkeit eines Krieges geht der von der stoischen Philosophie geprägte L. Annaeus Seneca. Für Seneca ist jeder Krieg unrechtmässig und eigentlich ein staatlich sanktioniertes Morden. 49 ' Für Cicero hingegen sind solche Kriege unrechtmässig, die ohne Grund und ohne vorherige Kriegserklärung begonnen werden. 492 Darunter fallen etwa der Feldzug des M. Popillius gegen die Ligurer im Jahre 173 v.Chr. und der Feldzug des L. Murena 83/82 v.Chr. im 2. Mithridatischen Krieg. 493 Dazu gehört aber auch der Feldzug von Crassus gegen die Parther 54-53 v.Chr., bei dem neben 20Ό00 römischen Soldaten auch Crassus sein Leben und einige
Vgl. Cicero, De oratore 1,156; Brunt, Laus imperii (1978) 161. Vgl. auch schon Thukydides 1,76 und 2,65 für Athen. Vgl. Walzer, Gerechter Krieg (1982) 168. Cäsar interpretierte offensichtlich die Übertragung seines fünfjährigen imperium und der dazu gehörigen vier Legionen gleichzeitig auch als Entscheidungsbefugnis über Krieg und Frieden (vgl. Cassius Dio 38,41,6f.). Cassius Dio hingegen bewertete die hier gefällten Entscheide Cäsars als eigenmächtig (vgl. 42,20,2). Erst nach dem Tod von Pompeius 48/47 v.Chr. wurde Cäsar dann offiziell das Recht über Krieg und Frieden ohne Rechenschaftspflicht gegenüber Volk und Senat übertragen (vgl. 42,20,1). Vgl. Bender, Antikes Völkerrecht (1901) 34. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 92. Vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 91. Vgl. Epistulae 95,30f.; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 63. Vgl. Cicero, De re publica 3,23,35. Zu Popillius vgl. Livius 40,43; 41,14,5.28; 42,7,3; 42,9; 42,21. Popillius (manchmal Popilius) soll dabei 10Ό00 gefangene Ligurer verkauft und mit seinem Bruder C. Popillius einen Senatsbeschluss und Plebiszite über die Restitution der verkauften Ligurer sabotiert haben (vgl. Volkmann, Popillius (KP 4/1979) Sp. 1052f.). Am Ende seines Feldzuges durfte Murena trotzdem einen Triumph feiern (vgl. Gundel, Licinius (KP 3/1979) Sp. 637-638; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 105f.). Für Cicero ist auch die Dezimierung der Truppen von L. Calpurnius Piso durch die Pest als Strafe der Götter für dessen unrechtmässige militärische Aggressionen zu deuten (vgl. In L. Pisonem 85).
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Adler verlor.494 Diese dramatische Niederlage für das sieggewohnte Rom führte zu einer Art "parthischem Trauma" für die römische Ostpolitik. So schreibt etwa ein Jahrhundert später der Epiker Lucan (39-65 n.Chr.) über diese Niederlage: Parthica Romanos solverunt damna furores (Bellum civile 1,106).4,5 Gerade das Scheitern wie im Falle von Crassus1 Partherfeldzug konnte aber auch als ein eindeutiges Zeichen für die Unrechtmässigkeit eines Krieges gedeutet werden. Denn wie konnte ein bellum iustum anders als mit einem Sieg Roms enden? Umgekehrt war demnach ein Sieg Roms das eindeutigste Zeichen für die Rechtmässigkeit und Gottgefälligkeit des Krieges.496 Bei ihren Eroberungen und unzähligen Siegen wussten sich die Römer folglich als Diener einer gerechten Sache und der Götter. Dabei vermochten auch im Laufe eines Krieges begangene Greueltaten (iniuria belli) die Rechtmässigkeit eines als gerecht eingestuften Krieges nicht in Frage zu stellen. Der Zweck kann also auch durch schlecht gewählte Mittel nicht entheiligt werden, denn er heiligt (fast) alle Mittel. 3.4
Das römische Kriegsrecht
Das römische Kriegsrecht bezog sich primär auf die innerrömische Rechtlichkeit eines Krieges. Doch gab es auch gewohnheitsrechtlich definiertes Kriegsrecht (ius gentium), das in der Regel von den Kriegsparteien beachtet wurde, ohne allerdings je kodifiziert oder international ratifiziert worden zu sein.497 Dazu gehörte einmal die Verpflichtung zur offiziellen Kriegserklärung, die einen Überfall auf ein anderes Staatswesen verhindern sollte. Eine weitere Norm betraf die Unverletzlichkeit der Gesandten, dem einzigen relevanten, weil funktionierenden Kommunikationsmittel zwischen den Parteien im Kriegszustand.498 Schlechte Behandlung, Inhaftierung und sogar Ermordung kamen allerdings auch hier vor. Diese Verstösse konnten im eigenen Lager kaum legitimiert werden, ausser mit der Begründung, dass es sich bei den Getöteten nicht um wirkliche Gesandte, sondern um Spione handelte.499 Schliesslich sollten auch Heiligtümer und Tempel vom Zugriff der Gegner verschont werden. In Rom erregten allerdings Übergriffe auf sakrale Ein richtungen eines Gegners vermehrt dann Unmut, wenn es sich um nichtbarbarische sakrale Stätten handelte. Barbarischen Göttern hingegen wurde von römischer Seite eher eine geringe Wirksamkeit zuerkannt, so dass ein Gericht von ihrer Seite kaum zu fürchten war.500 Auch den unter den Griechen bis in klassische Zeit praktizierten Brauch, auf Bitten des Gegners zur Beisetzung der Gefallenen einen Waffenstillstand zu gewähren, haben die Römer nicht übernommen. Ausserdem sind sie keine Vereinbarungen eingegangen, wie sie in der Anlehnung an die von den Schutzmächten Delphis getroffenen ٢bereink٧nfte zwischen grie chischen Bruderstaaten getroffen wurden: etwa der Verzicht auf eine Taktik der "verbrannten Erde", mit welcher die materielle Existenzgrundlage des Gegners zerstφrt werden sollte, oder der Verzicht auf das Abgraben des Wassers einer belagerten Stadt, das deren Einnahme be Vgl. Plutarch, Crassus 27; Cicero, De finibus 3,75; Gundel, Crassus (KP 1/1979) Sp. 1330; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 78f.; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 101. Daneben gerieten offenbar weitere 10Ό00 Rφmer in parthische Gefangenschaft. Der Quδstor von Crassus, C. Cassius Longinus (vgl. Broughton, Magistrates II (1960) 229), der sich bei Carrhae hatte retten kφnnen, sammelte dann in Sy rien die ٢berlebenden des Feldzuges und konnte mit diesem relativ kleinen Heer die andrδngenden Parther erfolgreich zur٧ckschlagen (vgl. Josephus, Bell. 1,180; Ant. 14,199121; Vellerns Paterculus 2,46,4; Plutarch, Crassus 2022; Cassius Dio 40,25,45; Baumann, Rom und Juden (1983) 66). Weitere Bei spiele bei Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 140145. Vgl. auch Cicero, Epistulae ad Atticum 5,9,1; 5,11,4; Epistulae ad familiares 15,1,2. Vgl. R٧pke, Domi Militiae (1990) 121; Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 40. Vgl. Livius l,32,6ff.; MayerMaly, Kriegsrecht (KP 3/1979) Sp. 346. Vgl. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 8688 mit Beispielen. Fremden Spionen wurden in Rom beide Hδnde abgehackt (vgl. Livius 22,33), sie wurden gekφpft (vgl. Caesar, Bellum Hispaniense 20,5) oder erschlagen (vgl. Bellum Hispaniense 13). Konnten die Spione als Sklaven identifiziert werden, wurden sie ans Kreuz geschlagen (vgl. Bellum Hispaniense 20,5; Neu mann, Spionage (KP 5/1979) Sp. 316). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 80.
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schleunigen sollte. Auch deshalb nutzte Rom offensichtlich den breiten Spielraum, den das antike Kriegsrecht gewährte, weil es ausserhalb Italiens keine Rücksichten auf Bruderstaaten nehmen musste. Legitimiert durch dieses Kriegsrecht wurden auch die Plünderung und Zerstörung des Eigentums, der Häuser, Siedlungen, Stadtanlagen und Produktionsstätten eines Gegners wie auch seiner landwirtschaftlichen Grundlage einschliesslich Viehbestand. Nur gerade kurzfristige Eigeninteressen wie etwa die Verpflegung der eigenen Truppen aus Beständen des Gegners konnten prinzipiell gegen eine Taktik der "verbrannten Erde" sprechen. Langfristige Überle gungen wie die Nutzung der gegnerischen Infrastruktur oder Ressourcen spielten gerade in republikanischer Zeit häufig eine untergeordnete Rolle, wie die Beispiele der Eroberung von Karthago, Korinth, Spanien oder Gallien zeigen. Auch die physische Vernichtung des Gegners bis hin zu dessen Ausrottung wurde durch die ses Kriegsrecht gedeckt. So berichtete Domitian nach dem Ende seines Feldzugs gegen die Nasamonen dem Senat, dass der Krieg gewonnen sei. Und über das Volk der Nasamonen meint er: Νασαμώνικ έκώλυσα είναι ... "ich habe den Nasamonen verboten zu existieren" (Cassius Dio 67,4,6).™' Ein besiegter Gegner war im Prinzip der Gewalt bzw. Willkür des Siegers unterworfen, und zwar auch dann, wenn er sich freiwillig ergeben hatte. Nur anders lautende Kapitulationsoder ÜbergabeVereinbarungen konnten dieses Recht des Siegers einschränken. So wurden neben gefangenen Soldaten auch Einwohnerschaften ganzer Städte sowie ganze Stämme und Völkerschaften verstümmelt oder niedergemacht.502 Wenn die besiegten Gegner nicht umgebracht, sondern nur als Sklaven verkauft wurden, hatte das zumeist eher wirtschaftliche denn humane Gründe.503 Aber auch das Abschlachten der Gegner konnte ökonomisch motiviert sein, wenn eine grosse Zahl von Besiegten nur schlecht zu kontrollieren waren.504 Keinerlei rechtlichen Schutz genoss auch die nicht waffenfähige Zivilbevölkerung: Frauen, Kinder und Greise waren schon während den Kriegshandlungen vor Brandschatzung, Vergewaltigung, Versklavung oder Mord nicht gefeit.505 Die Zurückhaltung beim gewaltsamen Umgang mit dem besiegten Gegner lag immer im Ermessen des Siegers. Auch das Zugeben von Greueltaten während eines Krieges, die nicht formal-juristischer Natur waren, geschah freiwillig aufgrund persönlicher Verhaltensnormen und Wertvorstellungen. Mässigend auf die Behandlung des Gegners konnte sich auswirken, wenn sich der Gegner Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten gegenüber den Römern enthalten oder freiwillig die Waffen niedergelegt, kapituliert und den Römern auf Treu und Glauben ausgeliefert hatte (deditio), oder wenn ein Krieg von Rom aus nur um der imperii gloria und nicht ums Überleben geführt wurde.506 In solchen Fällen war es dem Gutdünken der Feldherren überlassen, nicht rigoros gegen die Besiegten vorzugehen, sondern Gnade vor Recht walten zu lassen. Cäsar konnte deshalb ganz offen über eigene Unmenschlichkeiten berichten, da er wusste, dass sich in Rom kaum jemand darüber aufregen würde.507 Es verwundert somit nicht, dass es keine Belege für eine Gerichtsverhandlung über im Krieg begangenes Unrecht oder einen deswegen verurteilten Feldherrn gibt. Andererseits sind Verstösse gegen das Sakralrecht Gegenstand gerichtlicher Verfolgung, insbesondere dann, wenn sie einer militärischen Niederlage vorausgehen. Auch Kritik von aussen stellt für Rom kein Problem dar: Einerseits sind für Rom nur eigene Wertvorstellungen und Normen bedeutsam, und nur das eigene Recht ist verbindlich. Eine Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 46. Zu den Nasamonen vgl. Windberg, Nasamones (PRE 16.2/1963) Sp. 1776ff. Zur diesbezüglichen Grausamkeit Casars s. die Beispiele o. Kap. 3.2. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 81 f. Vgl. etwa Tacitus, Annalen 12,17; Rüpke, Domi Militiae (1990) 248. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 82. Das älteste überlieferte Formular einer deditio findet sich bei Livius 1,38. So etwa bei der systematischen Ausrottung der Eburonen (vgl. Caesar, Bellum Gallicum 6,35).
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Verurteilung kann also nur von den römischen nobiles oder dem römischen Volk angestrengt werden. Andererseits gab es weder ein Völkerrecht noch eine "Weltöffentlichkeit" im heutigen Sinn mit entsprechenden Institutionen, noch einen konkurrenzfähigen Machtblock, die ein solches Recht mit Nachdruck hätten einfordern können. Vielmehr gab es nur eine wenig organisierte Umwelt ohne Zusammenhalt oder übergreifende Ideologie, was sicher auch an den Schwierigkeiten einer überregionalen Information und Kommunikation lag.508 Zum praktizierten römischen Kriegsrecht gehörte auch die Überwälzung der Kriegskosten auf den besiegten Gegner. So erpressten die Römer stets die Anerkennung der alleinigen Kriegs schuld von den unterlegenen Gegnern. Zum Siegespreis gehörten gemäss dem römischen Verständnis aber nicht nur die Entschädigung für die Kriegskosten, sondern auch Land und Leute des besiegten Gegners. Tacitus bestätigt diese Auffassung, wenn er bei der Beschreibung Britanniens von dessen Metallvorkommen berichtet, die er später als Preis für den Sieger bezeichnet.509 Gerade Gold hatte eine grosse Anziehungskraft auf die römischen Eroberer. Josephus beschreibt nach der Erstürmung des Jerusalemer Tempels den Umfang der Beute, welche die Soldaten von Titus hier machten: "Mit geraubten Schätzen waren die Soldaten alle so beladen, dass in Syrien das Gold im Vergleich zu vorher im Handel um die Hälfte seines Preises sank." (Bell. 6,317). 510
Auch der Triumphzug Vespasians nach dem Sieg über die jüdischen Aufständischen gibt einen Eindruck dessen, was sich die römischen Sieger unter den Nagel rissen, und zwar gemäss Josephus zum Zeugnis für die Grösse des römischen Reiches. 5 " Auch die Darstellungen auf den Triumphbögen und Siegessäulen vermitteln einen Eindruck vom Umfang der römischen Beute. Plutarch berichtet über den Triumphzug von Pompeius aus dem Jahre 61 v.Chr., dass der siegreiche Feldherr verlauten Hess, "dass die bisherigen Zolleinnahmen 50 Millionen Denare betragen hätten, dass aber aus den von ihm für die Stadt eroberten Ländern 85 Millionen einkämen, dass endlich in den Staatsschatz an gemünztem Geld und an silbernem und goldenem Gerät 20Ό00 Talente [= 4 8 0 Mio. HS] eingeliefert würden, nicht gerechnet die Summen, die an die Soldaten gegeben worden seien" (Pompeius 45). 512
Zur Beute gehörten natürlich auch die unterlegenen Gegner, welche die Römer nach Belieben in die Sklaverei schicken konnten.513 Josephus berichtet davon, dass die Römer die Bürger Jerusalems als einzige ungeschoren Hessen; "die übrige Menge aber verkauften sie mit Frauen und Kindern, einen jeden zum g e ringsten Preis wegen des grossen Angebots der zu verkaufenden Menschen und der ge ringen Zahl der Käufer" (Bell. 6,384). 514
Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 82ff.l05ff. Daran änderten auch gelegentliche grössere Koalitionen nichts, wie etwa zwischen Hannibal und Philipp von Makedonien (215 v.Chr.), von Antiochos III. mit den Aetolem (206 v.Chr.) und des aufständischen Römers Sertorius in Spanien mit Mithradates VI. Eupator von Pontus (75 v.Chr.) (vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 77-84.150f.). Vgl. Tacitus, Agricola 12,6. Eine Auflistung von Kriegsbeute im Staatsschatz bietet Lucanus, Bellum Civile 3,154-168. Natürlich sind auch diese quantitativen Aussagen von Josephus mit Vorsicht zu geniessen. Dass aber die Soldaten gute Beute machten, ist unbestritten. Vgl. Josephus, Bell. 7,132-152. Vgl. auch Michel - Bauernfeind II.2 (1969) 240-248 Anm. 67-83. Daneben hätte Pompeius die Steuern aus den Provinzen für das römische Volk von 200 Mio. HS auf 540 Mio. HS erhöht. Plutarch gebraucht dabei τέλη, was wohl am besten mit vectigalia übersetzt wird. Es ist gut möglich, dass dabei auch die Einkünfte aus den Klientelreichen mit eingerechnet waren. Daneben soll Pompeius eine Summe von 16Ό00 Talenten (= 384 Mio. HS) an seine Soldaten verteilt haben, die bereits Kriegsbeute und Geldgeschenke erhalten hatten. Die Soldaten erhielten dabei 6000 HS, die Offiziere, von denen 20 namentlich erwähnt sind, erhielten zusammen die Summe von 100 Mio. HS (vgl. Badian, Imperialismus (1980) 112-116, mit Quellen und Lit.). Vgl. auch Mattern, Strategy (1999) 150-154. Zur Beute als wichtigem Aspekt der römischen Kriegsführung vgl. Vogel, Praeda (PRE 12/1953) Sp. 1200-1213.
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Daneben war die Konfiszierung von Kunstgegenständen bestens geeignet, das Prestige des Siegers zu heben. Diese wurden dann in R o m ausgestellt. Pausanias meint zu dieser langen Tradition des Kunstraubes: "Augustus hat aber offenbar nicht damit angefangen, von den Besiegten Statuen und Götterbilder fortzuführen, sondern folgte nur einem längst geübten Brauch" (8,46,2). Mit geraubten Kunstgegenständen konnte auch Vespasian den von ihm erbauten Friedenstempel ausstatten, dessen Pracht gemäss Josephus alle menschlichen Erwartungen übertraf. Denn Vespasian "setzte einen phantastischen Aufwand von Reichtum ein und schmückte ausserdem den Bau mit Werken der Malerei und Bildhauerkunst aus, die in alter Zeit geschaffen worden waren. In diesem Tempel wurde alles gesammelt und aufgestellt: früher mussten die Leute zu dessen Besichtigung durch die ganze Welt reisen, wenn sie sehen wollten, was bis dahin an diesem und jenem Ort verstreut lag. Hierhin liess er auch die goldenen Weihegeräte aus dem Heiligtum der Juden bringen, auf die er stolz war. Ihre Torarolle und die purpurnen Vorhänge des Allerheiligsten befahl er im Palast niederzulegen und zu bewachen." (Bell. 7,158-162)515 Auch Dion Chrysostomus berichtet von den Römern, "die doch in der Regel die Ausstattung für Tempel und Paläste aus aller Welt zusammenholen" (31,147). Der religiöse Ausdruck des Sieges über den Gegner, etwa durch einen Tempelbau, wird vom unterlegenen Gegner also über die Beute auch gleich noch selbst finanziert.516 Auch für den römischen Privatmann konnte der Krieg durch die Beute eine lukrative Angelegenheit sein. So konnte ein Hausbesitzer einem anderen Eigentümer, dem ein Mietshaus abgebrannt war, diesem bei der Einrichtung des neuen Hauses helfen, und zwar neben anderem durch "kostbare Arbeiten von Euphranor und Polykleitos, ehemaliger (Tempel-) Schmuck der Götter Kleinasiens" (Juvenal, Satirae 3,215-218).
3.5
Die philosophische und religiöse Legitimierung des Krieges
Der Krieg gehörte zumindest in der späten Republik zum römischen Alltag, auch wenn er häufig an fernen Schauplätzen stattfand. Diese Bereitschaft zum Krieg verwundert eigentlich nicht, handeln doch die Römer hierbei im Auftrag der Götter. 5 ' 7 Und wer im Auftrag der Götter agiert, verdient sich dabei auch Ruhm und Ehre. Gemäss Cicero hatte kein anderer Staat je so viel Hunger nach Ruhm und Ehre wie Rom. 518 Für Cicero ist es wichtig, dass aufrechte Männer danach trachten, eine würdige Aufgabe (otium cum dignitate) zu erfüllen. 519 Dazu gehört auch die Abwehr von äusseren Angriffen. 520 Würde wird einer Aufgabe verliehen, wenn deren Erfüllung auch zum Wohl des ganzen Staates erfüllt wird: Z u m Wohl des Staates gehören f ü r Cicero auch die provinciae, socii, imperii laus und die res militaris. So ist folgerichtig die gloria für Cicero ein zentraler Begriff.521 514
515
516 517 518 519 520 521
An anderer Stelle spricht Josephus von 97Ό00 Gefangenen, die während des ganzen Krieges gemacht wurden (vgl. Bell. 6,420). Vgl. zu diesen Zahlen Michel - Bauernfeind, De Bello Judaico II.2 (1969) 207 Anm. 221. Vgl. zum Tempelbau und seiner Austattung Michel - Bauemfeind, De Bello Judaico II.2 (1969) 249ff. Anm. 86.88-89. Vgl. Rüpke, Domi Militiae (1990) 247. Vgl. Brunt, Laus imperii (1978) 161. Vgl. De re publica 5,9. Vgl. Pro P. Sestio 96ff.; Epistulae ad familiares 1,9,1218.21 Vgl. De oratore 1,14. Vgl. Pro Archia poeta 12-32.
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Viele Männer suchen Cicero zufolge Ehre und Ruhm eher in Kriegs- denn in Friedensangelegenheiten, und für einen jungen Aristokraten ist der Krieg ein ausgezeichnetes Feld der Bewährung.522 Sogar für Cicero ist der Erfolg im Krieg höher zu werten als der Erfolg als Redner.525 Zudem verdient Rom auch mehr Liebe als jedes andere Vaterland, denn es ist unter allen Ländern die Heimat von Tugend, des Imperiums und der Würde: quae una in omnibus terris domus est virtutis, imperii, dignitatis (De oaratore 1,196). Nach Livius waren es die Waffen und die Wehrhaftigkeit bzw. Tugend (virtus), welche den ewigen Bestand Roms sicherten.524 Auch die Ausgewogenheit des römischen Staates ist ein Grund für dessen Erfolg.525 Dazu gesellt sich die weise Politik, welche seine Staatsmänner betrieben.526 Zum Erfolg Roms trug allerdings nach Cicero auch das Glück bei. Doch dies verwundert nicht, denn über Rom wachten nach seiner Überzeugung die Götter.527 Rom erntete dieses Glück von den Göttern aufgrund seiner Frömmigkeit: quantum ferro tantum pietate potentes stamus (Propertius 3,22,21). Auch Vergils Aeneas erfreut sich des Wohlwollens der Götter, und zwar wegen seiner Zeichen der Frömmigkeit und seiner Waffen. Somit verdankte sich die hohe moralische Qualität des alten Rom gemäss Polybius und Cicero seiner Furcht vor den Göttern.528 Diese Frömmigkeit zeigte sich auch darin, dass die Römer einen Teil der Beute als Dank für ihre Siege in Tempel und Opferfeiern fliessen Hessen. Gemäss Livius wurde der allererste Tempel als Sitz für Beutestücke gebaut.529 Diese Praxis der religiösen Kriegsverarbeitung stärkte sowohl die Präsenz des siegreichen Stifters wie auch diejenige der Götter. Überhaupt geht der Bau von Tempeln und Kultstätten in der römischen Republik zum grossen Teil auf Gelübde zurück, die in einem militärischen Kontext abgelegt wurden.530 Für die Weltherrschaft bedeutsam soll von Jupiter selbst die Weissagung an die Römer ergangen sein, dass er ihnen weder in Raum noch in der Zeit eine Grenze setzen wollte und ihnen ein Reich ohne Ende verliehen hätte. Und so schreibt auch schon Polybius von der ganzen οικουμένη als dem römischen Reich.531 Hundert Jahre später wird Cicero in diesem Zusammenhang vom orbis terrarum und von der Herrschaft über alle Völker sprechen.532 Es erstaunt somit nicht, dass aus römischer Perspektive die Götter auf ihrer Seite stehen. Denn die Römer sind anderen Völkern nicht nur in religiöser Hinsicht überlegen.533 Folgerichtig sind andere Völker wie die Juden oder Syrer geboren, den Römern zu dienen. Natürlich geben antike Autoren wie Polybius und Cicero primär einmal Auskunft über ihr eigenes Denken, das nicht einfach so verallgemeinert werden darf.534 Trotzdem widerspiegeln ihre Aussagen sicherlich auch Denkmuster, wie sie in weiten römischen Kreisen von nobiles 522
525 526 527 523
524
528
530 531 529
532
533
534
Vgl. Cicero, De officiis 1,74; 2,45; Harris, Imperialism (1979) 10-41. Vgl. Pro L. Murena 2Iff. Vgl. Livius 7,6,3. Vgl. Cicero, De re publica 2; Polybius 6,50. Vgl. Cicero, De re publica 2,30; Brunt, Laus imperii (1978) 164f. Vgl. Cicero, De imperatore Cn. Pompeio 47; In Catilinam 2,29; 3,18-22; De domo sua 143; Pro P. Sestio 53; In P. Vatinium testem interrogatio 14; Pro M. Aemilio Scauro 48; Pro T. Annio Milone 83; Sallust, Bellum Jugurthinum 14,19. Vgl. Polybius 6,56; Cicero, De legibus 2,15ff.; De natura deorum l,3ff. Vgl. Livius 1,10,4-7; RUpke, Domi Militiae (1990) 260. Vgl. die Liste für die Periode von 340-240 v.Chr. bei Rüpke, Domi Militiae (1990) 260f. Vgl. Vergil, Aeneis l,277ff.; Polybius 1,1,5; 1,3,10; 3,1,4; 6,50,6; Wengst, Pax Romana (1986) 27. Vgl. diese Aussagen aber mit der eigenen Meinung von Polybius unter 1,3,9; 2,14,7; 4,2,2; 15,9,5. Vgl. In Catilinam oratio 1,9. Vgl. auch In Verrem actio 2,4; De lege agraria 2,22; De domo sua 90; Pro Cn. Plancio 11; In M. Antonium oratio Philippica 6,19. Vgl. Cicero, Pro M. Fonteio 27-36; Epistulae ad Q. fratrem 1,1,19; 1,2,4; Brunt, Laus imperii (1978) 185f. Vgl. Brunt, Laus imperii (1978) 167.
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zu finden waren. Das erfährt seine Bestätigung durch die unzähligen Kriege und ihre religiöse Begründung und Verarbeitung.535 Obgleich römische Religion sicher legitimierend auf die Kriegsbereitschaft gewirkt hat, von einer direkten Stimulation der Kriegsführung kann trotzdem nicht gesprochen werden. Erstaunlich sind aber sicher die grosse Dichte und der Aufwand der religiösen Konstruktion des Krieges. Diese bietet neben der Legitimierung des Krieges auch Sicherungen für die Stabilität des politischen Systems an. Durch militärische Erfolge wird zwar die ökonomische und soziale Stabilität des römischen Zentrums gefördert, die politische durch den Sieg des Feldherrn hingegen gefährdet. Die religiöse Konstruktion des Krieges versucht hier, die entstehenden Ungleichgewichte "durch Ritualisierung zu kanalisieren: daher die Konzentration auf den Feldherrn, daher die Konzentration auf den Sieg. Wenn im Laufe der Republik mit der realen Zunahme der Macht der Heerführer und dem allmählichen Entstehen einer Militarklientel gerade die Riten der religiösen Konstruktion Vehikel der Exaltierung darstellen, bildet das keinen Widerspruch: Der Wettbewerb konzentriert sich eben in den 'Kanälen'. Die Augusteisch-kaiserzeitliche Lösung des bis zum Bürgerkrieg zugespitzten Konflikts besteht in der Ausgliederung des Heeres, dem Versuch, es völlig zu instrumentalisieren, und schliesslich in der Monopolisierung vieler Elemente der kriegsbegleitenden Rituale. Die religiöse Konstruktion des Krieges geht im Ergebnis auf in der religio castrensis und in der religiösen Konstruktion des Kaisertums."53'' 3.6
Ergebnis
Krieg als extremste Variante der Durchsetzung der eigenen Machtinteressen ist in der römischen Politik eine Selbstverständlichkeit. Der Krieg in seinen verschiedenen Ausformungen erscheint dabei als Gegenstück und Hintergrund diplomatischer Aktivitäten. So ist auch "Römische Geschichtsschreibung ... im großen und ganzen mit Kriegsgeschichte gleichzuset zen"537. Der stets bereite und unerbittliche Einsatz dieses extremsten Mittels politischer Macht ist eines der Erfolgsrezepte f٧r die rφmische Expansion.538 So verhilft die rφmische Kriegs maschinerie der Diplomatie zum notwendigen Nachdruck f٧r die Durchsetzung der politi schen Strategien. Das tatsδchliche F٧hren der vielen Kriege von rφmischer Seite aus lδsst aber kein pauschales Urteil zu, dass der Krieg quasi der akzeptierte oder gar erstrebte "Normalzustand" f٧r die aussenpolitischen Beziehungen Roms gewesen wδre, auch wenn dies faktisch hδufig der Fall gewesen sein mag.539 Die Theorie des bellum iustum, das rφmische Kriegsrecht und auch die weitere philosophi sche und religiφse Legitimierung des Krieges sollen dabei den Einsatz des Krieges als Mittel
Vgl. dazu ausf٧hrlich R٧pke, Domi Militiae (1990). R٧pke, Domi Militiae (1990) 264. Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 29. Kostial f٧hrt zu Recht ins Feld, dass auch heute nicht der nor male Alltag, sondern Sensationen, Verbrechen, Katastrophen, Skandale und Kriege inhaltlich das Haupt interesse der Medien bilden. So ist es auch verstδndlich, dass Tacitus f٧r seine Zeit den Mangel an aus sergewφhnlichen Ereignissen beklagt, was ihm eine bedeutend schlechtere Ausgangslage f٧r seine Arbeit beschert als seinen Kollegen, welche die Fr٧hzeit der rφmischen Geschichte schilderten (vgl. Annalen 4,32,lf.). Goldsworthy, Army (1996) 285, meint dazu: "One of Rome's great strengths in warfare was her unwil lingness to admit defeat even after she had suffered military catastrophe." Die Tatsache gef٧hrter Kriege sagt allein noch nichts ٧ber die Einschδtzung von Krieg und Frieden durch ein Staatsgef٧ge aus. So ist es nach Nestle, Friedensgedanke (1938) 2, "eine Frage zweiter Ordnung, ob angenommen wird, daß ein solcher Friedenszustand in der Welt, wie sie ist, tatsδchlich verwirklicht wer den kφnnte, oder ob er nur als ein Ideal erscheint, das in die Vergangenheit oder Zukunft projiziert oder bei irgendwelchen vom Nimbus der Sage verklδrten Vφlkern oder Lδndern vorausgesetzt wird. Diese I deen und Ideale werden als solche niemals willk٧rlich, sondern stets durch die Verhδltnisse bedingt sein, unter denen die sie gestaltenden Menschen leben." Zur besonderen Bedeutung des Friedens in der rφmi schen Gesellschaft vgl. die Ausf٧hrungen zur pax Romana u. Kap. 9.
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der Machterweiterung und Sicherung ideologisch absichern.540 Sie machen aber gleichzeitig deutlich, dass der Krieg auch aus römischer Sicht ethischmoralischer Rechtfertigung bedarf. Rechtfertigung kriegerischer Auseinandersetzung geschieht allerdings nur im Hinblick auf die Aussenpolitik. Die Niederschlagung von militärischen Angriffen im Inneren des Imperiums erscheint aus römischer Sicht nicht relevant. Denn solches wird als Versuch gewertet, sich der rechtmässigen Herrschaft Roms zu entledigen, etwa wie ein Sklave sich aus seiner Stellung aus eigenem Willen und ohne Zustimmung seines Herrn befreien wollte. Dies zeigt sich auch an der blutigen Niederschlagung der beiden jüdischen Aufstände oder am Schicksal der Zei chenpropheten und des samaritanischen Propheten und ihrer Bewegungen. 541 Das Konzept der permanenten Kriegsbereitschaft wurde durch die römische Armee als dem effizienten Instrument der römischen Kriegsführung umgesetzt. Sie bildet den Gegenstand des folgenden Kapitels.
Zur Auseinandersetzung, ob der Krieg jeweils als eine Folge bewusster Entscheidungen anzusehen ist, oder aber in der vererbten Anlage menschlichen Aggressionsverhaltens schon grundgelegt ist, vgl. die Ü bersicht über anthropologische Theorien bei Kostial, Kriegerisches Rom (1995) 20-22 mit Lit. Nach Kostial liegt der "Kernpunkt der Auseinandersetzung ... in der Frage nach der Verantwortlichkeit des Menschen. Jeder, der sich mit Krieg und seinen Umständen beschäftigt, hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Er kann Krieg entweder als Phänomen betrachten, das in der Natur des Menschen angelegt ist. Eine persönliche Entscheidungs- und Handlungsfreiheit käme dem einzelnen dann nicht zu. Das wäre genau die Auffassung von Krieg bzw. Frieden, die den Römern und anderen antiken Gesellschaften von vielen Althistorikern unterstellt wird. Im Gegensatz dazu kann man Krieg auch als Folge von Entscheidungsprozessen sehen, in denen sich einzelne Akteure oder Gruppen von Akteuren ganz bewusst für den Griff zur Waffe entscheiden, weil ihnen bei einer gegebenen Situation unter Abwägung von Kosten und Nutzen eine solche Entscheidung aus ihrer Sicht rational und vernünftig erscheint. Krieg wäre in diesem Fall ein rational eingesetztes Mittel zur Lösung von Konflikten." Vgl. dazu die Kap. 14, 15 und 18.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und Sicherung des Römischen Imperiums
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D I E RÖMISCHE ARMEE ALS INSTRUMENT DER K R I E G S F ٢ H R U N G
4.1
Die römische Armee der Republik: von der Miliz zur Berufsarmee
Die römische Expansionsgeschichte ist nur nachvollziehbar, wenn der besonderen Rolle Rechnung getragen wird, welche die Armee in dieser Geschichte spielte. So besiegte die Armee die gegnerischen Truppen und schuf damit das Fundament für die Erweiterung des Reiches.542 Eine systematisch ausgebildete und gut trainierte Armee mit ausgeklügelter und umfassender Logistik war das Ergebnis der Entwicklung der römischen Milizarmee zum Berufsheer des Prinzipats.543 Zu Beginn der Republik war die Armee ein Milizheer aus römischen Bürgern, die zum grossen Teil Kleinbauern waren und die im Bedarfsfall zu den Waffen gerufen wurden. Mit zunehmender Expansion kam dieses Milizsystem an seine Grenzen. Langjährige Dienstzeiten und die langen Abwesenheiten der Kleinbauern von ihren Höfen, die damit verbundene Verschuldung und der Verlust der Existenzgrundlage dieser Gesellschaftsgruppe, aber auch der durch die Eroberungen zunehmende Sklavenzustrom in die Landwirtschaft waren wichtige Gründe für die Entwicklung der Milizarmee zum Berufsheer. Somit war die Armee nicht nur für die Aussenpolitik ein sehr wichtiger Faktor. Die Entwicklung der Armee, die durch die zunehmende Expansion des Reiches wie auch Veränderungen in der römischen Gesellschaftsstruktur beeinflusst wurde, prägte ihrerseits wesentlich die politische und soziale Struktur des Imperiums. Bezeichnend ist dabei, dass diese besondere Entwicklung der Armee in einer gewissen Eigendynamik ablief. Deshalb ist etwa der Prinzipat des ersten Jh.s n.Chr. mit seiner fast unbeschränkten Machtfülle für den Kaiser nicht ohne die Entwicklungen der Armee insbesondere in den Bürgerkriegen des ersten Jh.s v.Chr. verständlich.544 Die entstandene Berufsarmee bildete nun gewissermassen eine eigene Welt: Streng geregelt waren hier nicht nur der klare hierarchische Aufbau, die genau definierte Befehlskette oder die taktische Ausbildung der Soldaten, welche die Einsatzmöglichkeit der römischen Truppen an allen Enden des römischen Imperiums garantierten. Streng geregelt mit genau festgelegten Rechten und Pflichten der Soldaten bis hin zum religiösen Leben war auch der gesamte Alltag abseits von den Schlachtfeldern. Für die männlichen Provinzbewohner war dabei eine militärische Karriere attraktiv, bildete sie doch gewissermassen ein Sprungbrett in die römische Gesellschaft.545 Die Armee war deshalb auch ein sehr effizientes Romanisierungsinstrument. 4.2
Die Schaffung der Berufsarmee unter Augustus
Nach einer langen Entwicklung von der Miliz- zur Berufsarmee stand Augustus wie auch seinen Nachfolgern ein effizientes Machtinstrument zur Verfügung, das seinesgleichen suchte und bestens geeignet war, um die imperiale Politik der Kaiser durchzusetzen.546 Zur Sicherung der Autorität des Prinzeps und des römischen Reiches wurde und blieb deshalb die Berufsarmee eine, wenn nicht sogar die tragende Säule.547 Denn auch die machtpolitische Position
Vgl. Webster, Army (1969) 1846. Unter Logistik soll hier in erster Linie die Versorgung der Armee mit Lebensmitteln (einschliesslich Futter für die Tiere) sowie die Beschaffung der Ausstattung (Waffen und Ausrüstung) und deren Ersatz verstanden werden (vgl. Herz, Logistik (2002) 20). Vgl. etwa Schneider, Militärdiktatur (1977); D e Blois, Army and Politics (1987). Vgl. auch Exkurs B. Vgl. WeschKlein, Soziale Aspekte des römischen Heerwesens (1998). Vgl. Webster, Army (1969) 46; Le Bohec, Army (1994) 182ff. Parker, Legions (1928) 78, bezeichnet die Armee hingegen als Erbringerin der grössten öffentlichen Dienstleistung innerhalb der weiten Gren zen des Imperiums. Da fragt es sich allerdings, wer Nutzniesser dieser Dienstleistung war, wer sie erbringen und wer sie bezahlen musste. Zu den vielfältigen Beziehungen von Prinzeps und Armee vgl. die umfassende Arbeit von Campbell, Emperor (1984). Vgl. Campbell, Emperor (1984) vii; Garnsey Salier, Empire (1987) 196; Bengston, Römische Ge schichte (°1988) 230. Diese Armee war nun eher eine Armee der Friedenszeit denn eine KriegszeitAr mee, wie sie in der Republik bestanden hatte und die für die einzelnen Feldzüge aufgeboten und danach wieder aufgelöst wurde (vgl. Dobson, Peacetime Army (1986) 1015). Zum Problemkreis von Armee und Reichspolitik unter Augustus vgl. Sueton, Augustus 2021; 28; 40,3; 4749; 101,4; Tacitus, Anna
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v o n A u g u s t u s w a r nicht v o n B e g i n n an gesichert g e w e s e n , w i e die V e r s c h w ö r u n g e n v o n M u rena und Egnatius z e i g e n . D i e R ü c k e n d e c k u n g durch die A r m e e Hess A u g u s t u s d i e s e für ihn gefährlichen Situationen j e d o c h unbeschadet überstehen. 5 4 8
4.2.1
Ordnung und Versorgung von Legionen und Hilfstruppen
D i e S t a n d a r d i s i e r u n g s B e s t r e b u n g e n u n d R e f o r m e n v o n A u g u s t u s w a r e n w e g w e i s e n d . D i e O r d n u n g und V e r s o r g u n g der A r m e e stellte dabei e i n e s der vordringlichsten P r o b l e m e dar. 54 ' A u g u s t u s verminderte dazu die A n z a h l der L e g i o n e n auf 2 7 . Ihre Zahl hatte nach Actium ( 3 1 v.Chr.) z w i s c h e n 5 0 und 6 0 betragen. 550 Später erhöhte er sie wieder auf 28. 551 N a c h der Ka tastrophe i m Teutoburgerwald i m Jahr 9 n.Chr., bei der 3 L e g i o n e n v ö l l i g aufgerieben wurden, b l i e b e n n o c h 25. 552 A u g u s t u s entliess i m Z u g e der R e d u k t i o n der Truppenstärke die Veteranen u n d formierte die L e g i o n e n neu aus den Soldaten, w e l c h e ihre Dienstzeit n o c h nicht hinter sich gebracht hatten o d e r in der A r m e e z u verbleiben wünschten. 5 5 3 D i e s g e s c h a h s i c h e r a u c h unter finanziellen Gesichtspunkten. D e n n für die Soldaten, die w e i t e r D i e n s t zu leisten hatten oder d i e s w ü n s c h ten, m u s s t e v o r l ä u f i g k e i n e A b f i n d u n g bezahlt w e r d e n . B e i der l a n g e n D i e n s t z e i t durfte A u g u s t u s erwarten, d a s s a u c h nur e i n T e i l der S o l d a t e n j e m a l s in d e n G e n u s s d a v o n k o m m e n w ü r d e . T r o t z d e m w a r e n e s w o h l primär militärische ٢ b e r l e g u n g e n , d i e d e n ersten Prinzeps zur B i l d u n g einer B e r u f s a r m e e b e w o g e n hatten. 554 A u g u s t u s bildete dabei seine n e u e A r m e e u m d e n Kern verbleibender Soldaten alter L e g i o n e n . D i e s w a r einerseits wahrscheinlich üblich, andererseits wollte er s i c h dadurch w o h l als legiti
len 1,11; Cassius Dio 42,49f.; 43,39,4f.; 43,45,2; 51,21,4; 52,1-14; 53,1-16; 53,30,2; 54,7; 56,33. Augustus hatte hierbei in Cäsar ein grosses Vorbild (vgl. Sueton, Caesar 20,2; 26,3; 28,1; 42,1; 44; 54; 76,3; 77-78). Vgl. Sueton, Augustus 19; Parker, Legions (1928) 74. Vgl. Parker, Legions (1928) 76ff.; Helgeland, Army Religion (1978) 1487; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 230f. Gerade eine geregelte Versorgung mit Nahrung war ausschlaggebend für die Kampfeskraft und Loyalität der Einheiten, wie die vielen Kriege in der ausgehenden Republik gezeigt hatten. Zur schwierigen Versorgung der kämpfenden Truppen in republikanischer Zeit einschliesslich ihrer Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung vgl. ausführlich Erdkamp, Hunger and the Sword (1998). Zum Verhältnis von römischer Armee und Wirtschaft vgl. etwa Wierschowski, Wirtschaft (1984) oder den Sammelband von Erdkamp, Army (2002). Vgl. Parker, Legions (1928) 70f.78; Syme, Legions (1933) 33; Starr, Empire (1982) 9. Vier Legionen waren dabei in Spanien, fünf im Rheingebiet, zwei in Rhaetia, fünf in Illyricum, drei in Moesien stationiert. Insgesamt neun Legionen waren auf das Gebiet von Nordafrika, Δgypten und Syrien verteilt. Nach dem Verlust von drei Legionen unter Varus und bis zur Invasion in Britannien von 42-43 n.Chr. blieben in Spanien noch drei Legionen, in Moesien noch zwei, weiterhin fünf in Illyricum. Eine Legion war in Nordafrika stationiert, zwei in Δgypten und vier in Syrien. Im germanischen Raum wurde die Zahl der Legionen auf acht erhöht, die Legionen in Rhaetia hingegen wurden abgezogen (vgl. Tacitus, Annalen 4,5; Syme, Legions (1933) 33; Parker, Legions (1928) 129). Zu den in der Provinz Moesia superior stationierten Legionen vgl. Le Bohec - Wolff, Legiones (2000) 239-245. Parker, Legions (1928) 92, nennt die Zahl von 28 Legionen für den Zeitraum von 16 v.Chr. bis 9 n.Chr. Die meisten dieser Legionen hatten neben ihrer Zahl auch cognomina. Diese lassen sich in fünf verschiedene Kategorien einteilen: einmal cognomina, die von der Provinz herrühren, in der eine Legion sich ausgezeichnet hatte; zweitens cognomina, die sich auf den Kaiser beziehen, der sie ausgehoben hatte oder auf einen bedeutenden Feldherrn, unter dem die Legion in einem wichtigen Feldzug gekämpft hatte; drittens cognomina zu Ehren einer Gottheit; viertens cognomina, die einen Erfolg der Legion bezeichnen; und fünftens cognomina, die sich auf den Ursprung oder die Formierung einer Legion beziehen (vgl. Parker, Legions (1928) 261). Vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 230f. Vgl. auch Webster, Army (1969) 42f.; Dobson, Peacetime Army (1986) 13. Nach dem Tod von Augustus wurden aber für anstehende Kriege wieder neue Legionen ausgehoben, frühestens von Caligula, wahrscheinlich aber von Claudius für die Invasion Britanniens (vgl. Tacitus, Annalen 4,5; Parker, Legions (1928) 93-98.129). Wahrscheinlich wurden die schon bestehenden Legionen in Friedenszeiten aus Kostengründen nicht immer sofort aufgestockt, sondern erst vor anstehenden Kriegen (vgl. Dobson, Peacetime Army (1986) 25). S. auch o. Kap. 2.1.8. Vgl. Keppie, Army (1984) 132ff. Vgl. Parker, Legions (1928) 75f.
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mer Nachfolger Cäsars präsentieren.555 Der Prinzeps berücksichtigte dabei sowohl seine eigenen wie auch die Soldaten seiner besiegten Gegner. Dadurch vermied er erstens den Eindruck, als Triumphator auftreten zu wollen. Zweitens bestätigte er die Soldaten von Antonius und Lepidus als rechtmässige römische Bürger, auch wenn sie für unrechtmässige Machtprätendenten gekämpft hatten. Drittens standen ihm mit den Soldaten von Antonius, die weitgehend im Osten des Imperiums rekrutiert worden waren, für diesen Teil des Reiches die geeigneten Soldaten zur Verfügung. Denn die meisten sprachen Griechisch und waren an das Klima gewöhnt.55' Auch die grosse Anzahl von Hilfstruppen wurde von Augustus grösstenteils in ihre Heimat entlassen; natürlich immer abrufbar für mögliche Einsätze. Ein gewisses Kontingent dieser auxilia blieb aber ständig im Dienst. Diese blieben wie schon in der Republik den Legionen zugeordnet und dem sie kommandierenden Legaten unterstellt. Die Armee war nun eine klare Berufsarmee mit genau festgelegter Dienstzeit und geregeltem Sold.557 Von besonderer Bedeutung war auch, dass die Altersversorgung der Soldaten gesichert war und nicht mehr ein Privileg, sondern ein Recht der Soldaten darstellte.558 Die Armee war jetzt primär für den Grenzschutz zuständig, denn von 6 n.Chr. bis zum Einmarsch in Britannien (43 n.Chr.) wurden keine grösseren Eroberungskriege geführt.559 Allerdings waren die Grenzen in dieser Zeit noch nicht befestigt, sondern die Armee fungierte als mobile Eingreiftruppe, die gegen innere wie äussere Bedrohungen vorging. Daneben war für die Legionen insbesonders die Gewährleistung der inneren Sicherheit von oberster Priorität.560 Die Kontrolle über ein riesiges Gebiet, wie es das römische Imperium zu Beginn der Amtszeit von Augustus darstellte, konnte nun nicht mehr länger durch ein Miliz-System gewährleistet werden, sondern nur durch eine gut trainierte Berufsarmee. 4.2.2
Die Sorge um die Loyalität der Truppen
Eine besondere Sorge des ersten Prinzeps war die Loyalität der Truppen und ihrer Kommandanten ihm gegenüber. Die Truppen hatten nämlich in den Bürgerkriegen unter verschiedenen und teilweise verfeindeten Feldherren gedient, und waren von ihrer Struktur her und auch durch die Stationierung weitab von Rom immer ein potentieller Unsicherheitsfaktor. Die Schlüsselgewalt des Oberbefehls über die Armee (Imperium) behielt Augustus deshalb in seinen Händen. Er spricht deshalb von exercitus meus und classis mea.56' Bei den LegionsKommandanten beschränkte er die Dienstzeit, um so einer zu starken Bindung zwischen Truppe und Kommandant und damit möglichen Konspirationen vorzubeugen.562 Auch war ihm die Beziehung zu den Soldaten immer ein besonderes Anliegen, und häufig war Augustus auf Reisen in den Provinzen, um den Kontakt zu den Truppen zu pflegen.563 Auch das sacramentum wurde nun auf den Kaiser als dem obersten Feldherrn geschworen. Im Laufe der Zeit verschwammen dann die Grenzen des wiederholt geleisteten und als Liturgie verstandenen sacramentum zum Treueeid auf den Kaiser.564 Dass die Besorgnis der Kaiser um die Loyali-
Dies tat auch Antonius, einer seiner Widersacher im Bürgerkrieg (vgl. Keppie, Army (1984) 133ff.). Vgl. Parker, Legions (1928) 75f. Vgl. zur finanziellen Sicherheit des Militärdienstes etwa Wesch-Klein, Heerwesen (1998) 45-70. Vgl. ausführlich zu diesem Thema die Exkurse C. 1 und D.2. Vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 147. Vgl. zur Altersvorsorge der Soldaten den Exkurs C.2. Vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 231. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 16ff. sowie Kap. 2.1.2. Vgl. Res Gestae 30,26; Webster, Army (1969) 43; Volkmann, Princeps (KP 4/1979) Sp. 1137; Keppie, Army (1984) 145. Die Beschneidung der Kompetenzen der Statthalter sollte einerseits der besseren Kontrolle der weitab von Rom stationierten Truppen und andererseits einer effizienteren Verwaltung dienen (vgl. Ungern-Stemberg, Weltreich (1982) 271). Vgl. Keppie, Army (1984) 149. Erst gegen Ende der Amtszeit von Augustus wurden Legions-Kommandanten für längere Zeit eingesetzt, die dann als legati Augusti legionis bekannt wurden (vgl. Tacitus, Annalen 1,44; Keppie, Army (1984) 149). Diese besondere Beziehung Hess Augustus auch auf den Münzen darstellen, welche die Soldaten bei der Soldauszahlung erhielten (vgl. Keppie, Army (1984) 149). S. auch u. Kap. 9.2. Vgl. Rüpke, Domi Militiae (1990) 90. Der (zivile) Treueeid dürfte seine Wurzeln im militärischen sacramentum haben. In der Prinzipatszeit kam offensichtlich im sacramentum noch eine Schutzver-
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tat der Truppen nicht unbegründet war, zeigen etwa die Meutereien unter Augustus, Tiberius und Claudius.565 Gouverneure für die Provinzen, in denen Legionen stationiert waren, konnte der Kaiser als seine Legaten selbst bestimmen, während für die Bestellung der Gouverneure der anderen Provinzen zunächst formal der Senat zuständig war. Von dieser Unterscheidung her stammt auch die Unterteilung in kaiserliche und senatorische Provinzen.566 Im Jahr 23 v.Chr. wurden allerdings auch die senatorischen Provinzen dem Prinzeps unterstellt.567 Von dieser Zeit an waren viele Kaiser besorgt, jüngere Gouverneure in die Provinzen zu entsenden und über de ren Karriere zu wachen, um sich ihrer Loyalität wie auch der von ihnen befehligten Legionen zu versichern.568 Die vom Prinzeps bestellten Gouverneuere, die gleichzeitig auch ein Legionskommando hat ten, waren mit Ausnahme des ägyptischen Präfekten immer noch von senatorischer Her kunft.569 Zur Karriere eines Senators gehörte auch jetzt noch der militärische Dienst in ir gendeiner Form, doch war dieser nicht mehr ihr höchstes Ziel.510 Auch für die equites bot die Armee weiterhin viele Betätigungsfelder und Aufstiegschancen. 571 Augustus reorganisierte dabei auch den ordo equestris und verlieh seinen Angehörigen die volle Anerkennung und damit verbunden die Erlaubnis, einen goldenen Ring und einen schmalen Purpurstreifen als Standesinsignien an der Tunika zu tragen. Das Mindestvermögen der Ritter setzte Augustus auf 400Ό00 HS fest.572 Auch diese Massnahme diente sicher dazu, sich der Loyalität des auf strebenden Ritterstandes zu versichern. Als dringliches Problem erwies sich auch die Besoldung der Soldaten. Diese war gerade wäh rend den Bürgerkriegen nicht immer sichergestellt. In Kriegszeiten konnte zwar die Kriegs beute Ersatz für mangelnde Soldzahlungen bieten. So weiss Tacitus zu berichten, dass die Soldaten in den Auseinandersetzungen in Gallien der Jahre 68/69 n.Chr. den Kriegsgewinn dem Friedenssold vorzogen.573 ٢berhaupt war es das Bestreben der römischen Befehlshaber, den Krieg möglichst durch sich selbst finanzieren zu lassen.574 Sei es durch Requirierung von Nahrungsmitteln und Material oder durch Kriegsbeute, wovon die Siegessäulen und Tri umphbögen noch heute eindrucksvoll Zeugnis ablegen.575 Gemäss Livius formulierte Cato im
pflichtung des Kaisers hinzu, wie dies die überlieferten Treueeide belegen (vgl. Epiktet 1,14,15-17; Herodianus 2,13,5ff.; Rüpke, Domi Militiae (1990) 86. Vgl. Sueton, Claudius 13,35; Sueton, Otho 1; Cassius Dio 55,23; 60,15. Vgl. Webster, Army (1969) 43; Keppie, Army (1984) 149; Starr, Empire (1982) 72. Ihre Amtszeit war nicht genau festgelegt bzw. nicht beschränkt, aber eine Amtsdauer von drei Jahren sollte sich einpendeln. Gemäss Cassius Dio 52,34 legte Maecenas Augustus eine Amtszeit zwischen 3 und 5 Jahren nahe (vgl. Syme, Roman Revolution (1939) 327; Braund, Empire (1988) 7; Zwicky, Verwaltung (1944) 36). Allerdings waren auch in senatorischen Provinzen Truppen stationiert, jedoch meist nur kleinere Kontingente und zudem nur auxilia-Einheiten (vgl. Ritterling, Military Forces (1927) 28-32). Vgl. Volkmann, Princeps (KP 4/1979) Sp. 1137. S.u. Kap. 6.1. Vgl. Birley, Britain under Nero (1953) 3f. Vgl. Braund, Empire (1988) 8. Dazu konnte auch das Kommando einer ala (Kavallerie-Einheit) einer verbündeten Truppe gehören (vgl. Sueton, Augustus 38,2; Keppie, Army (1984) 149.152). Vgl. Keppie, Army (1984) 150. Vgl. auch den Exkurs C.8. Vgl. Stevenson, Administration ( 2 1949) 115ff. Der Besitz eines Pferdes als Voraussetzung für den Stand der equites dürfte wohl hauptsächlich für das 2. Jh. v.Chr. Geltung gehabt haben (vgl. Badian, Imperialismus (1980) 6-8). So findet auch Nicolet, L'Ordre equestre I (1966) 189-192, für das Zeitalter von Cicero keine Beweise, dass die equites Romani ein Staatspferd hatten. Vgl. Historiae 1,51,1; Webster, Army (1969) 44; Wengst, Pax Romana (1986) 44. Vgl. auch oben unter Kap. 3.4 hinsichtlich der Beute der römischen Soldaten bei der Eroberung des jüdischen Tempels. Cäsar hob in der Provinz Gallia Cisalpina im Jahre 58/57 v.Chr. eigenmächtig vier neue Legionen aus, die er durch Beutegelder finanzierte (vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 205). Dass die Kriegsbeute Cäsars auf seinen Gallienfeldzügen gross war, beschreibt Sueton eindrücklich und nennt den gallischen Krieg einen Beutezug durch ein reiches Land. So meint Sueton: "In Gallien raubte er [gemeint ist Cäsar; Anm. C.R.] die mit Weihegeschenken gefüllten Heiligtümer und Tempel der Götter aus. Er zerstörte die Städte öfter wegen der Beute als um eines Vergehens willen" (Caesar 54). Vgl. etwa Plutarch, Lucullus 29; Livius 24,9,12; Appian, Mithridatius 5,30; Cicero, In Verrem actio 2,2,2.5; Epistulae ad Atticum 15,9,1; Caesar, Bellum civilis 3,3,2; 3,32; Appian, Bella civilia
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Spanienkrieg die f o l g e n d e Maxime, als er den Lieferanten verbot, Getreide aufzukaufen. Mit d e m Hinweis, dass die Spanier ihr Getreide schon auf der Tenne hätten, meinte er: Bellum se alet...
"Der Krieg wird sich selbst nähren" (34,9,12).
D i e s e r M a x i m e versuchten die r ö m i s c h e n Feldherren stets nachzuleben und s o wurden be siegten G e g n e r n m e i s t e n s nicht nur ihre W a f f e n , Kriegsgerät und ihre s o n s t i g e Ausrüstung a b g e n o m m e n , sondern sie konnten zusätzlich zu Reparationszahlungen g e z w u n g e n werden. 576 D i e s e wurden dann zur nachträglichen Finanzierung des Krieges herangezogen. N a c h Lucul lus ist e s ideal für die römische Seite, w e n n die B e u t e gross g e n u g ist, dass ein Feldherr "den Krieg aus sich selbst unterhalten" kann (Plutarch, Lucullus 29). 577 In Friedenszeiten stellte die längerfristige Finanzierung der L e g i o n e n und die Versorgung der Veteranen ein besonderes Problem dar. D i e Einführung einer permanenten K r i e g s k a s s e (ae rarium militare) durch A u g u s t u s k o n n t e dieser Schwierigkeit entgegentreten. 578 D i e Sicher stellung der B e s o l d u n g und der Altersversorgung verhalf d e m Soldatenberuf deshalb zu g e wichtigen Vorteilen gegenüber vielen zivilen Berufen. 579 A u g u s t u s g e l a n g e s endlich auch, unter den Soldaten und in der A r m e e eine g e w i s s e Aner kennung der politischen Autoritäten sicherzustellen, w e l c h e vorher kaum mehr bestanden hat te. Augustus selbst wirkte dabei als Integrationsfigur, auf ihn mussten die Soldaten ihren Eid schwören. 5 8 0
4.2.3 Die Prätorianergarde, cohortes urbanae und cohortes Vigilium Ein b e s o n d e r e s A u g e n m e r k schenkte A u g u s t u s auch der Prätorianergarde, deren Ursprung auf S c i p i o Aemilianus und dessen Spanienfeldzug i m Jahre 133 v.Chr. zurückgehen dürfte. 581 D i e s e besondere und bis auf weiteres einzige in R o m regulär stationierte militärische Truppe bestand aus 9 Kohorten zu j e 5 0 0 Mann. S i e wurde bis zur R e f o r m v o n Septimius Severus im a l l g e m e i n e n nur aus italischen Soldaten rekrutiert, die das M e h r f a c h e d e s S o l d e s e i n e s g e wöhnlichen Soldaten erhielten. 582 D i e Führung der Truppe hatte bis 2 n.Chr. A u g u s t u s selbst 1,11.102; 4,73f.; 5,1.4-7; Cassius Dio 47,14,3; Neesen, Staatsabgaben (1980) 105f.; Wengst, Pax Romana (1986) 43. Nach der Niederlage gegen Scipio im Jahre 202 v.Chr. musste Karthago mit Ausnahme von 10 Einheiten seine ganze Flotte sowie alle Elephanten abgeben (vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 81). Als Kriegsentschädigung musste Karthago schon nach dem 1. Punischen Krieg 3200 Talente bezahlen, eine Summe, die etwa 84'000 kg Edelmetall oder 19 Mio. späterer römischer Denare entspricht (vgl. Geselle, Weltbeherrscher (1981) 32). Nach dem 2. Punischen Krieg musste Karthago Zahlungen von 10Ό00 Talenten (= ca. 60 Mio. Denare) leisten (vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 35; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 81). Den Makedonierkönig Philip V. kostete der Friede mit Rom nach seiner Niederlage 197 v.Chr. bei Kynoskephalai 1000 Talente (vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 90). Gemäss Livius 37,45,14 musste Antiochus III. nach dem Friedensschluss von Apameia im Frühjahr 188 v.Chr. 15Ό00 euböische Talente entrichten (vgl. Shatzman, Booty (1972) 192; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 96). Vgl. auch Livius 10,46,5-6.14; 37,59,6; 40,43,5; Shatzman, Booty (1972) 204. Vgl. Corbier, Aerarium militare (1977) 197-234. Vgl. dazu die Exkurse C.l bis C.4, C.6, C.8, D.6, D.8 bis D.10. Vgl. De Blois, Army and Politics (1987) 56. Scipio hatte sich eine Truppe von 500 Soldaten als persönliche Leibwächter zugelegt, da er dem Temperament und der Disziplin der regulären Truppe misstraute (vgl. Webster, Army (1969) 45 Anm. 4). Sulla verfügte dann sogar über eine persönliche Leibgarde von 10Ό00 Corneliern, Freigelassenen, die ihm auf Treu und Leben ergeben waren (vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 161). Octavian und Antonius bildeten mit Veteranen Casars eigene Leibgarden (vgl. Keppie, Army (1984) 153). Vgl. Cassius Dio 74,1; Durry, Cohortes pretoriennes (1938) 247; Passerini, Coorti pretorie (1939) 171; Webster, Army (1969) 45; Schaschel, Prätorianer (1972) 474. Die Prätorianergarde rekrutierte sich zuerst aus den Legionen. Nach der Schlacht von Philippi 42 v.Chr. wurden nur noch Soldaten berücksichtigt, die ihre Dienstzeit hinter sich hatten und auf ihre Abfindung verzichten wollten (vgl. Appian, Bella Civilia 5,3). Unter Augustus wurden die Prätorianer dann direkt aus dem zivilen Leben ausgehoben und die Dienstzeit 13 v.Chr. auf 12 Jahre festgelegt. Diese wurde im Jahre 5 n.Chr. auf 16 Jahre verlängert (vgl. Keppie, Army (1984) 153f.). Die Kohorten der Prätorianergarde hatten die Nummern I bis IX (vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 98).
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inne. Danach wurde diese von zwei praefecti praetorio übernommen. Dieser Posten war den Rittern vorbehalten und stellte das höchste und wichtigste Amt dar, das ein Angehöriger die ses Standes erreichen konnte.583 Die Hauptaufgabe der Prätorianergarde lag in der Kontrolle der Hauptstadt Rom, doch wurde sie gegebenenfalls auch zu anderen Zwecken eingesetzt.584 Auf der einen Seite schien für Augustus eine solche Truppe in Rom selbst eine latente Gefahr darzustellen.585 Gleichzeitig wollte er wohl dem Eindruck wehren, dass er seine Macht und Stellung der Armee verdankte. Deshalb begrenzte Augustus die direkt in Rom stationierten Kohorten auf 3, die in kleinen Gruppen an verschiedenen Orten untergebracht waren. Diese Massnahme befolgte aber schon sein Nachfolger Tiberius nicht mehr.586 Auf solche Gefühle des Senates und des römischen Volkes nahmen die Nachfolger des ersten Princeps kaum mehr Rücksicht. Möglicherweise auch als Gegengewicht zur Prätorianergarde formierte Au gustus ein Polizeikorps von drei Kohorten, die cohortes urbanae,587 Diese wurden durch eine gut ausgebaute Feuerwehr, die cohortes Vigilium ergänzt. Mit diesen Einheiten verfügten Au gustus und seine Nachfolger über ein ausreichendes Truppenkontingent auch in der Stadt Rom, um hier nötigenfalls den Machtanspruch sowie Ruhe und Ordnung mit Gewalt durch zusetzen. Auch wenn dies für einen "guten" Herrscher die Ausnahme bilden musste. Seine ganz persönliche Leibwache bildeten die Germani corporis custodes, die Augustus aus Ger manien mitgebracht hatte.588
4.2.4
Erste Flottenreformen
Eine wichtige Reform des ersten Kaisers betraf die Flotte. Wenn es schon in den Zeiten der Republik Generäle mit seemännischem Weitblick gegeben hatte wie Pompeius oder Agrippa, unterlag auch dieser Teil des Militärs dem Milizsystem. So wurden die Seeleute jeweils im Bedarfsfall aufgeboten und die Flotte ausgebaut.589 Diese Praxis hatte sich aber für die Kon trolle des Mittelmeeres und die Bekämpfung des immer wieder aufkommenden Piratentums als unbrauchbar erwiesen. Augustus liess deshalb Flottenstützpunkte im Mittelmeerraum er richten.590 Doch auch ausserhalb des Mittelmeeres wurde, wie etwa auf den grossen Flüssen wie der Donau oder dem Rhein, die Flotte eingesetzt. Die grösseren Reformen des Rottenwe sens erfolgten aber erst zu späterer Zeit.591
Vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 16f.; Webster, Army (1969) 45. So von Tiberius zur Bekämpfung von Sklavenunruhen in Kalabrien (vgl. Tacitus, Annalen 4,27) oder zur Unterdrückung von Unruhen in italischen Kommunen, wie dies auch von Nero veranlasst wurde (vgl. Sueton, Tiberius 37,3; Tacitus, Annalen 13,48; Nippel, Polizei (1988) 161). Dass diese Befürchtung keineswegs unbegründet war, zeigen die von Josephus, Ant. 19,162 dargestellten Ereignisse nach der Ermordung Caligulas im Jahre 41 n.Chr., als die Prätorianergarde gegen den Willen des Senats Claudius auf den Thron hob. Claudius zeigte sich erkenntlich und schenkte jedem Soldaten der Garde 3750 (gemäss Josephus Ant. 19,247 sogar 5000) Denare (vgl. auch Sueton, Claudius 10; Watson, Roman Soldier (1966) 109; Starr, Empire (1982) 39; De Blois, Army and Politics (1987) 54). Sueton, Otho 4-5, nennt verschiedene weitere Bestechungssummen, die Prätorianern gezahlt werden sollten für den Sturz Galbas (vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 59). Zu Augustus vgl. Sueton, Augustus 49; Keppie, Army (1984) 153f.; Rüpke, Domi Militiae (1990) 56. Zu Tiberius vgl. Sueton, Tiberius 37,1; Webster, Army (1969) 45; Nippel, Polizei (1988) 161. Wie die Prätorianergarde wurde dieses Korps aus italischen Bürgern ausgehoben und stand unter der Führung des praefeclus Urbi. Die drei cohortes urbanae hatten die Nummern Χ, XI und XII, setzten also die Numerierung der Kohorten der Prätorianergarde fort. Unter Vitellius wurde der Bestand der einzelnen Kohorte von 500 auf 1000 Mann angehoben. Die Dienstzeit betrug 20 Jahre (vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 18f.98f.; Keppie, Army (1984) 188f.; Nippel, Polizei (1988) 162). Vgl. Keppie, Army (1984) 154; Nippel, Polizei (1988) 160. Vgl. Adcock, Art of War (1940) 117, der ebd. 37 zur Seepolitik Roms während der Republik meint: "It is hardly too much to say that the naval policy of Rome was to avoid the need of having one." Vgl. Webster, Army (1969) 45; Keppie, Army (1984) 152f. Neben Forum lulii, das seine Bedeutung nicht behalten konnte, waren wichtige Flottenstützpunkte Misenum und Ravenna. Vgl. Webster, Army (1969) 45f. So kontrollierte die classis Moesica und die classis Pannonica die Donau, und die classis Germanica den Rhein. Die 64 n.Chr. geschaffene classis Pontica kontrollierte das Schwarze Meer, und die in Gesoriacum (Boulogne) stationierte classis Britannica überwachte den Δrmelkanal (vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 21; Starr, Roman Imperial Navy (21960) 135-152; Luttwak, Strategy (1979) 78; Peddie, War Machine (1995) 101-122).
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4.3
Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
Die Konsolidierung der Berufsarmee in der frühen Kaiserzeit
4.3.1 Legionen und Hilfstruppen Die Soldaten, die in den Legionen, den Hilfstruppen oder der Flotte dienten, verpflichteten sich für lange Zeit und übten diesen Dienst als ihren Beruf aus.592 Hier verfügten sie als Berufssoldaten sowohl in Friedens- wie in Kriegszeiten über ein funktionierendes Informationssystem593, eine gute medizinische Infrastruktur und Versorgung594 und eine taktische Organisation und Ausrüstung auf der absoluten Höhe der Zeit.595 Die taktische Grundeinheit der Legion war weiterhin die Kohorte.596 Eine besondere Rolle spielte dabei die 1. Kohorte, die in der Regel den doppelten Bestand gegenüber den anderen neun Kohorten der Legion aufwies.597 Jede Legion hatte eine Reiterabteilung (equites legionis) von ungefähr 120 Mann, die aus gewöhnlichen Legionären rekrutiert wurde.598 Diese Reiter waren nicht immer in eigenen Abteilungen zusammengefasst, sondern den verschiedenen Zenturien bzw. Kohorten zugeteilt.599 Ihre Aufgabe war primär das Kundschaften, das Eskortieren und der Botendienst.600 Sie wurden von einem tribunus legionis befehligt, dem mehrere optiones equitum zur Seite standen.®1 Die genaue Sollstärke einer Legion ist weiterhin umstritten, doch ein gewisser Forschungskonsens lässt sich bei etwa 5500 Mann ausmachen.602 Die Reiterabteilungen für das Gefecht wurden weiterhin primär von den Reitertruppen der auxilia gestellt. Diese Hilfstruppen waren dabei ähnlich wie die Legionen aufgebaut und wurden von römischen Offizieren befehligt.603 Überhaupt war es das Bestreben der römischen Feldherren, die Legionen und die auxilia einander anzugleichen.604 Die auxilia stellten auch weiterhin Spezialeinheiten wie Bogenschützen oder Schleuderer.605 Oft hatten sie besondere taktische oder logistische Aufgaben zu erledigen. Beim Marsch der Truppen Vespasians während des ersten jüdischen Krieges wurden Hilfstruppen als Vorhut gebraucht, um plötzliche Angriffe der Rebellen zu verhindern bzw. zu verlangsamen. Auch mussten sie in un-
592
Vgl. zu den Dienstzeiten Exkurs D.2.
593
Vgl. Webster, Army (1969) 246ff; Gross, Nachrichtenwesen (KP 3/1979) Sp. 1552f. Zur Entwicklung eines gut funktionierenden Informationsnetzes durch die römische Armee und dessen wirtschaftlichen Auswirkungen am Beispiel Britanniens vgl. Haynes, Information Revolution (2002) 111-126. Vgl. zu Britannien auch Davies, Soldiers (2002) 169-203, mit anschaulichen Illustrationen zur Entwicklung der militärischen Infrastruktur und ihren Auswirkungen auf die Entstehung von canabae und vici.
594
Zur medizinischen Versorgung vgl. Webster, Army (1969) 248-255; Davies, Medici (1969) 83-99; Junkelmann, Legionen (1986) 252f.; Le Bohec, Army (1994) 160; Wesch-Klein, Heerwesen (1998) 7190.
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Eine gute Übersicht über die Ausrüstung der römischen Soldaten mit vielen Abbildungen liefern auch Bishop - Coulston, Roman Military Equipment (1993). Vgl. auch für die spätere Kaiserzeit Stephenson, Roman Infantry Equipment (1999). Zur Ausrüstung der Kavallerie vgl. etwa Dixon - Southern, Roman Cavalry (1992); Stephenson - Dixon, Equipment (2003). Vgl. Keppie, Army (1984) 173. Die wichtigste Unterabteilung einer Hilfstruppe wurde ebenfalls als Kohorte bezeichnet (vgl. Keppie, Army (1984) 216). Vgl. Exkurs D.5. Vgl. Josephus, Bell. 3,120; Keppie, Army (1984) 173; Luttwak, Strategy (1979) 40. Dies muss nicht bedeuten, dass die equites legionis nicht eine gemeinsame Unterkunft hatten (vgl. Breeze, Organisation (1969) 54). Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 41; Keppie, Army (1984) 173. Wahrscheinlich wurden im Gefecht die Reiterabteilungen der Legionen den Reiterabteilungen der Hilfstruppen zugeordnet (vgl. Breeze, Organisation (1969) 55). Vgl. Parker, Legions (1928) 210f. Domaszewski, Rangordnung ( 2 1967) 47, identifiziert diesen Tribun als tribunus semestris. Vgl. auch MacMullen, Imperial Army (1980) 252f. Vgl. Keppie, Army (1984) 182.184. Vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 16.38; Eck - Wolff, Integrationspolitik (1986) 1-7. Vgl. Tacitus, Annalen 2,20; Sueton, Gaius 46; Luttwak, Strategy (1979) 445). Vgl. auch Exkurs D.5.3.
Α Politische Strategien
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wegsamem Gelände Passierwege erkunden oder gar erstellen.606 Dazu kam die Versorgung der Bogenschützen und Schleuderer mit Geschossen vor, nach und während eines Kampfes.607 Die leichteren Kohorten und die Reiterei der Hilfstruppen hatten deshalb andere, aber nicht minder bedeutsame Aufgaben als die schwerfälligeren Legionen, die besonders gegen kompakte Gegner ihre Kampfkraft ausspielen konnten. Gegen einen mobileren Gegner hatten die Hilfstruppen aufgrund der eigenen Beweglichkeit sogar Vorteile. Wie schon in den Bürgerkriegen des 1. Jh.s. v.Chr. waren deshalb auch in der Prinzipatszeit Bedeutung und Ansehen der Hilfstruppen nicht zu unterschätzen.608 Die Standardisierung von Legionen und auxilia führte allerdings so weit, dass zur Zeit Trajans und Hadrians neue Hilfstruppen gebildet wurden.609 Dadurch sollte der besondere Elan und Korpsgeist wiedergewonnen werden, wie sie die auxilia zu Beginn ihres Einsatzes in der römischen Kriegsführung ausgezeichnet hatten. Zu diesem Zweck sollten diese nationalen Einheiten (numeri) ihre eigenen Waffen verwenden und ihre eigene Sprache sprechen dürfen. Dies stellte sicher ein Privileg dar, denn die Militärsprache war generell das Latein.610 Auch in den Hilfstruppen wurden Sold und Abfindung besser geregelt, was zu einer deutlich verbesserten Integration und einer Aufwertung führte. Diese Faktoren hatten natürlich auch die Funktion, die Loyalität zu fördern. 6 " Die Legionen waren aufgrund ihres Aufbaus bestens darauf angelegt, einen kompakten Gegner in offener Schlacht niederzuringen oder durch Belagerung zu besiegen. Für schnelle Angriffe oder die Abwehr von Guerilla-Angriffen waren die leichter bewaffneten Kohorten und die Reiterei der auxilia besser geeignet.612 Sie waren aus diesen Gründen kaum mehr einfach als minderwertige Truppen anzusehen, sondern vielmehr als "Komplementärkraft zu den Legionen"613. Aufgrund ihrer Überlegenheit in schweren Kampfhandlungen hatten die Legionen natürlich weiterhin auch die strategische Aufgabe, die Hilfstruppen und ihre Loyalität dem Imperium Romanum gegenüber zu überwachen.614 Das Vgl. Josephus, Bell. 3,116 und 3,141. Vgl. auch die Aufgabe von Agrippas Truppen beim Anmarsch von Cestius Gallus gegen Jerusalem (vgl. Josephus, Bell. 2,502). So etwa bei der Belagerung von Jotapa (vgl. Josephus, Bell. 3,151.168.211.219.255f.259.263.285; Kasher, Jews (1988) 200). Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 40ff.; Wierschowski, Wirtschaft (1984) lOf. Daneben waren wohl auch die neuen Aufgaben der Grenzsicherung verantwortlich für die Bildung dieser numeri (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 122). S. auch Exkurse A.l und A.2 . Vgl. Mann, Numeri (1954) 501-506; Watson, Roman Soldier (1966) 16.38; Luttwak, Strategy (1979) 122. Vgl. Keppie, Army (1984) 185. So standen etwa Vespasian in seinem Krieg gegen Vitellius im Gegensatz zu seinem Gegner mehr Hilfstruppen als Legionen zur Verfügung (vgl. Tacitus, Historiae 3,2,3; Wierschowski, Wirtschaft (1984) 10). Zum Sold und Abfindung in den Auxilia vgl. die Exkurse C. 1.2 und C.2.2. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 4If. Nur unter besonders schlechten Bedingungen wurden Legionen aufgerieben oder mussten sich ergeben, wie etwa die beiden Ixgionen V Alaudae und XV Primigenia, die erschöpft und schlecht versorgt während der Cicvilis-Revolte (69-70 n.Chr.) von abtrünnigen BataverHilfstruppen im Lager Vetera im unteren Germanien belagert und massakriert wurden. Ein weiteres Beispiel wären die vier Legionen I Germanica, XVI Gallica, IV Macedorüca und XV Primigenia, die später zur Kapitulation gezwungen wurden oder zum Gegner überliefen (vgl. Tacitus, Historiae 4,12-80; 5,1426; Parker, Legions (1928) 143ff.). Wierschowski, Wirtschaft (1984) 10. Für den Dienst in der Legion sprachen aber immer noch neben dem höheren Sozialprestige der etwas bessere Sold sowie die bevorzugte Behandlung im Zusammenhang mit dem Entlassungsgeld und den Donativen, von denen die Soldaten der auxilia meist ausgeschlossen waren (vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 15.48). Der Angriff von Hilfstruppen auf römische Truppen ist etwa für die Aufstände von Civilis, Arminius und Tacfarinas bekannt, die alle Befehlshaber von au*/7i'a-Einheiten gewesen waren und diese teilweise gegen die ehemaligen römischen Verbündeteneinsetzen konnten (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 42). Dass die kompakten Legionen der Kavallerie dieser Zeit keineswegs unterlegen waren, dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Pferde offenbar (noch) keine Steigbügel hatten. Die Reiterei war deshalb nicht für schwere Angriffe geeignet und wurde primär für den Gebrauch von Wurfwaffen oder auch für Störmanöver eingesetzt. Für die Abwehr von gegnerischer und ebenfalls leicht bewaffneter Kavallerie oder die Verfolgung flüchtender Gegner war die Reiterei natürlich bestens geeignet (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 43f.).
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
harmonische Zusammenspiel der schweren Infanterie der Legionen mit den leichteren Fuss truppen, der Reiterei und den Spezialeinheiten der auxilia machte die römische Armee zu ei nem gefürchteten Gegner für alle aktuellen und potentiellen Gegner.615 Sie war damit gerüstet für die verschiedensten Weisen militärischer Auseinandersetzungen: von der ٢berwachung von besetztem Gebiet über leichtere Geplänkel bis zu schweren Schlachten und langen Bela gerungen. Die weitergehende Diversifikation der verschiedenen Truppen der römischen Ar mee war und blieb einer ihrer grossen Trümpfe und machte sie bereit für neue Aufgaben.616
4.3.2 Flotte, Prätorianergarde und equites singulares in der Zeit nach Augustus Die Flotte behielt weiterhin ihre tragende Rolle in der Kontrolle des Mittelmeerraumes, und Stützpunkte wurden neu geschaffen oder ausgebaut.617 Die römische Vorherrschaft war hier im Prinzip unangefochten, und nur auf dem Schwarzen Meer hatten die classis Moesica und die classis Pontica zeitweise mit Piraten zu kämpfen.618 Auch auf den Grenzflüssen im ger manischen Raum spielte die Flotte bei der Unterstützung der Landtruppen eine bedeutende Rolle. 6 " Als Seeleute und Ruderer dienten in der Regel freie Provinzbewohner. Auch sie er hielten nach ihren 26 Jahren Dienstzeit teilweise die Privilegien des römischen Bürger und Eherechts zugesprochen. Das Kommando über die Flottenstützpunkte hatten zuerst Angehö rige des Ritterstandes und später Freigelassene von Augustus inne. Nach 70 n.Chr. war pri mär die Qualifikation im Verwaltungsbereich und nicht mehr die nautische Erfahrung ausschlaggebend für die Erlangung dieses Kommandos.620 In Rom selbst war immer noch die Prätorianergarde die wichtigste militärische Truppe, deren Mitglieder in der Hauptstadt nur Waffen über ziviler Kleidung, im Feld hingegen gewöhnli che Legionärsausrüstung trugen.621 Tiberius stationierte ab ca. 20 n.Chr. auf Anraten von Se janus hin alle Prätorianer in einer neuen Unterkunft, der castra praetoria.622 Später wurde die Prätorianergarde dann auf 12 Kohorten erweitert, unter Vitellius 69 n.Chr. sogar auf 16 Ko horten mit neu einem Bestand von je 1000 Mann.623 Vespasian reduzierte die Anzahl der Ko horten wieder auf die ursprüngliche Stärke von 9 Einheiten, allerdings ohne Verminderung
Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 42. Allerdings gab es keine standardmässige Zuteilung von Hilfstruppen zu den Legionen: Bei der Schlacht im Teutoburger Wald befehligte Varus neben seinen 3 Legionen nur gerade drei Reiteralen und 6 Auxiliarkohorten (vgl. Velleius Paterculus 2,117). Bei seinen nachfolgenden Strafexpeditionen jenseits der Rheingrenze unterstanden Germanicus hingegen neben seinen 2 Legionen auch 8 Reiteralen und ganze 26 Auxiliarkohorten (vgl. Tacitus, Annalen 1,27). Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 45. Unter Trajan wurde neben einer neuen Reiterale von Lanzenwerfern (Ala I Ulpia Contariorum) gar eine berittene Dromedareinheit in der Grösse einer ala miliaria geschaffen, die Ala I Ulpia Dromedariorum (vgl. Birley, Cohortes Milliariae (1966) 55; Luttwak, Strategy (1979) 123). Vgl. Keppie, Army (1984) 186f.; Le Bohec, Army (1994) 164f.; Peddie, War Machine (1995) 101-122. Vgl. Starr, Imperial Navy ( 2 1960) 127f.; Luttwak, Strategy (1979) 80. Erst in der zweiten Hälfte des 3. Jh.s n.Chr. gingen von anderen Völkern wieder grössere Bedrohungen über die Seewege aus, wie etwa bei den Franken oder Sachsen im Nord-Westen des Imperiums oder bei den Goten und weiteren Völkern auf dem Schwarzen und im östlichen Mittelmeer. Gemäss den SH A, Claudius 6,4 und 8,1 sollen dabei die Goten 267 n.Chr. mit 2000 Schiffen und 320Ό00 Mann zu Lande eingefallen sein. Diese Zahlen dürften allerdings übertrieben sein (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 147-150). Vgl. Starr, Imperial Navy ( 2 1960) 135-152; Luttwak, Strategy (1979) 78.80. Vgl. Keppie, Army (1984) 186f. Allerdings wurden wie im Jahr 214 v.Chr. auch Sklaven dafür eingesetzt (vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 20f.). Zur Verleihung des Bürgerrechts vgl. Exkurs D.12. Vgl. Tacitus, Historiae 1,38,2; Annalen 16,27,1; Herodian 2,13,2; 7,11,2; Keppie, Army (1984) 187f.; Nippel, Polizei (1988) 162. Vgl. Sueton, Tiberius 37,1; Cassius Dio 57,57,19,6; Tacitus, Annalen 4,2; 4,7,2; Nippel, Polizei (1988) 161. Tacitus, Annalen 4,5, nennt jedenfalls für das Jahr 47 n.Chr. die Zahl von 12 Kohorten. Vielleicht wurden diese drei zusätzlichen Kohorten bereits auf Geheiss von Caligula gebildet (vgl. AE (1978) 286). Zur Reform von Vitellius vgl. Sueton, Vitellius 10; Keppie, Army (1984) 188; Luttwak, Strategy (1979) 183. Da die Prätorianer vorher Otho unterstützt hatten, besetzte Vitellius die Prätorianergarde ganz mit Soldaten seiner Legionen aus dem Rheingebiet (vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 17). Vespasian seinerseits entliess dann die Prätorianer von Vitellius, und zwar aus Kosten- wie auch Loyalitätsgründen (vgl. Sueton, Vespasian 8,2 und 16; Tacitus, Historiae 4,46; Wierschowski, Wirtschaft (1984) 210).
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des Bestandes. 624 Domitian fügte wenig später wieder eine Kohorte hinzu.625 S. Severus ver doppelte dann nochmals die Garde, die damit nun 20Ό00 Mann stark war und die stärkste militärische Kraft in Italien bildete.626 Die Garde wurde primär aus Bürgern Italiens rekru tiert.627 Wahrscheinlich um dem Neid und der Unzufriedenheit der Soldaten aus den Provin zen entgegenzuwirken, wurden aus diesen auch bewährte Legionäre ausgewählt.628 Damit er hielt die Garde den Ruf einer Eliteeinheit. Weil zudem ehemalige Prätorianer häufig auch mit Offiziersposten in den Provinzen betraut wurden, festigte sich die Verbindung zwischen ge wöhnlichen Truppen und der Garde. Wenn in flavischer Zeit die Prätorianergarde den Kaiser ins Feld begleitete, wurde ihr eine spezielle Reiterale beigefügt. Diese wurde aus Reitereinheiten der Provinzen rekrutiert und ihre Mitglieder trugen den Namen equites singulares Augusti.62'' Diese Einheit wurde wahr scheinlich von Trajan (98117 n.Chr.) zu einer regulären Truppe aufgewertet und von Kon stantin (306337 n.Chr.) wieder aufgelöst. Sie umfasste zuerst 500, später dann 1000 Reiter und wurde von prätorianischen Tribunen und von Dekurionen befehligt.630 Da die Mitglieder dieser Truppe einzeln ausgewählt wurden, trugen sie die Bezeichnung singulares. Bewaffnet waren die equites singulares Augusti, die den Ruf einer Eliteeinheit genossen, wie die Hilfs truppen. Ihre Dienstzeit betrug 25 Jahre.631 Weil die equites singulares eine besondere Aus bildung erfuhren und häufig nach gewisser Zeit wieder versetzt wurden, fungierte diese Ein heit gewissermassen als Kriegsschule für die Reiteralen der Legionen. Die Offiziere dieser Truppe standen im besonderen Vertrauen der Kaiser, und ihre Tribunen stiegen manchmal bis zum Präfekten der Prätorianer auf, dem zweithöchsten Präfekten des Reiches.632 Die Zahl der römischen Legionen hatte beim Tod von Augustus 25 betragen.633 In der Zeit zwischen Caligula und dem Tod Neros wurden zwar acht neue Legionen ausgehoben, aber auch vier aufgelöst, so dass zu Beginn des Bürgerkriegs von 6970 n.Chr. 29 Legionen unter Waffen standen. Zusammen mit den auxilia in ungefähr gleicher Stärke dürfte ihre Zahl zu 624 625
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Vgl. Keppie, Army (1984) 188. Die Garde wies nun die gleiche Organisation wie eine Legion auf, hatte aber doppelte Stärke (vgl. Keppie, Army (1984) 188; Luttwak, Strategy (1979) 183). Vgl. Smith, Army Reforms (1972) 487f. Mit der Prätorianergarde, den cohortes urbanae und vigiliae, den equites singulares Augusti und der leg. II Parthica, die S. Severus nach Italien verlegt hatte, standen diesem Kaiser nun eine grosse Truppe zur Verfügung, die ihn ins Feld begleiten und als mobile Reservetruppe eingesetzt werden konnte (vgl. Smith, Army Reforms (1972) 488.495). Vgl. Keppie, Army (1984) 188. Vgl. Smith, Army Reforms (1972) 494ff. So betrug der Sold der Prätorianersoldaten ein Mehrfaches eines Legionärssoldes. Zudem blieben ihnen meist die Unannehmlichkeiten des Feld- und Kriegsdienstes erspart, und den grössten Teil ihrer Zeit verbrachten sie in Rom (vgl. Keppie, Army (1984) 188). Vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 13; Smith, Army Reforms (1972) 495; Keppie, Army (1984) 188. Zu Aufbau, Geschichte und Funktion dieser Truppe vgl. besonders Speidel, Equites singulares (1965). Die besondere Stellung dieser Truppe dürfte sich dem steigenden Einfluss der Prätorianergarde verdanken, zu der die Kaiser ein Gegengewicht suchten. Schon Nero hatte dieser zu einem Grossteil fremdstämmigen Truppe besonderes Vertrauen geschenkt, als er die stark von Prätorianern getragene pisonische Verschwörung niederzuschlagen suchte (vgl. Tacitus, Annalen 15,58; Link, Privilegierung (1989) 62f.). Insbesondere stammten sie aus dem Gebiet von Rhein und Donau; die Reiter der dort stationierten Einheiten setzten sich allerdings aus Männern verschiedenster nationaler Herkunft zusammen (vgl. Speidel, Equites singulares (1965) 18). Vgl. Speidel, Equites singulares (1965) 92; Watson, Roman Soldier (1966) 18; Link, Privilegierung (1989) 62. Zeitpunkt der Selektion war etwa 5 Jahre nach Dienstantritt in der ursprünglichen Reitereinheit. Mit dem Beitritt zu den equites singulares Augusti wurde dem einzelnen Soldaten das römische Bürgerrecht verliehen, falls er es noch nicht besass. Wie dies bei der Verleihung des Bürgerrechtes während der Dienstzeit üblich war, erhielt der Soldat dabei den Namen des amtierenden Kaisers (vgl. Speidel, Equites singulares (1965) 93). Auch die Statthalter der Provinzen hatten eigene Fusssoldaten und Reiter als singulares, die wahrscheinlich der Begleittruppe des Kaisers als Vorbild gedient hatten. Diese provinzialen singulares blieben aber Teil ihrer Stammtruppe. Vgl. Speidel, Equites singulares (1965) 93f. Bis S. Severus war sie wie eine ala miliaria aufgebaut, später wie zwei alae quingenariae. Sie entsprach in ihrer Organisation den herkömmlichen alae und nicht einer Kohorte. Zur Machtfülle und zur Position der Gardepräfekten gegenüber dem Kaiser vgl. Miliar, Emperor (1977) 122-131. Der Gardepräfekt wurde später sogar zum höchsten Präfekten. Vgl. Parker, Legions (1928) 72-92; Syme, Legions (1933) 14-33.
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dieser Zeit zwischen 300Ό00 und maximal 350Ό00 Mann betragen haben.634 So entsprach gemäss Tacitus (Annalen 4,5) die Stärke der Hilfstruppen während der frühen Kaiserzeit der jenigen der Legionen. Im 2. Jh. n.Chr. sollte der Umfang der Hilfstruppen dann denjenigen der Legionen sogar übertreffen.635 Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung des Imperiums machten die Soldaten jedoch eine relativ kleine Zahl aus.636
4.3.3 Massnahmen zur Sicherung der Loyalität der Soldaten Da die Armee weiterhin den stärksten Machtfaktor innerhalb des Imperiums bildete, waren die Kaiser bestrebt, sich ihrer Loyalität mit einem gesicherten Sold, ausserordentlichen Zu wendungen und Donativen zu versichern.637 Weitere besondere Privilegien hatten den gleichen Zweck.638 Die dadurch geförderte Eintracht (concordia) innerhalb der Armee und mit dem Kaiser sollte für das Funktionieren des Prinzi pats immer von grosser Wichtigkeit bleiben.639 Weiter sollte ein ausgeklügeltes System von Auszeichnungen Soldaten und Offiziere zur pflichtbewussten Erfüllung ihrer Aufgaben mo tivieren; denn diese bedeuteten nicht nur Ehre und Ruhm, sondern waren auch der Karriere förderlich.640 Und ein Schritt nach oben auf der Hierarchieleiter hatte dabei nicht nur Auswir kungen auf den Sold, sondern brachte auch andere Annehmlichkeiten und Erleichterungen mit sich. Zur Sicherung von Disziplin und Gehorsam wurden aber auch verschiedenste Formen der in dividuellen und kollektiven Bestrafung praktiziert, die teilweise eine lange Tradition hatten; sie sollten im weiteres dazu beitragen, die Disziplin der Soldaten und ihre Loyalität gegenüber den Vorgesetzten und dem Kaiser zu unterstützen: Von der Erniedrigung bis zur Dezimierung von ganzen Einheiten verfügten die Befehlshaber und Offiziere über eine breite Palette.641 Die durch ein ausgeklügeltes System von Belohnungen, Bestrafungen und Drill geformte und praktizierte rigide Disziplin der römischen Armee dürfte einer der Gründe für ihren durch schlagenden Erfolg gewesen sein.642
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Vgl. Dobson, Peacetime Army (1986) 24.
Erdkamp, Army (2002) 5, schätzt die Gesamtbevölkerung des Imperiums auf 50-60 Mio. Die Armee machte demnach weniger als ein Prozent aus. Vgl. Campbell, Emperor (1984) 417. Vgl. auch Wesch-Klein, Heerwesen (1998) 45-62. Neben den Soldaten wurde auch die plebs urbana mit congiaria (Getreidespenden) bedacht; sie war wie die Armee für die machtpolitische Absicherung des Kaisers von grosser Wichtigkeit. So verfügte Augustus in seinem Testament auch, dass Getreide ans Volk verteilt werden sollte. Claudius verteilte zur Feier des Eintrittes von Nero ins öffentliche Leben neben Donativen an die Soldaten auch Getreide ans Volk (vgl. Tacitus, Annalen 12,41; Sueton, Nero 7; Watson, Roman Soldier (1966) 109f.). Vgl. auch Exkurse C . l , C.2 und C.4. Die antiken Geschichtsschreiber nehmen teilweise kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, die Bemühungen der Kaiser um die Gunst der Soldaten zu beschreiben. Vgl. etwa zu S. Severus Herodian 3,8,5; Cassius Dio 75,2,3; 76,15,2; 77,9,lf. oder zu Caracalla die Ausführungen von Cassius Dio 77,10,4. Vgl. auch Exkurs C.6. Vitellius etwa betonte in besonderem Masse den consensus exercituum, die concordia praetorianorum und die fides exercituum auf seinen Münzen. Den consensus exercituum unterstrichen auch seine Nachfolger Vespasian, Nerva und weitere Kaiser (vgl. Mattingly, Coins in the British Museum I (1923) 385ff; II (1930) 67ff.; Franke, Kleinasien (1968) Nr. 20; Starr, Empire (1982) 44). Vgl. Dobson, Peacetime Army (1986) 19-23; Le Bohec, Army (1994) 61ff. Zu den einzelnen Strafen vgl. Exkurs C.9. Vgl. Parker, Legions (1928) 232.
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Vgl. Tacitus, Annalen 4,5; Luttwak, Strategy (1979) 13-16. Vgl. auch Mattern, Strategy (1999) 82-84. Wahrscheinlich fügte erst Caligula oder noch später Claudius den 25 Legionen des Augustus weitere hinzu (vgl. Parker, Legions (1928) 93-98). Zur Grösse der Armee des 1. und 2. Jh.s n.Chr. vgl. Parker, Legions (1928) 93-117. Gemäss Wierschowski, Wirtschaft (1984) 213 Tab. 21, umfasste die römische Armee im 1. Jh. n.Chr. bis Domitian folgende Formationen: 28 Legionen, 130 coh. quingenariae, 18 coh. miliariae, 78 coh. equitatae, 23 coh. miliariae equitatae, 75 alae quingenariae, 10 alae miliariae (ab Ende des 1. Jh.s. n.Chr.). Für das 2. bis frühe 5. Jh. n.Chr. vgl. auch MacMullen, Imperial Army (1980) 451-460. S. auch Exkurs D.5.4.
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Der römische Feldherr hatte also aufgrund seiner Vollmacht das Verfügungsrecht über seine Soldaten.643 Die Art und Weise seiner Disziplinarmassnahmen lag dabei in seinem Ermessen und richtete sich nach den militärischen Erfordernissen.644 Je nach Fall kam dann das ius gladii bzw. die potestas gladii zum Zuge: wenn der Feldherr einen Soldaten eines gravierenden Deliktes für schuldig befand, dann hatte dieser sein Leben verwirkt.645 Dieses Tötungsrecht erstreckte sich ursprünglich wohl auf die fahnenflüchtigen Soldaten. Es konnte allerdings von den römischen Feldherren auch dort eingesetzt werden, wo es die Disziplin und die Erhaltung der Kampfkraft angezeigt erscheinen liessen.646 Später wurde dieses Recht von den römischen Soldaten auch auf die nichtrömischen Bewohner der Provinzen ausgedehnt, bis es schliesslich das "Recht über Leben und Tod der römischen Bürger schlechthin"647 meinte. Das Bestreben der römischen Kaiser, ein gutes Verhältnis zu den Truppen zu wahren, widerspiegelt sich auch in ihren eigenen Zunamen, die sie sich nach Feldzügen zulegten oder in den Zunamen verschiedener Legionen. Beides sollte die enge Beziehung zwischen Prinzeps und Armee dokumentieren.648 Sicher auch aus Furcht vor dem Machtbewusstsein der Soldaten ordnete dann Domitian an, dass nicht mehr mehrere Legionen zusammen stationiert werden durften.649 Dass diese Furcht nicht unbegründet war, hatten ja Meutereien im Jahre 14 n.Chr. und während des Bürgerkrieges gezeigt.650 4.3.4
Die römische Armee als gesellschaftlicher Integrationsfaktor
Zur Konsolidierung der Berufsarmee trug sicher auch ihre Integrationsfähigkeit von Provinzbewohnern in die römische Gesellschaft bei.651 Weil die Soldaten in den östlichen Provinzen mit dem Eintritt in die Legion die civitas Romana erhielten, wurde diese nämlich zu einem wichtigen Integrationsfaktor für die Provinzbevölkerungen und die verschiedenen Kulturen, die das Imperium umspannte.652 Während in republikanischer Zeit noch die reichen Bürger selbst ihre Interessen durch den Militärdienst verteidigten, wurde diese Aufgabe mit weitergehender Expansion des Reiches immer mehr an die unteren Schichten delegiert.653 Theoretisch galt dabei immer noch die allgemeine Wehrpflicht für die römischen Bürger, die durch einen dilectus zum Militärdienst gezwungen werden konnten.654 Die Verfügungsgewalt lag Vgl. Cassius Dio 53,13,7; Liebs, Ius gladii (1981) 218. Vgl. Jung, Rechtsstellung (1982) 975. Die termini technici von ius bzw. potestas gladii sind erstmals um etwa 200 n.Chr. bei Digesta 1,16,6,1 sowie 1,18,6,8 belegt, wobei es sich bei der zweiten Stelle gemäss Liebs, Ius gladii (1981) 217, um eine apokryphe Notiz des 4 .Jh.s n.Chr. handeln dürfte. Mommsen, Römisches Strafrecht (1899) 33, spricht in diesem Zusammenhang von "Kriegswillkür" des Befehlshabers seinen Soldaten gegenüber. Vgl. Liebs, Ius gladii (1981) 220; Jung, Rechtsstellung (1982) 973ff. Paulus, Prozess Jesu (1985) 438. Vgl. Cassius Dio 53,14,5. Vgl. die Übersicht bei Le Bohec, Army (1994) 202206. Vgl. Sueton, Domitian 7. Daneben war natürlich ein neues Konzept der Sicherheitspolitik für diese Massnahme verantwortlich. S. dazu auch Exkurs A.l. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 120f. Zur Meuterei im Jahre 14 n.Chr. und ihren Folgen vgl. auch Cosme, Versement de la prime (2000) 699-706. S. auch o. Kap. 4.2.2. Vgl. dazu umfassend Wesch-Klein, Soziale Aspekte des römischen Heerwesens (1998). Vgl. Keppie, Army (1984) 180f. Die Verleihung des Bürgerrechts an Verbündete wie auch teilweise an ehemals Unterworfene dürfte einer der Gründe für den Erfolg und die Grösse des römischen Reiches gewesen sein (vgl. Sherwin-White, Roman citizenship ( 2 1973) 468ff.; Eck - Wolff, Integrationspolitik (1986) 3). S. auch Exkurs D. 12. Vgl. Keppie, Army (1984) 181. Plinius, Epistulae 10,30 beklagt sich, dass Einwohner Bithyniens Stellvertreter (vicarii) zur Aushebung für die Legion senden (vgl. Parker, Legions (1928) 179). Tacitus bezeichnet mit dilectus etwa die Auffüllung der Legionen Corbulos zur Sollstärke (vgl. Annalen 13,35,4; Isaac, Diplomas (1998) 428f.) oder der Illyrischen Legionen im Jahr 65 n.Chr. (vgl. Annalen 16,13,3). Den dilectus führten spezielle, durch den Prinzeps bestimmte Beamte durch, die den Namen dilectatores trugen. In Italien waren dies Senatoren, die besonders bei der Bildung von neuen Legionen aktiv wurden. In den senatorischen Provinzen waren es die Prokonsuln und in den kaiserlichen Provinzen Angehörige des Ritterstandes. Ihre Aufgabe war es einerseits, die notwendige Zahl von Legionären zu
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dabei in den Händen des Prinzeps.655 Die Rekrutierung von genügend Bürgern, die zum Militärdienst bereit waren, stellte aber nur im Osten des Reiches ein Problem dar. In den stärker romanisierten westlichen Provinzen fanden sich im 1. Jh. n.Chr. genügend freiwillige Bürger, da hier auch schon mehr Städte das römische Bürgerrecht erhalten hatten. Diese Rekruten erhofften sich von der Armee eine Aufgabe, ein sicheres Einkommen und gesellschaftliche Aufstiegschancen.656 Damit verschwand auch die klare Unterscheidung zwischen den regulären Legionen und den auxilia, welche in republianischer Zeit durch das römische Bürgerrecht gegeben war.657 So finden sich schon zur Zeit von Augustus Soldaten ohne römisches Bürgerrecht in den Legionen und römische Bürger in Hilfstruppen, vielleicht weil sie die Qualifikation für die Legion nicht geschafft hatten oder sich hier bessere Aufstiegschancen erhofften. Dies hatte auch damit zu tun, dass Legionen und auxilia sich immer ähnlicher wurden. Die römischen Bürger der auxilia wurden in den cohortes civium Romanorum zusammengefasst. Später wurden auch hier Nicht-Bürger rekrutiert, als solche wurden sie aber von den kaiserlichen Donativen ausgeschlossen.658 Der Bestand an römischen oder italischen Soldaten innerhalb der Legionen nahm von der Amtszeit des Augustus an weiter ab, und nicht nur die Soldaten für die Legionen des Ostens wurden grösstenteils aus Provinzialen rekrutiert.659 Später wurden Rekruten für die östlichen Provinzen vorwiegend in Galatien und Kappadozien eingezogen.660 In Anlehnung an die republikanische Tradition wurden neue Legionen aber immer noch in Italien selbst ausgehoben. Weil das Rekrutierungsgebiet einer Legion stetig im Schrumpfen begriffen war, erhielten immer mehr Legionen ein besonderes kulturelles Gepräge.661 Die Dienstzeit betrug dabei häufig 25 und mehr Jahre, doch wenn der Soldat die Gefahren des Krieges überstand, hatte er dank der guten Ernährung, der medizinischen Versorgung und der regelmässigen körperlichen Betätigung eine grössere Lebenserwartung als Mitmenschen der gleichen sozialen Stufe, die im zivilen Leben verblieben waren.662 4.4
Das Erfolgsrezept der römischen Armee
Die Armee der Kaiserzeit war das Resultat einer langen Entwicklung von der Republik bis hin zu den Reformen von Augustus.663 Den Erfolg verdankte sie dabei der Professionalisierung und Spezialisierung in Aufbau, Organisation, Taktik und Ausbildung wie auch der Ausrüsrekrutieren. Andererseits mussten sie sich der Diensttauglichkeit der Rekruten vergewissem (vgl. Parker, Legions (1928) 185f.). Der Militärdienst wurde auch hier noch als munus angesehen, den die Bürger zu erfüllen hatten (vgl. Tacitus, Annalen 4,4,4). Für den dilectus in einer senatorischen Provinz, der in der Kompetenz des Kaisers als oberstem Befehlshaber lag, ersuchten Augustus und Tiberius noch um die Erlaubnis des Senates (vgl. Sueton, Tiberius 32), später kamen die Kaiser davon ab, wohl ein weiterer Hinweis auf die Zunahme ihrer Macht. Für den dilectus in Gallia Narbonensis, Asia und Africa schreibt Tacitus nichts von einer Konsultation des Senates (vgl. Annales 16,13,4; Parker, Legions (1928) 186). Vgl. Vellerns Paterculus 2,130,2; Rüpke, Domi Militiae (1990) 251ff. Vgl. auch Exkurs D.9. Das hatte sicher auch damit zu tun, dass die Vorurteile aus der Sicht des Zentrums gegenüber Provinzbewohnern abgenommen hatten, nachdem immer mehr römische Bürger und sogar Kaiser aus den Provinzen stammten oder hier lebten. So hatten die Provinzen bis ins 2. Jh. einen Status erreicht, der demjenigen Italiens gleichkam (vgl. Parker, Legions (1928) 171f.). Vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 16.38.42ff.109; Keppie, Army (1984) 185f. Bis ins 2. Jh. n.Chr. hatten nur Augustus (während der pannonischen Revolte 6 n.Chr. und nach der Katastrophe im Teutoburger Wald 9 n.Chr.) sowie später Galba und Vespasian Legionseinheiten aus nicht-römischen Soldaten gebildet. Ihre Bezeichnung als adiutrices lässt vermuten, dass sie als der gewöhnlichen Legion qualitativ unterlegen angesehen wurden (vgl. Parker, Legions (1928) 169f.). Vgl. Keppie, Army (1984) 180f. Vgl. Tacitus, Annalen 13,35,4. Vgl. Keppie, Army (1984) 181. Dies hatte auch mit dem Lebensstil der Soldaten zu tun, die nun häufig in Garnisonen stationiert waren und eine Familie hatten, die den Nachwuchs für die Armee bereitstellte (vgl. den Exkurs D. 12). Vgl. Keppie, Army (1984) 182. Die Lebenserwartung betrug im Durchschnitt kaum über 30 Jahre. Vgl. dazu die Darlegungen von Kajanto, Average Duration of Life (1968). Vgl. auch Exkurs D.9. Vgl. Keppie, Army (1984) 172f.
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tung auf d e m Stand der Zeit. 6 6 4 D a z u g e h ö r t e n aber a u c h der A u f b a u v o n V e r t e i d i g u n g s s y s t e m e n u n d die Z u h i l f e n a h m e v o n Belagerungstechniken. 6 6 5 D i e R ö m e r w a r e n s e h r g e s c h i c k t in der Herstellung und d e m Einsatz v o n diversen Kriegsgeräten u n d m a s c h i n e n w i e Türmen, G e s c h ü t z e n oder R a m m b ö c k e n . 6 6 6 W e i l s i e ihre K r i e g s m a s c h i n e n m e i s t e n s auf d e m K r i e g s s c h a u p l a t z anfertigten u n d l o k a l e s Material b e n u t z t e n , w a r e n s i e b e w e g l i c h e r a l s Truppen, w e l c h e ihr K r i e g s g e r ä t i m m e r m i t s c h l e p p t e n . V i e l e Feldherren l e g t e n w i e s c h o n Cäsar g r o s s e n W e r t auf d i e s e m i l i t ä r i s c h e n Hilfsmittel. 6 6 7 Z u d e m z e i c h n e t e n w i e b e i der B e l a g e r u n g N u m a n t i a s in S p a n i e n o d e r 2 Jahrhunderte später M a s a d a s in Palästina h ä u f i g G e d u l d , Hart n ä c k i g k e i t , j a V e r b i s s e n h e i t d a s V o r g e h e n der r ö m i s c h e n A r m e e n aus. 668 S t r a s s e n u n d Brü c k e n b a u , d a s A n l e g e n v o n B e w ä s s e r u n g s s y s t e m e n u n d B e l a g e r u n g s c a m p s verraten G r ü n d lichkeit u n d Kunstfertigkeit der r ö m i s c h e n K o m m a n d e u r e und Ingenieure. 6 6 9 S i e lernten wie die Feldherren in strategischer und taktischer H i n s i c h t g e s c h i c k t v o n ihren g r i e c h i s c h e n Vor bildern. 610 W e s e n t l i c h z u m E r f o l g der r ö m i s c h e n A r m e e dürften letztlich z w e i F a k t o r e n bei getragen haben: D i s z i p l i n und Organisation. 6 7 1
4.5
Die römische Armee in Friedenszeiten
N i c h t nur in Kriegszeiten, sondern auch in Friedenszeiten war die A r m e e eine wichtige g e s e l l schaftliche Kraft. 672 D i e s einerseits als unübersehbarer Machtfaktor, andererseits aber auch als R o m a n i s i e r u n g s , Zivilisierungs und Integrationsfaktor für die unterworfenen Gebiete. 6 7 3 D i e L e g i o n e n waren dabei h ä u f i g nicht das g a n z e Jahr über i m Felddienst, sondern b e l e g t e n einige Zeit d e s Jahres ihre Winterquartiere, die in der Kaiserzeit zu f e s t e n L e g i o n s s t a n d o r t e n a u s g e baut wurden. 6 7 4 Gerade während der A m t s z e i t v o n A u g u s t u s u n d d e n beiden ersten Jahrhun derten n.Chr. war die A r m e e nicht sehr häufig in K r i e g e verwickelt, und v i e l e Soldaten wurden Sumner, Legion (1970) 50 Anm. 7, gibt an, dass es innerhalb einer Legion 154 verschiedene Posten gab. Ausführliche Informationen über die römische Armee liefern v.a. Tacitus, Josephus, Arrianus (Gouverneur von Kappadozien im Jahre 136 n.Chr.) und Vegetius. Wichtige Hinweise finden sich aber auch auf der Siegessäule Trajans, die den Sieg über die Daker (102 n.Chr.) darstellt (vgl. Parker, Legions (1928) 248f.). Vgl. auch die Exkurse D.3, D.4, D.5. Vgl. Keppie, Army (1984) 45-51. Vgl. auch die Beschreibungen bei Josephus, Bell. 3,284-288. Vgl. Vegetius, Epitoma rei militaris 2,11; Marsden, Artillery I (1969) 183; Webster, Army (1969) 231236; Luttwak, Strategy (1979) 41. Eine Kohorte hatte etwa 6, eine Legion somit 60 Geschütze, von denen die meisten Pfeile, die übrigen aber Steingeschosse abfeuern konnten. Die Einführung des carroballista (eine Art grosser Pfeilbogen auf Rädern) im 2. Jh. n.Chr. erhöhte weiter die Feuerkraft der römischen Artillerie. Die auxilia verfügten wohl kaum über grössere Geschütze; auch damit konnte die Über legenheit der römischen Legionen manifestiert werden (vgl. Marsden, Artillery I (1969) 190; Luttwak, Strategy (1979)45.121). Vgl. Adcock, Art of War (1940) 69; Keppie, Army (1984) 99. Vgl. Keppie, Army (1984) 4751. Numantia kapitulierte 133 v.Chr. nach einer schweren und raffinierten Belagerung durch P. Cornelius Scipio Aemilianus (vgl. Grosse, Numantia (KP 4/1979) Sp. 187f.; Kep pie, Army (1984) 4551). Zur Belagerung Masadas vgl. Richmond, Siegeworks (1962) 142155. Vgl. Keppie, Army (1984) 51; Le Bohec, Army (1994) 131; Roth, Army (2002) 389f. Dass gerade die Errichtung von Brücken eine prestigeträchtige Leistung verkörperte, zeigt die Darstellung einer Brücke auf einem Sesterz von Trajan (vgl. Sutherland, Münzen (1974) 201 Nr. 375). Zur Wasserversorgung vgl. besonders die Beschreibungen bei Vitruvius; Gladiss, Wasserleitungen (KP 5/1979) Sp. 1349f. Der berühmteste Feldherr der Claudischen Periode, Cn. Domitius Corbulo, soll einmal gesagt haben, dass die römischen Siege mit der dolabra (Spitzhacke) errungen würden (vgl. Frontinus, Strategemata 4,7,2). Vgl. Keppie, Army (1984) 51. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 103; Le Bohec, Army (1994) 115ff. Vgl. auch Goldsworthy, Army (1996) 282-286, der besonders die grosse Flexibilität der römischen Armee betont und davon warnt, die römische Armee durch die Brille heutiger Armeen zu betrachten. Vgl. Wiegels, Legions (2000) 747. Vgl. Vellerns Paterculus 2,110; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 214f.; Starr, Empire (1982) 129f.; Vittinghoff, Rez. Starr (1985) 573; Braund, Empire (1988) 12; Paltiel, Vassais (1991) 316; Noethlichs, Judentum (1996) 41. Romanisierung soll hier als Produkt römischer Initiativen einerseits und lokalen Antworten andererseits verstanden sein (vgl. Garnsey - Salier, Empire (1987) 186). Paltiel, Vassais (1991) 316, spricht im Gegenzug auch von der Barbarisierung (nicht wertend verstanden!) des Imperiums durch die Integration sogenannt "barbarischer" Völker in die römische Armee. Vgl. Keppie, Army (1984) 100.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
während ihrer ganzen Dienstzeit nie mit dem Ernstfall konfrontiert.675 Um so wichtiger war ihre Funktion als Besatzungsarmee.676 4.5.1
Vielfältige Aufgaben in den Provinzen
Die Präsenz der römischen Armee war besonders in den Provinzen allgegenwärtig und ihr Einfluss in vielerlei Hinsicht spürbar. Die Armee trug dabei viel zur Romanisierung der eroberten Gebiete bei.677 Die Fertigkeit ihrer Mitglieder bei der Errichtung und der Wiederinstandstellung von Strassen und Bauwerken kam nicht nur der Armee selbst, sondern auch der Zivilbevölkerung zugut.678 Über die Aktivität von Probus und seinen Soldaten in Ägypten wird folgendes überliefert: "Die Werke, die er seine Soldaten ausführen liess, sind in vielen Städten Δgyptens zu sehen. Er unternahm dermassen viel auf dem Nil, dass seine Anstrengungen viel zur Beibringung des Korns als Tribut beitrug. Er liess Brücken, Tempel, Kolonnaden und öffentliche Gebäude durch die Arbeit der Armee errichten. Viele Flussmündungen wurden geöffnet und viele Sümpfe entwässert und durch Kornfelder und Bauernhöfe ersetzt." (SHA, Probus 9,3) Damit erbrachte die Armee aus römischer Sicht neben der Friedenssicherung eine weitere Gegenleistung für den Tribut.679 Der Provinzgouvemeur verfügte dank der Armee über ein grosses Reservoir an gut ausgebildeten Fachleuten, die ihre Fähigkeiten mehr und mehr im zivilen Bereich einsetzten. Ein Stab von Soldaten und Unteroffizieren unterstützte ihn dabei direkt bei seinen Aufgaben.680 Im Prinzip war die Armee verantwortlich für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in den Provinzen. Eine Polizei im heutigen Sinne gab es zu dieser Zeit nicht, auch wenn lokale Behörden gewisse polizeiliche Aufgaben erfüllen mussten. Dabei sollte die Furcht vor Vergeltung durch die römische Armee mögliche Aufrührer abschrecken und die Untertanen der römischen Herren ihr Schicksal besser annehmen lassen.681 Gewisse Dienste wie Kehrichtabfuhr, Strassenreinigung, der Unterhalt von Badehäusern oder die Bewachung des Gefängnisses wurden zwar von Sklaven versehen, die von den lokalen Behörden dazu eingestellt wurden. Doch daneben wurden Soldaten, principales und Zenturionen zu verschiedenen besonderen Diensten als Ordnungshüter682, Wärter, Folterknechte683, Sekretäre, Übersetzer usw. abkommandiert, oder mussten kleinere Polizeiposten entlang der Vgl. Dobson, Peacetime Army (1986) 18. Es gab gerade in der Periode der Kaiser Zeiten, in denen viele Soldaten kaum einmal in eine militärische Auseinandersetzung involviert wurden (vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 31). Mattem, Strategy (1999) 101, schreibt in diesem Zusammenhang von einer "army of occupation". Vgl. Eck Wolff, Integrationspolitik (1986) 3; Watson, Roman Soldier (1966) 143f.; Le Bohec, Army (1994) 256f.; Wiegels, Legions (2000) 748. So soll etwa die ununterbrochene Stationierung der legio III Augusta im 3. Jh. n.Chr. in der Provinz Africa die Romanisierung dieses Gebietes stark vorangetrieben haben. Vgl. dazu Parker, Legions (1928) 225, und ausführlich Cagnat, Armee d'Afrique (1913). Vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 144. Dieses gigantische Strassensystem umfasste vielleicht bis gegen lOO'OOO km, 8000 Meilensteine und etwa 1000 Brücken. Es wurde zu einem grossen Teil von den römischen Truppen selbst angelegt oder die Konstruktion zumindest geleitet und überwacht. Die darin enthaltene ungeheure finanzielle Investition hatte nicht nur für die Schnelligkeit und Flexibilität der Armee grosse Vorteile, sondern nutzte auch der wirtschaftlichen Entwicklung (vgl. Kissel, Road-Building (2002) 127ff.; Roth, Army (2002) 389f.). Vgl. Hanson, Administration (1988) 62f. S. auch Kap. 7.6. Vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 87f. Vgl. Goodman, Opponents (1991) 237f. S. auch Kap. 12.0 zur Intention des Bellum Judaicum von Flavius Josephus. Vgl. Domaszewski, Rangordnung ( 2 1967) 108. Vgl. auch Fronto, Marcus Caesar 2,12, der über die Bemühungen von Soldaten spricht, Aufruhr und Anarchie im ägyptischen Alexandria zu beseitigen. Vgl. auch Plinius, Epistulae 6,25; P. Mich. VII 447-448 (= Cavenaile, Corpus Papyrorum Latinarum (1958) 234f. Nr. 121 und 249 Nr. 131); Daris, Documenti (1964) 80-83 Nr. 26 (= P. Mich VII 447); Starr, Empire (1982) 119. Vgl. auch die Passionserzählungen der Evangelien, insbes. Mk 15,16-36 Parr.
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grossen Strassen besetzt halten.684 Andere verrichteten auch Polizeiarbeit.685 Gerade im Wach, Polizei und Besatzungsdienst waren viele Zenturionen als praepositi vexillationis einge setzt.686 Ein über das ganze römische Reich und entlang der Hauptstrassen verteiltes Netz von kleineren Militärstationen sollte die Sicherheit des Verkehrs gewährleisten und den militäri schen Nachschub und Nachrichtendienst sicherstellen.687 Ein Statthalter konnte für diese Auf gabe auch Soldaten eigener Einheiten freistellen, die diesen Dienst in einer benachbarten Pro vinz versehen mussten, in der keine Truppen stationiert waren.688 Kommandanten dieser klei nen Stationen waren grösstenteils vom Gouverneur dazu freigestellte beneficarii wie auch immunes, doch gibt es auch Belege für centuriones als Kommandanten.689 Auch die kleineren Polizeistationen umfassten sicher meistens mehrere Mann. Die hier tätigen Zenturionen wur den teilweise auch als Sonderbeauftrage eingesetzt, welche die provinziellen Gemeinden von ٢bergriffen römischer Soldaten oder Privatleuten schützen sollten und ein Strafverfahren gegen die Schuldigen einleiten konnten. Diese konnten sich nämlich durch Appellation der Gerichtsbarkeit des Provinzgouverneurs entziehen.690 Titular kam die Verwendung der Solda ten im inneren Sicherheitsdienst durch die Bezeichnung stationarius zum Ausdruck, die auch auf den dauernden Charakter ihres Einsatzes hinweist.691 Mit den Polizeistationen verbunden war auch das leistungsfähige Reichspostwesen, das sich gut in das bestehende Strassennetz einfügen Hess.692 Auf Flüssen, Seen und Meeren des Imperiums leisteten die verschiedenen Flotten nicht nur Wach und Polizeidienste, die zur wirtschaftlichen Entwicklung beitrugen, sondern ergänzten auch die zivile Frachtschifffahrt.693 Wo die Polizei mit Zollstationen zusammentrafen, mussten Soldaten in einigen Fällen viel leicht auch Zölle einkassieren. Vornehmlich waren die Soldaten aber wohl nur zum Schutz der hier tätigen Zolleintreiber abgestellt, da die Zollverwaltung zentral organisiert war, die Soldaten hingegen dem Statthalter unterstanden.694 In den Steinbrüchen von Luna (Carrara) waren frumentarii eingesetzt, welche die hier arbei tenden Schwerverbrecher bewachen sollten.695 Und in Italien besetzten frumentarii auch die
Vgl. Reynolds, Cities (1988) 33. Vgl. Webster, Army (1969) 263f.; Watson, Roman Soldier (1966) 145f. Vgl. die Auflistung von Tätigkeiten einer Zenturie der legio III Cyrenaica unter Domitian bei ILS 2558 und Fink, Roman Military Records (1971) No. 9. Zur Geschichte der III Cyrenaica vgl. Wolff (2000) 339f. und 341-349. Vgl. CIL II 2552; 6183; III 6745; 7449; 7514; 14215; 14433; VIII 2482; 17976; Zwicky, Verwaltung (1944) 76. Vgl. Sueton, Augustus 32; Plinius, Epistulae 74.77f.; Zwicky, Verwaltung (1944) 82-85; Nippel, Polizei (1988) 169. Vgl. auch Kolb, Transport (2000) sowie Army and Transport (2002) 161-166. So waren Soldaten der rheinischen Legionen auf folgenden entfernten Posten (in der heutigen Schweiz) anzutreffen: in St. Maurice (vgl. CIL XII 144 = Meyer - Howald, Römische Schweiz (1941) 209 Nr. 57 und 58); in Vevey (vgl. CIL XII 164 = Meyer - Howald, Römische Schweiz (1941) 210 Nr. 59); in Solothurn (vgl. CIL XII 5170 = ILS 2411 = Meyer - Howald, Römische Schweiz (1941) 271 Nr. 245). Der Legat von Obergermanien verfügte demnach über Kompetenzen, die weit in die entmilitarisierten Provinzen Gallia Belgica und Alpes Poeninae hineinreichten (vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 85). Beneficarii procuratoris sind belegt durch CIL III 5161; 5162; 5163. Ein immunis consularis ist für Solothurn in der Schweiz bezeugt (vgl. CIL III 5170; Meyer - Howald, Römische Schweiz (1941) 271 Nr. 245; Stähelin, Schweiz in römischer Zeit (1931) 336). Ein miles legionis X Geminae ist für Noricum bezeugt durch CIL III 5460. Plinius, Epistulae 77f., spricht von einem Zenturio als Kommandanten einer solchen Station, die in Byzanz geschaffen werden soll. Vgl. dazu ebenfalls Plinius, Epistulae 77f. Vgl. etwa den CIL III 7136 bezeugten und als stationarius eingesetzten Prätorianer in Ephesus. Vgl. Gross, Cursus publicus (KP 1/1979) Sp. 1346f. So ist ein immunis consularis als curas agens vico Saloduro (Solothurn) bezeugt (vgl. CIL XIII 5170 = ILS 2411 = Meyer - Howald, Römische Schweiz 271 Nr. 245), während für Genf ein miles legionis XII als a curis bezeichnet wird (vgl. CIL ΧΠ 5878 = ILS 2412 = Meyer - Howald, Römische Schweiz 225 Nr. 106). Der Begriff α curis wurde in späterer Zeit jedenfalls zur technischen Bezeichnung des Postdienstes verwendet (vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 86f.). Vgl. Konen, Provinzialflotten (2002) 340f. Vgl. Meyer - Howald, Römische Schweiz 207ff.219ff; Zwicky, Verwaltung (1944) 86; Webster, Army (1969) 263f.; Watson, Roman Soldier (1966) 145f. Vgl. CIL XI 1322; Zwicky, Verwaltung (1944) 79.
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Polizeistationen.696 Mit S. Severus wurden Legionen auch in Italien stationiert, so dass Soldaten den Polizeidienst versehen konnten.697 Die frumentarii wurden insbesondere ab dem 2. Jh. n.Chr. oft auch im Nachrichten- und Geheimdienst eingesetzt, sei es in den Hauptquartieren der Statthalter oder an wichtigen Verkehrsknotenpunkten, wo sie die Nachrichten weiterleiteten.698 Auch die abdetachierten vexillationes der rheinischen Legionen, die unter dem Kommando eines Zenturio standen, waren wohl für den Bewachungsdienst in den Steinbrüchen von Brohl bestimmt.699 Auf dem Baetis im südlichen Spanien überwachte ein primus pilus die Schifffahrt, der wahrscheinlich ein Vorläufer des späteren procurator ad ripam Baetis war.'00 Im 3. Jh. n.Chr. wurde dann gar eine besondere Polizeitruppe gebildet, die unter dem Kommando eines evocatus stand und die zur Bekämpfung des grassierenden Räuberwesens eingesetzt wurde.™' Auch ungewöhnliche Tätigkeiten und Nebenverdienste werden überliefert. So berichtet der ältere Plinius, dass Hilfstruppen-Kommandanten ganze Kohorten dazu abstellten, Gänse zu fangen, anstatt die Soldaten auf ihren Posten zu belassen. Die germanischen weissen Gänse waren sehr beliebt, da sich ihre Federn vorzüglich zum Schreiben eigneten.702 Zenturionen wurden auch bei Bauarbeiten häufig eingesetzt, möglicherweise sogar als Kommandanten der Baudetachemente.703 Auch im Bergbau waren Zenturionen anzutreffen, und zwar nicht nur als technische Berater oder Kommandanten der Bewachungstruppe, sondern auch als Leiter von Bergwerken.704 Ein Zenturio der legio VI Victrix beaufsichtigte und beschützte die Salzhändler der civitates Morinorum und Menapiorum,705 In der Steuerverwaltung waren ebenfalls Offiziere tätig. Die Erhebung der Steuern war zwar den Gemeinden auferlegt, und die Eintreibung übernahmen kaiserliche Sklaven als Beamte des Prokurators. Doch bei grösseren Schwierigkeiten kam ihnen wohl ein exactor tributorum zu Hilfe, wie er für die civitates Galliae belegt ist.706 Auch bei der Festlegung von Gemeindegrenzen waren Zenturionen als Richter eingesetzt, die dazu vom Provinzstatthalter aus der stationierten Truppe abkommandiert wurden und nicht der kaiserlichen Zentralverwaltung unterstanden.707 Wahrscheinlich erst im 3. Jh. n.Chr. amtierte ein Zenturio als Vorsteher einer Waffenfabrik.708
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Vgl. CIL XIV 125 für Ostia und CIL VI 3329 für den dritten Meilenstein der Via Appia. Vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 87. Bzgl. eines frumentarius in einem Hauptquartier vgl. CIL III 4787 zu Virunum-Noricum, und an einem Verkehrsknotenpunkt vgl. CIL III 5579 zu Bedaium-Noricum. Zur Nachrichtenüberlieferung durch einen frumentarius legionis III Cyrenaicae vgl. CIL III 2063. Gerade die Aufgabe der Getreidebeschaffung bzw. -Verwaltung der Truppen durch die frumentarii könnte eine gute Tarnung für die Funktion als Staatspolizisten abgegeben haben (vgl. Neumann, Frumentarii (KP 2/1979) Sp. 619; Zwicky, Verwaltung (1944) 87). Cäsar seinerseits setzte speculatores als Einzelspäher und exploratores als im Verband agierende Kundschafter ein (vgl. Bellum Gallicum 1,21 f.; 1,41,5). In der Kaiserzeit wurde der Kundschafterdienst im Feld in der Regel von den auxilia und hier von den Reiteralen übernommen (vgl. Josephus, Bell. 3,116f.; Tacitus, Annalen l,50f.; 3,45; Baillie-Reynolds, Castra Peregrinorum (1923) 168-189; Gross, Nachrichtenwesen (KP 3/1979) Sp. 1552f.). Vgl. CIL XIII 7695; 7696; 7699; 7700; 7702; 7704; 7709; 7714; 7715; 7717; 7718; 7727; Zwicky, Verwaltung (1944) 80. Vgl. CIL II 1183 zum primus pilus und CIL II 1180 zum späteren procurator ad ripam Baetis. Vgl. CIL XI 6107 = ILS 509 für das Jahr 264 n.Chr. Vgl. Plinius, Naturalis historiae 10,54; Tacitus, Annalen 13.35.51; Starr, Empire (1982) 116. Vgl. CIL 199; 200; 201; 12048; 13580. S auch Zwicky, Verwaltung (1944) 76f. mit weiteren Beispielen. Für Δgypten ist ein Zenturio belegt, der unter Trajan von der an der Donau stationierten legio XV Apollinaris als Leiter des Marmorbergwerkes abkommandiert wurde (vgl. CIL 25; Zwicky, Verwaltung (1944) 78f.). Vgl. CIL XI 390; 391; Zwicky, Verwaltung (1944) 80. Zur Geschichte der Legion vgl. Keppie, Legiones II Augusta, VI Victrix, IX Hispana, XX Valeria Victrix (2000) 25-37. Vgl. CIL 707 = D 2705 aus der frühen Kaiserzeit; Zwicky, Verwaltung (1944) 80. Vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 80. Vgl. CIL III 2828; Zwicky, Verwaltung (1944) 88.
Α Politische Strategien
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Centuriones hatten häufig die Gelegenheit, ein unabhängiges Kommando auszuüben oder waren dem Gouverneur einer Provinz zugeteilt.709 Andere fungierten oft sogar als Gesandte zwischen Kaiser und Provinzstatthalter oder Kaiser und Klientelfürst. 7 ' 0 Auch in Kriegssituationen fungierten sie als Gesandte. 7 " Sie übten auch die Funktion des Schiedsrichters (iudex dati) in Streitigkeiten zwischen verschiedenen Ortschaften innerhalb einer Provinz, wozu sie vom Präfekt der Provinz abkommandiert wurden.712 Die damit verbundenen Stellungen waren oft ein grosser Vorteil, kam der Zenturio oder der Soldat hier je nach Position mit vielen einflussreichen Persönlichkeiten zusammen.713 Gerade dann, wenn sie zum Stab des Gouverneurs gehörten oder ihnen eine besondere Aufgabe oblag.714 Dass hier die Gefahr des Amtsmissbrauchs bestand, zeigt den Vorbehalt Trajans, Soldaten von ihren normalen Posten abzuziehen, wie auch seine Sorge, deren Zahl nicht zu gross werden zu lassen.715 Wahrscheinlich waren die römischen Kaiser seit Hadrian eben aus diesem Grund bestrebt, den militärischen vom zivilen Bereich zu trennen, während eine normale Karriere eines Angehörigen des Senats oder des Ritterstandes noch im 1. Jh. n.Chr. Erfahrungen sowohl im militärischen wie auch zivilen Sektor umfasste.716 In Δgypten gefundene Dokumente einer römischen ala aus dem 4. Jh. n.Chr. belegen die Bitte des Prokurators um militärische Unterstützung für einen Steuereintreiber und für Geleitschutz für einen Beamten wie auch um Hilfe gegen Natronschmuggler. Und ein Priester möchte Netze ausleihen, um damit Ziegen einzufangen, welche die Felder zerstören. Die Dokumente enthalten aber auch die Klage eines örtlichen Würdenträgers gegen Soldaten, die Dorfbewohner zwangsrekrutierten und sich offenbar weiterer Delikte schuldig machten.717 Auch wenn diese Aussagen sicher nicht verallgemeinert werden können, so zeigen sie doch klar die legalen wie illegalen Möglichkeiten, die den Soldaten auch in Friedenszeiten durch ihre besondere Position offen standen.
Die wichtigsten Posten waren hier der princeps praetorii, der die Verantwortung für die militärischen Aufzeichnungen hatte. Der centurio strator befehligte die pedites singulares, die persönlichen Gardesoldaten des Gouverneurs, und ein weiterer Zenturio hatte das Kommando über die equites singulares, die berittenen Gardesoldaten des Gouverneurs. War in einer Provinz keine Legion stationiert, wie dies in Galatia der Fall war, wurden zur Besetzung dieser Posten Zenturionen aus einer benachbarten Provinz entsandt (vgl. Parker, Legions (1928) 204). Tiberius sandte einen Zenturio, wahrscheinlich ein primus pilus, zu den Thrakerfürsten Rhaskuporis und Kotys, die nach dem Tod von Augustus aufgrund der Teilung des Königreiches in Streit geraten waren (vgl. Tacitus, Annalen 2,65). Vgl. auch Tacitus, Annalen 8,9; 15,5; Historiae 2,58; Zwicky, Verwaltung (1944) 81 f.; Watson, Roman Soldier (1966) 146. Unter Claudius fungierte ein Zenturio als Gesandter im Krieg mit dem Partherkönig Vologaeses (vgl. Tacitus, Annalen 13,9.39). Auch Corbulo verhandelte über einen Zenturio, wahrscheinlich ebenfalls ein primipilus, mit Vologaeses (vgl. Tacitus, Annalen 12,46f.; 15,5; Historiae 3,73; Zwicky, Verwaltung (1944) 8 lf.). Vgl. auch Tacitus, Historiae 2,58. Vgl. CIL III 9864a = ILS 5950; Watson, Roman Soldier (1966) 146. Vgl. Webster, Army (1969) 264. Bestimmte principales fungierten ab dem 2. Jh. als frumentarii (Getreidebeamte), die für die annona militaris, die Getreidelieferungen an die Soldaten zuständig waren. Sie waren Teil des Stabs des Provinzstatthalters und hatten in der castra peregrinorum sogar ein eigenes Hauptquartier in Rom. Sie unterstanden dem Oberkommando des princeps peregrinorum. Durch ihre vielen Reisen waren diese principales als Kuriere prädestiniert, die später so unabkömmlich für den römischen Staatsapparat wurden, dass sie in eine zivile Organisation umgewandelt und weiter als agentes in rebus (Geheimagenten) fungierten (vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 146f; Neumann, Spionage (KP 5/1979) Sp. 315-316). S.o. Kap. 4.5.1 Vgl. Plinius, Epistulae 10,22. Eine Ausnahme bildete dabei wohl die Arbeit in Zollstationen. Vgl. Webster, Army (1969) 264f.; Keppie, Army (1984) 176ff.; Zwicky, Verwaltung (1944) 37. Vgl. Daris, Documenti (1964) 131f. Nr. 48-49.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
4.5.2
Kontakte und Konfliktpotential zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung
Winterquartiere (hiberna) oder später die dauernden Legionslager wurden meist in der Nähe von Städten oder in diesen selbst angelegt.718 Dies allerdings nicht immer zur Freude eines grossen Teils der betroffenen Bevölkerung.719 Andererseits zog eine Garnison natürlich auch Zivilbevölkerung an, die durch die Armee irgend eine Verdienstmöglichkeit suchte.720 In den südlichen Provinzen fand die römische Armee teilweise die Infrastruktur für ihre Einquartierung bereits vor.721 Die römischen Soldaten und Veteranen erfreuten sich besonderer Privilegien. Dazu gehörte auch die bevorzugte Behandlung vor Gericht.722 Juvenal beschreibt dies folgendermassen: "Nicht der unwichtigste [Vorteil] besteht darin, dass kein Zivilist dich zu schlagen wagt, ja, dass er, wenn er selbst geschlagen wird [gemeint ist: von einem Soldaten; Anm. C.R.], es verheimlicht und nicht wagt, dem Prätor seine ausgeschlagenen Zähne, sein braun und blau geschlagenes und geschwollenes Gesicht zu zeigen und das Auge, das ihm n o c h verbleibt, dessen Erhaltung der Arzt jedoch nicht versprechen kann. Verhandlungsvorsit zender wird, wenn er Bestrafung beantragen will, einer, der Soldatenstiefel trägt, und auf der langen Geschworenenbank sitzen mit dicken Waden die Beisitzenden ..." (Satyricon 16,614).
Bei übermässiger Strapazierung dieser Privilegien wurde manchmal allerdings von vorgesetzter Seite eingeschritten. So ging 19 n.Chr. Germanicus bei einem Besuch in Δgypten gegen unrechtmässige Requirierungen seitens römischer Soldaten vor, was 42 n.Chr. Lucius Aemilius Rectus, der Präfekt Δgyptens, unter Strafandrohung wiederholen musste.723 Strenger verfuhr der Prokurator Syriens, Avidius Cassius, mit Soldaten, die er kreuzigen Hess, weil sie Provinzbewohner ausgeraubt hatten.724 Zahlungen an Soldaten, Aufseher oder Polizeispitzel schienen an der Tagesordnung zu sein, und Beschwerden seitens der Bevölkerung wurden nur selten und bei wirklich exzessiver Strapazierung dieser "Privilegien" gemacht.725 Wie verbreitet diese Praxis im Palästina der Zeit Jesu gewesen sein muss, verrät auch die Antwort Johannes des Täufers auf die Frage der Soldaten, was sie in ihrer Situation tun müssten, um von Johannes getauft zu werden. So erzählt der Evangelist Lukas: "Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!" (Lk 3,14)
Dass auch für die Bevölkerung Palästinas die römische Besatzungsmacht eine dauernde Herausforderung bedeutete und Konflikte an der Tagesordnung waren, zeigen die verschiedenen Zwischenfälle, die uns Josephus berichtet.726 Vgl. Rüpke, Domi Militiae (1990) 168f. Das Konzept der Armee als stehendes Heer zog auch die Frage der Einquartierung nach sich. Insbesondere in flavischer Zeit, als die Truppeneinheiten nahe an den Grenzen des Imperiums stationiert und für einen kleineren Grenzabschnitt verantwortlich waren, wurden die Unterkünfte vorwiegend aus Stein gebaut (vgl. Luttwak, Strategy (1979) 120). Vgl. Keppie, Army (1984) 193; Wesch-Klein, Heerwesen (1998) 135-139. Vgl. auch Mt 5,41 und dazu Luz, Mt 1-7 (EKK 1.1/1985) 293. P. Mil. Vogl. 110, 150 und 151 aus dem 2. Jh. n.Chr. zeigen, dass drei Soldaten Brot (und in einem Fall auch Wein) erhalten. Weil keine Preise genannt werden, könnte es sich hier auch um Requirierungen handeln. So konnten Einheimische verpflichtet werden, durchreisende Soldaten zu versorgen (vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 120). S. auch Exkurs D.10. Vgl. Webster, Army (1969) 54. Vgl. Campbell, Emperor (1984) 207-263, und zu den Privilegien vor Gericht bes. ebd. 254-263. Vgl. P. Lond. III 1171; Webster, Army (1969) 261f.; Volkmann, Praefectus Aegypti (KP 4/1979) Sp. 1103. Vgl. auch CIG 4956 für das Jahr 49 n.Chr. und PSI 446 für die Jahre 133 und 137 n.Chr., die unerlaubte Requirierungen von Soldaten betreffen (vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 120). Vgl. auch Mitchell, Requisitioned Transport (1976) 87-105. P. Oxy. 2234 zeigt, dass 31 n.Chr. ein Soldat bei der Ausplünderung eines Fischteiches beiteiligt war, der allen acht Beteiligten je 1 Talent (= 6000) Drachmen einbrachte. Wenn es sich dabei nicht um einen übertriebenen Steuereinzug handelte, dann sicher um einen Diebstahl (vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 234 Anm. 206). Vgl. SHA, Cassius 4,2. Vgl. Robert, Papyrus (1943) 111-119; Vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 106. Vgl. Blinzler, Niedermetzelung (1957-58) 38. S.u. Kap. 13.6.
Α Politische Strategien
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Mk 5,9 bezeichnet sich der unreine Geist selbst als "Legion", und er äussert gegenüber Jesus den Wunsch, im Land bleiben zu dürfen. Die Verwendung des Wortes an dieser Stelle dürfte kaum zufällig sein. Die Bezeichnung der unreinen Geister als "Legion" dürfte darauf hindeu ten, dass die Besatzungsmacht als Plage für die (meisten) Bewohner des Landes und eine dauernde Gefahr der Verunreinigung seiner jüdischen Bevölkerung verstanden wurde. Dass die Dämonen Mk 5,12 Jesus bitten, in eine Schweineherde einfahren zu dürfen, erstaunt kei neswegs. Das Schwein als Sinnbild der Unreinheit weist aus jüdischer Sicht auf die Unrein heit der römischen Soldaten hin, die sich in allerlei heidnischen Kulten verunreinigten.727 Mit der fremden Besatzungsmacht kamen auch deren Götter ins Land, die von der jüdischen Be völkerung nur als Götzen und Dämonen angesehen werden konnten.728 Bedeutsamerweise war der Eber, das männliche Schwein, eines der Feldzeichen der nach 70. n.Chr. in Judäa stationierten legio X Fretensis.™ Die Wundergeschichte muss gleichwohl keine "bewusst chiffrierte Erzählung politischen Inhalts"730 sein, auch wenn die politischen Konnotationen überdeutlich sind. Ganz sicher bietet diese Erzählung aber keine Basis für die These eines "zelotischen Jesus", wie sie immer wieder vertreten wird.731 Auch die Versorgung der Veteranen war ein dauerndes Problem, nicht nur für die Kaiser, sondern oft auch für die einheimische Bevölkerung, welche die Versorgung für die ehemali gen Soldaten sicherstellen musste oder ihr Land und ihren Besitz an die Veteranen verlor.732 Die Soldaten verfügten im Vergleich zu einem grossen Teil der Zivilbevölkerung neben ihren Privilegien aber auch über ein gesichertes und relativ gutes Einkommen. Bei sparsamem Um gang mit ihrem Verdienst konnten sie ansehnliche Summen beiseite legen und bildeten des halb eine gute Quelle für Darlehen sowohl für andere Soldaten wie auch für Zivilpersonen.733 Der Geldverleih konnte deshalb eine interessante Nebenverdienstquelle für Soldaten und Ve teranen sein. Ihre besondere Stellung war in diesem Zusammenhang natürlich von beson derem Nutzen, und sie konnten hier den Forderungen den nötigen Nachdruck verleihen.734 Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass Finanztransaktionen mit Juden bekannt sind.735 Der Kontakt der Soldaten und Veteranen zur einheimischen Bevölkerung kam also
Λεγιώΐ' (manchmal λεγεώι^) findet sich neben der Erzählung von der Heilung des Besessenen von Gerasa (Mk 5,9.15; Lk 8,30) nur noch Mt 26,53 bei der Gefangenname Jesu. Hier werden die Engelmächte mit λεγιιύι.' quantifiziert, eine Vorstellung, die sich auch in den Schriften aus Qumran findet (vgl. 1 QM). Vgl. etwa Dtn 33,17; Ps 95,5; ΔthHen 19,1; 99,7; Jub 1,11; Gamsey - Salier, Empire (1987) 167. Vgl. Annen, λεγιών (EWNT II/ 2 1992) 852; Keppie, Army (1984) 143. Neben Eber und Stier finden sich auch die Zeichen des Delphins und der Galeere. Letztere geben Hinweis auf den Ursprung des Beinamens dieser Legion:fretum oder fretum Siculum, die Meerenge zwischen Italien und Sizilien. Der Name macht die Teilnahme der Legion an Seeschlachten wahrscheinlich (vgl. Keppie, Army (1984) 138.208f.). Der Eber war als Feldzeichen bei den Kelten bekannt und mag durch die Eroberungen Cäsars zur römischen Armee gekommen sein (vgl. Keppie, Army (1984) 140). Zur Geschichte der legio X Fretensis vgl. Dabrowa (2000) 317-325. Zur Anbetung der Feldzeichen durch die "Kittim" (damit sind wohl auch die Römer gemeint) in den Qumranschriften vgl. 1 QpHab 6,4-5. S. auch Exkurs D.13.2. Theissen, Wundergeschichten (1987) 253. Vgl. Eisler, Basileus (1929-1930); Pickl, Messiaskönig (1935). S. auch u. Kap. 17.2.3. Vgl. Keppie, Army (1984) 121 f. 128f. Häufig war das Land in republikanischer Zeit für die Veteranen ja einfach konfisziert worden (vgl. Exkurs B.8). Bei den Legionären wiederum zeigt sich, dass die meisten Darlehen an Zivilisten gewährt wurden. Eigene Darlehen beliefen sich hier im Rahmen und wurden von den Soldaten kaum für Luxuskäufe eingesetzt (vgl. Pekäry, Tributum (KP 5/1979) 104; Wierschowski, Wirtschaft (1984) 38.45.49ff.; Stenger, Gebt dem Kaiser (1988) 38). Vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 97-100. Ein Kohortensoldat ersuchte um 159/160 n.Chr. den Kommandeur seines Gaus in Δgypten um Hilfe bei der Eintreibung von Schulden (vgl. BGU 888; Wierschowski, Wirtschaft (1984) 22). So deponierte der eques Lucius Vettius am 26. November 59 n.Chr. 600 Drachmen bei drei Juden in Δgypten, dies allerdings zinslos. Ob eine Art Entgelt dafür anderweitig oder in anderer Form ausbezahlt wurde, ist nicht bekannt. Vielleicht war dies kein eigentliches Darlehen, sondern der Reiter suchte sich nur einen sicheren Aufbewahrungsort für sein Geld. Die Zusammenhänge sind jedenfalls unklar. Dieses Geldgeschäft zeigt aber einerseits, dass Juden durchaus Geld von Soldaten annahmen, und dass andererseits der Reiter noch 6 Wochen vor der nächsten Soldzahlung (am 1. Januar des folgenden Jahres) imstande war, soviel Bargeld zu leihen bzw. dieses zu entbehren (vgl. P. Hamb. 2; Wierschowski, Wirtschaft (1984) 29f.).
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häufig auf materieller Basis zustande. Dazu gehörten Käufe, die Beanspruchung von Dienst leistungen, beanspruchte oder gewährte Darlehen.736 Vielerlei Verpflichtungen und Vergnügen aller Art konnten den Soldaten dabei allerdings auch in finanzielle Schwierigkeiten bringen.737 Im Prinzip war es den Soldaten verboten, in der Provinz Land zu erwerben, in der sie statio niert waren.738 In einer anderen Provinz hingegen war der Landerwerb den Soldaten erlaubt, allerdings durfte dies nicht durch Dritte geschehen. Wahrscheinlich sollten so die Soldaten nicht durch Nebentätigkeiten von der Erfüllung ihrer militärischen Pflicht abgehalten werden. Trotzdem ist der Landbesitz von aktiven Soldaten belegt.739 Teilweise durch Erbschaften, aber auch durch Bürgschaften bei Kreditgeschäften und selten durch direkten Landwerwerb wur den Soldaten Landbesitzer. Dabei Hessen sie ihr Land etwa von Familienangehörigen oder Freigelassenen bewirtschaften oder auch weiter verpachten.740 Damit waren sie für ihre eigent liche Aufgabe frei.74' Dies gilt wohl auch für die sog. limitanei, Soldaten in den Grenzgebieten des Imperiums, die ihr Land (teilweise) selbst bebauten.742 Aus dem Jahre 201 n.Chr. ist dann die Pacht von wahrscheinlich aus Konfiskationen stammendem Staatsland durch einen Sol daten belegt. Ein Beispiel, das später Schule machen sollte, so dass man ab dem 3. Jh. n.Chr. eine Tendenz der aktiven Soldaten zur Landwirtschaft feststellen kann.743 Dies dürfte mit der sich im 3. Jh. abzeichnenden Krise in der Landwirtschaft zusammenhängen. Mit Severus Alexander (222235 n.Chr.) wurden dann die letzten juristischen Hindernisse für den Land erwerb durch Soldaten abgebaut. Diese konnten nun ungehindert in der Provinz, in der sie stationiert waren, Land erwerben und bebauen lassen.™ Ihre vergleichsweise gute Situierung prädestinierte sie dazu.745 Bei den Veteranen ist Landbesitz am Anfang des 1. Jahrhunderts n.Chr. primär auf die Ver gabe von Land durch den Staat zurückzuführen, privater Landerwerb ist hingegen eher selten bezeugt.746 Mit der vollständigen Einstellung der Landvergabe im 2. Jh. n.Chr. durch den Staat ändert sich die Situation. Der Landbesitz von LegionsVeteranen ist trotzdem gut be zeugt.747
Vgl. BGU 1108; Wierschowski, Wirtschaft (1984) 30f.244 Anm. 334. Vgl. auch Exkurs D.10. Vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 29. Vgl. BGU 1210 § 110. Hingegen durften die Soldaten ererbtes Land behalten oder Land in der eigenen Provinz erwerben, wenn das eigene Land vom Fiskus eingezogen worden war (Digesta 49,16,9). Dass hier ein Gesetz herausgegeben wurde, weist auf eine für den Gesetzgeber immerhin bemerkenswerte Landkauftätigkeit von Soldaten hin. Das Gesetz sollte wohl dazu beitragen, die Aufmerksamkeit der Soldaten auf ihre eigentliche Aufgabe zu lenken (vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 74). Vgl. Digesta 49,16,13. Die meisten Papyri stammen aus Δgypten. Dies mag damit zusammenhängen, dass hier die Dokumente am besten die Zeit überdauern konnten und auch damit, dass hier die Lebenshaltungskosten wie auch die Landpreise geringer waren als etwa in den westlichen Provinzen. Für das Δgypten des 2. Jh.s. n.Chr. ist dieser Familienverbund gut bezeugt (vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 88). Vgl. Herodian 6,7,1-3. Die Bearbeitung des eigenen, von offizieller Stelle zugewiesenen Landes ist gemäss Isaac, Limes and Limitanei (1998) 379, allerdings erst für das 5. Jh. n.Chr. bezeugt, während der Begriff als solcher schon für das 4. Jh. belegt ist. Vgl. dazu auch MacMullen, Soldier r l 9 6 7 ) 12-22; Neumann, Limitanei (KP 3/1979) Sp. 665f.; Isaac, Limes and Limitanei (1998) 345-387. Vgl. auch Alston, Managing the Frontiers (2002) 398-410, mit weiterer Lit. Vgl. BGU 156; Wierschowski, Wirtschaft (1984) 75-88. Severus Alexander soll gemäss SHA, Alexander Severus 58,4, den Soldaten Land an den Grenzen zugewiesen haben; an dieser Stelle wird auch von limitanei gesprochen, deren genaue Definierung in der Literatur umstritten ist (vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 85). Vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 86. Dazu hatten auch die zwei kurz hintereinander erfolgten Solderhöhungen durch Septimius Severus (193-211 n.Chr.) und seinen Sohn Caracalla (vgl. Herodian 4,4,7) beigetragen, welche die galoppierende Inflation ausgleichen sollte (vgl. Watson, Roman Soldier (1966) 91; Wierschowski, Wirtschaft (1984) 87). Zur Inflation im römischen Reich der Kaiserzeit vgl. Neesen, Staatsabgaben (1980) 92f. Vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 102-111. Mit Ausnahme der Reiter hatten die Soldaten der auxilia ja eine schlechtere finanzielle Ausgangslage bei ihrer Entlassung zu gewärtigen als die Legionäre. Es erstaunt somit nicht, dass kaum Landbesitz von Veteranen aus den Hilfstruppen-Kohorten belegt ist. Allerdings gibt es etliche Belege für Landbesitz von
Α Politische Strategien
4.6
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Die Versorgung und Finanzierung der Berufsarmee
Die Versorgung der römischen Armee mit den primären Gütern des täglichen Lebens und mit Waffen bedeutete für die Verantwortlichen eine gewaltige logistische Herausforderung. Eine funktionierende Logistik war nicht nur in den Friedenszeiten wichtig, um die Soldaten bei Laune und deshalb loyal zu den Vorgesetzten bis hin zum Kaiser zu erhalten. Für den Kriegsfall musste die Versorgung ebenfalls gewährleistet sein, denn nur so konnte die Armee ihre militärische Aufgabe erfüllen.748 Geregelten Steuereinnahmen kam in diesem Zusammenhang natürlich grösste Bedeutung zu. Daneben stellte auch die Finanzierung der Berufsarmee ein besonderes Problem dar. Denn diese konnte nicht mehr wie zur Zeit der ausgehenden Republik und der grossen Expansionsbewegungen durch die Kriegsbeute sichergestellt werden. Die Gewährleistung der Soldzahlungen, der Abgangsentschädigungen und weiterer Vergütungen an die Soldaten hatten für die römischen Kaiser natürlich erste Priorität, da sie ihre Machtstellung primär durch die Armee abgesichert wussten. Der grösste Teil der Steuern waren deshalb für die Armee bestimmt.749 Stabile politische und wirtschaftliche Verhältnisse hatten somit auch in dieser Hinsicht eine sehr grosse Bedeutung. 4.7
Ergebnis
Die Armee unterstrich als effizientes und ausgeklügeltes Instrument der Kriegsführung mit Nachdruck die Bemühungen der römischen Diplomaten. Sie bildete gleichzeitig auch das machtpolitische Rückgrat der römischen Herrscher. Die Stationierung der einzelnen Truppenteile folgte dabei dem geltenden strategischen Konzept und den notwendigen Anforderungen. Die Kontrolle eines derart grossen Reiches wie des imperium Romanum durch eine verhältnismässig kleine Armee konnte nur unter bestimmten Voraussetzungen funktionieren. Ihre abschreckende Wirkung war dabei eine der wichtigsten und sollte aus römischer Sicht ihren konkreten Einsatz minimieren, der immer ein gewisses Sicherheitsrisiko für die Stabilität der römischen Herrschaft darstellte. Zu diesen Voraussetzungen gehörte aber auch der mögliche Einsatz der Truppenteile auf jedem erdenklichen Kriegsschauplatz und das problemlose Kooperieren verschiedenster Einheiten. Dies wurde erreicht durch eine einheitliche Ausbildung, Ausrüstung und Taktik, verbunden mit einer klar strukturierten Hierarchie. Daneben waren auch ein geregelter Tagesablauf und eine verbindende Religion wichtige Faktoren, die aus der römischen Armee einen eigenen Kosmos machte, durch den aus Provinzbewohnern loyale römische Soldaten und Bürger geformt werden konnten.750 Die Bürgerkriege der ausgehenden Republik hatten gezeigt, wie wichtig die Loyalität der Soldaten und Veteranen für die amtierenden römischen Machthaber wie auch die jeweiligen Truppenkommandeure war. Geregelter Verdienst und Altersvorsorge förderten diese genauso wie die mit dem Militärdienst verbundenen gesellschaftlichen Aufstiegschancen oder das ausgeklügelte System von Privilegien, Belohnungen und Bestrafungen. Dem Umstand, dass der Krieg als Mittel zur Durchsetzung der Machtinteressen des Zentrums nicht nur in der Aussenpolitik, sondern noch viel mehr in der Innenpolitik Roms eine Selbstverständlichkeit ist, verdankt die Armee ihre eminent wichtige Stellung in der römischen Gesellschaft und Geschichte. Aufgrund dieser machtpolitischen Bedeutung wurden auch jedVeteranen, bei denen die Einteilung nicht bekannt ist und unter denen sich noch mehr ehemalige Kohortensoldaten befinden könnten (vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 106.111). Vgl. Mattern, Strategy (1999) 144-149. Vgl. auch die eindrücklichen Beispiele bei Herz, Logistik (2002) 19-46. Zur Versorgung der Armee s. auch ausführlich Exkurs D . H . Vgl. Wierschowski, Wirtschaft (1984) 207. Die Militärausgaben und ihr Verhältnis zu den römischen Staatsfinanzen sind Thema von Exkurs C.5. Zum Thema Religion und Armee s.u. in Kürze Kap. 9.4 sowie ausführlich Exkurs D.13. Sehr treffend wird dieses Faktum von MacMullen zusammen gefasst, der einem Artikel von 1984 den Titel "The Legion as a Society" gab.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und Sicherung des Römischen Imperiums
welche Aktivitäten, welche als direkter Angriff auf die militärische Stabilität der römischen Herrschaft gewertet werden konnten, als Angriff auf das Herzstück des imperium Romanum verstanden und mit militärischer Härte unterbunden. Weil die Armee das Rückgrat der römischen Expansions- und Sicherheitspolitik bildete, hatte ihre Finanzierung erste Priorität. Dasselbe galt für ihre Versorgung, die immense Anforderungen an die Logistik stellte. Beides konnte über längere Zeit sicher nur durch eine gut funktionierende Administration gewährleistet werden, die in den Provinzen die nötigen Mittel beschaffte und die Direktiven des Zentrums durchsetzte. Die Strategien, welche die römische Machteliten dazu verfolgten, sind Gegenstand der nächsten drei Kapitel.
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Β A D M I N I S T R A T I V E U N D F I N A N Z I E L L E S T R A T E G I E N
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D I E P R O V I N Z E N ALS S C H U T Z G ٢ R T E L UM ITALIEN: D I E A U S B E U T U N G S VERWALTUNG DER R E P U B L I K
Etliche durch die Armee unterworfene Gebiete oder Staatswesen wurden nicht durch Verträge an Rom gebunden, sondern zu Provinzen gemacht.751 Provincia bezeichnete ursprünglich ganz allgemein den Amtsauftrag bzw. Amtsbereich, also den sachlichen und räumlichen Geschäftsbereich eines römischen Magistraten. Mit der Errichtung Siziliens als erster römischer Provinz wurde der Begriff zum terminus technicus für einen ausserhalb Italiens liegenden geschlossenen Verwaltungsbezirk, der einen Teil des römischen Reiches bildete.152 Das hier umfasste Gebiet wurde damit der direkten römischen Herrschaft unterstellt. Es oblag nun der ständigen Kontrolle durch die römischen Magistraten.753 In ihrer Struktur und ihrer Aufgabe waren die Provinzen ein Abbild des ganzen Imperiums. Hier mussten die globalen Sicherheitsstrategien in einem beschränkten geographischen Gebiet konkret umgesetzt und den politischen Richtlinien und den Gesetzen des Zentrums Geltung verschafft werden. Dies geschah auf diplomatischer, jurisdiktioneller, administrativer, militärischer, religiöser und finanzieller Ebene. Die letzte Verantwortung dafür trug der Statthalter. 5.1
Die unumschränkte Gewalt des Statthalters
Zunächst wurde die Verwaltung der Provinzen im Normalfall von Prätoren für die Dauer eines Jahres wahrgenommen, in Kriegszeiten aber von den Konsuln als den Befehlshabern der Legionen. Es bestand ein enger Kontakt zwischen Senat und Provinzverwaltern, die dem Senat Rechenschaft schuldig waren und ständig Bericht über die Lage in den Provinzen geben mussten. Den Prätoren war es im Prinzip auch untersagt, von ihrer Provinz aus Kriege gegen andere Staaten zu beginnen oder ohne Senatsbeschluss Truppen auszuheben. Auch bei der Steuereinziehung waren sie (eigentlich) an die gesetzlichen Regelungen gebunden.754 In der Prinzipatszeit waren die Statthalter der kaiserlichen Provinzen dann dem Caesar Rechenschaft schuldig, der als oberster Befehlshaber die Statthalter und damit Truppenkommandeure der Provinzen ernannte. Die Amtsgewalt (Imperium) des verantwortlichen Statthalters {praetor) machte diesen zum "alleinigen und unumschränkten Souverän seiner Provinz"755, denn er war oberster Kommandant, Verwalter und Richter. Der Statthalter war also verantwortlich für die Durchsetzung der römischen Sicherheitsstrategien in den verschiedenen Bereichen. Nur die Finanzen bzw. Steuern lagen nicht gänzlich in seiner Kompetenz.756 So hatte in den Provinzen ein quaestor die Aufsicht über die dem Statthalter zur Verfügung gestellten Gelder für die Besoldung und
Vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 43. Die ersten Provinzen waren Sizilien (242/41 v.Chr.), Sardinien und Korsika (227 v.Chr.) und wurden kurz nach dem 1. Punischen Krieg gebildet (vgl. Zonaras 8,19; Solinus 5,1; Volkmann, Provincia (KP 4/1979) Sp. 1201). Vgl. auch Heuss, Imperialismus ( 3 1970) 78-84. Vgl. Volkmann, Provincia (KP 4/1979) Sp. 1199ff.; Badian, Imperialismus (1980) 23f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 275 Anm. 10; Braund, Empire (1988) 4. Die in der Sekundärliteratur verschieden angesetzten Termine für den Provinzialstatus Siziliens lassen sich dahingehend erklären, dass Sizilien zwar schon 242/1 v.Chr. grösstenteils in römischer Hand war, jedoch offensichtlich erst 227 v.Chr. die später geläufige Provinzialordnung mit einem Prätor an der Spitze der Provinz hier eingeführt wurde (vgl. Heuss, Imperialismus ( 3 1970) 81f.). Vgl. Appian, Sicula 2,2; Iberica 38,152; Libyca 135,641; Schneider, Militärdiktatur (1977) 43; Harris, Imperialism (1979) 133. Vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 44. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 113. Vgl. Stern, Judaea (1974) 336; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 113.
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den Unterhalt der Truppen und des Weiteren offiziellen Gefolges, aber auch für den Einzug von Reparationszahlungen und des tributum.757 Die umfassende Vollmacht des Statthalters im römischen Staat kam in republikanischer Zeit derjenigen eines Königs am nächsten. Häufig ersetzten tatsächlich die römischen Statthalter vorgängige lokale Könige. So verstand dies zumindest auch der erste Präfekt Δgyptens, Cornelius Gallus.758 Und Tacitus sieht die ägyptischen Präfekten anstelle von Königen agieren und zieht auch noch für die Prinzipatszeit Vergleiche zwischen Statthaltern und Königen.759 In den Wirren des Jahres 69 n.Chr. legt sich der Gouverneur von Mauretanien, Lucceius Albinus den Namen Juba zu, also den Namen des Königs, den er ersetzt hatte.760 Die während der Republik in der Regel auf ein Jahr beschränkte statthalterliche Amtszeit wurde insbesondere im militärischen Bedarfsfall auf zwei bis fünf Jahre festgesetzt oder verlängert. Der vom Senat, per Volksbeschluss oder durch Abmachung des Prätoren-Kollegiums bestimmte Prokonsul oder propraetor brachte als Statthalter teilweise seinen eigenen Stab mit in die Provinz. Nur der quaestor als oberster Finanzchef und die legati als Stellvertreter des Statthalters wurden meistens ebenfalls durch das Los bestimmt. In gewissen Fällen konnten aber auch diese vom Statthalter selbst ernannt werden. Nach der persönlichen Amtsübergabe an seinen Nachfolger musste der Statthalter die Provinz binnen 30 Tagen verlassen, um in Rom Rechenschaft über seine Amtszeit abzulegen.761 Jede Provinz erhielt bei ihrer Annexion eine besondere lex provincialis, die vom siegreichen Feldherrn und einer ihm vom Senat beigefügten Zehnerkommission ausgearbeitet und vom Senat bestätigt wurde. Sie enthielt die Richtlinien der Verwaltung und für den möglichen Weiterbestand bzw. das Ausmass künftiger Selbstverwaltung oder Jurisdiktion einzelner Städte.762 Dazu gehörte auch die Einteilung in die Verwaltungs- bzw. Steuerbezirke sowie den Besteuerungsmodus und die Richtlinien für die Jurisdiktion.763 Dieses Gesetz sollte einer Provinzverwaltung auch zu einer gewissen Kontinuität und der betroffenen Bevölkerung vielleicht sogar zu einem Gefühl von Rechtssicherheit verhelfen. Da der antretende Gouverneur jedoch seine eigenen Erlasse und Edikte beifügen konnte, an die sich sein Nachfolger wiederum nicht zu halten hatte, hielt das Gesetz kaum, was es versprach.764 Zur Abhaltung von Gerichtstagen bereiste der Statthalter die Provinz und sass an dafür ausersehenen Plätzen zu Gericht, wozu sich auch die an den Verfahren Beteiligten und Schaulustige zusammenfanden (conventus).76S Gegen seine richterlichen Entscheide gab es für die Provinzialen keine Rekursmöglichkeiten, denn der Statthalter war selbst die höchste richterliche Instanz. Nur wenn es ihm genehm war, konnte die Revision eines seiner Urteile angestrebt werden. Die zivile Gerichtsbarkeit blieb häufig einheimischen Gremien oder Richtern überlassen. Die Kriminal-Gerichtsbarkeit hingegen lag in den Händen des Statthalters, wenn
Nur in Sizilien waren es zwei dieser Finanzbeamten (vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 116). Zum tributum vgl. Schwahn, Tributum (PRE 7.A.1/1939) Sp. 178 oder Nicolet, Tributum (1976). S. auch u. Kap. 7. Vgl. ILS 8995; Braund, Empire (1988) 6. Vgl. Tacitus, Historiae 1,11 und Agricola 15. Vgl. Tacitus, Historiae 2,58; Braund, ClientKingship (1984) 84. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 113. Vgl. Cicero, In Verrem 2,2,32.34.37.38.39.40.42.44.59.90.125; Epistulae ad Atticum 6,1,15; 6,2,4; Brunt, Laus imperii (1978) 173f. Für die Kaiserzeit vgl. etwa die Fragmente solcher Verordnungen bei Plinius, Epistulae 10,79.80.112.114.115. Gemäss Von Lübtow, Das römische Volk (1955) 654, liegt der Ursprung dieser Edikte in den stadtrömischen Prätorenedikten. Vgl. Volkmann, Provincia (KP 4/1979) Sp. 1199; Gesche, Weltbehenscher (1981) 114. Vgl. etwa das juristische Verfahrensformular der lex Rupilia für die Provinz Sicilia, die Fragen der Klageeinreichung (vgl. Cicero, In Verrem actio 2,2,59) oder der Richterliste (vgl. ebd. 2,2,34.37f.42) behandelt. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 114f. Vgl. Miliar, Mittelmeerwelt IV (1966) 69.
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er nicht besondere Leute oder Gremien dafür einsetzte.766 Dem Statthalter oblag in der Regel auch die Verfügung von Todesurteilen. 767 Lokale Verwaltung und Gerichtsbarkeit blieben gewöhnlich den Gemeinden überlassen. S o fungierten auch im Westen des Imperiums die Munizipialgerichte als Entlastungsinstanzen für den Statthalter, indem sie "vorbereitende Aufgaben für die Strafrechtspflege" 768 übernah men. In ihren Romanisierungsbemühungen stützten sich die Römer in der Regel auf reichere Leute der Oberschicht ab.769 Dabei beaufsichtigte der Statthalter die Gemeinwesen gemäss den Grundsätzen seines Provinzialediktes.™ Auch auf Provinzebene übernahmen die Römer gerne die funktionstüchtigen einheimischen Verwaltungseinrichtungen, solange diese mit den römischen Vorschriften und der römischen Administration kompatibel waren.771 Hier zeigt sich in vielfacher Weise der Pragmatismus römischer Herrschaftsausübung. Der Statthalter war für Sicherheit und Ordnung innerhalb der Provinz verantwortlich. Dafür setzte er die hier stationierten Truppen ein, über die er die Befehlsgewalt inne hatte.772 Deshalb hatte der Statthalter sowohl gegen gewöhnliche Kriminelle wie auch politische Aufrührer vor zugehen. Dass Räuber zu Lande und zu Wasser in grosser Zahl sogar zu einer Bedrohung des Imperiums werden konnten, wird in der römischen Geschichte der Republik wie auch des Prinzipats immer wieder deutlich. Ein prominentes und sicher extremes Beispiel sind die kili kischen Piraten. Da die einzelnen Statthalter ihrer nicht Herr werden konnten, wurde Pompei us mit einer besonderen Vollmacht ausgestattet. Denn die grassierende Seeräuberei hatte eine Getreideknappheit zur Folge, welche die Stabilität des Imperiums gefährdete.773 Pompeius erhielt für seine Mission die Befehlsgewalt über ein gigantisches Aufgebot von 20 Legionen und 500 Schiffen, mit denen er innert kurzer Zeit die Seeräuber zusammentreiben und ver nichtend schlagen konnte. 774 Dieses bisher noch nie verliehene Imperium extraordinarium erstreckte sich über das gesamte Mittelmeer und dessen Küsten bis 50 Meilen landeinwärts und belief sich über drei Jahre.775 Ein grosser Aufstand entfachte sich zweifelsohne auch unter Spartacus (7371 v.Chr.), einem ehemaligen Soldaten und Gladiator.776 Spartakus konnte im Jahre 71 v.Chr. 60Ό00 Sklaven
Vgl. Stern, Judaea (1974) 336f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 114. Dies war auch zu Beginn des Prinzipats noch nicht anders, wie etwa der vierte Provinzialedikt von Kyrene aus dem Jahre 6-7 n.Chr. belegt, der dem Statthalter die Gerichtsgewalt bei schweren Delikten zuweist und ihm erlaubt, ein Gericht zu ernennen (vgl. SEG IX Nr. 8 Edikt 4,11,65-66; FIRA I Nr. 68 S. 409; Visscher, Edits d'Auguste (1940) 128.). Volkmann, Rechtssprechung (1935) 137. Vgl. Brunt, Romanization (1976) 161-173. Vgl. dazu Cicero, Ad Q. fratrem epistulae 1,1,25; Brunt, Laus imperii (1978) 174. Vgl. auch Caesar, Bellum Gallicum 4,21; 5,25.54. Hier zeigt sich einmal mehr Cäsar als erster und oberster Wächter der römischen Ordnung in einem unterworfenen Gebiet, der dafür die ihm geeigneten Massnahmen ergreift bzw. erlässt. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 114. Dies gilt auch für das Gebiet Siziliens (vgl. Heuss, Imperialismus ( 3 1970) 78-84). Vgl. Badian, Imperialismus (1980) Iff.; Brunt, Laus imperii (1978) 174. S.u. Vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 171. Die Getreideknappheit wurde von Kaufleuten aber auch künstlich verstärkt, um bessere Preise und damit höhere Gewinne zu erzielen (vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 170f.202). Vgl. Adcock, Art of War (1940) 36-42; Webster, Army (1969) 45; Schneider, Militärdiktatur (1977) 172; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 171f. Pompeius Hess - für siegreiche römische Feldherren eher ungewöhnlich - Milde walten und verzichtete auf Massenhinrichtungen und -Versklavungen. Vielmehr unternahm er den Versuch, durch Ansiedlung der Piraten in den entvölkerten Städten Kleinasiens und Griechenlands einer Ursache der Piraterie entgegenzuwirken, die in der Verarmung und Vertreibung breiter Bevölkerungsteile bestanden hatte (vgl. Plutarch, Pompeius 24,5). Vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 171f. 50 Meilen sind ungefähr 75 km. Die Gladiatoren mussten auf Leben und Tod kämpfen, ein Ausdruck der Menschenverachtung, die dieser Gruppe entgegen gebracht wurde. Die Gladiatorenkämpfe gingen auf die Etrusker zurück, die bei der Bestattung eines Adeligen Kriegsgefangene gegeneinander kämpfen Hessen. So waren auch in Rom im 3. und 2. Jh. v.Chr. Gladiatorenkämpfe noch mit Leichenspielen verbunden. Im Verlaufe der Zeit versuchten sich einzelne reiche Familien im Aufwand für die Spiele immer mehr zu übertrumpfen. Die Veranstaltung von Spielen blieb immer in privater Hand, löste sich aber von den Leichenspielen. Nur wenige
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um sich scharen. Er nahm sogar Kontakt mit den kilikischen Seeräubern auf, welche die Seewege auf dem Mittelmeer verunsicherten und die ihm den Abzug aus Sizilien sichern sollten. In diesem Aufstand, der nach anfänglichen Niederlagen der Römer durch Crassus niedergeschlagen wurde, sollen schliesslich über 100Ό00 Sklaven umgekommen sein.777 Rund 6000 Aufständische wurden dabei entlang der via Appia demonstrativ ans Kreuz geschlagen.778 Aus römischer Sicht gehörte zur gleichen Kategorie von Unruhestiftern wohl auch Sacrovir in Gallien.779 Tacfarinas in Δgypten (17-24 n.Chr.), dessen Trupp aus Landstreichern und "Räubern" bestand und der einen Freiheitskampf führte, kann hier ebenfalls genannt werden.780 Auch Judäa wurde immer wieder von "Räubern" heimgesucht.781 Für die Garantierung der inneren Sicherheit waren aber auch die lokalen Behörden mitverantwortlich, denn eine flächendeckende Kontrolle der Provinzen durch die römische Armee wäre aufgrund ihres Bestandes unmöglich gewesen. So verfügten die lokalen Behörden über polizeiliche Kompetenzen, die ihnen von den römischen Besatzern zugestanden wurden.782 Über haupt lag die Erstverantwortung für Ruhe, Ordnung und öffentlicher Sicherheit bei den lokalen Behörden. Erst wenn sie in ihren Bemühungen keinen Erfolg hatten, griff die römische Besatzungsmacht mit militärischen Mitteln ein. Diese Vorgehensweise ist für viele Fälle belegt und zeigt so etwas "wie eine 'Hierarchisierung' der Instanzen ... Das Eingreifen der einheimischen Behörde ist demjenigen der römischen Instanz unter- und zeitlich vorgeordnet. Es geschieht im Auftrag der Römer und vermag wesentlich geringere Mittel einzusetzen als die imperiale Militärgewalt Roms."783 In der Verteilung der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten kommen also zwei Prinzipien zum Tragen: Einerseits das Prinzip der Subsidiarität. Es bewirkt, dass im Falle von Störungen zuerst die lokalen Behörden mit ihren eingeschränkten Mitteln agieren, um den Zustand von (römischer) Ruhe, Ordnung und Sicherheit wieder herzustellen. Dazu sind sie von römischer Seite her verpflichtet und müssen auch mit Sanktionen rechnen, wenn sie ihren Pflichten nicht nachkommen. Erst wo die Interventionen der lokalen Behörden nicht die gewünschten Resultate bringen, greifen die römischen Behörden mit massiveren Mitteln ein. Dies kann aus eigenem Antrieb oder auch auf Anfrage der lokalen Behörden geschehen. Damit verbunden ist ein weiteres Prinzip, das in der Verwaltung und Kontrolle der Provinzen zum Zuge kommt: das Prinzip der Verhältnismässigkeit der eingesetzten Mittel. Diese richten sich nach der Form und dem Grad der Bedrohung. Auch in diesen beiden Prinzipien zeigt sich deutlich der Pragmatismus römischer Herrschaftsausübung. Neben der Letztverantwortung für die innere Sicherheit oblag dem Statthalter aber auch die Verteidigung der Grenzen. Im Bedarfsfall konnte er zusätzlich ansässige römische Bürger re-
Reiche hielten sich eigene Gladiatoren. Die Gladiatorentrupps wurden in Rom und Capua kaserniert, und die gemeinsame Einquartierung vieler im Umgang mit den Waffen geübter Männer war ein Grund für den Ausbruch und den zeitweiligen Erfolg des Spartakus-Aufstandes im Jahr 73 v.Chr. (vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 135f.). Vgl. Appian, Bella civilia 1,116-120; Plutarch, Crassus 8-10; Schneider, Militärdiktatur (1977) 138; Volkmann, Spartacus (KP 5/1979) Sp. 297f. Ein Grund für die Niederlage der Aufständischen mochte neben der Zerstrittenheit der Führung im Umstand gelegen haben, dass die städtischen Sklaven nicht am Aufstand teilnahmen und der Aufstand hier keinen Rückhalt fand. Vgl. Gundel, Crassus (KP 1/1979) Sp. 1329. Vgl. Tacitus, Annalen 3,40ff. Von einem latrocinius in Britannien berichtet Tacitus an anderer Stelle (vgl. Annalen 12,39). Vgl. Tacitus, Annalen 2,52,1; 4,24,1. S. Kap. 1.1.5 und 13.9.2. Es entspricht sehr gut dieser römischen Sichtweise, dass die Aufständischen in Judäa von Josephus mit "Räuber" bezeichnet werden. Dies wird auch aus der Gerichtsrede von Cicero gegen Verres ersichtlich (vgl. dazu In Verrem actio 2,5,158-162): Cicero weist in seiner Rede auf die Ergreifung und Inhaftierung des aus dem Steinbruch entflohenen P. G. Gavius (vgl. Gundel, Gavius (KP 2/1979) Sp. 704) durch die städtischen Behörden von Messana hin. Danach überstellen die lokalen Behörden den wegen angeblicher Spionage für Spartakus zur Zwangsarbeit verurteilten Gavius zur weiteren Aburteilung an den zufällig in der Stadt weilenden Statthalter Siziliens, Verres. Dieser lässt ihn öffentlich auspeitschen und kreuzigen. Egger, Crucifixus (1997) 109 (die Unterstreichung im Zitat wurde weggelassen).
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krutieren oder um weitere Truppenverstärkungen in Rom nachsuchen.784 Dabei waren gemäss der römischen Armeehierarchie die Kommandeure der Hilfstruppen den Legionskommandanten zu- und untergeordnet, was sich auch im Verhältnis kleinerer (prokuratorischer) zu den grösseren, von einem Prokonsul oder später von einem Legaten geführten Provinzen niederschlug. Falls der Gouverneur nicht alle Massnahmen und Entscheidungen selbst treffen konnte oder wollte, konnte er die entsprechenden Befugnisse an einen seiner Legaten delegieren und sich auch noch durch diesen vertreten lassen. Manchmal überliess ein Statthalter wie etwa Pompeius seinen Legaten sogar die gesamte Verwaltung der anvertrauten Provinzen, um in Rom wichtigeren Geschäften nachgehen zu können.785 5.2
Das Fehlen eines politischen Reichskonzepts und der Untergang der Repu blik
Aus der heutigen Perspektive erscheint die Nutzung der Provinzen durch die römischen Eliten mehr oder weniger als Ausbeutung. Dies belegen nicht nur viele unmittelbare literarische Zeugnisse, sondern auch die offenbar wenig fruchtbaren Versuche römischer Politiker, der Ausbeutung der Provinzen durch Gesetze beizukommen.786 Die Ausbeutung der Provinzen wirkte sich dabei nicht nur auf die primär betroffenen Gebiete und ihrer Bevölkerung, sondern auch auf die Wirtschaft Italiens negativ aus. Weil die römischen Oberschichten ihre Einkünfte immer mehr ausserhalb Italiens erzielten, schwand ihr Interesse an einer eigenen florierenden Wirtschaft. Zudem beschleunigte der zunehmende Reichtum einer kleinen Minderheit die Konzentration des Landbesitzes. Und wo den Kleinbauern nicht legal ihr Land abgekauft werden konnte, wurden sie häufig mit Gewalt vertrieben.787 Viele Anbauflächen wurden in Weideflächen, Brachland oder unproduktive Parkanlagen umgewandelt, und für die zunehmend auf den Grossgrundbesitz ausgerichtete italische Landwirtschaft verlor die eigene Produktivität an Bedeutung. Denn die grossen Erträge aus den Provinzen stellten die Versorgung Italiens sicher. Und weil damit die Kleinbauern zunehmend ihre Existenzgrundlage verloren, ging auch die soziale Basis des römischen Stadtstaates zugrunde. Horaz beschreibt den Luxus der Reichen auf dem Lande mit folgenden Worten: "Es lässt der Prachtbau fürstlicher Schlösser bald nichts m e h r d e m P f l u g e . Überall breiten sich, wie Seen gross, der Teiche Spiegel. A u c h die Platane, von keiner R e b e u m r a n k t , v e r d r ä n g t den s c h ü c h t e r n e n U l m e n b a u m . B a l d h a u c h e n V e i l c h e n , M y r t e n u n d b u n t e r F l o r des D u f t e s Kitzel, w o v o r d e m der Segen gereift von der Frucht des Φ l b a u m s . " ( C a r m i n a 2,15)
Damit zog gegen Ende der Republik der wachsende Reichtum einer kleinen Gruppe die Verelendung der breiten Volksmassen in Italien und in den Provinzen nach sich. Da hier die plebs für ihre Versorgung nicht mehr selbst aufkommen konnte, mussten auch dafür die Provinzen gerade stehen.788 Vgl. Cicero, Epistulae ad familiares 3,3,1; Brunt, Laus imperii (1978) 174; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 113. Vgl. Deissmann-Merten, Pompeius (KP 4/1979) Sp. 1024f; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 114; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 184.188ff. Es handelte sich dabei um die Provinzen Hispania Citerior und Ulterior. Vgl. dazu etwa MacMullen, Corruption (1988). Vgl. auch Exkurs E. Vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 151f. Während seiner Prätur im Jahre 74 v.Chr. musste M. Lucullus eigens ein Edikt gegen die Ausschreitungen von bewaffneten Sklaven herausgeben. Mit ihrer Hilfe hatten Grossgrundbesitzer benachbarte Kleinbauern von deren Land vertrieben, ihren Besitz an sich gerissen und die ehemaligen Landbesitzer teilweise versklavt (vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 158). Vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 152.
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Auch wenn Rom zumindest die politische Herrschaft über ein erobertes Gebiet nicht mehr aus der Hand gibt, fehlt bis in die Prinzipatszeit ein politisches Konzept, die eroberten Gebiete in einem Reichsverband zusammenzufassen. Gerade das Verhalten in und gegenüber den Provinzen bleibt dasjenige eines Stadtstaates, auch wenn Rom militärisch, machtpolitisch und geographisch bereits eine Weltmacht darstellt. So verhält sich Rom auch noch in der Provinz Bithynien-Pontus gleich wie 160 Jahre zuvor in seiner ersten Provinz Sizilien.789 Dieser Widerspruch zwischen reichsmässiger Grösse und stadtstaatlicher Konzeption führt letztendlich zum Untergang der römischen Republik. Diese strukturellen Mängel sind vielfältig: Es fehlt die Entwicklung eines adäquaten Verwaltungsapparates: der provinzialen Misswirtschaft wird aber nicht durch innere Reformen begegnet, sondern das Interesse Roms gilt der Ausweitung seiner Hegemonie. Auch sind die entsandten Magistraten weder für ihre Aufgabe besonders ausgebildet, noch mit den örtlichen Besonderheiten der einzelnen Provinz speziell vertraut. Zudem verhindert der jährliche Magistratswechsel eine kontinuierliche Verwaltungsarbeit. Auch liegt die Verwaltung der Provinzen zu einem beträchtlichen Teil im Ermessen des verantwortlichen Magistraten, und es fehlt an grenzüberschreitenden staatlichen Regelungen und Konzepten. Für das Vorgehen gegen Misswirtschaft und Ausbeutung sind die vorhandenen staatlichen Vorschriften und Kontrollorgane unzureichend oder ungeeignet. Weiter wird die Integration der Provinzbewohner in den Reichsverband nicht gefördert, denn das römische Bürgerrecht bleibt für die Provinzbewohner fast unerreichbar. Der Zwei-Klassen-Unterschied zwischen Bürgern Roms und Nicht-Bürgern kennzeichnet die Gesellschaft und verhindert ein Zusammenwachsen der eroberten Gebiete mit Rom und Italien. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Rom und seinen Provinzen ist vom kurzfristigen Eigennutz einer kleinen Gruppe geprägt. Dass der Weitblick auf die wirtschaftliche und soziale Wohlfahrt des gesamten Imperiums nicht vorhanden ist, erstaunt aufgrund des Fehlens eines übergreifenden Reichskonzeptes allerdings nicht.790 Dies ändert sich erst mit der Einführung des Prinzipats unter Augustus, denn erst diese neue monarchische Staatsform verhilft dem römischen Staat zu einem Blick auf das imperium Romanum, der an dessen längerfristigen Sicherung interessiert ist. Diese neue Sichtweise führt zu etlichen Reformen, welche die schlimmsten Auswüchse der republikanischen Verwaltung in Zukunft verhindern sollen. Diesen Reformen innerhalb der kaiserzeitlichen Provinzialverwaltung ist das nächste Kapitel gewidmet. Dabei ist vorauszuschicken, dass auch im Prinzipat Integration ins römische Imperium zuerst einmal Anerkennung der römischen Herrschaft bedeutete.791
Bithynien-Pontus wird 63 v.Chr. nach dem Sieg von Pompeius über Mithradates VI. römische Provinz (vgl. Strabo 12,547; Livius, Periochae 102; Volkmann, Pontos (KP 4/1979) Sp. 1050; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 112). Zu Sizilien vgl. in diesem Kontext ausführlich Heuss, Imperialismus ( 3 1970). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 111.122ff. Vgl. Noethlichs, Judentum (1996) 41.
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D I E P R O V I N Z E N ALS T E I L DES RÖMISCHEN W E L T R E I C H E S : D I E V E R WALTUNG IN DER K A I S E R Z E I T
Auch in der Prinzipatszeit bildeten die Provinzen die geographischen und strukturellen Grundeinheiten der Verwaltung des römischen Weltreiches. Der Prinzipat brachte allerdings auch Veränderungen mit sich, die sich auf die römische Verwaltung der Provinzen und damit auf das Schicksal der Bevölkerung auswirkten. 6.1
Veränderte Voraussetzungen für das Imperium: der Prinzipat als neue Mo narchie
Augustus konnte nach den Bürgerkriegen endlich die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Bürgerkriegsparteien einigermassen miteinander versöhnen und unter einer neuen Monarchie scheinbar die Verfassung und Freiheit der Republik wieder herstellen.792 Seine militärischen Erfolge und der damit verbundene Rückhalt in der Armee, sein ungeheurer Reichtum und eine Republik, die sich selbst überlebt hatte, waren die Voraussetzungen für diesen Schritt. Diese Voraussetzungen hatte die Republik durch die stete Expansion selbst geschaffen: für Rom gab es kein Zurück mehr zum Stadtstaat und seinen Institutionen.793 Augustus konnte sich selbst fast unbegrenzte Vollmachten verschaffen, wie sie vorher weder für den Senat noch für eine Einzelperson innerhalb des römischen Staates existiert hatten.794 Die Voraussetzungen für seine unbestrittene Autorität hatte Augustus teilweise auch selbst geschaffen, indem er potentielle Gegner liquidiert hatte und weiter liquidate.' 95 Dass auch der so viel gerühmte Friedensbringer Augustus mit Argwohn und Härte regierte und unerbittlich seine Macht verteidigte, zeigt neben anderen die folgende Erzählung Suetons: Vgl. Augustus, Res gestae 1,1; Luttwak, Strategy (1979) 7; Yuge, Kaiseridee (1980) 439; Starr, Empire (1982) 9-35; Garnsey - Salier, Empire (1987) 107; De Blois, Army and Politics (1987) 52-55.98 Anm. 169; Nippel, Polizei (1988) 153. Für Tacitus hingegen blieben Freiheit und Prinzipat unvereinbar (vgl. Tacitus, Agricola 3,1). Für ihn war die Ermordung Cäsars der gescheiterte Versuch gewesen, die Freiheit (der Republik) wieder herzustellen (vgl. Annalen 1,8,6). Aus dieser Überzeugung lässt sich auch seine kritische Einstellung zur Politik und den Leistungen des Prinzipats erklären. Trotzdem wollte auch Taci tus nicht die Republik zurück, da diese durch ihre zu grosse Freiheit das Chaos der Bürgerkriege heraufbeschworen hatte (vgl. Agricola 2,3). Für Tacitus war der Prinzipat ein geschichtlich unvermeidbares Ü bel, das den Staat vor den Bürgerkriegen und dem Verfall retten und die (beschränkte) Freiheit bewahren konnte (vgl. Annalen 1,9,5). Aus dieser Überzeugung schloss sich Tacitus auch nicht denjenigen an, die unter dem Einfluss stoischer Philosophie gegen die Kaiser intrigierten (vgl. Agricola 42,4). Für Tacitus war deshalb ein Kaiser wie Nerva der beste Prinzeps, der Freiheit und Prinzipat zusammenzubringen wusste (vgl. Agricola 3,1). Nach seiner Meinung sollten sich die Bürger aber weder in aussichtslosem Kampf gegen den Prinzipat aufreiben, noch sich in ekelhafter Schmeichelei unterwerfen (vgl. Agricola 42,4; Yuge, Kaiseridee (1980) 441 f.; MacMullen, Enemies (1975) 45). Auch andere Autoren beklagen den Verlust an Freiheit, der mit dem Regime von Augustus einherging (vgl. etwa Horaz, Epistula 1,7; Starr, Empire (1982) 34). Zum Verlust an Freiheit im Prinzipat vgl. auch Lucanus, Pharsalia (= Bürgerkrieg). Allerdings muss hier auch erwähnt werden, dass die beklagte Freiheit primär als Freiheit der aristokratischen und senatorischen Oberschicht zur freien Meinungsäusserung und zur Teilnahme an den Regierungsgeschäften verstanden wurde. Eine Freiheit aller Reichsbewohner lag wohl ausserhalb der Denkweise (vgl. Starr, Empire (1982) 55). Als Trost blieb den Senatoren immerhin die Verwaltung ihres Reichtums, der zu einem grossen Teil in Land angelegt war. Denn auch in der Prinzipatszeit verfügte die römische Aristokratie über einen Grossteil des Gesamtvermögens des Imperiums (vgl. ebd. 63f.). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 146-155. Zur Feststellung der Auflösung der Republik bzw. zur Negierung deren Existenz in einigen Aussagen Cäsars kurz vor dessen Ermordung vgl. Morgan, Caesar as Tyrant (1997) 23-40. Vgl. Tacitus, Annalen 2,5,1; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 217-240; Yuge, Kaiseridee (1980) 439f; Nippel, Polizei (1988) 153f. So beschnitt die Machtfülle des ersten Princeps nicht nur die Kompetenzen des Senates, sondern auch diejenigen der Statthalter (vgl. Ungern-Sternberg, Weltreich (1982) 271). Zur Machtpolitik von Augustus und der Bewertung seiner Person vgl. u.a. Millar - Segal, Caesar Augustus (1984), oder Schmitthenner, Augustus (1985) 286-298. Für Seneca steht es deshalb jedem Kaiser gut an, wenn er seine ungeheure Machtfülle durch seine dementia weise und selbstbeschränkend einsetzt (vgl. De dementia; Yuge, Kaiseridee (1980) 443f.). Octavian hatte nicht nur die ägyptische Königin Kleopatra in den Selbstmord getrieben, sondern liess auch ihren Sohn Caesarion beseitigen. Dieser war von Antonius als der rechtmässige Erbe Cäsars bestimmt worden (vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 195.213ff.).
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"Den Prätor Quintus Gallius, der bei einer offiziellen Begrüssung eine zusammengefaltete Schreibtafel unter seinem Gewand verdeckt hielt, verdächtigte er, ein Schwert zu verbergen, wagte aber aus Angst, es könnte doch etwas anderes gefunden werden, nicht, ihn sogleich zur Rede zu stellen, sondern liess ihn wenig später durch seine Centurionen und Soldaten vom Richterstuhl zerren, wie einen Sklaven foltern und, als er nichts gestand, endlich töten. Vorher hatte er ihm noch mit eigener Hand die Augen ausgestochen" (Augustus 27,4). Dass der prinzipielle Argwohn nicht unbegründet war, wurde dem ersten Prinzeps zum einen der gewaltsame Tod von Cäsar vor Augen geführt.796 Andererseits erwiesen die verschiedenen individuellen und kollektiven, aber stets vereitelten Anschläge seinen Argwohn und seine Vorsicht als begründet. Wohl auch deshalb umgab sich Augustus stets mit seiner persönlichen, aus Germanien stammenden Leibwache. Sie sollte ihn vor Anschlägen aus seinem persönlichen Umfeld oder der Prätorianergarde bewahren. Dieses Umfeld, Armee und Prätorianer sowie die aristokratische Oberschicht waren neben der plebs urbana die Gruppen, deren Loyalität sich Augustus und seine Nachfolger stets besonders versichern mussten.797 Die ungeheure Machtfülle, die Augustus mit dem imperium proconsulare maius nun in seinem Amt und auf Lebenszeit vereinen konnte, ermöglichte dem ersten Prinzeps den kontrollierenden, regulierenden und gesetzgeberischen Eingriff in allen Provinzen. Der Senat hatte Octavian am 16. Januar 27 v.Chr. auf Antrag von Munatius Plancus den Namen Augustus, "der Erhabene", verliehen. Die religiöse Komponente des Namens war dabei sicher kein Zufall. Octavian hiess von nun an Imperator Caesar divifilius Augustus.™ Die absolute Machtfülle des Prinzeps zeigt sich in gewisser Form auch an der Begrifflichkeit: seit Augustus wurde "Prinzeps" nicht mehr als princeps civitatis, sondern einfach nur mehr als princeps verwendet und geschrieben.799 Der Kaiser war nun also "der Erste" schlechthin.800 Oktavian hatte sich dabei möglicherweise von Ciceros stolzem Selbstzeugnis inspirieren lassen: Ego ... rem publicam defendi: me principem senatui populoque Romano professus sum nec, posteaquam causam libertatis, minimum tempus amisi tuendae salutis libertatisque communis. "Ich habe jedoch ... den Staat verteidigt und habe mich vor Senat und Volk von Rom als Führer bekannt, und, seit ich in der Erhaltung der Freiheit meine Aufgabe sehe, keinen Augenblick verloren gehen lassen, ohne unser aller Leben und Freiheit zu schützen" (Epistulae ad familiares 12,24,2). Von seiner Vollmacht waren nicht nur die kaiserlichen Provinzen betroffen, die erst vor kurzer Zeit "befriedet" worden waren oder auf Grund ihrer Grenzlage stets Truppenkontingente aufwiesen, sondern ab dem Jahr 23 v.Chr. auch die senatorischen Provinzen.801 Damit war Augustus allen Magistraten einschliesslich der Konsuln in Rom und den Prokonsuln in den Provinzen vorgeordnet, wie natürlich auch seinen eigenen legati Augusti pro praetore, den curatores (Sonderbeauftragten) und schliesslich dem praefectus urbi. Angesichts dieser Machtfülle war die Gewaltentrennung zwischen Prinzeps und Senat eigentlich nichts weiter mehr als eine Fiktion.802 Effektiv an der Macht beteiligt war noch eine kleine Führungsschicht,
Vgl. MacMullen, Enemies (1975) If. Vgl. Starr, Empire (1982) 12.43-46; Griffin, Plebs and Princeps (1991) 24. S. auch o. Kap. 4.2.3. Vgl. Sueton, Augustus 7,4; Cassius Dio 53,16,6; Vellerns Paterculus 2,91,1; Hanslik, Munatius (KP 3/1979) Sp. 1462; Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 219f. Vgl. Augustus, Res gestae 12; Tacitus, Annalen 2,5,1; Volkmann, Princeps (KP 4/1979) Sp. 1137 Vgl. Wickert, Herrscherideal (1979) (1979) 345-348.353f.356 Anm. 25. Vgl. Cassius Dio 53,32,6; Last, Imperium (1947) 157ff.; Jones, Imperium (1951) 112ff. S.o. Kap. 4.2.2. Vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 7; Klauck, Religiöse Umwelt II (1996) 54. Trotzdem sollte sich der Senat noch lange Zeit in Bezug auf das Kaiseramt zumindest formal behaupten können, denn der erste ritterliche Kaiser war erst M. Opellius Macrinus (217-218 n.Chr.) (vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 226).
Β Administrative und finanzielle Strategien
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die aktive Leitungsfunktionen auf der Ebene des Imperiums innehatte.803 In ihren Händen lag "der massgebende Einfluss in Politik und Kriegsführung, Administration und Rechtssprechung des Gesamtverbandes des Imperium Romanum - nicht nur der Stadt Rom. Zu ihr zählen daher der princeps und die Angehörigen der domus principis, die Konsulare und die ritterlichen Präfekten der höchsten Kategorie (praefectus praetorio, Aegypti, annonae, vigilium, classis), die Statthalter, die Angehörigen des consilium principis, die privilegierten Fachjuristen und - unter einzelnen principes, wie unter Claudius und Nero, - auch die leitenden Freigelassenen der Zentralinstanz."804 Obwohl der Senat von einigen Kaisern noch gewisse Kompetenzen erhielt, stellte er für sie kein reales Gegenüber in machtpolitischer Hinsicht mehr dar.805 Als Stimmungsmesser für die Aristokratie, als Beratungsorgan für die Kaiser und als Vollzugsort für eine tradierte politische Etikette behielt er trotz allem eine gewisse Bedeutung.806 Mit der tribunicia potestas hatte sich Augustus auch den zweiten, zivilen Faktor römischer Macht gesichert.807 Seine persönliche Macht beruhte nun auf den zwei Säulen von Militär und plebs.m Diese neue Vollmacht des Prinzeps reichte sogar über den Tod des jeweiligen Amtsträgers hinaus, wurde doch mit Augustus die Nachfolge dynastisch geregelt. So adoptierte der Amtsinhaber häufig einen geeigneten Nachfolger, der die Staatsgeschicke weiterführen sollte. Dies kam sicher auch dem dynastischen Empfinden der Soldaten entgegen. Und der Senat hatte seine Macht schon vor langer Zeit aus der Hand gegeben, als dass er noch seine antidynastische Einstellung hätte durchsetzen können. Wenn der Amtsinhaber keinen Nachfolger bestimmt hatte, wurde die Nachfolge häufig mit Waffengewalt geregelt, wobei sich die Prätorianer als besonders einflussreich erwiesen.809 Allerdings konnten auch andere grosse Truppenverbände in derart heiklen Situationen Einfluss auf die Bestimmung des neuen Prinzeps nehmen, wie etwa im Falle Vespasians.8'0 Die Konzentration der politischen Macht in der Hand des Prinzeps zeigt sich auch in der Entwicklung des römischen Rechts. Obwohl nicht nur die Legislative der Republik sich stark der rechtlichen Tradition verpflichtet wusste, sondern auch die Kaiser auf bestehendes Recht rekurrierten, ist doch augenscheinlich, dass die kaiserliche Gesetzgebung anderes und früheres Recht mehr und mehr verdrängte. 8 " Schon Augustus, der den formal-juristischen Aspekt seiner politischen Aktivitäten stets besonders betonte, Hess sich dadurch nicht abhalten, seinen eigenen Willen durchzusetzen. Ab Trajan lag schliesslich die gesetzgeberische Gewalt des Staates fast vollständig in der Hand des Kaisers, und unter Hadrian versiegte auch noch das Ediktrecht der Prätoren, da das bisherige prätorische Recht zum edictum perpetuum erhoben wurde. Auch in der Rechtsprechung und der römischen Gerichtsbarkeit nahm der Einfluss des Kaisers stetig zu: Er konnte mit der Zustimmung einer der betroffenen Parteien einen Prozess an sich ziehen oder in Verfahren eingreifen, für die eigentlich das Senatsgericht zuständig war. Als Mitglied des Senates hatte er die Möglichkeit, an dessen Gerichtsverhandlungen teilzunehmen oder sie gar zu leiten. Dank seinem tribunizischen Interzessionsrecht konnte er auch die Ausführung nicht genehmer Urteile blockieren oder gar verhindern.812
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Mattern, Strategy (1999) 5, schreibt diesbezüglich zur Aussenpolitik: "The ultimate responsability for the conduct of foreign affairs in the imperial period lay with a very few people." Zur Komplexität der Kriterien für die Zugehörigkeit zur römischen Elite vgl. Nicolet, Augustus (1984) 89-128, bes. 107117. Christ, Sozialstruktur (1980) 219. Vgl. zur Beteiligung an der Macht auch StarT, Empire (1982) 54-66. Vgl. Volkmann, Senatus (KP 5/1979) Sp. 107; Paltiel, Vassais (1991) 86f. Vgl. Starr, Empire (1982) 59. Vgl. Cassius Dio 53,32,6; Augustus, Res gestae 10,1. Vgl. Syme, Roman Revolution (1939) 337; Griffin, Plebs and Princeps (1991) 26f. Vgl. Luttwak, Strategy (1979) 127; Gesche, Divinisierung (1978) 378. Vgl. Josephus, Bell. 4,601. Dies zeigt sich auch am Sammelsurium-Charakter des römischen Rechts (vgl. Simon, Ius (KP 3/1979) Sp. 11-18; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 209). Vgl. auch o. Einleitung. Vgl. Starr, Empire (1982) 35.81f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 21 lf.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
Eine von Tacitus überlieferte Episode aus der Amtszeit des Tiberius verdeutlicht die Machtfülle des Prinzeps. Als dessen Söhne bei der Nachwahl eines Prätors verlangten, dass sich der Senat über eine Gesetzesbestimmung hinwegsetzte, freute sich Tiberius, "dass der Senat zwischen seinen Söhnen und den Gesetzen zu entscheiden hatte. Es unterlag ohne Zweifel das Gesetz, aber nicht sogleich und nur gegen eine geringe Stimmenmehrheit, so jedenfalls, wie die Gesetze auch damals unterlagen, als sie noch in Kraft waren." (Tacitus, Annales 2,5l) 8 ' 3 Die Machtverhältnisse wurden offenbar von den Kaisern häufig klar ausgesprochen, wenn sie sich in einem Schreiben an den Senat richteten mit der folgenden üblichen Redewendung: "Wenn ihr und eure Kinder wohlauf seid, so ist das gut. Ich und die Legionen sind wohlauf." (Cassius Dio 69,14)814 Dass die Machtfülle des Kaisers primär einmal auf dem Kommando der römischen Armee basierte, zeigt auch eine Anekdote aus dem Leben Hadrians: Als der Kaiser einmal mit dem Sophisten Favorinus über die Bedeutung eines Wortes diskutierte und dieser Hadrian fast zu widersprechen wagte, mahnten später dessen Freunde Favorinus an, dass er eigentlich im Recht gewesen sei. Doch Favorinus meinte dazu: "Ich muss davon ausgehen, dass derjenige der gelehrteste Mann ist, der 30 Legionen hat." (SHA, Hadrian 15) Die Machtfülle des Prinzeps ermöglichte aber auch den Blick auf das durch militärische Eroberungen zusammengewürfelte Grossreich. Diese Sicht auf das Reich als Ganzes und damit auf seine Entwicklungsmöglichkeiten jenseits von territorialer Expansion war den Anhängern der stadtstaatlichen Republik wie Cicero verwehrt geblieben. Für diese Politiker stellten die Provinzen und ihre Bewohner stets nur den Gegensatz zur Heimat Rom und Italien und seinen Bürgern dar: Sie blieben die nicht zu Rom Gehörigen und damit Ausbeutungsobjekte für die (begüterten) römischen Bürger. Es kommt nicht von ungefähr, dass erst in der Kaiserzeit allmählich die Provinzen und ihre Bewohnerschaft in ihrer konstituierenden Bedeutung für das ganze Reich gesehen wurden. Ein neues Sicherheitskonzept für das Reich sowie das Bürgerrecht für alle Bewohner des Reiches, ja sogar gewisse Erleichterungen und Aufstiegschancen für die Sklaven waren eine Folge dieses neuen Bewusstseins. Diese Hinwendung Roms zum monarchischen Reichsstaat begann sich mit Cäsar und Augustus zu realisieren.815 Dieser Reichsstaat hatte nicht mehr nur ausschliesslich die kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteile einer beschränkten Gruppe im Blickfeld, auch wenn natürlich die nobiles, equites und die cives Romani weiterhin besser gestellt sein sollten als nichtrömische Reichsbewohner und bewohnerinnen. Das Interesse der Kaiser wandte sich vermehrt der wirtschaftlichen Entwicklung des Imperiums als Ganzem zu. Denn nur durch die regelmässigen Steuereinnahmen aus den Provinzen waren die längerfristige Finanzierung des Staates einschliesslich Armee und damit die Erhaltung der persönlichen Machtstellung des Prinzeps sichergestellt.816 Der Kaiser als Oberaufseher über die staatlichen und privaten Einnahmen überwachte diese deshalb strenger als dies in der Republik durch Senat und Ritter geschehen war, die vielfach nur den eigenen Profit vor Augen hatten. Natürlich konnte auch der Kaiser Misswirtschaft, erpresserische Übergriffe und Selbstbereicherung einzelner Beamter und Steuereintreiber nicht verhin dern, doch aufgrund seiner Machtfülle hatte er nicht nur die weitaus besseren Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Als pater patriae, also Regent des ganzen Reiches, zeigte der Prinzeps auch mehr politischen Willen dafür. Tiberius selbst hatte durch die sofortige Übernahme der Prätorianergarde keinen Zweifel über seinen Willen zur Macht gelassen (vgl. Tacitus, Annalen 1,7,5; Sueton, Tiberius 24,1; Cassius Dio 57,2,Iff.), und später liess er die Senatoren beim Exerzieren der Prätorianer zusehen, um seine Macht zu demonstrieren (vgl. Cassius Dio 57,24,5; Nippel, Polizei (1988) 163). Vgl. auch Josephus, Ant. 14,190. Vgl. zur Konstatierung der Auflösung der Republik auch Morgan, Caesar as Tyrant (1997) 23-40. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 151f. S.o. Kap. 4.3.3 sowie Exkurse C.l bis C.5.
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Eine Reichspolitik, die nicht einfach auf die Ausweitung der eigenen Hegemonie beschränkt ist, erscheint demnach erst als Folge des Prinzipats. Dessen Einführung und der damit verbundene politische Weitblick sind sicher auch als Leistung einzelner Machtpolitiker wie Cäsar und Augustus und ihrer späteren Nachfolger zu werten. Ob ihre Motive dabei eher durch die Sicherung der persönlichen Machtstellung oder durch ein neues Reichskonzept (oder womöglich beide) bestimmt waren, ist schwierig zu entscheiden. Denn diese Männer haben ihrer Nachwelt keine Reichstheorie oder ein Reformprogramm hinterlassen, sondern im besten Falle Tatenberichte. Sicher ist jedoch, dass die Republik durch ihren Niedergang die Voraussetzungen geschaffen hatte für den Prinzipat und seinen schärferen reichspolitischen Weitblick.817 Der Bildung des Prinzipats kam sicher auch entgegen, dass die römische Nobilität in den Bürgerkriegen des 1. Jh.s v.Chr. einen grossen Blutzoll gezahlt hatte, und viele der Überle benden die Sicherheit unter Augustus der Vergangenheit vorzogen, insbesondere wenn sie durch Unterwürfigkeit, Reichtum und Ehrenstellen nach oben gelangen konnten.8'8 Für den politischen Rückhalt des Kaisers war neben der Armee auch die römische plebs von besonderer Bedeutung. Denn ihr Einfluss auf die Stellung der politischen Führungspersönlichkeiten Roms war seit der Zeit der Gracchen enorm gestiegen.8" Genau wie bei den Truppen, musste auch um ihre Loyalität geworben werden. Geld- und Getreidespenden sowie die Veranstaltung von Spielen wurden von den Kaisern gezielt dafür eingesetzt, wie dies schon in der späten Republik von reichen und ambitionierten Politikern praktizierte wurde.820 Sueton berichtet über die von Augustus veranstalteten Spiele: "Alle seine Vorgänger übertraf er durch die Zahl, die Mannigfaltigkeit und den Glanz der Schauspiele" (Augustus 43). 821
Dass die römische plebs in der konkreten Politik aber nicht mehr viel zu sagen hatte und in Spenden und Spielen eine Ersatzbefriedigung suchte, darauf weist die Aussage Juvenals hin: "Das Volk, das einst die Herrscher, die Konsular und die militärische Gewalt, kurz, alles verlieh, hält sich jetzt zurück; nach zwei Dingen lechzt es nur: nach Brot und Spielen" (Satyrikon 10,7881). 8 2 2
6.2
Die Entwicklung einer neuen Reichskonzeption: vom Stadtstaat zum Reichs staat
Günstig auf die Entwicklung des römischen Stadtstaates zum Reichstaat wirkte sich sicher die relative Offenheit der römischen Gesellschaft für einen gesellschaftlichen Aufstieg seiner Mitglieder aus. Diese Offenheit stand keineswegs in einem Gegensatz zur strengen hierarchischen Ordnung der römischen Gesellschaft, deren trennende Merkmale Augustus wieder stärker akzentuiert hatte.823
Vgl. Gesche, Weltbeherrscher(1981) 153ff. Vgl. Tacitus, Annalen 1,2,1; 1,10,4. Diese Stellen belegen deutlich den besonderen Zynismus des römischen Geschichtsschreibers. Vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 81; De Blois, Army and Politics (1987) 35. Vgl. Augustus, Res gestae 15; Tacitus, Annalen 13,31,2; Sueton, Domitian 4,5; De Blois, Army and Politics (1987) 36; Wengst, Pax Romana (1986) 49.192 Anm. 196; Nippel, Polizei (1988) 153-160; Starr, Empire (1982) 32f.; Griffin, Plebs and Princeps (1991) 32-46. Vgl. auch Veyne, Pain et Cirque (1976). Vgl. auch Augustus, Res gestae 22-23: Für eine inszenierte Seeschlacht liess Augustus eigens einen künstlichen See schaffen. Vgl. auch Tacitus, Annalen 4,33,2; Griffin, Plebs and Princeps (1991) 39. Ein gute und kurze Übersicht bieten Garnsey Salier, Empire (1987) 107125. Eine Hierarchie war auch in der plebs urbana Roms feststellbar, die zusätzlich gefördert wurde. Diese Hierarchie fand ihr Abbild etwa in der Sitzordnung des circus maximus, dem bevorzugten Kommunikationsfeld der Kaiser mit der städtischen plebs (vgl. Nippel, Polizei (1988) 156f.l59f.).
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S o w a r e n d i e R ö m e r k e i n e t h n i s c h g e n a u u m f a s s t e r V o l k s s t a m m , s o n d e r n R ö m e r s e i n war e i n e juristische und p o l i t i s c h e K a t e g o r i e : E n t w e d e r w a r j e m a n d v o n Geburt auf R ö m e r oder R ö m e r i n o d e r M a n n u n d Frau w u r d e n e s durch d e n V e r l e i h u n g s a k t d e s r ö m i s c h e n B ü r g e r rechtes. 824 D i e s e s B ü r g e r r e c h t w a r d a s e i g e n t l i c h e i n i g e n d e E l e m e n t der r ö m i s c h e n G e s e l l schaft, die durch verschiedene Kriterien w i e d e r u m in unterschiedliche G r u p p e n getrennt war: a b s t a m m u n g s m ä s s i g in p a t r i z i s c h e u n d p l e b e i s c h e Geschlechter 8 2 5 ; v o m V e r m ö g e n s z e n s u s her in das in f ü n f K l a s s e n unterteilte V o l k , die Ritter und die Senatoren 8 2 6 ; v o n den politischen B e f u g n i s s e n her in d a s V o l k (populus) u n d d e n Senat; u n d juristisch g e s e h e n in F r e i e u n d U n f r e i e , w o b e i die S k l a v e n i m Prinzip ausserhalb der G e s e l l s c h a f t standen, da sie als "Dinge" a n g e s e h e n wurden. 8 2 7 A l l e d i e s e t r e n n e n d e n S t a n d e s u n t e r s c h i e d e w a r e n j e d o c h in g e w i s s e r W e i s e d u r c h l ä s s i g : s o k o n n t e n S k l a v e n z u F r e i g e l a s s e n e n u n d als F r e i e z u r ö m i s c h e n Bür gern werden 8 2 8 ; g e w ö h n l i c h e B ü r g e r zu Rittern; d i e s e w i e d e r u m zu S e n a t o r e n und seit C ä s a r gar Plebejer zu Patriziern 829 . O b w o h l A u g u s t u s u n d Tiberius aus A n g s t vor einer Z e r s e t z u n g d e s r ö m i s c h e n B ü r g e r t u m s durch F r e i g e l a s s e n e d i e s e n etliche B e s c h r ä n k u n g e n auferlegten, stiegen e h e m a l i g e S k l a v e n in der Kaiserzeit dann bis in den Ritter und Senatorenstand u n d in h ö c h s t e p o l i t i s c h e Ä m t e r auf. 830 S o s t a n d e n f r e i e n P r o v i n z b e w o h n e m h ö c h s t e gesellschaftli c h e M ö g l i c h k e i t e n s c h o n in früher Kaiserzeit o f f e n . D a s r ö m i s c h e Bürgerrecht war auch hier Sprungbrett für eine militärische und z i v i l e Karriere. Spätestens mit Trajan u n d Hadrian wur d e n p r o v i n z s t ä m m i g e r ö m i s c h e Bürger gar zu Kaisern. 8 3 ' D a s Bürgerrecht bot d e m g e w ö h n l i c h e n Bürger auch den Vorteil d e s Provokationsrechtes, d a s e i n e m B e s c h u l d i g t e n ermöglichte,
Vgl. Medicus, Civitas (KP 1/1979) Sp. 1199; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 161. Vgl. Volkmann, Patres (KP 4/1979) Sp. 551. Vgl. Sumner, Legion (1970) 67-78. Augustus setzte den Vermögenszensus für die Senatoren wieder auf Γ000Ό00 HS fest, nachdem dieser vorher von Γ200Ό00 auf etwa 600Ό00 herabgesetzt worden war (vgl. Cassius Dio 56,41,3; Augustus, Res Gestae 8). Damit verstärkte Augustus wiederum den Unterschied zwischen Senatoren- und Ritterstand, dessen Zensuslimite weiterhin 400Ό00 HS betrug (vgl. Miliar, Mittelmeerwelt IV (1966) 35; Gamsey - Salier, Empire (1987) 112f.). Vgl. Braund, Empire (1988) 10. Vgl. Christ, Sozialstruktur (1980) 213; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 220-226. Den direkten Aufstieg (nach dem Aufstieg ins menschliche Sein) zum römischen Bürger konnte der ehemalige Sklave machen, wenn seine Freilassung (manumissio) vor einem Magistraten (Prätor) oder einer magistratischen Kommission erfolgte und bzw. oder der Herr die Eintragung seines freizulassenden Sklaven in die Zensuslisten beantragte. War die manumissio nur informell, erhielt der Sklave aufgrund der lex Iunia immerhin das latinische Recht, das ihm seit 23 n.Chr. jedenfalls den Zugang zu den öffentlichen Diensten Roms ermöglichte. Zu den Gründen, Preisen und Bedingungen für die Freilassung von Sklaven vgl. Hopkins, Conquerors (1978) 115-171. Insbesondere Frauen wurden eher selten freigelassen oder mussten ihre Freiheit häufig teuer erkaufen, da sie durch ihre Gebärfähigkeit für den Sklavennachschub eines dominus oder einer domina sorgten (vgl. auch Scheidel, Slaves (1997) 156-168). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 162. Nachdem die patrizischen Geschlechter langsam am Aussterben waren, erhielt Cäsar 45 v.Chr. durch die lex Cassia, Augustus 30 v.Chr. durch die lex Saenia und später Claudius, Vespasian sowie Titus das Recht als Zensoren, Patrizier zu ernennen (vgl. Augustus, Res Gestae 2,1; Tacitus, Annalen 11,25; Cassius Dio 43,47,3; 52,42,5; Gundel, Saenius (KP 4/1979) Sp. 1495). Danach hatte jeder Prinzeps, der allerdings selbst Patrizier sein musste, das Recht der Ernennung (vgl. Volkmann, Patres (KP 4/1979) Sp. 551). So wird der Freigelassene Pallas unter Claudius kaiserlicher Finanzminister (vgl. Sueton, Claudius 28,1) und erhält ehrenhalber gar prätorischen Rang (vgl. Plinius, Epistulae 7,29,2; 8,6,13; Hanslik, Pallas (KP 4/1979) Sp. 435), während Narcissus immerhin quästorischen Rang erreichte und 400 Mio. HS besessen haben soll (vgl. CIL XV 7500; Cassius Dio 60,34,6; Hanslik, Narcissus (KP 3/1979) Sp. 1571). Nymphidius wird für die Aufdeckung der pisonischen Verschwörung von Nero zum Präfekten der Prätorianergarde befördert und in den Besitz der Rangzeichen eines Konsuls gebracht (vgl. CIL VI 6621; Tacitus, Annalen 15,72,1; Hanslik, Nymphidius (KP 4/1979) Sp. 216). Trajan, Hadrian und Marc Aurel sind spanischer Herkunft. S. Severus stammt aus Nordafrika, während die Mutter seines Sohnes Caracalla Syrierin ist. Maximinus war ein thrakischer Bauemsohn, Philippus stammte aus Arabien und Decius aus Pannonien. Diokletian war gar das Kind eines illyrischdalmatischen Freigelassenen. Auch Aurelian stammte aus Illyrien (vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 229). Unter den Senatoren nahm der Prozentsatz an ausseritalischen Mitgliedern zu, nachdem sich der Senat zu Beginn des Prinzipats fast ausschliesslich aus dem italischen Raum rekrutiert hatte (vgl. Tacitus, Historiae 1,84; Starr, Empire (1982) 59f.).
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sich der Gerichtsbarkeit eines Statthalters zu entziehen. Jetzt bildete der Kaiser die Appellationsinstanz und nicht mehr die Magistraten und die Volksversammlung wie in der Republik.832 Das Bürgerrecht verband demnach die Bewohner des Imperiums in dreifacher Hinsicht: erstens untereinander, zweitens mit Rom und drittens mit dem Prinzeps, dem ersten Bürger des Staates.833 6.3
Verwaltungs und Steuerreformen während der Prinzipatszeit
Die Zentralisierung der politischen Macht in den Händen des Prinzeps zeitigte auch Folgen für die Provinzen, die zwar weiter als obere Verwaltungseinheiten fungierten. Die wesentlichen Entscheidungen wurden nun im Zentrum des Imperiums gefällt.834 Schon Augustus unterstellte 7 der insgesamt 17 Provinzen seiner direkten Kontrolle, die an Ort und Stelle von seinen Gesandten, den legati Augusti wahrgenommen wurde. Die später hinzukommenden Provinzen waren ebenfalls stets kaiserliche Provinzen. Zudem unterstanden ja seit Augustus auch die senatorischen Provinzen dem imperium maius des Prinzeps. Der Senatorenstand wurde zugunsten des kaiserlichen Beamtenapparates aus Rittern und Freigelassenen kontinuierlich zurückgedrängt, bis sich die Unterschiede zwischen senatorischen und kaiserlichen Provinzen im 3. Jh. fast vollständig aufgelöst hatten. Der Einfluss des Kaisers erstreckte sich dabei immer mehr auch in die lokale Selbstverwaltung hinein, nicht selten auf eigenen Wunsch der betroffenen Gemeinden.835 Der zunehmende Einfluss in den Provinzen machte sich auch dadurch bemerkbar, dass der Kaiser immer mehr auch in belanglosen Angelegenheiten um eine Entscheidung angegangen wurde, wie dies die Briefe von Plinius an Trajan zeigen. Doch auch in Rom selbst nahm der Einfluss des Kaisers gegenüber dem Senat ständig zu, der kaum mehr zu eigenen Entscheidungen fähig oder gewillt war.836 6.3.1
Römische Zentralisation und Ausbau der lokalen Selbstverwaltung
Einerseits wurden die städtischen Verwaltungen ausgebaut und etwas systematisiert, andererseits wurde auch die Administration der Provinzen vereinheitlicht. Allerdings sollten die betreffenden Anstrengungen nicht überschätzt werden, da die römischen Eliten in der Regel funktionierende Verwaltungsstrukturen bereitwillig übernahmen und für die eigenen Interessen einzuspannen suchten. Auch daran lässt sich der römische Pragmatismus erkennen. Ziel der römischen Verwaltung blieb weiterhin die Steuereintreibung, die Rekrutierung einer ausreichenden Zahl von Soldaten und die Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung römischer Diktion. Der Aufbau einer grossangelegten Bürokratie gehörte nicht dazu.837 Wo dies nicht bereits geschehen war, wurden die Provinzen unter Augustus in Unterbezirke eingeteilt. Diese Neugliederung löste im Westen die alte, meist stammesmässige Gau-Einteilung ab. Jeder dieser Bezirke erhielt eine Bezirkshauptstadt, die als Zentrum für die Verwaltung, die Eintreibung lokaler und römischer Steuern, Rechtssprechung und Gerichtsbarkeit fungierte.838 Wo es nicht schon städtische Gemeinwesen gab, die diese Funktion ausüben Vgl. Medicus, Provocatio (KP 4/1979) Sp. 1201; Raber, Coercitio (KP 1/1979) Sp. 1240f. Vgl. auch das römische Verfahren gegen Paulus. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 231. Vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 8. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 183. Aus der Zeit Domitians und Hadrians sind sogar Fälle bekannt, in denen sich einzelne municipia den Kaiser als städtischen Ober-Magistraten wünschen, der daraufhin einen Präfekten als seinen Stellvertreter entsendet. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 183.276 Anm. 19. Vgl. Garnsey - Salier, Empire (1987) 20-26.32.39f; Egger, Crucifixus (1997) 7. Ein Grund dafür lag sicher auch darin, dass die verwaltungstechnische Grundstruktur "Römische Zentrale - Provinz - Stadt" immer wieder durchbrochen wurde durch den besonderen Status von civitates liberae und foederalae oder verschiedensten Klientelfürsten und -königen (vgl. Noethlichs, Judentum (1996) 32). Vgl. Thomasson, Asia (KP 1/1979) Sp. 636. So unterstanden den Städten Caesaraugusta (Zarazoga) gemäss Plinius 55 und Carthago Nova (Cartagena) 65 ländliche populi (vgl. Plinius, Naturalis historia 3,24; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 177f.). Das Recht zur Eintreibung lokaler Steuern wurde von den Römern in der Regel einfach bestätigt, wo es sich um traditionelle Steuern handelte. Wenn es um die
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konnten, wurden teilweise Dörfer in den Rang einer Stadt erhoben oder gar mehrere Dörfer zu einer Stadt gemacht. In der Tat ist unter römischer Herrschaft eine starke Zunahme von Städten feststellbar.839 Ob allerdings die Römer die Urbanisierung quasi als Teil einer eigenen Zivilisierungsstrategie verstanden, ist schwer zu entscheiden.840 Vielmehr dürfte sich auch die römische Urbanisierungspolitik eher der pragmatisch orientierten Schaffung einer funktionstüchtigen Administration des imperium Romanum verdanken. Diese weitergehende Urbanisierung war mit einer zunehmenden Selbstverwaltung der Provinzen verbunden, da mit Ausnahme Δgyptens alle Stadtgemeinden des Imperiums über eigene administrative Kompetenzen verfügten. 841 Dazu trug auch die fortschreitende Verleihung des Status eines municipium oder einer colonia mit der dazu gehörigen Verfassung an provinziale Stadtgemeinden bei.842 Die damit zusammenhängende teilweise Kompetenz zur Selbstverwaltung trug wesentlich zur Romanisierung der Provinzen bei. Aelius Aristides preist diese Urbanisierungspolitik der römischen Kaiser und meint in Bezug auf vorhergehende Herrscher, "dass jene gleichsam Könige über leeres Land und feste Burgen waren, während ihr allein Herrscher über Städte seid" (Romrede 93). Die mit der Selbstverwaltung verbundenen Aufgaben wurden besonders älteren und wohlhabenden Bürgern übertragen. 843 Das dabei praktizierte Liturgien-System funktionierte derart, dass die Magistraten für ihre Aufgaben keinen Lohn erhielten, sondern höchstens das römische Bürgerrecht und die damit verbundenen Aufstiegschancen. 844 Damit trug dieses System in seiner Weise zur Romanisierung einer Provinz bei.845 Daneben versprachen diese Stadtämter allerdings auch öffentliche Anerkennung und damit einen Prestigezuwachs. Deshalb konnten im Prinzip nur begüterte Personen diese Aufgaben erfüllen.846 Die Schreibsklaven oder Stadtschreier der Stadträte (decuriones) hingegen wurden von der öffentlichen Hand bezahlt.847 Offenbar wurden diese Ratsherren noch zu weiteren "freiwilligen" Leistungen für die Φffentlichkeit verpflichtet.848 Eine gewisse Freigebigkeit den Armen gegenüber konnte zudem sozialen Sprengstoff entschärfen und vor Unruhen und Aufständen bewahren.849 Überhaupt wurde ein sehr grosser Teil der öffentlichen Aufgaben, wie auch die Errichtung von öf
Einführung neuer Steuern ging, entschied in der Regel wohl der Provinzgouverneur. Dies zeigt ein Brief Vespasians an die spanische Stadt Sabora (vgl. ILS 6092; Reynolds, Cities (1988) 34f.). Vgl. auch Codex Iustinianus 4,62,1; Gamsey - Salier, Empire (1987) 37. Vgl. Isaac, Administration (1990) 151. So Jones, Greek City (1940) 60. Isaac, Administration (1990) 151-159, spricht sich gegen eine aktive Städtebaupolitik im Sinne von Neugründungen im grossen Stil in Judäa unter römischer Herrschaft aus. Vgl. Volkmann, Municipium (KP 3/1979) Sp. 1465ff. In Δgypten behielt Rom die ptolemäische Verwaltungsorganisation bei, die den Städten keinerlei Selbstverwaltung zugestand (vgl. Volkmann, Praefecuts Aegypti (KP 4/1979) Sp. 1103ff.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 178). Vgl. Medicus, Coloniae (KP 1/1979) Sp. 1248ff.; Volkmann, Municipium (KP 3/1979) Sp. 14651469; Gamsey - Salier, Empire (1987) 27f.; Reynolds, Cities (1988) 23. Zu ihren Aufgaben gehörte neben der Einziehung von Steuern und der lokalen Rechtssprechung etwa die Versorgung mit Getreide, die Erhaltung oder Errichtung öffentlicher und religiöser Bauten wie Theater, Marktplätze, Strassen, Verteidigungsanlagen, Bäder, Gymnasien, die Organisation eines Wach- bzw. Polizeidienstes oder einer Feuerwehr usw. (vgl. Reynolds, Cities (1988) 31-34.). Vgl. Volkmann, Municipium (KP 3/1979) Sp. 1468; Gamsey - Salier, Empire (1987) 33; Reynolds, Cities (1988) 44f. Vgl. Volkmann, Provincia (KP 4/1979) Sp. 1200. Vgl. Gamsey - Salier, Empire (1987) 33f.; Vgl. Reynolds, Cities (1988) 35-38. Dass diese Aufgaben durchaus mit einem persönlichen finanziellen Aufwand verbunden waren, zeigt auch das Privileg für gewisse Veteranen, von öffentlichen Δmtern verschont zu bleiben. Vgl. dazu auch den Exkurs C.6. Zu den decuriones als Stadträten vgl. Stiegler, Decurio (KP 1/1979) Sp. 1417ff. Vgl. Plinius, Epistulae 10,39,5; Reynolds, Cities (1988) 36. Dion Chrysostomos, Oratio 46,10f., zeichnet ein Bild der Folgen solcher sozialer Spannungen. Vgl. auch Reynolds, Cities (1988) 37.40.
Β Administrative und finanzielle Strategien
107
fentlichen Bauten, durch private Spenden oder Fronarbeit finanziert bzw. erledigt.8® Grosszügige Spenden konnten dabei auch sozial Tiefergestellten wie Freigelassenen einen Prestigezuwachs ermöglichen und einen gesellschaftlichen Aufstieg erleichtem.851 Frauen konnten durch ihre Freigebigkeit zwar offenbar kein öffentliches Amt erreichen, doch fungierten sie anerkanntermassen als Priesterinnen oder Vereins-Patroninnen.852 Die Übersendung des alexandrinischen Ediktes zur Judenpolitik von Kaiser Claudius an den Magistrat von Dora zeigt dabei, dass die lokalen Behörden für die Durchsetzung bzw. Achtung der kaiserlichen Gesetze mitverantwortlich waren.853 Diese Mitverantwortung der lokalen Eliten für Ruhe, Ordnung und öffentliche Sicherheit lässt sich an vielen Beispielen nachweisen. So erscheinen 58 n.Chr. etwa die Friesenführer Verritus und Malorix vor Nero. Der Kaiser befiehlt ihnen, nachdem sie schon vom Statthalter der Provinz Germania inferior, Dubius Avitus, dazu angewiesen wurden, die von ihren Stämmen besetzten Gebiete zu räumen, die den römischen Soldaten als Siedlungsgebiet vorbehalten sind. Als dies nicht geschieht, setzen die römischen Behörden Auxiliarverbände ein, die ihre Befehle nun mit Gewalt durchsetzen, wobei es auch Tote und Gefangene gibt.854 Das Einschreiten der lokalen Behörden gegen Ruhestörer wird auch im Zusammenhang mit christlicher Predigt- und Zeichentätigkeit belegt. Ein Beispiel dafür sind die Ereignisse in Philippi, welche die Apg überliefert.855 Im Interesse der öffentlichen Ruhe und Sicherheit schreiten die lokalen Behörden mit polizeilichen Massnahmen gegen die christlichen Unruhestifter Paulus und Silas ein: Verhaftung, Sicherheitsverwahrung (Schutzhaft), Verhör, körperliche Züchtigung, Predigtverbot und Ausweisung.856 Dieses behördliche Eingreifen wird auch nach der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes in Palästina deutlich, als sich Sikarier nach Alexandria in Δgypten absetzen, wo sie gemäss Josephus einen neuen Aufstand zu entfachen suchen, indem sie zum Freiheitskampf gegen das römische Joch aufrufen.851 Als ihnen Angehörige der lokalen jüdischen Oberschicht entgegentreten, werden diese umgebracht. Daraufhin beruft der Stadtrat in der Sorge um die eigene Sicherheit eine Einwohnerversammlung ein.858 Als Zweck nennt Josephus die zweifache Ermahnung der jüdischen Bevölkerung: einerseits nicht dem "Wahnsinn der Sikarier"859 zu verfallen, anderseits durch die Gefangennahme und Auslieferung der Sikarier jeden Verdacht der Kollaboration mit den Aufständischen zu entkräften und so der drohenden Bestrafung durch die Römer zu entgehen.860
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Vgl. Garnsey - Salier, Empire (1987) 32ff.; Geiger, Local Patriotism (1990) 141f. Zu privaten Geldspenden vgl. etwa IGRR 3,800: ein reicher Bürger aus Syllium in Pamphylia verteilte in seinem Amtsjahr 20 Denare an jedes Ratsmitglied, 18 Denare an alle Mitglieder des Altestenrates und der Volksversammlung, 2 Denare an jeden Bürgerund 1 Denar an jeden Freigelassenen und Fremden. Zur Fronarbeit für die Städte vgl. Gonzalez, Lex Iraitana (1986) 147-243. Vgl. Reynolds, Cities (1988) 48f. Die Artemis-Priesterin von Kyrene wird ebenso selbstverständlich genannt wie der Apollo-Priester (vgl. CIG 5130), und in Aphrodisias gab es neben den Priestern und Priesterinnen der Aphrodite auch noch Blumenträgerinnen (vgl. MAMA 8,547; Reynolds, Cities (1988) 50f.). Vgl. Josephus, Ant. 19,280-285; Egger, Crucifixus (1997) 103. Vgl. Tacitus, Annalen 13,54; Hanslik, Malorix (KP 3/1979) Sp. 936; Chantraine, Verritus (KP 5/1979) Sp. 1209; Egger, Crucifixus (1997) 122f. Vgl. Apg 16,16-24.35-39. Vgl. auch 1 Thess 2,lf.; Phil 1,12-30; 2 Kor 11,25. Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 128-133. Vgl. Josephus, Bell. 7,410f. Die Semantik des Abschnittes erinnert an die "Vierte Philosophie" von Judas Galiläus wie auch an gewisse prophetische Volksführer (vgl. Bell. 2,258ff.; Hengel, Zeloten (1961) 94). Vgl. auch Kap. 12.0. Vgl. Josephus, Bell. 7,412. Dies ist ein beliebter Topos von Josephus (vgl. u. Kap. 14.1.2). Vgl. Josephus, Bell. 7,413f. Es fragt sich in diesem Zusammenhang, an wen die gefangenen Sikarier ausgeliefert werden sollten. War es der Δltestenrat, dann kann in der Folge die körperliche Züchtigung hier durchgeführt worden sein (so Michel - Bauernfeind, De Bello Judaico II.2 (1969) 281 Anm. 192f.). Smallwood, Roman rule (1976) 366, hingegen plädiert für die Folterung und Hinrichtung durch die römischen Behörden unter Tiberius Iulius Lupus. Vom Text her kann diese Frage nicht endgültig geklärt werden. Es lässt sich aber durchaus an ein abgestuftes Vorgehen denken: Verhaftung und Folter durch den
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
Es kann festgestellt werden, dass die Mitverantwortung der lokalen Behörden für die öffentliche Ruhe als Erstverantwortung konzipiert ist. Erst dort, wo die Mittel der lokalen Behörden nicht ausreichen, greift die römische Besatzungsmacht gemäss dem Subsidiaritätsprinzip mit härteren Mitteln bis hin zum militärischen Einsatz ein. Namentlich sind die lokalen Behörden dazu verpflichtet, Unruhen vorzubeugen und im Bedarfsfall die öffentliche Ruhe wieder herzustellen. Daneben wirken sie in Fragen der öffentlichen Ruhe als Ordnungsinstanz bei der Strafrechtspflege des Statthalters mit. So gehören die Verfolgung, Verhaftung, Verwahrung und Überstellung von Straftätern an die römischen Behörden zu ihren Pflichten. Für ihre ordnungspolitischen Aufgaben werden den lokalen Behörden dabei neben psychologisch-argumentativen Mitteln auch beschränkte polizeiliche Koerzitionsmassnahmen von römischer Seite aus zugestanden: dazu gehören die Kompetenzen zur Festnahme und Verhör, zur körperlichen Züchtigung und Verwahrung.861 Das oben erwähnte Liturgien-System fand in der Kaiserzeit auch verbreitet bei der Eintreibung der Steuern Anwendung, wenn lokale Eliten für die Steuersummen den römischen Behörden gegenüber garantieren mussten.862 Für Rom hatte dieses System im Zusammenhang der Erstverantwortung für die Wahrung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit durch die lokalen Eliten verschiedene Vorteile. So wurden die lokalen Eliten an der Herrschaft beteiligt, indem ihnen von Rom ein Rest ihrer früheren Autonomie zugestanden wurde. Andererseits vermieden sie durch ihre Erstverantwortung viele Konflikte zwischen der lokalen Bevölkerung und der römischen Besatzungsmacht. Der Einbezug der lokalen Eliten in den Provinzen war für die römische Weltmacht demzufolge nicht nur eine Notwendigkeit, sondern sie wirkte sich auch stabilisierend auf die römische Herrschaft aus.863 Wo nicht schon eine solche oligarchische Gruppe bestand, auf deren Zusammenarbeit die römische Elite zählen konnte, wurde diese von den Römern gezielt geschaffen.864 Ein kleiner demokratischer Spielraum blieb der Bevölkerung zum einen durch die Wahl von bestimmten Magistraten. Dabei mussten auch die Kandidaten schon gewisse soziale Voraussetzungen mit sich bringen. Zudem wurde dieses Wahlrecht teilweise zurückgedrängt.865 Daneben boten auch die Bürgerversammlungen der Bevölkerung eine Möglichkeit, sich zu aktuellen Problemen und Fragen zu äussern. Dass diese Versammlungen jedenfalls in gewissen Fällen mehr als nur Folklore waren, zeigt die Warnung Plutarchs an junge Politiker, die Versammlung gut zu kontrollieren und nicht überborden zu lassen.866 Für neue und grössere Projekte musste allerdings immer die Erlaubnis des Statthalters eingeholt werden. Auch die Errichtung neuer öffentlicher Gebäude musste vom Gouverneur bewilligt werden. Überhaupt wurde in vielen Fällen die Provinzzentrale um ihre Erlaubnis oder ih ren Rat angegangen, manchmal möglicherweise einfach, um die eigene Loyalität zu demon strieren.867 Wahrscheinlich oft auch aufgrund der Zerstrittenheit der lokalen Behörden, um einen Schiedsspruch des Statthalters zu erlangen oder sich eines Konkurrenten durch falsche Anschuldigungen zu entledigen.868 Die Gouverneure ihrerseits überwachten die Aktivitäten der Provinzstädte, und seit der Zeit Trajans lesen wir von curatores rei publicae oder logistes, die
jüdischen Δltestenrat, weitere Massnahmen durch die römischen Behörden (vgl. Egger, Crucifixus (1997) 117f.). Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 134f. Vgl. Kippenberg, Klassenbildung (1978) 125-128. Vgl. schon ebd. 110-117 zur Anwendung dieses Systems in Palästina gegen Ende der Republik. S. auch o. Kap. 1.1.6. Dies galt besonders für den Westen des Reiches (vgl. Medicus, Concilium (KP 1/1979) Sp. 1268; Gamsey - Salier, Empire (1987) 196). Vgl. Reynolds, Cities (1988) 25f. Vgl. Plutarch, Moralia 796C; 815a; Reynolds, Cities (1988) 27. Vgl. auch die Beschreibungen bei Dion Chrysostomos, Oratio 7,24-63. Vgl. Plinius, Epistulae 10,23-24; Digesta 50,10,3; Garasey - Salier, Empire (1987) 37.197.; Reynolds, Cities (1988) 39f. Vgl. Plinius, Epistulae 6,31,3; Dion Chrysostomos, Oratio 43.
Β Administrative und finanzielle Strategien
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als römische Beamte insbesondere die Finanzaktivitäten der Provinzstädte unter die Lupe nahmen.869 Ein wichtiger Faktor für die Romanisierung der städtischen Eliten bildete auch die Möglichkeit, nach Erreichen des 30. Altersjahres einen Zenturio-Posten in einer römischen Legion zu besetzen. Ihm standen damit die militärischen und sozialen Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb des römischen Imperiums offen. Eine andere Möglichkeit der Integration war die Besetzung von verschiedenen Verwaltungsposten."70 Dass sich seit Augustus Abgeordnete (legati) aus den wichtigsten Städten einer Provinz einmal im Jahr zu einer Art Landtag in der Provinzhauptstadt trafen (concilium provinciate), war der Romanisierung ebenfalls förderlich.871 Diese Versammlung verfügte zwar über keinerlei jurisdiktioneile, administrative oder gesetzgeberische Kompetenz, doch hier wurde der Kaiserkult unter der Leitung des zuständigen, nebenamtlichen Priesters bzw. der Priesterin begangen.872 Diese wurden von den römischen Offiziellen als wichtigste Persönlichkeiten einer Provinz bezeichnet, und die Wahl zum Sprecher bzw. zur Sprecherin des Provinzlandtages für ein Jahr war mit viel Prestige verbunden. Diese Versammlung nahm auch Berichte über die Tätigkeit des Statthalters entgegen wie auch den Bericht des Statthalters selbst. Daraus ergaben sich entweder Ehrenzuweisungen für den Gouverneur oder Beschwerden über diesen beim römischen Senat oder dem Kaiser.873 Schwere Beschuldigungen wie der Ausbeutung oder der Erpressung führten in den meisten Fällen zu einem Gerichtsverfahren gegen den Statthalter. Dass dieses Recht benutzt wurde, zeigen die Befürchtungen der römischen Aristokratie, die Bewertungen der römischen Statthalter durch die Landtage der Provinzen könnten überhand nehmen.874 "Der Effekt der Provinziallandtage ist demnach ein vierfacher: sie fördern unter der Bevölkerung einer Provinz das Gefühl der Zusammengehörigkeit; sie bilden eine offensichtlich nicht ganz unwirksame Kontrollinstanz gouvernementaler Misswirtschaft; sie sichern den Provinzialen einen direkten Zugang zum Kaiser selbst; und sie stellen - kultisch-religiös und politisch-eine Verbindung zwischen der Reichsspitze und den Provinzen her."875 Dieser unmittelbare Zugang zur Reichszentrale kam der Vereinheitlichung der Reichsverwaltung sicher ebenfalls entgegen. Die Provinziallandtage sollten natürlich auch die Eintracht (concordia) unter den unterworfenen Völkern, Städten und ehemaligen Staaten fördern, die nun in einer Provinz zusammengefasst waren. Gemeint war dabei natürlich in erster Linie die Eintracht der jeweiligen Eliten.876 Daneben waren es auch die Spiele, die zunehmend in Verbindung mit den Provinziallandtagen und dem Kaiserkult veranstaltet wurden, welche die Romanisierung der Bevölkerung vorantreiben sollten.877 Dabei dienten sie auch den einheimischen Eliten nach dem Vorbild des Kaisers in Rom als Herrschaftsabsicherung. Schliesslich konnte dadurch lokaler Patriotismus demonstriert werden.878 Schon Lucullus hatte im Zuge des dritten mithridatischen Krieges offenbar Spiele als politisches Mittel eingesetzt. Plutarch berichtet:
Vgl. Plinius, Epistulae 10; ILS 5918a; Reynolds, Cities (1988) 41f. Vgl. Starr, Empire (1982) 95f. S. Exkurs C.8. Zu Aufbau, Ablauf und Funktion dieser Landtage vgl. ausführlich Deininger, Provinziallandtage (1965). Eine Oberpriesterin als Leiterin des Kaiserkultes ist zum ersten Mal für die Zeit von 40-59 n.Chr. belegt (vgl. Kern, Inschriften (1900) Nr. 158; Klauck, Religiöse Umwelt II (1996) 65f.). Zum Kaiserkult s.u. Kap. 8.2. Vgl. Tacitus, Annalen 15,21 f.; Volkmann, Provincia (KP 4/1979) Sp. 1200; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 181f. Tacitus legt diese Befürchtung in den Mund des Senators Thrasea Paetus in die Zeit Neros (vgl. Annalen 13,23; Gundel, Paetus (KP 4/1979) Sp. 404). Gesche, Weltbeherrscher (1981) 182. Vgl. Wengst, Pax Romana (1986) 35.187f. Anm. 109. Vgl. Medicus, Concilium (KP 1/1979) Sp. 1268. Vgl. Geiger, Local Patriotism (1990) 142f.
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"Nachdem Lucullus in Kleinasien überall die gesetzliche Ordnung und den Frieden wie derhergestellt hatte, unterliess er es auch nicht, für Freude und Heiterkeit zu sorgen, son dern machte sich, während er in Ephesus sass, durch feierliche Aufzüge, grossartige Sie gesfeste, Athleten und Gladiatorenkämpfe bei den Städten beliebt." (Lucullus 23)
Dass diese Veranstaltungen durchaus ihre Wirkung hatten, zeigt auch eine von Tacitus überlieferte Episode. Als ein Germane aus dem Gebiet jenseits des Rheins nach Köln kommt, um seine dort lebenden Landsleute zur Teilnahme an der Civilis-Revolte aufzufordern, tut er dies auch mit den Worten: "Hinweg mit den Genüssen, durch die R o m bei den Unterworfenen mehr ausrichtet als durch seine Waffen!" (Historiae 4,64,3)
Allerdings hat er bei seinen Landsleuten keinen Erfolg, die nicht auf die römische Lebensart und ihre guten Beziehungen zu den römischen Kolonisten verzichten wollen.879 Solche, teilweise sehr kostspielige Veranstaltungen standen häufig in einem krassen Gegensatz zur Armut eines Teils der Bevölkerung. Dies zeigt eine Überlieferung von Apuleius. Er berichtet von einem gewissen Demochares, der in Platäa Gladiatorenspiele veranstalten wollte. Gemäss Apuleius "war dies ein Mann von Ahnen mit Rasse, gut bei Kasse und ein Mäzen mit Klasse, der seinen Reichtum entsprechend glänzende Volksbelustigungen zu arrangieren pflegte ... Hier berühmt geschickte Gladiatoren, dort bewährt flinke Tierkämpfer, weiter vogelfreie Verbrecher, die mit ihrem Appetit die Ration wilder Raubtiere bereitstellten ... Welche Mengen ausserdem, welche Arten wilder Tiere! Hatte er es sich doch besonders angelegen sein lassen, auch von auswärts jene wundervollen Särge für Leute, die ihren Kopf verwirkt haben, kommen zu lassen." (Metamorphoses 4,13,26)
Plötzlich wurden aber die Tiere durch ein Seuche fast völlig dahingerafft und immer wieder "konnte man überall auf den Strassen Kadaver von halbtoten Tieren liegen sehen. Da machten sich die einfachen Leute, die in ihrer kümmerlichen Armut, ohne im Essen wählerisch zu sein, für den abgemagerten Bauch Unappetitliches zum Füllen und kos tenlose Mahlzeiten zusammensuchen müssen, über die allerorten daliegenden Festbraten her." (Metamorphoses 4,14,2f.)
6.3.2
Massnahmen gegen Korruption und Ausbeutung
Neben der unbestrittenen Abhängigkeit war ein gewisses Vertrauen insbesondere der periphe ren Eliten in die Kaiser sicher auch als Folge des Vorgehens gegen die besonderen Schwach stellen der republikanischen Provinzverwaltung entstanden: Diskontinuität und erpresserische Ausbeutung. Zu diesem Zweck blieben bewährte kaiserliche Legaten über mehrere Jahre in der gleichen Provinz tätig, andererseits wurden auch die im Prinzip immer noch auf ein Jahr befristete Amtszeit der senatorischen Statthalter häufig verlängert.880 Auch die ritterlichen Präfekten bzw. Prokuratoren konnten für längere Zeit in ihren Provinzen bleiben, wenn sie zur (wie immer relativen!) Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten wie auch Untertanen regierten und sich nicht durch besondere Grausamkeiten oder Unfähigkeit auszeichneten.881 Gerade Tiberius sandte Beamte für längere Zeit in die Provinzen. So sind auch für die Provinz Judäa die beiden längsten Amtszeiten von Statthaltern für die Zeit von Tiberius belegt: Valerius Gratus (15-26 n.Chr.) und Pontius Pilatus (26-36 n.Chr.).882 Zudem sollte eine gewisse gegenseitige Kontrolle der Prokuratoren die Misswirtschaft in den Provinzen einschränken. In Judäa konnte etwa der Prokurator Jamnias den Prinzeps in Rom
Vgl. Tacitus, Historiae 4,65,2; Wengst, Pax Romana (1986) 60. Diese Aussage passt sehr gut zur Einschätzung von Tacitus der Dekadenz im römischen Imperium. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 184. Vgl. Stern, Judaea (1974) 319. Vgl. Josephus, Ant. 18,168-178; Tacitus, Annalen 1,80.
Β Administrative und finanzielle Strategien
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mit unabhängigen Informationen versorgen.883 Aus Britannien ist die Rivalität zwischen dem Statthalter Suetonius Paulinius und seinem Finanzprokurator Iulius Classicianus überliefert, welche die gegenseitige Deckung illegaler Aktivitäten erschwerte, die sonst häufig unter hohen Beamten praktiziert wurde.884 Im Weiteren sollte eine Neuregelung des Steuerwesens sowie eine bessere Kontrolle der damit beauftragten Beamten der krassen Ausbeutung der Provinzen, wie sie in republikanischer Zeit praktiziert wurde, einen Riegel schieben. So ersetzte der direkte Steuereinzug nach und nach das Steuerpachtsystem. Senatorische Quästoren und kaiserliche Prokuratoren übernahmen dabei allmählich die Aufgaben der Publikanen-Gesellschaften.885 Augustus selbst liess sein eigenes Vermögen nach dem Vorbild reicher Leute aus den Zeiten der Republik durch Sklaven oder Freigelassene als procuratores verwalten, die auch mit staatlichen Aufgaben beauftragt wurden.886 Mit ritterlichen Prokuratoren begründete Augustus zugleich einen neuen Beamtenstand für die Staatsverwaltung. Je nach Verdienst hiessen diese durch kaiserliche codicilli ernannten Prokuratoren sexagenarii (60Ό00 HS Jahresgehalt), centenarii (100Ό00 HS), ducenarii (200Ό00 HS) und trecenarii (300Ό00 HS).887 Die Amtstitel weisen auf die besondere Tätigkeit der procuratores hin.888 In senatorischen wie in kaiserlichen Provinzen verwaltete der procurator fisci selbständig neben den Statthaltern die kaiserliche Kasse und erhielt durch Senatsbeschluss die Jurisdiktion in Zivilprozessen.889 Die Trennung von Militär- und Finanzverwaltung erlaubte in den kaiserlichen Provinzen eine gute gegenseitige Kontrolle.1™0 Eine besondere Gruppe ritterlicher Prokuratoren fungierte als Statthalter in kleineren Provinzen wie den Alpes Cottiae, in Noricum oder in Judäa.891 Der von Augustus begründete Verwaltungsapparat bestand zu einem grossen Teil aus zwei Gruppen, die stark an den Prinzeps gebunden waren und ihm ergeben waren: aus Angehörigen der Armee und kaiserlichen Freigelassenen.892 Auch wenn sich dieser Verwaltungsapparat nur allmählich über die Jahrhunderte hinweg ausbildete, so gehen doch seine Grundlinien auf Augustus selbst zurück. 89 ' Für einen neuen Kaiser war es dabei eine grosse Erleichterung, wenn er das Verwaltungspersonal seines Vorgängers übernehmen konnte, auch wenn er natürlich zusätzlich eigene Vertrauensleute einsetzte.894 Die Offiziere waren an sich schon über das militärische Oberkommando des Kaisers an seine Person gebunden, und die Freigelassenen verdankten dem Kaiser in vielen Fällen ihren Wiedereintritt in die menschliche Gesellschaft.895 Da der Kaiser nicht nur die ritterlichen Prokuratoren und Präfekten der kaiserlichen Provinzen bestimmen, sondern auch den prokonsularen und damit senatorischen Statthaltern als Stellvertreter ritterliche Prokuratoren zuordnen konnte, ergab sich auch für die senatorischen Provinzen eine gute Kontrollmöglichkeit durch den Prinzeps. Und weil diese Prokuratoren auch für die Besoldung der Soldaten zuständig 883
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Vgl. Josephus, Ant. 18,163. Vgl. Tacitus, Annalen 14,38; Stern, Judaea (1974) 323. Vgl. Ürögdi, Publicani (KP 4/1979) Sp. 1235f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 177.184. So amtete etwa Licinius, der ehemalige Sklave von Augustus, als procurator fisci Galliae Lugdunensis (vgl. Cassius Dio 54,21,3ff.; Volkmann, Procurator (KP 4/1979) Sp. 1151). Vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 3741; MayerMaly, Codicilli (KP 1/1979) Sp. 1238; Volkmann, Pro curator (KP 4/1979) Sp. 1151. Pontius Pilatus gehörte wahrscheinlich in die Kategorie der centenarii (vgl. Domaszewski Dobson, Rangordnung ( 2 1967) XLIV; Stern, Judaea (1974) 320; Stenger, Gebt dem Kaiser (1988) 38). S. auch u. Kap. 13 (Einführung). So sind für die entsprechenden Bergwerke procuratores argentarium, aurarium,ferrarium belegt, wie auch procuratores monetae oder aquae (vgl. Volkmann, Procurator (KP 4/1979) Sp. 1151). Sueton war procurator a studiis und a bibliothecis (vgl. Fuhrmann, (KP 5/1979) Suetonius Sp. 411). Vgl. Sueton, Claudius 12; Tacitus, Annalen 12,60; Volkmann, Procurator (KP 4/1979) Sp. 1151. Vgl. Herz, Logistik (2002) 39. Vgl. Pflaum, Carrieres procuratoriennes equestres 1-4 (1960-1982). Vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 7; Starr, Empire (1982) 71. Vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 226-230; Zwicky, Verwaltung (1944) 45f. Vgl. Starr, Empire (1982) 72 Mit der Zeit allerdings verschwanden die Freigelassenen immer mehr aus der Verwaltung, wohl auch deshalb, weil der Sklavenstand allgemein am Schrumpfen war (vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 35).
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
waren, verfügten sie hier über einen guten "Draht" zu den Truppen. Deren Loyalität und die ihrer Führer war ja für die Kaiser von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit.896 Um möglichen grösseren Konspirationen vorzubeugen, war es den Provinzgouverneuren auch verboten, eigenmächtig mit anderen Statthaltern zusammenzuarbeiten oder zu kommunizieren. Wo die Zusammenarbeit und Koordination mehrerer Provinzen angezeigt war, wurde diese von kaiserlichen Sonderbevollmächtigten oder gar vom Kaiser selbst wahrgenommen.897 Der streng hierarchische und mit der Armee aufs engste verflochtene Verwaltungsapparat und die zentralistische Leitung taten das ihrige, endlich eine gewisse Kontinuität und Ausgeglichenheit in den staatlichen Finanzhaushalt zu bringen. Die Kontrolle der Statthalter durch den Kaiser war nun bedeutend besser als seinerzeit durch die republikanischen Institutionen. Trotzdem kann die Aussage von Aelius Aristides wohl nur aus dem Mund eines Angehörigen der Oberschicht kommen, der von den "Segnungen" des Imperiums am meisten profitieren konnte.898 Aelius meint, dass keiner der höchsten Repräsentanten Roms in den Provinzen "ohne Bewegung bleiben könnte, wenn er auch nur den Namen des Herrschers vernimmt, sondern er erhebt sich, preist und verehrt ihn und spricht zwei Gebete, eines für den Herr scher zu den Göttern und eines zu dem Herrscher selbst für das eigene Wohl" (Romrede 32). 899
Die finanziellen und sozialen Aufstiegsmöglichkeiten, die sich durch eine Verwaltungslaufbahn eröffneten, trugen ein weiteres zur Bekämpfung von Korruption und Misswirtschaft bei. Mit S. Severus erschienen dann auch in den unteren Beamtenstellen immer mehr Soldaten, so dass auch diese Beamtenschicht zunehmend militärisch organisiert war. In Ostia übernahm etwa ein Zenturio die Beaufsichtigung der annonae, der möglicherweise im Zuge der Über nahme der Getreidverwaltung durch den praefectus praetorio neu die Funktion des früheren procurator annonae inne hatte.900 Von den Kaisern wurde ein weiterer Faktor für die ruinöse Ausplünderung der Provinzen ins Visier genommen: Obwohl die Publikanen-Gesellschaften zwar erst etwa ab Hadrian ganz verschwanden, traf schon Nero Vorkehrungen, um die Auspressung der Provinzen durch überhöhte Steuerforderungen der Pachtgesellschaften einzudämmen. So liess der Prinzeps die Höhe der regulär einzuziehenden Steuern öffentlich bekanntgeben und verfügte per Edikt, dass Beschwerden gegen Steuerpächter in den senatorischen Provinzen vor dem zuständigen Statthalter oder im Falle der kaiserlichen Provinzen vor dem Prätor in Rom verhandelt werden sollten. Schon Augustus hatte einerseits für die Provinzgouverneure und ihre Stellvertreter ihrem Rang entsprechend hohe Jahresgehälter zwischen 60Ό00 und l'OOO'OOO HS angesetzt. Andererseits sollten nobiles unter einer Mio. HS Vermögen aus dem Senatorenstand und damit von der Möglichkeit ausgeschlossen werden, sich als Statthalter finanziell sanieren zu wollen.901 Als wirksamer gegen die Ausbeutung der Provinzen erwies sich nun auch das schon von Cäsar durchgesetzte Repetundengesetz (lex Iulia de repetundis), das als Strafen empfindliche Geldbussen und den Ausschluss aus dem Senatorenstand beinhaltete.902 Zudem 896
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Vgl. Zwicky, Verwaltung (1944) 29; Starr, Empire (1982) 72f. Der misstrauische Commodus behielt Kinder der Statthalter als Geiseln und Druckmittel gegen die Magistraten in Rom zurück. S.u. Kap. 13.1. Tacitus meint etwa, dass sowohl die Schmeichelei (für die Kaiser) wie auch der über den Handlungen der Kaiser ausgebreitete Schleier des Geheimnisses die historische Wahrheit gefährde (vgl. Annalen 1,1. Vgl. auch Horaz, Satirae 2,6,50; Cassius Dio 53,19; Seneca, Consolatio pro Marcia 4,3). Aristides macht also einen feinen Unterschied zwischen den beiden Gebeten: eines ist zu den Göttern und für (ύπέρ) den Kaiser gesprochen, das zweite zum Herrscher für (uepl) das eigene Wohl, wobei περί eher eine geschäftliche Verhandlung und eine diplomatische Bitte impliziert. Damit hat das zweite Gebet kultisch einen anderen Stellenwert als das erste (vgl. Klauck, Religiöse Umwelt II (1996) 63). Vgl. CIL XIV 125. CIL VI 8471 bezeugt möglicherweise einen s(ub) c(enturio) praefecti annonae. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 184. Überhaupt war Cäsar bestrebt gewesen, nachdem er im römischen Staat die alleinige Macht an sich ge rissen hatte, den Provinzen gegenüber Milde walten zu lassen. Er versuchte auch, die Steuerverpachtung zurückzudrängen und übertrug 48 v.Chr. die Verantwortung für die Erhebung der decumae in der Provinz Asia den Stadtgemeinden. Eine weitere Massnahme lag darin, dass Cäsar die Gemeinden Pauschalbeträge direkt an die Provinzialverwaltung entrichten liess. Mit diesen Massnahmen soll es ihm gelungen sein,
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sah es vor, dass die Jahresabrechnung je in Rom und in zwei Städten der Provinz hinterlegt werden und so eine Fälschung erschweren und eine wirksame Kontrolle erleichtern sollten.903 Schliesslich konnten in der Prinzipatszeit neu auch die untergeordneten Verwaltungshilfen und das Gefolge des Statthalters für Verstösse gegen das geltende Repetundenrecht belangt werden. Für den römischen Staat war es wichtig, dass Übergriffe auf die Provinzbevölkerung nicht zu krass ausfielen, denn nur dann konnte eine einheimische Oberschicht ihre Bevölkerung kon trollieren. Denn wo sich der Zorn gegen die römischen Besatzer über der einheimischen Elite entlud, war wie beim jüdischen Krieg von 66-70 n.Chr. ein Aufstand kaum mehr zu unterdrücken.904 Ein Gouverneur war deshalb gut beraten, in seinen Massnahmen nicht gegen die lokalen Eliten zu handeln. Vielmehr befand er sich stets auf einer Gratwanderung zwischen einem Laissez-faire und einem energischen militärischen Durchgreifen. 6.3.3
Steuerreformen
Positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung der Provinzen wirkte sich sicher auch die Neuordnung der Steuern aus. Mit den Reformen sollte der Finanzhaushalt des Staates auf eine solidere Basis gestellt und der willkürliche und ungerechte Charakter der Steuererhebungen der späten Republik beseitigt werden.905 Nach den Bürgerkriegen und den ruinösen Forderungen der verschiedenen Kriegsparteien war eine Neuordnung auch dringend notwendig. So stand etwa Antonius nach dem Sieg über die Cäsarmörder bei Philippi im Osten des Reiches ein gewaltiges Heer zur Verfügung. Sein immenser Geldbedarf ergab sich deshalb nicht primär aus seiner "Zügellosigkeit" und "Begierde nach Vergnügungen"906, sondern primär aus den Verpflichtungen seiner Truppe gegenüber. Dazu hatten die östlichen Provinzen, insbesondere das prokonsularische Asien und Syrien, gewaltige Summen aufzubringen.907 Auch der jüdische Staat musste seinen Beitrag leisten.908 Wahrscheinlich im Rückgriff auf die Munizipialgesetzgebung Cäsars verpflichteten Augustus und die nachfolgenden Kaiser die Munizipien und Kolonien des Imperiums zur Abhaltung eines Zensus, der je nach Bedarf wiederholt werden sollte.909 Zudem führten sie den reichsweiten Zensus aller freier Bewohner als Grundlage für den Steuerhaushalt ein. Spätestens mit Trajan verlor diese Schätzung ihren sporadischen Charakter und machte einer kontinuierlichen Veranlagung Platz.910 Ausserdem wurde das System des Zehnten zugunsten eines festen Steuerbetrages aufgegeben, wie dies schon in republikanischer Zeit in etlichen Provinzen praktiziert wurde.9" Seit Augustus mussten in der Regel alle freien Bewohner des Imperiums die Bodensteuer und die Kopfsteuer bezahlen. Ausgenommen davon waren bis zur Zeit Diokletians einzig Italien und provinzielle Kolonien oder Munizipien, insofern diese vom Kaiser das ius Italicum und die damit verbundene Steuerimmunität erhalten hatten.9'2 Aufgrund des Steuerverlustes wurde
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die Steuerlast um ein Drittel zu senken (vgl. Appian, Bella civilia 5,1.4; Plutarch, Caesar 48,1; Cassius Dio 42,6,3; Neesen, Staatsabgaben (1980) 12f.). Für Judäa vgl. Josephus, Ant. 14,201ff.; 17,355-18,4. Vgl. Digesta 48,11; Volkmann, Lex (KP 3/1979) Sp. 607; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 184f. S.u. Kap. 13.8. Vgl. Gesche, WeltbeheiTscher (1981) 185. So Schallt, Herodes (1969) 73; anders Bengston, Marcus Antonius (1977) 156. Vgl. die Rede von Antonius bei Appian, Bella civilia 5,5; Buchheim, Orientpolitik (1960) 99 Anm. 16; Baumann, Rom und Juden (1983) 137f.). Vgl. Appian, De bella civilia 5,7. Vgl. Hausmaninger, Census (KP 1/1979) Sp. 1107f. Vgl. die Reminiszenz bei Lk 2,1. In diokletianisch-konstantinischer Zeit werden neben dem alle fünf Jahre erhobenen Zensus auch noch Zwischenkontrollen durchgeführt (vgl. Pekäry, Tributum (KP 5/1979) Sp. 954). So hatte schon Cäsar den Zehnten sicher für die Provinz Asia und wahrscheinlich für die Provinz Sizilia abgeschafft (vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 186). Vgl. Simon, Ius (KP 3/1979) Sp. 14f. So erhielten auch die Veteranen der Kolonie von Ptolemais-Akko das ius Italicum nicht. Die Münzen der Kolonie lassen auf vier verschiedene vexilla schliessen, welche
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dieses Recht aber nur selten zugestanden. Auch Einzelpersonen konnten von der Steuerpflicht befreit werden. Teilweise wurde ihnen allerdings nur die Kopfsteuer erlassen, wovon jedoch auch ganze Stadtgemeinden profitieren konnten. Da diese Steuer geringer war als die Grundsteuer, wurde dieses Privileg auch häufiger vergeben als eine totale Steueramnestie." 3 In der frühen Prinzipatszeit wurden auch die indirekten Steuern (vectigalia) neu geregelt." 4 Von diesen Steuern waren alle Reichsbewohner betroffen, sofern sie nicht durch ein kaiserliches Privileg davon befreit waren. Die Steuern aus den Provinzen flössen einerseits in das aerarium Populi Romani. Dieser mobile Staatsschatz des römischen Volkes wurde von den Quästoren im Saturntempel verwahrt, weshalb auch die Bezeichnung aerarium Saturni gebräuchlich war. Daneben fungierte das aerarium auch als Archiv für die verschiedensten Urkunden und als Aufbewahrungsort für die Feldzeichen. Obwohl diese Kasse durch Augustus theoretisch wieder der Kontrolle des Senats unterstellt wurde, nachdem Cäsar sie an sich gezogen hatte, war natürlich auch hier der Einfluss des Prinzeps nicht von der Hand zu weisen. Augenscheinlich wurde dieser Einfluss dann unter Nero, der einen kaiserlichen Präfekten als deren Verwalter einsetzte." 5 Steuern und Abgaben flössen aber auch dem fiscus des Prinzeps zu. Augustus, Enkel eines Bankiers, nannte seine verschiedenen Einzelkassen fisci. Er Hess dabei verfassungsmässig korrekt Staatseinkünfte wie Bergwerksabgaben, Prägungseinnahmen und gewisse vectigalia diesen Kassen zufliessen, über die er dem Senat dann Rechenschaft ablegte. Eine dieser Kassen war das aerarium militare.'"6 Mit Claudius wurde dann der fiscus zur weiterhin theoretisch dem Senat unterstehenden offiziellen Staatskasse, während das aerarium Saturni an Bedeutung verlor. Mit den Flaviern wurde das Fiskus-System weiterentwickelt und dem Einheitsfiskus wurden Sonderfiski wie der fiscus Alexandrinus, der fiscus Asiaticus und der nach dem jüdischen Aufstand den Juden auferlegte fiscus Judaicus hinzugefügt. Seit S. Severus wurden dann alle Steuereinnahmen dem fiscus zugeführt, so dass das aerarium zur blossen Stadtkasse Roms degradiert wurde." 7 Die privaten Einkünfte des Kaisers flössen hingegen in das Patrimonium, die Privatkasse des Prinzeps, die jedoch teilweise auch für öffentliche Ausgaben herangezogen wurde." 8 Diese Einkünfte setzten sich aus den Erträgen seiner Domänen, aus Konfiskationen und aus privaten Schenkungen und letztwilligen Verfügungen zusammen. 9 " Für die Steuern war nun ein ritterlicher procurator zuständig, der in Verbindung mit den Städten und Munizipien seiner Provinz für deren Erhebung zu sorgen hatte.920 Die Publikanen-Gesellschaften spielten nur noch bei den indirekten Steuern eine gewisse Rolle; sie wurden im 2. Jh. n.Chr. aber von den conductores und diese dann von procuratores abgelöst. 92 '
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von der leg. X Fretensis, der leg. VI Ferrata und der leg. XII Fulminata stammen (vgl. Applebaum, Roman Colony (1990) 137). Hingegen erhielt viele Jahre später die Kolonie von Tyrus das ius ltalicum von S. Severus für besondere Loyalität (vgl. Digesta 50,15,1; Geiger, Local Patriotism (1990) 145f.). Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 186f. Mit vectigalia wurden in republikanischer Zeit Steuern allgemein bezeichnet, in der Prinzipatszeit wurde der Begriff juristisch-technisch auf die indirekten Steuern eingeschränkt (vgl. Pekäry, Vectigal (KP 5/1979) Sp. 1150). Vgl. Medicus, Aerarium (KP 1/1979) Sp. 98f.; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 188. Vgl. Corbier, Aerarium Saturni (1974) sowie Aerarium militare (1977) 197-234. Vgl. Heichelheim, Fiscus (KP 2/1979) Sp. 556; Gesche, Weltbeherrscher (1981) 153.187. Vgl. Augustus, Res Gestae 15; 17-18; Bund, Patrimonium (KP 4/1979) Sp. 554; Starr, Empire (1982) 78. Vgl. dazu etwa Miliar, Fiscus (1963) 29-42. Zu den privaten Schenkungen und letztwilligen Verfügungen vgl. Sueton, Augustus 101,3. Zu den kaiserlichen Ländereien vgl. Hirschfeld, Kleine Schriften (1913)516-575. Vgl. Burton, Government (1987) 425ff. Vgl. Garnsey - Salier, Early Principate (1982) 16; Braund, Empire (1988) 9. S. auch u. Kap. 7.4.
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6.3.4 Vielfältige Ausgaben für das Funktionieren des Staates Schon unter Augustus wurde ein grosser Teil des Staatshaushaltes zur Finanzierung von Armee und Flotte verwendet. Daneben wurde das Geld in Schutzbauten an der Reichsgrenze investiert, aber auch für die Entlohnung der Beamten, für den Strassenbau, die Errichtung des Postnetzes, die Spiele in der Hauptstadt oder die Sozialhilfe. Dazu gehörte die Ausgabe von verbilligtem oder kostenlosem Getreide, öffentliche Speisungen an besonderen Festtagen, Geldzuwendungen an Bedürftige oder die Δufnung von Alimentenfonds, aus denen Kinder mittelloser Eltern oder Waisen aus den italischen Munizipien Erziehungsbeihilfen beziehen konnten.922 Zudem wurden auch bei provinziellen Bauvorhaben Zuschüsse gewährt oder nach Naturkatastrophen oder kriegsbedingten Zerstörungen den betroffenen Städten unbürokratische Soforthilfe geleistet.923 Ihr Augenmerk richteten die Kaiser aber auch auf die Verschuldung vieler Städte und Provinzen, welche diese an einem wirtschaftlichen Aufschwung hinderte. So reduzierte etwa Augustus die Schuldenlast etlicher Reichsstädte, während Hadrian gar die Schulden ganz Italiens und mehrerer Provinzen tilgte. Auch Marc Aurel soll die Schulden gegenüber dem Fiskus gestrichen haben, und Antoninus Pius verzichtete in Italien ganz auf die Kranzspende und reduzierte diese in den Provinzen auf die Hälfte des üblichen Betrages. Später erliess auch Severus Alexander der Provinz Δgypten die Kranzspende. Dass die Kaiser trotz einer insgesamt restriktiven Politik eine recht grosse Anzahl an Steuerprivilegien vergaben, zeigt eine Massnahme Vespasians. Dieser sah sich angesichts der Staatsfinanzen gezwungen, der Provinz Achaia, Rhodos, Byzanz, Samos sowie einigen Städten Lykiens die Steuerimmunität wieder zu entziehen. Dies erstaunt nicht, da die Rücklagen der Staatskasse meistens recht bescheiden waren und der Staat sozusagen von der Hand in den Mund lebte.924 Bei den doch recht sparsamen Kaisern Tiberius oder Antoninus Pius betrugen die staatlichen Rücklagen nicht mehr als 2900 Mio. HS, was angesichts eines Lohnes für einen Statthalter im Range eines Prokonsuls von 1 Mio. HS doch sehr bescheiden ist. Noch weniger erstaunt deshalb, dass der römische Staat unter Kaisern wie Caligula, Nero oder Domitian, die offenbar mit den Finanzen leichtsinniger umgingen, leicht in den Bankrott schlittern konnte.925 6.3.5
Positive Auswirkungen der Reformen auf die Provinzen
Die Verwaltungs- und Steuerreformen als Folge des Wandels des republikanischen Stadtstaates zum Weltreich verfehlten ihre Wirkung nicht: sie führten zu einer etwas gerechteren Verteilung der Steuerlasten zwischen römischen Bürgern und Provinzialen. Auch in rechtlicher Hinsicht wandelte sich für die Provinzbevölkerung einiges zum Besseren. Im Prinzip sollten nicht nur die römischen Bürger, sondern auch die Nichtbürger von einer gewissen Rechtssicherheit profitieren. Auf seinen Reisen hatte der Gouverneur nicht nur an verschiedenen Orten zu Gericht zu sitzen (conventus), was häufig einen grossen Volksauflauf mit sich brachte.926 Er musste daneben auch die von ihm beauftragten Gerichte bzw. Richter kontrollieren.927
Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 188. Zur Finanzierung der Armee vgl. o. Kap. 4.5. sowie Exkurs C.5. So unterstützte Tiberius die Provinz Asia grosszügig nach dem grossen Erdbeben von 17 n.Chr. (vgl. Tacitus, Annalen 2,47), und Hadrian tat dies mit Kyrene nach dem jüdischen Aufstand von 115 (vgl. Fräser, Hadrian and Cyrene (1950) 77-90; Reynolds, Cities (1988) 43). Vgl. zu weiteren staatlichen Zuschüssen Sueton, Augustus 47; Cassius Dio 54,7,5; 54,23,7-8; 54,30,3; Tacitus, Annalen 1,76; 2,42; 4,13; 12,58; 12,63; Augustus, Res gestae 18; Appian, Proömion 7; Neesen, Staatsabgaben (1980) 14f. Vgl. Mattern, Strategy (1999) 136, mit Beispielen. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 188f. Dion Chyrsostomus nennt das Beispiel von Apamea, das von diesen Gerichtstagen auch in wirtschaftlicher Hinsicht profitierte (vgl. Oratio 35,15; Miliar, Mittelmeerwelt IV (1966) 69). Vgl. Cassius Dio 53,14,5, der hier die senatorischen Statthalter nennt, kurz vorher allerdings auch die ritterlichen Prokuratoren mit einschliesst.
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Denn die zivile Gerichtsbarkeit blieb weiterhin häufig einheimischen Gremien oder Richtern überlassen. Die Rechtsprechung bei öffentlich-rechtlichen crimina hingegen lag in den Händen des Statthalters, wenn er nicht wie schon in der Zeit der Republik besondere Leute oder Gremien dafür einsetzte.928 Dem Statthalter oblag auch die Verfügung von Todesurteilen. Dazu hatte er auch keine Rückfragen an eine höhere Stelle zu richten.929 Dass die Statthalter in vielen Fällen von diesem Recht ausführlich Gebrauch machten, zeigt nicht nur die Geschichte Judäas als römische Provinz. So liess etwa der Prokonsul Asiens des Jahres 11 oder 12 n.Chr., L. Valerius Messala Volesus, an einem Tag dreihundert Menschen hinrichten.930 Für die Statthalter war die Rechtsprechung deshalb ein wichtiger Teil ihrer Aufgabe, wobei auch die ritterlichen Prokuratoren grosszügige Vollmachten hatten.931 Eine gewisse Rechtssicherheit war deshalb eher für dem Statthalter genehme Provinzialen gegeben. Seneca weitet diese Sichtweise aus, denn nach ihm bekennen alle Untertanen des gerade Kaiser gewordenen Nero, dass sie aus vielen zwingenden Gründen glücklich sind. An erster Stelle nennt Seneca "ein tiefes Gefühl der Sicherheit, das sogar noch zunimmt, eine Rechtssicherheit, die hoch über allem Unrecht steht" (De dementia l,l,7f.). Was seine persönliche Sicherheit für Rom betrifft, so schwärmt Seneca: "In jedem beliebigen Stadtteil kann ich allein Spazierengehen, ohne etwas befürchten zu müssen, auch wenn mich keiner begleitet und ich kein Schwert zu Hause habe und auch keines bei mir trage." (De dementia 1,8,2) Allerdings wusste Seneca zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er zehn Jahre später auf Befehl des gleichen Kaisers Selbstmord begehen musste.932 Von der Rechtssicherheit profitierte zumindest vorübergehend auch der Apostel Paulus, der sich als Bürger Roms der Gerichtsbarkeit des Statthalters entziehen und an den Kaiser appellieren konnte.933 Ob sich das folgende Lob von Aelius Aristides auf die kaiserliche Rechtssprechung im Fall von Paulus aber als gerechtfertigt erwies, ist zu bezweifeln: "Hier gibt es eine umfassende und rühmliche Gleichheit des Geringen mit dem Mächtigen, des Unbekannten mit dem Bekannten, des Bedürftigen mit dem Reichen, des Einfachen mit dem Adeligen" (Romrede 39). Die Zentralisierung der Staatsmacht und der Finanzen in den Händen der Kaiser führte auch dazu, dass Gelder als Subventionen oder über die Besoldung der Soldaten zurück in die Provinzen flössen.934 Tacitus schreibt über die befriedend wirkenden Massnahmen Agricolas für den Winter 78/79 n.Chr. in Britannien, nicht ohne seinen beissenden Kommentar dazu zu geben:
Dies belegt etwa das vierte Provinzialedikt von Kyrene aus dem Jahre 6-7 n.Chr., das dem Statthalter die Gerichtsgewalt bei schweren Delikten zuweist und ihm erlaubt, ein Gericht zu ernennen (vgl. SEG IX Nr. 8 Edikt 4 11,65-66; FIRA I Nr. 68 S. 409; Visscher, Edits d1 Auguste (1940) 128; Stern, Judaea (1974) 336f. Vgl. Mommsen, Römisches Strafrecht (1899) 239ff. Messalla (oder auch Messala) wurde allerdings der Grausamkeit angeklagt (vgl. Seneca, De ira 2,5,5; Seneca, Controversiae 7,6,22; Hanslik, Messalla (KP 3/1979) Sp. 1246). Augustus verfasste gemäss Tacitus, Annalen 3,68,1, dazu die Gedenkschrift Libelli Augusti de Voleso Messalla. Für Sardinien hören wir einen Beschluss eines Prokurators in Grenzstreitigkeiten, auf den später der Prokonsul L. Helvius Agrippa hinwies (vgl. ILS 5947; FIRA I Nr. 59). Zur Gerichtsbarkeit der ritterlichen Prokuratoren vgl. Millar, Annals XII.60 (1964) 180-187; Jurisdiction (1965) 362-367. Vgl. Tacitus, Annalen 15,60,2-63,2; Wengst, Pax Romana (1986) 54. Vgl. Apg 22,25-29; 25-26, bes. 26,32 und dazu Botermann, Judenedikt (1994) 171-175. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 189f. Vgl. auch Wierschowski, Heer (1984). Wierschowski, Φkonomische Entwicklung (2002) 264-292, zeigt die Folgen auf die wirtschaftliche Entwicklung Germaniens durch die Präsenz der römischen Armee auf. Zur ökonomischen Bedeutung der Provinzialflotten während der Prinzipatszeit, insbes. der classis Alexandrina, der classis Britannica und der classis Germanica, vgl. Konen, Provinzialflotten (2002) 309-342. Zur Armee als Wirtschaftsfaktor in den Provinzen vgl. ausführlich auch Exkurs D.10.
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"Um die verstreut und primitiv lebenden Menschen, die infolgedessen zum Krieg geneigt waren, durch Annehmlichkeiten an Ruhe und friedliches Verhalten zu gewöhnen, ermunterte er sie persönlich und unterstützte sie mit staatlichen Mitteln, Tempel, öffentliche Plätze und Häuser in der Stadt zu bauen, lobte die Eifrigen und tadelte die Säumigen; so trat Anerkennung und wetteiferndes Bemühen an die Stelle des Zwanges. Ferner liess er die Söhne der Vornehmen in den freien Künsten bilden ... So kam es, dass die Menschen, die eben noch die römische Sprache ablehnten, nun die römische Redekunst zu erlernen begehrten. Von da an fand auch unser Δusseres Beifall, und die Toga wurde häufig getragen; und allmächlich gab man sich dem verweichlichenden Einfluss des Lasters hin: Säulenhallen, Bädern und erlesenen Gelagen. Und so etwas hiess bei den Ahnungslosen feine Lebensart (humanitas), während es doch nur ein Bestandteil der Knechtschaft war." (Agricola 21) Aelius Aristides hingegen schwärmt von den Leistungen R o m s f ü r die Städte in den Provinzen; "Überall gibt es Gymnasien, Brunnen, Säulenhallen, Tempel, Werkstätten und Schulen" (Romrede 97). U n d nach seiner Überzeugung hört "niemals ... der Strom der Geschenke auf, welcher von eurer Seite diesen [gemeint sind die provinziellen Städte; Anm. C.R.] zufliesst" (Romrede 98). Es erstaunt nicht, dass Aristides von seiner Warte aus den weitaus grösseren Strom an Steu ern, Abgaben und geraubtem Geld und Gut nicht zur Kenntnis nahm oder nehmen wollte, der in umgekehrter Richtung die Provinzen verliess. 935 Die Provinzen und ihre Bevölkerung wurden trotzdem etwas weniger mehr nur als Objekte der Ausbeutung f ü r eine kleine privilegierte Gruppe angesehen, als dies noch in der Republik der Fall gewesen war. Vielmehr erhielten insbesondere die jeweiligen Eliten dank Zentralisierung u n d Vereinheitlichung des Weltreiches etwas mehr Eigenständigkeit. 9 3 6 Positive Auswirkungen zeitigte etwa die Gewohnheit von Tiberius, Gouverneure f ü r relativ lange Zeit zu ernennen. Dadurch sollten nicht immer wieder neue Statthalter in die Provinzen kommen, die hier nur kurze Zeit hatten, um sich finanziell zu sanieren. So wurden auch für die erste Prokuratur von Judäa und Samaria von Tiberius nur zwei Statthalter bestellt: Valerius Gratus (15-26 n.Chr.) und Pontius Pilatus (26-36 n.Chr.).' 37 Eine straffere Verwaltung, militärische Sicherheit, ein ausgebautes Strassennetz und Geld aus den Steuereinnahmen f ü r die wirtschaftliche Entwicklung sollten nicht mehr einzig den römischen Bürgern Italiens zugute k o m m e n , sondern vermehrt allen freien Bewohnern und Bewohnerinnen des Reiches. 938 Besonders wichtig f ü r die Stabilisierung des Reiches war hier der Einbezug der lokalen Eliten a m G e n u s s der Früchte des Imperiums. Eine Folge davon war, dass Aufstände eher selten waren. 939 Es waren also insbesondere die lokalen Eliten, die von den Segnungen des römischen Imperiums profitieren konnten. Aelius Aristides verallgemeinert wiederum seine eigene Erfahrungen als Angehöriger der Oberschicht: "Allen stehen alle Wege offen. Keiner ist ein Fremder, der sich eines Amtes oder einer Vertrauensstellung würdig erzeigt, im Gegenteil, auf der Welt hat sich unter e i n e m Mann, dem besten Herrscher und Lenker, eine allgemeine Demokratie herausgebildet.
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Vgl. Wengst, Pax Romana (1986) 58. Vgl. Gesche, Weltbeherrscher (1981) 190. S.o. Kap. 6.3.2. Zu den positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der römischen Herrschaft in Germanien in den ersten Jahrzehnten des 1. Jh.s n.Chr. vgl. Wierschowski, Φkonomische Entwicklung (2002) 264-292. Zu den bedeutenden wirtschaftlichen Folgen der Präsenz der römischen Armee auf die Provinz Africa vgl. Morizot, Armee romaine (2002) 345-374. Vgl. Braund, Empire (1988) 12f. Zur Besonderheit des jüdischen Staatsgebietes vgl. Kap. 12-13.
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Alle strömen wie auf einem g e m e i n s a m e n Markt z u s a m m e n , ein jeder, um das zu erlangen, was ihm gebührt" (Romrede 60).
Auch Plinius hat wohl eine eingeschränkte Perspektive, wenn er davon schwärmt, dass unter römischer Herrschaft genügend Vorräte vorhanden seien. Die Staatskasse hätte diese Vorräte aber tatsächlich gekauft, und nicht bloss zum Schein.940 "Daher diese Vorräte, daher diese Früchte im freien Verkehr der Verkäufer, daher hier Fülle und nirgends Mangel." (Panegyricus 29)
Plinius stellt deshalb die rhetorische Frage: "Kann man jetzt nicht sehen, dass ohne irgend eines anderen Nachteil jedes Jahr reichlich unsere Bedürfnisse befriedigt?" (Panegyricus 29)
Im Überfluss lebten aber primär einmal die Angehörigen der Oberschichten. Insbesondere in Rom gab es alles, was das (reiche) Herz begehrte. Nach Aelius Aristides versorgten die Län der rund ums Mittelmeer Rom reichlich mit ihren Gütern. "Herbeigeschafft wird aus j e d e m L a n d und aus j e d e m Meer, was i m m e r die Jahreszeiten wachsen lassen und alle Länder, Flüsse und Seen sowie die Künste der Griechen und Barbaren hervorbringen. W e n n j e m a n d das sehen will, so muss er entweder den g e s a m t e n Erdkreis bereisen, um es auf solche Weise anzuschauen, oder in diese Stadt k o m m e n . Was nämlich bei den einzelnen Völkern wächst und hergestellt wird, ist notwendigerweise hier stets vorhanden, und zwar im Überfluss." (Romrede 11)
Diese eingeschränkte Sichtweise von Aelius Aristides zeigt sich geradezu beispielhaft in einer seiner Schlussfolgerungen: "Was man hier nicht sieht, zählt nicht zu dem, was existiert hat oder existiert." ( R o m r e d e 13)
6.3.6
Fortwährende Korruption und Misswirtschaft
Die Gesamtheit der Massnahmen gegen Korruption und Ausbeutung in den Provinzen schien eine gewisse Wirkung nicht verpasst zu haben, denn obwohl der Kreis der möglichen Ange klagten wesentlich erweitert wurde, gingen die Repetundenprozesse im 1. und 2. Jh. n.Chr. deutlich zurück. Dass die Massnahmen im Kampf gegen die Misswirtschaft in den Provinzen zumindest in den Augen der Kaiser gewisse Auswirkungen hatten, zeigt auch der Umstand, dass sie sich nicht zu immer neuen Gesetzen veranlasst sahen. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass die römischen Gouverneure immer noch einen grossen Freiraum hatten, den sie zu ihrer persönlichen Bereicherung ausnutzen konnten.941 Immer noch erfreuten sich die Statthalter grosser Vollmachten, dort "wo es keine Rechtshilfe, keine Beschwerdemöglichkeit, keinen Senat, keine Volksvers a m m l u n g gibt". ... ubi nullum auxilium est, nulla Epistulae ad Q. fratrem 1,1,22).
conquestio,
nullus
senatus,
nulla
contio
... ( C i c e r o ,
Auch unter dem frühen Prinzipat ist die Liste der Statthalter immer noch lang, die eine Klage wegen schlechter Amtsführung am Hals hatten.942 Dies, obgleich es immer noch schwierig
Im Falle des frumentum emptum oder imperatum, einer Sonderabgabe an Getreide für die Armee, wurde das Getreide allerdings unter dem Marktpreis gekauft und stellte so eine versteckte Steuer dar (vgl. Neesen, Staatsabgaben (1980) 16.19f.; Pekary, Tributum (KP 5/1979) Sp. 953. Zur Versorgung der Armee durch das frumentum emptum s. Exkurs D. 11.1). Vgl. zur Besteuerung des Getreideertrages im römischen Imperium Rostovcev, Frumentum (PRE 16/1916) Sp. 126-187. Vgl. Paltiel, Vassais (1991) 60f. Vgl. Brunt, Maladministration (1961) 224-227. Darunter finden sich auch Statthalter im Range eines Prokurators wie Vipsanius Laenas aus der Provinz Sardinien (vgl. Tacitus, Annalen 13,30) oder Vibius Secundus, Prokurator der Provinz Mauretania (vgl. Tacitus, Annalen 14,28).
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war, einen amtierenden Statthalter zu belangen.943 So brachten etwa die Beschwerden der jüdischen Führer aus Cäsarea vor Kaiser Nero gegen den Statthalter Felix nicht das gewünschte Ergebnis, während Cumanus Jahre zuvor von Claudius in die Verbannung geschickt wurde.944 Wenn Vertreter der lokalen Bevölkerung beim Kaiser Beschwerden irgendwelcher Art vorbringen wollten, musste dies der betreffende Statthalter in der Regel bewilligen. Dies geschah in Judäa etwa im Zusammenhang mit der Frage der Aufbewahrung der Gewänder des Hohepriesters. Allerdings wandten sich die Juden in dieser Frage erst an den syrischen Legaten Cassius Longinus, als dieser in Jerusalem weilte.945 Auch der Prokurator Judäas Fadus musste offenbar seine Einwilligung für eine Delegation nach Rom geben. Vielleicht sollte diese Regelung auch sicherstellen, den Prinzeps vor zu vielen Anfragen aus den Provinzen zu bewahren. Klagen über einen amtierenden Statthalter waren offenbar immer noch eine schwierige Angelegenheit, so dass häufig zuerst das Ende einer Amtszeit abgewartet werden musste.946 Oder aber es musste auf einen geeigneten Zeitpunkt gehofft werden, um Klagen vorzubringen. So beklagten sich die Juden auch über Florus erst, als der syrische Legat Cestius Gallus in der Hauptstadt Judäas weilte.947 Die Gegenwart eines höheren römischen Beamten in einer Provinz war nicht nur eine gute Gelegenheit, Klagen gegen den amtierenden Statthalter vorzubringen, die Präsenz wirkte sich offenbar auch positiv auf die Amtsführung aus. Die Samaritaner ihrerseits wandten sich zweimal direkt an die syrischen Legaten Vitellius und Quadratus. Wahrscheinlich lag dies daran, dass diese beiden Statthalter mit besonderen Vollmachten ausgerüstet waren.948 Und auch Tacitus belegt noch für die Prinzipatszeit Klagen der einheimischen Bevölkerung gegen römische Magistraten oder über den ungenügenden Schutz durch die Repetundengesetze.949 Als positives Beispiel führt Tacitus seinen Schwiegervater Agricola an. Dieser hatte es als Quästor in Kleinasien abgelehnt, seinem Statthalter bei Geschäften innerhalb der Grauzone der Legalität Beihilfe zu leisten.950 Als er später selbst Statthalter in Britannien war, "milderte er die Eintreibung von Getreide und Steuern durch gerechte Verteilung der Lasten; er beschnitt alles, was zum Zweck persönlicher Bereicherung ausgeklügelt war" (Tacitus, Agricola 19,4).951
Weiter führt Tacitus aus: "Indem er diese Missstände gleich im ersten Jahr unterband, verhalf er dem Frieden, der infolge der Gleichgültigkeit oder Masslosigkeit seiner Vorgänger nicht minder gefürchtet war als der Krieg, zu einem guten Ruf" (Agricola 20,1).
Auch Cicero sieht sich als besonnenen Statthalter, der sich einer besonderen Tugend rühmen darf und damit gleichzeitig zugibt, dass sie unter den römischen Magistraten wohl eher selten anzutreffen war: die abstinentia. Weitere Tugenden führt Cicero an, die auch noch in der Zeit Vgl. Stern, Judaea (1974) 321f. So schlug etwa auch die Klage gegen Eprius Marcellus fehl, der 57 n.Chr. von Provinzbewohnern Lycias angeklagt worden war (vgl. Tacitus, Annalen 13,33). Zu Felix vgl. Josephus, Ant. 20,182. Die BellumVersion spricht nur von einer von Felix selbst for mierten Gesandtschaft von Juden und Hellenisten aus Cäsarea an Nero, nicht aber von einer Anklage ge gen Felix selbst. Möglicherweise wollte Josephus hier nicht den Eindruck erwecken, dass die Juden Vorwürfe gegen einen Statthalter vorbrachten, mit denen sie dann nicht durchkamen. Zu Cumanus vgl. Josephus, Bell. 2,246f.; Ant. 20,131136. S. auch u. Kap. 13.6. Zur Politik von Claudius gegenüber den Statthaltern vgl. Cassius D i o 60,25,46. Gemäss Josephus war Longinus mit einer grossen Streitmacht nach Jerusalem gekommen, weil er auf grund der Anordnungen von Fadus einen Aufstand befürchtete (vgl. Ant. 20,7). Vgl. zur ganzen Episode Josephus, Ant. 20,616; Stern, Judaea (1974) 360f.; Smallwood, Roman rule (1976) 260f.; McLaren, Power (1991) 127131. Zu Cassius Longinus vgl. Hanslik, Cassius (KP 1/1979) Sp. 1074f. So geschehen etwa beim Statthalter Judäas Felix 60 n.Chr. (vgl. Josephus, Ant. 20,182). Vgl. Josephus, Bell. 2,280ff.; Smallwood, Roman rule (1976) 285. Zu Vitellius vgl. Josephus, Ant. 18,89; Stern, Judaea (1974) 312.322.353. Zu Quadratus vgl. auch Tacitus, Annalen 12,54; Josephus, Bell. 2,232ff.; Ant. 20,118. S. auch Kap. 13.1. Vgl. Tacitus, Annalen 1,2; 3,40; Historiae 4,14; Brunt, Laus imperii (1978) 189. Vgl. Tacitus, Agricola 6,2; Wengst, Pax Romana (1986) 51. Vgl. dazu Starr, Empire (1982) 129.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
des Prinzipats einem Gouverneur gut anstanden: aequitas, dementia, constantia, continentia, facilitas, gravitas, humanitas, integritas, lenitas, mansuetudo, moderatio, severitas, temperantia, fides, innocentia, integritas, iustitia, modestia.'" Einige positive Vorbilder kannten auch die kaiserzeitlichen Statthalter schon aus der Zeit der Republik, wie etwa Q. Mucius Scaevola, L. Sempronius Asellio, Lucullus oder Gabinius.953 Allerdings war auch für diese tugendhaften Statthalter die Aufgabe schwierig zu lösen, zwischen der Wohlfahrt der Bevölkerung und den vom römischen Zentrum benötigten Steuern und Abgaben ein Gleichgewicht zu finden.954 Denn diese Steuern und Abgaben kamen teilweise nur einer kleinen privilegierten Gruppe oder auch der Stadt Rom und Italien zugute, das ja im Prinzip bis Domitian keine direkten Steuern zu zahlen hatte.'55 In Kenntnis ihrer grossen Möglichkeiten legt Juvenal den Statthaltern ans Herz: "Betrittst du endlich als Statthalter die langersehnte Provinz, setze Mass und Ziel d e i n e m Zorn, mässige auch deine Habgier, hab Mitleid mit den verarmten Bundesgenossen: K n o chen nur siehst du, ausgesaugt und ohne Mark." (Satirae 8,87-90)
Trotz aller Massnahmen ist die provinzielle Misswirtschaft immer noch bedeutend, und Iuvenal beklagt sich, wie weit die Ausbeutung der Provinzen schon fortgeschritten ist: "Jetzt raubt man den Bundesgenossen wenige Gespanne von Rindern, eine kleine K o p p e l Stuten, n a c h d e m man d e m Besitzer der Herde sein bisschen L a n d entriss; dann stiehlt man ihnen selbst die Hausgötter, wenn es irgendwo eine ansehnliche Statue, j a wenn es im Tempelchen ein einziges Götterbild gibt; das sind für sie die grössten Kunstwerke, weil es die einzigen sind, die ihnen noch verblieben." (Satirae 8,107-112)
Ein Grund für die Probleme Domitians mit dem Senat waren sicher auch seine Bemühungen um die Zurückdrängung senatorischer Misswirtschaft in den Provinzen.956 Ein krasses Beispiel solcher Misswirtschaft liefert auch Plinius. Er berichtet über den Prozess gegen den bereits verstorbenen Statthalter Classicus von Baetica, der dank seiner Unvorsichtigkeit leicht zu überführen war: "Er hatte eigenhändig geschrieben hinterlassen, was er bei jeder Sache, bei j e d e m Prozess herausgeschlagen hatte; er hatte auch nach R o m an ein Liebchen geschrieben, in denen es hiess: 'Hei, ich k o m m e schuldenfrei zu dir; vier Millionen Sesterzen habe ich bereits eingesackt durch den Verkauf von halb Baetica 1 .'" (Epistulae 3,9,13)
Dem verstorbenen Statthalter wurden die während seiner Statthalterschaft gemachten Gewinne abgenommen, während seine beiden Helfershelfer für fünf Jahre des Landes verwiesen wurden. Dass trotz der kaiserlichen Massnahmen gegen die Korruption immer noch vieles möglich war, zeigt die abschliessende Bemerkung von Plinius zu diesem Prozess: "So schwer wurde jetzt g e n o m m e n , worüber man a n f a n g s im Zweifel gewesen war, ob es überhaupt ein Verbrechen sei." (Epistulae 3,9,17)
Dass das gerichtliche Vorgehen gerade gegen hohe Beamte schwierig war, zeigt eine weitere Bemerkung von Plinius über seine Gründe für die Übernahme des Prozesses: "Ich liess mich auch durch den U m s t a n d bestimmen, dass Classicus schon tot war u n d somit wegfiel, was bei derartigen Prozessen meist das Betrüblichste ist, die G e f ä h r d u n g eines Senators" (Epistulae 3,4,7).
Vgl. Cicero, Epistulae ad Q. fratrem 1,1; Epistulae ad Atticum 5,9,1; 5,10,2; 5,15,2; 5,16,3; 5,21,5; 5,17,2; 5,18,2; 5,20,6; 6,2,5; Epistulae ad familiares 15,4,1.14. Zu Scaevola, dessen Provinzedikt Cicero übernahm, vgl. Epistulae ad Atticum 6,1,15; zu Asellio vgl. Diodorus 37,5; zu Lucullus vgl. Plutarch, Lucullus 20; zu Gabinius in Syrien vgl. Cicero, De provinciis consularibus 10; Epistulae ad Q. fratrem 3,2,2. Vgl. Cicero, De legibus 3,9. Vgl. Aurelius Victor, Caesares 39,31; Brunt, Laus imperii (1978) 190f. Vgl. Seneca, De ira 2,55; Pieket, Domitian (1961) 296-315; Pontenay de Fontette, Leges Repetundarum (1961) 125-131; Starr, Empire (1982) 75. Vgl. auch Brunt, Maladministration (1961) 189-227.
Β Administrative und finanzielle Strategien
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Einen Anwalt plagen bei seinen Gerichtsverfahren besondere Schwierigkeiten, den Gesetzen zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu gehört auch der "Δrger, sich taub stellen zu müssen gegen die geheimen Bitten von Freunden all der Beklagten und ihrem offenen Widerstand entgegenzutreten" (Epistulae 3,9,25). Plinius bleibt jedoch standhaft und ist stolz darauf, "dass ich beim Prozessieren auf jede Absprache, jedes Geschenk, jedes Entgelt, ja sogar auf kleine Aufmerksamkeiten verzichtet habe" (Epistulae 5,13,8).957 Wie schwer es angesichts der Bestechlichkeit der Richter insbesondere für ärmere Leute war, zu ihrem Recht zu kommen, vor allem wenn es sich um einen Prozess gegen vermögendere und einflussreichere Personen handelte, vermittelt ein Gedicht von Petronius: "Wozu nützen die Gesetze, wenn der Mammon nur regiert, wenn der kleine Mann der Strasse immer den Prozess verliert? ... Also ist ein Trödelladen das Gericht: wer den Vorsitz hat, dem zahle, sonst kriegst du die Ware nicht!" (Satiricon 14,2)958 Wie einfallsreich die römischen Besatzer jeweils neue Geldquellen erschlossen, zeigt die Beschreibung der Aushebung bei den Batavern durch Tacitus: "Diese an und für sich lastige Sache wurde noch drückender durch die Habsucht und Ausschweifung der unteren Beamten; sie hoben nämlich alte oder schwächliche Leute aus, um sie dann für Geld wieder freizugeben; andererseits schleppte man halbwüchsige Burschen zu unzüchtigen Zwecken weg." (Historiae 4,14,1)959 Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass die Misswirtschaft in den Provinzen in gewissen Fällen auch in der Prinzipatszeit noch zu Aufständen führte. 960 Für den Aufstand des Civilis jedenfalls bildete die oben beschriebene Aushebung den unmittelbaren Anlass. Civilis führte bei seinen Vorbereitungen diese Vorkommnisse an, zählte aber noch weitere "Unbilden, Erpressungen und die sonstigen Leiden der Knechtschaft auf ... Bezirksvorstehern, Centurionen seien sie ausgeliefert; wenn sie deren Hunger mit blutig erpresstem Beutegut gesättigt hätten, dann kämen einfach andere an die Reihe, und es würde nach neuen Vorwänden, sich die Taschen zu füllen, und nach allerhand Rechtstiteln zu Räubereien gesucht" (Tacitus, Historiae 4,14,2f.). Auch im Jahr 21 n.Chr. wiesen Aufstandswillige in Gallien auf die missliche Lage hin und "führten bei öffentlichen Versammlungen und besonderen Zusammenkünften aufrührerische Reden über die ununterbrochene Fortdauer der Besteuerung, die drückende Last der Wucherzinsen, die Härte und den Hochmut der Statthalter" (Tacitus, Annalen 3,40,3). Nach Tacitus war auch der Aufstand der Friesen im Jahre 28 n.Chr. ausgebrochen "mehr wegen der Habsucht unserer Leute als aus Unbotmässigkeit" (Annalen 4,72,1).%I Erst nach schlimmen Übergriffen von römischer Seite brach offensichtlich auch 61 n.Chr. der Aufstand der Icener in Britannien aus.962 Unter Domitian rebellierten die Nasamonen, ein nu
Zum Selbstbildnis von Plinius in dessen Briefen vgl. Radicke, Selbstdarstellung (1997) 447469. Vgl. auch Iuvenal, Satyricon 13,3f; Apuleius, Metamorphoses 10,33,1; Tacitus, Annalen 2,34,1; Wengst, Pax Romana (1986) 56f. Vgl. auch Plutarch, Sulla 25; Lucullus 20. Vgl. Josephus, Bell. 2,272279; Ant. 18,25; Juvenal 8,87ff.; 8,112124; Brunt, Maladministration (1961) 189227; Braund, Empire (1988) 9. Zur Situation in Palästina im 1. Jh. n.Chr. und den Gründen für den Ausbruch des Krieges s. Kap. 13.6 und 13.8. Vgl. Mattern, Strategy (1999) 135f. Vgl. Tacitus, Annalen 14,31; Wengst, Pax Romana (1986) 194 Anm. 219.
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Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
midischer Stamm, gegen die Steuereintreibung. Nach anfänglichen Erfolgen wurden sie jedoch vom Statthalter und seinen Truppen auf Geheiss des Kaisers ausradiert.963 Schon Cäsar, selbst in dieser Hinsicht kein unbeschriebenes Blatt, hatte die Steuerpolitik seines Gegners Scipio kritisiert: "Fand man nur den Titel für eine Sache, schien das schon hinreichend zum Erpressen von Geldern" (De hello civili 3,32,2). Gerade in Kriegszeiten waren reiche Provinzbewohner häufig der Willkür der römischen Statthalter ausgeliefert. Ein Beispiel dafür überliefert wiederum Tacitus. Nach seiner Schilderung brauchte der Statthalter Syriens, Licinius Mucianus, für den Bürgerkrieg auf der Seite Vespasians zusätzliches Geld: "Daher schaute er, wenn es zu gerichtlichen Untersuchungen kam, nicht auf Recht und Feststellung des wahren Sachverhaltes, sondern einzig darauf, ob ein grosses Vermögen zu gewinnen war. Allenthalben gab es Denunzierungen, wobei in der Regel die Schwerreichen die Opfer des Beutezuges waren. Diese drückenden und unerträglichen, aber durch die Kriegsnöte entschuldbaren Zustände blieben leider auch im Frieden." (Historiae 2,84) Die militärische Befehlsgewalt gab Mucianus dabei den nötigen Rückhalt, und das Recht des Stärkeren kam auch hier zum Tragen.' 64 Beispiele für die provinzielle Misswirtschaft liefert also nicht nur die Republik, sondern auch die Prinzipatszeit. Eindrücklich jedenfalls ist eine Erzählung Plutarchs über Pompeius. Als dieser in der sizilianischen Stadt Messana römische Hoheitsrechte wahrnehmen wollte, protestierten deren Einwohner mit dem Hinweis auf einen Staatsvertrag mit Rom. Pompeius antwortete ihnen: "Wollt ihr wohl aufhören, wenn wir mit dem Schwert umgürtet daherkommen, uns Gesetzestexte vorzulesen!" (Pompeius 36) Für die Statthalter der Prinzipatszeit war natürlich auch eine enge Zusammenarbeit mit den einheimischen Eliten eine Möglichkeit, Klagen aus der Provinz zu vermeiden. Die Begünstigung prominenter einheimischer Kreise und Persönlichkeiten konnte sich für einen Statthalter in schwierigen Zeiten auszahlen.965 Hätte Cumanus Agrippa II. für sich gewinnen können, wäre ihm möglicherweise das Exil und seinem Offizier Keler die Hinrichtung erspart geblieben.966 Gelegenheiten, sich der Gunst der einheimischen Bevölkerung zu versichern oder zumindest die eigene Amtsperiode in einem etwas besseren Licht erscheinen zu lassen, gab es auch beim Abgang aus einer Provinz. So Hess etwa Albinus am Ende seiner Amtszeit alle Gefangenen Judäas frei mit Ausnahme der zum Tod Verurteilten, um sich bei der Bevölkerung Jerusalems noch gewisse Sympathien zu verschaffen.967 Gemäss des Verfassers der Apg, Lukas, war auch die Belassung von Paulus in Gefangenschaft als Gefallen von Seiten des Prokurators Felix zugunsten der einheimischen jüdischen Bevölkerung gedacht.968 Umgekehrt versuchte offenbar der Statthalter Jamnias, Capito, durch Verleumdung der jüdischen Bevölkerung von seinen eigenen Verfehlungen abzulenken.969 Trotz der Anstrengungen der Kaiser, Korruption und Misswirtschaft in den Provinzen durch vielfältige Massnahmen einzuschränken, gelang dies durch den immer noch grossen Handlungsspielraum der Gouverneure nur in beschränktem Masse. Dies auch deshalb, weil dem Statthalter als erste Aufgabe die Durchsetzung der Interessen des römischen Zentrums oblag. Die Interessen der Provinzialen blieben dabei zweitrangig.
Vgl. Cassius Dio 67,4,6. S. auch o. Kap. 3.4. Vgl. Bengston, Römische Geschichte ( 6 1988) 251.273ff.; Wengst, Pax Romana (1986) 55. Vgl. Tacitus, Annalen 15,20f.; Stern, Judaea (1974) 322. Vgl. Josephus, Bell. 2,245f.; Ant. 20,134ff. S. dazu Kap. 13.6. Vgl. Josephus, Ant. 20,235. Vgl. Apg 2,27. Vgl. auch Tacitus, Annalen 13,31,3. Vgl. Philo, Legatio 199.
Β Administrative und finanzielle Strategien
6.4
123
Ergebnis
Die Administration der Republik war auch Ausdruck der Sichtweise der römischen Eliten, die in den Provinzen einen Schutzgürtel um das Zentrum des entstehenden Weltreiches und Objekte der Ausbeutung sahen. Ausbeutung und Misswirtschaft waren dabei in grossem Masse strukturell bedingt. Erst der Prinzipat als neue Monarchie erleichterte den Blick auf das Imperium als Ganzes, in dem die Provinzen als wesentlicher Teil des Reiches gesehen wurden. Massnahmen gegen Ausbeutung und Korruption wurden ergriffen, um das wirtschaftliche Überleben der Provin zen längerfristig zu gewähren und so auch soziale Spannungen abzubauen. Deshalb wurde auch die Verwaltung zentralisiert und gleichzeitig durch einen neuen und loyalen Beamten apparat von Armeeangehörigen und Freigelassenen die Kontrolle durch die Kaiser erleichtert. Mit dieser Zentralisierung ging in den Provinzen ein Ausbau der lokalen Selbstverwaltung einher, da nur in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden die Kontrolle über das Imperium und die Garantie von Ruhe und Ordnung gewährleistet werden konnte. Nicht nur die Mitwirkungspflicht an seinen primären Aufgaben, sondern auch die Beteiligung der lokalen Eliten an seiner Macht und den Privilegien der römischen Herrschaft wurde durch den Statthalter als der obersten Instanz definiert und überwacht. Eine seiner Hauptaufgaben war dabei die finanzielle Absicherung der römischen Herrschaft über den Steuerertrag der Provinzen. Dies ist Gegenstand des folgenden Kapitels.
124
Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
7
D I E FINANZIELLE ABSICHERUNG DER RÖMISCHEN H E R R S C H A F T
7.1
Steuern der Peripheriegebiete für die Interessen des Zentrums
Die Durchsetzung der römischen Sicherheitsstrategien im politischen, militärischen u n d administrativen Bereich verursachte Kosten und musste finanziert werden. 970 Zu diesem Zweck und im Hinblick auf das finanzielle Überleben des römischen Staates musste primär einmal die Bevölkerung der Provinzen Geld oder Naturalsteuern entrichten. 971 Zwei Faktoren bela steten nämlich den Staatshaushalt auf besondere W e i s e und stellten h o h e A n f o r d e r u n g e n an die Logistik des römischen Imperiums: die Versorgung der Armee u n d der Weltstadt R o m mit einer Einwohnerschaft von über einer Million Menschen. 9 7 2 So beliefen sich gemäss Plutarch die staatlichen Gesamteinnahmen im letzten Jh. v.Chr. auf 340 M i o . HS. 973 Die stete Expansion und der damit verbundene steigende Geldbedarf R o m s waren deshalb mitverantwortlichfür die Schaffung von Provinzen. 974 R o m und Italien waren im Gegensatz zu den Provinzen seit d e m Ende des 3. Makedonischen Krieges (167 v.Chr.) steuerfrei. 975 Die römischen B ü r g e r hatten nur die üblichen Hafengebühren bzw. Warenzölle von ca. 2-2,5 % des Warenwertes (portoria) zu bezahlen. 976 Bei der Freilassung der Sklaven hatten sie 5 % des geschätzten W e r t e s des ehemaligen Sklaven zu entrichten, wobei diese Steuer häufig von den Sklaven selbst bezahlt wurde. Die Provinzialen hingegen mussten als Beuteobjekte R o m s im Sinne des tributum f ü r den grossen Teil des Staatshaushaltes aufkommen. 9 7 7 D a s s im P r i n z i p die P r o v i n z e n f ü r d e n N a h r u n g s b e d a r f R o m s und Italiens a u f k o m m e n mussten, bestätigt Tacitus in einer Rede von Tiberius. Der Kaiser führt aus: "... und wenn die Provinzen einmal für den Bedarf der Herren wie der Sklaven und den Ertrag der Äcker nicht hilfreich aufkommen, dann werden natürlich unsere Parkanlagen und unsere Landgüter die Ernährung sicherstellen" (Annalen 3,54,4). Dank den Erträgen der Provinzen lastete auf Italien demnach kaum ein wirtschaftlicher Druck zur Nahrungsproduktion. N u r die kleinen Selbstversorger hatten deshalb ein grösseres Interesse an einer ausreichenden Produktion. Seit 60 v.Chr. wurden durch die lex Caecilia auch die italischen Zölle abgeschafft. 97 * Cäsar führte jedoch wieder Importzölle f ü r die peregrinae merces (ausländische W a r e n ) ein. 979 E r scheute sich auch nicht, n a c h d e m er die Staatskasse unter seine Kontrolle gebracht hatte, von den Bürgergemeinden Italiens goldene Ehrenkränze einzuheischen. 980 Etwas später Hessen die Triumvirn wiederum umfassendere Zölle in und f ü r Italien erheben. 981 Erst unter Diokletian wurde die prinzipielle Bevorzugung Italiens in Steuer-
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Mattern, Strategy (1999) 123, spricht in diesem Zusammenhang von "The Price of Empire". Vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 43. Gemäss Sueton, Caesar 25,1, belief sich die jährliche Steuersumme Galliens auf 40 Mio. HS. Für den gleichen Betrag hatte nach Vellerns Paterculus 2,39,2 auch Δgypten aufzukommen. Für die anderen Provinzen sind die Aussagen weniger genau, so dass auf Schätzungen zurückgegriffen werden muss (vgl. Pekäry, Tributum (KP 5/1979) Sp. 952). Vgl. zu Rom und den eindrücklichen Zahlen für seine Versorgung Gamsey - Salier, Empire (1987) 83ff. Zur Armee s.o. Kap. 4.6 und auch Exkurs C.5. Vgl. Plutarch, Pompeius 45; Pekäry, Tributum (KP 5/1979) Sp. 952. Vgl. Schneider, Militärdiktatur (1977) 43f. S.o. Kap. 6.3.3. Vgl. Cicero, De officiis 2,22,76; Valerius Maximus 4,3,8; Plinius, Naturalis historiae 33,17,54; 33,56; Plutarch, Aemilius 38,1; Volkmann, Portorium (KP 4/1979) Sp. 1071f.; Pekäry, Tributum (KP 5/1979) Sp. 952; Nicolet, Tributum (1976) 13.79; Hopkins, Conquerors (1978) 38. Vgl. Pekäry, Tributum (KP 5/1979) Sp. 952; Braund, Empire (1988) 12. Vgl. Cassius Dio 37,51; Cicero, Epistulae ad Atticum 2,16,1. Vgl. Sueton, Caesar 43,1. Zur Staatskasse vgl. Appian, Bella civilia 2,6.41; Cassius Dio 41,17,1-2; 43,45,2; Caesar, Bellum civilis 1,14,1; Sueton, Caesar 76,3. Zu den italischen Goldkränzen und anderen Zahlungen vgl. Cassius Dio 42,50,2-3; Neesen, Staatsabgaben (1980) 12. Vgl. Cassius Dio 47,16,3.
Β Administrative und finanzielle Strategien
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fragen aufgehoben.982 Bis dahin galt aber im Prinzip die Regel, dass die römischen Bürger erst dann mit ihrem Vermögen den Staat zu unterstützen hatten, wenn die anderen Geldquellen den Finanzhaushalt nicht mehr ausgeglichen halten konnten. So wurde auch etwa die ausserordentliche Not- und Kriegssteuer der römischen Bürger (tributum civium Romanorum) seit 167 v.Chr. nur mehr ganz selten erhoben. Erst im ausgehenden 2. Jh. n.Chr. wurden die römischen Bürger vermehrt zu ausserordentlichen Zahlungen oder Lieferungen (frumenta, annona, aurum coronarium etc.) gezwungen.983 Die römischen Provinzen hatten indessen für die Versorgung des römischen Staates verschiedene Funktionen: Einige Provinzen mussten primär für den Getrejdeverbrauch der Metropole Rom aufkommen. Dazu gehörten Nordafrika, Sizilien, Sardinien, Δgypten, und teilweise auch Gallien, Zypern, Spanien und selten Moesien.984 Für die Versorgung der Armee mit Getreide und weiteren Produkten mussten die Provinzen geradestehen, in denen römische Truppen stationiert waren. Wiederum andere Provinzen mussten für den Geldbedarf der Armee aufkommen: hier waren in der Regel keine Truppen oder nur kleinere Kontingente stationiert, wie etwa in Spanien, dem südlichen Frankreich und dem Westen Kleinasiens.985 Einige Provinzen hatten auch mehrere Aufgaben zu erfüllen, wie etwa Δgypten oder Gallien, die neben der Getreidelieferung auch bedeutende Summen für die Armee bereitstellen mussten.986 Hauptkategorien der direkten Steuern waren also Geldzahlungen (stipendia) oder Naturalabgaben (decuma).987 Bei Hungersnöten in einer Provinz mussten zudem andere Provinzen mit Getreide aushelfen, was durch römische Beamte überwacht wurde. Steuern wurden meist schon vor der Unterwerfung eines Landes oder Volkes unter römische Herrschaft eingezogen. Sie waren unter römischer Herrschaft auch nicht unbedingt höher als vorher, sie wurden nur effizienter eingezogen.988 Dabei wurde meist das bestehende Steuersystem von den Römern übernommen.989 Auch in der Prinzipatszeit änderte sich daran grundsätzlich nichts, auch wenn eine gewisse Vereinheitlichung feststellbar ist.990 Durch die Einbindung in das römische Imperium wurden die Steuern nun aber teilweise an Plätzen eingezogen, die von den Verwendungsorten weit entfernt waren. Viele Beispiele zeigen auch, dass häufig die lokalen Behörden für die von den römischen Behörden gefordeten direkten Steuern garantieren mussten. Dabei konnten sie jedoch auf die militärische Unterstützung rekurrieren, falls Probleme bei der Eintreibung auftauchten. Für die römische Seite hatte dieses System den grossen Vorteil, dass der direkte und häufig brisante Kontakt zwischen Besatzungsmacht und Provinzbewohnern minimiert werden konnte.
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Vgl. Pekäry, Tributum (KP 5/1979) Sp. 952. Vgl. Neesen, Staatsabgaben (1980) 149f. Unter annona sind viele verschiedene Abgaben bezeichnet. Eine davon ist die annona militaris (vgl. Sontheimer, Annona (KP 1/1979) Sp. 363f.). Diokletian (284313 n.Chr.) machte diese zu einer regelmässigen und regulären Naturalabgabe für die Armee, wodurch auch die in vieler Hinsicht ungünstigen Requirierungen ersetzt werden sollten (vgl. Jones, Taxation (1974) 169). Zu den annona vgl. auch Exkurse C.5.2 und F.2.1. Vgl. Plinius, Naturalis historiae 18,66; ILS 986; Garnsey - Salier, Empire (1987) 95f. Natürlich trug auch Italien durch Verkauf der ländlichen Überproduktion einen gewissen Teil zur Versorgung Roms bei, nur war es keine Provinz. Garnsey Salier, Empire (1987) 96, gehen von einer geschätzten Summe von 400 Mio HS als Geldbe darf für die Armee pro Jahr aus; vgl. auch Kap. 4.5 und Exkurs D. 11. Ein grosser Teil der Steuern wurde seinerseits für den Getreidekauf für die Soldaten und die Pferde gebraucht (vgl. Hopkins, Conquerors (1978) 17). Vgl. Vellerns Paterculus 2,39; Sueton, Caesar 25; Garnsey - Salier, Empire (1987) 96. Zu den unterschiedlichen Aufgaben verschiedener Gemeinwesen vgl. Neesen, Staatsabgaben (1980) 19-29. Vgl. Neesen, Staatsabgaben (1980) 34-37. S. auch u. Kap. 7.2 und Exkurs E. Vgl. Garnsey - Salier, Empire (1987) lOlff. Vgl. Pekäry, Tributum (KP 5/1979) Sp. 953; Schneider, Militärdiktatur (1977) 43. Die ausführlichsten Angaben über das Steuersystem haben wir über Δgypten und über Sizilien, und hier besonders aufgrund der Aussagen von Cicero, In Verrem actio 2,3 (vgl. Pekäry, Tributum (KP 5/1979) Sp. 953). Vgl. Neesen, Staatsabgaben (1980) 20f. Neesen bietet eine gute Übersicht über die verschiedenne kaiserzeitlichen Steuersysteme. Da die verschiedenen Steuersysteme, die in republikanischer Zeit Anwendung fanden, meist auch in der Prinzipatszeit in Kraft blieben, werden hier Republik und Kaiserzeit nicht gesondert dargestellt. Jedoch soll nach Bedarf auf bedeutende Unterschiede hingewiesen werden.
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7.2
Teil I Strategien der Machterweiterung und -Sicherung des Römischen Imperiums
Vielfältige Steuern, Abgaben und Leistungen
Die Finanzierung des römischen Staatshaushaltes wurde über eine Vielzahl verschiedener Steuern, Abgaben und Leistungen sichergestellt, die von der Provinzbevölkerung aufgebracht bzw. geleistet werden mussten. Dabei lassen sich einmal die direkten Steuern mit den Grundsteuern und den Personalsteuern ausmachen. Daneben erhob der römische Staat eine grosse Anzahl an indirekten Steuern wie Hafengebühren, Verkaufssteuern, Gewerbesteuern u.a.m. Eine weitere Einnahmequelle bildeten die vielen Zölle, welche an den unzähligen Grenzen innerhalb und am Rande des Imperiums eingefordert wurden. Dazu kamen weitere Geldzahlungen und die für die römische plebs und die Armee so wichtigen Naturallieferungen. Eine andere Form der Unterstützung des römischen Staates bildete die Fronarbeit, zu der die Provinzbewohner verpflichtet werden konnten, und die dem Staat sehr grosse Ausgaben ersparte.991 7.3
Der Zensus als Berechnungsgrundlage für die direkten Steuern
Grundlage für den Steuereinzug bildete der census, eine Art Volkszählung. Dieser Zensus lieferte ursprünglich die nötigen Daten sowohl für die Einteilung der römischen Bürger in die fünf Klassen der Legion wie auch für die Steuern. Er wurde in Rom und Italien alle fünf Jahre wiederholt. Über diesen Klassen standen die equites und die Senatoren.992 Nachdem unter Marius auch die capite censi in die Armee eingezogen wurden und nunmehr nicht mehr das Vermögen Grundlage für die Einteilung bot, verlor der Zensus hierfür seine Bedeutung.993 Der Zensus wurde mit der Ausweitung des römischen Imperiums nun auch auf die Provinzbevölkerungen ausgedehnt. Die Quellenlage ist allerdings schlecht, und nur gerade für Δgypten ist sie besser. Hier wurde ein Zensus offenbar alle vierzehn Jahre durchgeführt.994 Δgypten liefert dabei den einzigen Beleg für eine periodische Steuerveranlagung in einer Provinz. Neben dem wohl berühmtesten Zensus in Judäa im Jahre 6 n.Chr. haben wir auch Kenntnis von einem Zensus, der unter der Aufsicht von Drusus 12 v.Chr. bei der Neuaufteilung Galliens durchgeführt wurde.995 Auch für Lusitania lesen wir von einem Zensus.996 Dies lässt die Annahme zu, dass bei der Einrichtung einer Provinz in der Regel eine solche Schätzung durchgeführt wurde. Mit dem Zensus wurde die Grundlage für den Einzug der direkten Steuern erarbeitet, die im Prinzip die Bodensteuern (tributum soli oder Stipendium) und die Personalsteuern bzw. Kopfsteuern (tributum capitis) umfassten.997 Zum Einschreiben hatten sich die Steuerpflichtigen an ihren Geburtsort (origo) zu begeben.998 Die betreffenden Daten wurden von städtischen Beamten in Regionallisten aufgeführt. Hier waren neben der Altersklasse des Steuer991
992 993
994
996 997
995
998
Vgl. exemplarisch Rostovcev, Staatspacht (1902) und Frumentum (PRE 16/1916) Sp. 126-187; Schwahn, Tributum (PRE 12/1916) Sp. 1-70 und (PRE 7.A.1/1939) Sp. 1-78; De Laet, Portorium (1949); Vittinghoff, Portorium (PRE 22.1/1953) Sp. 346-399; Jones, Taxation (1974) 151-186; Nicolet, Tributum (1976); Neesen, Staatsabgaben (1980); Hopkins, Taxes and Trade (1980) 101-125; Stenger, Gebt dem Kaiser (1988). Zum Strassenbau als munus publicum vgl. Kissel, Road-Building (2002) 127-160. Vgl. zu den Steuern, Abgaben und zur Fronarbeit auch die Übersicht in Exkurs E. Vgl. Hausmaninger, Census (KP 1/1979) Sp. 1107. Die capite censi hatten aufgrund ihres Vermögensstandes nur gerade eine Kopfsteuer zu bezahlen, (vgl. Gellius 16,10,10). Vor den Reformen von Gaius Marius konnten diese Bürger keinen Militärdienst leisten, weil sie ihre Ausrüstung nicht bezahlen konnten. Dafür hatten sie auch fast keine Mitbestimmungsrechte in der Volksversammlung. Vgl. Stern, Judaea (1974) 331 und ausführlich Hombert - Preaux, Recensememt (1952). Vgl. Livius, Periochae 138; Tacitus, Annalen 2,6. Vgl. CIL X 680. Vgl. Schwahn, Tributum (PRE 7.A.1/1939) Sp. 62-71. In der Kaiserzeit wurden die Grundsteuern aus den senatorischen Provinzen stipendaria, diejenigen aus den kaiserlichen Provinzen tributaria genannt (vgl. Gaius 2,21; Pekäry, Tributum (KP 5/1979) Sp. 952). Zum Zensus vgl. Neesen, Staatsabgaben (1980)33-61. Vgl. Lk 2,3ff. Kippenberg, Klassenbildung (1978) 125f.; Reicke, Zeitgeschichte ( 3 1982) 140. Vgl. auch Braunert, Provinzialcensus (1957) 192-214.
Β Administrative und finanzielle Strategien
127
Pflichtigen auch die Vermögensobjekte und die entsprechenden Vermögensklassen mit den genauen Zensusangaben aufgelistet. Für einen Zensus hatte sich jeder pater familias am Heimatort bzw. am Sitz der zuständigen Distriktverwaltung einzufinden, um über seinen Besitz Rechenschaft abzugeben.999 Die Veranlagung zur Personensteuer (λαογραφία) erfolgte dabei möglicherweise in bestimmten Abständen. So musste in Δgypten der steuerpflichtige Hauseigentümer alle 14 Jahre in seiner Heimatgemeinde eine Hausliste anfertigen. Diese musste "ausser seiner Adresse, seiner Familie und seinem Besitz alle Hausbewohner nach Namen, Alter, besonderen Merkmalen, Gewerbe und Verpflichtungen zur Zahlung der Kopfsteuer und zum Militärdienst enthalten ... Die Vereinigung der Hauslisten zu Stadtteilen und Gemeinden ergab vollständige Bevölkerungslisten, die dann für die Veranlagung zum Tributum und zu seiner Erhebung die Grundlage bildeten."1000 Die in den regionalen Listen enthaltenen Angaben wurden durch einen Beamten senatorischen oder ritterlichen Ranges in einer Provinzialliste zusammengefasst, die dann im Archiv in der Provinzhauptstadt niedergelegt wurde. Eine Abschrift dieser Liste wurde nach Rom geschickt. Hier legte in der Prinzipatszeit der Kaiser aufgrund des staatlichen Finanzbedarfs die Höhe der Steuern fest.1001 Gemäss Josephus war die Vernichtung dieser Steuerlisten mitsamt des dazu gehörigen Archivs ein Ziel der sogenannten Sikarier während des Aufstandes in Jerusalem, da diese Listen als Ausdruck und Symbol der römischen Herrschaft über das jüdische Volk empfunden wurden. Die Sikarier steckten das Archiv in Brand, nachdem die Wärter geflohen waren. Dadurch sollte die Eintreibung der Schulden verunmöglicht werden1002 Die Erstellung dieser Steuerlisten war dabei häufig mit peinlichen und erniedrigenden Verhören verbunden. Dazu lesen wir bei Aurelius Victor: "Die Prokuratoren beunruhigten die Provinzen derart, dass man sagte, der erste habe ei nen der Wohlhabenden angefahren: 'Weswegen hast du?', der zweite: 'Woher hast du?' und schliesslich der dritte: 'Gib auf, was du hast!'" (Caesares 42,21) 1003
Wer falsche Angaben über seine Besitzverhältnisse machte, hatte mit hohen Geldstrafen zu rechnen.1004 Und wer schliesslich seine Steuern nicht bezahlte, musste schwere Konsequenzen in Kauf nehmen. Unter Nero wurden Säumige verurteilt und als Sklaven verkauft.1005 Für die Zeit des als Gewaltherrscher bekannten Galerius (293-310 n.Chr.) überliefert uns Laktanz ein drastisches Bild der Steuererhebung und ihrer Folgen: "Das Unglück und der Jammer wurde erst allgemein durch die Kopf und Vermögens steuer, die gleichzeitig für alle Provinzen und Städte angeordnet wurde. Die Menge der Steuerbeamten ergoss sich überallhin und brachte alles in Aufruhr. Es waren Bilder des Schreckens, wie beim Einfall der Feinde und der Wegführung der Gefangenen. Die Ä cker wurden schollenweise abgemessen, Weinstöcke und Bäume gezählt. Jede Art von Haustieren wurde verzeichnet, bei den Menschen die Zahl der Köpfe vermerkt. In den Städten drängte sich städtische und ländliche Bevölkerung zusammen. Alle Plätze waren mit Scharen von Gesinde überfüllt. Jeglicher war mit Kindern und Sklaven zur Stelle. Folter und Schläge hallten wider. Söhne folterte man wider die Väter, die treuesten Skla ven gegen die Herren, Gattinnen wider die Gatten. Wenn alles erfolglos war, so folterte man die Besitzer gegen sich selbst, und wenn der Schmerz obsiegte, so schrieb man das 999
S.o. Kap. 7.3. Schwahn, Tributum (KP 5/1979) Sp. 69. 1ναναπείσα3 έκείνοΐS μεν OάTLOS άττωλειεκ έ γ έ ν ε τ ο , αύTOS δε ύττό τ ο ΰ τήδ χώραβ ή γ ε μ ο ν ε ΰ ο ν τ ο 3 δεθεί3 καΐ ε π ί τ ο ν αυτοκράτορα π ε μ φ θ ε ί 3 έ φ α σ κ ε ν έμε αϋτω οπλα π ε π ο μ φ ε ν α ι καΐ χ ρ ή μ α τ α . 4 2 5 ού μην Ο ύ ε σ π α σ ί α ν ό ν ψευδόμενοβ ελαθεν, άλλά κ α τ έ γ ν ω θάνατον αύτοϋ, κα! παραδοθεΐβ άπέθανεν. " 4 2 4 Ein Jude n a m e n s Jonathan hatte nämlich einen A u f s t a n d in K y r e n e angezettelt u n d zweitausend E i n w o h n e r dazu verleitet, und er war verantwortlich f ü r ihr Verderben. E r selber wurde vom Statthalter gefangen g e n o m m e n und vor den Kaiser geschickt, w o er aussagte, dass ich ihm W a f f e n und Geld geschickt hätte. 4 2 5 A b e r es entging Vespasian
F Gestalt und Schicksal prophetisch-messianischer Bewegungen
259
nicht, dass er log, sondern er verurteilte ihn zum Tode, und er (Jonathan) wurde ausgelie fert und hingerichtet." Der letzte Bericht über die Aktivitäten eines Mannes, der seinen Anhängern Zeichen und Wunder versprach, befasst sich mit einem (ehemaligen) Sikarier namens Jonathan, der von Palästina nach Kyrene in NordAfrika geflüchtet war.1999 Daneben findet sich noch eine zweite Erzählung, die sich mit den Aktivitäten der Sikarier nach dem Ende des Aufstandes gegen Rom befasst: Der von Sikariern angezettelte Aufstand, der zur Schliessung und Zerstörung des Tempels in Leontopolis führte.2000 Jonathan wird von Josephus als "sehr schlechter Mensch" beschrieben, der nicht wenige Ar me dazu verleitete, ihm nachzufolgen dank seinem Versprechen, ihnen in der Wüste Zeichen und Wunder (σημεία καί φάσματα) zu zeigen. Dabei kann die Betonung der Armut der An hängerschaft von Jonathan einerseits und des Reichtums seiner jüdischen Gegner andererseits als Hinweis auf die soziale Ausrichtung Jonathans und der Sikarier allgemein gedeutet wer den.200' Auch hier sind die Sammlung einer Anhängerschaft, die Aufforderung, dem Anführer bzw. Propheten in die Wüste zu folgen und das Versprechen prophetischer Zeichen charakteri stisch.2002 Allerdings ist auch hier nichts davon berichtet, worin diese Zeichen und Wunder bestehen sollten. Im Gegensatz zu vielen anderen durchschauten die Angehörigen der lokalen jüdischen Elite in Kyrene den "Schwindel" und meldeten dies dem Statthalter der lybischen Pentapolis, Catull.2003 Durch ihre Intervention kommen sie dem Vorhaben Jonathans und seiner Anhän gerschaft zuvor, wobei Josephus hier aufschlussreich von einem "Auszug" der Gruppe spricht. Sehr deutlich wird auch die Mitverantwortung der lokalen Elite für die Aufrechterhal tung von Ruhe und Ordnung in der römischen Provinz.2004 Sie beobachtete deshalb sehr wachsam die Aktionen von Jonathan und konnten sehr früh schon Massnahmen einleiten, während viele Provinzbewohner davon noch gar nichts gemerkt hatten. Der Statthalter sandte Reiterei und Fussvolk, die sich leicht der wehrlosen M e n g e be mächtigten und viele töteten und einige gefangen nahmen. 2005 Jonathan konnte zwar zuerst 1999
Vgl. Baumbach, Zeloten (1965) Sp. 727-740. Die Kyrenaika war durch testamentarische Verfügung von Ptolemaios Apion (116-96 v.Chr.) ins römische Imperium eingegangen. Augustus ordnete dann das Gebiet zusammen mit Kreta als "Creta et Cyrenaica" den Senatsprovinzen zu (vgl. Von Premerstein, Edikte (1928) 419-531; Volkmann, Kyrene (KP 3/1979) Sp. 411).
2000
Vgl. Josephus, Bell. 7,409-436. ' Vgl. Baumbach, Zeloten (1965) Sp. 734; Baumbach, Jesus (1971) 18f. Dabei kann άποροι ambivalent übersetzt werden; es bedeutet so viel wie hilflos, mittellos, geistig unbegabt, ungebildet. Lat übersetzt mit imperitorum (vgl. Michel - Bauemfeind, De Bello Judaico II.2 (1969) 285 Anm. 209). Diese Ambivalenz zeigt die beiden Seiten des Begriffs: Arme haben häufig nicht die Möglichkeiten einer guten Schulbildung und lassen sich in den Augen von Josephus daher auch leichter von einem üblen Subjekt wie Jonathan verfuhren. 2002 Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 96f. 2003 Die Wendung οί δέ TOLS άξιώμασι προύχονres kommt bei Josephus neben Bell. 7,439 noch viermal vor: in Bell. 4,358; 7,68 und Ant. 20,178 werden damit Angehörige der jüdischen Aristokratie bezeichnet, Ant. 18,306 sind römische Senatoren gemeint. Neben Josephus gibt es keine literarischen Zeugnisse über Catull (vgl. Michel - Bauernfeind, De Bello Judaico II.2 (1969) 285 Anm. 210). Zur jüdischen Bevölkerung der Kyrenaika vgl. Applebaum, Jews in the Diaspora (1976) 708-711. 2004 Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 102. 2005 Aus dem Text wird nicht ganz deutlich, ob die Menge ganz ohne Waffen war, obwohl sie als αΐΌττλοι geschildert wird. Doch das όίνοπΧοι. kann auch "ohne s c h w e r e Bewaffnung" (Pape, Griechisch deutsches Handwörterbuch I ( 3 1888) 272) oder "ohne schwere Rüstung" bedeuten (vgl. Thesaurus linguae graece I (1831) Sp. 839; Langenscheidts Taschenwörterbuch Altgriechisch ( 5 1990) 51). Bei Josephus meint es zwar "ohne Waffen, unbewaffnet" (vgl. Rengstorf, Concordance I (1973) 137). Der Hinweis auf die Sikarier lässt aber an eine Bewaffnung mit dem Krummdolch (sica) denken. Auch das παρασκευή weist neben seiner Grundbedeutung von "Vorbereitung" in das semantische Wortfeld von "Kriegsvorbe reitung" und "Rüstung" (vgl. Pape, Griechisch-deutsches Handwörterbuch II ( 3 1888) 498f.; Rengstorf, Concordance III (1979) 306f.). Gegenüber den römischen Reitern und Fusssoldaten wären die Anhänger von Jonathan somit in der Tat quasi unbewaffnet gewesen (vgl. Egger, Crucifixus (1997) 97 Anm. 294). Zudem wird Vita 424f. der Vorwurf gegen Josephus überliefert, dieser hätte Jonathan mit Waffen und 200
260
Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
fliehen, wurde aber später doch ergriffen. Die intensive und sorgfältige Suche nach dem selbsternannten Propheten weist dabei auf seine Gefährlichkeit in den Augen der römischen Behörden hin.2006 Gegen Ende der Vita (424f.) wird dieser Vorfall nochmals aufgenommen. Hier wird die Zahl der Getöteten unter der Anhängerschaft von Jonathan auf 2000 beziffert, nichts wird jedoch von versprochenen Zeichen und Wundern und einem Marsch in die Wüste berichtet. Zudem wird Josephus in der nachfolgenden Intrige beschuldigt, Jonathan mit Waffen und Geld unterstützt zu haben, was eine Bewaffnung der Gruppe vermuten lässt. Wie diese Unstimmigkeiten zwischen Bellum und Vita bereinigt werden können, ist unklar. Beispielhaft verdeutlicht diese Erzählung eines der Anliegen des Bellum von Josephus: Die Warnung an seine Landsleute, die Finger von jeder Art Aufstand oder vergleichbaren Aktivitäten zu lassen. Dass er dabei aus der Sicht des Statthalters von einem "jüdischen Krieg" spricht, ist sicher kein Zufall. Dabei zeigt Josephus auch ganz genau, was in solchen Fällen die Aufgabe der lokalen jüdischen Eliten ist: das aufmerksame Beobachten umstürzlerischer Aktivitäten und deren rechtzeitige Meldung an die verantwortlichen römischen Behörden. Damit erweisen sich die lokalen jüdischen Eliten nicht nur als loyale Provinzbewohner, sondern sie leisten auch einen bedeutsamen Beitrag zur Sicherheit und Stabilität einer Provinz und damit der römischen Sicherheitsinteressen. Nur mit einem solchen Verhalten werden sich die Juden und Jüdinnen auch weiterhin der religiösen Privilegien im römischen Imperium erfreuen können. Die Erzählung hat in paränetischer Hinsicht für ein weiteres Publikum noch andere Botschaften bereit: Für die römischen Behörden gilt es, bei Anklagen gegen jüdische Provinzbewohner jeweils genau zu schauen, wer die Opfer (άποροι) und wer die Täter (Johannes) sind. Die Erzählung zeigt aber auch die Loyalität gegenüber den römischen Sicherheitsinteressen und das vorbildliche Handeln der lokalen jüdischen Elite auf. In der Intrige des Statthalters Catull wird deutlich, dass auch die römischen Behörden nicht vor Antijudaismus und Korruption gefeit sind. Den schuldhaften Statthalter Catull erteilt durch ein schreckliches Schicksal denn auch die gerechte Strafe Gottes (Bell. 7,451-453). Dass Vespasian und Titus diese Intrige durchschauen und die Juden freigesprochen werden, passt sehr gut in das von Josephus gezeichnete Bild des römischen Kaisers und seines Sohnes. An ihrem Scharfblick und ihrer Sympathie für die jüdischen Bewohner und Bewohnerinnen des Imperiums sollten sich römische Eliten einschliesslich angehender römischer Kaiser orientieren. 14.2
Gemeinsame Charakteristika der Zeichenpropheten
Die Nennung von angekündigten "Zeichen" ist eine von mehreren Gemeinsamkeiten, die eine Zusammenfassung der aufgeführten Gestalten und Gruppen unter dem Oberbegriff "Zeichenpropheten" erlaubt. Und zwar auch dann, wenn sie sich hinsichtlich ihrer konkreten Aktivitäten, Absichten und Hoffnungen unterscheiden. 14.2.1 Die Ankündigung von Zeichen Um die Bezeichnung "Zeichenpropheten" zu verstehen und sie für die darunter gezählten Propheten zu rechtfertigen, muss zunächst der Begriff von "Zeichen" bestimmt und dessen Verwendung im AT und bei Josephus verglichen werden.
Geld unterstützt. Gegen diese Argumentation muss allerdings auch bedacht werden, dass der Text einerseits ausdrücklich von keiner Bewaffung spricht und andererseits der Hinweis auf die Zugehörigkeit des Webers Jonathan zu den Sikariem nicht notgedrungen dasselbe für die von ihm in die Wüste Geführten bedingt bzw. bedeutet. 2006 Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 97 Anm. 295.
F Gestalt und Schicksal prophetisch-messianischer Bewegungen
a)
261
Der Begriff "Zeichen" im AT
™ hat im AT eine sehr weite Bedeutung und ist im ganzen Spektrum der all. Literatur vertreten, in der weisheitlichen jedoch nur einmal (Jiob 21,29). Die LXX übersetzt meist mit σημεΐον. Die Bedeutung von "Signal" bzw. "Zeichen" ist zunächst nicht auf einen Lebensbereich beschränkt. In der Prophetie weist m« auf das Wirken Gottes hin, wobei es manchmal auch legitimierenden Charakter hat.2007 Von besonderem Interesse ist dabei der Sprachgebrauch von niK und σημεΐον im Zusammenhang mit dem Exodusgeschehen, dem Urdatum des Befreiungshandelns Gottes an seinem Volk. In Ex 3-14 (LXX) werden die drei beim Dornbusch aufgetragenen Wunder als σημεία bezeichnet (vgl. Ex 4,8.9.17.28.30), ebenso die Plagen (vgl. Ex 8,19; 10,1.2). Überall steht hier ση μείον für das hebräische m«. Manchmal wird für die Plagen auch σημεία και τέρατα gebraucht (Ex 7,3; 11,9.10). Allerdings steht in Ex 7,3 für σημεία das hebräische mrn« und τέρατα steht für οτβή; aber in 11,9.10 steht für σημεία και τέρατα das hebräische •'nsio. Für die Beschreibung der Plagen oder des ganzen Wunderkomplexes beim Exodus steht in der LXX σημεία (Num 14,11.22; Sir 45,3) oder σημεία και τέρατα (Dtn 4,34; 6,22; 7,19; 11,3; 26,8; 29,2; 34,11; Neh 9,10; Ps 77,43; 104,27; 134,9; Weish 10,16; Jer 39,20.21; Bar 2,11). Hier ist oft schwierig zu entscheiden, ob nur die Plagen oder die Gesamtheit der Wunder des Exodus gemeint sind. Die Verbindung σημεία και τέρατα ist charakteristisch für dtn Material. Σημεία steht durchwegs für das hebräische mm«, und ausser in Dtn 11,3, wo das hebräische dtoo (Taten) zu finden ist, wird für τέρατα πήξω gelesen.2008 b)
Der Begriff "Zeichen" bei Josephus
Um zu verstehen, um was es bei den σημεία der Zeichenpropheten ging, muss zuerst der Sprachgebrauch bei Josephus geklärt werden. Σημεΐον hat bei Josephus eine grosse Bandbreite von Bedeutungen: u.a. meint es das Kainszeichen (Ant. 1,59); es kann auch "Signal" bedeuten (Bell. 2,172.579; 3,105; 6,70; Ant. 5,46.161; 12,404; 18,61; Vita 322), oder "Passwort" (Bell 2,551; 3,88 und häufig in Ant. 19,29-256); "Beweis" (Ant 1,125.127; 16,363).2009 Im prophetischen Kontext ist das Bedeutungsfeld bei Josephus aber enger als bei Μ und LXX. Während Μ und LXX mit σημεία meist die von Moses verwirklichten Wunder beim Exodus meinen wie die Plagen, die Teilung des Roten Meeres, das Manna oder die Wasserwunder bei der Durchquerung der Wüste, ist die Verwendung des Begriffs σημεία bei Josephus von der LXX verschieden.2010 Bei Ant. 2,327 ist nicht ganz klar, was alles mit σημεία als den von Gott für die Israeliten realisierten Wundem gemeint ist. Ansonsten gebraucht Josephus σημεία nur für die drei ihm von Gott beim brennenden Dornbusch aufgetragenen Wunder (und nicht für die Plagen), als Moses von Gott geheissen wurde, nach Δgypten zurückzukehren und die Israeliten zu befreien (Ant. 2,274.276.280.283.284). 20 " So gebraucht Josephus nie den Begriff σημεία oder σημεία και τέρατα für die Plagen. Auch die Teilung des Meeres wird nicht als σημείου, sondern als wunderbare Rettung (παράXoyos σωτηρία Ant. 2,339; παράδοξοβ σωτηρία Ant. 2,345; 3,1) oder als Epiphanie Gottes (επιφάνεια τοϋ θεοϋ Ant. 2,339) bezeichnet. Josephus gebraucht auch nie σημεία καΐ τέ ρατα, um die Wunder beim Exodus als Ganzes zu beschreiben, obwohl er beispielsweise Ant. 3,17f.86 und 4,43ff. diese Wunder umfassend behandelt.20'2
2007
2008
Zu nsio im Zusammenhang des AT vgl. Wagner (ThWAT 4/1984) Sp. 750759.
2009
2010 2011
2012
Vgl. dazu ausführlich Rengstorf, σημεΐον (ThWNT 7/1964) 207220; Stolz, nis (THAT 1/1971) Sp. 93ff.
Vgl. Rengstorf, σημεΐον (ThWNT 7/1964) 22Iff. Vgl. Betz, Wunder (1974) 30. Nach Betz ist der aT^eiovBegriff von Josephus stark von dessen eigenen Erfahrungen bestimmt. Vgl. auch Rengstorf, Concordance IV (1983) 15. Anders Hengel, Zeloten (1961) 119f.
262
Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
Die Zeichen der Exodus-Tradition haben bei Josephus verschiedene Funktionen: Einmal dienen sie zur Ermutigung und Bestärkung von Moses selbst (vgl. Ant. 2,276), andererseits sollen sie diejenigen, die ihnen beiwohnen, überzeugen, dass Moses wirklich der Gesandte Gottes ist, so dass sie glauben, was er sagt und seinen Befehlen Folge leisten (Ant. 2,274). So stellt Josephus Ant. 2,280 fest, dass die Führer der Hebräer Mut schöpften und voller Hoffnung waren, dass alles gut gehen würde, weil Gott für ihre Sicherheit besorgt war. Letztlich waren diese Wunder natürlich auch als Uberzeugungsmittel für den Pharao gedacht. In diesem Zusammenhang wird aber ihre Ambivalenz deutlich: Sie konnten als göttliche Zeichen oder als magische Tricks (miss-) verstanden werden. Dtn 13,2-6 warnt deshalb vor Zeichen und Wundern, die mit Idolat-rie verbunden sind. So missverstand auch der Pharao die Zeichen als Schwindel und Magie (Ant. 2,284) und liess sich dadurch nicht überzeugen. Ein weiteres Beispiel für das Zeichenverständnis von Josephus findet sich Ant. 10,25-29 in der Erzählung der Begegnung zwischen König Hiskija und Jesaja, der dem König im rückwärts gehenden Schatten ein wunderbares Zeichen der Bestätigung für die Vorhersage seiner baldigen Genesung geben sollte. Auch hier verwendet Josephus den Begriff ση μείον (Ant. 10,29) und σημεΐόν τι και τεράστιον (Ant. 10,28). Die LXX liest überall ση μείον (2 Kön 20,8.9; Jes 38,7.22) und übersetzt so das hebräische i m Ein weiteres Beispiel für das ar^eiov-Verständnis von Josephus findet sich Ant. 8,230-245 in seiner Version der Erzählung des Gottesmannes aus Juda und dem Propheten aus Bet-El (1 Kön 13). Der Gottesmann (Josephus wie auch die rabbinische Tradition identifizieren ihn mit Jedo aus 2 Chron 9,29) gibt im Zerbersten des Altars ein Zeichen als Beweis für die Rechtmässigkeit seiner Vorhersage. Dem zweifelnden Jerobeam wird in der Lähmung seines Armes ein zweites Zeichen gegeben, dem er dann Beachtung schenkt. Josephus gibt gegenüber der biblischen Version einige Zusätze, die sein ση μείον-Verständnis verdeutlichen sollen: Ant. 8,232 erklärt er, dass der Prophet ein Zeichen gab, damit die Leute glaubten, dass sich seine Vorhersage bestätigen würde. Ant. 8,234 bestätigt Jerobeam, dass der Prophet die Wahrheit gesagt hatte und von Gott gegebenes Zukunftswissen besitze, und Ant. 8,243 unterstreicht Josephus, dass dieser Gottesmann ein wahrhaftig von Gott inspirierter und hervorragender Prophet war. Die Rede des falschen Propheten (Ant. 8,243f.), der für die Zeichen eine natürliche Erklärung gibt, bestätigt die Ansicht von Josephus, dass Zeichen ambivalent in ihrer Deutungsmöglichkeit sind. Während der hebräische Text für die Zeichen des Gottesmannes hier nsio gebraucht, übersetzt LXX mit Tepas, Josephus hingegen durchgehend mit ση μείον (Ant. 8,232.236.244). Ant. 8,408 fügt Josephus in die Erzählung von 1 Kön 22 die Aufforderung Zidkijas an den Propheten Micha ein, ein legitimierendes Zeichen für seine Weissagung zu geben mit dem Hinweis auf den Vorfall zwischen König Jerobeam und dem Gottesmann aus Juda. Nach Josephus sollte ein wahrer Prophet also in der Lage sein, zur Unterstreichung seines Anspruchs ein wunderbares Zeichen zu vollbringen. Doch es finden sich noch weitere Hinweise für das prophetische Zeichen-Verständnis von Josephus in den Antiquitates: 8,347 weist auf von Elija realisierte Zeichen hin; 9,23 betet Elija um Feuer vom Himmel, das die zu seiner Gefangennahme entsandten Soldaten verbrennen soll. Damit soll bewiesen werden, dass er ein wahrer Prophet ist; 6,53-57 sagt der Prophet Samuel Zeichen voraus, die seine Weissagung bestätigen sollen, dass Gott Saul zum König über Israel machen will. Und 6,88-94 bittet Samuel Gott, dass ein Unwetter mit Hagelschlag Zeichen für Gottes Missfallen an der Wahl eines Königs sei. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Verweigerung eines Zeichens durch Jesus Mk 8,1 Iff.: Er geht auf die Forderung nach einem legitimierenden Zeichen durch die Pharisäer nicht ein; für ihn spricht und wirkt Gott durch sein Lehren und Wirken, das keiner zusätzlichen Legitimierung bedarf. c)
Die "Zeichen" der Zeichenpropheten
Gemäss Josephus versprachen die Zeichenpropheten, dass im Zusammenhang mit dem Eingreifen Gottes dieser oder sie selbst wundersame Taten, "Zeichen" erwirken würden. Von diesem Charakteristikum her rührt ja auch die Bezeichnung "Zeichenpropheten". Der Gebrauch
F Gestalt und Schicksal prophetisch-messianischer Bewegungen
263
von σημεία bei Josephus als legitimierende Zeichen kann nun auch auf die angekündigten Zeichen der Zeichenpropheten übertragen werden. Wenn einige von ihnen "Zeichen der Befreiung" (Bell. 2,259) oder "Zeichen der Rettung" (Bell. 6,285) in Aussicht stellten, verkündeten sie wohl eine Botschaft der Befreiung oder der Rettung. Sie versprachen dabei offenbar Zeichen, die belegen sollten, dass ihre Botschaft von Gott kommt. Die angekündigten Wunder hatten in Analogie zu den grossen Zeichen der Mose- und Josuatradition legitimierenden Charakter und waren in der Darstellung von Josephus als "Beglaubigungswunder" konzipiert.2013 Die angekündigten Zeichen weisen einen mehr oder weniger deutlichen Bezug zur Landnahmetradition auf.2"14 Bei Theudas und dem Propheten aus Δgypten sind die beabsichtigten Aktionen konkreter nach dem Vorbild grosser Gestalten der Vergangenheit entworfen. Einzig bei ihnen notiert Josephus auch einen prophetischen Anspruch. Ein Problem stellt sich durch die neben σημεία ungebräuchliche Verwendung von Tepas bei den namenlosen Propheten unter Felix (Ant. 20,168) und φάσμα bei Jonathan (Bell. 7,438) zur Bezeichnung von legitimierenden Zeichen. Josephus bringt φάσμα (Wunder, Erschei nung) nur noch Bell. 6,297. Und Tepas erscheint im gesamten Werk von Josephus nur zwölfmal, und ausser Ant. 4,291 bezeichnet Tepas immer Omen und Vorzeichen.2015 Man könnte vermuten, dass für Josephus Vorzeichen und legitimierende Zeichen ziemlich ähnlich sind, nur dass sich Vorzeichen spontan und ohne Vorwarnung zeigen, während legitimierende Zeichen von jemandem vorhergesagt und dann realisiert werden. Legitimierende Zeichen werden mit Gottes Plan Ant. 2,286 bei der Auseinandersetzung von Moses mit den ägyptischen Magiern in Verbindung gebracht. Auch Ant. 20,168 werden Wunder und Zeichen (τέρατα και σημεία) im Zusammenhang mit Gottes Plan angesagt. Gemäss Josephus zeigte sich in legitimierenden Zeichen wie auch in Vorzeichen demnach der Wille Gottes gegenüber seinem auserwählten und gläubigen Volk. 14.2.2 Prophetische Führer und messianische Erwartungen Die Führer dieser Bewegungen charakterisierten sich selbst als "Propheten" und wurden von ihren Gefolgsleuten auch als solche angesehen. Der prophetische Anspruch dieser Gestalten wird von Josephus explizit genannt bei Theudas (Ant. 20,97) und beim Δgypter (Bell. 2,261). Bei den namenlosen "Gauklern und Betrügern" von Bell. 2,258ff. spricht er aufschlussreich vom "Vorwand göttlicher Eingebung". Gegen seinen Standpunkt spricht Josephus auch Bell. 6,286 bei seinem Kommentar über den Tod der Sechstausend im Tempel von "Propheten". Dass diese Propheten in ihren Aktionen auch an messianische Erwartungen anknüpften oder solche ausdrückten, ist auch durch die verzerrende Darstellung von Josephus ersichtlich.2016 Doch gemäss seiner Gepflogenheit vermeidet Josephus auch bei ihnen jeden ausdrücklichen Hinweis darauf. Die Ankündigung von Zeichen im Zusammenhang einer typologischen Wiederholung von Wundern aus der Heilsgeschichte Israels unterstreicht also nicht nur einen prophetischen Anspruch.2017 Diese Zeichen haben zudem in der Vielzahl der im 1. Jh. n.Chr. in Palästina kursierenden messianischen Erwartungen Anknüpfungspunkte und können als Teil eines Realisierungsversuchs solcher Erwartungen verstanden werden.20'8
2013
So Meyer, προφήτηβ ( T h W N T 6/1959) 826. Vgl. auch De Jonge, Zukunftserwartungen (1974) 218; Betz, Prozess Jesu (1982) 592.
Vgl. Krieger, Zeichenpropheten (1998) 175188.
Vgl. Rengstorf, Concordance IV (1983) 179.
2014 20,5
2016
2017 2018
Vgl. Hill, Messianic Prophets (1979) 145.
Vgl. Theissen, Jesusbewegung (2004) 107f.
Vgl. Thoma, Messiasprojekt (1994) 132. Thoma unterstreicht sehr richtig den tentativen Charakter messianischer Projekte und Gestalten. R. Horsley spricht in Bezug auf die "Action Prophets" und ihren Bewegungen zu Recht von kollektiven Umsetzungsversuc/ien solcher eschatologischer Erwartungen. Er setzt diese Bewegungen dabei von Gruppen ab, die ihre Erwartungen schriftlich festhielten (vgl. etwa Horsley Hanson, Popular Movements (1988) 160172).
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Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
Dabei können diese Bewegungen unterschieden werden von anderen Bewegungen dieser Zeit, deren Führer den Anspruch von Königen erhoben und in einer königlich-messianischen Tradition standen.2019 In der Gestalt des Δgypters vereinigen sich in bestimmter Weise jedoch Zeichenprophet und König.2020 Er beansprucht, ein Prophet zu sein und verspricht ein Zeichen. Er hat jedoch bewaffnete Anhänger und will sich als Herrscher aufwerfen. 14.2.3 Die Rolle der Zeichenpropheten bei der Erwartung von Gottes Eingreifen Die Zeichenpropheten verkündeten ihren Gefolgsleuten, dass Gott selbst eingreifen würde um sie zu retten. Es ist allerdings mit wenigen Ausnahmen schwierig zu sagen, um was für eine Rettung es sich hier handeln oder was für Konsequenzen diese haben sollte: Der ägyptische Prophet versprach den Fall der Mauern von Jerusalem, worauf er mit seinen Gefolgsleuten in die Stadt eindringen, die Besatzung hinaus- und sich selbst zum neuen Herrscher aufwerfen wollte. Der Prophet, der kurz vor der Zerstörung des Tempels 6000 Menschen zum Tempel geführt hatte, erwartete wohl eine ausserordentlich dramatische Rettung durch Gott. Und Theudas versprach offenbar einen neuen Exodus oder eine Neuauflage der Landnahme. Auch wenn alle diese Zeichenpropheten an ein wunderbares Eingreifen Gottes glaubten, ihre eigene Rolle und Anstrengung sahen und konzipierten sie also unterschiedlich. So waren der Δgypter und seine Gruppe wahrscheinlich bewaffnet und hatten einen konkreten Plan zum weiteren Verlauf des Unternehmens. Der Prophet auf dem Tempelberg hingegen sah seine Rolle in dieser Hinsicht bedeutend passiver. 14.2.4 Das Verhältnis der Zeichenpropheten zum bewaffneten Widerstand Es ist die Einschätzung und Gestaltung der eigenen Rolle, welche die Zeichenpropheten auch von den Widerstandskämpfern unterscheidet, und sie sind deshalb (vielleicht mit Ausnahme von Jonathan) auch nicht als sozio-politische Revolutionäre zu bezeichnen. Denn auch wenn ihre Aktionen als Reaktion auf die Besatzung Palästinas bzw. Judäas durch Rom interpretiert werden können, sind sie doch nicht als politisch in dem Sinne zu verstehen, dass sie einen genauen politischen Plan zur Befreiung von der römischen Herrschaft und zur Neueinsetzung einer autonomen Regierung gehabt hätten.2021 Es ist also nicht die Einstellung zur römischen Fremdherrschaft, welche Widerstandskämpfer und Zeichenpropheten unterscheiden, sondern die Einschätzung der eigenen Rolle im Kampf dagegen. Denn die Widerstandskämpfer legten doch einen bedeutend höheren Realitätssinn an den Tag, was die politischen und militärischen Notwendigkeiten zur Verwirklichung einzelner Nahziele betraf, obwohl auch sie glaubten, dass Gott auf ihrer Seite kämpfen würde.2022 Was das Fernziel der Befreiung von der römischen Fremdherrschaft betrifft, handelten sie jedoch ebenso wie die Zeichenpropheten in absoluter Verkennung ihrer militärischen Möglichkeiten innerhalb der Machtstruktur des Imperium Romanum.
2019
Vgl. dazu Barnett, Sign Prophets (1981) 686f; Horsley - Hanson, Popular Movements (1988) 7; De Jonge, Zukunftserwartungen (1974) 218f. Vgl. schon Kap. 13.9.1. Auch bei Jesus von Nazaret sind königlich-messianische Züge feststellbar. Einige davon brachten ihm die Anklage der unrechtmässigen Königsprätention ein (vgl. Kap. 17.1 und 17.3.1). Nach R. Gray, Prophetic Figures (1993) 205 Anm. 79, wird durch die Bezeichnung der Zeichenpropheten als "messianischen" Propheten die Grenze zu messianischen Königsprätendenten verwischt (so etwa bei Hill, Messianic Prophets (1979) 143-154; Meyer, π ρ ο φ ή τ η (ThWNT VI/1959) 826f.; Meyer, Prophet (1940) 8288; Hengel, Zeloten (1961) 235246). Nach Gray ist der Begriff "messianisch" besser angebracht für Gestalten, die sich selbst als Könige betrachteten oder von ihren Anhängern und Anhängerinnen als solche angesehen wurden (vgl. Horsley, Popular Prophetic Movements (1986) 473; Horsley - Hanson, Popular Movements (1988) 7). Gegen diese Argumentation ist einzuwenden, dass der Begriff des Messias bzw. des Gesalbten nicht nur königliche, sondern auch prophetische und priesterliche Konnotationen aufweist (vgl. etwa die Betonung des priesterlichen Elementes in Qumran! Vgl. dazu u.a. Puech, Preseance sacerdotale (1994) 351-366; Messianisme (1997) 225-298; Qumran Messianism (1999) 545-565). Zur Begrifflichkeit von "prophetischmessianisch" s.o. Einleitung. 2020 Vgl. Crone, Early Christian Prophecy (1973) 34f.; Barnett, Sign Prophets (1981) 683.687. 2021 Vgl. Sanders, Jesus and Judaism (1985) 296. 21,22 Vgl. Rhoads, Israel in Revolution (1976) 168.
F Gestalt und Schicksal prophetisch-messianischer Bewegungen
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Manchmal ist es schwierig, die Grenze zwischen Zeichenpropheten und Aufständischen zu ziehen. Der ägyptische Prophet etwa ist ein Grenzfall: Er glaubte an ein wunderbares Eingreifen Gottes, nicht ohne allerdings eigene militärische Aktionen zu planen und vorzubereiten. Jonathan seinerseits wandte sich in seinem Unternehmen wohl primär gegen reiche Juden und nicht gegen die römische Oberhoheit. Er könnte als sozio-politischer Rebell oder Revolutionär bezeichnet werden. Aus der von Josephus zu einem grossen Teil geteilten römischen Perspektive erscheint der Widerstand gegen die von Rom verfügte Herrschaftsstruktur neben dem angerichteten Schaden (Bell. 2,261) als weitere Verbindung zwischen Zeichenpropheten und Widerstandsgruppen. In der Darstellung von Josephus gibt dabei die übereinstimmende Beurteilung der Aktivitäten von Zeichenpropheten und Rebellen als Gefahr für die Stabilität der Provinz (ι/Εωτερισμέβ, μεταβολή, απόστασα) sehr gut die Sicht der römischen Besatzer wieder. Es ist nicht leicht, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Versionen genau einzuschätzen. Allgemein kann festgestellt werden, dass Josephus die Zeichenpropheten im Bellum "militarisiert", um sie in die Nähe des bewaffneten Widerstandes zu bringen und so seiner Grundtendenz, den Ausbruch des Krieges und den Untergang Jerusalems einzelnen Individuen oder Gruppen (beider Seiten) anzulasten, dienstbar zu machen.2023 Die Darstellung der Zeichenpropheten als bewaffnete und gefährliche Unruhestifter und Revolutionäre passt damit sehr gut in diese Gesamtkonzeption des Bellum und liefert hier auch die Rechtfertigung für das harte Eingreifen der Römer.2024 Die Zusammenfassung von Bell. 6,286 spricht ausdrücklich davon, dass durch die Aufständischen zwecks Verbesserung der Widerstandsmoral beim Volk Propheten eingesetzt wurden. Eine derart unmittelbare Zusammenarbeit ist sicher fraglich und den apologetischen Überlegungen von Josephus zuzurechnen, wenn auch die Botschaft der Zeichenpropheten vom eingreifenden Gott die Aufständischen ermutigt haben mag. So verwischt Josephus manchmal in seiner Darstellung die Trennungslinie zwischen Zeichenpropheten und Aufständischen. Besonders in redaktionell stark bearbeiteten Abschnit ten über Ereignisse unter Felix (etwa Bell. 2,264f.; Ant. 20,160f.) legt Josephus die Zusammenarbeit von Zeichenpropheten und Aufständischen nahe, während in den Berichten über die Zeichenpropheten selbst darüber nichts zu lesen ist. Sicher waren die prophetisch inspirierten Volksführer bei ihren Aktionen gleich wie die Widerstandskämpfer stark von den religiös-politischen Traditionen bestimmt.2025 Damit vermischte sich offenbar auch ein starkes apokalyptisches Bewusstsein.2026 Mit der Präambel des Dekalogs ist der fundamental-theologische Hintergrund dieser Gruppen gegeben (Ex 20,2; Dtn 5,6): die jede andere Heirschaft ausschliessende Theokratie Jahwes und ihre nationalistische Umsetzung. Auch die "Vierte Philosophie" von Judas Galiläus und Sadduk fand hier ihren theologischen Ausgangspunkt. So war die Ablehnung jeglicher Fremdherrschaft für viele Gruppen eine logische Konsequenz und gleichzeitig der Nährboden für die Erwartung von "Zeichen der Befreiung".2027 Den Willen Gottes und die machtpolitische Sachlage der Provinz Judäa zu verkennen und dabei solchen falschen Versprechungen Glauben zu schenken, dies kann gemäss Josephus nur als "Torheit" (αφροσύνη; Ant. 20,98.168) bezeichnet werden.
2023
S.o. Kap. 12.0. Vgl. zur Bewaffnung des Δgypters und seiner Anhänger im Bellum Gray, Prophetic Figures (1993) 200f. Anm. 16. 2025 Vgl. Horsley, Like One of the Prophets (1985) 462. 2026 Vgl. Horsley, Banditry (1981) 422. 2027 Vgl. Josephus, Bell. 2,259; Egger, Crucifixus (1997) 100. Meyer, προφήτης (ThWNT 6/1959) 827, sieht auch im Vorhaben von Theudas eine politische Befreiungsaktion, vergleichbar mit dem Unterneh men von Josua. Betz, Wunder (1974) 30f., hingegen betont, dass die Realisierung der Teilung des Jor dans noch keine Befreiung vom Römerjoch bedeute wie etwa der Zug durch das Schilfmeer unter Moses. Vielmehr sei hier der eschatologisch-zeichenhafte Horizont von Wichtigkeit. Zum bewaffneten Widerstand gegen Rom s.o. Kap. 13.9.2.
2024
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14.2.5 "Gaukler", "Betrüger" und "Falschpropheten" Wer das ahnungslose Volk durch falsche Versprechungen täuscht und zu derartigen Torheiten verleitet, wird von Josephus nicht gerade mit schmeichelhaften Termini belegt. Er bezeichnet die Zeichenpropheten unterschiedlich, wobei er auch die Verbalformen gebraucht: als Gaukler (γόηϊ): Bell. 2,261 (der Δgypter); 2,264 (Summarium); 6,285 (Prophet auf dem Tempelberg); Ant. 20,97 (Theudas); 20,160 (Summarium); 20,167 (Zeichenpropheten unter Felix); 20,188 (Zeichenprophet unter Festus); als Betrüger (απατάω): Bell. 2,259 (Zeichenpropheten unter Felix); 6,288 (Summarium); Ant. 20,98 (Theudas); 20,188 (Zeichenprophet unter Festus); als Betrüger (πλάνο»): Bell. 2,259 (Zeichenpropheten unter Felix); als Betrüger (καταψεύδομαι): Bell. 6,288 (Summarium); als Betrüger (εξαπατάω): Bell. 6,287 (Kommentar); als falsche Propheten (ψευδοπροφήτηϊ): Bell. 2,261 (der Δgypter); als Getäuschte (απατάω) werden die Gefolgsleute Bell. 2,261 (der Δgypter) und Ant. 20,188 (Zeichenprophet unter Festus) bezeichnet, was seinerseits die Handlungen der Zeichenpropheten charakterisiert. In der hebräischen Bibel gibt es kein Substantiv für Falschprophet, Pseudoprophet. Das griechische ψευδοπροφήτηϊ taucht zum ersten Mal in der LXX auf, wo es ausschliesslich für die Bezeichnung der prophetischen Gegenspieler von Jeremia gebraucht wird (Jer 6,13; 33,7.8.11.16; 34,9; 35,1; 36,1.8). Einzig Sach 13,2 liest ausserhalb von Jer nochmals ψευδο προφήτη3.2028 Josephus bezeichnet mit ψευδοπροφήτηϊ Ant. 8,318; 9,133.134.137 die Baals Propheten und eine Gruppe, die mit dem illegitimen Kultzentrum in BetEl verbunden ist (Ant. 8,242; 10,66). In der biblischen Version (1 Kön 13,32; 2 Kön 23,15f.) werden weder richtige noch falsche Propheten erwähnt. Zudem bezeichnet Josephus Ant. 8,236.241 den alten Propheten als ψευδοπροφήτηΒ, der 1 Kön 13,11.18.20.25.26(M).29 nur als Prophet bezeichnet wird. Dem Inhalt der Bezeichnung der Zeichenpropheten als ψευδοπροφήτεβ näher kommen Ant. 8,402.406.409, wo Zidkija und 400 andere Propheten, die König Ahab den Sieg verheissen, als ψευδοπροφήτ€3 bezeichnet (1 Kön 22), wie auch Ant. 10,104.111, wo die Gegner von Jeremia (noch) den Sieg verkünden und Gott doch beschlossen hat, zu den Babyloniern überzugehen. Γόηβ kann mit Gaukler, Betrüger, Schwindler, betrügerischer Wundertäter, Zauberer u.ä. übersetzt werden.2029 Diese Spielarten verschmelzen, wenn damit Gestalten bezeichnet werden sollen, die wie die Zeichenpropheten Wunder zu ihrer Legitimierung als Sprecher und Gesandte Gottes vollbringen wollen. Diese Wunder sind zweideutig und können verschieden ausgelegt werden. So wehrt sich Moses in der Version von Josephus gegen die Behauptungen, seine Wunder seien das Ergebnis von Zauberei (γοητεία) oder Betrug (πλάνη), sondern will sie als Ergebnis von Gottes Vorsehung bzw. Hilfe (πρόνοια) und Kraft (δύναμη) ver standen wissen. I οηχ und ähnliche Begriffe werden noch anderweitig im Zusammenhang mit Moses von Josephus verwendet: Ant. 2,320 beklagt sich der Pharao, dass Moses' γοητεία ihn gezwungen hätte, die Hebräer freizugeben. Es ist allerdings nicht klar, ob hier die drei legitimierenden Wunder, die Plagen oder die Rede von Moses zugunsten der Israeliten gemeint sind. Und Ap 2,145.161 verteidigt Josephus Moses gegen Apollonius Molon, der Moses einen Gaukler und Betrüger (γόη3 και άπατεών) bezeichnet, wobei in diesem Zusammenhang offensichtlich nicht die Wunder gemeint sind, sondern Moses als Gesetzgeber und Führer seines Volkes von Josephus verteidigt wird. Ansonsten werden γόηε und ähnliche Begriffe auch für Johannes von Gischala (Bell. 4,85) und Justus von Tiberias (Vita 42) gebraucht, die im Gegensatz zum Juden Castor (Bell. 5,317) aber nicht als Wundermänner dargestellt sind. 2028
2029
Vgl. Reiling, Ψευδοπροφήπρ (1971) 147156. Vgl. Delling, γόη5 (ThWNT 1/19321933) 737f.; Rengstorf, Concordance I (1973) 390; Smith, Occult in Josephus (1987) 250ff.
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Philo hat ein ähnliches Verständnis von ytVqs, und setzt den Begriff dem des προφήττ^ ge genüber.2030 Für Philo ist der γοη5 derjenige, der für sich in Anspruch nimmt, Gottes Stimme zu sein, tatsächlich aber selbsterfundene Unwahrheiten erzählt. Wenn Josephus die Zeichenpropheten und andere als Gaukler und Betrüger bezeichnet, muss dies natürlich mit der Einschätzung seiner eigenen Person und der Zerstörung Jerusalems und des Tempels zusammen gesehen werden. Diese angeblichen Propheten hatten sich getäuscht und Gottes Willen und Plan verkannt im Gegensatz zu ihm selbst, dem richtigen Interpreten.2031 Die Wunder der Gaukler und Betrüger konnten deshalb in keinem Fall Zeichen Gottes der Befreiung oder eine Legitimierung der Propheten sein. Wenn die getäuschten Gefolgsleute etwas erwarten durften, waren dies höchstens fauler Zauber oder magische Tricks. Aber für Josephus ist selbst dies noch zu viel versprochen, denn das Eingreifen der römischen Ordnungsmacht liess kein einziges dieser angekündigten Zeichen zu. Für ihn ist deshalb auch die Geschichte der beste Beweis für seine Einschätzung dieser "Volksverführer".2032 In der Einschätzung der römischen Besatzer selbst war dabei die Art des angekündigten Zeichens nicht relevant, sondern nur die mit den Aktivitäten der Gruppen verbundene Gefährdung der eigenen Sicherheitsinteressen. 14.2.6 Zahlenmässig ansehnliche Bewegungen Die Zeichenpropheten waren Führer von ansehnlichen Bewegungen. Bei der Grössenangabe bleibt Josephus allerdings meist vage mit Angaben wie uXf|9os, δχλos, δήμο3, die auch mit ούκ ολίγοι oder πλε L O T O S nicht gerade an Transparenz gewinnen. Genauere Zahlenangaben fin den sich aber Bell. 6,283 (6000 Leute) für den namenlosen Propheten des Jahres 70 n.Chr., und Vita 434 nennt 2000 Anhänger von Jonathan, deren Zahl aber Bell. 7,437-450 nicht bestätigt wird. Apg 5,36 nennt für Theudas 400 Gefolgsleute, Ant. 20,97f. hingegen macht dazu keine genaue Zahlenangabe. Dem ägyptischen Propheten folgten gemäss Bell. 2,261 30Ό00 Menschen, während Ant. 20,171 nur 600 gefangene und getötete Gefolgsleute nennt. Apg 21,38 spricht wieder anders von 4000 Sikariern. Einen Hinweis auf die zahlenmässige Grösse kann auch die Zahl und Stärke der jeweils entsandten römischen Streitmacht geben. Allerdings ist die Terminologie von Josephus nicht sehr genau und nirgends gibt er eine Zahl an. Nur Ant. 20,98 nennt als konkrete Grösse Ιλη ιππέων, die dem lateinischen ala mit einem Bestand von 500 bis 1000 Mann entspricht. Die Grösse der jeweiligen Streitmacht hängt allerdings nicht nur vom Umfang der aufzuhaltenden Gruppe, sondern natürlich entscheidend von deren Bewaffnung ab. Eine kleine, aber militärisch gut bewaffnete Truppe erfordert sicher eine stärkere gegnerische Streitmacht als eine zahlenmässig grössere, aber unbewaffnete und entsprechend wehrlose Gruppe. Die grösste militärische Bedrohung unter den genannten Bewegungen ging wohl von derjenigen des ägyptischen Propheten aus, dem Felix neben Reitern auch schwerbewaffnete Infanterie entgegen sandte. Aufgrund ihres Programms dürfte die Gruppe des Δgypters am ersten bewaffnet gewesen sein. Dies im Gegensatz zur Gruppe der Zeichenpropheten von Bell. 2,260, die wohl unbewaffnet war und der Josephus trotzdem, vielleicht aus apologetischen Gründen, schwerbewaffnete Fusssoldaten entgegensetzt. Zahlenmässig sollten die beachtlichen Bewegungen der Zeichenpropheten von denjenigen von Johannes dem Täufer oder Jesus von Nazaret unterschieden werden, die zwar zeitweise durch ihre Predigt eine stattliche Anzahl von Zuhörern und Zuhörerinnen anzogen, deren feste Gefolgschaft aber nur klein war.2033
2030
2031
2032
Vgl. De specialibus legibus 1,315: Es geht hier allerdings um Gotteslästerung, und von Wundern wird nichts gesagt, auch wenn sich der Abschnitt wohl auf Dtn 13,2-6 bezieht. Vgl. dazu Gray, Prophetic Figures (1993) 35-79.164-167.
Vgl. Betz, Wunder (1974) 31f. Zur unterschiedlichen Anzahl der Gefolgsleute zwischen Zeichenpropheten und Jesus von Nazaret vgl. Sanders, Jesus and Judaism (1985) 302ff. Zur Frage des Rufes in die Nachfolge vgl. Hengel, Nachfolge (1968). Zur Frage der dauerhaften Präsenz von Frauen im Gefolge Jesu und ihrer literarischen Verarbeitung vgl. Bieberstein, Verschwiegene Jüngerinnen (1998).
2033
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14.2.7 Volksbewegungen Die Bewegungen der Zeichenpropheten waren "Volksbewegungen", deren Mitglieder aus dem gewöhnlichen Volk stammten.2034 Die Zugehörigkeitsbestimmungen πλήθος; (Bell. 2,259), öxXos (Bell. 6,283; Ant. 20,97), δήμοβ (Bell. 6,283) oder δημοτίκόε (Bell. 6,277; Ant. 20,169) weisen daraufhin.2035 Josephus bezeichnet mit diesen Termini die Zugehörigkeit zum gewöhnlichen Volk, oft auch mit einem abschätzigen Unterton. Bei der Erzählung vom Δgypter (Bell. 2,262f.) wird mit δήμο3 auch die Einwohnerschaft Jerusalems bezeichnet, die sich zusammen mit den Truppen des Statthalters Felix gegen den Propheten und seinen An hang stellt. Einige dieser Bewegungen scheinen in Jerusalem ihren Anfang genommen zu haben: so die Gruppe unter Felix, der Δgypter gemäss der Antiquitates-Version und der Prophet aus dem Jahre 70 n.Chr.2036 Die Gruppe von Jonathan nahm ihren Anfang in anderen Städten, die übrigen hingegen auf dem Lande. Spannungen zwischen Stadt- und Landbevölkerung scheinen also nur wenig Einfluss auf diese Bewegungen gehabt zu haben. Nur in der Bellum-Version über den ägyptischen Propheten könnte eine Anspielung auf derartige Spannungen vermutet werden: Der Δgypter sammelt seine Anhänger auf dem Lande und zieht zum Φlberg, um von hier aus in die Stadt einzufallen. An der Abwehr der Gruppe beteiligte sich nach Josephus neben den römischen Soldaten die ganze Bevölkerung Jerusalems. Aus diesem Sachverhalt auf Spannungen zwischen Land- und Stadtbevölkerung zu schliessen, ist allerdings nicht zwingend. Die Beteiligung der Stadtbevölkerung an der Abwehr des Δgypters und seiner Gruppe könnte sich schliesslich auch der apologetischen Tendenz von Josephus verdanken, den Krieg und seine Folgen nur wenigen Individuen und Gruppen zuzuschieben. Wenn auch die Gefolgsleute der Zeichenpropheten gemäss Josephus sich offenbar meist aus dem gewöhnlichen Stadt- und Landvolk rekrutierten, ist doch wenig Präzises über die genaue soziale Situierung dieser Gruppen aussagbar, noch welche Rolle soziale oder ökonomische Faktoren bei ihrer Entstehung genau spielten. Sicher haben der soziale und ökonomische Druck auf die unteren Bevölkerungsschichten zur Bildung solcher Gruppen beigetragen. Mehr als allgemeine Aussagen im Zusammenhang mit den Gruppen der Zeichenpropheten sind jedoch kaum möglich. Diese Gruppen scheinen in erster Linie keine sozio-revolutionären Bewegungen zu sein. Denn sie wandten sich weder grundsätzlich gegen besser situierte Personen oder Gruppen, noch legten sie ein alternatives politisches, wirtschaftliches oder soziales Programm vor, zumindest nicht innerhalb der Strukturen des imperium Romanum. So bietet auch die vom ägyptischen Propheten verheissene und auch mit Waffengewalt zu realisierende Herrschaftsübernahme in Jerusalem keine konkreteren Hinweise auf ein sozio-politisches Alternativ-Programm. Schliesslich gibt es auch keine Anzeichen dafür, dass Josephus ein derartiges Merkmal der Bewegungen der Zeichenpropheten unterschlagen oder vertuscht hätte. Anklänge an soziale Spannungen als Hintergrund finden sich jedoch bei der Erzählung über Jonathan, der seine Gruppe unter den Armen rekrutierte (Bell. 7,438), und der sich nach seiner Gefangennahme in eine Intrige gegen besonders reiche und angesehene Juden einspannen lässt. Dieser Gegensatz zwischen armen Gefolgsleuten und den reichen und angesehenen Gegnern kann so als Hinweis auf eine sozio-revolutionäre Intention seiner Gruppe gedeutet werden. Auch der verachtete und einer unteren sozialen Stufe angehörende Beruf von Jona2034
2035
Fiensy, Leaders of Mass Movements (1999) 3-27, zeigt auf, dass die Führer der allermeisten Volksbewegungen im römischen Imperium wie auch in Palästina selbst keine Angehörige des gewöhnlichen Volkes waren, auch wenn von den meisten Führern der prophetisch-messianischen Bewegungen leider keine Angaben über die soziale Herkunft überliefert sind. Für den Täufer jedoch ist seine priesterliche Abstammung belegt. Aber nach Fiensy passt auch Jesus von Nazaret in das Schema einer höheren sozialen Herkunft.
Zum Gebrauch von δήμο3 und πλήθια bei Josephus vgl. Tscherikover, Jerusalem (1964) 66. R. Horsley und J. Hanson stellen ausgehend von der BellumVersion der Erzählung über den Δgypter verallgemeinernd fest, dass die Anhängerschaft der Zeichenpropheten ihren Ursprung eher auf dem Lande fanden (vgl. Popular Movements (1988) 169). Die Gegensätze zwischen den verschiedenen sozialen Schichten und von Stadt und Land als Auslöser für die verschiedenen Aufbruch- und Widerstandsbewegungen stehen im Zentrum vieler Arbeiten von R. Horsley, der dafür auch archäologische Daten nutzbar macht, etwa in: Galilee (1995) 211-229 und Galilee (1996).
2036
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than als Weber sowie seine Bezeichnung als Sikarier zeigen in diese Richtung.2037 Hinsichtlich der Intrige gegen reiche und sehr angesehene Juden ist auch unklar, ob hier nicht primär Machtinteressen des Statthalters Catull die ausschlaggebende Rolle spielten und weniger sozio-politische Interessen von Jonathan. Sicher darf von diesem besonderen und schwer zu beurteilenden Fall auch nicht einfach auf die übrigen Zeichenpropheten und deren Gruppen geschlossen werden. 14.2.8 Exodus aus den vorgegebenen Strukturen und hin zu geschichtsträchtigen Orten Die Zeichenpropheten führten alle ihre Gefolgsleute von einem Ort zum anderen; teilweise berichtet Josephus nur von "Einöde" oder "Wüste", dann aber auch vom Jordan (Theudas), vom Tempel(berg) (Prophet bei der Zerstörung des Tempels) in Jerusalem oder vom Φlberg (Prophet aus Δgypten) als deren Ziel. Aufgrund der Quellenlage muss dahingestellt bleiben, ob in der Tat alle diese Gruppen (mit Ausnahme von Theudas und dem Δgypter) ein Wunder wie beim Exodus oder bei der Eroberung des Gelobten Landes erwarteten, denn mit Wüste und Einsamkeit sind noch weitere Assoziationen verbunden. So war die Wüste unter anderem auch Zufluchtsort für Banditen, für den bewaffneten Widerstand gegen Rom oder für asketische Gemeinschaften.2038 Bei all diesen Gruppen implizierte der Auszug aber eine starke Kritik an den realen Machtverhältnissen, den Lebensstrukturen und der Möglichkeit, den jüdischen Glauben unter diesen Umständen zu leben. Für diese Bewegungen war offenbar nach der Caligulakrise das eigene Land zur Fremde geworden.2039 Dazu versprach ihr Exodus eine Alternative.2040 Gerade weil die eigene Habe mitgeführt wurde, legt sich in diesem Zusammenhang das Projekt einer erneuten Landnahme nahe, wo auch immer geographisch sich dieses gelobte Land befinden sollte. Beim ägyptischen Propheten impliziert die beabsichtigte Eroberung Jerusalems eine fundamentale Kritik an den gegenwärtigen und realen Herrschaftsverhältnissen, die unter anderem mit der Hilfe Gottes gestürzt werden sollen. Gemäss P. Meier musste die Hinführung einer bedeutenden Gruppe von Menschen an geschichtlich bedeutsame Orte den römischen Behörden als ein "intentionally provocative act"2041 erscheinen, wogegen sie unverzüglich einschritten. Dabei ist zu ergänzen, dass wohl das Bewusstsein für die historische oder religiöse Bedeutung eines Ortes eher den lokalen Behörden zuzuschreiben ist. Den römischen Verantwortlichen war hingegen schon die geographische Verschiebung grosser und in ihren Augen fanatischer Menschenmassen ein relevanter Grund für ihr Einschreiten, gerade wenn diese ihre Habe und vielleicht auch Waffen dabei hatten, und mit ihrem Vorhaben ein Exodus aus den oder ein Umsturz der Strukturen einer Provinz zu befürchten war. Bemerkenswert ist, dass wir von den vorangehenden Aktivitäten von Theudas oder der meisten anderen sogenannten "Zeichenpropheten" und ihren Gruppen von Josephus nichts vernehmen. Offensichtlich waren diese Aktivitäten mit der beginnenden Sammlung einer Anhängerschaft nicht oder noch zu wenig suspekt für das Eingreifen der Behörden und dessen Bericht durch Josephus. Wenn wir dies mit der Geschichte Jesu vergleichen, so stellen wir fest, dass seine Predigt vom Königreich Gottes und seine damit verbundenen Tätigkeiten sowohl von Antipas als auch von Pilatus mehr oder weniger geduldet wurden. Erst in der besonderen Situation in Jerusalem und nach dem Zwischenfall im Tempel wird Jesus sein Wirken zum Verhängnis. Dies zeigt einerseits die relativ grosse Toleranz Roms gegenüber reli-
2037
2038
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Zum Beruf des Webers vgl. die rabbinische Liste verachteter Berufe bei: Jeremias, Jerusalem (1937) 174184 mit der Übersicht 175. Zum soziorevolutionären Charakter der sikarischen Bewegung vgl. Rhoads, Israel in Revolution (1976) 111122, sowie Horsley, Menahem (1985) 334348. Vgl. Hengel, Zeloten (1961) 255261. Auch Hengel verbindet das Wüsten-Motiv der Zeichenpropheten mit der Exodus-Landnahme-Tradition. Vgl. Theissen, Jesusbewegung (2004) 108.
Vgl. Mesters, Propheten (1991) 4Iff.
Meier, John the Baptist (1992) 235 Anm. 28.
2041
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Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
giösen Aktivitäten, die ihren Machtanspruch und die politische, wirtschaftliche und militärische Stabilität des Herrschaftsgebietes (noch) nicht in Frage stellen. Andererseits wird hier auch die Unerbittlichkeit gegenüber Personen, Gruppen und Bewegungen deutlich, welche durch ihre Programme eine oder mehrere römische Sicherheitsstrategien unterlaufen. Trotzdem lassen sich gerade in der zweiten Prokuratur immer wieder zum Teil ansehnliche Bevölkerungsgruppen auf derart unsichere Unternehmungen ein.2042 14.3
Ergebnis
Bei den sogenannten Zeichenpropheten stellen wir fest, dass sie sich nach der Sammlung einer grösseren Anhängerschaft (häufig) in Anlehnung an grosse biblische Gestalten an geschichtsträchtige Orte begeben wollten. Hier sollten ihre Anhänger und Anhängerinnen besondere Zeichen (der Befreiung) erfahren, welche die prophetischen Führer gemäss der Darstellung von Josephus als rechtmässige Interpreten des Willens Gottes erweisen sollten.2043 Dass in einigen Fällen die Gefolgschaft solcher eschatologischer Propheten auch ihren Besitz mitführte, weist auf einen Exodus aus den gewohnten und von den römischen Herren verordneten Lebensstrukturen und auf das Projekt einer erneuten Landnahme hin. Bei der Bewegung des ägyptischen Propheten spricht Josephus zudem von der Absicht, neben dem zeichenhaften Eingreifen Gottes auch militärische Gewalt zur Erlangung der eigenen Herrschaft einzusetzen. In allen Fällen kommen die die römischen Besatzer dem Projekt zuvor und zerschlagen mit militärischer Härte die verschiedenen Bewegungen. Gemäss Josephus wird diese Reaktion seitens der römischen Besatzungsmacht provoziert. Er unterstreicht dies auch dadurch, dass er diese Bewegungen ideologisch in die Nähe des bewaffneten Widerstandes rückt. Ein ähnliches Projekt wie die Zeichenpropheten verfolgte auch der samaritanische Prophet mit seiner Bewegung. Mit ihnen teilte er auch das Schicksal, das all diese Gruppen durch die römischen Besatzer ereilte. Gestalt und Schicksal dieses Propheten und seiner Bewegung sind Gegenstand des folgenden Kapitels.
2042
Gemäss Thoma, Messiasprojekt (1994) 132, steht für messianische Gestalten weder ihr messianischer Anspruch noch die definitive messianische Akzeptanz durch ihre Anhängerschaft fest. So sei am besten mit "tentativen messianischen Gestalten und mit einer ihnen tentativ zugeschriebenen Akzeptanz" zu rechnen. Obwohl die Anhängerschaft einen Messiasprätendenten zu noch grösserer Anstrengung zum Erreichen des messianischen Ziels anspornt, kann sie angesichts des Scheiterns dank den Vorbehalten die betreffenden messianischen Erwartungen wieder von dieser Projektionsgestalt lösen. Dabei ist anzufügen, dass dies natürlich nur für die überlebenden Anhänger und Anhängerinnen eines solchen gescheiterten Projektes bzw. Prätendenten gilt.
2043
Thoma, Messiasprojekt (1994) 132, weist auf die Rolle der Anhängerschaft in der Motivierung charismatischer Führergestalten hin. Thoma vergleicht dabei einen Messiasprätendenten mit einem Athleten, der, durch seine Anhängerschaft angestachelt, noch grössere Anstrengungen für das Erreichen des gesteckten Zieles unternimmt. Ein solcher gruppendynamischer Prozess ist auch bei den Zeichenpropheten anzunehmen.
F Gestalt und Schicksal prophetischmessianischer Bewegungen 1 5
D E R SAMARITANISCHE P R O P H E T (UM 3 5 / 3 6 N . C H R . )
15.1
Der beabsichtigte Zug auf den Garizim und seine Folgen
271
Ant. 18,8587 (= XVIII,4,1) 85 0ύκ άπήλλακτο δέ θορύβου και το Σαμαρέων έθνοβ' συστρέφει γάρ a٢T0٢s άνηρ έν όλίγω τό ψεΰδθ5 τίθέμενοϊ κάφ' ηδονή rqs πληθύοβ τεχνά£ων τά πάντα, κελεύων έπι το Γαριζειν öpos αύτω συνηλθεΐν, ö αγνότατοι/ αϋτοϊε όρων ύπείληπται, ίσχυρίζετό τε παραγενομένοι^ δείξειν τά ιερά σκεύη τήδε κατορωρυγμένα Μωυσέακ τήδε αυτών ποιησαμένου κατάθεσιν. 86 οί δέ ε ν όπλοιβ τε ήσαν πιθανόν ήγούμενοι τον λόγον, και καθίσαντε3 εν TLVL κώμη, Τιραθανά λέγεται, παρελάμβανον τοϊκ έπισυλλεγομένουβ cos μεγάλω πλήθει την άνάβασιν eis τ ό öpos ποιησόμενοι. 8 7 φθάνει δέ ITIXOTOS τ η ν ανοδον αυτών προκαταλαμβόμενο5 ιππέων τε πομπή και οπλιτών, ο'ί συμβαλόντεβ TOIS έ ν τή κώμη προσυνηθροισμένοιβ παρατάξεακ γενομένηβ TOUS μεν έκτειναν, TOUS δ' ε is φυγην τρέπονται £ωγρία τε πολλοΰβ ήγον, ων τούβ κορυφαιοτάτου3 και TOάS έν TOLS φυγοΰσι δυνατωτάτου3 έκτεινε TliAäTos.
" 85 Aber auch das Volk der Samaritaner blieb von einem Aufruhr nicht verschont. Es sammelte sie nämlich ein Mensch, der sich wenig aus Lügen machte und der alles zur Erlangung der Volksgunst schlau ins Werk setzte. Er forderte sie auf, mit ihm den Berg Garizim zu besteigen, der ihnen als heiliger Berg galt, und versicherte ihnen, bei ihrer Ankunft die dort vergrabenen heiligen Geräte vorzuzeigen, die von Moses dort vergraben worden seien. 8 6 Diesen Worten schenkten sie Glauben, ergriffen die Waffen und versam melten sich in einem Dorf, das Tirathana genannt wird, und nahmen dort die Hinzu kommenden in Empfang, um in möglichst grosser Zahl den Weg hinauf auf den Berg zurückzulegen. 87 Pilatus aber kam ihrem Zug zuvor, indem er ihren Aufstiegsweg mit Reitern und Fusssoldaten besetzte. Diese griffen in Kampfordnung die im Dorf Versam melten an und töteten die einen und schlugen die anderen in die Flucht und führten viele in Gefangenschaft, von denen Pilatus die Vornehmsten und unter den Flüchtenden die Einflussreichsten hinrichten liess."
Die Datierung dieses Vorfalles in den Zeitraum von 35/36 n.Chr. ergibt sich aus dem Bericht von Josephus über die Absetzung von Pilatus und seine Rückkehr nach Rom kurz nach dem Tod des Tiberius.2044 Gattungsmässig kann auch diese Erzählung wie diejenigen über die Zeichenpropheten als Truggeschichte bezeichnet werden.2045 Auch hier leiden Leute durch einen oder mehrere schlechte Menschen und werden "hinters Licht geführt". Der Hauptschuldige in der Erzählung Ant. 18,85 wird nicht als "Pseudoprophet" bezeichnet. Überhaupt wird dieses Wort nie gebraucht im Zusammenhang mit dem samaritanischen Volk. Trotzdem tönt es in der stark n e g a t i v e n C h a r a k t e r i s i e r u n g d u r c h d a s ό λ ί γ ω τ ό ψεΰδοΞ τιθέμενοΗ an. D i e s m a g von
Dtn 18,20ff. her motiviert sein.2046 Und es entspricht auch gut der Geschichtsdarstellung von Josephus, nach der das jüdische (und hier auch das samaritanische) Volk "Verführern" und "Betrügern" aufsass, weil es nicht mehr fähig war, den Willen Gottes zu erkennen. Charakteristisch ist auch hier die Sammlung einer Anhängerschaft, verbunden mit der Aufforderung der Nachfolge und dem Versprechen einer religiösen Schau.2047 Deshalb wird in der Sekundärliteratur der samaritanische Prophet manchmal auch zu den Zeichenpropheten gerechnet.2048
2044
V g l
j o s e p h u S i A n t 18,89, und dazu Antoine, Garizim (DBS 3/1938) Sp. 551; Smallwood, Dismissal (1954) 1221; Kippenberg, Garizim (1971) 113; Lemonon, Pilate (1981) 241245. 2045 Vgl. Justus, Erzählkunst (1973) 122f. S. auch o. Kap. 14 (Einführung). Vgl. auch 2 Tim 3,13 oder Philo, De specialibus legibus 1,315. 2046 Vgl. Betz, Prozess Jesu (1982) 592f„ und auch Kraus, Dtn 18,1518 (1999) 153176. 2047 Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 84f. 2048 Vgl. Barnett, Sign Prophets (1981) 679697.
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Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
Aufgrund der Angabe von Josephus könnte man denken, dass das ganze samaritanische Volk in den aus dem Ant. 18,85ff. berichteten Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Doch eGvos muss nicht die Gesamtheit eines Volkes, sondern kann auch kleinere Einheiten bezeichnen.2049 Deshalb wird wohl auch in Ant. 18,85 kaum das gesamte samaritanische Volk gemeint sein. Allerdings kann der Text so verstanden werden, dass eigentlich das ganze Volk darunter leidet, auch wenn nur einigen Mitgliedern übel mitgespielt wird. Auf dem Garizim sollten demnach die heiligen Geräte gefunden und angeschaut werden.2050 Dieses Ziel dürfte mit der Hoffnung auf eine Erneuerung des Kultes auf dem heiligen Berg der Samaritaner verbunden gewesen sein.2051 Den Zug auf den Garizim deutet H.G. Kippenberg als endzeitliches Ereignis, worauf die Sammlung des Volkes und das Auffinden der verborgenen heiligen Geräte hinweisen, denn diese beiden Zeichen leiten die Heilszeit ein. Kippenberg folgert aus der samaritanischen Tradition, dass der Anführer seinen Gefolgsleuten die Rückkehr des mosaischen ptzta, der Wohnung Jahwe's, und damit den Anbruch der Heilszeit versprochen habe. Zudem müsse sich der Führer dieses Unternehmens wohl als ein "Mose redivivus" verstanden haben, nicht aber als Taheb oder als "Prophet wie Moses".2052 Andere Kommentatoren verstehen ihn jedoch als den in der samaritanischen Tradition bekannten Taheb oder Dositheus.2053 Die religiöse Motivation für den Zug auf den Garizim beinhaltet aber sicher messianische oder zumindest eschatologische Anklänge. Der Anführer der Gruppe stellt sich in die Nachfolge von Moses, der neben anderen atl. Propheten als Rettergestalt der Endzeit kursierte.2051 Der von den Samaritanern erwartete Messias ist allerdings nicht davidischen Geschlechts, sondern ein Prophet wie Moses (Dtn 18,15ff.), der als Wiederhersteller des Kultes Zeichen für die Erneuerung der ehemaligen nahen und idealen Beziehung zu Gott sein wird (2 Makk 2,4-8). Dass die Samaritaner keinen davidischen Messias erwarteten, mag am Konflikt mit dem Südreich und dessen Anspruch auf den Messias aus dem Hause Davids liegen. Dies mag aber auch mit der Anerkennung nur der Tora als kanonischer Schrift zusammenhängen.2055 Mit dem Auftauchen eines solchen Endzeitpropheten ist die Erwartung einer Periode des Friedens und der Freiheit verbunden.2056 Bezüglich der Gefolgsleute des samaritanischen Anführers berichtet Josephus nur von ihrem Bestreben, "möglichst in grosser Zahl" auf den Berg zu steigen und von "vielen" Gefangenen. Josephus scheint eine genaue Zahl der Opfer nur dann anzugeben, wenn sie ihm im Erzählzusammenhang wichtig erscheint.2057 Von den Gefangenen wurden nur die Anführer hingerichtet, wahrscheinlich am Kreuz. Hinsichtlich der Motivation für den beabsichtigten Zug der Samaritaner auf den Garizim gibt Ant. 18,88 eine andere Erklärung als die religiöse Begründung von 18,85. Der Rat der Samaritaner klagt Pilatus beim syrischen Legaten Vitellius an und nimmt die Opfer des Gemetzels 2049 2050
2051
2052 2053
2054
2055
2057 2056
Vgl. etwa Ant. 12,135f.; 19,278.284f. oder Bell. 3,289-306. Dies unterstreicht Jeremias, Passahfeier (1932) 58. Zu den talmudischen Traditionen des Vergrabens von Φl und der heiligen Geräte des Tempels vgl. Aptowitzer, Parteipolitik (1927) 192f. mit Anm. 2. Vgl. Collins, Vessels (1972) 110.113; Bamett, Sign Prophets (1981) 679. Zu den heiligen Geräten geben etwa Gen 35,4; 2 Makk 2,4-8; Jub 31,1 f. Hinweise. Zur Bedeutung der Geräte vgl. Meeks, ProphetKing (1967) 248ff.; Kippenberg, Garizim (1971) 250f.; Collins, Vessels (1972) 109ff. (und dazu Zeron, Bemerkungen (1973) 165-168). Zum Vergraben vgl. auch Keel, Vergraben (1973) 305-336. Vgl. Garizim (1971) 114.195.234-250. Nach Dexinger, Taheb (1986) 30f., gehört das Auffinden der heiligen Geräte zur Tahebtradition. Einige Forscher sehen im besagten Anführer aber auch Dositheus: Teeple, Eschatological Prophet (1957) 108, sieht in ihm den Glauben der Samaritaner an einen "Prophet-King-Messiah" bestätigt, und Krauss, Dosithee (1901) 36, schliesst direkt auf Dositheus. Zu Dositheus vgl. bes. Isser, Dositheus (1975) 167189, und Pummer, State of Samaritan Studies II (1977) 34f. Gaster, Samaritans (1925) 91, hält fest, dass etliche Forscher Ant. 18,85ff. mit Jesus in Verbindung gebracht hätten. Vgl. zu den verschiedenen samaritanischen Sekten und Bewegungen Fossum, Samaritan Sects (1989) 293-389. Vgl. De Jonge, Zukunftserwartungen (1974) 218f.; Meyer, π ρ ο φ ή τ η (ThWNT 6/1959) 826ff.; Betz, Miracles (1987) 229f. Vgl. Horsley, Like One of the Prophets (1985) 459. Vgl. Gaster, Samaritans (1925) 90ff. Vgl. etwa Bell. l,97f. und Ant. 13,380383; Bell. 3,315; 6,283; 7,368f.400f.
F Gestalt und Schicksal prophetisch-messianischer Bewegungen
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in Schutz mit der politischen Begründung, diese seien vor der Hybris des Pilatus geflohen.2058 Was diese Hybris genau bezeichnet, ist aufgrund des grossen Bedeutungsumfanges des Wortes allerdings unklar.205' Die Flucht vor der Hybris des Pilatus und nicht ein geplanter Aufstand sei also der Grund für die Versammlung in Tirathaba20*1 gewesen. Es fragt sich nun, wie diese politische Begründung mit dem Zug auf den Garizim und den damit zusammenhängenden Erwartungen zu verbinden ist. Vielleicht können die unterschiedlichen Aussagen Ant. 18,85 und 18,88 so interpretiert werden, dass die Samaritaner mit ihrer Flucht vor Pilatus die Hoffnung auf Besserung ihrer Lage verknüpften. Diese Hoffnung machte sie empfänglich für die Versprechungen hinsichtlich der Wiederentdeckung der heiligen Geräte auf dem Garizim, einer sicher endzeitlichen Hoffnung.2061 Allerdings stellt sich mit der erwähnten Bewaffnung der Gruppe die Frage, inwiefern das Unternehmen friedlich gestaltet werden sollte. Von Interesse ist die Versicherung der Samaritaner, dass im Zusammenhang mit der Versammlung in Tirathana kein Aufruhr (αποστασία) geplant gewesen sei. Gerade dies legt aber nahe, dass ein derartiger Vorwurf von Seiten des syrischen Legaten den Samaritanern zu Last gelegt wurde. Die Bewaffnung der Samaritaner musste für einen römischen Statthalter jedenfalls in diese Richtung weisen.2062 Möglicherweise hat dieser apologetische Einwand aber auch seinen Grund darin, dass die Samaritaner als Juden und deshalb als potentielle Aufrührer angesehen wurden. So kann erst ab dem 4. Jh. n.Chr. eine Unterscheidung von Juden und Samaritanern bei heidnischen Autoren nachgewiesen werden.2063 Denn bei den orientalischen, hellenistischen und römischen Autoren gibt es vor dem 4. Jh. n.Chr. nur zwei Erwähnungen der Samaritaner: Tacitus spricht von der Feindschaft zwischen den Bewohnern Galiläas und Samariens.2064 Und Curtius Rufus berichtet, dass Andromachus, der Präfekt von Alexander dem Grossen, von Samaritanern lebendig verbrannt wurde.2065 Mit "Samaritaner" sind hier allerdings Einwohner der Stadt Samaria gemeint und nicht Mitglieder einer Religions- oder Volksgemeinschaft. M. Stern und schon L. Haefeli vermuten deshalb, dass bei den nichtjüdischen Autoren vor dem 4. Jh. n.Chr. mit "Iudaeos" sowohl Juden wie auch Samaritaner bezeichnet wurden.2066 Der Zug auf den Garizim sollte also nicht als Aufruhr verstanden werden, wenn er auch im Motiv der Flucht vor Pilatus ein politisches Moment einschliesst. Auch die Bewaffnung der Gruppe bei ihrem beabsichtigten Zug auf den Garizim kann nicht einfach als Beweis für die Auflehnung gegen das römische Imperium aufgefasst werden.2067 Denn sie konnte auch als Absicherung gegen die erwähnte Hybris von Pilatus und als Schutzmassnahme für die Durchführung des geplanten Zuges auf den Garizim verstanden werden. Pilatus allerdings erachtete sie als verdächtig. Das schnelle Eingreifen von Pilatus mit Reiterei und Schwerbewaffneten könnte darauf zurückgehen, dass er sich kurz zuvor auf dem Garizim aufgehalten hatte. Die Römer hatten nämlich nicht lange nach der Unterwerfung von Jerusalem auf dem Garizim eine Militärstation eingerichtet. So berichtet Ant. 14,100, dass der Sohn von Aristobulos, Alexander, um 50 v.Chr. alle Römer getötet und jene belagert hätte, die auf den Garizim geflüchtet waren. So konnte möglicherweise noch im Jahre 35/36 n.Chr. ein römisches Lager oder ein Posten auf dem Garizim bestanden haben, auch wenn das Hauptkontingent der römischen Truppen
2058
Zur Begriffsklärung des Rates vgl. Egger, Flavius Josephus (1986) 133-136. Clementz übersetzt mit "Ungerechtigkeiten", Feldman, Josephus IX (LCL/1965) z.St. gebraucht "persecution". Vgl. auch Rengstorf, Concordance IV (1983) 226f.
2059
2060
2062 2063 2064 2065 2066 2061
2067
Andere Lesart: Tirathaba. Vgl. die traditionsgeschichtliche Untersuchung von Kippenberg, Garizim (1971) 114. Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 85. Vgl. Stern, Authors II (1980) 617.627f.636-641 mit Quellen und Lit. Vgl. Annalen 12,54; Stern, Authors I (1976) 448f. Vgl. Historiae 4,8,9ff.; Stern, Authors I (1976) 448f. Vgl. Tacitus, Annalen 12,54,4 und dazu Stern, Authors II (1980) 81. Vgl. schon Haefeli, Cäsarea (1923) 28. Vgl. Kippenberg, Garizim (1971) 114; Gaster, Samaritan Oral Law I (1932) 251.
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Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
im 1. Jh. n.Chr. in Cäsarea und Sebaste stationiert war.20*8 Und nach Bell. 3,309 sind 67 n.Chr. in ganz Samarien Besatzungen anzutreffen.2069 Vielleicht war auch die mögliche Kon frontation der Samaritaner mit der Besatzung auf dem Garizim der Grund für ihre Bewaff nung. Dass Pilatus offensichtlich schnell zur Stelle war, muss aber nicht einfach daran liegen, dass er vorher zufällig im Lager auf dem Garizim weilte. Vielleicht war er nämlich schon zeitig durch lokale Behörden über die Absicht der Samaritaner in Kenntnis gesetzt worden und konnte so dem Zug auf den Garizim zuvorkommen.2070 Das schnelle und massive Eingreifen von Seiten des Statthalters gibt auch hier ein deutliches Bild von der Besatzungssituation des Landes ab. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen bei Zwischenfällen um den Tempel in Jeru salem war der römische Statthalter offensichtlich sehr wachsam, wenn auch in Samaria das Stichwort "Tempel" bzw. "Heiligtum" im Zusammenhang mit (zu befürchtenden) Unruhen fiel.2071 Dies hing sicher auch mit den grossen aussenpolitischen Spannungen zusammen. Der parthische König schickte sich zu dieser Zeit ja an, erneut in Armenien einzufallen. Eine Un ruhe (9opußos), wie Josephus den Vorfall in Samaria Ant. 18,85 und 18,88 bezeichnet, war in diesem Zusammenhang weder für den Legaten Syriens und Sonderbeauftragten des Ostens, Vitellius, noch für den ihm verpflichteten Pilatus von Nutzen.2072 Dass Pilatus hier hart gegen einen drohenden Aufstand vorging, konnte ihm wohl kaum zum Verhängnis werden, gehörte dies doch zu seinen ureigensten Aufgaben.2073 Eher dürfte die Hinrichtung der κορυφαιοτοτ T O U S και T O ά S ev T O I S φυγοϋσί δυι^ατωτάτοι« für Pilatus zum Stolperstein geworden sein. Denn die Aburteilung von Angehörigen lokaler Eliten dürfte in der Regel dem Kaiser vorbehalten gewesen sein.2074
15.2
Das Nachspiel vor dem syrischen Legaten Vitellius
Warum die Samaritaner beim syrischen Legaten Vitellius den religiösen Grund des Garizim Zuges nicht angegeben haben (bzw. Josephus zumindest nichts davon berichtet), ist schwer zu entscheiden: Vielleicht wollten sie das harte Vorgehen von Pilatus optimal für ihre Anklage ausnutzen und nur dessen Hybris als Ursache für das Massaker angeben. Dabei sollte der Statthalter sicher nicht durch die Angabe von anderen Gründen entlastet werden. Die ver schiedenen Konflikte in seiner langen Amtszeit mit der jüdischen Bevölkerung konnten jeden falls diesen Vorwurf unterstützen.2075 Dass der Statthalter danach abgesetzt und vor den Kaiser geschickt wurde, spricht jedenfalls eher für die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Samaritaner, sogar in Anbetracht des Umstan des, dass die Gruppe beim Garizim bewaffnet war.2076 Vielleicht war dies aber auch nur eine günstige Gelegenheit für Vitellius, sich endlich eines unbequemen Beamten zu entledigen.2077 2068
2070
Vgl. Bell. 2,52.58.63.74.236; Ant. 19,365; 20,122.176. Vgl. Yankelevitch, Auxiliary Troops (197980) 3342. Lemonon, Pilate (1981) 236f., versteht Ant. 18,87 jedenfalls so, dass sich Pilatus mit seiner Truppe nicht mehr deplazieren musste. 2071 Vgl. Theissen, Tempelweissagung ( 2 1983) 146. 2072 Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 84f. S. auch o. Kap. 13.1. 2073 Vgl. Lemonon, Pilate (1981) 238. Anders Rhoads, Israel in Revolution (1976) 62, der in der Mili tδraktion selbst den Grund f٧r die Absetzung des rφmischen Statthalters sieht. 2074 Dies wird auch von Josephus an vielen Stellen betont, so etwa Bell. 2,243ff. und Ant. 20,132ff; Bell. 2,270 und Ant. 20,182; Bell. 7,449f. Vgl. auch Strabo, Geographica 6,2,6, und dazu Volkmann, Rechtssprechung (1935) 149 mit Anm. 5. Nach Liebs, Ius gladii (1981) 220, ist Cassius Dio 52,22,3 zudem so zu verstehen, dass die senatorischen Statthalter bis 212 n.Chr. das Tφtungsrecht auch ٧ber die provinziale Adelsschicht hatten. Somit hδtten andererseits ritterliche Prokuratoren dieses Recht nicht ge habt. 2075 Allerdings ist hierbei anzumerken, dass die Summe der Vorfδlle unter Pilatus sich eben auch seiner lan gen Amtszeit verdankte. 2076 So vermutet Egger, Flavius Josephus (1986) 139, dass die Bewaffnung der Samaritaner defensive Gr٧nde hatte und durch die Furcht vor einem Militδrschlag durch Pilatus motiviert war. 2077 Vgl. Smallwood, Roman rule (1976) 171. Grant, Jews (1973) 112, hingegen macht als Grund f٧r die Abberufung von Pilatus den normalen Wechsel eines Statthalters nach 10 Jahren Dienstzeit geltend. 2069
F Gestalt und Schicksal prophetischmessianischer Bewegungen
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Weil über sein weiteres Schicksal jedoch nichts bekannt ist, kann über die Konsequenzen dieses Zwischenfalls für Pilatus letztendlich nur spekuliert werden. Mit den bisher behandelten prophetischen Führergestalten teilten auch Johannes der Täufer und Jesus von Nazaret ein ähnliches Schicksal. Allerdings blieb bei ihren Bewegungen die Anhängerschaft mehr oder weniger unbehelligt. Ihnen beiden sind die zwei folgenden Kapitel gewidmet.
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Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
16
JOHANNES DER TÄUFER
(27/2829/30 N.CHR.)
U n a b h ä n g i g voneinander berichten Josephus und die Evangelisten von einer weiteren prophetischen Gestalt, die ihren Bekanntheitsgrad ganz sicher grösstenteils der Beziehung zu Jesus von Nazaret verdankt. D o c h hinter den verzeichnenden ntl. Aussagen lässt sich eine eigenständige Persönlichkeit mit besonderem prophetischen Profil ausmachen.
16.1
Gestalt, Botschaft und Programm des Täufers
Ant. 18,116-119 (= XVIII,5,2) 116 ΤισΙ δε των Ιουδαίων έδόκει όλωλέναι τόν Ήρώδου στρατόν ύττό τοΰ θεοΟ καΐ μάλα δικαία» τιννυμένου κατά ποινήν Ιωάννου τοΰ επικαλουμένου βαπτιστοϋ. 117 κτείνει γαρ δή τοϋτον 'Hpcö6r|s αγαθόν άνδρα και TOLS Ιουδαίοι^ κελεύοντα άρητήν έπασκοΰσιν καΐ τ ά πρόδ άλλήλου$ δικαιοσύνη και πρόβ τόν θεόν εύσεβεία χρωμενοΐδ βαπτισμω συνιέναι· ούτω γάρ δή και την βάπτισιν άποδεκτήν αύτω φα~ νεΐσθαι μη έπί τίνων άμαρτάδων παραιτήσει χρωμένων, άλλ' εφ' άγνεία τοΰ σώμα TOS, άτε δή καΐ της ψυχή$ δικαιοσύνη προεκκεκαθαρμένηβ. 118 καί των άλλων συστρε* φομένων, και γάρ ήρθησαν έπί πλείστον τη άκροάσει των λογών, δείσαε Ήρώδη3 τό επί τοσόνδε πιθανόν αύτοϋ TOIS άνθρωποι μη επί στάσει τινί φέροι, πάντα γάρ έωκεσαν συμβουλή τή εκείνου πράξοντεΒ, πολύ κρεΐττον ήγεΐται πρίν τι νεώτερον έξ αύτοΰ γενέσθαι προλαβών άνελεΐν τοΰ μεταβολή3 γενομένηΒ [μή] ε is πράγματα έμ πεσών μετανοεΐν. 119 καί ό μεν ύποψία τή Ήρώδου δέσμιοδ 8is τόν Μαχαιρούντα πεμφθείς τό προειρημένον φρούριον ταύτη κτίννυται. TOLS δέ Ίουδαίοιβ δόξα έπί τιμωρία τή εκείνου τόν όλεθρον έπί τω στρατεύματι γενέσθαι τοΰ θεοΰ κακώσαι Ήρώδην θέλοντοΒ.
" n ö M a n c h e Juden waren übrigens der Ansicht, der Untergang der Streitmacht des Herodes sei nur dem Zorne Gottes zuzuschreiben, der für die Tötung Johannes 1 des Täufers die gerechte Strafe gefordert habe. 117 Den letzteren hatte nämlich Herodes hinrichten lassen, obwohl er ein edler Mann war, der die Juden anhielt, nach Vollkommenheit zu streben, indem er sie ermahnte, Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegen Gott zu üben und so zur Taufe zu kommen. Dann werde, verkündigte er, die Taufe Gott angenehm sein, weil sie dieselbe nur zur Heiligung des Leibes, nicht aber zur Sühne für ihre Sünden anwendeten; die Seele nämlich sei dann ja schon vorher durch ein gerechtes Leben entsündigt. 118 Und als sich immer mehr Menschen hinzu gesellten, die infolge der wunderbaren Anziehungskraft solcher Reden erregt wurden, fürchtete Herodes, das Ansehen des Mannes, dessen Rat allgemein befolgt zu werden schien, möchte das Volk zum Aufruhr treiben, und hielt es deshalb für besser, ihn rechtzeitig aus dem Wege zu räumen, als beim Eintritt einer Wendung der Dinge in Gefahr zu geraten und dann, wenn es zu spät sei, Reue empfinden zu müssen. 119 Auf diesen Verdacht hin liess also Herodes den Johannes in Ketten legen, nach der Festung Machaerus bringen, die ich oben erwähnte, und dort hinrichten. Sein Tod aber war, wie gesagt, nach der Überzeugung der Juden die Ursache, weshalb des Herodes Heer aufgerieben worden war, da Gott in seinem Zorn die se Strafe über den Tetrarchen verhängt habe." G e m ä s s Josephus und den Evangelisten war Johannes ein jüdischer Bussprediger, und wenn man Lk 1,5 Glauben schenken kann, wurde er noch unter Herodes I. geboren. Dann wäre er beim Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit im 15. Regierungsjahr von Kaiser Tiberius (27/28 n.Chr.) schon mindestens 32 Jahre alt gewesen (Lk 3,1). Sowohl durch seinen Vater Zacharias, der zur Priesterklasse des A b i j a gehörte, wie auch durch seine Mutter Elisabeth, die aaronidischen Geschlechtes war, wies J o h a n n e s priesterliche H e r k u n f t auf (Lk 1,5).2078 Die wunderbaren Umstände seiner Geburt weisen legendären Charakter auf und bieten nichts hi-
2078
Zur Priesterklasse des Abija vgl. Neh 12,4.17; 1 Chr 24,10.
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storisch Sicheres. Sie erweisen Johannes als den grossen Helden Israels ebenbürtig und dürften sich der Anhängerschaft des Täufers verdanken.207' Johannes forderte in seiner Predigt Umkehr und unterzog die Busswilligen einem Wasserbad. Nach Josephus war er ein edler Mann und Tugendlehrer, der Gerechtigkeit gegenüber den Mitmenschen und Frömmigkeit gegenüber Gott predigte. Nach Mk 1,6 Par. Mt 3,4 trug Johannes dabei einen Kamelhaarmantel, was an die Kleidung Elijas erinnert (2 Kön 1,8) und auf die Berufskleidung der Propheten anspielt.2080 Auch der Ledergürtel ist schon bei Elija zu finden.2081 Es erstaunt deshalb nicht, dass der Täufer als auferstandener Prophet - möglicherweise sogar als Elija - angesehen wurde (Mk 6,15). Johannes ernährte sich von Heuschrecken und wildem Honig (Mk 1,6) und verzichtete auf berauschende Getränke und Brot (Lk 1,15; 7,33). Die vegetarische und alkoholfreie Ernährung war Zeichen für den Propheten (Dan 10,3), und der Verzicht auf Bier und Wein lässt an die Tradition der Nasiräer2082 denken. Viele dieser vom Täufer gewählten Zeichen, unter die auch seine selbst gewählten Wirkungsorte am Jordan und in der Wüste fallen, können dabei als Form von Selbststigmatisierung interpretiert werden.2083 Johannes dürfte somit am besten als Prophet atl. Prägung verstanden werden, der in der Taufe eine prophetische Symbolhandlung vollzog.2084 Die besonderen Umstände und der Inhalt seiner Predigt verraten messianischen Einschlag, und die Furcht von Herodes Antipas (Ant. 18,118) dürfte darin ihren Anhaltspunkt gehabt haben: Die Verkündigung des Täufers hatte eine wunderbare Anziehungskraft auf seine Anhängerschaft, denn sie knüpfte an grosse und bekannte Erwartungen an und machte die Leute "zu allem bereit"2085, also etwas, das einem von Rom eingesetzten Herrscher zu keiner Zeit dienlich war. Inhaltlich umfasste die Predigt des Täufers gemäss den Evangelien die Vorhersage des Kommens des Messias (in den E w natürlich auf Jesus gemünzt!), die Verheissung der Strafe für die Frevler im Gericht und des Heils für die Frommen (Mt 3,7-12 Parr.) und die Forderung nach einem gottgefälligen Leben2086. Die unverminderte Geltung des Gesetzes (Lk 16,16ff.) mit seiner Sexualethik dürfte ebenso Inhalt der Verkündigung des Täufers gewesen sein.2087 Auch die sog. Standespredigt war Teil seiner Verkündigung und legt nahe, dass die Umkehrwilligen in ihren gewohnten Lebensstrukturen Zeugnis für ihr neues, gottesfürchtiges Leben ablegen sollten (Lk 3,10-14).2088 Wenn auch das Schwergewicht auf der Gerichts- und Unheilspredigt lag, entbehrte die Verkündigung des Täufers dennoch nicht der eschatologischen Heilszusage.2089 Besonderen Einfluss auf seine Predigt dürfte wohl das Buch des Propheten Jesaja gehabt haben.2090 Übereinstimmung herrscht zwischen Josephus und den Synoptikern auch in Bezug auf die Herkunft seines Namens: Durch seine Tauftätigkeit erhielt Johannes den Beinamen Täufer.2091 Josephus stellt dabei die Taufe von Johannes als Reinigung dar, die ganz klar gegen eine Tau fe zur Vergebung der Sünden abgesetzt wird. Sie rückt damit in die Nähe der essenischen Reinheitswaschungen, und jede Anspielung auf einen Initiationsritus, wie dies etwa die christ2079
Vgl. Gen 18,9-15: Isaak; Ri 13,2-25: Simson; 1 Sam 1,5-20: Samuel. Vgl. 1 Kön 19,13.19; 2 Kön 2,8.13f.; Sach 13,4; Mt 7,15. 2081 Vgl. Mk 1,6 und 2 Kön 1,8. 2082 Vgl. Num6,2ff. und Josephus, Bell. 2,313. 2083 Vgl. dazu Mödritzer, Stigma (1994) 37-94, bes. 91 -94. 2084 Vgl. auch 1 Kön 22,11; 2 Kön 13,14-19; Jes 20,1-6; Jer 13,1-11; 27,l-3.12b; 28,10f. 2085 Vgl. Nodet, Jesus et Jean-Baptiste (1985) 327. 2086 So auch Ant. 18,117f. 2087 In sexualethischer Hinsicht vgl. Mk 6,18 zum Vorwurf der Unzucht von Herodes mit Herodias in Anlehnung an Lev 18,16 und 20,21. 2088 Vgl. dazu Holtz, Standespredigt (1964) 461-474, bes. 462f. Vgl. auch Theissen, Jesusbewegung (2004) 105f. 2089 Vgl. Mt 3,7-12 Parr.; Mt 1 l,12f. Par. 2090 Vgl. Jes 1,30f.; 9,17f; 26,11; 29,6; 35,8; 40,3ff.; 44,3; 49,1; 66,15ff. 2091 Βαπτίστήε bei Josephus und βαπτιστη3 und βαπτί£ων bei den Syn. 2080
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liehe Taufe ist, wird vermieden.2092 Es legt sich hier natürlich der Vergleich mit Bannus nahe, dem essenischen Lehrer von Josephus, der sich Tag und Nacht rituellen Waschungen unterzog.2093 Deswegen muss Johannes aber keineswegs als Essener identifiziert werden.201"1 Die Taufe von Johannes sollte angesichts des drohenden Strafgerichts Gottes die Umkehrwilligkeit demonstrieren und so zum Erlass der Sünden vollzogen werden.2095 Dies sei die einzige Möglichkeit, um dem Feuer im angedrohten endzeitlichen Gericht mit dem Messias als Richterperson zu entgehen. Die Busspredigt und die Tauftätigkeit des Täufers implizierte damit auch eine starke Kritik am konkreten Tempelbetrieb und an der diesen kontrollierenden Priesteraristokratie: wenn nur noch seine Taufe Rettung vor dem Gericht Gottes bieten konnte, dann erfüllte offensichtlich die offizielle Institution des Tempels in Jerusalem diese Aufgabe nicht mehr.2096 Dies unterstreicht seine explizite, von Mt 3,7ff. geäusserte Kritik an den Sadduzäern. Ihnen beigesellt sind hier die Pharisäer, denen aufgrund ihres Lebenswandels das gleiche Schicksal prophezeit wird.2097 Johannes griff also eine Kritik am Tempel auf, die auch aus Qumran bekannt und später für Jesus bezeugt ist.2098 Zur geäusserten messianischen Erwartung passt ebenfalls die Angabe der Wüste als Aufenthaltsort des Täufers.2099 Auch die Taufe im Jordan knüpft an atl. Hoffnungen an (Jes 44,3; Ez 36,25ff.; 47,1-12; Sach 13, lf.). Sie ist zudem ein Hinweis auf die Hochschätzung des Jordanwassers (2 Kön 5,1-14): Wie gewisse Geräte nicht der Reinigung durch das Feuer unterzogen werden konnten, sondern dies ersatzweise mit Wasser geschehen durfte (Num 31,22f.), so konnte der Täufer die Busswilligen dem reinigenden Wasserbad im Jordan unterziehen und so die endzeitliche Reinigung im Feuer (Sach 13,9) vorwegnehmen. Sicher hatte diese Taufe, die sowohl ethische wie auch levitisch-dingliche Bedeutung aufwies, auch Initiationscharakter (Jes 44,3). In diese Richtung weist auch die Polemik des Täufers gegen seine Gegner (Lk 3,8f. Par.), der die Abrahamskindschaft nicht ethnisch-genealogisch verstanden wissen will: Durch die Taufe wird aus ehemaligen und umkehrwilligen Sündern das wahre und endzeitliche Israel geschaffen, von dem die Unreinen ausgeschlossen sind.2100
16.2
Der gewaltsame Tod des Täufers
Obwohl bei Johannes dem Täufer weder verdächtige antirömische, noch national-politische Aussagen oder Aktivitäten feststellbar sind, erleidet er wie viele andere prophetische Gestalten einen gewaltsamen Tod durch den amtierenden Machthaber.2101 Wenn dabei Johannes nicht von den römischen Besatzern direkt hingerichtet wurde, ist sein Tod trotzdem nur vor dem Hintergrund der machtpolitischen Grosswetterlage in Palästina verständlich. Diese war durch die römischen Interessen dominiert, mit denen diejenigen der parthischen Könige in unmittelbarer Konkurrenz standen. Dabei agierte Herodes Antipas gewissermassen als römischer Statthalter, der die Sicherheitsinteressen Roms wahrzunehmen und zu verteidigen hatte.2102
2092
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2098
Vgl. Bruce, Ausserbiblische Zeugnisse (1991) 25. v i t a n u n d a u c h j Q S 3 g f . 4 j 2 l f . ; Bell. 2,159. Gegen Johnson, Histoire (1976) 136.138. Zum Strafgericht Gottes vgl. auch Ez 5,1-17; 24,1-14. Vgl. Mödritzer, Stigma (1994) 63-67.71.75.92; Theissen, Jesusbewegung (2004) 105f.
V g l
Mit den Sadduzäern für Judäa und den Pharisäern für Galiläa nennt der Evangelist zwei repräsentative, die konkreten Machtverhältnisse stützende jüdische Gruppen: sowohl in der Tetrarchie von Antipas wie auch in der Provinz Judäa haben die jüdischen Führer versagt und werden ihrer wichtigen Aufgabe nicht gerecht. Der Evangelist drückt hier explizit eine Kritik aus, welche Johannes durch seine Tätigkeit zumindest implizierte.
Vgl. etwa 1Q19 und 20. Zu Jesus s.u. Kap. 17.2.3. Vgl. dazu besonders Jes 40,3; Hos 2,16; 12,10; Mt 24,26. 2100 Vgl. Jes 35,8; 52,1; äthHen 90,32; 1 QH 6,27f.; 4 QFlor l,3f. 2101 Vgl. Meier, John the Baptist (1992) 235. 2102 S.o. unter Kap. 1.1.3, 1.1.4, 2.1.3, 12 (ohne 12.0) sowie 13.1. 2099
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In dieser Situation übte Johannes durch seine religiöse Tätigkeit eine grosse Anziehungskraft auf seine Mitmenschen aus, auch wenn dies nicht in der Grössenordnung des ägyptischen Propheten geschah. Nach den Worten von Josephus stellte der Prophet dadurch in den Augen von Antipas eine Gefährdung von Ruhe und Ordnung und damit seiner eigenen Machtstellung dar.2103 Denn der Kaiser konnte Antipas bei Unzufriedenheit absetzen, was ja später durch Gaius tatsächlich auch geschah. Antipas hatte dabei auch das Beispiel seines Bruders Archelaus vor Augen.2104 Damit wurde auch Johannes sein prophetisch-eschatologisches Wirken zum Verhängnis, und seine Hinrichtung war nach den Aussagen von Josephus eine vorbeugende Massnahme des Herodessohnes zur Erhaltung der eigenen Machtstellung.2105 Diese Hinrichtung verläuft hier im Klientelgebiet ebenso konsequent wie bei anderen prophetischen Gestalten, welche die öffentliche Ruhe und Ordnung und damit auch die Stellung der amtierenden Prokuratoren in der Provinz Judäa gefährden.2106 Es zeigt sich somit auch bei Johannes, dass prophetisch-eschatologisches Handeln durch seine Faszinationskraft auf grosse Teile der (nicht nur) jüdischen Bevölkerung politische Brisanz aufwies.2107 Auf diesem Hintergrund sollte diese Exekution deshalb nicht nur der Stabilisierung der eigenen Herrschaft von Antipas in seiner Tetrarchie dienen, sondern sicher auch den Tempelbetrieb in Jerusalem vor weiterer, nicht abschätzbarer Kritik von Seiten des Busspredigers bewahren. Auch wenn die Quellen dies nicht ausdrücklich überliefern: für den Herodessohn Antipas musste klar sein, dass Kritik am Tempelbetrieb auch Kritik an den römischen Herren beinhaltete, welche diese zentrale religiöse Institution bewilligt und legitimiert hatten und zur Stabilisierung der eigenen Herrschaft einsetzten. Und eine Duldung zunehmender Kritik an den Machtverhältnissen in der Provinz Judäa musste den Tetrarchen in den Augen seiner römischen Herren als unfähig erweisen, seinen Auftrag in ihrem Sinne auszuführen. Josephus führt aus, dass diese ungerechtfertigte Hinrichtung in den Augen vieler Juden der Grund für den Untergang des Heeres von Herodes war, der durch die Ermordung von Johannes den Zorn Gottes herausgefordert und die gerechte Strafe dafür erhalten hätte.2108 Die Hinrichtung des Täufers wird in den christlichen Schriften hingegen damit erklärt, dass Johannes die Heirat von Antipas mit Herodias gerügt und deshalb von Herodes festgesetzt und in die Festung Machaerus gebracht wurde.2109 Doch auch diese Begründung ist nur vor dem Hintergrund der grossen Anziehungskraft des Täufers verständlich. In einer politisch instabilen Lage bzw. in einer Krisenzeit konnte eine "Königsschelte ... leicht als Angriff auf die Staatsautorität missverstanden werden"2110. So setzte die von Johannes kritisierte Ehe mit Herodias gleichzeitig den Bruch mit der Nabatäerdynastie voraus, was eine Destabilisierung der Ostflanke des römischen Imperiums mit weitreichenden Konsequenzen zur Folge hatte.2"1
So kann mit Meier, John the Baptist (1992) 235 Anm. 27, festgehalten werden: "This is not to deny that in first-century Palestine, the religious activity of a prophetic figure might be viewed by a nervous ruler as possibly having negative political consequences." S.o. unter Kap. 12.2. Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 98 Anm. 296. Nach Meier, John the Baptist (1992) 236, muss die Furcht der Machthaber vor dem zunehmenden politischen Einfluss einer "purely religious figure" wie Johannes und deren präventiven Hinrichtung auch im Prozess und der Hinrichtung Jesu mitbedacht werden. Vgl. Bilde, Josephus (1988) 223; Meier, John the Baptist (1992) 236. Meier sieht das Einschreiten des Antipas durch den Anschluss grösserer Gruppen gewöhnlicher Juden an den Täuferkreis begründet (ebd. 233). Vgl. zum Tode von Johannes auch Juster, Juifs II (1914) 1303; Hoehner, Antipas (1972) 136ff.; Schreckenberg, Josephus (1980) 187f.; Betz, Prozess Jesu (1982) 588f.; Feldman, Josephus Revisited (1984) 822; Horsley, Like One of the Prophets (1985) 452; Ernst, Johannes (1989) 340ff. Vgl. Ant. 18,116. Die Kritik an einer illegitimen Ehe ist ein klassisches prophetisches Handlungsfeld (vgl. Egger, Crucifixus (1997) 191). Emst, Johannes (1989) 342. Vgl. Hoehner, Antipas (1972) 136ff.; Schreckenberg, Josephus (1980) 187f.; Horsley, Like One of the Prophets (1985) 452.
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Gemäss Mk 6,17-29 Par. Hess Antipas den Täufer auf Betreiben von Herodias schliesslich enthaupten. Dies erinnert stark an 1 Kön 18-19, wo der Prophet Elija den Nachstellungen der heidnischen Königsgemahlin Isebel ausgesetzt ist. Das Abschlagen des Kopfes und dessen demonstrative Präsentation durch römische Machthaber ist auch in der späten Republik bekannt und lässt den Klientelfürsten Antipas als willigen Vasallen erscheinen, mit subversiven Elementen und Unruhestiftern in aller Härte zu verfahren.2112 Bei Josephus ist kein kausaler Zusammenhang zwischen der ungesetzlichen Eheschliessung von Antipas mit Herodias und dem Tod des Täufers angedeutet. Allerdings hat hier die Eheschliessung die Flucht der Nabatäerprinzessin und später den Krieg mit Aretas IV. zur Folge. In dessen Verlauf werden die Truppen von Antipas vernichtend geschlagen. Auch wenn die von Josephus und den Synoptikern angegebenen Gründe in ihren Grundaussagen divergieren, gibt es dennoch Konvergenzpunkte. So sind einerseits in beiden Fällen politisch relevante Gründe ausschlaggebend für die Hinrichtung des Täufers. Andererseits ist es sowohl bei den Syn wie auch bei Josephus das prophetische Wirken des Täufers, welches Auslöser für seine Hinrichtung ist.2"3 Deren genauer Zeitpunkt innerhalb der öffentlichen Tätigkeit Jesu ist allerdings nur schwer zu bestimmen. Als termini post und ante quem lassen sich die Taufe Jesu durch Johannes einerseits und eine volkstümliche Meinung über Jesus andererseits bestimmen: denn die Ansicht, Jesus sei der auferstandene Täufer, setzt dessen Tod voraus (Mt 14,2; Mk 6,14; Lk 9,7). Die Frage des Täufers (Mt 11,2-6; Lk 7,18-23) macht dabei eine gewisse Wirkungszeit Jesu plausibel.2114 Eine exakte Bestimmung ist trotzdem nicht möglich.2"5 Nach der Liquidierung des Täufers wurden keine weiteren Schritte gegen seine Bewegung unternommen, die offenbar noch eine Zeit lang weiter existierte und in gewisser Konkurrenz zur Jesusbewegung stand. Die verantwortliche Behörde schreitet dabei also nur mittels polizeilich-koerzitiver Massnahme einschliesslich Hinrichtung gegen den prophetischen Führer und nicht gegen die Anhängerschaft ein.2"6 Was die legendarische Geschichte um den Tanz der Tochter von Herodias betrifft, so ist zumindest möglich, dass Johannes im Zusammenhang seiner prophetischen Aktivität Kritik an der Ehe von Herodes mit seiner Schwägerin Herodias und der damit verbundenen Verstossung der Nabatäerprinzessin geäussert hatte.2117 Die von den Evangelisten Markus und Mat21,2
Vgl. aus der römischen Tradition Seneca, Controversiae 9,2,4; Seneca, Epistuale Morales 83,25; Valerius Maximus 9,2,2; Plutarch, Crassus 33,4. Vgl. dazu Hartmann, Tod des Täufers (2001) 187ff. Gerade der Gewaltherrscher Sulla bediente sich in geradezu inflationärer Weise dieser Paxis (vgl. Plutarch, Cato Minor 3). 2113 Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 191. 2114 Als Gemeindebildung ist die Frage im Munde der Jünger des Täufers wenig plausibel, sondern viele Punkte sprechen für eine historische Situierung in das Leben der beiden Propheten (vgl. Luz, Mt 8-17 (EKK 1.2/1990) 165f.). 2115
Ob die Situierung der Frage des Täufers ins Gefängnis schon in Q stand oder von Mt eingefügt wurde, ist kaum endgültig zu entscheiden (vgl. Luz, Mt 8-17 (EKK 1.2/1990) 166). Jedoch ist eine Einfügung durch Mt etwas plausibler als die Streichung durch Lk (vgl. dazu Schulz, Spruchquelle (1972) 190f.). Dass der Messias Jesus erst mit seiner Wirkungstätigkeit beginnt, wenn der Vorläufer Johannes von der Bühne abgetreten ist (Mk 1,14; Mt 4,12), macht das Verhältnis der beiden prophetischen Gestalten im Sinne der Evangelisten eindeutig. Dies kommt auch einer kompromittierenden Konkurrenzsituation zuvor und passt in die Bestrebung der Evangelisten, den Täufer (wohl im Gegensatz zum problematischen historischen Verhältnis) als Wegbereiter des Messias Jesus zu charakterisieren. Gerade auch deshalb ist die genauere historische Datierung der Intemierung von Johannes innerhalb des öffentlichen Wirkens Jesu nur schwer möglich. 2116 Dies im Gegensatz zu den anderen prophetischen Volksführern wie den Zeichenpropheten oder dem Samaritaner (vgl. Meier, John the Baptist (1992) 235 Anm. 28). S.o. Kap. 14 und 15. 2117 In der Darstellung dieser Szene sind Elemente eines jüdischen Martyriumsberichtes und folkloristische Züge auszumachen (vgl. Gnilka, Martyrium (1973) 86f.; Mk 1,1-8,26 (EKK II.1/1978) 245f. Vgl. auch Haenchen, Weg ( 2 1968) 241f.; Anderson, Gospel of Mark (NCeB/1976) 166f.; Schmithals, Mk 1-9,1 (ΦTBK 2/1/1979) 315; Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II.1/ 4 1984) 338-343). Kokkinos, Herodian Dynasty (1998) 232f., identifiziert die Herodias-Tochter mit Salome, der Frau von Aristobulos III. von Armenien. Josephus, Ant. 18,136f. spricht ebenfalls von einer Salome als Tochter von Herodias aus erster Ehe.
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thäus und von Josephus angegebenen Gründe für die Hinrichtung müssen sich deshalb nicht unbedingt widersprechen.2118 Andererseits ist allerdings auch für eine Konvergierung bzw. eine Harmonisierung der Hinrichtungsgründe die Textbasis nicht ausreichend.2"9 16.3
Johannes der Täufer und Jesus
Wie viele andere hegte auch Jesus für den Täufer Bewunderung.2120 Dies zeigt nicht nur seine Taufe im Jordan (Mk 1,9ff. Parr.), sondern auch seine direkten Δusserungen über Johannes, dem er eschatologische Bedeutung zumass und den er wohl als wiedergekommenen Elija ansah (Mt 11,7-19 Par.; Mk 9,1 Iff.). Auch den gewaltsamen Tod des Täufers dürfte Jesus als Indiz für dessen besondere Bedeutung gewertet haben (Mk 6,17-29; 12,1-12 Parr.).2121 Umgekehrt ist durch die christologische Verzeichnung der Aussagen des Täufers über Jesus kaum historisch Gesichertes zu erfahren (Mk l,7f. Parr.). Auch über die Antwort des Täufers auf die Selbstaussage Jesu hin schweigen sich die Evangelien leider aus (Mt 1 l,4ff. Par.). Neben der Heimat- und Familienlosigkeit, die sowohl Johannes wie auch Jesus praktizierten, und dem Aufenthalt in der Wüste finden sich in der Verkündigung Jesu einige Elemente der Täuferpredigt wieder, freilich mit gewissen Neuakzentuierungen.2122 Dazu gehören sicher die Verkündigung der Nähe der Gottesherrschaft mit ihren ambivalenten Folgen und die Einschärfung sexualethischer Normen.2123 Insbesondere die Verlorenheit Israels und das damit verbundene drohende Gericht Gottes ist für beide Propheten ein wichtiges Thema.2124 Johannes versammelte wie Jesus eine Jüngergruppe um sich (Mk 2,18; 6,29; Joh 3,35). Diese bestand auch nach seinem Tod weiter.2125 Der Täufer hatte seinen Schülern offensichtlich gewisse Regeln für levitische Reinigungen (Joh 3,25), Fasten (Mk 2,18) und Gebet (Lk 5,33; 11,1) auferlegt, die sie auch nach dem Tod des Täufers weiter beachteten. Als Täuferschüler bekannt sind neben Jesus (Mk l,9ff. Parr.) auch Apollos (Apg 18,24f.) und Andreas, der mit anderen Täuferjüngern zu Jesus überging (Joh 1,35-40). Möglicherweise ist auch in der Gestalt des "Jüngers, den Jesus liebte" ein früherer Täuferschüler zu sehen (Joh 13,23; 20,2).2126 Die Täuferschüler gerieten allerdings bald in eine gewisse Konkurrenz zur Jesusgruppe (Mk 2,18). Diese sorgte besonders in der johanneischen Gemeinde für Probleme (Joh 3,22-26).2127 Hier wurde offenbar der Anspruch gewisser Kreise abgewehrt, die für den Täufer ebenfalls messianische Würde geltend machten (Joh 1,8; Lk 3,15). Interessant in diesem Zusammenhang ist die auffällige Parallele zwischen der Geburtslegende des Täufers und derjenigen Jesu (vgl. Lk 1-2). Möglicherweise wurden in der dahinter stehenden Gemeinde zunächst der Täufer und Jesus als gleichberechtigte Heilsträger angesehen, etwa in der Art des Propheten-Paares Elija und Elischa. Dazu boten die Δhnlichkeit ihrer Ver2118
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Vgl. Bruce, Ausserbiblische Zeugnisse (1991) 24f. So etwa bei Ernst, Johannes (1989) 340ff. Nach Ernst könnte die Furcht von Antipas so erklärt werden, dass der Täufer das Volk wegen seiner zweiten und illegitimen Ehe mit Herodias hätte aufstacheln können, was vor dem Hintergrund seiner grossen Anziehungskraft und dem sich abzeichnenden Krieg mit Aretas IV. zu einem Aufstand hätte führen können. Diese Interpretation der verschiedenen Quellen ist zwar nicht unmöglich, ist aber aufgrund der Textbasis ziemlich hypothetisch. Vgl. Ant. 18,118; Mk 1,5 Parr. Gemäss Moloney, Mark 6:6b-30 (2001) 647-663, unterstreicht die Einfügung des Täuferschicksals in die Missionsrede nicht nur die Nähe der beiden grossen Propheten. Es führt mit dem Schicksal des Täufers den Adressaten und Adressatinnen auch vor Augen, dass ihre eigene Missionstätigkeit einen hohen Preis fordern kann (vgl. bes. ebd. 559.661). Zum Wüstenaufenthalt vgl. Mk 1,12f. Parr. Vgl. dazu auch die atl. Vorbilder Moses Ex 24,18; 34,28 und Elija 1 Kön 19,8. Vgl. Frankemölle, Täufer und Jesus (1996) 200f. Vgl. Becker, Jesus (1996) 37-99, mit Quellen und Lit. Vgl. Schütz, Johannes (1967) 129; Wengst, Bedrängte Gemeinde ( 3 1990) 174-177. Dann wäre dieser der mit Andreas von der Täufergruppe zu Jesus übergehende, nicht mit Namen genannte Jünger (vgl. Joh 1,35-40). Vgl. zum Jünger, den Jesus liebte, etwa Schnackenburg, Joh 13-21 (HThK IV.3/ 5 1986) 449-463. Vgl. Wengst, Bedrängte Gemeinde ( 3 1990) 174-177.
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kündigung wie auch ihres Schicksals Anlass. Diese hätte dann einer Vorstellung von zwei Messiasgestalten Platz gemacht, wie sie aus essenischen Kreisen bekannt ist.2128 Der aus priesterlichem Geschlecht stammende Johannes (Lk 1,5-25.57-80) hätte als der Priester-Messias gegolten, der für die Tilgung der Sünden und die kultische Reinheit verantwortlich gewesen wäre. Daneben wäre Jesus als königlich-davidischer Messias angesehen worden. Die starke Negierung einer messianischen Würde des Täufers in Lk 3,15f. sowie Joh 1,8.20 und 3,28 könnte dann als Reaktion auf eine derartige Messiaskonzeption verstanden werden. Auf jeden Fall drängte die voranschreitende Christologisierung der Gestalt Jesu die Täuferverehrung zurück, so dass Johannes nur mehr als Herold und Vorläufer Jesu angesehen wurde (Mt 3,14f.; Lk 3,15f. Parr.; Joh l,7f.l9-36; 3,28-36). Auch schloss sich die Zugehörigkeit zur Jesus- oder zur Täufergruppe gegenseitig aus (vgl. Apg 18,24-28; 19,1-7). Während Joh den Täufer und Jesus gleichzeitig taufen lässt (Joh 3,22-36), legen die Synoptiker die Wirksamkeit Jesu (mehr oder weniger) auf die Zeit nach dem Tod des Täufers fest. Darauf weist die Meinung hin, Jesus sei der auferstandene Täufer (Mk 6,14.16 Parr.). Die Syn berichten zudem nichts von einer Tauftätigkeit Jesu. Sie gestehen dem Täufer noch eine gewisse Eigenständigkeit zu, während die christliche Tradition ihn dann immer mehr zum Vorläufer degradiert und christologisch überzeichnet.2129 Davon ist bei Josephus gar nichts zu lesen. So stellt denn auch das Testimonium Flavianum (Ant. 18,63f.) keine Beziehung zum Bericht über den Täufer (Ant. 18,116-119) her.2130 Die Überlieferung der Täuferstoffe in den Evangelien dürfte sich also letztendlich der Taufe Jesu durch seinen Lehrer Johannes und der Hochschätzung des Täufers durch Jesus verdanken.2131 Aber hinter der christologischen Verzeichnung des Täufers ist eine eigenständige prophetische Gestalt auszumachen, deren Botschaft eschatologische und messianische Züge trägt, die noch über den Tod hinaus für eine gewisse Zeit eine Anhängerschaft faszinieren konnte. Mit der Jesusgruppe verbindet die Täuferbewegung also auch, dass sie nach dem Tod ihres Meisters weiter bestand. Im Unterschied zu Jesus jedoch ist bei Johannes keine lokale jüdische Gegnerschaft ersichtlich, welche in einem Verfahren gegen den Propheten aktiv gewesen wäre. 16.4
Ergebnis
Die Hinrichtung von Johannes durch Antipas kann demnach als vorbeugende Massnahme zur Sicherung der eigenen, von Rom gewährten Machtstellung betrachtet werden. Die grosse Anziehungskraft des Täufers stellte dabei einen Risikofaktor für diese Machtstellung dar, insbesondere weil Johannes im Zusammenhang seiner Tätigkeit explizite Kritik am Tetrarchen und implizite Kritik am Tempelbetrieb in Jerusalem übte. So wurden seine Aktivitäten als inakzeptable Störung der pax Romana von Antipas interpretiert, der sich zur Liquidierung des Propheten entschloss. Mit dem Tod des Propheten verschwand die Gefahr für den Klientelfürsten Herodes, der sich zu keinen weiteren Massnahmen gegen die Täuferbewegung veranlasst sah, die noch einige Zeit nach dem Tode von Johannes weiterbestand. Im Prophetenschicksal des Täufers wird einmal mehr deutlich, dass auch rein eschatologischreligiöses Wirken ohne explizite politische Botschaft durch die Anziehungskraft auf viele Menschen politische Brisanz für die amtierenden Machthaber aufwies und damit auch Gesundheit und Leben eines solchen Propheten in Gefahr bringen konnte. Dabei predigte Johannes weder den Auszug aus den gesellschaftlichen, von Rom verfügten oder zumindest genehmigten Strukturen, noch deren Umsturz. Vielmehr sollten die Menschen im gewohnten Leben ihrer Umkehr Ausdruck geben, für die sie in der Taufe zudem ein besonderes Zeichen setzen konnten.
2128
2130 2131 2129
Vgl. 1 QS 9,1 Of.; 1 QSa 2,12-17; CD 7,18-21. S. auch TestRub 6,7-12; TestSim 7,2. Vgl. Frankemölle, Täufer und Jesus (1996) 196-218, bes. 216ff. in Bezug auf Mt. Vgl. Nodet, Jesus et Jean-Baptiste (1985) 321-347.497-524. Zur Trennung Jesu von der Täufergruppe vgl. Hollenbach, Conversion (1982) 196-219.
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Die Selbststigmatisierung des Täufers half dann seiner Anhängerschaft, dessen gewaltsamen Tod besser zu verarbeiten. Die unrechtmässige Hinrichtung durch den Tetrarchen Antipas konnte dabei als Beweis für die Richtigkeit und Notwendigkeit der Umkehrpredigt des Täufers gedeutet werden. Die Parallele zu Jesus ist nicht zu übersehen. Seinem Programm und seinem Schicksal ist das folgende Kapitel gewidmet.
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J E S U S VON N A Z A R E T ( 3 0 N . C H R . )
Am Rande des römischen Weltreiches in Palästina findet sich unter den vielen Gruppen und Bewegungen des ersten Jahrhunderts n.Chr. auch diejenige von Jesus aus Nazaret. Seine historische Existenz ist aufgrund ausserchristlicher Zeugnisse sicher.2132 Doch die genaue Datierung seiner Geburt ist schwierig, da die verschiedenen Angaben hierzu widersprüchlich sind.2133 Die sogenannten Kindheitserzählungen sind in erster Linie theologisch intendiert und bringen historisch wenig Gesichertes.2134
17.1
Botschaft, Programm und Laufbahn Jesu
Der Beginn der öffentlichen Tätigkeit Jesu von ca. 1-2 Jahren dürfte um das Jahr 30 angesetzt werden.2135 Im Zentrum seines Wirkens stand dabei die Botschaft vom anbrechenden Königreich Gottes.2136 Dies gilt sowohl für seine Predigt, wobei den Gleichnissen eine besondere Stellung zukam.2137 Aber auch in seiner Hinwendung zu den bedürftigen Mitmenschen (Kranke und Schwache, Gebrechliche, Arme und Ausgestossene) sollte dieses Königreich schon angebrochen sein.2138 Dabei setzte sich Jesus auch über religiöse und gesellschaftliche Schranken hinweg (Mk 7,24-30 Par). Jesus verstand sich also nicht nur als der authentische Verkünder der βασιλεία τοΰ θεοΐι, sondern auch als ihr exklusiver Vermittler.2139 Dieser Anspruch begegnet auch in Jesu Verhältnis zum mosaischen Gesetz. Nirgends wird dies deutlicher als in den sog. Antithesen der Bergpredigt (Mt 5,21-48).2140 Deren Ziel ist weder eine Iegalistische Verschärfung, noch eine Ausserkraftsetzung der Tora.2141 Vielmehr soll die Intention der Tora durch Jesu Verkündigung neu aufgedeckt werden.2142 Seine provokativen Aussagen sollen radikal zeigen, "was den Hörer in seinem Innersten von der anbrechen-
2132
Vgl. Bruce, Ausserbiblische Zeugnisse (1991); Theissen - Merz, Jesus (1996) 72-91. Vgl. Schürmann, Lk 1,1-9,50 (HThK III.1/ 3 1984) lOOf.; Bovon, Lk 1,1-9,50 (EKK III.1/1989) 118f. Theissen - Merz, Jesus (1996) 149ff. Die historische Harmonisierung von Zensus, der Statthalterschaft von Quirinius und die Aussage, dass Herodes noch am Lieben war, ist aufgrund unseres Wissensstandes nicht möglich, wodurch sich viele Spekulationen eröffnen. Die Schwierigkeiten entfallen, wenn nicht die Historizität, sondern die Theologie im Zentrum der Auslegung steht. 2134 Vgl. Mt 1-2; Lk 1,5-2,52; Jossa, Movimenti (1980) 277-281; Luz, Mt 1-7 (EKK 1.1/1985) 85-141; Gnilka, Mt 1.1 ( 2 1988) 1-62; Schürmann, Lk 1,1-9,50 (HThK III.1/ 3 1984) 18-145; Bovon, Lk 1,1-9,50 (EKK III/1989) 43-162; Diefenbach, Geburtsgeschichten (2000) 1-6. 2135 Vgl. die Datierung bei Lk 3,1-2 und dazu Becker, Jesus (1996) 26. 2136 ... πεπλήρωται ό Ktnpös και ήγγικεν ή βασιλεία τοϋ θεού (Mk 1,15). Vgl. Köster, Einführung NT (1980) 51 ff.; Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II.1/ 4 1984) 107; Kümmel, Theologie des NT ( 5 1987) 2943; Gnilka, Jesus (1990) 87f.; Stuhlmacher, Theologie des NT I (1992) 67; Schnackenburg, Person Jesu (1993) 350; Theissen - Merz, Jesus (1996) 221.; Marguerat, Jesus le sage (1998) 302. Vgl. auch Merkel, Gottesherrschaft (1991) 119-161. 2137 Vgl. Lindemann, Herrschaft Gottes (1986) 205; Gnilka, Jesus (1990) 89ff. Mit den Gleichnissen als Zeugnissen des historischen Jesus und ihrer adäquaten Interpretationsweise befassten sich Legionen von Theologen und Theologinnen und im Verlaufe des vergangenen Jahrhunderts auch Sprachwissenschaftler/innen. Genannt seien exemplarisch: Jülicher (1910); Jeremias ( 10 1984); Linnemann ( 6 1966); Via (1970); Weder ( 3 1984); Harnisch, Gleichnisforschung (1982) und Gleichnisse (1984); Rau, Reden in Vollmacht (1990); Shillington, Parables (1997). S. auch Erlemann, Wohin steuert die Gleichnisforschung (1999) 2-10. 2138 . . . ε ι δε έν δακτύλιο θεοϋ έκβάλλω τά δαιμόνια, αρα εφθασεν έφ ' ϋμάβ ή βασιλεία τοΰ θεοϋ ... (Lk 11,20). Die mt Version (12,28 "durch den Geist Gottes"!) dürfte dabei sekundär sein. Vgl. dazu Schneider, Lk 11-24 (ΦTBK 3.2/ 2 1984) 266; Luz, Mt 8-17 (EKK 1.2/1990) 254ff.; Bovon, Lk 9,5114,35 (EKK 111.2/1996) 174ff. Zur Überlieferung in Q vgl. Schulz, Spruchquelle (1972) 203213, bes. 209f. Zum besonderen Verhältnis von Messias und Armen vgl. Schwantes, Messias (1989) 271290. 2139 Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 180.188. 2140 Vgl. Luz, Mt 17 (EKK 1.1/1985) 2 4 4 3 1 9 ; Gnilka, Mt 1,113,58 (HThK I . l / n 9 8 6 ) 150200; Stre cker, Gesetz (1990) 109125. Für F. Hahn, Hoheitstitel ( 3 1966) 382, fasst "mosegleicher Endzeitprophet" am besten das Wirken Jesu zusammen. 2141 Vgl. Bultmann, Jesus (1926) 46ff.; Bornkamm ( 13 1983) 85-97; Blank (1981) 103-110; Gnilka (1993) 213-226. 2142 Vgl. Theissen - Merz, Jesus (1996) 321-332; Becker (1996) 349-387. 2133
F Gestalt und Schicksal prophetisch-messianischer Bewegungen
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den 'βασιλεία' trennt"2143. Charakteristisch für Jesu Predigt der Königsherrschaft Gottes und der damit verbundenen Neuakzentuierung der Tora ist dabei auch die prinzipielle Ver schränkung von Nächsten und Gottesliebe (Mt 22,34 Parr.). Dies wird auch im Umgang Jesu mit dem Sabbatgebot deutlich. So ordnet Mk 2,27 den Sab bat in die göttliche Schöpfungsordnung ein.2144 In seiner ganzen Verkündigung wird dabei Jesu einzigartiger Anspruch deutlich, der sich in seiner Interpretation im Gegensatz zur rabbi nischen Gepflogenheit nicht stets auf Bibelstellen beruft.2145 Auch das mit grosser Sicherheit auf Jesus selbst zurückgehende Reinheitslogion Mk 7,15 weist in die gleiche Richtung.2146 Es widerspiegelt die Souveränität Jesu im Umgang mit der Tora.2'47 Es zeigt dabei auch sein Bemühen, die Menschen in ihrer Ganzheit für die Gottes herrschaft bereit zu machen.2148 Sein besonderer Anspruch und das Programm der anbrechenden Gottesherrschaft spiegelt sich auch in den Mahlgemeinschaften Jesu wider.2149 So ist an vielfacher Stelle von Mahlzei ten Jesu mit seinen Jüngern und seinen Anhängerinnen und Anhängern zu lesen.2150 Aufgrund dieser Mahlzeiten wird Jesus auch der Vorwurf eines "Fressers und Weinsäufers" (Lk 7,34; Mt 11,19) gemacht.2151 Die schriftgelehrten Gegner Jesu kritisieren dabei dessen häufige Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern (Mt 9,11; Mk 2,16; Lk 5,30). Dieses gemein same Essen und Trinken im Verständnis seiner langen jüdischen Tradition stiftet Gemein schaft unter den Menschen und mit Gott. Diese FreudenEssen der Jesusgruppe haben des halb auch religiöse Bedeutung, und sie sind eine Art Vorwegnahme des himmlischen Hoch zeitsmahles am Ende der Tage.2152 Diesen gemeinsamen Mahlzeiten als wichtigem Teil seines Wirkens und seiner Botschaft gibt Jesus beim letzten Mahl mit seinen Jüngern eine neue und besondere Deutung (Mk 14,1725 Parr.; 1 Kor ll,2325). 2153 Und schon gleich nach dem Tod Jesu wird dieses Mahl wieder gefeiert (Apg 1,4).
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Egger, Crucifixus (1997) 180. Vgl. auch Hoffmann, Neue Ethik (1994) 73-94. Vgl. Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II.1/ 4 1984) 184ff. Auch gemäss Egger, Crucifixus (1997) 185, ging es Jesus in der Frage nach dem Sabbat keineswegs um dessen Abschaffung, sondern darum, den Sabbat wieder dem "Schöpfungshandeln Jahwes" einzuordnen. Vgl. Gnilka, Mt 1,1-13,58 (HThK I.l/ 2 1986) 150ff.; Becker, Ethos Jesu (1989) 43; Gnilka, Jesus (1990) 215ff. Vgl. zur Lehrautorität Jesu ausführlich Riesner, Jesus als Lehrer ( 3 1988) 246-352. Vgl. Haenchen, Weg ^1968) 265; Paschen, Rein und unrein (1970) 173ff.; Hübner, Gesetz (1973) 164f.; Kümmel, Reinheit (1973) 35-46; Anderson, Gospel of Mark (1976) 183; Gnilka, Mk 1,1-8,26 (EKK II.1/1978) 277; Schmithals, Mk 1-9,1 (ΦTBK 2.1/1979) 342f.; Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II. I/ 4 1984) 383. Die Authentizität in Frage stellen dagegen etwa Dautzenberg, Gesetzeskritik (1986) 59; Fiedler, Tora bei Jesus (1986) 73f. Zur kontrovers diskutierten Frage des Umgangs Jesu mit dem Gesetz und seiner ntl. Rezeption vgl. u.a. Berger, Gesetzesauslegung Jesu I (1972); Kertelge, Gesetz im NT (1986); Beilner, Gesetz und Propheten (1991) 439-460; Broer, Jesus und das Gesetz (1992); Kosch, Eschatologische Tora (1992); Loader, Jesus' Attitude towards Law (1997). Vgl. Haenchen, Weg ( 2 1968) 261; Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II.1/ 4 1984) 379; Becker, Ethos Jesu (1989) 41ff. Vgl. etwa Bösen, Jesusmahl (1980) 78-108; Sanders, Jesus and Judaism (1985) 174-211; Koch, Tischgemeinschaft (1989) 57-74; Kollmann, Mahlfeier (1990) 190-228; Chilton, Eucharistie Theologies (1994) 24-45.146f.; Becker, Jesus (1996) 194-211. Vgl. Mk 2,13-17; Mt 9,9-13; Lk 5,27-32; Joh 12,2. Vgl. Schürmann, Lk 1,1-9,50 (HThK III.1/ 3 1984) 426f.; Bovon Lk 1,1-9,50 (EKK III. 1/1989) 381f.; Luz, Mt 8-17 (EKK II.2/1990) 188; Becker, Jesus (1996) 208-211; Kee, Glutton and Drunkard (1996) 374-393; Freyne, Wine-drinker (2000) 162-180. Vgl. Mk 2,18ff; Mt 22,1-14; Lk 22,30; Chilton, Eucharistie Theologies (1994) 24-45.147. Chilton verbindet diese Mahlgemeinschaften Jesu mit dessen besonderem Reinheitsverständnis, das sich nicht an äusserlichen Kulthandlungen orientierte: "Jesus' claim is that observances of purity do not create the reality, but that human acts and words might extend the sphere of the pure. Purity is the condition in which an Israelite lives as an Israelite, not an achievement of practice and observation." (35) Vielmehr sei die Reinheit des (jüdischen) Menschen Folge der Auserwählung durch Gott, welcher er durch sein Denken, Fühlen und Handeln Ausdruck geben muss (vgl. auch Mk 7,1-23 und Mt 5,23f.!). Vgl. als Niederschlag dieser Deutung auch die Emmauserzählung (Lk 24,13-35).
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Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
E s steht ausser Zweifel, d a s s J e s u s b e s o n d e r s auf die j ü d i s c h e Landbevölkerung eine g r o s s e A n z i e h u n g s k r a f t hatte, a u c h w e n n d i e b e t r e f f e n d e n E v a n g e l i e n t e x t e d i e M e n s c h e n a n s a m m l u n g e n t e i l w e i s e literarisch ausschmücken. 2 1 5 4 E i n e n G r o s s t e i l s e i n e r Verkündigungstätigkeit übte J e s u s in G a l i l ä a aus. 2155 D i e s e b e s o n d e r e Faszinationskraft J e s u z e i g t s i c h a u c h in der B e u r t e i l u n g s e i n e r P e r s o n b z w . T ä t i g k e i t ; s o e t w a in v e r s c h i e d e n e n V o l k s m e i n u n g e n über J e s u s , d i e in M k 6 , 1 4 1 6 ihren N i e d e r s c h l a g g e f u n d e n haben. 2156 D i e B e s c h r e i b u n g J e s u d u r c h s e i n e Z e i t g e n o s s e n e r f o l g t d a n a c h in p r o p h e t i s c h e s c h a t o l o g i s c h e n Kategorien. 2 1 5 7 D u r c h s e i n W i r k e n bildet J e s u s eine A n h ä n g e r s c h a f t u n d gerät in d e n Verdacht der öffentli c h e n R u h e s t ö r u n g . D a z u tragen b e s o n d e r s auch J e s u "Zeichentätigkeit" u n d seine Lehre bei, d i e e i n e g r o s s e A n z i e h u n g s k r a f t auf d i e M a s s e n ausübt u n d d i e B e h ö r d e n z u m Eingreifen veranlassen. 2 1 5 8 In d i e s e R i c h t u n g w e i s t a u c h das Testimonium Flavianum, das i m Z u s a m m e n h a n g m i t J e s u s v o n σ ο φ ό ε ά ν ή ρ , δ ι δ α σ κ α λ ί α α ν θ ρ ώ π ω ν u n d π α ρ α δ ό ξ ω ν έ ρ γ ω ν ποιητή.? spricht (Josephus, Ant. 18,63f.). 2 1 5 9 D a s s J e s u s als Prophet galt, ist nicht zu b e z w e i f e l n . 2 1 6 0 D a b e i ist g l e i c h z e i t i g die Originalität d e s P r o p h e t e n J e s u s v o n N a z a r e t f e s t z u h a l t e n . D a s s J e s u s s i c h s e l b s t a l s Prophet verstand, wird in der F o r s c h u n g e b e n f a l l s k a u m bestritten. 2161 D a n e b e n sind b e i Jesus aber a u c h e i n d e u t i g w e i s h e i t l i c h e Z ü g e erkennbar. 2162 J e s u s d e s h a l b a l s k y n i s c h e n W a n d e r p h i l o s o p h e n aus G a l i l ä a zu charakterisieren, g e h t aber zu w e i t u n d ist
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Vgl. etwa Mk 3,7f.; 5,21.24.30f.; 6,55; 8,1.9; 9,14f.25; 10,46; 12,37. Zur Beurteilung Galiläas als Ort für die Verkündigung Jesu von der Forschung des 19. Jh.s an bis zur "dritten Runde" der Frage nach dem historischen Jesus vgl. Moxnes, Galilee I + II (2001) 26-37.64-77. Zur sozio-historischen Wirklichkeit Galiläas vgl. ausführlich Bösen, Galiläa (1985). Vgl. neben vielen anderen auch Horsley, Galilee (1995) + (1996) oder Freyne, Galilee (1980); Galilee and Gospel (2000).
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Vgl. auch Mk 8,28. Gemäss Anderson, Gospel of Mark (NCeB/1976) 166, ist hier die ursprünglichere Version überliefert. Für die Originalität von 6,15 sprechen sich u.a. aus: Gnilka, Mk 1,1-8,26 (EKK II.2/1978) 245; Theissen, Wundergeschichten ( 5 1987) 171f. Eine wechselseitige Abhängigkeit von Mk 6,14ff. und 8,28 postuliert Hahn, Hoheitstitel ( 3 1966) 222 Anm. 3. Mk 6,14-16 dürfte zwar durch den Evangelisten bearbeitet, in seinem Kern jedoch eine selbständige vormk Tradition sein (vgl. Hahn, Hoheitstitel ( 3 1966) 222 Anm. 3.227; Haenchen, Weg ( 2 1968) 235; Anderson, Gospel of Mark (NCeB/1976) 166.213; Gnilka, Mk 1,1-8,26 (EKK II.2/1978) 244f.; Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II. I/ 4 1984) 332). Gegen seine Ursprünglichkeit spricht sich Schmithals, Mk 1-9,1 (ΦTBK 2.1/1979) 313f„ aus. Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 192. Nach Collins, Jesus the Prophet (1991) 30-34, ist der eschatologische Kontext von Anfang an für das Wirken Jesu kennzeichnend. Dazu passe auch sein Anschluss an die Täufergruppe. Dieser eschatologische Kontext sei auch noch im ersten christlichen Zeugnis der Bibel, dem 1. Thessalonicherbrief feststellbar. Auch die Zuordnung zu den verschiedenen (eschatologischen) Propheten durch das Testimonium Flavianum spreche für diese Charakterisierung des Wirkens Jesu. So sind es nach Brown, Joh 1-12 (AncB 29/1966) 442, die Zeichentätigkeit und die Lehre Jesu, welche bei der Menge die gleiche Reaktion hervorrufe wie bei den Zeichenpropheten, was sowohl von Joh (vgl. 11,47) wie auch den Syn (vgl. Mk 11,18) betont würde. Die Aussagen der Evangelisten scheinen nach Brown somit nahezulegen, "that the enthusiasm that Jesus aroused disturbed the Jerusalem authorities". Vgl. Feldman, Testimonium (1982) 179-199; Flusser, Josephus über Jesus (1987) 216-225. Die Authentizität des Testimoniums ist in der Fachwelt umstritten. Μ. E. dürfte aber der Grundbestand auf Josephus zurückgehen, sicher jedoch nicht das Bekenntnis ό xplotös oCtos η ν, auch wenn allerdings Xpiarös enthalten sein konnte als etymologischer Hinweis auf den (aus der Sicht von Josephus lächerlichen) Namen der christlichen Sekte. So schlägt auch Bammel, Testimonium (1974) 19, vor, das x\v zu streichen. Dadurch lasse sich eine ursprünglich ironische Formulierung rekonstruieren. Das ganze Testimonium sei deshalb "die älteste erhaltene literarische Denunziation der Christen" (21f.). In ähnlicher Weise argumentiert auch Bell, Josephus the Satirist (1976-1977) 16ff., der aufgrund der anschliessenden Paulina-Mundus-Erzählung (Ant. 18,65-80) annimmt, "that the Testimonium Flavianum originally contained a derogatory reference to Jesus' virgin birth and was probably on the whole a negative statement about Jesus" (21). Bilde, Josephus (1988) 222f., hingegen hält das Testimonium eher fur eine sekundäre christliche Einfügung. Baras, Testimonium (1987) 338-348, zeigt auf, wie Origines und Eusebius das Testimonium für ihre christliche Interpretation der Geschichte deuten. Nach Baras war der Text "probably neutral or contained information easily considered dubious or sceptical" (340f.). Vgl. Grundmann, Mk (ThHK II/ 7 1977) 171; Riesner, Jesus als Lehrer ( 3 1988) 276f. Vgl. auch Mt 21,11; Lk 7,16.39; 24,19. Vgl. Lk 13,33-34; Becker, Jesus (1996) 415f.; Theissen - Merz, Jesus (1996) 104.243.276.378. Zum Komplex von Lk 13,31-35 vgl. Bovon Lk 9,51-14,35 (EKK III.2/1996) 442-463. Zur Tötung der Gesandten Jahwes vgl. Steck, Geschick der Propheten (1967) 40ff.
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nur möglich, wenn die apokalyptischen Worte als historische Jesus٢berlieferung ausge klammert werden.2163 Besonders seine Wunder bzw. Zeichentätigkeit prägt auch die Volksmeinung über Jesus: καΐ δ ι ά τ ο ϋ τ ο ένεργοϊισιν αί δυνάμει^ έν αϋτω ( M k 6 , 1 4 ) .
Die δυνάμίίϊ Jesu werden dabei also damit erklärt, dass er der auferstandene Täufer sei. Ob sie sich dabei dem Umstand verdanken, dass Jesus der auferstandene Täufer sei, der selbst schon Wunder gewirkt hat, oder ob sie sich der Auferstehung verdanken, wird aus dem Text nicht klar. Die Frage bleibt deshalb offen, ob neben Jesus auch der Täufer Wunder gewirkt hat oder ob nur Jesus über derartige Fähigkeiten verfügte.2164 Auf jeden Fall hatte ja auch der Täufer eine grosse Anziehungskraft ausgeübt, die Anlass zu endzeitlichen Erwartungen gege ben und die ihm letztendlich das Leben gekostet hatte.2165 Dass die Faszinationskraft Jesu auf die galiläische Bevölkerung auch dem amtierenden Landesfürsten Herodes Antipas nicht ent gangen sein konnte, ist wohl klar. Dass er das Wirken Jesu mit Argwohn beobachtet haben dürfte, kann aufgrund der Parallelen zwischen Jesus und Johannes mit Sicherheit behauptet werden. Aufgrund der dürftigen Aussagen der Evangelisten über das Verhältnis des Tetrar chen zu Jesus verbieten sich allerdings weitergehende historische Schlussfolgerungen. 2166 Die Einschätzung Jesu als Prophet durch seine jüdischen Mitmenschen ist unbestritten. Doch wie steht es mit seiner "Messianität"? Gerade auch die historisch kaum bestreitbare Wunder tätigkeit Jesu legte solche Assoziationen nahe (Mt 11,26; Lk 7,1823). 2 ' 67 Die nachösterliche Gemeinde verleiht Jesus verschiedene Hoheitstitel, von denen die wich tigsten ό χρισros (Mk 1,1), ό m o s τ ο υ θεοΰ (Mk 2 , 1 0 ) u n d o ULΦS του άνθρωπου (Mk 1,1) sind.2168 Was den besonderen Sendungsanspruch Jesu betrifft, so weisen die überlieferten Selbstaussagen stark eschatologischen Charakter auf. So ist auch die älteste Christologie "in allen Ausprägungen konsequent eschatologisch ausgerichtet"2169. Deshalb proklamierte Jesus "nicht nur die kommende Gottesherrschaft, sie wurde auch in ihm Ereignis, sein Wort, sein
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Vgl. Gnilka, Jesus (1990) 260. Riesner, Jesus als Lehrer ( 3 1988) 329-344, bestimmt für Jesus messianische Weisheitslogien. So Mack, Lost Gospel (1993), der sieben thematische Gruppen von weisheitlichen Logien der ältesten Schicht der Logienquelle Q identifiziert. Vgl. zum Themenkomplex "Jesus als kynischer Wanderphilosoph" Rhodes, Cynic Jesus Thesis (1996) 449-469; Aune, Jesus and Cynics (1997) 176-192; Downing, Jewish Cynic Jesus (1998) 97-104. Gegen eine Wundeitätigkeit von Johannes sprechen sich u.a. aus: Bammel, John did no miracle (1965) 186; Haenchen, Weg ( ? 1968) 236; Schnackenburg, Joh 5-12 (HThK IV.2/ 4 1985) 394 Anm. 2. Eine Wundertätigkeit des Täufers nehmen an oder befürworten vorsichtig: Bultmann, Synoptische Tradition (21931) 329 Anm. 3; Meyer, Prophet (1940) 40.115; Hengel, Nachfolge (1968) 40; Gnilka, Mk 1,18,26 (EKK II.2/1978) 247. Unentschieden äussert sich Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II.1/ 4 1984) 334. Vgl. die Mk 9,13 dokumentierte Erwartung bzw. Meinung über den Täufer als den zurückgekehrten Elija (vgl. auch Mal 3,23). S. auch o. Kap. 16.1. Mk 8,15 überliefert zwar ein Herodes gegenüber kritisches Jesuswort; seine Echtheit ist allerdings umstritten. Für seine Echtheit sprechen sich etwa aus: Hoehner, Antipas (1972) 202f.; Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II.I/ 4 1984) 413 Anm. 3. Dagegen votieren u.a.: Schenke, Wundererzählungen (1974) 302; Gnilka, Mk 1,1-8,26 (EKK II.2/1978) 311; Schmithals, Mk 1-9,1 (ΦTBK 2.1/1979) 370; Ernst, Mk (RNT/1981)225. Lk 13,31 tradiert des weiteren die Tötungsabsicht von Herodes (zu seiner Beteiligung am Prozess Lk 23,6-12 s.u. Kap. 17.3). Der hier dargelegte Konflikt ist sicher historisch vertretbar. So äussert sich jedenfalls Wiefel, Lk (ThHK III/1988) 264: "Die Situation Jesu (Konflikt mit seinem Landesherrn) erscheint authentisch". So auch Marshall, Gospel of Luke (NIGTC/1978) 570: "... the incident makes good historical sense" (vgl. auch Hoehner, Antipas (1972) 214ff.; Schweizer, Lk (NTD 3/1982) 151; Fitzmyer, Lk 10-24 (AncB 28A/1985) 1028. Skeptisch äussern sich: Stöger, Lk II (GSL.NT 3.2/1966) 22; Schmithals, Lk (ZBK.NT 3.1/1980) 156. Für "von vornherein unwahrscheinlich" hält ein solches Ansinnen des Tetrarchen Schmid, Lk (RNT 3/ 4 1960) 240. Vgl. dazu u.a. Jes 26,19; 29,18; 35,5f.; 42,7.18; 61,1; 1 Kön 17,17-24; 2 Kön 4,18-37; 5,1-27; Schürmann, Lk 1,1- 9,50 (HThK III.1/ 3 1984) 406-414; Luz, Mt 8-17 (EKK II.2/1990) 163-170. Vgl. Gnilka, Jesus (1990) 252. Vgl. exemplarisch zu diesen Hoheitstiteln: Kramer, Christos Kyrios (1963); Pesch - Schnackenburg, Jesus und der Menschensohn (1975); Hampel, Menschensohn (1990); Karrer, Der Gesalbte (1991); Vögtle, Gretchenfrage (1994). Hahn, Hoheitstitel ( 3 1966) 347.
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Tun, seine Person zusammenschliessend" 2170 . Die Predigt von der anbrechenden Gottesherr schaft ist, wie bereits erwähnt, untrennbar mit der Person Jesu verbunden. So dürfte es sich bei Lk 12,8 und der Rede vom Menschensohn um ein authentisches Jesus wort handeln.2171 Deshalb lassen sich auch bei den ältesten Hoheitstiteln der nachösterlichen Gemeinde Ver bindungslinien zum historischen Jesus ziehen.2172 Es ist natürlich möglich, dass Jesus für sich selbst keinen "messianischen" Titel bean spruchte.2173 Auch wenn in seinem Handeln eindeutig messianische Erwartungen angespro chen bzw. erfüllt werden.2174 Doch auch dann ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu wei sen, dass Jesus von seinen Jüngern oder anderen Menschen, die durch sein Wirken fasziniert waren, damit bedacht wurde.2175 Bei der Vielfalt der zur Zeit Jesu kursierenden Messiaser wartungen und dem besonderen Wirken Jesu erstaunt dies nicht.2176 Die Vorstellung, Jesus hätte einfach einen in seiner jüdischen Welt vorgegebenen Messiasbegriff übernommen, wird hingegen heute kaum mehr vertreten.2177 Die besondere Autorität Jesu wird auch in anderer Hinsicht deutlich: Nach seinem Verständ nis muss nicht zuerst der Mensch Gott einen Leistungsausweis vorlegen, sondern weil Gott die Menschen liebt, können sie seinen im Gesetz niedergelegten Willen erfüllen.2178 Dies zeigt sich auch in der Mahlgemeinschaft Jesu mit Sündern und anderen gesellschaftlich Aus gestossenen. 2179 Dass gerade diese Praxis Zündstoff enthielt, ist verständlich vor dem Hinter grund des jüdischen Erwählungsgedankens. Denn in der auserwählten Gemeinschaft hatten Sünder, die gegen die von Jahwe verliehenen Gebote verstiessen, keinen Platz.2180 Besonders anstössig musste dabei die Vergebung von Sünden oder auch nur die Feststellung der durch Gott gewährten Sündenvergebung durch Jesus sein, die in jüdischer Tradition einzig Gott vorbehalten war (Ex 34,6f.; Jes 43,25; 44,22).2181 Als Vermittler dafür durfte nur der Hohe priester am Versöhnungstag unter strenger Beachtung von Lev 16 fungieren.2182 Anstössig 2170
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Gnilka, Jesus (1990) 258. Vgl. Hahn, Christologische Hoheitstitel. ( 3 1966) 33-36; Kümmel, Menschensohn (1975) 210ff.; Schweizer, Lk (NTD 3/1982) 134; Gnilka, Jesus (1990) 26Iff. Vgl. auch Theissen - Merz, Jesus (1996) 476-480, bes. 479f. Anders Lohse, Ntl. Theologie (1974) 47ff.; Vögtle, Redeweise Jesu (1985) 67. Vgl. auch Hengel, Messias Israels (1992) 172-176. Vgl. Gnilka, Jesus (1990) 252. Vgl. Lohse, Ntl. Theologie (1974) 43ff. Anders Riesner, Jesus als Lehrer ( 3 1988) 304. Vgl. Hengel, Nachfolge (1968) 74-79. Diese Bekenntnisse aus der Umgebung Jesu haben in den Evangelien vielfache Überlieferung erfahren; Neben dem sog. "Messiasbekenntnis des Petrus" (Mk 8,2730; Mt 16,1315.20; Lk 9,1821) finden sich auch in etlichen Wundergeschichten "messianische" Titel, mit denen Jesus bedacht wird. Gerade der Titel "Sohn Davids" (vgl. etwa Mk 10,47) wurde offenbar auch lebenden Menschen zugesprochen (vgl. Gnil ka, Mk 8,2716,20 (EKK II.2/1979) 110; Pesch, Mk 8,2716,8 (HThK II.2/ 3 1984) 171f.l83186). Vgl. dazu etwa Neusner, Messiahs (1988). S. auch o. Kap. 13.9.2. Nationalisraelitische Erwartungen mit kriegerischen Zügen wie sie etwa PsSal 17 und 18 überliefern, passen wenig zum Bild des Leidenden der Evangelien. Bei anderen Erwartungen wie der Sammlung der 12 Stämme Israels oder auch in gewisser Weise der Völkerwallfahrt zum Zion sind hingegen Parallelen durchaus auszumachen. Nach Mohr, Passion (1982) 344, hat Jesus einen unpolitisch verstandenen Messiasbegriff für die eigene Person übernommen, der dann im Prozess vor Pilatus - in seiner politischen Verkehrung allerdings - die entscheidende Rolle gespielt hätte. Dagegen ist einerseits einzuwenden, dass es den Messiasbegriff schlichtweg nicht gibt, sondern nur jeweilige Ausformungen mit besonderen Akzentuierungen. Andererseits ist für die Zeit Jesu ein unpolitischer Messiasbegriff nur schwer vorstellbar. Zutreffend dürfte sein, dass Jesus in seinem Wirken kein nationalpolitisches Messiasverständnis an den Tag legte, dessen Ziele auch mit Waffengewalt verwirklicht werden könnten. Vgl. dazu Theissen, Wir haben alles verlassen (1977) 161-196; Oporto, Kingdom (2001) 210-238. Vgl. auch Hoffmann, Rede von Gott (1994) 25-29. Vgl. Koch, Tischgemeinschaft (1989) 174-194; Becker, Jesus (1996) 194-211 mit Lit. Nach Maccoby, Tax-Collectors (2001) 60-63, war die Unreinheit etwa der Zöllner in erster Linie eine moralische und nicht eine kultisch-rituelle. Vgl. Moltmann, Der gekreuzigte Gott ( 5 1987) 122. Vgl. Schnackenburg, Mk I (GSL.NT 2.1/1966) 63; Schmithals, Mk 1-9,1 (ΦTBK 2.1/1979) 148ff.; Ernst, Mk (RNT/1981) 84ff.; Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II.1/ 4 1984) 155f.; Hampel, Menschensohn (1990) 195; Broer, Jesus und das Gesetz (1992) 82f. Vgl. Klauck, Allegorie (1978) 158 Anm. 50 und Sündenvergebung (1981) 236f.
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war Jesu Verhalten nicht nur im Fall der expliziten verbalen Sündenvergebung, sondern auch durch die in der Gewährung seiner Gemeinschaft impliziten Vergebung.2183 Also nicht nur in der Therapie von Besessenen wird Heil und der Anfang der Königsherrschaft Gottes durch die Person Jesu erfahrbar, sondern auch im besonderen Anspruch Jesu der Sündenvergebung (Mk 2,5b. 10; Lk 11,20). Dass dieses Selbstverständnis Jesu Gegner auf den Plan rufen musste, ist verständlich. So ist schon auf dem Lande und nicht nur in Jerusalem das Wirken Jesu von Kritik, Widerspruch und Feindseligkeit begleitet.2184 Die Opposition gegen Jesus umfasst dabei die ganze Bandbreite von einer gewöhnlichen Schuldebatte bis zum Einsatz koerzitiver Mittel wie der Verhaftung Jesu durch die jüdischen Behörden und der Überstellung an Pilatus in Jerusalem.2185 Gemäss den Evangelien bildet sich zeitweilig eine grosse Zuhörerschaft. Ausser dem Zwöl ferkreis und einigen Frauen werden die meisten Menschen von Jesus nach seiner Predigt immer wieder nach Hause geschickt.2186 Von einem Auszug aus den gewohnten Lebensstruk turen kann für die Mehrzahl der Leute also keine Rede sein. Jesus selbst hingegen ist mit seiner engsten Anhängerschaft aus den gewohnten Lebensstrukturen ausgezogen. Besitz-, Familien- und Landlosigkeit charakterisieren ihr Leben.2187 Doch in seiner Verkündigungstätigkeit war Jesus mit seiner wandernden Kerngruppe auf sesshafte Sympathisanten und -innen angewiesen.2188 Hier fanden sie Verpflegung und Unterkunft (Mt 10,11; Mk 6,10; Lk 9,4; 10,7). Diese Grundstruktur der Jesusbewegung blieb auch im Urchristentum erhalten.2185 Nach seiner anfänglichen Verkündigungstätigkeit in Galiläa und auf heidnischem Gebiet machte sich Jesus auf den Weg in das religiöse und wirtschaftliche Zentrum Judäas: Jerusalem.2190 Hier wurde ihm innerhalb weniger Tage von den jüdischen Verantwortlichen der Prozess gemacht. Auf Befehl des damaligen Statthalters Pontius Pilatus wurde Jesus dann gekreuzigt. Interessanterweise wird - wie bei Johannes dem Täufer - nur Jesus als Führer der Gruppe hingerichtet, während bei anderen Bewegungen oft nicht nur die führenden Köpfe, sondern so viele Mitglieder wie möglich umgebracht oder gefangen genommen werden.21" Das mag vielleicht an der bescheidenen Grösse der festen Gruppe um Jesus liegen, die kaum eine militärische Bedrohung darstellte. Möglicherweise hängt dies auch mit der erfolgreichen
So spricht sich Gnilka, Mk 1,1-8,26 (EKK II. 1/1978) 101, dafür aus, dass der irdische Jesus das Reich Gottes ankündigte und in seiner Gemeinschaft mit den Sündern die Vergebung Gottes dokumentierte. Vgl. auch Schmithals, Mk 1-9,1 (ΦTBK 2/1 1979) 156; Klauck, Sündenvergebung (1981) 241ff.; Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II.1/( 4 1984) 156ff.; Hampel, Menschensohn (1990) 198. Für Broer, Jesus und das Gesetz (1992) 97ff., geht die Praxis der Sündenvergebung eher auf die Urgemeinde denn auf den historischen Jesus zurück (vgl. auch schon Maisch, Heilung des Gelähmten (1971) 86ff.). So bietet Mk 2,1-3,6 exemplarisch fünf solcher Konfliktgeschichten mit der Folge, dass die gegnerischen Pharisäer zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss fassen, Jesus umzubringen. In den Evangelien sind viele solcher Diskussionen, wie sie unter jüdischen Gelehrten üblich waren, als sog. Schul- oder Streitgespräche überliefert (vgl. etwa Bultmann, Synoptische Tradition ( 2 1931) 9-26; Berger, Formgeschichte (1984) 88f.92.255). Vgl. etwa Mt 14,22 par. Mk 6,45. Vgl. auch Lk 8,1-3 und dazu Schottroff, Frauen in der Nachfolge (1990) 107-120; Bieberstein, Verschwiegene Jüngerinnen (1998) 25-75. Vgl. treffend Theissen, Wanderradikalismus (1973) 245-271; Nachfolge (1977) 161-196. Vgl. zur Verarbeitung dieser Merkmale in den synoptischen Evangelien weiter Jacobson, Jesus against the Family (1999) 189-218. Vgl. zur Konstitution der neuen "Familie" Jesu: Elliott, Jesus Was Not an Egalitarian (2002) 75-91. Vgl. Theissen, Soziologie der Jesusbewegung ( 4 1985) 21-26. Der Apostel Paulus ist das prominenteste Beispiel eines solchen Wandercharismatikers. Im Gegensatz zu anderen will er aber den Gemeinden nicht zur Last fallen und versucht, für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen (vgl. 1 Kor 9,1-18). Trotzdem setzt er sich mit dem Bild des dreschenden Ochsen für das grundsätzliche Anrecht der Wandercharismatiker (und -innen?) auf die Verköstigung und Beherbergung ein. Für gewisse Gemeinden wird die Missionstätigkeit solcher Männer und Frauen sogar zum Problem (vgl. die betr. Regelungen in der Didache 11,3-12 und dazu Niederwimmer, Didache ( 2 1993) 213-224). Dies legt zumindest der Aufbau des Mk nahe (vgl. 1-10). Eine andere Route schlägt das Joh vor. S.o. Kap. 14-16.
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Flucht der Jünger zusammen (Mk 14,50 Par.).2192 Denn von seiner Gefolgschaft sind bei seinem Tod nur einige Frauen anwesend (Mk 15,20b-41 Parr.). Diese werden nicht behelligt.2"3 Doch es erfolgt auch keine gezielte Verfolgung seiner engsten Vertrauten und Anhänger wie etwa im Falle von Zeichenpropheten. Von einem generellen Auszug oder einem grundsätzlichen Angriff auf die römisch verordneten Herrschaftsstrukturen kann bei der Jesusbewegung zudem keine Rede sein, auch wenn etwa die prophetische Zeichenhandlung im Tempel so verstanden werden konnte. 17.2
Die Konflikte mit der jüdischen Elite
Es besteht weitestgehender Konsens in der Fachliteratur, dass Jesu "Kreuzigung durch die Römer ... als historische Tatsache anzusehen ist"2194. Offenbar scheint die Botschaft vom hereinbrechenden Königreich Gottes für Jesus noch kein besonderes hohes Risiko dargestellt zu haben, solange er sich nicht im machtpolitischen Zentrum in Jerusalem befand. Allerdings taucht schon auf dem Lande im Zusammenhang mit der Auslegung des Sabbatgebotes der Entschluss von Pharisäern und Anhängern von Herodes auf, Jesus umzubringen (Mk 3,6).2195 17.2.1 Konflikte auf dem Lande Als Gegner traten auf dem Lande vor allem Schriftgelehrte auf. Viele von ihnen gehörten den Pharisäern an.2196 Ihrer Gepflogenheit entsprechend fand die Auseinandersetzung um die rechte Auslegung der Tora in Streitgesprächen statt. Bei diesen Konflikten ging es also um die Gestaltung eines Lebens nach dem Gefallen Gottes, dessen Willen in der Tora niedergelegt war. Das souveräne Auftreten und Handeln Jesu, unter anderem im Zusammenhang mit dem Sabbat- und Reinheitsgebot, trug Jesus hier die (tödliche) Feindschaft von Pharisäern ein.2197 Die Frage von Ruhe und Ordnung und die damit verbundene politische Stabilität und Machtinteressen wie später in Jerusalem sind für diese Gruppe dabei nicht relevant. Doch unter den Pharisäern sind nicht nur Gegner, sondern auch Sympathisanten Jesu anzutreffen. So finden sich Pharisäer auch beim gemeinsamen Mahl mit Jesus (Lk 7,36; 11,37; 14,1). Nach Lk sind es auch Pharisäer, die Jesus vor den Nachstellungen von Herodes Antipas warnen (Lk 13,31).2198 Das früher oft bemühte Klischee von den "heuchlerischen Pharisäern" ist auch deshalb unhaltbar, weil Jesus im Hinblick auf die religiöse Lebenspraxis mit ihnen (und den Essenern) am meisten gemeinsam hatte. Dies im Gegensatz zu den Sad-
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Diese Flucht der engsten Freunde Jesu bei dessen Verhaftung wird in der Forschung nicht in Frage gestellt. Sie ist schon deshalb historisch plausibel, weil sie kein sehr vorteilhaftes, aber menschliches und zur Identifikation einladendes Licht auf die späteren Verkünder des Auferstandenen wirft.
Die Frauen begleiten Jesus bis ans Kreuz. Doch nicht nur im Gefolge Jesu, auch im Urchristentum spielen Frauen als Trägerinnen der Botschaft Jesu eine entscheidende Rolle. Vgl. exemplarisch SchüsslerFiorenza, Zu ihrem Gedächtnis (1988); Schottroff, Ungeduldige Schwestern (1994); Eisen, Amtsträgerinnen (1996); Hofmann, Christliche Frauen (2000) 283-308. Vgl. auch in Kürze Venetz, Frauen (2002) 127-133. 2194 Schreiber, Markuspassion ( 2 1993) 2. Vgl. auch Kuhn, Kreuzesstrafe (1982) 709f. 2195 Vgl. dabei Mk 3,6 im Zusammenhang mit 2,23-3,5. Vgl. auch Saldarini, Social Roles (1988) 200-209. 2,96 Zur Geschichte der Pharisäer vgl. etwa Simon, Sectes juives (1960) 74-93.117f.; Neusner, From Politics to Piety (1973); Schäfer, Pharisäismus (1991) 125-175, mit einer interessanten Diskussion ebd. 172-175; Neusner - Thoma, Pharisäer (1994) 71-104. Einen neueren Überblick über die Forschung mit reicher Lit. bieten Deines, Pharisäer (1997), oder in Kürze Luz, Mt 18-25 (EKK 1.3/1997) 353-366. 2197 Vgl. die exemplarischen Konfliktgeschichten bei Mk 2,1-3,6 und dazu Gnilka, Mk 1,1-8,26 (EKK II.2/1978) 95-132; Pesch, Mk 8,27-16,8 (HThK II.2/ 3 1984) 149-197. S. auch o. Kap. 17.1. 2198 Vgl. Theissen - Merz, Jesus (1996) 212. Dies entspricht der Tendenz des Evangelisten, ein weniger negatives Bild von den Pharisäern zu zeichnen als etwa Mt, und dürfte der historischen Realität eher gerecht werden. Es ist gut denkbar, dass hier eine historische Überlieferung von Lukas festgeschrieben wurde (so Bovon, Lk 9,5114,35 (EKK III.2/1996) 449f.).
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duzäern, den QumranEssenern oder den verschiedenen bewaffneten Widerstandsgruppen.2199 Zudem geht es beim Topos der "heuchlerischen Pharisäer und Schriftgelehrten", welcher sei nen Höhepunkt in Mt 23 findet, weniger um die Beschreibung einer historischen Auseinan dersetzung Jesu, sondern mehr um eine Abgrenzung gegen jüdische Konkurrenz nach der Katastrophe von 70 n.Chr. anhand der Geschichte Jesu.2200 Im Leben Jesu selbst muss Mt 23 als innerjüdische Auseinandersetzung verstanden werden. Später wird damit auch Kritik an Verhaltensweisen innerhalb der christlichen Gemeinden geübt.2201 Schliesslich muss noch festgehalten werden, dass es Jesus in erster Linie um die Anprangerung von Verhaltensweisen und nicht von Gruppen ging. Seine ihm zum Vorwurf gemachte Zuwendung zu Zöllnern und Sündern wäre sonst kaum denkbar gewesen. 2202 Auf dem Lande erscheint mit den Herodianern eine weitere Gegnergruppe, die später in Jeru salem wieder an Jesus herantritt (Mk 3,6; 12,13; Mt 22,16).2203 Die unvermittelte Nennung dieser Gruppe deutet auf eine historische Reminiszenz hin.2204 Eine genauere Situierung dieser Gruppe jedoch ist schwierig. Sicher handelte es sich hier um politische Anhänger von Mit gliedern der Herodesfamilie. Um welchen Herrscher es sich aber handelte, ist nicht eindeutig festzustellen.2203 Schon zur Zeit von Herodes I. dürfte es eine solche Gruppe gegeben ha ben.2206 Als Anhänger von Herodes Antipas können die Herodianer Mk 3,6 interpretiert werden, weil Galiläa das Regierungsgebiet dieses Klientelfüsten war. An der Liquidierung des Propheten Jesus wären sie deshalb interessiert gewesen, weil dieser durch seine besondere Autorität und Anziehungskraft die politische Stabilität von Galiläa und damit von Antipas gefährdete. Dabei drängt sich natürlich die Parallele zum Täufer auf.2207 Für die Pharisäer wäre in diesem Fall die Verbindung mit den Herodianern zweckdienlich gewesen, um den Sabbatschänder Jesus seiner Strafe zuzuführen.2208 Die Herodianer verfügten nämlich über die nötigen Verbindun gen zu Antipas, dem im Dienste des Kaisers die Kapitalgerichtsbarkeit oblag.2209
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Vgl. dazu Simon, Jüdische Sekten (1964); Schubert, Jüdischen Religionsparteien (1970); Baumbach, Jesus von Nazareth (1971). Dies betont besonders Luz, Mt 18-25 (EKK 1.3/1997) 290-401. Vgl. auch Gnilka, Mt 14,1-28,20 (HThK 1.2/1988) 268-308. Die polemischen Weherufe Jesu gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten haben eine längere innerjüdische Tradition, bevor sie von Jesus aufgenommen wurden. In der mt Gemeinde hatten diese Weherufe dann eine kritische Funktion gegenüber dem den Krieg von 66-70 n.Chr. überlebenden Judentum pharisäischer Prägung (vgl. Luz, Mt 18-25 (EKK 1.3/1997) 316-352) wie auch gegenüber Verhaltensweisen innerhalb der mt Gemeinde (vgl. Viviano, Mt 23 (1990) 3-21, bes. 15f.). Eine heutige Exegese im Dienste der Verkündigung müsste vor allem letzteres in den Vordergrund stellen. Die Wirkungsgeschichte zeigt, dass bei Mt 23 (zum Glück) besonders die paränetische Rückseite betont wurde und weniger die polemische Vorderseite (vgl. Luz, Mt 18-25 (EKK 1.3/1997) 311-314). S.o. Kap. 17.1. Zur Terminologie vgl. Theissen - Merz, Jesus (1996) 214. Vgl. Gnilka, Mk 1,1-8,26 (EKK II.2/1978) 128f.; Theissen - Merz, Jesus (1996) 215. Vorgeschlagen werden in der Sekundärliteratur Herodes I. (vgl. Cranfield, Mk (CGTC/ 3 '1963) z.St.), sein Sohn Antipas (vgl. Kellermann, Αιΐ.Ήρωδιακ>ί (EWNT Π/ 2 1992) Sp. 307) oder Herodes Agrippa I. (vgl. Weiss, Φαρι.σαΐο5 (ThWNT 9/1973) 41, der auch Antipas als Möglichkeit angibt; Gnilka, Mk 1,1-8,26 (EKK 11.2/1978) 128f.). Vgl. Josephus, Bell. 1,319; Ant. 14,450; 15,2. S.o. Kap. 16.2. Vgl. Ex 31,14. Das Mk 3,6 überlieferte συμβουλάκ entspricht dabei dem Beschluss des Hohen Rates in Jerusalem (Mk 15,1). Vgl. Pesch, Mk 1,1-8,26 (HThK II.1/ 4 1984) 195. Interessanterweise überliefern die Quellen auch Sympathisierende aus dem Umfeld von Herodes Antipas. So erscheint Lk 8,3 mit Johanna die Frau eines herodäischen Beamten. Und für die Gemeinde in Antiochien ist mit Menahem ein Vertrauter von Herodes überliefert (vgl. Apg 13,1). So kennen die Quellen auch "im Hinblick auf die Herodianer ... nicht nur SchwarzWeißMalerei. Die komplexere Wirklichkeit schimmert auch hier noch durch" (Theissen Merz, Jesus (1996) 215f.).
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17.2.2 Konflikte mit der jüdischen Behörde in Jerusalem Eine ausführliche Darstellung des Prozesses gegen Jesus kann hier nicht getätigt werden.2210 Die Mitverantwortung der jüdischen Behörden für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in der Provinz wird auch ohne dies sehr gut ersichtlich. So schreiten die Behörden gegen Jesus aufgrund seines prophetischen Wirkens ein. Angesichts des komplexen Überliefe rungsprozesses ist ein authentischer Tötungs bzw. Verhaftungsbeschluss gegen Jesus zwar nicht mehr rekonstruierbar. In literarischer Hinsicht kann jedoch durchaus von einem Tö tungsbeschluss gesprochen werden. In historischer Hinsicht allerdings gibt der Begriff "Tö tungsbeschluss" die Realität ungenau wieder. Der Beschluss, Jesus zu töten, wurde offen sichtlich von Pontius Pilatus gefasst; dem Statthalter allein oblag in der Regel zur Zeit Jesu die Kapitalgerichtsbarkeit. In historischer Hinsicht wäre es deshalb zutreffender, von einer Tötungs-Absicht und einem Verhaftung.·;-Beschluss der jüdischen Behörden zu sprechen. Dies wird auch vom Lk unterstrichen, welches von der Vorgehensweise der lokalen Behörden spricht (vgl. Lk 22,2), den Tötungsbeschluss aber dem Statthalter überlässt.22" Dieser Beschluss ist in jedem Fall historisch unbestritten. Gemäss den Evangelien aber wurde er von den Mitgliedern des Hohenrates gefasst, wobei die Gruppe der Hohenpriester wohl eine besondere Rolle gespielt haben dürfte (Mk 14,43.53-62; Mt 26,47.57-64).2212 Auch im Falle von Jesus von Nazaret spielte demnach die Erstverantwortlichkeit der jüdischen Behörden für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Die Verhaftung Jesu unterstreicht, dass ihnen beschränkte polizeiliche Kompetenzen zustanden.2213 Gerade der Evangelist Johannes beschreibt adäquat zu Josephus die Kompetenzverteilung zwischen lokaler und römischer Behörde: Wenn die lokalen jüdischen Behörden nicht gegen Jesus einschreiten, der durch seine Zeichentätigkeit immer mehr Menschen anzieht, ist die Intervention der Römer zu befürchten (Joh 11,48). Für die Leserschaft des vierten Evangeliums wird die hier ausgedrückte Befürchtung natürlich durch die Realität des Krieges von 66-70 n.Chr. und durch die Zerstörung von Jerusalem und des Tempels belegt. Doch die vielen Beispiele von Josephus zeigen, dass dieser Mechanismus auch schon vor dem Krieg spielte.2214 Die joh Auffassung der politischen Verhältnisse in Jerusalem ist deshalb "politisch gesehen wesentlich wirklichkeitsnäher als die der Synoptiker"2215. 17.2.3 Tempelreinigung und Tempelwort im jüdischen Kontext Die Perikope von der sog. Tempelreinigung wird von allen vier Evangelisten überliefert, wenn auch Joh sie an den Anfang des öffentlichen Wirkens von Jesus setzt (Mt 21,12-17; Mk 11,15-19; Lk 19,45-48; Joh 2,13-17).2216 Bei Mk 11,15-19 ist die Aktion Jesu in drei Teile
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Vgl. in der Literaturfülle dazu etwa Betz, Prozess Jesu (1982) 565-647; Pesch, Prozess (1988); Kertelge, Prozess ( 2 1989); Reinbold, Bericht (1994); Brown, Death of the Messiah (1994); Demandt, Hände in Unschuld (1999) 144-177. Vgl. auch Michaels, John 18.31 (1990) 472-479; Matera, Trial (1991) 5-16; Gnilka, Jesus (1993) bes. 291-318. Vgl. 23,24; Maurer, πράσσω (ThWNT 6/1959) 638 Anm. 21; Egger, Crucifixus (1997) 157 Anm. 51. Vgl. ebd. 148-175 die detaillierte Analyse der verschiedenen Evangelien-Traditionen. Vgl. Pesch, Mk 8,27-16,8 (HThK II.2/ 3 1984) 319-328.404-446; Egger, Crucifixus (1997) 166.208. Joh 11,57 spricht dabei von einer Fahndungsaktion gegen Jesus. S.o. Kap. 13.2.2, 13.2.3, 13.3, 13.6 und 13.9.3. Blank, Joh lb (GSL.NT 4.1b/1981) 280. Die meisten Exegetinnen und Exegeten sprechen im Zusammenhang mit dieser Perikope von der Reinigung des Tempels. Borg, Conflict (1984) 171-177, spricht von "Disruption in the Temple". Gemäss Fitzmyer, Lk 10-24 (AncB 28A/1985) 1264f., ist diese Perikope am Beginn der öffentlichen Wirksamkeit Jesu anzusiedeln: weil die Synoptiker nur einen Aufenthalt Jesu in Jerusalem kennen, verlegen sie diese Episode in die Zeit vor die Passion Jesu. Nach Brown, Joh I-XII (AncB 29/1970) 118, sind Tempellogion und Tempelreinigung zeitlich zu unterscheiden. Während das prophetische Wort in die Anfangszeit seines Wirkens einzuordnen sei, gehöre die Aktion im Tempel in die Zeit kurz vor Jesu Hinrichtung. Für Mohr, Passion (1982) 87, ist die Verlegung der Perikope bei Joh programmatisch begründet. Sie korrespondiere im joh Offenbarungskontext mit der "Hochzeit zu Kana" und dem Wirken des Täufers. Mit der Versetzung der Perikope weit weg von der Passion Jesu und dem Todesbeschluss des Synedrions als Folge der Lazarusepisode solle politischen Missverständnissen vorgebeugt werden.
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geteilt. 2217 D i e s e f i n d e n durch das f o l g e n d e Schriftzitat ihre Erklärung. 2218 A l s Reaktion auf die H a n d l u n g Jesu w i r d V . 18 d i e T ö t u n g s a b s i c h t der H o h e n p r i e s t e r u n d S c h r i f t g e l e h r t e n über liefert, w e l c h e a u c h durch d i e A n z i e h u n g s k r a f t J e s u auf d i e V o l k s m e n g e b e g r ü n d e t wird. 2219 Für d i e R e k o n s t r u k t i o n der h i s t o r i s c h e n H i n t e r g r ü n d e für d i e V e r h a f t u n g u n d spätere H i n richtung J e s u durch d i e j ü d i s c h e n u n d r ö m i s c h e n B e h ö r d e n darf d i e s e Faszinationskraft si cherlich nicht unterbewertet werden. 2 2 2 0 B e i L k 1 9 , 4 5 4 8 l i e g t der A k z e n t der g e g e n ü b e r M k w e i t e r g e s t r a f f t e n P e r i k o p e auf d e n S c h r i f t z i t a t e n Jes 5 6 , 7 u n d Jer 7 , 1 1.2221 N e b e n d e r B e l e h r u n g u m f a s s t hier d i e A k t i o n nur m e h r d e n ( b e g i n n e n d e n ) H i n a u s w u r f der Händler. 2 2 2 2 N a c h f o l g e n d überliefert auch Lk 19,47 d i e T ö t u n g s a b s i c h t der H o h e n p r i e s t e r u n d S c h r i f t g e l e h r t e n , d e n e n hier n o c h "die übrigen Führer d e s V o l k e s " (και οί π ρ ώ τ ο ι τ ο ΰ λαοΰ) beigesellt sind. U m r a h m t wird d i e s e A u s s a g e durch d i e s u m m a r i s c h e N o t i z der Lehrtätigkeit J e s u i m T e m p e l einerseits ( V . 4 7 a ) und d e m faszinierten V o l k ( V . 4 8 b ) andererseits. 2223 In historischer H i n s i c h t dürfte e s sich bei der E p i s o d e nur u m eine begrenzte A k t i o n J e s u g e handelt haben. 2224 E i n e grössere A k t i o n auf d e m riesigen Areal d e s T e m p e l v o r h o f s der H e i d e n hat w e n i g Plausibilität. 2 2 2 5 S o w i r d w e d e r d a s E i n g r e i f e n der T e m p e l w a c h e n o c h d a s Ein
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Diese Teile sind durch die Verben ήρξατο εκβάλλειν, κατέστρεψεν und ούκ ήφιεν ϊνα gekennzeich net. Für Schmithals, Mk 9,2-16 (ΦTBK 2.2/1979) 494, und Pesch, Mk 8,27-16,8 (HThK II.2/ 3 1984) 191, gehört V. 17 zur vormk Tradition, und betont neben der universalen Tendenz den Tempel als eschatologischen und die Gemeinde symbolisierenden Ort des Gebetes (vgl. auch Schnackenburg, Mk II (GSL.NT 2.2/1971) 136). Für Bultmann, Synoptische Tradition (21931) 36, oder Roloff, Kerygma (1970) 93, hingegen ist das Schriftzitat durch den Evangelisten eingefügt (vgl. auch Gnilka, Mk 8,27-16,20 (EKK II. 1/1979) 127). Nach Mohr, Passion (1982) 86, ist die Tempelaktion "ein Geschehen von grundsätzlicher und eschatologischer Relevanz". Einerseits sei über den Kult und die jüdische Führung das Gericht angekündigt, andererseits qualifiziere "Mk auf diese Weise die Handlung Jesu auch als ein befreiendes Geschehen, in welchem Jesus den Zugang zu Gott für alle Völker erkämpft". Die Begründung für den Tötungsbeschluss erscheint hier zweiteilig: So fürchteten die Hohenpriester und Schriftgelehrten Jesus (έφοβοϋντο γάρ αύτόν), weil die ganze Menge durch seine Lehre ausser sich ge riet (was γάρ ό öxXos έξεπλήσσετο επί τή διδαχή αύτοϋ). Schenke, Passionsgeschichte (1971) 30, erachtet V. 18 vom Wortbestand her als eindeutig mk (vgl. auch Mohr, Passion (1982) 78ff.). Schmithals, Mk 9,216 (ΦTBK 2.2/1979) 483, sieht hier eine Dublette zu Mk 12,12. An dieser Stelle treten im Mk die Hohenpriester zum ersten Mal als Handlungsträger in Erscheinung und unterstreichen die historische Relevanz der von Mk tradierten Zusammenhänge (vgl. Gnilka, Mk 8,2716,20 (EKK II.2/1979) 127). Nach Schenke, Passionsgeschichte (1971) 39f., sind die Hohenpriester entsprechend der ältesten Passionserzählung die einzigen Gegner Jesu. Gemäss Marshall, Lk (1978) 721, dienen die lk Kürzungen dem apologetischen Zweck, dass Jesus nicht gewalttätig erscheint. Die Streichung "für alle Völker" (vgl. auch Mt 21,13) ist gemäss Müller, Lk (SKK.NT 3/ 2 1986) 152, darin begründet, dass nach der Zerstörung des Tempels der Zion nicht mehr das eschatologische Wallfahrtsziel sein konnte (vgl. auch Fitzmyer, Lk 10-24 (AncB 28A/1985) 1261). Schmithals, Lk (ZBK.NT 3.1/1980) 191, hingegen vertritt die Meinung, dass die Heiden nicht mehr nach Jerusalem kommen, sondern die christlichen Boten gemäss Apg 2,46 und 3,1 von hier aus in alle Welt zu den Heidenvölkern ziehen (vgl. auch Schneider, Lk 11-24 (ΦTBK 3.2/21984) 393). Lk 19,45 spricht davon dass Jesus και είσελθών εί.Ί τό ιερόν ήρξατο εκβάλλειν TOÜS πωλοΰνταδ. Και ήν διδάσκων τό καθ' ήμέραν εν τψ ίερω ... καΐ . . . ό λαόs γάρ cmas έξεκρέματο αύτοϋ οτ κούων. Gemäss Grundmann, Lk (ThHK III/ 7 1974) 369, gibt Lk der Erzählung eine neue Sinnrichtung, indem der Evangelist Jesus den Tempel in Besitz nehmen lasse, um diesen "zur Stätte seiner Lehre zu machen" (vgl. auch Fitzmyer, Lk 1024 (AncB 28A/1985) 1260; Schneider, Lk 1124 (ÖTBK 3.2/21984) 392. Die Faszination des Volkes, welches bei Lk nicht als Opponent Jesu auftritt (vgl. Marshall, Lk (1978) 722; Schmithals, Lk (ZBK.NT 3.1/1980) 191; Schneider, Lk 1124 (ÖTBK 3.2/21984) 393)^ bereitet im lk Duktus gewissermassen die Ergriffenheit der ganzen Welt durch die Lehre Jesu vor (vgl. Stöger, Lk II (GSL.NT 3.2/1966) 164f.; Schweizer, Lk (NTD 3/1982) 200). Einen "historistischen" Diskurs dazu lehnt etwa Conzelmann, Historie und Theologie ( 3 1968) 44 Anm. 16 ab: "Natürlich kam Jesus irgendwann und irgendwie nach Jerusalem. Und natürlich wird er gelegentlich den Tempel besucht haben. Aber damit ist unser Wissen bereits erschöpft." Bei den 450 χ 300 m des Areals hätte ein Einzelner kaum eine gross angelegte Aktion durchführen können (vgl. Becker, Joh 1-10 (ΦTBK 4.1/1979) 123f.; Lapide - Luz, Der Jude Jesus (21980) 137f.; Blank, Der Jesus des Evangeliums (1981) 204; Pesch, Mk 8,27-16,8 (HThK II.2/ 3 1984) 198).
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Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
schreiten der r ö m i s c h e n Besatzungstruppe berichtet. 2226 V o n einer g r o s s a n g e l e g t e n u n d straff durchgeführten Umsturzaktion auf d e m Tempelareal kann a l s o nicht die R e d e sein. A u c h wird der Opferbetrieb o f f e n s i c h t l i c h nicht berührt. E i n e Verhinderungsaktion v o n Opferbetrieb u n d K u l t g e s e t z sind e b e n s o w e n i g plausibel. 2 2 2 7 K a u m dürfte d a s Z i e l der A k t i o n die Lancierung e i n e s o p f e r l o s e n u n d a u c h für d i e H e i d e n z u g ä n g l i c h e n K u l t e s g e w e s e n s e i n , w i e i h n die christliche G e m e i n d e praktizierte. 2228 V i e l m e h r steht der prophetische Charakter bei der Protestaktion i m T e m p e l i m Vordergrund. D i e s wird durch die überlieferten Schriftzitate der S y n o p t i k e r unterstrichen. 2229 A u c h in dieser p r o p h e t i s c h e n A k t i o n z e i g t s i c h d a s G r u n d p r o g r a m m Jesu, in s e i n e m W i r k e n der β α σ ι λ ε ί α z u m Durchbruch zu verhelfen: A n g e s i c h t s der anbrechenden Gottesherrschaft s o l l e n auch Je r u s a l e m u n d s e i n e B e v ö l k e r u n g umkehren. 2 2 3 0 D i e u r s p r ü n g l i c h e B e s t i m m u n g u n d d a m i t die H e i l i g k e i t d e s T e m p e l s in der v o n G o t t g e f ü g t e n O r d n u n g s o l l e n w i e d e r hergestellt werden. D i e s e sieht Jesus in der b e s t e h e n d e n Praxis geschändet. 2 2 3 1 S o reinigt J e s u s d e n T e m p e l von all d e m , w a s seiner Heiligkeit entgegensteht. D a s s darin a u c h e i n e Kritik g e g e n die T e m p e l a r i s t o k r a t i e e i n g e s c h l o s s e n war, d i e d e n T e m pelbetrieb kontrollierte, liegt auf der Hand. 2232 V o n einer Kritik a m Tempelbetrieb m u s s t e s i c h allerdings auch der grösste T e i l der B e v ö l k e r u n g Jerusalems betreffen lassen. D e n n der T e m p e l w a r n i c h t nur r e l i g i ö s e s u n d p o l i t i s c h e s Z e n t r u m J e r u s a l e m s , s o n d e r n a u c h s e i n wirt s c h a f t l i c h e s u n d b i l d e t e d i e ö k o n o m i s c h e B a s i s für d i e g a n z e Stadt. 2233 S o w a r d e r T e m p e l selbst "ein r e l i g i ö s ö k o n o m i s c h p o l i t i s c h e r Grossbetrieb, der . . . d a s ö f f e n t l i c h e H e i l für g a n z Israel z u garantieren hatte, u n d e i n A n g r i f f auf d i e s e s Institut w a r in der Tat e i n A n g r i f f auf d i e b e s t e h e n d e r e l i g i ö s p o l i t i s c h e Ordnung" 2234 . D i e s betrifft n i c h t nur d i e p r o p h e t i s c h e Zei c h e n h a n d l u n g Jesu i m V o r h o f der H e i d e n zu, sondern auch ein m ö g l i c h e r w e i s e authentisches L o g i o n , w e l c h e s das S c h i c k s a l d e s T e m p e l s m i t s e i n e r e i g e n e n P e r s o n verknüpft. S o ist die
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Vgl. Jossa, Movimenti (1980) 135. An diesem Faktum kommt auch keine noch so phantasievolle "zelotische" Interpretation der "Tempelreinigung" vorbei (vgl. Eisler, BaoiXeus (1929-1930). In dieser Interpretationslinie verbindet etwa Brandon, Jesus and the Zealots (1967) 333, die "Tempelreinigung" mit dem Einzug Jesu in Jerusalem. Bei beiden Aktionen nimmt Brandon eine grosse, um Jesus gescharte Menschenmenge an. Zudem postuliert Brandon die Koordination und zeitliche Gleichsetzung der Aktion Jesu im Tempel mit dem Aufstand des Barabbas. Diese Interpretation des Wirkens Jesu ist und bleibt dabei sehr hypothetisch (vgl. Hengel, Revolutionär (1970) 15f.; Pesch, Mk 8,27-16,8 (HThK II.2/ 3 1984) 200; Gnilka, Jesus (1990) 274ff.). Diese These wird immer wieder aufgewärmt, so etwa durch Brandon, Fall of Jerusalem (1951) und Jesus and the Zealots (1967). Trotzdem gewinnt sie nicht an Plausibilität. Vgl. auch die geschickt vermarktete "Verschlusssache Jesus" von M. Baigent und R. Leigh (1991) und dazu kritisch Betz - Riesner, Klarstellungen (1993). Eine chronologische Übersicht über verschiedene Spielarten des "Revolutionärs" Jesus findet sich bei Bammel, Revolution theory (1984) 11-68. 2227 Vgl. Becker, Jesus (1996) 408. Anders Trautmann, Zeichenhafte Handlungen (1980) 108. 2228 So etwa Lührmann, Mk (1987) 193. 2229 Vgl. Hengel, Revolutionär (1970) 15f.; Dormeyer, Passion (1979) 228. Gemäss Brown, John Ι-ΧΠ (AncB 29/1966) 121, lehnt sich die Aktion Jesu an den Protest der grossen Propheten gegen die Profanisierung des Tempels an und stellt ein Zeichen für den Anbrach der messianischen Reinigung des Tempels dar. Auch für Blank, Joh la (GSL.NT 4.1a /1981) 205ff., muss die Aktion im Lichte der alttestamentlich-prophetischen Kultkritik als prophetische Zeichenhandlung verstanden werden (vgl. auch Schnackenburg, Mk II (GSL.NT 2.2/1971) 134). Für Mohr, Passion (1982) 95, ist die Aktion Jesu hingegen gerade keine symbolische prophetische Zeichenhandlung und Jesus meine "nicht etwas Anderes, Zukünftiges, sondern das Gegenwärtige, genau den Misstand, den er beseitigt um der Heiligkeit des Hauses Gottes willen". Dagegen muss allerdings gefragt werden, warum denn Jesus nicht das ganze Tempelareal vom Marktbetrieb gereinigt hat. Oder hat Jesus nur beispielhaft ein paar Tische und Bänke umgestossen und andere sollten dann seinem Beispiel folgen? Μ. E. verkennt Mohr, dass sich in der prophetischen Aktion eben gerade Gegenwart und Zukunft, konkrete Aktion und Symbolcharakter treffen. Haenchen, Joh (1980) 210, bewertet den historischen Gehalt der Perikope skeptisch und klassifiziert sie als eine eigentlich paränetische Beispielerzählung, welche in den Evangelien "historisiert" weitergegeben worden sei. 2230 Vgl. Roloff, Kerygma (1970) 96; Gnilka, Mk 8,27-16,20 (EKK II.2/1979) 130f. 2231 Vgl. Brown, Joh 1-12 (AncB 29/1966) 121f.; Schnackenburg, Mk II (GSL.NT 2.2/1971)137; Mohr, Passion (1982) 93ff. Vgl. auch die Überlegungen zum Sabbat o. Kap. 17.1 und 17.2.1. 2232 Vgl. Dormeyer, Passion (1979) 229f. 2233 Vgl. Theissen, Tempelweissagung ( 2 1983) 153ff. 2234 Blank, Joh Ia (GSL.NT 4.1a/1981) 202.
F Gestalt und Schicksal prophetisch-messianischer Bewegungen
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Verknüpfung der Verkündigung der anbrechenden Gottesherrschaft mit seiner eigenen Per son sozusagen ein Markenzeichen Jesu und für viele verschiedene Situationen bezeugt.2235 Ein solches JesusLogion wird im Zusammenhang der Verhandlung vor dem Synedrion von den Synoptikern überliefert: 'Εγώ καταλύσω τόν ναόν τούτον τόν χειροποίητον και δίά τριών ήμερών άλλον ά~ χειροποίητον οικοδομήσω (Mk 14,58)2236 Bei Mt liegt der Akzent auf der Vollmacht Jesu (Mt 26,61).2237 Lk überliefert das Logion in der Apg im Zusammenhang des Prozesses gegen Stephanus, wobei der zweite Teil neu for muliert und der Wiederaufbau in drei Tagen weg gelassen wird: ... Ίησούβ Ό Ναζωραΐοβ OUTOS καταλύσει τόν τόπον τούτον και αλλάξει τά εθη α παρεδκεν ήμΐν Μωυσήβ (Lk 6,14).2238 Ein besonderes Problem stellt die ٢berlieferung des Logions im Munde der Gegner dar, die des weiteren noch als falsche Zeugen gekennzeichnet werden.2239 Im Joh wird das Tempellogion im Zusammenhang der Tempelreinigung überliefert. Hier ist es Jesus selbst, der spricht: ... λύσατε τόν ναόν τούτον και έν τρισίν ήμεραιβ έγερώ αύτόν (Joh 2,19). Joh betont die Wiedererrichtung des Tempels durch Jesus. Das Niederreissen hingegen wird seinen Gegnern überlassen.22® Vgl. etwa Weiss, Predigt Jesu ( 2 1900); Luz, βασιλεία (EWNTI/ 2 1992) Sp. 481491 mit Lit. Linnemann, Passionsgeschichte (1970) 131f., ordnet V. 58 derPerikope vom "Schweigen Jesu" zu. Sie tut dies entsprechend ihrer Theorie, dass in den Passionsberichten zwei Erzählschichten unterscheidbar sind, die ihrerseits aus Einzelstücken zusammen gefügt sind. Sie wendet sich dabei deutlich gegen jegliche Rückführung des Logions auf ein Wort des historischen Jesus (vgl. 116ff.). Schenk, Passionbericht (1974) 237f., ordnet das Logion einer apokalyptisch-gnostischen Traditionsschicht zu, dabei allerdings ursprünglich nur die "Kurzfassung des ersten negativen Satzes" (238). Nach Schmithals, Mk 9,2-16 (ΦTBK 2.2/1979) 668f., ist das Logion nicht authentisch, weil der Evangelist es falschen Zeugen in den Mund legt. Eine andere Beurteilung dieses Tatbestandes liefert hingegen Roloff, Kerygma (1970) 104 Anm. 182. Für Schnackenburg, Mk II (GSL.NT 2.2/1971) 276, geht das Logion auf ein ipsissimum verbum Jesu zurück. Gnilka, Mk 8,27-16,20 (EKK II.2/1979) 276, ordnet VV. 57-59 einer apk geprägten, vormk Überarbeitung zu, wobei Apg 6,14 möglicherweise eine ältere Kurzform des Logions tra diere. Pesch, Mk 8,2716,8 (HThK II.2/ 5 1984) 427ff., hält V. 58 für einen Teil der von ihm postulierten vormk Passiongeschichte. Für ihn ist es historisch glaubwürdig, dass das Logion im Prozess vor dem Synedrion von grosser Bedeutung war (ebd. 442). Mohr, Passion (1982) 102ff., bezeichnet Mk 14,57-59 als vormk Einschub in die Szene vor dem Hohen Rat. Joh hingegen bewahre zutreffend "die urspr. Verwurzelung des sich auf den Tempel beziehenden Logions in der durch die Tempelreinigung veranlassten Zeichenforderung" (104). 2237 So betont Mt 26,61 die δύναμίί Jesu: ... δύνομαι καταλϋσαι τόν ναόν τοΰ θεοΰ και διά τριών ή μερων οίκοδομήσαι. 2238 Pesch, Apg 112 (EKK V. 1/1986) 236, nimmt hier vorlk Material an, das kontextgebunden wiederge geben sei. Gemäss Schneider, Apg 1,1-8,40 (HThK V.l/1980) 439, bezieht Lk sein Vorzugswort εθη (vgl. ebd. Anm. 51) auf die kultische Gesetzgebung. Nach Roloff, Apg (NTD 5/1981) 112, zeigt sich dadurch "die Auflösung des Tempels wie auch der Zeremonialgesetzlichkeit". Hier könnte sich deshalb auch die gesetzes- und tempelkritische Haltung der Hellenisten artikuliert haben (vgl. auch Weiser, Apg 1-12 (ΦTBK 5.1/1981) 173). 2239 Vgl. Schnackenburg, Joh 1 -4 (HThK IV. 1 / 6 1986) 364; Egger, Crucifixus (1997) 186. 2240 Diese sind in typisch joh Diktion οί 'Ιουδαίοι (vgl. V. 18; Hahn, Prozess Jesu (1970) 86ff.) und werden "im ironischen Imperativ, der prophetischer Tradition entstammt", angeredet (Becker, Joh 110 (ΦTBK 4.1/1979) 124). Gemäss Roloff, Kerygma (1970) 104, überliefert Joh einen Wortlaut, der dem ursprünglichen Jesuslogion "unter allen Versionen am nächsten kommt". Schnackenburg, Joh 1-4 (HThK IV. I/ 6 1986) 365 Anm. 2, versteht den Imperativ gemäss semitischer Syntax als Konditionalsatz (Parataxe) mit Betonung auf dem Folgesatz. Möglicherweise komme deshalb die mk Version mit dem "bildhaften Hinweis auf die eschatologische Heilsgemeinde" der Meinung des Jesuslogions am nächsten (ebd. 364). Das joh Logion ist klar christologisch formuliert mit Jesus als dem neuen "Tempel" und damit der "Stätte der Gottesgegenwart" (Blank, Joh Ia (GSL.NT 4.1a/1981) 212; vgl. Haenchen, Joh (1980) 205; Schnackenburg, Joh 1-4 (HThK IV.I/ 6 1986) 365). Dies legt auch das Verb έγείρειν mit seiner Mehr deutigkeit nahe (vgl. Blank, Joh Ia (GSL.NT 4.1a/1981) 209). Für Brown, Joh 1-12 (AncB 29 /1966) 120, ist in der joh Version eine unabhängige und zu den Syn parallele Tradition verarbeitet, die auf eine gemeinsame Vorlage zurück gehen würden (vgl. auch Becker, Joh 1-10 (ΦTBK 4.1/1979) 122). Obwohl 2235
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Doch trotz der unterschiedlichen Ausformungen und der daraus folgenden Schwierigkeit der Rekonstruktion des ursprünglichen Tempellogions dürfte seine Geschichtlichkeit unbestreit bar sein.2241 Gerade die vielfache ٢berlieferung in unterschiedlichen Kontexten spricht dafür. So wird man sich damit bescheiden müssen, "ein tempelkritisches, eschatologisch intendiertes Wort anzunehmen, das im Zusammenhang mit der Protesthandlung steht und im Verfahren Jesu vor den Jerusalemer Behörden eine gewichtige Rolle spielt"2242. Die Errichtung eines neuen Tempels in der Zukunft entspricht dabei ganz der jüdischeschatologischen Denk weise.2243 In diesem Zusammenhang erscheint auch immer wieder die Vorstellung der escha tologischen Wallfahrt der Völker zum Zion.2244 Dabei bleibt Israel ein besonderer Platz erhal ten, auch wenn seine offiziellen Vertreter gegenwärtig Jesus nicht als den authentischen und exklusiven Vermittler der Gottesherrschaft erachten und so das Heil nicht erkennen.2245 Diese besondere Rolle Jesu betrifft natürlich auch Jerusalem und dessen Zentralheiligtum. Ein dies bezügliches prophetisches Wort musste eine Provokation "des ganzen Jerusalemer Gemein wesens"2246 darstellen. So wird es denn Jesus auch am Kreuz höhnisch entgegengeschleudert (Mk 15,29; Mt 27,40). Tempelaktion und Tempelwort zeugen ihrerseits von einem besonderen Autoritätsanspruch, welcher für die BasileiaVerkündigung Jesu typisch ist.2247 Die positive Reaktion der Menge auf die prophetische Zeichenhandlung Jesu im Tempelvorhof macht die jüdische Obrigkeit natürlich argwöhnisch. Prophetische Faszinationskraft und eine beeinflussbare Volksmenge können hier unabsehbare Folgen haben. Gravierende Folgen für das Heiligtum, die Stadt und die ganze jüdische Bevölkerung müssen demnach befürchtet werden. Der Hinweis auf den Plan, Jesus zu beseitigen, erscheint an dieser Stelle somit durchaus verständlich (Mk 11,18; Lk 19,4748).2248 Die Verspottung Jesu am Kreuz als Prophet durch Vertreter der jüdischen Behörden ist die Folge von prophetischer Zeichenhandlung und Tempelwort und liefert einen gewichtigen Hinweis auf die Gründe für die Beseitigung Jesu aus ihrer Sicht.2249
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Joh von Mk unabhängig sei, sieht Roloff, Kerygma (1970) 103, auch in der joh Vorlage "Tempelreinigung und Vollmachtsfrage ... ebenso zusammen wie in der synoptischen Tradition" (vgl. auch Mohr, Passion (1982) 81). Vgl. Schnackenburg, Joh 1-4 (HThK IV.1/ 6 1986) 364; Bösen, Der letzte Tag (1999) 178f. Egger, Crucifixus (1997) 187. Roloff, Apg (NTD 5/1981) 112, nimmt als Ursprung "eine authentische prophetische Gerichtsansage Jesu über den Tempel" an. Mohr, Passion (1982) 107, erblickt im urspr. Jesuslogion "eine prophetische Ankündigung von einem Geschehen, das zu dem Zeitpunkt der Tempelreinigung noch aussteht, das er aber selbst durchführen wird und zu dem er sich offenbar gesandt weiss, und zwar ähnlich, wie sich ein Jeremia gesandt wusste 'auszureissen und niederzureissen, ... zu pflanzen und aufzubauen' (Jer 1,10)". Für Blank, Joh la (GSL.NT 4.1a/1981) 210, hat das Logion grösste Chancen, vom historischen Jesus zu stammen, denn "es entspricht auch seinem radikalen Reich-GottesVerständnis" (vgl. auch Theissen, Tempelweissagung ( 2 1983) 144). Für Blank, Joh Ia (GSL.NT 4.1a/1981) 205, ist es deshalb auch gut möglich, dass "Jesus, zumal im Zusammenhang seiner ReichGottes-Naherwartung, auch mit dem Ende des Tempels gerechnet hat" (vgl. dazu auch Mohr, Passion (1982) 106f.; Schnackenburg, Joh 1-4 (HThK IV.1/ 6 1986) 367). Zum Bezug zu Ex 15,15-17 vgl. Schwemer, König (1991) 356: "Den irdischen Tempel haben menschliche Hände gebaut, den eschatologischen werden Gottes Hände errichten, und dann wird die Gottesherrschaft anbrechen." Schnackenburg, Joh 1-4 (HThK IV.1/ 6 1986) 367, betont allerdings auch die ekklesiale Komponente des Logions, dass nämlich im Tode Jesu der jüdische Tempel mit seinem Opferkult zerstört und gleichzeitig der neue Tempel der christlichen Heilsgemeinde grundgelegt wird (vgl. Schnackenburg, Jesus Christus (1998) 57). Vgl. etwa Tob 13,17; Bar 5,1-9. Vgl. Sach 2,15; Jes 2,2-3; Mt 8,11; Lk 13,29. Vgl. auch das Prophetenwort Jes 56,7, welches von Jesus Mk 11,17 wörtlich zitiert wird (vgl. Blank, Joh Ia (GSL.NT 4.1a/1981) 204f.; Pesch, Mk 8,2716,8 (HThK II.2/ 3 1984) 199). Vgl. Pesch, Mk 8,27-16,8 (HThK II.2/ 3 1984) 199; Gnilka, Jesus von Nazareth. (1990) 201f. Theissen, Tempelweissagung ( 2 1983) 153. Vgl. Matera, Trial (1991) 14. Nach Hengel, Nachfolge (1968) 77f., zeigt sich gerade in der besonderen, nicht ableitbaren Vollmacht Jesu die messianische Dimension seiner Person und seines Wirkens. Vgl. dazu etwa Gnilka, Mk 8,27-16,20 (EKK II.2/1979) 130f.; Pesch, Mk 8,27-16,8 (HThK II.2/ 3 1984) 199. Vgl. Mk 14,65; Theissen - Merz, Jesus (1996) 408.
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17.2.4 Die Angst vor Unruhen im Volk und vor Aufwiegelung Im Zusammenhang mit dem Todesbeschluss gegen Jesus wird von allen Evangelisten die Rolle des "Volkes" betont. Lk 20,19 spricht unbestimmt von der Furcht der verantwortlichen jüdischen Führer "vor dem Volk". Bei Mk und Mt wird diese Furcht präzisiert als Angst vor Unruhen beim Vorgehen gegen Jesus.2250 Joh 11,48 nennt konkret die Furcht der Verantwortlichen, die Anhängerschaft Jesu könnte sich vergrössern. Um einem Aufruhr vorzubeugen, sollen deshalb auch Fahndung und Verhaftung möglichst ohne Aufsehen vor sich gehen.2251 Die mögliche Ausweitung der Bewegung Jesu wird von den politisch Verantwortlichen demnach als Gefahr eingestuft. Der Beschluss, Jesus zu verhaften und auszuliefern, hat in dieser Hinsicht demnach präventiven Charakter: durch die getroffenen Massnahmen soll Schlimmeres verhütet werden. Dabei drängt sich natürlich die Parallele zum Tod von Johannes dem Täufer auf.2252 So spielt das Volk in den meisten überlieferten Anklagepunkten gegen Jesus eine wichtige Rolle.2253 In der lk Darstellung des Verfahrens wird Jesus auch als "Aufwiegler" beschuldigt.2254 Diese Aufwiegelung des Volkes geschieht dabei besonders durch seine Lehre.2255 Diese Lehre steht auch in der joh Version des Verhörs vor dem Hohepriester Hannas zusammen mit der Frage nach der engsten Anhängerschaft Jesu im Mittelpunkt des Interesses (Joh 18,19).2256 So ist es bei Joh die Zeichentätigkeit Jesu, die eine grosse Anziehungskraft auf die Menge ausübt und in den Augen der lokalen Behörden zu einer Gefährdung der politischen Stabilität führen könnte (Joh 11,47-48). Die Gefahr geht also vom prophetisch-eschatologischen Wirken Jesu aus.2257 Auch wenn hier nicht von einer Aufwiegelung des Volkes bzw. bewusster Agitation gesprochen wird, so birgt doch die Anziehungskraft Jesu letztendlich ähnliche Gefahren in sich: Φffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit könnten von den lokalen Behörden nicht mehr sichergestellt werden. Ein Einschreiten der Römer wäre in diesem Fall die Konsequenz, mit Folgen auch für die jüdischen Behörden.2258 Die beträchtliche Anhängerschaft Jesu aus dem Volk erscheint auch bei den Synoptikern als potentielle Gefahr für das Vorgehen gegen Jesus: dieses soll unauffällig vor sich gehen, um einen Aufruhr zu vermeiden (Mt 26,3-5; Mk 14,1-2; Lk 22,1-2). Diese Notiz weist darauf hin, dass die Anziehungskraft einer prophetisch-eschatologischen Gestalt per se die Gefahr der Destabilisierung der politischen Verhältnisse implizierte und von den lokalen Behörden genau beobachtet werden musste. Es ist also diese Anziehungskraft auf die Massen, die auch das prophetisch-eschatologische Wirken Jesu politisch brisant machte und die Synedristen zu ihrem Todes- bzw. Verhaftungsbeschluss bewegte.2259
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Vgl. u.a. die klare Aussage Mt 21,46; Mk 12,12; Lk 20,19. Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 208. Rivkin, John the Baptizer (1983) 85, nennt als Maxime dafür: "When in doubt, execute".
Zur redaktionellen Verarbeitung dieses Themas in den synoptischen Evangelien vgl. Meiser, Reaktion des Volkes (1998). Vgl. Lk 23,5; Schneider, Lk 11-24 (ΦTBK 3/2/ 2 1984) 472. 2255 Vgl. διδάσκων (23,5). Dies erinnert auch an die Gründer der Widerstandsbewegung Judas und Sadduk (s.o. Kap. 13.9.2). 2256 Für Dauer, Passionsgeschichte (1972) 79f., gehört dieser Vers zum Quellenbestand des Abschnitts. Allerdings hält er ihn für "so viel- und zugleich nichtssagend formuliert", dass er wahrscheinlich ursprünglich entweder noch mehr Details enthielt oder aber keine genaue Kenntnis über die Vorgänge offenbart. Hahn, Prozess Jesu (1970) 61, hingegen sieht Joh 18,19b in redaktioneller Abhängigkeit von Joh 9,28f. bzw. 7,16f. 2257 Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 175. 2258 Genau auf diesen Mechanismus weist auch die Aussage von Kaiaphas hin (vgl. Joh 11,48). In dieser Logik ist denn auch die Aussage durchaus plausibel, es sei besser, dass ein Mensch sterbe, damit das Ü berleben des Volkes sichergestellt werden könne. 2259 Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 191. 2254
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Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
17.2.5 Volksverführung, Gotteslästerung und Hochverrat Ein weiterer Anklagepunkt, der vom Synedrium gegen Jesus erhoben wird, ist die Verführung des Volkes (Lk 23,2).2260 Als Hintergrund für diesen Vorwurf kann Dtn 13 und 17 dienen, wo etwa die Verführung zum Götzendienst durch Falschpropheten thematisiert wird.2261 Für dieses Delikt sieht Dtn eine "öffentlichwirksame Hinrichtung an einem Festtag"2262 vor, welche die Abscheulichkeit des Verbrechens unterstreichen soll.2263 Es können weitere Hinweise herangezogen werden, die den Vorwurf der Volksverführung im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Jesus untermauern: So wird Mt 27,63f. Jesus von den Hohenpriestern und Pharisäern vor Pilatus als "Verführer" (πλάνος) angeklagt.2264 Lk 23,5 spricht ebenfalls eindeutig davon (άνασείει τον λαόν). Der Vorwurf der Verführung wird weiter Joh 7,11 f.47 von jüdischer Seite geäussert und erscheint im Zusammenhang mit der Verhaftungs- und Tötungsabsicht von Seiten der lokalen Behörden. Weiter stellt Apg 5,37 den Zusammenhang her zwischen Jesus und Judas Galiläus. Schliesslich ist der Vorwurf der Verführung auch in der rabbinischen und frühchristlichen Literatur belegt. Den Vorwurf der Volksverführung hätten die Römer dann in das Delikt des Landfriedensbruches umdeuten können.2265 Der Vorwurf der Gotteslästerung tritt auf im Zusammenhang mit dem Menschensohn-Bekenntnis Jesu (Mt 26,57-65; Mk 14,53-64; Lk 22,66-71). Die Szene vor dem Hohenrat ist dabei sehr stark theologisch geprägt und bleibt historisch umstritten.2266 Dies gilt auch für den hier überlieferten Blasphemie-Vorwurf gegen Jesus.2267 Dass die Kreuzigung im Hinblick auf Dtn 21,23 deshalb den jüdischen Verurteilungsgrund der Lästerung und des Götzendienstes belege, muss fraglich bleiben.2268 So thematisieren denn auch Dtn 13 und 17 den Abfall zu anderen Göttern.2269 Und die von Josephus mit γόηε oder uXcivos betitelten Propheten verführen ihre Anhängerschaft ja nicht zum Glauben an andere Götter oder zu deren kultischer Verehrung. Vielmehr versprechen sie ihren Gefolgsleuten das machtvolle Eingreifen Jahwes in ihre (leidvolle) Geschichte. Auch bei Judas Galiläus ist kein Abfall vom Glauben an Jahwe festzustellen, vielmehr fordert dieser einen Glauben mit allen (nationalistischen) Konsequenzen. Auch bei Jesus steht der Glaube Israels an Jahwe im Zentrum seiner Botschaft, von der Einführung neuer Götter kann nirgends die Rede sein. Auch die von den Quellen überlieferte Messias- bzw. Königsprätention ist nur innerhalb des Judentums verständlich (Mt 26,63-64; 27,11; Mk 14,61-62; 15,2; Lk 22,67-70; 23,2; Joh 18,33-37). Im Traktat bSanh 43a wird Jesus als "Zauberer", "Verführer" und "Verleiter des Volkes" bezeichnet. Im Hinblick auf Dtn 13 und 17 steht dafür die Todesstrafe durch Steinigung oder Hängung.2270 In jüdischer Tradition weist die Kreuzesstrafe auch auf das Delikt des Hochver2260
Gemäss Schneider, Political charge (1984) 403-414, gibt Lk 23,2 den historischen politischen Anklagepunkt von jüdischer Seite aus gegen Jesus wieder. 2261 Diese These wird etwa von Strobel, Stunde (1980) 81-86, vertreten. Dieses Delikt ist auch in der Tempelrolle aus Qumran festgehalten (vgl. 11Q19 Kol. 54,8-56,21 und dazu Maier, Texte vom Toten Meer I (1995)414-416). 2262 Egger, Crucifixus (1997) 169. 2263 Vgl. TSanh XI,7 und dazu Strobel, Stunde (1980) 84f mit weiteren rabbinischen Quellen. 2264 Vgl. auch Josephus, Bell. 2,259 und dazu Kap. 14.1.2 und 14.2.7. 2265 So Strobel, Stunde (1980) 89-92. 2266 Dies zeigt mit aller Deutlichkeit die schier unendliche Debatte um die Menschensohn-Logien. Vgl. dazu etwa Hampel, Menschensohn (1990); Vögtle, Gretchenfrage (1994). Nach Müller, Kapitalgerichtsbarkeit (1988) 80, sprechen Bekenntnisstil und auffallend gehäufte christologische Nomenklatur in dieser Szene für eine nachösterliche Redaktion. 2267 Für Strobel, Stunde (1980) 92f., war die Prophezeiung, dass Jesus zur Rechten Gottes als Richter über seine eigenen Richter thronen würde, ein "Affront gegen die auf der Thora basierende Staatsgrundlage und gegen die daraus abgeleitete Heilstheologie". 2268 Vgl. MSanh VI,5; Strobel, Stunde (1980) 94. 2269 Vgl. Müller, Kapitalgerichtsbarkeit (1988) 70 Anm. 51; Gnilka, Jesus (1990) 308 Anm. 69; Reinbold, Bericht (1994) 255. 2270 Vgl. Betz, Prozess Jesu (1982) 574-578.
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rats hin. In der Tempelrolle wird die Kreuzigung für Menschen gefordert, welche ihr Volk durch Nachrichtenweitergabe an fremde Völker verraten. In diesem Zusammenhang wird auch die Kreuzesstrafe für die Verfluchung von Gottes Volk und von Gott und von Menschen bei der Flucht vor Kapitalverbrechen ins Ausland gefordert.2271 Ein Hochverrat in diesem Sinn trifft auf Jesus kaum zu.2272 Hat sich Jesus aber durch sein Messiasbekenntnis vor dem Synedrion in einem weiten Sinne des Hochverrats schuldig gemacht, indem er dadurch einen Umsturz und die "Auslieferung" Israels an die Römer provozierte?2273 In der Folge hätte Pilatus dann auf das Verbrechen des crimen laesae maiestatis entschieden.2274 Ist also die Kreuzigung Jesu das Ergebnis der jüdischen Rechtssprechung? Gegen diese The se sprechen mehrere Gründe: So dürfte die hier relevante Tempelrolle in die zweite Hälfte des 2. Jh.s v.Chr. zu situieren sein und steht damit in einem bedeutenden zeitlichen Abstand zur Hinrichtung Jesu.2275 Ob sich die jüdische Rechtspraxis des 1. Jh.s n.Chr. darauf bezog, ist kaum zu entscheiden.2276 Umso mehr, als mit der Römerherrschaft in Judäa auch eine ganz andere rechtliche Situation entstanden war. Zudem sind für den Zeitraum der Hinrichtung Jesu Kreuzigungen von jüdischer Seite nicht belegt.2277 Kreuzigungen in den beiden Jahrhun derten um die Zeitenwende sind fast ausschliesslich als römische Hinrichtungsart bekannt.2278 Auch betreffen die Kreuzigungen während den beiden Prokuraturen in den überlieferten Fäl len immer politische Aufrührer und Rebellen, im Falle von Florus auch römische Bürger und Ritter.2279 Die These vom Hochverrat Jesu und der daraus folgenden Kreuzigung als Todesart hat aus diesen Gründen wenig Plausibilität.2280 Der hingegen historisch unbestrittene und einzigartige MittlerAnspruch Jesu für die Königs herrschaft Gottes musste den Wanderpropheten unweigerlich mit den jüdischen Behörden in Jerusalem in Konflikt bringen.2281 Dabei ist festzuhalten, dass die Konsequenzen des beson deren Anspruches Jesu vor dem Hintergrund der Mitwirkungspflicht der lokalen Behörden zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung interpretiert werden müssen. Ein derartiger Anspruch musste das sozioreligiöse Gefüge durcheinanderbringen, und zwar mit gravieren den Konsequenzen für die politische, ökonomische und soziale Stabilität Judäas. Der Vor 2271
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Vgl. 11Q19 Kol. 64,7-12; Kuhn, Kreuzesstrafe (1982) 708; Maier, Texte vom Toten Meer I (1995) 425. Vgl. Egger, Crucifixus (1997) 173. Anders Ford, Crucify him (1975-1976) 275ff. Ford verweist hierbei auf die Verfluchung des Feigenbaumes, welcher Israel symbolisiert (vgl. Mk 1 l,12ff.20ff. Parr.) und die Nähe zum Delikt 11Q19 Kol. 64,10 postuliert (vgl. die Übersetzung bei Maier, Texte vom Toten Meer I (1995) 425). Ford unterstreicht die Verbindungslinien zu den bei Joh und Lk geäusserten politisch rele vanten Anklagepunkten. Dagegen ist einzuwenden, dass gerade auf eine "Verfluchung" von Seiten Jesu im Verfahren vor dem Synedrion nirgends verwiesen wird. Diese These wird etwa von Betz, Trial (1985) 7, vorgebracht. Egger, Crucifixus (1997) 175, bezeichnet diese Form des Hochverrats als eine Art "passiven Landesverrat". Vgl. Betz, Prozess Jesu (1982) 642f. Vgl. Yadin, Tempelrolle (1985) 240ff. Für das 2. Jh. v.Chr. bezeugt ist eine Kreuzigung durch den Hohepriester Jakim (vgl. Bereschit Rabbati 65). Auch unter Antiochus Epiphanes soll es Kreuzigungen gegeben haben (vgl. Josephus, Ant. 12,256; AssMos 8,1; Tromp, Assumption (1993) 2I5ff.). Vgl. Kuhn, Kreuzesstrafe (1982) 708. Häufig wird in der Literatur die Kreuzigung von 800 Juden durch Alexander Jannäus wegen Hochverrats angeführt, die sich mit Demetrios III. Eukairos gegen Jannäus verbündet hatten. Dieser führte gemäss Josephus (Bell. l,97f.) die Massenhinrichtung anlässlich eines Gelages zur eigenen Unterhaltung durch. Dabei wurden gleichzeitig die Frauen und Kinder der Gekreuzigten niedergemetzelt. Nach Josephus setzte Jannäus diese Grausamkeiten ein, um der militärischen Lage Herr zu werden. Zudem liegen diese Kreuzigungen ein Jahrhundert zurück und finden unter ganz anderen politischen Verhältnissen statt. Vgl. Kuhn, Kreuzesstrafe (1982) 709-793. Auch vom im Umgang mit unliebsamen Gegnern nicht gerade zimperlichen Herodes I. werden keine Kreuzigungen berichtet. Vgl. Josephus, Bell. 2,308, und o. Kap. 13.2.3. Zur Kriterienfrage historischer Plausibilitäten vgl. Theissen - Winter, Kriterienfrage (1997); Malina, Criteria (1999) 27-45; Poirier, Consensus (2000) 97-107; Porter, Criteria (2000). Nach Mohr, Passion (1982) 95, handelt Jesus "aus einer nicht zu überbietenden und durch die Exegese nicht zu domestizierenden Unmittelbarkeit zu Gott, den er als seinen Vater in Anspruch nimmt".
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Teil II Die römische Weltmacht im Konflikt mit prophetisch-messianischen Bewegungen
w u r f der K ö n i g s p r ä t e n t i o n l a g hier auf der H a n d u n d m u s s t e d e n r ö m i s c h e n Statthalter zu einer Sanktion zwingen. 2 2 8 2 T r e f f e n s i c h a l s o in der K r e u z i g u n g J e s u j ü d i s c h e u n d r ö m i s c h e Jurisdiktion? 2 2 8 3 E s ist durchaus plausibel, dass v o n jüdischer Seite all die aufgeführten G r ü n d e für die A u s l i e f e r u n g J e s u u n d a u f g r u n d s e i n e s T o d e s a m K r e u z mitbedacht o d e r d i e s e r T o d a m K r e u z später in d i e s e r W e i s e interpretiert wurde. In e i n e m b e s e t z t e n L a n d w i e Palästina w a r j e d o c h letztlich die r ö m i s c h e Jurisdiktion massgebend. 2 2 8 4
17.3
Die Konflikte mit der römischen Besatzungmacht
J e s u s w i r d a l s o n a c h d e m j ü d i s c h e n V e r f a h r e n an Pilatus überstellt. 2285 D i e s entspricht d e m aus d i e s e m Zeitraum bekannten Subsidiaritätsprinzip. Lk 2 3 , 6 1 2 überliefert i m G e g e n s a t z zu d e n anderen Evangelisten i m Z u s a m m e n h a n g mit der V e r u r t e i l u n g Jesu durch Pilatus a u c h d i e ٢ b e r s t e l l u n g an d e n in der Hauptstadt w e i l e n d e n H e r o d e s A n t i p a s . D i e S z e n e ist a u f g r u n d der t h e o l o g i s c h e n K o m p o s i t i o n in i h r e m histori s c h e n W e r t nur s c h w e r z u beurteilen. A u c h w u r d e i m f r ü h e n Prinzipat e i n e m D e l i n q u e n t e n m e i s t e n s a m Ort s e i n e s ( v e r m u t e t e n ) V e r g e h e n s (forum delicti) u n d n i c h t an s e i n e m Her kunftsort (forum originis) der P r o z e s s gemacht. 2 2 8 6 Eine g e s c h i c h t l i c h e R e m i n i s z e n z ist trotz d e m nicht g a n z auszuschliessen. 2 2 8 7
17.3.1 König der Juden D e r Kreuzestitel liefert die B e g r ü n d u n g für die Hinrichtung J e s u a u s r ö m i s c h e r Sicht. 2288 D i e w a h r s c h e i n l i c h ursprüngliche V e r s i o n überliefert M k 1 5 , 2 6 : ό ß a a i A e ü s των Ιουδαίων.22*9
2282
Vgl. Hengel, Messias Israels (1992) 168ff. So Betz, Trial (1985) 5.
Bammel, Trial (1984) 415-451, sieht primär die jüdische Jurisdiktion verantwortlich für die Verurteilung und Hinrichtung Jesu. Nach Bammel hatte Pilatus das jüdische Urteil bestätigt. Zum Unterschied zwischen den verschiedenen Versionen der Evangelisten vgl. Egger, Crucifixus (1997) 148-166. Ein abgestuftes Vorgehen deutet auch das Testimonium an: So zeigen die jüdischen Behörden Jesus bei Pilatus an, welcher dann über Jesus zu Gericht sitzt und ihn zum Tod verurteilt. Aber das Testimonium setzt nach Reinbold, Bericht (1994) 300, die Akzente im Verfahren gegen Jesus signifikant anders als die christliche Tradition und widerspricht dieser sogar in gewissen Punkten. So spreche Josephus nur von einer "Anzeige" bei Pilatus, der die richterliche Verantwortung alleine ausübe. Und es fehle denn auch der Hinweis auf einen Prozess vor dem Synedrion oder auf ein jüdisches Todesurteil. Diese Indizien seien deshalb auch als Kriterien für die Echtheit des Testimonium zu werten. Vgl. Smallwood, Roman rule (1976) 169. Theologische Komposition verraten etwa der Wunsch von Herodes nach einem Zeichen (V. 8) oder das Schweigemotiv (V. 9) (vgl. Schneider, Lk 11-24 (ΦTBK 3.2/1984) 474f.; Marshall, Lk (1978) 854f.; Fitzmyer, Lk 10-24 (AncB 28A/1985) 1479). Lk Komposition postulieren u.a.: Taylor, Passion Narrative (1972) 89; Klein, Passionstradition (1981) 371. Bestritten wird die Historizität etwa von Grundmann, Lk (ThHK ID/ 7 1974) 424; Radi, Lk (1988) 138f.; Reinbold, Bericht (1994) 285ff. Für Hahn, Prozess (1970) 35 Anm. 17, zeigt sich in dieser Szene "eine sekundäre Überlieferung, bei der Mk 6,1416; 15,2a.5; 15,3 und 15,1618 das Material geliefert haben". Vgl. Bammel, Trial (1984) 423f; Schneider, Lk 1124 (ÖTBK 3.2/1984) 474f.; Marshall, Lk (1978) 854f.; Fitzmyer, Lk 1024 (AncB 28A/1985) 1479. Strobel, Stunde (1980) 111, nimmt in seiner histo rischen Interpretation politisches Kalkül von Pilatus an, welcher um die guten Beziehungen von Antipas zum Hof des Kaisers wusste und auf eine Rapportierung bzw. positive Berichterstattung über seinen Diensteifer in Rom durch den Herodessohn hoffte. Nach Haenchen, Weg ( 2 1968) 77, gibt die Inschrift nicht den Strafgrund an, sondern "den Anspruch der frühchristlichen Gemeinde". Für Mohr, Passion (1982) 343f., gehört Mk 15,26 zur ältesten, erkennbaren Kreuzigungstradition, die durchwegs auf historisch zuverlässige Tradition zurück gehe. Bei den Zusätzen der anderen Evangelisten dürfte es sich wohl um redaktionelle Erweiterungen handeln (vgl. Haenchen, Weg ( 2 1968) 77 Anm. 38; Schneider, Passion Jesu (1973) 115; Schenk, Passionsbericht (1974) 67f.102.132f.; Pesch, Mk 8,27-16,8 (HThK II.2/ 3 1984) 485; Bammel, Titulus (1984) 354f.; Gnilka, Mt 14,1-28,20 (HThK 1.2/1988) 468. Nach Schnackenburg, Mk II (GSL.NT 2.2/1971) 303, hingegen dürfte der Name Jesus auf der Kreuzestafel nicht gefehlt haben, obwohl Mk und Lk ihn nicht erwähnen. Gemäss Schreiber, Kreuzigungsbericht (1986) 236, ist zwar das Vorhandensein einer Kreuzestafel selbst historisch sicher, während der titulus historisch weniger sicher sei. Reinbold, Bericht
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Der Brauch, die causa poenae bei der Hinrichtung anzugeben ist auch für wenige andere Fälle belegt.2290 Auffallend ist dabei, dass der titulus nicht christlich, sondern römisch formuliert ist.229' Doch worin liegt die konkrete, im Titel festgehaltene Schuld? Findet sich hier möglicherweise der geraffte literarische Beleg für eine strafrechtliche Bezeichnung des römischen Rechts?2292 Die wenigen Belege für eine causa poenae zeigen eine konkrete Formulierung an: "Falsche Anschuldigungen wegen Hintergehung der kaiserlichen Privatkasse unterdrückte er [gemeint ist Domitian; Anm. C.R.] durch strenge Bestrafung der Verleumder, und sein Ausspruch wurde herumerzählt: 'Ein Kaiser, der Denunzianten nicht bestraft, ermuntert sie.1" (Princeps qui delatores non castigat irritat) (Sueton, Domitian 9). Sueton fährt weiter und nennt als konkrete Aufschrift auf einer Tafel: "Einen Familienvater, der über einen Thraker geäussert hatte, er sei wohl dem Gladiator, nicht aber dem Veranstalter des Gladiatorenspiels gewachsen, liess er mitten beim Spiel aus der Zuschauermenge herausholen, in die Arena schleppen und mit der Aufschrift auf einer Tafel 'Ein Rundschildmann, der gottlos geredet hat' (impie locutus parmularius) den Hunden zum Frass vorwerfen." (Sueton, Domitian 10) Oder bei Eusebius: OUT0S ε σ τ ί ν Ά τ τ α λ ο ς ό XpLanavos (Historia ecclesiastica 5,1,44)2293 Nur mit der genauen Angabe des Hinrichtungsgrundes konnte auch die abschreckende Wir kung des öffentlichen Vollzugs erreicht werden.2294 Gerade die Erzeugung einer abschreckenden Wirkung militärischer (und polizeilicher) Sanktionen war aber eine wichtige römische Strategie in julisch-claudischer Zeit.2295 Daraus lässt sich schliessen, dass auch die Kreuzesinschrift Jesu irgend etwas mit seiner, aus der Sicht der Behörden subversiven Tätigkeit, zu tun hatte. Deshalb ist es sehr gut denkbar, dass gegen den Prediger der Königsherrschaft "ein Vorwurf erhoben wurde, der mit diesem zentralen Inhalt seiner Lehre in Beziehung stand"2296. Dass Jesus ein Königtum für sich selbst in Anspruch genommen hat, kann ausgeschlossen werden. Dies gilt auch f ü r ein messianisches Königtum. Jesu Predigt ist zwar ganz und gar auf die βασιλεία τοΰ θεοί) ausgerichtet, deren einzigartiger und einziger Mittler er ist. Der König dieser Herrschaft ist jedoch Jahwe, der Gott Israels.2297 In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, warum die Kreuzesinschrift Jesu den Titel ßaaiXe٧s bzw. rex trδgt? In der Darstellung der Evangelien ist Jesus ja nicht nur der Verk٧nder der Kφnigsherrschaft Gottes, sondern in seinem Wirken realisiert sich diese (1994) 273ff., bestreitet die Historizität der Inschrift mit Hinweis auf die nur geringe Verbreitung eines solchen Brauches, zudem weitab von Palästina. Ein am Kreuz angebrachtes Schild sei ausserdem nur im NT bezeugt. Schliesslich würde auch die Mk 15,2 von Pilatus gestellte und als unhistorisch zu qualifi zierende Messiasfrage des römischen Statthalters gegen die Echtheit der Kreuzesinschrift sprechen. Da gegen ist einzuwenden, dass auch die zugegebenermassen spärliche ausserbiblische Bezeugung eines titu/«iGebrauchs nicht logischerweise gegen die Historizität der durch die Evangelien überlieferten Inschrift sprechen muss. Auch die christologische Formulierung ό ßaaiXeüs τών Ιουδαίων spricht nicht unbe dingt gegen die Historizität der inhaltlichen Aussage (vgl. Egger, Crucifixus (1997) 196 Anm. 248). 2290 2291
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So Müller, Kapitalgerichtsbarkeit (1988) 82.
G C S . N F 6 ( 2 1 9 9 9 ) 4 1 8 f .
Vgl. Hengel, Messias Israels (1992) 167f.
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2296 2297
Vgl. neben den zitierten Beispielen auch Cassius Dio 54,3,7; Sueton, Caligula 32. Vgl. Dahl, Crucified Messiah (1974) 23f.: "The formulation >King of the JewsKing