Praktizierte Staatskirchenhoheit im Nationalsozialismus: Die Finanzabteilungen in der nationalsozialistischen Kirchenpolitik und ihre Praxis in den Landeskirchen von Hannover, Braunschweig und Baden 9783666557743, 9783525557747, 9783647557748

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Praktizierte Staatskirchenhoheit im Nationalsozialismus: Die Finanzabteilungen in der nationalsozialistischen Kirchenpolitik und ihre Praxis in den Landeskirchen von Hannover, Braunschweig und Baden
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Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte

Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Siegfried Hermle und Harry Oelke Reihe B: Darstellungen Band 59

Vandenhoeck & Ruprecht

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Hauke Marahrens

Praktizierte Staatskirchenhoheit im Nationalsozialismus Die Finanzabteilungen in der nationalsozialistischen Kirchenpolitik und ihre Praxis in den Landeskirchen von Hannover, Braunschweig und Baden

Vandenhoeck & Ruprecht

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-55774-7 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter www.v-r.de Ó 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Konrad Triltsch Print und digitale Medien GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand und Methodik 2. Forschungsstand . . . . . . 3. Quellenlage . . . . . . . . . 4. Darstellung . . . . . . . . .

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Teil I: Die Finanzabteilungen in der nationalsozialistischen Kirchenpolitik 1. Die Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Die nationalsozialistische Kirchenpolitik 1933 – 1935 . . . . 1.2. Die staatskirchenrechtliche Entwicklung bis 1935: Zwischen Staatskirche und der Trennung von Kirche und Staat . . . . 1.3. Die kirchliche Finanzverwaltung bis 1935: Staatliche Kirchenhoheit und „Kirchenkampf“ . . . . . . . . . . . . .

2. Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe und Funktionswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Das Vermögensverwaltungsgesetz vom 11. März 1935 . . . . 2.2. Die juristische Bewertung des Vermögensverwaltungsgesetzes 2.3. Neue Aufgaben für die Finanzabteilungen: Die Politik des Reichskirchenministeriums 1935 . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Das Selbstverständnis der Finanzabteilungen: Festhalten am kirchlichen Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5. Die Konsolidierung der Finanzabteilungen in der Zeit der Kirchenausschüsse 1935/36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6. Das Scheitern der Ausschusspolitik im Februar 1937 . . . . . 2.7. Der Ausbau der Finanzabteilungen unter Federführung von Staatssekretär Hermann Muhs 1937 . . . . . . . . . . . . . . 2.8. Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen . . . . . . . 2.8.1. Die Bekennende Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2. Die Landeskirchenleitungen . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.3. Der Reichskirchenausschuss . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3. Die Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung und Mäßigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Die 15. Durchführungsverordnung vom 25. Juni 1937 . . . . 3.2. Die juristische Bewertung der 15. Durchführungsverordnung 3.3. Zukunftspläne von Muhs und konkreter Wandel in den Finanzabteilungen Ende 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Das Ende der Verordnungspolitik im Winter 1937/38 . . . . . 3.5. Der innere und äußere Ausbau der Finanzabteilungen 1938 . 3.6. Das Oktoberprogramm von Reichskirchenminister Hanns Kerrl: Trendwende im Ausbau der Finanzabteilungen . . . . 3.7. Stagnation im Krieg 1940/41 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8. Die Finanzabteilungen im nationalsozialistischen Herrschaftsgefüge und ihre Gegner . . . . . . . . . . . . . . . 3.9. Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen . . . . . . . 3.9.1. Das Kasseler Gremium und die Bekennende Kirche . . 3.9.2. Die Landeskirchenleitungen . . . . . . . . . . . . . . . 3.9.3. Der Lutherrat und die Kirchenführerkonferenz . . . .

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4. Die Finanzabteilungen 1942 – 1945: Staatskommissariat . . . . . . . 4.1. Die Übernahme des Reichskirchenministeriums durch Muhs Ende 1941 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Kurswechsel in der FA-Politik: Die Umgestaltung der Finanzabteilung in Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. Die Umbesetzung der Finanzabteilung der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4. Dr. Georg Cölle: Die Gestaltung der Kirche als Aufgabe der staatlichen Finanzabteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5. Das „System Cölle“: Verselbständigung der Finanzabteilungen, Netzwerke und Machtproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6. Das Scheitern der Ausweitung des FA-Systems . . . . . . . . . 4.7. Der Dualismus Finanzabteilung – Kirchenverwaltung . . . . . 4.8. Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen: Der Geistliche Vertrauensrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9. Das Ende der Finanzabteilungen 1945 . . . . . . . . . . . . . .

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Teil II: Die Finanzabteilungen in den Landeskirchen 1. Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers . . . . . . . 1.1. Die hannoversche Landeskirche vor der Einrichtung der Finanzabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Die schwierige Bildung der Finanzabteilung 1935 . . . . . 1.3. Skepsis und Hoffnungen: Reaktionen auf die Bildung der Finanzabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

1.4. Die Finanzabteilung unter Johannes Carstensen 1935/36: Das Bemühen um sachliche Arbeit und kirchenpolitische Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5. Die Finanzabteilung unter Friedrich Schnelle 1936 – 1938: Im Grenzfeld von staatlicher Finanzaufsicht und kirchlicher Verwaltungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6. Die Umbesetzung der Finanzabteilung 1938: Unerwartete Folgen eines Täuschungsmanövers . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7. Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 1938 – 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.1. Die Umgestaltung der landeskirchlichen Verwaltung: Verselbständigung der Finanzabteilung 1938 . . . . . . . 1.7.2. Das brüchige Verhältnis zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung bis 1940 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.3. Die Änderung der Rahmenbedingungen durch den Reichskirchenminister : Rückschlag für die Finanzabteilung 1939/40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.4. Die Rückkehr in die Offensive: Der Kurs der Finanzabteilung 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.7.5. Die passive Bekenntnisgemeinschaft . . . . . . . . . . . 1.7.6. Die Finanzabteilung in den letzten Kriegsjahren 1943 – 1945: Organisation und Position in der Landeskirche . . 1.8. Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8.1. Finanzabteilung und Judenverfolgung: Rassenantisemitismus und die Ausgrenzung von Christen jüdischer Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8.2. Finanzabteilung und Deutsche Christen: Kirchenpolitische und finanzielle Förderung . . . . . . . 1.8.3. Das Kollektenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8.4. Finanzabteilung und Kirchengemeinden: Politischer Druck und der Einsatz von Bevollmächtigten als Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.8.5. Finanzabteilung und Personalpolitik: Politische Kontrolle und kirchenpolitische Einflussnahme . . . . . 1.8.6. Der vergebliche Kampf der Finanzabteilung gegen den Lutherrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.9. Auflösung und Folgen der Finanzabteilung nach dem Krieg: Abwicklung ihres Erbes und die Entnazifizierung ihrer Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche . . . . . 295 2.1. Die braunschweigische Landeskirche vor der Einrichtung der Finanzabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

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Inhalt

2.2. Die Bildung der Finanzabteilung im Rahmen der Ausschussbildung 1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Unbeachtete Hinnahme: Reaktionen auf die FA-Bildung . . . . 2.4. Die Finanzabteilung unter Friedrich Lambrecht 1936 – 1938: Problemlose Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5. Im Zeichen der Muhs’schen FA-Politik: Die Umbesetzung der Finanzabteilung 1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6. Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 1938 – 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1. Die ungestörte Verselbständigung der Finanzabteilung bis Mitte 1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2. Die Bekennende Kirche: Protest von kurzer Dauer . . . 2.6.3. Eskalation 1939: Das Missverhältnis von schwankender Kirchenleitung und kompromissloser Finanzabteilung . 2.6.4. Krisenjahre 1940 – 1942: Die entfesselte Finanzabteilung unter Ludwig Hoffmeister . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.5. Die innere Entwicklung der Finanzabteilung . . . . . . . 2.6.6. Kein neuer Kurs: Die Finanzabteilung unter Herbert Westermann 1943 – 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7. Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1. Finanzabteilung und Kirchengemeinden: Politische Kontrolle und standardmäßiger Einsatz von Bevollmächtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2. Finanzabteilung und Deutsche Christen: Minderheitenpolitik als Machtpolitik . . . . . . . . . . . 2.8. Finanzabteilung und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8.1. Finanzabteilung und Judenverfolgung: Die Adaption der staatlichen Politik in der Kirche . . . . . . . . . . . . . . 2.8.2. Kirchliches Vermögen als Volksvermögen: Der Verkauf von kirchlichem Grundvermögen . . . . . . . . . . . . . 2.8.3. Das Zusammenspiel von Staat und Finanzabteilung im Land Braunschweig: Staatskirche mit antikirchlicher Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9. Die Auflösung der Finanzabteilung nach dem Krieg und die Folgen für ihre Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Finanzabteilung der Landeskirche Badens . . . . . . 3.1. Die badische Landeskirche vor der Einrichtung der Finanzabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Bemühungen um eine Finanzabteilung vor 1938: Kultusminister Otto Wacker und der lange Weg zur Finanzabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Die Bildung der Finanzabteilung 1938 . . . . . . . .

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Inhalt

3.4. Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 1938 – 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1. Der Kampf um die Autorität 1938: Innerkirchliche Protestbewegung und Selbstbehauptung der Finanzabteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2. Die Bekennende Kirche: Das Auslaufen des Protests im Zeichen interner Machtkämpfe . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3. Das ungeklärte Verhältnis zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung 1939/40 . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5. Struktur und Entwicklung der Finanzabteilung . . . . . . . . . 3.5.1. Die Organisation der Finanzabteilung und das Problem ständiger Personalknappheit . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.2. Die überforderte Finanzabteilung unter Emil Doerr 1941 – 1943 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3. Die Finanzabteilung unter Leopold Engelhardt 1943 – 1945: Neuer Schwung und alte Kämpfe . . . . . . . . . . 3.6. Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1. Finanzabteilung und Personalpolitik: Politischer Auftrag und kirchenpolitisches Sendungsbewusstsein . . 3.6.2. Finanzabteilung und Deutsche Christen: Minderheitenpolitik in eigener Sache . . . . . . . . . . . 3.6.3. Finanzabteilung und Kirchengemeinden: Einsatz von Bevollmächtigten unter erschwerten Bedingungen . . . . 3.6.4. Das Kollektenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7. Finanzabteilung und Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1. Finanzabteilung und Judenverfolgung: Die „Rassenfrage“ als „Staatsgrundgesetz“ . . . . . . . . . . 3.7.2. Finanzabteilung und Sicherheitsdienst: Kollaboration und schwindendes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8. Das zähe Ende der Finanzabteilung nach dem Krieg und die Entnazifizierung ihrer Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Das Selbstverständnis der Finanzabteilungen . . . . . . . . . . 4.2. Die Stellung der Finanzabteilungen zu den Deutschen Christen 4.3. Das Verhältnis zum Reichskirchenministerium . . . . . . . . . 4.4. Die Amtsführung der FA-Vorsitzenden . . . . . . . . . . . . . 4.5. Die Organisation der Finanzabteilungen . . . . . . . . . . . . . 4.6. Die Haltung der Kirchenleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7. Die Entwicklung der Finanzabteilungen . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Verzeichnis der FA-Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . I. Archivalische Quellen . . . . . . II. Auskünfte . . . . . . . . . . . . III. Gedruckte Quellen und Literatur

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Personenregister / Biographische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . 606

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Vorwort Die vorliegende Studie ist eine für den Druck überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 2012/13 vom Fachbereich Geschichte der Universität Hamburg angenommen wurde. Mein erster Dank gilt meinen Betreuern bei der Promotion, Frau Professorin Ursula Büttner und, als Zweitgutachter, Herrn Professor Hans Otte. Beide haben den Fortschritt meiner Arbeit stets mit viel Interesse, zahlreichen Anregungen und konstruktiver Kritik begleitet. Die Arbeit hätte in der vorliegenden Form nicht ohne die Förderung durch das Evangelische Studienwerk Villigst entstehen können. Als Promotionsstipendiat habe ich nicht nur von finanziellen Zuwendungen profitiert, sondern auch eine großartige ideelle Bereicherung erlebt. Unvergessen bleiben die anregenden Gespräche auf den Promovierendentreffen im Haus Villigst. Die Mitarbeiter in den Archiven und Bibliotheken haben meine Anfragen stets mit viel Geduld und Zuvorkommen behandelt und waren mir bei den Recherchen sehr behilflich. Ihnen allen sei dafür gedankt. Besonders hervorgehoben seien hier nur Heinrich Löber aus dem Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe und Karl Heinz Grotjahn aus dem Landeskirchlichen Archiv Hannover. Landeskirchenarchivrätin Birgit Hoffmann aus dem Landeskirchlichen Archiv in Wolfenbüttel verdanke ich viele freundliche Hinweise und Anregungen. Für die Aufnahme in diese Schriftenreihe danke ich herzlich der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte in München und den Herausgebern, Herrn Professor Harry Oelke und Herrn Professor Siegfried Hermle. Für das Lektorat und die Betreuung seitens Vandenhoeck & Ruprecht sei besonders Herrn Christoph Spill gedankt. Großzügige Druckkostenzuschüsse verdanke ich der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und der Evangelischen Landeskirche in Baden. Schließlich hätte ich die Arbeit nicht ohne die Unterstützung meiner Eltern verfassen können, die mich stets gefördert und ermuntert haben. Ihnen, meiner Frau und meinen Kindern gilt mein größter Dank für ihre geduldige und begeisterte Anteilnahme. Norderstedt, im März 2014

Hauke Marahrens

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Einleitung 1. Gegenstand und Methodik Die nationalsozialistische Kirchenpolitik kannte viele Strategien, um das Verhältnis der evangelischen Kirche zum Staat in ihrem Sinne zu gestalten. Manche sollten dazu dienen, die Kirche möglichst nationalsozialistisch auszurichten und so in den NS-Staat zu integrieren. Manche hatten zum Ziel, der Kirche ihre Entfaltungsmöglichkeiten zu nehmen und sie so weit wie möglich aus dem öffentlichen Leben zu tilgen. Die dabei verfolgten staatskirchenrechtlichen Konzeptionen wandelten sich im Laufe der Zeit und wurden nebeneinander von verschiedenen Akteuren verfolgt, liefen nicht selten einander zuwider. Viele Strategien scheiterten, blieben auf halbem Wege stecken oder wurden auf Zeiten verschoben, in denen die Umstände ihre Umsetzung erlauben würden. Eines der Mittel des NS-Staates, der Kirchenfrage Herr zu werden, waren die Finanzabteilungen. Sie waren der Versuch, die evangelische Kirche auf administrativem und staatskirchenhoheitlichem Weg in den NS-Staat einzufügen, nachdem die vorherigen Gleichschaltungsversuche gescheitert waren. Hauptträger der FA-Politik war das Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten. Es übernahm den Ausbau der Finanzabteilungen im Sommer 1935 in sein Ressort. Die Entwicklung der Finanzabteilungen verlief nicht geradlinig, sondern war den wechselvollen Verhältnissen der NS-Kirchenpolitik unterworfen. Schon Reichskirchenminister Hanns Kerrl schwankte in seiner Haltung gegenüber den Finanzabteilungen und war genötigt, frühere Entscheidungen immer wieder nachzujustieren oder den Erfordernissen seiner jeweiligen kirchenpolitischen Gesamtkonzepte anzupassen. Selbst die Aufrechterhaltung der Finanzabteilungen in der bestehenden Form stand für den Minister zeitweise zur Disposition. Andere Kräfte im Reichskirchenministerium wirkten den Kerrl‘schen Überlegungen entgegen. Dem einflussreichen Staatssekretär Hermann Muhs gelang es schließlich, die Finanzabteilungen nach dem Scheitern der Kirchenausschüsse zum Hauptwerkzeug für seine staatskirchlichen Bestrebungen auszubauen. Sie sollten dazu dienen, in der evangelischen Kirche die weltanschauliche Doktrin der Nationalsozialisten durchzusetzen. Da das Reichskirchenministerium im NS-Herrschaftsgefüge jedoch nur eine schwache Position besaß, übertrug sich dieser prekäre Status auch auf die ihm nachgeordneten Finanzabteilungen. Den innerparteilichen und innerstaatlichen Gegnern des Ministeriums waren auch dessen Instrumente der Herrschaftsausübung suspekt. Die Umsetzung des Konzepts der administra-

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Einleitung

tiven Kontrolle der Kirche war den permanenten Spannungen, Machtrangeleien, Kompetenzstreitigkeiten und unterschiedlichen weltanschaulichen Zielvorstellungen unterworfen, die für das polykratische NS-Herrschaftsgefüge typisch waren.1 In der vorliegenden Arbeit sollen die Finanzabteilungen als Instrument der nationalsozialistischen Machtausübung im Raum der Kirche betrachtet werden. Hierbei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Zunächst werden die Finanzabteilungen multiperspektivisch in den unterschiedlichen, während der NS-Zeit kursierenden kirchenpolitischen Konzepten verortet. Als maßgebliches Organ, welches über die rechtliche Ausgestaltung, Bildung und Besetzung der Finanzabteilungen zu entscheiden hatte, ist vor allem das Reichskirchenministerium zu untersuchen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Haltung des Reichskirchenministers einerseits und der seines Staatssekretärs andererseits. Beide verfolgten mit ihrer FA-Politik unterschiedliche Motive und Absichten, hatten verschiedene kirchenpolitische und staatskirchenrechtliche Konzepte. Wessen Vorstellungen sich durchsetzen konnten, variierte im Laufe der Zeit. Gleichzeitig war die FA-Politik des Reichskirchenministeriums Zwängen von außen ausgesetzt. Ihre Umsetzbarkeit hing auch davon ab, welche Haltung neben- und übergeordnete Staatsund Parteistellen einnahmen oder in welchem Rahmen es dem Reichskirchenminister überhaupt möglich war, eine eigenständige Kirchenpolitik zu betreiben. Darüber hinaus war die Entwicklung der Finanzabteilungen von den allgemeinen Zeitumständen abhängig, deren Erfordernissen sich jedes fachpolitische Handeln zu beugen hatte. Schließlich standen die FA-Konzepte nicht für sich allein, sondern waren eingebettet in die kirchenpolitischen Rahmenbedingungen, die sich aus den Entwicklungen innerhalb der evangelischen Kirche ergaben. Aufgrund all dieser Umstände unterlagen die Finanzabteilungen tief greifenden Funktionsveränderungen, konzeptionellen Neuausrichtungen und bargen eine große, konfliktträchtige Dynamik in sich. Außerdem soll die kirchliche Sicht auf die Finanzabteilungen untersucht werden. Neben dem Blick auf verschiedene Landeskirchen sind hierbei vor allem die Standpunkte übergreifender oder gesamtkirchlicher Leitungsgremien zu berücksichtigen. Ein zweites Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ist auf die tatsächliche Wirksamkeit der Finanzabteilungen gerichtet. Es soll deren Praxis und Phänomenologie untersucht werden. Dieser Aspekt ist eng mit der konzeptio1 Vgl. zum polykratischen Charakter der NS-Herrschaft: Reichardt, Radikalität; Hachtmann, Struktur; Ruck, Führerabsolutismus; Thamer, Verführung, bes. 345 – 347, 351 – 364; Hehl, Herrschaft, bes. 60 – 66; Broszat, Staat Hitlers; Kershaw, NS-Staat; Rebentisch, Führerstaat; Hachtmann, „Neue Staatlichkeit“; Ruck, Zentralismus; Bracher, Grundlagen, bes. 658 – 661; Diehl-Thiele, Partei; hier auch bes. Boberach, Organe.

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Gegenstand und Methodik

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nellen Entwicklung der Finanzabteilungen verknüpft, denn er zeigt, wie die FA-Praktiker ganz konkret ihre Tätigkeit begriffen, welche Auffassungen sie selbst verfolgten, wie sie mit dem Reichskirchenministerium interagierten, seine Vorgaben umsetzten und ausdeuteten. Um diese Fragen beantworten zu können, ist es notwendig, eine Anzahl von Finanzabteilungen eingehend zu betrachten. Da insgesamt 18 Finanzabteilungen vom Staat eingerichtet wurden, konnten nicht alle gleichmäßig berücksichtigt werden. Es war eine Auswahl zu treffen. Diese fiel auf die Finanzabteilungen der Landeskirchen von Hannover, Braunschweig und Baden; ferner wird die Tätigkeit der Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei verstärkt einbezogen. Die drei Finanzabteilungen wurden ausgewählt, weil sie sich aufgrund der strukturellen Eigenschaften ihrer Landeskirchen und der bestehenden Personalkonstellationen gut dazu eignen, an ihnen systematische Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Finanzabteilungen aufzuzeigen. Die Finanzabteilungen von Hannover und Braunschweig etwa waren in benachbarten Landeskirchen angesiedelt und zudem auch personell eng verbunden. Dennoch gab es hinsichtlich ihrer Politik und Wirksamkeit tiefgreifende Unterschiede. Daran lässt sich zum einen die hervorgehobene Verantwortung der FA-Vorsitzenden für den Kurs ihrer Finanzabteilungen erkennen, zum anderen zeigen sich die Möglichkeiten und Grenzen der Entfaltung von Finanzabteilungen in unterschiedlich verfassten Kirchen – denn die Rahmenbedingungen der Landeskirchen (beispielsweise Größe, kirchenpolitische Verhältnisse, Kirchenleitungsstrukturen, Stellung der Kirchenleitungen in ihren Landeskirchen oder das Verhältnis zur staatlichen Kirchenpolitik) setzten den Finanzabteilungen je unterschiedliche Spielräume. Diesen norddeutschen lutherischen Landeskirchen wird die konsens-unierte badische Landeskirche gegenübergestellt. Dies lässt neben den spezifischen Unterschieden der Finanzabteilungen auch deren strukturelle Gemeinsamkeiten hervortreten. Den drei Finanzabteilungen war gemeinsam, dass sie sich seit 1938 dem staatskirchlichen Konzept von Staatssekretär Muhs verpflichtet sahen. Damit sind sie gut geeignet, die konzeptionellen Entwicklungen im Reichskirchenministerium und den Funktionswandel, dem die Finanzabteilungen im Laufe der Zeit unterworfen waren, zu verdeutlichen. Gleichzeitig zeigen sie, dass in der Praxis auch die staatskirchlich orientierten Finanzabteilungen jeweils eine eigene Ausdeutung ihres Auftrages entwickelten und dabei eine beachtliche Bandbreite unterschiedlicher Haltungen möglich war. Die drei Finanzabteilungen können darüber hinaus als Ausblick dafür stehen, wie die staatskirchenrechtliche Ausgestaltung der staatlichen Kirchenaufsicht spätestens nach dem Tode Kerrls allerorten ausgesehen hätte, wenn das Reichskirchenministerium hierbei freie Hand gehabt hätte. Die hannoversche Finanzabteilung bietet außerdem den Vorzug, mit ihr den Weg ihres Leiters Dr. Georg Cölle verfolgen zu können, der später auch die Finanzabteilung der Deutschen

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Evangelischen Kirchenkanzlei übernahm und zu einer Zentralfigur im FASystem avancierte. Die ausgewählten landeskirchlichen Finanzabteilungen werden untersucht und verglichen hinsichtlich ihrer Organisations- und Mitgliederstruktur, ihres Einflusses und ihrer Durchsetzungskraft in den Landeskirchen, ihrer Machtstrategien, ihrem Amts- und Selbstverständnis sowie ihrer Interaktion mit Staats- und Parteiorganen, dem Reichskirchenministerium, den Kirchenleitungen, den kirchenpolitischen Gruppierungen, der Pfarrerschaft und den Gemeinden in den einzelnen Landeskirchen. Der damit angelegte komparative, regionalgeschichtliche Ansatz bietet sich angesichts der landeskirchlichen Strukturen des deutschen Protestantismus für diese Untersuchung an. Es lassen sich Handlungsmuster sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der phänomenologischen Ausprägung der Finanzabteilungen herausarbeiten.2 Die grundsätzlichen konzeptionellen Gemeinsamkeiten der drei Finanzabteilungen erleichtern die Vergleichbarkeit und sorgen auf der anderen Seite für ein umso deutlicheres Hervortreten der spezifischen Unterschiede. Die nicht für eine vertiefte Auseinandersetzung ausgewählten Finanzabteilungen wären für das übergreifende Erkenntnisinteresse dieser Arbeit zum Großteil weniger ergiebig gewesen, zum Teil ist auch die Quellenlage weniger gut.3 Wo dies möglich war, sind dennoch sämtliche Finanzabteilungen berücksichtigt worden, um das FA-System in seiner Breite darstellen zu können. Der staatskirchliche Kurs der Finanzabteilungen von Hannover, Braunschweig und Baden war schließlich nicht repräsentativ für sämtliche Finanzabteilungen. Es wird daher eine bestehende Forschungsaufgabe bleiben, exemplarisch weitere Finanzabteilungen und deren Rolle in ihren Landes- oder Provinzialkirchen zu untersuchen.4 Diese Arbeit kann dafür Ansatzpunkte liefern und Vergleichsmöglichkeiten bieten. Insbesondere wären detaillierte Studien zu kirchenpolitisch neutralen Finanzabteilungen oder solchen in gespaltenen Kirchengebieten (mit einer deutsch-christlichen Kirchenleitung bei bestehenden dahlemitischen Parallelstrukturen) von Interesse. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass diese Untersuchung sich vor allem auf die Leitungsebene der behandelten Landeskirchen konzentriert. Für die Kirchengemeindeebene muss sich die Studie darauf beschränken, exemplarische Einzelfälle herauszugreifen, Hintergründe für allgemeine FA-Maß2 Vgl. zum regionalgeschichtlichen Ansatz in der Kirchengeschichte: Gailus, Überlegungen, 19 f.; Ders., Bilanz, 280 f.; zum komparativen (regionalgeschichtlichen) Vorgehen allgemein: Schmiechen-Ackermann, Potenzial, bes. 234; sowie grundsätzlich Haupt, Vergleich. 3 So etwa bei der sächsischen Landeskirche, die bezüglich ihrer Finanzabteilung ein hochinteressantes Untersuchungsobjekt gewesen wäre (besonders hinsichtlich des Verhältnisses Finanzabteilung-Kirchenregiment oder der Rolle des FA-Vorsitzenden Willy Kretzschmar). Im Landeskirchlichen Archiv Dresden sind jedoch aufgrund der Kriegsverluste kaum Unterlagen zur Finanzabteilung zu finden. 4 Erste Anhaltspunkte bieten verschiedene Regionalstudien. Vgl. unten 20 Anm. 21.

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Forschungsstand

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nahmen herauszuarbeiten oder Systematiken der FA-Handlungsoptionen zu erstellen. Ein genaueres Eingehen auf allzu viele Einzelfälle verbot sich angesichts der Fülle des zur Verfügung stehenden Materials; die Einzelfälle mussten im Rahmen dieser Untersuchung in der Regel zurücktreten hinter die übergreifenden Entwicklungen. Dafür kann diese Studie für künftige Lokalstudien das Grundgerüst liefern, in das sich die lokalen Begebenheiten einordnen lassen.

2. Forschungsstand Die Kirchliche Zeitgeschichtsforschung hat in den letzten Jahrzehnten ihre alten Prägungen aus den Nachkriegsdekaden überwunden und zu einem neuen Selbstverständnis gefunden. Die Beschäftigung mit dem Themenkomplex „Kirche und Nationalsozialismus“ ist heute sehr viel breiter angelegt, als dies noch in den Nachkriegsjahrzehnten der Fall gewesen ist. Damals prägten die innerkirchlichen Fronten aus der Zeit des Nationalsozialismus noch entscheidend die aus binnenkirchlicher Perspektive betriebene Kirchenkampfhistoriographie. Der „Kirchenkampf“ wurde als weitgehend binnenkirchliche Auseinandersetzung begriffen; die nationalsozialistische Kirchenpolitik, Aspekte der kirchlichen Administration, das kirchliche Verbandswesen, das gesellschaftliche Umfeld oder mentalitäts- und sozialgeschichtliche Fragen wurden dabei vernachlässigt. Auch wurde der Fokus stark auf die Jahre des eigentlichen „Kirchenkampfes“ gerichtet, also die Anfangsphase der NS-Herrschaft, während die Behandlung der Zeit nach 1937 lange Zeit sehr sporadisch ausfiel.5 Diese Defizite werden mittlerweile in der Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung verstärkt aufgearbeitet, eine beträchtliche Verbreiterung des religions- und kirchengeschichtlichen Forschungsinteresses hat stattgefunden und die neueren Forschungen beziehen inzwischen auch die Kriegszeit verstärkt mit ein. Doch fehlt es nach wie vor an wichtigen Studien zur nationalsozialistischen Kirchenpolitik. So auch zu den Finanzabteilungen. Dieses Instrument der nationalsozialistischen Kirchenpolitik ist bisher noch nicht detailliert und systematisch untersucht worden.6 Wenngleich der Fokus der gegenwärtigen Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung „zurecht nicht mehr ausschließlich auf die kirchenleitende Ebene bzw. auf Institutionen gerichtet“7 ist, so sind nach wie vor auf diesem Gebiet zentrale Forschungslücken zu schließen. 5 Vgl. zur Entwicklung der Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung nur: Kaiser, Tendenzen; Gailus, Performance, 97 – 102; Ders., Bericht; Ders., Bilanz, 265 – 271; Ludwig, Deutung; Friedrich, Erforschung; Fitschen, Kirchen; Sauer, Geschichte; Kaiser, Forschungsaufgaben; Ders., Wissenschaftspolitik; Fischer-Hupe, Kirchenkampfdiskurs; Kunze, Problem, bes. 193 – 196; Norden, Erbe, 30 – 33. 6 Dies stellte schon 1964 Kurt Dietrich Schmidt fest, vgl. Schmidt, Einführung, 207. 7 Schulze, Einleitung III, 12.

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Bis heute existiert keine Monographie zu den Finanzabteilungen in der evangelischen Kirche. Wenn die Finanzabteilungen in der Forschung behandelt wurden, dann zumeist im Kontext ihrer Konflikte und Auseinandersetzungen mit Kirchenleitungen oder Pfarrerschaft. Kaum interessierten deren Organisationsstrukturen, Funktionsweisen, Vernetzungen oder die Einbettung der Finanzabteilungen in die Kirchenpolitik. Zwei Aufsätze befassen sich speziell mit den Finanzabteilungen. Ein Aufsatz von Hans Steinberg aus dem Jahre 1988 behandelt die Entstehung der ersten, noch innerkirchlichen altpreußischen Finanzabteilungen und die Genese des Gesetzes über die Vermögensverwaltung in den evangelischen Landeskirchen Preußens vom 11. März 1935.8 Steinberg konzentriert sich hierbei ganz auf die Altpreußische Union und ihre Provinzialkirchen sowie auf den kirchlichen Anteil an der Entstehung der Finanzabteilungen. Der zweite hier zu nennende Aufsatz gibt einen Überblick über das spätere Wirken der Finanzabteilungen. Er wurde Anfang der fünfziger Jahre von Heinz Brunotte erstmals in der Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht publiziert,9 war von ihm jedoch schon 1945, direkt nach Kriegsende, unter dem Eindruck des von ihm Erlebten ausgearbeitet worden. Schon am 23. Mai 1945 berichtete Brunotte dem hannoverschen Landesbischof August Marahrens, er habe eine Denkschrift über die Finanzabteilungen abgeschlossen10 – gedacht unter anderem zur Vorlage bei den Besatzungsbehörden –, aus der dann so gut wie unverändert der genannte Aufsatz hervorging.11 Nur kurze Zeit später verfasste Brunotte eine weitere Abhandlung; sie befasste sich mit dem kirchenpolitischen Kurs der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei und wurde ebenfalls später als Aufsatz veröffentlicht.12 Auch in dieser Arbeit wurde die Rolle der Finanzabteilungen behandelt. Beide Denkschriften sind frühes Zeugnis der Bemühungen Brunottes, an der Deutung des „Kirchenkampfes“ maßgeblichen Anteil zu nehmen und als „konsistorialer Praktiker“13 (Referent in der Kirchenkanzlei 1936 – 1945) seine Interpretation der Vergangenheit zu tradieren, apologetisch zu untermauern und seine damalige Haltung zu rechtfertigen.14 Insofern sind die Aufsätze heute mit kritischer Distanz zu lesen, obgleich sie dennoch wertvolle Informationen zu dem Sys8 Steinberg, Entstehung. 9 Brunotte, Finanzaufsicht. Hier ein späterer Abdruck in einem Sammelband. 10 Besier, Kapitulation I, 134 – 137, hier 135. Vgl. auch Brunotte an seinen Vater, entstanden vom 23. 4. bis zum 23. 5. 1945; Brunotte an Meiser vom 12. 6. 1945 (beide Schreiben ebd., hier 138, 219). 11 Das Manuskript findet sich auch in Dr. Georg Cölles Entnazifizierungsakte (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). Vgl. zur Entstehung dieser Denkschrift auch Gundlach, Brunotte, 315 f. 12 Brunotte, Kurs. Vgl. ebd., 1, zur Entstehung jener Denkschrift; ansonsten dazu auch Gundlach, Brunotte, 315 f.; Grosse, Rechtskontinuität, 120 – 122. 13 Begriff bei Kaiser, Wissenschaftspolitik, 145. 14 Vgl. Gundlach, Brunotte, passim; Grosse, Rechtskontinuität; ferner Kaiser, Wissenschaftspolitik, 144 – 163.

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tem der Finanzabteilungen gerade deshalb enthalten, weil Brunotte an manchen Vorgängen selbst unmittelbar beteiligt gewesen ist. Ansonsten ist man zu den Finanzabteilungen auf verstreute Informationen aus Studien und Aufsätzen, die das Thema in irgendeiner Form streifen,15 Gesamtdarstellungen oder Regionalstudien angewiesen. Hervorgehoben sei nur Karl Heinrich Melzers grundlegende Untersuchung zum Geistlichen Vertrauensrat. Melzer beschäftigt sich darin nicht nur mit den Protesten des Geistlichen Vertrauensrates gegen die Finanzabteilungen und seinen Auseinandersetzungen mit ihnen, sondern bettet diese Vorgänge zudem in die Kirchenpolitik des Reichskirchenministeriums ein und spürt den kirchenpolitischen Konzeptionen der führenden Akteure des Ministeriums nach. Daraus ergeben sich wertvolle Ergebnisse bezüglich der Finanzabteilungen.16 Ansonsten ist besonders die dreibändige „Kirchenkampf“-Gesamtdarstellung Kurt Meiers zu nennen.17 Meier nähert sich den Finanzabteilungen nicht nur im Rahmen der übergreifenden kirchenpolitischen Vorgänge, sondern auch, mittels seiner landeskirchlichen Exkurse, über den regionalen Ansatz. Zur Kirchenpolitik des Reichskirchenministeriums, in die die spezifische FA-Politik einzuordnen ist, liefern inzwischen verschiedene Studien wichtige Erkenntnisse.18 Die Finanzabteilungen als Instrument der Kirchenpolitik des Ministeriums nehmen in diesen Untersuchungen allerdings keinen größeren Raum ein. Dafür wurden die Finanzabteilungen aus staatskirchenrechtlicher Sicht wiederholt thematisiert.19 Vor allem der bedeutende Staatskirchenrechtler Werner Weber beschäftigte sich zeitgenössisch und nach dem Krieg eingehender mit den Finanzabteilungen.20 Darüber hinaus sind es vor allem Regionalstudien zu den verschiedenen Kirchengebieten, die die Tätigkeit der jeweiligen Finanzabteilungen näher 15 Genannt seien hier nur beispielhaft: Bookhagen, Kinderpflege II; Hartmannsgruber, Kirchensteuer, 455 f.; Rçhm, Juden, verschiedene Bände. 16 Melzer, Vertrauensrat, hier bes. 270 – 301. 17 Meier, Kirchenkampf, hier interessant bes. die Bände II und III. 18 Einige, vor allem neuere Arbeiten seien hier genannt: Kreutzer, Reichskirchenministerium; Grìnzinger, Kirchenpolitik; Dies., Einleitung IV; Dies., Einleitung V; Wenschkewitz, Versuche; Hockerts, Goebbels-Tagebücher ; auch Dierker, Glaubenskrieger. 19 So in Friedrich, Entwicklung des Kirchentums, 433, 441 – 443; May, Staatsaufsicht, 55 – 59; Link, Staat und Kirchen, 1009 f.; Ders., Spielräume, 55 f.; Ruppel, Kirchenvertragsrecht, 51 f.; zeitgenössisch: Cçlle, Stellung; Giese, „Finanzabteilungen“; Ders., Uebergangssystem; Cçlle, Rechtsfragen über die Vermögensverwaltung; Duske, Neuordnung. Vgl. zu rechtlichen Aspekten der Finanzabteilungen auch Volkmann, Rechtsprechung, 119 – 122, 194 f.; zu den Finanzabteilungen als rechtlichem Nachkriegsproblem Grendel, Eingriffe. Verschiedene Nachkriegsurteile bezüglich der Finanzabteilung finden sich in der Zeitschrift fìr evangelisches Kirchenrecht 1 (1951), 205 – 216; 2 (1952/53), 217 f.; 3 (1953/54), 96 – 99, 431 – 438. 20 Weber, Entwicklung des nationalsozialistischen Regimes, bes. 378 – 380; Ders., Staatskirchenrecht, bes. 2 – 4; Ders., Neues Staatskirchenrecht, 6 f., 11 – 14; Ders., Föderalismus, 82.

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untersuchen.21 Der Erkenntnisgewinn zu den Finanzabteilungen fällt hierbei sehr unterschiedlich aus. In manchen Untersuchungen werden die jeweiligen Finanzabteilungen differenziert und ausführlich behandelt, in anderen Studien treten sie bis fast zur Unkenntlichkeit in den Hintergrund und werden nur im Hinblick auf ihre Rückwirkungen auf die kirchenpolitischen Gruppierungen betrachtet. In vielen regionalgeschichtlichen Studien auch aktuelleren Datums tauchen die Finanzabteilungen gar nicht auf. Zudem sind viele der relevanten Studien älteren Datums und im Kontext der nach dem Krieg vorherrschenden Kirchenkampfhistoriographie zu sehen. Schließlich gibt es Kirchengebiete, deren Finanzabteilungen in der Forschung noch so gut wie gar nicht betrachtet wurden. Ein näherer Blick sei auf die Literaturlage zu den drei in dieser Arbeit vertieft behandelten Finanzabteilungen gerichtet: Die Forschungslage für die hannoversche Finanzabteilung ist bester Ausweis für die Defizite auf diesem Gebiet. Der Stand der Forschung wird nach wie vor markiert von Eberhard Klügels Gesamtdarstellung zur hannoverschen Landeskirche während des Nationalsozialismus aus dem Jahre 1964.22 Diese, die Haltung der hannoverschen Kirchenleitung in der NS-Zeit rechtfertigende Darstellung, deren Genese und Rezeptionsgeschichte bereits in der Forschung aufgearbeitet wurde,23 bietet bis heute die grundlegenden und umfang21 Als Auswahl: Zur Altpreußischen Union: Loycke, Entwicklung, bes. 76 – 83; Niesel, Wort, bes. 66 – 68, 74 – 77, 80, 106 f., 141; Kersting, Kirchenordnung, 242 – 249; Thìmmel, 40 Jahre, 26 – 37. Zur Kirchenprovinz Berlin-Brandenburg: Schuppan, Bekennen, 215 – 217, 265; Harder, Tätigkeit, 206; zur Stadt Berlin: Gailus, Studien, 306, 325 f. Zur Kirchenprovinz des Rheinlandes: Kaminsky, Rolle; Ders., Zwang, bes. 203 – 221; Norden, Kirchenkampf, bes. 74, 124 – 131, 150, 158, 160 f., 169 f., 245 – 248; Rauthe, Gegner, bes. 40 – 51; ferner Weitenhagen, Weltkrieg, bes. 117, 135 f. Zur Kirchenprovinz Westfalen: Hey, Kirchenprovinz, bes. 95 – 97, 112, 138 f., 143 f., 161 f., 176 – 179, 181, 192, 196, 200, 298, 339; Kampmann, Landeskirche, 74, 169 – 171, 178 f. Zur Kirchenprovinz Sachsen: Onnasch, Macht, bes. 198 – 213, 248 – 252; Grossbçlting, Christen, 215 f. Zur Kirchenprovinz Pommern: Kl•n, Kirche, bes. 334 f., 357 – 362, 384. Zur Kirchenprovinz Schlesien: Hornig, Kirche, 36, 46 – 49, 255, 263, 265 – 268, 272; Ehrenforth, Kirche, 107 f., 128, 141, 231 f., 251 – 253. Zur Landeskirche Schleswig-Holstein: Bielfeldt, Kirchenkampf, 97 f., 117, 157 f., 160; Reumann, Kirchenkampf, 236 f., 301, 326, 342, 377; ferner Kinder, Beiträge, 61. Zur Landeskirche Sachsen: Fischer, Landeskirche, 40, 46 f., 49 f., 57 f., 73, 83 – 86, 222, 250 f.; Klemm, Dienst, 258 f., 343, 405 f.; ferner Prater, Kämpfer, 118, 152, 155. Zur Landeskirche Kurhessen-Waldeck: Stahl, Nationalsozialismus, 46, 50, 53, 55, 59; Slenczka, Kirche, 77 f., Schneider, Widerstand, 322 – 324; Zur Landeskirche NassauHessen: Lueken, Kampf, 50, 69, 73; Dokumentation zum Kirchenkampf, Bd. 4, 296 f.; Dokumentation zum Kirchenkampf, Bd. 6, 148 – 150, 290 – 294, 365; Dokumentation zum Kirchenkampf, Bd. 7, 300 f., 334; Steitz, Geschichte, 610 f.; ferner Herbert, Höhen, 82, 114. Zur Landeskirche Bremen: Heinonen, Anpassung, bes. 121 – 124, 247 – 253, 262 – 264; MeyerZollitsch, Nationalsozialismus, bes. 287 f., 291 – 302; Dies., Bremische Kirche, 274 – 276; Stoevesandt, Gemeinden, bes. 100 – 115. Zur Landeskirche Hannover-reformiert: Middendorff, Kirchenkampf, 20, 25, 96, 125; Wessels, Ostfriesland, 190 f.; Wever, Hunde, 287 f. 22 Klìgel, Landeskirche. 23 Daher hier nur der Verweis auf Otte, Zeitgeschichte, 547 – 554; Lindemann, Typisch, 27 f.; Marahrens, Zeitgeschichtsforschung, 164.

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reichsten Ausführungen zur hannoverschen Finanzabteilung.24 Klügel war bei der Darstellung der FA-Tätigkeit von einem zweifachen Interesse geleitet. Auf der einen Seite wollte er ihren für die hannoversche Landeskirche schädlichen und den Handlungsspielraum der Kirchenleitung einengenden Charakter verdeutlichen und stellte daher die Bedrückungen der Kirche durch die Finanzabteilung heraus. Auf der anderen Seite war er bestrebt, die Wirksamkeit der Finanzabteilung zu marginalisieren, um herausstellen zu können, wie erfolgreich und standhaft die Kirchenleitung in ihrem Abwehrkampf gegen die Finanzabteilung gestanden habe. Die Schwächen von Klügels Darstellung, wie seine deutlich apologetischen Tendenzen, treten somit auch bei seiner Beschäftigung mit der Finanzabteilung zu Tage. Zudem war er in seinem Erkenntnishorizont, jedenfalls bezüglich der Finanzabteilung, dadurch stark eingeschränkt, dass ihm wichtiges Quellenmaterial, wie dasjenige des Reichskirchenministeriums, nicht zugänglich war.25 So sind seine Ausführungen zu der Finanzabteilung lückenhaft, dringend zu überholen und mit Bedacht zu rezipieren. Eine weitere grundsätzliche Untersuchung der Tätigkeit der hannoverschen Finanzabteilung ist ansonsten nicht zu verzeichnen,26 obwohl die hannoversche Landeskirche in der NS-Zeit seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein verstärktes Forschungsinteresse gefunden hat.27 Es gibt allerdings in einigen Einzelfragen weiterführende Forschungen, die Klügels Darstellung überholen. Etwa zum Themenkomplex Finanzabteilung und NS-Judenverfolgung28, zur Rolle der Finanzabteilung bei kirchlichen Gebietsumgliederungen29, zum Eingreifen der Finanzabteilung zugunsten der deutsch-christlichen Minderheit in Ostfriesland30, zum Tätigwerden der Finanzabteilung bezüglich der kirchlichen Kindergärten31 oder zur Rolle der Finanzabteilung als die Handlungsspielräume der Kirchenleitung einengendes Organ32. Ansonsten wird die hannoversche Finanzabteilung in der Forschung meist nur mehr oder weniger kursorisch behandelt, häufig basierend auf Klügels Ergebnissen.33 24 Klìgel, Landeskirche, bes. 307 – 319, 457 – 468. 25 Entscheidende Entwicklungsschritte der Finanzabteilung, wie der reichskirchenministerielle Erlass vom 12. August 1940, sind ihm so entgangen. 26 So spricht Axel Freiherr von Campenhausen jüngst von der „ominösen […] Finanzabteilung“ in Hannover. Campenhausen, Vergangenheitsbewältigung, 580. 27 Vgl. Marahrens, Zeitgeschichtsforschung, bes. 166 f. Vgl. als Beispiele des gestiegenen Forschungsinteresses nur : Grosse, Bewahren; Calliess, Schuld; Grosse, Neubeginn; Hermle, Bischöfe; Schmiechen-Ackermann, Nazifizierung; Ders., Kooperation; Simon, Glanz; Vçgele, Demokratie; Goldbach, Protagonisten; Grosse, Herren. Zur früheren Forschung vgl. auch Kìck, Forschungsbibliographie. 28 Insbesondere Lindemann, Typisch; ansonsten auch Brandy, Pastoren, 378 – 381, 409 – 411. 29 Otte, Freiheit, bes. 131 – 142. 30 Delbanco, Kirchenkampf, 108 – 111, 117 – 122; Wessels, Ostfriesland, 190 f. 31 Bookhagen, Kinderpflege II, bes. 652 – 658, 806 – 814, 818 – 829; Ders., Forderungen. 32 Bes. Hermle, Spielräume, 122 – 124, 128. 33 Beispielhaft: Krumwiede, Kirchengeschichte, bes. 540 f.; Lindemann, Volkskirche, 120 f.,

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Ähnlich ist der Forschungsstand für die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche. Er wird markiert von einer übergreifenden Gesamtdarstellung zur Geschichte der Landeskirche in der NS-Zeit sowie einer biographischen Studie zu Landesbischof Helmuth Johnsen.34 Beide Darstellungen stammen von Dietrich Kuessner und datieren auf die frühen 1980er Jahre, als die nationalsozialistische Vergangenheit in der braunschweigischen Landeskirche zunehmend aufgearbeitet wurde.35 Zuvor waren bereits eine bis heute nachwirkende Drucksache des braunschweigischen Landeskirchenamts zur Tätigkeit der Finanzabteilung36 und eine Materialzusammenstellung zur Landeskirche während des Nationalsozialismus von Ottmar Palmer,37 einem prominenten Mitglied der braunschweigischen Bekennenden Kirche, erschienen, von denen sich Kuessner allerdings deutlich absetzt. Obwohl bezüglich der braunschweigischen Landeskirche neuere Forschungen existieren,38 liegen noch keine umfangreicheren neuen Ergebnisse bezüglich der Finanzabteilung vor.39 Die Finanzabteilung der badischen Landeskirche hat bisher, verglichen mit ihren Pendants in Hannover und Wolfenbüttel, die intensivste Aufarbeitung gefunden.40 Dies nicht nur in älterer Literatur, sondern vor allem in jüngeren Darstellungen. Als Exeget der Tätigkeit der Finanzabteilung betätigte sich bereits 1953/54 Oberkirchenrat Otto Friedrich in einem Aufsatz zur rechtlichen Entwicklung der badischen Landeskirche.41 Friedrich war als EOKMitglied selbst an den Auseinandersetzungen mit der Finanzabteilung beteiligt gewesen, so dass seine Arbeit auch dazu dienen sollte, die Rolle des Evangelischen Oberkirchenrates im Nationalsozialismus aus eigener Per-

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123 f.; Cordes, Geschichte, 87, 93; Otte, Intakte Kirche, 132 f.; Grosse, Rolle, 140; Schmiechen-Ackermann, Kooperation, 189; Arndt, Deutsche Christen, 211, 221; Rçhrbein, Landeskirche im Dritten Reich, 84; Ders., Kirche, 235; Schmidt-Clausen, Marahrens, 34. Kuessner, Überblick, bes. 138 – 149, 160 – 162; Ders., Bischof der Mitte, bes. 55 – 59. In diesem Zusammenhang erwähnt sei auch Ders., Nationalsozialismus, bes. 28 f. Beitr•ge. Siehe dazu auch unten 399. Palmer, Material, zur Finanzabteilung bes. 109 – 119. Siehe etwa Pollmann, Weg; Weber, Taufe; Kuessner, Palmer. Neue Bewertungen der Tätigkeit der Finanzabteilung bietet Pollmann, Entnazifizierung, bes. 32 – 34; zum Verhältnis Finanzabteilung-Jugendarbeit liegen Ergebnisse von Jìrgens, Jugendarbeit, 83 – 92, vor; zum Verhältnis Finanzabteilung-Männerarbeit siehe Meissner, Männerwerk, 59 – 66; zu FA-Eingriffen in Bad Harzburg siehe Schyga, Bad Harzburg, bes. 95 f., 100 – 104; bezüglich der Frühzeit der Finanzabteilung bietet Lambrecht, Lebenserinnerungen, 193 – 199, ein wenig Material. An Kuessner und teilweise den älteren Werken orientiert bleiben die jüngsten Arbeiten: Bockisch, Finanzen, 543 – 545; Kuessner, Landeskirche im 20. Jahrhundert, 395 f. Kurz erwähnt ist die Finanzabteilung auch in Rammler, Hügel, 121, 124. Vgl. zur Kirchlichen Zeitgeschichtsforschung in Baden: Wennemuth, Zeitgeschichte, hier bes. 59 f., 64 f.; Thierfelder, Landeskirche, 289 – 292; Kunze, Hintergrund, 576 – 579; Ders., Zeitgeschichte, 11 – 14; ferner Fliedner, Verhalten. Vgl. auch die Spezialbibliographie zur Geschichte der badischen Landeskirche in Quellen VI, 139 – 153. Friedrich, Entwicklung Badens, bes. 320 – 331, 342 – 349. Wiederabdruck des Aufsatzes in Quellen VI, 179 – 236.

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Forschungsstand

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spektive auszudeuten.42 Der Aufsatz bietet trotz aller Auslassungen und apologetischen Tendenzen nach wie vor den umfassendsten Überblick über die FA-Tätigkeit und berücksichtigt zumindest ansatzweise auch die Vernetzung der Finanzabteilung mit der Reichskirchenpolitik. Friedrich gelang es, mit seiner Arbeit ein lange Zeit vorherrschendes Interpretationsmuster zur Geschichte der badischen Landeskirche in der NS-Zeit und auch zur Tätigkeit der Finanzabteilung zu etablieren.43 Ab den 1980er Jahren kamen neue Forschungen zur Vergangenheit der badischen Landeskirche in Gang. Dabei rückte auch die Finanzabteilung zuweilen mit in das Zentrum der Aufmerksamkeit, zumeist eher im Kontext spezieller Aspekte,44 aber auch in Überblicksdarstellungen45 oder anhand lokalgeschichtlicher Forschungen46. Zuletzt erfuhr die Forschung zur badischen Landeskirche in der NS-Zeit durch den Abschluss einer Quellenedition und durch das Erscheinen einer der Edition folgenden Aufsatzsammlung47 einen neuen Schub.48 In dem Sammelband wird auch die Tätigkeit der Finanzabteilung untersucht: Es findet sich ein kurzer Aufsatz von Johannes Frisch speziell zu dieser Thematik.49 In anderen Aufsätzen wird die Finanzabteilung in umfassendere Themen eingebettet50 oder ihre Tätigkeit anhand bestimmter Aspekte aufgegriffen51. Friedrichs Darstellung aus den fünfziger Jahren ist damit zwar vielfach ergänzt, in Teilen auch überholt worden, jedoch steht nach wie vor eine umfassende Aufarbeitung der Tätigkeit der Finanzabteilung aus. Frischs Aufsatz kann hier nur bedingt helfen, richtet er doch seinen Fokus, typisch für die Forschungslandschaft zur badischen Finanzabteilung, ganz überwiegend auf die Jahre 1938/39 sowie das Bevollmächtigtenwesen.

42 Vgl. Gerhard Schwinges „Nachbemerkung“ in Quellen VI, 237; Thierfelder, Landeskirche, 289. 43 Vgl. Wennemuth, Zeitgeschichte, 59; Marggraf, Schuld, 326 Anm. 8. 44 Zur Frage Finanzabteilung und Juden: Rìckleben, ,Judenchristen‘, 78 – 83; Ders., Kirchenleitung, bes. 382 – 391, 403 – 406; dazu kritisch Fliedner, Verhalten. Bezüglich der Bekennenden Kirche: Lange, Mondon, 370 – 373; Klausing, Baden, 225 – 245. 45 Erbacher, Landeskirche, 46 – 50; Rìckleben, Zentralbehörden, 661 – 663; Stçssel, Kirchenleitung, 26 – 31. 46 Wennemuth, Mannheim, bes. 400 – 411; Heidel, Kampf, bes. 328 – 338. 47 Marggraf, Unterdrückung. 48 In dem Registerband der Quellenedition findet sich auch ein Überblicksaufsatz zur Geschichte der badischen Landeskirche in der NS-Zeit von Jörg Thierfelder. Zur Finanzabteilung interessant besonders Thierfelder, Landeskirche, 331 – 337. 49 Frisch, Einsetzung. Im Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe findet sich ferner eine von Jörg Thierfelder betreute kirchengeschichtliche Seminararbeit Frischs aus dem Wintersemester 1985/86 zur Einrichtung der Finanzabteilung in Baden (Ders., Errichtung). 50 Vor allem Wennemuth, Kirchenleitung, bes. 44 f., 58 – 62; und Kissener, Landeskirche, bes. 18 – 22. 51 Vor allem Zeilfelder-Lçffler, Innere Mission, 110 – 112; Lauterer, Frauen, bes. 195 – 200; Bookhagen, Menschenführungsaufgabe, bes. 153 – 162.

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Einleitung

3. Quellenlage Als zentrale Quellengrundlage für diese Arbeit dient der Bestand des Reichskirchenministeriums im Bundesarchiv, Dependance Berlin-Lichterfelde.52 Hier finden sich nicht nur die entscheidenden, bisher in der Forschung kaum oder gar nicht ausgewerteten Unterlagen zur Entwicklung der FA-Politik des Ministeriums,53 sondern auch äußerst ergiebige Bestände zu den einzelnen Landeskirchen. Für die drei in dieser Arbeit vertieft untersuchten Landeskirchen gilt, dass die zugehörigen Bestände des Reichskirchenministeriums vor allem Material zu den jeweiligen Finanzabteilungen enthalten.54 Zurückzuführen ist dies auf die Tatsache, dass die Finanzabteilungen jener Kirchengebiete zahlreiche Vorgänge an das Reichskirchenministerium trugen und außerdem die Konflikte zwischen Finanzabteilung und jeweiliger Kirchenleitung häufig unter Einbeziehung des Ministeriums ausgetragen wurden. Ergänzend wurden für diese Arbeit auch die Bestände des Reichskirchenministeriums zu sämtlichen übrigen Landeskirchen ausgewertet, in Hinblick auf deren Finanzabteilungen oder mögliche Bemühungen, eine solche einzurichten. Darüber hinaus erwiesen sich die im Bundesarchiv lagernden personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Berlin Document Center und insbesondere die Akten der Reichskanzlei für diese Arbeit als ergiebig. Ähnlich wertvoll, wie die Bestände des Bundesarchivs, waren für diese Studie die Unterlagen des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin. Insbesondere wurden hier die in der Forschung bisher kaum beachteten Unterlagen zu der Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei ausgewertet,55 die das Material des Reichskirchenministeriums zur Entwicklung des Systems der Finanzabteilungen ergänzen. Daneben finden sich in den Unterlagen der Kirchenkanzlei auch teilweise umfangreiche Akten zu den einzelnen Landeskirchen und ihren Finanzabteilungen,56 denn auch die Kirchenkanzlei wurde massiv in die landeskirchlichen Konflikte zwischen Finanzabteilungen und Kirchenleitungen hineingezogen. Für die drei vertieft behandelten Landeskirchen bergen zudem die jeweiligen Landeskirchlichen Archive wesentliche Quellen. Die Überlieferungssi52 Vgl. zum Bestand BArch R 5101: Kreutzer, Reichskirchenministerium, bes. 4 – 6. 53 Vor allem BArch R 5101 / 23713; R 5101 / 22728; R 5101 / 22729. 54 Für Hannover vor allem: BArch R 5101 / 23219; R 5101 / 23228; R 5101 / 23446; R 5101 / 23758. Für Braunschweig vor allem: BArch R 5101 / 23789; R 5101 / 23790; R 5101 / 23791; R 5101 / 23792; R 5101 / 23793. Für Baden vor allem: BArch R 5101 / 23779; R 5101 / 23780; R 5101 / 23781; R 5101 / 23782; R 5101 / 23783. 55 Besonders EZA 1/1602 – 1/1611; 2/687; 2/688. 56 Vor allem EZA 1/1376; 1/1378 (Hannover); 1/1629, 1/2616, 1/2617 (Braunschweig); 1/1627 (Baden).

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Quellenlage

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tuation ist hierbei allerdings sehr unterschiedlich. In Karlsruhe und Wolfenbüttel sind die Unterlagen zur Finanzabteilung nahezu vollständig überliefert, die Quellenlage ist daher sehr gut. Im Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe sind die von der Finanzabteilung geführten Akten heute unter den Generalia zu finden, wo sich auch die Akten des Evangelischen Oberkirchenrates befinden, die sich mit der Finanzabteilung beschäftigen. Außerdem enthalten die Spezialia zu den badischen Kirchengemeinden in vielen Fällen Unterlagen zu der Finanzabteilung. Im Landeskirchlichen Archiv Wolfenbüttel werden die Akten der Finanzabteilung in einem eigenen Bestand („FinAbt“) geführt, während die parallelen Unterlagen des Landeskirchenamtes unter dem Signum „LKA“ firmieren. Außerdem finden sich im Spezialakten-Bestand Unterlagen zu bestimmten Problemen, etwa der FA-Minderheitenpolitik. In Hannover haben erhebliche kriegsbedingte Verluste von Akten auch in die Überlieferung zur Finanzabteilung massive Lücken gerissen.57 Gleichwohl beherbergt das Landeskirchliche Archiv Hannover zentrale Bestände zur dortigen Finanzabteilung. Insbesondere zu nennen ist die von Eberhard Klügel im Rahmen der Arbeiten an seiner „Kirchenkampf“-Darstellung zusammengestellte „Kirchenkampf-Sammlung“.58 Außerdem hervorzuheben ist der allerdings wenig umfängliche Bestand B 6, Finanzabteilung. Er enthält, neben Abrechnungen, in einigen Nummern auch das Schriftgut der Finanzabteilung, das nach dem Verlust der Akten, also nach 1943, entstand und nicht nach Kriegsende von der Generalregistratur übernommen wurde.59 Schließlich sind die Akten der Kanzlei des Landesbischofs August Marahrens zu erwähnen,60 die einige Unterlagen zu der Finanzabteilung enthalten. Die kriegsbedingten Verluste des hannoverschen Schriftguts konnten in dieser Arbeit durch die Einbeziehung der Überlieferungen des Bundesarchivs und des Evangelischen Zentralarchivs bezüglich der Finanzabteilung teilweise kompensiert werden. Für die drei landeskirchlichen Finanzabteilungen waren schließlich die Staatsarchive zu berücksichtigen, in deren Sprengel die Landeskirchen fallen.61 Zwar sind insgesamt wenige Akten unmittelbar zu den Finanzabteilungen und deren Interaktion mit den regionalen Staatsstellen überliefert, doch finden sich in den Staatsarchiven auch andere relevante Akten: etwa Prozessunterlagen von Gerichtsverfahren, die wegen der Finanzabteilungen 57 Die Verluste sind vor allem einem Bombenangriff auf Hannover am 8. / 9. Oktober 1943 geschuldet, dem das Landeskirchenamt sowie der Loccumer Hof, Dienst- und Wohnsitz des Landesbischofs, zum Opfer gefallen sind. Vgl. Otte, Archivalien, 106 f.; Ders., Zeitgeschichte, 545; Ders., Übersicht, 11. 58 Vgl. dazu Ders., Zeitgeschichte, 549. 59 Vgl. Ders., Übersicht, 21. Die Generalakten, Bestand B 1, enthalten entsprechend ebenfalls nicht unerhebliches Material der Finanzabteilung. 60 LkAH L 2. 61 Das Hauptstaatsarchiv Hannover, das Staatsarchiv Wolfenbüttel sowie das Generallandesarchiv Karlsruhe.

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Einleitung

nach dem Krieg angestrengt wurden, Personalakten von Staatsbeamten, die in den Finanzabteilungen eingesetzt wurden oder Entnazifizierungsakten von FA-Funktionären. Im Bereich der Kirchlichen Zeitgeschichte ist inzwischen auch eine recht große Anzahl von Quelleneditionen erschienen, die Material zu den Finanzabteilungen enthalten: Für die nationalsozialistische Kirchenpolitik, in deren Rahmen die Finanzabteilungen einzubetten sind, ist hier vor allem die fünfbändige Edition „Dokumente zur Kirchenpolitik des Dritten Reiches“ zu nennen.62 Zahlreiche Quellensammlungen haben kirchliche Stimmen aus der NS-Zeit zum Inhalt. Für diese Arbeit waren diese Editionen insbesondere deshalb bedeutsam, da sich aus ihnen, ergänzend zu Funden in den Archiven oder als Ersatz für Archivstudien, die kirchliche Haltung zu den Finanzabteilungen rekonstruieren ließ. Einige besonders wichtige Editionen seien hier genannt: Für die zwei Bekenntnissynoden der Bekennenden Kirche der Altpreußischen Union, die sich ausführlich mit den Finanzabteilungen beschäftigten – Steglitz und Lippstadt –, liegen Dokumentationen vor.63 Kirchliche Stimmen verschiedener Provenienz bieten einige Quelleneditionen von Kurt-Dietrich Schmidt.64 Erörterungen zu den Finanzabteilungen in Sitzungen von Lutherrat, Kirchenführerkonferenz oder Kasseler Gremium lassen sich in der Quellensammlung „Verantwortung für die Kirche“ verfolgen.65 Schließlich existieren für die badische und die hannoversche Landeskirche verschiedene relevante Quelleneditionen: Zur badischen Landeskirche ist mit der abgeschlossenen sechsbändigen Quellenedition „Die Evangelische Landeskirche in Baden im Dritten Reich“66 „eine wichtige Quellensammlung zur deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts“67 erschienen. Die Finanzabteilung wird in dem vierten und fünften Band der Edition ausführlich behandelt; in Band vier beschäftigt sich ein eigenes Kapitel, bearbeitet von Udo Wennemuth, mit ihr.68 Häufig wurden die Schriftstücke allerdings für den Abdruck (teils stark) gekürzt, daher wurden für diese Arbeit in der Regel die Dokumente im Archiv genutzt.69 Einige Dokumente zur badischen Finanz62 Hier bes. Dokumente II – V. 63 Für die Synode in Steglitz (September 1935) hat Wilhelm Niemöller eine sehr ausführliche Edition vorgelegt: Niemçller, Steglitz. Die Beschlüsse der Bekenntnissynode von Lippstadt im August 1937 hat Wilhelm Niesel im Rahmen einer Sammlung zu allen altpreußischen Bekenntnissynoden zusammengestellt: Niesel, Verkündigung, hier bes. 41 – 57. 64 Relevant für diese Arbeit waren vor allem Schmidt, Dokumente II/1 und II/2; sowie Ders., Bekenntnisse III. 65 Hier besonders Verantwortung II und III. 66 Quellen I – VI. 67 Kunze, Bedeutung, 200. Vgl. auch zur Quellenedition: Wennemuth, Zeitgeschichte, 65 f.; Kunze, Hintergrund, 579 – 581. 68 Quellen IV, 189 – 298. 69 Wird im Folgenden auf ein Dokument Bezug genommen, das in der Edition abgedruckt ist, wird darauf in den Verweisen hingewiesen, üblicherweise aber nicht, wenn die bezügliche Passage im

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Darstellung

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abteilung finden sich auch in der umfassend angelegten Quellenedition „Geschichte der badischen evangelischen Kirche seit der Union 1821 in Quellen“.70 Für die hannoversche Landeskirche stehen vor allem zwei relevante Quelleneditionen zur Verfügung. Zum einen die von Günter Goldbach bearbeiteten Rundbriefe der Deutschen Christen Hannovers,71 die allerdings nur am Rande Material zu der Finanzabteilung bieten. Zum anderen die von Thomas Jan Kück herausgegebenen Wochenbriefe des hannoverschen Landesbischofs Marahrens,72 die diverse Stellungnahmen des Landesbischofs zu der Frage der Finanzabteilungen enthalten.

4. Darstellung Die landeskirchlichen Finanzabteilungen werden im zweiten Teil der Arbeit nacheinander separat behandelt. Diese Form der Darstellung soll der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit dienen. Es wird dem Leser ermöglicht, sich gezielt mit einer Finanzabteilung auseinanderzusetzen, die in ihren spezifischen, landeskirchlichen Bedingungen untersucht wird. Dieses Vorgehen macht in manchen Themenbereichen Redundanzen jedoch unvermeidlich. Statt die Tätigkeit der drei Finanzabteilungen schon in der Darstellung vergleichend aufzubereiten und dabei zu vermengen – dies hätte den Verfolg der spezifischen Entwicklungen in den einzelnen Landeskirchen erschwert –, wird den Kapiteln ein Vergleich nachgestellt. Die gewonnenen Ergebnisse werden so gebündelt und zusammengenommen. Die Kapitel zu den landeskirchlichen Finanzabteilungen sind, soweit möglich, ähnlich gegliedert, um die Vergleichbarkeit zu erleichtern. Abweichungen im Aufbau der Kapitel ergeben sich aus den spezifischen Entwicklungen der einzelnen Finanzabteilungen. Sämtliche Hervorhebungen in Zitaten aus Quellen oder der Literatur werden kursiv wiedergegeben, unabhängig von der Art der Hervorhebung im Original.

Abdruck gänzlich fehlt. Erfolgt der Hinweis, bedeutet das jedoch nicht, dass der Abdruck zwangsläufig sämtliche Elemente enthält, auf die Bezug genommen wird. 70 Geschichte in Quellen, 390 – 401. 71 Rundschreiben. 72 Zur Lage der Kirche I – III.

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Teil I: Die Finanzabteilungen in der nationalsozialistischen Kirchenpolitik

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1. Die Vorgeschichte 1.1. Die nationalsozialistische Kirchenpolitik 1933 – 1935 Als die Nationalsozialisten im Januar 1933 an die Macht gelangten, war noch nicht absehbar, welche zukünftige Entwicklung die Kirchenpolitik der NSDAP nehmen würde. Anhaltspunkte mochte die Haltung der Partei während der Weimarer Republik geben. In Artikel 24 des 1920 formulierten Parteiprogramms der NSDAP hieß es, die Partei fordere „die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen.“ Ansonsten stehe die Partei auf dem „Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden.“1 Insgesamt zeichnete sich der Artikel durch seinen ambivalenten Charakter aus – das Bekenntnis zur Religionsfreiheit stand unter Vorbehalt, „positives Christentum“ war eine undefinierte Wendung. Der Artikel ließ durch seine Uneindeutigkeit jede Lesart zu und hielt der zukünftigen Religionspolitik der NSDAP alle Optionen offen. Diese Interpretationsfreiheit wurde dadurch noch begünstigt, dass Adolf Hitler selbst es vermied, den Artikel jemals auszulegen.2 Die offizielle Haltung der NSDAP gegenüber den Kirchen war bis etwa 1930 von „taktisch-neutraler Indifferenz“3 geprägt. Hitler wollte vermeiden, den Aufstieg der Partei durch eine Verstimmung der kirchlichen Bevölkerungsteile zu gefährden. Aus diesem Grund wurden die der NSDAP innewohnenden antichristlichen und kirchenfeindlichen Strömungen, die in der Kirche Besorgnis hervorriefen, bereits vor 1933 von Hitler gedrosselt. Es sollte eine wohlwollend neutrale Haltung gegenüber den Kirchen eingenommen und ein christliches Fundament der NSDAP suggeriert werden. Tatsächlich war die Partei in Religionsfragen sehr heterogen und blieb dies auch – es konkurrierte die dezidiert kirchenfeindliche Richtung innerhalb der Bewegung mit derjenigen, welche eine Verschmelzung von NS-Weltanschauung und Christentum anstrebte.4 Anfang der dreißiger Jahre begann die NSDAP, ihren Neutralitätskurs zugunsten einer Annäherung an die evangelische Kirche aufzugeben. Dies geschah teilweise in geheimen Kooperationen mit nationalsozialistisch gesinn1 Das Programm ist abgedruckt in: Mommsen, Parteiprogramme, 548 – 550, hier 550. 2 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 37. Vgl. auch zu dem Artikel ebd., 13 f.; Strohm, Kirchen, 13; Zipfel, Kirchenkampf, 1, 4. 3 Meier, Religionspolitik, 10. Vgl. auch Scholder, Kirchen im Dritten Reich, 7 f. 4 Siehe unten 41 f.

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Die Vorgeschichte

ten Pfarrern wie Siegfried Leffler, Julius Leutheuser oder Joachim Hossenfelder, teilweise wurde die Hinwendung zur Kirche ganz öffentlich gezeigt, etwa durch Gottesdienstbesuche uniformierter SA-Verbände.5 Außerdem entfaltete die NSDAP gezielte Propaganda, beispielsweise anlässlich des preußischen Kirchenvertrages 1931, um das Wohlwollen evangelischer Kreise und damit eines großen Wählerpotentials zu gewinnen. Diese Bemühungen zielten darauf, den Nationalsozialismus als einzige politische Kraft zu zeigen, die die Rechte und Belange der evangelischen Kirche wahren und schützen würde; die NSDAP konnte dabei auf antibolschewistische und antirömische Reflexe innerhalb der evangelischen Kirche rekurrieren.6 Weiter noch ging 1932 der brandenburgische Gauleiter Wilhelm Kube, der die preußischen Kirchenwahlen im November des Jahres politisch nutzbar machen wollte. Er trieb die Gründung einer nationalsozialistischen Kirchenliste voran, um die evangelische Kirche zu „erobern“.7 Schließlich wurde so am 6. Juni 1932 die „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ gegründet, die fortan eine entscheidende Rolle in den kirchenpolitischen Entwicklungen spielen sollte.8 Die Deutschen Christen errangen bei der Kirchenwahl 1932 zwar beachtliche Erfolge, doch war die evangelische Kirche von einer „Eroberung“ weit entfernt. Die Nationalsozialisten aber hatten mit den Deutschen Christen organisatorisch innerhalb der Kirche Fuß fassen können und die Kirche politisiert.9 In den bestehenden Kirchenleitungen und der Pfarrerschaft jedoch herrschte eine eher abwartende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus, zumal die Kirchenleitungen, als über den Parteien stehend, sich politisch auf eine neutrale Position verpflichtet sahen. Auch der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 standen die traditionell eher nationalkonservativ gesinnten kirchlichen Kreise ambivalent gegenüber. Wenngleich man die Regierung der „nationalen Einheit“ durchaus begrüßte – Hitlers Kabinett bestand schließlich überwiegend aus konservativen Politikern – so war man doch um die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche besorgt.10 Hitlers kirchenpolitisches Verhalten zu Beginn des „Dritten Reiches“ ließ die Kirchen ihre anfängliche Zurückhaltung bald vergessen. Eine entscheidende Rolle spielten dabei Hitlers Äußerungen, die die Kirchen glauben ließen, ihnen sei in der zukünftigen Ausrichtung des Staats- und Gesellschafts-

5 Vgl. Scholder, Kirchen im Dritten Reich, 8; Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 22 – 25. 6 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 25 f. 7 Vgl. Kubes Artikel im Völkischen Beobachter vom 10. / 11. 1. 1932 (teilweise abgedruckt in: Buchheim, Glaubenskrise, 73 f.); auch Scholder, Kirchen I, 256 f.; Meier, Christen, 10. 8 Vgl. zur Entstehung der Deutschen Christen: Meier, Christen, bes. 1 – 17; Scholder, Kirchen I, 239 – 274; Meier, Kirchenkampf I, 56 – 76; Buchheim, Glaubenskrise, 70 – 79; Wright, Parteien, 146 – 162. 9 Vgl. Scholder, Kirchen I, 273; Meier, Religionspolitik, 23 f. 10 Vgl. Wright, Parteien, 186 – 188; Norden, Krise, bes. 44.

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Die nationalsozialistische Kirchenpolitik 1933 – 1935

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wesens eine wichtige Rolle zugedacht.11 Außerdem trug der „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933, als die Verbindung des konservativen Preußentums mit der neuen nationalsozialistischen Bewegung bekräftigt wurde, dazu bei, die politische Zurückhaltung der Kirche zu überwinden. Gleichzeitig lehnten jedoch die Kirchenoberen häufig die staatliche oder nationalsozialistische Einmischung in innerkirchliche Belange grundsätzlich nach wie vor ab. Dennoch schien sich nun die ersehnte Möglichkeit einer Rechristianisierung der Gesellschaft zu bieten, auf Basis der sich pro-kirchlich gebenden und vor allem national-konservativ eingerahmten Hitlerbewegung, die zudem bestrebt war, den von der evangelischen Kirche als bedrohlich empfundenen politischen Katholizismus zu überwinden. Es schien der Kirche zunächst so, als würde Hitler sich auf konservativ-preußische und christliche Werte berufen, Recht, Ordnung und Sittlichkeit wiederherstellen und eine wahre „Volksgemeinschaft“ anstreben – und somit helfen, auch die Volkskirche voranzutreiben. Und die Volkskirche pflegen und ausbauen, mit ihr den kirchlichen Einfluss auf den Staat und die „Volksgemeinschaft“ wahren, das wollten nahezu alle kirchlichen Gruppen, auch um den Preis, dafür dem Staat Konzessionen machen zu müssen.12 Nicht nur die volksmissionarische Chance sprach für den Nationalsozialismus. Außerdem bestand auf manchen Gebieten auch eine ideelle Übereinstimmung der konservativen Kirchenvertreter und weiter Teile der Pfarrerschaft mit den Nationalsozialisten: etwa bei der Ablehnung des Versailler Vertrages, außenpolitischen Fragen, dem Antibolschewismus oder auch dem Antisemitismus, auch wenn letzterer unterschiedlich begründet war. Außerdem besaß Hitlers Bewegung besonderen Rückhalt in der Jugend, die die Kirche nicht vernachlässigen wollte. Nicht zuletzt war Hitler nun auch die staatliche Obrigkeit, der die Kirche Gehorsam schuldig zu sein glaubte. In dieser Aufbruchsstimmung wurden nur allzu gern die SA-Exzesse übersehen, ebenso, dass Hitler den Nationalsozialismus als Weltanschauung mit Absolutheitsanspruch verstand, neben dem die Kirchen letztlich nur eine Konkurrenz darstellen konnten.13 Hinter Hitlers kirchenpolitischen Maßnahmen in den ersten Monaten nach der „Machtergreifung“ stand vor allem das Kalkül, nicht den Widerstand der Kirchen zu provozieren, um die eigene Machtkonsolidierung nicht zu gefährden. Die Kirchen sollten in den totalitären Staat möglichst reibungsarm eingegliedert werden – auf welche Weise auch immer. Dabei war sein Vorgehen 11 Vgl. den Aufruf der Reichsregierung an das deutsche Volk vom 1. 2. 1933 (Domarus, Reden, 191 – 194, hier bes. 192); und die Regierungserklärung vom 23. 3. 1933 (Dokumente I, 24). 12 Vgl. aber zu den unterschiedlichen volkskirchlichen Vorstellungen: Meier, Volkskirche; Leipold, Volkskirche, 24 – 51. 13 Vgl. insgesamt zum Protestantismus in der Anfangszeit des Nationalsozialismus: Gailus, 1933; Brakelmann, Nationalprotestantismus; Norden, Stellung; auch Rçhm, Machtergreifung; Scholder, Kirchen I, bes. 277 – 299; Becker, Euphorien, 37 – 44; Norden, Krise, bes. 42 – 64; Ericksen, Question, 97 – 103; Oelke, Begeisterung, 283 f., 288 – 293; Strohm, Kirchen, 16 – 23; hier auch bes. Link, Rechtsgeschichte, 192 – 196.

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Die Vorgeschichte

immer wieder schwankend und auf wechselnde Ziele angelegt, je nachdem, welche Erfordernisse die allgemeine politische Situation mit sich brachte. Für die evangelische Kirche ergab sich mit den neuen politischen Verhältnissen nach dem Januar 1933 Handlungsbedarf. Die Deutschen Christen gaben auf ihrer ersten Reichstagung, die vom 3. bis 5. April 1933 in Berlin stattfand, die schon länger kursierende Parole der Schaffung einer Reichskirche aus.14 Es sollten dabei die 28 evangelischen Landeskirchen zu einer zentralen Reichskirche vereint werden.15 Dies sollte durch für Hitler akzeptable, politisch zuverlässige Männer geschehen; die Deutschen Christen wollten in der Kirche die „Macht ergreifen“. Diese Zielsetzung lag durchaus auf der kirchenpolitischen Linie Hitlers. Zu diesem Zeitpunkt sah dieser die Deutschen Christen noch als nützliches Werkzeug an, um in der Kirche seine Interessen durchzusetzen, weshalb sie zunächst mit der Unterstützung der NSDAP und des Reichskanzlers rechnen konnten.16 Doch zunächst ergriff Präsident Hermann Kapler im Namen des Kirchenausschusses des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes die Initiative. Kapler war zu zeitgemäßen Reformen bereit, aber vor allem alarmiert durch die kurzzeitige Einsetzung eines Staatskommissars in Mecklenburg-Schwerin17 und durch den Aktivismus der Deutschen Christen. Diese hatten auf ihrer Reichstagung das „Recht der Revolution“ herausgestellt, „auch einer Kirchenbehörde gegenüber, die die nationale Erhebung nicht vorbehaltlos anerkennt“18. Am 23. April 1933 wurde daher das sogenannte Drei-MännerKollegium gebildet, bestehend aus Kapler selbst, Landesbischof August Marahrens und dem Direktor des Reformierten Predigerseminars in Elberfeld Hermann Albert Hesse. Das Gremium sollte eine neue Verfassung für die Deutsche Evangelische Kirche vorbereiten.19 Um hierbei Einfluss auf die Entwicklungen ausüben und sie in die gewünschte Richtung lenken zu können, ernannte Hitler am 25. April 1933 den Wehrkreispfarrer Ludwig Müller zu seinem „Bevollmächtigten für die Angelegenheiten der evangelischen Kirche“ mit dem „besonderen Auftrag, alle Arbeiten zur Schaffung einer evangelischen deutschen Reichskirche zu fördern.“20 Damit hatte Hitler nicht 14 Vgl. die Entschließung der Tagung (KJ, 24). 15 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 66. Der Gedanke, eine Reichskirche zu schaffen, wurde auch von den traditionellen Kirchenoberen nicht grundsätzlich abgelehnt. Statt der von Hitler und den Deutschen Christen angestrebten zentralistischen, einheitlichen Reichskirche kam für die konservativ konfessionellen Kirchenvertreter jedoch nur eine föderative, bekenntnisgebundene Reichskirche in Frage. Vgl. zu den unterschiedlichen Konzeptionen: Meier, Reichskirche, 114 – 118. 16 Vgl. Conway, Kirchenpolitik, 37. 17 Vgl. dazu Meier, Kirchenkampf I, 337 – 339; Scholder, Kirchen I, 379 – 382; Buchheim, Glaubenskrise, 87 – 91. 18 KJ, 24. 19 Vgl. zu den Gründen der Einberufung des Kollegiums besonders Scholder, Kapitulation, 193 f.; zu den Verhandlungen Klìgel, Landeskirche, 30 – 40. 20 Dokumente I, 43.

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Die nationalsozialistische Kirchenpolitik 1933 – 1935

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nur sein Interesse an einer Reichskirche bekundet, sondern zudem noch mit der Personalie Ludwig Müller, dem Landesleiter der ostpreußischen Deutschen Christen, den Hitler bereits seit der „Kampfzeit“ der nationalsozialistischen Bewegung kannte,21 eine Weichenstellung vorgenommen:22 Zum einen ließ er seine Unterstützung der Deutschen Christen erkennen, zum anderen zog Hitler offenbar Müllers gemäßigtes „staatskirchlich-konservative[s] Kirchenideal“23 den radikal deutsch-christlichen Vorstellungen anderer DCFührer vor.24 Hitler hoffte, damit eine möglichst reibungslose Selbstunterwerfung der Kirche einleiten zu können. Unterdessen begannen die Beratungen des Drei-Männer-Kollegiums, an denen zum Teil auch Ludwig Müller teilnahm. Die Verhandlungen konnten mit der Veröffentlichung des „Loccumer Manifests“25, auf dessen Grundlage nun die neue Verfassung entstehen sollte, Ende Mai in voller Übereinstimmung erfolgreich abgeschlossen werden. Es war vorgesehen, in der neuen Ordnung das Amt eines Reichsbischofs einzuführen. Obwohl Müller dieses Amt offen anstrebte und darauf verweisen konnte, als Bevollmächtigter Hitlers auch vom Staat gewünscht zu sein, wurde am 27. Mai 1933 in einem „letzten autonomen Akt der alten Kirche“26 Friedrich von Bodelschwingh von den Kirchenführern als Reichsbischof designiert.27 Dies war für Hitler zweifellos eine Provokation. Folgerichtig versagte er von Bodelschwingh die staatliche Anerkennung und war nicht bereit, ihn zu empfangen. In den folgenden Wochen wurde von Bodelschwingh von Müller und den Deutschen Christen, die darin auch von der NSDAP unterstützt wurden, öffentlich derart unter Druck gesetzt und attackiert, dass er am 24. Juni 1933 die Konsequenzen zog und von seiner Reichsbischofskandidatur zurücktrat.28 Letzter Anlass für diesen Schritt war die Einsetzung eines Staatskommissars in Preußen am selben Tage. Dieses staatliche Eingreifen war möglich geworden, weil bei der Nachfolgeregelung für den mittlerweile in den Ruhestand getretenen Hermann Kapler ein Formfehler begangen wurde: Nach der sogenannten „politischen Klausel“ des preußischen Kirchenvertrags von 1931 besaß der Staat vor der Besetzung leitender kirchlicher Ämter ein Einspruchsrecht, sollten „Bedenken politischer Art“ bestehen.29 Der preußische Kultusminister Bernhard Rust warf nun der Kirche vor, bei der Berufung von Kaplers Nachfolger

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Vgl. Schneider, Reichsbischof, 80 – 82. Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 68. Kreutzer, Reichskirchenministerium, 40. Vgl. Conway, Kirchenpolitik, 57; Buchheim, Glaubenskrise, 94 f. Abgedruckt in: KJ, 25. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 71. Vgl. zu dem Ablauf der Wahl: Scholder, Kapitulation, 199 – 201. Vgl. ebd., 201 – 206. Der Vertrag ist beispielsweise abgedruckt in: Weber, Konkordate, 168 – 176, hier 170.

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Die Vorgeschichte

diesen Vertrag gebrochen zu haben, woraus er die Berechtigung ableitete, einen Staatskommissar einzusetzen.30 Während der neue Staatskommissar, August Jäger, umgehend damit begann, die Kirchenleitungen der preußischen Landeskirchen rigoros zugunsten der Deutschen Christen umzubesetzen, wurden Anfang Juli 1933 die Arbeiten an der neuen Kirchenverfassung wieder aufgenommen und innerhalb kurzer Zeit abgeschlossen. Es lag im Interesse aller Beteiligten, die Arbeiten an der Verfassung voranzutreiben: Hitler war dringend an einer Beruhigung der Lage gelegen, weil die Kirchenfrage im In- und Ausland bereits für Unruhe sorgte. Die Kirche ihrerseits wollte das Staatskommissariat möglichst schnell beenden.31 Am 11. Juli 1933 konnte Landesbischof Marahrens die Fertigstellung der Verfassung vermelden,32 bevor sie drei Tage später per Reichsgesetz bestätigt wurde.33 Die Verfassung entsprach keineswegs den Grundsätzen der radikalen Deutschen Christen, sondern konnte auch von den bisherigen Landeskirchenführern mitgetragen werden. Am 14. Juli 1933 wurde der Staatskommissar samt seiner Unterkommissare zurückgezogen, schließlich hatte der Staat seine Ziele erreicht: Von Bodelschwingh war zurückgetreten, Müller und mit ihm diverse Deutsche Christen waren für zukünftige Posten in Position gebracht und eine Verfassung war verabschiedet worden, die, so die Annahme, den zukünftigen Plänen der Nationalsozialisten nicht im Wege stehen würde. Außerdem wurden kurzfristig für den 23. Juli 1933 Kirchenwahlen für sämtliche Landeskirchen angesetzt – die Kirche sollte sich selbst unterwerfen. Bei den Wahlen traten im Wesentlichen die Deutschen Christen gegen die von der Jungreformatorischen Bewegung unterstützte Liste „Evangelium und Kirche“ an. Der Wahlkampf wurde massiv durch Staat und Partei sowie Hitler persönlich beeinflusst. Für Hitler ging es bei dieser Kirchenwahl auch um sein persönliches Ansehen, denn er hatte sich im Vorfeld zugunsten der Deutschen Christen positioniert, so dass eine Wahlniederlage in dieser Phase seiner politischen Machtkonsolidierung für ihn ein herber Schlag gewesen wäre. Aus diesem Grund sprach er sich am Vorabend der Wahl in einer Rundfunkansprache direkt für die Deutschen Christen aus.34 Die äußerst kurze Vorbereitungszeit und einige Behinderungen der kirchlichen Opposition durch staatliche Stellen taten ein Übriges, so dass es den Deutschen Christen gelang, die Kirchenwahlen deutlich für sich zu entscheiden.35 Nun mussten nur noch 30 Vgl. zur Einsetzung des Staatskommissars: Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 69 – 76; Scholder, Kirchen I, bes. 441 f., 444 f.; Meier, Kirchenkampf I, 100 f.; Norden, Krise, 71 f. 31 Vgl. zu Staatskommissariat und Verfassungsgenese: Scholder, Kirchen I, 453 – 481; Meier, Kirchenkampf I, 101 – 103; Kater, Kirche, 85 – 111; Buchheim, Glaubenskrise, 106 – 118; Norden, Krise, 73 – 81. 32 Die Verfassung ist abgedruckt in: Dokumente I, 185 – 190. 33 Ebd., 107 – 109. 34 Ebd., 119 – 121. 35 Vgl. zu den Kirchenwahlen: Meier, Kirchenkampf I, 103 – 106; Scholder, Kirchen I, 560 – 570.

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die Kirchenleitungen mit Deutschen Christen besetzt werden. Am 27. September 1933 wählte die erste deutsche Nationalsynode in Wittenberg Ludwig Müller zum Reichsbischof; aufgrund der Kirchenwahlergebnisse gerieten außerdem viele Landeskirchen in deutsch-christliche Hände. Hitler war es in all den Auseinandersetzungen um das Staatskommissariat gelungen, nicht negativ damit verbunden zu werden und erst am Ende der Affäre als der „neutrale und wohlwollende Patron“36 der Kirche aufzutreten. Ab Anfang August 1933 kehrte er wieder zu seinem alten Neutralitätskurs zurück und verbot in Staat und Partei „jegliche Einflußnahme auf die Entwicklung der Verhältnisse in der evangelischen Kirche“37. Da die Eroberung der Kirche im September 1933 abgeschlossen schien, bestand keine Notwendigkeit mehr, sich für die Deutschen Christen zu exponieren. Teile der NSDAP standen ohnehin auch zu den Deutschen Christen in weltanschaulichem Gegensatz, der nur zugunsten der Gleichschaltung der Kirche und eingedenk innen- und außenpolitischer Erwägungen gewissermaßen ausgesetzt worden war. So kann man mit Leonore Siegele-Wenschkewitz die Haltung der Partei ab Sommer 1933 bis auf weiteres als „abwartende Neutralität“38 bezeichnen – eine Neutralität allerdings, die auf den „systematische[n] Rückzug der Partei von jedweder Verbindung mit der evangelischen und der katholischen Kirche“39 abzielte. Innerhalb der evangelischen Kirche spielten sich indes dramatische Entwicklungen ab. Auf der einen Seite gerieten die Deutschen Christen, von der NSDAP fallen gelassen und innerlich uneins, bald nach der Wahl Müllers zum Reichsbischof in eine Krise, die ihren Höhepunkt in der Sportpalastkundgebung am 13. November 1933 fand und in einen beginnenden Zerfallsprozess mündete.40 Auf der anderen Seite bildete sich eine immer stärker werdende kirchliche Opposition gegen die Deutschen Christen heraus, insbesondere vertreten durch den Pfarrernotbund und die Bischöfe der „intakten“ Landeskirchen.41

36 Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 130. 37 Laut einer Anordnung von Rudolf Heß vom 12. Januar 1934 hat sich Hitler am 5. August 1933 in dieser Form geäußert. Vgl. Baier, Christen, 371 f., Zitat 371. Ähnlich auch Reichsinnenminister Fricks Anordnung vom 30. 11. 1933 (Dokumente I, 181). Vgl. insgesamt zu Hitlers Kurswechsel: Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 127 – 131, 137 – 140; Scholder, Kirchen I, 570 – 572; Meier, Kirchenkampf I, 127 – 129; Zipfel, Kirchenkampf, 41; Scholder, Sicht, 19 f.; Meier, Kirche und Nationalsozialismus, 57 f. 38 Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 137, 142. 39 Nolzen, Nationalsozialismus, 163. 40 Vgl. zum Niedergang der Deutschen Christen: Meier, Kirchenkampf I, bes. 132 – 145; Ders., Christen, 34 – 55; Scholder, Kirchen I, bes. 701 – 706; Buchheim, Glaubenskrise, 124 – 147; Norden, Krise, 129 – 142; Bergen, Cross, 17 f. 41 Der Pfarrernotbund war am 21. September 1933 von Pfarrer Martin Niemöller gegründet worden und erfreute sich sofort sehr regen Zuspruchs. Vgl. Scholder, Kirchen II, 37.

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Die Vorgeschichte

Nach dem Sportpalastskandal, dem Scheitern von Müllers Geistlichem Ministerium Ende November 1933 und mit dem wachsenden Druck der Opposition im Rücken, verfolgte Reichsbischof Müller unter dem maßgeblichen Einfluss von August Jäger und dem rheinischen deutsch-christlichen Bischof Heinrich Oberheid ab Ende 1933 ein neues kirchenpolitisches Konzept. In Abkehr von seiner bisherigen Vorstellung, einer mit dem Staat eng verbundenen, aber doch selbständigen Kirche, strebte er nun die völlige Unterwerfung der Kirche unter den Staat an. Dazu sollte mit einem „Minister in evangelicis“ der Summepiskopat wiederhergestellt werden.42 Bei der Erreichung ihrer Ziele stand Müller und seinen Beratern nun vor allem die Verfassung vom 11. Juli 1933 im Wege, die den Landeskirchen eine starke Stellung gelassen und die Position des Reichsbischofs beschränkt hatte.43 Um diese Probleme zu beseitigen, bemühten sich Müller und seine Mitstreiter, allen voran August Jäger, die Schlüsselfigur der kommenden Entwicklungen, eine regelrechte Reichsbischofsdiktatur zu errichten und die Landeskirchen mit der Reichskirche gleichzuschalten. Dies verstärkte die schon vorhandenen scharfen Proteste der kirchlichen Opposition.44 Um seine Kritiker zum Schweigen zu bringen, sah sich Müller genötigt, am 4. Januar 1934 den sogenannten „Maulkorberlass“45 in Kraft zu setzen. Diese Maßnahme führte allerdings zum Gegenteil der intendierten Wirkung; die Opposition verstummte keineswegs, sondern forderte den Rücktritt des Reichsbischofs.46 Dabei konnte die Oppositionsbewegung auch auf die Unterstützung von Reichsinnenminister Wilhelm Frick zählen, dessen Ministerium auf Reichsebene zu dieser Zeit für Kirchenangelegenheiten zuständig war.47 Frick, grundsätzlich den Kirchen gegenüber durchaus aufgeschlossen, war daran interessiert, in der evangelischen Kirche wieder verfassungsmäßige, friedliche und geordnete Verhältnisse herzustellen, die auch klare Beziehungen zum Staat ermöglichen würden.48 Müllers Politik der „Rechtswidrigkeiten und Täuschungsmanöver[.]“49 war aus Sicht Fricks dazu nicht geeignet, so dass er gegenüber Hitler am 18. Januar 1934 für Müllers Absetzung plädierte.50 Auch 42 Vgl. Schneider, Reichsbischof, bes. 180 – 182; Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 79 f., 165 f. 43 Vgl. Scholder, Kirchen II, 31 f. Vgl. auch zur Stellung der Landeskirchen: Weber, Föderalismus, bes. 75 – 77. 44 Etwa wegen der Eingliederung des Evangelischen Jugendwerkes in die Hitlerjugend am 19. Dezember 1933, vgl. dazu Meier, Kirchenkampf I, 146 – 153; Scholder, Kirchen I, 731 – 738; Schneider, Reichsbischof, 170 – 179. 45 Diese „Verordnung betreffend die Wiederherstellung geordneter Zustände in der Deutschen Evangelischen Kirche“ ist abgedruckt im GBlDEK, 1934, 1. 46 Vgl. zum „Maulkorberlass“ und den folgenden Reaktionen: Scholder, Kirchen II, bes. 34 – 44; Meier, Kirchenkampf I, 154 f. 47 Vgl. Boberach, Organe, 305 f. 48 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 172 – 175. 49 Greschat, Bekenntnis, 103. 50 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 175 f.

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Reichspräsident Paul von Hindenburg, den massive Proteste gegen Müllers Politik erreichten, hielt dessen Entfernung für geboten.51 Hitler musste persönlich über den Fortgang der Dinge entscheiden. Nach mehreren Terminverschiebungen und Änderungen des geladenen Personenkreises fand am 25. Januar 1934 der entscheidende Kanzlerempfang statt, an dem Vertreter aller streitenden Seiten teilnahmen.52 Für Hitler war die Angelegenheit nach seiner früheren Unterstützung Müllers eine Prestigefrage, zumal ein öffentliches Abrücken vom Reichsbischof zu diesem Zeitpunkt ein Nachgeben gegenüber Frick, Hindenburg und der evangelischen Kirchenopposition bedeutet hätte, was leicht als eine Niederlage Hitlers hätte ausgelegt werden können. Zugleich glaubte der Reichskanzler nach wie vor sein eigenes Anliegen einer gleichgeschalteten Reichskirche bei Müller in guten Händen, auch wenn er aus innen- und außenpolitischen Gründen ein möglichst schnelles Ende der kirchlichen Auseinandersetzungen wünschte.53 Die Audienz nahm für die kirchliche Opposition einen fatalen Verlauf, der letztlich die Kirchenführer nötigte, sich auf eine weitere Zusammenarbeit mit dem Reichsbischof einzulassen. Derart gestärkt begann der Reichsbischof mit dem Versuch, durch Eingliederung der Landeskirchen eine einheitliche Reichskirche zu errichten – die „Gleichschaltung“ der Länder mit dem Reich, die am 30. Januar 1934 mit dem „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vorangetrieben wurde,54 bot hierzu ein staatliches Vorbild.55 Bereits am 2. März 1934 wurde als erste Landeskirche die Altpreußische Union, deren Landesbischof Müller war, mit der Reichskirche gleichgeschaltet. Mit der Berufung August Jägers in Müllers Geistliches Ministerium als „Rechtswalter der Deutschen Evangelischen Kirche“ am 12. April 1934 gewann die Eingliederungspolitik zusätzliche Dynamik.56 In den folgenden Monaten wurden nahezu alle Landeskirchen in die Reichskirche eingegliedert. Am 9. August 1934 trat die Nationalsynode zusammen, um die Gleichschaltungspolitik nachträglich zu legalisieren.57 51 Vgl. Glenthøj, Hindenburg, 52, 70. 52 Vgl. zum Kanzlerempfang, der Gegenstand diverser Untersuchungen geworden ist, hier nur : Niemçller, Hitler ; Ders., Epilog; Glenthøj, Hindenburg; auch Meier, Kirchenkampf I, bes. 160 – 163; Scholder, Kirchen II, bes. 58 – 65; Klìgel, Landeskirche, 95 – 101. Stellungnahmen diverser Beteiligter zum Empfang sind abgedruckt in: Dokumente II, 20 – 33. 53 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 167; Scholder, Kirchen II, 57 f. 54 Das Neuaufbaugesetz ist abgedruckt im RGBl., 1934, 75. 55 Vgl. insgesamt zur Eingliederungspolitik: Scholder, Kirchen II, bes. 87 – 91, 110 f., 159 – 170, 269 – 276, 283 – 295; Meier, Kirchenkampf II, bes. 204 – 221; Krumwiede, Reichsverfassung, 160 – 162; Schneider, Reichsbischof, 191 – 195; Friedrich, Entwicklung des Kirchentums, 424 – 429. 56 Wenige Tage später baute Müller Jägers Machtposition innerhalb der Kirche noch weiter aus, indem er ihn zu seinem Vertreter und zum Leiter der Kirchenkanzlei bestimmte. Vgl. Schneider, Reichsbischof, 192. Während Jäger seine Position in der Kirche ausbauen konnte, schwand Oberheids Einfluss völlig. Vgl. Faulenbach, Weg, bes. 121 – 127. 57 Vgl. zur Nationalsynode: Meier, Kirchenkampf I, 213 – 216; Scholder, Kirchen II, 285 – 287; Gauger, Chronik II, 258, 260

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Unterdessen allerdings hatte sich in der Kirche die Opposition neu gesammelt und formiert. Schon im März 1934 wurde die „Bekenntnisgemeinschaft der Deutschen Evangelischen Kirche“ gegründet, außerdem wurden vielerorts freie Synoden abgehalten. Die „Ulmer Einung“ vom 22. April 1934 markiert dann das Erscheinen der Bekennenden Kirche auf dem kirchlichen Parkett. Sie nahm fortan für sich in Anspruch, die „rechtmäßige Evangelische Kirche Deutschlands“58 zu repräsentieren.59 Wenig später wurde eine nationale Bekenntnissynode anberaumt, die vom 29. bis 31. Mai 1934 in Barmen tagte. Die auf dieser Synode verabschiedete „Theologische Erklärung“60 verlieh der Bekennenden Kirche ein Fundament und stellte ein deutliches Signal für den bekenntniskirchlichen Aufbruch dar. Die Synode sollte ein Zeichen gegen die Reichskirchenregierung und die Deutschen Christen setzen. Eine politische Distanzierung von Staat oder Nationalsozialismus kam für die meist sehr staatsloyal eingestellten Synodalen hingegen nicht in Frage, wurde aber gleichwohl von Gegnern der Bekenntnisbewegung unterstellt.61 Während sich die Bekennende Kirche konstituierte, gingen die Eingliederungen der Landeskirchen in die Reichskirche weiter. Das Vorgehen Müllers und Jägers stieß allerdings nicht nur bei der innerkirchliche Opposition auf Ablehnung. Für Hitler bedenklicher war, dass die Auseinandersetzungen verstärkt auch im Ausland mit Missfallen zur Kenntnis genommen wurden und eine „ernstliche[.] Beeinträchtigung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen des Reiches zum Ausland“62 zu befürchten war ; der „Kirchenkampf“ drohte sich für Hitler zu einer beachtlichen außenpolitischen Belastung zu entwickeln.63 Auch bei der nahenden, politisch wichtigen Saarabstimmung drohten durch Müllers Auftreten Probleme.64 Die kirchlichen Proteste eskalierten, als im Zuge des Versuchs, die Landeskirchen von Bayern und Württemberg gleichzuschalten, die Landesbischöfe Hans Meiser und Theophil Wurm unter Hausarrest gestellt wurden. Diese Komplikationen bewogen Hitler dazu, eine kirchenpolitische Wende zu vollziehen. Am 30. Oktober 1934 empfing der Reichskanzler die Bischöfe Meiser, Wurm und Marahrens, der in Hannover ähnliche Probleme hatte wie seine Amtsbrüder in Bayern und Württemberg, und erkannte sie als „rechtmäßige Kirchenfüh58 Die Ulmer Erklärung ist abgedruckt in: KJ, 65 f., hier 65. 59 Vgl. auch zur „Sammlung der Bekenntniskräfte“: Meier, Kirchenkampf I, 165 – 175 (einleitendes Zitat, 165); Scholder, Kirchen II, bes. 75 – 87, 112 – 118; Strohm, Kirchen, 42 – 44. 60 Abgedruckt beispielsweise in: KJ, 70 – 72. Vgl. zur Genese jener Erklärung: Nicolaisen, Weg. Vgl. ansonsten zu Synode und Erklärung aus dem überaus reichhaltigen Fundus existierender Arbeiten: Niemçller, Barmen I; Meier, Kirchenkampf I, 175 – 203; Scholder, Kirchen II, bes. 171 – 219. 61 Vgl. Norden, Erklärung, bes. 172 – 174; Greschat, Bekenntnis, 107 – 114; Brakelmann, Barmen V, 164 – 168; zu den Teilnehmern der Synode: Greschat, Bedeutung, 107 – 121. 62 Schreiben des Reichsaußenministers Constantin von Neurath vom 18. 6. 1934 (Dokumente II, 137 – 139, hier 137). 63 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 190 – 195; Meier, Kirchenkampf I, 504 – 509. 64 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 192 f.; Scholder, Kirchen II, 320 f.

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rer“65 an, womit sie auch ihre Bischofsämter wieder offiziell übernehmen konnten. Ende Oktober war damit Müllers Reichskirchenprojekt gescheitert: die Eingliederungsgesetze wurden alsbald zurückgenommen,66 die Deutschen Christen von der Staatsführung fallen gelassen, „Jäger gänzlich aus der Kirchenpolitik ausgeschaltet“67 und der Reichsbischof faktisch entmachtet, wenn auch im Amt belassen.68 Doch obwohl die umstrittene Gleichschaltung beendet worden war und die staatlichen Stellen eine Beruhigung in der Kirche erwarteten,69 blieben die kirchlichen Fronten und Zerwürfnisse bestehen; eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen war für die kirchliche Opposition nicht mehr möglich. Während die süddeutschen Bischöfe sich noch unter Hausarrest befanden, hatte am 19. / 20. Oktober 1934 die zweite Reichsbekenntnissynode in Dahlem stattgefunden. Dort hatte die Bekennende Kirche das kirchliche Notrecht ausgerufen.70 Die Zusammenarbeit mit den deutsch-christlichen Kirchenleitungen wurde eingestellt – stattdessen wurden vielerorts Organe der Bekennenden Kirche eingerichtet, die die entsprechenden Leitungsfunktionen wahrnehmen sollten. Auf der Reichsebene gelang es, mit der Ersten Vorläufigen Kirchenleitung ein bekenntniskirchliches Leitungsorgan zu schaffen, das in Abgrenzung zu der bestehenden Reichskirchenregierung die Ordnung und Einheit der Deutschen Evangelischen Kirche wieder herstellen sollte. Die Vorläufige Kirchenleitung der Bekennenden Kirche, unter dem Vorsitz von August Marahrens, wurde analog zum Geistlichen Ministerium gebildet, dessen Funktion sie ausüben sollte. Sie bemühte sich um staatliche Anerkennung, die jedoch nie erfolgte, da die Vorläufige Kirchenleitung gleichsam Institution gewordener Ausdruck der nach wie vor unbefriedeten Situation in der Kirche war – zudem war sie mit dem Verdacht der Staatsfeindlichkeit belastet.71 Hitler selbst fehlte nach der missglückten kirchlichen Selbstunterwerfung ein Plan, der Kirchenfrage Herr zu werden. Nach der Saarabstimmung im Januar 1935, die bis dahin zu Mäßigung Anlass gegeben hatte, wurde der zuvor eher unterschwellige Prozess der „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“72 forciert. Teile der NSDAP

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Formulierung aus einem undatierten Schreiben Wurms (Dokumente II, 196 f., hier 197). Vgl. GBlDEK, 1934, 219. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 197. Vgl. insgesamt zu dem Scheitern der Eingliederungspolitik: Meier, Kirchenkampf I, bes. 501 – 512; Scholder, Kirchen II, 309 – 355; Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 195 – 199; Schneider, Reichsbischof, 206 – 217; Besier, Kirchen, 19 – 22; Friedrich, Entwicklung des Kirchentums, 429 – 432; Strohm, Kirchen, 53 – 62. Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 199 – 201. Vgl. die „Botschaft der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 20. 10. 1934 (Niemçller, Dahlem, 37 f.). Vgl. zur Bildung der 1. Vorläufigen Kirchenleitung: Meier, Kirchenkampf I, bes. 512 – 523; Besier, Kirchen, 38 – 40. Dieses Schlagwort hat Reichsinnenminister Frick wahrscheinlich am 7. Juli 1935 erstmals in

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Die Vorgeschichte

bekämpften die Kirchen, wollten sie aus der Öffentlichkeit und dem gesellschaftlichen Leben zurückdrängen und ihren Einfluss beschneiden. Diese Kräfte gingen davon aus, dass nationalsozialistische Weltanschauung und Christentum unvereinbar wären und daher die Ausschaltung und Vernichtung der Kirchen notwendig sei. Die Bereiche von Kirche und Staat sollten strikt getrennt werden. Die Partei sollte ihre Verbindungen zur Kirche kappen. Die Verfechter dieses Programms können als „weltanschauliche Distanzierungskräfte“73 oder „weltanschauliche Rigoristen“74 bezeichnet werden. In der Parteiführung war dies die dominierende kirchenpolitische Haltung und wurde etwa von namhaften Vertretern wie dem „Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“ Alfred Rosenberg, dem „Stellvertreter des Führers“ Rudolf Heß, dessen Stabsleiter Martin Bormann, SS-Chef Heinrich Himmler, SD-Chef Reinhard Heydrich oder Reichspropagandaminister Joseph Goebbels verfolgt.75 Nach außen begründete die Parteiführung ihre Maßnahmen und Distanzierungsabsichten mit dem Verweis auf ihre Neutralität gegenüber kirchlichen Angelegenheiten.76 Neben dieser kirchen- und christentumsfeindlichen Fraktion existierte in der NSDAP eine Gruppe „christlicher Nationalsozialisten“, die davon ausgingen, Christentum und nationalsozialistische Weltanschauung könnten miteinander verbunden werden.77 Der spätere Reichskirchenminister Hanns Kerrl und die Deutschen Christen, die unter dieser Denkprämisse die Gleichschaltung der Kirche anstrebten, zählten zu dieser Fraktion. Der grundlegende Gegensatz dieser beiden Konzepte bildete das religionspolitische Spannungsfeld, zwischen dessen Polen die praktische Kirchenpolitik im Nationalsozialismus betrieben werden musste. In den Monaten nach dem Scheitern der Gleichschaltungspolitik kursierten diverse kirchenpolitische Vorstellungen, wie das zukünftige Verhältnis von Kirche und Staat aussehen könnte. Die Pläne, die in zahlreichen Denkschriften und Memoranden ausgearbeitet wurden, reichten von der Errichtung eines Staatskirchentums bis hin zur strikten Trennung von Kirche und Staat.

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einer Rede verwendet und geprägt. Er forderte: „Wir Nationalsozialisten verlangen eine völlige Entkonfessionalisierung des gesamten öffentlichen Lebens.“ Dokumente II, 331 f., hier 332. Begriff bei Meier, Kirchenkampf III, 15. Begriff bei Dierker, Glaubenskrieger, 424. Vgl. zu den „weltanschaulichen Rigoristen“: Meier, Kirchenkampf III, 15 – 26; Besier, Kirchen, 215 – 235; Grìnzinger, Einleitung IV, XIV – XVI; Dies., Einleitung III, XXX; Longerich, Stellvertreter, 234 – 255; Heckel, Säkularisierung, bes. 853 – 858. Vgl. beispielsweise Bormanns Anordnung vom 7. 1. 1936 (Dokumente III, 150). Vgl. zu den widerstreitenden religionspolitischen Gruppen in der NSDAP: Gailus, Volk, bes. 255 – 258; Ders., „Nationalsozialistische Christen“; Luchterhandt, Rechtsstellung, 123 – 125; Meier, Kirche und Nationalsozialismus, bes. 59 – 63; Conway, Kirchenpolitik, bes. 153, 176 – 180, 218 f.; Wenschkewitz, Geschichte, 198 f.; Weber, Entwicklung des nationalsozialistischen Regimes, 368 – 370, 373 f.

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Die staatskirchenrechtliche Entwicklung bis 1935

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1.2. Die staatskirchenrechtliche Entwicklung bis 1935: Zwischen Staatskirche und der Trennung von Kirche und Staat Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht gelangten, fanden sie das staatskirchenrechtliche System der Weimarer Republik vor. Es basierte auf der Weimarer Reichsverfassung von 1919,78 mit der das vorherige landesherrliche Kirchenregiment beseitigt worden war. Dieses hatte bis 1918 für eine enge Verbindung von „Thron und Altar“ gesorgt und „den evangelischen Kirchen rechtlich Schutz und Schirm gewährt“79, auch wenn die Kirchen bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts eine gewisse Selbständigkeit erlangt hatten; eine Staatskirche im engeren Sinne, bei der Kirche und Staat eine Gesamtkörperschaft bilden, bestand zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr. Es hatte sich die Rechtsfigur einer Scheidung des ius circa sacra und des ius in sacra durchgesetzt. Unter dem ius circa sacra wurden die Kirchenhoheitsrechte verstanden, die dem Landesherren kraft seiner Souveränität gegenüber jeder Religionsgemeinschaft in seinem Herrschaftsbereich zukamen – also etwa bestimmte Kontroll- und Aufsichtsrechte oder die Regelung der äußeren Rechtsstellung der Religionsgemeinschaften. Das ius in sacra hingegen umfasste die innerkirchlichen Leitungsrechte, also etwa Fragen des Kultus und der Sakramente sowie die kirchliche Rechtsetzung und Verwaltung. In manchen gemeinsamen Angelegenheiten wurde ein Zusammenwirken von Staat und Kirche als notwendig angesehen, insbesondere bei der Vermögensverwaltung und der Verleihung kirchlicher Ämter.80 In der evangelischen Kirche war der Landesherr, der als solcher das ius circa sacra innehatte, in Personalunion zugleich der Summus Episcopus seiner Landeskirche(n), womit ihm auch das ius in sacra zukam – so konnte er einmal als Staats-, einmal als Kirchenorgan die Rechte beider Bereiche ausüben, unbeschadet der Tatsache, dass gleichwohl Staat und Kirche institutionell bereits getrennt waren.81 Nun ergab sich zu Beginn der Weimarer Republik die neue Situation einer grundsätzlichen Trennung von Kirche und Staat.82 Die Weimarer Reichsverfassung bestimmte: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden 78 Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. 8. 1919 ist abgedruckt in: Huber, Dokumente IV, 151 – 179; die staatskirchenrechtlich relevanten Paragraphen auch in: Ders., Staat IV, 128 – 132. 79 Campenhausen, Staatskirchenrecht, 32. 80 Vgl. Ebers, Staat, 62 f.; Schlief, Entwicklung, 30 f. 81 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte I, 394 – 396; Campenhausen, Staatskirchenrecht, 29; Heckel, Auseinandertreten, bes. 180 – 183; Maurer, Verwaltung, 106 – 112; Giese, System, bes. 9. 82 Vgl. insgesamt zum Weimarer Staatskirchenrecht: Weber, System; Huber, Verfassungsgeschichte VI, 864 – 936; Giese, System, bes. 34 – 48; Link, Rechtsgeschichte, 168 – 179; Campenhausen, Staatskirchenrecht, 31 – 34; Link, Staat und Kirchen, 450 – 463, 466 – 473; Gusy, Reichsverfassung, 321 – 330; Kaufmann, Staatskirchenrecht, 190 – 192.

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Die Vorgeschichte

Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates“83. Das verwirklichte Trennungsszenario war jedoch kein radikales.84 So wurden die Kirchen staatskirchenrechtlich nicht etwa auf den Status privatrechtlicher Vereine gestellt, sondern behielten die Stellung einer Körperschaft öffentlichen Rechts.85 Nach der „Korrelatentheorie“ bedingte diese privilegierte Stellung der Kirchen wiederum eine besondere Staatsaufsicht. Es zeichnete sie aus, dass sie zwar den Kirchen grundsätzlich ein Selbstbestimmungsrecht in ihren inneren Angelegenheiten zugestand, dem Staat aber besondere, von ihm selbst definierte Rechte beließ (etwa bei der kirchlichen Gesetzgebung, der Ämterbesetzung und der Finanzverwaltung), anders als es bei einer strikten Trennung der Fall gewesen wäre. Im Laufe der Zeit wurden diverse Kirchenverträge zwischen den Ländern, die die Ausgestaltung des Staatskirchenrechts vorantrieben, und den jeweiligen evangelischen Landeskirchen abgeschlossen. Damit wurde in Überwindung der Korrelatentheorie und zunehmend auch der Staatskirchenhoheit deutlich, dass die Kirchen mehr und mehr als vom Staat unabhängige Größe akzeptiert wurden, mit der eine äußere Abstimmung notwendig war.86 Die evangelische Kirche hatte durch die neuen Verhältnisse „unverhältnismäßig viel mehr gewonnen als verloren“87; trotz der Staatskirchenhoheit hatte sie grundsätzlich ihre Freiheit und Unabhängigkeit erlangt. Auch finanziell war sie abgesichert worden. Sie hatte das Recht, Steuern zu erheben,88 und musste nicht befürchten, dass der Staat plötzlich seine Staatsleistungen aufheben könnte. Diese sollten zwar durch die Länder abgelöst werden89 – also gegen Zahlung einer Entschädigung eingestellt bzw. durch eine Ablösungsleistung ersetzt werden –, doch hierfür hatte zunächst das Reich ein entsprechendes Grundsatzgesetz zu erlassen; bis dahin sollten die bisherigen Leistungen weiter gewährt werden.90 Da ein solches Gesetz nie zustande kam, erlangte diese Sperrvorschrift „den Charakter einer dauernden Status-quoGarantie“91. Darüber hinaus wurden die Staatsleistungen in der Praxis der Inflation angepasst.92 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92

Art. 137 Abs. 3 WRV (Huber, Staat IV, 129). Vgl. Scheuner, Kirche, 245. Art. 137 Abs. 5 WRV (Huber, Staat IV, 129). Vgl. die ebd., 672 – 739, abgedruckten Kirchenverträge; auch Campenhausen, Staatskirchenrecht, 32 – 34; Link, Rechtsgeschichte, 183 – 191. Scholder, Kirchen I, 34. Art. 137 Abs. 6 WRV (Huber, Staat IV, 129). Art. 138 Abs. 1 WRV (ebd., 130). Dies garantierte Art. 173 WRV (ebd., 132). Ders., Verfassungsgeschichte VI, 893. Daneben profitierte die Kirche auch von den sogenannten negativen Staatsleistungen, also der Befreiung von verschiedenen staatlichen Steuern, Gebühren und Kosten. Vgl. zum vielbehandelten Thema der Ablösung der Staatsleistungen hier nur: Ders., Garantie, bes. 56 – 61, 93 – 106; Weber, Ablösung, bes. 1 – 9, 37 – 44, 50 – 85; Thierfelder, Religionspolitik, 201 f., 210.

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Diese staatskirchenrechtlichen Neuregelungen und die uneingeschränkte Religionsfreiheit wurden von einem nach der Weimarer Verfassung in religiösen Fragen liberalen und neutralen Staat garantiert. Mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten war dies hinfällig. Der NS-Staat verfolgte ganz wesentlich weltanschauliche Interessen und konnte sich nun, wenn dies nötig schien, auf die Korrelatentheorie und Weimarer Praxis berufen, um staatskirchenhoheitlich Einfluss auf die Kirchen auszuüben. Er konnte die staatliche Kirchenhoheit außerdem damit rechtfertigen, dass etwa die kirchliche Vermögensverwaltung über den rein geistlichen Bereich in den weltlichen hinausrage und die Religionsgesellschaften erhebliche Staatsleistungen bezögen93 – auch damit knüpfte er an ältere Vorstellungen an. Umso mehr konnte sich der Staat berufen fühlen, in die kirchliche Autonomie einzugreifen, je zerrütteter die Verhältnisse dort wurden; denn der Staat hatte, so die Argumentation, seine Aufsichtspflichten wahrzunehmen und geordnete Zustände in der Kirche mitzuverantworten, solange diese eine Körperschaft öffentlichen Rechts war94 – und dieser Status wurde ihr auch vom NS-Regime nicht bestritten, was das Reichsgesetz über die Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 14. Juli 1933 noch einmal bestätigte.95 Soweit wurden also – wenn auch unter den veränderten Vorzeichen des nationalsozialistischen Staates – frühere staatskirchenrechtliche Auffassungen übernommen. Gleichzeitig hatte die Weimarer Reichsverfassung nach herrschender staatsrechtlicher Auffassung ihre Geltung als Verfassung verloren.96 Damit aber war nicht gleichzeitig der gesamte Verfassungstext hinfällig geworden, da die einzelnen Bestimmungen nun als normale Gesetzesvorschriften im neuen nationalsozialistischen Staatsrecht weiterlebten, sofern sie nicht im Einzelnen obsolet geworden waren. So sind auch die staatskirchenrechtlichen Artikel zwar grundsätzlich vom NS-Staat übernommen worden, allerdings kam es nun für die „Geltung und Auslegung überkommener Rechtsnormen […] allein darauf an, ob und inwieweit die Norm im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung ausgelegt werden konnte“97 – auch die Religionsartikel mussten also nunmehr „im Geiste des nationalsozialistischen Staates“98 interpretiert werden. Nach Auffassung Ernst Rudolf Hubers, der mit seinem „Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches“ „das 93 Vgl. Huber, Verfassungsrecht, 499 f.; Giese, Einführung, 6. 94 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 58 f., 89; auch Link, Dreivierteljahrhundert, 109 f. Zeitgenössisch: Huber, Verfassungsrecht, 501 f., 507; Giese, Einführung, bes. 1, 4, 6, 8. Vgl. auch Jägers Rundfunkansprache zur Begründung des Staatskommissariats am 27. 6. 1933 (Dokumente I, 71 – 74, hier bes. 72). 95 Art. 2 Abs. 1 (ebd., 108). 96 Vgl. Schmitt, Staat, bes. 5; Ders., Jahr; Huber, Verfassungsrecht, bes. 46 – 54; Ders., Anmerkung, bes. 1745. 97 Vgl. dazu Volkmann, Rechtsprechung, 6 – 10, Zitat 10; Kater, Kirche, 40 – 45; Winter, Wissenschaft, 29 – 32; ferner Heckel, Säkularisierung, 860 – 862. 98 Huber, Anmerkung, 1745.

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staatsrechtliche Hauptwerk des Nationalsozialismus“99 vorgelegt hat, bedeutete das für die staatskirchenrechtlichen Verfassungsartikel, dass ihnen der Artikel 24 des NSDAP-Parteiprogramms als „der für das neue Reichskirchenrecht […] oberste verpflichtende und bestimmende, unbedingt verbindliche Verfassungsgrundsatz“100 übergeordnet wäre. Damit wurde allerdings keine neue staatskirchenrechtliche Grundordnung konstituiert; ein einheitliches staatskirchenrechtliches System wurde im Nationalsozialismus nie geschaffen. Stattdessen blieb das Verhältnis von Staat und Kirche fortan der veränderbaren Kirchenpolitik des NS-Regimes unterworfen.101 Die in Artikel 24 des Parteiprogramms verankerten Vorbehalte gegen die Religionsfreiheit, also eine Staatsgefährdung oder eine Verletzung des „Sittlichkeitsempfindens“ des deutschen Volkes, konnten nun auf kirchliche Akte angewandt und daraus ein Eingriff in die selbständige innerkirchliche Verwaltung abgeleitet werden.102 Das „völkische Reich“ müsse sich schließlich „die Kirchenhoheit in allen Angelegenheiten vorbehalten, die das völkische Ethos, die politische Ordnung und Existenz sowie den staatlichen Aufgabenbereich betreffen“, also alles, was über die „reinen Bekenntnis- und Kultusfragen“ hinausgreife.103 Vor diesem Hintergrund war dem Ausbau der Staatskirchenhoheit kaum eine Grenze gesetzt. Dabei missbrauchten die Nationalsozialisten die Idee der Staatskirchenhoheit, indem sie ihre „Mitverantwortung“ für die Kirche nicht zum Nutzen der Kirche wahrnahmen,104 sondern letztlich auf die Zurückdrängung der Kirchen und Sicherung ihrer, auch ideellen, Alleinherrschaft zielten.105 Diese Tendenzen wurden bald nur noch durch machtpolitische Erwägungen gebremst, die außen- wie innenpolitisch eine „ruhige“ Kirche notwendig machten. Die Konzeptionen für eine Trennung von Kirche und Staat, die Ende 1934 nach der gescheiterten Selbstunterwerfung der Kirche kursierten, hatten einen völlig anderen Charakter, als das in der Weimarer Republik verwirklichte Modell. In Parteikreisen der NSDAP war die strikte Trennung beider Bereiche schon seit dem Sommer 1933 gefordert worden.106 Auch Reichsinnenminister Frick hatte Ende 1934 mit einer solchen Trennung gedroht – die 99 Vgl. Stolleis, Geschichte, 347 – 350, Zitat 349; auch Winter, Wissenschaft, 197 Anm. 428. „Hubers Ausführungen“ können daher „als ein typisches Beispiel nationalsozialistischer Argumentationsweise auf dem Gebiete des Staatskirchenrechts angesehen werden.“ Ebd., 216. 100 Huber, Verfassungsrecht, 495. Vgl. auch Poppitz, Grundfrage, 6 f.; Herrfahrdt, Verfassungsgesetze, 56 – 59. 101 Vgl. Volkmann, Rechtsprechung, 11 – 15; Heckel, Säkularisierung, 853. 102 Vgl. Huber, Verfassungsrecht, 499, dort auch folgende Zitate. 103 Vor allem müsse der Staat darüber wachen, dass die Kirchen „nicht in das politische Gebiet abgleiten und dadurch die Volks- und Staatsordnung gefährden.“ Koellreutter, Verfassungsrecht, 200. 104 Wie die Kirchenhoheit im 19. Jahrhundert verstanden wurde. Vgl. Heckel, Entwicklung, 29, dort auch obiges Zitat. 105 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 59 f. 106 Vgl. ebd., 137 – 145.

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Kirchen sollten nicht nur die staatliche finanzielle Unterstützung verlieren, sondern auch den Status als öffentlich-rechtliche Körperschaft und damit auch das Recht, Kirchensteuern zu erheben.107 Fricks Gedankenspiele hatten wohl nur den Zweck, die renitente Kirche unter Druck zu setzen, um endlich wieder geordnete Zustände herstellen zu können.108 Doch auch Hitler beschäftigte sich ernsthaft mit der Möglichkeit, eine vollständige Trennung von Kirche und Staat herbeizuführen und gab in diesem Sinne eine Denkschrift beim Reichsinnenministerium in Auftrag.109 Die Denkschrift kam jedoch zu einem kritischen Ergebnis, indem sie, auf einer legalistischen Vorgehensweise beharrend, sehr deutlich die Probleme zum Ausdruck brachte, die sich aus einer solchen Trennung ergeben hätten. Denn eine radikale Trennung von Kirche und Staat hätte die staatliche Einflussnahme auf die Kirche deutlich erschwert und zudem eine erhebliche finanzielle Belastung bei der dann nötigen Ablösung der Staatsleistungen bedeutet.110 Aus diesen Gründen wurde das Vorhaben alsbald ad acta gelegt.111 Insgesamt waren die Trennungsbestrebungen zu diesem Zeitpunkt weniger greifbar als die gegenläufigen Pläne eines in neuer Form aufgelegten Staatskirchentums. Reichsbischof Müller äußerte in einem Interview Anfang März 1935, es gäbe Pläne für die Einführung eines Summepiskopats Hitlers.112 Müller versprach sich von einem solchen Szenario auch persönliche Vorteile – etwa hätte Hitler die „oberhirtlichen Rechte“113 an ihn weitergeben können. Zwei erwähnenswerte Denkschriften – eine von Reichsfinanzminister Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk114 und eine vom Leiter der Abteilung für den kulturellen Frieden in der Reichsleitung der NSDAP, Hermann von Detten115 – sprachen sich hingegen für eine abgemilderte Form eines staats107 Vgl. Rede Fricks am 7. 12. 1934 in Stuttgart (Dokumente II, 231 f., hier 232). Vgl. auch Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 175. 108 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 201; Conway, Kirchenpolitik, 124 f. 109 Die Denkschrift „Über Trennung von Kirche und Staat“ wurde wohl Anfang November 1934 verfasst, Hitler aber erst im Januar/Februar 1935 vorgelegt. Sie ist abgedruckt in: Dokumente II, 199 – 211, hier besonders interessant 209 – 211. Vgl. zur Denkschrift: Ebd., 199 Anm. 1; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 66 f.; Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 202 f.; Besier, Kirchen, 21, 97; Luchterhandt, Rechtsstellung, 128 f.; Conrad, Kampf, 122 f., 125. 110 Vgl. Dokumente II, 209 f. 111 Vgl. Meier, Kirchenkampf II, 38, 40; Hartmannsgruber, Kirchensteuer, 453 f.; Schmidt, Bekenntnisse III, 12; Meier, Christen, 73. 112 Vgl. Gauger, Chronik III, 492; außerdem zwei Reden Fricks, am 14. 3. 1935 in Lübeck (Dokumente II, 283 – 285) und am 28. 3. 1935 in Nürnberg (Gauger, Chronik III, 476 – 478); auch Schneider, Reichsbischof, 218; Conrad, Kampf, 124. 113 Meier, Kirchenkampf II, 39. 114 Denkschrift für den Reichsinnenminister „Die Lage in der evangelischen Reichskirche“ vom 13. 7. 1934 (Dokumente II, 153 – 156). Vgl. außerdem Schwerin von Krosigks Schreiben an Frick vom 4. 4. 1935 (ebd., 291 f.). Vgl. auch zur Denkschrift: Kreutzer, Reichskirchenministerium, 66 f.; Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 203. 115 Vertrauliche Denkschrift für das Reichsinnenministerium „Politik und Religion. (Geschichte und Lage des evangelischen Kirchenstreits von 1933 – 35)“ vom 3. 4. 1935 (Dokumente II,

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kirchlichen Eingreifens aus. Dieses sollte unter der Prämisse einer „ausdrücklich erklärten und bis in die untersten Instanzen durchgeführten Neutralität von Staat und Partei in kirchlichen Dingen“116 stehen, um es der Kirche zu ermöglichen, ihre inneren theologischen Differenzen zu lösen. Von Detten und Schwerin von Krosigk waren sich auch darin einig, dass Reichsbischof Müller im Sinne einer Befriedung der Kirche zurücktreten müsse.117 Gleichzeitig versuchten Bekennende Kirche und Deutsche Christen mit ihren staatskirchenrechtlichen Vorstellungen durchzudringen, während auf dem politischen Parkett noch Unschlüssigkeit herrschte.118 Wieder war es Hitler, der eine Entscheidung darüber treffen musste, in welche Richtung die Entwicklung gehen sollte. Prinzipiell war er für beide Varianten, Trennungsmodell oder Staatskirchentum, offen. Letztlich war es für ihn zweitrangig, auf welchem Weg der Totalitätsanspruch des NS-Regimes und damit die Verdrängung der Kirchen durchgesetzt würde, ob durch eine Ausklammerung der Kirchen aus dem öffentlichen Leben, wie bei einer strikten Trennung von Kirche und Staat, oder durch eine eiserne staatskirchliche Umklammerung der Kirche, mit entsprechender Beschneidung des der Kirche verbleibenden Bereichs. In jedem Fall war Hitler daran interessiert, eine Lösung zu finden, die „eine ausreichende staatliche Kontrolle garantieren, dabei aber durch Ausschaltung des Störfaktors Kirchenkampf innenpolitisch eine Beruhigung schaffen und außenpolitisch tragbar sein“119 würde, ohne die Bekennende Kirche anerkennen oder sich für die Deutschen Christen exponieren zu müssen. Eine solche Lösung konnte allerdings, das hatten die aufgeregten Reaktionen in der Kirche gezeigt, nicht unmittelbar durch die Verwirklichung eines reinen Staatskirchentums oder die radikale Trennung von Kirche und Staat erreicht werden. Eine Zwischenlösung war vonnöten. Bei der Lösungsfindung wurde Hitler in besonderem Maße von der Denkschrift „Staat und evangelische Kirche“ inspiriert, die Wilhelm Stuckart, ehemaliger Staatssekretär im Reichserziehungsministerium, am 21. Januar 1935 zusammen mit zwei Gesetzentwürfen der Reichskanzlei zugesandt hatte.120 Stuckart schlug in seiner Denkschrift zwei Möglichkeiten vor, wie

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287 – 290). Die Denkschrift ist dort nur teilweise abgedruckt, sie findet sich komplett in BArch NS 51 / 22. Vgl. auch zur Denkschrift: Kreutzer, Reichskirchenministerium, 66 f.; SiegeleWenschkewitz, Nationalsozialismus, 203; Besier, Kirchen, 69. So Schwerin von Krosigk (Dokumente II, 156). Ebd., 290 und 291 f. Vgl. etwa den Befriedungsvorschlag der 1. VKL an das Reichsinnenministerium vom 26. 1. 1935 (Schmidt, Dokumente II/1, 3 – 7); Stellungnahme der „Konferenz der [deutschchristlichen] Bischöfe der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 7. 11. 1934 (BArch R 43 II / 163, Bl. 89 f.); außerdem Gauger, Chronik III, 503, 505, 507, 509; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 66 f.; Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 204; Meier, Kirchenkampf II, 36 – 40; Besier, Kirchen, 23 f., 44, 58 f., 67 f., 70 – 72; Scholder, Sicht, 25; Meier, Christen, 73. Kreutzer, Reichskirchenministerium, 68. Die Denkschrift samt Anschreiben und Gesetzentwürfen ist abgedruckt in: Dokumente II,

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das Verhältnis von Staat und Kirche geordnet werden könnte – beide Varianten sollten der Verwirklichung des „völkisch-nationalsozialistische[n] Volksstaat[es]“ dienen. Die erste Möglichkeit, eine „restlose Trennung des Staates von der evangelischen Kirche“, hielt Stuckart aus verschiedenen Gründen nicht für sofort realisierbar.121 So blieb seines Erachtens nur die zweite Möglichkeit, eine „abwartende Neutralität des Staates mit verschärfter Aufsicht über die Kirche.“ Die staatliche Aufsicht sei schon wegen der Staatszuschüsse „ohne weiteres gerechtfertigt“, außerdem sei das Vermögen der evangelischen Kirche „deutsches Volksvermögen“ und daher die „ordnungsmäßige Verwaltung und Verwendung […] in volklichem, kirchlichem und staatlichem Interesse.“ Stuckarts Vorschlag sah die Trennung eines staatlichen von einem kirchlichen Zuständigkeitsbereich vor; dabei sei auf „eine möglichst weite Ausdehnung des staatlich-weltlichen Bereiches“ zu achten. Die Kirche sei „streng auf ihren geistlich-religiösen Bezirk zu beschränken. (Wortverkündung und Seelsorge). Übergriffe in den staatlich-weltlichen Bereich sind von vorneherein zu unterbinden“. Die staatliche Kontrolle und Oberaufsicht sollte sich auf die kirchliche Finanz- und Vermögensverwaltung, die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und die Ämterverwaltung erstrecken und nach den „Grundsätzen der nationalsozialistischen Volks- und Staatsordnung“ erfolgen. Dazu sollte eine für alle Kirchenangelegenheiten zentral zuständige Stelle im Reichsinnenministerium geschaffen werden. Die Kirchen selbst sollten gedrängt werden, eine unabhängige, weltliche Verwaltungsspitze einzusetzen. Auf diese Weise sollte die kirchliche Verwaltung, zuständig für die Finanzen, Personalpolitik und Gesetzgebung, gegenüber der geistlichen Leitung verselbständigt werden.122 Stuckarts Konzept bestand also zunächst einmal in einem eher staatskirchlichen Vorgehen. Dieses stand bei ihm allerdings unter dem Vorzeichen des Totalitätsanspruches des Nationalsozialismus und zielte auf eine „völlige gesellschaftspolitische Entmachtung der evangelischen Kirche“123. Somit wäre die staatliche Oberaufsicht mit ihrem „Verdrängungseffekt“, folgt man Leonore Siegele-Wenschkewitz, gleichsam „als Vorstufe eines Trennungssystems anzusehen, einer Trennung allerdings, die Ausschaltung oder Liquidierung meint.“124

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249 – 261, daraus auch die folgenden Zitate. Vgl. zur Denkschrift: Kreutzer, Reichskirchenministerium, 68 – 72; Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 205 – 211; Wenschkewitz, Geschichte, 188 – 194; Luchterhandt, Rechtsstellung, 129 f.; Scholder, Sicht, 26 f.; Besier, Kirchen, 57 f.; Meier, Kreuz, 128 f.; Ders., Kirchenkampf II, 66 f.; Conway, Kirchenpolitik, 137 – 139; Hartmannsgruber, Kirchensteuer, 454 f.; Heinonen, Reichskirchenministerium, 130. Vgl. Dokumente II, 251 – 253. Vgl. ebd., 258 f. Besier, Kirchen, 58. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 208. Vgl. auch Kreutzer, Reichskirchenministerium, 70 f.

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Auf Hitler hatte Stuckarts Denkschrift offenbar große Wirkung.125 Gleichwohl folgte er dessen Vorstellungen nicht in der von Stuckart gedachten Weise. Statt die vorgeschlagene Zentralstelle im Reichsinnenministerium einzurichten – Frick hatte sogar bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf ausarbeiten lassen, den er allerdings „nach Rücksprache mit dem Führer und Reichskanzler“126 zurückziehen musste –127, gingen am 16. Juli 1935 die „bisher im Reichs- und Preußischen Ministerium des Inneren sowie im Reichs- und Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung bearbeiteten kirchlichen Angelegenheiten“ auf den bisherigen Reichsminister ohne Geschäftsbereich Hanns Kerrl über.128 Kerrl folgerte aus dieser Beauftragung die Übertragung eines Reichsministeriums für kirchliche Angelegenheiten, was alsbald von Hitler bestätigt wurde.129 Bereits bevor Hitler mit der Berufung Kerrls der staatskirchlichen Variante zunächst den Vorzug gab, um in der Kirche zu geordneten Verhältnissen zu gelangen, war in Preußen von Staats wegen ein Eingriff in die Finanzverwaltung der Kirche vorgenommen worden. Am 11. April 1935 wurden dort die ersten Finanzabteilungen gebildet.

1.3. Die kirchliche Finanzverwaltung bis 1935: Staatliche Kirchenhoheit und „Kirchenkampf“ Während der Weimarer Republik wurde die kirchliche Vermögensverwaltung als eine der gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Kirche angesehen. Der Staat beanspruchte, nach damaligem Verständnis nicht ungerechtfertigt

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Luchterhandt, Rechtsstellung, 130, schreibt: „Die Originalität des Stuckartschen Entwurfes liegt darin, daß er die Verdrängung der Kirche aus dem öffentlichen Leben, d. h. ein Prinzip des radikalen Trennungssystems, mit dem Staatskirchentum vereinigt“. Am 29. Januar 1935 gewährte Hitler Stuckart eine Audienz und ließ sich überarbeitete Versionen der Gesetzentwürfe vorlegen. Diese Entwürfe vom 8. 2. 1935 samt Erläuterung sind abgedruckt in: Dokumente II, 263 – 268; auch in BArch R 43 II / 163, Bl. 190 – 200. Zitat aus der Reichskabinettssitzung vom 26. 6. 1935, wo Frick den Entwurf zurückzog (Dokumente II, 322). Der Entwurf des „Gesetzes zur Entwirrung der Rechtslage in der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 17. 6. 1935 ist abgedruckt ebd., 318 – 321. Stattdessen wurde eine „Beschlußstelle in Rechtsangelegenheiten der evangelischen Kirche“ beim Reichsinnenministerium geschaffen, weil die zahlreichen gerichtlichen Urteile in Kirchensachen häufig zuungunsten von nationalsozialistischen Partei- und Staatsinteressen ausfielen. Vgl. dazu vor allem Volkmann, Rechtsprechung, 107 f. Das entsprechende Gesetz ist abgedruckt in: Dokumente II, 323 f. „Erlaß über die Zusammenfassung der Zuständigkeiten des Reichs und Preußens in Kirchenangelegenheiten“ (Dokumente III, 1). Vgl. hierzu das Schreiben von Lammers an Kerrl vom 16. 10. 1935 (ebd., 3 f.). Vgl. insgesamt zur Beauftragung Kerrls: Kreutzer, Reichskirchenministerium, 72 – 77; Besier, Kirchen, 287 f.; Meier, Kirchenkampf II, 66 – 70; Grìnzinger, Einleitung III, XVIIf.; Wenschkewitz, Geschichte, 194 – 198.

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und von der Kirche nicht in Frage gestellt, wichtige Aspekte der kirchlichen Finanzverwaltung zu beaufsichtigen, um die ordnungsmäßige Verwaltung der Gelder gewährleistet zu wissen. Im Finanzbereich zeigte sich besonders deutlich die Verhaftung des Staates im kirchenhoheitlichen Denken; die Korrelatentheorie diente als Rechtfertigung für die Einschränkung der in der Weimarer Reichsverfassung garantierten selbständigen Verwaltung. Bei den Staatsleistungen, zu denen der Staat aufgrund verschiedener Rechtstitel verpflichtet war oder die er freiwillig trug, war eine Aufsicht schon alleine deshalb geboten, da es sich hierbei zum großen Teil um Bedarfsleistungen (Pfarrbesoldungszuschüsse, Bauleistungen, etc.) handelte und der Staat entsprechend das tatsächliche Vorliegen des Bedarfs und die rechtmäßige Verwendung der Gelder zu kontrollieren hatte. In Hinblick auf die Kirchensteuern, die zumeist im 19. Jahrhundert eingeführt worden waren und seither für das kirchliche Finanzaufkommen eine wachsende Bedeutung erlangt hatten, kam dem Staat unstrittig ein umfassendes Aufsichts- und Genehmigungsrecht zu, da er die Steuererhebung als hoheitliches Recht der Kirche übertrug.130 Die Mitwirkungsmöglichkeiten des Staates auf dem Gebiet der Kirchenfinanzen sowie seine Pflichten waren rechtlich auf verschiedenen Wegen fixiert. Neben der Weimarer Reichsverfassung, die das Grundlegende bestimmte,131 dienten Staatsgesetze und vor allem Kirchenverträge zwischen Staat und Kirche dazu, unter anderem Fragen der kirchlichen Finanzverwaltung zu regeln. Da die Verträge jeweils zwischen den deutschen Einzelstaaten und den auf ihrem Gebiet liegenden Landeskirchen geschlossen wurden und die Staatsgesetze ebenso regional begrenzt waren, waren auch die finanziellen Regelungen entsprechend vielfältig.132 In Preußen etwa, das hier besonderes Interesse beanspruchen kann, da die ersten Finanzabteilungen 1935 dort eingerichtet wurden, war die staatliche Finanzaufsicht vor allem im preußischen „Staatsgesetz, betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen“ vom 8. April 1924133 sowie im „Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen“ vom 11. Mai 1931134 näher geregelt worden. Auf dieser Grundlage hatte der Staat auf finanziellem Gebiet eine verhältnismäßig breite Basis zur Mitwirkung. Beispielsweise ging der preußische Kirchenvertrag zwar von 130 Es gab verschiedene Formen der Kirchensteuer : Die Ortskirchensteuer, die Landeskirchensteuer und das Kirchgeld. Vgl. zur Kirchensteuer: Huber, Kirchensteuer; Hartmannsgruber, Kirchensteuer, bes. 444 – 452; Marr¦, Kirchenfinanzierung, 451 – 464; Otte, Kirchensteuer, hier bes. 228 – 248; Ebers, Staat, 407 – 419. 131 Vor allem Art. 137 Abs. 3, 6; Art. 138; Art. 173 WRV (Huber, Staat IV, 129 f., 132). 132 Vgl. zur Kirchenfinanzierung und -verwaltung während der Weimarer Republik: Ebers, Staat, bes. 217 – 223, 243 – 251, 278 f., 323 f., 359 – 397; Liermann, Kirchenrecht, 365 – 389; Volkmann, Rechtsprechung, 120 f., 138 – 140; Weber, System, 322; Campenhausen, Staatskirchenrecht, 281 – 289. 133 Huber, Staat IV, 604 – 609. 134 Ebd., 709 – 711.

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einer unabhängigen kirchlichen Gesetzgebung aus, allerdings waren kirchliche Gesetze „über die vermögensrechtliche Vertretung der Kirchen“ sowie solche „über die Ordnung ihrer Vermögensverwaltung“ an eine Vorlagepflicht beim zuständigen Minister gebunden. Bei solchen Gesetzen hatte der Staat, sofern er eine geordnete Geschäftsführung in Gefahr sah, ein Einspruchsrecht.135 Der Kirchenvertrag setzte hiermit älteres Recht aus dem Staatsgesetz von 1924 außer Kraft, nach dem noch alle kirchlichen Gesetze dem Staat vorgelegt werden mussten.136 Zahlreiche andere, 1924 festgeschriebene Mitwirkungsmöglichkeiten des Staates bestanden allerdings fort: Verschiedene Beschlüsse der Kirche in der Vermögensverwaltung bedurften einer staatlichen Genehmigung, ebenso „Höhe und Verteilungsmaßstab der kirchlichen Umlagen“, also die kircheninterne Verteilung der Gelder. Der Staat war nach dem Staatsgesetz außerdem berechtigt, „in die kirchliche Vermögensverwaltung Einsicht zu nehmen und Gesetzwidrigkeiten zu beanstanden.“ Notfalls behielt sich der Staat sogar das Recht vor, Bevollmächtigte auf vermögensrechtlichem Gebiet in der Kirche einzusetzen (wenn entsprechende kirchliche Organe nicht vorhanden waren) oder eine Zwangsetatisierung vorzunehmen (wenn kirchliche Organe sich weigerten, eine gesetzliche Leistung in den kirchlichen Haushalt aufzunehmen).137 Der preußische Staat blieb damit in den Vermögensangelegenheiten der Kirche zwar sehr präsent, doch ging die Tendenz mit dem Kirchenvertrag von 1931 zu einem Abbau der staatlichen Kirchenhoheit. Abgesehen von den oben genannten Regelungen waren die Kirchen frei in ihrer Finanzverwaltung und Haushaltsplanung.138 Diese Freiheit wurde noch erheblich vergrößert durch Artikel 5 des preußischen Kirchenvertrages, in dem die „Dotation der Kirchen für kirchenregimentliche Zwecke“139 festgelegt wurde. Diese Bestimmung ersetzte das preußische „Gesetz über die einstweilige Regelung der Kosten für die Verwaltungsbehörden der evangelischen Landeskirchen“ vom 15. Oktober 1924.140 Danach hatte die Kirche jeweils Zahlungen zur Deckung der persönlichen und sächlichen Kosten der kirchlichen Verwaltung, außerdem Zuschüsse für kirchliche Ausbildungseinrichtungen (wie Predigerseminare) erhalten. Diese Leistungen wurden nun zu einer festen Dotation zusammengefasst, womit die Kirche über den Pauschalbetrag frei verfügen konnte. Gleichzeitig wurde die Höhe dieser Dotation gegenüber den zuletzt gezahlten Beträgen erheblich heraufgesetzt. Außerdem unterlag die Dotation, anders als die Pfarrbesoldungszuschüsse, die in den Vertrag nicht mit aufgenommen 135 Art. 2 (und 3) des Kirchenvertrags (ebd., 709). 136 Art. 2 des Staatsgesetzes von 1924 (ebd., 605). 137 Die Regelungen und Zitate sind den Artikeln 6, 7, 10, 11 des Staatsgesetzes von 1924 entnommen (ebd., 605 – 607). 138 Vgl. auch Brunotte, Finanzaufsicht, 55. 139 Huber, Staat IV, 709. 140 Ebd., 183 f.

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wurden, damit nicht mehr der einseitigen Gesetzgebung durch den Staat, sondern konnte nur noch durch eine Vereinbarung der Vertragspartner geändert werden.141 Auch nach 1933 änderte sich zunächst nichts an der grundlegenden Gesetzgebung. Sowohl die Verträge als auch die Staatsgesetze blieben in Kraft.142 Eine Änderung war auch nicht nötig, da die Nationalsozialisten zunächst nicht versuchten, über die Finanzverwaltung ihren Einfluss in der Kirche zu stärken. Ebenso wenig wurde die Zahlung der Staatsleistungen vom nationalsozialistischen Staat 1933 grundsätzlich in Frage gestellt.143 Dies aber nicht, weil die neuen Machthaber die alten verfassungsrechtlichen Garantien und die Gesetzgebung verbindlich übernommen hätten, vielmehr blieb es nur solange beim status quo, bis aus nationalsozialistischem Interesse eine abweichende politische oder gesetzgeberische Entscheidung zu treffen war.144 Bereits vor 1935 gab es Drohungen, der Staat könne die Staatsleistungen einschränken oder gar einstellen, wenn die Kirche nicht endlich zu geordneten Verhältnissen käme.145 Weniger in den Blick geriet dabei die Möglichkeit, die staatlichen Interessen direkt in der kirchlichen Finanzverwaltung geltend zu machen. Erst Wilhelm Stuckart plädierte in seiner Denkschrift „Staat und evangelische Kirche“ vom 21. Januar 1935146 dafür, die staatliche Kontrolle und Oberaufsicht über die kirchliche Verwaltung auszuweiten. Er schlug vor, die Staatsleistungen auf eine reichseinheitliche Rechtsgrundlage zu stellen und damit die einzelnen Landesgesetze und Verträge abzulösen. Zudem sollten die Staatszuschüsse nur noch an die Reichskirche gezahlt werden, so dass die Kirche auf diesem Wege zur Unitarisierung gezwungen wäre. Aus demselben Grund sollte das Recht zur Erhebung der Kirchensteuern auf die Reichskirche übergehen. Die Gesetzgebung zur kirchlichen Verwaltung, so Stuckart, gebe die Möglichkeit, „unauffällig […] den Rahmen für einen nationalsozialistischen Grundsätzen entsprechenden Aufbau der Kirchenorganisation und Kirchenverwaltung“147 141 Die Kirchensteuergesetzgebung und auch die Pfarrbesoldungszuschüsse blieben eigenen Regelungen vorbehalten, vgl. Rathke, Zuwendungen, 469 – 472. Vgl. insgesamt zu den oben genannten gesetzlichen Regelungen: Engelhard, Kirchenvertrag, bes. 19 – 22, 26, 42 – 45, 47 – 49, 70 – 73; Kìbel, Vertrag, bes. 32 – 39; May, Staatsaufsicht, 41 – 47; Volkmann, Rechtsprechung, 120 f.; Link, Rechtsgeschichte, 188 f.; Huber, Verfassungsgeschichte VI, 883 f., 899 f., 925; außerdem die „Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf zu dem Vertrag mit den Evangelischen Landeskirchen“ vom 2. 6. 1931 (Ders., Staat IV, 714 – 720, hier bes. 715 – 717). 142 Vgl. Brunotte, Finanzaufsicht, 55; auch Otte, Kirchensteuer, 248 – 258, zum gescheiterten Versuch einer Reform der Kirchensteuer in Preußen. 143 Vgl. Volkmann, Rechtsprechung, 130, 179; Ruppel, Kirchenvertragsrecht, 50; Peter, Grundlegung, 135 f.; Weber, Ablösung, 9. 144 Vgl. Volkmann, Rechtsprechung, 130, 140. 145 Vgl. etwa entsprechende Drohungen Hitlers oder Fricks (Dokumente II, 9 Anm. 13, 21, 24 f., 30, 32, 197 f., 199, 232). 146 Ebd., 249 – 261. 147 Ebd., 256.

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zu schaffen. Er plante, ein „Weisungsrecht des Staates in allen Finanzfragen“, gegebenenfalls eine „staatliche Notverwaltung“148 und weitere staatliche Kontrollrechte einzuführen. Komplikationen bei der Umstellung auf das neue Finanzsystem wollte er notfalls mit Hilfe eines Staatskommissars beheben.149 Unterdessen war es im Verlauf des „Kirchenkampfes“ auf dem Gebiet der kirchlichen Finanzwirtschaft zu Problemen gekommen. Diese resultierten vornehmlich aus der vorherrschenden Rechtsunsicherheit in der Kirche. In den Auseinandersetzungen von Deutschen Christen und Bekennender Kirche war vielfach strittig, wer rechtlich und damit auch finanziell für die Kirchengemeinden oder andere kirchliche Körperschaften vertretungsberechtigt wäre – zum Teil bestanden mehrere Leitungsorgane nebeneinander.150 Die Bekennende Kirche versuchte, sich auch auf finanziellem Weg gegen die Deutschen Christen zu behaupten: In den Gemeinden sollten Anhänger der Bekennenden Kirche ihre Kirchensteuern nur noch an „bekenntnistreue“ Gemeindeorgane leisten. Bekenntniskirchlich orientierte Gemeinden in der Altpreußischen Union verweigerten übergeordneten Kirchenbehörden, die sich in der Regel in deutsch-christlicher Hand befanden, die Abgabe der Umlagen und Kollekten bzw. zahlten die Umlagen auf Treuhandkonten ein. Damit war die finanzielle Handlungsfähigkeit der offiziellen Verwaltungsorgane in Frage gestellt, denn in der Altpreußischen Union waren der Evangelische Oberkirchenrat und die Provinzialkonsistorien auf die Umlagen aus den Gemeinden angewiesen, weil in Preußen ein Ortskirchensteuersystem bestand. Außerdem war der Anspruch auf manche Staatsleistungen daran gekoppelt, dass die Kirche zunächst aus eigener Kraft eine Finanzierung versuchen musste, um dann die Staatsleistungen ergänzend beziehen zu können (etwa bei den erheblichen Pfarrbesoldungszuschüssen)151. Die Maßnahmen der Bekennenden Kirche führten dazu, dass beim altpreußischen Evangelischen Oberkirchenrat Ende 1934 erhebliche Rückgänge der eingehenden Umlagen registriert werden mussten.152 Außerdem war bei verschiedenen deutsch-christlich „besetzten Behörden eine Mißwirtschaft eingerissen, be-

148 Beide Zitate ebd., 257. 149 Vgl. zu Stuckarts Plänen: Ebd., 256 f. 150 Vgl. Brunotte, Finanzaufsicht, 55 f.; Friedrich, Entwicklung des Kirchentums, 433; Loycke, Entwicklung, 65. 151 Zunächst musste die Gemeinde versuchen, aus eigenem Pfründevermögen sowie den ihr zugute kommenden Abgaben und Gebühren die Pfarrstelle(n) zu unterhalten. Reichten diese Mittel nicht aus, trat die örtliche Kirchensteuer hinzu, erst dann wurde der noch fehlende Rest mittels staatlicher Pfarrbesoldungszuschüsse gedeckt. 152 Im Dezember waren im Vergleich zum Vorjahr nur 40 % der Umlagen eingegangen. Vgl. insgesamt dazu: Danielsmeyer, Geld, 732 – 734; Loycke, Entwicklung, 76 f.; Steinberg, Entstehung, 115 f., 119 – 124; Hey, Kirchenprovinz, 87 – 95; Kersting, Kirchenordnung, 223 – 226; Besier, Lage, 111 f.; auch Brunotte, Finanzaufsicht, 56; Meier, Kirchenkampf II, 41; Niesel, Wort, 49 f.

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dingt durch unverhältnismäßig hohe Ausgaben für Repräsentationszwecke und für DC-Propaganda.“153 Zunächst versuchte Friedrich Werner, Präsident des Evangelischen Oberkirchenrats, Ende 1934 die Lage durch die Bildung innerkirchlicher Finanzabteilungen bei den Konsistorien und dem Evangelischen Oberkirchenrat zu bereinigen und so eine ordnungsgemäße Finanzverwaltung der altpreußischen Kirche wiederherzustellen.154 Diesen Finanzabteilungen gelang es jedoch nicht, sich durchzusetzen, da die Bekennende Kirche an ihrem Boykottkurs festhielt.155 Die Zerrüttung des kirchlichen Finanzwesens konnte der Staat allerdings nicht teilnahmslos hinnehmen – er besaß Aufsichtspflichten und musste daher eingreifen. Außerdem hatte sich Präsident Werner nach dem Scheitern seines Versuchs, die Finanzverwaltung kirchenintern zu ordnen, an den Reichs- und Preußischen Erziehungsminister Bernhard Rust gewandt und um staatliche Hilfe gebeten. Nur ein Staatsgesetz schien den Finanzabteilungen die notwendige Ermächtigung bieten zu können, die sie zu ihrer Durchsetzung benötigten.156 Auch im Erziehungsministerium befand man, dass es diesen kirchlichen Finanzabteilungen „für ihre Arbeit an dem gesetzlichen Rückgrat fehlt.“157 Noch im Juli 1934 waren die dortigen Überlegungen dahingegangen, das preußische Staatsgesetz vom 8. April 1924 anzuwenden und über den Paragraphen 10 notfalls staatliche Bevollmächtigte in der Kirche einzusetzen.158 Nun erschien dem Ministerium die bestehende Rechtslage nicht mehr ausreichend – vielmehr sei in der gegenwärtigen Lage ein vorübergehender, streng auf die finanziellen Angelegenheiten der Kirche beschränkter, staatlicher Eingriff notwendig, um „die kirchliche Verwaltung soweit in Gang zu halten, daß man ihr Staatsmittel unbedingt anvertrauen

153 Meier, Kirchenkampf II, 41. Vgl. auch Niesel, Wort, 49. 154 Offiziell eingerichtet wurden diese durch den „Erlass des Evangelischen Oberkirchenrats betr. Bildung von Finanzabteilungen im Evangelischen Oberkirchenrat und in den Konsistorien“ vom 3. 2. 1935 (GBlDEK, 1935, 9). 155 Vgl. Steinberg, Entstehung, 124 – 131; Danielsmeyer, Geld, 734; Brunotte, Finanzaufsicht, 56; Zipfel, Kirchenkampf, 88; Meier, Kirchenkampf II, 41 f.; ferner Thìmmel, 40 Jahre, 26 f., 29. 156 Vgl. Steinberg, Entstehung, 131 – 133, 136 f.; Danielsmeyer, Geld, 735; Thìmmel, 40 Jahre, 30 f. 157 Vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf über die Vermögensverwaltung in den evangelischen Landeskirchen vom 8. 3. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 44 – 49, hier Bl. 49). Eine kürzere Version der Begründung, vom 9. 3. 1935, ist abgedruckt in: Dokumente II, 278 – 280. 158 Vgl. Schreiben an den Oberpräsidenten in Münster vom 28. 7. 1934 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 17 f.). Auch das Evangelische Konsistorium in Münster hatte am 18. Juli 1934 gefordert, der Staat möge aufgrund des Staatsgesetzes vom 8. April 1924 in die kirchliche Finanzverwaltung eingreifen und als staatliche Bevollmächtigte die kirchlichen Verwaltungsbeamten ernennen. Gewünscht war eine staatliche Legitimation der kirchlichen Verwaltung. Vgl. Schreiben an die DEKK (ebd., Bl. 2).

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Die Vorgeschichte

kann.“159 So könne vermieden werden, staatliche Zahlungen einstellen zu müssen, was weder politisch noch für die innerkirchliche Entwicklung wünschenswert wäre.160 Die gesetzliche Grundlage für diese Rechtshilfe sollte das „Gesetz über die Vermögensverwaltung in den evangelischen Landeskirchen Preußens“ vom 11. März 1935 bilden. Es sollte „weder einer Entscheidung in kirchenpolitischer Hinsicht […] noch der endgültigen Regelung der Zuständigkeiten von Staats- und Reichsstellen für kirchliche Angelegenheiten“161 vorgreifen, die bald mit der Ernennung eines Reichskirchenministers vorgenommen wurde. Das Gesetz war maßgeblich von Reichserziehungsminister Rust und dem preußischen Finanzminister Johannes Popitz befördert worden,162 ausgearbeitet hatte es Ministerialrat Julius Stahn aus dem Reichserziehungsministerium.163 Auch der damalige Reichsminister ohne Geschäftsbereich Hanns Kerrl wurde offenbar frühzeitig in die FA-Politik eingebunden.164

159 Begründung zum Gesetzentwurf über die Vermögensverwaltung in den evangelischen Landeskirchen vom 8. 3. 1935 (ebd., Bl. 44 – 49, hier Bl. 48). 160 Vgl. Vermerk Stahns vom 19. 2. 1935 (ebd., Bl. 65). 161 So die Erwägungen auf der Sitzung des preußischen Ministerrates vom 11. März 1935, auf der das Gesetz beschlossen wurde (Protokolle des Preussischen Staatsministeriums 12/I, 366 f., Zitat 367). 162 Vgl. Besier, Kirchen, 67; Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 209; Ruppel, Kirchenvertragsrecht, 51; Steinberg, Entstehung, 137; Ruppel im Gespräch mit Hans Buchheim am 13. / 14. 10. 1951 (BArch R 5101 / 36). 163 Nach den Erinnerungen von Gerhard Thìmmel, 40 Jahre, 31. 164 Ein Vermerk Stahns zeugt von einer Unterredung in dieser Sache zwischen ihm und Kerrl am 23. 3. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 102). Vgl. auch Kerrls Rede vor Gauobmännern der Deutschen Christen am 15. 10. 1935 (BArch R 5101 / 23753, Bl. 90 – 92, hier Bl. 91).

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2. Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe und Funktionswandel 2.1. Das Vermögensverwaltungsgesetz vom 11. März 1935 Das preußische Gesetz zur Vermögensverwaltung vom 11. März 19351 wurde nebst seiner Ersten Durchführungsverordnung vom 11. April 19352 am 17. April 1935 im Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche veröffentlicht. Mit dem Vermögensverwaltungsgesetz sollten die Finanzabteilungen auf alle preußischen Landeskirchen ausgedehnt werden und nicht, wie noch die innerkirchlichen Finanzabteilungen des Februars 1935, auf die Altpreußische Union beschränkt sein. Seit Oktober 1935 wurden auf Grundlage des Kirchensicherungsgesetzes vom 24. September 19353 auch außerhalb Preußens Finanzabteilungen gebildet. Für sämtliche Finanzabteilungen galten jedoch die preußischen Bestimmungen.4 Die Frage, ob nicht „Rahmenbestimmungen für die Arbeit der Finanzabteilungen von Reichswegen [sic] aufzustellen“ seien, wurde zwar diskutiert, doch letztlich befürchtete man, damit eher zusätzliche Verwirrung zu stiften, zumal „ja die bisherige Verweisung auf die preußischen Vorschriften schließlich doch nur einen Schönheitsfehler darstellt.“5 Erst am 25. Juni 1937 wurde mit der Fünfzehnten Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz eine neue rechtliche Grundlage für die Finanzabteilungen geschaffen.6 1 2 3 4

GBlDEK, 1935, 42 f. (Hermle, Herausgefordert, 290 f.). GBlDEK, 1935, 43 – 45 (Dokumente II, 280 – 283). Siehe unten 65 f. Der Bezug zu dem preußischen Vermögensverwaltungsgesetz und seiner Ersten Durchführungsverordnung war in der Ersten Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz verankert, auf die die späteren außerpreußischen Finanzabteilungen jeweils verwiesen wurden. 5 Vermerk vom 17. 1. 1936 über eine Besprechung von Stahn und Grünbaum aus dem Reichskirchenministerium mit FA-Vertretern am 13. 1. 1936 (BArch R 5101 / 22729, Bl. 73 – 77, hier Bl. 75). 6 Bis dahin wurden folgende Finanzabteilungen gebildet: Aufgrund der Ersten Durchführungsverordnung des preußischen Vermögensverwaltungsgesetzes vom 11. 4. 1935 beim Evangelischen Oberkirchenrat der Altpreußischen Union und den Konsistorien der Provinzialkirchen, bei den Landeskirchen Schleswig-Holstein, KurhessenWaldeck, Hannover-reformiert sowie der Verwaltungsstelle Wiesbaden der Landeskirche Nassau-Hessen. Aufgrund der Zweiten Durchführungsverordnung des preußischen Vermögensverwaltungsgesetzes vom 25. 7. 1935 bei der Landeskirche Hannover-lutherisch (Preussische Gesetzsammlung, 1935, 108).

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

Die Finanzabteilungen hatten nach dem Vermögensverwaltungsgesetz und seiner Ersten Durchführungsverordnung die Aufgabe, den Haushaltsplan und die Umlage für ihren Zuständigkeitsbereich festzusetzen. Außerdem überwachten sie die Verwendung der Haushaltsmittel und beaufsichtigten die Vermögens- und Kirchensteuerverwaltung der Kirchengemeinden und kirchlichen Verbände – in Ausnahmefällen konnten sie deren Rechte selbst ausüben. Sie besaßen die ausschließliche Zuständigkeit und Verantwortlichkeit, so erklärte Kerrl in einem späteren Erlass, „für die gesamten kirchlichen Vermögensangelegenheiten.“7 Den Finanzabteilungen oblag es, „dafür Sorge zu tragen, daß eine den öffentlichen Belangen entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung gewährleistet bleibt“8 und mussten darauf achten, dass die Kirche ihren finanziellen Verpflichtungen nachkam. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben konnten die Finanzabteilungen rechtsverbindliche Anordnungen erlassen; bei „Anordnungen allgemeiner Art“ benötigten sie allerdings die Zustimmung des Ministers für kirchliche Angelegenheiten und des Finanzministers. Die Kirchenleitung auf der anderen Seite musste zu sämtlichen Anordnungen, die mit finanziellen Auswirkungen verbunden waren, die Zustimmung der Finanzabteilung einholen. Die Finanzabteilungen konnten in Kirchengemeinden oder kirchlichen Verbänden Bevollmächtigte zur Durchführung ihrer Anordnungen oder zur Erfüllung bestimmter Aufträge bestellen. Die Organisation der Finanzabteilungen orientierte sich an dem nationalsozialistischen Führerprinzip. Der FA-Vorsitzende traf die Entscheidungen alleine – allerdings nach vorhergegangener Beratung mit den FA-Mitgliedern. Er konnte einzelne Angelegenheiten auf andere Mitglieder seiner Finanzabteilung übertragen und sich bei vorübergehender Behinderung vertreten lassen. Die Finanzabteilungen waren, abgesehen von klar umrissenen Aufgaben wie der Haushaltsaufstellung, insgesamt vor allem mit innerkirchlichen Verwaltungs-, Aufsichts- und Kontrollfunktionen ausgestattet worden. Diese Aufgaben oblagen ihnen als ausdrücklich kirchlichen Organen und waren vorher von anderen kirchlichen Stellen ausgeübt worden; die Finanzabteilungen waren gewissermaßen staatlich legitimierte Kirchenverwaltungen. Die staatliche Oberaufsicht wurde von den Änderungen nicht berührt. Besonders Aufgrund der Ersten Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz vom 3. 10. 1935 bei der Deutschen Evangelischen Kirche (RGBl., 1935, 1221). Aufgrund der Dritten Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz vom 21. 11. 1935 bei der Landeskirche Sachsen (ebd., 1350 f.). Aufgrund der Siebenten Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz vom 26. 2. 1936 bei der Landeskirche Braunschweig (ebd., 1936, 129 f.). 7 Erlass über kirchliche Vermögensangelegenheiten vom 22. 8. 1935 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 67 f.; Dokumente III, 72 – 74). 8 Alle folgenden Zitate sind entnommen aus dem Vermögensverwaltungsgesetz und seiner Ersten Durchführungsverordnung (GBlDEK, 1935, 42 – 45).

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Das Vermögensverwaltungsgesetz vom 11. März 1935

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deutlich zeigte sich der kirchliche Charakter der Finanzabteilungen darin, dass sie ausschließlich mit „Beamten der allgemeinen kirchlichen Verwaltung“ besetzt werden durften; diese waren zur Annahme eines solchen Amtes verpflichtet. Außerdem hatten die Finanzabteilungen „sich in enger Fühlung mit der zuständigen Kirchenleitung zu halten“. Gleichzeitig aber waren sie nicht an Weisungen der Kirchenbehörden gebunden. Die Finanzabteilungen sollten somit als Abteilungen der bestehenden kirchlichen Verwaltungsorgane auftreten (gehörten also den Landeskirchenämtern, Konsistorien oder Oberkirchenräten an und griffen auf deren Räumlichkeiten und Personal zurück), waren aber von den kirchlichen Stellen gleichzeitig unabhängig (die FA-Angelegenheiten wurden zwar von der allgemeinen Verwaltungsbehörde bearbeitet, die Entscheidung aber lag allein bei der Finanzabteilung). An manchen Stellen deutete das Vermögensverwaltungsgesetz auf die aktuellen Schwierigkeiten der kirchlichen Vermögensverwaltung hin. So wurden verwaltungstechnische Selbstverständlichkeiten betont: Die Finanzabteilung habe dafür zu sorgen, „daß alle laufenden Verpflichtungen der Kirche, der kirchlichen Verbände und der Kirchengemeinden erfüllt werden.“ Außerdem wurden die Finanzabteilungen angewiesen, Gehälter nur an ordnungsmäßig berufene Amtspersonen zu zahlen und belehrt, dass zum Begriff der ordnungsmäßigen Verwaltung der Staatszuschüsse auch gehöre, „daß die bei der Gewährung der Staatszuschüsse vorgesehenen entsprechenden Beiträge aus Kirchenmitteln rechtzeitig aufgebracht werden.“ Alle diese Passagen wären bei einer geordneten kirchlichen Verwaltung unnötig gewesen und fielen auch bei der Novellierung 1937 fort.9 Die Finanzabteilungen standen in einem äußerst engen Verhältnis zum Staatswesen. Sie waren kraft eines Staatsgesetzes gebildet worden, waren dem Staat für die ordnungsgemäße Verwendung seiner finanziellen Zuschüsse an die Kirche verantwortlich und hatten ihn „über die Finanzlage ständig zu unterrichten.“ „In Zweifelsfällen“ hatten die Finanzabteilungen vor ihren Maßnahmen die Entscheidung des zuständigen Ministers einzuholen,10 der in solchen Fällen als direkt weisungsberechtigte Stelle fungierte. Ihre Vorsitzenden und Mitglieder wurden direkt vom Staat nach eigenem Ermessen bestellt, wenn auch zunächst nur aus dem Kreis der kirchlichen Verwaltungsbeamten. Der Staat hatte seinen Einfluss auf die Finanzabteilungen damit gut abgesichert. Die Finanzabteilungen wiederum besaßen wichtige Befugnisse und besondere Einflussmöglichkeiten im innerkirchlichen Sektor ; insbesondere, da sämtliche kirchlichen Gesetze, die mit finanziellen Auswir9 Vgl. insgesamt zu den rechtlichen Bestimmungen auch: Brunotte, Finanzaufsicht, 56 f.; Loycke, Entwicklung, 77; Friedrich, Entwicklung des Kirchentums, 433; Danielsmeyer, Geld, 735. 10 Das war zunächst Rust, der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, bis dessen Befugnisse in Kirchenangelegenheiten am 16. Juli 1935 auf Kerrl übergingen.

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

kungen verbunden waren, ihrer Zustimmung bedurften.11 Aufgrund dieser Befugnis, mittels der Pfarrbesoldungszuschüsse für die Gemeinden und über die Haushaltsaufstellung konnten die Finanzabteilungen, und mit ihnen der Staat, tendenziell auch sachliche Kursausrichtungen „ihrer“ Kirchen mitbestimmen. Dies alles wäre noch mit dem Weimarer System der Staatskirchenhoheit vereinbar gewesen, wenn es konsequent auf die Behebung des Notstandes begrenzt gewesen wäre. Denn dass der Staat im Frühjahr 1935, als die kirchliche Finanzverwaltung mancherorts handlungsunfähig zu werden drohte, zu einem direkten, weitreichenden Eingreifen berechtigt, ja gezwungen war, das war durch die bisherigen staatskirchenrechtlichen Bestimmungen abgedeckt und allseits akzeptiert. Der Staat durfte nach dem Gesetz von 1924 in Preußen (und nur für Preußen galt zunächst das Vermögensverwaltungsgesetz) eine Zwangsetatisierung vornehmen oder Staatsbevollmächtigte einsetzen.12 Das Eingreifen konnte somit noch als eine positive staatliche Rechtshilfe für die Kirche verstanden werden, die geeignet war, die kirchliche Finanzwirtschaft wieder zu ordnen, was die Kirche alleine in manchen Regionen nicht mehr schaffte. Insofern standen die Finanzabteilungen in einer älteren Tradition und waren von den Ministerialbeamten im Reichserziehungsministerium auch in diesem Sinne konzipiert worden. Nach dem Weimarer System waren die genannten Eingriffsmöglichkeiten jedoch streng an bestimmte Notlagen gebunden, ansonsten war eine weitgehend selbständige kirchliche Verwaltung garantiert. Es war daher zunächst auch allgemein angenommen worden, dass die Finanzabteilungen nur eine vorübergehende Einrichtung wären,13 die wieder abgeschafft werden würde, sobald die Umstände es zuließen. Doch die Finanzabteilungen waren gesetzlich nicht explizit auf die Behebung der unbestrittenen Probleme beschränkt worden, sie verschwanden nicht mit Erledigung dieser Aufgabe. Stattdessen beseitigten die neuen gesetzlichen Regelungen die selbständige Kirchenverwaltung auf unbestimmte Zeit und gingen damit über das bisherige Maß der Staatsaufsicht und die aktuellen Notwendigkeiten hinaus. Sie sicherten dem Staat die Möglichkeit, jederzeit direkt in die kirchliche Verwaltung hinein wirken zu können. Die Bildung der Finanzabteilungen war damit eine entscheidende Änderung gegenüber den bisherigen staatlichen Befugnissen und markiert einen gravierenden Einschnitt für die kirchliche Finanzverwaltung. Die getroffene gesetzliche Regelung ging allerdings nicht soweit, wie dies Stuckart in seiner Denkschrift aus dem Januar 1935 empfohlen hatte,14 denn 11 Erler, Kirchenrecht, 78, meint dazu: „Da auch bei einer Institution mit geistigen Zwecken jede Entschließung mit finanziellen Folgen verknüpft ist, herrschte auf dem Wege über die Finanzabteilungen innerhalb der Kirche der Staat.“ 12 Siehe oben 52. 13 Vgl. Weber, Staatskirchenrecht, 4; Duske, Neuordnung, 299; Cçlle, Rechtsfragen über die Vermögensverwaltung, 879; Thìmmel, 40 Jahre, 31. 14 Siehe oben 48 – 50, 53 f.

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Das Vermögensverwaltungsgesetz vom 11. März 1935

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ein direktes „Weisungsrecht des Staates in allen Finanzfragen“15 wurde nicht in den Gesetzen verankert – die „enge Staatsbindung“16 der Finanzabteilungen und der vorwiegend indirekte staatliche Einfluss mussten vorerst genügen. Damit entsprachen die Finanzabteilungen zwar in vielerlei Hinsicht nicht den Wünschen Stuckarts – beispielsweise hatte er auch größten Wert auf eine reichseinheitliche Lösung gelegt –, doch zielten sie zumindest in die angestrebte Richtung.17 In der Forschung ist die Einrichtung der ersten Finanzabteilungen kontrovers beurteilt worden. Weitgehende Übereinstimmung herrscht in der Einschätzung, dass in der damaligen Situation ein staatlicher Eingriff im Sinne einer Rechtshilfe durchaus geboten war.18 Die Ausgestaltung des Eingriffes allerdings wird sehr unterschiedlich bewertet: Für manche war die Einrichtung der Finanzabteilungen zunächst eine positive Rechtshilfe.19 Häufiger jedoch wird in unterschiedlicher Akzentuierung die Ansicht vertreten, dass die Finanzabteilungen den „erste[n] Schritt zur Verstaatlichung der kirchlichen Verwaltung“20 darstellten und die Maßnahme insofern nach traditionellem Verständnis nicht mehr durch die Staatskirchenhoheit gerechtfertigt werden konnte.21

15 So Stuckarts Vorstellung (Dokumente II, hier 257). 16 Meier, Kirchenkampf II, 42. 17 Die Forschung ist sich uneins, inwiefern die Einrichtung der Finanzabteilungen mit der Denkschrift Stuckarts in Zusammenhang steht. Unzweifelhaft liegen der Grundgedanke der FAGesetzgebung und die Stuckart’schen Erwägungen einander recht nahe, doch die FA-Bildung ist, wie ihre Genese zeigt, nicht ursächlich mit der Denkschrift in Verbindung zu bringen. Vgl. zu dieser Frage: Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 209; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 71; Luchterhandt, Rechtsstellung, 130; Scholder, Sicht, 27; Hauschild, Lehrbuch, 887; Wenschkewitz, Geschichte, 194; Meier, Kreuz, 128. 18 Vgl. Friedrich, Entwicklung des Kirchentums, 433; Steinberg, Entstehung, 134; Brunotte, Finanzaufsicht, 56 f. 19 Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Nationalsozialismus, 209. 20 Loycke, Entwicklung, 79. 21 Vgl. etwa Loycke, Entwicklung, 78 f.; Klìgel, Landeskirche, 191 f., 308; Erler, Kirchenrecht, 78; Conrad, Kampf, 125; Zipfel, Kirchenkampf, 88 f.; Meier, Christen, 73, 111 f.; May, Staatsaufsicht, 55 f., 59. Vorsichtiger, teilweise ambivalent auch Brunotte, Finanzaufsicht, 57 – 59; Friedrich, Entwicklung des Kirchentums, 433; Meier, Kirchenkampf II, 42; Besier, Kirchen, 67; Herbert, Kirchenkampf, 137 f.; Ruppel, Kirchenvertragsrecht, 51. Christoph Link, Spielräume, 56, meint, die Tätigkeit der Finanzabteilungen käme einer „staatlichen Zwangsetatisierung gleich“. Vgl. auch mit einer vorsichtigeren Formulierung die früheren Veröffentlichungen Ders., Staat und Kirchen, 1010; und Ders., Rechtsgeschichte, 200.

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

2.2. Die juristische Bewertung des Vermögensverwaltungsgesetzes Doch wie wurde die Einsetzung der ersten Finanzabteilungen zeitgenössisch juristisch bewertet? In den öffentlichen Stellungnahmen zu der Thematik herrschte darüber Konsens, dass die Einrichtung der Finanzabteilungen dem Staat im Rahmen seiner Aufsichtsrechte und traditionellen Ordnungsaufgaben zustehe und somit rechtmäßig und legitim sei:22 „Mit der Einrichtung der Finanzabteilungen hat der Staat, was vielfach übersehen wird, der Kirche und ihren Gliederungen die Fähigkeit wiedergegeben, überhaupt im Rechtsverkehr handelnd aufzutreten, eine elementare Voraussetzung, die in den Auseinandersetzungen und Maßnahmen des Kirchenstreits teils rechtlich, teils faktisch bis auf geringe Reste zerstört worden war“23,

meinte etwa der profilierte Staatskirchenrechtler Werner Weber. Die Finanzabteilungen könnten, so Weber, unberührt von den innerkirchlichen Auseinandersetzungen eine sachliche Finanzverwaltung gewährleisten und so „die Aufgaben der hoheitlichen kirchlichen Finanzverwaltung auch in rechtlicher Hinsicht wieder ordnungsmäßig […] erfüllen […] Der Staat ließ damit der Kirche eine echte Hilfe zuteil werden, bei deren Gewährung er sich überdies auf ein so geringes Maß spezifisch staatlicher Einwirkungen beschränkte, wie es gerade noch bei der dem Staat obliegenden Sorge für den ordnungsmäßigen Bestand der von ihm privilegierten öffentlichen Verbände zu verantworten war.“24

Weber rekurrierte hier auf die Korrelatentheorie, um den staatlichen Eingriff zu rechtfertigen. Die Finanzabteilungen seien in ihrer Form völlig mit der bisherigen Staatsaufsicht vereinbar und hätten mit einem „Staatskirchentum in irgendeinem Sinne“25 nichts zu tun, zumal sie nur vorübergehender Natur seien.26 Auf der anderen Seite würde für die zukünftige Entwicklung „eine etwaige Rückkehr zu einer kirchlichen Scheinautonomie spezifisch liberalistischer Herkunft und Art, wie sie im Weimarer Verfassungssystem zu einer 22 Vgl. etwa Huber, Verfassungsrecht, 507 f. Huber urteilt, der Staat hätte in diesem Falle „von seinem Recht der Finanzaufsicht einen sehr tiefgehenden, aber notwendigen Gebrauch gemacht.“ Ebd., 508. 23 Weber, Staatskirchenrecht, 3. Freisler / Grauert, Recht, IV d 4, 1, 6 f., sahen in ihrem Gesetzeskommentar in dem Vermögensverwaltungsgesetz ebenfalls eine notwendige Maßnahme, um, „ohne im übrigen in die kirchlichen Verhältnisse einzugreifen“ (1), die Rechtsunsicherheit im Verkehr mit der Kirche zu beseitigen und „eine Schädigung der öffentlichen Belange“ (6) zu vermeiden. 24 Weber, Staatskirchenrecht, 3 f. 25 Ebd., 4. 26 Vgl. ebd.

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Die juristische Bewertung des Vermögensverwaltungsgesetzes

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späten Ausbildung gelangt war“27, ausscheiden – eine verschärfte Staatsaufsicht schien Weber auch unabhängig von der kirchlichen Notlage geboten. Zu einer positiven Bewertung kam auch Rechtsanwalt Dr. Georg Cölle. Apodiktisch lautete in seinem Aufsatz zum Vermögensverwaltungsgesetz der erste Satz: „Durch das Ges[etz] vom 11. 3. 1935 ist die in vermögensrechtlicher Hinsicht bestehende Unsicherheit in den Evangelischen Landeskirchen beseitigt.“28 Es stand für Cölle außer Zweifel, dass die Maßnahme „auf Grund des allgemeinen Aufsichtsrechts des Staates“ und dessen Rechts, „die äußere Ordnung der Kirche zu regeln“29, vollkommen gerechtfertigt sei. Als „[e]inschneidend […] in grundsätzlicher und rechtlicher Hinsicht“ kennzeichnete Oberkirchenrat Johannes Duske, selbst Mitglied der Finanzabteilungen beim altpreußischen Evangelischen Oberkirchenrat und der DEK-Kirchenkanzlei, die Maßnahme des Staates, weil jener „hier in neuartiger Weise von den Rechten und Pflichten Gebrauch gemacht hat, […] um eine geordnete rechtliche Vertretung und eine unanfechtbare Vermögens- und Finanzverwaltung […] sicherzustellen.“30 Dennoch hielt Duske die Regelung für einen „Akt der staatlichen Hilfeleistung für die äußere kirchliche Verwaltung, nicht [für] einen Staatseingriff in innerkirchliche Angelegenheiten“31. Die Finanzabteilungen seien zwar mit einem „staatlichen Hoheitsauftrag“ versehen, hätten aber einen kirchlichen Charakter, daher wäre ihre Einrichtung „also kein unzulässiger Staatseingriff“, sondern im Rahmen der unbestrittenen „staatlichen Schutz- und Hoheitsbefugnisse […] auf dem Gebiete der äußeren Verwaltung“32 erfolgt. Duske ging davon aus, dass die Finanzabteilungen nur vorübergehende Einrichtungen wären, die in der Notlage der Kirche eine unparteiische und sachliche Verwaltung gewährleisten sollten.33 Friedrich Giese, damals Jura-Professor in Frankfurt am Main, vertrat eine etwas andere Auffassung als die übrigen Interpreten. Auch für ihn unterlag es zunächst zwar „keinem Zweifel“, dass der Staat aufgrund der Rechtsunsicherheit im kirchlichen Finanzwesen „berechtigt und verpflichtet war“ einzugreifen34 und dass nichts irriger sei, als anzunehmen, im Deutschen Reich würde nun ein Staatskirchentum eingerichtet.35 Gleichzeitig aber räumte er ein, dass der Staat durchaus in „die innerkirchlichen Verhältnisse […] eingegriffen“36 habe. Allerdings an einer Stelle, an der „seine Regelungskompe27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

Ebd., 10. Cçlle, Rechtsfragen über die Vermögensverwaltung, 877. Ebd., 878. Duske, Neuordnung, 289. Ebd., 291. Ebd. Vgl. ebd., 290, 292, 299. Vgl. Giese, „Finanzabteilungen“, 300 f., Zitate 301. Vgl. Ders., Uebergangssystem, 193. Ders., „Finanzabteilungen“, 301.

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tenz am wenigsten einem rechtlichen Zweifel unterliegen konnte“ und mit einer „weise[n] Zurückhaltung dadurch […], daß er die zum Teil recht eingreifenden Befugnisse in die Hand nicht staatlicher, sondern kircheneigener Stellen legte, und zwar solcher, zu deren gedeihlicher Besetzung er volles Vertrauen haben konnte.“37 Letztlich sei durch die Regelung „mit dem geringstnötigen Eingreifen in die kirchliche Selbständigkeit größtmögliche Sicherung des Staatsinteresses an Ordnung in der Kirche verbunden worden“38. In einem wenig später erschienenen Aufsatz thematisierte Giese abermals den Charakter der Finanzabteilungen: Aufgrund seiner besonderen Kirchenaufsicht könne der Staat „erforderlichenfalls einschneidende Maßregeln gegenüber der Kirche ergreifen, ohne die Kirche dadurch zur ,Staatskirche‘ zu machen; diese Grenze wäre erst überschritten worden, wenn staatliche Organe zur Ausübung kirchlicher Funktionen bestellt worden wären.“39 Direkt sei dies mit dem Vermögensverwaltungsgesetz nicht geschehen, doch da „die Mitglieder der Finanzabteilungen vom Staate in ihr Amt berufen und dem Staate für einen ordnungsmäßigen Gang der kirchlichen Vermögensverwaltung verantwortlich sind“ und zudem als solche „Funktionen eigenkirchlicher Finanzverwaltung“ wahrnähmen, begänne an dieser Stelle „in der Tat – nach bisherigem Rechtsdenken – die Staatskirche.“40 Eine solche Schlussfolgerung aber, so Giese, beruhe auf dem überkommenen Rechtsdenken. Im „völkischtotalen Staate“41 mit dem „neuen Gemeinschaftsdenken“ habe das bisherige kirchenpolitische System eine grundsätzliche Wandlung erfahren, deshalb wäre es undenkbar, so Giese, dass der Staat nicht in den mit ihm „gliedhaft […] verbundenen kirchlichen Organismus“ eingreifen dürfe, um Schaden abzuwenden und ihn, etwa auf dem Gebiet des Finanzwesens, „vor dem Verfall zu bewahren“42. Von einer Staatskirche könne somit unter den neuen Umständen keine Rede sein, zumal die Rechtshilfe nur vorübergehender Natur sei.43 Letztlich war das System der Finanzabteilungen für Giese also doch nichts anderes als eine „großzügige[.] Abwehr- und Rettungsaktion“44 bzw. ein „gesetzgeberisches Meisterstück“45. Insgesamt wurden die Finanzabteilungen aus juristischer Sicht in den Jahren 1935/36 als unproblematisch erachtet und nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

37 38 39 40 41 42 43 44 45

Ebd., 304. Ebd. Ders., Uebergangssystem, 193. Ebd., 196. Ebd., 199. Ebd., 201. Vgl. zum gesamten Gedankengang ebd., 197 – 201. Ebd., 201. Ders., „Finanzabteilungen“, 304.

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2.3. Neue Aufgaben für die Finanzabteilungen: Die Politik des Reichskirchenministeriums 1935 Ab Juli 1935 fiel die Fortentwicklung der Finanzabteilungen in den Aufgabenbereich des neuen Reichskirchenministeriums unter Minister Hanns Kerrl. Eine von Kerrls ersten Amtshandlungen bestand darin, in der hannoverschen Landeskirche eine Finanzabteilung zu installieren. Er bewies damit, dass er an den Finanzabteilungen festhalten und den früher eingeschlagenen Kurs mit dem nötigen Nachdruck weiterverfolgen würde, schließlich war es Rust nicht mehr gelungen, in Hannover eine Finanzabteilung zu bilden.46 Daneben führte Kerrl eine Ausnahmeregelung für die Finanzabteilung in Aurich ein. Deren Geschäfte wurden dem dortigen Landeskirchenrat, also einem Kollegium, übertragen. Ein Unikum im FA-Wesen. Damit trug Kerrl den besonderen bekenntnismäßigen Wünschen dieser Landeskirche reformierten Bekenntnisses Rechnung – kein ganz neues Phänomen, denn schon früher waren von der Reichskirche Sondergesetze für die Reformierten erlassen worden.47 Im „Gesetz zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche“ vom 24. September 1935 wurde der Arbeitsauftrag des Kirchenministers definiert.48 Er wurde „zur Wiederherstellung geordneter Zustände in der Deutschen Evangelischen Kirche und in den evangelischen Landeskirchen ermächtigt, Verordnungen mit rechtsverbindlicher Kraft zu erlassen.“ Damit 46 Siehe unten 189 – 196. 47 Nach der Ersten Durchführungsverordnung zum Vermögensverwaltungsgesetz vom 11. April 1935 bestand die Finanzabteilung der Landeskirche Hannover-reformiert zunächst einzig aus dem Präsidenten des Auricher Landeskirchenrats Otto Koopmann. Dies war insofern bereits eine Ausnahme gewesen, als dass mit ihm ein Mitglied der Kirchenleitung auch die Finanzabteilung führte, was andernorts vermieden worden war. In Aurich war dies unumgänglich gewesen, weil in der kleinen Verwaltungsbehörde der Landeskirche nur Koopmann die nötige Erfahrung und die erforderlichen Kenntnisse für die FA-Tätigkeit aufwies. Außerdem bestand wenig Handlungsbedarf, da es in der Landeskirche zu keinen finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen war. Doch für die Kirchenleitung war selbst eine mit Koopmann besetzte Finanzabteilung aus grundsätzlichen Gründen nicht akzeptabel. In der reformierten Kirche, so die Argumentation, müsse auch die äußere Ordnung und Verwaltung an das Bekenntnis gebunden sein und danach ausgerichtet werden. Daher bat der Präsident des Landeskirchenrates Stahn im Mai 1935, das verfassungsmäßige Verwaltungsorgan der Landeskirche, der Landeskirchenrat, möge zur Finanzabteilung ernannt werden. Stahn beurteilte diesen Wunsch wohlwollend; bereits am 14. Juni 1935 erklärte sich Rust damit einverstanden, dass vorläufig die Geschäfte der Finanzabteilung in Aurich von dem dortigen Landeskirchenrat als Kollegium wahrgenommen würden. Am 25. Juli 1935, in der Zweiten Durchführungsverordnung zum Vermögensverwaltungsgesetz, wurden endgültig die Geschäfte der Finanzabteilung auf den Landeskirchenrat übertragen. Vgl. insgesamt BArch R 5101 / 22728, bes. Bl. 159, 192 – 194, 197, 227, 250, 323, 330 f.; ferner Middendorff, Kirchenkampf, 20, 25, 125. 48 RGBl., 1935, 1178, daraus auch die folgenden Zitate.

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hatte Kerrl die Vollmacht, die evangelische Kirche von Grund auf neu zu ordnen, ohne sich dabei an der verfassungsmäßigen Ordnung von 1933 orientieren zu müssen.49 Ziel seiner Politik, in der Präambel zu dem Gesetz ausgedrückt, sollte es sein, „einer in sich geordneten Kirche möglichst bald die Regelung ihrer Angelegenheiten selbst überlassen zu können“ und es ihr zu ermöglichen, „in voller Freiheit und Ruhe ihre Glaubens- und Bekenntnisfragen selbst zu regeln“. Kerrl sollte als staatlicher „Treuhänder“ der Kirche mit einer vorübergehenden Rechtshilfe den Übergang zu geordneten und befriedeten Verhältnissen erleichtern.50 Die Finanzabteilungen konnten danach nur Teil eines befristeten staatlichen Ordnungswerkes sein und ihrem ursprünglichen Zweck nach nur als Teillösung für Kerrls Problem taugen, denn dessen Ziel und Aufgabe war schließlich die Befriedung der gesamten Kirche, nicht nur die Ordnung der kirchlichen Finanzverwaltung. Kerrl wollte seinen Auftrag in staatskirchlicher Manier umsetzen. Er beabsichtigte, „die gesamte Vermögensverwaltung, die Disziplinargewalt und dazu die Verwaltung“ als Rechte des „summus episcopus“51 zu übernehmen. Dies schien eingedenk der erheblichen staatlichen Finanzleistungen für die Kirche gerechtfertigt. In Kerrls Plänen spielten daher die Finanzabteilungen eine zentrale Rolle. Sie sollten auf außerpreußisches Gebiet ausgedehnt werden, außerdem sollten ihre Aufgaben erweitert werden. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt wollte Kerrl die Finanzabteilungen nicht mehr nur dazu nutzen, die unmittelbare finanzielle Notlage der Kirchen zu beheben, sondern sie daneben als staatliches Kontrollinstrument der kirchlichen Verwaltung einsetzen.52 Gleichwohl vermied es Kerrl, selbst nach Erlass des Kirchensicherungsgesetzes, als dies möglicherweise zu realisieren gewesen wäre, sich die Kompetenzen der Finanzabteilungen direkt anzueignen und die Kirchenverwaltung unmittelbar zu verstaatlichen. Die Finanzabteilungen waren stets als Mittelinstanz zwischen unabhängiger kirchlicher Verwaltung und staatlichem Willen eingeschaltet, mehr oder weniger einer der beiden Seiten zuneigend. Der anvisierten neuen Rolle der Finanzabteilungen entsprechend empfahl Ministerialrat Julius Stahn im Juli 1935, „die Finanzabteilungen zu stützen, nicht aber die vorhandenen Kirchenbehörden.“53 Die „staatlichen Finanzabteilungen“54 waren für ihn bereits zu diesem frühen Zeitpunkt kein integraler 49 Vgl. Meier, Kirchenkampf II, 78 f.; Grìnzinger, Einleitung III, XXf. 50 Vgl. auch den Gesetzeskommentar Pfundtner / Neubert, Reichsrecht, I d 4, 15. 51 So Kerrl in einer Besprechung mit DC-Kirchenführern am 21. 8. 1935 (Dokumente III, 63 – 72, hier 68). 52 Am 8. August 1935 sagte Kerrl bei einer Besprechung mit Ländervertretern, „insbesondere müsse die Finanz- und Vermögensverwaltung der Kirche auch im Reich entsprechend dem Preußischen Gesetz über die kirchliche Finanzverwaltung unter staatliche Aufsicht gestellt werden.“ Ebd., 39 – 50, hier 40. So auch Kerrl am 6. 8. 1935 bei einer Besprechung mit FAFunktionären (BArch R 5101 / 23502, Bl. 76). 53 Vermerk Stahns für Kerrl vom 19. 7. 1935 (ebd., Bl. 60 f., hier Bl. 60). 54 Ebd., Bl. 61.

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Bestandteil der kirchlichen Verwaltungsbehörden mehr, sondern vorwiegend ein Instrument der Staatsaufsicht, das es gegenüber den rivalisierenden kirchlichen Gruppierungen und den Kirchenbehörden zu stärken galt.55 Dazu diente auch ein Erlass Kerrls vom 22. August 1935: Er betonte, durch das Gesetz zur Vermögensverwaltung sei eine „einwandfreie Rechtsgrundlage geschaffen“ worden, nach der die „Finanzabteilungen ausschließlich zuständig und verantwortlich für die gesamten kirchlichen Vermögensangelegenheiten“56 seien. Die Kirchengemeinden hätten sich in allen Finanzfragen ausschließlich an die Finanzabteilungen zu wenden. Auf diese Weise solle aus den „innerkirchlich-theologischen Auseinandersetzungen […] jedes äußerliche Druckmittel, wie es u. a. in der Handhabung der Vermögensverwaltung gegeben ist, ausscheiden.“57 Die Finanzabteilungen wollte er zu diesem Zweck „in die Hand von unbeeinflußten Männern legen und die Aufsicht darüber führen.“58 Durch eine möglichst neutrale, ausgleichende Personalauswahl sollte der Anschein vermieden werden, der Staat wolle mithilfe der Finanzabteilungen parteiisch in den „Kirchenkampf“ oder die geistlichen Auseinandersetzungen eingreifen.59 Außerdem sollte sie es den Finanzabteilungen ermöglichen, ein „gewisses Vertrauen“ in den Gemeinden zu gewinnen.60 Eine andere FA-Personalpolitik hätte die Stellung der Finanzabteilungen von vornherein geschwächt. Die Finanzabteilungen sollten zu diesem Zeitpunkt, nach dem Willen Kerrls, vor allem die Gewähr für eine „objektive Verwaltung“61 bieten, so dass der innerkirchliche „Kirchenkampf“ nicht weiterhin auf dem Gebiet der Finanzen ausgetragen werden konnte – insofern war die Unabhängigkeit der Finanzabteilungen von den kirchlichen Stellen durchaus sinnvoll und ihrer Neutralität zuträglich. Kerrl hoffte, mit der neutralen Haltung würden sich die innerkirchlichen Gegensätze entschärfen und überwinden lassen62 und nahm 55 So auch Kerrl am 23. 8. 1935 auf einer Besprechung mit Kirchenvertretern (Schmidt, Dokumente II/2, 1373); und in einer Besprechung mit der 1. VKL am 27. 11. 1935 (Ders., Dokumente II/1, 83 – 90, hier 88). 56 Erlass über kirchliche Vermögensangelegenheiten vom 22. 8. 1935 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 67 f.; Dokumente III, 72 – 74, hier 73). 57 Ebd. Vgl. zu dem Erlass: Besier, Kirchen, 304. 58 Kerrl am 23. 8. 1935 auf einer Besprechung mit Kirchenvertretern (Schmidt, Dokumente II/2, 1373). 59 Siehe auch unten 191 f. zu den Grundsätzen des Reichskirchenministeriums bei der Auswahl des FA-Personals. 60 Dies mahnten auch die FA-Funktionäre auf einer Besprechung mit Kerrl am 6. August 1935 laut Vermerk Stahns an, vgl. BArch R 5101 / 23502, Bl. 77, daraus auch das Zitat. Auch von Bodelschwingh hielt es für die erfolgreiche Tätigkeit der Finanzabteilungen für unerlässlich, „daß auch der Schein vermieden wird, als wenn auf dem Wege bürokratischer Verwaltung die Lebensinteressen der Bekenntniskirche erstickt werden sollten“. Bodelschwingh an von Detten vom 1. 10. 1935 (Dokumente III, 98 – 101, Zitat 101). 61 So Kerrl auf einer Sitzung mit FA-Funktionären am 6. 8. 1935 (BArch R 5101 / 23502, Bl. 76). 62 Vgl. Grìnzinger, Einleitung III, XX. Von daher ist das Urteil von Beckmann, KJ, 100, übertrieben, wenn er zum Vermögensver-

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dafür sogar die örtliche Verärgerung der Deutschen Christen in Kauf, die sich daran störten, dass die Finanzabteilungen eben nicht explizit deutschchristlich ausgerichtet wurden.63 Der Rechtshilfecharakter der Finanzabteilungen indessen war verhandelbar geworden. Solange er in seinem kirchenpolitischen Interesse lag, wurde er vom Reichskirchenminister beibehalten. Genauso gut aber konnten die Finanzabteilungen zukünftig anderen kirchenpolitischen Zielvorstellungen dienstbar gemacht werden, denn klar war, dass Kerrl die Finanzabteilungen als verlängerten Arm des Staates in der kirchlichen Verwaltung begriff. Doch zunächst musste die Akzeptanz der Finanzabteilungen im kirchlichen Raum, insbesondere bei der Bekennenden Kirche, noch durchgesetzt werden. Die Finanzabteilungen hatten es in manchen Kirchenprovinzen der Altpreußischen Union nämlich weiterhin mit konkurrierenden BK-Verwaltungsstellen und Treuhandkonten zu tun.64 Für die Bekennende Kirche, mit ihrem Anspruch die rechtmäßige Kirchenleitung zu stellen, konnte auch eine neutrale Gleichbehandlung aller kirchlichen Gruppen durch die Finanzabteilungen nicht akzeptabel sein, da damit die Deutschen Christen als gleichberechtigt und legitim anerkannt wurden. Erschwert wurde die Akzeptanz der Finanzabteilungen bei der Bekennenden Kirche zusätzlich dadurch, dass das Auftreten des Staates auf dem kirchlichen Finanzsektor sich nicht auf deren Einrichtung beschränkte. Schon im August 1935 hatte Kerrl erklärt, er werde inoffizielle Verwaltungsstellen der kirchlichen Gruppierungen nicht mehr dulden.65Anfang Dezember erhöhte Kerrl den finanziellen Druck auf die Bekennende Kirche mit der Fünften Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz. Er erklärte „die Ausübung kirchenregimentlicher und kirchenbehördlicher Befugnisse durch kirchliche Vereinigungen oder Gruppen“66 für unzulässig und meinte damit in finanzieller Hinsicht nicht nur etwa die Erhebung und Verwaltung von Kirchensteuern, sondern auch die Ausschreibung von Kollekten.67 Dieses Mittel der Finanzierung war aber für die Bekennende Kirche von großer Bedeutung, abgesehen von der theologischen Relevanz, die diese Frage für das Selbstverständnis der Bekennenden Kirche mit sich brachte. Bereits im November 1935 war auch das Treuhandkonto der Bekennenden Kirche Altpreußens gesperrt worden.68 Außerdem wirkten sich die Maßnahmen der Finanzabtei-

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waltungsgesetz schreibt, der Staat hätte auf diesem Wege die innerkirchlichen Auseinandersetzungen „gewaltsam“ beenden wollen. Dies hoffte Kerrl zu vermeiden. Vgl. etwa DC-Mülheim an Kerrl vom 5. 8. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 356 – 358). Vgl. exemplarisch Kl•n, Kirche, 357 – 362, 384. Erlass über kirchliche Vermögensangelegenheiten vom 22. 8. 1935 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 67 f.; Dokumente III, 72 – 74). GBlDEK, 1935, 130. Vgl. auch Besier, Kirchen, 389. Vgl. das Rundschreiben der altpreußischen Finanzabteilung vom 1. 11. 1935 (LkAH S 1 E I 712, Bl. 6 f.; Schmidt, Dokumente II/1, 49 – 52).

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lungen, die sich aus der Gesetzeslage ergaben, als Stützung der offiziellen Kirchenleitungen und damit in den „zerstörten“ Landeskirchen (mit DCKirchenleitungen) gleichzeitig negativ auf die Bekennende Kirche aus; etwa, dass sie Gehälter nur an ordnungsmäßig berufene Amtspersonen zahlen durften und die Zuschüsse für die Gemeinden gesperrt werden konnten, wenn diese die Umlagezahlungen verweigerten. Die Finanzabteilungen waren insofern ein bedeutender Bestandteil der seit Herbst 1935 zunehmend repressiven Politik des Reichskirchenministeriums gegenüber der Bekennenden Kirche.69 Die Finanzabteilungen selbst suchten diese Rolle nicht. Sie strebten vielmehr meist ein gutes Auskommen mit der Bekennenden Kirche an, konnten sich aber den staatlichen Weisungen nicht entziehen, solange die Ordnung des Finanzwesens zulasten der Bekennenden Kirche betrieben werden sollte und diese sich widersetzte. Außerdem dienten die Maßnahmen häufig neben der BK-Bekämpfung auch gleichzeitig der FA-Durchsetzung. Die Tätigkeit der Finanzabteilungen, insbesondere bezüglich der Umlagezahlungen und der Pfarrbesoldung, trug zusammen mit den anderweitigen staatlichen Maßnahmen dazu bei, dass der bekenntniskirchliche Widerstand gegen die Kirchenleitungen und Finanzabteilungen auf dem finanziellen Gebiet abgebrochen werden musste.70 Wenn auch für die Bekennende Kirche niederschmetternd, brachte diese Entwicklung doch die gewünschte Ordnung und Rechtssicherheit auf dem Finanzsektor mit sich. Für die Kirche freilich zu einem hohen Preis. Die Finanzabteilungen dienten der Stabilisierung und Beruhigung der Lage, insbesondere, nachdem die Bekennende Kirche sich mit ihnen abzufinden begann.71 Paul Humburg, Mitglied der Ersten Vorläufigen Kirchenleitung, warnte bereits im November 1935: „Wir sind auf dem besten Wege, uns daran zu gewöhnen, daß dieser gefährlichste Eingriff des Staates in die Rechte der Kirche, nämlich der in die Finanzverwaltung, erträglich sei, ja, vielleicht sogar ganz in der Ordnung.“72 Zu diesem Zeitpunkt sah sich die Bekennende Kirche durch Kerrls Ausschusspolitik vor staatlich verordnete Kirchenleitungen gestellt, die die Beschäftigung mit den Finanzabteilungen auf der BKAgenda deutlich in den Hintergrund treten ließen.

69 Vgl. Rundverfügung des altpreußischen Bruderrates vom 17. 8. 1935 (Niemçller, Steglitz, 94 – 99, hier bes. 95 – 98); auch Kersting, Kirchenordnung, 244 – 246; Besier, Kirchen, 67; Meier, Kirchenkampf II, 41, 88. 70 Vgl. Niesel, Wort, 106 f.; Danielsmeyer, Geld, 736; Hey, Kirchenprovinz, 96 f.; Kersting, Kirchenordnung, 248 f.; Kl•n, Kirche, 384; Harder, Tätigkeit, 206; Bericht von Präses Humburg sowie Bericht der Rechts- und Verwaltungsabteilung auf der 5. Bekenntnissynode im Rheinland vom 29. 6.– 3. 7. 1936 (Beckmann, Bekenntnissynoden, hier 258 f., 273 f.). 71 So auch die Beurteilung des FA-Funktionärs Gerhard Thìmmel, 40 Jahre, 33 f. Vgl. auch Loycke, Entwicklung, 78; Herbert, Kirchenkampf, 138. 72 Humburg an Marahrens vom 9. 11. 1935 (Schmidt, Dokumente II/1, 54 – 57, hier 56).

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

2.4. Das Selbstverständnis der Finanzabteilungen: Festhalten am kirchlichen Auftrag Die Finanzabteilungen selbst verstanden sich zu diesem frühen Zeitpunkt als neutrale Stellen, die „streng sachlich und gewissenhaft im Rahmen der ihnen gesteckten Ziele arbeiten“ und das „Vertrauen weitester kirchlicher Kreise“73 erwerben wollten, um weitere Erschütterungen der kirchlichen Ordnung zu verhindern. Die Finanzabteilung beim altpreußischen Oberkirchenrat definierte die Rechtsstellung der Finanzabteilungen als „kirchliche Verwaltungsstellen mit staatlichem Hoheitsauftrag“74, die der Staat in Ausübung seiner Rechte des ius circa sacra geschaffen habe, um die kursierende Rechtsunsicherheit in der Kirche zu beseitigen. Vor allem aber betonten die Finanzabteilungen ihr kirchliches Wesen. In ihrer ersten Bekanntmachung am 14. November 1935 beteuerte die Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei: „Wir sind uns bewußt, als Beamte der kirchlichen Verwaltung Diener der durch die Verfassung vom 11. Juli 1933 geschaffenen Deutschen Evangelischen Kirche zu sein. In diesem Geiste verbürgen wir uns für eine rechtliche und geordnete Haushaltsführung […] Wir werden uns mit allen Kräften […] für die finanzielle Förderung eines besonnenen und echten kirchlichen Aufbaus einsetzen.“75

Auch die Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat der Altpreußischen Union verwies darauf, sie bestünde aus „kirchlichen Beamten, die schon seit Jahren im kirchlichen Dienst stehen und für ihre Finanzen zuständig und verantwortlich sind […] Daß sie darüber hinaus im April 1935, als die allgemeine Rechtssicherheit es verlangte, auch vom Staat als dem Hüter der allgemeinen Rechtsordnung besondere Vollmachten erhielten, ändert an ihrem kirchlichen Auftrag und an ihrer kirchlichen Haltung nichts […] Ihr oberster Leitsatz ist, daß auch die kirchlichen Finanzen in den Dienst der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift bezeugt und in den Bekenntnissen der Reformation neu ans Licht getreten ist, zu stellen sind“76.

Mit dieser kirchlichen Bindung und der Beteuerung, nicht in die geistliche Leitung eingreifen zu wollen, warb die altpreußische Finanzabteilung bei den Gemeinden und Bruderräten um Vertrauen und Kooperation.77 Der eigene 73 Interner Runderlass der FA-EOK Berlin betreffend „Weisungen für die Arbeit der Finanzabteilungen“ vom 26. 4. 1935 (BArch R 5101 / 22729, Bl. 160 – 163, hier Bl. 160). 74 Ebd. 75 GBlDEK, 1935, 118. 76 Rundschreiben vom 1. 11. 1935 (LkAH S 1 E I 712, Bl. 6 f., Zitat Bl. 6; Schmidt, Dokumente II/ 1, 49 – 52). 77 Vgl. auch den Runderlass der FA-EOK Berlin vom 26. 4. 1935 (BArch R 5101 / 22729, Bl. 160 – 163).

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Die Konsolidierung der Finanzabteilungen in der Zeit der Kirchenausschüsse 71

Anspruch, eine kirchliche Institution zu sein, korrespondierte allerdings selbst zu diesem frühen Zeitpunkt nicht mehr mit den Anforderungen der Politik an die Finanzabteilungen.

2.5. Die Konsolidierung der Finanzabteilungen in der Zeit der Kirchenausschüsse 1935/36 Im Oktober 1935 installierte Kerrl mit dem Reichskirchenausschuss eine neue Leitung für die Deutsche Evangelische Kirche. Dahinter stand sein Ordnungskonzept, sowohl auf Reichsebene wie auch in den Landeskirchen, Kirchenausschüsse anstelle der bisherigen Kirchenleitungen einzusetzen, um so die Kirche innerlich zu befrieden und ein geordnetes Verhältnis von Kirche und Staat herzustellen. Er stützte sich hierbei auf die kirchliche Mitte, gemäßigte Deutsche Christen und gemäßigte Bekenntniskirchler. Gleichwohl gelang die Umsetzung der Ausschusspolitik nicht in allen Landeskirchen.78 Dort, wo Ausschüsse eingerichtet wurden, bildete Kerrl parallel auch Finanzabteilungen, sofern diese nicht bereits zuvor bestanden hatten.79 Die Kompetenzen der Finanzabteilungen blieben durch die Ausschüsse unberührt; sie arbeiteten weiterhin selbständig in eigener Verantwortung und hatten mit den Ausschüssen nur, wie mit jeder Kirchenleitung, enge Fühlung zu halten. Das ganze Vorgehen war mit dem ursprünglichen Zweck der Finanzabteilungen eigentlich unvereinbar : Es war ihre Aufgabe gewesen, die grassierende Rechtsunsicherheit zu beheben. Doch die Kirchenausschüsse allein waren nun schon ein Garant für die Rechtssicherheit, so dass folgerichtig eigentlich die Finanzabteilungen dort, wo Ausschüsse bestanden, hätten abgeschafft werden müssen. Dass dies eben nicht geschah, sondern das Gegenteil, spricht für den Funktionswandel, den die Finanzabteilungen bereits zu diesem Zeitpunkt durchgemacht hatten. Sie dienten nicht mehr vordringlich als Rechtsbehelf in einer Notlage, sondern waren integraler Bestandteil von Kerrls ordnungspolitischen Vorstellungen geworden. Im Zuge der Ausschusspolitik wurde systematisch der FA-Vorsitz dem Leiter der jeweiligen obersten Kirchenverwaltungsbehörde übertragen und die Finanzabteilung so stärker in die allgemeine Verwaltung eingebunden.80 78 Vgl. zur Kirchenausschusspolitik: Kreutzer, Reichskirchenministerium, 265 – 271; Meier, Kirchenkampf II, bes. 81 – 96, 115 – 117; Besier, Kirchen, passim; Grìnzinger, Einleitung III, XXIf. 79 Die Deutsche Evangelische Kirche sowie die Landeskirchen Sachsen und Braunschweig erhielten zeitgleich mit ihrem Kirchenausschuss auch eine Finanzabteilung. Vgl. RGBl., 1935, 1221, 1350 f.; ebd., 1936, 129 f. 80 So übernahm der Präsident des Evangelischen Oberkirchenrates der Altpreußischen Union, Friedrich Werner, die dortige Finanzabteilung, ebenso wie in den meisten altpreußischen Kirchenprovinzen der Konsistorialpräsident fortan auch die Finanzabteilung führte. Die FA-

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

Auf diese Weise sollte die „Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Finanzabteilung“81 sichergestellt werden, ohne an der strukturellen Organisation Änderungen vornehmen zu müssen. Kerrl hatte die Gelegenheit der Ausschusspolitik genutzt, um das System der Finanzabteilungen auf Grundlage des Kirchensicherungsgesetzes auch über den Bereich der preußischen Landeskirchen hinaus auszudehnen. Den Verordnungen nach waren diese neuen Finanzabteilungen, wie die Ausschüsse, bis zum 30. September 1937 befristet. Dennoch blieben sie auch dann noch bestehen, als die Kirchenausschüsse längst gescheitert waren – stillschweigend wurde aus den Finanzabteilungen ein dauerhaftes System. Kerrls Handeln beruhte zu diesem Zeitpunkt noch auf seiner „Identitätskonzeption“.82 Er ging davon aus, dass christliche Glaubensinhalte und die nationalsozialistische Ideologie nicht nur miteinander vereinbar seien, sondern das Christentum für den Nationalsozialismus letztlich unverzichtbar sei. Auf dieser ideologischen Basis verfolgte er seine staatskirchlichen Pläne und bemühte sich um ein Arrangement des Staates mit der Kirche. Gleichzeitig geriet Kerrl mit dieser Sichtweise in einen scharfen Gegensatz zu jenen kirchenfeindlich gesinnten Kräften innerhalb der NSDAP, die Christentum und nationalsozialistische Weltanschauung für unvereinbar hielten, ihrerseits eine Trennung und völlige Entflechtung von Kirche und Staat anstrebten und die Kirche mit entsprechend restriktiven Maßnahmen aus dem öffentlichen Leben und der gesellschaftlichen Teilhabe verdrängen wollten.83 Als Kerrl das FASystem auszuweiten versuchte, musste er sich mit deren Einstellung zu den Finanzabteilungen auseinandersetzen. Am 24. August 1935 hatte sich der Reichskirchenminister mit der Anfrage an die Länderregierungen gewandt, ob Finanzabteilungen für die jeweiligen Landeskirchen gewünscht wären.84 Unter den diversen Antworten finden sich auch solche von dezidiert kirchenkritischen NS-Funktionären – etwa von dem württembergischen Kul-

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Umbesetzung in Hannover entsprach ebenfalls diesem Muster; in Schleswig-Holstein wurde der Vorsitz der Finanzabteilung von Johannes Carstensen auf Christian Kinder übertragen. Kinder war zwar noch nicht Präsident des dortigen Landeskirchenamtes, die entsprechende Umbesetzung stand jedoch bevor und Traugott Freiherr von Heintze, der bisherige Präsident, hatte bereits seinen Antrag auf Zurruhesetzung eingereicht (siehe dazu LkAN 12.03 Nr. 1419). Vgl. zu den Umbesetzungen im Einzelnen die 3. DVO zum Vermögensverwaltungsgesetz vom 23. 3. 1936 nebst Anlage (GBlDEK, 1936, 45 f.). Vermerk auf der 3. DVO zum Vermögensverwaltungsgesetz vom 23. 3. 1936 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 580). Vgl. zu Kerrls weltanschaulichem Konzept: Melzer, Vertrauensrat, 18 f. (dort auch obiger Terminus); Grìnzinger, Einleitung III, XVIIIf.; Wenschkewitz, Geschichte, 199 – 202; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 272 f.; Gailus, „Nationalsozialistische Christen“, 243 – 246. Siehe zu den religionspolitischen Diskrepanzen innerhalb der Partei oben 41 f. Die Antworten der Länderregierungen finden sich in BArch R 5101 / 22728, bes. Bl. 613 – 619, 633 – 640, 645 – 648, 651, 654, 670, 691 – 694.

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Die Konsolidierung der Finanzabteilungen in der Zeit der Kirchenausschüsse 73

tusminister Christian Mergenthaler, der stellvertretend für diesen Parteiflügel gehört werden soll: Mergenthaler lehnte die Finanzabteilungen grundsätzlich ab, da sie dem Ziel der Trennung von Kirche und Staat nicht entsprächen. Er ließ Kerrl wissen: „Wenn man diesen Weg [scil. der Trennung von Kirche und Staat] gehen will, wird man nur ungerne den Staat weiter als bisher mit der Finanzgebarung der Kirche befassen, da ja das Endziel eine reinliche Scheidung der staatlichen und religiösen Sphäre ist. Hält man die Inangriffnahme der allmählichen Trennung von Staat und Kirche in absehbarer Zeit für undurchführbar oder unerwünscht, dann allerdings halte ich es für zweckmäßig, das preußische Gesetz über die Vermögensverwaltung in den evangelischen Landeskirchen durch Reichsgesetz verbindlich auf das ganze Reich auszudehnen.“85

Als Notlösung schienen die Finanzabteilungen Mergenthaler demnach akzeptabel. Ansonsten erhielt der Reichskirchenminister sehr unterschiedliche Reaktionen auf seine Anfrage. Die meisten Länderregierungen lehnten die Bildung einer Finanzabteilung auf ihrem Gebiet als unnötig ab,86 während nur wenige der Anfrage aufgeschlossen gegenüber standen.87 Der Reichskirchenminister konnte sich zu einer flächendeckenden Einrichtung von Finanzabteilungen daher vorerst nicht entschließen; er hätte sich auch machtpolitisch kaum gegen die zum Teil sehr selbstbewussten Länderregierungen, Gauleiter oder Reichsstatthalter durchsetzen können. Einige Länderregierungen allerdings überlegten ihrerseits, eigene, von Berlin unabhängige Finanzabteilungen für ihre Landeskirchen einzurichten, denn auch viele Befürworter einer Trennung von Kirche und Staat konnten sich mit einer „stärkeren finanziellen Kontrolle der Kirche“ durchaus anfreunden:88 In Sachsen scheiterte im Frühjahr 1935 der Erlass einer solchen landeseigenen Regelung.89 Das mecklenburgische Staatsministerium hatte im Juli 1935 den Vorschlag an das Reichsinnenministerium gerichtet, das preußische Vermögensverwaltungsgesetz für Mecklenburg dahingehend zu adaptieren, dass die zu bildende Finanzabteilung 85 Schreiben vom 24. 9. 1935 (ebd., Bl. 613 – 619, hier Bl. 619). Der badische Kultusminister hatte schon vor Kerrls Anfrage eine reichsgesetzliche Lösung in der Frage der Ausdehnung der Finanzabteilungen gefordert, vgl. sein Schreiben an den Reichskirchenminister vom 5. 8. 1935 (ebd., Bl. 627 – 629). 86 So etwa Thüringen, Hamburg, Mecklenburg, Braunschweig, Oldenburg, Anhalt, Lippe, Schaumburg-Lippe, Bayern (ebd., Bl. 633 – 635, 637 – 640, 645, 646, 647, 648, 654, 691, 692 – 694). 87 So etwa Lübeck (ebd., Bl. 670 – 672). 88 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 17 Anm. 2, dort auch das Zitat. 89 Das dortige Volksbildungsministerium hatte im März 1935, nachdem in Preußen das Vermögensverwaltungsgesetz erlassen worden war, erwogen, das Gesetz für Sachsen zu adaptieren. Da sich das sächsische Finanzministerium gegen den Erlass einer FA-Gesetzgebung aussprach, wurde von einer eigenen sächsischen Regelung letztlich abgesehen, vgl. Fischer, Landeskirche, 40.

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

„aus Beamten der allgemeinen Staatsverwaltung bestehen soll.“90 Der bereits ausgearbeitete Gesetzentwurf für diese Verstaatlichung wurde indes nie umgesetzt, eine Finanzabteilung in Schwerin nie installiert. In Nassau-Hessen kam es hingegen zur Einrichtung einer Finanzabteilung durch den dortigen Reichsstatthalter.91

2.6. Das Scheitern der Ausschusspolitik im Februar 1937 Kerrl versuchte, seine Kirchenpolitik in dem bestehenden religionspolitischen Spannungsfeld durchzusetzen – gegen den Widerstand in Staat, Partei und Kirche, wo seine Ausschusspolitik heftige Reaktionen ausgelöst und zur Spaltung der Bekennenden Kirche geführt hatte. An seine Grenzen stieß der Reichskirchenminister Anfang 1937. Am 12. Februar des Jahres trat der Reichskirchenausschuss nach längeren Querelen zurück und besiegelte damit das Scheitern der Kerrl’schen Einigungsbemühungen auf Grundlage der Ausschüsse. Daraufhin wollte der Reichskirchenminister, dabei stark von seinem Stellvertreter Hermann Muhs beeinflusst, umgehend die kirchliche Ordnung und Einheit mittels eines neuen staatskirchlichen Verordnungswerkes herstellen, das bereits am 15. Februar 1937 erscheinen sollte. Es sollten die Aufsichts- und Eingriffsrechte des Staates gegenüber der evangelischen Kirche massiv ausgebaut werden:92 Der „Primat des Staates auch in der Kirche“, so Kerrl, müsse von der Kirche anerkannt werden.93 90 Schreiben vom 19. 7. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 641 – 643, Zitat Bl. 641). 91 In der Landeskirche Nassau-Hessen war durch das Vermögensverwaltungsgesetz für den preußischen Teil der Landeskirche an der Verwaltungsstelle Wiesbaden bereits eine Finanzabteilung eingesetzt worden. Der Reichsstatthalter nahm dies zum Anlass, im Dezember 1935 seinerseits eine Finanzabteilung bei der Verwaltungsstelle Darmstadt für den hessischen Gebietsteil der Landeskirche einzurichten. Vorsitzender der hessischen Finanzabteilung wurde Oberlandeskirchenrat Dr. Fischer (der auch die FA-Wiesbaden führte), Mitglieder die Oberkirchenräte Dr. Emil Büchler und Dr. Otto Horre. Anfang 1937 bildete der Reichsstatthalter die hessische Finanzabteilung personell um. Fortan fungierte Präsident Paul Kipper als Vorsitzender, Büchler blieb Mitglied. Am 1. Juli 1937 wurden die Finanzabteilungen in Wiesbaden und Darmstadt durch eine aufgrund der 15. Durchführungsverordnung vom Reichskirchenminister neu geschaffene, einheitliche Finanzabteilung ersetzt. Vgl. zum Ganzen: Dokumentation zum Kirchenkampf, Bd. 4, 296; Dokumentation zum Kirchenkampf, Bd. 6, 148 – 150, 290; BArch R 5101 / 23255, bes. Bl. 121 f., 130 – 138; EZA 1/1626; auch Lueken, Kampf, 69. 92 Besier, Kirchen, 639, meint: „Was dem Minister vorschwebte, war eine völlig vom Staat beherrschte, straff geführte Reichskirche.“ Und Scholder, Politik, 223, resümiert: „Es ging […] um nicht weniger als um die uneingeschränkte Staatsaufsicht über die evangelische Kirche, ihre Gesetze und Verordnungen, ihre Finanzen und ihre sämtlichen Amtsträger.“ Vgl. auch nähere Erläuterungen zu den Entwürfen unten auf Seite 78. 93 So Kerrl noch am 13. 2. 1937 in einer Rede vor den Vorsitzenden der Landes- und Provinzialkirchenausschüssen (Dokumente III, 318 – 320), daraus das vorhergehende Zitat. Vgl. zum Ende des Reichskirchenausschusses und Kerrls weiteren Plänen: Meier, Kirchenkampf II, 142 – 148; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 286 f.; Grìnzinger, Einleitung III,

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Das Scheitern der Ausschusspolitik im Februar 1937

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Kerrls Pläne, die Ausschüsse durch dieses Verordnungswerk zu substituieren, wurden allerdings vor ihrer Verwirklichung von Hitler durchkreuzt. Dabei zeigte sich, wie wenig Spielraum Kerrl in Fragen seines eigenen Ressorts hatte und wie isoliert er mit seinen Plänen in der NS-Führungsriege war – sogar in seinem eigenen Ministerium hatte der Minister mitunter Mühe, sich durchzusetzen.94 Nach einer Besprechung auf dem Obersalzberg, an der neben Hitler und Kerrl diverse NS-Größen teilnahmen, entschied Hitler überraschend, dass Kirchenwahlen für eine Generalsynode durchgeführt werden sollten.95 Die Kirche solle sich „in voller Freiheit nach eigener Bestimmung des Kirchenvolkes […] selbst die neue Verfassung und damit eine neue Ordnung geben.“96 Für Kerrl blieb nur die Aufgabe, diese Kirchenwahl vorzubereiten. Hitlers Anordnung widersprach eklatant den eigentlichen Plänen Kerrls, dem gleichwohl, öffentlich bloßgestellt, nichts anderes übrig blieb, als sich der Führerentscheidung zu beugen. Dem Reichskanzler war daran gelegen, die Kirchenfrage, die nach wie vor ein innen- wie außenpolitisches Ärgernis und Risiko bedeutete, zunächst „für eine bestimmte Zeit lang dilatorisch behandeln zu können“97, bis eine umfassende Lösung ausgearbeitet wäre. Nun jedoch „eine Art Staatskirchenregierung“98 auf dem Verordnungsweg zu installieren, wie von Kerrl geplant, hätte einstweilen eine große Beunruhigung im Kirchenvolk verursacht und wäre wohl in der Kirche nur mit Mühe durchzusetzen gewesen. Das hätte Hitlers damaligen Wünschen nach einem „friedlich-schiedlichen Arrangement mit den Kirchen“99 widersprochen; der Wahlerlass indes konnte als versöhnlicher Schritt in Richtung der Kirche verstanden werden. Die radikalen Kirchengegner in der Parteiführung kalkulierten, die evangelische Kirche würde, mit der Kirchenwahl sich selbst überlassen, „in ihre schon bestehenden Sekten“100 zersplittern und den Staat schon bald „um Hilfe gegen sich selbst anbetteln“101. Damit wäre nicht nur die „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“ einen Schritt vorangekommen, sondern

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XXII; Wenschkewitz, Versuche, 121 f.; Heinonen, Anpassung, 114 f.; Besier, Kirchen, bes. 635 – 640. Vgl. zu Kerrls Durchsetzungsschwäche in seinem eigenen Ministerium: Kreutzer, Reichskirchenministerium, 123 – 125; Besier, Kirchen, 298 f. Vgl. dazu und zum Folgenden: Meier, Kirchenkampf II, 148 f.; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 286 – 291; Scholder, Politik, 223 f.; Wenschkewitz, Versuche, 122 – 124; Heinonen, Anpassung, 116 – 118; Grìnzinger, Kirchenpolitik, 226; Melzer, Vertrauensrat, 30 f.; Besier, Kirchen, 640 – 642; Hockerts, Goebbels-Tagebücher, 371 – 375; Schulze, Einleitung III, 21. Erlass vom 15. 2. 1937 (GBlDEK, 1937, 11). Kreutzer, Reichskirchenministerium, 290. Mehlhausen, Nationalsozialismus und Kirchen, 61. Hockerts, Goebbels-Tagebücher, 367. Tagebuchaufzeichnung Rosenbergs nach der Besprechung auf dem Obersalzberg (Dokumente III, 322 f., hier 323). Tagebuchaufzeichnung Goebbels’ vom 16. 2. 1937 (Frçhlich, Tagebücher I/3/II, 376).

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

außerdem eine geeinte und damit gestärkte Reichskirche verhindert, die Kerrl nach wie vor anstrebte. Schon zu dieser Zeit gewannen die kirchenfeindlichen Kräfte zusehends an Einfluss bei Hitler, beziehungsweise konnten von dessen Desinteresse in kirchenpolitischen Fragen profitieren, und vermochten so immer mehr ihre Politik durchzusetzen. Auf der Strecke blieb dabei der Reichskirchenminister. Ihm war, nach eigener Einschätzung, mit Hitlers Entscheidung die Befugnis entzogen worden, „die Kirchenpolitik in eigener Verantwortung nach bestem Wissen und Gewissen zu führen.“102 Seit Februar 1937 war Kerrl nach Einschätzung Kreutzers „faktisch völlig machtlos und isoliert“, da ihm der Zugang zu Hitler und damit „sein letztes verbliebenes Machtmittel“103 entzogen worden sei.104 Der Sache nach war damit auch Kerrls Konzept einer Staatskirche im nationalsozialistischen Staat, also die Idee einer mit dem Staat verbundenen und vom Staat unterstützten Kirche, an dem wachsenden Einfluss der „weltanschaulichen Rigoristen“ gescheitert. In der Form führte Kerrl dennoch den staatskirchlichen bzw. bald staatskirchenhoheitlichen Kurs fort, indem er versuchte, die Staatsaufsicht und -kontrolle über die kirchliche Verwaltung zu verschärfen.105 Gleichzeitig erledigten sich mit dem Ende der Ausschusspolitik bis auf weiteres die geplanten Neueinrichtungen von Finanzabteilungen. Staatssekretär Muhs ging in der Folge einen anderen Weg, das bestehende FASystem auszubauen und die Finanzabteilungen immer weiter von der ihnen ursprünglich zugrunde liegenden Idee zu entfernen.

2.7. Der Ausbau der Finanzabteilungen unter Federführung von Staatssekretär Hermann Muhs 1937 Nach dem Debakel im Februar 1937 zog sich Kerrl für einige Monate aus dem Tagesgeschäft seines Ministeriums zurück106 und überließ dieses seinem Stellvertreter, dem ehemaligen Hildesheimer Regierungspräsidenten Hermann Muhs.107 Muhs war am 19. November 1936 zunächst kommissarisch ins 102 Kerrl an Lammers vom 3. 3. 1941 (BArch R 43 II / 153a, Bl. 5 – 7, hier Bl. 7). 103 Kreutzer, Reichskirchenministerium, 126. 104 Vgl. auch ebd., 322, wo Kreutzer urteilt, spätestens nach dem Scheitern seiner Ausschusspolitik hätte Kerrl „keinen wesentlichen Einfluß auf die NS-Kirchenpolitik mehr ausüben“ können. Ähnlich auch Wenschkewitz, Versuche. Grìnzinger und Nicolaisen, Kirchenpolitik, 238, sprechen nur von einer „Ressortbeschneidung“. Vgl. ansonsten hier Kreutzer, Reichskirchenministerium, 291 f.; Melzer, Vertrauensrat, 31. 105 Vgl. Link, Staat und Kirchen, 1010. 106 Allerdings bemühte sich Kerrl noch einige Monate um die Kirchenwahl, vgl. Dierker, Glaubenskrieger, 409 – 413. 107 Kreutzer, Reichskirchenministerium, 300, datiert diese Periode auf Februar bis November 1937.

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Der Ausbau der Finanzabteilungen unter Staatssekretär Hermann Muhs 1937 77

Reichskirchenministerium berufen worden, sogleich Kerrls Stellvertreter geworden und fungierte ab dem 19. April 1937 schließlich als Staatssekretär. Er kannte Kerrl bereits seit längerem und war ein sogenannter „Alter Parteigenosse“.108 Die Berufung Muhs’ ins Reichskirchenministerium hatte erhebliche Auseinandersetzungen zwischen Kerrl und dem hannoverschen Landesbischof Marahrens, an dessen Seite auch Wilhelm Zoellner, Vorsitzender des Reichskirchenausschusses, stand, zur Folge gehabt. Marahrens sah in der Personalmaßnahme die „Zerstörung des Befriedungswerkes in der Deutschen Evangelischen Kirche.“109 „Ein Vertrauensverhältnis zu ihm ist unmöglich“, so Marahrens’ Einschätzung; „Wir stehen also auf dem Standpunkt: Mit diesem Mitarbeiter des Ministers wird nicht gearbeitet. Wir halten es für ungeheuerlich, daß der Minister einen solchen Mann beruft.“110 Der Landesbischof sah dabei in der Berufung Muhs’ keine singuläre Fehlentscheidung, sondern erachtete sie als symptomatisch für eine gefährliche Wende der Kirchenpolitik.111 Allen Protesten zum Trotz hatte Muhs im Reichskirchenministerium seit Februar 1937 weitgehend freie Hand. Mit ihm änderte sich die kirchenpolitische Linie des Ministeriums. Beispielsweise pflegte Muhs eine DC-freundlichere Haltung als Kerrl.112 Vor allem aber agierte er „entschlossen staatskirchlich“113 und war kaum bereit, Rücksicht auf die kirchlichen Interessen zu nehmen. Mit dieser Einstellung befand sich Muhs schon zu diesem frühen

108 Vgl. zu Muhs: Ebd., 133 – 140; Meier, Kirchenkampf II, 143, 411; Heinonen, Anpassung, 119 f.; Besier, Kirchen, 296 – 298; Arndt, Muhs I; Ders., Muhs II. 109 So Marahrens in einem Telegramm an Kerrl vom 20. 11. 1936, zit. nach Marahrens Wiedergabe auf der Lutherratssitzung vom 25. / 26. 11. 1936 (Verantwortung II, 367 – 389, Zitat 370). Der Wortlaut des Telegramms findet sich bei Arndt, Muhs II, 76. 110 So Marahrens auf der Lutherratssitzung vom 25. / 26. 11. 1936 (Verantwortung II, 371 f.). Mahrenholz, Mitglied des Reichskirchenausschusses, äußerte sich ebenfalls vernichtend über Muhs: „Herr Muhs vertritt letztlich nichts anderes, als was Jäger in früherer Zeit darstellte […] Herrn Jäger stand nach manchen Seiten hin ein wesentlich größeres Urteilsvermögen zur Seite als Muhs.“ Sitzung des Lutherrates vom 10. 12. 1936 (ebd., 432). 111 Marahrens kannte Muhs schon aus dessen Kirchensenatszeit in der hannoverschen Landeskirche, wo die gegenseitige Abneigung ihren Ursprung hat. Vgl. dazu Kreutzer, Reichskirchenministerium, 135 – 137; Besier, Kirchen, 595 f., 603;Verantwortung II, bes. 370 – 372, 423 – 426, 437 f.; auch Meier, Kirchenkampf II, 143, 411; Stalmann, Begegnungen, 22; Arndt, Muhs II, 72 – 76. Siehe auch das Anschreiben der hannoverschen Kirchenregierung an den RKAvom 9. 12. 1936 samt einer Materialsammlung zu Muhs (EZA 1/1484). Muhs war kurz vor seiner Berufung ins Reichskirchenministerium sogar wegen der Differenzen zur Marahrens’schen Kirchenpolitik aus der hannoverschen Landeskirche ausgetreten, hatte diesen Kirchenaustritt jedoch wenige Tage später zurückgezogen. 112 Vgl. Kreutzer, Reichskirchenministerium, 133. Vgl. zu Muhs DC-Unterstützung auch: Ebd., 297, 302 f.; Heinonen, Anpassung, 118; Besier, Kirchen, 649; Dierker, Glaubenskrieger, 420 f. 113 Wenschkewitz, Versuche, 125.

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

Zeitpunkt, kurz nach seiner Berufung ins Reichskirchenministerium, in einem gewissen Gegensatz zu Minister Kerrl.114 Muhs’ Verordnungsentwurf zur „Ausdehnung der Staatsaufsichtsrechte gegenüber den evangelischen Kirchen“, den er am 27. Januar 1937 Reichsjustizminister Franz Gürtner zur vertraulichen Kenntnis- und Stellungnahme schickte, zeigt auf, wie Muhs das Verhältnis von Kirche und Staat zu entwickeln gedachte.115 Der Entwurf sah vor, im Prinzip die gesamte kirchliche Verwaltung dem Staat zu unterstellen. „Alle kirchlichen Gesetze und Verordnungen“ sollten vor ihrer Verkündigung der Staatsbehörde vorgelegt werden, die bei Einwänden Einspruch hätte einlegen können, sofern es sich nicht um reine Kultusangelegenheiten handelte. Neben der Gesetzgebung wäre auch die Vermögensverwaltung nahezu vollkommen unter staatliche Kontrolle gefallen, denn „die Staatsbehörde“ sollte berechtigt werden, „für die Verwendung der Staatsleistungen, Umlagen und Steuern bindende Weisungen zu erteilen“; darunter wäre der Großteil der kirchlichen Einkünfte gefallen. Die Staatsaufsichtsrechte über die kirchliche Finanzverwaltung, deren Grundlage zu diesem Zeitpunkt das preußische Gesetz zur Vermögensverwaltung war, wären damit deutlich ausgeweitet worden. Muhs ging es darum, die äußere Verwaltung der Kirche zu verstaatlichen, um auf diese Weise die Kirche im staatlichen, bzw. in seinem Sinne lenken zu können.116 Gürtner hielt diese Staatskirchenpläne für bedenklich, da „die Verordnung ihrem ganzen Inhalte nach eine grundsätzliche Änderung der Stellung der Evangelischen Kirche im Verhältnis zum Staat enthält oder wenigstens anbahnt.“117 Eine solche Maßnahme, so Gürtner, widerspreche dem Geist des Kirchensicherungsgesetzes, nach dem die Ordnungsmaßnahmen des Staates nur vorübergehender Natur sein sollten. Der Wahlerlass Hitlers machte den Entwurf schließlich hinfällig. Nachdem die Umsetzung dieser rigiden Staatsaufsichtspläne so rasch gescheitert war, ging Muhs dazu über, die Finanzabteilungen zu einem Schlüsselinstrument seiner staatskirchlichen Konzeption um- und auszubauen. Die Befürworter der Trennung von Kirche und Staat ließen ihn dabei zunächst gewähren. Es ging Muhs darum, so erklärte Stahn im Mai 1937 auf einer Konferenz der altpreußischen Konsistorialpräsidenten,118 „die kirchliche 114 Vgl. Kreutzer, Reichskirchenministerium, 124, 139; Besier, Kirchen, 298 f.; Melzer, Vertrauensrat, 276 Anm. 27. 115 Der Entwurf findet sich in BArch R 3001 / 24008, Bl. 1 – 5 (Dokumente III, 310 – 314), daraus auch die folgenden Zitate. 116 Vgl. zu Muhs Entwurf: Besier, Kirchen, 639 f.; Scholder, Sicht, 29; Ders., Politik, 223; Wenschkewitz, Versuche, 121 f. 117 Gürtner an Reichskirchenministerium vom 3. 2. 1937 (BArch R 3001 / 24008, Bl. 7 f., hier Bl. 8; Dokumente III, 314 f.). 118 Stahns Ausführungen auf der Konferenz vom 28. 5. 1937 sind festgehalten in einem Aktenvermerk Pettelkaus vom 2. 6. 1937 (Dokumente IV, 72 – 76, folgende Zitate 73). Vgl. auch zu dem Gespräch und Stahns Haltung die Mitschrift Meisers zur Lutherratssitzung vom 14. /

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Der Ausbau der Finanzabteilungen unter Staatssekretär Hermann Muhs 1937 79

Verwaltung unter allen Umständen bedingungslos positiv zum Staat einzustellen“. Das ergab sich aus dem alten Argument, dass die Kirche eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, die erhebliche Staatszuschüsse bezöge: „Dem Charakter der Körperschaft des öffentlichen Rechts komme im Dritten Reich eine andere Bedeutung zu als früher“, so führte Stahn aus. „Der Staat müsse an eine solche heute größere Ansprüche stellen als früher […] Die[.] Staatszuschüsse seien nicht nur Mittel, die die Gläubigen dieser Kirche aufbrächten, sondern Mittel des gesamten Volkes. Die Kirche sei daher für den Staat in erster Linie eine sehr beachtliche weltliche Einrichtung“, die entsprechend seinen Vorgaben unterworfen werden müsste. Um einer Entscheidung der Kirchenwahl nicht vorzugreifen und nach dem Rücktritt des Reichskirchenausschusses kein völliges Leitungsvakuum eintreten zu lassen, wurde zunächst die 13. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz erlassen. Bis auf weiteres wurde der Leiter der Kirchenkanzlei, Präsident Friedrich Werner, mit der „Bearbeitung der laufenden Verwaltungsangelegenheiten der Deutschen Evangelischen Kirche“119 beauftragt. Gleichzeitig wurden die Finanzabteilungen, sowohl in den Landeskirchen als auch bei der Deutschen Evangelischen Kirche, in der Verordnung erheblich aufgewertet: Sie allein waren nun für die „Verwaltung und Vertretung“ ihrer Kirchengebiete „in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten“ zuständig – etwaige Kompetenzdifferenzierungen oder Einschränkungen waren somit weggefallen.120 Die Kirchenleitungen wurden damit aus der Vermögensverwaltung weiter zurückgedrängt, die Finanzabteilungen ihnen gegenüber weiter verselbständigt. Ansonsten wurden in der Verordnung die gerade amtierenden Kirchenregimenter in den Landeskirchen bestätigt, unabhängig welcher Couleur sie waren, aber auf die Ausübung der laufenden Geschäfte beschränkt. Eine weitere Aufwertung erfuhren die Finanzabteilungen in der 14. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz.121 Darin wurde bestimmt, dass FA-Anordnungen – analog der Regelung bei staatlichen Anordnungen – von den entsprechenden Staatsbehörden für vollstreckbar erklärt werden konnten, ohne dass dafür ein Gerichtsverfahren hätte angestrengt werden müssen, wenn „die Anordnung inhaltlich weder einen Ermessensmißbrauch darstellt, noch zu politischen Bedenken Anlaß gibt.“122 Der Klageweg hatte sich als zu langwierig erwiesen, etwa wenn die Finanzabteilungen Bevollmächtigte in den Gemeinden durchsetzen wollten. Seit ihrem Bestehen waren die Finanzabteilungen damit schon mehrfach weiter-

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15. 6. 1937 (Verantwortung III, hier 406 f.); Norden, Kirchenkampf, 150; Onnasch, Macht, 198. Die Verordnung ist abgedruckt im GBlDEK, 1937, 11 f., daraus auch folgendes Zitat. Vgl. auch die Auslegung in Pfundtner / Neubert, Reichsrecht, I d 4, 63 f. GBlDEK, 1937, 33. Runderlass von Muhs an alle Regierungspräsidenten vom 15. 11. 1937 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 48 f., Zitat Bl. 48).

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

entwickelt worden. Das „Schwergewicht der Verwaltung“, so stellte Stahn im Mai 1937 fest, sei inzwischen „zu den Fin[anz]Abteilungen hin verlagert worden.“123 So war es nun an der Zeit, die Bestimmungen zu bündeln und die Finanzabteilungen auf eine neue Rechtsgrundlage zu stellen. Muhs nutzte diese Gelegenheit, die staatlichen Möglichkeiten in der kommenden 15. Durchführungsverordnung auch ein entscheidendes Stück voranzutreiben.

2.8. Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen 2.8.1. Die Bekennende Kirche Innerhalb der Kirche wurden die Finanzabteilungen nach einer vorsichtigen anfänglichen Aufgeschlossenheit, die sich auch auf Kreise der Bekennenden Kirche erstreckte,124 bald verbreitet abgelehnt. Insbesondere in der Altpreußischen Union trafen die neuen Verwaltungsorgane verbreitet auf starke grundsätzliche und praktische Bedenken.125 Am 2. August 1935 schickte der Bruderrat der Altpreußischen Union ein Protestschreiben gegen das preußische Vermögensverwaltungsgesetz an den Reichskirchenminister. Ein ausführliches Gutachten zu der Thematik war beigelegt.126 In dem Schreiben stritt der Bruderrat dem Staat keineswegs jedes Aufsichtsrecht über die äußeren Angelegenheiten der Kirche ab und erkannte auch an, dass die Kirche sich in einer verwaltungstechnischen Notlage befand. Allerdings: „Wir sind der Überzeugung, daß eine Ordnung des kirchlichen Finanzwesens eine Neuordnung der kirchlichen Verwaltung zur Voraussetzung hat, die nach den Grundsätzen des evangelischen Kirchenrechtes Sache der Kirche ist. Durch das Staatsgesetz werden den Finanzabteilungen Vollmachten beigelegt, die sich weit über die Finanzen bis auf die geistliche Leitung der Kirche auswirken […] Wir erblicken hierin einen Eingriff, der weit über das zur Beseitigung einer Rechtsverwirrung notwendige Maß hinausgeht.“127

123 So Stahn auf einer Konferenz der Konsistorialpräsidenten vom 28. 5. 1937, festgehalten in einem Aktenvermerk Pettelkaus vom 2. 6. 1937 (Dokumente IV, 72 – 76, hier 74). 124 Vgl. Kersting, Kirchenordnung, 243 f. 125 Vgl. Meier, Kirchenkampf II, 41; Besier, Kirchen, 67; Niesel, Wort, 66 – 68; Schmidt, Bekenntnisse III, 13. 126 Beides abgedruckt in: Schmidt, Bekenntnisse III, 179 – 187, folgendes Zitat 179. Vgl. auch Kersting, Kirchenordnung, 247. 127 Vgl. auch die Beschlüsse der Steglitzer Bekenntnissynode aus dem September 1935, wo es hieß: „Eine auf dem Aufsichtsrecht des Staates ruhende rechtliche Hilfe des Staates bejahen wir angesichts der zerstörten Verwaltungsorgane unserer Kirche. Diese rechtliche Hilfe kann jedoch nur soweit anerkannt werden, als sie die Kirche unterstützen will, sich selbst auf den

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Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen

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Dementsprechend hielt die Bekennende Kirche Altpreußens auch nach Bildung der Finanzabteilungen an ihren Treuhandkonten für Umlagen und Kirchensteuern fest. Außerdem erteilte sie Anweisung an ihre Mitglieder, nicht an den Finanzabteilungen mitzuwirken oder deren Arbeit zu unterstützen.128 Die Finanzabteilungen waren auch der Grund für das Zusammentreten der dritten altpreußischen Bekenntnissynode in Steglitz im September 1935, wo ausführlich über sie beraten wurde.129 Die Referate in der Sache hielten Friedrich Müller und Hermann Ehlers, beide Mitglieder des Bruderrates der Altpreußischen Union. Letztlich mündeten die Diskussionen in den Beschlüssen der Bekenntnissynode: Es wurde erklärt, die kirchliche Vermögensverwaltung dürfe nur „von bekenntnismäßig gebundenen kirchlichen Organen“ ausgeübt werden, da „das kirchliche Vermögen allein dazu dienen darf, daß die Kirche den ihr von ihrem Herrn übertragenen Befehl der Evangeliumsverkündigung ausführt.“130 Die Finanzabteilungen würden diesen Erfordernissen nicht gerecht werden, denn sie wären nicht als kirchliche Organe anzusehen.131 Der Staat greife in innerkirchliche Rechte ein. Mit fatalen Folgen, denn die Finanzabteilungen „leisten, indem sie ein ungeistliches und unrechtmäßiges Kirchenregiment erhalten, vielfach der Gewalt und Willkür Vorschub.“132 Die Synode bekräftigte das Festhalten an den BKTreuhandkonten und die Ablehnung einer Mitwirkung von BK-Mitgliedern in den Finanzabteilungen.133 Auch die Zweite Vorläufige Kirchenleitung äußerte sich zu den Finanzabteilungen. In ihrer Denkschrift an Hitler aus dem Jahre 1936 wurden die Finanzabteilungen in einer Anlage als einer der „hauptsächlichsten Eingriffe des Staates und der Partei“ benannt. Im Haupttext wird hingegen nur allge-

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durch das Bekenntnis gewiesenen Weg zu helfen. Hierin findet die staatliche Hilfe ihre sachliche und zeitliche Begrenzung.“ Niemçller, Steglitz, 372. Vgl. Rundverfügung des altpreußischen Bruderrates vom 16. 8. 1935 (ebd., 92 f.). Vgl. zu der Synode und den Beratungen im Detail: Ebd., passim; ansonsten auch Niesel, Wort, 74 – 81; Danielsmeyer, Geld, 728 – 732; Meier, Kirchenkampf II, 160 – 163; Niesel, Verkündigung, 18 – 22; Lessing, Bekenntnis, 285 f. Niemçller, Steglitz, vorhergehende Zitate 371, 372. Ähnlich auch ein Gutachten Joachim Beckmanns im Vorfeld der Synode (ebd., 22 – 28). Vgl. auch die Entschließung der Zweiten Freien Reformierten Synode in Siegen vom 28. 3. 1935 (Schmidt, Bekenntnisse III, 80 – 84). Ehlers meinte dazu in seinem Vortrag, „daß das Gesetz vom 11. März 1935 eine tatsächliche Ausschaltung der kirchlichen Selbstverwaltung darstellt und eine Übernahme der gesamten kirchlichen Vermögensverwaltung in staatliche Hand. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die in den Finanzabteilungen verwendeten Beamten ursprünglich kirchliche sind, sondern nur, daß sie nach staatlicher Weisung unter staatlicher Verantwortung mit staatlicher Vollmacht arbeiten.“ Niemçller, Steglitz, 227. Ebd., 372. Ähnlich auch der schleswig-holsteinische Landesbruderrat an das Reichskirchenministerium vom 23. 10. 1935 (LkAN 98.040 Nr. 186). Vgl. die Entschließung der Synode (Niemçller, Steglitz, 373); auch die abermalige Bestätigung dieser Entscheidungen in einem Rundschreiben des altpreußischen Bruderrates vom 8. 11. 1935 (Schmidt, Dokumente II/1, 52 f.).

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

mein beklagt, dass „die Kirche verwaltungsmäßig und finanziell in Abhängigkeit vom Staate gehalten, der Freiheit ihrer Verkündigung und Ordnung beraubt und zur Duldung der Irrlehre gezwungen wird.“134 Neben prinzipieller Ablehnung auf dahlemitischer Seite gab es in Reihen der Bekennenden Kirche auch gemäßigte Stimmen wie die Friedrich von Bodelschwinghs und Karl Kochs, die nicht bereit waren, die Finanzabteilungen per se als bekenntniswidrig abzulehnen.135 Präses Koch gab beispielsweise nach der Beschlussfassung der Synode von Steglitz am 26. September 1935 eine Erklärung zu Protokoll, in der er sich von den die Finanzabteilungen betreffenden Passagen vorsichtig distanzierte. Er hielt es nicht für zwingend, das Vermögensverwaltungsgesetz „als einen rechtswidrigen Eingriff des Staates abzulehnen. Auch kann ich es nicht als meine Überzeugung aussprechen, daß das Gesetz als solches bekenntniswidrig und darum abzulehnen ist.“136 Von Bodelschwingh schrieb noch 1938 an Paul Gerhard Braune: „Gegen die Konsistorien und Finanzausschüsse würde ich nichts einwenden, solange sie nur gewissermaßen die Vermittler für die staatliche Rechtshilfe sind, die wir nicht entbehren und ablehnen können, solange wir Volkskirche bleiben wollen und müssen“137. Zwar sah man auch auf Seiten der Bekennenden Kirche gemäßigter Provenienz grundsätzliche Gefahren der Finanzabteilungen, doch war man bereit, die Bedenken im Interesse einer Befriedung der Kirche zurückzustellen.138 Hierbei spielte auch die damalige Personalpolitik des Reichskirchenministeriums eine Rolle – zum Beispiel bei der Besetzung der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei –139, die die Hoffnung weckte, die in den Finanzabteilungen eingesetzten Männer würden „manches Schlimme verhüten“140. In manchen Kirchenregionen wurden die Finanzabteilungen von der Bekennenden Kirche sogar begrüßt, schienen sie doch auch die Machtfülle der 134 Die Denkschrift ist samt sämtlicher Anlagen abgedruckt in: Schmidt, Dokumente II/1, 695 – 719, Zitate 698, 707. Vgl. auch Greschat, Widerspruch. 135 Vgl. die Mitschrift der Sitzung des altpreußischen Bruderrates vom 10. 9. 1935, wo die verschiedenen Haltungen diskutiert wurden (Niemçller, Steglitz, 106 – 119). 136 Ebd., 138 f. 137 Schreiben vom 25. 1. 1938 (Cantow, Briefwechsel, 119). 138 Vgl. Besier, Kirchen, 314, 319, 323, 330 f.; und die Besprechung Bodelschwinghs mit Vertretern des Reichskirchenministeriums vom 28. 9. 1935 (Dokumente III, 96). Siehe auch die Haltung des hannoverschen Landesbischofs Marahrens, Vorsitzender der 1.VKL, zu den Finanzabteilungen unten bes. 196 f. 139 Vgl. die Bekanntmachung über die FA-Besetzung vom 5. 11. 1935 (GBlDEK, 1935, 117 f.). 140 So Humburg an Marahrens vom 9. 11. 1935 (Schmidt, Dokumente II/1, 54 – 57, hier 56). Allerdings wurde es von Friedrich Müller (Dahlem), Mitglied des Reichsbruderrats, als Affront verstanden, dass die „intakten“ Landeskirchen von Bayern und Württemberg mit Hans Meinzolt und Hermann Müller Mitarbeiter der DEKK-Finanzabteilung stellten, wo doch die altpreußische Bekennende Kirche eine Mitarbeit kategorisch ablehnte. Vgl. einen Beitrag Müllers bei einer gemeinsamen Sitzung von Reichsbruderrat und 1. VKL am 8. 11. 1935 (Verantwortung II, 60 – 85, hier 78 f.).

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Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen

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deutsch-christlichen Kirchenregimenter zu beschneiden.141 So etwa in der Kirchenprovinz Westfalen, wo das Konsistorium und die Finanzabteilung der Bekennenden Kirche neutral begegneten und es vor allem die Deutschen Christen waren, die Bedenken gegen die Finanzabteilung vorzubringen hatten.142 Dies war jedoch nur die Ausnahme; im Allgemeinen befürworteten die Deutschen Christen die Finanzabteilungen. Ende 1935 wurde die Frage nach den Finanzabteilungen von den Auseinandersetzungen um die Kirchenausschüsse und der folgenden Spaltung der Bekennenden Kirche überlagert.

2.8.2. Die Landeskirchenleitungen Auch aus den Landeskirchenleitungen kamen Bedenken gegen die Finanzabteilungen. Zum Teil, nachdem eine Finanzabteilung eingerichtet worden war, zum Teil, weil eine solche Maßnahme befürchtet wurde – Kerrl äußerte schließlich wiederholt, Finanzabteilungen in weiteren Landeskirchen einrichten zu wollen. Nicht nur bekenntniskirchlich orientierte Landeskirchen, wie Bayern oder Württemberg, wollten die Einrichtung einer Finanzabteilung unbedingt verhindern, auch DC-Landeskirchen, wie Thüringen oder Mecklenburg, verwahrten sich gegen einen solchen Schritt.143 Die Argumente waren jeweils vergleichbar : Vor allem wurde angeführt, dass die Finanzverwaltung der eigenen Landeskirche hervorragend funktioniere. Daher könne ein staatliches Eingreifen nur nachteilige Auswirkungen haben und würde „als Zeichen staatlichen Misstrauens gegenüber der kirchlichen Finanzverwaltung gewertet werden.“144 Hans Meiser, der bayerische Landesbischof, führte zusätzlich an, dass die Maßnahme nur die evangelische Kirche beträfe, nicht aber die katholische. Dies könne zu Missdeutungen über das Verhältnis der katholischen und evangelischen Kirche zum Staat führen. Schließlich wurden von den besorgten Kirchenleitungen auch grundsätzliche Bedenken gegen die Finanzabteilungen angeführt. Am deutlichsten wurde hierbei Landesbischof Wurm, der urteilte: „Die Einrichtung von Finanzabteilungen bringt angesichts der fast unbegrenzten Selbständigkeit und Unabhängigkeit, die sie in ihrer Arbeit gegenüber den Kirchenbehörden haben, für die Kirche die Gefahr eines Eingreifens der Verwaltung in die geistlichen Aufgaben der Kirche“. Die „nicht zu vermeidende Trennung von 141 Vgl. Herbert, Kirchenkampf, 138. 142 Vgl. Hey, Kirchenprovinz, passim, bes. 162, 200 f. 143 Vgl. etwa die folgenden Schreiben: Meiser an Kerrl vom 29. 8. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 611 f.); Wurm an Kerrl vom 11. 9. 1935 (ebd., Bl. 622 f.; Sch•fer, Landeskirche IV, 429 – 432); Thüringischer Landeskirchenrat an thüringischen Minister für Volksbildung vom 13. 9. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 634 f.). 144 Meiser an Kerrl vom 29. 8. 1935 (ebd., Bl. 611 f., hier Bl. 611).

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

geistlicher Leitung und Verwaltung“ würde dem Wesen der Kirche widersprechen, denn es bestünde ein „organischer Zusammenhang zwischen Bekenntnis, geistlichem Handeln und äusserer Ordnung.“145

Gleichzeitig räumten die Kirchenleitungen ein, dass in anderen Gebieten, wo es im Zuge der kirchlichen Auseinandersetzungen zu einem rechtlichen Notstand gekommen sei, die Bildung von Finanzabteilungen durchaus als vorübergehende Anordnung gerechtfertigt wäre.146

2.8.3. Der Reichskirchenausschuss Der Reichskirchenausschuss beschäftigte sich erst 1936 mit den Finanzabteilungen. In der RKA-Sitzung am 23. April 1936 wurde ein Entwurf von Christhard Mahrenholz für „Grundsätze betreffend Aenderung der Finanzabteilungs-Gesetzgebung“ zur weiteren Verwendung verabschiedet.147 Der Reichskirchenausschuss resümierte zunächst, die Finanzabteilungen hätten ursprünglich einen doppelten Zweck gehabt: Die Gewährleistung einer rechtlich einwandfreien Vertretung der Landeskirchen in finanziellen Dingen und die Überwachung der Verwendung der Staatsleistungen. Nun seien allerdings „durch die Bildung der Ausschüsse die vordem bestehenden rechtlichen Unklarheiten behoben und die Finanzabteilungen in diesen [sic] Aufgabenkreis in der bisherigen Form nicht mehr daseinsberechtigt“. Zur Entlastung der Ausschüsse könnten die Finanzabteilungen jedoch weiterhin für die Überwachung der Staatsleistungen zweckmäßig sein. Dennoch müsse die Gesetzgebung in der Weise geändert werden, dass die Finanzabteilungen „auf überwachende Massnahmen beschränkt“ würden. „Es ist vor allem wesentlich, dass die Finanzabteilungen dann nicht mehr nach aussen hin als allein entscheidende Stellen hervor- oder gar den neugebildeten Kirchenausschüssen gegenübertreten.“ Andernfalls würde der Leitungsanspruch der Kirchenausschüsse durch die Finanzabteilungen unterminiert werden. Nach dem Entwurf sollten wesentliche Befugnisse der landeskirchlichen Finanzabteilungen, wie die Aufstellung des Haushaltsplans oder die Festsetzung der Umlage, auf die Landeskirchenausschüsse übergehen. Die Finanzabteilungen sollten nur noch „überwachend bezw. Einspruch erhebend tätig sein, ohne jedoch von sich aus in Einzelfällen selbständige, die Beschlüsse der zuständigen Organe ablösende Anordnungen zu treffen“. Allenfalls für die Finanzabteilung der Deutschen Evangelischen Kirche sei eine weiterreichende Funktion denkbar. Darüber hinaus sollte das Führerprinzip in den Finanz145 Wurm an Kerrl vom 11. 9. 1935 (ebd., Bl. 622 f., hier Bl. 623). 146 Vgl. Wurm an Kerrl vom 11. 9. 1935 (ebd., Bl. 622 f.); Meiser an Kerrl vom 29. 8. 1935 (ebd., Bl. 611 f.). 147 Er findet sich in EZA 1/1609. In LkAH N 48 Nr. 112 B findet sich auch das Sitzungsprotokoll zu der RKA-Sitzung. Aus dem Entwurf die folgenden Zitate.

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Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen

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abteilungen zugunsten eines Einmütigkeits- oder Mehrheitsprinzips aufgegeben werden. Insgesamt, so der Reichskirchenausschuss, sollten „die Finanzabteilungen nunmehr nur noch innerhalb der Verwaltung tätig [sein], ohne nach aussen hervorzutreten“; damit wäre für den Staat „an der Wirksamkeit der Finanzabteilungen im Sinne des ursprünglichen Gesetzes nichts geändert, aber doch zur Entlastung der öffentlichen kirchlichen Meinung (Schlagwort: Staatskirche) und zur Behebung der keineswegs als unwichtig zu wertenden Bedenken theologischer und bekenntnismässiger Art gegen das Finanzabteilungssystem etwas Wesentliches erreicht.“

Der Reichskirchenausschuss hielt die Finanzabteilungen also in ihrer bestehenden Form für nicht mehr notwendig, eher wurden sie als Konkurrenz um die Kirchenleitung gesehen. Bei dieser Beurteilung spielte auch die Sorge um eine schleichende Verstetigung der als Übergangsmaßnahme gedachten Finanzabteilungen eine Rolle. So schrieb Mahrenholz am 18. Juni 1936 an Otto Koopmann, einen Kollegen aus dem Reichskirchenausschuss, bei der Diskussion über die Finanzabteilungen läge ihm „daran, daß das System der Finanzabteilungen in seiner bisherigen Form sich nicht so sehr durch die Länge der Zeit verhärtet, daß eine Änderung nicht mehr möglich ist.“148 Die Finanzabteilung der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei diskutierte in ihrer Sitzung am 5. Juni 1936 die Vorschläge des Reichskirchenausschusses und teilte diesem am 17. August 1936 mit, die Finanzabteilungen seien derzeit für die Ordnung der kirchlichen Finanzverwaltung noch unentbehrlich. Allerdings, so wurde eingeräumt, könnten die Finanzabteilungen in ihrer derzeitigen Gestalt keine Dauereinrichtung sein.149 Der Reichskirchenausschuss verfolgte seine Neuordnungsvorschläge noch eine Weile weiter, dann aber verlief die Angelegenheit im Sande. Ungeachtet seiner Forderung nach einer Neuaufstellung der Finanzabteilungen, forderte der Reichskirchenausschuss für bestimmte Landeskirchen (insbesondere für Mecklenburg, aber auch für Bremen und Thüringen), in denen aus seiner Sicht (auch finanziell) untragbare Zustände herrschten,150 die Einrichtung neuer Finanzabteilungen – allerdings ohne Erfolg.151 Der 148 LkAH N 48 Nr. 134. 149 Vgl. das Schreiben in EZA 1/1602; auch die Stellungnahme der Finanzabteilung der Altpreußischen Union vom 19. Juni 1936, die die DEKK-Finanzabteilung eingeholt hatte (ebd.). 150 Vgl. zur kritischen Haltung des Reichskirchenausschusses gegenüber den DC-Landeskirchen von Mecklenburg und Thüringen: Schmidt, Dokumente II/2, beispielsweise 825 – 827, 865 f.; Arnhold, Kirche I, 325 – 346. 151 Vgl. Meier, Kirchenkampf II, 116, 254; Ders., Kirchenkampf III, 375; Bçhm, Christen, 100. Vgl. zur mecklenburgischen Landeskirche auch BArch R 5101 / 23786, bes. Bl. 18, 35 f., 61, 63, 65. Im Fall der bremischen Landeskirche war Ende 1936 sogar bereits ein Einvernehmen mit Stahn erzielt worden, dass es geboten wäre, eine Finanzabteilung einzurichten; selbst über das Personal hatte man sich schon verständigt. Im Januar 1937 wurde die Angelegenheit jedoch wegen „der zurzeit schwebenden allgemein kirchenpolitischen Besprechungen“ zurückge-

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Die Finanzabteilungen 1935 – 1937: Staatliche Rechtshilfe

Reichskirchenausschuss lehnte die Finanzabteilungen also nicht grundsätzlich ab, sondern bemühte sich, sie gegen allzu radikal deutsch-christliche Landeskirchen einzusetzen. Er begriff die Finanzabteilungen als Instrument, das, richtig eingesetzt, auch der Kirche nützen könne.152 Auch unterlagen die FA-Mitglieder als Kirchenbeamte, wenn auch nicht in ihrer Eigenschaft als FAFunktionäre, so doch grundsätzlich, der Dienstaufsicht der Kirchenbehörde. Eine gewisse Zugriffsmöglichkeit der Kirche, wenn auch nicht in Sachfragen, war damit gegeben, der Reichskirchenausschuss sah deshalb seine Sorgen etwas relativiert.153

stellt. Vermerk Stahns vom 26. 1. 1937 (BArch R 5101 / 23795, Bl. 44). Vgl. zum ganzen Vorgang: Ebd., Bl. 39 – 44; LkAB B.203.1, Bl. 21; Meier, Kirchenkampf II, 275. 152 So sah es auch die Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat Berlin, die die Finanzabteilungen, deren Autorität „überall gefestigt“ sei, als „starke Stütze“ der Ausschüsse bezeichnete, FA-EOK an FA-DEKK vom 19. 6. 1936 (EZA 1/1602). 153 Vgl. Protokoll der RKA-Sitzung vom 4. 6. 1936 (ebd.).

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3. Die Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung und Mäßigung 3.1. Die 15. Durchführungsverordnung vom 25. Juni 1937 Am 25. Juni 1937 erließ Minister Kerrl die 15. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz.1 Mit ihr wurde eine reichseinheitliche Rechtsgrundlage für alle bereits bestehenden und zukünftig zu bildenden Finanzabteilungen geschaffen. War die FA-Gesetzgebung des Jahres 1935 noch eindeutig von der damaligen Notsituation geprägt gewesen, so wurden die Finanzabteilungen nun, mitten in der ersten Ära Muhs’, als dauerhafte Einrichtung verstetigt. Das FASystem wurde ausgebaut und verschärft; die Finanzabteilungen hatten sich endgültig von einer staatlichen Rechtshilfe zu einem Instrument der Machtpolitik gewandelt. In der 15. Durchführungsverordnung wurden im Wesentlichen die Bestimmungen des Vermögensverwaltungsgesetzes und der zugehörigen Verordnungen und Regelungen zusammengefasst, jedoch gab es darüber hinaus einige entscheidende Änderungen. Paragraph 1, Absatz 1 der Verordnung bestimmte, dass in jeder evangelischen Landeskirche eine Finanzabteilung gebildet werden sollte. Kerrl hatte dies schon länger beabsichtigt, doch erst jetzt wurde diese Absicht festgeschrieben. Die Bestimmung wurde jedoch nur sehr lückenhaft umgesetzt; nach Erlass der 15. Durchführungsverordnung wurden lediglich noch drei neue Finanzabteilungen gebildet.2 Wichtiger jedoch als diese Absichtserklärung war, was gegenüber dem Vermögensverwaltungsgesetz in dem ersten Paragraphen fehlte: Bisher war dort noch vorgesehen gewesen, dass die Finanzabteilungen zwingend aus „Beamten der allgemeinen kirchlichen Verwaltung“3 bestehen mussten. Dieser Passus fehlte nun. Kirchliche Beamte waren zwar weiterhin zur Übernahme eines Ehrenamtes in den Finanzab1 GBlDEK, 1937, 33 – 35 (Hermle, Herausgefordert, 436 – 439). Aus der DVO auch die folgenden Zitate, sofern nicht anders ausgewiesen. 2 Und zwar die folgenden Finanzabteilungen: Aufgrund eines Erlasses vom 1. 7. 1937 bei der Landeskirche Nassau-Hessen (gesamt) (GBlDEK, 1937, 40). Aufgrund einer Bekanntmachung vom 18. 5. 1938 bei der Landeskirche Baden (GVBl., 1938, 61). Aufgrund einer Anordnung vom 8. 10. 1941 bei der Landeskirche Bremen (GBlDEK, 1941, 49). 3 GBlDEK, 1935, 42.

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Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung

teilungen verpflichtet, sollte der Reichskirchenminister sie berufen, doch der Minister konnte nun auch Personen in den Finanzabteilungen einsetzen, die nichts mit der Kirchenverwaltung zu tun hatten. Er war an keine Beschränkungen oder Rücksichten gebunden. Die Kirchenbehörden hatten keine Einspruchsmöglichkeit. Auch die Bestimmung, „Die Finanzabteilung leitet die Vermögensverwaltung der Kirche, für deren Bezirk sie gebildet ist. Sie vertritt die Kirche“, trug dazu bei, Kirchenleitung und Finanzabteilung weiter zu entkoppeln. Die Leitung der Vermögensverwaltung war nun unbefristet den kirchlichen Verwaltungsbehörden entzogen und den Finanzabteilungen zugeordnet, denen sogar eine allgemeine Vertretungsbefugnis zustand – nicht nur in den vermögensrechtlichen Dingen, wie dies noch die 13. Durchführungsverordnung bestimmt hatte.4 Gegenüber dem ursprünglichen Vermögensverwaltungsgesetz waren dies enorme Änderungen. Dort waren die Aufgaben der Finanzabteilungen noch klar umrissen gewesen, ansonsten hatten sie nur Kontrollrechte. Der neue Passus zur Leitung der Vermögensverwaltung aber konnte zweierlei bedeuten: Zum einen ließ die Formulierung die Auslegung zu, dass die Finanzabteilung gegenüber den Dezernaten der kirchlichen Verwaltungsbehörde, in denen Vermögensangelegenheiten bearbeitet wurden, weisungsberechtigt und diesen übergeordnet wäre. Zum anderen war die Interpretation möglich, dass nunmehr die gesamte Vermögensverwaltung der Kirche von der Finanzabteilung selbst durchgeführt werden sollte. In jedem Fall konnten die Finanzabteilungen, um ihren gewachsenen Aufgaben gerecht zu werden, zur „Unterstützung bei der Erledigung der Geschäfte […] die Beamten und Angestellten der allgemeinen kirchlichen Verwaltung“ in Anspruch nehmen. Während die Finanzabteilungen von der kirchlichen Verwaltung unabhängiger geworden waren, wurden sie gleichzeitig enger an den Staat gebunden. Es war ihre Aufgabe, „dafür Sorge zu tragen, daß eine den öffentlichen Belangen entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung gewährleistet bleibt“ und, dies wurde gegenüber dem Vermögensverwaltungsgesetz ergänzt, „die staatlichen und kirchlichen Bestimmungen von allen Beteiligten eingehalten werden.“ Rechtsverbindliche Anordnungen „allgemeiner Art“ konnten die Finanzabteilungen nur mit Zustimmung des Reichskirchenministers treffen. Ihm waren sie auch für die „ordnungsmäßige Verwendung“ von Staatszuschüssen verantwortlich. Außerdem hatten sie ihn über die Finanzlage der Kirche zu unterrichten. Neu in der 15. Durchführungsverordnung war, dass die Finanzabteilungen nun zudem explizit „für Beachtung der An4 So auch noch in einem Entwurf der 15. Durchführungsverordnung vom 15. Juni 1937, wo der entsprechende Passus lautete: „Sie [scil. die Finanzabteilung] vertritt die Kirche in vermögensrechtlichen Angelegenheiten.“ Dies wurde am 22. Juni geändert, die allgemeine Vertretungsbefugnis der Finanzabteilungen war also beabsichtigt oder sollte jedenfalls interpretationsfähig sein (BArch R 5101 / 23502, Bl. 310 – 313, hier Bl. 310).

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Die 15. Durchführungsverordnung vom 25. Juni 1937

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weisungen zu sorgen [hatten], die der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten für die Verwendung der Staatsleistungen und der Kirchensteuermittel erteilt.“ Der Staat wurde hier als direkt weisungsberechtigt bezüglich der Verwendung des Großteils aller kirchlichen Mittel betrachtet; die Finanzabteilungen sollten letztlich als Ausführungsorgan der staatlichen Weisungen fungieren. Dies war eine außerordentlich bedeutende Neuerung, die die kirchliche Selbstverwaltung stark einschränkte. Für die Kirchensteuerbeschlüsse der Kirchenbehörden galt, dass sie nunmehr der Genehmigung durch die Finanzabteilung bedurften.5 Ansonsten blieb es bei den Aufgaben und Befugnissen der Finanzabteilungen, wie sie das Vermögensverwaltungsgesetz bestimmt hatte, die neue Verordnung enthielt allenfalls noch einige Präzisierungen. Als Aufgaben der Finanzabteilungen wurden explizit benannt: Festsetzung des Haushaltes und der Umlage sowie Ausübung der Aufsicht über die Verwendung der Gelder. Außerdem lag die kirchliche Aufsicht über die Vermögensverwaltung der Kirchengemeinden und kirchlichen Verbände bei den Finanzabteilungen. In bestimmten Notfällen – wenn die regulären kirchlichen Organe nicht in der Lage oder willens waren, Beschlüsse zu fassen, oder sie der kirchlichen oder staatlichen Ordnung zuwiderhandelten –, konnten die Finanzabteilungen die gemeindliche Vermögensverwaltung selbst ausüben. Bei Bedarf durften sie Bevollmächtigte zur Durchsetzung ihrer Anordnungen auf nachgeordneter Ebene einsetzen. Eine allgemeine Vertretungsbefugnis der Finanzabteilungen für Kirchengemeinden oder die Verbände resultierte daraus nicht. Neuerdings bedurften nicht mehr nur Anordnungen und Maßnahmen „der Kirchenleitung“, die mit finanziellen Auswirkungen verbunden waren, der Zustimmung der Finanzabteilung, sondern auch solche „der kirchlichen Verwaltungsbehörden“. Mit der Neuformulierung zeigte der Gesetzgeber, dass er die Finanzabteilungen nicht mehr als Teil dieser Behörden ansah. Die Regelung des Verhältnisses von Finanzabteilung und Kirchenleitung blieb unverändert: es sollte enge Fühlung gehalten werden. Die Finanzabteilung war in keiner Weise von der Kirchenleitung abhängig. Beibehalten wurde die Organisation der Finanzabteilungen nach dem Führerprinzip. Der Vorsitzende entschied allein und war lediglich angehalten, sich mit den Mitgliedern der Finanzabteilung zu beraten. Gegenüber dem Vermögensverwaltungsgesetz waren diejenigen Bestimmungen weggefallen, die der damaligen rechtlichen Notlage der Kirche geschuldet und nun unnötig geworden waren. In der 15. Durchführungsverordnung wurde erstmals das Verhältnis der Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei zu den Landeskirchen und den dortigen Finanzabteilungen bestimmt. Die DEKKFinanzabteilung war befugt, auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung für die gesamtkirchliche Ebene oder den Bereich mehrerer Landeskirchen rechts5 Vgl. auch den Kommentar von Freisler / Grauert, Recht, IV d 5, 40.

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Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung

verbindliche Anordnungen zu treffen. Dies war beachtlich, da hiermit ein Organ der Gesamtkirche auch für die Landeskirchen Anordnungen erlassen konnte. Die gesamtkirchliche Finanzabteilung konnte jedoch nicht einzelnen landeskirchlichen Finanzabteilungen direkt Weisungen erteilen. Es war vielmehr ihre Aufgabe, darauf hinzuwirken, „daß die Vermögensverwaltung der Landeskirchen einfacher und einheitlicher wird“. Befugnisse hierfür hatte sie zunächst kaum, sie konnte lediglich „Auskunft verlangen und Anregungen für die Führung der Vermögensverwaltung geben.“ Damit war die Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei ihren landeskirchlichen Pendants zwar in gewisser Weise übergeordnet, „aber mehr im Sinne einer begrenzten Aufsicht als einer wirklichen Leitung.“6 Die 15. Durchführungsverordnung war ein entscheidender gesetzlicher Einschnitt in der Entwicklung der Finanzabteilungen und bedeutete eine Änderung des Verhältnisses von Staat und Kirche. Die Verordnung diente nicht nur zur Vereinheitlichung der FA-Gesetzgebung, sie gab dem Staat neue Möglichkeiten und Freiheiten, die Finanzabteilungen zu nutzen. Die schwerwiegendsten Folgen für die Kirche ergaben sich daraus, dass das Reichskirchenministerium nun völlig freie Hand bei der Besetzung der Finanzabteilungen hatte. Über die Personalauswahl ließ sich die kirchliche Finanzverwaltung effektiv dem Willen des Staates unterwerfen, dann wenn das eingesetzte Personal sich in erster Linie dem Staat verpflichtet sah und ihm Vorrang vor den Kircheninteressen einräumte. Nach der 15. Durchführungsverordnung lässt sich nicht mehr ohne weiteres von kirchlichen Finanzabteilungen sprechen. War dies nach dem preußischen Vermögensverwaltungsgesetz durchaus noch mit guten Gründen möglich, so war nun eine entscheidende Voraussetzung dafür beseitigt worden, indem auch nicht qua kirchlichen Amtes an kirchliches Handeln gebundene Persönlichkeiten mit dem Vorsitz einer Finanzabteilung betraut werden konnten. Entsprechende Berufungen waren bald nicht mehr nur eine Möglichkeit, sondern gern genutzte Option. Der Charakter der Finanzabteilungen wurde in der 15. Durchführungsverordnung indes nicht eindeutig festgelegt. Fest stand lediglich, dass die Finanzabteilungen keine bloßen Abteilungen der kirchlichen Verwaltungsbehörden waren. Manche Formulierungen aber deuteten immer noch auf ein kirchliches Wesen hin: etwa, dass die Finanzabteilungen „bei den Verwaltungsbehörden“ der Kirchen angesiedelt waren (und mithin deren Räumlichkeiten, Ressourcen und Personal nutzten), dass sie „die kirchliche Aufsicht“ über nachgeordnete Instanzen ausübten, oder dass ihre Dienstsiegel die entsprechende Kirchenbehörde mit 6 Weber, Föderalismus, 82. Pfundtner / Neubert, Reichsrecht, I d 4, 67, meinten hingegen, hiermit wäre „eine organisatorische Zusammenfassung der sämtlichen Finanzabteilungen unter zentraler Leitung“ geschaffen worden.

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Die juristische Bewertung der 15. Durchführungsverordnung

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dem Zusatz „Finanzabteilung“ nannten. Allein ihr staatliches Herkommen musste noch nicht zwangsläufig einen Status als Kirchenbehörde verhindern. Nach dem Verständnis des Reichskirchenministeriums aber waren sie ohne Zweifel „staatliche“ Organe, die eine staatliche Kontrolle der kirchlichen Vermögensverwaltung gewährleisten sollten.7 Es lag nicht an Muhs’ oder Kerrls mangelndem Willen zu direkter Staatskontrolle, dass die Zugriffsmöglichkeiten auf die kirchliche Vermögensverwaltung in der Verordnung nicht expliziter gestaltet wurden – sie hätten etwa die Kirchenbehörden direkt dem Staat unterstellen können. Aber ein solches Verfahren hätte die Unruhe in der Kirche noch gesteigert. Außerdem wäre eine deutlicher staatskirchliche Lösung gegen die Befürworter einer Trennung von Kirche und Staat nicht durchzusetzen gewesen, das hatte sich zuletzt im Februar 1937 gezeigt.8 Selbst über den Erlass der 15. Durchführungsverordnung war die Parteiführung offenbar nur unzureichend informiert worden, jedenfalls fühlte diese sich übergangen.9 In der Forschung ist die Tragweite der 15. Durchführungsverordnung erkannt worden.10 Joachim Beckmann etwa zählt sie „zu den besonders einschneidenden Verordnungen“11.

3.2. Die juristische Bewertung der 15. Durchführungsverordnung Die öffentliche Diskussion über die juristische Bewertung der 15. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz wurde zeitgenössisch nicht so breit geführt wie 1935 zum Vermögensverwaltungsgesetz, mit dem sich gleich mehrere Fachaufsätze beschäftigt hatten. Werner Weber bezog in einer Dokumentenedition aus dem Jahre 1938 kurz Stellung. Weber sah in der 15. Durchführungsverordnung keinen tiefgehenden Einschnitt, sondern lediglich eine Vereinheitlichung der Regelungen und einen „gewissen Abschluß“12 des Ordnungswerkes der kirchlichen Finanzverwaltung.13 7 Vgl. zu der Frage nach dem Charakter der Finanzabteilungen unten 165 – 167, 169; Brunotte, Finanzaufsicht, bes. 61 f.; Melzer, Vertrauensrat, 274. 8 Siehe oben 74 – 76. 9 Vgl. Aussage Stahns laut Vermerk der FA-Baden vom 7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 10 Vgl. Brunotte, Finanzaufsicht, bes. 60 f.; Friedrich, Entwicklung des Kirchentums, 441; Brunotte, Kurs, 13; Niesel, Wort, 141. Auch Hesse, Entwicklung, 8, attestiert der 15. Durchführungsverordnung eine „besondere[.] Tragweite“. 11 KJ, 185. 12 Weber, Neues Staatskirchenrecht, 6. 13 Vgl. ebd., 6 f. Auch rückblickend meinte Weber 1941, das System der Finanzabteilungen sei selbst auf Grundlage der 15. Durchführungsverordnung noch „Ausdruck einer echten Hilfe des Staates für die Kirche, die es der Kirche ermöglichen sollte, aus dem durch den Kirchenstreit und die

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Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung

Pfundtner / Neubert revidierten in ihrem Gesetzeskommentar kaum merklich ihre noch in der Erläuterung zur 14. Durchführungsverordnung vertretene Auffassung, die Finanzabteilungen seien „Abteilungen der Kirchenbehörden, jedoch mit besonderem staatlichen Auftrag.“14 Nun hieß es zur 15. Durchführungsverordnung, die Finanzabteilungen würden durch den Reichskirchenminister „bei den Verwaltungsbehörden der einzelnen evangelischen Landeskirchen“15 gebildet – als Bestandteil dieser Behörden waren sie hiernach nicht mehr zwangsläufig anzusehen. Ansonsten sahen die beiden Interpreten in der 15. Durchführungsverordnung eine zeitgemäße Auslegung der „dem Staat zustehenden jura circa sacra“16, die dem Gleichgewicht von Rechten und Pflichten der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechtes gegenüber dem Staat entspreche.17 Als ausführlichster Exeget der Verordnung trat Rechtsanwalt Dr. Georg Cölle auf. Seiner Auslegung kommt vor allem deshalb eine besondere Relevanz zu, weil er sich bald zu einer entscheidenden Figur im System der Finanzabteilungen entwickelte. Er veröffentlichte einen Aufsatz im Reichsverwaltungsblatt, in dem er nicht nur die Bestimmungen der 15. Durchführungsverordnung vorstellte, sondern sie an verschiedenen Stellen auch interpretierte. Zunächst erklärte er einleitend, die Finanzabteilungen seien „nach dem Sinn und Zweck der VO. kirchliche Behörden.“18 Es ergäbe sich jedoch aus ihrem Aufgabengebiet, dass sie gegenüber den kirchlichen Verwaltungsbehörden selbständig sein müssten, denn auf sie wären „zum Teil Befugnisse der kirchlichen obersten Verwaltungsbehörden, zum Teil Befugnisse des Kirchenregiments (Vertretungsmacht) übergegangen. Daraus ergibt sich, daß die Finanzabteilungen nicht der obersten kirchlichen Verwaltungsbehörde oder dem Kirchenregiment unterstehen können.“ Dieser unabhängige Charakter müsse „auch für die allgemeine Dienstaufsicht einschließlich Disziplinarrecht gelten, da sonst der Aufgabenkreis nicht ordnungsgemäß erledigt werden könnte. Die Mitglieder der Finanzabteilung müssen von jeder Einflußnahme durch die oberste kirchliche Verwaltungsbehörde oder die Inhaber des Kirchenregiments, die nicht sachlich bedingt ist, freigehalten werden.“

Die allgemeine Dienstaufsicht über die Finanzabteilungen stehe dem Reichskirchenminister zu, da jener die FA-Mitglieder auch ernenne. Cölles Klassifizierung der Finanzabteilung als kirchliche (Ober-)Behörde war damit

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Manipulationen des Staates hervorgerufenen Verwaltungschaos wieder zu einer ordnungsmäßigen und handlungsfähigen kirchlichen Verwaltung zurückzufinden.“ Ders., Entwicklung des nationalsozialistischen Regimes, 378. Pfundtner / Neubert, Reichsrecht, I d 4, 65. Ebd., 66. Ebd. Vgl. insgesamt ebd., 66 – 68. Vgl. ferner den Gesetzeskommentar von Freisler / Grauert, Recht, IV d 5, 40, die aber vor allem auf Pfundtner / Neubert, Reichsrecht verweisen. Cçlle, Stellung, 938, dort auch folgende Zitate.

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Zukunftspläne von Muhs und konkreter Wandel in den Finanzabteilungen 93

letztlich nur ein hohles Bekenntnis, denn der Kirche wurde keinerlei Einfluss auf diese zugestanden. Nach Cölles Auslegung der 15. Durchführungsverordnung waren die Finanzabteilungen nicht nur auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung allen anderen kirchlichen Instanzen übergeordnet. Er meinte, die „gesamte Verwaltung“ fiele in das Überwachungsgebiet der Finanzabteilung und diese sei in diesem Aufgabenkreis berechtigt, „direkte Anweisung an die oberste Verwaltungsbehörde zu geben.“ Auch die Vertretungsbefugnis für ihre Kirche hatte die Finanzabteilung nach Cölles Meinung, völlig „in eigener Verantwortung“19 wahrzunehmen, ohne an Weisungen oder Willensbekundungen der Kirchenleitung gebunden zu sein: „Würde diese Ansicht nicht zutreffend sein, so wäre die staatliche Anordnung auf Einrichtung von Finanzabteilungen völlig unnütz, da die Finanzabteilung dann nur so handeln könnte, wie die kirchlichen Organe es wünschen. Der Zweck der Einrichtung von Finanzabteilungen geht aber gerade dahin, eine außerhalb der kirchenpolitischen Kämpfe stehende, davon unabhängige Behörde zu schaffen, die objektiv und unvoreingenommen entsprechend den Gesetzen der Kirche und des Staates die ordnungsmäßige Verwaltung der Kirche garantiert.“20

Nach Cölles Exegese sollten die Finanzabteilungen also der nur dem Staat unterstellte, von den sonstigen Kirchenorganen unabhängige Wächter über die gesamte Kirchenverwaltung sein. Der bei der Interpretation des Vermögensverwaltungsgesetzes von 1935 noch allseits hervorgehobene vorübergehende Charakter der Finanzabteilungen, der ein nicht unwesentliches Argument dafür gewesen war, dass die Finanzabteilungen als staatliche Nothilfe gerechtfertigt werden konnten, wurde nun lediglich noch von Pfundtner / Neubert bekräftigt und die Verordnung als „vorläufige Maßnahme“21 gekennzeichnet. Ansonsten wurde der staatliche Eingriff ganz selbstverständlich verstetigt, ohne dass dies zu juristischen Bedenken geführt hätte.

3.3. Zukunftspläne von Muhs und konkreter Wandel in den Finanzabteilungen Ende 1937 Nach dem Willen von Staatssekretär Muhs sollte mit der 15. Durchführungsverordnung keineswegs das Ende der Entwicklung der Finanzabteilungen erreicht sein; sie war als Fundament eines weiteren FA-Ausbaus gedacht. Eine Denkschrift, die Muhs 1937 oder 1938 verfasste, gibt Aufschluss, wie der 19 Ebd., 939. 20 Ebd. 21 Pfundtner / Neubert, Reichsrecht, I d 4, 68.

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Staatssekretär sich die zukünftige „Befriedung der Evangelischen Kirche“ vorstellte und zeigt, dass er den Finanzabteilungen dabei eine Schlüsselrolle zudachte.22 Grundlegend für eine Befriedung der Kirche sei, so Muhs, die Einrichtung „einer einheitlichen vom Staate garantierten und kontrollierten Verwaltung“, schließlich habe die evangelische Kirche nach „Geschichte und eigener Lehre […] kein Recht auf die souveräne Verwaltung.“ Eine solch staatskirchliche Lösung sei schon deshalb unerlässlich, weil die Alternative, eine völlige Trennung von Kirche und Staat, „die Entstehung einer im wesentlichen der Staatskontrolle entzogenen, also politisch höchst bedenklichen Freikirche im Sinne der Bekenntniskirche, [sic] bedeuten“ würde. Träger der staatlich kontrollierten Verwaltung sollten die bestehenden Kirchenbehörden sein, denn es würde „der kirchlichen Befriedung abträglich sein, wenn die staatliche Instanz die ihr notwendig erscheinenden Massnahmen unmittelbar“ durchsetzen würde – die kirchlichen Behörden müssten allerdings „mit zuverlässigen Männern besetzt“ werden. Die Finanzabteilungen, nach Muhs Verständnis reine Staatsorgane, waren der zweite strukturelle Bestandteil seines Befriedungskonzepts. Diese sollten nicht nur dazu dienen, die Kirchenfinanzen einer strengen staatlichen Aufsicht zu unterwerfen. Es sei auch, so Muhs, „unerlässlich, daß die Leitung der Staatl. Finanzabteilungen mit der Leitung dieser kirch. Behörden zusammen in einer Hand liegt.“ Die Kirchenbehörden sollten damit indirekt, über ihre Verknüpfung mit den staatsabhängigen Finanzabteilungen, enger an den Staat gebunden werden. Die Finanzabteilungen sollten also letztlich das zentrale Mittel zur Verstaatlichung der gesamten kirchlichen Verwaltung sein. Auf dieser Grundlage könne dann die „Lösung der zweiten Aufgabe, nämlich die weltanschauliche Ausrichtung der Kirche“, veranlasst werden.23 Die 15. Durchführungsverordnung lag damit genau auf dem von Muhs in seiner Denkschrift skizzierten Weg zu einer Staatskirche. Die Denkschrift fand in Kerrls Plänen, die er bald im Oktoberprogramm umzusetzen versuchte, allerdings keine Resonanz – obwohl der Zugriff auf die kirchliche Verwaltung auch Bestandteil von Kerrls Vorstellungen blieb.24 Solange allerdings Kerrl das Tagesgeschäft noch mied, hatte Muhs die Möglichkeit, die praktische Umsetzung seiner Pläne voranzutreiben. Vor allem führte er personelle Veränderungen in den Finanzabteilungen durch. Etwa bei der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei: Die Amtsführung ihres 22 Zitat aus dem Titel der Denkschrift, die folgenden aus dem Text. Die Denkschrift findet sich in LkAN 98.040 Nr. 186 und in EZA 50 Nr. 45. Beide Versionen leicht abweichend, Zitate aus der erstgenannten Version. 23 Vgl. zu der Denkschrift: Melzer, Vertrauensrat, 274 f.; Heinonen, Anpassung, 121 – 124; Meier, Kirchenkampf III, 624 Anm. 175; Thierfelder, Einigungswerk, 10; Conway, Kirchenpolitik, 228 f.; Heinonen, Reichskirchenministerium, 138 f.; ferner Herbert, Kirchenkampf, 203 f. 24 Vgl. zu den Diskrepanzen von Kerrl und Muhs an dieser Stelle Heinonen, Anpassung, 124; Meier, Kirchenkampf III, 624 Anm. 175. Siehe auch oben 77 f.

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Vorsitzenden, Oberkonsistorialrat Walther Gustavus, hatte Muhs’ Unzufriedenheit erregt.25 Am 4. November 1937 wurde Gustavus daher abberufen und durch den Präsidenten der Kirchenkanzlei, Friedrich Werner, ersetzt, der zu diesem Zeitpunkt noch die Gunst des Staatssekretärs genoss; Vertreter wurde Vizepräsident Günther Fürle.26 Muhs brachte damit, ganz im Sinne seiner Denkschrift, die Finanzabteilung in eine Personalunion mit der Verwaltungsbehörde. Zugleich stand hinter der Maßnahme das Kalkül, weitere unliebsame Mitglieder der gesamtkirchlichen Finanzabteilung, zum Beispiel Direktor Dr. Hermann Müller aus Stuttgart, zu veranlassen, „von sich aus zurück[zu]treten“27. Der Vorsitzendenwechsel versprach, jenes Ziel einfach und lautlos erreichen zu können, ohne sich dabei unnötig exponieren zu müssen und damit das Missfallen der Kirche zu erregen.28 Er brachte allerdings nicht den gewünschten Erfolg; kein Mitglied ließ sich vergraulen und verließ freiwillig die Finanzabteilung.29 In der Altpreußischen Union setzte Muhs bei ersten Finanzabteilungen kirchenfremde Vorsitzende ein. Diese Variante bevorzugte er fortan eindeutig gegenüber der Möglichkeit, gewissermaßen kircheninterne Personalunionen herzustellen. Kirchenfremde Vorsitzende konnten aus einem breiteren Kreis politisch zuverlässiger und kirchlich unabhängiger Kräfte rekrutiert werden, die in den Kirchenleitungen nicht zur Verfügung standen. So wurde im November 1937 in Königsberg der bisherige FA-Vorsitzende, Konsistorialpräsident Dr. Walter Tröger, durch den Regierungsvizepräsidenten Dr. Kurt Angermann ersetzt; der ostpreußische Oberpräsident und Gauleiter Erich Koch hatte auf diese Umbesetzung gedrängt. Die Entscheidung lag auch im Sinne der Deutschen Christen, die Tröger eine Nähe zur Bekenntniskirche vorgeworfen hatten.30 In Düsseldorf kam im November 1937 ebenfalls ein kirchenfremder FA-Vorsitzender ins Amt.31 Anfang 1938 folgte die Finanzabteilung beim Konsistorium Berlin-Brandenburgs, wo ein Geschäftsführer des NS-Reichsnährstandes zum Vorsitzenden ernannt wurde.32 Unterdessen wurde von Hitler die Trennung von Kirche und Staat weiter verfolgt. Er erteilte dem Reichskirchenministerium Mitte 1937 den Auftrag, 25 Vgl. Brunotte, Kurs, 9. 26 Vgl. GBlDEK, 1937, 65. 27 Vermerk vom 4. 11. 1937 auf der Vorlage des Abberufungsbescheids für Gustavus (BArch R 5101 / 23713, Bl. 46). 28 Vgl. ebd. 29 Vgl. auch die Besprechung von Meiser, Breit, Lilje, Marahrens und Wurm am 8. November 1937, wo man die Meinung vertrat, Müller und Meinzolt sollten in ihren Ämtern verbleiben, denn man „sollte die letzte Position noch halten, die überhaupt noch da ist.“ Mitschrift Meisers (Verantwortung III, hier 682). 30 Vgl. zu der Umbesetzung BArch R 5101 / 23226, bes. Bl. 295 – 306; Meier, Kirchenkampf II, 194. Angermann war bis zur Übernahme seines FA-Amtes stellvertretender Gauobmann der Deutschen Christen gewesen. 31 Vgl. Kaminsky, Zwang, 205 – 209; Norden, Kirchenkampf, 158 – 161, 169 f. 32 Siehe unten 541.

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Gesetzentwürfe in diesem Sinne auszuarbeiten. Die entsprechenden Entwürfe „trugen deutlich die Handschrift von Muhs“ und waren „lediglich formal auf eine Trennung von Kirche und Staat ausgelegt. Faktisch liefen sie auf eine Verstaatlichung der Kirchen hinaus.“33 Sie fanden daher nicht die Billigung der radikalen Kirchengegner, die die Vorlagen des Reichskirchenministeriums als taktisches Manöver durchschauten. Auch Hitler hatte im Herbst 1937 bereits kein Interesse mehr an einer Änderung auf dem Gebiet des Kirchenwesens34 und lehnte den Gesetzentwurf des Reichskirchenministeriums ab.35

3.4. Das Ende der Verordnungspolitik im Winter 1937/38 Im Winter 1937/38 kehrte Kerrl für einige Monate in die aktive Politik zurück. Auf der Agenda stand eigentlich, entweder die Kirchenwahlen durchzuführen, die jedoch zunächst immer weiter verschoben und schließlich ganz aufgegeben wurden,36 oder das vorgebliche Trennungsgesetz zu verabschieden, das letztendlich Anfang 1938 scheiterte. Stattdessen wurde schließlich die Verordnungspolitik fortgeführt. Anschließend zog sich Kerrl bis zum Oktober 1938 wieder mehr aus der Tagespolitik zurück und überließ seinem Staatssekretär das Geschäft.37 Einstweilen propagierte Kerrl im Winter 1937/38, wie schon seit dem Wahlerlass, öffentlich eine Trennung von Kirche und Staat.38 Er war gezwungen, den radikalen Kirchengegnern rhetorisch entgegenzukommen, wenn er überhaupt noch eine Chance auf die Durchsetzung seiner eigenen Pläne wahren wollte. Tatsächlich verfolgte Kerrl zu dieser Zeit ungebrochen seine staatskirchlichen Absichten;39 nun eben unter dem Tarnmantel der Trennungsparole.40 Verglichen mit Muhs hatte er gemäßigte Vorstellungen, bei denen es weniger darum ging, die Finanzabteilungen in einen Gegensatz zu den Kirchenleitungen zu bringen, als vielmehr die Kirchenleitungen zu befrieden. Der Weg hierzu führte für den Minister jedoch zunächst über die Finanzabteilungen und einen verstärkten Zugriff auf die finanziellen Angelegenheiten der Kirche. In einer Besprechung am 2. Dezember 1937, in der 33 Kreutzer, Reichskirchenministerium, 305. 34 Vgl. Vermerk Stahns vom 12. November 1937 (Dokumente IV, 125 f.); auch Besier, Kirche der altpreußischen Union, 389. 35 Vgl. zu den weiteren kirchenministeriellen Plänen, nachdem Hitler das Trennungsgesetz in Auftrag gegeben hatte: Kreutzer, Reichskirchenministerium, 303 – 312; Verantwortung III, 710 Anm. 97. 36 Vgl. Grìnzinger, Kirchenpolitik, 227; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 294, 299. 37 Vgl. Kreutzer, Reichskirchenministerium, 300, 311 f.; Melzer, Vertrauensrat, 20. 38 Vgl. die Reden Kerrls in Fulda und Hagen im November 1937. Zeugnisse davon sind abgedruckt in: Dokumente IV, 126 – 132. 39 Vgl. Dierker, Glaubenskrieger, bes. 417 – 424. 40 Vgl. Kreutzer, Reichskirchenministerium, 297 f.

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Das Ende der Verordnungspolitik im Winter 1937/38

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Kerrl seine programmatischen Ziele umriss, stellte er klar, „daß er selbstverständlich die Verfügung über das Geld in der Kirche in den Händen behalten und noch stärker als bisher an sich ziehen wolle.“ Dies gehöre schließlich „in das Gebiet der äußeren Ordnung, das der Staat nie aus seinem Herrschaftsbereich ausscheiden kann“41. Vor diesem Hintergrund war der Erlass der 15. Durchführungsverordnung auch für Kerrls Konzept folgerichtig.42 Die älteren staatskirchenhoheitlichen Ansichten, auf die Kerrl verschiedentlich rekurrierte, um die verschärfte Staatsaufsicht zu rechtfertigen, waren indes spätestens mit der 15. Durchführungsverordnung längst überwunden – im nationalsozialistischen Staat galten andere Standards. Die Verordnungspolitik wurde mit der am 10. Dezember 1937 erlassenen 17. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz fortgeführt.43 Inhaltlich war die neue Verordnung eine Fortentwicklung der 13. Durchführungsverordnung, da die Kirchenwahl, auf die die 13. Verordnung abgestellt war, sich erledigt hatte. Sie zielte auf die Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung der evangelischen Kirche. Die Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche, ausgenommen „Fragen von Bekenntnis und Kultus“, wurde in der neuen Verordnung dem Leiter der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei übertragen. Auch die sogenannten „Ein-Mann-Kirchen“, also diejenigen Kirchen, in denen im Lauf des Jahres 1937 die Kirchenausschüsse gescheitert waren und deren Leitung unklar war, wurden fortan von den Leitern der jeweils obersten Verwaltungsbehörde geführt – was bisher nur kommissarisch der Fall gewesen war. In den übrigen Landeskirchen wurden die im Amt befindlichen Landeskirchenregierungen bestätigt. Die geistliche Leitung indes wurde in der 17. Durchführungsverordnung für die Ein-Mann-Kirchen einstweilen nicht geregelt. Die neuerliche staatliche Ordnung der Kirchenleitungen und der gleichzeitige Ausbau der Finanzabteilungen konkretisierten die Absichten des Reichskirchenministers: Über die äußere Ordnung der Kirche sollten die strittigen innerkirchlichen Leitungsfragen bereinigt werden. Dabei sollte die äußere Ordnung ihrerseits der Kontrolle und dem Einfluss des Staates unterliegen; die Kirchenverwaltungen sollten möglichst gleichgeschaltet werden. Eigentlich planten Kerrl und Muhs, im Dezember 1937 eine 18. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz zu verabschieden, die noch vor Weihnachten veröffentlicht werden sollte.44 In ihr sollte der mit der 41 Besprechung von Kerrl, Muhs und Stahn mit Bodelschwingh und Breit; die Niederschrift Bodelschwinghs ist abgedruckt in: Dokumente IV, 132 – 141, hier 133. 42 Vgl. zu Kerrls Haltung und seinen Plänen im Winter 1937/38: Grìnzinger, Kirchenpolitik, 228; Melzer, Vertrauensrat, 19. 43 GBlDEK, 1937, 70, daraus auch folgendes Zitat. Vgl. auch zur 17. DVO: Grìnzinger, Kirchenpolitik, 229 f.; Meier, Kirchenkampf II, 154; Brunotte, Kurs, 9 – 11. 44 Vgl. zu den Auseinandersetzungen und der Entwicklung der 18. DVO besonders: Grìnzinger,

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Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung

15. und 17. Durchführungsverordnung angebahnte staatskirchliche Weg vorangetrieben werden. Eine Verwirklichung der vorgesehenen 18. Verordnung hätte eine „Einschränkung der Hoheit der Landeskirchen“45 und eine „Diktatur der […] Kirchenkanzlei“46 zur Folge gehabt. Doch soweit kam es nicht. Die letztlich staatskirchliche Aspekte mit einer angestrebten Reichskirche verbindende Verordnung lief den radikalen Kirchengegnern zuwider. So verhinderten vor allem Rosenberg, Heß und Bormann, die Hitler von ihren Einwänden überzeugen konnten, den Erlass der 18. Durchführungsverordnung im von Kerrl ursprünglich geplanten Sinne. Schlussendlich konnte der Reichskirchenminister am 3. Juni 1938 nur eine Version der Verordnung erlassen, die nichts mehr mit den ersten Entwürfen zu tun hatte. Sie enthielt nur eine Vertretungsregelung für die „Ein-Mann-Kirchen“ und die Kirchenkanzlei. Hiernach bestimmte der Reichskirchenminister die Vertretung des Leiters der Kirchenkanzlei, sollte dieser einmal ausfallen; er konnte damit jene wichtige Position im Zweifelsfall mit einem willfährigen Getreuen besetzen.47 Gleichzeitig war dies die letzte Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz. Der Verordnungsweg hatte sich mit dem seit 1937 zunehmenden Einfluss der „weltanschaulichen Rigoristen“ für den Reichskirchenminister als ungangbar erwiesen. Insbesondere Martin Bormann, Stabsleiter des Stellvertreters des Führers, drängte verstärkt aufs Feld der Kirchenpolitik. Für ihn war „[j]ede engere Verflechtung zwischen Staatsgewalt und Kirche“ inakzeptabel, da Staat und Partei dadurch gezwungen würden, in die inneren Auseinandersetzungen der Kirche einzugreifen. Er befürchtete dadurch eine „starke politische Belastung“48. Der Chef der Reichskanzlei Heinrich Lammers hielt daher fest, „dass der Stellvertreter des Führers in der Kirchenpolitik eine von der Auffassung des Reichskirchenministers völlig abweichende Haltung einnimmt“49. Kerrl war bei seinen Vorhaben damit ausgerechnet auf die Zustimmung seiner Antagonisten angewiesen (denn der Stellvertreter des Führers, Heß, und später die Parteikanzlei unter Bormann, waren seit 1934 an allen Gesetzen und Rechtsverordnungen zu beteiligen und bereits in die Entwürfe einzubinden). An eine reibungslose Umsetzung der Kerrl’schen Kirchenpolitik war unter diesen Umständen nicht zu denken. Hitler verhielt sich in der Kirchenpolitik weiterhin indifferent und vermied es, sich eindeutig für die eine oder andere Richtung auszusprechen. Kerrl

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Kirchenpolitik, 230 – 237; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 312 – 314; Grìnzinger, Einleitung IV, XXf. Ein Entwurf der geplanten 18. DVO findet sich in BArch R 43 II / 169, Bl. 182 f. (Dokumente IV, 161 f.). Eine leicht abweichende Version in BArch NS 8 / 178, Bl. 18 f. Grìnzinger, Kirchenpolitik, 230. Rosenberg an Heß vom 18. 12. 1937 (BArch NS 8 / 178, Bl. 13 – 16, hier Bl. 13). GBlDEK, 1938, 61. Bormann an Lammers vom 1. 9. 1938 (BArch R 43 II / 169, Bl. 189). Vgl. auch Longerich, Stellvertreter, 241 f. Vermerk Lammers vom 30. 5. 1938 (BArch R 43 II / 169, Bl. 188).

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Der innere und äußere Ausbau der Finanzabteilungen 1938

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erhielt für seine Pläne also auch von Hitler keinerlei Unterstützung.50 Auf der anderen Seite aber bremste Hitlers Haltung auch die entschieden kirchenfeindlichen Kräfte bei manchem Vorhaben.51 Der Reichskanzler scheute allzu radikale kirchenpolitische Eingriffe; nicht aus Sympathie für die Kirchen – viele restriktive Maßnahmen fanden durchaus seine Billigung –, sondern aus innen- und außenpolitischen Gründen. Er wollte „die große Konfrontation mit den Kirchen […] vermeiden“52.

3.5. Der innere und äußere Ausbau der Finanzabteilungen 1938 Zwischen Februar und Oktober 1938 zog sich Kerrl, wie schon 1937, aus dem Tagesgeschäft seines Ministeriums zurück. Muhs nutzte diese Zeit, um die Finanzabteilungen zu einem schlagkräftigeren staatskirchlichen Instrument auszubauen. Mehr als Kerrl war Muhs ein kompromissloser Anhänger des Systems der Finanzabteilungen und entschlossener, die Möglichkeiten, die es für die Kirchenpolitik bot, auszunutzen. Der Verordnungsweg war auch für diese Ziele nicht mehr gangbar, denn im „Braunen Haus“ in München stand man „den Finanzabteilungen skeptisch gegenüber“53. Muhs konnte sich nur auf die vorhandene Rechtslage stützen. Diese bot ihm jedoch genügend Handhabe, den staatlichen Einfluss auf die evangelische Kirche zu vergrößern. Ein Hauptmittel hierbei war die forcierte Umbesetzung der bestehenden Finanzabteilungen.54 1936 waren als Ausdruck der auf Verständigung angelegten Kerrl’schen FA-Personalpolitik regelmäßig die Leiter der Kirchenbehörden mit dem FA-Vorsitz in ihren Landeskirchen betraut worden. Diese Finanzabteilungen fühlten sich in erster Linie kirchlich gebunden und waren für Muhs Ziele somit nicht geeignet.55 Im ersten Halbjahr 1938 berief Muhs daher systematisch zahlreiche neue FA-Vorsitzende – in Hannover, Braunschweig und den meisten Provinzen der Altpreußischen Union. Er wählte kirchenfremdes Personal, das nicht der allgemeinen kirchlichen Verwaltung angehörte, sich dafür ihres staatlichen Herkommens bewusst, parteipolitisch 50 Vgl. Grìnzinger, Kirchenpolitik, 237 f.; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 315; Wenschkewitz, Versuche, 124 f. 51 Vgl. Grìnzinger, Einleitung IV, XIIIf., XVI; Dies., Einleitung III, XXIXf.; Scholder, Sicht, 30 – 32. 52 Grìnzinger, Einleitung IV, XIII; Vgl. auch Hockerts, Goebbels-Tagebücher, 380 f. 53 So ein Vermerk Ruppels vom 14. 9. 1938 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 151). 54 Vgl. hierzu Brunotte, Finanzaufsicht, 62 – 65; Ders., Kurs, 13 – 15. 55 Die Finanzabteilung bei der Kirchenkanzlei hatte etwa auf ihrer Sitzung am 30. Juli 1937, als sie sich mit der neuen 15. Durchführungsverordnung beschäftigte, bekräftigt, dass sie sich weiterhin zur Bekanntmachung vom 14. November 1935 bekenne (siehe oben 70) und sich „nach wie vor als eine kirchliche Stelle mit grundsätzlich eigener Verantwortung und Unabhängigkeit“ – auch vom Staat – fühle. EZA 1/1609.

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100 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung gebunden und dem Staat treu ergeben war.56 Muhs’ Personalpolitik war anders als die Kerrls nicht darauf angelegt, eine erbauliche Zusammenarbeit zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung oder Pfarrerschaft sicherzustellen. Reichskirchenminister Kerrl hatte zwar auch betont, „dass die Vorsitzenden der Finanzabteilungen nicht nur nach kirchlichen, sondern auch nach staatlichen Gesichtspunkten zu bestellen seien.“57 Doch kirchliche Kriterien waren für ihn zumindest noch ein Argument gewesen. Für Muhs waren diese unbedeutend. In kirchlicher Hinsicht war für ihn nur wichtig, dass die Finanzabteilungen eine DC-Unterstützung boten und gegenüber der Bekennenden Kirche repressiv auftraten. Das war mit den neuen kirchenfremden FA-Vorsitzenden gewährleistet, deren Handeln sich zum Teil weniger an sachlichen und finanziellen oder gar kirchlichen Erwägungen orientierte, als vielmehr politisch und kirchenpolitisch motiviert war.58 Eine neutrale Finanzverwaltung, Zweck der ersten Finanzabteilungen, rückte mit den FA-Umbesetzungen in weite Ferne. Auch die DEKK-Finanzabteilung wurde durch neues Personal ergänzt. Ursprünglich war vorgesehen gewesen, sich endlich der unliebsamen Mitglieder Hans Meinzolt und Hermann Müller zu entledigen. Die beiden sollten ersetzt werden durch Dr. Cölle, der 1938 auch andernorts seine Karriere als FA-Multifunktionär begann, und Landgerichtsrat Dr. Richard Albrecht, der gleichzeitig im Reichskirchenministerium tätig war. Dieser Plan wurde jedoch bald fallen gelassen, Cölle und Albrecht ergänzten die Finanzabteilung bei der Kirchenkanzlei nur als neue Mitglieder.59 Auf den ersten Blick scheint es, als hätte Muhs durch seine praktische Politik eine Abkehr von seiner Denkschrift aus dem Winter 1937/38 vollzogen. Dort hatte er noch propagiert, Kirchenverwaltung und Finanzabteilung in eine Hand zu legen. Tatsächlich aber passen die praktische FA-Politik und das konzeptionelle Grundsatzprogramm vorzüglich zueinander. Denn was Muhs anstrebte, war ja keine an die Kirchenverwaltung angepasste Finanzabteilung (was passieren konnte, wenn man den leitenden Beamten der Kirchenverwaltung auch die Finanzabteilungen übertrug), sondern im Gegenteil eine an die Finanzabteilung gebundene allgemeine Verwaltung. Zu Ende gedacht gingen Muhs’ Vorstellungen noch weiter. Seine Denkschrift lässt sich so verstehen, dass die angestrebte Personalunion von FA- und Verwaltungsleitung letztlich darin münden sollte, dem FA-Vorsitzenden gleichzeitig die gesamte kirchliche Verwaltung seines jeweiligen Bereiches zu übertragen – in der 56 Die in Baden neu geschaffene Finanzabteilung wurde von vornherein in diesem Sinne besetzt, siehe im Einzelnen unten 539 – 548. Vgl. auch Brunotte, Finanzaufsicht, 59. 57 Norden, Kirchenkampf, 169. Norden paraphrasiert hier einen Bericht des Düsseldorfer Konsistorialpräsidenten Koch vom 4. Dezember 1937 auf einer Tagung, wo jener diese Haltung Kerrls wiedergegeben hatte. 58 Siehe unten Teil II dieser Arbeit. 59 Vgl. den Entwurf für die Umbesetzung und den Erlass vom 21. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 61 – 63).

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Praxis hätte der Staat dazu die Befugnis gebraucht, auch in der allgemeinen kirchlichen Verwaltung die Besetzung des leitenden Amtes zu bestimmen. Das aber gab die Rechtslage nicht her. Oder aber, und der praktische Weg sollte in diese Richtung gehen, die FA-Befugnisse hätten soweit ausgedehnt werden müssen, dass die allgemeine kirchliche Verwaltung dem gegenüber vollkommen marginalisiert worden wäre. Auf diese Weise wäre der für Muhs’ Konzeption zwischenzeitlich nötige Dualismus zwischen kirchlicher Verwaltungsbehörde und staatlicher Finanzabteilung wieder beseitigt worden. Wenn Muhs also fortan scheinbar an einer Trennung von kirchlicher Finanzverwaltung und allgemeiner kirchlicher Verwaltung arbeitete, so stand dahinter doch das Endziel, diese Trennung zugunsten der Finanzabteilungen wieder zu überwinden und damit die gesamte „weltliche“ Kirchenverwaltung in staatliche Hand zu befördern. Es gelang Muhs jedoch nicht, überall eine FA-Umbesetzung zu realisieren. Es gab bis zum Kriegsende Kirchengebiete, deren Finanzabteilungen sich als kirchliche Institution verstanden und ihr Handeln entsprechend ausrichteten. Nicht unbedingt im Sinne einer bekenntniskirchlichen Haltung, aber im Sinne einer neutralen Finanzverwaltung, so wie es ursprünglich auch von Minister Kerrl vorgesehen war.60 Auch in Finanzabteilungen, die von Muhs im ersten Halbjahr 1938 mit kirchenfremden Vorsitzenden ausgestattet worden waren, relativierte sich der Effekt jener Maßnahme oftmals, da manche FA-Vorsitzende ihren Auftrag nicht voll wahrnahmen oder später kriegsbedingt ihre Tätigkeit in der jeweiligen Finanzabteilung minimieren mussten.61 Es war für Muhs mühselig, überhaupt geeignetes Personal für die Finanz60 Siehe dazu auch unten 156 f. 61 Vgl. insgesamt Brunotte, Finanzaufsicht, 64 f.; exemplarisch zur Tätigkeit des FA-Vorsitzenden Sohns in Düsseldorf: Kaminsky, Rolle, 226 f.; Ders., Zwang, 218, 220 f. In Münster vertrat im Kriege Konsistorialpräsident Dr. Gerhard Thümmel den nominellen FA-Vorsitzenden Hans Stoppenbrink, vgl. Thìmmel, 40 Jahre, 37; Kampmann, Landeskirche, 74. In Breslau war der offizielle FA-Vorsitzende, Horst Bartholomeyczik, seit Kriegsbeginn nicht mehr in der Finanzabteilung tätig (wurde aber nie abberufen). Der zwischenzeitliche Vertreter, Dr. Hans Damrau, Oberbürgermeister von Görlitz und nicht einmal formal Mitglied der Finanzabteilung, war im Mai 1940 ausgeschieden, so dass seither der dortige Konsistorialpräsident Johannes Hosemann den Vorsitz der Finanzabteilung wahrnahm. Vgl. zur Situation in Breslau: BArch R 5101 / 23211, passim; EZA 7/5398. In der kirchenprovinziellen Finanzabteilung in Berlin war der Vorsitzende, SA-Brigadeführer Erhard von Schmidt, während des Krieges stark in der Wahrnehmung seines Amtes gehindert, daher nahm sein Vertreter, Konsistorialpräsident Dr. Johannes Heinrich, dessen Amtsgeschäfte wahr (zwar war ab März 1942 offiziell Fischer-Dorp mit der Vertretung beauftragt, doch übernahm er diese Aufgabe nur bei längerer Abwesenheit Heinrichs). Heinrich scheint bei der Abwägung der Prioritäten von FA- und Kirchenamt eine Entscheidung zugunsten des FA-Amtes getroffen zu haben, denn er zog 1943 in Erwägung, „um Beurlaubung als Präsident zu bitten“ (Aktenvermerk Cölles vom 24. 2. 1943, EZA 1/1614), um nur noch sein FA-Amt wahrzunehmen. Er regte sogar an, es könne „ihm doch die Geschäftsführung in einer weiteren Finanzabteilung (Breslau)“ (ebd.) übertragen werden. Vgl. zur Situation in der FA-Berlin-Brandenburg: BArch R 5101 / 23208, hier bes. Bl. 383 (Vermerk Stahns vom 3. 6. 1940); BArch R 5101 / 23209, hier bes. Bl. 28 (Heinrich an Reichskirchenminister vom 27. 8. 1942).

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102 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung abteilungen zu rekrutieren. In staatskirchlicher Hinsicht waren für ihn „Parteigenossen“ mit einem hauptamtlichen Partei- oder Staatsamt besonders erwünscht. Gleichzeitig war diese Personengruppe für die Arbeit in einer Finanzabteilung kaum zu gewinnen, spätestens nachdem Bormann am 23. Januar 1939 leitenden Parteifunktionären eine führende Tätigkeit in den Kirchen untersagt hatte.62 Die personelle Verzahnung von Partei und Kirche war für die Parteiführung absolut unerwünscht. Immerhin gab es eine Ausnahmeregelung für die Arbeit in einer Finanzabteilung. Diese durfte nach dem Rundschreiben Bormanns „bis auf weiteres ausgeübt werden“63, jedoch war es untersagt, sich im Rahmen des FA-Amtes auf die Parteizugehörigkeit zu berufen, in Uniform aufzutreten oder entsprechende Abzeichen zu tragen.64 Gleichwohl bezeichnete Bormann die Finanzabteilungen als „staatliche Behörden“65. Sie profitierten damit zwar von einer Sonderregelung, dennoch war eine erhebliche Hemmschwelle für Parteifunktionäre eingezogen worden, zumal es als ungewiss galt, ob nicht die Ausnahme bald aufgehoben werden würde.66 Denn deutlich war, dass Muhs’ Interessen und diejenigen der Parteiführung gegenläufig waren, ja dass „Muhs der Partei im Grunde suspekt

62 Rundschreiben Bormanns (BArch NS 8 / 181, Bl. 182 f., hier Bl. 182). Bormann und Rosenberg hatten mit Hinweis auf die von der Partei geübte Neutralität in kirchenpolitischen Dingen schon früher darauf insistiert, dass zumindest leitende „Parteigenossen“ nicht „gleichzeitig eine leitende Stellung in einer religiösen Glaubensgemeinschaft“ bekleiden dürften. Anordnung Bormanns vom 1. 6. 1938 (Dokumente IV, 209 f., hier 210). Vgl. auch Nolzen, Nationalsozialismus, 165 – 169; Rosenberg an Bormann vom 29. 11. 1938 (BArch NS 8 / 180, Bl. 20). 63 BArch NS 8 / 181, Bl. 182 f., hier Bl. 182. 64 Die Ausnahmeregelung war vermutlich auf einen Vorgang um die Besetzung des FA-Vorsitzes beim Konsistorium Breslau im Juni 1938 zurückzuführen. Seinerzeit war dort Landgerichtsrat Dr. Bartholomeyczik, der auch als politischer Leiter fungierte, zum FA-Vorsitzenden bestellt worden. Bartholomeyczik hatte nun die Zustimmung des Gauleiters eingeholt, der zwar keine Einwände hatte, sich jedoch zur Rückversicherung in der Sache an den Stellvertreter des Führers wandte. Für alle überraschend versagte Heß jedoch seine Billigung der Personalmaßnahme, mit dem Verweis darauf, dass es sich bei dem FA-Amt weniger um ein staatliches, als vielmehr um ein kirchliches Amt handele. Bartholomeyczik wandte sich alarmiert an seinen Ansprechpartner im Reichskirchenministerium, Albrecht, und fragte an, wie er sich nun verhalten solle. Er merkte an: „Für Ihre Pläne hat diese Entscheidung ja außerordentliche Folgerungen, denn alle Männer, die Sie bisher eingesetzt haben, werden doch politische Leiter oder […] Führer oder Unterführer der Gliederungen und angeschlossenen Verbände sein. Diese sind ja in erster Linie für Sie brauchbar gewesen.“ Bartholomeyczik an Albrecht vom 17. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23211, Bl. 257). Tatsächlich gefährdete dieser Vorstoß die Muhs’sche FA-Personalpolitik entscheidend und war geeignet die Politik des Reichskirchenministeriums einmal mehr zu desavouieren. Umgehend wurde der Stellvertreter des Führers dringlich gebeten, seine Haltung zu revidieren. Schreiben vom 23. 7. 1938 (ebd., Bl. 258). Dieser ließ sich jedoch Zeit mit seiner Entscheidung und beschied erst am 8. Oktober 1938, dass es Bartholomeyczik „nunmehr freigestellt“ (ebd., Bl. 270) sei, das FA-Amt zu übernehmen. Diese Haltung wurde im Hause des Stellvertreters des Führers fortan beibehalten und spiegelt sich im oben erwähnten Erlass wieder. Vgl. zum ganzen Vorgang ebd., Bl. 257 – 270. 65 Rundschreiben Bormanns vom 23. 1. 1939 (BArch NS 8 / 181, Bl. 182 f., hier Bl. 182). 66 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 4. 4. 1939 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 291).

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[war], da er für deren Begriffe doch ,für die Kirche‘ war.“67 Zudem waren die FA-Posten in Hinblick auf ihre Vergütung in der Regel nicht übermäßig interessant.68 Entsprechend mühsam war das Werben Muhs’ in der Gruppe der Staats- und Parteifunktionäre. Gleichwohl konnte er einige Erfolge verbuchen und beispielsweise einen Reichsamtsleiter (Hans Friedrich Sohns, Düsseldorf), einen SA-Brigadeführer (Erhard von Schmidt, Berlin) oder einen SSObersturmbannführer (Horst Bartholomeyczik, Breslau) für ein FA-Amt gewinnen. Neben den Personalmaßnahmen trieb Muhs die Schaffung neuer Finanzabteilungen voran; die 15. Durchführungsverordnung bot hierfür die Handhabe. In der Vorbereitungsphase informierte er in der Regel zunächst die zuständigen Reichsstatthalter und Landesregierungen von seinen Vorhaben und erbat von dieser Seite Vorschläge zur FA-Personalbesetzung, nicht etwa von den Kirchen, die von dem gesamten Vorbereitungsprozess ausgeschlossen blieben.69 Muhs wollte mit seiner Anfrage an die Staatsstellen sicherstellen, dass nur „politisch unbedingt zuverlässige“70 Persönlichkeiten für die Finanzabteilungen in Erwägung gezogen würden. Meist erledigten sich Muhs’ Vorstöße jedoch rasch. Nicht nur die jeweiligen Kirchenleitungen setzten sich gegen eine mögliche FA-Einrichtung zur Wehr,71 sondern, und dies wog für das Reichskirchenministerium schwerer, vielfach auch die jeweiligen Reichsstatthalter, Gauleiter oder Landesregierungen – etwa in Thüringen, Mecklenburg, Bayern oder Württemberg. Diese hatten kein Interesse an einer von dem Reichsminister abhängigen Finanzabteilung bei ihren Landeskirchen, denn damit hätten sie sich eine kirchenpolitische Konkurrenz ins eigene Land geholt.72 Gegen den erklärten politischen Widerstand der regionalen Partei- und Staatsstellen konnte sich das Reichskirchenministerium wegen seiner schwachen politischen Stellung jedoch nicht durchsetzen. Es hatte lediglich die Autorität, die Wünsche der Kirchenleitungen zu ignorieren. Ob eine Finanzabteilung in einer Landeskirche eingesetzt werden konnte, hing also wesentlich von den politischen Konstellationen und Partikularinteressen der Region ab.73 Ein Übriges tat die grundsätzlich ablehnende Haltung Bor67 So Ruppel im Gespräch mit Hans Buchheim am 13. / 14. 10. 1951 (Protokoll in BArch R 5101 / 36). 68 Vgl. etwa den Fall Bartholomeyczik in Breslau, bei dem diese Komponente eine besondere Betonung fand, BArch R 5101 / 23211, bes. Bl. 246, 263. 69 Vgl. etwa exemplarisch den Fall Schaumburg-Lippes, BArch R 5101 / 23802, hier bes. Bl. 49. 70 So Muhs an Wilhelm Murr, Reichsstatthalter in Württemberg, vom 12. 11. 1937 (BArch R 5101 / 23772, Bl. 295). 71 Siehe oben 83 f.; und unten 135 – 137. 72 Vgl. Brunotte, Kurs, 13. Die älteren staatsaufsichtlichen Rechte der Länderregierungen wären freilich durch eine Finanzabteilung nicht tangiert worden. Vgl. etwa das Schreiben des Reichskirchenministers an die FA-Baden vom 1. 8. 1939 (BArch R 5101 / 23785). 73 Vgl. dazu allgemein Ruck, Zentralismus; Ders., Partikularismus.

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104 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung manns.74 Außerdem bestand politisch im Reichskirchenministerium eine gewisse Hemmung, in DC-geführten Landeskirchen eine Finanzabteilung einzusetzen (in Thüringen oder Mecklenburg), ohne ein gleiches auch in den „intakten“ Landeskirchen (Württemberg und Bayern) getan zu haben. So gelang trotz des immer wieder bekundeten Vorsatzes, die Finanzabteilungen auf alle Landeskirchen ausweiten zu wollen, in dieser Zeit nur noch die Einrichtung einer neuen Finanzabteilung – in Baden im Mai 1938. Im Mai 1938 liefen auch Planungen, mit einer 19. bzw. 20. Durchführungsverordnung eine gemeinsame Finanzabteilung für die Landeskirchen von Schleswig-Holstein, Hamburg, Lübeck75 und Eutin zu bilden. Ursprünglich war vorgesehen, daneben auch gemeinsame Finanzabteilungen für die Landeskirchen Hannover, Braunschweig und Schaumburg-Lippe, für Thüringen und Anhalt sowie für Oldenburg und Bremen zu schaffen. Außerdem sollten im gleichen Zug in den verbleibenden Landeskirchen (wie Bayern, Württemberg oder Mecklenburg) Finanzabteilungen eingesetzt werden. Schließlich sollte die Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei ermächtigt werden, sich selbst, wenn das Reichskirchenministerium zustimmte, die vermögensrechtliche Vertretung einer Landeskirche zu übertragen.76 Alle diese Ideen hatten jedoch keine realistische Aussicht auf Umsetzung. Nur das Projekt einer gemeinsamen Finanzabteilung für Schleswig-Holstein, Hamburg, Lübeck und Eutin blieb zunächst auf der Agenda.77 Es hatte im Präsidenten des Kieler Landeskirchenamts, Christian Kinder, einen hartnäckigen Fürsprecher. Kinder wollte mit seiner Landeskirche von der finanziell sehr viel besser gestellten Hamburger Landeskirche profitieren und meinte eingedenk des „Groß-Hamburg-Gesetzes“78 gute Argumente für die übergreifende Finanzabteilung zu haben.79 Auch Staatsekretär Muhs befürwortete die Idee, für die zudem der Oberpräsident der Provinz Schleswig74 Vgl. Aussage Stahns laut Vermerk der FA-Baden vom 7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 75 Nach Reimers, Lübeck, 363 f., soll in Lübeck im Juli 1937 die Schaffung einer Art informeller Finanzabteilung zwischen Muhs, dem Bischof und dem Kirchenrat, dem Oberbürgermeister sowie der Kreisleitung der NSDAP vereinbart worden sein. Im Bundesarchiv sind in den einschlägigen Beständen zur Landeskirche Lübecks keine Dokumente zu finden, die über diese offenbar informelle Finanzabteilung Auskunft geben. Offiziell wurde in Lübeck nie eine Finanzabteilung von Staats wegen eingerichtet. Zwar sprach sich der Senator für die Kultusverwaltung am 30. August 1935 dafür aus, eine Finanzabteilung zu bilden (BArch R 5101 / 22728, Bl. 670 – 672), doch wurde dieser Wunsch in Berlin zu den Akten gelegt. Ebenso ein gleiches Anliegen im Jahre 1936, vgl. BArch R 5101 / 23801. 76 Vgl. den Verordnungsentwurf nebst Vermerk vom 28. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 103 f.). 77 Vgl. das entsprechende Anschreiben Muhs’ vom 13. 7. 1938 nebst zugehörigem Verordnungsentwurf (ebd., Bl. 129, 105). Auch die Bildung einer Finanzabteilung für die Landeskirche Schaumburg-Lippe wurde zunächst sehr konkret weiter verfolgt. Erst mit Kerrls Oktoberprogramm erledigten sich die weit gediehenen Planungen. Der Vorgang findet sich in BArch R 5101 / 23802. 78 Dieses datierte auf den 26. Januar 1937 (RGBl., 1937, hier 91 f.), sein Vollzug war jedoch erst kurz vor Kinders Bemühungen abgeschlossen worden. 79 Vgl. dessen diverse Schreiben in dieser Sache in BArch R 5101 / 23713, Bl. 101, 131 – 143, 146 f.

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Holstein gewonnen werden konnte.80 Doch zum einen war der Hamburger Reichsstatthalter Karl Kaufmann nicht für diesen Plan zu begeistern, denn er hielt es „grundsätzlich für bedenklich, daß die hamburgische Steuerkraft auf dem Gebiete der Kirchensteuer zugunsten preußischer Gebiete ausgenutzt“81 würde, was bei einer gemeinsamen Finanzabteilung, die einen Lastenausgleich vorgenommen hätte, in der Tat zu erwarten gewesen wäre. Außerdem aber verweigerte auch Martin Bormann der geplanten Maßnahme die Zustimmung, da sie „eine weitere starke Einflußnahme des Staates auf die Finanzpolitik der Kirche zur Folge haben“82 würde. Stattdessen solle es doch den beteiligten Kirchen selbst überlassen werden, ob und in welcher Weise sie sich auf finanziellem Gebiet abstimmen wollten. Die Idee von gemeinsamen Finanzabteilungen für mehrere Landeskirchen wurde damit zu den Akten gelegt. Nachdem Staatsekretär Muhs die Finanzabteilungen mit gefälligem Personal ausgestattet und die äußere Entwicklung sich ansonsten festgefahren hatte, ging er daran, die innere Entwicklung des Systems der Finanzabteilungen voranzutreiben. Dazu begann er, die Befugnisse und Zuständigkeiten der Finanzabteilungen möglichst extensiv auszulegen. Grundlage war die 15. Durchführungsverordnung, die durch mehrere Erlasse des Jahres 1938 weiter ausgestaltet wurde. Muhs Maßnahmen zielten darauf, die Finanzabteilungen beispielsweise an der kirchlichen Gesetzgebung, dem Kollektenwesen oder der Minderheitenversorgung zu beteiligen:83 In einem Erlass vom 22. Juni 1938 wurde, angeregt durch den Vorsitzenden der hannoverschen Finanzabteilung Cölle,84 Paragraph 7 der 15. Durchführungsverordnung ausgelegt.85 Dieser besagte, dass alle Maßnahmen und Anordnungen der Kirchenleitung, die mit finanziellen Auswirkungen verbunden waren, einer Zustimmung der Finanzabteilung bedurften. Es bestand Uneinigkeit darüber, wer zunächst zu prüfen habe, ob mit einer bestimmten Maßnahme überhaupt finanzielle Auswirkungen verbunden wären. Cölle hatte beklagt, die hannoversche Kirchenregierung vertrete den Standpunkt, sie selbst dürfe diese Zuordnung vornehmen und über die Zustimmungspflicht entscheiden; falls die Finanzabteilung einmal anderer Auffassung sein sollte, könne sie nach erfolgter Veröffentlichung der Maßnahme die Verwei80 Vgl. dessen Schreiben an den Reichskirchenminister vom 19. 7. 1938 (ebd., Bl. 145). 81 Kaufmann an Kerrl im August 1938 (ebd., Bl. 153 f., hier Bl. 153). 82 Bormann an Kerrl vom 16. 9. 1938 (ebd., Bl. 152). Vgl. auch den Aktenvermerk Ruppels vom 14. 9. 1938 zur Haltung des „Braunen Hauses“ in dieser Sache (ebd., Bl. 151). 83 Vgl. zu dem Ausbau im Jahre 1938 auch insgesamt Brunotte, Finanzaufsicht, 65 f.; Loycke, Entwicklung, 81 f. 84 Vgl. dessen Schreiben an den Reichskirchenminister vom 9. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 65 f.). 85 GBlDEK, 1938, 72.

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106 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung gerung ihrer Zustimmung bekanntgeben und die getroffene Maßnahme sei eben in den monierten, also finanziellen Dingen ungültig. Nicht zu Unrecht gab Cölle zu bedenken, dass diese Vorgehensweise leicht zu praktischen Schwierigkeiten und einer neuen Rechtsunsicherheit führen könne. Er forderte daher die Vorlage aller kirchlichen Gesetze und Verordnungen vor ihrer Veröffentlichung.86 Muhs’ Erlass vom 22. Juni 1938 führte eindeutige Verhältnisse ganz auf der Linie Cölles herbei. Er bestimmte, dass „die Finanzabteilung grundsätzlich vor dem Erlaß von Gesetzen, Verordnungen oder sonstigen Bestimmungen zu beteiligen [sei], damit sie sich selbst ein Urteil darüber bilden kann, ob die betreffende Maßnahme finanzielle Auswirkungen hat oder nicht.“87 Nur bei Maßnahmen der Kirchenleitung, die eindeutig reine Kultusangelegenheiten seien, könne eine Ausnahme gemacht werden, nicht aber bei Gesetzen oder Verordnungen, die in jedem Fall der Finanzabteilung vorgelegt werden mussten. So konnte diese selbst entscheiden, was in ihren Zuständigkeitsbereich fallen sollte, denn „so ziemlich bei jeder denkbaren Maßnahme“88 ließ sich im Zweifel eine mögliche finanzielle Folge konstruieren. Kurz darauf erklärte Staatssekretär Muhs, zur „Behebung von Zweifeln“, dass nach der 15. Durchführungsverordnung „die gesamte Verwaltung aller finanzieller Angelegenheiten und die Verfügung über das Vermögen der Landeskirche […] ausschließlich der Finanzabteilung zusteht. Für die Bearbeitung der einschlägigen Angelegenheiten ist allein die Finanzabteilung zuständig“89. Hiermit wurde die Leitungskompetenz der Finanzabteilungen sehr weit ausgelegt, in Nivellierung dessen, was in der 15. Durchführungsverordnung noch an Kompetenzdifferenzierungen vorgesehen war. Damit war geklärt, dass die Finanzabteilungen befugt waren, die Vermögensverwaltung in eigener Regie selbst auszuführen, wenn sie es wünschten. Sie waren nicht auf eine Überwachungsfunktion der an anderer Stelle durchgeführten Verwaltung beschränkt. Das Kollektenwesen, das eigentlich eine Kultusangelegenheit war und von der Kirche nicht als „äußerlich Ding“90 angesehen wurde, war zunächst nicht an staatliche Genehmigungen gebunden gewesen, solange die Sammlungen in Gottesdiensten vorgenommen wurden.91 Nach einem Runderlass des Reichsinnen- und des Reichskirchenministers vom 9. Juni 1937 sollte diese Genehmigungsfreiheit jedoch nur für diejenigen Kirchenkollekten gelten, „die nach Maßgabe der von den ordentlichen vorgeordneten Kirchenbehörden aufgestellten Kollektenpläne in den regelmäßigen Gottesdiensten veranstaltet Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 9. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 65 f.). GBlDEK, 1938, 72. Loycke, Entwicklung, 81. Erlass vom 1. 7. 1938 (GBlDEK, 1938, 76). So in einem Beschluss der fünften altpreußischen Bekenntnissynode in Lippstadt im August 1937 (Niesel, Verkündigung, 55). 91 Vgl. § 15 Abs. 4 des Sammlungsgesetzes vom 5. 11. 1934 (RGBl., 1934, 1086 – 1088, hier 1088).

86 87 88 89 90

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werden“, dagegen sei „die Aufstellung von Kollektenplänen durch einzelne kirchliche Gruppen und die Durchführung anderer als der in den amtlichen Kollektenplänen vorgesehenen Kirchenkollekten“ verboten.92 Ein Runderlass vom 5. Oktober 1937 präzisierte, dass in den amtlichen Kollektenplan selbstverständlich „nur noch solche Organisationen aufgenommen werden [können], deren Leitung vorbehaltlos zum nationalsozialistischen Staat steht.“93 Zahlungen aus Kollektenmitteln an Organisationen oder für Zwecke der Bekennenden Kirche sollten auf diese Weise – allerdings letztlich erfolglos –94 unterbunden werden. Die Finanzabteilungen überwachten die Kollekten zu diesem Zeitpunkt bereits insofern, als dass sie nach der 15. Durchführungsverordnung dafür zu sorgen hatten, dass „die staatlichen und kirchlichen Bestimmungen von allen Beteiligten eingehalten“95 würden. In einem Erlass vom 9. Juli 1938 wurden die Finanzabteilungen darüber hinaus angewiesen, zu gewährleisten, „daß keine Kollekten ausgeschrieben werden, die vom Staate nicht anerkannten Organisationen (wie z. B. dem Lutherischen Rat [scil. gemeint ist der „Lutherrat“]) zugute kommen sollen und daher unzulässig sind.“96 So musste der Kollektenplan, dessen Aufstellung weiterhin bei der Kirchenleitung verblieb, seither vor seiner Bekanntgabe der Finanzabteilung vorgelegt werden. Außerdem hatte die Finanzabteilung die ordnungsgemäße Verteilung der gesammelten Kollekten durchzuführen. Die Finanzabteilungen blieben im Kollektenwesen damit zwar formal auf die Überwachung und reine Verteilungstätigkeit beschränkt, aber es eröffneten sich ihnen neue Gestaltungsspielräume, so dass ihre Beteiligung in der Praxis für kirchlichen Unmut und Schwierigkeiten sorgte.97 In einem Erlass vom 3. September 1938 erklärte Muhs auch die kirchliche „Versorgung von Minderheiten“ zu einer Angelegenheit der Finanzabteilungen.98 Zwar sei die Regelung der Minderheitenversorgung grundsätzlich Sache der Kirchenbehörden, doch die Streitigkeiten zwischen der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen um die Benutzung kirchlicher Räumlichkeiten würden auch den kirchlichen Grundbesitz tangieren. Da somit „regelmäßig vermögensrechtliche Interessen der Kirche berührt werden, müssen sich auch die Finanzabteilungen derartiger Fälle annehmen.“99 Dort, wo von den zuständigen kirchlichen Stellen eine Minderheitenregelung getroffen wäre, sollten die Finanzabteilungen darüber wachen, dass diese auch 92 Dokumente IV, 80 f. 93 Ebd., 119. 94 Vgl. Besier, Lage, 118 – 121; Hey, Kirchenprovinz, 305; Loycke, Entwicklung, bes. 180 – 182; Danielsmeyer, Geld, bes. 742 f. 95 GBlDEK, 1937, 34. 96 Dokumente IV, 211. 97 Vgl. nur den Beschluss der achten Bekenntnissynode im Rheinland am 16. / 17. 7. 1939 zur Kollektenfrage (Beckmann, Bekenntnissynoden, 446 – 450). 98 HStAH Hann. 122a Nr. 3619, Bl. 193 – 195 (Dokumente IV, 228 f.). 99 Ebd., Bl. 193.

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108 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung ordnungsgemäß durchgeführt würde. Es wurde empfohlen, hierzu in der betreffenden Gemeinde einen FA-Bevollmächtigten einzusetzen, mit der Aufgabe, über die Nutzungsrechte an den Gebäuden zu verfügen. Darüber hinaus ermächtigte Muhs die Finanzabteilungen, in Gemeinden, in denen die Kirchenbehörde eine Minderheitenregelung verweigere, „auch ohne eine vorausgehende Regelung der Kirchenbehörde selbst zu handeln“100. So sollten die Deutschen Christen dort, wo sie sich in der Minderheit befanden, gegebenenfalls auch gegen die jeweilige Kirchenleitung unterstützt werden können.101 Gleichzeitig war mit dem Erlass ein relativ unbürokratisches und schnell einsetzbares Instrumentarium geschaffen, um den heftigen Auseinandersetzungen, die zwischen den kirchenpolitischen Gruppierungen um die Benutzung der kirchlichen Räumlichkeiten ausgetragen wurden, Einhalt zu gebieten und die Verhältnisse wirksam zu ordnen. Wäre es einer de facto neutralen Stelle in die Hand gelegt worden, hätte es die Konflikte entschärfen können (wie es mancherorts auch geschah)102. Da, wo eine politisierte Finanzabteilung darüber verfügte, war es nur ein weiteres Werkzeug zur kirchenpolitischen Einflussnahme und Repression. Muhs und der Reichskirchenminister setzten die Finanzabteilungen außerdem zuweilen als ausführendes Organ ein, wenn es darum ging, die Pfarrerschaft zu disziplinieren. Es durften etwa keine kirchlichen Mittel mehr für die Besoldung von Geistlichen verausgabt werden, „die ihre Prüfung […] vor einer anderen als der rechtmäßigen landeskirchlichen Stelle abgelegt haben.“103 Der Reichskirchenminister hatte darüber hinaus die zuständigen Staatsbehörden (wie Ober- und Regierungspräsidenten) angewiesen, Pfarrbesoldungszuschüsse nur noch für solche Personen auszuzahlen, „die sich der Fürsorge des Staates würdig erweisen.“104 Sobald sich gegenteilige Anzeichen ergäben, müsse im Einzelfall geprüft werden, ob eine Sperrung der staatlichen Mittel in Frage komme.105 Die Finanzabteilungen hatten die Beschlüsse der Staatsbehörden dann umgehend umzusetzen.106 In der Praxis ging die Initiative zur Sperrung von Pfarrbesoldungszuschüssen häufig von den Fi100 101 102 103

Ebd., Bl. 194. Siehe zu den praktischen Auswirkungen unten 263 – 268, 372 – 376, 485 – 488. Vgl. dazu und zu dem Erlass Hey, Kirchenprovinz, bes. 176 – 179. Siehe den Erlass zur „Nichtbesoldung von nichtordnungsgemäß angestellten Pfarramtskandidaten“ vom 22. 6. 1938 (LkAW FinAbt 80, Bl. 29); außerdem den Erlass vom 16. 5. 1938 (GBlDEK, 1938, 61 f.). Vgl. auch Loycke, Entwicklung, 280 f. 104 Erlass vom 24. 9. 1938 (GBlDEK, 1938, 85). 105 Die gesperrten Mittel durften auch nicht etwa durch eine Erhöhung der Kirchensteuern ausgeglichen werden, sondern sollten dem betroffenen Pfarrer effektiv fehlen und nicht den Gemeinden zur Last gelegt werden. So ein ergänzender Erlass vom 18. 2. 1939 (HStAH Hann. 122a Nr. 4036). Vgl. auch zur Genese des Erlasses: BArch R 2 / 5024, Bl. 11 – 13, 15 – 25, 28 – 30. 106 Vgl. Kerrls Runderlass vom 24. 9. 1938 (BArch R 2 / 5024, Bl. 31 f.). Vgl. auch Loycke, Entwicklung, 303.

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nanzabteilungen selbst aus.107 Außerdem sperrten die Finanzabteilungen mit Billigung des Reichskirchenministers bei entsprechenden Fällen auch die Verwendung von Kirchensteuermitteln.108 Insgesamt war die Zweite Ära Muhs’ von einem systematischen Ausbau der Finanzabteilungen geprägt, wenngleich Muhs insbesondere bei der Neueinrichtung von Finanzabteilungen bald an die Grenzen des Machbaren stieß. Es war unzweifelhaft, wie Muhs, und mit ihm der Großteil der von ihm neu ins Amt gebrachten FA-Funktionäre, die Finanzabteilungen verstanden: In einem vom Staatssekretär gebilligten Schreiben der FA-Breslau, das von Präsident Werner am 12. April 1939 allen Finanzabteilungen zur Kenntnisnahme zugeleitet wurde, hieß es, es gelte „besonders hervorzuheben, daß die Finanzabteilung keine kirchliche, sondern eine rein staatliche Stelle ist, die ihre Befugnisse nur aus der Staatsgewalt herleitet und die weder dem Konsistorium untersteht, noch ein Teil des Konsistoriums ist; sie ist unmittelbar vom Herrn Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten eingerichtet und führt die Vermögensverwaltung kraft staatlichen Rechts.“109

Mit den aufgestockten Machtbefugnissen zeigten sich auch die Finanzabteilungen selbst zufrieden. Am 8. Juli 1938 fand auf Einladung der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei eine erste Tagung zahlreicher FA-Vorsitzender und Mitglieder statt.110 Werner wollte mit dem Treffen – weitere sollten jeweils vierteljährlich folgen –, eine Plattform schaffen, um die Tätigkeit der Finanzabteilungen einheitlicher zu gestalten, wie dies nach Paragraph 8 der 15. Durchführungsverordnung angeordnet war. Auf der Besprechung meinten die allermeisten FA-Funktionäre, mit der 15. Durchführungsverordnung sei eine ausreichende Rechtsgrundlage für ihre Tätigkeit geschaffen.111 Diese Haltung resultierte nicht etwa daraus, dass nicht zum Teil der Wunsch nach größtmöglichen Kompetenzen bestand, sondern ergab sich aus der Einsicht, dass die 15. Durchführungsverordnung, so etwa Cölles Einlassung, „durch 107 Siehe unten 282. 108 Der Kriegsausbruch 1939 veranlasste Kerrl zu einer Lockerung seiner Erlasse zur Sperre von Pfarrbesoldungszuschüssen. Vgl. Erlass vom 1. 9. 1939 (HStAH Hann. 180 Hildesheim Nr. 07115); Erlass vom 6. 1. 1940 (BArch R 2 / 5024, Bl. 77 f.; Dokumente V, 73 f.); Kerrl an Leiter der DEKK vom 2. 3. 1940 (LkAW FinAbt 88). Vgl. auch Loycke, Entwicklung, 304 f.; Meier, Kirchenkampf III, 103. 109 FA-Breslau an das dortige Konsistorium vom 13. 1. 1939 (LkAW FinAbt 81). Vgl. auch die dazugehörige Interpretation der FA-Gesetzeslage durch den Breslauer FA-Vorsitzenden Bartholomeyczik vom 30. 1. 1939 in einem Schreiben an den Reichskirchenminister (BArch R 5101 / 23211, Bl. 278 – 285). 110 Ein Protokoll findet sich in EZA 1/1611. Vgl. auch den Aktenvermerk des bei der Besprechung anwesenden Dr. Richters aus dem Reichskirchenministerium vom 12. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 185). 111 Nur Bürgermeister Lang aus Karlsruhe wünschte sich noch umfassendere Befugnisse, um sich besser gegen die ihm widerstrebende Kirchenleitung durchsetzen zu können.

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110 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung ihre Formulierung eigentlich die Möglichkeit zu jeder für erforderlich gehaltenen Massnahme böte, andererseits auch zulasse, eben nur das zu unternehmen, was für erforderlich gehalten würde, und nicht zu Massnahmen zwinge, die man selber nicht für tunlich halte.“112 Die angestrebte Machtvollkommenheit war somit bei entsprechender Handhabung und Auslegung der 15. Durchführungsverordnung nach Einschätzung der FA-Funktionäre bereits erreicht.113 Bemängelt wurden lediglich die praktischen Schwierigkeiten bei der Erwirkung von Vollstreckbarkeitserklärungen auf Grundlage der 14. Durchführungsverordnung, da dieser Prozess zu umständlich und langwierig sei. Muhs reagierte auf diese Kritik und veranlasste am 10. August 1938 eine Erleichterung des Prozederes.114

3.6. Das Oktoberprogramm von Reichskirchenminister Hanns Kerrl: Trendwende im Ausbau der Finanzabteilungen Seit Oktober 1938 griff Kerrl wieder aktiv ins politische Geschehen ein. Er hatte inzwischen ein neues kirchenpolitisches Konzept entwickelt. Dieses beinhaltete eine klare Trennung von Religion und Weltanschauung und kann in Abgrenzung von seiner bisherigen „Identitätskonzeption“ als „Trennungskonzeption“115 bezeichnet werden. Die NSDAP war hiernach für die Weltanschauung und Politik allein zuständig. Die Kirchen sollten sich ganz auf ihren religiösen Bereich beschränken. Kerrls „Oktoberprogramm“ sah konkret vor, „weltlich-juristische[.] und geistlich-theologische[.] Angelegenheiten“ grundsätzlich zu trennen.116 Eine neutrale kirchliche Verwaltung sollte unter strikter staatlicher Aufsicht die erstrebte „Entpolitisierung“ sichern. Die geistlichen Angelegenheiten sollten der Kirche in Eigenregie überlassen bleiben, solange ihre Streitigkeiten auf den engen Bereich von Kultus und Bekenntnis beschränkt blieben und nicht die „Volksgemeinschaft“ störten. Organisatorisch hielt Kerrl damit an staatskirchlichen Aspekten fest, während er weltanschaulich die Trennung von Kirche und Staat für nötig hielt.117 Früher hatte Kerrl neben der Verwaltung 112 Laut Protokoll (EZA 1/1611). 113 Man nehme auch das Urteil von Oberkonsistorialrat Johannes Schultz aus Magdeburg, der befand, man könne nach der 15. Durchführungsverordnung „alles machen und in jedem Fall eingreifen.“ Ebd. 114 Vgl. Loycke, Entwicklung, 81 f.; GBlDEK, 1938, 79. 115 So Melzer, Vertrauensrat, 20. 116 Eine Darlegung von Kerrl dazu findet sich im KJ, 271 f., daraus das Zitat. Vgl. ansonsten auch Kerrl an die Kirchenführerkonferenz vom 21. 11. 1938 (ebd., 273 – 275). 117 Dies steht im Gegensatz zu den traditionellen Kennzeichen einer Staatskirche, wo mit einer solchen auch eine weltanschauliche Übereinstimmung von Staat und Kirche einherging. Vgl. zu Kerrls Neuausrichtung: Wenschkewitz, Versuche, 125 f.; Grìnzinger, Einlei-

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(und über sie) auch die Kirchenleitungen als solche, also die geistliche Leitung befrieden und ordnen wollen; nun wollte er lediglich noch die äußere Ordnung der Kirche gewährleisten.118 Kerrls Haltung zu den Finanzabteilungen war insbesondere in der Anfangsphase seines Oktoberprogrammes wankelmütig: Im Vorfeld, als seine Planungen zu reifen begannen, war noch vorgesehen, in allen Landeskirchen nunmehr Finanzabteilungen zu installieren, um mit ihrer Hilfe eine „neutrale“ kirchliche Verwaltung herzustellen.119 In einem ausgearbeiteten Verordnungsentwurf zur Umsetzung seines Programms120 war dann allerdings die Rede von „Kirchenkanzleien“, die die gesamte weltliche Kirchenverwaltung übernehmen, die kirchlichen Verwaltungsbehörden ersetzen und bei allen Landeskirchen und der Reichskirche geschaffen werden sollten. Sie sollten eng an das Reichskirchenministerium gebunden werden und von diesem völlig abhängig sein. Daneben hätten die geistlichen Angelegenheiten gestanden. Nach dieser Planung wären die Finanzabteilungen überflüssig geworden, ihre Aufgaben hätten die allgemeinen Kirchenkanzleien wahrgenommen, als gewissermaßen erweiterte Finanzabteilungen. Für die von Muhs jüngst umgestalteten Finanzabteilungen hätte dies als Konsequenz die Auflösung bedeutet – FA-Vertreter meldeten daher Bedenken gegen die geplante Neuordnung an.121 Als Kerrl bald darauf klar wurde, dass er zu der geplanten Verordnung nicht die erhoffte Zustimmung aller kirchlichen Gruppen erhalten würde, vollzog er einen neuen kirchenpolitischen Schwenk. Er beschloss, dass „nunmehr die Finanzabteilungspolitik verschärft weitergeführt werden“122 solle. Er hatte schon zuvor angekündigt, sollte die Verordnung „keine Gesetzeskraft erlangen, so würden unverzüglich in allen Landeskirchen die noch fehlenden Finanzabteilungen eingerichtet und diesen Finanzabteilungen die Zuständigkeiten gegeben werden, die sie für ihre Maßnahmen bräuchten.“123

118

119 120 121 122 123

tung IV, XXI – XXIII; Melzer, Vertrauensrat, 20 – 27; auch die treffende Charakterisierung im SD-Jahreslagebericht 1938 (Boberach, Berichte, 301 – 330, hier 320). Kerrl selbst bezeichnete seine Bemühungen, beide staatskirchenrechtlichen Konzepte zu vereinen, einmal als „die Quadratur des Zirkels“, Vermerk Doerrs vom 31. 10. 1938 zu einer FA-Besprechung am 26. 10. 1938 (LkAKA GA Nr. 7268). Vgl. insgesamt zu Kerrls Oktoberprogramm und den folgenden Arbeitskreisen: Wenschkewitz, Versuche, 126 – 132; Grìnzinger, Einleitung IV, XXIf.; Melzer, Vertrauensrat, bes. 27 – 30, 33 – 35; Meier, Kirchenkampf III, 62 – 71; Besier, Kirche der altpreußischen Union, bes. 392 – 395; Brunotte, Kurs, 18 – 23; Arnhold, Kirche I, bes. 422 – 432. Vgl. das Memorandum aus dem Reichskirchenministerium vom 2. 8. 1938 (BArch NS 15 / 422). Die 19. DVO vom 17. 10. 1938 ist abgedruckt in: Dokumente IV, 235 – 238. Vgl. dazu auch EZA 1/1270. Vgl. den sehr instruktiven Vermerk Doerrs vom 31. 10. 1938 zu einer Besprechung von FAVertretern mit Kerrl am 26. 10. 1938 (LkAKA GA Nr. 7268); Hoffmeister an Kerrl vom 3. 11. 1938 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 84 f.). Vgl. auch EZA 1/1270. Vermerk Doerrs vom 18. 11. 1938 über eine Besprechung mit Albrecht am 12. 11. 1938 (LkAKA GA Nr. 7268). Vermerk Doerrs vom 31. 10. 1938 zu der FA-Besprechung am 26. 10. 1938 (ebd.).

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112 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung Ja sogar, die Finanzabteilungen „sollten sich noch mehr als bisher um die geistliche Leitung kümmern und wenn notwendig, in dieselbe eingreifen.“124 Daneben erwog Kerrl außerdem ein Szenario, nach dem bei der geplanten Veränderung der kirchlichen Verwaltung die Finanzabteilungen zwar das „Rückgrat“125 bilden, allerdings mit den Kirchenbehörden verschmelzen sollten.126 Zwischenzeitlich, so scheint es, hatte sich Kerrl damit den Vorstellungen seines Staatssekretärs angenähert. Für den Reichskirchenminister standen die Finanzabteilungen in der existierenden Form damit zwar zur Disposition, nicht jedoch grundsätzlich das Konzept der Finanzkontrolle über die Kirche. Die Gedankenspiele Kerrls zeigen, dass er die Finanzabteilungen im Rahmen einer größeren Lösung für verzichtbar hielt. Dies auch, weil die Finanzabteilungen in der Kirche für massiven Unmut sorgten und eine Befriedung eher erschwerten denn begünstigten. Kerrl verzichtete daher im Zuge seines Oktoberprogrammes bis auf weiteres auf die Einrichtung neuer Finanzabteilungen, laufende Planungen wurden eingestellt. Anderslautenden Gerüchten zum Trotz beabsichtigte Kerrl jedoch nie, die Finanzabteilungen ersatzlos auflösen127 – das Reichskirchenministerium hätte sich dies auch kaum leisten können, denn die Finanzabteilungen boten eine der wenigen Handhaben einer Staatsaufsicht gegenüber der Deutschen Evangelischen Kirche.128 Gegenüber den Landeskirchen hätte der Staat immerhin noch sein weiter bestehendes, älteres staatsaufsichtliches Instrumentarium zur Verfügung gehabt (außerhalb Preußens übten die Landesregierungen ohnehin noch die Staatsaufsicht über die Kirchen aus, nur in Preußen waren die Befugnisse 1935 auf das Reichskirchenministerium übergegangen).129 Gegenüber der Deutschen Evangelischen Kirche allerdings begründete erst die dortige DEKK-Finanzabteilung eine Staatsaufsicht über die Vermögensverwaltung. Ansonsten beschränkten sich die staatsaufsichtlichen Befugnisse des Reichskirchenministers auf DEK-Ebene inzwischen darauf, an der Ernennung und Entlassung von Beamten der Kirchenkanzlei beteiligt zu sein130 und die Vertretung des Leiters der Deutschen Evangelischen Kirche bestimmen zu können.131 Hätte er auf die Finanzabteilungen verzichtet, 124 125 126 127

128 129 130 131

Vermerk Doerrs vom 18. 11. 1938 über eine Besprechung mit Albrecht am 12. 11. 1938 (ebd.). So Kerrl an die FA-DEKK vom 10. 11. 1938 (EZA 1/1602). Vgl. ebd. In der Kirche wurde dies wohl geahnt. Friedrich Happich, Vorsitzender des Landeskirchenausschusses in Kurhessen-Waldeck, sagte auf der Lutherratssitzung am 4. Mai 1939, die „Finanzabteilungen würden nur dann verschwinden, wenn sie durch Gebilde ersetzt würden, die den Kirchen eine noch schwerere Last auferlegten.“ LkAH D 15 III Nr. 13. Vgl. dazu Weber, Neues Staatskirchenrecht, 12 – 14; Ders., Entwicklung des nationalsozialistischen Regimes, 379; May, Staatsaufsicht, 60 f.; ferner Ruppel, Behandlung, 11. Vgl. auch die Aufstellung der staatsaufsichtlichen Befugnisse bei Haugg, Reichsministerium, 13. Vgl. zur Aufsplitterung der staatlichen Kompetenzen in Kirchensachen Kreutzer, Reichskirchenministerium, bes. 82 – 86. § 1 Abs. 3 der 17. DVO (GBlDEK, 1937, 70). § 1 Abs. 2 der 18. DVO (GBlDEK, 1938, 61).

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wäre somit gleichzeitig ein Großteil seiner Einflussmöglichkeiten auf die Gesamtkirche verloren gegangen. Theoretisch hätte er zwar gesetzlich neue staatsaufsichtliche Befugnisse verankern können (wie in einem neuen Entwurf zu einer 19. Durchführungsverordnung vom 28. Februar 1939 geplant, in dem nicht mehr Kirchenkanzleien vorgesehen waren, sondern die Finanzkontrolle direkt dem Staat unterstellt worden wäre)132, doch ließ dies die politische Situation kaum zu. Mit seinem Neuansatz im Oktoberprogramm glaubte Kerrl, Hitlers Vorstellungen zu entsprechen und den Befürwortern einer Trennung von Kirche und Staat entgegenzukommen. Schließlich hatte es den Anschein, als solle sich der Staat immerhin auf halbem Wege, nämlich bei der geistlichen Leitung, aus der Kirche zurückziehen. Der Widerstand gegen diese Absichten hatte sich dennoch bereits bei Bormann und Rosenberg formiert, als Kerrl neue Maßnahmen auch nur plante. Diese liefen nach deren Urteil wieder nur auf das Ziel hinaus, die evangelische Kirche staatlichen Behörden zu unterstellen und damit eine engere Verquickung von Staat und Kirche, ja eine Staatskirche herbeizuführen.133 Vom Stellvertreter des Führers war für Kerrls neue Pläne jedenfalls keine Zustimmung zu erlangen.134 Zur Umsetzung seines Oktoberprogramms unternahm Kerrl daher, gezwungenermaßen den Verordnungsweg meidend135 und ohne Unterstützung aus Partei und Staat, eine neue Variante. Der Reichskirchenminister versuchte, den Ordnungs- und Einigungsversuch auf eine breite kirchliche Basis zu stellen. Zwar gelang es Kerrl, die Arbeitsgemeinschaft der DC-Kirchenleiter für sein Programm zu gewinnen, jedoch wies die Kirchenführerkonferenz seine Vorschläge zurück.136 Daraufhin wollte Kerrl sich zur Durchsetzung seines Programms allein auf die kirchliche „Mitte“ stützen, von deren Tragfähigkeit er überzeugt war. Die Umsetzung seiner Vorhaben verlief allerdings Anfang 1939 im Sande, weil er hierfür, nach einem von ihm in Auftrag gegebenen Gutachten, eine Synode hätte einberufen müssen. Dazu hätte er allerdings eine Ermächtigung Hitlers benötigt und mit einer solchen war spätestens nach dessen Rede vor dem sogenannten „Großdeutschen Reichstag“ am 30. Januar 1939, als Hitler Kerrl faktisch jegliche Handlungsbefugnisse ent132 BArch R 5101 / 23707, Bl. 31 – 34. 133 Vgl. Dierker, Glaubenskrieger, 473 f. Vgl. auch das Schreiben von Bormann an Lammers vom 1. 9. 1938 (BArch R 43 II / 169, Bl. 189); sowie die Stellungnahme zu den Kerrl’schen Plänen, wohl aus dem „Amt Rosenberg“ (BArch NS 15 / 421, Bl. 165 – 169); außerdem die dortige Stellungnahme vom 3. 11. 1938 (ebd., Bl. 95 – 99). 134 Kerrl beklagte sich deshalb bei Lammers, der Stellvertreter des Führers würde immer wieder notwendige Maßnahmen verhindern, vgl. Kerrl an Lammers am 22. 11. 1938 (BArch R 43 II / 169a, Bl. 38 – 42). 135 Die 19. Durchführungsverordnung, die seinem Oktoberprogramm entsprach, kam letztlich über das Entwurfsstadium nicht hinaus. Vgl. Grìnzinger, Einleitung IV, XXI; Melzer, Vertrauensrat, 33. 136 Die Stellungnahme ist abgedruckt in: KJ, 272 f.

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114 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung zog,137 kaum mehr zu rechnen. Entsprechend schnell wurde das Oktoberprogramm zu den Akten gelegt – an seiner „Trennungskonzeption“ hielt Kerrl indes fest. Diese wollte er nun auf breiterer kirchlicher Basis umsetzen, denn ihm war klar geworden, dass die bisherige Sammlung kirchlicher Unterstützer nicht ausreichend gewesen war.138 Es gelang Kerrl, die Nationalkirchliche Einung Deutsche Christen für seine Befriedungs- und Einigungspläne zu gewinnen. Daraufhin fanden am 25. und 26. März 1939 in Bad Godesberg Verhandlungen von Vertretern der Nationalkirchlichen Einung, der „Luther-Deutschen“ und der kirchlichen „Mitte“ statt, die zu einem Grundsatzpapier, der sogenannten „Godesberger Erklärung“,139 führten. Auf ihrer Basis sollte die Neugestaltung der Kirche erfolgen, für die Kerrl noch weitere kirchliche Unterstützer suchte; auch die Kirchenführerkonferenz sollte eingebunden werden. Es stellte sich jedoch rasch heraus, daß eine breitere Sammlung auf Grundlage der Godesberger Erklärung nicht zu erreichen war. Daher ließ Kerrl eigens ein neues Papier entwerfen, das von möglichst allen Landeskirchenleitern unterschrieben werden sollte.140 Kerrl glaubte noch immer, mit einem Einigungserfolg auf Grundlage seiner Thesen, Hitler zu einer Unterstützung seiner „Trennungskonzeption“ bewegen zu können. Er erwartete, dass der Kampf der NS-Partei gegen das Christentum seine innere Berechtigung verlieren würde, wenn die Kirche die Verbindlichkeit der NS-Weltanschauung auch für den Raum der Kirche anerkennen würde und gleichzeitig bereit wäre, sich auf den rein religiösen Raum zu beschränken – und dies sah sein Papier vor. Dass seine Hoffnung völlig illusorisch war, zeigt zum Beispiel eine rückblickende Äußerung Stahns vom 5. September 1940, in der er sich erinnert, dass Hitler Kerrl damals hätte „wissen lassen, er wünsche keinen Versuch mehr zur Herstellung einer geeinten deutschen evangelischen Kirche. Die Partei hat sich ganz eindeutig gegen die Schaffung einer evangelischen Kirche, die sich in Form und Lehre nationalsozialis-

137 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 21 f., 34. Die Rede ist auszugsweise abgedruckt in: Dokumente IV, 314 – 316. Kerrl interpretierte die Rede so, daß ihm dadurch „jede Befugnis zur Ausübung eines Zwanges in Richtung auf die Herstellung einer Rechts- und Verwaltungseinheit der Evangelischen Kirche völlig entzogen“ worden sei. Kerrl an Stapel am 6. 9. 1939 (BArch R 5101 / 33; Dokumente V, 1 – 6). Vgl. ansonsten auch Dokumente IV, 325 f. 138 Vgl. insgesamt zu den weiteren Einigungsbemühungen auf Basis der Godesberger Erklärung und den Kerrl’schen Grundsätzen: Wenschkewitz, Versuche, 133 – 138; Grìnzinger, Einleitung IV, XXIIf.; Melzer, Vertrauensrat, 34 – 37; Meier, Kirchenkampf III, 73 – 85; Klìgel, Landeskirche, 363 – 370; Arnhold, Kirche I, 432 – 453. 139 Sie ist abgedruckt im KJ, 284 f.; die dazugehörige Bekanntmachung vom 4. 4. 1939, ebd., 285 f. 140 Es entstanden die sogenannten Kerrl’schen Grundsätze („Grundsätze für eine den Erfordernissen der Gegenwart entsprechende neue Ordnung der Deutschen Evangelischen Kirche“), abgedruckt in: Klìgel, Dokumente, 153 f.

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tisch ausrichtet, ausgesprochen und alles getan, um den letzten Versuch des Herrn Ministers zum scheitern [sic] zu bringen“141

Eines neuerlichen Einspruchs Bormanns gegen Kerrls Vorgehen bedurfte es indes gar nicht mehr. Kerrl gelang es auch auf Basis seiner „Grundsätze“ nicht, die erwartete breite kirchliche Unterstützung zu erlangen. Weder die DCLandeskirchenführer noch die Kirchenführerkonferenz waren ohne weiteres und einheitlich zur Unterschrift zu bewegen – zwischen und innerhalb der kirchlichen Gruppierungen brachen stattdessen alte und neue Gräben auf, so dass statt einer größeren Einigung eher eine weitere Verschärfung der Gegensätze eintrat. Kerrl bestand dennoch auf der Annahme der unveränderten „Grundsätze“ durch sämtliche Kirchenführer. Nur dann könne er bei Hitler wirksam vorstellig werden, „entscheidende Schritte zur Neuordnung der Kirche […] unternehmen und auch eine grundsätzliche Änderung der Stellung einflußreicher Kreise zu Kirche und Christentum […] erlangen.“142 Er hatte sogar, gewissermaßen als vertrauensbildende Maßnahme und Überzeugungshilfe, die Auflösung der Finanzabteilungen für den Fall in Aussicht gestellt, dass sein Plan zum Zuge käme;143 für viele Kirchenleitungen eine verlockende Aussicht und auch einer der Gründe, weswegen etwa der hannoversche Landesbischof Marahrens bereit war, die „Grundsätze“ zu unterzeichnen.144 Auf der anderen Seite konnte diese Verheißung kaum Landeskirchenführer wie Wurm oder Meiser überzeugen, in deren Landeskirchen keine Finanzabteilungen bestanden. Für deutsch-christliche Landeskirchen, wie die sächsische oder diejenige Schleswig-Holsteins, war dies ebenfalls kein Anreiz, die „Grundsätze“ anzunehmen, da sie der Meinung waren, die Finanzabteilungen hätten sich bewährt und sollten beibehalten werden.145 Insgesamt gesehen bot die Aussicht auf Auflösung der Finanzabteilungen nicht genügend Anreiz, um die Annahme der Kerrl’schen Grundsätze durchzusetzen. Kerrl konnte letztlich nur sehr wenige Unterschriften für seine „Grundsätze“ gewinnen. Damit war auch dieser Einigungsversuch gescheitert. Allein das vage Versprechen einer FA-Auflösung zeigt indes, dass Kerrl nach wie vor im Rahmen einer umfassenderen Neuordnung durchaus bereit gewesen wäre, auf die Finanzabteilungen zu verzichten. Muhs hingegen war unter keinen Umständen bereit, die Finanzabteilungen auch nur zurückzubauen; vor allem nicht, wie nun von Kerrl vorgesehen, gewissermaßen als Vorleistung einer erst noch zu treffenden größeren Lösung, deren Gelingen zweifelhaft bleiben musste. Auch andere Empfehlungen aus seinem Ministe141 Stahn an Konsistorialpräsident Koch (BArch R 5101 / 25, Bl. 13 – 15, hier Bl. 13 f.). 142 So Kerrl an die Kirchenführerkonferenz vom 1. 6. 1939 (zit. nach Hermelink, Kirche, 478). 143 Vgl. auch den Bericht des SD-Braunschweig vom 12. 12. 1939 (BArch R 58 / 5791, Bl. 861 – 868, hier Bl. 867). 144 Heinz Brunotte, ein Berater von Marahrens und an der Ausarbeitung der „Grundsätze“ maßgeblich beteiligt, hatte Marahrens unter Hervorhebung dieses Aspekts zu der Unterschrift geraten, vgl. Gundlach, Brunotte, 227; Ders., Mann, 319. 145 Vgl. Meier, Kirchenkampf III, 81.

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116 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung rium rieten dem Minister dazu, unbedingt an den Finanzabteilungen festzuhalten. Stahn etwa meinte: „Die Aufrechterhaltung der Finanzabteilungen erscheint mir zur Ausübung einer handfesten Staatsaufsicht unbedingt erforderlich. Sie könnten nur entbehrt werden, wenn die Staatsaufsicht in handfester Weise auf andere Weise geregelt wird“146. In seltener Eintracht war auch Albrecht, Referent im Reichskirchenministerium, einer ähnlichen Auffassung wie Stahn.147 Er sprach sich vehement gegen eine mögliche Auflösung der Finanzabteilungen aus, denn diese seien als Reaktion auf die „negative[.] Einstellung der Kirche zum Staat“148 gebildet worden. Solange sich an dieser Haltung nichts geändert und die evangelische Kirche ihre Loyalität nicht bewiesen habe, dürfe der Staat nicht seine „Sicherungen“149 zurückziehen. Da Kerrl mit seinem Plan einer allgemeinen Annahme der „Grundsätze“ scheiterte, war auch die Auflösung der Finanzabteilungen hinfällig geworden. Stattdessen wurde am 21. Juli 1939 eine Ausführungsanweisung zur 15. Durchführungsverordnung des Kirchensicherungsgesetzes erlassen.150 Dieser Erlass sollte nur für die Finanzabteilungen derjenigen Landeskirchen gelten, deren Leitungen sich durch die Annahme der „Grundsätze“ ausgezeichnet hatten; in den anderen Kirchengebieten sollte weiterhin an der bisherigen Interpretation der Verordnung festgehalten werden.151 Klügel meint, es handele sich dabei „um einen Versuch des Ministers, seine Versprechungen anläßlich der Unterzeichnung der fünf Sätze, soweit das sein Einfluß erlaubte, einzulösen.“152 Die Ausführungsanweisung basierte auf zwei Entwürfen. Der ursprüngliche Entwurf wurde von Oberkonsistorialrat Theodor Ellwein, einem Vertrauten Kerrls, erstellt.153 Diese Version wurde jedoch verworfen und von Ministerialrat Johannes Richter aus dem Reichskirchenministerium überar-

146 Vorlage Stahns für den Reichskirchenminister vom 2. 3. 1939 (BArch R 5101 / 23709, Bl. 183 – 185, hier Bl. 184; Dokumente IV, 320 – 322). 147 Vgl. zu den Differenzen zwischen Stahn und Albrecht: Kreutzer, Reichskirchenministerium, bes. 104. 148 Vorlage Albrechts für den Reichskirchenminister vom 3. 3. 1939 (BArch R 5101 / 23709, Bl. 186 – 189; Dokumente IV, 322 – 324). 149 Ebd. 150 Zu finden in EZA 2/687. Vgl. dazu auch Brunotte, Finanzaufsicht, 67; ferner Loycke, Entwicklung, 81; Grendel, Eingriffe, 190, 193. 151 Vergleicht man allerdings die Adressatenliste der Ausführungsanweisung mit denjenigen Landeskirchen, von denen die „Grundsätze“ angenommen wurden, so zeigt sich, dass die Anweisung offenbar doch an einen breiteren Kreis zur Anwendung verschickt wurde. Beispielsweise auch an die sächsische Landeskirche, obwohl LKA-Präsident Klotsche nicht zu den Unterzeichnern der „Grundsätze“ gehörte, und an die Altpreußische Union (Werner hatte zwar offenbar die Absicht, seine Unterschrift zu leisten, vollzog ein vorbereitetes Schreiben jedoch nicht mehr, vgl. Meier, Kirchenkampf III, 628 Anm. 236). Vgl. auch Loycke, Entwicklung, 81. 152 Klìgel, Landeskirche, 457. 153 BArch R 5101 / 23502, Bl. 349 – 352.

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beitet.154 Der neue Entwurf wurde als Grundlage anschließender Besprechungen zunächst mit Ellwein und Werner sowie danach mit den Vorsitzenden der Finanzabteilungen genutzt.155 Cölle, Vorsitzender der FA-Hannover, hatte einige seiner Kollegen in den Finanzabteilungen unter dem 11. Juli 1939 bereits auf die geplante Anweisung vorbereitet, „deren Tendenz dahin geht, die Zuständigkeit der Finanzabteilungen auf ein Minimum zu reduzieren.“156 Er hatte seinen Kollegen daher geraten, sich für die Besprechung „mit hinreichendem Material über die einzelnen Fragen [zu] versehen“, um bestimmten Regelungen entgegentreten zu können. Die Besprechungen ergaben jedoch nur geringfügige Änderungen an der Vorlage, so dass der Erlass tags darauf herausgehen konnte. In der Anweisung wurde die 15. Durchführungsverordnung zurückhaltend ausgelegt, anders als in den Muhs’schen Erlassen zuvor. Vergleicht man die verschiedenen Versionen des Dokuments, so zeichnet sich der ursprüngliche Entwurf Ellweins durch die deutlichste Begrenzung der FA-Befugnisse aus. Er hatte sich damit erheblich von der mittlerweile praktizierten expansiven Auslegung der 15. Durchführungsverordnung entfernt. Richters erste Ausfertigung orientierte sich zwar noch erkennbar an Ellweins Vorlage, hatte die Einschränkungen für die Finanzabteilungen allerdings bereits erheblich relativiert. Dieser Trend setzte sich auch in dem endgültigen Erlass fort. Grob soll der Inhalt der Ausführungsanweisung umrissen werden:157 Zunächst wurden die Befugnisse der Finanzabteilungen auf den Wortlaut der 15. Durchführungsverordnung zurückgeführt und einer schleichenden Kompetenzausdehnung vorgebeugt: „Die Befugnisse der Finanzabteilung und der von ihr bei den Kirchengemeinden und kirchlichen Verbänden bestellten Bevollmächtigten werden durch die 15. Verordnung erschöpfend bestimmt. Die der Finanzabteilung nicht zugewiesenen Befugnisse stehen der Kirchenleitung und den dieser in den Gemeinden und kirchlichen Verbänden entsprechenden Organen zu.“

Anschließend wurde der Ermächtigungserlass vom 1. Juli 1938 überholt und die dort universell ausgelegte Leitungskompetenz der Finanzabteilungen neu definiert. Leitung bedeute nicht, „daß sie [scil. die Finanzabteilung] alle finanziellen Angelegenheiten grundsätzlich selbst verwaltet. Vielmehr kann sie, soweit nicht besondere Bestimmungen dies ausschließen […], die Verwaltung der finanziellen Angelegenheiten den kirchlichen Verwaltungsbehörden überlassen; die Aufgabe der Finanzabteilung beschränkt sich

154 155 156 157

Ebd., Bl. 342 – 345. Vgl. ebd., Bl. 341, 347 f. LkAW FinAbt 80, daraus auch folgendes Zitat. EZA 2/687, daraus auch die folgenden Zitate.

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118 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung insoweit auf die Überwachung […] und Zustimmung […] bezw. Genehmigung […] finanzieller Maßnahmen.“158

Diese kann-Bestimmung ließ den Finanzabteilungen zwar erheblichen Spielraum, doch grundsätzlich wurden die einzelnen Kompetenzdifferenzierungen der 15. Durchführungsverordnung wieder ernst genommen. Bei ihren Überwachungs- und Genehmigungsbefugnissen sollten sich die Finanzabteilungen „im allgemeinen auf die finanziellen Gesichtspunkte und gegebenenfalls die Gesichtspunkte der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit beschränken. Andere sachliche und personelle Gesichtspunkte, die für eine ,den öffentlichen Belangen entsprechende‘ Verwaltung bestimmend sind, braucht die Finanzabteilung nur bei besonderem Anlaß zu prüfen.“

Die Finanzabteilung sollte sich also nicht von kirchenpolitischen oder politischen Gesichtspunkten leiten lassen, sondern nur sachlich-formelle Prüfungen vornehmen. Die Ausführungsanweisung sollte auch einige praktische Probleme klären: So waren manche Finanzabteilungen dazu übergegangen, ohne hinreichende Gründe Bevollmächtigte für Kirchengemeinden oder Verbände zu bestellen und diese pauschal mit der gesamten gemeindlichen Verwaltung zu betrauen. In der Ausführungsanweisung wurde dies untersagt. Nur unter den in der 15. Durchführungsverordnung spezifizierten Umständen sei eine Übernahme der gesamten gemeindlichen Verwaltung möglich. Kerrl vollzog mit dieser Anweisung eine Trendwende in der FA-Politik. Er nahm im Dienst seiner Sammlungs- und Befriedungsbemühungen Abstand von der expansiven Muhs’schen Auslegung der 15. Durchführungsverordnung. Damit war ein Signal gesetzt, das für alle Finanzabteilungen galt, nicht nur für jene, auf die die Ausführungsanweisung angewendet werden sollte. In praktischen Einzelentscheidungen setzte Kerrl die Linie in der Kriegszeit fort. Damit waren diese Richtlinien für die Finanzabteilungen, die bis dahin stets weiterentwickelt worden waren, der einzige Rückschritt, der sie bei bereits Erreichtem wieder einschränkte. Die FA-Politik von Muhs und Kerrl war spätestens mit dieser Ausführungsanweisung nicht mehr miteinander in Einklang zu bringen. Gleichwohl ließ es der Minister zu, dass der ursprüngliche Ellwein’sche Entwurf zugunsten der Finanzabteilungen immer weiter entschärft und mit schwammigen Formulierungen aufgeweicht wurde. Er war nicht konsequent in seinem FA-Rückbau. Auch griff er nicht auf die effektivste, mit seinen 158 In dem ersten Entwurf Richters hieß es noch, die Finanzabteilung solle die Verwaltung der finanziellen Angelegenheiten grundsätzlich den kirchlichen Verwaltungsbehörden überlassen. Aus der soll-grundsätzlich-Bestimmung war hier schließlich eine noch weniger bindende kann-Anregung geworden. Ellweins Entwurf war noch deutlicher als Richters erster Entwurf gewesen.

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Möglichkeiten umsetzbare Maßnahme zurück, um für die Landeskirchen ernsthafte Erleichterungen zu erreichen. Er hätte die Leitungspositionen der Finanzabteilungen neu besetzen und damit die radikale Muhs’sche FA-Personalpolitik aufheben können. Davor schreckte er jedoch zurück, denn dies hätte bedeutet, auch NS-Größen wie Ludwig Hoffmeister in Wolfenbüttel ihres Amtes zu entbinden – ein heikles Unterfangen. Immerhin aber kamen unter Kerrl bis auf weiteres keine kirchenfremden Funktionäre mehr neu in FAÄmter ; er bediente sich bei seinen vergleichsweise wenigen Personalmaßnahmen zwischen der zweiten Jahreshälfte 1938 und dem Dezember 1941 überwiegend kircheneigenen Personals. Kurz vor Kriegsbeginn bildete Kerrl den „Geistlichen Vertrauensrat“.159 Mit diesem Gremium wurde dem Präsidenten der DEK-Kirchenkanzlei eine geistliche Leitung zur Seite gestellt.160 Kerrl knüpfte damit an seine alten Absichten an, auch die geistliche Leitung der Kirche zu regeln. Weitere analoge Maßnahmen in den vier „Ein-Mann-Kirchen“ verhinderte der Kriegsausbruch.161

3.7. Stagnation im Krieg 1940/41 Während des Krieges gelang es Kerrl nicht mehr, die innerkirchlichen Gruppierungen zu einer Überwindung ihrer Gegensätze zu führen und eine Befriedung oder Einigung der evangelischen Kirche in seinem Sinne zu erreichen. Stattdessen schwanden die Möglichkeiten des Reichskirchenministeriums zusehends dahin. Spätestens seit Ende 1941 lag die Zuständigkeit für die NS-Kirchenpolitik „faktisch“162 bei der Parteikanzlei und damit bei Martin Bormann. Grundsätzliche Weichenstellungen, abgesehen von Hitlers Direktiven, wurden an dieser Stelle getroffen. Zusätzlich wurden während des Krieges die Zuständigkeiten des Reichskirchenministers auf das „Altreich“ beschränkt.163 Das Reichskirchenministerium konnte nur noch über das bestehende kirchenpolitische Instrumentarium verfügen. Und dabei hatte es nicht nur auf die verschiedenen Staats- und Parteistellen auf Reichsebene, die kirchen- und religionspolitische Teilzuständigkeiten für sich in Anspruch 159 Vgl. zur Gründung des Geistlichen Vertrauensrates: Melzer, Vertrauensrat, 44 – 54; Klìgel, Landeskirche, 374 – 376. 160 Vgl. zur rechtlichen Entwicklung des Geistlichen Vertrauensrates, seinen Kompetenzen und seinem Status in der Kirchenleitung: Melzer, Vertrauensrat, 91 – 119; Meier, Kirchenkampf III, 86, 104 – 108, 146 f.; Brunotte, Kurs, 30 – 33; Klìgel, Landeskirche, 377 – 381. 161 Vgl. dazu Melzer, Vertrauensrat, 121 – 147. 162 Boberach, Organe, 308. 163 Vgl. Grìnzinger, Zuständigkeit; Schrçcker, Praxis, 442 – 447; Grìnzinger, Einleitung V, XXIIf.; Dokumente V, 201 – 205.

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120 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung nahmen,164 Rücksicht zu nehmen, sondern auch auf die regionalen Staatsstellen, die jeweils eigene kirchenpolitische Vorstellungen verfolgten. Vor allem aber hatte Hitler kein Interesse an weiteren Befriedungsmaßnahmen Kerrls. Lammers teilte dem Kirchenminister am 19. Februar 1941 mit: „Bereits vor längerer Zeit hat der Führer eindeutig sich dahin ausgesprochen, daß er eine über die Verfassung vom 11. Juli 1933 […] hinausgehende Zusammenfassung der Evangelischen Kirchen nicht wünsche und daß die in dieser Richtung früher einmal verfolgten Pläne keinesfalls mehr weiterverfolgt werden dürfen.“165 Bormann konnte daher jeglichen Bemühungen des Reichskirchenministers, organisatorische Änderungen herbeizuführen, mit dem Hinweis entgegentreten, „der Führer lehne die Schaffung einer evangelischen Reichskirche ab“166 und wünsche während des Krieges keine Veränderungen. Den Finanzabteilungen stand der Reichskirchenminister während des Krieges kritisch gegenüber. Er äußerte sogar verschiedentlich die Absicht, sie abschaffen zu wollen.167 Nicht nur, weil die Kirchengegner in der Partei gelegentlich ihre Auflösung forderten,168 sondern vor allem, weil einige landeskirchliche Finanzabteilungen Ursache ständiger Probleme waren und damit die von Kerrl gewünschte ruhige kirchenpolitische Lage konterkarierten. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass Kerrl eine FA-Auflösung im Krieg tatsächlich ernsthaft und konkret verfolgt hätte. Er drohte oder lockte nur mit ihr, hatte Gefallen an dem Gedanken. Doch notfalls wollte er auf die Finanzabteilungen zurückgreifen können, solange er keinen geeigneten staatsaufsichtlichen Ersatz zur Verfügung hatte. Zudem war der Druck der Parteiführung in dieser Sache nicht sehr vehement. 1940 wunderte sich ein Referent im Reichssicherheitshauptamt, dass man im Reichskirchenministerium nun, nachdem die „ohne Zustimmung der Partei eingesetzten Finanzabteilungen in der Durchführung der vom Minister angestrebten Aussöhnung mit den bekenntnistreuen Landesbischöfen hinderlich werden, ihre Ausschaltung der Partei zur Last legt.“169 Die ablehnende Haltung der Parteikräfte gegenüber 164 Vgl. Boberach, Organe, bes. 308 – 315; Grìnzinger, Einleitung IV, XVI; Dies., Einleitung V, XVIIf. 165 BArch R 43 II / 170a, Bl. 27 (Dokumente V, 241). 166 Bormann an Rosenberg vom 22. 6. 1940 (BArch NS 8 / 184, Bl. 177; Dokumente V, 171 f.). Vgl. auch Bormann an Lammers vom 11. Februar 1941 (BArch R 43 II / 170a, Bl. 25; Dokumente V, 240); Rundschreiben Bormanns vom 9. 6. 1941 (ebd., 309); Meier, Kirchenkampf III, 108 f.; Thierfelder, Einigungswerk, 5. 167 Vgl. Vermerk Stahns vom 1. 11. 1940 (BArch R 5101 / 23799); Aktenvermerk Doerrs vom 15. 4. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). Auch der Geistliche Vertrauensrat kolportierte entsprechendes, vgl. BArch R 5101 / 23713, Bl. 280. Siehe auch unten bes. 449 – 452. 168 Vgl. Aktenvermerk Doerrs vom 15. 4. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477); Doerr an Bacmeister vom 16. 5. 1940 (LkAKA GA Nr. 7271); SD-Bericht des SD-Abschnittes Weimar ans Reichssicherheitshauptamt vom 9. 7. 1940 (BArch R 58 / 6019 Teil 1). 169 Chef der Sicherheitspolizei und des SD an Bormann vom 13. 6. 1940 (BArch R 58 / 5779, Bl. 174).

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den Finanzabteilungen war für Kerrl offenbar vor allem ein willkommenes Argument, um die Finanzabteilungen unter Druck zu setzen. Eine FA-Auflösung wäre auch in der Praxis schwierig geworden, denn Kerrls Gegner hätten sich wohl nur einer ersatzlosen FA-Auflösung nicht widersetzt. Dieser standen wiederum die entscheidenden Mitarbeiter im Reichskirchenministerium entgegen. Die allgemeine Haltung dort ging nämlich in eine ganz andere Richtung als Kerrls Bekundungen: Stahn sah die Finanzabteilungen als Bestandteil einer „staatlich ausgerichtete[n] kirchliche[n] Verwaltungsbürokratie“, welche „das letzte einigende Band“ der Kirche sei, ohne das „eine schnelle und turbulent verlaufende, daher während des Krieges nicht tragbare, Auflösung der Evangelischen Kirche“170 eintreten würde. Damit waren die Finanzabteilungen für die Stabilität der Kirche unverzichtbar,171 ebenso wie für die Anbindung der Kirche an den Nationalsozialismus.172 Erst nach dem Krieg hielt Stahn tiefgreifende Veränderungen für denkbar, denn er erwartete für die Nachkriegszeit die Verwirklichung einer radikalen Trennung von Staat und Kirche. So setzte sich Stahn, wie er meinte im Interesse der Kirche, beim Reichskirchenminister stets für den Fortbestand der Finanzabteilungen ein,173 auch wenn es in dieser Frage „Auseinandersetzungen zwischen ihm und dem Herrn Reichskirchenminister“174 gab. Stahn nahm Kerrls Absichten, die Finanzabteilungen aufzulösen, sehr ernst,175 ernster als Kerrl sie selbst verfolgte. Er berichtete etwa in einer Besprechung im April 1940 dem badischen FA-Vorsitzenden, es „sei ihm fraglich, ob er noch lange die Auflösung von Finanzabteilungen aufhalten könne, er werde jedenfalls den Entwurf einer Verordnung für die Auflösung nicht abfassen, auch sonst niemand der noch anwesenden Herren. Es könnte aber doch sein, daß eines Tages sich sonst jemand finde, der den Entwurf zu einer Verfügung der Auflösung anfertige, dann werde die Auflösung sicher erfolgen. Lediglich der Hinweis, daß in den Finanzabteilungen lauter Parteigenossen sitzen und daß der Herr 170 So Stahns Einschätzung Anfang 1941 (Dokumente V, 234 – 236, hier 235 f.). 171 Es gab auch nach wie vor Stimmen in der Kirche, die dies so sahen, etwa Konsistorialpräsident Koch aus Düsseldorf, der befürchtete, die kirchliche Verwaltung könne ohne Finanzabteilungen, und damit ohne die rechtliche Handhabe der 15. Durchführungsverordnung, nicht die notwendige Ordnung gewährleisten. Vgl. ein Schreiben Kochs wiedergegeben in einem Vermerk Stahns vom 5. 3. 1941 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 200 f., hier Bl. 201). 172 Es sei richtig, so meinte Stahn, „die Verwaltungsangelegenheiten in der evangelischen Kirche in die Hände von Persönlichkeiten zu legen, die für die weltlichen Dinge aufgeschlossen sind. Da muß sich nun schon einmal die Kirche [scil. die gute Beziehungen zum Staat wünsche] gewisse Korrekturen gefallen lassen“. Stahn an Kühlewein vom 18. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 104). Das „weltliche Heil der evangelischen Kirche“, so meinte Stahn an anderer Stelle, läge „in einer sauberen, möglichst einfachen und nationalsozialistisch ausgerichteten Verwaltung“. Stahn an Doerr persönlich vom 15. 3. 1940 (ebd., Bl. 115). 173 Vgl. auch den Aktenvermerk Doerrs vom 15. 4. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 174 Ebd. 175 Daher legte er mit Blick auf eine etwaige FA-Auflösung sogar Cölle nahe, „sich mehr um seine Anwaltschaft als um seine Finanzabteilung zu kümmern.“ Ebd.

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122 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung Minister diese nicht vor vollendete Tatsachen stellen dürfe, habe bis jetzt auf den Herrn Minister Eindruck gemacht.“176

Es wird auch taktisches Kalkül hinter Kerrls Beteuerung gestanden haben, er wolle die Finanzabteilungen eigentlich auflösen, und möglicherweise war Stahns Rolle in der Sache, Kerrls Auflösungsabsichten in den Landeskirchen zu kolportieren und seine gegenteilige Auffassung hinzuzufügen. Zweck des Ganzen mag gewesen sein, die unruhestiftenden landeskirchlichen Finanzabteilungen durch die Drohungen gefügiger zu machen, um so die Konflikte in den Landeskirchen zu entschärfen. Letztlich wurden die Finanzabteilungen von Kerrl im Kriege jedenfalls nicht mehr angetastet.177 Im Gegenteil, der Reichskirchenminister bewies alsbald einmal mehr, dass er in der Praxis nicht gewillt war, auf die Finanzabteilungen zu verzichten und sie macht- sowie ordnungspolitisch nicht entbehren konnte. Er wusste die Probleme in der bremischen Landeskirche nicht anders zu lösen, als dort am 8. Oktober 1941 eine neue Finanzabteilung einzurichten.178 Es war die letzte Neubildung einer Finanzabteilung. Sie sollte nach dem Willen Kerrls vor allem dazu beitragen, den skandalumwitterten bremischen DC-Bischof Heinz Weidemann, der bisher ein „autokratisches Finanzgebaren“179 gepflegt hatte, zu disziplinieren und war entsprechend mit Vertretern der kirchlichen Mitte und Weidemann-Gegnern besetzt. Sie war gewissermaßen ein Gegenbild zu den zuletzt von Muhs gestalteten Finanzabteilungen.180 Insgesamt war Kerrls Kurs im Krieg von einer moderaten Handhabung der FA-Angelegenheiten geprägt. Der Minister blickte eher skeptisch auf die Finanzabteilungen. Sie passten in der von Muhs ausgebauten Form nicht mehr 176 Ebd. Vgl. auch Vermerk FA-Baden vom 7. 10. 1940 (ebd.); SD-Bericht des SD-Abschnittes Weimar ans Reichssicherheitshauptamt vom 9. 7. 1940 (BArch R 58 / 6019 Teil 1). 177 Im Sommer 1940 kursierte jedoch der Entwurf einer weiteren restriktiven Ausführungsanweisung zur 15. Durchführungsverordnung, doch wurde diese schließlich nur für den Bereich der hannoverschen Landeskirche erlassen, siehe unten 243 f. 178 GBlDEK, 1941, 49. 179 Meyer-Zollitsch, Bremische Kirche, 273. 180 Heinonen, Anpassung, 251, umreißt die Situation folgendermaßen: „So war die in der Geschichte des Kirchenkampfes einmalige Situation entstanden, daß sich der schwache Kirchenminister, um das deutsch-christliche Kirchenregiment kontrollieren zu können, auf die Hilfe einer Finanzabteilung stützen mußte, die mit der Bekennenden Kirche sympathisierte.“ Vgl. zur Gründung der Finanzabteilung auch den Vermerk Stahns vom 4. 10. 1941 (BArch R 5101 / 23797); Vermerk Stahns vom 1. 11. 1940 (BArch R 5101 / 23799); der ganze Vorgang findet sich anteilig in BArch R 5101 / 23796 und 23799; außerdem teilweise in StAB 3K.1.d.1.a.1 Nr. 59; und StAB 3- K.1.a Nr. 636; ferner in StAB 3- K.1.a Nr. 627. Vgl. auch MeyerZollitsch, Nationalsozialismus, 201, 263 – 265; Dies., Bremische Kirche, 266; Dokumente V, 113 – 115. Vgl. zur bremischen Finanzabteilung in den ersten Monaten ihres Bestehens: Heinonen, Anpassung, 247 – 251; Ders., Reichskirchenministerium, 144 – 146; Meyer-Zollitsch, Nationalsozialismus, 287 f.; Dies., Bremische Kirche, 274; Meier, Kirchenkampf III, 398 – 400; Stoevesandt, Gemeinden, 100.

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recht in sein kirchenpolitisches Konzept und standen seinen Befriedungsbemühungen entgegen. Für die Kirchen bedeutete Kerrls Politik einige Erleichterungen, denn er war bereit, die Finanzabteilungen einzuschränken, um ein besseres Auskommen von Kirchen und Finanzabteilungen zu erreichen. Dies äußerte sich in zahlreichen Einzelentscheidungen, in Schlichtungsbemühungen bei Konflikten in den Landeskirchen, in verschiedenen neuen Auslegungen der 15. Durchführungsverordnung181 und auch in personellen Veränderungen bei den Finanzabteilungen – nicht in den Spitzenpositionen, aber in der Mitgliederstruktur.182 Ein Beispiel für Kerrls Politik war etwa die Entscheidung, dass die landeskirchlichen Finanzabteilungen nicht mehr an der Ergänzung von kirchlichen Körperschaften (Kirchenvorstände etc.) beteiligt werden sollten.183 Ende 1940 regte Stahn an, die DEKK-Finanzabteilung um einige Mitglieder zu ergänzen, da sie im Verhältnis zu ihren schwierigen Aufgaben zu schwach besetzt sei.184 Er schlug sechs Personen vor,185 bei denen es sich jedoch, wie Präsident Werner bemängelte, überwiegend um Vertreter der Nationalkirchlichen Deutschen Christen handelte. So scheiterte Stahns Ergänzungsplan unter anderem an den Bedenken Werners,186 bis wenigstens einige der vorgesehenen Personen 1942, nun unter der Ägide Muhs’, doch noch in die Finanzabteilung berufen wurden.187 In der Kriegszeit wurde die Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei von Kerrl mit einigen neuen Machtbefugnissen ausgestattet. Sie sollte ihm als Hilfe dienen, die landeskirchlichen Finanzabteilungen zu kontrollieren, die zu dieser Zeit vielfach radikaler als die DEKK-Finanzabteilung agierten. Schon in den Ausführungsbestimmungen vom 21. Juli 1939 war die gesamtkirchliche Finanzabteilung als Schlichtungsinstanz für landeskirchliche Probleme eingeschaltet worden.188 Später erhielt sie eine Aufsichtsfunktion bei den rechtsverbindlichen Anordnungen der lan-

181 Siehe unten Teil II dieser Arbeit. 182 Siehe unten 539 – 548. 183 Erlass vom 30. November 1940 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 300); vgl. auch FA-DEKK an Reichskirchenminister vom 12. November 1940 (EZA 1/1603); Stahn an Koch vom 16. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23710). Muhs hob diese Beschränkung am 14. Mai 1942 wieder auf (EZA 2/ 687). Siehe auch unten 273 f., 358 f., 490. 184 Vgl. Vermerk vom 6. 12. 1940 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 210). 185 Vorgesehen waren Herbert Bührke (Schleswig-Holstein), Emil Doerr (Baden), Robert Tegetmeyer (Thüringen), Paul Kipper (Nassau-Hessen) sowie (handschriftlich ergänzt) Ludwig Hoffmeister (Braunschweig) und Heinz Gefaeller (Altpreußische Union). Vgl. den entsprechenden Entwurf (ebd., Bl. 206 – 208). 186 Vgl. ebd., Bl. 209. Werner hatte sich schon früher von seiner ehemals nationalkirchlichen Haltung distanziert. Vgl. Grìnzinger, Werner, 77. 187 Siehe unten 145 f. 188 EZA 2/687.

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124 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung deskirchlichen Finanzabteilungen.189 Sie übernahm im Laufe der Zeit außerdem eine zunehmend eigenständige Rolle und war etwa daran beteiligt, eine geplante reichseinheitliche Minderheitenverordnung zu verhindern, die die FA-Kompetenzen geschmälert hätte.190

3.8. Die Finanzabteilungen im nationalsozialistischen Herrschaftsgefüge und ihre Gegner Hitler gab im Juli 1940 die kirchenpolitische Linie für die Kriegszeit aus. Er ließ intern verlautbaren, dass er „alle nicht unbedingt notwendigen Maßnahmen zu vermeiden wünscht, die das Verhältnis des Staates und der Partei zur Kirche verschlechtern könnten.“191 Während des Krieges war Hitler sehr daran gelegen, größere innenpolitische Auseinandersetzungen mit den Kirchen zu umgehen, um die Moral in der Bevölkerung nicht zu gefährden oder eine kirchliche Oppositionsbewegung zu fördern. Dieser Richtlinie hatten sich grundsätzlich auch die radikalen Kirchengegner in der Partei zu unterwerfen. Bormann relativierte die „Führeranordnung“ allerdings, indem er erklärte, „sachlich notwendige Maßnahmen“192 könnten selbstverständlich durchgeführt werden – Hitler selbst billigte vielfach Einzelmaßnahmen, „die von den Kirchen als gegen sie gerichtet verstanden wurden“193, seine Anordnung war nicht dogmatisch zu verstehen. Sie war für die Kirchengegner im „Altreich“ lediglich Anlass zur Mäßigung – es war alles erlaubt, sofern es nur zu keiner unnötigen Beunruhigung der Bevölkerung kam. Spektakuläre Maßnahmen gegen die Kirchen waren so unmöglich gemacht, doch ein Kleinkrieg war gerade mit Verweis auf die „Kriegsnotwendigkeit“ der Repressionsmaßnahmen noch zu führen.194 Das stets verfolgte Projekt der „Entkonfessionalisie189 Siehe zu den sogenannten Unbedenklichkeitserklärungen unten 159 – 162. 190 Vgl. dazu Meier, Kirchenkampf III, 108; Brunotte, Kurs, 33; Melzer, Vertrauensrat, 148 – 160; EZA 1/1603; Verordnungsentwurf nebst Begründung (BArch R 5101 / 23713, Bl. 182 – 185). 191 Rundschreiben des Reichsinnenministeriums an die Reichsstatthalter und Oberpräsidenten vom 24. 7. 1940 (Dokumente V, 177). Bereits am 23. April 1940 schrieb Lammers an Heß, Hitler habe „sehr entschieden der Auffassung Ausdruck [verliehen], dass er zur Zeit gegen die Kirchen gerichtete Maßnahmen grundsätzlich nicht wünsche.“ Ebd., 147. Vgl. auch Baier, Tagebuchaufzeichnungen 1943, 236; Ders., Tagebuchaufzeichnungen 1944/ 45, 94 f. 192 Rundschreiben Bormanns an alle Gauleiter vom 15. 3. 1941 (Dokumente V, 263 f., Zitat 263). 193 Lammers an Reichskirchenminister vom 6. 3. 1941 (BArch R 43 II / 152, Bl. 60; Dokumente V, 177). 194 Vgl. zu den Maßnahmen der „weltanschaulichen Rigoristen“ im Krieg: Grìnzinger, Einleitung V, XXIII – XXXVII; Siegele-Wenschkewitz, Weltkriegs, 397 – 400; Conway, Kirchenpolitik, 250 – 256.

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Die Finanzabteilungen im nationalsozialistischen Herrschaftsgefüge

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rung des öffentlichen Lebens“ und der „Entpolitisierung der Kirchen“ lief weiter.195 Den Finanzabteilungen standen die radikal kirchenfeindlichen Kräfte weiterhin ablehnend gegenüber. Die scharfe Kontrolle der Kirche durch die Finanzabteilungen hätte von ihnen zwar noch geduldet oder unterstützt werden können, jedoch standen die Finanzabteilungen unter dem Verdikt, das Staatskirchentum zu befördern, die Kirche zu stabilisieren und ihre innere Ordnung zu gewährleisten. Daher war unter den kirchenfeindlichen Kräften das Engagement der eigenen Kader, also von Partei- oder SS/SD-Funktionären, in den Finanzabteilungen umstritten und nicht gerne gesehen, wenngleich nicht offiziell untersagt.196 Aus dem Lager der grundsätzlichen Kirchengegner sollen hier nur zwei Dienststellen genauer untersucht werden: Die Parteikanzlei, wegen ihrer paradigmatischen Bedeutung, und der „Sicherheitsdienst des Reichsführers SS“. Die nachrichtendienstliche Aufgabe des Sicherheitsdienstes bestand vor allem in der Informationsbeschaffung und Beobachtung bzw. Überwachung – so auch auf dem kirchenpolitischen Sektor.197 Er war zwar auch teilweise an der Ausführung von Vollzugsmaßnahmen beteiligt, doch fiel die Exekutive eigentlich der Gestapo zu.198 1941 musste der Sicherheitsdienst die Bearbeitung der Kirchenangelegenheiten an die Gestapo abgeben.199 Zuvor aber hatte er eine eigene, aktive Kirchenpolitik betrieben. „Dabei verfolgte der Sicherheitsdienst nicht allein die kirchenpolitische Absicht, die christlichen Kirchen auf einen immer engeren gesellschaftlichen Binnenraum zu beschränken, sondern wollte letztlich religionspolitische Ziele verwirklichen, indem 195 Vgl. insgesamt zum Kurs und Vordringen der „weltanschaulichen Rigoristen“ während des Krieges: Gailus, Volk, 263 f.; Longerich, Stellvertreter, bes. 239 – 255; Meier, Kirchenkampf III, bes. 133 – 139; Grìnzinger, Einleitung V, bes. XIX – XXIII; Thierfelder, Einigungswerk, 12 – 17; Heckel, Säkularisierung, 855 – 858; Luchterhandt, Rechtsstellung, bes. 132 – 134, ansonsten passim; Weber, Entwicklung des nationalsozialistischen Regimes, 369 – 374, 383 – 385; Dierker, Glaubenskrieger, 522 – 534; Schmuhl, Kirche, 23 – 25. 196 Siehe oben 102. 197 Vgl. zum Folgenden: Dierker, Glaubenskrieger, hier vor allem 163 – 173, 193 – 199, 241 – 276, 301 – 313, 535 – 539; Schreiber, Elite, passim, bes. 185 f., 199 – 213, 226 – 233; Mallmann, Konfrontation; Schreiber, Verfolgungsnetzwerke; Wildt, Generation, bes. 239 – 251, 359 f.; Besier, Kirchen, bes. 167 – 174; Kreutzer, Reichskirchenministerium, 190 – 197, 290, 309 f., 322 f.; Boberach, Einführung, 11 – 18; Stolle, Staatspolizei, 102 – 104; ferner Conway, Kirchenpolitik, 187 – 194 (zu Conway jedoch Dierker, Glaubenskrieger, 22 Anm. 36); Boberach, Propaganda, 188 – 190; Ders., Organe, 311 f.; Buchheim, Herrschaftsinstrument, 67 – 75. 198 Seit dem 27. September 1939 waren beide Dienste sowie die Kriminalpolizei im Reichssicherheitshauptamt gebündelt. 199 Vgl. dazu Dierker, Glaubenskrieger, bes. 23, 332 – 334, 492 f., 532 f.; Schreiber, Elite, bes. 123 f., 128 – 131, 138 f., 232 f.

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126 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung das Christentum als solches aus der deutschen Gesellschaft verdrängt werden sollte.“200

Als dringlichster Gegner im Raum der evangelischen Kirche wurde die Bekennende Kirche wahrgenommen, eine klare Frontstellung bestand aber auch gegenüber Reichskirchenminister Kerrl. Die wichtigste Informationsquelle des Sicherheitsdienstes auf dem Kirchensektor waren im Raum der Kirche tätige Informanten, zum Beispiel sogenannte „Vertrauenspersonen“. Jene standen in enger Bindung zum Sicherheitsdienst und gaben verdeckt und fortgesetzt vertrauliche Informationen an ihn weiter. Angehörige des Sicherheitsdienstes oder der SS mussten sie dafür nicht sein. Voraussetzung für eine solche Tätigkeit war nur eine überzeugte nationalsozialistische Grundhaltung. Besonders gefragt waren V – Leute, die in der Kirchenverwaltung tätig waren, da über diese verhältnismäßig leicht relevante nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu gewinnen waren. Als Informanten dürften sich daher Mitglieder von Finanzabteilungen angeboten haben, denn diese waren häufig schon nach Kriterien der Staatstreue ausgewählt worden und entsprechend zuverlässige Nationalsozialisten. Gleichzeitig waren sie im Binnenbereich der Kirchen tätig und konnten dem Geheimdienst so wertvolle Informationen liefern. Zumindest für zwei bedeutende FA-Funktionäre lässt sich eine ehrenamtliche V – Mann-Tätigkeit belegen:201 Für den Vorsitzenden der Finanzabteilung der badischen Landeskirche Emil Doerr202 und für den Vorsitzenden der braunschweigischen Finanzabteilung Ludwig Hoffmeister,203 der später sogar SD-Angehöriger wurde.204 200 Dierker, Glaubenskrieger, 170. Es entsprach „seinem Programm, eine evangelische Reichskirche zu verhindern, den weiteren Zerfall des deutschen Protestantismus zu fördern und die Trennung von Staat und Kirche zu betreiben“, womit der Sicherheitsdienst „eine klare und kompromißlose, weltanschaulich bestimmte Position“ bezog (ebd., 407). 201 Eine genaue Überprüfung, ob es darüber hinaus weitere SD-Informanten unter den FA-Mitgliedern gab, konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen werden, da betreffende Akten offenbar kaum überliefert sind, vgl. ebd., bes. 91, 251 f., 256 f.; Besier, Kirchen, 171. 202 Siehe unten 510 f. 203 Siehe zu Hoffmeister unten 308 – 310. Ein direktes Zeugnis seiner SD-Tätigkeit liefert Hoffmeisters SS-Personalakte, BArch, ehem. BDC, SSO Nr. 109 A; Vgl. ansonsten auch Besier, Kirchen, 172 f.; Mlynek, Hoffmeister. 204 Nach einem Bericht aus der Nachkriegszeit von Karl Neuhaus, einem hochrangigen Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes, war auch Paul Kipper (Darmstadt), Vorsitzender der Finanzabteilung von Nassau-Hessen, als SD-Informant tätig, BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 586, Bl. 65 – 92, hier Bl. 75 f. Neuhaus nennt in seinem Bericht über SD-Informanten im Raum der Kirche neben Kipper und Hoffmeister (ebd., Bl. 77) keine weiteren FA-Funktionäre. Vgl. zu dem Bericht auch Besier, Kirchen, 172 f. Kreutzer, Reichskirchenministerium, 202 Anm. 458, berichtet, Landeskirchenrat Freiherr Friedrich von Krane, Mitglied der Finanzabteilung von Nassau-Hessen, sei ebenfalls ein V – Mann des Sicherheitsdienstes gewesen. Nach Kaminsky, Rolle, 216, und Ders., Zwang, 211, 218 f., war der Düsseldorfer FA-Vorsitzende Sohns ehrenamtlicher Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Als solcher könnte er auch als Informant gedient haben.

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Hoffmeisters Tätigkeit als SD-Informant in Kirchensachen wird besonders in einer SS-Beurteilung vom 14. Juli 1942 deutlich. Der beurteilende SSSturmbannführer führte aus, Hoffmeister habe „dem SD bisher sehr wertvolle Dienste geleistet. Insbesondere ist seine Mitarbeit auf kirchenpolitischem Gebiet hervorzuheben.“ Vor allem die FA-Tätigkeit Hoffmeisters wurde gewürdigt, da ohne dessen FA-Ämter „die besten Nachrichtenquellen auf diesem Gebiete für den SD verloren gehen würden.“205 Die Dienststelle des Sicherheitsdienstes Braunschweig kam daher zu dem Ergebnis, „dass die Einrichtung der Finanzabteilung und ihre Besetzung mit einem staatlichen Beamten als Leiter nur günstig auf die Entwicklung des Verhältnisses Staat-Kirche bzw. Bewegung-Kirche einwirken kann […] Es herrscht daher hier die Ansicht vor, dass bei allen Landeskirchen die Vorsitzenden der Finanzabteilungen staatliche Beamte zu sein hätten, die dieses Amt im Nebenamt ausführen müssten. Auf diese Weise würde der Einfluss des Staates bei der Kirche erheblich stärker werden können.“206

Der Sicherheitsdienst Braunschweig ging sogar soweit, sich Anfang 1940 aktiv an einer Initiative zu beteiligen, die darauf abzielte, bestimmte Finanzabteilungen stärker als bisher zu koordinieren; dies geht jedenfalls aus einem SDBericht an das Reichssicherheitshauptamt hervor.207 Nicht alle SD-Dienststellen teilten jedoch diese positive Sicht auf die Finanzabteilungen. Das SD-Hauptamt etwa beurteilte im Februar 1938 das Engagement des SS-Untersturmführers Sohns in der Düsseldorfer Finanzabteilung äußerst kritisch und hielt es für „nicht angängig […], dass ein SSAngehöriger führend im kirchlichen Dienst tätig ist“208. Insgesamt aber waren die Finanzabteilungen für den Sicherheitsdienst nicht nur ein willkommener Ansatzpunkt, um Zugriff auf die Interna der Kirche zu bekommen, sie waren zudem geeignet, über die involvierten V – Männer die Kirche zu unterminieren. Die Parteikanzlei der NSDAP, ehemals der „Stab des Stellvertreters des Führers“, stand nach Rudolf Heß’ Englandflug im Mai 1941 unter der Leitung von Martin Bormann. Da dieser auch vor dem Ausscheiden von Heß bereits wesentliche Funktionen der Dienststelle in eigener Verantwortung wahrgenommen hatte, brachte diese Veränderung keine wesentlichen Modifikationen der Parteilinie. Bormann vertrat ganz dezidiert die Haltung der radikal kirchenfeindlichen Fraktion der NS-Bewegung209 und war durch seine Inter205 Die Beurteilung findet sich in Hoffmeisters SS-Personalakte, BArch, ehem. BDC, SSO Nr. 109 A. 206 Bericht des SD-Braunschweig vom 12. 12. 1939 (BArch R 58 / 5791, Bl. 861 – 868, hier Bl. 867 f.) 207 Bericht des Führers des SD-Abschnitts Braunschweig ans Reichssicherheitshauptamt vom 10. 2. 1940 (BArch R 58 / 5746a, Bl. 156 f.). Siehe hierzu auch unten 153. 208 Schreiben vom 10. 2. 1938 (zit. nach Kaminsky, Zwang, 212). 209 So stammt von Bormann auch der viel zitierte paradigmatische Satz: „Nationalsozialistische

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128 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung ventionsfreude in allen Bereichen der Kirchenpolitik und aufgrund der starken Stellung seiner Dienststelle in diesem Bereich – nicht zuletzt war sie an jedem Gesetzentwurf zu beteiligen – einer der schärfsten Gegner des Reichskirchenministeriums. Seinen unmittelbaren Zugang zu Hitler ausnutzend verstand es Bormann, seinen Einfluss im Krieg weiter auszubauen. Es gelang ihm, die Religionspolitik in den besetzten Gebieten weitgehend nach seinen Wünschen zu gestalten, während im „Altreich“ die radikal kirchenfeindliche Linie nicht voll zum Zuge kam.210 Ein besonderes Anliegen Bormanns war die finanzielle Beschneidung der Kirchen. Ein Ansatzpunkt dabei waren die Staatszuschüsse, eine wichtige Finanzierungsquelle der Kirchen. Bormann hatte Anfang 1941, ähnlich früheren Versuchen,211 eine neue Offensive gestartet, den Kirchen sämtliche Staatsleistungen zu entziehen, für die keine zwingenden Zahlungsverpflichtungen bestanden – davon wären unter anderem die preußischen Pfarrbesoldungszuschüsse betroffen gewesen, was für die dortige kirchliche Finanzwirtschaft erhebliche Folgen gehabt hätte. Nach vielfachem Protest gegen Bormanns Initiative und Unklarheiten in der Ausführung, wurde die Angelegenheit Hitler vorgelegt. Dieser entschied schließlich, „daß staatliche Zuschüsse an die Kirchen, die bisher gezahlt worden sind, in dem gleichen Umfange wie bisher weitergezahlt werden sollen“212. Daraufhin blieben die Kirchen im Großen und Ganzen von Einschnitten bei den Staatsleistungen verschont, obgleich in manchen Ländern dennoch verschiedene Kürzungen umgesetzt wurden.213 Entscheidend war für Hitler nur, dass dies keine öffentliche Beunruhigung auslöste.214 Daneben plante Bormann, den Kirchen ihr Kirchensteuerprivileg zu neh-

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und christliche Auffassungen sind unvereinbar.“ Rundschreiben Bormanns an alle Gauleiter vom 9. 6. 1941 (Dokumente V, 306 – 309, hier 307). Vgl. auch dazu Nolzen, Nationalsozialismus, 151 f. Vgl. zur Parteikanzlei und Martin Bormann: Longerich, Stellvertreter ; Rebentisch, Führerstaat, bes. 68 – 91, 441 – 463; Broszat, Staat Hitlers, 390 – 395; Rebentisch, Anmerkungen, bes. 620 – 625. Vgl. zu der kirchenpolitischen Einstellung Bormanns insbesondere: Longerich, Stellvertreter, 234 – 255; Lang, Sekretär, 135 – 146; Luchterhandt, Rechtsstellung, 132 – 134; Dierker, Glaubenskrieger, 302 – 304. Vgl. dessen Rundschreiben vom 13. 3. 1939 (Dokumente IV, 331) oder dessen erfolglosen Appell an den Reichsfinanzminister vom 21. Februar 1939, die Länder anzuweisen, die freiwilligen Staatsleistungen an die Kirchen umgehend einzustellen sowie die vertraglich vereinbarten zu kürzen (BArch R 5101 / 21673, Bl. 4 f.). Lammers an Kerrl vom 24. 5. 1941 (BArch R 43 II / 153a, Bl. 107 f.) Etwa in Braunschweig, siehe dazu unten 391 f. Vgl. zu den Staatsleistungen insgesamt: Volkmann, Rechtsprechung, bes. 130, 135; Hartmannsgruber, Kirchensteuer, 458 f.; BArch R 43 II / 153a; Dokumente V, 243 – 252. Auch bei den sogenannten „negativen Staatsleistungen“ versuchte Bormann, Änderungen herbeizuführen und den Kirchen etwaige Steuererleichterungen zu entziehen. Vgl. Longerich, Stellvertreter, 249; Volkmann, Rechtsprechung, bes. 140, 143 f.; Hartmannsgruber, Kirchensteuer, 465 f.

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men und ihnen stattdessen Kirchenbeitragsordnungen aufzuzwingen. Es gelang zwar, in den neu erworbenen Gebieten – etwa in Österreich oder dem Sudetenland – solche Modelle einzuführen und zu erproben, doch scheiterten Bormanns Versuche, im „Altreich“ entsprechende Regelungen zu verankern – beispielsweise 1939/40 in Baden und Oldenburg sowie 1940/41 in Braunschweig. Bormanns Ambitionen wurden abermals von Hitler gebremst, der während des Krieges den Widerstand der Kirche nicht mit einem solch schwerwiegenden Eingriff provozieren wollte.215 Die besetzten, vormalig polnischen Gebiete entwickelten sich im Laufe des Krieges indes zu einer Art „religionspolitische[m] Experimentierfeld“216, auf dem die kirchenfeindlichen Kräfte ihre radikalen kirchenpolitischen Vorhaben ohne Rücksichtnahme durchführen konnten. Abermals erwies sich Bormann mit der Parteikanzlei als federführend.217 Hier zeigte sich, was Bormann unter der Parole „Trennung von Kirche und Staat“ tatsächlich verstand. Die Kirchen sollten zunächst ihren privilegierten Rang als Körperschaft des öffentlichen Rechts verlieren und „auf den Status streng reglementierter Vereine“218 gedrückt werden. Sie sollten einem „raffiniert ausgeklügelte[n] Ausnahmerecht“219 unterliegen und sich unter Wegfall aller Staatszuschüsse und dem Recht zur Kirchensteuererhebung allein über Beiträge ihrer Mitglieder finanzieren. Die so verstandene „Trennung von Kirche und Staat“ gewährte den Kirchen als Gegenzug zu dem Wegfall ihrer Privilegien aber nicht etwa die volle Selbständigkeit und Unabhängigkeit vom Staat, „sondern stellte sie unter eine alle Details kirchlichen Lebens erfassende Staatskuratel“220 und unterwarf sie einer repressiven „Sonderhoheit“221. Bormann kommentierte dies lapidar so, „dass unsere nationalsozialistischen Grundsätze über die Trennung von Kirche und Staat nicht dieselben sind, als die der Demokratie.“222 215 Vgl. zu dem Komplex der Kirchenbeiträge: Longerich, Stellvertreter, 247 – 249; Hartmannsgruber, Kirchensteuer, 466 – 476; Dokumente IV, 358 – 361; BArch R 43 II / 152, bes. Bl. 50 – 65; BArch R 5101 / 23790, Bl. 140 – 154; Dokumente V, 217 – 224; BArch R 5101 / 23794, Bl. 95 – 101; StAW 12 Neu 13 Nr. 22716; LkAW FinAbt 64. 216 Meier, Kirchenkampf III, 115. 217 Vgl. zur Kirchenpolitik in den besetzten polnischen Gebieten, insbesondere im sogenannten „Warthegau“: Gìrtler, Nationalsozialismus; Meier, Kirchenkampf III, 114 – 133; Melzer, Vertrauensrat, 239 – 253; Longerich, Stellvertreter, 248 – 251; Thierfelder, Einigungswerk, 6 – 9; Grìnzinger, Zuständigkeit; Broszat, Polenpolitik, 143 – 157, bes. 149 – 151; Stasiewski, Kirchenpolitik; Luchterhandt, Rechtsstellung, passim; Link, Rechtsgeschichte, 206 f.; Conway, Kirchenpolitik, 326 – 342; Dierker, Glaubenskrieger, 503 – 522. 218 Longerich, Stellvertreter, 250. 219 Brunotte, Kurs, 41. 220 Link, Staat und Kirchen, 1015 f.; ähnlich auch Ders., Rechtsgeschichte, 207. 221 Luchterhandt, Rechtsstellung, 167. 222 Bormann an Lammers vom 30. 4. 1941 (BArch R 43 II / 170, Bl. 152 – 154, hier Bl. 154). Heckel, Säkularisierung, 858, umreißt das nationalsozialistische Verständnis der Trennung von Kirche und Staat folgendermaßen: „Trennung bedeutete deshalb die diskriminierende Verstoßung aus der völkischen Gesamtordnung, war als ein Mittel der Bekämpfung und Ausschaltung der Kirchen gedacht, als Ersatzform ihrer mißlungenen Gleichschaltung und als

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130 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung Hinter der Kirchenpolitik in den besetzten Gebieten stand offenbar die Absicht, die dort erprobten Modelle zur Verdrängung der Kirchen nach Kriegsende auch auf das „Altreich“ zu übertragen. Die vollständige Ausschaltung der Kirchen aus dem öffentlichen Leben war das erklärte „Endziel“ der radikalen Kirchengegner, zuweilen ergänzt mit dem Gedanken der Stiftung einer Art nationalsozialistischer Ersatzreligion. Hitler selbst hatte sich während des Krieges ebenfalls radikalisiert und im engeren Umfeld aus seinen kirchenfeindlichen Ansichten und „seiner Verachtung gegenüber der evangelischen Kirche“223 keinen Hehl mehr gemacht.224 Goebbels notierte etwa am 24. Mai 1942 in sein Tagebuch, Hitlers Entschluss sei „unerbittlich“ geworden, „die christlichen Kirchen nach dem Sieg zu vernichten“ – eine „Versöhnung“ werde es nicht geben.225 Die endgültige „Lösung der Kirchenfrage“, ihre Verdrängung durch den nationalsozialistischen Totalitätsanspruch, war also einstweilen bis zum Kriegsende hinausgeschoben – aus Rücksicht auf die Stimmung in der Bevölkerung. Die Finanzabteilungen waren spätestens seit ihrer Um- und Ausgestaltung 1937/38 zu einem wichtigen Bestandteil der „Staatskirche im kirchenfeindlichen Staate“226 geworden. Die wohlmeinende Verbindung von Kirche und Staat, die in vergangenen Zeiten ein Element der Staatskirche gewesen war, fehlte im NS-Staat völlig. Geblieben war nur der nunmehr benachteiligende Zugriff des Staates in die Angelegenheiten der Kirche.227 Diese Konstellation zeigte sich seit den ausgehenden 1930iger Jahren auch bei den Finanzabteilungen, befördert durch den von Muhs geschaffenen Dualismus von Kirchenleitung und Finanzabteilung.228 Werner Weber führte dazu 1941 aus:

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Vorform ihrer endgültigen, aufgeschobenen Vernichtung. Die Trennung sollte nur als ein ,Zwischenstadium‘ Geltung haben. Und weiterhin: Die Trennung wurde nur partiell geplant und ausgeführt: Sie bezog sich nur auf den geistlichen Kern der Religionsgemeinschaften, ihren theologischen und kultischen Innenbereich, den man weltlich abschrieb und ausstieß. Sie bezog sich nicht auf die äußere Organisation, ihre Verfassung und Verwaltung, ihr Ämterrecht und sie bezog sich erst recht nicht auf die Entfaltung ihres missionarischen und diakonischen Auftrages in der ,Welt‘, d. h. im öffentlichen Leben.“ Eder, Pläne, 149. Vgl. zu Hitlers Einstellung: Hockerts, Goebbels-Tagebücher, 381; Grìnzinger, Einleitung V, XVIIIf.; Eder, Pläne; Luchterhandt, Rechtsstellung, 125 – 127; Conway, Kirchenpolitik, bes. 26 – 29, 40, 297 – 299; Bollmus, Amt, 113 – 118; Buchheim, Glaubenskrise, 84; Zipfel, Kirchenkampf, bes. 8; Tomberg, Christentum, passim. Frçhlich, Tagebücher II/4, 360. Goebbels hatte schon am 15. Februar 1937 in seinem Tagebuch festgehalten, das Ziel sei es, die Kirchen zu „liquidieren“. Dies., Tagebücher I/3/II, 375. Vgl. auch Hockerts, Goebbels-Tagebücher, 373. Terminus bei Erler, Kirchenrecht, 78. Vgl. dazu auch Heckel, Säkularisierung, 858 f.; Luchterhandt, Rechtsstellung, 117 – 119, 164 – 170; Weber, Entwicklung des nationalsozialistischen Regimes; May, Staatsaufsicht, 58 f. Vgl. Weber, Entwicklung des nationalsozialistischen Regimes, bes. 379 f.

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„An manchen Stellen dient dies [scil. der Dualismus] dem klar erkennbaren Zweck, die […] allgemeine Kirchenleitungsbehörde kirchenpolitisch in Schach zu halten; überall aber eröffnet es dem Staat und über die staatlichen Dienststellen und die Mitglieder der Finanzabteilungen auch der Partei die Möglichkeit, die innerkirchlichen Vorgänge durch die Beherrschung der Finanzen nach ihrem Willen zu lenken. Das alles hat mit finanzpolitischen Ordnungszwecken und auch mit fürsorglicher tätiger Anteilnahme des Staates an der Gestaltung des kirchlichen Wohles nichts mehr zu tun; hier macht sich vielmehr – wenigstens der Potenz nach – ein Staatskirchentum mit negativer Ausrichtung breit, bei dem Staat und Partei die Kirche an einer höchst empfindlichen Stelle und durchaus nicht mehr in wohlwollender Betreuungsabsicht in der Hand halten. Sie können sich damit, wie die Erfahrung zeigt, nach Belieben auch in rein innerkirchlichen Fragen entscheidend zur Geltung bringen und sogar, wenn sie wollen, die Kirche lähmen und entmachten. Aus der Umkehrung von Hilfe und Beherrschung, von Fürsorge und Unterwerfung sind so die Finanzabteilungen zu einem sehr kritischen Punkt des evangelischen Staatskirchenrechts und Kirchenverfassungsrechts geworden, der alle Aufmerksamkeit verdient.“229

Die Finanzabteilungen waren zu einem entscheidenden Instrument des pervertierten staatskirchlichen Interesses des nationalsozialistischen Staates geworden. Damit hätten sie theoretisch auch von den Kirchengegnern als Instrument der verschärften Staatsaufsicht begrüßt werden können, doch trugen die Finanzabteilungen aus deren Sicht zu sehr den Rechtshilfecharakter ihrer Anfangszeit in sich und waren zu sehr ein innerkirchliches Organ, welches den Staat zu eng mit der Kirche verband. In Form, inhaltlicher Ausrichtung sowie Zielsetzung entsprachen die Finanzabteilungen nicht ihren Vorstellungen. Sowohl die Befürworter der Trennung von Kirche und Staat als auch die Träger des FA-Systems – Muhs und die ihm willfährigen NS-Finanzabteilungsfunktionäre – setzten bei den Kirchenfinanzen an. Der Unterschied war, dass die radikalen Kirchengegner die finanziellen Möglichkeiten der Kirchen so weit wie möglich beschneiden wollten, während Muhs die kirchlichen Ressourcen nicht reduzieren, sondern kontrollieren und in Staatshand nehmen wollte. Die Kirchengegner wollten die Rechte der Kirchen abbauen, Muhs wollte die Rechte als Staat selbst ausüben. Muhs strebte administrativ die Staatskirche an, gleichzeitig sollte sich die Kirche der Mitwirkung in der politischen Sphäre enthalten und sich weltanschaulich dem NS-Staat unterwerfen. Er wollte „die evangelische Kirche zu einem gefügigen Bestandteil des NSSystems“230 machen, sie integrieren, während die Kirchengegner die völlige Aussonderung der Kirchen aus dem NS-System anstrebten. Dies war der entscheidende Unterschied. Muhs sah letztlich noch einen Platz für die dann staatskirchlich kontrollierten und weltanschaulich angepassten Kirchen im 229 Ebd., 380. 230 Melzer, Vertrauensrat, 274.

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132 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung NS-Staat. Damit waren die Kräfte, die das FA-System trugen, nicht vergleichbar mit den „weltanschaulichen Rigoristen“. Sie wollten mit den Finanzabteilungen nicht eine Auslöschung der Kirchen vorantreiben. Im NSStaat aber, dem sie dienten, liefen ihre staatskirchlichen Bestrebungen letztlich auf eine Bekämpfung der Kirche hinaus.

3.9. Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen Die 15. Durchführungsverordnung hatte Anfang Juli 1937 eine neuerliche intensive Auseinandersetzung der Kirche mit den Finanzabteilungen ausgelöst.231 Die kirchenpolitische Lage wurde kirchlicherseits im Sommer 1937 „als dramatisch eingeschätzt“232, die Handlungsspielräume der „intakten“ Landeskirchen sah man gerade durch die „Finanzabteilungen akut bedroht“233, ein Vordringen der Deutschen Christen wurde befürchtet. Es kam sogar die Frage auf, ob mit der neuen Verordnung der status confessionis gegeben sei. In letzter Konsequenz wollte soweit anfangs allerdings noch niemand gehen, es herrschte zunächst die Hoffnung, die Finanzabteilungen würden weiterhin in der Praxis eher kirchliche Einrichtungen bleiben.234 Es war noch nicht absehbar, wie die Verordnung ausgelegt werden würde, ob nunmehr überall Finanzabteilungen eingerichtet und tatsächlich die Kirchenbeamten aus den Finanzabteilungen abberufen werden würden. Dennoch galt es zu überlegen, ob die Finanzabteilungen auf Grundlage der neuen Gesetzeslage kirchlich noch tragbar wären, oder ob es Möglichkeiten gäbe, ihnen entweder entgegenzutreten oder sie auf kirchlicher Linie zu halten. Erst die 17. Durchführungsverordnung lenkte im Dezember 1937 die Aufmerksamkeit der kirchlichen Gremien von den Finanzabteilungen ab, da der Staat nun sogar wieder Kirchenleitungen einsetzte.

3.9.1. Das Kasseler Gremium und die Bekennende Kirche Als erste kirchliche Stimme äußerte sich das sogenannte „Kasseler Gremium“ zu der neuen Gesetzeslage. Das Gremium hatte sich am 6. Juli 1937 konsti231 Vgl. die Erörterungen auf einer Sitzung von Vertretern süddeutscher Landeskirchen am 3. 7. 1937 (Verantwortung III, hier 500 – 514); auch die Mitschrift Meisers zu der gemeinsamen Sitzung von Kirchenführerkonferenz, Lutherrat und 2. VKL vom 5. 7. 1937 (ebd., hier bes. 531 – 533); und die Mitschrift Meisers zu der Sitzung derselben Gremien am 6. 7. 1937 (ebd., hier 542 – 546, 551). 232 Schulze, Einleitung III, 25. 233 Ebd. 234 Vgl. die Erörterungen auf einer Sitzung von Vertretern süddeutscher Landeskirchen am 3. 7. 1937 nach einer Mitschrift Meisers (Verantwortung III, hier 500 – 514).

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Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen

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tuiert; es repräsentierte die Kirchenführerkonferenz, den Lutherrat und die 2. Vorläufige Kirchenleitung und umfasste somit das gesamte Spektrum neutraler und bekenntniskirchlicher Leitungsorgane.235 Umgehend wandte sich die neue „kirchliche Kampfgemeinschaft“236 am 7. Juli 1937 mit zwei Anschreiben an die Reichsregierung:237 Das erste Schreiben238 war ein allgemeines Plädoyer für die kirchliche Selbstbestimmung und ein „Lebensrecht der Kirche innerhalb der Volksgemeinschaft“ sowie eine Abrechnung mit der Kerrl’schen Kirchenpolitik. Diesem Schreiben war noch eine weitere Stellungnahme nur zur 15. Durchführungsverordnung beigelegt.239 Anknüpfend an den Protest der Kirchenführerkonferenz gegen die 13. Durchführungsverordnung,240 der erst drei Monate zurücklag, bemängelte das Kasseler Gremium die „Tendenz zur Beseitigung des selbständigen Rechts der Kirche“ und viele der neuen Bestimmungen der Verordnung. Die Weisungsberechtigung des Reichskirchenministers bezüglich Kirchensteuern und Staatsleistungen etwa sei „der sichtbarste Ausdruck eines Staatskirchentums und eines autoritären Prinzips, das in den Beziehungen zwischen Staat und der Evangelischen Kirche bisher fremd war, das dem evangelischen Kirchenrecht zuwiderläuft und daher ernsten grundsätzlichen Bedenken unterliegt.“ Besonders kritisiert wurde, dass eine Befristung der Finanzabteilungen nicht mehr vorgesehen und die Verordnung nicht als Übergangsbestimmung gekennzeichnet sei. „Offenbar ist also an eine Maßnahme von nicht abzusehender Dauer gedacht. […] Bei dieser unbestimmten Dauer des neuen Verordnungswerkes wiegen die gegenüber den bisherigen Bestimmungen bedeutend verschärften Eingriffe in das Rechtsleben der Landeskirchen umso schwerer.“ Insgesamt müsse gegen die 15. Durchführungsverordnung „nachdrücklichst Verwahrung“ eingelegt werden.241 235 Vgl. dazu Meier, Kirchenkampf III, 26 – 33; Schulze, Einleitung III, bes. 25 – 31; Klìgel, Landeskirche, 245 – 250. Das gemeinsame Vorgehen im Kasseler Gremium währte indes nicht lange und war nur wenige Monate wirklich aufrechtzuerhalten. 236 Meier, Kirchenkampf III, 27. 237 Diese gingen auch an Hitler persönlich, wurden von der Reichskanzlei jedoch zuständigkeitshalber ans Reichskirchenministerium weitergeleitet. Vgl. BArch R 43 II / 160, Bl. 140 und 141. Ärgerlich für das Kasseler Gremium, denn eigentlich hatte Hitler direkt überzeugt werden sollen, dass die strittigen Durchführungsverordnungen außer Kraft zu setzen seien „und die Frage der Finanzabteilungen gründlich revidiert“ werden müsse, so Marahrens laut Mitschrift der Sitzung von Meiser (Verantwortung III, hier 524). Als eine Reaktion der Reichsregierung ausblieb, sandte das Kasseler Gremium sogar noch ein Telegramm an Hitler, um um eine Audienz bei ihm nachzusuchen. Diese kam nicht zustande, vgl. ebd., 553 Anm. 3. Vgl. zu der Genese der Schreiben die Mitschriften Meisers zu den gemeinsamen Sitzungen der am Kasseler Gremium beteiligten Organisationen am 5. und 6. 7. 1937 (ebd., bes. 531 – 533, 542 – 551). 238 BArch R 43 II / 160, Bl. 130 – 135, folgendes Zitat Bl. 131. 239 Ebd., Bl. 136 – 138, daraus auch die folgenden Zitate. Entwurf auch in LkAH D 15 I Nr. 12. 240 Siehe unten 138. 241 Den Beratungen zu dieser Denkschrift lag ein „Votum zur 15. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der DEK vom 25. Juni 1937“ zu Grunde, welches offenbar Ober-

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134 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung Eine Reaktion des Staates auf diese Schreiben des Kasseler Gremiums erfolgte nicht.242 Dennoch, oder gerade deshalb, blieb der Protest gegen die 15. Durchführungsverordnung während der Aktivitäten des Kasseler Gremiums stets präsent und wurde wiederholt bekräftigt;243 die Finanzabteilungen wurden als „das Gefährlichste in der ganzen kirchlichen Auseinandersetzung“244 angesehen. Die Bekennende Kirche der Altpreußischen Union nahm auf der Bekenntnissynode von Lippstadt im August 1937 ausführlich zur 15. Durchführungsverordnung Stellung.245 In dem auf der Synode beschlossenen Wort an die Gemeinden hieß es grundsätzlich: „Die Gemeinde, die des Herrn Eigentum ist und ihm allein dient, hat verantwortlich dafür Sorge zu tragen, daß ihr Geld und Gut zu nichts anderem verwendet wird als zur rechten Ausrichtung des Auftrages der Kirche. Darum darf sie die Verfügung über das ihr zu ihrem Dienst anvertraute Gut nicht preisgeben. Sie darf nicht zulassen, daß auf dem Verordnungswege die Leitung der Kirche in fremde Hände gerät. Gegenüber den Versuchen einer staatlichen Zwangsverwaltung der Kirche, darf sie kein Opfer scheuen, um in eigener Freiheit und Verantwortung die Mittel aufzubringen, deren Sie [sic] für ihren Dienst bedarf.“246

Darüber hinaus fasste die Synode einen eigenen Beschluss zu den Finanzabteilungen.247 Sie stellte fest, dass „die Finanzabteilungen in steigendem Maße zu Werkzeugen der Durchführung einer Verstaatlichung der Kirche gemacht“ worden seien. Der Reichskirchenminister baue „die Finanzabteilungen als selbständige Staatsbehörden innerhalb der Kirchen nach allen Seiten hin aus.“ Im Rahmen einer bemerkenswerten Exegese der angeprangerten Verordnung beklagte die Bekenntnissynode, der Reichskirchenminister greife „durch die von ihm allein eingerichteten und allein abhängigen Finanzabteilungen beständig und grundsätzlich in das bisher durch Staatsgesetze geschützte Leben der Kirchen und Gemeinden ein.“ Das sei „nach der gescheiterten Eingliederungspolitik von Müller und Jäger“ ein weiterer Versuch, „eine im Wider-

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landeskirchenrat Niemann aus Hannover ausgearbeitet hatte (vgl. Verantwortung III, 531 Anm. 80). Es findet sich in LkAH D 15 I Nr. 12. Denkschrift und vor allem auch Votum wurden im kirchlichen Raum verbreitet, vgl. dazu auch eine undatierte Notiz in LkAH S 1 E I 923, Bl. 8. Vgl. Verantwortung III, 552 f. Anm. 2. Vgl. etwa die sogenannte „Kasseler Botschaft“ vom 23. 8. 1937 (KJ, 194 – 198, hier 197); die an Kerrl gerichtete Erklärung des Kasseler Gremiums zur 17. Durchführungsverordnung vom 23. 12. 1937 (BArch R 5101 / 23502, Bl. 468 – 474, hier Bl. 468; KJ, 220 – 224); oder auch die Erklärung des Kasseler Gremiums vom 28. 12. 1937 (ebd., 224 – 226). So Landesbischof Marahrens, laut Mitschrift Meisers, in der Sitzung des Kasseler Gremiums vom 28. 9. 1937 (Verantwortung III, hier 611). Die Beschlüsse der Synode sind abgedruckt in: Niesel, Verkündigung, 41 – 57. Vgl. ansonsten dazu Ders., Wort, 149; Meier, Kirchenkampf II, 174 f.; KJ, 199 – 205. Niesel, Verkündigung, 41. Ebd., 43 – 50, daraus auch die folgenden Zitate.

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Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen

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spruch zu der kirchlichen Grundnorm in Schrift und Bekenntnis stehende zentralistische Reichs- und Nationalkirche zu schaffen.“ Durch die 15. Durchführungsverordnung würde „staatlichen Organen die Finanzdiktatur über die Kirche übertragen und der Primat der kirchenfremden Verwaltung gegenüber der kirchlichen Leitung aufgerichtet.“ Diese kirchenfremde Verwaltung werde gleichzeitig „einem nichtkirchlichen weil politischen Maßstab“ unterworfen. An dem staatlichen Charakter der Finanzabteilungen bestand der Synode kein Zweifel. „Der Staat hat somit“, so ihr Resümee, „ein Kirchenregiment gesetzt, das weder an das Bekenntnis der Kirche gebunden noch von der Kirche legitimiert ist. Nach dem einmütigen Zeugnis der Bekenntnisschriften unserer Kirche kann aber die Kirche nur von einer Leitung regiert werden, welche selbst an Schrift und Bekenntnis gebunden ist, von der an Schrift und Bekenntnis gebundenen Gemeinde legitimiert wird und ihr verantwortlich ist.“ Dort, wo die „Finanzabteilungen Kirchenleitung ausüben oder das unchristliche Kirchenregiment der Deutschen Christen wieder aufrichten und fördern, muß die Kirche widerstehen.“

Dieses eindeutige Votum der Bekenntnissynode reihte sich ein in den Gedanken des Dahlemer Notrechts, setzte die Finanzabteilungen mit den DCKirchenregimentern gleich und rief zu Widerstand auf. In der Praxis war dieser Widerstand nicht ohne Kompromisse durchzuhalten, weil der Protest der Bruderräte letztlich doch nur soweit reichen konnte, wie die finanziellen Folgen irgend tragbar oder kompensierbar waren. Sehr entschieden wurden die Finanzabteilungen schon im August 1937 so wahrgenommen, wie Muhs sie entwickeln wollte: als mächtige Staatsbehörden im Raum der Kirche. Gleichzeitig war diese eindrückliche Stellungnahme die letzte einer altpreußischen Bekenntnissynode zu den Finanzabteilungen.248

3.9.2. Die Landeskirchenleitungen Seit Erlass der 15. Durchführungsverordnung schwebte über den Landeskirchen das Damoklesschwert einer potentiellen Finanzabteilung, schließlich war in der Verordnung vorgesehen, in allen Landeskirchen Finanzabteilungen einzurichten. Im Mai/Juni 1938 war diese Frage für die Landeskirchenleitungen wieder besonders aktuell geworden. Die Situation hatte sich durch die Einrichtung einer neuen Finanzabteilung in Baden sowie Umbesetzungen in bestehenden Finanzabteilungen verschärft. Die Maßnahmen hatten in den betroffenen Kirchengebieten zu erbitterten Protesten geführt, hatte man doch 248 Auf der folgenden sechsten Bekenntnissynode in Berlin-Nikolassee im Juni 1938 wurde bezüglich der Finanzabteilungen nur noch auf die Beschlüsse der Synode in Lippstadt verwiesen, vgl. Niesel, Verkündigung, 59.

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136 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung gerade mit der Verpflichtung zum Treueeid auf Hitler neuerlich guten Willen gezeigt. Wo bisher noch keine Finanzabteilungen bestanden, wuchs die Besorgnis, es könnte nun zu ihrer Einrichtung kommen.249 Vor allem die süddeutschen Landeskirchen von Württemberg und Bayern befürchteten, sie könnten nach dem Eingriff in Baden als Nächste betroffen sein.250 Sie bangten um ihre bekenntniskirchliche Prägung und ihre Eigenständigkeit. Es war bekannt, dass das Reichskirchenministerium schon länger Pläne für ein Eingreifen in den Landeskirchen hegte,251 es lagen auch bereits entsprechende Ankündigungen dazu vor.252 Im Prinzip wartete das Reichskirchenministerium nur auf einen geeigneten Anlass zur Intervention. Letztlich kam es jedoch weder in Württemberg noch in Bayern tatsächlich zur Einsetzung einer Finanzabteilung. Das Scheitern der Pläne hat mehrere Gründe: Zum einen kam den Landeskirchen die Uneinigkeit der NS-Führung zugute, denn das Reichskirchenministerium konnte sich etwa in Württemberg nicht gegen den Widerstand von Reichsstatthalter Wilhelm Murr sowie Ministerpräsident und Kultusminister Christian Mergenthaler durchsetzen.253 Diese sträubten sich gegen die Bildung einer Finanzabteilung, da sie in ihrer Hoheit über die Landeskirche nicht vom Reichskirchenministerium eingeschränkt werden wollten. Sie urteilten, dass eine Finanzabteilung dem Trend einer Trennung von Kirche und Staat zuwiderliefe.254 Die Staats- und Parteistellen Bayerns und Württembergs fürchteten außerdem, ein staatlicher Eingriff könnte zu ähnlich schweren öffentlichen Auseinandersetzungen führen, wie die Eingliederungsbemühungen im Jahre 1934. Dies wollte man nicht noch einmal riskieren.255 Bereits die ersten warnenden Anzeichen, eine Finanzabteilung könnte gebildet werden, hatten in den süddeutschen Landes-

249 Vgl. etwa das Schreiben der Landesbischöfe Marahrens, Wurm, Meiser, Kühlewein und Johnsen an den Reichskirchenminister vom 2. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 55 f.); Wurm an Hitler vom 12. 7. 1938 (Sch•fer, Landeskirche V, 1001 f.). 250 Diese Befürchtung bestand letztlich bereits seit 1935 und verschwand nie ganz aus dem Bewusstsein der Landeskirchenleitungen, vgl. etwa die Mitschrift Meisers zur Lutherratssitzung vom 14. / 15. 6. 1937 (Verantwortung III, hier 405 f.). 251 Vgl. Muhs an Reichsstatthalter Murr vom 12. 11. 1937 (BArch R 5101 / 23772, Bl. 295). Muhs schrieb an Murr, dass er nunmehr die Einrichtung einer Finanzabteilung in Württemberg beabsichtige, und bat um Personalvorschläge für die Besetzung. Vgl. auch Wurm an Kerrl vom 12. 1. 1938 (BArch R 43 II / 160a, Bl. 54 – 57, hier Bl. 54); Rundschreiben Wurms an die Prälaten und Dekane der Landeskirche vom 7. 1. 1938 (Sch•fer, Landeskirche V, 306 – 310, hier 307 f.). 252 Vgl. Kanzelverkündigung Wurms für den 12. 6. 1938 (Sch•fer, Landeskirche V, 996 f.); siehe auch das Schreiben des Beirates der württembergischen Kirchenleitung vom 13. 6. 1938 an Kerrl (BArch R 58 / 5779); Kern (Amt für Volksmission in Bayern) an Bartels (LKA-Hannover) vom 11. 6. 1938 (LkAH S 1 H II 113, Bl. 25). 253 Vgl. auch Nagel, Bildungsreformer, bes. 80 – 90, zu dem Eigensinn der Kultusministerien der Länder. 254 Vgl. Meier, Kirchenkampf III, 447. 255 Vgl. Vermerk Ruppels vom 12. 2. 1938 (BArch R 5101 / 23772, Bl. 341 f.).

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Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen

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kirchen für große Aufmerksamkeit gesorgt.256 Der kirchliche Widerwille allein jedoch wäre, wie das Beispiel Badens zeigt, für das Reichskirchenministerium kein zwingender Grund gewesen, von der Bildung der Finanzabteilungen abzusehen. Die ablehnende Haltung der politischen Regionalinstanzen war hierfür die notwendige Bedingung.257 Die Deutschen Christen waren in der Frage neuer Finanzabteilungen geteilter Auffassung, je nachdem, in welcher Situation sie sich selber in ihrer Landeskirche befanden. Waren sie in einer Minderheitenposition gegenüber einer neutralen oder bekenntniskirchlichen Kirchenleitung, so forderten und befürworteten sie die Einrichtung einer Finanzabteilung, von der sie sich eine Vertretung ihrer Interessen gegenüber der Kirchenleitung erhofften – so auch in Württemberg und Bayern.258 Dort aber, wo die Deutschen Christen selbst die Kirchenleitung stellten, war eine Finanzabteilung unerwünscht, hätte sie doch eine Schmälerung ihrer Macht bedeutet. 3.9.3. Der Lutherrat und die Kirchenführerkonferenz Das Problem der Finanzabteilungen bestand für die Bekennende Kirche fort, auch als das Kasseler Gremium bereits wieder zerfallen war. Der Lutherrat beschäftigte sich daher etwa auf seiner Sitzung am 2. Juni 1938 eingehend mit den Finanzabteilungen259 – Anlass war die FA-Neueinrichtung in Baden. Aus dieser Sitzung ging ein Schreiben der Landesbischöfe Marahrens, Wurm, Meiser, Kühlewein und Johnsen hervor, in dem sie die Finanzabteilungen heftig angriffen.260 Der Lutherrat erstellte außerdem ein Gutachten zu den Finanzabteilungen.261 In diesem Gutachten lehnte er die Finanzabteilungen in der gegebenen Form als bekenntniswidrig ab, weil sie nicht auf die Wahrnehmung der dem Staat zugestandenen Aufsicht über die äußere Verwaltung der Kirche beschränkt seien, sondern „Anspruch auf ein wesentliches Stück 256 Wurm kündigte etwa schärfsten Widerstand seiner Landeskirche an, sollte eine Finanzabteilung eingerichtet werden. Wurm an Kerrl vom 12. 1. 1938 (BArch R 43 II / 160a, Bl. 54 – 57, hier Bl. 56). Vgl. auch das Gutachten vom 3. 7. 1937 zur 15. Durchführungsverordnung von Theodor Dipper, dem Vorsitzenden des württembergischen Landesbruderrates (Sch•fer, Landeskirche V, 301 – 304). 257 Vgl. zum Ganzen: BArch R 5101 / 23772; BArch R 43 II / 160a, bes. Bl. 51, 58 – 60; Sch•fer, Landeskirche V, bes. 299 – 310, 865 – 867, 999 f.; Meier, Kirchenkampf III, 446 f., 454; Dipper, Württemberg, 163 – 165 Anm. 170. 258 Vgl. BArch R 5101 / 23772, Bl. 255, 258 f., 284 f.; BArch R 5101 / 23774, Bl. 121, 123 f.; auch Meier, Kirchenkampf III, 446 f., 464. 259 Vgl. Protokoll der Sitzung in LkAH D 15 III Nr. 13. 260 Schreiben an den Reichskirchenminister vom 2. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 55 f.); wortgleich auch an den Reichsinnenminister (BArch R 58 / 5779) und Göring (LkAH S 1 E II 113, Bl. 33 – 35). Vgl. zu dem Schreiben auch Schneider, Zeitgeist, 186. 261 Gutachten vom 18. 6. 1938 (Sch•fer, Landeskirche V, 997 f.). Das Gutachten scheint nach der Sitzung des Lutherrats vom 2. Juni 1938 entstanden und später an die angeschlossenen Kirchen rundverschickt worden zu sein.

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138 Finanzabteilungen 1937 – 1941: Zwischen Radikalisierung u. Mäßigung des Kirchenregiments“ erhöben. Nach lutherischem Bekenntnis stehe das Kirchenregiment allein der Kirche zu und könne „nur eines sein, das sowohl für die rechte Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung als auch für die äußere Leitung der Kirche, die Handhabung ihrer Verfassung und ihres Rechtes und die Verwaltung ihres Kirchengutes und ihrer Finanzen verantwortlich ist […] Die staatlichen Finanzabteilungen aber, deren Mitglieder an das Bekenntnis der Kirche nicht gebunden sein müssen, die sogar der Kirche und ihrer Lehre feindselig gesinnt sein können oder gar nicht mehr Glieder der Kirche zu sein brauchen, sind nicht in der Lage, die Mittel der Kirche gemäß ihrer bekenntnisgebundenen Bestimmung zu verwalten.“

Die Einrichtung staatlicher Finanzabteilungen bedeute daher „einen unmittelbaren Eingriff in Lehre und Kultus“.262 Die Kirchenführerkonferenz hatte sich bereits 1937 im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit der 13. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz kritisch mit den Finanzabteilungen beschäftigt.263 Als Resultat lehnte die Kirchenführerkonferenz sogar den Vollzug der Verordnung in den ihr angeschlossenen Landeskirchen ab.264 1938/39 stellte die Kirchenführerkonferenz dann in Auseinandersetzung mit Kerrls Oktoberprogramm und seinen anschließenden Kircheneinigungsbemühungen vor allem grundsätzliche Erwägungen zu dem Verhältnis von Staat und Kirche an, ohne sich noch einmal speziell den Finanzabteilungen zu widmen. Dennoch geht aus verschiedenen Stellungnahmen der Kirchenführerkonferenz hervor, dass sie die Finanzabteilungen in der gegenwärtigen Form für untragbar hielt. „Das staatliche Aufsichtsrecht gegenüber den Kirchen“, so hieß es in einer Stellungnahme zum Oktoberprogramm, „muß so gestaltet und gehandhabt werden, daß der Kirche die Regelung ihrer Angelegenheiten selbst überlassen bleibt, ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen Staat und Kirche ermöglicht und die Evangelische Kirche gegenüber der Katholischen nicht unter ein Ausnahmerecht gestellt wird.“265 262 Vgl. auch das Gutachten des Lutherischen Rates vom 9. 4. 1935 (Hermelink, Kirche, 269 – 271). 263 Vgl. die Mitschrift zur Sitzung am 3. 4. 1937 von Landesbischof Meiser (Verantwortung III, hier 251 – 253, 255 f.); Marahrens an Kerrl vom 8. 4. 1937 (BArch R 43 II / 160, Bl. 116 – 119; KJ, 170 – 172). 264 Vgl. dazu auch Mitschrift Meisers zur Lutherratssitzung vom 14. / 15. 6. 1937 (Verantwortung III, hier 405 f.); Mitschrift Meisers zur Lutherratssitzung vom 15. 6. 1937 (ebd., hier 476 – 489); Mitschrift Meisers zur Lutherratssitzung vom 21. 10. 1937 (ebd., hier 665 – 667). 265 Kirchenführerkonferenz an Kerrl vom 7. 11. 1938 (KJ, 272 f.). Vgl. auch Kirchenführerkonferenz an Kerrl vom 11. 1. 1939 (ebd., 276 – 282, folgendes Zitat 281), wo gefordert wurde, die Finanzabteilungen müssten so umgestaltet werden, „daß eine kirchliche Gesamtleitung nicht mehr in Frage gestellt wird.“ Vgl. dazu auch Meier, Kirchenkampf III, 72; Klìgel, Landeskirche, 362; Brunotte, Kurs, 22

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Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen

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Unmittelbar vor Kriegsausbruch wurde der Geistliche Vertrauensrat als neues übergreifendes Kirchengremium gegründet. Bis Ende 1941 beschäftigte sich der Vertrauensrat zwar schon gelegentlich mit FA-Einzelfragen,266 doch gab er zu diesem Thema noch keine grundsätzliche Stellungnahme ab. Dies sollte sich in der zweiten Kriegshälfte ändern. Insgesamt konnten die kirchlichen Proteste die Entwicklung der Finanzabteilungen nicht nachhaltig beeinflussen. Wohl trugen sie in einigen Landeskirchen dazu bei, dass keine neuen Finanzabteilungen eingerichtet wurden, doch waren sie hierbei nicht der ausschlaggebende Faktor. Auch konnten kirchliche Eingaben die Umbesetzungen in den Finanzabteilungen weder verhindern noch bewirken, dass diese rückgängig gemacht wurden. Erst während des Krieges kam das Reichskirchenministerium den kirchlichen Anliegen in manchen Einzelfragen entgegen – erst unter den veränderten politischen Bedingungen und nach Kerrls Kurswechsel konnten kirchliche Beschwerden tatsächlich Erfolg bringen.

266 Vgl. die Protokolle der GVR-Sitzungen (LkAH S 1 E II 129a, passim).

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4. Die Finanzabteilungen 1942 – 1945: Staatskommissariat 4.1. Die Übernahme des Reichskirchenministeriums durch Muhs Ende 1941 Am 14. Dezember 1941 starb Reichskirchenminister Kerrl auf einer Dienstreise in Paris. Sogleich zeigte sich Bormann „ausserordentlich an den Fragen interessiert, die sich infolge des Todes des Reichsministers Kerrl ergeben haben.“1 Bereits am 16. Dezember ließ er der Reichskanzlei seine Vorstellungen für die Zukunft des Reichskirchenministeriums mitteilen. Danach bestanden „gewisse Hemmungen dagegen, daß Staatssekretär Muhs selbständig mit der Führung der Geschäfte des Reichskirchenministeriums betraut würde.“2 Schließlich ließ sich Bormann in einem Gespräch am 20. Dezember 1941 mit Heinrich Lammers, dem Chef der Reichskanzlei, doch darauf ein, Muhs mit der Geschäftsführung zu betrauen. „Reichsleiter Bormann“, so Lammers in einem Vermerk, „hält es aber für unbedingt erforderlich, daß Staatssekretär Muhs besonders eindringlich darauf hingewiesen wird, daß er die Führung der Geschäfte des Reichskirchenministers keinesfalls dazu benutzen dürfe, um Kirchenpolitik zu machen; keinesfalls dürfe er die von Reichsminister Kerrl verfolgte Kirchenpolitik irgendwie fortsetzen.“3

Diese Auffassung teilte auch Hitler, so dass Lammers Muhs bei dessen Beauftragung die „Weisung des Führers“ mitteilte, er habe „von einer eigenen Kirchenpolitik grundsätzlich abzusehen“4 und sich auf die formale Führung der Geschäfte zu beschränken. Bei kirchenpolitischen Fragen, die dennoch unbedingt einer Entscheidung bedürften – „als solche werden nur Fragen zweiter und dritter Ordnung in Frage kommen“ – habe er „im engsten Einvernehmen mit dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei und Leiter der Partei-Kanzlei“ zu handeln.5 Muhs’ Spielraum, dezent dennoch eine eigene 1 2 3 4

Bormann an Lammers vom 15. 12. 1941 (BArch R 43 II / 1156b, Bl. 22; Dokumente V, 372). Vermerk Kritzingers (BArch R 43 II / 1156b, Bl. 23; Dokumente V, 373 f.). Aktenvermerk Lammers’ vom 23. 12. 1941 (BArch R 43 II / 1156b, Bl. 24; Dokumente V, 374). Aktenvermerk Lammers’ vom 16. 1. 1942 (BArch R 43 II / 1156b, Bl. 25; Dokumente V, 374 f.), daraus auch die folgenden Zitate. 5 Vgl. insgesamt zu der Situation nach Kerrls Ableben: Besier, Kirchen, 301; Boberach, Organe, 308; Grìnzinger, Zuständigkeit, 114 f.; Longerich, Stellvertreter, 242; Melzer, Vertrauensrat, 270 – 272; Rebentisch, Führerstaat, 255 f.; außerdem Dokumente V, 372 – 375; und BArch R 43 II / 1156b, Bl. 19 – 31, 34 – 40.

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Die Übernahme des Reichskirchenministeriums durch Muhs Ende 1941 141

Kirchenpolitik zu verwirklichen, war damit sehr eingeschränkt; nicht anders war es de facto schon für Kerrl gewesen. Er konnte nur über bestehende kirchenpolitische Instrumente verfügen und hatte sich in Zurückhaltung zu üben. Trotzdem schickte er sich an, seine verbliebenen Spielräume so gut es ging auszunutzen. Er war nicht gewillt, sich von Bormann und Lammers völlig ausbooten zu lassen. Konzeptionell knüpfte Muhs dabei an seine Denkschrift aus dem Winter 1937/38 an. Er zielte unverändert darauf ab, den administrativen Einfluss des Staates auf die Kirchen zu verstärken und dies schien ihm am einfachsten möglich über dem Staat hörige Finanzabteilungen. Ihr äußerer Ausbau war ihm zwar verwehrt, den inneren Ausbau aber konnte er vorantreiben. Ein Briefwechsel aus dem Februar 1942 erlaubt Einblicke in Muhs kirchenpolitische Absichten: Auf Veranlassung von Bormann6 hatte Lammers Muhs am 22. Februar 1942 angeschrieben, um ihn daran zu erinnern, dass Hitler keine über die Verfassung von 1933 hinausgehende Zusammenfassung der evangelischen Kirche wünsche. „Es dürfte dieser Entscheidung des Führers entsprechen, daß auch sonstige staatliche Maßnahmen unterbleiben, die durch einen Eingriff in die Organisation der Evangelischen Kirchen deren Verstärkung mit sich bringen. Es ist mir daher sehr zweifelhaft, ob die Einrichtung einer Finanzabteilung bei der Bremischen Evangelischen Kirche im Rahmen der oben wiedergegebenen Weisungen des Führers liegt. Ich darf Sie auf diese Weisungen des Führers hinweisen und bei der Gelegenheit der Bitte Ausdruck geben, von der Einrichtung etwaiger weiterer Finanzabteilungen bei den Evangelischen Landeskirchen abzusehen.“7

Sehr aufschlussreich ist Muhs’ Antwortschreiben an Lammers vom 28. Februar 1942.8 Er beteuerte, er „werde von der Neueinrichtung von Finanzabteilungen bei den evangelischen Kirchen auf alle Fälle absehen“ und dem „Wunsch des Führers“ entsprechen. Dann aber schritt er zu einem Plädoyer für die Finanzabteilungen: „Tatsächlich ist mit Gesetz vom 11. 3. 35 vom Preußischen Staatsministerium die Institution der Finanzabteilung im Kirchenkampfe als ein Machtmittel des Staates gegen die Kirchen geschaffen worden. Die Finanzabteilungen haben weder jemals einer Zusammenfassung noch einer Stärkung der Kirchen gedient, sie sind vom Kirchenministerium stets nur als ein Machtmittel des Staates gegen die Kirchen Die Reichskanzlei war auch schon früher an kirchenpolitischen Entscheidungen beteiligt gewesen, doch bedingte es ihr Aufgabenfeld, dass sie dabei vor allem eine vermittelnde und prüfende Funktion einnahm, ohne sachlich eine eigene Politik zu betreiben. Vgl. zur Reichskanzlei: Rebentisch, Hitlers Reichskanzlei; Ders., Führerstaat, bes. 46 – 67, 424 – 441, 456 – 463; Mommsen, Aufgabenkreis. 6 Bormann an Lammers vom 11. 2. 1942 (BArch R 43 II / 170a, Bl. 45 f.; Dokumente V, 382). 7 BArch R 43 II / 170a, Bl. 47 (Dokumente V, 383). 8 BArch R 43 II / 170a, Bl. 48 f. (Dokumente V, 383 – 385), daraus auch folgende Zitate.

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Die Finanzabteilungen 1942 – 1945: Staatskommissariat

gehandhabt und von allen Kirchen ohne jede Ausnahme – einschließlich der deutschchristlichen – auch betrachtet worden. Von kirchlicher Seite hat man sich gegen die Einrichtung der Finanzabteilung stets auf das Heftigste gesträubt, weil man sah, daß es das wirksamste Mittel des Staates war, um der Kirchenführung die Macht aus der Hand zu nehmen. Ich kann es auch nicht leugnen, daß ich selbst ebenfalls immer die Überzeugung gehabt habe, daß die Finanzabteilungen das geeignetste Mittel des Staates sind, um die kirchliche Macht auf leichtestem und schnellstem Wege unwirksam zu machen. Der Gedanke, daß die Einrichtung von Finanzabteilungen den von Ihnen übermittelten Weisungen des Führers widersprechen würde, lag mir deshalb auch fern.“

Diese Argumentation sollte die Finanzabteilungen gegen Angriffe ihrer Gegner schützen,9 zeigte aber auch Muhs’ wirkliche Haltung in der Sache. Deutlich wurde, dass ihm die geistliche Dimension der Kirchen gleichgültig war, ihm ging es um die staatliche Macht in der Kirche. Dass bereits das Vermögensverwaltungsgesetz von 1935, wie von Muhs behauptet, so explizit diesen Ansprüchen Geltung verschaffen sollte, darf allerdings bezweifelt werden. Muhs verabsolutierte hier seine eigenen Intentionen. Zur Finanzabteilung in Bremen schrieb Muhs, Kerrl habe diese nur eingerichtet, um dem überheblichen Landesbischof Weidemann den staatlichen Willen aufzwingen zu können. „Die Einrichtung einer Finanzabteilung erschien ihm zu diesem Zweck als das geeignete Mittel.“ Muhs fuhr fort: „Es ist mir auch genau bekannt, daß Herr Reichsminister Kerrl nur in diesem Ausnahmefalle zu dem besonderen Zwecke von diesem Mittel Gebrauch gemacht hat. Er hat sich oft dahin geäußert, daß er in der Finanzabteilung lediglich ein Machtmittel des Staates gegen die Kirchen sah und immer gewillt war, sie ganz allgemein wieder zu beseitigen. Wenn er davon doch Abstand genommen hat, so lediglich deshalb, weil er selbst wiederholt erfahren hat, daß die Finanzabteilung ein vortreffliches Mittel ist, den staatlichen Willen gegen heftigsten Widerstand in den Kirchen durchzusetzen und daß diese Notwendigkeit öfter und selbst bei nichtigstem Anlaß entstehen kann.“

9 So richtete Muhs am 6. Februar 1943 ein Schreiben mit ähnlichem Duktus an den badischen Kultusminister. Er schloss mit dem Fazit: „Nicht der inneren Ordnung der Kirche dient die Finanzabteilung, sondern zum Schutze der öffentlichen Ordnung und der Wahrung der staatsaufsichtlichen Hoheitsbefugnisse unter Vermeidung der im kirchlichen Raum wenig angebrachten polizeilichen Zwangsmittel.“ BArch R 5101 / 23987, Bl. 100. Vgl. auch badischer Kultusminister an Reichskirchenminister vom 26. 2. 1943 (ebd., Bl. 102).

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Kurswechsel in der FA-Politik: Umgestaltung der Finanzabteilung

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4.2. Kurswechsel in der FA-Politik: Die Umgestaltung der Finanzabteilung in Bremen Muhs ließ Kerrls zuletzt versöhnliche, gemäßigte FA-Politik sogleich hinter sich. Handlungsbedarf herrschte in Bremen, wo Kerrl erst wenige Monate zuvor eine Finanzabteilung eingerichtet hatte. Es hatte dort in dieser Sache viel Aufsehen gegeben, da Bischof Weidemann sich der Finanzabteilung widersetzt und ihre Tätigkeit blockiert hatte. Muhs konnte allerdings eine gespannte Atmosphäre wie in Bremen gerade nicht gebrauchen, da er unmittelbar nach Kerrls Tod eine Unruhe in der Bevölkerung wegen Kirchenfragen nicht verantworten wollte.10 Außerdem pflegte er ein gutes Verhältnis zu Weidemann, die Finanzabteilung aber war mit dessen erklärten Gegnern besetzt und entsprach damit in ihrer Ausrichtung nicht Muhs Vorstellungen. Muhs Lösung war eine FA-Umbesetzung. Den äußeren Anlass bot ein SDBericht, der die Mitglieder der Bremer Finanzabteilung als Freimaurer und Sympathisanten der Bekennenden Kirche diskreditierte, so dass auch Stahn zu dem Ergebnis kam, „die Finanzabteilung in der jetzigen Zusammensetzung [sei] keinesfalls mehr zu halten.“11 Noch vor Weihnachten des Jahres 1941 berief Muhs die bisherigen Mitglieder der Finanzabteilung ab. Stattdessen beauftragte er seinen alten Freund Dr. Georg Cölle mit der Leitung der Bremer Finanzabteilung.12 Dieser konnte dem Sicherheitsdienst als „absolut zuverlässige[r] Parteigenosse[.]“13 präsentiert werden. Außerdem war er auch Weidemann leicht zu vermitteln, schließlich war Cölle seit 1940 als persönlicher Rechtsberater des DC-Bischofs tätig und beide waren gut miteinander bekannt.14 Die Dinge in Bremen entwickelten sich trotzdem recht turbulent, da Cölle „mit der Finanzkontrolle praktisch die Kirchenregierung“15 übernahm. Er führte in Bremen ein straffes Regiment, räumte seine Opponenten aus dem Weg und bedrohte die Kirchenopposition mit Repressalien. Es gelang ihm jedoch auch, sehr rasch den von Weidemanns Eskapaden zerrütteten Haushalt zu konsolidieren. In Bremen selbst wurde angesichts der „Leidensgeschichte“ 10 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 277. 11 Vermerk Stahns vom 17. 12. 1941 (BArch R 5101 / 23798). Vgl. ansonsten dazu den SD-Bericht vom 11. 12. 1941 (ebd.); Vermerk Stahns vom 22. 10. 1941 (BArch R 5101 / 23797). 12 BArch R 5101 / 23798. 13 So Stahn in einem Schreiben vom 24. 12. 1941 an Sturmbannführer Albert Hartl, dem Leiter der für die Kirchenangelegenheiten zuständigen Amtsgruppe des Sicherheitsdienstes (ebd.). 14 Nach Heinonen, Anpassung, 252, 262, waren die beiden sogar eng befreundet. Vgl. zur Umbesetzung der Bremer Finanzabteilung insgesamt: Meyer-Zollitsch, Nationalsozialismus, 291; Dies., Bremische Kirche, 274 f.; Heinonen, Anpassung, 251; Stoevesandt, Gemeinden, 103 – 105; Meier, Kirchenkampf III, 398; Melzer, Vertrauensrat, 272 – 274; Brunotte, Finanzaufsicht, 68 f. 15 Meyer-Zollitsch, Bremische Kirche, 275.

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Die Finanzabteilungen 1942 – 1945: Staatskommissariat

mit Landesbischof Weidemann sogar Cölles Regiment noch zuweilen begrüßt. Das Verhältnis von Cölle zu Weidemann, der sich durch seine weiteren Pläne und neue Skandale ins Abseits manövrierte, war bald ruiniert, auch Muhs ließ den Landesbischof fallen. Auf Betreiben Cölles wurde Anfang 1943 der Vorsitzende der Magdeburger Finanzabteilung, Oberkonsistorialrat Johannes Schultz, mit der kommissarischen Leitung der Bremischen Evangelischen Kirche betraut. Unter Schultz’ Ägide kam es in Bremen zu einer gewissen Entspannung – begünstigt dadurch, dass der vielbeschäftigte Cölle wenig Zeit hatte, sich persönlich um die Bremer Belange zu kümmern. Schultz vertrat Cölle daher zunächst auch in der Finanzabteilung, so dass er in dessen Abwesenheit recht frei walten konnte. Im September 1943 wurde die bremische Finanzabteilung um einen ständigen Vertreter und ein weiteres neues Mitglied ergänzt, die dem bis dahin formal alleine tätigen Cölle zur Seite gestellt wurden16 – Cölle wollte sich mit Rücksicht auf seine anderen Ämter „auf die politischen und alle besonders wichtigen Dinge beschränken“17. Für Cölle bedeutete der bremische FA-Posten 1941 eine weitere Ausweitung seiner Einflusssphäre. Nachdem nun sein Freund und Förderer Muhs an der Spitze des Reichskirchenministeriums stand, sollte damit das Ende seines Aufstiegs noch nicht erreicht sein.

4.3. Die Umbesetzung der Finanzabteilung der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei Mit dem Aufrücken Muhs’ im Reichskirchenministerium verschlechterte sich das Verhältnis des Ministeriums zu den reichskirchlichen Leitungsorganen – zu dem Geistlichen Vertrauensrat und der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei.18 Melzer hat dazu bemerkt: „Denn wer wie Muhs den Wert der Finanzabteilungen verteidigte, mußte fast zwangsläufig den Geistlichen Vertrauensrat und die mit ihm kooperierende Kirchenkanzlei ablehnen, da diese Gremien für jeweils unterschiedliche Konzepte standen. Gehörte der Geistliche Vertrauensrat in die Kategorie von Kerrls Versuchen, neben der juristischen Verwaltung ein geistliches Kirchenleitungsorgan zu instal16 Vgl. dazu Vermerk Cölles über eine Besprechung mit Muhs vom 17. 6. 1943 (LkAB B.203.1, Bl. 78); und die Ernennungsanordnung vom 15. 9. 1943 (ebd., Bl. 109). 17 So Cölle in einem Vermerk vom 23. 10. 1942 (ebd., Bl. 53). Vgl. zu Cölles Tätigkeit in Bremen insgesamt: Meyer-Zollitsch, Nationalsozialismus, bes. 292 – 302; Dies., Bremische Kirche, 275 – 277; Stoevesandt, Gemeinden, 106 – 117; Heinonen, Anpassung, bes. 262 – 264, 266, 269 f.; Meier, Kirchenkampf III, 400. 18 Vgl. dazu Melzer, Vertrauensrat, 277 – 283; Heinonen, Anpassung, 252 f.; Brunotte, Kurs, 45.

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Die Umbesetzung der Finanzabteilung

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lieren, so hatten die Finanzabteilungen ihren Ursprung in einer streng staatskirchlichen Konzeption.“19

Diese Spannungen hatten auch Auswirkungen auf die Finanzabteilung der Deutschen Evangelischen Kirche, wo nach wie vor Präsident Werner den Vorsitz führte und von Vizepräsident Fürle vertreten wurde. Am 3. Oktober 1941 hatte Kerrl Fürle zudem vertretungsweise mit der Leitung der Kirchenkanzlei beauftragt.20 Das Verhältnis von Muhs und Fürle jedoch war bereits seit längerem kritisch. Im Sommer 1942 eskalierte die Situation; Muhs und Fürle gerieten so heftig aneinander, dass Muhs drohte, Fürle seine Ämter bei Kirchenkanzlei und Finanzabteilung zu nehmen.21 Nicht lange blieb es bei der Drohung: Am 21. August 1942 beauftragte Muhs seinen Vertrauensmann Dr. Georg Cölle vertretungsweise mit der Leitung der Geschäfte der Finanzabteilung bei der Kirchenkanzlei, schließlich seien Werner und Fürle dauerhaft zum Heeresdienst einberufen.22 Dass diese Begründung kaum die tatsächlichen Hintergründe der Personalmaßnahme erklärt, zeigt die Tatsache, dass Fürle trotz seiner Einberufung weiterhin in der Kirchenkanzlei die stellvertretende Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche wahrnehmen konnte.23 Muhs allerdings hatte unter diesem Vorwand die Finanzabteilung der Kirchenkanzlei mit ihren weitreichenden Kompetenzen seinem Intimus Cölle übertragen und damit in sein Konzept eingebunden. Diesem Ziel hatten auch die Personalergänzungen der DEKK-Finanzabteilung vom 17. März 1942 dienen sollen. Zu diesem Termin waren drei neue Mitglieder berufen worden: Regierungsdirektor Hoffmeister, dessen Eintritt in die DEKK-Finanzabteilung Muhs seit längerem betrieben hatte, Präsident Paul Kipper und Oberkonsistorialrat Heinz Gefaeller.24 Letzterer dürfte aufgrund seiner Sachkompetenz ausgewählt worden sein, die anderen Neuzugänge waren eher kirchenpolitischen Opportunitäten geschuldet.25 Über Hoffmeisters Zusage, in die Finanzabteilung eintreten zu wollen, freute sich Muhs sehr, denn unter „den obwaltenden Umständen müssen wir dankbar sein, wenn wir einen Mann haben, der in Staat und Partei großes Ansehen genießt.“26 Die Freude war allerdings nur von kurzer Dauer. Hoffmeister er19 Melzer, Vertrauensrat, 283. 20 GBlDEK, 1941, 52 f. Werner war eingezogen worden und nicht in einer Berliner Dienststelle tätig, daher war eine Vertretung notwendig geworden. Fürle, der kurz darauf auch einberufen wurde, blieb in Berlin und konnte daher seine Tätigkeit weiterführen. Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 174 f.; Brunotte, Kurs, 40; Grìnzinger, Werner, 90. 21 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 279 f.; Brunotte, Finanzaufsicht, 69; Ders., Kurs, 46. 22 GBlDEK, 1942, 67. 23 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 280 f.; Brunotte, Kurs, 46. 24 GBlDEK, 1942, 37. 25 So sah der Geschäftsverteilungsplan der DEKK-Finanzabteilung aus dem Dezember 1942 (EZA 1/1604) neben der Leitung der Geschäfte auch nur Aufgaben für Fischer-Dorp, Kretzschmar, Gefaeller und Assessorin Ilse Redecker vor. 26 Anweisung Muhs an Stahn vom 27. 1. 1942, Hoffmeisters Berufung zu veranlassen (BArch R 5101 / 23713, Bl. 229).

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Die Finanzabteilungen 1942 – 1945: Staatskommissariat

hielt von seiner Dienststelle, dem Oberpräsidenten von Hannover, wegen Arbeitsüberlastung keine Freigabe für die Tätigkeit in der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei.27 Sein Engagement in der Kirche war dort offenbar nicht erwünscht. Das Reichskirchenministerium versuchte zwar noch, den Oberpräsidenten, Gauleiter Hartmann Lauterbacher, umzustimmen, doch blieb dieser bei seiner Haltung, so dass Muhs am 14. September 1942 dieses Thema endgültig ad acta legte.28 Anfang 1942 hatte auch Landgerichtsrat Albrecht versucht, seine Arbeit in der DEKK-Finanzabteilung wieder aufzunehmen, nachdem diese längere Zeit geruht hatte. Albrecht war inzwischen aus dem Reichskirchenministerium ausgeschieden und nach einigen Umwegen schließlich im Reichspropagandaministerium gelandet.29 Nun fragte er bei Muhs an, ob es möglich wäre, in einem Gespräch „Weisungen zu erhalten, nach denen Sie die Arbeit in der Finanzabteilung ausgerichtet wissen wollen.“30 Muhs aber ließ Albrecht mitteilen, dass seine Dienste nicht mehr benötigt würden, da „die Geschäfte der Finanzabteilung der DEK durch die Kriegsverhältnisse stark zurückgegangen seien“31. Dass diese Begründung, obwohl zutreffend, nur vorgeschoben war, zeigt die Berufung der drei neuen Mitglieder im März 1942. Es ist eher zu vermuten, dass Muhs befürchtete, Albrecht könnte seine FA-Tätigkeit nutzen, um seinem neuen Dienstherren, Reichspropagandaminister Goebbels, einem Kontrahenten des Reichskirchenministeriums, Interna zuzuspielen.

4.4. Dr. Georg Cölle: Die Gestaltung der Kirche als Aufgabe der staatlichen Finanzabteilungen Cölle und Muhs erwiesen sich bei der Gestaltung des FA-Systems als effektives Team.32 Zwischen beiden bestand eine alte und enge Freundschaft,33 die noch auf hannoversche Zeiten zurückging und dazu führte, dass beide sich eng miteinander abstimmten und gegenseitig unterstützten.34 Als Muhs 1942 mit 27 28 29 30 31 32 33

Ebd., Bl. 234. Vgl. Muhs an FA-DEKK vom 14. 9. 1942 (ebd., Bl. 236); Vermerk vom 7. 9. 1942 (ebd., Bl. 233). Vgl. zu Albrecht: Kreutzer, Reichskirchenministerium, 158 f. Albrecht an Muhs vom 30. 1. 1942 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 203). Büchner an Albrecht vom 25. 2. 1942 (ebd., Bl. 204). Vgl. zu den beiden Brunotte, Kurs, 46 f. Brunotte (ebd., 44) spricht von „intimer“ Freundschaft; auch Ruppel bezeichnete in einem Gespräch mit Hans Buchheim am 13. / 14. 10. 1951 Muhs und Cölle als Freunde, vgl. Protokoll in BArch R 5101 / 36. Vgl. auch Heinonen, Anpassung, 252; Meier, Kirchenkampf II, 411; Besier, Kirchen, 297. 34 Diese Ergänzung von persönlicher Freundschaft und gleichen ideellen Absichten zeigte sich auch etwa in den Geburtstagswünschen Cölles an Muhs zu dessen 50. Geburtstag. Hier wünschte er ihm neben „Gesundheit und persönlichem Wohlergehen […] vor allem, dass Sie die

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Dr. Georg Cölle: Die Gestaltung der Kirche

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der Führung der Geschäfte des Reichskirchenministeriums beauftragt wurde, beglückwünschte Cölle ihn mit den Worten: „Ich habe mich über diesen Erlaß des Führers für Sie und für uns sehr gefreut und glaube zuversichtlich, daß jetzt die Voraussetzungen geschaffen sind, um aus der Evangelischen Kirche doch noch etwas Vernünftiges im Sinne des Dritten Reiches zu machen.“35

Cölle war im Reichskirchenministerium „ständiger Gast“36 und wurde zumeist von Muhs persönlich empfangen.37 Ein besonders enges Verhältnis pflegte Cölle auch zu Ministerialrat Hans Büchner, dem einflussreichen persönlichen Referenten von Muhs.38 In den Jahren seines Vorsitzes in der gesamtkirchlichen Finanzabteilung stand Cölle mit ihm in einem regen Briefkontakt und unterrichtete ihn auch von internen und vertraulichen Vorgängen im FAWesen. Es bestanden also beste Kontakte zwischen Cölle und dem Reichskirchenministerium, was Cölles steiler Karriere im FA-Wesen sicher förderlich war. Die Entscheidung, Cölle mit der Leitung der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei zu beauftragen, war eine programmatische Richtungsentscheidung von Muhs. Erstmals wurde die Finanzabteilung bei der Kirchenkanzlei einem Mann übertragen, der nicht der allgemeinen kirchlichen Verwaltung angehörte und so einen eigenen Kurs steuern konnte. Dem FA-Multifunktionär39 sollte ab 1942/43 eine Schlüsselstellung in der Fortentwicklung der Finanzabteilungen zufallen. Er konnte sich dabei mit voller Kraft seinen FA-Funktionen widmen: Es war Cölle gelungen, zum 1. Oktober 1942 eine Berufung zum Amtsgerichtsrat in Litzmannstadt (Łûdz´) zu erreichen.40 Dieser Posten sollte ihm einstweilen aber nur als Absicherung dienen, falls nach einer siegreichen Beendigung des Krieges die Finanzabteilungen hinfällig würden.41 Seine Tätigkeit als Rechtsanwalt stellte der Jurist damit offiziell ein, sein Amt in Litzmannstadt trat er jedoch nie an, da seine Beurlaubung stets aufs Neue verlängert wurde.42

35 36 37 38 39 40 41 42

gesteckten Ziele erreichen und das Verhältnis Staat – Kirche einmal so regeln können, wie es Ihnen von je her vorschwebte.“ Schreiben vom 17. 5. 1944 (LkAH S 1 H I 956, Bl. 72). Cölle an Muhs vom 5. 2. 1942 (LkAB B.203.5, Bl. 4). Brunotte, Kurs, 46 f. So Ruppels Erinnerungen in einem Brief an Kirchenrat Wiese vom 23. 5. 1950 (BArch R 5101 / 24, Bl. 12 – 15, hier Bl. 14). Vgl. zu Büchner : Kreutzer, Reichskirchenministerium, bes. 153 f. Er war Vorsitzender der Finanzabteilungen in Hannover und Bremen, zudem stellvertretender Vorsitzender in Wolfenbüttel, siehe unten 545 – 547. Vgl. Cölles Personalakte im Reichsjustizministerium (BArch R 3001 / 53570). Vgl. Cölles Aussage in seinem Entnazifizierungsverfahren am 6. 5. 1950 laut Protokoll (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). Vgl. Cölles Personalakte im Reichsjustizministerium (BArch R 3001 / 53570); Cölles Auskunft in seinem Entnazifizierungsverfahren am 4. 5. 1950 laut Protokoll (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380).

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Cölle verfolgte das Ziel einer diskreten und effektiven Kontrolle der Kirche. Die Finanzabteilungen waren hierfür ideal, denn sie waren unmittelbar innerhalb der kirchlichen Verwaltung angesiedelt. Er meinte: „Dadurch, dass die Finanzabteilung an allen finanziellen Vorgängen auch indirekter Art irgendwie beteiligt sei, könne sie eine umfassende Aufsicht ausüben, ohne dass solches nach aussen besonders hervortritt.“43 Cölle ging es dabei nicht um eine Verdrängung der Kirche aus dem öffentlichen Leben. Er lehnte das Christentum nicht ab und war kein grundsätzlicher Kirchenfeind. Cölle betrachtete die Kirche als integralen Bestandteil der „Volksgemeinschaft“, in die sie sich mit voller Hingabe einzufügen habe. „Die Kirche soll nicht eine von Volk und Staatsleben abgeschlossene öffentlich-rechtliche Körperschaft darstellen, sondern soll,“ so Cölle, „wenn sie wirklich ihre Aufgaben erfüllen will, einen Teil des Volksorganismus darstellen und die Funktionen des Volksorganismus ausüben, die auf der christlichen Ebene liegen.“44 Die Kirche sollte sich an ihrem Platz „als Teil des Volksganzen“45 in die Gemeinschaft des „Dritten Reiches“ eingliedern, in dem neuen NS-Gesellschaftssystem aufgehen und auf diese Weise durchaus auch eine Teilhabe daran haben. Sie sollte das nationalsozialistische Gedankengut verkünden. Cölle stellte sich einen NS-Staat vor, in dem die christliche Kirche Volkskirche bliebe. Die dominierende Stellung im Verhältnis von Kirche und Staat konnte indes für Cölle nur dem nationalsozialistischen Staat zukommen, dem die Kirche sich unterzuordnen habe. Dabei sei es selbstverständlich, „daß sich diese Kirche auf ihre eigentlichen inneren Aufgaben beschränkt und es dem Staat als Organ für die äußere Ordnung überläßt, die äußeren Dinge, wie insbesondere die Verwaltung, zu regeln. Ein kircheneigenes Recht im Gegensatz zum Recht des Staates wird abgelehnt.“46 Eine nach Cölles Vorstellungen transformierte, von wesentlichen Elementen der nationalsozialistischen Ideologie durchsetzte Kirche hätte mit der bis dahin Gekannten nicht mehr viel gemein gehabt. Erst insofern kann seine Haltung als antikirchlich und letztlich kirchenzerstörend gedeutet werden. Aus Cölles Haltung ergab sich auch der Gegensatz zur Bekennenden Kirche. Diese reklamierte die Unantastbarkeit der Bekenntnisse, eine autonome Kirchenverwaltung und ein überstaatliches eigenes Recht der Kirche. Für Cölle aber existierte so etwas wie eine äußere Autonomie der evangelischen Kirche grundsätzlich nicht, denn was darunter verstanden würde, wäre nur das, was der Staat durch seine Gesetzgebung der Kirche an Rechten eingeräumt habe. Daraus resultiere, dass der Staat ebenso gut „solche Rechte zurücknehmen 43 So Cölle auf einer Besprechung von FA-Leitern am 1. 9. 1944 laut Protokoll (LkAH S 1 E II 113, Bl. 44 – 46, hier Bl. 44). 44 Cçlle, Leistungen, 811. 45 Ders., Bemerkungen, 1013. 46 Cölle auf einer Besprechung von FA-Leitern am 1. 9. 1944 (LkAH S 1 E II 113, Bl. 44 – 46, hier Bl. 44).

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Das „System Cölle“

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oder einschränken“47 könne. Hiernach konnte der Staat die äußere Gestaltungsform der Kirche jederzeit nach seinem Ermessen ändern. Aus seiner Grundhaltung ergab sich auch Cölles Sympathie für die Deutschen Christen, denn diese standen für eine restlose Eingliederung der Kirche in den Nationalsozialismus. Cölles Verständnis der Finanzabteilungen beruhte auf zwei entscheidenden Elementen: Sie waren für ihn staatliche Institutionen mit einem rein staatlichen Auftrag (Erledigung von Treuhandaufgaben für die Kirche und Ausübung der Staatsaufsicht) und völlig unabhängig von der Kirchenleitung.48 Sehr eindrücklich und in seiner Deutlichkeit kaum zu überbieten hat Cölle sein Verständnis von den Finanzabteilungen auch in einem Brief an Hoffmeister vom 14. August 1942 dargelegt: „Die Finanzabteilung ist eine staatliche Einrichtung. Grundsätzlich kann nach meiner Meinung die staatliche Finanzabteilung in ihren Entschließungen und Maßnahmen nicht von den Entschlüssen kirchlicher Stellen abhängig sein. Nach § 3 der 15. Verordnung hat die Finanzabteilung für die Wahrung der öffentlichen Belange Sorge zu tragen. Sie ist dafür verantwortlich, daß kirchliche und staatliche Vorschriften beachtet werden. Wenn etwa eine kirchliche Bestimmung in Konflikt zu staatlichen Bestimmungen oder staatlichen Auffassungen gerät oder sich so auswirkt, geht für die staatliche Finanzabteilung das staatliche Interesse vor.“ Die „Wirkungsmöglichkeiten der staatlichen Finanzabteilung [dürfen] nicht durch die Entscheidungen kirchlicher Stellen beschränkt werden können.“49

4.5. Das „System Cölle“: Verselbständigung der Finanzabteilungen, Netzwerke und Machtproben Mit dem Bewusstsein, ein Repräsentant des omnipotenten Staates zu sein, ging Cölle daran, seine Führungsposition in der Finanzabteilung bei der Kirchenkanzlei der Deutschen Evangelischen Kirche zu untermauern. Zunächst änderte er die Form der Korrespondenz: Im Briefkopf seiner Schreiben ließ er sich als „Der Leiter der Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirche“ bezeichnen (statt als „Vorsitzender“), außerdem mussten seine Schreiben in der Ich-Form verfasst werden.50 Damit unterstrich Cölle seine Alleinentscheidungskompetenz als „Leiter“ der Finanzabteilung und die Ausrichtung an dem nationalsozialistischen Führerprinzip. Dazu gehörte auch die Anordnung, die an ihn gerichtete Post sei ungeöffnet an seine Se47 48 49 50

Cçlle, Rechtsfragen der 13. Durchführungsverordnung, 669. Vgl. Vermerk Cölles für das Reichskirchenministerium vom 12. 3. 1945 (EZA 1/1608). LkAW FinAbt 90. Internes Rundschreiben vom 15. 9. 1942 (EZA 1/1604).

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kretärin weiterzureichen.51 Andererseits signalisierte er seinen Anspruch auf einen der Kirchenkanzlei nebengeordneten, eigenständigen Status,52 denn der dortige Spitzenbeamte trug die analoge Bezeichnung „Leiter der Kirchenkanzlei“. Außerdem entflocht Cölle den Geschäftsgang von Finanzabteilung und Kirchenkanzlei (getrennte Posteingänge, eigenes Geschäftstagebuch und eigene Registratur, eigener FA-Geschäftsverteilungsplan) und bahnte damit seinen künftigen Unabhängigkeitskurs an.53 Seine Abnabelungstendenzen gingen soweit, dass er alsbald für eine Entfernung des kirchlichen Kreuzes aus dem Dienstsiegel der Finanzabteilung sorgte;54 für eine staatliche Einrichtung schien ihm kirchliche Symbolik offenbar nicht angemessen. Mit der Ernennung Cölles zu ihrem Leiter wurde die Finanzabteilung der Kirchenkanzlei zu einem wichtigen Faktor bei der Durchsetzung der Muhs’schen Kirchenpolitik und erhob einen neuen Führungsanspruch. So bemühte sich Cölle um häufigere FA-Treffen, um die Abstimmung zwischen den Finanzabteilungen zu erhöhen und seine Auffassungen und Maßgaben effektiv kommunizieren zu können. Bisher hatten Werner und Fürle in der DEKKFinanzabteilung die gleiche letztlich kirchliche Linie wie in der Kirchenkanzlei verfolgt.55 Diese Haltung war seinerzeit von Cölle und manchen seiner Gesinnungsgenossen in den landeskirchlichen Finanzabteilungen als äußerst unbefriedigend empfunden worden, lief sie doch der beabsichtigten FAFortentwicklung zu Staatsbehörden zuwider.56 Es war daher im Laufe der vergangenen Jahre zwischen der gesamtkirchlichen und einigen landeskirchlichen Finanzabteilungen bereits zu heftigen Unstimmigkeiten gekommen. Auch innerhalb der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei hatten sich seit Cölles Eintritt im Juni 1938 die internen Spannungen erheblich verstärkt. Cölle, der in der Finanzabteilung „als verlängerter Arm von Muhs“57 fungieren sollte, war dort zunächst zu seinem Leidwesen nicht so recht zum Zuge gekommen. Präsident Werner, der einen neuen Rivalen emporkommen sah, So Cölles Anweisungen vom 19. 10. und noch einmal vom 18. 12. 1942 (ebd.). Vgl. auch Cölle an Muhs vom 9. 2. 1942 (LkAB B.203.2). Vgl. Cölles Anweisung vom 18. 12. 1942 (EZA 1/1604). Vgl. GVR-Vermerk vom 5. 5. 1943 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 282); Brunotte, Finanzaufsicht, 70. 55 Vgl. Brunotte, Kurs, 15; Grìnzinger, Werner, bes. 87, hier bezogen auf Werners Tätigkeit in der Kirchenkanzlei. 56 Am 7. November 1940 schrieb Cölle vertraulich an Oberkirchenrat Doerr, Werner vertrete in grundsätzlichen Fragen „durchaus abwegige Ansichten […], die nur daraus verständlich sind, daß er offenbar seine Macht möglichst stärken will“ (LkAW FinAbt 78). Zusätzlich sorgten einige Mitglieder der DEKK-Finanzabteilung bei Cölle für Bedenken (gedacht war etwa an Meinzolt, Müller oder Gustavus), „da diese gegenüber der Finanzabteilung eine grundsätzlich ablehnende Haltung einnehmen“. Cölle an seine FA-Kollegen vom 11. 7. 1939 (LkAW FinAbt 80). 57 Meyer-Zollitsch, Nationalsozialismus, 292.

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hatte ihm erst auf Drängen des Reichskirchenministeriums im Dezember 1938 als Arbeitsgebiet die Überwachung der Verwendung der Gelder des kirchlichen Außenamtes, der Inneren Mission sowie des Frauen- und Männerwerkes übertragen.58 Cölle, mit seinem Status nicht zufrieden, beanspruchte jedoch, eine Abteilung der Finanzabteilung bei der Kirchenkanzlei zu leiten;59 außerdem bemängelte er gegenüber dem Reichskirchenministerium, dass seine Bemühungen, „wirkliche Arbeit“60 zu leisten, von Werner bisher ausgebremst worden seien. Das Verhältnis von Cölle und Werner blieb in der Folge angespannt.61 Immer wieder hatte auch die Frage des Schriftverkehrs der gesamtkirchlichen Finanzabteilung für Unzufriedenheit bei einigen landeskirchlichen Finanzabteilungen gesorgt: Am 14. Juni 1938 hatte Cölle, als Vorsitzender der hannoverschen Finanzabteilung, die Finanzabteilung der Kirchenkanzlei aufgefordert, von allen Rundschreiben, Verfügungen, Verordnungen usw. nicht nur dem hannoverschen Landeskirchenamt, sondern auch der dortigen Finanzabteilung ein eigenes Exemplar zukommen zu lassen.62 Bald gingen die FA-Vorsitzenden aus Hannover, Karlsruhe und Wolfenbüttel darüber noch hinaus und verlangten, die Finanzabteilung der Kirchenkanzlei solle bestimmte Rundschreiben exklusiv an die landeskirchlichen Finanzabteilungen verschicken, ohne die Kirchenbehörden zu informieren.63 Cölle beklagte, andernfalls würden die kirchlichen Verwaltungsbehörden gegenüber den Finanzabteilungen gestärkt. Er vermisse das nötige Verständnis von der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei und die gebotene Unterstützung der landeskirchlichen Finanzabteilungen bei ihrer „schwierige[n] und aufreibende[n] Tätigkeit“64. Werner hielt die Forderungen zwar für unsinnig, machte aber Zugeständnisse und sicherte den drei klageführenden Finanzabteilungen Ausnahmeregelungen zu.65 Das Thema blieb dennoch virulent, da die Ausnahmeregelungen zum Teil nur kurze Zeit aufrechterhalten wurden und sich die Forderungen der drei Finanzabteilungen mittlerweile auch auf die Rundschreiben der Kirchenkanzlei erstreckten.66 Diese aber machte lediglich 58 Werner an Cölle vom 9. 12. 1938 (EZA 1/1602). 59 Cölle an Werner vom 23. 12. 1938 (ebd.). 60 Cölle an Kerrl vom 31. 1. 1939 (BArch R 5101 / 23710, Bl. 67 – 69, Zitat Bl. 67). Vgl. zu dem angespannten Verhältnis Werner-Cölle auch Brunotte, Kurs, 15; Meyer-Zollitsch, Nationalsozialismus, 292. 61 Vgl. etwa Cölle an Werner vom 3. 7. 1940 (EZA 1/1603). 62 EZA 1/1602. 63 Vgl. die Schreiben an den Reichskirchenminister vom 14., 20. und 22. 2. 1939 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 90 – 93, 94 f. und 96). 64 Cölle an Reichskirchenminister vom 20. 2. 1939 (ebd., Bl. 94 f., Zitat Bl. 94). 65 Vgl. Werner an Reichskirchenminister und den FA-Vorsitzenden in Karlsruhe vom 12. 4. 1939 (ebd., Bl. 98 f.). 66 Vgl. Cölle an DEKK-Leiter vom 12. 7. 1940 (LkAW FinAbt 155); Hoffmeister an DEKK-Leiter vom 3. 8. 1940 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 287); Hoffmeister an DEKK-Leiter vom 14. 2. 1941 (LkAW FinAbt 155).

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geringe Zugeständnisse.67 So blieb Cölle nur, im November 1940 zu resümieren, in der Frage des Schriftverkehrs könne er seine Meinung gegenwärtig nicht durchsetzen.68 Um bei Aktionen wie dieser möglichst schlagkräftig aufgestellt zu sein,69 begannen die Vorsitzenden der Finanzabteilungen, die einen besonders rigiden staatskirchenhoheitlichen Kurs verfolgten, bald, sich eigenständige Netzwerke zu schaffen. Sie bedienten sich damit eines für das nationalsozialistische Herrschaftsgefüge typischen Elements der Herrschaftsorganisation.70 Diese Vernetzungen fanden bewusst abseits der offiziellen Plattform für Abstimmungen unter den Finanzabteilungen statt, den von Werner sporadisch initiierten FA-Treffen, agierten davon unabhängig und verfolgten eigene Zielsetzungen.71 Die ersten Bemühungen, ein eigenes Netzwerk einzurichten, unternahmen im Januar 1939 Cölle (Hannover), Hoffmeister (Braunschweig) und Doerr (Baden) – ein Treffen im kleinen Kreis sollte abgehalten werden.72 Schon im Februar 1939 sprachen sich die drei Finanzabteilungen dann gezielt bei Eingaben ab und versuchten, ihre Forderungen konzentriert bei Reichskirchenministerium oder Kirchenkanzlei durchzusetzen. Cölle avancierte in diesem Kreis schnell zu einer äußerst engagierten Leitfigur und dem Dreh- und Angelpunkt des FA-Netzwerkes – als stets gut informiertes Mitglied dreier Finanzabteilungen, darunter der gesamtkirchlichen, und wegen seiner hervorragenden Beziehungen ins Reichskirchenministerium war er hierfür prädestiniert. Seinen Informationsvorsprung versuchte er für seine Zwecke dienstbar zu machen. So etwa im Sommer 1939, als ruchbar wurde, dass das Reichskirchenministerium gerade an einer Ausführungsanweisung zur 15. Durchführungsverordnung arbeitete. Cölle nahm sofort mit einigen FA-Kollegen Fühlung auf, um die Maßnahme abzuwenden.73 Dieses Schreiben richtete er an denjenigen Zirkel von FA-Hardlinern, von denen er zu wissen meinte, „daß wir nach gleichen Gesichtspunkten 67 Vgl. Werner an Röpke vom 3. 6. 1940 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 267); Werner an FA-Braunschweig vom 5. 10. 1940 (ebd., Bl. 285 f.); Anweisung Fürles für den Geschäftsgang der DEKK vom 21. 5. 1940 (EZA 1/1603); auch den Vermerk über die Sitzung der FA-DEKKvom 25. 9. 1940 (EZA 1/1603). 68 Cölle an Doerr vom 7. 11. 1940 (LkAW FinAbt 78). 69 Ein anderes Beispiel war die 1940 in der Diskussion befindliche reichseinheitliche Neuregelung der Minderheitenfrage (siehe oben 124). Hier fühlten sich Cölle und Hoffmeister von der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei übergangen, vgl. Hoffmeister an Werner vom 10. 7. 1940 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 24); Cölle an Werner vom 6. 8. 1940 (LkAW FinAbt 3); Hoffmeister an Werner vom 14. 8. 1940 (ebd.). 70 Vgl. Hachtmann, Struktur, bes. 60 f.; Reichardt, Radikalität, 9 – 11, 16 – 22. 71 Cölle unterwanderte sogar die von Werner angesetzten Besprechungen, indem er am Vortag ein besonderes Treffen ihm gleichgesinnter FA-Funktionäre veranstaltete, um schon im Vorfeld eine Abstimmung der Haltungen vorzunehmen, vgl. den Vorgang zu dem von Werner anberaumten FA-Treffen am 24. 9. 1940 in LkAKA GA Nr. 7402. 72 Vgl. Hoffmeister an Doerr vom 11. 1. 1939 (LKAW FinAbt 80). 73 Rundschreiben Cölles vom 11. 7. 1939 (ebd.) Siehe zu Cölles Initiative oben 117.

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unseren erhaltenen Auftrag durchführen.“74 Dazu gehörten Reichsleiter Sohns (Düsseldorf)75, SA-Brigadeführer von Schmidt (Berlin-Brandenburg), Bürgermeister Lang (Karlsruhe), Oberregierungsrat Hoffmeister (Wolfenbüttel), Landgerichtsrat Bartholomeyczik (Breslau) und Oberlandeskirchenrat Willy Kretzschmar (Dresden) – fast ausnahmslos staatliche Exponenten und, mit Ausnahme des Cölle-Vertrauten Kretzschmar, keine Kirchenbeamten. Allerdings wandte sich Cölle nicht an alle kirchenfremden FA-Vorsitzenden, ausgespart blieben Kurt Angermann in Königsberg und Hans Stoppenbrink76 in Münster, bei denen er offenbar eine abweichende Amtsauffassung vermutete. Cölles FA-Netzwerk umfasste bewusst nur Finanzabteilungen auf Muhs’scher Linie.77 Anfang 1940 wurde eine Initiative zu einer noch engeren Koordination der Finanzabteilungen unternommen. Nach einem Bericht des Führers des SDAbschnitts Braunschweig ans Reichssicherheitshauptamt78 wurde diese „auf Veranlassung der hies. Dienststelle und in Zusammenarbeit mit dem VM. [scil. Vertrauensmann] bei der Landeskirche Braunschweig“ – Hoffmeister – angestrengt. Sie lag indes auf der Linie der bisherigen Entwicklung, so dass der Einfluss des Sicherheitsdienstes dabei wohl nicht allzu hoch eingeschätzt werden sollte. Laut dem SD-Bericht trafen sich am 26. Januar 1940 vier FA-Vorsitzende (Cölle, Hoffmeister, Kretzschmar, Hans Damrau aus Breslau) und vereinbarten, dass zur „gegenseitige[n] Ausrichtung und Abstimmung aller Massnahmen“ allmonatlich Tagungen bestimmter Finanzabteilungen stattfinden sollten. Die bisherigen Einzelaktionen würden nur „Animosität erregen und zudem verpuffen“; durch gemeinsame Aktionen ließen sich in Berlin bessere Erfolge erzielen. Das Ziel der Initiative war die „Schaffung einer Deutschen Kirche, in der sich alle Nationalsozialisten wohlfühlen können!“ Die Geschäftsführung dieses neugegründeten FA-Zirkels sollte Cölle übernehmen, dessen Führungsposition unumstritten war. Trotz der bescheidenen Resonanz auf dem Gründungstreffen am 26. Januar 1940 wurden ab Anfang 1940 tatsächlich die Treffen bestimmter Finanzabteilungen forciert und fanden, unter Federführung Cölles, nun etwa alle ein bis drei Monate statt. Die schlechte Quellenlage macht eine sichere Aussage über 74 Rundschreiben Cölles vom 11. 7. 1939 (LkAW FinAbt 80). 75 Vgl. zu Sohns auch Kaminsky, Rolle, bes. 215 – 217, 223, 226 f., 232; Ders., Zwang, bes. 209 – 227. 76 Zwischen Stoppenbrink und dem BK-aufgeschlossenen westfälischen Konsistorium unter Präsident Thümmel bestand ein gutes Verhältnis, vgl. Kampmann, Landeskirche, 169 – 171. Offenbar kursierten 1942 im Reichskirchenministerium deshalb Überlegungen, Stoppenbrink durch einen anderen kirchenfremden FA-Vorsitzenden zu ersetzen, doch ist es dazu nicht mehr gekommen, vgl. Vermerk Cölles vom 22. 9. 1942 (EZA 1/1619). 77 Weshalb Cölle aber die Magdeburger Finanzabteilung unter Oberkonsistorialrat Schultz nie in sein Netzwerk einband, obwohl zumindest zeitweise eine kompatible Haltung bestand, muss offen bleiben. 78 Bericht vom 10. 2. 1940 (BArch R 58 / 5746a, Bl. 156 f.), daraus auch die folgenden Zitate.

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Häufigkeit und Wirksamkeit der Treffen unmöglich. Es wurden, wie schon seit 1939, weiterhin Ideen abgesprochen und Aktionen geplant, wirklich regelmäßige, verbindliche Treffen und eine feste Organisation scheinen zunächst nicht bestanden zu haben.79 Das FA-Hardliner-Netzwerk unterlag einer hohen Vertraulichkeit. Seine Existenz sollte möglichst nicht nach außen dringen, wie die stets vertraulichen Einladungen zu den Treffen ausweisen – auch das Reichskirchenministerium war nicht über die Aktivitäten unterrichtet. Es existieren so gut wie keine Niederschriften zu den Sitzungen. Zwischenzeitlich hatte Cölle den Plan verfolgt, die Konsultationen auf eine wesentlich breitere Grundlage zu stellen. Er lud daher für den 28. Juni 1940 zu einem FA-Treffen auch DC-Kirchenleiter ein.80 Diese Erweiterungspläne stießen unter den FA-Netzwerkern jedoch nicht überall auf Gegenliebe. Kretzschmar schrieb am 29. Juli 1940 an Doerr : „Ich halte es für einen Fehler, daß wir unsere Finanzsitzungen durch die Zuziehung von Theologen erweitert haben. Das hat große Spannungen in unsere stets so angenehmen und fruchtbaren Zusammenkünfte gebracht. Auch sind diese Zusammenkünfte jetzt überall bekannt geworden, was sehr unangenehm ist und zu Differenzen mit den Nichteingeladenen geführt hat.“81

Es scheint daher, wenn überhaupt, nicht viele weitere übergreifende Treffen gegeben zu haben. Es ist zudem unklar, ob die gemeinsamen Sitzungen als Ersatz oder nur als gelegentliche Ergänzung der reinen FA-Leiter-Treffen gedacht waren. Das Intermezzo kam zwar über die Sondierungen nicht hinaus, die Bemühungen Cölles zeigen jedoch seine Ambitionen. Hätte er gemeinsame Treffen von DC-Kirchenführern und FA-Leitern etablieren können, so hätte er damit eine streng nationalsozialistische und sehr DC-nahe Organisation geschaffen, die über den Kreis der deutsch-christlich gelenkten Landeskirchen hinausgereicht hätte. Die Abstimmungen hätten so ein breites Spektrum an Landeskirchen erreichen können.82 Bei einer gemeinsamen Besprechung am 30. April 1942 fassten stattdessen die Vorsitzenden der Finanzabteilungen von Hannover/Bremen, Dresden, Karlsruhe und Wolfenbüttel, die sich im Laufe der Zeit als das stabile Zentrum

79 Vgl. aber die diversen Einladungen zu solchen FA-Treffen in LkAKA GA Nr. 7271. 80 Vgl. die Einladung Cölles unter anderem an die Landesbischöfe Weidemann und Sasse sowie Präsident Klotsche vom 14. 6. 1940 (ebd.). 81 Ebd. 82 In der Einladung Cölles vom 14. Juni 1940 hieß es etwa: „Es zeigt sich immer wieder, dass sich eine kirchliche Verwaltung nach nationalsozialistischem und dem [sic] entsprechenden staatlichen Grundsätzen nicht gestalten lässt, wenn diese Versuche auf den Raum einer Landeskirche beschränkt bleiben. Nur wenn die verantwortlichen Männer in diesen Fragen einen fortlaufenden Meinungsaustausch pflegen, werden sich nationalsozialistische Grundsätze auch wirklich in die Tat umsetzen lassen.“ Ebd.

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der FA-Hardliner erwiesen hatten,83 den Beschluss, ihre Zusammenarbeit mittels „einer Zentralstelle für die Belange der Finanzabteilungen“84 weiter auszubauen. Es handelte sich zwar um einen kleineren Kreis als bei früheren Koordinierungsaktionen, dafür ging es um eine engere Bindung. Die Zentralstelle wurde bei der unter Cölles Leitung stehenden Finanzabteilung in Bremen angesiedelt, da hier die erforderlichen Hilfskräfte zur Verfügung standen und die Einrichtung kein Aufsehen erregte. Sie sollte zunächst möglichst viele Informationen sammeln: Erlasse, Entscheidungen des Reichskirchenministeriums zu FA-Fragen, aber auch Berichte „über alle kirchenpolitisch bedeutsamen Vorkommnisse“. Die Finanzabteilungen sollten sich dann, so die Vorstellung, vor grundsätzlichen Entscheidungen an die Zentralstelle wenden, um auf der Grundlage der gesammelten Erfahrungen ihre Maßnahmen treffen zu können: „Erreicht werden soll, daß alle diese Fragen von den beteiligten Finanzabteilungen einheitlich entschieden werden.“ Außerdem sollte durch die gebündelten Informationen „erreicht werden, daß Berichte über die kirchenpolitische Lage an den RKM. zuverlässig und umfassend gestaltet werden können.“ Kurz, die Zentralstelle sollte, mehr noch als die bisherige Vernetzung, als „Informationsbörse, Kommunikationskanal und Koordinationsforum“85 dienen und die eigene Gestaltungskraft der Finanzabteilungen auch gegenüber dem Reichskirchenministerium stärken. Es ist schwer zu beurteilen, in welchem Umfang die Zentralstelle tatsächlich wirksam wurde. Sehr auffällig ist allerdings, dass Cölle ab Mai 1942 als Leiter der bremischen Finanzabteilung oft zu grundsätzlichen Themen Stellung nahm, was also höchstwahrscheinlich in seiner Eigenschaft als Koordinator der Zentralstelle erfolgte. Cölle führte bei solcher Korrespondenz auch eine eigene Registrierung und Aktenkennung.86 Die Bedeutung der Zentralstelle war jedoch nur von kurzer Dauer. Cölle war bald als Leiter der Finanzabteilung bei der Kirchenkanzlei in einer Position, die eine besondere Zentralstelle und damit gewissermaßen eine Parallelorganisation für die ausgewählten Finanzabteilungen entbehrlich machte, da er über die gesammelten Informationen der Berliner Finanzabteilung verfügen und über sie für eine effektive Koordination sorgen konnte. Weiterhin ver83 Ab 1943 kam auch Königsberg hinzu. Die 1939 noch zum Teil ins FA-Netzwerk einbezogenen Provinzial-Finanzabteilungen der Altpreußischen Union waren vor allem deshalb aus diesem engen Zirkel ausgeschieden, da die dortigen Vorsitzenden ihre Tätigkeit aufgrund ihres Kriegseinsatzes nicht mehr regelmäßig ausüben konnten und diese Finanzabteilungen wieder weitgehend an kirchliche Beamte zurückgefallen waren. Vgl. Brunotte, Finanzaufsicht, 64 f. Siehe auch oben 101. 84 Cölle an Hoffmeister vom 6. 5. 1942 (LkAW FinAbt 65), daraus auch die folgenden Zitate. 85 So die Umschreibung der wesentlichen Aspekte der NS-Netzwerkbildung bei Hachtmann, Struktur, 60 f., dort die Termini jeweils im Plural. 86 Vgl. etwa beispielhaft Cölle an Kretzschmar vom 23. 5. 1942 (LkAW FinAbt 1); Cölle an Kretzschmar vom 27. 5. 1942 (LkAW FinAbt 94); Cölle an Hoffmeister vom 24. 6. 1942 (LkAW FinAbt 34).

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schickte Cölle, nun als Leiter der DEKK-Finanzabteilung, häufig Schreiben von grundsätzlicher Bedeutung speziell an seine FA-Kollegen in Dresden, Wolfenbüttel und Karlsruhe. Es ist unwahrscheinlich, dass mit Bildung der Zentralstelle die gemeinsamen Besprechungen forciert werden konnten, beabsichtigt war ein monatliches Treffen. Überliefert sind von diesen Treffen jedoch kaum Unterlagen,87 die Kriegssituation ließ in den folgenden Jahren die Treffen auch eher seltener werden. Zudem bestanden weitere Schwierigkeiten. Doerr beklagte: „[D]adurch, daß immer wieder der eine oder andere von uns nicht teilnehmen kann [scil. an den FA-Treffen], wird die Zusammenarbeit der Finanzabteilungen nicht so intensiv gestaltet werden können, wie es wünschenswert wäre, um eine einheitliche Verwaltungspraxis bei den Finanzabteilungen herauszubilden.“88 Dafür griff Cölle als Leiter der DEKK-Finanzabteilung die Tradition der FA-Treffen im kleinen Kreis auf. Anlässlich allgemeiner FA-Versammlungen setzte Cölle gerne vorab ein Treffen nur dieses Kreises an und nutzte solche Zusammenkünfte für frühzeitige Absprachen.89 Der enge Zirkel bestand in der Regel aus all denjenigen Finanzabteilungen, in denen noch kirchenfremde Vorsitzende aktiv amtierten, hinzugenommen Sachsen.90 Neben diesen Finanzabteilungen, die ihrem Selbstverständnis nach keine kirchlichen Institutionen sein wollten, gab es stets einige Finanzabteilungen, die von der Muhs’schen Verstaatlichung ausgespart geblieben waren. Auch gestalteten nicht alle kirchenfremden Vorsitzenden ihre Finanzabteilung zu einer letztlich staatlichen Behörde um, sondern überließen teilweise den kirchlichen FA-Mitgliedern deren Prägung. So gab es durchaus einige Landeskirchen beziehungsweise Kirchenprovinzen, in denen die Finanzabteilung, zeit ihrer Existenz, völlig unproblematisch im Rahmen der Kirchenbehörde und in Übereinstimmung mit der Kirchenleitung arbeitete. Dies musste nicht unbedingt im Sinne der Bekennenden Kirche liegen, die häufig in Konflikten mit den Kirchenleitungen lag. Doch die Finanzabteilungen erfüllten hier ihre ursprüngliche Funktion als mehr oder weniger neutrale, zumindest jedoch ausgleichende Stelle, die ihren Auftrag als einen kirchlichen verstand. Solche 87 Siehe aber verschiedene Unterlagen in LkAKA GA Nr. 7271, die von einer recht regen Aktivität des Kreises zeugen. 88 Doerr an Cölle vom 26. 5. 1942 (ebd.). 89 Vgl. etwa die Einladung an Engelhardt vom 5. 1. 1944 zur FA-Besprechung im kleinen Kreis am 2. 2. 1944 (EZA 1/1611). Vgl. auch das Protokoll dieser Arbeitstagung (BArch R 5101 / 23713, Bl. 346 – 351, hier 346 f.). Am 3. Februar 1944 fand dann die allgemeine Besprechung der FAFunktionäre statt. 90 Eine Einladung Cölles vom 3. August 1944 zu einer „interne[n] Arbeitsbesprechung mit den Vorsitzenden der FA […], die nicht im Kirchendienst stehen“, weist als Angehörige dieses Zirkels aus: Cölle, Sohns, Rechtsanwalt Dr. Dennhardt (der 1944 zwischenzeitlich die Geschäftsführung der FA-Dresden übernommen hatte und von Cölle sogleich in sein Netzwerk eingebunden wurde), Ball (Königsberg), Engelhardt (Baden) und Hoffmeister (der eigentlich gar nicht mehr als FA-Vorsitzender amtierte) (EZA 1/1622).

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Finanzabteilungen zeichneten sich zumeist dadurch aus, dass sie wenige Personalveränderungen durchlaufen hatten und in der Hand von Vorsitzenden verblieben waren, die selbst der Kirchenbehörde angehörten (oder an solche de facto zurückgefallen waren, nachdem die kirchenfremden Vorsitzenden im Krieg eingezogen worden waren). Finanzabteilungen diesen Typs gab es etwa in den Landeskirchen Hannover reformiert, Schleswig-Holstein, Kurhessen-Waldeck91 oder auch in Nassau-Hessen sowie in der Kirchenprovinz Pommern. 1938/39 waren solcherart geprägte Finanzabteilungen nicht mehr der Regelfall, sondern eher die Ausnahme – bevor die Kriegssituation die Verhältnisse mancherorts wieder zurückdrehte. Außerdem waren diese Finanzabteilungen in gewisser Weise ein Anachronismus, der permanent in der Gefahr stand, dass auch er den neuen Gegebenheiten und der Muhs’schen Konzeption angepasst werden könnte. Dass dies bis Kriegsende nicht überall geschehen war, dürfte vor allem an den Kriegsverhältnissen gelegen haben, die Muhs Optionen einschränkten: etwa die Anweisung Lammers’, keine unnötigen Veränderungen in den Finanzabteilungen durchzuführen und unnötige Verstimmungen in der Kirche zu vermeiden oder die Schwierigkeiten, unter Kriegsbedingungen die bisherige FA-Personalpolitik fortzuführen. In einem Vermerk vom 22. September 1942 über ein Gespräch mit dem Magdeburger FA-Vorsitzenden Schultz hat Cölle eine Beurteilung der FAVerhältnisse bei den Konsistorien der Altpreußischen Union festgehalten: „Das Ergebnis ist, dass es durchweg an zuverlässigen Mitarbeitern fehlt.“92 Im Einzelnen kamen die beiden zu verheerenden Einschätzungen: Angermann in Königsberg „steht […] der BK nicht ablehnend gegenüber“, habe bei seiner Amtsführung aber die Billigung des dortigen Oberpräsidenten; Konsistorialpräsident Paul Gerhard Wahn in Stettin: „gemässigter BK“, ebenso Johannes Hosemann, der die FA-Breslau in Abwesenheit Bartholomeycziks führte. Stoppenbrink in Münster „hat sich innerlich der BK angeschlossen.“ Dessen Vertreter Konsistorialpräsident Gerhard Thümmel sei „gemässigter BK.“ In Berlin-Brandenburg und Düsseldorf wurden die Verhältnisse etwas besser beurteilt: Von Schmidt in Berlin „ist durchaus in Ordnung, aber Soldat.“ Sein Vertreter Heinrich „gilt als einigermassen zuverlässig, wenngleich sein kirchliches Amt ihn in seiner Finanzabteilungstätigkeit hemmt.“ Sohns in Düsseldorf würde vertreten durch Konsistorialpräsident Walter Koch: „Wenn dieser sich auch alle Mühe gibt, so steht er doch zum EOK in reichlich enger Bindung.“ Am 3. April 1943 wurde Cölle endgültig zum Vorsitzenden der gesamtkirchlichen Finanzabteilung bestellt.93 An Fürles Status hatte sich zwar nichts ge91 Slenczka, Kirche, 77, schreibt hierzu, die Einrichtung der Finanzabteilung habe sich „in Kurhessen zum Guten ausgewirkt“. 92 EZA 1/1619, daraus auch die folgenden Zitate. 93 Vgl. BArch R 5101 / 23713, Bl. 272.

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ändert, er leitete auch nach wie vor die Kirchenkanzlei, dennoch wurden er und Werner nun endgültig und ohne Angabe von Gründen ihrer Funktionen in der Finanzabteilung entbunden.94 Cölles neuer Kurs wurde mit dieser Regelung legitimiert, Konflikte der von Cölle geleiteten Finanzabteilung mit der Kirchenkanzlei waren vorprogrammiert. Als Leiter der gesamtkirchlichen Finanzabteilung kam Cölle bei der Interpretation der FA-Zuständigkeiten eine Vorreiterrolle zu. Ihm ging es darum, die Rolle der Finanzabteilungen in den Kirchenverwaltungen auszubauen und möglichst alle kirchlichen Belange unter FA-Kontrolle zu bekommen. Er war dabei auf das enge Zusammenspiel mit Muhs angewiesen. Oftmals lief die Kooperation folgendermaßen ab: Cölle legte zunächst im Alleingang bestehende Regelungen in einer extensiven Weise aus, von der kirchliche Stellen meinten, dies überschreite seine Kompetenzen. Dies wiederum führte zu Konflikten und Beschwerden, die Muhs zu einer Klärung der Angelegenheit veranlassten – in enger Abstimmung mit und im Sinne von Cölle. Gegebenenfalls ergriff Cölle dann alsbald die Gelegenheit, seine Befugnisse abermals auszuweiten, wodurch es zu einer sukzessiven Radikalisierung der Finanzabteilungen kam. Das Ergebnis war ein dynamischer Prozess, der auf bestehende Rechtsgrundlagen kaum eine Rücksicht nahm. Dabei kam es zwar gelegentlich vor, dass Cölle allzu forsch vorangeprescht war und Muhs aus gebotenen politischen Rücksichtnahmen nicht folgen konnte, doch insgesamt lief das Zusammenspiel der beiden hervorragend. Cölle hatte bei alledem einen immensen Einfluss im Reichskirchenministerium und bei Muhs. Nicht nur konnte er in aller Regel Entscheidungen in seinem Sinne herbeiführen, er wurde auch in jede größere FA-Entscheidung des Ministeriums eingebunden; teilweise orientierte sich Muhs vollkommen an seinem wichtigsten Funktionär. Diese Schlüsselstellung legt es nahe, seit 1942/43 ein „System Cölle“ zu bilanzieren. Doch zurück zu Cölles Maßnahmen zur FA-Machterweiterung. Eine zentrale Frage war dabei die allgemeine Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung, wer also in welchen Fragen zum Erlass rechtsverbindlicher Anordnungen berechtigt wäre. Cölle war der Auffassung, die Finanzabteilungen seien immer schon dann alleine für die Anordnungen zuständig, „wenn es sich um Vorgänge mit überwiegender finanzieller Bedeutung handelt“95, selbst wenn diese daneben kultische oder sonstige Angelegenheit berührten. Über die Gewichtung der verschiedenen Aspekte sollten die Finanzabteilungen dabei selbst entscheiden. Wäre doch die Kirchenleitung zuständig, bliebe der Finanzabteilung immerhin die Überprüfung 94 Vgl. auch Brunotte, Kurs, 50; Melzer, Vertrauensrat, 286. Schon im Dezember 1942 hatte die Absicht bestanden, Cölle endgültig zum FA-Vorsitzenden zu bestellen, vgl. den Vermerk in BArch R 5101 / 23713, Bl. 268, 270 f. 95 „Besprechung der Finanzabteilungen“ vom 25. 11. 1942 (ebd., Bl. 242 f., hier Bl. 242).

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der Anordnungen auf ihre Zustimmungsbedürftigkeit wegen finanzieller Auswirkungen.96 Die Finanzabteilungen waren so an allen Vorgängen zumindest beteiligt, konnten nahezu alles an sich ziehen. Ein heftig umstrittenes Thema waren die sogenannten „Unbedenklichkeitserklärungen“. Nach einer Verordnung des Leiters der DEK-Kirchenkanzlei vom 5. März 1938 mussten die Landeskirchen sämtliche Gesetze und Verordnungen, ausgenommen solche zu Fragen des Bekenntnisses und des Kultus’, sowie bestimmte Anordnungen vor ihrem Erlass der Kirchenkanzlei zur Genehmigung vorlegen.97 Auf diese Weise sollte die Rechtseinheit innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche gewährleistet werden. Die Verordnung sicherte der Kirchenkanzlei einen potentiell weitgehenden Einfluss auf die kirchliche Gesetzgebung. In der praktischen Umsetzung, an der seit 1940 auch der Geistliche Vertrauensrat beteiligt war, ergaben sich zunächst jedoch keine größeren Probleme.98 Auch auf dem Sektor der rechtsverbindlichen Anordnungen der landeskirchlichen Finanzabteilungen sollte die Rechtseinheit gefördert werden. Deshalb gab Kerrl der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei die Möglichkeit, Stellungnahmen zu den Anordnungen abzugeben. Wollten landeskirchliche Finanzabteilungen sich ihre rechtsverbindlichen Anordnungen vom Reichskirchenminister genehmigen lassen, so mussten sie ihm diese seit Dezember 1939 via DEKK-Finanzabteilung vorlegen.99 1939 und 1940 gab es in dieser Frage mit verschiedenen landeskirchlichen Finanzabteilungen Konflikte, weil diese die Einbindung der gesamtkirchlichen Finanzabteilung ablehnten.100 Letztlich musste Kerrl die bisherige Regelung durch einen Erlass vom 27. Juli 1940 bestätigten.101 Als Cölle im August 1942 die Leitung der Finanzabteilung bei der Kirchenkanzlei übernahm kehrten sich die Verhältnisse um. Nun stand die DEKK-Finanzabteilung nicht mehr den landeskirchlichen Finanzabteilungen im Wege, stattdessen war Cölle selbst am Genehmigungsprozess beteiligt. Rasch machte er, mit Rückendeckung von Muhs,102 neue Ansprüche geltend. Er forderte eine Mitwirkung der DEKK-Finanzabteilung an der Erteilung von 96 97 98 99

Vgl. ebd.; Sitzung der FA-DEKK vom 1. 12. 1942 (EZA 1/1610). GBlDEK, 1938, 19. Vgl. Brunotte, Kurs, 12 f.; Grìnzinger, Werner, 87. Rundschreiben von Präsident Werner vom 12. 12. 1939 (EZA 1/1116). Die ursprüngliche Anweisung Kerrls an Werner datiert auf den 29. November 1939 (ebd.). Werner hatte zuvor Kerrl um eine solche Anweisung gebeten, „damit klargestellt wird, dass die Rechtseinheit […] für alle Landeskirchen ohne Unterschied, ob bei ihnen Finanzabteilungen gebildet sind oder nicht, in gleicher Weise gewährleistet wird.“ Schreiben vom 8. 11. 1939 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 375). 100 Besonders die Finanzabteilungen von Baden und Hannover wehrten sich dagegen. Vgl. zu den Vorgängen BArch R 5101 / 23713, Bl. 402 – 407; EZA 1/1603; LkAW FinAbt 78; auch Melzer, Vertrauensrat, 284 Anm. 65. 101 LkAKA GA Nr. 7146. 102 Vgl. RKM-Vermerk vom 28. 10. 1942 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 246).

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Unbedenklichkeitserklärungen zu den vorlagepflichtigen landeskirchlichen Gesetzen, die bisher allein Kirchenkanzlei und Vertrauensrat zukam.103 Hinter dieser Forderung standen zwei Ziele: Cölle wollte nach eigenem Bekunden „auch Einfluss auf die Rechtsgestaltung in den Landeskirchen […] gewinnen, bei deren oberster Verwaltungsbehörde keine Finanzabteilung errichtet ist.“104 Daneben wollte er die „Machtposition der Kirchenkanzlei […] in Abhängigkeit zur Finanzabteilung“105 bringen. Fürle und der Geistliche Vertrauensrat lehnten eine Beteiligung der DEKKFinanzabteilung an den Unbedenklichkeitserklärungen ab.106 Stattdessen forderte Fürle, umgekehrt die Kirchenkanzlei am Zustimmungsverfahren bei rechtsverbindlichen Anordnungen landeskirchlicher Finanzabteilungen zu beteiligen.107 Eine grundsätzliche Einigung war nicht in Sicht.108 Während des Jahres 1943 wurde aber ein modus vivendi praktiziert, bei dem beide Seiten sich jeweils gegenseitig an den Prüfungen beteiligten.109 Doch Anfang 1944 brachen die Streitigkeiten mit aller Heftigkeit neu aus.110 Nun erst schritt Muhs ein und klärte die Sache am 6. März 1944 mit einem Erlass.111 Den Entwurf dazu hatte Cölle ausgearbeitet.112 Der Erlass besagte, dass Unbedenklichkeitserklärungen für Vorlagen, bei denen in irgendeiner Form finanzielle Folgen zu erwarten waren, der DEKK-Finanzabteilung zur Zustimmung vorgelegt werden mussten. Cölle hatte damit seine zwei Ziele erreicht. Heinz Brunotte urteilte rückblickend: „Da die Finanzabteilung nicht nur nach finanziellen, sondern auch nach kirchenpolitischen und staatspolitischen Gesichtspunkten handelte, hätte die Durchführung dieser Anordnung die Auslieferung der gesamten landeskirchlichen Gesetzgebung an den Vorsitzenden der Finanzabteilung, Dr. Cölle, bedeutet. Damit wäre dann das Ziel des Kirchenministeriums, die Kirche auf dem Umweg über die Finanzabteilung zu leiten, erreicht gewesen.“113 103 Vgl. Cölle an Werner vom 17. 10. 1942 (ebd., Bl. 245). 104 Cölle an Muhs vom 17. 10. 1942 (ebd., Bl. 244). 105 Cölle laut Protokoll auf der Besprechung von FA-Funktionären am 13. 4. 1943 (ebd., Bl. 303 – 309, hier Bl. 305). 106 Vgl. Vermerk Brunottes zu einer Besprechung der streitenden Parteien am 9. 12. 1942 (EZA 1/ 1116); Fürle an Cölle vom 26. 1. 1943 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 415 f.). 107 Vgl. Fürle an Cölle vom 26. 1. 1943 (ebd.). 108 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 285 f. 109 Vgl. Fürle an Muhs vom 21. 4. 1944 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 413 f.). Das Arrangement blieb jedoch nicht konfliktfrei, vgl. zum Beispiel Cölle an Fürle vom 29. 4. 1943 (BArch R 5101 / 23782); Rundschreiben Cölles vom 29. 4. 1943 (ebd.) 110 Vgl. zum auslösenden Vorgang im Januar 1944: BArch R 5101 / 23713, Bl. 408 f.; ferner Brunotte, Finanzaufsicht, 73. 111 Er findet sich in BArch R 5101 / 23713, Bl. 410. 112 Der Wortlaut des Erlasses entspricht in seinen entscheidenden Passagen einer Vorlage, die auf einer Besprechung des „kleinen Kreises“ von FA-Funktionären am 2. Februar 1944 verabschiedet worden war (ebd., Bl. 346 – 351, hier Bl. 347). 113 Brunotte, Finanzaufsicht, 73. Oder mit den Worten Fürles gesagt: „[W]enn der Vorsitzende

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Die Umsetzung des Erlasses gestaltete sich indes schwierig. Fürle legte alsbald Einspruch gegen die Regelung ein.114 In seinem Schreiben warf er Cölle vor, dieser beabsichtige offenbar, „die in der 15. DVO klar auf finanzielle Angelegenheiten begrenzten Befugnisse der Finanzabteilung im Sinne einer totalen Kontrolle der Kirchenleitung durch die Finanzabteilung fortgesetzt zu erweitern.“ In dieser Einschätzung war er sich einig mit dem Geistlichen Vertrauensrat. Auch einige Landeskirchen weigerten sich, Unbedenklichkeitserklärungen der DEKK-Finanzabteilung einzuholen.115 Zunächst hielten Cölle und Muhs kompromisslos an ihrer Regelung fest,116 doch zeigte sich bald, dass dieser Kurs nicht durchzuhalten war ; zu entschieden und geschlossen war in diesem Fall die kirchliche Gegenwehr. Außerdem stand die Drohung im Raum, die Kirchenkanzlei könne sich notfalls beschwerdeführend an andere staatliche Stellen als das Reichskirchenministerium wenden.117 Zudem galt es im Hintergrund die omnipräsente Anweisung Hitlers zu beachten, während des Krieges eine unnötige Unruhe in der Kirche zu vermeiden. Muhs musste die Angelegenheit bereinigen und verhindern, dass sie größere Wellen schlug. Schließlich gab er nach. Am 1. August 1944 kam es zu einem Schlichtungsgespräch zwischen Cölle, der Kirchenkanzlei in Persona ihrer Referenten Brunotte und Elisabeth Schwarzhaupt sowie Landgerichtsrat Haugg aus dem Reichskirchenministerium. Bei dem Gespräch wurde ein Kompromiss erzielt.118 Es wurde genau festgelegt, in welchen Fragen die Zustimmung der Finanzabteilung bei der Kirchenkanzlei zu Unbedenklichkeitserklärungen einzuholen sei. In allen übrigen Fällen sollte die DEKK-Finanzabteilung nur

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der Finanzabteilung aus Gründen, die er mir nicht zu nennen brauchte und die durchaus nicht nur finanzieller Natur sein müssten, seine Zustimmung versagt, könnte ich eine landeskirchliche Verordnung nicht für unbedenklich erklären, auch wenn hinsichtlich der Rechtseinheit unter den Landeskirchen Bedenken tatsächlich nicht vorlägen. In Wahrheit hätte also nicht mehr die Kirche mit ihren dazu befugten leitenden Organen zu bestimmen, wie die Rechtsentwicklung in ihrem Bereich verläuft, sondern der Vorsitzende der Finanzabteilung, der damit klar als ,Staatskommissar‘ in die Erscheinung träte.“ Fürle an Muhs vom 21. 4. 1944 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 413 f.). Ebd., folgendes Zitat Bl. 413. Vgl. die Schreiben aus dem Mai/Juni 1944 aus den Landeskirchen von Württemberg, Bayern, Sachsen und Hamburg, die trotz ihrer sehr unterschiedlichen kirchenpolitischen Couleur in diesem Punkt einig waren (ebd., Bl. 469 – 472). Vgl. Cölles Schreiben an Muhs vom 12. 5. 1944 (ebd., Bl. 419 f.), wo er anregte, Muhs könne die „durch den Leiter der Kirchenkanzlei geschaffene[.] Unruhe“ beseitigen, indem er in einer rechtsverbindlichen Anordnung erkläre, die Landeskirchen könnten Gesetze und Verordnungen mit finanziellen Auswirkungen nur mit Zustimmung der DEKK-Finanzabteilung rechtswirksam erlassen. Dieser Vorschlag wurde zwar nicht verwirklicht, aber Muhs ließ Fürle in einem Schreiben vom 6. Juni 1944 wissen, eine Änderung des in seinem Schreiben vom 6. März 1944 festgestellten Rechtszustandes käme derzeit nicht in Frage (ebd., Bl. 424). Vgl. den Bericht Cölles an Büchner vom 16. 6. 1944 (EZA 1/1606). Die Ergebnisse der Besprechung wurden im sogenannten „Stolberger Protokoll“ festgehalten, einem von Cölle und Schwarzhaupt gezeichneten Vermerk vom 3. 8. 1944 (BArch N 1177 / 4, Bl. 63).

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noch vor dem Abgang der Unbedenklichkeitserklärungen informiert werden. Im Gegenzug sollten der Kirchenkanzlei rechtsverbindliche Anordnungen landeskirchlicher Finanzabteilungen vorgelegt werden, wenn diese im Sinne der Rechtseinheit relevant waren.119 Damit war für die Unbedenklichkeitserklärungen eine allseits akzeptierte Lösung gefunden,120 die Cölles Wünschen zwar entgegen kam, aber der DEKK-Finanzabteilung nicht die völlige Kontrolle der landeskirchlichen Gesetzgebung überließ. Auch inhaltlich verfolgte Cölle mit der gesamtkirchlichen Finanzabteilung eine eigene kirchenpolitische Linie. Er fühlte sich zuständig, kirchenpolitische Gruppierungen und Vereinigungen staatspolitisch zu beurteilen. Er hielt die Bekämpfung jeder Aktion, die aus seiner Sicht mit der Bekennenden Kirche zu tun hatte, für seine Pflicht, um die „gebotene Ruhe und Ordnung“121 aufrechtzuerhalten. So erwies er sich als scharfer Gegner des Lutherrates122 und der Kirchenführerkonferenz.123 Auch gängelte er den Geistlichen Vertrauensrat mit finanziellen Sticheleien,124 strafte ihn mit Missachtung oder hielt ihm „völliges Versagen“125 angesichts der Kriegssituation vor. Das Wurm’sche Einigungswerk betrachtete Cölle als bekenntniskirchliche und damit staatsfeindliche Organisation.126 Deshalb drohte er dem Kirchenpräsidenten der Deutschen Evangelischen Kirche im Sudetenland, in Böhmen und Mähren, Erich Wehrenfennig, und dem österreichischen Bischof Hans Eder mit dem Entzug von Finanzmitteln, wenn sie ihre Unterschrift unter die „13 Sätze“ des Einigungswerkes nicht zurückzögen. Mit Erfolg, zumindest Bischof Eder gab der Drohung nach und nahm seine Unterschrift zurück.127 Die Linie für Cölles Handeln gab das Reichskirchenministerium vor, das seit dem Tode Kerrls nicht mehr für kirchliche Sammlungsbewegungen aufgeschlossen war. Ungebrochen arbeitete Cölle daran, die DEKK-Finanzabteilung aus der kirchlichen Verwaltung herauszulösen, um sie als rein staatliche Dienststelle zu führen.128 Darauf zielten seine Bemühungen, das Kassen- und Rech-

119 Vgl. zum Ganzen auch Melzer, Vertrauensrat, 290 – 294; Brunotte, Finanzaufsicht, 73 f. 120 Vgl. Vermerk Hauggs vom 7. 9. 1944 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 473); Fürle an Reichskirchenministerium vom 26. 10. 1944 (ebd., Bl. 500); Cölle an Muhs vom 4. 8. 1944 (ebd., Bl. 462). 121 Cölle an Direktor Müller vom 29. 6. 1943 (EZA 1/1605). 122 Siehe dazu bes. unten 284 – 286. 123 Vgl. Cölle an Hoffmeister vom 24. 6. 1942 (LkAW FinAbt 34). 124 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 289. 125 Schreiben vom 15. 7. 1943 (EZA 1/1605). 126 Auf einer Sitzung der FA-Vorsitzenden am 13. April 1943 wurde dieses Thema behandelt, siehe die betreffende Passage des entsprechenden Protokolls (BArch R 5101 / 23713, Bl. 307 f.). 127 Vgl. Thierfelder, Einigungswerk, 135 – 139; Schwarz, Kirchenkampf, 157 f.; Meier, Kirchenkampf III, 173; Melzer, Vertrauensrat, 289 f.; Sch•fer, Landeskirche VI, 1098 – 1100; Hermelink, Kirche, 612 – 616. 128 Vgl. Brunotte, Kurs, 47.

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nungswesen der Kirchenkanzlei neu zu ordnen129 und auch seine Anstrengungen, die in der DEKK-Finanzabteilung anfallenden Arbeiten unter der Leitung von FA-eigenen Referenten erledigen zu lassen.130 Cölle unterstrich damit „seinen Anspruch […], aus der Finanzabteilung eine der Kirchenkanzlei nebengeordnete eigenständige Behörde zu machen“131 – und nicht nur das. Nach seinen Vorstellungen sollten die Finanzabteilungen letztlich eine den kirchlichen Behörden übergeordnete Funktion haben. Dafür aber, so seine Forderung, bräuchten die Finanzabteilungen eine eigene Dienstaufsicht über die von ihnen herangezogenen, disziplinarisch noch den Kirchenbehörden unterstehenden Mitarbeiter.132 Andernfalls müssten diese ständig Repressalien seitens der Kirchenbehörde befürchten.133 „Die Finanzabteilung kann daher mit solchen Kräften nur arbeiten, wenn sie von direkten oder indirekten Einflüssen der Kirchenbehörde als Dienstherr freigestellt sind.“ Am 1. März 1944 erfüllte Muhs Cölles Wunsch; den FA-Vorsitzenden wurde in einem Erlass die Dienstaufsicht gegenüber den in der Finanzabteilung tätigen kirchlichen Beamten und Angestellten übertragen.134 Der FA-Vorsitzende war damit beispielsweise befugt, „Missbilligungen, Verwarnungen und Verweise auszusprechen.“ Außerdem konnte er bei der kirchlichen Verwaltungsbehörde Beförderungen, Dienststrafverfahren oder Entlassungen der herangezogenen kirchlichen Mitarbeiter veranlassen. Verweigerte die Behörde die Maßnahme, konnte der FA-Vorsitzende diese ersatzweise selbst vornehmen. Dieser Erlass geht nahezu unverändert auf einen Vorschlag zurück, den der „kleine Kreis“ von FA-Leitern am 2. Februar 1944 verabschiedet hatte.135 Die FA-Mitarbeiter wurden in disziplinarrechtlicher Hinsicht völlig aus der kirchlichen Verwaltung herausgelöst. Mehr noch, den Finanzabteilungen wurde in bestimmten Fällen ein Weisungsrecht gegenüber der kirchlichen Verwaltungsbehörde zugestanden. Auf der anderen Seite erkannten die Finanzabteilungen kirchliche Disziplinarurteile nicht als bindend an, auch solche nicht, die Geistliche betrafen. 129 Der Vorgang findet sich in EZA 1/1604. Cölle hatte bereits 1940 den Vorschlag gemacht, ein zentrales Rechnungsprüfungsamt einzurichten, doch war er von Werner ausgebremst worden, vgl. Baier, Not, 282. 130 Zum 1. Dezember 1942 übernahm Cölle vom Berliner Evangelischen Oberkirchenrat die Assessorin Ilse Redecker als FA-Referentin. Fortan brauchte er bis auf weiteres keine Referenten der Kirchenkanzlei mehr für Arbeiten der Finanzabteilung heranzuziehen. Vgl. Brunotte, Kurs 47; Cölle an DEKK vom 1. 12. 1942 (EZA 1/1604). Seit dem 7. April 1943 war Redecker Cölles persönliche Referentin im Rang einer Konsistorialrätin (EZA 1/1605). 131 Protokolle des Rates I, 175 f. Anm. 180. 132 Vgl. Cölle an Fürle vom 5. 1. 1944 (EZA 1/1606). Die Forderung war indes nicht neu, vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 14. 6. 1939 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 312). 133 Vgl. Cölle an Muhs vom 27. 4. 1944 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 429 – 440, folgendes Zitat Bl. 437). 134 EZA 1/1632, daraus auch folgendes Zitat. 135 Vgl. das Protokoll dieser Arbeitstagung (BArch R 5101 / 23713, Bl. 346 – 351, hier 346 f.).

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Vielmehr meinte Cölle, mit Billigung des Reichskirchenministeriums, die Finanzabteilungen könnten gegebenenfalls eigene, den kirchlichen Urteilen widersprechende Strafen verhängen bzw. von der Kirche eingeleitete Sanktionen unterlassen.136 Nach seiner Auffassung hatten die Finanzabteilungen darüber zu wachen, ob „die Handhabung des Disziplinarrechts […] dem gesunden Volksempfinden im nationalsozialistischen Staat“ und „der Rechtsauffassung, wie sie im Dritten Reich gilt“137, entspreche. „Anderenfalls liegt eine missbräuchliche Rechtsausübung vor, die von der Finanzabteilung nicht zu beachten ist.“ In solchen Fällen sollten die Finanzabteilungen „nur noch die Massnahmen treffen, die zu treffen sein würden, wenn die Disziplinargewalt richtig gehandhabt würde.“ Gleichwohl hatte sich Cölle 1942 bereits von seinen früheren Positionen entfernt. Er war zu der Auffassung gelangt, dass die Finanzabteilungen sich davor hüten sollten, „selbst Kirchenleitung auszuüben und sich mehr mit kultischen Fragen zu beschäftigen, als es zweckmässig sein kann“138. Es sei besser, die Kirchenleitungen nur in finanzieller und politischer Hinsicht zu überwachen und den Anschein zu vermeiden, die Finanzabteilungen würden sich mit geistlichen Entscheidungen der Kirchenleitungen gemein machen. Sie sollten sich vielmehr „mit den jura circa sacra, also mit der Kirchenhoheit und infolgedessen mit der Staatsaufsicht beschäftigen, nicht aber etwas unternehmen, was nach Kirchenleitung aussehen könnte. Die Leitung der Kirche ist Sache der Kirche und ihrer Organe.“139 Es ging Cölle, in Übereinstimmung mit Staatssekretär Muhs, in jener Zeit vor allem darum, zunächst einmal die prekäre Position der Finanzabteilungen im kirchenpolitischen Herrschaftsgefüge zu festigen.140 Für bestimmte Schlüsselkompetenzen nahm Cölle zwar auch schwere Konflikte mit der Kirche in Kauf, doch insgesamt war sein vordringliches Interesse, das System der Finanzabteilungen in der Kirche zu verstetigen und, wenn möglich, unauffällig auszudehnen. Dafür war er bereit, zuweilen Zurückhaltung zu üben und die Kirche nicht unnötig herauszufordern. Er kann damit als stabilisierender Mittelpunkt des FA-Systems gelten, der flexibel taktierend, aber unbeirrbar seine Ziele verfolgte. Landeskirchliche Finanzabteilungen mahnte Cölle gelegentlich zu mehr Mäßigung.141 Das heißt nicht, dass er nicht jede Zuständigkeitserweiterung 136 Das Thema wurde dahingehend auf der Besprechung von FA-Funktionären mit Haugg am 13. April 1943 behandelt (ebd., Bl. 303 – 309, hier Bl. 306 f.). Vgl. zu dem Gedankengang auch Cölle an LKA-Hannover vom 27. 2. 1943 (LkAH N 48 Nr. 275). 137 Cölle an Engelhardt vom 15. 7. 1943 (BArch R 5101 / 23982), daraus auch die folgenden Zitate. 138 Cölle an Engelhardt vom 23. 7. 1943 (EZA 1/1605). 139 Cölle an Engelhardt vom 1. 8. 1944 (EZA 1/1606). 140 Vgl. auch Hauggs Einlassungen gegenüber dem Karlsruher FA-Vorsitzenden Engelhardt im März 1944 laut Reisebericht Hauggs vom 23. 3. 1944 (BArch R 5101 / 23782). 141 Vgl. etwa Cölles Rolle bezüglich des Vorstoßes der badischen Finanzabteilung in Sachen Pfarrstellenbesetzung im Jahre 1944, siehe unten 483.

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von Finanzabteilungen begrüßt hätte, jedoch musste dieses Interesse aus machttaktischen Gründen eben manches Mal zurücktreten, um einen unnötigen „Entrüstungssturm gegen die Finanzabteilung und ihre Tendenzen“142 zu vermeiden. In einem Schreiben an den FA-Vorsitzenden Doerr in Karlsruhe fasste Cölle seine Haltung am 1. August 1942 wie folgt zusammen: „Es kommt vor allem darauf an, daß nicht durch unser Tätigwerden bei der praktischen Handhabung der Eindruck entsteht, wir führten die Kirche und bestimmten alles nach unserer Auffassung. Wichtig ist im Augenblick nur, in den grundsätzlichen Fragen die Zuständigkeit der Finanzabteilungen sicherzustellen und an der Zuständigkeit auch festzuhalten, bei der praktischen Anwendung jedoch großzügig und entgegenkommend zu verfahren. Es darf auf keinen Fall der Eindruck der Schikane oder des selbstherrlichen Waltens entstehen. Das würde die Absichten auf eine Ausdehnung der Finanzabteilungen stark verhindern.“143

Im Frühjahr 1944 brach mit dem Erlass über die Dienstaufsicht auch die Kardinalsfrage nach dem Status der Finanzabteilungen auf. Die Regelung implizierte nämlich, dass die Finanzabteilungen nicht als Teil der obersten kirchlichen Verwaltungsbehörden, sondern als rein staatliche, von der Kirche unabhängige Behörden anzusehen wären. Fürle aber ging davon aus, dass die Finanzabteilungen den Kirchenbehörden angehörten. Am 19. April 1944 fasste er seine Haltung zusammen: „Diese gesamte Regelung wäre rechtlich nur denkbar, wenn die Finanzabteilung zu etwas gemacht wird, was sie nach der 15. VO. nicht ist, was sie nach ihr nicht sein sollte und was sie nach geltendem Recht nicht sein kann: nämlich zu einer eigenen Behörde mit eigenem Behördenapparat, zu deren Leiter ein von dem Treueverhältnis zur Kirche gesondertes Treueverhältnis besteht und die der kirchlichen Verwaltung wenigstens in einem gewissen Bereich übergeordnet ist“144.

In einem solchen Fall müssten Zweck und Aufgabe der Finanzabteilung neu geregelt werden, denn sie könne dann keine kirchlichen Interessen mehr vertreten und nicht mehr im Namen der Kirche auftreten, sondern müsste klar „zu einer von der kirchlichen Verwaltung völlig getrennten staatlichen Aufsichtsbehörde umgestaltet“ und mit Staatsbeamten besetzt werden. Muhs und Cölle begriffen die Finanzabteilungen schon seit langem als eben dieses staatliche Instrument. Sie vermieden es allerdings, sich dahingehend öffentlich festzulegen, denn der bestehende, rechtlich unklare Status provozierte keine neuen Konflikte mit den Befürwortern einer Trennung von Kirche und Staat und ließ eine Auslegung je nach eigener Interessenlage zu. In einem längeren Schreiben vom 27. April 1944 wies Cölle ausführlich und mit guten 142 Cölle an Engelhardt vom 1. 8. 1944 (EZA 1/1606). 143 LkAKA GA Nr. 7231. 144 Fürle an Muhs vom 19. 4. 1944 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 425 f.), daraus auch folgendes Zitat. Vgl. auch Marahrens’ Wochenbrief vom 1. Juni 1944 (Zur Lage der Kirche III, hier 1699).

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Gründen die Argumente von Fürle zurück und legte dar, weshalb „die Finanzabteilung keine Abteilung der Kirchenbehörde ist, sondern […] eine vom Staat durch besonderen staatskirchenrechtlichen Akt geschaffene eigene Behörde, die dem Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten nachgeordnet und verantwortlich ist“ und in erster Linie der Wahrnehmung „einer speziellen Staatsaufsicht“145 diene. Cölle konnte sich auch darauf berufen, dass die Finanzabteilungen in vielen Landeskirchen ausdrücklich als kirchenfremde, staatliche Behörden angesehen wurden – tatsächlich waren sich in dieser Einschätzung Cölle und die Bekennende Kirche einig. Außerdem waren die Finanzabteilungen in einigen Gerichtsurteilen als staatliche Behörden anerkannt worden.146 In einer als „geheim“ deklarierten Hausverfügung stellte Muhs am 28. April 1944 unzweideutig fest, dass insbesondere die Vorsitzenden der Finanzabteilungen „Funktionäre des Ministeriums“147 seien. Intern sollten die Finanzabteilungen wie eine dem Reichskirchenministerium angeschlossene Behörde behandelt werden. Auch in manchen offiziellen Papieren, die nicht befürchten ließen, zum Politikum zu werden, legte sich das Reichskirchenministerium auf den staatlichen Charakter der Finanzabteilungen fest.148 Gleichzeitig war Cölle bewusst, dass die Rechtslage nicht eindeutig war. In einem Aktenvermerk für das Reichskirchenministerium vom 12. März 1945 bezeichnete Cölle es als schwierige Frage, „ob die Finanzabteilung eine kirchliche oder eine staatliche öffentliche Behörde ist. Gegen eine staatliche Behörde spricht vor allem der Umstand, daß die Finanzabteilung kein Hoheitszeichen führt. Es ist daraus denkbar, daß die Finanzabteilung als eine besondere kirchliche Behörde angesprochen werden kann.“149 Der Staat habe schließlich mit dem Kirchensicherungsgesetz das Recht, auch kirchliches 145 Schreiben an Muhs (BArch R 5101 / 23713, Bl. 429 – 440, vorhergehende Zitate Bl. 431 und 439). Vgl. auch ein Gutachten zu dieser Frage von Willy Kretzschmar vom 2. Mai 1944 (ebd., Bl. 451); und die Erörterungen zu dieser Frage auf einer Sitzung diverser FA-Funktionäre am 3. Februar 1944 (ebd., Bl. 352 – 356, hier Bl. 352). 146 Vgl. Volkmann, Rechtsprechung, 119 f., 194 f. Vgl. auch Cölle an Muhs vom 9. 2. 1942 (LkAB B.203.2); die Entscheidung des Reichsfinanzhofs vom 8. 9. 1938 (Archiv fìr katholisches Kirchenrecht 119, (1939), 226 f.); ferner das Urteil des Celler Oberlandesgerichts vom 23. 3. 1950 (Zeitschrift fìr evangelisches Kirchenrecht 1, (1951), 206 – 213, hier bes. 208, 210 f.); und den Beschluss der Rückerstattungskammer Offenburg vom 19. 12. 1949 (ebd., 213 – 216). 147 BArch R 5101 / 23657 (Dokumente V, 477 f.). Am 27. November 1944 erinnerte Muhs noch einmal an die Beachtung der Hausverfügung aus dem April (BArch R 5101 / 23657). 148 Auf einem Freistellungsantrag des Reichskirchenministeriums wegen Cölles Heranziehung zur „Heimatflak“ vom 27. Juli 1942 und auf einer Uk-Bescheinigung für Cölle vom 15. Februar 1943 ist etwa die Rede von der „staatlichen“ Finanzabteilung (BArch R 5101 / 23219, Bl. 112; und BArch R 5101 / 23713, Bl. 483). In einer Auseinandersetzung mit dem Oberkommando der Wehrmacht legte das Ministerium dar, die Finanzabteilungen unterständen den Kirchenbehörden „in keiner Weise, sind vielmehr Aufsichtsorgane des Reiches über diese.“ Schreiben vom 3. 9. 1942 (BArch R 5101 / 23782). Weitere Beispiele ließen sich anfügen. 149 EZA 1/1608, daraus auch die folgenden Zitate.

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Verfassungsrecht zu ändern. „Die 15. Verordnung könnte also ebenso wie die 17. Verordnung als die Schaffung kirchlichen Rechts durch Staatshoheitsakt aufgefaßt werden.“ Letztlich jedoch, so gab Cölle zu bedenken, brauche der Frage nach dem Status der Finanzabteilungen derzeit „nicht näher nachgegangen zu werden, weil der Charakter einer öffentlichen Behörde von der Entscheidung dieser Frage unberührt bleibt.“ Auf eine Anfrage des braunschweigischen FA-Vorsitzenden Herbert Westermann Ende 1944, ob es sich bei den Finanzabteilungen „um staatliche und nicht um kirchliche Dienststellen“150 handele, antwortete Cölle, vertraulich, „dass es sich um eine vom Staate errichtete Behörde handelt, die zum Teil Treuhandsgeschäfte der Kirche [sic] zum Teil Aufgaben der Staatsaufsicht erledigt.“151 Gleichzeitig wies er darauf hin, dass eine Diskussion über die grundsätzliche Stellung der Finanzabteilungen zu vermeiden sei.152 Es sollte nicht unnötig herausgestellt werden, dass mit den Finanzabteilungen de facto die kirchliche Vermögensverwaltung, und damit ein wesentlicher Teil der Kirchenverwaltung, mit staatlichen Beauftragten nach staatlichen Weisungen ausgeübt werden konnte. Die Regelung der Dienstaufsicht hatte damit zwar an Grundsatzfragen gerührt, gleichwohl vermied das Reichskirchenministerium auch hierbei eine klare Positionierung in der Frage nach dem Charakter der Finanzabteilungen. Auf Fürles Proteste reagierte das Ministerium zunächst gar nicht, stattdessen sollten Gespräche zwischen Ministerium, Kirchenkanzlei und Geistlichem Vertrauensrat abgewartet werden.153 Diese fanden am 30. August sowie am 28. September 1944 statt. Es gelang jedoch nicht, ein Einvernehmen herzustellen; die Schlichtung scheiterte.154 So blieb es allen Protesten zum Trotz in der Sachfrage des Disziplinarrechts bei der Regelung vom 1. März 1944.155 Eine letzte Demonstration des Cölle’schen Macht- und Statusbewusstseins war ein vertrauliches Rundschreiben an die FA-Vorsitzenden in den Landeskirchen vom 12. Oktober 1944. Darin bat Cölle sie, im Sinne einer einheitlichen Handhabung künftig als „Leiter der Finanzabteilung“ aufzutreten und betonte damit den Charakter der Finanzabteilungen als Präsidialbehörden, in denen der Vorsitzende die alleinige Verantwortung und EntscheidungsbeWestermann an Cölle vom 30. 12. 1944 (HStAH Hann. 122a Nr. 3620, Bl. 37). Cölle an Westermann vom 12. 1. 1945 (ebd., Bl. 38). Der Vorgang vom Jahreswechsel 1944/45 findet sich ebd., Bl. 36 – 38. Vgl. den Vermerk vom 4. 7. 1944 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 427). Ursprünglich war eine auf den 12. Mai 1944 datierte, noch sehr ausführliche Antwort auf Fürles Schreiben vom 19. April ausgearbeitet worden, die auch eine eindeutige Erklärung enthalten hätte, dass die Finanzabteilungen als staatliche Behörden anzusehen seien. Sie findet sich ebd., Bl. 457 – 461. Muhs ließ das Schreiben auf ein äußerstes Minimum kürzen, siehe den Entwurf vom 21. 6. 1944 (ebd., Bl. 456), abgeschickt wurde es nie. 154 Vgl. Vermerk Schwarzhaupts vom 8. 12. 1944 (EZA 2/688); Vermerk Hauggs vom 7. 9. 1944 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 473); Vermerk Hauggs vom 4. 10. 1944 (ebd., Bl. 502 f.); Fürle an Muhs vom 26. 10. 1944 (LkAS (03.06.02.) V 9). 155 Vgl. Muhs an Fürle vom 22. 11. 1944 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 501). Vgl. zum Ganzen: Melzer, Vertrauensrat, 290; Brunotte, Finanzaufsicht, 73 – 75.

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fugnis habe.156 Wegen dieser prononcierten Herausstellung des Führerprinzips resultierte aus dem Rundschreiben eine letzte Kontroverse mit Kirchenkanzlei und Vertrauensrat, die allerdings bald durch das nahende Kriegsende überholt wurde.157 Landesbischof Marahrens ließen die Entwicklungen des Jahres 1944 das Schlimmste befürchten. An Oberkirchenrat Friedrich in Karlsruhe schrieb er am 30. Januar 1945: „Unser Hauptziel muß die Bekämpfung der Finanzabteilungen und ihres Machtzuwachses sein. Ich befürchte, daß wir in dieser Beziehung noch nicht das Schlimmste erlebt haben.“158 Im Kontext der Loslösung der Finanzabteilungen von den Kirchenbehörden stellte sich auch die Frage der Entlohnung der kirchenfremden Vorsitzenden. Dieses Problem ergab sich erst nach Erlass der 15. Durchführungsverordnung, denn zuvor hatten alle FA-Funktionäre ihre Tätigkeit ehrenamtlich neben ihrem kirchlichen Hauptamt versehen. Es gab zwei Varianten von kirchenfremden FA-Mitgliedern. Solche, die hauptamtlich im Staatsdienst standen und nebenamtlich in einer Finanzabteilung arbeiteten, und solche mit freien Berufen. Obwohl seit 1938 zahlreiche kirchenfremde FA-Funktionäre amtierten, ließ eine Regelung zur Vergütung einige Zeit auf sich warten. Erst nach mehrmaliger Anfrage der DEKK-Finanzabteilung traf Muhs am 28. Februar 1939 eine Entscheidung.159 Freiberufliche Mitglieder von Finanzabteilungen, also etwa Rechtsanwälte, sollten eine Aufwandsentschädigung „im Rahmen einer angemessenen Grenze“ erhalten – damit war sie im Prinzip frei verhandelbar.160 Staatsbedienstete durften monatlich maximal 100 RM dazuverdienen. Das in der Praxis neben der Aufwandsentschädigung übliche Grundgehalt für kirchenfremde Vorsitzende wurde in der Regelung nicht erwähnt, aber weiterhin gezahlt. Die Grundlage dafür blieb unklar. Erst Anfang 1944 unternahm die Finanzabteilung der Kirchenkanzlei die Initiative, eine einheitliche Besoldungsordnung für Vorsitzende von Finanzabteilungen zu erlassen.161 Die Regelung entsprach der laufenden Praxis. 156 Schreiben in EZA 1/1607. 157 Cölles Vorstoß wurde in einem Protestschreiben der Kirchenkanzlei vom 10. Februar 1945 als neuer Versuch gewertet, den Charakter der Finanzabteilung „im Sinne eines Staatskommissariats zu verändern“ (EZA 1/1608). Vgl. auch zur Genese und dem Werdegang des Schreibens Muhs an DEKK vom 19. 2. 1945 (ebd.); Aktenvermerk Cölles vom 25. 1. 1945 (ebd.); Vermerk von Brunotte vom 23. 2. 1945 (EZA 2/688); Melzer, Vertrauensrat, 295 f. 158 LkAH L 2 Nr. 2a Bd. VII. 159 EZA 1/1602. 160 Die Finanzabteilung beim altpreußischen Oberkirchenrat hatte bereits am 2. August 1938 beschlossen, der Vorsitz in einer kirchenprovinziellen Finanzabteilung sollte für kirchenfremde Funktionäre pauschal mit 300 RM monatlich entschädigt werden, zuzüglich Erstattungen für Dienstreisen etc., vgl. ebd. 161 Vgl. den Entwurf vom 15. 2. 1944, die zugehörigen Protokolle und die Billigung des Entwurfs durch Muhs (BArch R 5101 / 23713, Bl. 246, 340, 360, 362 f., 370).

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Als hervorgehobenes Beispiel für die Besoldungspraxis im FA-Bereich mag hier Cölle dienen. Jener erhielt, solange er lediglich Vorsitzender der hannoverschen Finanzabteilung war, insgesamt Bezüge in Höhe von etwa der Hälfte des Grundgehalts des dortigen LKA-Präsidenten.162 Diese Regelung berücksichtigte seine hervorgehobene Stellung in der Landeskirche und trug der Tatsache Rechnung, dass er nebenher weiterhin als Rechtsanwalt praktizierte. Mit Beginn seiner Leitungstätigkeit bei der gesamtkirchlichen Finanzabteilung nahmen Cölles Bezüge dann ungekannte Dimensionen an. Seine jährlichen Einkünfte (bestehend aus Grundgehalt,163 Dienstaufwandsentschädigungen für die Tätigkeit in den verschiedenen Finanzabteilungen, Kinderzuschlägen und Wohnungsgeld) lassen sich auf dem Höhepunkt seiner Macht, im Jahre 1944, insgesamt auf etwa 33 000 RM taxieren.164 Cölle war damit zu einem sehr gut verdienenden NS-Funktionär geworden. Bezeichnenderweise ging Muhs bei der Bemessung von Cölles Verdienst stets von Beamtengehaltsklassen aus, obwohl Cölle bis Oktober 1942, als er Amtsgerichtsrat und damit Staatsbeamter wurde, weder Staats- noch Kirchenbeamter war – er wurde in seiner FA-Funktion offenbar als staatlicher Hoheitsträger und damit gleichsam als staatsbeamtengleich angesehen.165 Auch in dieser Angelegenheit wurde wieder die Frage nach dem Status der Finanzabteilungen akut. Wenn sie staatliche Behörden sein sollten, hätte das Personal vom Staat und nicht von der Kirche entlohnt werden müssen. Tatsächlich wurden die Vergütungen der Kirche aufgebürdet, das Reichskirchenministerium aber setzte die Bezüge fest. Diese Praxis war zumindest fragwürdig.

162 Vgl. Cölle an Albrecht vom 16. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 41 f.); Muhs an Cölle vom 30. 5. 1938 (ebd., Bl. 43); Gutachten Arnold Pilgers vom 14. 2. 1946 (LkAH B 1 Nr. 8752); Cölle an Reichskirchenminister vom 1. 12. 1941 und die Antwort vom 19. 12. 1941 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 52 f.). 163 Dieses entsprach in der Höhe in etwa dem des Präsidenten der Kirchenkanzlei, vgl. die Aufstellung von Redecker vom 28. 5. 1943 (EZA 1/1605). 164 Hinzu kamen noch verschiedene Sachleistungen. Vgl. zu den Verdienstposten im Einzelnen: Cölle an Finanzamt vom 23. 2. 1944 (LkAH B 1 Nr. 8752); Brunottes „Fragen“ zu Cölles Bezügen (LkAS (03.06.02.) V 9); Gutachten Arnold Pilgers vom 14. 2. 1946 (LkAH B 1 Nr. 8752). Die Zahlung des Grundgehaltes und der Zuschläge wurde anteilig auf die drei Landeskirchen verteilt, in denen Cölle FA-Vorsitzender war, so dass davon die Deutsche Evangelische Kirche und die hannoversche Landeskirche je 2/5 und die Bremer Landeskirche 1/5 zu tragen hatten. 165 Vgl. zu den Steigerungen seines Gehaltes im Einzelnen: BArch R 5101 / 23713, Bl. 238, 288 – 290, 292; BArch R 5101 / 23219, Bl. 126 f.; Gutachten Arnold Pilgers vom 14. 2. 1946 (LkAH B 1 Nr. 8752).

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4.6. Das Scheitern der Ausweitung des FA-Systems Unterdessen bemühte sich Cölle, seine Machtstellung im System der Finanzabteilungen weiter auszubauen. Er plante auch, einen Handkommentar zur 15. Durchführungsverordnung zu veröffentlichen und damit seine Deutungshoheit zu untermauern, realisierte dies aber nicht mehr. Cölle konnte durch seine beratende Tätigkeit, die von ihm anberaumten FABesprechungen und über seine Zuständigkeit für die Rechtseinheit maßgeblichen Einfluss auch auf die Finanzabteilungen ausüben, in denen er nicht persönlich Mitglied war. Dennoch versuchte er längere Zeit, auch in der Finanzabteilung der Altpreußischen Union Fuß zu fassen. Dort vertrat seit Juni 1941 Ewald Fischer-Dorp den einberufenen Werner in der Vorsitzendenfunktion.166 Als Fischer-Dorp im Mai 1943 beurlaubt wurde, machten sich bereits erste Spekulationen breit, Cölle strebe den Vorsitz der altpreußischen Finanzabteilung an. Brunotte befürchtete den Erfolg dieser Bemühungen,167 und auch der Geistliche Vertrauensrat war im Mai 1943 mit „ganz großer Sorge“ erfüllt, die Finanzabteilung der Altpreußischen Union könnte nun in kirchenfremde Hände gelegt werden.168 Vor diesem Schritt schreckte Muhs jedoch zurück. Vielmehr führte Oberkonsistorialrat Gustav Steckelmann fortan die Geschäfte der Finanzabteilung, ohne dass eine offizielle FA-Umbesetzung vorgenommen worden wäre.169 Cölle gab damit seine Ambitionen jedoch keineswegs auf. Er erreichte schließlich, dass er am 28. September 1944 zum Mitglied der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat der Altpreußischen Union ernannt wurde.170 Umgehend versuchte er, die Geschäfte der Finanzabteilung zu übernehmen. In einem Brief an Muhs’ Referenten Hans Büchner führte Cölle aus: „Da Herr Steckelmann zu einer internen Abmachung in der Richtung, dass ich die Geschäftsführung stillschweigend übernehme, nicht zu bewegen ist, wird nichts anderes übrig bleiben, als baldmöglichst durch Erlass mitzuteilen, und zwar nur der Finanzabteilung, dass bis auf weiteres die Geschäfte der Finanzabteilung von mir zu führen sind.“171

166 Offiziell seit dem 5. 6. 1941 (GBlDEK, 1941, 23). Vgl. aber auch Fischer-Dorps Bestätigung durch den Reichskirchenminister vom 27. 5. 1942 (BArch R 5101 / 23237, Bl. 4). 167 Brunotte an Mahner vom 8. 5. 1943 (LkAH S 1 H II 365, Bl. 34 f.). 168 In einer Besprechung mit Muhs am 5. 5. 1943 wurde diese Befürchtung geäußert (BArch R 5101 / 23713, Bl. 277 – 286, hier Bl. 281). 169 Vgl. Cölle an Büchner vom 6. 10. 1944 (LkAH B 6 Nr. 1). Muhs billigte mit Erlass vom 20. Mai 1943 die Wahrnehmung der Geschäfte durch Steckelmann, die Fischer-Dorp verfügt hatte, Erlass in EZA 1/1613. 170 GBlDEK, 1944, 41. Vgl. auch Melzer, Vertrauensrat, 295. 171 Cölle an Büchner vom 6. 10. 1944 (LkAH B 6 Nr. 1).

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Das Scheitern der Ausweitung des FA-Systems

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Als Termin für diese Regelung visierte Cölle Mitte Oktober an. Ein solcher Erlass wurde zwar nicht erlassen, doch erst im November 1944 beendete Muhs den Machtkampf. Er entschied, die Führung der Geschäfte der altpreußischen Finanzabteilung nicht anzutasten und die Beauftragung von Steckelmann aufrechtzuerhalten.172 Cölle hat an dieser Stelle eine Niederlage einstecken müssen und war damit gescheitert, auch die mit Abstand größte evangelische Landeskirche auf dem finanziellen Sektor zu übernehmen. Ähnlich erfolglos war Cölle mit seinen weiteren FA-Ausbauplänen. Er bemühte sich um die Schaffung neuer Finanzabteilungen bzw. die Ausweitung seiner Finanzkontrolle auf weitere Landeskirchen. Dem stand entgegen, dass Bormann und Lammers Muhs 1942, bei dessen Amtsübernahme, die Einrichtung weiterer Finanzabteilungen ausdrücklich untersagt hatten. Doch Cölle ersann neue Strategien, sein Ziel zu erreichen: Die katastrophale Finanzlage der thüringischen Landeskirche etwa hatte Ende 1942 das Reichskirchenministerium alarmiert.173 Es beauftragte daraufhin Cölle, die thüringischen Verhältnisse zu untersuchen.174 In seinem Bericht vom 17. Februar 1943 kommt Cölle zu dem Ergebnis, es sei zwar nicht erforderlich, die dortige Verwaltung umzugestalten, jedoch sollten der Landeskirche einige Auflagen gemacht werden. Unter anderem folgende: „Die thüringische Landeskirche erkennt an, dass die Finanzabteilung des Landeskirchenrats sowie der Leiter dieser Finanzabteilung in allen Finanzfragen an die Weisungen der Finanzabteilung bei der Deutschen Evang. Kirchenkanzlei gebunden ist.“175 Damit wollte sich Cölle die Finanzverwaltung der Thüringer Landeskirche direkt unterstellen, ohne dass dort eine Finanzabteilung im Sinne der 15. Durchführungsverordnung hätte eingerichtet werden müssen. Dies wäre ein beachtlicher, vielleicht zukunftsweisender Schritt gewesen. Umgesetzt wurden diese Bestrebungen offenbar nicht. Im Sommer/Herbst 1944 sah Cölle die Chance gekommen, die oldenburgische Landeskirche unter seine Finanzkontrolle zu bringen. Der dortige 172 Erlass vom 22. 11. 1944 (EZA 7/5398). Zuvor hatte es den Anschein, als habe Cölle sich durchsetzen können. Muhs hatte dem Geistlichen Vertrauensrat schon in dessen Sitzung am 5. / 6. Oktober 1944 mitgeteilt, „daß Dr. Cölle die Leitung der FA in Altpreußen übernehmen soll.“ LkAH S 1 E II 128, Bl. 70; Vgl. auch Melzer, Vertrauensrat, 295 Anm. 126. In einer Bescheinigung des Reichskirchenministeriums vom 14. Oktober 1944 wurde Cölle als „geschäftsführendes Mitglied“ der altpreußischen Finanzabteilung bezeichnet (BArch R 5101 / 23219, Bl. 164). Auch auf einer Aufstellung aller Finanzabteilungen mit ihrem Personal aus dem Juni 1944 wurde handschriftlich eingefügt, dass Cölle in Vertretung der derzeitige Vorsitzende der altpreußischen Finanzabteilung sei. Wann diese Notiz eingefügt wurde, kann nicht festgestellt werden (BArch R 5101 / 23713, Bl. 495). Entweder hat Cölle also im Oktober/November 1944 für einige Zeit tatsächlich die Finanzabteilung geleitet oder die diesbezüglichen Hinweise sind nur Niederschlag entsprechender Gedankenspiele im Ministerium. 173 Vgl. zu der Finanzlage in Thüringen: Stegmann, Kirchenkampf, 82 – 85. 174 Der Vorgang findet sich in BArch R 5101 / 23775. 175 EZA 1/1604.

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Die Finanzabteilungen 1942 – 1945: Staatskommissariat

Landesbischof Johannes Volkers war im Juni 1944 verstorben. Cölle befürchtete nun, die Bekennende Kirche könnte in Oldenburg die bestimmende Kraft werden.176 Dies galt es aus seiner Sicht unbedingt zu verhindern. Ein offener ministerieller Eingriff zugunsten der Deutschen Christen wäre allerdings, so Cölle, zu vermeiden, da er zu massiver Beunruhigung im Volk führen und der Bekennenden Kirche „gar zu leicht neuen Agitationsstoff“177 liefern könne. „Das gleiche Ziel würde sich viel unauffälliger erreichen lassen, wenn […] eine Finanzabteilung durch den Reichsminister für die kirchl. Angelegenheiten am Sitz der obersten kirchl. Verwaltungsbehörde […] errichtet würde.“ Alles Finanzielle, eingeschlossen Personalmaßnahmen, wären fortan, so Cölle, von der Finanzabteilung abhängig, und es würden sich relativ unauffällig „politisch mißliebige Maßnahmen über die Finanzabteilung unterbinden lassen, und zwar in einer Weise, die bei weitem unauffälliger ist als Eingriffe von außen. Es würden sich dann diese Fragen intern regeln lassen und die Öffentlichkeit nur in geringem Ausmaße berühren.“ Eine Finanzabteilung würde dann zukünftig „das Einschreiten einer offiziellen staatlichen Stelle“178, wie etwa der Gestapo, unnötig machen. Cölle schlug vor, die Aufgaben der oldenburgischen Finanzabteilung könnten praktischerweise von der Bremer Finanzabteilung, also von ihm, mit übernommen werden, da es sich um zwei kleine Landeskirchen handele, die zudem noch im gleichen Gau lägen. Er hielt es für möglich, dass der Reichskirchenminister eine Finanzabteilung in Oldenburg einrichten könne, wenn der Reichsstatthalter, der oldenburgische Ministerpräsident oder die Staatspolizei sich einschalten und einen entsprechenden Wunsch äußern würden. Auf diese Weise hoffte Cölle, den Widerstand der Parteikanzlei überwinden zu können. Doch obwohl Reichsstatthalter und Gauleiter dem Vorschlag aufgeschlossen gegenüberstanden, waren sie nicht bereit, sich dafür zu engagieren.179 Auch Cölles Werben bei der Bremer Gestapo, zu der er gute Kontakte pflegte, brachte kein substanzielles Ergebnis;180 seine Pläne scheiterten.

Vgl. zu den Verhältnissen in Oldenburg zu jener Zeit: Meier, Kirchenkampf III, 412 f. Vermerk Cölles vom 11. 10. 1944 (LkAH B 6 Nr. 14), daraus auch die folgenden Zitate. Vermerk Cölles vom 21. 9. 1944 (LkAB B.203.4). Vgl. den Vermerk Cölles über eine Besprechung mit dem Bremer Senator Fischer vom 2. 6. 1944 (ebd.). 180 Cölle ließ etwa seinen Vermerk vom 11. Oktober 1944 der Bremer Gestapo überbringen, vgl. Cölles Anweisung an seine Bremer Sekretärin, die den Vermerk am 21. Oktober an Cölles Kontaktperson übergab (LkAH B 6 Nr. 14). Bereits am 16. Mai 1944 hatte Cölle in einem Telefonat mit einem Bremer Gestapobeamten „die Bemerkung fallen lassen, daß es vielleicht ganz ratsam sei, für Oldenburg genau dieselbe Einrichtung wie für die Bremische Evangelische Kirche zu treffen und eine Finanzabteilung einzusetzen, damit nicht wie im Oldenburgischen ein sattsam bekanntes BK.-Regiment mit der damit verbundenen intoleranten und auch sonst in allgemeinen Belangen abträglichen Haltung entstünde.“ Vermerk Cölles vom 16. 5. 1944 (ebd.).

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Der Dualismus Finanzabteilung – Kirchenverwaltung

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4.7. Der Dualismus Finanzabteilung – Kirchenverwaltung In der Zwischenzeit war Muhs dazu übergegangen, in weiteren Landeskirchen eine personelle Trennung von Finanz- und allgemeiner Kirchenverwaltung herbeizuführen: In Schleswig-Holstein blieb der aus dem Kirchendienst scheidende LKA-Präsident Christian Kinder dennoch Vorsitzender der Finanzabteilung. In Ostpreußen übernahm auf Empfehlung Cölles Rechtsanwalt Dr. Karl Ball den Vorsitz der Finanzabteilung – die Kirche hatte Konsistorialpräsident Gefaeller präferiert.181 In Sachsen ernannte Muhs den führenden Repräsentanten der sächsischen Nationalkirchler, Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Dennhardt, der erst im März als Mitglied in die sächsische Finanzabteilung eingetreten war, zum Vertreter vom FA-Vorsitzenden Oberlandeskirchenrat Kretzschmar. Kretzschmar behielt zwar das Amt, er wurde aber von Cölle im März 1944 mit zusätzlichen Aufgaben bei der gesamtkirchlichen Finanzabteilung in Stolberg betraut,182 außerdem von Muhs zur Unterstützung der badischen Finanzabteilung nach Karlsruhe abgeordnet.183 Durch den Abzug Kretzschmars sollten die Spannungen zwischen dem sächsischen Landeskirchenamt unter Johannes Klotsche und der Finanzabteilung abgemildert werden.184 Auch in der Leitung der Kirchenkanzlei hätte Muhs gerne eine Umbesetzung vorgenommen, denn Vizepräsident Fürle wurde im Herbst 1943 seitens der Wehrmacht von Berlin nach Breslau versetzt.185 Muhs erwog verschiedene Nachfolgemöglichkeiten. Da sie aber absehbar den Widerstand des Vertrauensrates hervorgerufen hätten, wurde Fürle zunächst weiterhin im Amt belassen. Muhs hatte, einigen Indizien folgend, zwischenzeitlich Willy Kretz-

181 Vgl. Brunotte, Finanzaufsicht, 72; Melzer, Vertrauensrat, 288. Der FA-Vorsitzende, Regierungspräsident Angermann, hatte 1942/43 versucht, Gefaeller zu seinem Vertreter aufzubauen, da er selbst kaum in der Finanzabteilung anwesend sein konnte. Das Reichskirchenministerium reagierte auf diese Bemühungen ablehnend. Nachdem Gefaeller Mitte 1942 als neuer Konsistorialpräsident eingesetzt worden war, glaubte Angermann, nun könne Gefaeller auch mit dem FA-Vorsitz betraut werden. Daher bat er im März 1943 um seine Amtsentbindung. Als sich abzeichnete, dass Gefaeller den FA-Vorsitz nicht übertragen bekommen würde, schlugen Angermann, Gefaeller und Fischer-Dorp als Alternative einen Königsberger Rechtsanwalt vor. Doch das Reichskirchenministerium entsandte, statt diesen Wünschen zu folgen, Cölle nach Königsberg, um einen Nachfolger für Angermann zu finden. Cölle empfahl dann das SS-Mitglied Ball für den Posten. Vgl. den Vermerk Cölles für Haugg vom 28. 5. 1943 (BArch R 5101 / 23226, Bl. 498). Vgl. ansonsten dazu auch ebd., Bl. 488 – 514; EZA 1/1615; EZA 7/5398. 182 Vgl. Cölle an Kretzschmar vom 30. 3. 1944 (EZA 1/1606). 183 Siehe unten 468. 184 Vgl. Klotsche an Reichskirchenminister vom 26. 4. 1944 (BArch R 5101 / 23768); Klotsche an Fürle vom 18. 5. 1944 (EZA 2/688). Vgl. auch zu dem Komplex: Meier, Kirchenkampf III, 526 – 529; BArch R 5101 / 23768. 185 Vgl. dazu Melzer, Vertrauensrat, 297 – 301.

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Die Finanzabteilungen 1942 – 1945: Staatskommissariat

schmar186 als DEKK-Leiter in Betracht gezogen.187 Es war möglicherweise sogar von Muhs überlegt worden, Cölle die Leitung der Kirchenkanzlei zu übertragen.188 Dies hätte genau seinem Ziel entsprochen, den Dualismus von Finanzabteilung und allgemeiner Kirchenverwaltung zugunsten der Finanzabteilung aufzulösen und die gesamte kirchliche Verwaltung letztlich in staatliche Hände zu befördern. Leider lässt sich nicht nachvollziehen, wie ernsthaft Muhs diesen Plan erwog, seitens der Kirche wurde er jedoch durchaus als realistisch eingeschätzt und gefürchtet. Für Cölle hätte es die Abrundung seiner Machtvorstellungen bedeutet; das Ziel einer vollständigen Kontrolle der Deutschen Evangelischen Kirche wäre erreicht gewesen. Im Februar 1945 ernannte Muhs schließlich den Präsidenten des Kieler Landeskirchenamtes, Herbert Bührke, zum neuen DEKK-Leiter. Dies geschah in enger Abstimmung mit Cölle, der, wie Muhs, Fürle ausschalten wollte.189 Muhs’ FA-Politik unterlag vor allem zwei Begrenzungen, die ihn hinderten, sein Konzept kompromisslos durchzusetzen und das volle Machtpotential des FA-Systems zu entfalten: Zum einen musste er unnötige Unruhe in der Kirche vermeiden, schließlich war dies eine fundamentale Anweisung für die Kriegszeit gewesen. Muhs’ Gegner hätten sicher nicht gezögert, ihm die Unfähigkeit, seine Aufgabe entsprechend lautlos zu erfüllen, zur Last zu legen. Daher musste das Reichskirchenministerium in seiner prekären Position darauf achten, kirchliche Proteste und Beschwerden zu vermeiden oder zumindest nicht an andere Staats- oder Parteistellen dringen zu lassen. Zum anderen machte die Parteikanzlei gelegentlich ihr Interesse an der Entwicklung der Finanzabteilungen deutlich,190 so dass Muhs vorsichtig agieren musste, denn eine eigenständige FA-Politik war ihm bei seiner Geschäftsbeauftragung strikt untersagt worden. Als die Parteikanzlei etwa mitbekam, dass auf einem FA-Leiter-Treffen im April 1943 das Thema Rechts-

186 Kretzschmar war eine ambivalente Figur: Auf der einen Seite mit Cölle befreundet und integriert in den Kreis der FA-Hardliner, außerdem Nationalkirchlicher Deutscher Christ, von Muhs offenbar für höhere Aufgaben in Erwägung gezogen und Mitglied des Finanzausschusses des Eisenacher „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche religiöse Leben“ (vgl. Lindemann, Landeskirche Sachsens, 229; Arnhold, Kirche II, 504). Auf der anderen Seite in der Landeskirche Sachsens mit „ambivalent ausgleichender Haltung“ agierend (Meier, Kirchenkampf III, 529) und dort auch nach dem Kriege „wegen seiner persönlichen Integrität“ (ebd., 535) als unverzichtbarer Finanzfachmann übernommen. Vgl. Lindemann, Landeskirche Sachsens, 234; Meier, Kirchenkampf III, 529, 532, 535; Wilhelm, Diktaturen, 73, 154 f., 259. 187 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 298; Fleisch, Kirchengeschichte, 292. 188 So ein Hinweis von Brunotte, Kurs, 52. 189 Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 299; Brunotte, Kurs, 52 f. 190 Beispielsweise bat sie seit März 1944 wiederholt und immer nachdrücklicher um eine aktuelle Aufstellung der Finanzabteilungen, bis diese im Juni 1944 endlich fertiggestellt war und der Parteikanzlei zugehen konnte. Vgl. zu dem Vorgang BArch R 5101 / 23713, Bl. 490 – 499.

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Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen

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einheit unter den evangelischen Landeskirchen behandelt werden sollte,191 intervenierte sie sofort und verlangte, vor etwaigen Beschlüssen auf diesem Gebiete beteiligt zu werden.192 Entsprechend ging ein Bericht über die betreffenden Erörterungen auf der Tagung an die Parteikanzlei – weitere Einwände zog er allerdings nicht nach sich.193

4.8. Kirchliche Reaktionen auf die Finanzabteilungen: Der Geistliche Vertrauensrat In den Jahren von 1942 bis 1945 hat sich kirchlicherseits vor allem der Geistliche Vertrauensrat mit dem System der Finanzabteilungen auseinander gesetzt – viele der überregionalen kirchlichen Leitungsgremien waren im Krieg auch kaum noch handlungsfähig.194 Alarmiert reagierte der Vertrauensrat auf die Ernennung Cölles zum Vorsitzenden der DEKK-Finanzabteilung im April 1943.195 Für den Vertrauensrat war dies das letzte Symptom einer grundsätzlich verfehlten FA-Politik. In einem anderthalbstündigen Gespräch mit Muhs am 5. Mai 1943 hatte der Geistliche Vertrauensrat Gelegenheit, seine Bedenken vorzutragen.196 Er ging von der (Fehl-)Annahme aus, dass es auch nach der 15. Durchführungsverordnung die Ausnahme sein sollte, dass kirchenfremde FA-Vorsitzende bestellt würden. „Wird nunmehr jedoch die bisherige Ausnahme zum Grundsatz erhoben, so muß eine Fehlentwicklung einsetzen, die die Kirche um ihrer Würde willen nicht unwidersprochen hinnehmen kann. Die evang. Kirche wird durch die Neubesetzung der FA bei der DEKK finanziell entmächtigt.“ Nur solange die FA-Vorsitzenden gleichzeitig Kirchenbeamte und damit der kirchlichen Ordnung verpflichtet gewesen seien, so der Vertrauensrat, sei die Machtfülle der Finanzabteilungen erträglich gewesen. Cölle aber versuche „durch Ausweitung seiner Befugnisse sich – wir können es nicht anders 191 Das Treffen sollte am 13. April 1943 in Heidelberg stattfinden, vgl. Cölles Einladung vom 8. 3. 1943 (ebd., Bl. 293). 192 Parteikanzlei an Muhs vom 5. 4. 1943 (ebd., Bl. 294). 193 Vgl. Schreiben des Reichskirchenministeriums vom 28. 6. 1943 (ebd., Bl. 298 f.). 194 Vgl. insgesamt zum Geistlichen Vertrauensrat in Sachen Finanzabteilungen: Melzer, Vertrauensrat, bes. 283 – 296; Klìgel, Landeskirche, 466 f. Vgl. ansonsten zu den kirchlichen Gruppen im Krieg: Meier, Kirchenkampf III, 146 – 161. Das Wurm’sche Einigungswerk kann hier außer Acht gelassen werden, da von dieser Seite nicht zu den Finanzabteilungen Stellung genommen wurde. Vgl. zum Einigungswerk: Thierfelder, Einigungswerk; Meier, Kirchenkampf III, 161 – 180. 195 Vgl. Brunotte, Kurs, 50 f. 196 Ein von Marahrens angefertigter Vermerk zu der Sitzung findet sich in BArch R 5101 / 23713, Bl. 277 – 286. Aus dem Vermerk auch die folgenden Zitate. Vgl. zu dem Gespräch auch den Bericht Brunottes an Mahner vom 8. 5. 1943 (LkAH S 1 H II 365, Bl. 34 f.).

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Die Finanzabteilungen 1942 – 1945: Staatskommissariat

ausdrücken – als eine Art politischer Staatskommissar zu betätigen und Einfluß auf die gesamte Kirchenleitung- und verwaltung zu gewinnen.“ Die Deutsche Evangelische Kirche verliere „den letzten Rest ihrer finanziellen Selbständigkeit. Sie unterliegt nicht mehr einer Staatsaufsicht, auch nicht nur einer Staatskontrolle, sondern ihre Finanzverwaltung wird tatsächlich durch kirchenfremde staatliche Organe übernommen.“ In einem Schreiben vom 18. Mai 1943 wies der Vertrauensrat Muhs nochmals auf seine Bedenken hin, denn er befürchtete durch die FA-Politik eine „tiefe[.] Erschütterung der Deutschen Evangelischen Kirche und der Landeskirchen“197. Nachdem der Staatssekretär am 9. Juni 1943 abweisend geantwortet hatte,198 legte der Geistliche Vertrauensrat ein weiteres Mal nach,199 da „unsere Bedenken noch nicht in ihrem vollen Gewicht deutlich geworden sind.“ Die personelle Trennung von Finanzabteilung und Kirchenleitung führe unweigerlich dazu, dass sich „allmählich zwei völlig getrennte und zusammenhanglose Behörden gegenüberstehen, nämlich die kirchliche Verwaltung und die Finanzabteilung, hinsichtlich deren es unsicher geworden ist, ob sie auch eine kirchliche oder etwa eine staatliche Dienststelle ist.“ Die Folge seien „eine unaufhörliche Kette von Mißhelligkeiten und Reibungen“, denn erfahrungsgemäß würden sich die „unter eigener Leitung verselbständigten Finanzabteilungen […] immer mehr als eine Art staatliche Behörde fühlen, ohne es doch wirklich zu sein.“ Die Kirchenleitungen, so der Vertrauensrat, gerieten durch die Abhängigkeit von den Finanzabteilungen unter Druck, geistliche Leitung sei unmöglich, denn: „Es ist eine Tatsache, daß derjenige, der über die Gelder verfügt, in Wirklichkeit die Kirchenleitung wahrnimmt.“ Das Schreiben gipfelte in der Ankündigung, bei einem Fortdauern der Zustände, müsse der Geistliche Vertrauensrat vor Hitler seinen Rücktritt erklären: „Wir würden als Grund für unsere Entschließung vertreten müssen, daß der evangelischen Kirche mitten im Kriege ohne erkennbaren Anlaß durch einen neuen Kurs hinsichtlich der Finanzabteilungen die ihr reichsgesetzlich verbürgte Selbständigkeit praktisch völlig entzogen und ihr eine eigenständige Leitung sowohl nach Seiten der Verwaltung wie auch nach Seiten der geistlichen Führung unmöglich wird.“

Eine Änderung seiner Vorgehensweise zog Muhs jedoch nicht in Betracht, obwohl ihm ein Rücktritt des Vertrauensrates wegen der öffentlichen Signalwirkung in Bevölkerung und Politik ungelegen gekommen wäre. Eine Reaktion auf das GVR-Schreiben hielt der Staatssekretär indes für unnötig, da seine Meinung hinlänglich bekannt sei.200 197 BArch R 5101 / 23713, Bl. 275 f., Zitat Bl. 275. 198 Ebd., Bl. 287 (Dokumente V, 459 f.). 199 Und zwar am 9. 7. 1943 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 310 – 315; Klìgel, Dokumente, 180 – 184), alle folgenden Zitate aus dem Schreiben. 200 Vgl. RKM-Vermerk aus dem August 1943 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 316).

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Das Ende der Finanzabteilungen 1945

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Nachdem die Reaktion Muhs’ ausgeblieben war, erneuerte der Vertrauensrat am 2. November 1943 seine Rücktrittsdrohung.201 Nun erfolgte eine Antwort, zwanzig Tage später, doch Muhs ließ sich nur auf Einzelfragen ein;202 der Geistliche Vertrauensrat war mit seinem Einspruch aufgelaufen, die Konsequenzen zog er daraus nicht. Neben diesen eigenen Eingaben203 trug der Geistliche Vertrauensrat die Proteste der Kirchenkanzlei in Sachen Finanzabteilungen mit, gab Eingaben von Landeskirchen weiter204 und schaltete sich bei Problemen mit landeskirchlichen Finanzabteilungen ein. Erfolge hatte er dabei selten zu verbuchen. Muhs kam lediglich dann in bestimmten Einzelfragen der Kirchenkanzlei und damit dem Geistlichen Vertrauensrat entgegen, wenn ernsthaft zu befürchten stand, die Unzufriedenheit könnte ansonsten an andere staatliche Stellen getragen werden.

4.9. Das Ende der Finanzabteilungen 1945 Das Kriegsende war der Anfang vom Ende der Finanzabteilungen. Der Rechtslage nach war für ihre Abschaffung das Einverständnis der Besatzungsmächte notwendig. Da diese eine uneinheitliche Politik pflegten, gestaltete sich die Abwicklung der Finanzabteilungen von Landeskirche zu Landeskirche unterschiedlich, erwies sich zuweilen als problematisch.205 Manche Finanzabteilungen wurden von der Kirche mit dem Einmarsch der Alliierten ungeachtet der Rechtslage einfach eigenmächtig abgeschafft.206 Der Evangelische Oberkirchenrat der Altpreußischen Union (nebst Beirat) etwa beschied am 27. Juni 1945, die 15. Durchführungsverordnung gehöre zu den „ungesunden nationalsozialistischen“ und der Kirche „wesensfremden Be-

201 GVR an Muhs (ebd., Bl. 317 f.). 202 Ebd., Bl. 319. 203 Vgl. noch das Schreiben des Geistlichen Vertrauensrates an den Reichskirchenminister vom 19. Juli 1944 (BArch R 5101 / 23783). 204 Vgl. etwa GVR an Muhs vom 29. 7. 1944 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 467 f.). 205 Vgl. insgesamt zur Aufhebung der Finanzabteilungen unten 286 – 288, 396 – 398, 511 – 514; auch Brunotte, Finanzaufsicht, 75. 206 In einem Brief vom 23. Mai 1945 an Landesbischof Marahrens schrieb Brunotte: „Ich bin der Meinung, dass zwar die 15. Durchführungsverordnung nicht ohne weiteres als aufgehoben anzusehen ist, aber auf die Dauer keinesfalls fortbestehen darf. Die Kirchen müssen in diesem Zeitpunkt unbedingt von der staatlichen Finanzkontrolle, wie sie sich in den Finanzabteilungen herausgebildet hatte, frei werden. Deswegen scheint es mir richtig, dass die Kirchen die Einrichtung der Finanzabteilungen als eine speziell nationalsozialistische Errungenschaft sofort abschütteln und die Verwaltung der Finanzen wieder selbst übernehmen.“ LkAH L 2 Nr. 730/02 (Besier, Kapitulation I, 134 – 137).

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Die Finanzabteilungen 1942 – 1945: Staatskommissariat

stimmungen“, die als ungültig zu betrachten seien.207 Die altpreußischen Finanzabteilungen waren damit beseitigt.208 Die 15. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz erlosch formal erst durch das Kontrollratsgesetz Nr. 62 vom 20. März 1948, das die nationalsozialistische Staatskirchenrechtsgesetzgebung aufhob.209 Es sanktionierte nachträglich die bereits überall vollzogene Abschaffung der Finanzabteilungen.210 Die Kirchenkanzlei und mit ihr die Finanzabteilung war bereits im Februar/ März 1944 nach Stolberg im Harz ausgelagert worden.211 Cölle kam dies ungelegen, er hatte versucht, einen für ihn günstiger gelegenen Standort im osthannoverschen Gebiet zu finden.212 Am 16. April 1945, zwei Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner in Stolberg, untersagte Oberkonsistorialrat Brunotte, der mit Billigung Cölles die Leitung der Kirchenkanzlei übernommen hatte, dem anwesenden Cölle jede weitere Tätigkeit in der Finanzabteilung. Gleichzeitig erging eine interne DEKK-Anordnung, etwaige Anweisungen von Cölle oder seiner nunmehr beurlaubten Referentin Ilse Redecker nicht mehr entgegenzunehmen.213 Bei der Kirchenkanzlei erlosch damit die Finanzabteilung. Zum einstweiligen DEKK-Finanzreferenten wurde Oberkonsistorialrat Steckelmann bestellt – Brunotte betonte in einem Brief ausdrücklich, Steckelmann versehe damit ein „kirchliches Finanzreferat der Behörde“214, nicht etwa die Finanzabteilung.215 Cölle hatte in den Tagen vor seiner Abset207 Das Protokoll der Sitzung ist abgedruckt in: Besier, Kapitulation I, 281 – 284, hier 282 f. 208 Vgl. auch das entsprechende EOK-Rundschreiben vom 23. Juli 1945, in dem den Konsistorien mitgeteilt wurde, die Finanzabteilungen seien nunmehr weggefallen (EZA 7/5398); außerdem zur Auflösung der altpreußischen Finanzabteilungen insgesamt: EZA 7/5398; Kampmann, Landeskirche, 170 Anm. 333. In der Kirchenprovinz Westfalen war die Finanzabteilung noch früher weggefallen. Bereits am 19. April 1945 hatte der dortige FA-Vorsitzende Hans Stoppenbrink sein Amt mit dem Bemerken niedergelegt, die Finanzabteilung dürfte mit der Besetzung Westfalens „hinfällig geworden und praktisch aufgelöst sein“, Stoppenbrink an Thümmel, auszugsweise abgedruckt bei Thìmmel, 40 Jahre, 101, dort auch das Zitat. Vgl. auch Kampmann, Landeskirche, 169 – 171, 178 f.; Hey, Kirchenprovinz, 339. 209 Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Nr. 19, 313. 210 Vgl. zur Aufhebung der NS-Kirchengesetzgebung: Etzel, Aufhebung, 122 – 128; Hesse, Entwicklung, 9 f.; Grendel, Eingriffe, bes. 188. 211 Vgl. Meier, Kirchenkampf III, 148; Brunotte, Kurs, 1, 52; Gundlach, Brunotte, 307 f. 212 Vgl. zu Cölles Alternativensuche die Schreiben in LkAH S 1 H I 956, Bl. 55, 60, 64. 213 Vgl. Brunotte an Cölle vom 16. 4. 1945 (EZA 2/688). Am 27. April 1945 informierte Brunotte auch die Militärregierung über sein Vorgehen (LkAH L 2 Nr. 730/02; Besier, Kapitulation I, 78). Redecker wurde von Brunotte am 13. Juni 1945 schließlich entlassen, vgl. Gundlach, Brunotte, 324 Anm. 61. 214 Brunotte an Marahrens vom 23. 5. 1945 (LkAH L 2 Nr. 730/02; Besier, Kapitulation I, 134 – 137). 215 Vgl. zum Ende der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei: Brunotte, Finanzaufsicht, 75; Ders., Kurs, 53; Smith-von Osten, Treysa, 25 f.; Gundlach, Brunotte, 311 f., 314 f.; auch Brunotte an Marahrens vom 12. 5. 1945 (LkAH L 2 Nr. 730/02); Brunotte an Marahrens vom 23. 5. 1945

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Das Ende der Finanzabteilungen 1945

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zung noch belastende Akten der Finanzabteilung vernichtet,216 nun fügte er sich jedoch „ohne den geringsten Widerspruch“ seinem Schicksal; wie Brunotte feststellte: „[E]r hat nicht einmal formell protestiert.“217

(ebd.; Besier, Kapitulation I, 134 – 137); außerdem Brunotte an seinen Vater, entstanden vom 23. 4. bis zum 23. 5. 1945 (ebd., 137 – 139, hier 137 f.); und das Rundschreiben Brunottes an alle Landeskirchen vom 2. 7. 1945 (Ders., Kapitulation II, 44 f.). 216 In seinem Entnazifizierungsverfahren bestritt er, damit etwas Unrechtes getan zu haben. Die bezeichnende Begründung lautete: „Akten der Kirche habe ich nicht vernichtet, nur Akten der Finanzabteilung.“ Protokoll seiner Aussage am 6. 5. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). 217 Beide vorstehenden Zitate aus Brunotte an Marahrens vom 23. 5. 1945 (LkAH L 2 Nr. 730/02; Besier, Kapitulation I, 134 – 137). Siehe zu Cölles weiterem Schicksal unten 289 – 294.

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Teil II: Die Finanzabteilungen in den Landeskirchen

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1. Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers 1.1. Die hannoversche Landeskirche vor der Einrichtung der Finanzabteilung Mit dem Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments nach dem Ersten Weltkrieg waren die Landeskirchen in die Selbständigkeit entlassen worden und mussten ihre Angelegenheiten selbst organisieren. In der hannoverschen Landeskirche wurde die nötig gewordene neue Kirchenverfassung am 20. Dezember 1922 von der verfassunggebenden Kirchenversammlung verabschiedet. Sie trat am 1. November 1924, nachdem sie das Placet des Staates erhalten hatte, in Kraft.1 In der Verfassung wurden fünf kirchenleitende Organe verankert: der Kirchensenat, der Landeskirchentag mit dem ständigen Landeskirchenausschuss, das Landeskirchenamt und der Landesbischof. Auf den Kirchensenat gingen die meisten kirchenregimentlichen Befugnisse über, die zuvor dem Landesherrn zugestanden hatten. Der Landeskirchentag, die hannoversche Landessynode, wirkte insbesondere bei der kirchlichen Gesetzgebung mit. Außerdem bestimmte er die Grundsätze der Vermögensverwaltung und setzte den Haushaltsplan fest (nach einem Entwurf des Landeskirchenamts). Der Landeskirchenausschuss vertrat den Landeskirchentag zwischen seinen Tagungen, hatte aber auch eigene kirchenleitende Rechte – vor allem im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung. Das Landeskirchenamt war grundsätzlich für „die gesamte Verwaltung der Landeskirche“2 zuständig, sofern nicht gesetzlich andere Stellen dazu berufen waren. Es bestand aus dem Präsidenten, einem geistlichen und einem rechtskundigen Vizepräsidenten, den vier Generalsuperintendenten und den erforderlichen geistlichen und nichtgeistlichen Mitgliedern. Die Beschlüsse wurden nach einem Kollegialsystem mit Stimmmehrheit gefasst. Das Landeskirchenamt war an die Verwaltungsgrundsätze des Landeskirchentags und in bestimmten Entscheidungen an die Zustimmung des Landeskirchenausschusses gebunden. Der Kirchensenat führte die „allgemeine Aufsicht“3 über 1 Die Verfassung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers ist abgedruckt in: Ebers, Kirchenrecht, 3 – 35. Vgl. ansonsten dazu und zum Folgenden: Fleisch, Entwicklung, 174 – 177; Klìgel, Landeskirche, XXIIf.; Rolffs, Kirchenkunde, 49 – 55; Guntau, Kirchensenat, 385 – 388; Mahrenholz, Verfassungs- und Rechtsgestaltung, bes. 130 – 135; Besier, Prozess, bes. 184 – 186; Otte, Kirchen in Niedersachsen, 1034 f.; Krumwiede, Kirchengeschichte, 418 – 420; Otte, Laienbewegung, 196 – 198; ferner Wagenmann, Träger ; Sperling, Abriß, 93 – 95; Meyer, Kirchengeschichte, 248 f. 2 Art. 88 Abs. 1 der Kirchenverfassung (Ebers, Kirchenrecht, 27). 3 Art. 98 Nr. 5 der Kirchenverfassung (ebd., 31).

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

das Landeskirchenamt, allerdings nur in Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der formellen Geschäftsführung. Das Landeskirchenamt seinerseits führte als oberste Verwaltungsbehörde die Aufsicht über die Kirchengemeinden – dort war der Kirchenvorstand für die Vermögensverwaltung zuständig. Die Staatsaufsicht in Vermögensangelegenheiten entsprach in der hannoverschen Landeskirche den bereits vorgestellten preußischen Regelungen.4 Das in der Verfassung neu geschaffene Amt des Landesbischofs war zunächst nur mit wenigen kirchenregimentlichen Befugnissen ausgestattet. Der Landesbischof war im Wesentlichen auf die geistliche Leitung und die Außenvertretung der Landeskirche beschränkt, darüber hinaus war er Vorsitzender des Kirchensenats und durfte, ohne Stimmrecht, an Sitzungen des Landeskirchenausschusses sowie des Landeskirchenamts teilnehmen. Zum ersten hannoverschen Landesbischof wurde am 17. Juni 1925 Generalsuperintendent August Marahrens gewählt.5 Bis 1933 ermöglichte die neu geschaffene Ordnung eine weitgehend problemlose Arbeit in der Landeskirche. Nur gelegentlich kam es zwischen einzelnen Kirchenorganen zu Kompetenzstreitigkeiten oder machttaktischen Auseinandersetzungen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Anfang 1933 zeigte sich jedoch bald, dass die Organisationsstruktur nicht dazu geeignet war, den raschen kirchenpolitischen Entwicklungen und dem sich abzeichnenden „Kirchenkampf“ angemessen zu begegnen. Eine Notverordnung des Kirchensenats vom 22. Mai 1933 sollte Abhilfe schaffen: „Der Landesbischof wird bis auf weiteres zu allen Verhandlungen, Erklärungen und Maßnahmen für die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers bevollmächtigt, die aus der Neuordnung des Deutschen Kirchenwesens in Folge der Umgestaltung des Staates erforderlich werden“6. Der Landesbischof sollte rasch auf aktuelle Situationen reagieren können, seine Befugnisse wurden wesentlich gestärkt. Trotz dieser Reaktion auf die Zeitumstände war auch in der hannoverschen Landeskirche ein „Kirchenkampf“ nicht zu verhindern – er prägte die Jahre von 1933 bis 1935. Viele rechtliche Entwicklungen dieser Zeit waren nur sehr kurzlebig. Ein kursorischer Überblick über das Geschehen ist dennoch angezeigt, zumal mancher Vorgang in seiner Bedeutung über den aktuellen Rahmen hinausreichte.7 4 Zu nennen sind hier insbesondere der Kirchenvertrag von 1931 sowie die Staatsgesetze von 1924, siehe oben 51 – 53. 5 Vgl. zu Marahrens vor allem: Otte, Art. Marahrens; Mager, Marahrens; Otte, Bischof; Perels, Kritik; Grìnzinger, Marahrens; Besier, „Selbstreinigung“; Marahrens, Zeitgeschichtsforschung; ferner Kçdderitz, Art. Marahrens; Ders., Pastor; Schmidt-Clausen, Marahrens; Goldbach, Protagonisten, bes. 76 – 84; Einleitung, passim. 6 KABl., 1933, 71 f. 7 Vgl. zum Folgenden: Klìgel, Landeskirche, bes. 25 – 30, 45 – 93, 102 – 158; Rçhrbein, Gleichschaltung; Otte, Kirchen in Niedersachsen, 1048 – 1050; Schmiechen-Ackermann, Kooperation, bes. 146 – 179; Otte, Intakte Kirche, 118 – 128; Krumwiede, Kirchengeschichte, 460 –

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Die hannoversche Landeskirche vor der Einrichtung

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Im Jahr 1933 versuchten die Deutschen Christen, die Macht innerhalb der hannoverschen Landeskirche zu übernehmen. Auch in Hannover hatten sie bei den Kirchenwahlen vom 23. Juli 1933 triumphiert, sie besaßen nun eine deutliche Mehrheit im Landeskirchentag. Daneben war am 25. Juni 1933 ihr Landesleiter, der Elmloher Pastor Gerhard Hahn,8 von Staatskommissar Jäger für die hannoversche Landeskirche zu seinem Bevollmächtigten ernannt worden.9 In der Folge hatte Hahn unter anderem die Befugnisse des Kirchensenats beansprucht10 und diesen Anspruch auch nicht aufgegeben, nachdem die Staatskommissare am 14. Juli 1933 zurückgezogen worden waren.11 Der entzogenen Legitimation begegnete er, indem er den Kirchensenat um vier kommissarische neue Mitglieder ergänzte.12 Eines dieser Mitglieder war Hermann Muhs, seinerzeit Hildesheimer Regierungspräsident. Die Maßnahmen Hahns und des umgebildeten Kirchensenats zielten darauf, die Landeskirche im deutsch-christlichen Sinne umzugestalten. Als „geborenes“ Mitglied war im Kirchensenat allerdings noch der Landesbischof vertreten. Dieser bemühte sich zwar um eine Zusammenarbeit mit den hannoverschen Deutschen Christen, die er positiv von denjenigen auf der Reichsebene unterschied,13 gehörte ihnen aber nicht an. Es gab jedoch einige Berührungspunkte, wie etwa die Volksmission, die ein besonderes Anliegen des Landesbischofs wie der Deutschen Christen war.14 So war das gegenseitige Verhältnis zu diesem Zeitpunkt zwar nicht frei von Differenzen – der Kirchensenat, in Person von Hahn, hatte Marahrens daher im Juli 1933 seine Vollmachten vom 22. Mai 1933 entzogen15 – aber zu einem endgültigen Zerwürfnis zwischen Marahrens und den Deutschen Christen kam es vorerst nicht. Die Deutschen Christen nahmen offenbar an, mit dem national-konservativ und staatsloyal gesinnten Marahrens in Zukunft weiterhin gedeihlich zusammenarbeiten zu können.16

8 9 10 11 12 13 14 15 16

465, 473 f., 480 – 483, 493 – 497; Meier, Kirchenkampf I, 390 – 396; Rçhrbein, Landeskirche im Dritten Reich, 80 – 84; Ders., Kirche, 218 – 230, 233 f.; Fleisch, Entwicklung, 177 – 180; Besier, Prozess, 186 – 191; Schmiechen-Ackermann, Modus vivendi, 226 – 235; Klìgel, Gewaltregiment; Goldbach, Protagonisten, 15 – 19; Schyga, Kirche, 57 – 70. Die Details können auch anhand des Kirchlichen Amtsblattes nachvollzogen werden. Vgl. auch Gauger, Chronik III, 397 – 415. Vgl. zu Hahns Person: Goldbach, Protagonisten, bes. 29 – 43. KABl., 1933, 97 f. Ebd., 107. Ebd., 127. Ebd., 139 f. Tatsächlich hatten „die hannoverschen Deutschen Christen bis Ende 1934 sich relativ selbständig gehalten“. Vgl. Meier, Christen, 188, dort auch das Zitat; Slenczka, Ende, bes. 305. Vgl. dazu Hermle, Aufstieg; Otte, Volksmission, bes. 18 – 20; Riesener, Volksmission, bes. 52 – 60; Blatz, Erbstücke, bes. 73 – 79. KABl., 1933, 139. Für Marahrens’ Haltung zum Nationalsozialismus im Jahre 1933 gilt, was oben, 32 f., zu den national-konservativen Kircheneliten festgehalten worden ist.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

Von den Deutschen Christen nicht vereinnahmt war im Sommer 1933 noch das Landeskirchenamt. Ein Kirchengesetz vom 13. September 1933 sollte dies ändern. Es gab dem Kirchensenat das Recht, Mitglieder des Landeskirchenamts „jederzeit in den einstweiligen oder dauernden Ruhestand zu versetzen“17. Auf dieser Grundlage wurden, mit der Zustimmung des Landesbischofs, unter anderem LKA-Präsident Max Schramm sowie die beiden Vizepräsidenten Paul Fleisch und Hermann von Lüpke zum 1. Oktober 1933 in den Ruhestand versetzt18 – bereits am 22. August 1933 waren die Betroffenen beurlaubt worden.19 An ihre Stelle traten als neue Vizepräsidenten Hahn selbst (geistlicher Vizepräsident) und Landeskirchenrat Dr. Johannes Richter (weltlicher Vizepräsident), der einer der „getreuesten Mitstreiter“20 Hahns war. Zum Präsidenten wurde der bisherige Finanzdirektor des Landeskirchenamts, Friedrich Schnelle, ernannt. Jener war sowohl Mitglied der NSDAP wie auch der Deutschen Christen.21 Damit waren sämtliche Leitungsorgane, ausgenommen das Amt des Landesbischofs, von den Deutschen Christen übernommen – ein Landeskirchenausschuss, dessen Befugnisse zuletzt Hahn ausgeübt hatte,22 bestand nicht mehr. Erst das Jahr 1934 brachte den Höhepunkt des hannoverschen „Kirchenkampfes“. Nach der Berliner Sportpalastkundgebung und einer umstrittenen Rede des Kirchensenatsmitglieds Muhs anlässlich des Luthertages in Hannover, hatten die hannoverschen Deutschen Christen mit einem massiven Verlust an Rückhalt innerhalb der Landeskirche zu kämpfen.23 Gleichzeitig gewann die hannoversche Bekenntnisgemeinschaft, die zunächst unter der Bezeichnung „Landeskirchliche Sammlung“ firmierte, an Zulauf, sowohl unter der Pfarrerschaft24 als auch unter den Laien. 17 18 19 20 21

KABl., 1933, 165. Ebd., 181. Ebd., 155. Rundschreiben, 17. Schnelle war am 1. Mai 1933 in die NSDAP aufgenommen worden, vgl. BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP. 22 KABl., 1933, 99. 23 Im Sommer/Herbst 1933 waren ca. 25 % (ca. 265) der Pastoren der hannoverschen Landeskirche Mitglied der Deutschen Christen. So etwa übereinstimmend Klìgel, Landeskirche, 81; Krumwiede, Kirchengeschichte, 474; Meier, Kirchenkampf I, 390, 393. Ein Jahr später, im Sommer 1934, hatte die Austrittswelle den Deutschen Christen bereits massiv zugesetzt. Nach Krumwiede, Kirchengeschichte, 495, waren nun nur noch ca. 10 % der Pfarrerschaft bei den Deutschen Christen verblieben. Die Zahl nationalkirchlicher Pfarrer betrug nach Meier, Kirchenkampf III, 405, dabei nie mehr als 30 Pfarrer. Vgl. ansonsten auch Klìgel, Landeskirche, 130, 485; Meier, Kirchenkampf I, 394; Mlynek, Gestapo, 163, 259. Für den Kriegsbeginn gibt Schmiechen-Ackermann, Gemeindeleben, 242 Anm. 36, die DC-Anhängerschaft unter den hannoverschen Pfarrern mit „höchstens noch 5 Prozent“ an. 24 Im Herbst 1933 gehörten der „Landeskirchlichen Sammlung“ etwa 450 der knapp über 1000 hannoverschen Pastoren an. Vgl. Klìgel, Landeskirche, 81; Meier, Kirchenkampf I, 393; Rçhrbein, Gleichschaltung, 33; Schyga, Kirche, 64. Im Frühjahr 1934 sollen ihr nach GestapoSchätzungen zwischen 600 und 650 Pfarrer angehört haben. Später sollen diese Zahlen noch

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Anfang 1934 spitzten sich auch die Differenzen zwischen Marahrens und den Deutschen Christen immer mehr zu, eskalierten schließlich im Frühjahr 1934 mit dem Versuch der Deutschen Christen, die hannoversche Landeskirche in die Reichskirche einzugliedern. Dazu war Marahrens unter den gegebenen Umständen nicht bereit, er sorgte sich um die Wahrung des Bekenntnisstands der Landeskirche. Das umstrittene Eingliederungsgesetz vom 15. Mai 1934 musste letztlich der Präsident des Landeskirchenamts Schnelle an Stelle des für behindert erklärten Landesbischofs unterzeichnen.25 Nun brach ein offener Konflikt aus, zwischen den Deutschen Christen, die noch immer fast die gesamte Kirchenleitung in ihren Händen hielten, und dem Landesbischof, der auf die Unterstützung weitester Teile der nicht deutschchristlichen Pfarrerschaft zählen konnte. Marahrens kam nun zugute, dass er in den zurückliegenden Jahren eine große Anhängerschaft in der Landeskirche erworben hatte.26 Eine Vertrauensfrage an die Pfarrerschaft im August 1934 ergab eine große Zustimmung für seine Position. Die Machtverhältnisse in der Landeskirche waren nun völlig verworren. Obwohl Marahrens von Hitler auf dem „Führerempfang“ vom 30. Oktober 1934 als „rechtmäßige[r] Kirchenführer“27 anerkannt wurde und Müllers Reichskirchenprojekt im Zusammenbruch begriffen war, folgte in der hannoverschen Landeskirche im November 1934 ein Monat härtester Auseinandersetzungen. Am 2. November 1934 übernahm Marahrens wieder offiziell seine Vollmachten28 (die ihm Reichsbischof Müller zuvor entzogen hatte)29 und versuchte im Anschluss, die Ordnung in der Landeskirche wiederherzustellen. Die Deutschen Christen leisteten gegen das Vorgehen des Landesbischofs massive Gegenwehr, die bis hin zur Wahl eines Gegenbischofs reichte. Letztlich schuf Marahrens am 19. November 1934 eine „Vorläufige Kirchenregierung“ unter seinem Vorsitz.30 Diese Kirchenregierung, bestehend aus Marahrens und vier weiteren Mitgliedern, sollte bis auf weiteres die Befugnisse des Kirchensenats (der in seiner damaligen Form als nicht rechtsgültig angesehen wurde), des Landeskirchentages (den Marahrens am 13. November aufgelöst hatte, weil er in seiner Zusammensetzung „dem wirklichen Willen der Kirchengemeinden nicht mehr entspricht“31) und des Landeskirchenausschusses ausüben. Aus dem Landeskirchenamt waren Anfang November Richter, Hahn und weitere Deutsche Christen entfernt worden.32 Schnelle war

25 26 27 28 29 30 31 32

leicht weiter angestiegen sein. Vgl. Mlynek, Gestapo, 163, 231, 259, 305, 390; Lindemann, Volkskirche, 118 Anm. 25. Das Eingliederungsgesetz findet sich im KABl., 1934, 99. Vgl. Klìgel, Landeskirche, 28 f. So in einem undatierten Schreiben Wurms (Dokumente II, 196 f., hier 197). KABl., 1934, 165 f. Ebd., 138. Ebd., 182 f. Ebd., 177. Ebd., 169.

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auf eigenen Wunsch krankheitshalber beurlaubt worden und überbrückte so diese besonders heikle Zeitperiode. Die Geschlossenheit der hannoverschen Kirchenleitung war im Sinne von Marahrens wieder hergestellt worden. Eine weitere Klärung der Rechtslage fand vor Gericht statt. Relevant waren vor allem zwei Prozesse vor dem Oberlandesgericht Celle: Der Prozess des vom DC-Kirchensenat beurlaubten LKA-Präsidenten Schramm (stellvertretend auch für die anderen Betroffenen der damaligen Personalmaßnahmen), und der Prozess Richters wegen der Umbesetzung des Landeskirchenamts im November 1934. Beide Prozesse nahmen einen für die Deutschen Christen ungünstigen Ausgang. In dem Urteil vom 4. März 1935 im Richter-Prozess33 erkannte das Gericht den Standpunkt von Marahrens rechtlich an und entzog damit der deutsch-christlichen „Revolution“ in der hannoverschen Landeskirche den Boden. Die Deutschen Christen hielten dennoch an ihrem Anspruch fest, die rechtmäßige Kirchenleitung zu stellen – mit dem Landeskirchentag und dem Kirchensenat unter Gegenbischof Felix Rahn. In dem zweiten Prozess bekam Schramm Recht. Seine und die Zurruhesetzung der anderen Mitarbeiter des Landeskirchenamts 1933 wurde für rechtsungültig erklärt.34 Eine Wiedereinsetzung der damals betroffenen LKABeamten in ihre alten Positionen war damit nicht verbunden,35 da die neue Kirchenleitung dringendere Probleme zu lösen hatte; weitere Umbesetzungen und eine damit verbundene Unruhe lagen nicht in ihrem Sinne – mit der Entfernung Hahns und Richters waren die vordringlichen personalpolitischen Ziele bereits erreicht. Sogar Schnelle, der sich im Laufe der Zeit zunehmend von den Deutschen Christen abgesetzt und „sich inzwischen der Führung des Landesbischofs unterstellt hatte“36, wurde von Marahrens und seiner Kirchenleitung für tragbar gehalten und verblieb in seiner Position als Präsident des Landeskirchenamts. Seit dem Jahre 1935 war der Machtkampf in der hannoverschen Landeskirche praktisch zugunsten des Marahrens’schen Kurses entschieden; die Deutschen Christen waren zurückgedrängt und die Gleichschaltung abgewehrt. Die Landeskirche galt damit, wie die Landeskirchen von Bayern und Württemberg, als sogenannte „intakte“ Kirche, in der sich ein von den Gemeinden allgemein akzeptiertes, nicht deutsch-christliches Kirchenregiment hatte durchsetzen können. Die Deutschen Christen bildeten lediglich noch eine kleine Minderheit in der Landeskirche, die unter den Pastoren nur eine geringe Anhängerschaft zu 33 Das Urteil ist abgedruckt im KABl., 1935, 48 – 86. 34 Vgl. zu diesen Prozessen, vor allem zu dem Celler Urteil vom 4. 3. 1935: Besier, Prozess; Slenczka, Ende, bes. 266 – 268; Klìgel, Landeskirche, 151 – 155; Hamann, Oberlandesgericht, 229 f.; Schrçder, Zivilrecht, 216 – 221; Schorn, Richter, 518 f.; ferner Hermelink, Kirche, 213 f.; Volkmann, Rechtsprechung, 111. 35 Zumal mit dem 22. November 1934 die beiden Vizepräsidentenstellen abgeschafft worden waren (KABl., 1934, 186 f.). 36 Otte, Intakte Kirche, 128.

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verzeichnen hatte, allerdings in den größeren Orten zumeist über Gemeindegruppen verfügte und in manchen Regionen verstärkt in Erscheinung trat.37 1936 verließ Gerhard Hahn die hannoversche Landeskirche, um eine Pfarrstelle in Thüringen zu übernehmen. Anfang 1937 übergab er sein Amt als DCLandesleiter der „Landesgemeinde Hannover“ an Pastor Heinrich Meyer. Unterdessen zerfielen die hannoverschen Deutschen Christen 1936/37 in zwei Gruppen: Eine hielt zur Nationalkirchlichen Einung (um Pastor Meyer, Aurich und Pastor Friedrich Nordhausen, Hannover), eine pflegte eine gemäßigte DC-Ausprägung (um Pastor Heinrich Bergholter, Harburg).38 In der hannoverschen Pfarrerschaft wurde mehrheitlich eine gemäßigt bekenntniskirchliche Orientierung vertreten. Dies war auch die Linie der hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft und des Landesbischofs. Nur in einer kleinen Minderheitenposition befand sich innerhalb der hannoverschen Landeskirche der entschiedene Flügel der Bekennenden Kirche, der sich regional im „Osnabrücker Kreis“ und der späteren „Hannoverschen Pfarrbruderschaft“ sammelte.39 Daneben existierte die Gruppe der „neutralen“ Pfarrer, die keiner Seite angehörten,40 aber den Landesbischof und seinen zur Mitte neigenden Kurs unterstützten.

1.2. Die schwierige Bildung der Finanzabteilung 1935 Eine Woche, nachdem durch das Celler Urteil aus Sicht der Kirchenleitung gerade die hannoverschen Verhältnisse geklärt worden waren, erging das preußische Gesetz zur kirchlichen Vermögensverwaltung. Damit sollte auch beim hannoverschen Landeskirchenamt eine Finanzabteilung eingerichtet werden – in der Gesetzesbegründung wird sogar explizit auf die umstrittene Rechtslage in Hannover verwiesen, die dazu führe, dass „besonders in finanziellen Fragen unsicher“ werde, „auf wessen Unterschrift“41 man sich noch verlassen könne. Dies lag daran, dass der Staat die Vorläufige Kirchenregierung nicht anerkannt hatte. Gleichwohl konnten die finanziellen Verhältnisse in Hannover durchaus als geordnet bezeichnet werden. Die Aufrechterhaltung der deutsch-christlichen Parallelkirchenleitung beeinträchtigte die Tätigkeit 37 Vgl. ebd., 130. 38 Vgl. zur Entwicklung der hannoverschen Deutschen Christen insbesondere: SchmiechenAckermann, Kooperation, 184 – 187; Meier, Christen, 83, 188 – 190, 250; Klìgel, Landeskirche, 347 – 350, 481 – 487; Heinonen, Anpassung, 81 – 85; Meier, Kirchenkampf III, 405. 39 Vgl. dazu Becker, Kreis; Klìgel, Landeskirche, 50 – 52; ferner Linden, Gestapo. Nach Otte, Intakte Kirche, 130, sammelten sich hier ca. 25 Pastoren. 40 Vgl. Schmiechen-Ackermann, Kooperation, 181 f. Nach Meier, Kirchenkampf II, 281, sollen der „Mitte“ im Februar 1936 um die 150 Pfarrer angehört haben, er beruft sich auf eine Aussage Kerrls – diese Zahl dürfte sich lediglich auf die organisierte Mitte beziehen. 41 BArch R 5101 / 22728, Bl. 44 – 49, Zitat Bl. 46.

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der landeskirchlichen Verwaltung nicht wesentlich, denn den Deutschen Christen fehlte die rechtliche Grundlage zur wirksamen Anfechtung von LKAMaßnahmen. Zur Verweigerung von Umlage- oder Kirchensteuerzahlungen kam es in der hannoverschen Landeskirche nicht.42 Die geplante Einrichtung der Finanzabteilung schuf eine neue Situation. Die Deutschen Christen sahen plötzlich die Möglichkeit, doch noch in unangefochtene Machtpositionen der Landeskirche einzurücken. Rasch nach Bekanntwerden der neuen Maßnahme wurde Gerhard Hahn aktiv, um beim Reichs- und Preußischen Erziehungsministerium eine deutsch-christliche Besetzung der hannoverschen Finanzabteilung zu erwirken. Alarmiert war Hahn durch Gerüchte, Stahn, zu der Zeit Ministerialrat im Erziehungsministerium und befasst mit den entstehenden Finanzabteilungen, habe bei einem Besuch in Hannover „an die Marahrens-Seite feste Zugeständnisse“43 bezüglich der FA-Besetzung gemacht.44 Eine einseitig mit Anhängern von Marahrens besetzte Finanzabteilung ließ ihn fatale Folgen befürchten: „Wenn das aber geschieht, ist der nat[ional]soz[ialistische] Einfluß erledigt und die schwarze Reaktion hat ungehindertes Betätigungsfeld. Vor allem aber : Wenn Rust keinen der nat[ional]soz[ialistischen] Kämpfer ernennt, brüsten sich die Reaktionären mit der ,Anerkennung des Staates‘, und wir stehen da als solche, die vom Staat nicht mehr anerkannt werden, obwohl wir bisher die Sachwalter des Staates waren.“45

Nach Hahns Vorstellungen gab es nur einen möglichen Kandidaten für den Posten des FA-Vorsitzenden: den ehemaligen LKA-Vizepräsidenten Dr. Johannes Richter. Jener wäre der einzige Kandidat, der „rückhaltlos auf dem Boden der Rechtsauffassung des Staates“46 und hinter Reichsbischof Müller stünde, außerdem habe er bis November 1934 das Finanzdezernat des Landeskirchenamts verwaltet und sei daher auch fachlich für das Amt bestens geeignet. Von den aktuellen LKA-Mitarbeitern käme keiner in Frage, weil selbst die NSDAP-Mitglieder und die Deutschen Christen unter ihnen geschlossen hinter Marahrens stünden. Als weitere FA-Mitglieder schlug Hahn die LKA-Referenten Walther Lampe und Karl Wagenmann vor – diese sollten pro forma den staatlichen Wunsch nach einer kirchenpolitisch neutral besetzten Finanzabteilung zufriedenstellen.47 Wagenmann galt als bekenntniskirchlich orientiert, Lampe stand nach einer DC-Phase loyal zur Marah42 Vgl. Carstensen an Kerrl vom 3. 9. 1935 (ebd., Bl. 366); Wagenmanns Kommentar auf einer Sitzung von FA-Funktionären am 6. 8. 1935 (BArch R 5101 / 23502, Bl. 76). 43 Hahn an Sunkel vom 21. 3. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 104). 44 Er bezog sich auf Stahns Hannover-Besuch am 14. und 15. März 1935. Vgl. dazu Stahns Reisebericht vom 16. 3. 1935 (ebd., Bl. 125 – 127). Welche FA-Personalvorschläge Stahn bei dem Besuch erörterte, lässt sich nicht feststellen. 45 Hahn an Kube vom 23. 3. 1935 (ebd., Bl. 443 f., Zitat Bl. 444). 46 Hahn an Kerrl vom 31. 3. 1935 (ebd., Bl. 439 f., Zitat Bl. 440). 47 Vgl. Hahn an Kerrl vom 31. 3. 1935 (ebd.).

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rens’schen Kirchenleitung.48 Hahn suchte für seine Vorstellungen Unterstützer in der nationalsozialistischen Führungsebene und bemühte sich, alte Seilschaften zu aktivieren. Er wandte sich zum Beispiel wiederholt an den damaligen Reichsminister ohne Geschäftsbereich Hanns Kerrl,49 damit dieser sich in seinem Sinne bei Rust verwenden möge.50 Auch mit dem Hildesheimer Regierungspräsidenten Hermann Muhs setzte sich Hahn ins Benehmen.51 Muhs schrieb am 28. März 1935 sogar persönlich an Stahn: „Nach eingehender Prüfung der Verhältnisse halte ich es für untragbar, dass stockreaktionäre Kirchenräte des Landeskirchenamts-Hannover, die voll unter dem Einfluss der Bekenntnisgemeinschaften stehen, zu Finanzbevollmächtigten des Staates bestellt werden. Jedenfalls ist es unbedingt erforderlich, dass zum Vorsitzenden der Finanzabteilung auf alle Fälle der Vizepräsident Dr. Richter bestellt wird. Er ist der einzige Nationalsozialist.“52

Als weitere FA-Mitarbeiter schlug Muhs Rechtsanwalt Cölle und Gerichtsassessor Sander vor. Doch welche Personalvorstellungen kursierten zu diesem Zeitpunkt im Erziehungsministerium? Ursprünglich sollte in Hannover, wie in den anderen preußischen Landeskirchen, im Rahmen der Ersten Durchführungsverordnung zum Vermögensverwaltungsgesetz die vorgesehene Finanzabteilung etabliert werden. Die Personalauswahl erwies sich jedoch in diesem Fall als äußerst problematisch.53 Grundsätzlich kamen für die Finanzabteilungen nach der Rechtslage nur Beamte der allgemeinen kirchlichen Verwaltungen in Frage. Zusätzlich galten als Kriterien für die FA-Mitglieder : Sie sollten nicht Mitglied der Kirchenleitung sein, nach Möglichkeit fachliche Erfahrung in der Finanzverwaltung besitzen und kirchenpolitisch bisher nicht hervorgetreten sein. Gerne gesehen wurden „Parteigenossen“. Die kirchenpolitische Gesinnung des einzelnen FA48 Vgl. zu Lampe: Otte, Pragmatismus, hier bes. 132 f., 139, 149 f., 158. 49 Offenbar hatte Hahn die im Frühjahr 1935 kursierenden Gerüchte gehört, Kerrl würde alsbald zum Kirchenminister berufen. Vgl. dazu Kreutzer, Reichskirchenministerium, 73 f.; Meier, Kirchenkampf II, 70; Grìnzinger, Einleitung III, XVII. 50 Vgl. die Schreiben Hahns an Kerrl vom 21. und 31. 3. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 441 und 439 f.). Zusätzlich wählte Hahn den Umweg, über Wilhelm Kube, den brandenburgischen Oberpräsidenten, auf Kerrl einzuwirken. Tatsächlich befürwortete Kube gegenüber Kerrl Hahns Personalvorschlag. Vgl. Hahn an Kube vom 23. 3. 1935 (ebd., Bl. 443 f.); Kube an Kerrl vom 26. 3. 1935 (ebd., Bl. 442). 51 Vgl. Hahn an Rust vom 23. 3. 1935 und Hahn an Kerrl vom 31. 3. 1935 (ebd., Bl. 445 f. und 439 f.). 52 Ebd., Bl. 110. 53 Am 1. April 1935 hatte Rust seine FA-Personalvorschläge einigen preußischen Ministerkollegen und dem Ministerpräsidenten zum Einverständnis vorgelegt. Abgesehen von den Vorschlägen zu Hannover wurden keine Änderungen mehr vorgenommen (vgl. ebd., Bl. 119 – 122). Auch mit dem Reichsbischof und Präsident Werner wurden die Personalvorschläge erörtert, vgl. Vermerk Stahns vom 29. 3. 1935 (ebd., Bl. 111 f.); Reichserziehungsministerium an Reichsinnenminister vom 9. 5. 1935 (ebd., Bl. 342).

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Mitglieds war hingegen von untergeordneter Bedeutung, es kam als Ausdruck der staatlichen Neutralität nur darauf an, dass nicht das gesamte FA-Personal von einer kirchenpolitischen Gruppe gestellt wurde.54 Für die hannoversche Finanzabteilung bedeuteten diese Grundsätze, dass für ihre Besetzung eigentlich lediglich Mitglieder des Landeskirchenamts zur Verfügung standen. Laut einem Vermerk Stahns vom 23. März 1935 kam Präsident Schnelle trotz seiner profunden Fachkenntnisse aus kirchenpolitischen Gründen nicht in Frage,55 zu involviert war jener in die vergangenen Turbulenzen. Stahn hatte daher zunächst Oberlandeskirchenrat Dr. Constanz Brüel wegen seiner fachlichen Eignung als FA-Vorsitzenden erwogen,56 doch er kam hiervon schnell wieder ab, denn Brüel war 1933 von den Deutschen Christen zwischenzeitlich aus dem Landeskirchenamt entfernt worden, er wäre für jene daher nicht akzeptabel gewesen. Außerdem lief ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn (ihm wurde vorgeworfen, im Frühjahr 1933, kurz vor seinem Eintritt in die Partei, Hitler als „Proleten“ bezeichnet zu haben).57 Blieben, laut Stahn, noch die LKA-Beamten Lampe und Wagenmann. Da auch Wagenmann wegen seiner Nähe zur Bekennenden Kirche bei den Deutschen Christen Einwände provozieren würde, kam für Stahn als „das geringste von verschiedenen Übeln“58 nur Lampe als FA-Vorsitzender in Frage. Da dieser jedoch nicht die nötige fachliche Kompetenz besitze, so Stahns Überlegungen, müsste ihm Wagenmann zur Seite gestellt werden. Dafür sei Lampe Deutscher Christ und zudem „Parteigenosse“. Den von Hahn vorgeschlagenen Richter zog Stahn nicht ernstlich in Erwägung, denn ihm lag bei der Besetzung der Finanzabteilung weniger daran, die Deutschen Christen zu unterstützen, als vielmehr die Durchsetzungskraft der Finanzabteilung nicht von vornherein durch eine kirchenpolitische Parteinahme zu schwächen. Zudem war er der Auffassung, dass die Deutschen Christen an ihrer ungünstigen Lage in Hannover selber schuld seien und sich zunächst wieder konsolidieren müssten, bevor man ihnen eventuell auf weite Sicht einmal helfen könne.59 Jedenfalls war Richter durch seine exponierte Rolle bei der „Revolution Hahn“ für einen Posten in der Finanzabteilung von vornherein disqualifiziert. Fortan war die Konstellation Lampe/Wagenmann die vom Erziehungsministerium anvisierte Personallösung für Hannover.60 Diese Pläne waren auch 54 Vgl. zu den Grundsätzen bei der Personalauswahl Stahns Vermerk vom 18. 3. 1935 (ebd., Bl. 101); Stahns Vermerk vom 26. 3. 1935 (ebd., Bl. 106 – 109, hier Bl. 109). 55 Auch Hahn lehnte Schnelle, den Überläufer, ganz entschieden ab. Vgl. sein Schreiben an Rust vom 23. 3. 1935 (ebd., Bl. 445 f.). 56 Vgl. den Vermerk Stahns vom 18. 3. 1935 (ebd., Bl. 101); auch einen Entwurf der 1. DVO zum Vermögensverwaltungsgesetz (ebd., hier Bl. 118). 57 Vgl. die Unterlagen dazu in BArch R 5101 / 23218. Im November 1935 wurde Brüel aus der NSDAP ausgeschlossen. 58 Vermerk Stahns vom 23. 3. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 102). 59 Vgl. ebd. Vgl. auch zu Stahns Einschätzung der Lage seinen Reisebericht vom 16. 3. 1935 über den Hannover-Besuch am 14. und 15. 3. 1935 (ebd., Bl. 125 – 127). 60 Vgl. auch Stahns Vermerk vom 26. 3. 1935 zu seinen Personalvorschlägen (ebd., Bl. 106 – 109,

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Hahn nicht verborgen geblieben, weswegen er am 31. März 1935 direkt an Rust appellierte, Stahns Vorschlägen nicht zu folgen.61 Dennoch wurde zunächst in alle Entwürfe der Ersten Durchführungsverordnung zum Vermögensverwaltungsgesetz das Modell Stahns aufgenommen. Erst in dem letzten Entwurf vor der Veröffentlichung wurde diese Regelung handschriftlich durch den dann am 11 April 1935 erschienenen Passus ersetzt, dass nämlich in Hannover „die Bildung der Finanzabteilung […] vorbehalten“ bleibe.62 So wurde buchstäblich in letzter Minute die Bildung der Finanzabteilung in Hannover zurückgestellt.63 Die Gefahr war zu groß, dass ihr von Beginn an die nötige und gewünschte Akzeptanz fehlen würde. Außerdem wurde befürchtet, dass sich wegen der Zerwürfnisse um die Finanzabteilung ein nicht beherrschbarer Kirchensteuerstreik anbahnen könnte64 und damit eine Situation neu geschaffen würde, die mit den Finanzabteilungen andernorts gerade beendet werden sollte. Die hannoversche Landeskirche war damit die einzige Landeskirche, in der die Einrichtung der Finanzabteilung 1935 größere Probleme verursachte. Das Erziehungsministerium hielt jedoch trotz der bisherigen Schwierigkeiten grundsätzlich an der Absicht fest, auch in Hannover bald eine Finanzabteilung einzurichten, um zumindest auf dem finanziellen Sektor Ruhe, Ordnung und Verlässlichkeit zu schaffen. Am 16. April 1935 konnte Stahn mit einem neuen Personalvorschlag aufwarten. Er ging nun davon aus, dass es im hannoverschen Landeskirchenamt keine kirchenpolitisch neutralen Beamten gäbe, „also weder Herr Richter noch jemand aus dem Landeskirchenamt für die Finanzabteilung geeignet ist“65. Daher wollte Stahn nunmehr auf Kandidaten aus anderen Landeskirchen ausweichen. Das Vermögensverwaltungsgesetz legte nur fest, dass Beamte der allgemeinen kirchlichen Verwaltung zu ernennen seien, nicht aber, dass diese der betreffenden Landeskirche angehören müssten. Zunächst schlug Stahn vor, Oberkonsistorialrat Dr. Walter Siebert vom Konsistorium in Düsseldorf, einen „Parteigenossen“ und Deutschen Christen, zum FA-Vorsitzenden zu ernennen und ihm Wagenmann zur Seite zu stellen.66 Wagenmann (mit den hannoverschen Verhältnissen vertraut und fachkundig) schien Stahn als FA-Mitglied weiterhin unverzichtbar. Minister Rust war mit diesem Vorschlag einverstanden, und so entstand bereits wenige Tage nach

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hier Bl. 108); und das ursprünglich vorgesehene FA-Personal laut Entwurf der 1. DVO zum Vermögensverwaltungsgesetz vom 1. 4. 1935 (ebd., Bl. 122). Ebd., Bl. 219 f. Ebd., Bl. 134 – 136, hier Bl. 136. Der Vermerk Stahns, in dem die Änderungen festgehalten wurden, datiert auf den 11. April 1935, die Änderungen wurden also tatsächlich erst am letzten Tag vorgenommen (ebd., Bl. 131). Vgl. Vermerk Webers vom 29. 3. 1935 (ebd., Bl. 111 f.); Vermerk Stahns vom 26. 3. 1935 (ebd., Bl. 106 – 109, hier Bl. 109). Vermerk Stahns vom 16. 4. 1935 (ebd., Bl. 221). Vgl. Ebd.

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der Ersten Durchführungsverordnung der erste Entwurf einer Zweiten Durchführungsverordnung zum Vermögensverwaltungsgesetz, mit der die Genannten „kommissarisch“ die hannoversche Finanzabteilung bilden sollten. Durch diese Personalentscheidung wollte Rust die Gemüter beruhigen und deutlich machen, „daß eine Entscheidung des Hannoverschen Kirchenstreites von hieraus zurzeit nicht getroffen werden soll.“67 Die neuen Absichten riefen jedoch Marahrens auf den Plan. In einem Schreiben an Rust vom 3. Mai 193568 bestritt der Landesbischof die Notwendigkeit einer Finanzabteilung für seine Landeskirche, da die Finanzverwaltung ordnungsmäßig funktioniere, und zeigte sich besorgt „im Hinblick auf die Tendenz und die Auswirkung des Gesetzes“.69 Vor allem aber ging es ihm um die Besetzung der Finanzabteilung. Er plädierte dafür, aus den vorhandenen, rechtskundigen Mitarbeitern des Landeskirchenamts zu wählen, die ihm alle für ein FA-Amt geeignet erschienen, denn keiner sei „kirchenpolitisch abgestempelt und festgelegt“. Die Möglichkeit, das FA-Personal außerhalb der Landeskirche zu rekrutieren, lehnte Marahrens ab; das Gesetz sei doch wohl dahingehend auszulegen, dass nur Beamte der eigenen Verwaltung eingesetzt werden dürften (wie es auch in den bereits gebildeten Finanzabteilungen der Fall war), es dürfe „keine Ausnahmeregelung einzig für Hannover erfolgen.“ Schon gar nicht dürfe ein Beamter einer nicht-lutherischen Landeskirche eingesetzt werden. Als Notlösung schlug Marahrens die Berufung von Gerichtsassessor Sander vor, der bis zum 1. April 1935 als Hilfsarbeiter im Landeskirchenamt gearbeitet habe, bevor er in den Justizdienst zurückgekehrt sei.70 Stahn rückte ob des Widerspruchs zumindest teilweise von seinen Plänen ab. Wohl hielt er an der Absicht fest, schnellstmöglich eine Finanzabteilung für Hannover zu bilden und einen auswärtigen Kirchenbeamten zum Vorsitzenden zu berufen, aber : „Andererseits verkenne ich nicht, daß mein Vorschlag, einen Beamten einer nicht rein lutherischen Landeskirche, nämlich der Altpreußischen Union, mit der Leitung der Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Hannover zu betrauen, kirchenpolitisch und möglicherweise auch politisch zu gewissen Schwierigkeiten führen kann, wenn D. Marahrens Widerstand leistet.“71

67 Vermerk für Stahn vom 17. 4. 1935 (ebd., Bl. 222). Vgl. auch den Entwurf der Verordnung (ebd., Bl. 223 f.). 68 Ebd., Bl. 236 – 238, daraus auch die folgenden Zitate. 69 Vgl. auch seinen Wochenbrief vom 1. 5. 1935 (Zur Lage der Kirche I, 263 – 269, hier 265). 70 Auch Muhs hatte Sander als mögliche Besetzung vorgeschlagen, von daher hätte dieser offenbar tatsächlich auf allen Seiten mit Zustimmung rechnen können. Stahn scheint diese Möglichkeit jedoch nicht weiter verfolgt zu haben, eine Einsetzung wäre auch gar nicht möglich gewesen, da Sander zu jenem Zeitpunkt nicht mehr der kirchlichen Verwaltung angehörte. 71 Stahn an Popitz vom 13. 5. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 241 f., hier Bl. 241).

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Unterdessen arbeiteten die Deutschen Christen Hannovers, mittlerweile mit einer gewissen Verbitterung, weiter auf eine baldige FA-Einrichtung hin, denn ihr Fehlen bedeute „eine derartige innere und äussere Stärkung des Willkürregimes des Herrn D. Marahrens und seiner Helfer, dass diese Herren dem Herrn Minister dafür nur dankbar sein können.“72 Für einige führende Deutsche Christen hatte das Verlangen nach einer Finanzabteilung auch ganz profane Gründe, denn ihnen waren bestimmte Gehaltszahlungen gesperrt worden und von einer Finanzabteilung versprachen sie sich Abhilfe.73 Anfang Juni 1935 kamen die Bemühungen, eine Finanzabteilung für Hannover zu bilden, wieder in Schwung. Nunmehr sollte der Kieler LKA-Präsident Traugott Freiherr von Heintze kommissarischer FA-Vorsitzender werden.74 Diese Variante war für Marahrens ebenso wenig hinnehmbar, wie die Personalie Siebert.75 Die Tatsache, dass von Heintze in der Vergangenheit als „eifriger Kirchenpolitiker“ auf Seiten der Deutschen Christen agiert habe und nach wie vor bemüht sei, „im kirchenpolitischen Kampfe an führender Stelle tätig zu sein […] würde in der hannoverschen Landeskirche begründete Veranlassung zu der Annahme geben, daß Herr von Heintze nicht aus kirchlichen oder staatspolitischen, sondern aus kirchenpolitischen Gründen bestellt sei.“76 Marahrens plädierte stattdessen weiterhin dafür, mit Wagenmann einen heimischen LKA-Mitarbeiter zum Vorsitzenden der Finanzabteilung zu machen. Sollte dies aber völlig ausgeschlossen sein, so der Landesbischof, würde er „unter Zurückstellung aller grundsätzlichen Bedenken gegen diese Ausnahmeregelung bereit sein, vorübergehend der Ernennung“ von Oberlandeskirchenrat Johannes Carstensen zuzustimmen, der bereits die Kieler Finanzabteilung führte – dieser Name war bereits im Vorfeld als möglicher Ersatzkandidat ins Gespräch gebracht worden. Rust war einverstanden, es wurde ein entsprechender Verordnungsentwurf ausgearbeitet,77 doch erst der neue Kirchenminister Kerrl setzte die Durchführungsverordnung um. Am 25. Juli 1935 wurde die Finanzabteilung mit Oberlandeskirchenrat Carstensen als Vorsitzendem und Landeskirchenrat Wagenmann als Mitglied gebildet.78 Insgesamt erwies sich die Bildung der hannoverschen Finanzabteilung als schwierig. Landesbischof Marahrens hätte am liebsten ganz auf sie verzichtet, sah jedoch weder die Möglichkeit noch die absolute Notwendigkeit, sie zu verhindern, und widmete seine Hauptsorge daher der personellen Besetzung. 72 So Richter in seinem Schreiben an Rust vom 24. 5. 1935 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 22 f., hier Bl. 22). Vgl. auch Hahn an Rust vom 9. 5. 1935 (ebd., Bl. 11 f.). 73 Siehe dazu unten 199 – 203, 206 f. 74 Vgl. den Vermerk vom 5. 6. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 210). 75 Vgl. Marahrens an Rust vom 15. 6. 1935 (ebd., Bl. 214 – 216), daraus auch die folgenden Zitate. 76 Vgl. zu von Heintzes Haltung: Reumann, Kirchenkampf, bes. 197, 204 f. 77 Entwurf vom 19. 6. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 228). 78 2. DVO zum Vermögensverwaltungsgesetz (GBlDEK, 1935, 87).

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Das Recht, eine Finanzabteilung einzurichten, wurde dem Staat nicht grundsätzlich abgesprochen. Die These, die FA-Bildung sei „wohl auch einem Entgegenkommen des Landesbischofs zu verdanken“79, welches in den anderen „intakten“ Landeskirchen nicht bestanden habe, ist jedoch nicht haltbar.80 Stand der Landesbischof der Finanzabteilung also skeptisch, wenn auch kompromissbereit gegenüber, so begrüßten auf der anderen Seite die Deutschen Christen grundsätzlich die Maßnahme, bestanden aber auf einer akzeptablen Besetzung. Nachdem sie Dr. Richter nicht hatten durchsetzen können, war ihnen auch die Lösung mit einem Vorsitzenden aus einer anderen Landeskirche recht, solange dieser „die erforderlichen Voraussetzungen“ erfülle, „nämlich rückhaltlose Stellung zum Staat und zu dem vom Staat als rechtmäßig anerkannten Reichsbischof.“81 Das Erziehungsministerium hatte wegen der unklaren Rechtslage in Hannover ein massives Interesse an der Finanzabteilung, wagte es jedoch wegen drohender Komplikationen nicht, eine strittige Lösung durchzusetzen und vertagte daher die Entscheidung immer weiter. Die besondere Problematik der FA-Einsetzung in Hannover bestand darin, dass der Eingriff hier unter starker Rücksichtnahme auf die „intakte“ Landeskirche vorgenommen werden musste, gleichzeitig aber kein Interesse daran bestand, die Deutschen Christen übermäßig zu düpieren.

1.3. Skepsis und Hoffnungen: Reaktionen auf die Bildung der Finanzabteilung Am 2. August 1935 wurde im Kirchlichen Amtsblatt der Landeskirche Hannovers die Einrichtung der Finanzabteilung mitsamt den einschlägigen Gesetzestexten bekanntgegeben.82 Allen Dienststellen wurde die genaue Beachtung der staatlichen Bestimmungen zur Pflicht gemacht, nicht aber ohne darauf zu verweisen, dass das Landeskirchenamt „im übrigen in seiner Verwaltung selbständig“83 bleibe. Die Reaktionen in der Landeskirche waren allseits verhalten. Landesbischof Marahrens ging in seinem Wochenbrief vom 7. / 8. August 1935 auf das 79 Lindemann, Volkskirche, 120. So auch in anderen Publikationen Lindemanns. 80 Vgl. auch Fleisch, Kirchengeschichte, 215, der beklagt, Hannover habe das Pech gehabt, mit der Altpreußischen Union in einem Staatsverband zu leben, daher hätte man „auch gegen sie gerichtete staatliche Maßnahmen gänzlich unverschuldet“ abbekommen. Vgl. auch Fleisch an Wurm vom 28. 7. 1946 (Protokolle des Rates 1945 – 1948, 128 – 132, hier 129). 81 Hahn an Rust vom 9. 5. 1935 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 11 f., hier Bl. 12). 82 KABl., 1935, 135 – 138. 83 Ebd., 135.

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Thema ein, zu dem ihn viele Zuschriften erreicht hatten:84 Eine Beurteilung der Finanzabteilung, so Marahrens, „wird auch danach zu fragen haben, ob bei allen Massnahmen die Grenze gesehen werden wird, bei deren Überschreitung Dinge, die Verwaltungsangelegenheiten zu sein scheinen, in Wirklichkeit bereits Angelegenheiten des Bekenntnisses sind. Wir können nur herzlich wünschen, dass sich die Befürchtung zahlreicher Amtsbrüder, ,die Politik suche auf neuen Wegen in kirchlichen Dingen Einfluss‘, nicht bewahrheite.“

Diese grundsätzlichen Bedenken85 stellte Marahrens zunächst aber hintenan, denn nach „den Erklärungen, die ich gehört habe, darf ich eine solche Absicht an den entscheidenden Stellen nicht annehmen“. Der Landesbischof mahnte, die kommende Entwicklung abzuwarten und der Finanzabteilung unter Carstensen die Chance zur Bewährung zu geben. Wenngleich zurückhaltend, betonte Marahrens: „Jedenfalls besteht z. Zt. noch keine Möglichkeit einer abschliessenden Beurteilung.“ Im Vorfeld der FA-Bildung hatte die Bekenntnisgemeinschaft vordringlich vor den Versuchen gewarnt, Richter in die Finanzabteilung zu befördern. „So erfreulich es ist, daß die Geldverwaltung der Kirche […] dem kirchenpolitischen Kampf entzogen sein soll, so ernst muß erkannt werden, daß natürlich von der Beherrschung der Finanzen nicht nur ein starker, sondern sogar ein bestimmender Einfluß auch auf die innerkirchliche, auch auf die bekenntnismäßige Entwicklung der Kirche möglich ist. Die Tatsache, daß der Name von Dr. Richter heute noch für dieses Amt genannt wird, gibt nach dieser Seite ernst zu denken.“86

Die Gefahren einer Finanzabteilung, so die Annahme der Bekenntnisgemeinschaft, könnten mit der richtigen Besetzung entschärft werden. Nach der FA-Einrichtung meldete die Bekenntnisgemeinschaft in ihrem Rundschreiben vom 15. August 1935 grundsätzliche Bedenken an:87 Mit den Finanzabteilungen werde „an einem Punkt eingesetzt, der in der Stille der Verwaltung liegt und außerordentlich weitreichende Wirkungen hat.“ Außerdem wurde kritisiert, dass der FA-Vorsitz einem Beamten einer anderen Landeskirche übertragen worden war. Die Bekenntnisgemeinschaft teilte damit im Wesentlichen die Position des hannoverschen Landesbischofs. Die Deutschen Christen reagierten unschlüssig auf die FA-Einrichtung. Einerseits hegten sie die Hoffnung, die Finanzabteilung würde ihnen neue Geltung verschaffen und etwa ihre Gehaltsansprüche problemlos anerkennen, auf der anderen Seite waren sie doch sehr ernüchtert davon, dass ihre Per84 Zur Lage der Kirche I, 344 – 351, folgende Zitate 345 f. 85 Vgl. dazu auch bereits Marahrens Wochenbrief vom 1. 5. 1935 (ebd., 265). 86 BG-Rundschreiben vom 3. 5. 1935 (LkAH S 1 H I 712, Bl. 6). Vgl. auch den BG-Rundbrief vom 4. 4. 1935 (LkAH K:A 671). 87 LkAH K:A 671.

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sonalvorschläge so wenig Beachtung gefunden hatten. Es war ihnen nicht klar, was nun tatsächlich von der Finanzabteilung zu erwarten wäre. So wurde in den DC-Rundschreiben auf die Einsetzung der Finanzabteilung zunächst überhaupt nicht eingegangen, obwohl Richter im März noch angekündigt hatte, der zu erwartende Staatseingriff in die kirchliche Vermögensverwaltung „wird für uns erhebliche Bedeutung haben. Sobald der Plan durchgeführt wird, kommen wir auf die Sache zurück.“88 Doch erst in dem DC-Rundschreiben vom 24. August 1935 ließ Hahn sehr vage verlauten: „Wir sind dem Pg. Reichsminister Kerrl dankbar, daß er entschlossen ist, der durch Marahrens verursachten Unordnung und verfassungswidrigen Willkür der Finanzverwaltung ein Ende zu machen. Näheres werden wir noch berichten.“89 Immer noch war Hahn offenbar unschlüssig, welches Verhalten er von der Finanzabteilung erwarten sollte und wie sich das Ministerium dazu stellen würde. Dagegen frohlockte Pastor Heinrich Meyer aus Aurich, der an den Prozessen um die Bildung der Finanzabteilung unbeteiligt gewesen war : „Am 25. Juli 1935 ist auch für die hannoversche Landeskirche die Finanzabteilung durch Minister Kerrl gebildet. So sehen wir mit aller Ruhe der Entwicklung entgegen, die sich für uns recht verheißungsvoll gestaltet.“90

1.4. Die Finanzabteilung unter Johannes Carstensen 1935/36: Das Bemühen um sachliche Arbeit und kirchenpolitische Neutralität Johannes Carstensen war ein arrivierter, in Finanzfragen erfahrener Beamter der Landeskirche Schleswig-Holsteins – 1920 in das damalige Konsistorium eingetreten, seit 1928 Oberkonsistorialrat. Er hatte sich aus den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen der Jahre 1933 bis 1935 herausgehalten und war Parteimitglied.91 Er war somit prädestiniert für eine FA-Tätigkeit, und hatte am 11. April 1935 bereits den Vorsitz der Finanzabteilung in Kiel übertragen bekommen. Da er damit als FA-Vorsitzender bereits einige Erfahrung vorweisen konnte, Schleswig-Holstein den gleichen Bekenntnisstand wie Hannover hatte und geographisch verhältnismäßig nahe gelegen war, darf Carstensen als eine für alle Beteiligten günstige Lösung angesehen werden. Gleichwohl war seine Berufung nur als Interimsmaßnahme gedacht, und auch die Landeskirche Schleswig-Holsteins erklärte sich nur unter der Bedingung,

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DC-Rundschreiben vom 13. 3. 1935 (Rundschreiben, 147 – 150, hier 149). Ebd., 304. Auricher Mitteilungsblatt vom 15. 8. 1935 (zit. nach Delbanco, Kirchenkampf, 109). Carstensen war seit dem 1. Mai 1933 NSDAP-Mitglied. Vgl. Carstensens Personalakte (LkAN 12.03 Nr. 1391 Bd. I); BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP.

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dass Carstensens „Sonderaufgabe eine verhältnismäßig schnell vorübergehende sein werde“92, mit der Lösung einverstanden.93 Die hannoversche Finanzabteilung unter Carstensen beschränkte sich bei ihrer Tätigkeit auf die ihr von Gesetzes wegen zugewiesenen Kompetenzen, die sie als kirchliches Verwaltungsorgan bearbeitete. Sie war um Sachlichkeit und kirchenpolitische Neutralität bemüht und versuchte nicht, sich in die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen einzumischen. Da Carstensen weiterhin seinen Aufgaben beim Kieler Landeskirchenamt nachkommen musste und deshalb nicht ständig in Hannover anwesend sein konnte, kam seinem Vertreter Wagenmann eine erhöhte Verantwortung zu. Das Landeskirchenamt und Marahrens konnten zufrieden sein. Die Amtsführung der Finanzabteilung Carstensen/Wagenmann entsprach indes keineswegs den Hoffnungen der Deutschen Christen, denn eine Parteinahme zu ihren Gunsten blieb aus. Die Zurückhaltung Hahns nach Einrichtung der Finanzabteilung erwies sich als berechtigt. Dennoch wurde die Finanzabteilung in Hannover zunächst allseits akzeptiert; keine kirchenpolitische Gruppierung boykottierte sie oder verweigerte sich grundsätzlich einer Zusammenarbeit,94 auch wenn bald die Kooperationsbereitschaft der Deutschen Christen ihrem wachsenden Unmut wich. Die Haltung der Finanzabteilung lässt sich besonders anhand ihrer Auseinandersetzung mit den finanziellen Forderungen der ehemals an der hannoverschen Kirchenleitung beteiligten DC-Funktionäre gut verdeutlichen: Nachdem Marahrens im November 1934 wieder offiziell die Kirchenleitung übernommen und die Deutschen Christen aus ihren Positionen entfernt hatte, wurden daraus Anfang 1935 auch finanzielle Folgerungen gezogen. Das Landeskirchenamt strich ab dem 1. Januar 1935 den vier DC-Landespröpsten Meyer (Aurich), Bergholter (Harburg), Georg Fiedler (Celle) und Richard Haller (Hannover), deren Ernennung als ungültig angesehen wurde,95 ihre Bezüge als Landespröpste und zahlte ihnen nur noch ihr vormaliges Pastorenbzw. Superintendentengehalt. Ebenso wurde mit den ehemaligen Vizepräsidenten des Landeskirchenamts Hahn und Richter verfahren. Als nun im März/ April 1935 das Vermögensverwaltungsgesetz in Kraft trat, witterten die Betroffenen die Möglichkeit, diese Gehaltskürzungen rückgängig zu machen, denn in Paragraph 2 Abs. 2 der Ersten Durchführungsverordnung hieß es: „Gehaltszahlungen dürfen nur gesperrt werden, wenn die Gehaltsansprüche

92 Von Heintze an Kerrl vom 3. 8. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 344). 93 Die hannoversche Landeskirche musste auch die Kosten tragen, die mit Carstensens Beauftragung verbunden waren, vgl. Carstensen an Reichskirchenminister vom 21. 9. 1935 (ebd., Bl. 343); auch den Vermerk des preußischen Finanzministers vom 6. 7. 1935 auf der 2. DVO zum Vermögensverwaltungsgesetz (GStAPK I. HA Rep. 151 Nr. 1217, Bl. 18 – 20). 94 Vgl. Carstensen an Kerrl vom 3. 9. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 366). 95 1934 waren die Generalsuperintendenten durch DC-Landespröpste ersetzt worden, vgl. KABl., 1934, 29 f., 132.

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rechtmäßig aberkannt sind.“96 Richter, Hahn, Meyer und Fiedler schickten alsbald Eingaben an das Reichserziehungsministerium, in denen sie geltend machten, dass ihre Bezüge nicht rechtmäßig aberkannt worden wären und daher in voller Höhe geleistet werden müssten.97 Die Beschwerde der DC-Funktionäre krankte daran, dass zu jenem Zeitpunkt in Hannover noch gar keine Finanzabteilung eingesetzt war, für die das Vermögensverwaltungsgesetz gegolten hätte. Der Rechtsanwalt von Meyer und Bergholter, Dr. Georg Cölle, verfeinerte daher die Argumentation folgendermaßen: „Nach meiner Rechtsauffassung bedeutet das erwähnte Gesetz, dass nunmehr der Staat und zwar das Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung die Kontrolle über die Vermögensverwaltung übernimmt und dass der Staat als seine Beauftragten Finanzkommissionen einsetzt. Soweit eine Finanzkommission nicht eingesetzt ist, bleibt das Recht des direkten Handelns beim Staat. Demnach hätte der zuständige Herr Minister direkt die Befugnisse auszuüben, die durch die Durchführungsverordnung und zwar § 2 den Finanzkommissionen eingeräumt sind, wobei zu bemerken ist, dass die Rechte des Herrn Ministers wohl noch größeren Umfang einnehmen.“98

Das Reichserziehungsministerium selbst sah die Rechtslage anders. Aus einem Vermerk Stahns vom 2. Mai 1935 geht hervor, dass das Ministerium nicht gewillt war, direkt in den Landeskirchen einzugreifen, solange eine Finanzabteilung nicht gebildet sei.99 Gleichwohl schrieb Stahn am 14. Mai 1935 dem LKA-Präsidenten Schnelle, ausdrücklich „nichtamtlich“, er würde es begrüßen, wenn „von Ihnen aus, die Angelegenheit in dem Sinne geregelt werden könnte, wie sie m. E. durch eine Finanzabteilung geregelt werden müßte.“100 Und das hieß, die vollen Gehaltszahlungen an die Deutschen Christen einstweilen fortzusetzen, bis diese rechtmäßig aberkannt seien. Schnelle unternahm jedoch nichts, während die Deutschen Christen wegen der Untätigkeit des Ministeriums verbitterten.101 So zog sich die Angelegenheit hin, bis in Hannover die Finanzabteilung eingerichtet wurde. Unterdessen war allerdings die Rechtslage in der Frage der Gehaltszahlungen weiter definiert worden.102 Auf Druck von Reichserzie96 GBlDEK, 1935, 43. 97 Vgl. Richter an Rust vom 27. 4. 1935; Hahn an Rust vom 9. 5. 1935; Meyer an Rust vom 27. 4. und 7. 5. 1935; Fiedler an Rust vom 30. 4. 1935 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 2, 11 f., 5, 10). 98 Cölle an Rust vom 6. 5. 1935 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 6 – 9, hier Bl. 7). Vgl. auch Cölle an Rust vom 18. 5. 1935 (ebd., Bl. 13 – 20); Cölle an Rust vom 18. 5. 1935 (ebd., Bl. 21). 99 Ebd., Bl. 4. 100 BArch R 5101 / 22728, Bl. 246 f., hier Bl. 246. 101 Vgl. die Schreiben Richters an Rust und Hitler vom 24. und 31. 5. 1935 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 22 f., 26 f.). 102 Vgl. Vermerk Stahns vom 20. 5. 1935 über eine Besprechung mit der FA-EOK Berlin (BArch R 5101 / 23502, Bl. 50 – 52).

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hungs- und Reichskirchenministerium hatte am 22. Juli 1935 die Finanzabteilung beim Berliner Evangelischen Oberkirchenrat einen präzisierenden Erlass herausgegeben: Eine „ordnungsmäßige“ Berufung sollte immer dann angenommen werden, wenn diese formal korrekt abgelaufen sei (die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Gesetze oder der zuständigen Behörden war unerheblich), denn die tatsächliche Rechtmäßigkeit einer Berufung könne die Finanzabteilung bei der verworrenen Rechtslage nicht für jeden Fall überprüfen.103 Mit dem 31. Juli 1935 wurde dieser Erlass auch für die hannoversche Finanzabteilung verbindlich. Für die neu eingerichtete hannoversche Finanzabteilung brachten die finanziellen Forderungen der DC-Funktionäre die Notwendigkeit einer Positionierung. Zunächst verhielt sie sich hinhaltend, mit dem Hinweis, Carstensen sei bis Ende August 1935 in Urlaub104 und die anstehenden weitreichenden Entscheidungen könnten nur durch den Vorsitzenden getroffen werden.105 Auf Drängen Hahns wies das Reichskirchenministerium die Finanzabteilung schließlich am 16. August 1935 an, die ausstehenden Zahlungen an Hahn und Richter zu leisten und ihnen zukünftig die vollen Vizepräsidentenbezüge zu gewähren.106 Gleichzeitig wurde der Finanzabteilung aufgetragen, eine Stellungnahme zu den sonstigen finanziellen Forderungen der Deutschen Christen zu erstellen.107 Diese drängten unterdessen das Reichskirchenministerium, auch ihre übrigen Forderungen rasch zu regeln. Es ging um die Gehälter der vier Pröpste, strittige Ephoralzulagen für Superintendent Rahn, ein Disziplinarverfahren gegen den DC-Pastor Hermann Josef Blankerts und die Entlassung des Hilfsgeistlichen Wilhelm Reinecke.108 Inzwischen griffen die Deutschen Christen auch die Finanzabteilung offen an, deren „Gesamtverhalten“109 nicht den Wünschen des Ministers entsprechen könne. An den Reichskirchenminister gerichtet klagte Fiedler : „Ich kann nicht annehmen, dass Sie es billigen, wenn wir, nach hartem Kampf rechtlos gemacht, unter Duldung des Staates mit Schikanen hingehalten und verhöhnt werden.“110 Die Finanzabteilung hielt die Forderungen der Deutschen Christen für sachlich unbegründet und war von sich aus in keinem der Fälle bereit, nachzugeben. Hahn schaffte es jedoch, Stahn bezüglich der Landespröpste 103 Vgl. GBlDEK, 1935, 86. Vgl. dazu auch Kersting, Kirchenordnung, 242 f.; Cçlle, Rechtsfragen über die Vermögensverwaltung, 879. 104 Vgl. auch das interne LKA-Rundschreiben vom 12. 7. 1935 (LkAN 22.02 Nr. 1477). 105 FA-Hannover an Cölle vom 19. 8. 1935 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 43). 106 Vgl. Kerrl an FA-Hannover vom 16.8. 1935 (ebd., Bl. 36); Hahn an Stahn vom 3. 8. 1935 (ebd., Bl. 29). 107 Vgl. Kerrl an FA-Hannover vom 16. 8. 1935 (ebd., Bl. 36). 108 Vgl. Cölle an Kerrl vom 20. 8. 1935 (ebd., Bl. 40 – 42). 109 Fiedler an Kerrl vom 22. 8. 1935 (ebd., unpaginiert). 110 Ebd.

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von seinem Standpunkt zu überzeugen.111 Wagenmann wurde am 27. August 1935 angewiesen, auch jenen Gehaltsforderungen zu entsprechen.112 Nun war Eile geboten, um diese Entscheidung noch rückgängig zu machen. Bereits am 28. August 1935 reisten Carstensen und Wagenmann nach Berlin, um Stahn von ihrer Rechtsauffassung zu überzeugen. Wegen ihrer kirchenpolitischen Bedeutung wurde die Angelegenheit schließlich Kerrl vorgelegt, der zugunsten der Finanzabteilung entschied.113 Am 2. September 1935 teilte Stahn Hahn lakonisch mit, der Vortrag von Carstensen und Wagenmann habe ergeben, dass bezüglich der Pröpste, „die Dinge doch erheblich anders [liegen] als bei Ihnen und Herrn Richter.“114 Tags darauf legte die Finanzabteilung den von Kerrl Mitte August geforderten ausführlichen Bericht zu den strittigen Fällen vor.115 Carstensen vertrat darin die gleiche Rechtsauffassung wie das Landeskirchenamt,116 ging von der Rechtmäßigkeit der Vorläufigen Kirchenregierung und ihren Maßnahmen aus und wies unnachgiebig jegliche DC-Forderungen zurück. Als Begründung führte er neben der Rechtslage die kirchenpolitische Neutralität der Finanzabteilung an. Er erinnerte an die 1933 von den Deutschen Christen aus dem Landeskirchenamt entfernten Mitarbeiter : „Wenn sich die Finanzabteilung nicht in den Verdacht setzen will, daß sie den Vertretern einer kirchenpolitischen Gruppe Vorteile zukommen lassen wolle, die sie den Vertretern einer anderen Gruppe nicht zugute kommen läßt, so wird sie nicht umhin können, auch den Herrn Schramm usw. ihre vollen Gehaltsbezüge auszuzahlen.“

Schramm habe sogar bereits einen Prozess wegen der Gehaltsbezüge für sich entschieden, aber bisher habe die Finanzabteilung von größeren Zahlungen aus finanziellen Gründen Abstand genommen. Außerdem verwies Carstensen auf die Stimmungslage innerhalb der Landeskirche: In weiten Kreisen würden schon die Gehaltszahlungen an Hahn und Richter nicht verstanden werden; bei den Landespröpsten aber fehlten dafür „selbst die äußeren Voraussetzungen […] Sollten nun auch die vollen Propstgehälter gezahlt werden, so würden wir aufgrund verschiedener Anfragen aus allen Teilen der Landeskirche befürchten müssen, daß darüber in der Landeskirche eine große Erregung ausbricht.“ Eine Zahlung an die Pröpste „würde weithin so aufgefaßt werden, als wenn vom Staat offenes Unrecht in Recht verkehrt werden sollte.“117 Darüber hinaus führte Carstensen Sparsamkeitsgründe für seinen 111 Vgl. Hahn an Stahn vom 26. 8. 1935 (ebd., Bl. 45). 112 Vgl. den Vermerk vom 27. 8. 1935 (ebd., Bl. 45). 113 Vgl. Stahn an FA-Hannover vom 2. 9. 1935 (ebd., Bl. 50); auch Stahn an Hahn vom 2. 9. 1935 (ebd., Bl. 81 f.). 114 Ebd., Bl. 81. 115 Carstensen an Kerrl vom 3. 9.1935 (ebd., Bl. 86 – 91), daraus auch die folgenden Zitate. 116 Als Anlage fügte er daher ein LKA-Schreiben vom 20. 8. 1935 bei (ebd., Bl. 52 – 55). 117 Vgl. auch Wagenmann an Kerrl vom 27. August 1935 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 46).

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Standpunkt an, denn ein Eingehen auf alle deutsch-christlichen Forderungen würde erhebliche finanzielle Mehrbelastungen für die Landeskirche bedeuten. Die Deutschen Christen waren enttäuscht von der Entwicklung, da das Reichskirchenministerium sie immer wieder auf ihren Forderungen sitzen ließ118 – mittlerweile waren zusätzlich Reisekosten für Richter119 und diverse Prozesskosten aufgelaufen. Alle DC-Forderungen beruhten im Endeffekt auf der Annahme, ihre seit November 1934 bestehende Gegenkirchenregierung sei rechtmäßig. Hahn firmierte beispielsweise in seinen Schreiben an das Reichskirchenministerium meist unter der Bezeichnung „Der Präsident des Landeskirchentages“ und sah sich, wie Richter, als rechtmäßiger Vizepräsident des Landeskirchenamts. Diese Grundauffassung teilte die Finanzabteilung nicht;120 mit allen negativen Konsequenzen für die DC-Forderungen. Rechtsanwalt Cölle zog aus der Rechtsauffassung der Finanzabteilung die Schlussfolgerung: „Die Finanzabteilung macht sich […] die Auffassung des Herrn Landesbischof Marahrens zu eigen, statt sich an das Gesetz und die Richtlinien zu halten.“121 Richter klagte, Carstensen hätte ihm in einer Besprechung erklärt, „dass die Finanzabteilung […] ,vorläufig‘ den Rechtsstandpunkt des Herrn D. Marahrens in allen Punkten für ,unzweifelhaft richtig‘ und seine Massnahmen für ,unzweifelhaft gültig‘ halte.“122 Es sei daher „zwecklos“123, sich direkt mit der Finanzabteilung auseinanderzusetzen. Unterdessen hielt das Reichskirchenministerium auch nach dem Celler Urteil und der Bildung der Finanzabteilung die rechtliche Situation in der hannoverschen Landeskirche für unsicher und letztlich nicht hinreichend geklärt. Daher plante es Anfang 1936, im Rahmen der Ausschusspolitik in Hannover eine neue Kirchenregierung einzusetzen. Die Regelung der umstrittenen finanziellen Fragen war dabei ein integraler Bestandteil der Verhandlungen über die Modalitäten der Kirchenregierung und für Hahn Bedingung, der Bildung zuzustimmen.124 Die Kirchenleitung war bereit, den DC-Forderungen

118 Vgl. Richter an Stahn vom 4. 9. 1935 und Fiedler an Kerrl vom 17. 9. 1935 (ebd., Bl. 83 und Bl. 293 – 296); Informationsdienst Nr. 38 der Deutschen Christen vom 21. 9. 1935 (Rundschreiben, 337 – 339). 119 Vgl. Richter an FA-Hannover vom 26. 8. 1935 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 137); Richter an Reichskirchenminister vom 2. 11. 1935 (ebd., Bl. 136). 120 Vgl. etwa Carstensen an Kerrl vom 3. 12. 1935 (ebd., Bl. 297 f.). 121 Cölle an Kerrl vom 7. 9. 1935 (ebd., Bl. 92 – 95, hier Bl. 95). 122 Richter an Kerrl vom 1. 11. 1935 (ebd., Bl. 299). Vgl. auch den Informationsdienst Nr. 40/41 der Deutschen Christen vom 12. 10. 1935 (Rundschreiben, 345 – 351, hier 351). 123 Richter an Kerrl vom 1. 11. 1935 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 299). 124 Vgl. Hahn an Kerrl vom 13. 3. 1936 (ebd., Bl. 259 f.). Die entscheidenden Gespräche fanden am 20. und 27. Februar 1936 in Berlin bzw. Braunschweig statt, vgl. dazu Hahn, Richter und Rahn an Kerrl vom 15. 2. 1936 (ebd., Bl. 104 – 113); dazu Richters Ergänzung vom 27. 2. 1936 (ebd., Bl. 125 f.).

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„wirklich bis an die äußerste Grenze des Möglichen“125 entgegenzukommen, um einen raschen Abschluss der Verhandlungen im Januar/Februar 1936 zu ermöglichen. Damit war allerdings nicht „die vollständige Durchführung der Forderungen der Deutschen Christen“ gemeint, denn das würde „in der Landeskirche eine ungeheure Erregung hervorrufen“ und den „Zustand völligen Friedens und des kirchlichen Aufbaues“ zerstören. Am 28. Februar 1936 erfolgte die Bildung der neuen Kirchenregierung aufgrund der Neunten Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz.126 Marahrens glaubte, sich „diesem staatlichen Verlangen im Zuge der Wiederherstellung der Ordnung in der Deutschen Evangelischen Kirche und in den einzelnen Landeskirchen für diesen besonderen Fall nicht verschließen zu sollen“127. Er war auf rechtmäßige, unzweifelhafte Strukturen bedacht und die konnte diese staatlich anerkannte Kirchenregierung gewährleisten.128 Das neue Gremium übte fortan die Rechte des Landeskirchentags, des Landeskirchenausschusses und des Kirchensenats aus. Unberührt blieben die Stellung des Landesbischofs, dessen Vollmacht vom 22. Mai 1933 allerdings erlosch, und das Landeskirchenamt.129 Auch die Befugnisse und Zuständigkeiten der hannoverschen Finanzabteilung wurden durch die Kirchenregierungsbildung nicht tangiert.130 Gegenüber den Kirchenausschüssen in anderen Landeskirchen bestanden in Hannover einige Besonderheiten: So wurde die Kirchenregierung von Reichskirchenminister Kerrl im Einvernehmen mit dem Landesbischof eingesetzt.131 Außerdem stand die Kirchenregierung gesetzlich verankert, nicht lediglich de facto, unter dessen Vorsitz – so war die Kirchenregierung nicht nur staatlich anerkannt, sondern auch kirchlich legitimiert.132 Neben Marahrens gehörten ihr an: Pastor Johannes Bosse (Mitglied des Reichsbruderrats und Obmann der hannoverschen Bekenntnisge125 Mahrenholz an Reichskirchenminister vom 21. 2. 1936 nach einer Besprechung mit Marahrens und Wagenmann (ebd., Bl. 114 – 123, dieses und folgende Zitate Bl. 114 f.). 126 GBlDEK, 1936, 25 f. 127 Vgl. den Rundbrief von Marahrens an seine Amtsbrüder vom 3. 3. 1936 (Junge Kirche 4, (1936), 272 – 274, Zitat 272). 128 Vgl. zur Gründung der Kirchenregierung: Klìgel, Landeskirche, bes. 283 – 293; Otte, Kirchen in Niedersachsen, 1050 – 1052; Meier, Kirchenkampf II, 279 – 283; Fleisch, Entwicklung, 181 f.; Otte, Intakte Kirche, 129 f.; Pfundtner / Neubert, Reichsrecht, I d 4, 31; ferner Schmidt, Dokumente II/1, 442 – 452, mit verschiedenen Stellungnahmen. 129 Es bestanden also die drei leitenden Kirchenorgane: Landesbischof, der bestimmte über die Verfassung von 1924 hinausgehende Rechte, wie die Ernennung von Superintendenten und Pastoren, behalten hatte, Landeskirchenamt und Kirchenregierung. Im Verlauf der Arbeit wird des Öfteren von der „Kirchenleitung“ in Abgrenzung zur Finanzabteilung die Rede sein. Mit jenem Begriff sollen dann jeweils die drei leitenden Kirchenorgane umfasst sein. 130 Vgl. § 4 der 9. DVO zum Kirchensicherungsgesetz (GBlDEK, 1936, 25). 131 Auch eine personelle Umbesetzung hätte nur einvernehmlich erfolgen können. 132 Cçlle, Rechtsfragen der 13. Durchführungsverordnung, 670, hielt diese Zugeständnisse für nichts weiter als einen „Höflichkeitsakt“ des Reichskirchenministers, über den jener sich jederzeit hinwegsetzen könnte.

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meinschaft, ab Mai 1936 Superintendent in Stolzenau), Senatspräsident Wilhelm Redepenning (Oberlandesgericht Celle), Superintendent Gustav Rose (gemäßigter Deutscher Christ,133 der zuweilen bestimmte Beschlüsse in der Kirchenregierung verhinderte)134 und Oberlandeskirchenrat Christhard Mahrenholz. Die Kirchenregierung war damit neutral bis eher bekenntniskirchlich orientiert, die Deutschen Christen aber an der Kirchenleitung beteiligt. Die Verordnung war zunächst auf den 30. September 1937 befristet, aufgrund der 13. und später der 17. Durchführungsverordnung blieb die hannoversche Kirchenregierung aber letztlich bis zum 1. September 1945 im Amt. Im Zuge der Neugestaltung der Landeskirche wurde am 15. Juni 1936 das Amt der Landessuperintendenten eingeführt.135 Sie ersetzten die in der Verfassung von 1924 vorgesehenen Generalsuperintendenten, respektive die DCLandespröpste bzw. die 1935 von Marahrens eingesetzten Bischofsvikare. Nach dem Durcheinander der vergangenen Jahre wurde damit für diese Mittelebene eine dauerhafte Lösung geschaffen.136

1.5. Die Finanzabteilung unter Friedrich Schnelle 1936 – 1938: Im Grenzfeld von staatlicher Finanzaufsicht und kirchlicher Verwaltungsbehörde Nach nicht einmal einem Jahr wurde Carstensen von seinem Vorsitz in der hannoverschen Finanzabteilung abberufen. Er wurde zum 1. April 1936 durch den Präsidenten des hannoverschen Landeskirchenamts Friedrich Schnelle ersetzt.137 Karl Wagenmann blieb als „Ständiger Vertreter“ Mitglied der hannoverschen Finanzabteilung. Anlass für die Umbesetzung des FA-Vorsitzes bot die Bildung der Kirchenregierung. Vor diesem Hintergrund war das Reichskirchenministerium bereit, die hannoversche Sonderlösung zu beenden. Nunmehr lag also die hannoversche Finanzabteilung komplett in den Händen von hauseigenem LKA-Personal. Entsprechend fiel die Reaktion des Landesbischofs in seinem Wochenbrief aus: 133 Rose trat im Januar 1937 bei den hannoverschen Deutschen Christen aus und hielt fortan nur noch eine lose Verbindung, vgl. Klìgel, Landeskirche, 288 f.; Rundschreiben, 432 f. 134 Vgl. zu Roses Mitgliedschaft in der Kirchenregierung auch Wiesenfeldt, Mobilmachung, 107 – 109. 135 Vgl. KABl., 1935, 65 – 69. 136 Vgl. insgesamt dazu: Otte, Landessuperintendenten, bes. 245 – 249; Klìgel, Landeskirche, bes. 71, 102, 159, 296 – 300; Mahrenholz, Mittelinstanzen, bes. 406 – 410. 137 Vgl. 3. DVO zum Vermögensverwaltungsgesetz vom 23. 3. 1936 (GBlDEK, 1936, 45 f.).

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„Viele werden sich mit mir freuen, dass die Leitung der Finanzgebarung einer Landeskirche nunmehr den Männern anvertraut ist, die auch mit der Wahrnehmung der verwaltungsmässigen Befugnisse der Landeskirche betraut sind. Von hier aus wird wohl auch den Sorgen gewehrt werden dürfen, die in der Einrichtung der Finanzabteilungen ein in kommenden Zeiten wirksames Mittel zur Verstaatlichung der Kirche sehen. Wir wollen es doch den leitenden Männern der kirchlichen Verwaltung, die aus gründlicher Vorbereitung heraus sich in die kirchliche Verwaltung eingelebt haben, zutrauen, dass sie in dem Ringen der letzten Jahre die Notwendigkeit einer echten kirchlichen Sicht erkannt haben bzw. noch gewisser geworden sind und von klarem Wissen um ein bekenntnismässiges Sein und die bekenntnismässige Aufgabe aller kirchlichen Ordnung durchdrungen sind.“138

Für Marahrens waren alle Bedenken, die er 1935 noch der Finanzabteilung entgegengebracht hatte, zerstreut. Er sah in der neuen Personalbesetzung die Gewähr, dass die Finanzabteilung sich als rein kirchliches Organ verhalten würde, ohne einer staatlichen Einflussnahme nachzugeben. Er ließ außer Acht, dass Kerrl Schnelle, genauso schnell wie er ihn eingesetzt hatte, auch wieder aus dem Amt entfernen konnte. Für die Deutschen Christen war die Umbesetzung sehr unerfreulich, hatten doch Hahn, Richter und Rahn noch am 25. Februar 1936 festgestellt, „ein aufrechter Deutscher Christ“ könne „weder unter dem Präsidenten Schnelle noch mit der Mehrzahl der Mitglieder“139 des Landeskirchenamts arbeiten. Gleichwohl blieb ein öffentlicher Protest gegen die Personalmaßnahme aus, schließlich war diese im Kontext der Kirchenregierungsbildung erfolgt, der die Deutschen Christen zugestimmt hatten. Außerdem hofften sie letztlich doch noch auf die Unterstützung des Ministeriums und wollten es keinesfalls mit einem Protest brüskieren. Unbeeinträchtigt von dem Wechsel in der hannoverschen Finanzabteilung ging die Auseinandersetzung um die finanziellen Forderungen der Deutschen Christen weiter. Hatte Carstensen noch für die Finanzabteilung an den Verhandlungen im Vorfeld der Bildung der Kirchenregierung teilgenommen und damit die erzielten Lösungsvorschläge mitgetragen, so hatte erst sein Nachfolger die Ergebnisse umzusetzen. Mit einem Erlass vom 12. März 1936 wollte Kerrl die Streitfragen endgültig erledigen.140 Auch wenn die Regelungen den Deutschen Christen weiter entgegenkamen, als die Finanzabteilung jemals hatte zugestehen wollen, so beugte sie sich doch in den meisten Punkten dem Willen des Reichskirchenministeriums oder hatte diesen bereits im Vorfeld akzeptiert.141 Im Ge138 139 140 141

Wochenbrief vom 6. 5. 1936 (Zur Lage der Kirche I, 519 – 524, hier 521). BArch R 5101 / 23758, Bl. 104 – 113, hier Bl. 106 f. Ebd., Bl. 127 – 132. Vgl. Bericht der Finanzabteilung an Kerrl über die Erledigung der Angelegenheiten vom 23. 4. 1936 (ebd., Bl. 304); auch FA-Hannover an Kerrl vom 16. 5. 1936 (ebd., Bl. 332); Richter

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genzug erklärten die Deutschen Christen die Angelegenheiten als erledigt und verzichteten auf weitere Ansprüche.142 Sogar in den besonders umstrittenen Fällen Hahn und Richter wurde eine Übereinkunft erzielt: Hahn verließ die Landeskirche gen Thüringen, Richter sollte in den Staatsdienst wechseln.143 Nur in einem Punkt war die Finanzabteilung ernsthaft unwillig, den in dem Erlass gemachten „Vorschlägen“144 zu entsprechen. Die Pröpste Bergholter, Meyer und Fiedler sollten insgesamt 5500 RM als eine Art Abfindung erhalten.145 Stets hatte die Finanzabteilung betont, man könne in dieser Angelegenheit keinerlei Zugeständnisse machen, denn ansonsten sei zu befürchten, „daß das Werk der Befriedung, das mit der Einsetzung der Kirchenregierung begonnen ist, schwersten Erschütterungen ausgesetzt werden würde.“146 Erst am 18. Juni 1936 stellte die Finanzabteilung ihre Bedenken zurück und zahlte die gesamte Summe aus.147 Zuvor hatten Kirchenregierung und Landeskirchenamt in diesem Punkt dem Reichskirchenministerium nachgegeben.148 Für die verbliebenen offenen Fragen bezüglich der 1933 von den Deutschen Christen aus dem Landeskirchenamt gedrängten LKA-Mitglieder wurde im Juni/Juli 1937 eine endgültige Lösung gefunden.149 Die Deutschen Christen hatten nach langem Kampf zumindest ihre finanziellen Forderungen durchsetzen können. Dies war der Ausgleich dafür, dass sie bei der Bildung der Kirchenregierung erhebliche Zugeständnisse hatten machen müssen. Das Reichskirchenministerium zahlte diesen Preis

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an Kerrl vom 11. 4. 1936 (ebd., Bl. 320); FA-Hannover an Richter vom 17. 4. 1936 (ebd., Bl. 318); Richter an FA-Hannover vom 11. 5. 1936 (ebd., Bl. 306); FA-Hannover an Kerrl vom 12. 5. 1936 (ebd., Bl. 316 f.). Vgl. die Einverständniserklärungen von Richter, Blankerts, Reinecke, Meyer, Bergholter, Hahn, Fiedler, Rahn (ebd., Bl. 365, 328, 286, 324, 324 f., 326, 326 f., 328 f.). Richter wurde letztlich allerdings erst Anfang 1938 ins Reichskirchenministerium übernommen. Vgl. dazu ebd., passim, bes. Bl. 141 – 210; auch zu Richters Karriere: Kreutzer, Reichskirchenministerium, 143 – 146; Besier, Prozess, 226 Anm. 209. So Wagenmann an Kerrl am 23. 4. 1936 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 304). Manches Problem bezüglich der Pröpste hatte sich indes bereits von selbst erledigt: Fiedler war im Herbst 1935 als Professor für Praktische Theologie an die Universität Kiel gewechselt. Bergholter war im Frühjahr 1935 wieder in sein normales Pastorenamt in Harburg zurückgekehrt. Haller war ebenfalls bereit, sich wieder in den normalen Dienst in der Landeskirche einzufügen. Nur Heinrich Meyer weigerte sich weiterhin, in seine normale Pfarrstelle in Aurich zurückzukehren. Ebenfalls erledigt hatten sich die Fälle Reinecke und Blankerts. Reinecke ging nach Mecklenburg, Blankerts ebenso. Blankerts kam jedoch später nach Uelzen zurück und fungierte dort im Auftrag der Nationalkirchlichen Einung als Pastor, vgl. Meier, Kirchenkampf II, 282; Ders., Christen, 250. Wagenmann an Kerrl vom 12. 5. 1936 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 316 f., hier Bl. 316). Vgl. LKA an Reichskirchenminister vom 18. 6. 1936 (ebd., Bl. 331). Vgl. Sitzungsprotokoll der Kirchenregierung vom 15. 6. 1936 (LkAH S 1 H II 111, Bl. 24). Vgl. KABl., 1937, 121; Marahrens an Reichskirchenminister vom 25. 6. 1937 (BArch R 5101 / 23218, Bl. 512 f.); Klìgel, Landeskirche 295; Fleisch, Kirchengeschichte, 235. Beispielsweise trat nun der ehemalige Vizepräsident Fleisch als Oberlandeskirchenrat wieder ins Landeskirchenamt ein.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

gern, denn die Ordnung der Kirchenleitung war ihm ungleich wichtiger als die Querelen in diesen finanziellen Fragen. Die Finanzabteilung, sowohl unter Carstensen als auch unter Schnelle, erwies sich in den Auseinandersetzungen als um Unabhängigkeit bemühtes kirchliches Organ. Hätte sie ihrer Auffassung entsprechend handeln können, sie hätte nur sehr wenigen DC-Forderungen entsprochen. Lediglich die Unterstützung aus dem Reichskirchenministerium verhalf den Deutschen Christen zu diesem Erfolg und unterstrich damit die Machtlosigkeit der Finanzabteilung, die sich letztlich nicht dem Druck aus Berlin entziehen konnte. Die Finanzabteilung in Hannover war zunächst organisatorisch voll ins Landeskirchenamt integriert und wurde als normale LKA-Abteilung betrachtet, nur dass die Leitung und Teile ihrer Zuständigkeiten von Staats wegen festgelegt worden waren.150 Bearbeitet wurden ihre Angelegenheiten von Dezernenten, die auch in anderen LKA-Abteilungen tätig waren. Schnelle übernahm außer der Leitung keine einzelnen Aufgaben der Finanzabteilung, hatte aber dafür zu sorgen, dass die Arbeit den gesetzlichen Vorgaben entsprechend vonstatten ging. Die internen Absprachen gingen dahin, den Geschäftsbetrieb wie vor Einrichtung der Finanzabteilung beizubehalten; der Haushalt sollte also etwa von dem Landeskirchenamt aufgestellt, von der Kirchenregierung genehmigt und dieses verfassungskonforme Prozedere erst im Nachhinein von der Finanzabteilung sanktioniert werden, um den staatlichen Vorgaben zu genügen.151 Solange die Finanzabteilung in Personalunion mit dem Landeskirchenamt geführt wurde, war dieses Modell praktikabel. Es ermöglichte einen reibungslosen Arbeitsablauf und ließ die Finanzabteilung in der allgemeinen Verwaltungsbehörde aufgehen. Eine Änderung des FA-Status’ brachte die 13. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz vom 20. März 1937.152 Wenige Tage nach ihrem Erlass verteilte Schnelle ein internes Rundschreiben im Landeskirchenamt, in dem er alle Mitarbeiter darauf hinwies, dass nunmehr alle Verfügungen in vermögensrechtlichen Angelegenheiten unter der Firma „LandeskirchenamtFinanzabteilung“ herauszugeben und ihm oder Wagenmann zur abschließenden Zeichnung vorzulegen seien; und das waren durchaus nicht nur solche Dinge, die in der LKA-„Finanzabteilung“ bearbeitet wurden.153 Damit änderte sich die bisherige Praxis dahingehend, dass zwar nach wie vor verschiedene Dezernenten des Landeskirchenamts die vermögensrechtlichen Angelegen150 Vgl. Geschäftsverteilungsplan vom 7. 1. 1937 (KABl., 1937, 12 – 17); Geschäftsverteilungsplan und Geschäftsordnung vom 7. 10. 1936 (LkAH S 1 H II 111a, Bl. 2 – 16); Niederschrift über die Sitzung der Kirchenregierung am 28. 9. 1936 (LkAH S 1 H II 111, Bl. 34); LKA-Geschäftsordnung vom 16. 8. 1937 (KABl., 1937, 137 – 141). 151 Vgl. Kirchenregierung an Vorläufigen Kirchensenat vom 1. 9. 1945 (LkAH N 48 Nr. 162 A). 152 Siehe oben 79. 153 Rundschreiben vom 25. 3. 1937 (LkAH S 1 H I 921, Bl. 7).

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Die Finanzabteilung unter Friedrich Schnelle 1936 – 1938

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heiten bearbeiteten, aber für diese nicht mehr zeichnungsberechtigt waren. Die Dezernenten waren der Finanzabteilung damit in den vermögensrechtlichen Angelegenheiten unterstellt worden. Die Finanzabteilung wurde aus dem Landeskirchenamt herausgehoben und ihr Sonderstatus kenntlich gemacht.154 Bald wurden auch die Zuständigkeiten von Finanzabteilung und Landeskirchenamt klarer voneinander abgegrenzt.155 Der neue Sonderstatus der Finanzabteilung machte sich insofern nicht einschneidend bemerkbar, als dass eine einheitliche Willensbildung von Finanzabteilung und Landeskirchenamt durch die Besetzung der Finanzabteilung mit kirchlichen Beamten nach wie vor gewährleistet war. Die 13. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz führte zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Pastor Friedrich Duensing, dem Geschäftsführer der hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft, und LKA-Präsident Schnelle. Duensing befürchtete, „die an staatliche Weisungen gebunden[e]“156 Finanzabteilung könne auch die geistliche Leitung beeinträchtigen – zumal Kerrl jederzeit „eine von ihm für zweckmäßig gehaltene personelle Neubesetzung“157 vornehmen könne. Schnelle fühlte sich zu Unrecht angegriffen. Er betonte seine Bindung an das kirchliche Amt, das kirchliche Selbstverständnis der Finanzabteilung und sah sich gar nicht direkt an staatliche Weisungen gebunden.158 Gleichwohl lehnte er es ab, die staatliche Verordnung einfach zu ignorieren. In den öffentlichen Verlautbarungen der Bekenntnisgemeinschaft fand dieser Disput zur 13. Durchführungsverordnung keinen Niederschlag.159 Auch der Erlass der folgenden 15. Durchführungsverordnung wurde seitens der Bekenntnisgemeinschaft lediglich anfangs kritisch kommentiert.160 Landesbischof Marahrens hingegen reagierte alarmiert auf die 15. Durchführungsverordnung. Er änderte seine frühere, unbesorgte Haltung. In einem Wochenbrief kurz nach Erlass der 15. Durchführungsverordnung schrieb er : 154 Duensing warf Schnelle vor, er hätte mit seiner Neuregelung „eine tiefgreifende grundsätzliche Veränderung vorgenommen, deren Folge die Entmächtigung der rein kirchlichen Dezernate in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu Gunsten der vom Staat eingesetzten und […] auch in der Geschäftsführung von ihm abhängigen Finanzabteilung“ sei. Duensing an Schnelle vom 5. 5. 1937 (ebd., Bl. 9 – 12, Zitat Bl. 9). 155 Vgl. dazu die Niederschrift über die Sitzung der Kirchenregierung am 18. 6. 1937 (LkAH S 1 H II 111, Bl. 58). 156 Duensing an Schnelle vom 5. 4. 1937 (LkAH S 1 H II 361, Bl. 380 f.). 157 Duensing an Schnelle vom 5. 5. 1937 (LkAH S 1 H I 921, Bl. 9 – 12). 158 Vgl. Schnelle an Duensing vom 8. 4. 1937 (LkAH N 48 Nr. 141). Vgl. auch Duensing an Bosse vom 9. 4. 1937, wo er Schnelles Antwort kommentierte (ebd.). 159 Vgl. aber die „Vorläufige Stellungnahme“ der Bekenntnisgemeinschaft zur 13. Durchführungsverordnung vom 24. 3. 1937 (LkAH K:A 671). 160 Vgl. Duensings kritische Erläuterungen zur 15. Durchführungsverordnung in „Um Glauben und Kirche“ (Duensing, 15. Verordnung); BG-Rundschreiben vom 2. 7. 1937 (LkAH K:A 671); BG-Rundbrief vom 6. 7. 1937 (ebd.).

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

„Persönlich kann ich diese Verordnung nicht anders werten als so, dass der seit längerer Zeit beschrittene Weg fortgesetzt wird, nämlich möglichst grosse Gebiete des kirchlichen Lebens in die Hand zu nehmen und zu bestimmen, Gebiete, die unmittelbar Auswirkungen auf Wortverkündigung und Kultus ausüben.“161

Marahrens zog eine Parallele zur Eingliederungspolitik des Jahres 1934. Es müsse bei der FA-Politik wieder derselbe Einwand gelten, „dass nämlich […] der Bekenntnisgebundenheit der Kirche nicht Rechnung getragen ist, und dass bekenntnisbestimmte Kirchengebiete in die Abhängigkeit von solchen kirchlichen Stellen gebracht werden, die selbst bekenntnismässig nicht gebunden sind.“ Leicht könne sich ein Gewissenskonflikt für FA-Mitglieder ergeben, wenn sie nämlich „vor der ernsten Frage stehen, wie sie die aus dieser Verordnung erwachsenden Verpflichtungen gegenüber dem Auftraggeber der Finanzabteilung [scil. dem Staat] mit ihren aus ihrem kirchlichen Amt sich ergebenden Verpflichtungen in Einklang bringen wollen“, wenn „die Kirche gegen bestimmte Massnahmen von Schrift und Bekenntnis her Einspruch erhebt.“

Marahrens war offenbar durch den stetigen FA-Ausbau in der Ersten Ära Muhs’ für die Gefahren sensibilisiert worden, die von den Finanzabteilungen für die kirchliche Selbstverwaltung und die geistliche Leitung ausgehen konnten. Aus Protest versuchte die hannoversche Kirchenregierung mit Unterstützung des Landeskirchenamts, die Veröffentlichung der Durchführungsverordnungen Nummer 13 bis 16 im Amtsblatt zu verhindern. Am 20. November 1937 jedoch wurde der Widerstand aufgegeben, nachdem Muhs Konsequenzen angedroht hatte.162 Es zeigte sich an dem Unbehagen gegenüber der 13. und 15. Durchführungsverordnung, dass in dem Maße, in dem die Finanzabteilung aus der kirchlichen Verwaltungsbehörde herausgelöst wurde, das Misstrauen gegen sie wuchs – gezügelt wurde es lediglich noch durch die FAPersonalbesetzung. Schnelle bewegte sich als FA-Vorsitzender und LKA-Präsident im Grenzfeld zwischen staatlicher Finanzaufsicht und kirchlicher Verwaltungsbehörde. Insgesamt fügte sich die Finanzabteilung unter ihm noch „reibungslos und ohne Schwierigkeiten“163 in die Landeskirche ein. Mit der hannoverschen 161 Wochenbrief vom 7. 7. 1937 (Zur Lage der Kirche II, 767 – 773, dieses und folgende Zitate 770 f.). Schon in seinem Wochenbrief vom 1. April 1937 hatte Marahrens bezüglich der 13. Durchführungsverordnung ähnliche Befürchtungen geäußert (ebd., 712). 162 Die umstrittenen Verordnungen wurden im Kirchlichen Amtsblatt vom 20. 11. 1937 abgedruckt (181 – 184). Vgl. auch die Ermahnungen aus dem Reichskirchenministerium vom 8. 6. 1937 und vom 23. 7. 1937 (LkAH S 1 H I 921, Bl. 13); außerdem Dokumente IV, 16 – 18, 79 f. Siehe auch oben 138. 163 So Landeskirchenrat Bartels an die bayerischen Kreisdekane vom 13. 6. 1938 (LkAH S 1 H II 113, Bl. 26).

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Die Umbesetzung der Finanzabteilung 1938

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Kirchenleitung ist es zu keinen größeren Problemen gekommen, denn die Finanzabteilung verhielt sich wie ein kirchliches Organ und handelte im Einvernehmen mit dem Landeskirchenamt. Sie hielt sich an die ihr zugewiesenen Kompetenzen, versuchte nicht, sich weitere anzumaßen und mischte sich nicht in geistliche Angelegenheiten ein. Die Finanzabteilung erledigte ihre Geschäfte weitgehend unabhängig vom Reichskirchenministerium, ohne ständig Angelegenheiten nach Berlin zu tragen, es sei denn, es waren von Gesetzes wegen Genehmigungen einzuholen.164 Sowohl Kirchenleitung als auch Bekenntnisgemeinschaft gaben sich damit zufrieden. Die Bekenntnisgemeinschaft warf Schnelle zwar zuweilen vor, in seiner Eigenschaft als FA-Vorsitzender den staatlichen Wünschen allzu eilfertig entgegenzukommen – etwa angesichts der 13. Durchführungsverordnung oder bei den (erzwungenen) Zahlungen an die DC-Funktionäre. Bei alledem zog sie jedoch nicht die harsche Konsequenz, die Zusammenarbeit mit der Finanzabteilung grundsätzlich in Frage zu stellen. Dies umso weniger, als das Landeskirchenamt, aus dem sich die Mitarbeiter der Finanzabteilung rekrutierten, auch in Kreisen der Bekenntnisgemeinschaft ein hohes Ansehen genoss.Die Deutschen Christen standen der Finanzabteilung weniger wohlgesonnen gegenüber, waren doch ihre ursprünglichen Hoffnungen bisher immer nur enttäuscht worden. Die Konfliktlinien innerhalb der hannoverschen Landeskirche liefen also in anderer Richtung als etwa in der Altpreußischen Union. Hatte dort die Bekennende Kirche die größten Probleme mit den Finanzabteilungen, so waren es in der „intakten“ hannoverschen Landeskirche die Deutschen Christen. Dass die Finanzabteilung im Endeffekt vom Wohlwollen des Reichskirchenministeriums abhängig war und sich dessen Willen nicht ohne weiteres entziehen konnte, zeigt der Vorgang, der schließlich zur Umbesetzung der Finanzabteilung im April 1938 führen sollte.

1.6. Die Umbesetzung der Finanzabteilung 1938: Unerwartete Folgen eines Täuschungsmanövers Die hannoversche Finanzabteilung war mit ihrer Amtsauffassung bei Staatssekretär Muhs in Ungnade gefallen. Im Frühjahr 1938 ergab sich ihm ein Anlass, die Finanzabteilung personell umzubesetzen und damit in ihrer Ausrichtung auf seinen staatskirchlichen Kurs zu bringen.165 Hintergrund bot die Genehmigung der landeskirchlichen Umlage. Laut dem preußischen Staatsgesetz zur Finanzaufsicht von 1924 waren Höhe und Verteilungsmaß164 Vgl. zur Finanzabteilung unter Schnelle insgesamt: Klìgel, Landeskirche, 307 f. 165 Vgl. zur Umbesetzung insgesamt: Ebd., 309 – 312; Brunotte, Finanzaufsicht, 62 f.; Ders., Kurs, 14; Meier, Kirchenkampf III, 402 f.; Ders., Kirchenkampf II, 284.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

stab der landeskirchlichen Umlage, nicht der Haushaltsplan als solcher, an eine Genehmigung des Reichskirchenministeriums gebunden.166 Bei der Genehmigung der landeskirchlichen Umlage für den Haushaltsplan des Rechnungsjahres 1936 war es zu ersten Problemen gekommen. Zwar wurde die Umlage vom Reichskirchenministerium in der gewünschten Höhe genehmigt, jedoch beanstandete Muhs die vorgesehene Verwendung von Geldern für den Lutherrat (12 000 RM für das Sekretariat des Lutherrats)167, da ein rechtsgültiger Beschluss über den Anschluss der hannoverschen Landeskirche an den Lutherrat nicht zustande gekommen sei.168 Hintergrund war seine Ablehnung des staatlich nicht anerkannten Lutherrats. Der Ausgabeposten wurde daraufhin gestrichen. Im Haushaltsplan und der zu genehmigenden Umlage für das Rechnungsjahr 1937 tauchte nun, bald ein Jahr später, an anderer Stelle plötzlich der neue, nicht näher erläuterte Titel „Für landeskirchliche Arbeit gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verfassung“ auf, für den 15 000 RM veranschlagt waren.169 Was im Reichskirchenministerium wohl nicht weiter nachgeprüft wurde oder zumindest zunächst kein Misstrauen erregte, war, dass es an der erwähnten Stelle in der Verfassung hieß: „Als evangelisch-lutherische Kirche fühlt sie [scil. die Landeskirche] sich mit den evangelisch-lutherischen Kirchen Deutschlands und des Auslandes besonders verbunden. Sie sucht kirchliche Gemeinschaft mit ihnen zu pflegen und zu fördern.“170 Konkret war geplant, von den Mitteln wiederum 12 000 RM für den Lutherrat zu verausgaben, die restlichen 3000 RM waren für noch nicht spezifizierte, ähnliche Zwecke vorgesehen (ein Gutteil wurde zur Erstattung von Fleischs Reisekosten zum Sekretariat des Lutherrates verwendet). Das Reichskirchenministerium allerdings ahnte zunächst nicht, dass der Hauptteil dieses Ausgabepostens für einen Zweck vorgesehen war, der im Jahr zuvor beanstandet worden war. So wurde die beantragte Umlage rasch ohne jegliche Einwände genehmigt.171 Durch einen Mitarbeiter des Landeskirchenamts erfuhr Staatssekretär Muhs Anfang 1938 von dem Verwendungszweck des ominösen Ausgabepostens.172 Sofort fragte er bei der hannoverschen Finanzabteilung an, ob seine Informationen zutreffend seien und die Finanzabteilung ihre Zustimmung zu 166 Siehe oben 52. Vgl. auch die Unterlagen im Bestand BArch R 5101 / 22596. 167 Vgl. die „Übersicht über die geplante Verwendung der Umlage“ 1936 (BArch R 5101 / 22596, Bl. 135 f.); Haushaltsplan für 1936 (LkAH S 1 H II 111a, Bl. 123 f.). 168 Vgl. Muhs an FA-Hannover vom 25. 1. 1937 (HStAH Hann. 122a Nr. 3898, Bl. 85 f., hier Abschrift für den Oberpräsidenten). 169 Vgl. die „Übersicht über die geplante Verwendung der Umlage 1937“ vom 27. 9. 1937 (BArch R 5101 / 22596, Bl. 174 f.); Haushaltsplan für 1937 (LkAH S 1 H II 111a, Bl. 110). 170 Ebers, Kirchenrecht, 4. 171 Und zwar am 14. 10. 1937 (HStAH Hann. 122a Nr. 3898, Bl. 89). 172 Vgl. Klìgel, Landeskirche, 309; Fleisch, Kirchengeschichte, 239. Schnelle war ob dieses Informationslecks sehr daran interessiert, die undichte Stelle im Landeskirchenamt zu identifizieren (allerdings erfolglos), vgl. sein Schreiben an den Reichskirchenminister vom 23. 2. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 1).

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Die Umbesetzung der Finanzabteilung 1938

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der Zahlung der 12 000 RM an den Lutherrat gegeben hätte.173 Dies räumte Schnelle ein und verwies darauf, dass die Umlage vom Ministerium genehmigt worden sei und die Kirchenregierung dem Posten einstimmig zugestimmt habe.174 Im Reichskirchenministerium reagierte man aufgebracht. Johannes Richter, der ehemalige Vizepräsident des hannoverschen Landeskirchenamts und seit kurzem im Reichskirchenministerium beschäftigt, fertigte einen scharfen Vermerk an, in dem er Schnelle „Schiebung“ vorwarf; er habe „das Ministerium glatt hintergangen“175. Dennoch war zunächst nur vorgesehen, ihm die „schärfste Missbilligung“176 auszusprechen. Aber Richter, Albrecht und vor allem Muhs wirkten auf den Reichskirchenminister ein, auch personelle Konsequenzen zu ziehen. Mit Erfolg: In einem von Muhs ausgearbeiteten Schreiben177 des Reichskirchenministers vom 28. April 1938 wurde Präsident Schnelle seines Amtes als Vorsitzender der Finanzabteilung enthoben und an seiner statt Rechtsanwalt Dr. Georg Cölle eingesetzt.178 Das Landeskirchenamt beschloss, sich dem zu fügen, doch wollte es Schritte unternehmen, die Anordnung rückgängig zu machen;179 Marahrens richtete umgehend ein Schreiben an den Kirchenminister, in dem er darum bat, dieser möge von der Durchführung der Maßnahme zunächst absehen.180 Es folgte eine längere Auseinandersetzung, die sich bald auf zwei miteinander verquickten Ebenen bewegte. Auf der einen Seite wurde über die Richtigkeit der Vorwürfe gestritten, die zur Amtsenthebung Schnelles geführt hatten, auf der anderen Seite ging es um die Personalie Cölle. Was also waren die Gründe, mit denen Schnelles Amtsenthebung gerechtfertigt wurde? Der Hauptvorwurf des Reichskirchenministers war, „dass 173 Muhs an FA-Hannover vom 16. 2. 1938 (BArch R 5101 / 23218, Bl. 518). Außerdem hatte Muhs von einer Zahlung der hannoverschen Landeskirche zur Unterstützung der Bekennenden Kirche Sachsens in Höhe von 2000 RM gehört (das Geld sollte per Kollekte wieder ausgeglichen werden) und verlangte Aufklärung darüber. Dieser Punkt kam in den folgenden Auseinandersetzungen erschwerend hinzu. 174 FA-Hannover an Reichskirchenminister vom 23. 2. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 1). 175 Vermerk Richters vom 16. 3. 1938 (ebd., Bl. 3). 176 So in einem ersten Entwurf eines Antwortbriefes an Schnelle aus dem März 1938 (ebd., Bl. 4). 177 Siehe die Entwürfe des Schreibens (ebd., Bl. 5 – 11). 178 Jenes Schreiben findet sich ebd., Bl. 10 f. 179 Vgl. das Übernahmeprotokoll anlässlich Cölles Amtsantritts am 29. 4. 1938 (ebd., Bl. 25). 180 Schreiben vom 29. 4. 1938 (ebd., Bl. 151). Gerhard Lindemann wirft Marahrens vor, die „Übernahme“ der Finanzabteilung durch Cölle einfach hingenommen zu haben und zwar, „ohne die anderen [scil. die süddeutschen] Bischöfe konsultiert zu haben.“ Lindemann, Kritik, 67. Der Vorwurf ist nicht haltbar : Von einer widerspruchslosen Hinnahme der Maßnahme kann keine Rede sein, außerdem gab es sehr wohl 1938 Beratungen mit den süddeutschen Landeskirchen, die sogar in dem gemeinsamen Protestschreiben der Bischöfe Marahrens, Meiser und Wurm (daneben zusätzlich Johnsen und Kühlewein) vom 2. Juni 1938 mündeten (BArch R 5101 / 23713, Bl. 55 f.). An anderer Stelle meint Lindemann, es sie zu fragen, „ob die Einrichtung einer Finanzabteilung in Hannover nicht zumindest in dieser Form vermeidbar gewesen wäre.“ Lindemann, Typisch, 246. Wie die Umbesetzung oder Umgestaltung der Finanzabteilung hätte verhindert werden sollen, vermag Lindemann indes nicht aufzuzeigen.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

Präsident Schnelle den staatlichen Bestimmungen und Anordnungen zuwidergehandelt hat und dass er versucht, das bei den Staatsbehörden zu verschleiern“181. Der Minister erinnerte daran, er habe 1936 bei der Umlagegenehmigung Zahlungen an den Lutherrat beanstandet – das Staatsgesetz von 1924 habe ihm dazu das Recht gegeben. „Wenn die theoretische Möglichkeit der erneuten Aufnahme der Summe von 12 000 RM im Etat 1937 auch bestand“, so Kerrls Argumentation gegenüber Landesbischof Marahrens, „ist sie doch wohl nur wegen der von mir gegebenen Begründung aus dem Jahre 1936 unterblieben. Eine Hoffnung auf Genehmigung dieses Postens bei Angabe des wahren Grundes bestand zweifellos weder bei Ihnen, noch bei Präsident Schnelle. Deshalb hat Präsident Schnelle, wahrscheinlich unter Mitwissen weiterer Beteiligter, zu einem gefährlichen Mittel gegriffen: er hat mich getäuscht. Er sagt die Unwahrheit, wenn er ausführt, es sei lediglich die Fassung des Postens im Jahre 1936 von mir bemängelt worden, während sich klar ergibt, dass mich die Fassung überhaupt nicht interessierte, sondern lediglich der sachliche Inhalt: die Zahlung an den ,Lutherischen Rat‘. Durch Erhöhung um 3000 RM wurde die Tarnung vervollständigt.“182

Auch die neue Bezeichnung des Haushaltspostens, für „landeskirchliche Arbeit“, sei irreführend, denn das Sekretariat des Lutherrates könne „schlechterdings nicht als ,landeskirchlich‘ bezeichnet werden“183. Unter diesen Umständen könne sich Schnelle auch nicht darauf berufen, die Umlage sei vom Reichskirchenministerium genehmigt worden, die Zahlung daher zulässig. Nach alledem „besitzt Präsident Schnelle nicht die zur Leitung einer Finanzabteilung nötige Eignung.“184 Erschwerend komme hinzu, dass Schnelle und Marahrens offenbar nicht die Unrechtmäßigkeit ihrer Handlungen einsähen, sondern vielmehr „mit einem offensichtlich unwahren Bemäntelungsversuch“185 hervorträten. Dem Landesbischof hatte Kerrl vorgeworfen, die Handlungen des LKA-Präsidenten zu decken und die staatskirchenrechtlichen Bestimmungen zu übergehen.186 Kerrl drohte schließlich strafrechtliche Konsequenzen an und forderte eine Rückerstattung der bereits verausgabten Gelder. Schnelle versuchte anfangs, sich gegen die Vorwürfe zu wehren: Er führte an, die Beanstandung des strittigen Haushaltspostens für das Rechnungsjahr 1936 sei unter falschen Voraussetzungen erfolgt, denn sehr wohl sei die 181 Reichskirchenminister an Marahrens vom 1. 7. 1938 (LkAH S 1 H I 957, Bl. 52 – 55, Zitat Bl. 52). 182 Ebd., Zitat Bl. 53 f. 183 Reichskirchenminister unter anderem an FA-Hannover vom 28. 4. 1938 (LkAH S 1 H I 956, Bl. 24 f.). 184 Ebd. 185 Reichskirchenminister an Marahrens vom 1. 7. 1938 (LkAH S 1 H I 957, Bl. 52 – 55, Zitat Bl. 54). 186 Vgl. ebd.

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hannoversche Landeskirche nach Auffassung der Kirchenregierung an den Lutherrat angeschlossen. Daher habe er den Posten auch wieder in den Haushaltsplan für 1937 aufgenommen. Um aber die Bedenken des Ministers zu zerstreuen, „erschien es richtig, die Haushaltsposition verfassungsmässig zu begründen“187, also die äußere Fassung zu verändern. Natürlich sei angenommen worden, das Reichskirchenministerium würde den Verfassungsartikel nachprüfen, von Verschleierung könne jedenfalls keine Rede sein.188 Auch Erhöhung und Verwendung des Postens verteidigte Schnelle.189 Später, als der Reichskirchenminister seine Vorwürfe bekräftigte, reagierte Schnelle zwar in der Sache bestimmt und blieb dabei, dass eine Erstattung der 12 000 RM nicht in Frage käme, da der Umlageplan genehmigt und das Geld „der dafür bestimmten Position des Haushaltsplans entnommen und ordnungsmäßig verbucht worden“190 sei. Er räumte allerdings ein, es wäre bei „nachträglicher Betrachtung“ besser gewesen, um „auch de[n] Anschein einer Täuschung oder Tarnung“ zu vermeiden, wenn bei der Umlagegenehmigung die Verwendung des Haushaltspostens transparenter gewesen wäre.191 Schnelle konnte auf eine breite Unterstützung aus der Landeskirche vertrauen. Nicht nur die Kirchenregierung192 und Landesbischof Marahrens persönlich193 stellten sich frühzeitig demonstrativ hinter den LKA-Präsidenten, sondern auch das Landeskirchenamt („in voller Einmütigkeit“)194 und die Landessuperintendenten der Landeskirche195. Die Pfarrämter waren durch

187 Schnelle an die hannoversche Kirchenregierung vom 29. 4. 1938 (ebd., Bl. 28 – 30, hier Bl. 29). Das Schreiben wurde am 30. April 1938 dem Reichskirchenminister zugeleitet. 188 In der „Sachdarstellung“ Marahrens’ vom 22. Juli 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 214 – 223, hier Bl. 219 – 222) wird dargelegt, die „Bemerkung“ bei der Umlagegenehmigung des Rechnungsjahres 1936, eine Zahlung an den Lutherrat sei nicht möglich, wäre nicht als „Auflage“ verstanden worden, sondern eher als Anregung, schließlich habe der Minister nur die Höhe der Umlage zu genehmigen, nicht über die Posten zu beschließen. Ein Weisungsrecht in dieser Hinsicht bestünde erst seit der 15. Durchführungsverordnung. In den Haushaltsplan von 1937 sei nun der Posten unter neuem Titel abermals aufgenommen worden (nach einstimmigen Beschluss von Kirchenregierung und Landeskirchenamt); man habe nicht daran gezweifelt, „daß der Herr Minister erkennen würde, daß aus dieser Position der Lutherische Rat finanziell unterstützt werden sollte […] Der Gedanke einer Tarnung oder Täuschung hat dabei völlig ferngelegen. Niemand würde sich zu einem derartigen Versuch hergegeben haben.“ 189 Vgl. Schnelle an die hannoversche Kirchenregierung vom 29. 4. 1938 (LkAH S 1 H I 957, Bl. 28 – 30). 190 Schnelle und Wagenmann an Reichskirchenminister vom 22. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 209). 191 Schnelle an Reichskirchenminister vom 22. 7. 1938 (ebd., Bl. 370). 192 Mit Schreiben an den Reichskirchenminister vom 3. 5. 1938 (LkAH S 1 H II 111b, Bl. 134 f.). 193 Mit Schreiben an Kerrl persönlich vom 3. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 152 – 154). 194 Per Rundschreiben an alle Pfarrämter vom 5. 5. 1938 (LkAH S 1 H I 956, Bl. 18), daraus auch das vorhergehende Zitat. 195 Mit Schreiben an den Reichskirchenminister vom 16. 5. 1938 (LkAH S 1 H I 956a, Bl. 3). Im Bischofsrat, in dem die Landessuperintendenten versammelt waren (vgl. Klìgel, Landeskirche, 298), bestand frühzeitig Konsens, „daß die Abberufung des bisherigen Leiters der

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

verschiedene Schreiben von allen Seiten über die Entwicklung der Dinge unterrichtet worden196 – die Auseinandersetzung um die FA-Umbesetzung war auch ein Kampf um die Deutungshoheit – und schlossen sich in bemerkenswerter Einigkeit dem Protest der Landesuperintendenten gegen die Umbesetzung der Finanzabteilung an.197 Schnelle war dennoch bereit, die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen und wollte sich bis zur Klärung der Angelegenheit von der Kirchenregierung beurlauben lassen, um dem Ministerium freie Hand bei der Regelung der Verhältnisse zu lassen.198 Er stand nicht gerne im Gegensatz zum Ministerium und war von Kerrls Angriffen auch gesundheitlich mitgenommen. Es gelang Marahrens jedoch, Schnelle von diesem Schritt abzubringen – eine Beurlaubung hätte leicht als Schuldeingeständnis wirken und dem Reichskirchenministerium Anlass zum Eingreifen in die LKA-Führung geben können. Letztlich meldete der LKA-Präsident sich nur krank – ähnlich hatte Schnelle schon 1934 die besonders turbulenten Zeiten überdauert.199 Die Kontroverse um die Amtsenthebung Schnelles und die von Kerrl angedrohten juristischen Folgen200 erledigte sich schließlich erst im Juli 1938. Einen gewissen Abschluss bildete ein Schreiben (nebst einer „Sachdarstellung“ zu der ganzen Angelegenheit) von Landesbischof Marahrens an Kerrl.201 Marahrens stritt ab, er und Schnelle hätten den Reichskirchenminister täuschen wollen und erklärte:

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Finanzabteilung ungerechtfertigt und der neue Leiter untragbar ist.“ Protokoll der Sitzung des Bischofsrats am 4. 5. 1938 (LkAH L 2 Nr. 250/08). Mit dem 18. Mai 1938 verschickten beispielsweise die Landessuperintendenten ihr Schreiben an den Reichskirchenminister vom 16. Mai auch an die Pfarrämter (LkAH S 1 H I 956a, Bl. 7). Die Kirchenregierung ließ am 7. Juni 1938 den Pfarrämtern ein Protestschreiben unter Beifügung zweier Anlagen zugehen (LkAH S 1 H I 957, Bl. 28). Cölle rundverschickte am 31. Mai 1938 zur Aufklärung Kerrls Erlass vom 28. April 1938 (LkAH S 1 H I 956, Bl. 24). Vgl. auch zur Informationspolitik: Cölle an Reichskirchenminister vom 9. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 102); die Antwort vom 25. 5. 1938 (ebd., Bl. 104); die „Sachdarstellung“ Marahrens’ vom 22. 7. 1938 (ebd., Bl. 214 – 223, hier Bl. 214 f.). Das hatte offenbar die Bekenntnisgemeinschaft initiiert, die den Einspruch der Landessuperintendenten mit einer Befragung aller Geistlichen verband, vgl. BG-Rundschreiben vom 24. 5. 1938 (LkAH K:A 671). Letztlich ergingen von 972 Pfarrern, etwa 90 % der Gesamtpfarrerschaft, Zustimmungserklärungen. Vgl. auch die diversen Zustimmungserklärungen einzelner Pfarrer oder auch ganzer Kirchenkreise in LkAH S 1 H I 956a und 956. Vgl. Vermerk Cölles über eine Besprechung mit Schnelle am 12. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 193 f.). Vgl. dazu insgesamt auch Cölle an Reichskirchenminister vom 15. 7. und vom 20. 7. 1938 (ebd., Bl. 195 und Bl. 196 – 198). Kerrl hatte am 29. Juni 1938 seine Drohung, ein Defektenverfahren einzuleiten, gegenüber Marahrens erneuert (LkAH S 1 E II 126, Bl. 38). BArch R 5101 / 23228, Bl. 214 – 223. Vgl. auch zu dem Schreiben die Ausarbeitungen in dessen Vorfeld (LkAH L 2 Nr. 21 Bd. IV).

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Die Umbesetzung der Finanzabteilung 1938

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„Eine persönliche Stellungnahme zu ihren Schreiben202 werden Sie von mir nicht erwarten. Aus der Verantwortung heraus, die ich in meinem Amt als Landesbischof der Landeskirche vor Gott trage, würde ich fast zu jedem Ihrer Sätze meine abweichende Stellungnahme aussprechen müssen. […] Auch Ihr Zweifel an der Echtheit und Ehrlichkeit meiner positiven Mitarbeit muß mich im Hinblick auf Ihre mir gegenüber einst wiederholt bezeugte Haltung aufs tiefste schmerzen. Welches ungeheuerliche Unrecht Sie mir damit antun, […] ist Ihnen offenbar verborgen. […] Herr Reichsminister! Es ist mir die schwerste Enttäuschung, daß Sie sich trotz aller unserer Bitten, und obwohl wir uns immer wieder zu Ihrer Verfügung gestellt haben, nicht von einem Wege haben zurückhalten lassen, der die Not der Deutschen Evangelischen Kirche ständig erhöht […] Soll jetzt eine geordnete und im Frieden arbeitende Landeskirche ihrer Ordnung beraubt und der Gefahr völliger Zerstörung sowie eines die Volksgemeinschaft zerreißenden Unfriedens ausgesetzt werden?“203

Dieses Schreiben dürfte auf den Reichskirchenminister einen gewissen Eindruck gemacht haben.204 Es ginge jedoch zu weit, sich Klügel anzuschließen, der meint, dass das Schreiben „für den Minister ziemlich unangreifbar gewesen sein dürfte“ und „die zur Entscheidung stehende Sache ganz durchsichtig“ gewesen sei, nämlich der Darstellung von Marahrens folgend.205 So einfach war der Sachverhalt dann doch nicht, denn die Situation war folgende: Zunächst einmal ist es für die Sachfrage unerheblich, ob ein rechtmäßiger Anschluss der hannoverschen Landeskirche an den Lutherrat erfolgte oder nicht, bzw. wie ein solcher Anschluss eigentlich hätte aussehen müssen – gleichwohl diese Frage im Zuge der Auseinandersetzung um die FA-Umbesetzung aufgeregt diskutiert wurde.206 Denn für Zahlungen an den Lutherrat kam es zumindest nach Erlass der 15. Durchführungsverordnung einzig darauf an, ob Kerrl diese verbieten würde. Hätte Kerrl nach dem Juni 1937 eine solche Anweisung gegeben, hätte die Finanzabteilung nicht zahlen dürfen, völlig unabhängig von dem Mitgliedsstatus der hannoverschen Landeskirche – am 2. Juni 1938 wurden Zahlungen an den Lutherrat dann pauschal verboten.207

Gemeint waren die oben erwähnten Schreiben Kerrls vom 29. Juni und 1. Juli 1938. Schreiben vom 22. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 210 – 213; Klìgel, Dokumente, 138 f.). Vgl. auch Klìgel, Landeskirche, 310 f. Zitate ebd., 310 und 311. Marahrens gehörte zu den Mitbegründern des Lutherrates und die hannoversche Kirchenleitung betrachtete die Landeskirche insofern auch stets als Mitglied desselben. Unsicherheit in dieser Frage kam auf, weil a) die Kirchenregierung dem Anschluss 1936 nicht einstimmig zugestimmt hatte und b) zur Jahreswende 1936/37 auch die „Grundbestimmungen“ des Lutherrates von der hannoverschen Kirchenregierung nicht einstimmig angenommen worden waren. Superintendent Rose hatte nämlich seine Zustimmung verweigert. Vgl. dazu Schneider, Zeitgeist, bes. 150, 175; Klìgel, Landeskirche, 274 f.; Fleisch, Werden, 28 – 32. 207 GBlDEK, 1938, 67. 202 203 204 205 206

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

Entweder muss man nun Präsident Schnelle (und Marahrens) grenzenlose Naivität unterstellen, wenn sie nämlich tatsächlich angenommen haben sollten, das Reichskirchenministerium hätte die Zahlung an den Lutherrat 1936 nicht der Sache, sondern der Form halber abgelehnt. Oder, und dies ist anzunehmen, Schnelle (und Marahrens) waren sich sehr wohl bewusst, dass sie die Umlage mit dem Lutherrats-Posten, sofern er für das Reichskirchenministerium als solcher erkennbar gewesen wäre, nicht unbeanstandet würden genehmigt bekommen. Schnelle aber musste versuchen, eine eindeutige Weisung, wie sie sinngemäß bei der Umlagegenehmigung des Rechnungsjahres 1936 ausgesprochen worden ist, 1937 gar nicht erst wieder zu provozieren, denn die 15. Durchführungsverordnung war bei der Umlagegenehmigung für das Rechnungsjahr 1937 bereits in Kraft. Von daher war dieser bewusste Täuschungsversuch, mit dem die beiden ja im Übrigen auch beinahe durchgekommen wären, durchaus erklärbar. Sie hatten für den Fall eines Scheiterns sicher nicht mit der drastischen Reaktion einer FA-Umbesetzung gerechnet. Gleichzeitig ist die Reaktion des Reichskirchenministers, nachdem das Ablenkungsmanöver aufgeflogen war, verständlich; zumal er unter dem Einfluss von Muhs und seinen Gefolgsleuten stand. Zwar darf bezweifelt werden, dass die Aktion letztlich rechtswidrig gewesen ist und daher im Sinne des Reichskirchenministeriums regresspflichtig gewesen wäre (immerhin wurde die Umlage ja genehmigt und ein striktes Verbot für Zahlungen an den Lutherrat bestand noch nicht),208 aber dass Kerrl in dem Vorgehen eine Täuschung sah, die er dann als Pflichtverletzung der Finanzabteilung unter Mithilfe von Marahrens ausdeutete, kann kaum verwundern und hatte ja auch gute Gründe.209 Von der Regressforderung nahm Kerrl bald Abstand.210 Vor allem, weil kirchenpolitisch eine derartige Maßnahme gar nicht mehr gewollt war ; die Kirchenregierung der hannoverschen Landeskirche arbeitete nämlich gerade an einer Verordnung zur Befriedung der inneren Lage. Das Reichskirchenministerium wollte die prekäre Lage der Kirchenleitung nun in Hinblick auf die Verordnung ausnutzen.211 Doch zunächst zurück zur Umbesetzung der Finanzabteilung. Nicht nur Schnelles Ablösung sorgte für Empörung, sondern auch die Tatsache, dass gerade Cölle als dessen Nachfolger eingesetzt wurde. Für Muhs war Cölle indes ein Wunschkandidat – schon 1935 hatte er ihn als FA-Mitglied vorgeschlagen. 208 Vgl. auch die LKA-Ausarbeitung aus dem Juli 1938 (LkAH S 1 H I 957, Bl. 48 – 50). 209 Es muss damit Brunotte, Finanzaufsicht, 63, widersprochen werden, der meint, die Gründe für die Umbesetzung seien „völlig fadenscheinig“ gewesen. 210 Im Februar 1941 warf Cölle anlässlich der Entlastung der Landeskirchenkasse für das Rechnungsjahr 1936 nochmals die Frage auf, ob nicht Schritte gegen Schnelle und Wagenmann wegen der seinerzeit an den Lutherrat gezahlten 12 000 RM eingeleitet werden sollten. Das Reichskirchenministerium erteilte dem eine Absage. Der Vorgang findet sich in BArch R 5101 / 23219, Bl. 36 – 39. 211 Siehe unten 232 – 234.

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Die Umbesetzung der Finanzabteilung 1938

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Sowohl Muhs als auch Johannes Richter waren aus alten Kirchensenatszeiten persönlich mit ihm bekannt, Albrecht aus dem Reichskirchenministerium kannte ihn noch aus Burgdorf,212 wo Cölle bis 1934 als Rechtsanwalt praktiziert hatte. Schon 1938 war Cölle bestens vernetzt. Die politische und kirchenpolitische Einstellung des „Parteigenossen“ und SA-Mannes Cölle213 war also hinlänglich bekannt und lag genau auf der von Muhs gewünschten Linie – nationalsozialistisch, staatskirchlich und DC-freundlich. Zudem war er ein ausgewiesener Gegner von Marahrens und dessen Kirchenregiment (für ihn „Männer der alten Kirche“ und damit „innerliche[.] Feinde[.] des 3. Reichs“)214 sowie der Bekenntnisgemeinschaft. Cölle war mit den hannoverschen Verhältnissen sehr genau vertraut, denn er hatte in den vergangenen Jahren zahlreiche Gerichtsprozesse mit kirchenpolitischem Hintergrund für DC-Klienten geführt215 und besaß zudem noch gute Kontakte ins Landeskirchenamt,216 wo er 1934 als Hilfsarbeiter beschäftigt gewesen war. Er war ein persönlich engagiertes DC-Mitglied,217

212 Vgl. Cölles Aussage in seiner Entnazifizierungsverhandlung am 4. / 6. 5. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). 213 Vgl. zu Cölles Parteimitgliedschaft BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP. Cölle war seit dem 28. April 1933 SA- und seit dem 1. Mai 1933 NSDAP-Mitglied. Er war damit zum letztmöglichen Zeitpunkt vor Inkrafttreten der Aufnahmesperre in die Partei aufgenommen worden. Vgl. Weigel, „Märzgefallene“; Broszat, Staat Hitlers, 253. In der SA war Cölle als Rechtsberater tätig und wurde 1936 Sturmführer. Cölle will 1937 aus der SA ausgeschieden sein, belegbar ist dies nicht. Cölle ist vielmehr auch nach diesem Datum noch mehrfach bei offiziellen Veranstaltungen oder Versammlungen in SA-Uniform aufgetreten. Unwahrscheinlich, dass er dies getan hätte, wenn er seinerzeit seine SA-Mitgliedschaft als erloschen betrachtet hätte. Vgl. dazu Cölles Aussage in seiner Entnazifizierungsverhandlung am 4. / 6. 5. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380); Entnazifizierungsentscheid vom 6. 5. 1950 (ebd.). Daneben war Cölle in weiteren NS-Organisationen Mitglied: Im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund (zuvor im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen), der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, dem Nationalsozialistischen Reichskolonialbund und dem Nationalsozialistischen Altherrenbund. Vgl. Cölles Personalakte im Reichsjustizministerium (BArch R 3001 / 53570). 214 Vgl. insbesondere das Schreiben Cölles an den Reichskirchenminister vom 6. 2. 1937 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 400 f., Zitate Bl. 401). Darin ließ sich Cölle über die kirchenpolitische Haltung von Marahrens aus und schloss mit der Feststellung: „Deshalb muss Marahrens auch fallen.“ 215 Er war etwa der Anwalt Meyers und der DC-Pröpste gewesen, außerdem war er der Rechtsbeistand von verschiedenen DC-Pastoren benachbarter Landeskirchen – in Braunschweig etwa von Pastor Friedrich Nümann (siehe unten 307). 216 Dies geht beispielsweise aus einem Schreiben Duensings an Schnelle vom 5. Mai 1937 hervor, wo jener darauf hinweist, er würde sein Schreiben bewusst an die Privatadresse Schnelles schicken, „weil ich erfahren habe, daß Rechtsanwalt Cölle über unseren Meinungstausch unterrichtet ist und anscheinend daran interessiert ist, Äußerungen seiner kirchenpolitischen Gegner gegenüber der 13. Verordnung in einer eindeutig bestimmten Absicht zu verwerten.“ (LkAH S 1 H I 921, Bl. 9 – 12, hier Bl. 9). 217 Vgl. Rundschreiben, 122, 150, 470. Hier ist ersichtlich, dass Cölle sich des Öfteren als Redner

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hierbei Anhänger der nationalkirchlichen Linie Heinrich Meyers und sogar zeitweise dessen Stellvertreter als Leiter der Landesgemeinde der Deutschen Christen.218 Aus seiner deutsch-christlichen Gesinnung machte Cölle gegenüber dem Reichskirchenminister vor seiner Ernennung keinen Hehl.219 Nach seiner Berufung in die Finanzabteilung erklärte Cölle zwar offen, mit dem hannoverschen Kirchenregiment unter Marahrens nicht einverstanden zu sein und daher auch zahlreiche Prozesse gegen dieses Kirchenregiment auf Seiten der Deutschen Christen geführt zu haben. Er behauptete aber, er sei nie „öffentlich für eine der kirchenpolitischen Gruppen tätig gewesen“, sondern habe sich „in all diesen Dingen die grösstmögliche Zurückhaltung auferlegt“ und bei seiner Anwaltstätigkeit nie „die Linie strengster Sachlichkeit verlassen.“220 Mit diesen Schutzbehauptungen versuchte Cölle, beim auf Ausgleich bedachten Reichskirchenminister Anklang zu finden. Es ist wohl davon auszugehen, dass Cölle spätestens mit seinem Amtsantritt als FA-Vorsitzender seine herausgehobene Position bei den Deutschen Christen aufgegeben haben dürfte (ausgetreten ist er nicht),221 so wie er auch seine Anwaltstätigkeit in diesem Bereich einstellte, um offensichtliche Interessenkonflikte zu vermeiden.222 Was ihn aus Sicht von Muhs besonders für den Vorsitz in der Finanzabteilung qualifizierte, sorgte auf landeskirchlicher Seite für massive Vorbehalte. Denn auch hier kannte man Cölle als denjenigen, der „sämtliche Prozesse kirchenpolitischer Art, die gegen die Hannoversche Landeskirche und gegen Mitglieder des Landeskirchenamts in den letzten Jahren geführt sind, […] instruiert und vor Gericht vertreten“223 hatte.

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auf DC-Veranstaltungen betätigte. Er erhielt auch die von der Reichsleitung der Nationalkirchlichen Einung versandten Informationsmitteilungen etc., vgl. EZA 1/1657 und 1/1658. Vgl. zu seiner DC-Mitgliedschaft auch die Niederschrift über die Sitzung der Kirchenregierung am 28. 5. 1945 (LkAH S 1 H II 112, Bl. 16). So die Mitteilung Meyers in einem DC-Rundschreiben vom 29. 1. 1937 (Rundschreiben, 438). Vgl. etwa Cölle an Reichskirchenminister vom 6. 2. 1937 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 400 f.). Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 30. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 136 – 138, Zitate Bl. 138). Nach dem Krieg bestritt Cölle, jemals Mitglied der Deutschen Christen gewesen zu sein, er habe jenen lediglich manchmal privat Geld zukommen lassen (so Cölle in einem Schreiben an seinen Rechtsanwalt vom 18. 11. 1949, HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). In einer eidesstattlichen Versicherung verstieg sich eine Mitarbeiterin der Nationalkirchlichen Deutschen Christen in Hannover sogar am 11. Juli 1947 in einem Versuch, Cölle zu verteidigen, dazu, zu behaupten, die Deutschen Christen seien mit Cölles FA-Tätigkeit unzufrieden gewesen, weil „seine Massnahmen zu sehr von dem Geiste der bekenntnisgebundenen Landeskirche“ geprägt gewesen seien (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). Allerdings engagierte Cölle bei kirchenpolitischen Klagen fortan gelegentlich einen Anwaltskollegen, mit dem ihn eine Bürogemeinschaft verband. Vgl. etwa ein Schreiben des Rechtsanwalts in BArch R 5101 / 23228, Bl. 280 – 283. Kirchenregierung an Reichskirchenminister vom 3. 5. 1938 (LkAH S 1 H I 957, Bl. 15).

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„Mit der Ernennung des Dr. Cölle“, so Marahrens im Namen der Kirchenregierung, „hat der Herr Minister den Mann ausgewählt, der sich während der letzten Jahre unausgesetzt mit einer Bekämpfung der Landeskirche und ihrer Aufbauarbeit befaßt hat. Die Folgen dieser Berufung sind unabsehbar. Keiner wird in der Lage sein, der Verbitterung der Landeskirche über diese Ernennung, die jeden Friedenswillen zu zerstören droht, zu wehren.“224

Marahrens sah die Einsetzung Cölles als eine Folge der Berufung Muhs’ und jüngst auch Richters ins Reichskirchenministerium. Wenn auf diese Weise Unruhe in die eigentlich unter ihm befriedete Landeskirche gebracht werde, so „ist es unvermeidlich, daß die Landeskirche nicht mehr an einen Willen zur Befriedung und Durchführung eines Ordnungswerkes glauben kann. Bevor weitere Erregung in unserer Landeskirche Platz greift und die Zerstörung der Ordnung beginnt, muß Remedur eintreten.“225 Man erinnerte sich in Hannover auch an die Zeit Cölles im Landeskirchenamt 1934. Cölle war seinerzeit gerade nach Hannover gekommen und versuchte, als Anwalt Fuß zu fassen. Während dieser Zeit lernte er Johannes Richter kennen, damals LKA-Vizepräsident, und bekam auf dessen Veranlassung zum 1. September 1934 eine Anstellung als juristischer Hilfsarbeiter im Landeskirchenamt. Cölle wollte damit seine Existenz absichern.226 Das Landeskirchenamt war ihm indes nicht fremd, denn bereits 1927/28 hatte er als Referendar vormittags in der Kirchenverwaltung gearbeitet – aus kirchlichem Elternhause stammend, am 11. Dezember 1901 in Erichsburg geboren, wo sein Vater Studiendirektor des Predigerseminars war,227 hatte Cölle eine Affinität zur Kirche. Cölle war also 1934 im Landeskirchenamt tätig, als Marahrens im November seine Vollmachten wieder übernahm und das Landeskirchenamt von Deutschen Christen „gesäubert“ wurde. Klügel berichtet, auch die deutschchristlichen Hilfsarbeiter seien zu dieser Zeit beurlaubt worden,228 doch wurde bei Cölle eine Ausnahme gemacht, vielleicht, weil dessen Vertragsverhältnis am 30. November sowieso auslief. Außerdem sicherte Cölle am 5. November 1934 schriftlich zu, sich während seiner LKA-Tätigkeit in amtlichen Dingen kirchenpolitisch völlig zurückzuhalten, seine Arbeit sachlich zu verrichten 224 Ebd. Vgl. zu dem Schreiben, das zu Unstimmigkeiten mit dem Mitglied der Kirchenregierung Rose führte, auch Roses Schreiben vom 10. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 236 – 238); Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung am 30. 4. 1938 (LkAH S 1 H II 111, Bl. 87); Bericht Cölles für den Reichskirchenminister vom 22. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 241); Cölle an Reichskirchenminister vom 30. 7. 1938 (ebd., Bl. 136 – 138). 225 Persönliches Schreiben von Marahrens an Kerrl vom 3. 5. 1938 (ebd., Bl. 152 – 154, hier Bl. 154). 226 Vgl. Cölles Aussage in seiner Entnazifizierungsverhandlung am 4. / 6. 5. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). 227 Von 1902 bis 1929 war Karl Cölle, der Vater Georg Cölles, dann Superintendent in Burgdorf. Vgl. Meyer, Pastoren, hier Bd. I, 115, 151, 271, 422, zu dessen Laufbahn. 228 Klìgel, Landeskirche, 146.

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und insbesondere gegenüber den beurlaubten DC-Funktionären die Verschwiegenheit gewissenhaft zu wahren. Zuvor hatte er allerdings mit Richter abgesprochen, im Landeskirchenamt zu bleiben. Jedenfalls durfte Cölle nach dieser Zusicherung bis zum 30. November 1934 weiterarbeiten und wurde von Oberlandeskirchenrat Brüel, der seinerzeit die Vertretung von Präsident Schnelle ausübte,229 sogar gebeten, gegen Entschädigung auch noch am 1. Dezember zu bleiben, da er und weitere LKA-Mitarbeiter an diesem Tag vor Gericht beschäftigt seien.230 Cölle lehnte dies am 30. November 1934, angeblich „der Korrektheit wegen“231, ab. Umso erstaunter waren die Mitarbeiter des Landeskirchenamts, als ihnen am folgenden Tage vor Gericht Cölle an der Seite von Richter als Prozessgegner gegenüberstand; laut Cölle kein Problem, denn er habe sich lediglich außerhalb seiner Dienstzeit mit kirchenpolitischen Themen beschäftigt, wäre erst kurzfristig in den Fall involviert worden, sei an der Vorbereitung nicht beteiligt gewesen und habe seine Verschwiegenheitspflicht in keiner Weise verletzt.232 Brüel vermutete jedoch, dass Cölle seine Position im Landeskirchenamt in der Prozessvorbereitung ausgenutzt haben könnte; angesichts des engen Kontakts von Cölle und Richter in jener Zeit lag der Verdacht nahe. Aus Sicht Brüels, der sich nun im April 1938 an dieses Intermezzo erinnerte, war Cölles damaliges Verhalten „zum mindesten charakterlos“ und könne „nur als hinterhältig“ bezeichnet werden.233 Marahrens verwendete diesen Vorfall in einem Schreiben an Kerrl, um ihm vor Augen zu führen, „weshalb sich das Urteil der ganzen Landeskirche von Dr. Cölle abwenden muß.“234 Die hannoverschen Deutschen Christen, und zwar nicht nur die Nationalkirchler, sondern auch die „gemäßigten“ Deutschen Christen, begrüßten die FA-Umbesetzung,235 da nun endlich „eine Leitung der Finanzen […] ge-

229 Vgl. ebd., bes. Anm. 150. 230 Es lief gerade ein Antrag Richters auf einstweilige Verfügung gegen Brüel und andere, da Richter die Umbesetzung des Landeskirchenamtes nicht hinnehmen wollte. Vgl. ebd., 151 f. Der Antrag scheiterte. 231 Bericht Brüels für den Landesbischof vom 30. 4. 1938 (LkAH L 2 Nr. 21 Bd. IV). 232 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 25. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 145 – 150). 233 Der Vorgang ist aufgezeichnet im Bericht Brüels für den Landesbischof vom 30. 4. 1938 (LkAH L 2 Nr. 21 Bd. IV), daraus auch die Zitate. Vgl. ansonsten dazu auch das Protokoll von Cölles Entnazifizierungsverhandlung am 4. / 6. 5. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). 234 Schreiben vom 3. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 152 – 154, hier Bl. 154). Dieses Schreiben wurde Cölle am 5. 8. 1938 von Muhs zur Kenntnis gebracht (ebd., Bl. 139). Cölle verfasste daraufhin am 25. 8. 1938 eine längere Erläuterung zu den damaligen Vorkommnissen aus seiner Sicht (ebd., Bl. 145 – 150). 235 Vgl. etwa Bergholter an die Kirchenregierung vom 14. 6. 1938 (ebd., Bl. 58 f.); Ernst Hahn an Cölle vom 9. 5. 1938 und vom 22. 5. 1938 (ebd., Bl. 28 und BArch R 5101 / 23758, Bl. 421); ansonsten vereinzelte Schreiben von DC-Funktionären, Pastoren oder Kirchenvorständen, die Cölles Ernennung begrüßten und sich von dem Protest der Landessuperintendenten distanzierten (ebd., Bl. 420; BArch R 5101 / 23228, Bl. 57, 60 f.).

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Die Umbesetzung der Finanzabteilung 1938

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währleistet wird, die den wirklichen Kircheninteressen entspricht.“236 Gleichzeitig verurteilten sie jeglichen Protest gegen die Personalmaßnahme.237 Insgesamt lässt sich jedoch festhalten, dass der weit überwiegende Teil der Pfarrerschaft, der Landesbischof, die Kirchenregierung und das Landeskirchenamt Cölles Einsetzung ablehnten. Die FA-Umbesetzung erwies, dass die relativ sorglose und unkritische Hinnahme der Finanzabteilung 1935 ein Fehler gewesen war. Die grundsätzliche Gefahr, die der staatliche Eingriff in sich barg, war verkannt oder vernachlässigt worden. Es war der Kirchenleitung und der Bekenntnisgemeinschaft möglich und auch theologisch vertretbar erschienen, die Finanzabteilung zu akzeptieren. Die ruhige Arbeit mit der Finanzabteilung hatte diese Haltung bestärkt. Erst als das Reichskirchenministerium mit der Umbesetzung rigoros eingriff, erhob sich in der Landeskirche ein flächendeckender, anhaltender Protest – aber immer noch nicht gegen die Finanzabteilung als solche, sondern nur gegen ihre Umgestaltung. Der Landesbischof richtete seinen Protest vor allem in Form persönlicher Eingaben direkt an den Reichskirchenminister. Dies entsprach seinen Gewohnheiten.238 Für seine Verhältnisse führte er den Protest gegen die FA-Umbesetzung dennoch ungewöhnlich öffentlich; ein Hinweis auf dessen besondere Qualität.239 Ein Boykott der Finanzabteilung wurde von der Kirchenleitung nicht ernsthaft erwogen, nur vereinzelte Pfarrer lehnten sich anfangs gegen Cölle auf.240 Trotz der Umbesetzung war die Kirchenleitung nicht bereit, die geordnete landeskirchliche Arbeit grundsätzlich zu gefährden, was bei einem Totalboykott zweifellos der Fall gewesen wäre. Er hätte für Gemeinden, Pastoren und Kirchenleitung immense Schwierigkeiten bedeutet und wäre kaum durchzuhalten gewesen.241 Außerdem war die Bereitschaft, an der loyalen Zusammenarbeit mit dem Staat allen Widrigkeiten zum Trotz festzuhalten, zu tief verwurzelt, als dass eine Abkehr davon in Frage gekommen wäre. Das 236 Heinrich Meyer in einem DC-Rundschreiben vom 3. 5. 1938 (Rundschreiben, 494). 237 Vgl. Leitung der Landesgemeinde Hannover der Nationalkirchlichen Einung an Reichskirchenminister vom 10. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 191). 238 Vgl. zu Marahrens Protestpraxis: Hermle, Spielräume, bes. 143 f. 239 Solch deutliche Worte, wie sie Marahrens wegen der Umbesetzung persönlich an Kerrl richtete, fehlten in der Öffentlichkeit. Allerdings wurde der Konflikt doch, aufgrund der diversen rundverschickten Schreiben, zu einem Gutteil vor der hannoverschen Pfarrerschaft ausgetragen, so dass diese keinen Zweifel an der Haltung ihres Bischofs haben konnte. In den Wochenbriefen behandelte Marahrens das Thema nur behutsam und selten konkret. Nur in seinem Wochenbrief vom 4. Mai 1938 wies Marahrens direkt auf die „unerwartet[e]“ Umbesetzung der Finanzabteilung hin; es lasse sich noch nicht absehen, was „diese Tatsache nach allen Seiten hin“ bedeute. Zu diesem Zeitpunkt gab sich Marahrens offenbar noch der Hoffnung hin, die Personalmaßnahme könnte rückgängig gemacht werden. Vgl. Zur Lage der Kirche II, 948, dort auch die Zitate. 240 Gegen diese ging Cölle mit Unterstützung von Muhs umgehend vor; bald brachen sie ihren Widerstand ab, vgl. BArch R 5101 / 23228, Bl. 119 – 121, 140. 241 Wie das Beispiel Badens unten in Abschnitt II.3. zeigen wird.

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zeigte nicht zuletzt die Anordnung des Treueeids auf Hitler – just in dem Moment der FA-Umbesetzung.242 Es kam vereinzelten Außenseitern wie dem Hilfsgeistlichen Winfried Feldmann zu, diese Haltung in Zweifel zu ziehen:243 „Die Frage, ob die Einrichtung einer wenn auch zunächst ,personell tragbaren‘ Finanzabteilung überhaupt, ob also die Abhängigkeit, in die sich unsere Landeskirche durch Annahme der Finanzabteilung der genannten Berliner Stelle gegenüber grundsätzlich begeben hat, vor Schrift und Bekenntnis bestehen kann, wäre es schon längst wert gewesen, vor die Pastoren und Gemeinden der Landeskirche gebracht zu werden.“

Erst jetzt, nachdem es zu spät sei, „wo es nur noch um ja unausbleibliche personelle Konsequenzen jener Abhängigkeit geht“, würde der Kampf von der Landeskirche aufgenommen. Das Reichskirchenministerium war durch allen kirchlichen Unmut nicht zu beeindrucken und dachte gar nicht daran, den Protestkundgebungen nachzugeben. Stattdessen berief Muhs Cölle am 21. Juni 1938 in die Finanzabteilung der Kirchenkanzlei. Blieb noch die Frage des Verbleibs von FA-Mitglied Wagenmann. Dieser hatte dem Reichskirchenminister telegrafisch bereits am 29. April 1938 mitgeteilt, er sei für die Vorgänge, die zu Schnelles Amtsenthebung geführt hätten, mitverantwortlich.244 Er war allerdings weiterhin zur Erfüllung seiner Pflichten in der Finanzabteilung bereit.245 Da Cölle zumindest anfangs nicht auf Wagenmanns Sachkenntnisse verzichten konnte,246 blieb dieser tatsächlich zunächst FA-Mitglied. Allerdings war er nicht mehr ständiger Vertreter des Vorsitzenden, sondern nur noch nach Cölles Anordnungen zur Vertretung befugt.247 Mitte Mai, nach einer Besprechung zwischen Cölle, Wagenmann und Albrecht aus dem Reichskirchenministerium, fiel dann doch die Entscheidung, dass Wagenmann die Finanzabteilung verlassen müsse. Wagenmann war während des Gesprächs mit dem Protestschreiben des Landeskirchenamts vom 5. Mai 1938248 konfrontiert worden. Er musste sich positionieren. Nach kurzem Lavieren gab er zu Protokoll, das Schreiben inhaltlich zu billigen. Den Ausschlag gegen Wagenmann gab aber letztlich dessen Äußerung, sich selbstverständlich an die Anweisungen des Ministers halten zu wollen, jedoch 242 Vgl. zum Treueeid in der hannoverschen Landeskirche: Klìgel, Landeskirche, 323 f.; Meier, Kirchenkampf III, 404; Ludwig, Feldmann. 243 Vgl. Winfried Feldmanns Zustimmungserklärung vom 2. 6. 1938 zur Eingabe der Landessuperintendenten (LkAH S 1 H I 956a, Bl. 108), daraus auch die folgenden Zitate. 244 BArch R 5101 / 23228, Bl. 22. 245 Vgl. Niederschrift zu der FA-Amtsübergabe am 29. 4. 1938 (ebd., Bl. 25). 246 Vgl. Vermerk Stahns vom 5. 5. 1938 über einen entsprechenden Vortrag Cölles (ebd., Bl. 26). 247 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 2. 5. 1938 (ebd., Bl. 30). 248 LkAH S 1 H I 956, Bl. 18.

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im Konfliktfall immer seinen kirchlichen Diensteid als vorrangig zu betrachten.249 Eine solche, letztlich der Kirche verpflichtete Mitarbeit, die nicht aus „innerer Überzeugung“250 heraus geschehe, war für Cölle und Albrecht nicht akzeptabel; ein Ersatz für Wagenmann musste gefunden werden. Schnell fiel die Wahl auf Oberregierungsrat Ludwig Hoffmeister aus dem braunschweigischen Staatsministerium.251 Dieser wurde am 30. Mai 1938 zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden der Finanzabteilung bestellt, aus der Wagenmann gleichzeitig ausschied.252

1.7. Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 1938 – 1945 1.7.1. Die Umgestaltung der landeskirchlichen Verwaltung: Verselbständigung der Finanzabteilung 1938 Plötzlich war kein LKA-Beamter mehr in der Finanzabteilung vertreten, diese personell völlig aus der obersten Verwaltungsbehörde herausgelöst. Damit zerbrach die, nach Auffassung des Landeskirchenamtes „segensreiche Einmütigkeit der mit der Leitung und Verwaltung der Landeskirche beauftragten Organe“; stattdessen wurden „schwere Gegensätze“253 in die Verwaltungsarbeit hineingetragen. Cölles FA-Verselbständigungskurs war eingeläutet. Cölle hatte bereits früher publizistisch dargelegt, dass er die Finanzabteilungen als staatliche Einrichtungen verstand, die autonom über den kirchlichen Behörden stünden und ausschließlich von staatlichen Direktiven bestimmt würden.254 Für seine eigene Person meinte Cölle, „daß ich Herrn Präsidenten Schnelle im Range gleichstehe und der Leiter einer gleichgeordneten (wenn nicht gar übergeordneten) Behörde bin“255. Die Finanzabteilung führte Cölle im persönlichen Regiment; äußerlich dadurch unterstrichen, dass er sich stets als „Leiter“ der Finanzabteilung bezeichnete. Daneben führte er einige organisatorische Neuerungen ein, die einer Verselbständigung dienen sollten: Er beanspruchte etwa das Recht, in 249 Der Eid findet sich in Art. 85 Abs. 1 Kirchenverfassung (Ebers, Kirchenrecht, 26). 250 Niederschrift zu der Besprechung vom 17. 5. 1938 von Cölle und Albrecht (BArch R 5101 / 23228, Bl. 31 f.). 251 Siehe zu ihm unten 308 – 310. 252 KABl., 1938, 83. Vgl. auch BArch R 5101 / 23228, Bl. 37 f., 62. 253 So nach dem Entwurf einer Beschwerdeeingabe an den Reichskirchenminister aus dem Juni 1938 (LkAH S 1 H II 113, Bl. 156 – 166, Zitate Bl. 156). 254 Siehe oben 63, 92 f. 255 Cölle an Reichskirchenminister vom 4. 5. 1938, hier Zitat aus der beigefügten persönlichen Notiz für Staatssekretär Muhs (BArch R 5101 / 23228, Bl. 45 f., hier Bl. 45). Vgl. auch Cölle an Reichskirchenminister vom 1. 12. 1941 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 52).

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der Finanzabteilung eigene Beschäftigte unabhängig vom Landeskirchenamt zu unterhalten. Außerdem veranlasste er eine schärfere Trennung des Geschäftsganges von Finanzabteilung und Landeskirchenamt und richtete eine eigene Registratur für die Finanzabteilung ein. Der Schriftverkehr in allen vermögensrechtlichen Dingen sollte nun möglichst direkt über die Finanzabteilung laufen,256 zuvor hatte das Landeskirchenamt die Vorgänge verteilt.257 Dahinter stand die Absicht, das Landeskirchenamt in den Finanzfragen völlig zu umgehen, es von den Geschäftsvorgängen der Finanzabteilung auszuschließen, ja, ihm sogar bei Bedarf jegliche Kenntnis davon zu nehmen. Auf der anderen Seite veranlasste Cölle, dass alle LKA-Posteingänge der Finanzabteilung vorgelegt werden mussten – für den Fall, dass sie eigentlich zuständig wäre, und damit das Landeskirchenamt ihr nichts vorenthalten könne.258 Der gesamte Geschäftsgang des Landeskirchenamtes stand somit unter der Aufsicht der Finanzabteilung, während sie ihre Angelegenheiten abgeschottet betrieb. Anfang Mai 1938 rief Cölle auch den Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1938 zurück, der gerade zur Genehmigung der Umlage beim Reichskirchenministerium lag.259 Bei der Umarbeitung nahm Cölle einige Einsparungen vor, etwa beim Landesbischof, der Kirchenregierung oder bei den Geldern für den Lutherrat. Andere Posten, etwa die für Volksmission und Pressearbeit, beließ er unverändert, teilte aber dem Reichskirchenministerium mit, die eingesetzten Mittel sollten zukünftig streng kontrolliert und ihre Verwendung an die Zustimmung der Finanzabteilung gekoppelt werden260 – so sollten sie der gewünschten kirchenpolitischen Richtung zugute kommen.261 Die eingesparten Gelder wurden im neuen Haushaltsplan umgewidmet. Die 15 000 RM, die bisher für den Lutherrat vorgesehen waren, wurden nun für die Deckung der sachlichen FA-Kosten eingestellt;262 außerdem sah Cölle einen Verfü256 Dies betraf sowohl staatliche wie über- und untergeordnete kirchliche Stellen. Vgl. etwa Cölle an den Hildesheimer Regierungspräsidenten vom 14. 7. 1938 (HStAH Hann. 180 Hildesheim Nr. 07014). Vgl. auch Cölles Bemühungen in der Frage des DEKK-Schriftverkehrs, oben 151 f. 257 Zwischen Februar 1942 und März 1945 bestand sogar die Anweisung des Oberpräsidenten von Hannover für die ihm nachgeordneten Dienststellen, sämtlicher Schriftverkehr mit der hannoverschen Landeskirche habe über die Finanzabteilung zu laufen (selbst für das Landeskirchenamt bestimmte Schreiben und seine Antworten). Hinter der Anweisung stand Staatssekretär Muhs; Cölle passte sie gut ins Konzept. Vgl. zu der Angelegenheit vor allem: HStAH Hann. 122a Nr. 3620, Bl. 12 – 14, 25, 27 f., 33 f., 39; BArch R 5101 / 23219, Bl. 110 f., 117, 161 f., 172. 258 Vgl. Cölle an LKA-Präsident vom 18. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 97). 259 Cölle an Reichskirchenminister vom 4. 5. 1938 (BArch R 5101 / 22596, Bl. 190). 260 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 7. 5. 1938 (BArch R 5101 / 22596, Bl. 213 – 216). 261 In einem Schreiben an das Amt für Gemeindedienst (Cilien) vom 20. Februar 1939 bemängelte Cölle etwa, dass Gelder aus dem Etatposten für Volksmission für Marahrens’ Wochenbriefe verausgabt worden seien, obwohl jene „nach ihrem bisherigen Inhalt in keiner Weise volksmissionarischen Zwecken“ dienten (BArch R 5101 / 23228, Bl. 290). 262 Vgl. auch Cölle an Reichskirchenminister vom 20. 8. 1938 (ebd., Bl. 196 – 199). Die Kosten für das von der Finanzabteilung eingestellte Personal wurden indes nicht als Kosten der Finanz-

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gungsbetrag für die Finanzabteilung in Höhe von 5000 RM vor.263 Er wollte daraus eigene Unterstützungen finanzieren, „um auf diese Weise Einfluß auf allen Sachgebieten gewinnen zu können und notwendigen Dingen eine Förderung angedeihen lassen zu können.“264 Vom Anspruch und den Möglichkeiten aus betrachtet, schuf Cölle organisatorisch eine eigene Behörde neben dem Landeskirchenamt. In der Praxis blieb es jedoch bei dem Regelfall, dass die eigentliche Bearbeitung der Vermögensverwaltung in den zuständigen LKA-Dezernaten erledigt wurde und die Finanzabteilung nur die abschließende Zeichnung vornahm, wie dies schon seit der 13. Durchführungsverordnung üblich gewesen war.265 Die von Cölle neu angestellten FA-Mitarbeiter reichten angesichts der Menge anfallender Arbeiten nicht aus, um auf diese Indienstnahme der kirchlichen Verwaltungsbehörde verzichten zu können. Cölle verstand die Bearbeitung von vermögensrechtlichen Dingen durch LKA-Mitarbeiter allerdings nur als Beauftragung durch die Finanzabteilung;266 selbständig sei das Landeskirchenamt nicht berechtigt, vermögensrechtliche Beschlüsse zu fassen. Vielmehr könne die Finanzabteilung die Vermögensverwaltung bei Bedarf auch allein bearbeiten. Er konnte sich mit seiner Interpretation auf den Erlass von Muhs vom 1. Juli 1938 berufen.267 Entsprechend änderte Cölle ohne Rücksprache zuweilen Entwürfe von LKA-Dezernenten. Das Landeskirchenamt hingegen vertrat den Standpunkt, die Durchführung der Verwaltungsarbeit würde grundsätzlich bei ihm liegen, die Finanzabteilung habe als Aufsichtsorgan nur die Beschlüsse des Landeskirchenamts zu genehmigen.268 Nach der 15. Durchführungsverordnung dürfe die Finanzabteilung Verwaltungsaufga-

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abteilung verrechnet, sondern mit den Personalkosten des Landeskirchenamts zusammengefasst. Im Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1943 setzte Cölle anstatt der bisherigen 15 000 RM für „Persönliche und sächliche Kosten der Finanzabteilung“ nunmehr 20 000 RM ein, wegen der gestiegenen Vergütung für den Vorsitzenden. Den Verfügungsbetrag der Finanzabteilung kürzte er dafür auf 1000 RM. Vgl. den Haushaltsplan (BArch R 5101 / 22596, Bl. 337 – 341, hier Bl. 337 f.). Cölle an Reichskirchenminister vom 7. 5. 1938 (ebd., Bl. 213 – 216, hier Bl. 216). Vgl. zum Haushaltsplan und den Auseinandersetzungen bei der Aufstellung vor allem: Ebd., bes. Bl. 196 – 199, 213 – 223, 238 f.; LkAH S 1 H II 111a, Bl. 50 – 70; GStAPK I. HA Rep. 151 Nr. 1218; außerdem zur umstrittenen Dienstaufwandsentschädigung des Landesbischofs, die im Zuge der Auseinandersetzungen um die FA-Umbesetzung zur Disposition stand: BArch R 5101 / 23228, Bl. 192, 196 – 198, 225 – 230, 235, 252 – 254, 261; BArch R 5101 / 22596, Bl. 113 – 122, 242, 272 – 274; Kirchenregierung an FA-Hannover vom 29. 3. 1940 (LkAH B 1 Nr. 7410); Stahn an FA-Hannover vom 5. 12. 1938 (GStAPK I. HA Rep. 151 Nr. 1218); Meier, Kirchenkampf III, 403 f.; die Darstellung bei Klìgel, Landeskirche, 314, ist unzutreffend und berücksichtigt nicht die entscheidende Rolle des Reichskirchenministeriums. Vgl. auch Klìgel, Landeskirche, 319. Vgl. Cölle an LKA-Präsident vom 18. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 97). GBlDEK, 1938, 76. Siehe auch oben 106. Vgl. undatiertes LKA-Konzept (September/Oktober 1938) (LkAH S 1 H II 113, Bl. 9 f.).

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ben nur in klar bestimmten Fällen selbst vornehmen. Der Erlass vom 1. Juli 1938 widerspreche der 15. Durchführungsverordnung.269 Eine entsprechende LKA-Beschwerde beim Reichskirchenminister veranlasste Muhs zu einer brüsken, unmissverständlichen Abkanzelung des Landeskirchenamtes. Der Kirchenregierung schrieb er, sie solle das Landeskirchenamt doch wissen lassen, „daß derartige Schreiben künftig besser unterbleiben“, schließlich unterliege die „Auslegung meiner Verordnungen […] allein meiner Entscheidung. So sehr ich in angemessener Weise vorgebrachte berechtigte Anregungen zu berücksichtigen gewillt bin, so wenig interessieren mich die ,Feststellungen‘ des Landeskirchenamts.“270 In der Praxis war es mithin so, dass Cölle entschied, welche finanziellen Angelegenheiten die Finanzabteilung mit ihren eigenen Mitarbeitern allein bearbeiten wollte und welche von den zuständigen LKA-Dezernenten als Auftragsarbeit für die Finanzabteilung erledigt werden sollten, allerdings nach seinen Weisungen und unter seiner abschließenden Zeichnung.271 Cölle konnte auf diese Weise die alltäglichen Arbeiten vom Landeskirchenamt erledigen lassen und sich darauf beschränken, nur die ihm wichtigen Dinge an sich zu ziehen. Für den Geschäftsgang des Landeskirchenamtes bedeutete Cölles Involvierung – und sei es nur zur Zeichnung – eine mitunter enorme Verzögerung, denn er bildete gewissermaßen ein Nadelöhr, durch das ein Großteil aller Angelegenheiten geschleust werden musste.272 Gleichzeitig gab sich Cölle nicht mit den bestehenden FA-Kompetenzen zufrieden. Bald nach seinem Dienstantritt erwirkte er bei Muhs den Erlass vom 22. Juni 1938.273 Nunmehr lag es bei der Finanzabteilung, zu beurteilen, ob eine Maßnahme der Kirchenleitung finanzielle Auswirkungen habe und damit einer FA-Zustimmung bedürfe. So mussten fortan alle Maßnahmen und Verordnungen der Kirchenleitung die Prüfung der Finanzabteilung durchlaufen, die bei Bedarf nahezu jede Maßnahme von ihrer Zustimmung abhängig machen konnte. In der Praxis geschah die Kontrolle der Maßnahmen über die Vorlage des Kirchlichen Amtsblattes bei der Finanzabteilung, bevor dieses in Druck gehen 269 Vgl. LKA-Präsident an Reichskirchenminister vom 15. 8. 1938 (LkAH S 1 H I 958, Bl. 10 f.). 270 Schreiben vom 16. 9. 1938 (LkAH S 1 H II 112b, Bl. 142). 271 Vgl. Cölles Bericht auf dem Treffen der FA-Leiter am 8. 7. 1938 (EZA 1/1611). Vgl. auch seine Neuerungen bei Anweisungen an die Landeskirchenkasse: Diese bedurften zunächst nur einer FA-Zustimmung, wenig später war ausschließlich die Finanzabteilung überhaupt befugt, Anweisungen zu veranlassen, vgl. Cölle an LKA-Präsident vom 4. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 415 f.); Cölle an LKA vom 7. 9. 1938 (LkAW FinAbt 80, Bl. 46 f.). 272 In der ersten Zeit mag die Behinderung noch ein geringeres Problem gewesen sein, weil Cölle nach eigenen Angaben sechs Stunden täglich in der Behörde war, vgl. Cölle an Albrecht vom 16. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 41 f., hier Bl. 41). Bald jedoch war Cölle nur noch wenige Tage in der Woche tatsächlich anwesend, weshalb sich die Erledigung von Angelegenheiten, mitunter sicher auch bewusst, stark verzögern konnte. 273 GBlDEK, 1938, 72; siehe auch oben 105 f.

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durfte. Diese Vorlagepflicht beruhte auf einem weiteren Erlass aus Berlin vom 22. Juni 1938,274 den ebenfalls Cölle initiiert hatte. Die Finanzabteilung hatte nun die Möglichkeit, selbst rein geistliche Kundgebungen des Landesbischofs zu verschleppen, es musste nur ein Bestandteil des betreffenden Amtsblatts beanstandet werden. Mehr noch, sie konnte sogar sämtliche kirchenpolitisch oder politisch unliebsamen Veröffentlichungen gleich ganz unterbinden mit der Begründung, sie würden einer ordnungsmäßigen Verwaltung zuwiderlaufen.275 Cölle war insbesondere daran interessiert, seine Zugriffsmöglichkeiten auf die kirchenleitenden Funktionen auszuweiten. Er wollte der Finanzabteilung Einfluss auf möglichst viele Bereiche des landeskirchlichen Lebens sichern. Entsprechend weit legte er die 15. Durchführungsverordnung und nachfolgende kirchenministerielle Erlasse aus. Seine Eingriffe erstreckten sich etwa auf das Personal- und Disziplinarwesen, das Kollektenwesen, die Minderheitenversorgung, die Kirchengemeinden und kirchlichen Verbände, die äußere Vertretung der Landeskirche,276 den landeskirchlichen Etat und Kultusangelegenheiten (wie etwa die Prüfung von Konfirmanden,277 Fragen zum Gesangbuch278 oder zum kirchlichen Diensteid279). Außerdem versuchte er die 274 BArch R 5101 / 23779, Bl. 79. 275 Auf einer Besprechung am 30. April 1942 legte Cölle seinen FA-Kollegen dar, weshalb die Amtsblätter vor dem Druck unbedingt der Finanzabteilung zur Zustimmung vorgelegt werden müssten. Ziel sei es, zu verhindern, „daß angeblich rein kultische Gesetze und Erlasse veröffentlicht werden, die entweder doch finanzielle Auswirkungen haben, aber von der Finanzabteilung nicht genehmigt sind, oder die aus politischen Erwägungen nicht durchgeführt werden können.“ Vgl. Cölles Bericht für Hoffmeister vom 6. 5. 1942 (LkAW FinAbt 65), daraus auch das Zitat. 276 Während der NS-Zeit ergaben sich einige kirchliche Gebietsumgliederungen zwischen Hannover und benachbarten Landeskirchen. Bei den anstehenden Entscheidungen wollte Cölle sich nicht damit begnügen, nur den Beschlüssen der Kirchenleitung zuzustimmen; er betrachtete die Finanzabteilung bei Gebietsumgliederungen als allein vertretungsberechtigt für die Landeskirche. Dieser Anspruch ließ sich zwar nicht durchsetzen, führte aber bei einigen Vorgängen zu Kontroversen, vgl. nur neben anderen Fällen den Gemeindeaustausch zwischen der bremischen und der hannoverschen Landeskirche (u. a. Wesermünde): KABl., 1941, 56 f.,105 – 107; Otte, Freiheit, bes. 131 – 142; Klìgel, Landeskirche, 314, 464 f.; MeyerZollitsch, Bremische Kirche, 266 – 268; BArch R 5101 / 22402; sowie den umfangreichen Gebietsaustausch der hannoverschen mit der braunschweigischen Landeskirche Ende 1942, der im Zuge einer Gebietsbereinigung Preußens mit dem Land Braunschweig aktuell geworden war (vgl. Lent, Braunschweig): Klìgel, Landeskirche, 463; Kuessner, Überblick, 163 f.; BArch R 5101 / 23789, Bl. 380 – 484; LkAW FinAbt 111; LkAW LKA 6; KABl., 1943, 1 – 4; ferner StAW 12 Neu 13 Nr. 37924. 277 Cölle versuchte wegen politischer Bedenken ein Kirchengesetz über die Ephoralprüfung von Konfirmanden, welches die Kirchenregierung am 7. Dezember 1939 beschlossen hatte, zu verhindern. Da das Gesetz eine reine Kultusangelegenheit war, gelang es Cölle nicht, sich mit seinen Bedenken durchzusetzen, er verzögerte die Verabschiedung des Gesetzes jedoch längere Zeit (bis zum 2. Mai 1941), vgl. KABl., 1941, 49 f. Vgl. zu dem Vorgang: Klìgel, Landeskirche, 474 f.; BArch R 5101 / 23446, Bl. 82 – 85, 103. 278 Cölle machte dem Landeskirchenamt 1938 den Vertrieb eines neuen Gesangbuchanhangs

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Vermögensverwaltung landeskirchlicher Institutionen an sich zu ziehen, etwa im Falle des Klosters Loccum.280 Schließlich nutzte er die Finanzabteilung zur finanziellen und kirchenpolitischen Unterstützung der Deutschen Christen und zur Behinderung der Kirchenleitung.281 Die Beispiele machen deutlich, dass Cölle die Finanzabteilung als eine Art staatlich eingesetzte Nebenregierung in der hannoverschen Landeskirche betrachtete und sie dahingehend entwickelte. 1.7.2. Das brüchige Verhältnis zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung bis 1940 Dieser Anspruch führte zu ständigen Kompetenzkonflikten mit der hannoverschen Kirchenleitung, die Cölles Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen nicht folgen konnte. Die Kirchenleitung mochte zwar nicht an der grundsätzlichen Unantastbarkeit einer staatlichen Aufsicht rütteln, aber die Finanzabteilung überschritt den neuralgischen Punkt, an dem die Kirchenleitung nicht mehr ohne Widerstand bereit war, sich mit ihrer Tätigkeit abzufinden. Dieser Punkt war erreicht, als die Finanzabteilung sich in Angelegenheiten des Bekenntnisses und Kultus’ einzumischen begann. Das Landeskirchenamt erstellte gelegentlich Denkschriften, die erkennen lassen, wie schwierig der Prozess der Kompetenzabgrenzung zwischen Finanzabteilung und Verwaltungsbehörde in Hannover war. Im September 1938 hielt das Landeskirchenamt fest, die Finanzabteilung übe die ihr zugewiesenen Befugnisse „in immer ausgedehnterem Maße und immer entschlossener aus.“282 Dies ginge so weit, dass die praktische Handhabung der 15. Durchführungsverordnung „mit ihrem Wortlaut in schärfstem Widerspruch

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unmöglich, da jener, wie Cölle befand, einen staatsfeindlichen Charakter aufweise. Vgl. Klìgel, Landeskirche, 305, 315; LkAH S 1 H II 113, Bl. 12, 76. Bei den hannoverschen Ausführungsbestimmungen zur DEK-Kirchenbeamtenordnung vom 28. August 1940 (KABl., 1940, 114 – 116) hatte Cölle besondere Bedenken gegen die Bestimmungen zum Diensteid, konnte sich letztlich aber nicht durchsetzen. Vgl. dazu Klìgel, Landeskirche, 418 f.; BArch R 5101 / 23446, Bl. 195, 208 – 213, 218 – 223. Cölle versuchte 1938 die gesamte Vermögensverwaltung des Klosters an sich zu ziehen, vgl. dazu Cölle an Reichskirchenminister vom 20. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 196 – 198, hier Bl. 198); außerdem die Unterlagen in BArch R 5101 / 23366, Bl. 118 – 123, 128 f. 1942 legte Muhs immerhin die Oberaufsicht über die klösterliche Vermögensverwaltung in Cölles Hände, vgl. dazu insgesamt ebd. Bl. 187 – 197; Cölle an Doerr vom 1. 8. 1942 (LkAKA GA Nr. 7231); Reiseberichte Hauggs über die Verhandlungen vom 29. / 30. 7. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 110 f., hier Bl. 110 und Bl. 114 – 117, hier Bl. 115). Etwa bei der Befriedungsverordnung, siehe unten 232 – 234. Vgl. insgesamt zu der Fülle an FA-Eingriffen auch die Überblicke in LkAH S 1 H II 113, Bl. 2 – 4, 8 – 15, 127 – 130, 137 – 155; LkAH S 1 H I 956, Bl. 14 f.; LkAH S 1 H I 957, Bl. 51; außerdem die Protokolle der Sitzungen der Kirchenregierung (LkAH S 1 H II 111); auch unten 256 – 286. LKA-Konzept vom 15. 9. 1938 (LkAH S 1 H I 958, Bl. 12 – 15, hier Bl. 12).

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steht“283. Die Finanzabteilung sei „zu etwas völlig anderem geworden“, als 1935 angekündigt worden wäre.284 Da die Finanzabteilung sich nur an die Anordnungen des Ministers gebunden fühle, unabhängig von der Rechtslage, „habe man es in Wirklichkeit ja auch nicht mit einem Leiter der Finanzabteilung zu tun, der in eigener Verantwortung handele, sondern der Leiter der Finanzabteilung sei nichts als eine Außenstelle des Ministeriums, die allein nach staatlichen Gesichtspunkten handele.“285 Einige Monate später wurde resümiert: „Zwischen der Finanzabteilung und den Organen der Kirchenleitung und ebenso zwischen der Finanzabteilung und der Pfarrerschaft und den Kirchenvorständen bestehen ernste Gegensätze und viel Verbitterung.“ Der Versuch der Zusammenarbeit sei gescheitert, die Finanzabteilung „ein Fremdkörper in der Kirche“286. Das Verhältnis von Cölle zum Landeskirchenamt war völlig zerrüttet.287 Eine gegenseitige Fühlungnahme wurde, wenn überhaupt, nur widerwillig vorgenommen, „die Zusammenarbeit auf das dienstlich Notwendige beschränkt“288. Obwohl Landeskirchenamt und Finanzabteilung in einem Haus untergebracht waren, verkehrten sie hauptsächlich schriftlich miteinander. Das Landeskirchenamt war überzeugt, es sei nicht mit dem Diensteid seiner Mitarbeiter vereinbar, wenn diese gezwungen würden, die Finanzabteilung zu unterstützen und für die Durchführung ihrer Anweisungen zu sorgen, denn die Finanzabteilung sei keine ordnungsgemäße landeskirchliche Stelle und nicht an das Bekenntnis der Landeskirche gebunden.289 Cölle seinerseits sah im Landeskirchenamt, mit seiner, nach seinem Eindruck, „voll und ganz auf dem Boden der Bekennenden Kirche“290 stehenden Belegschaft, seinen landeskirchlichen Hauptgegner und Konkurrenten. Deshalb regte er wiederholt an, das Reichskirchenministerium könne von sich aus das Amt des LKAPräsidenten (kommissarisch) neu besetzen und damit die ganze Behörde auf neuen Kurs bringen – bei der bisherigen Leitung und Mitarbeiterschaft sei eine Änderung der ungenügenden Einstellung nicht zu erwarten.291 Es gelang ihm sogar, den juristischen Stellvertreter des Präsidenten, Oberlandeskir283 LKA-Konzept aus dem September 1938 (LkAH S 1 H I 956, Bl. 14). 284 LKA-Konzept vom 15. 9. 1938 (LkAH S 1 H I 958, Bl. 12 – 15, hier Bl. 12). 285 So Oberkirchenrat Ahlhorn nach einem Bericht Cölles bei einer Besprechung der beiden Anfang September 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 174 – 176, hier Bl. 175). 286 LKA-Konzept aus dem März 1939 (LkAH S 1 H II 113, Bl. 127 – 130, Zitate Bl. 127). 287 Vgl. auch Brüel an Stalmann vom 6. Juli 1938: „Dienstlich spitzt sich sowohl im Verhältnis zur Finanzabteilung wie auch zur Leipzigerstr. [scil. Sitz des Reichskirchenministeriums] alles immer mehr zu. C[ölle] zieht die Zügel immer mehr an und besonders die geistliche Seite kommt in Pfarrbesetzungssachen usw. in ständigen Konflikt mit ihm.“ LkAH N 64 Nr. 21. 288 Bartels an verschiedene bayerische Oberkirchenräte vom 13. 6. 1938 (LkAH S 1 H II 113, Bl. 26). 289 LKA-Konzept vom 15. 9. 1938 (LkAH S 1 H I 958, Bl. 12 – 15). 290 Cölle an Reichskirchenminister vom 22. 9. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 262). 291 Vgl. nur Cölle an Reichskirchenminister vom 20. 7. 1938 (ebd., Bl. 196 – 198); Vermerk Cölles zur Besprechung mit Rose und Bosse am 28. 7. 1938 (ebd., Bl. 375 – 379).

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chenrat Gustav Ahlhorn, aus dem Landeskirchenamt zu entfernen: Zunächst bestritt er die Rechtmäßigkeit von dessen Verbeamtung, anschließend kündigte er eigenmächtig dessen vorherigen Hilfsarbeitervertrag.292 Cölles LKA-Umbesetzungspläne waren Bestandteil eines von ihm angedachten weitreichenden Umbaus der hannoverschen Kirchenleitung. Er überlegte, Superintendent Rose und eventuell Senatspräsident Redepenning zu einem Rücktritt aus der Kirchenregierung zu veranlassen, um diese so zu sprengen.293 Auf diese Weise wäre es möglich gewesen, eine neue Kirchenregierung einzusetzen, und zwar ohne Beteiligung von Marahrens. Die Überlegung ergab sich, weil Rose seinerzeit mit seiner Position in der Kirchenregierung sehr unzufrieden war. Er befand sich häufig alleine in Opposition zur Mehrheitsmeinung (etwa bei Fragen des Lutherrats) und meinte, seinen Anliegen würde nicht ausreichend Rechnung getragen. Doch unter den landeskirchlichen Organen gab es unterschiedliche Positionen zur Finanzabteilung.294 Während im Landeskirchenamt die ständigen Streitigkeiten das Verhältnis zur Finanzabteilung durchweg belasteten, bestand seitens der Kirchenregierung im Sommer 1938, nachdem sich die Aufregung wegen der FA-Umbesetzung gelegt hatte, die Bereitschaft, sich mit der Finanzabteilung zu arrangieren und die Zusammenarbeit mit ihr zu versuchen.295 Dies ging mit dem Versuch einher, mittels einer „Befriedungsverordnung“ auch das Verhältnis zu den Deutschen Christen zu klären. In der Verordnung war unter anderem vorgesehen, den Deutschen Christen eine eigene geistliche Leitung zuzubilligen und ihre Minderheitenrechte zu stärken.296 Die geistliche DC-Leitung sollte allerdings an die näheren Bestimmungen der Kirchenregierung und „an die geltende kirchliche Ordnung gebunden“ werden, völlig unabhängig wäre sie mithin nicht gewesen. So ging der Vorschlag in Richtung eines Simultaneums, ohne jedoch vorerst die letzte Konsequenz zu ziehen und eine völlige geistliche und verwaltungstechnische Aufspaltung vorzunehmen. 292 Das Reichskirchenministerium unterstützte Cölle in seinem Vorgehen bedingungslos, daher war die Kirchenleitung mit ihrem Protest machtlos. Vgl. zum Fall Ahlhorn: Klìgel, Landeskirche, 317; Fleisch, Kirchengeschichte, 308; Protokolle der Kirchenregierung (LkAH S 1 H II 111, passim, bes. Bl. 74, 79, 81, 83, 85, 108, 112, 117); der Vorgang findet sich auch in Cölles Entnazifizierungsakte (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). 293 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 20. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 196 – 198). 294 Vgl. auch allgemein zu Differenzen innerhalb der Kirchenleitung: Klìgel, Landeskirche, passim, bes. 372; Fleisch, Kirchengeschichte, 278 f. 295 Vgl. Vermerk Cölles über eine Besprechung mit Bosse und Rose am 28. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 375 – 379). Jene beiden Mitglieder der Kirchenregierung sah Cölle auch als die eigentlichen Träger eines echten Versöhnungskurses, während er Marahrens und Mahrenholz die Ehrlichkeit einer solchen Absicht absprach, vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 23. 9. 1938 (ebd., Bl. 270). 296 Die „Verordnung über die innere Befriedung der Landeskirche“ nebst dem erläuternden „Wort der Kirchenregierung“ ist abgedruckt in: Klìgel, Dokumente, 140 – 145, folgendes Zitat 145. Vgl. auch Ders., Landeskirche, bes. 352 – 355; Meier, Kirchenkampf III, 404.

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Stattdessen schien die Kirchenregierung weiter um die Deutschen Christen zu ringen – es sollten sogar Arbeitskreise eingerichtet werden, um in einen theologischen Dialog einzutreten – und nahm dafür in Kauf, die Deutschen Christen als gleichberechtigte kirchliche Gruppe zu akzeptieren. Das Signal an den Staat sollte sein, dass man zu einer Verständigung bereit sei und sich ausdrücklich staatspositiv verhalte.297 Doch der Entwurf war höchst umstritten. Sowohl die Bekenntnisgemeinschaft als auch die Nationalkirchlichen Deutschen Christen standen der geplanten Verordnung mit Ablehnung oder zumindest großer Skepsis gegenüber. Nur die gemäßigten Deutschen Christen um Bergholter brachten der Initiative zunächst einige Sympathien entgegen – der Bergholter nahe stehende Rose gehörte anfangs neben Kirchenregierungsmitglied Bosse zu ihren eifrigsten Verfechtern. Bald allerdings kamen den Deutschen Christen Zweifel an der Aufrichtigkeit des Befriedungsversuchs. Maßgeblich genährt wurde das Misstrauen vom FA-Vorsitzenden,298 der die geplante Verordnung ablehnte und die Bemühungen der Kirchenregierung zu behindern versuchte.299 Im Reichskirchenministerium kam der hannoversche Sonderweg den seinerzeit laufenden Vorbereitungen zu Kerrls Oktoberprogramm in die Quere und war dort daher nicht gern gesehen.300 Albrecht plädierte dafür, die noch angespannte Situation nach der FA-Umbesetzung – die Drohung eines juristischen Nachspiels stand noch im Raum und Albrecht hielt die Stellung von Marahrens für stark erschüttert – dazu zu nutzen, dem Landesbischof „ohne große Verhandlungen“, die „Ablehnung der Verordnung einfach zu diktieren.“301 Auch wenn die Angelegenheit von der Kirchenregierung noch einige Zeit weiter verfolgt wurde, trat die Verordnung nie in Kraft. Der Vorstoß hatte vielmehr gezeigt, dass die Fronten auf diese Weise nicht mehr zu überbrücken waren. Die Finanzabteilung hatte den ganzen Vorgang, wie angedeutet, mit Misstrauen und Missfallen begleitet. Für Cölle bestand kein Zweifel daran, dass die Verordnung gar nicht dazu dienen sollte, tatsächlich Toleranz gegenüber der deutsch-christlichen Minderheit zu üben, sondern Landesbischof 297 Laut einem Vermerk Cölles über eine Besprechung mit Bosse und Rose am 28. Juli 1938 erklärten die beiden, „dass es der feste Entschluss der Ki[rchen]Reg[ierung] sei, in Zukunft eine positive Haltung zum Staat und dem zuständigen Vertreter des Staates einzunehmen.“ BArch R 5101 / 23228, Bl. 375 – 379, Zitat Bl. 376. Dieser „Vertreter des Staates“ konnte nur Cölle sein. 298 Vgl. Vermerk Cölles über eine Besprechung mit Rose und Bergholter am 26. 8. 1938 (ebd., Bl. 179 – 181). 299 Vgl. Vermerk Cölles zur Besprechung mit Rose und Bosse am 28. 7. 1938 (ebd., Bl. 375 – 379). Beispielsweise verweigerte Cölle auch den vorgesehenen Arbeitskreisen die Bereitstellung finanzieller Mittel, vgl. Cölle an Kirchenregierung vom 30. 1. 1939 (BArch R 5101 / 23705, Bl. 282); Klìgel, Landeskirche, 355. 300 Vgl. Vermerk Stahns vom 10. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 167). 301 Vermerk Albrechts vom 5. 8. 1938 (ebd., Bl. 351 – 354, hier Bl. 351).

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Marahrens nur ein positives Verhältnis zum Staat suggerieren wolle.302 An eine Änderung von Marahrens’ Haltung glaubte Cölle nicht;303 von Rose und Bosse war ihm berichtet worden, wie schwer es gewesen sei, Marahrens von der Maßnahme zu überzeugen und wie besorgt sie seien, Marahrens könne doch wieder von dem umstrittenen Vorstoß Abstand nehmen.304 Das Konzept der Verordnung lag indes eigentlich genau auf der volkskirchlichen Linie des Landesbischofs: Solange die bekenntnismäßigen Grundlagen der Landeskirche dadurch nicht gefährdet wurden, sollte eine endgültige Scheidung von den Deutschen Christen vermieden werden. Cölle hingegen sah in der Verordnung nur die Vorbereitung eines, kirchenministeriell nicht gewünschten, Simultaneums, wie es in jener Zeit kirchlich breit diskutiert wurde.305 Dennoch war das Verhältnis von Kirchenregierung und Cölle insgesamt etwas besser als das zwischen Landeskirchenamt und Finanzabteilung. Dies war vor allem Bosse und Rose zu verdanken, die zum FA-Vorsitzenden eine recht gute Beziehung pflegten und daher häufig zu Besprechungen mit ihm abgestellt wurden.306 So fanden zwischen beiden Institutionen sogar zunächst regelmäßige Besprechungen statt.307 Das Verhältnis von Cölle und Oberlandeskirchenrat Mahrenholz war hingegen zu keinem Zeitpunkt intakt. 1940 unterstellte Cölle Mahrenholz im Kontext der kriegsbedingten Glockenablieferung ein mangelndes Bewusstsein 302 Vgl. Vermerk Cölles über eine Besprechung mit Rose und Bergholter am 26. 8. 1938 (ebd., Bl. 179 – 181). Wie in demselben Vermerk berichtet wird, kursierten offenbar Vermutungen, Marahrens’ demonstrativ staatspositive Haltung habe letztlich das Ziel, die Aufhebung der hannoverschen Finanzabteilung zu erreichen. Vgl. ebd., Bl. 179. Kerrl selbst sah sich veranlasst, Rose ausdrücklich mitteilen zu lassen, „daß die Verwaltung in Hannover in der Hand der bestehenden Finanzabteilung bleiben müsse“ (Vermerk Stahns vom 10. 8. 1938, ebd., Bl. 167); dieser Hinweis wäre nicht nötig gewesen, wenn nicht anderweitige Spekulationen aufgekommen wären. 303 Vgl. etwa Cölle an Reichskirchenminister vom 21. 11. 1938 (ebd., Bl. 255). 304 Vgl. Vermerk Cölles zur Besprechung mit Rose und Bosse am 28. 7. 1938 (ebd., Bl. 375 – 379). 305 Vgl. Vermerk Cölles über eine Besprechung mit Rose und Bergholter am 26. 8. 1938 (ebd., Bl. 179 – 181); Cölle an Reichskirchenminister vom 23. 9. 1938 (ebd., Bl. 270). Vgl. zu den Simultaneumsplänen des Jahres 1938: Meier, Kirchenkampf III, 34 – 42; Klìgel, Landeskirche, 344 – 346; Schneider, Zeitgeist, 180 f. 306 Vgl. beispielhaft den Bericht über eine Besprechung Cölles mit Bosse und Rose am 28. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 375 – 379, hier Bl. 379), wo Cölle den „nahezu kameradschaftlichen Tone“ lobt, in dem das ohne persönliche Schärfen geführte Gespräch trotz sachlicher Meinungsverschiedenheiten verlaufen wäre. Vgl. auch Cölle an Reichskirchenminister vom 25. 8. 1938 (ebd., Bl. 145 – 150, hier Bl. 145). Bosses kompromissbereite Haltung in der Kirchenregierung hat auch dazu beigetragen, dass er im Dezember 1938 als Landesobmann der Bekenntnisgemeinschaft von Superintendent Johannes Schulze abgelöst wurde. Vgl. Klìgel, Landeskirche, 355 f.; Schmiechen-Ackermann, Kooperation, 191; Meier, Kirchenkampf III, 406. 307 Vgl. etwa die häufige Erwähnung derartiger Besprechungen in den Protokollen der Sitzungen der Kirchenregierung, zu denen Cölle zudem in den Jahren 1938/39 regelmäßig, 1940 noch sporadisch hinzugezogen wurde (LkAH S 1 H II 111, passim).

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für die vaterländischen Pflichten.308 1941/42 verweigerte er seine Zustimmung, als Mahrenholz vertretungsweise eine Pfarrstelle in Osterode übernehmen wollte, „weil gegen Herrn Dr. Mahrenholz schwerste politische Bedenken bestehen.“309 Mahrenholz sei, so Cölle, nach dem Urteil des Sicherheitsdienstes, ein „Anhänger der Bekenntnisfront, dem zur Erreichung der Ziele der Bekenntnisfront jedes Mittel recht sei. Er lehne den Nationalsozialismus ab und müsse nahezu als Feind des Nationalsozialismus bezeichnet werden.“310 Das Verhältnis von Cölle und Landesbischof Marahrens kann als tiefe gegenseitige Abneigung charakterisiert werden.311 Cölle prangerte, wann immer es sich ergab, Marahrens’ angeblich staatsfeindliche Haltung an, und ließ entsprechende Belege dem Reichskirchenministerium, dem Sicherheitsdienst oder der Gestapo zukommen. Eine bevorzugte Quelle hierfür waren Marahrens’ Wochenbriefe, die Cölle auf ihm anstößig erscheinende Passagen auszuwerten pflegte.312 Er war überzeugt, Marahrens verfolge „das Ziel, die Einordnung der Kirche in das Dritte Reich und den Völkischen Staat zu verhindern“313 und sehe „im Nationalsozialismus [seinen] Gegner.“ Mit seinen Eingaben schrecke er „nicht davor zurück, bis in das kleinste Dorf hinein, gegen den Führer Mißtrauen zu säen.“ Außerdem stehe der Landesbischof „auf dem Boden der Bekenntnisfront und versucht mit allen Mitteln, diese Auffassung gegenüber dem Staat durchzusetzen.“ „Eine weitere Charakteristik über ihn“, so Cölle nach diesem Befund, „dürfte sich erübrigen.“ Für ihn stand fest: „Auf dieser Einstellung des Landesbischofs D. Marahrens, der von ihm geleiteten Kirchenregierung und des der Kirchenregierung nachgeordneten Landeskirchenamtes zum nationalsozialistischen völkischen Staat beruhen alle Meinungsverschiedenheiten. Aus dieser Einstellung heraus werden seitens der obersten kirchli308 Vgl. den Vorgang in LkAH S 1 H I 1105; zur Beschlagnahme der Kirchenglocken in Hannover: Klìgel, Landeskirche, 449 – 452; Grosse, Waffen, 180 f.; Anweisung des Reichswirtschaftsministeriums vom 11. 4. 1940 (Dokumente V, 141 – 144). 309 Cölle an Reichskirchenminister vom 16. 6. 1942 (BArch R 43 II / 165a, Bl. 173 – 175, hier Bl. 173). Vgl. zu der Angelegenheit auch den Vermerk Cölles vom 5. 6. 1942 (BArch R 5101 / 23979, Bl. 65 – 67, hier Bl. 65). 310 Cölle an Reichskirchenminister vom 16. 6. 1942 (BArch R 43 II / 165a, Bl. 173 – 175, hier Bl. 173). Vgl. dazu auch Mahners Urteil in seinem Brief an Pastor Rudolf Wolckenhaar vom 22. Juni 1942, Mahrenholz sei durch diese Affäre „schwer […] angeschossen“ (LkAH S 1 H II 155, Bl. 35). Vgl. auch Schmiechen-Ackermann, Kooperation, 289. 311 Von einer „achtungsvollen Zurückhaltung“, die Cölle gegenüber dem Landesbischof laut Brunotte, Kirchenkampf, 89, gewahrt haben soll, kann keine Rede sein. 312 Entsprechende Vorgänge finden sich etwa in BArch R 5101 / 23228. Zuweilen wandte sich auch der Sicherheitsdienst an den Reichskirchenminister, um Wochenbriefe zu beanstanden. Vgl. entsprechende Vorgänge in BArch R 5101 / 23982. Vgl. auch Hermle, Spielräume, 143, die Beanstandungen waren allerdings zahlreicher, als dort angegeben. Neben den Wochenbriefen nutzte Cölle auch andere von Marahrens gezeichnete Dokumente für Beanstandungen. Vgl. etwa Cölle an Gestapo Bremen vom 18. 6. 1942 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). 313 Cölle an Reichskirchenminister vom 16. 6. 1942 (BArch R 43 II / 165a, Bl. 173 – 175), daraus auch die folgenden Zitate.

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chen Behörden der Finanzabteilung und auch den sonstigen staatlichen Stellen immer wieder Schwierigkeiten gemacht.“

Selbst Marahrens Loyalitäts- und Treuebekundungen gegenüber dem Staat reichten Cölle nicht aus. Als Marahrens (und Oberlandeskirchenrat Karl Stalmann) anlässlich des gescheiterten Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944 eine Dankeskundgebung „für die gnädige Errettung des Führers“314 verbreiteten, befand der FA-Leiter : „Dass auch die Kirche für die gnädige Errettung des Führers im Kirchengebet Gott dankt, dürfte als nichts Besonders, Bedeutungsvolles anzusehen sein. Wesentlich ist jedoch, dass jedenfalls die Hannoversche Landeskirche und Herr Landesbischof Marahrens sich nicht haben dazu aufraffen können, bei diesem Anlass über grundsätzliche Fragen eine Erklärung abzugeben […] Eine bessere Gelegenheit, die Verbundenheit der Kirche mit der kämpfenden Nation darzutun, hat sich wohl selten geboten. Stattdessen liest man zwischen den Zeilen des Gebetes den Aufruf, innerhalb der christlichen Kirche zusammenzustehen gegen alles das, ,was wider unseren Herrn streitet‘. Für mich ergibt sich daraus, dass Kirchenführer von der Art des Landesbischofs Marahrens niemals mehr die Zeichen der Zeit begreifen und zur Führung einer wohlverstandenen Volkskirche völlig ausserstande sind.“315

Die politischen Vorbehalte waren das eine, aber auch kirchenpolitisch lagen die Differenzen zwischen landeskirchlichen Organen und Finanzabteilung tief. Als nationalkirchlicher Deutscher Christ war Cölles Ziel, wenn nicht eine konfessionsübergreifende deutsche Nationalkirche, doch wenigstens eine straff nationalsozialistisch und deutsch-christlich ausgerichtete hannoversche Landeskirche.316 Dabei war seine Tätigkeit nicht gegen die Kirche als solche gerichtet, zielte nicht auf eine Schwächung oder Verdrängung der Kirche – nur die aktuelle Kirchenleitung sollte getroffen werden. Die Finanzabteilung leistete daher auch sachliche Verwaltungsarbeit im Sinne der Landeskirche.317 Außerdem verteidigte Cölle bestimmte Belange der Kirche gegenüber Staatsstellen.318 So 314 KABl., 1944, 43. 315 Cölle an Reichskirchenminister vom 24. 7. 1944 (LkAH S 1 H I 1102, Bl. 17). Vgl. dazu auch Schmiechen-Ackermann, Kooperation, 290; Mager, Marahrens, 145 f.; Otte, Bischof, 219; Perels, Kritik, 175 f. 316 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 15. 1. 1940 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 404 f.). 317 Vgl. Klìgel, Landeskirche, 318, 458. Vgl. als wenige Beispiele von vielen die Regelung der Vergütung von Kirchenmusikern, die Hinterbliebenenversorgung gefallener Hilfsgeistlicher oder Änderungen in der Pfarrbesoldung – alle Vorgänge in BArch R 5101 / 23446. Ein Großteil der Maßnahmen der Finanzabteilung bedurfte nach dem Krieg keiner Rücknahme, siehe unten 288. 318 Vgl. das gemeinsame Schreiben Cölles und Schnelles an die Gauleitung von Osthannover vom 16. 4. 1940 wegen antikirchlicher Presseartikel (LkAH S 1 H II 114, Bl. 85 – 88) oder Cölles Einsatz gegen Kirchenaustritte, vgl. seine diesbezügliche Initiative zur Änderung des Kir-

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war er, anders als Hoffmeister in Braunschweig, nicht bereit, freiwillig auf die Zahlung von Staatsleistungen zu verzichten und widersetzte sich gegenläufigen Staatsbestrebungen.319 Als beispielsweise die Gemeinde Stadtoldendorf 1942 von Braunschweig an Hannover kam, intervenierte Cölle sogleich, um die Zahlung der mit Billigung der braunschweigischen Finanzabteilung eingestellten kommunalen Staatsleistungen wieder zu veranlassen. Seine Bemühungen scheiterten, doch die Ansprüche der Kirche hatte er aufrechterhalten.320 Gleichwohl betrachtete Cölle es als seinen vorrangigen Auftrag, den Staatsund Parteiinteressen in der Kirche Nachdruck zu verleihen.321 Er fungierte als eine Art Staatskommissar,322 der seine Entscheidungen von politischen Kriterien abhängig machte.323 Dies zeigte sich besonders deutlich bei seinen Einmischungen im Personalbereich,324 aber auch bei seiner Haltung in der „Judenfrage“325. Cölle schwebte vor, die Finanzabteilung zu einer innerhalb der Kirche installierten politischen Kontrollinstanz auszubauen, mit der geräuschlos die gewünschte politische und weltanschauliche Ausrichtung der Kirche gestaltet und gewährleistet werden sollte. Sie sollte sogar idealerweise ein Eingreifen etwa der Gestapo in der Kirche unnötig machen.326 Die Kirchenregierung hatte sich während dieser Phase vor allem in Persona Rose und Bosse aufgeschlossen gegenüber der Finanzabteilung gezeigt. Sie hatte erfolglos versucht, diese für ihre Befriedungspläne zu gewinnen und sich dafür sogar vom Landeskirchenamt distanziert, dem sie vorwarf, eine fried-

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chensteuerrechts, bes. Cölle an Reichskirchenminister vom 12. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23446, Bl. 118). Vgl. Lübbing an LKA-Wolfenbüttel vom 23. 6. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8755). Siehe zu dem Vorgang BArch R 5101 / 23793, Bl. 107 – 156. Zumal ihm das LKA-Führungspersonal (etwa Niemann, Mahrenholz, Brüel oder Stalmann) politisch verdächtig erschien. 1936 hatte Cölle etwa Anzeige gegen Oberlandeskirchenrat Stalmann erstattet, weil dieser angeblich den „Hitler-Gruß“ gegenüber dem Pfarrer i. R. Ernst Stöckmann nicht erwidert habe. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt, stattdessen meldete das Landeskirchenamt Cölle bei der Anwaltskammer. Vgl. zum ganzen Vorgang, dessen Ablauf nie ganz geklärt werden konnte: Cölle an Reichskirchenminister vom 25. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 145 – 150); das Protokoll von Cölles Entnazifizierungsverhandlung vom 4. / 6. 5. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380) und zugehörige Dokumente in der Akte; Besier, „Selbstreinigung“, 56 f. Klìgel, Landeskirche, 458, nennt Cölle einen „Vollstrecker des staatlichen Willens in der Landeskirche“. Ein äußeres Anzeichen, das sich gut ins Bild fügt, ist, dass Cölle nach seinem Amtsantritt im Warteraum des Landeskirchenamtes ein „große[s] Hitlerbild“ aufhängen ließ. So Wilkens, Bekenntnis, 33. In einem Konzept des Landeskirchenamts aus dem Sommer 1942 wurde bemerkt, die Finanzabteilung habe sich „von einer finanziellen völlig zu einer politischen Überwachungsstelle entwickelt.“ LkAH S 1 H II 113, Bl. 16 – 22, hier Bl. 17. Siehe etwa unten 279 – 284. Siehe unten 256 – 262. Vgl. Vermerk Cölles vom 21. 9. 1944 (LkAB B.203.4).

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

liche Zusammenarbeit mit der Finanzabteilung zu behindern.327 Nachdem aber diese Episode gescheitert war und rasch von den Vorgängen um die Kerrl’schen Grundsätze abgelöst wurde, war der Annäherungskurs der Kirchenregierung an die Finanzabteilung schnell pass¦. Denn nun schien sich die Möglichkeit zu bieten, sich der Finanzabteilung, die sich bei der Befriedungsverordnung einmal mehr als Bremsklotz für die Absichten der Kirchenregierung erwiesen hatte, bestenfalls sogar zu entledigen. Beibehalten wurde dabei die positive Positionierung zum Staat. Das Verhältnis zur Finanzabteilung war verhandelbar, das zum Staat nicht.

1.7.3. Die Änderung der Rahmenbedingungen durch den Reichskirchenminister : Rückschlag für die Finanzabteilung 1939/40 Im Oktober 1938 änderten sich die Rahmenbedingungen für die Entwicklung in der Landeskirche: Reichskirchenminister Kerrl kehrte mit seinem Oktoberprogramm in die aktive Politik zurück und verfolgte nun einen auf Befriedung und Sammlung ausgerichteten Kurs. Die Folge war auch ein gewandelter Umgang des Reichskirchenministers mit der hannoverschen Finanzabteilung, denn die anhaltenden Streitigkeiten in der hannoverschen Landeskirche gefährdeten sein Konzept, wurden von ihm kritisch und besorgt gesehen. Er nahm daher in den Konflikten eine eher ausgleichende Rolle ein und beachtete, anders als Muhs, auch die Eingaben der Kirchenleitung. Hierdurch kühlten sich die Auseinandersetzungen in der hannoverschen Landeskirche im Laufe des Jahres 1939 etwas ab. Als die Entwicklung schließlich zu den Kerrl’schen Grundsätzen führte, stellte der Reichskirchenminister für den Fall einer breiten Zustimmung die Abschaffung der Finanzabteilungen in Aussicht. Letztlich kam es dazu nicht. Stattdessen erließ er nur die bereits oben vorgestellte Ausführungsanweisung zur 15. Durchführungsverordnung vom 21. Juli 1939.328 Diese galt auch in Hannover, denn Marahrens hatte die „Grundsätze“ angenommen329 und damit aus Sicht Kerrls seinen guten Willen bewiesen, mit dem Staat in ein positives Verhältnis zu treten.330 Cölle allerdings nahm diesen Warnschuss – 327 Vgl. Vermerk Cölles zur Besprechung mit Rose und Bosse am 28. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 375 – 379); Vermerk Cölles zu einer Besprechung mit Rose am 11. 8. 1938 (ebd., Bl. 169 f.); Vermerk Cölles über eine Besprechung mit Rose und Bergholter am 26. 8. 1938 (ebd., Bl. 179 – 181). 328 Siehe oben 116 – 118. Zu finden in EZA 2/687. 329 Die Unterschrift erfolgte mit Rückendeckung der Kirchenregierung, vgl. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 20. 6. 1939 (LkAH S 1 H II 111, Bl. 146 f.). 330 Vgl. zu Marahrens’ Unterschrift: Klìgel, Landeskirche, 364 – 369; Lindemann, Typisch, 261 – 275; Schneider, Zeitgeist, 198 – 200; Gundlach, Brunotte, 222 – 234; Ders., Mann, 318 f.; Grosse, Rechtskontinuität, 108; Fleisch, Zwölf Jahre, 54 f.; Ders., Kirchengeschichte, 247.

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nichts anderes war die Ausführungsanweisung – nicht besonders ernst. Er führte die ganze Anweisung vor allem auf das Betreiben von Marahrens zurück.331 Dies war eine Fehlannahme, denn tatsächlich war sie logische Konsequenz der gewandelten Haltung des Reichskirchenministers. Die Anzeichen etwas zu leichtfertig nehmend, behielt Cölle jedoch seinen bisherigen Kurs bei, verhielt sich weiterhin beinahe so, als hielte noch sein Förderer Muhs seine schützende Hand über ihn; weiterhin kam es in Hannover zu häufigen Streitigkeiten über Kompetenzen und Zuständigkeiten. Als praktische Folgerung aus der ministeriellen Anweisung arbeitete Cölle immerhin eine neue „Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Finanzabteilung und dem Landeskirchenamt“ aus.332 Darin billigte er dem Landeskirchenamt die selbständige Bearbeitung und Verfügung über manche Haushaltstitel zu, wie dies in Ziffer 2 des Erlasses des Reichskirchenministers gefordert worden war. Verbunden war dieses Zugeständnis allerdings mit dem ausdrücklichen Hinweis, „daß zum Zwecke der Überwachung jede Kassenanweisung des Sichtvermerks der Finanzabteilung“ bedürfe. Letztlich musste sich die Finanzabteilung nun zwar etwas mehr auf die Überwachungsfunktionen konzentrieren, doch Cölle sorgte dafür, dass sie keinen substanziellen Machtverlust zu verbuchen hatte. Allerdings hatten nun die landeskirchlichen Organe ein amtliches Papier zur Verfügung, mit dem sie seine Versuche der Kompetenzausdehnung zurückweisen konnten. Der grundsätzlichen Stimmungswende im Reichskirchenministerium trug Cölle mit seiner Umsetzung des Erlasses nicht ausreichend Rechnung. Er hätte auch sein Verhalten ändern müssen, denn die Absicht des Erlasses war es gewesen, die bereits weit ausgedehnten Kompetenzen der Finanzabteilungen auf den Wortlaut der 15. Durchführungsverordnung zurückzuführen. So war es nur eine Frage der Zeit, bis die Lage wieder eskalieren würde. 1940 war es soweit, und diesmal war die Erschütterung von Cölles Position ungleich heftiger ; er erlebte den wohl herbsten Rückschlag während seiner Karriere in den Finanzabteilungen. Schon im Frühjahr 1940 war das Verhältnis von Finanzabteilung und Kirchenregierung wieder derart angespannt, dass selbst Angelegenheiten, in denen eine sachliche Übereinstimmung bestand, gefährdet wurden, weil keine Einigkeit darüber herrschte, wer denn für den Erlass der jeweiligen Verordnung zuständig sei.333 Stahn war daher ständig bemüht, unnötige Auseinandersetzungen zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung möglichst im 331 Vgl. Rundschreiben Cölles an ihm nahestehende FA-Funktionäre vom 11. 7. 1939 (LkAW FinAbt 80). 332 Diese datiert auf den 26. 9. 1939 und trat mit dem 2. 10. in Kraft. Sie findet sich in BArch R 5101 / 23228, Bl. 409 – 412, daraus auch die folgenden Zitate, soweit nicht anders ausgewiesen. Vgl. auch die Version von Cölles Ausarbeitung vom 29. 8. 1939, die er der Kirchenregierung zukommen ließ (BArch R 5101 / 23502, Bl. 365 – 369). 333 Ein solcher Vorgang (zur Änderung des Kirchensteuerrechts) findet sich in BArch R 5101 / 23446, Bl. 118 – 122, 173 – 176.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

Keim zu ersticken oder zumindest so weit zu drosseln, dass ein Vortrag beim Minister nicht notwendig wäre. Er fürchtete um den Bestand der Finanzabteilung. Am 13. Juni 1940 schrieb Marahrens an den Reichskirchenminister und beklagte die „Notlage“ mit der Finanzabteilung:334 Besonders das Verhältnis zwischen Landeskirchenamt und Finanzabteilung habe sich immer weiter verschlechtert. Cölle eigne sich nach wie vor in „ungezählte[n]“ Fällen „Befugnisse an, die ihm nicht zustehen.“ Außerdem behindere die Finanzabteilung in unverantwortbarer Weise den Geschäftsbetrieb, da dessen Fortgang davon abhinge, ob der Leiter der Finanzabteilung sich um die zu erledigenden Angelegenheiten kümmere. Marahrens fuhr fort: „Da wir nicht glauben, daß der Leiter der Finanzabteilung einen erträglichen Modus des Verkehrs mit dem Landeskirchenamt findet, würde ich seinen Ersatz durch einen Beamten einer anderen Behörde, der kirchliches Verstehen hat, für die beste Regelung halten […] So wie jetzt kann es auf keinen Fall weitergehen.“

Marahrens war sogar bereit, Entschädigungszahlungen an Cölle zu leisten, sollte jener andernfalls in finanzielle Schwierigkeiten geraten – Hauptsache, der Rechtsanwalt würde abgelöst. Auf jeden Fall, so verlangte der Landesbischof, müsse auch endlich der Erlass vom 21. Juli 1939 ernsthaft umgesetzt werden. Mit einer Abschaffung der Finanzabteilung rechnete Marahrens nicht mehr, daher konzentrierten sich seine neuerlichen Anstrengungen ganz auf die Ablösung der Person Cölles, der nach allgemeiner Ansicht die Ursache allen Übels war. Zwei Wochen später richtete Marahrens ein erneutes Schreiben an den Reichskirchenminister.335 Es sei in der Zwischenzeit zu „erneuten Mißhelligkeiten“ gekommen, die „wie ich zu sehen glaube, auch den letzten Rest an Vertrauen zu ihm [scil. Cölle] bei sämtlichen Mitgliedern des Landeskirchenamts zerstört“ hätten. „Eine reibungslose und gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Landeskirchenamt und Finanzabteilung ist jedenfalls weniger denn je gewährleistet“. Marahrens schlug dem Reichskirchenminister diesmal nicht nur vor, Cölle abzulösen, sondern auch, eine neue „Auslegungsanweisung“ zu erlassen, die eine „im Interesse einer geordneten und ungehinderten Geschäftsabwicklung dringend notwendige klare Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen dem Landeskirchenamt und der Finanzabteilung in künftiger Besetzung schaffen“ könnte. Einen Entwurf legte er gleich bei.336 Nun spitzte sich die Situation für Cölle zu. Kerrl, der gerade zur Kur in Bad Mergentheim weilte, ließ Ministerialdirigent Stahn wissen, dass er grundsätzlich mit der Ablösung Cölles einverstanden sei, er aber in der momentanen 334 BArch R 5101 / 23228, Bl. 438, daraus auch die folgenden Zitate. 335 Schreiben vom 29. 6. 1940 (ebd., Bl. 440), daraus auch die folgenden Zitate. 336 Ebd., Bl. 441 f.

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Kriegssituation keine solche Entscheidung treffen wolle.337 Er wünschte aber eine Beruhigung der Lage in Hannover, dem hatte sich auch die Finanzabteilung unterzuordnen. Nach einigen Vorgesprächen kam es schließlich am 18. / 19. Juli 1940 zu Schlichtungsgesprächen in Hannover,338 an denen von kirchenministerieller Seite Stahn und Amtsgerichtsrat Dr. Wilhelm Dieckmann teilnahmen.339 Kirchenregierung und Landeskirchenamt nutzten die Gelegenheit, sich „sehr eindringlich“ über die Arbeit der Finanzabteilung zu beschweren. Sie konnten „durchaus glaubhaft“ nachweisen, so Stahn, dass aus der Amtstätigkeit Cölles „ganz beträchtliche Verzögerungen“ resultierten, manchmal „eine vollkommene Lähmung“ des Geschäftsganges eintrete. Dies liege daran, dass Cölle und sein Stellvertreter manchmal mehrere Tage lang nicht zur Verfügung stünden, aber „beinahe sämtliche Sachen, die im Landeskirchenamt in seinen Referaten bearbeitet werden, bei einem einzigen Herrn, nämlich Herrn Dr. Cölle durchlaufen müssen.“ Denn auch dies resümierte Stahn: Cölle betreibe „nach manchen vorgelegten Akten“ tatsächlich eine starke „Ausdehnung der Zuständigkeit der Finanzabteilung“. Man kam überein, dass ein Mitglied des Landeskirchenamts in die Finanzabteilung berufen werden sollte – ausgestattet mit dem Recht, „im Auftrag“ zu zeichnen. So sollte der Geschäftsgang beschleunigt werden. Die Kirchenvertreter hatten außerdem beklagt, dass auch in persönlicher Hinsicht große Schwierigkeiten entstanden seien. Stahn bat deshalb Cölle, „die sachlich ohnehin sehr schwierige Situation in persönlicher Hinsicht nicht zu verschärfen, sondern möglichst günstig zu gestalten.“ Daneben wurde in den Gesprächen eine Reihe von Einzelfragen erörtert und unter Vermittlung der ministeriellen Vertreter geklärt. So blieb Stahn der zufriedene Gesamteindruck, „daß eine solche örtliche Verhandlung trotz der anfangs fast aussichtslos scheinenden Gegensätze doch stark zur Entspannung und zur Förderung einer sachlichen Arbeit beiträgt.“ Offen geblieben war bei den Gesprächen der Verbleib Cölles. Marahrens hielt nach wie vor ein „weiteres Verbleiben von Herrn Dr. Cölle in der Leitung der Finanzabteilung nicht für tragbar. Es wird ohne Zweifel bald wieder zu einer Auseinandersetzung und zu Störungen kommen.“340 An eine Verbesserung des Verhältnisses wollte man in der hannoverschen Kirchenleitung nicht mehr glauben. Als Notlösung schlug der Landesbischof vor, zumindest zum Stellvertreter Cölles ein LKA-Mitglied zu bestellen – dies war das gängige altpreußische Modell. Darauf aber wollte sich der Reichskirchenminister nicht einlassen. Stahn teilte Marahrens mit, die Finanzabteilung werde nur durch

337 Schreiben an Stahn vom 2. 7. 1940 (ebd., Bl. 471). 338 Vgl. die Ankündigung Stahns vom 12. 7. 1940 (ebd., Bl. 434). 339 Vgl. den Reisevermerk Stahns vom 20. 7. 1940 (ebd., Bl. 429 f.), daraus auch die folgenden Zitate. 340 Marahrens an Stahn vom 25. 7. 1940 (ebd., Bl. 432).

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ein normales Mitglied ergänzt; „Alle weiteren Entschließungen müssen bis Kriegsende zurückgestellt werden.“341 Es blieb das Problem der Auswahl des neuen FA-Mitgliedes: Ursprünglich stand Oberlandeskirchenrat Lampe zur Diskussion, wurde jedoch rasch wieder verworfen. Der nächste Vorschlag lautete, Oberlandeskirchenrat Gerhard Niemann zu berufen. Hiergegen erhob allerdings Cölle massiven Einspruch, da gegen Niemann „nicht unerhebliche politische Bedenken“342 bestünden. „Soweit ich weiss“, so Cölle, „wird er (in Übereinstimmung mit meiner Auffassung) als ein Mann angesehen, der nicht das geringste für das dritte Reich oder den Nationalsozialismus übrig hat.“343 Stattdessen schlug er Kirchenrat Hans Lübbing als neues FA-Mitglied vor. Cölles heftige Reaktion verunsicherte Dieckmann, der mit der Sache befasst war. Eigentlich wartete die Berufung Niemanns nur noch auf die Unterschrift des Reichskirchenministers, doch nun meinte Dieckmann, solle man zur Sicherheit vorher noch eine Begutachtung der Gestapo über Niemann einholen.344 Da die Sache jedoch eilte und terminlich mit dem Erlass einer neuen Ausführungsanweisung zur 15. Durchführungsverordnung zusammenfallen sollte, blieb für solcherlei Maßnahmen keine Zeit mehr. Damit war die Personalie Niemann zu heikel, die Wahl fiel auf Lübbing, der politisch unbedenklich schien.345 Am 12. August 1940 wurde er als Mitglied in die Finanzabteilung berufen.346 Wenig später wurde er von seinem regulären LKA-Referat befreit, wodurch er der Finanzabteilung ganz zur Verfügung stand.347 Schnelle wollte Lübbing damit Loyalitätskonflikte ersparen, die zu erwarten gewesen wären, wenn er gleichzeitig aktives LKA- wie FA-Mitglied und damit in einem Falle an Schnelles im anderen Falle an Cölles Weisungen gebunden gewesen wäre – wobei im Zweifelsfall noch die Zuständigkeit hätte geklärt werden müssen. Auch dürfte Schnelle wenig glücklich über die von der Kirchenregierung betriebene Berufung eines LKA-Beamten in die Finanzabteilung gewesen sein. Seine Haltung war eigentlich, dass es keinem LKA-Mitarbeiter zugemutet werden könne, gleichzeitig für die Finanzabteilung zu arbeiten. Die Gespräche aus dem Juli 1940 hatten außerdem eine grundsätzliche Neuregelung des Verhältnisses von Finanzabteilung und Landeskirchenamt zur Folge. Einen Entwurf dazu hatte Marahrens mit seinem Schreiben vom 341 Stahn an Marahrens vom 27. 7. 1940 (ebd., Bl. 433). 342 Cölle an Reichskirchenminister vom 1. 8. 1940 (ebd., Bl. 467). 343 Ebd. Niemann galt Cölle als „Judenfreund“ und renitenter Urheber ständiger Schwierigkeiten, mit dem er „sehr ungern“ zusammenarbeiten wolle. Bei einer FA-Mitgliedschaft Niemanns sei auch das Ansehen der Finanzabteilung bei politischen und staatlichen Stellen erheblich gefährdet. 344 Dieckmann an Stahn vom 7. 8. 1940 (ebd., Bl. 462). 345 Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 12. 8. 1940 (ebd., Bl. 450). Lübbing war seit dem 1. Mai 1933 NSDAP-Mitglied, vgl. BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP. 346 GBlDEK, 1940, 43. 347 Vgl. Schnelles Freistellung vom 31. 8. 1940 (LkAH B 13 Nr. 798 Bd. III).

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29. Juni 1940 dem Reichskirchenminister vorgelegt; dieser war vom Reichskirchenministerium aufgegriffen, bearbeitet und schließlich im Juli 1940 bei den Gesprächen erörtert worden. Landeskirchenamt und Finanzabteilung bekamen wenig später einen fertigen Entwurf zur Stellungnahme zugeleitet.348 Da vom Ministerium an Marahrens’ Entwurf bemerkenswert wenig geändert worden war, war das Landeskirchenamt mit der Überarbeitung einverstanden.349 Ganz anders Cölle. Er kritisierte nicht nur die einzelnen Regelungen, sondern warnte auch unter anderem vor der Signalwirkung, die der Erlass auf die hannoverschen politischen und staatlichen Stellen haben würde.350 Diese sähen nämlich die „obersten kirchlichen Verwaltungsbehörden einschliesslich des Herrn Landesbischofs“ sehr kritisch und würden es nicht verstehen, wenn diese nun einen „Teil ihrer früheren finanziellen Machtstellung“ zurückerhielten. Außerdem, so Cölle, halte er es „für rechtlich bedenklich“, wenn die 15. Durchführungsverordnung durch den Erlass nur für die hannoversche Landeskirche neu interpretiert würde, da die Verordnung doch wohl „nur einheitlich ausgelegt werden kann.“ Mit seinen Bedenken konnte Cölle jedoch nicht durchdringen,351 die neue Anwendungsanweisung zur 15. Durchführungsverordnung für Hannover erging am 12. August 1940 zeitgleich mit der Ernennung Lübbings.352 Sie ging über diejenige vom 21. Juli 1939 hinaus: Das Landeskirchenamt erhielt nun pauschal die Zuständigkeit für die gesamte Vermögensverwaltung der Landeskirche (bis auf die in der 15. Durchführungsverordnung genannten Ausnahmen). Die Finanzabteilung hatte die LKA-Verfügungen nur noch vor dem Abgang zu kontrollieren und das Landeskirchenamt zu überwachen, selbst ausüben durfte sie die Verwaltung nicht mehr.353 Das Gleiche galt für den Etat, über den nun die kirchliche Verwaltungsbehörde, anstatt der Finanzabteilung, die volle Verfügung hatte. Gelockert wurde auch die Bestimmung vom 22. Juni 1938, nach der sämtliche Gesetze und Verordnungen der Kirchenleitung der Finanzabteilung zur Prüfung auf finanzielle Auswirkungen vorgelegt werden mussten – reine Kultusangelegenheiten waren davon nun ausgenommen. Die Anwendungsanweisung war eine eindeutige Richtungsentscheidung zugunsten des Landeskirchenamts. Cölle musste sich auf die Überwachung 348 Am 29. 7. 1940 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 431). 349 LKA an Reichskirchenminister vom 31. 7. 1940 (ebd., Bl. 418). 350 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 2. 8. 1940 (ebd., Bl. 420 – 428), daraus auch die folgenden Zitate. 351 Vgl. Dieckmann an Stahn vom 7. 8. 1940 (ebd., Bl. 462). 352 Ebd., Bl. 444 f. Vgl. auch ebd. die Entwürfe, unter anderem Bl. 446 f., 464 – 466. 353 Dies spiegelte sich auch in der Durchführungsvereinbarung zu jener Anweisung zwischen Landeskirchenamt und Finanzabteilung wider. Diese wurde am 30. August 1940 zwischen beiden Parteien geschlossen und hielt fest, dass das Landeskirchenamt im Prinzip die gesamte Verwaltungstätigkeit eigenständig durchführen sollte (EZA 1/1603). Augenfällig wird die Veränderung im Kirchlichen Amtsblatt, wo Maßnahmen, die bisher Cölle getroffen hatte, nun wieder vom Landeskirchenamt verfügt wurden.

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und Kontrolle der finanziellen Angelegenheiten, und zwar nur der finanziellen Angelegenheiten beschränken. Er verlor weitgehend den Einfluss auf die Verwendung der Haushaltsgelder – immerhin blieb ihm die Festsetzung des Haushaltsplans – und war in seinen Entfaltungsfreiheiten erheblich eingeschränkt. Die Bekenntnisgemeinschaft reagierte hoffnungsfroh auf die Entwicklung: Die Finanzabteilung sei „wieder auf das ihr eigentlich obliegende Gebiet der Überwachung der Finanzen beschränkt. Diese Geschäftsordnung gibt der Behörde eine grössere Freiheit des verantwortlichen Handelns und wird sich hoffentlich zum besten auswirken. Nach der neuen Regelung ist es nicht mehr möglich, dass der Leiter der Finanzabteilung sich bei jeder Gelegenheit einschaltet und getroffene Entscheidungen der Behörde ohne weiteres beanstandet oder unmöglich macht. Das gilt auch für die Fragen der Ernennung und Pfarrstellenbesetzungen.“354

Durch Lübbings Berufung, so die Annahme, solle „die Zusammenarbeit zwischen dem Landeskirchenamt und der Finanzabteilung von neuem angebahnt und für die Zukunft ausgebaut werden.“ Dennoch war Cölle letztlich noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen. Seine Machtposition wurde zwar deutlich eingeschränkt, seinen Posten jedoch konnte er behaupten. Er hatte den Unmut im Ministerium über die dauernden Streitigkeiten unterschätzt und seine Position nun letztlich nur der Entscheidungsschwäche des Ministers und den zur Vertagung einladenden Kriegsbedingungen zu verdanken. Wer erwartet hatte, dass nun Ruhe einkehren würde, der sah sich umgehend getäuscht. Zwar akzeptierten Finanzabteilung und Landeskirchenamt die neuen Direktiven und vereinbarten genauere Bestimmungen für die praktische Durchführung,355 doch waren die Ergebnisse des 12. August 1940 für die Kirchenregierung nicht zufriedenstellend: Die FA-Leitung war nicht angetastet worden und auch die Ernennung Lübbings entsprach nicht den Erwartungen der Kirchenleitung. In einem Schreiben an den Reichskirchenminister vom 26. August 1940 erklärte Marahrens, man habe sich nach den Gesprächen eigentlich ein Entgegenkommen des Staates in der Personalfrage versprochen.356 „Zu meinem großen Schmerze ist nun aber auch diese Erwartung […] enttäuscht worden: Es ist nicht ein Mitglied des Landeskirchenamts, sondern ein im Landeskirchenamt beschäftigter Hilfsarbeiter, Herr Dr. Lübbing, zum Mitglied der Finanzabteilung bestellt worden“ – ohne vorherige Absprache mit der Kirchenleitung. Lübbing könne „nicht als ein Vertreter des Landeskirchenamts angesehen werden“; er besitze nur den 354 BG-Rundschreiben vom 9. 9. 1940 (LkAH K:A 671), daraus auch das folgende Zitat. 355 Am 30. 8. 1940 (EZA 1/1603). 356 BArch R 5101 / 23219, Bl. 2 f., daraus auch die folgenden Zitate.

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Status eines Beamten auf Widerruf, sei von allen höheren LKA-Mitarbeitern die kürzeste Zeit in der Behörde357 und außerdem durch eine fast völlige Erblindung gehandicapt.358 Für Cölle war Lübbing mit seiner eingeschränkten Arbeitsfähigkeit und seinem etwas prekären Status nicht zuletzt deshalb die Idealbesetzung gewesen. Schließlich sollte er nach Cölles Auffassung doch im Wesentlichen nur in den „seltenen Fällen, wo ich nicht erreichbar wäre“359, als Zeichnungsberechtigter aushelfen. Marahrens aber hielt es für erforderlich, dass unter diesen Umständen noch ein weiteres LKA-Mitglied in die Finanzabteilung berufen werde, welches die Erfordernisse besser erfülle – er dachte an Wagenmann oder Niemann. Am besten sei es, wenn einer der beiden gleichzeitig Hoffmeister ablösen würde.360 Aktuell war diese Forderung, weil Hoffmeister just Ende August für anderthalb Wochen in Hannover Cölles Urlaubsvertretung übernommen hatte und während dieser Zeit Äußerungen lancierte, „daß das hannöversche System umgearbeitet werden müsse“361. Damit sorgte er für große Aufregung, denn die von ihm angestrebten braunschweigischen Verhältnisse, mit ihrer klaren FA-Dominanz, waren in Hannover gefürchtet; sie standen aber auch in diametralem Gegensatz zu den gerade vom Reichskirchenminister veranlassten Veränderungen.362 Stahn sah sich deshalb veranlasst, noch einmal die Haltung des Reichskirchenministeriums unzweideutig festzustellen: Während des Krieges sollten die Zuständigkeiten der Finanzabteilungen nicht erweitert werden, es sei stattdessen „in Zuständigkeitsfragen so weitherzig zu

357 Lübbing war erst seit 1935 im Landeskirchenamt beschäftigt. Im Oktober 1939 erhielt Lübbing schließlich den Status eines außerplanmäßigen Beamten auf Widerruf mit der Amtsbezeichnung „Kirchenrat“ – ein erster Versuch der Kirchenregierung, Lübbing diese Stellung zu verleihen, war Anfang 1939 durch den Einspruch der Finanzabteilung verhindert worden. Erst am 29. November 1941 wurde Lübbing, nach einer Initiative Stahns, der von der Kirchenregierung nur ungern und zögerlich stattgegeben wurde, zum regulären Oberlandeskirchenrat befördert. Vgl. LkAH B 13 Nr. 798 Bd. II und B 13 Nr. 798 Bd. III; Cölle an Kirchenregierung vom 28. 11. 1939 (LkAW FinAbt 80). 358 Lübbing war daher zur Erledigung seiner Arbeit stets auf die Hilfe einer Stenotypistin aus dem Landeskirchenamt bzw. der Finanzabteilung angewiesen. Vgl. LkAH B 13 Nr. 798 Bd. II. 359 Cölle an Reichskirchenminister vom 1. 8. 1940 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 467). 360 Klìgel, Landeskirche, 458, sieht diese Kritik und auch den Zwiespalt des Landeskirchenamts nicht und feiert den Eintritt Lübbings in die Finanzabteilung uneingeschränkt als Triumph der Kirchenleitung. 361 Stahn an Hoffmeister vom 6. 9. 1940 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 4). 362 Zusätzliche Brisanz gewann Hoffmeisters Verhalten, weil er bisher die Vertretungsbefugnisse in Hannover bei einer Abwesenheit Cölles über einen vergleichbaren Zeitraum noch nie wahrgenommen hatte. Gerade jetzt aber, wo mit Lübbing eigentlich sowieso ein FA-Mitglied vor Ort gewesen wäre, wollte Hoffmeister seine Vertretungsbefugnis persönlich ausüben – er hatte sich sogar bei seiner Dienststelle hierfür beurlauben lassen. Das Landeskirchenamt protestierte im Vorfeld gegen dieses Vorgehen und auch Dieckmann aus dem Reichskirchenministerium versuchte, Hoffmeister von den Plänen abzubringen – vergeblich. Vgl. zu dem Vorgang insgesamt: BArch R 5101 / 23228, Bl. 463, 468 f.; BArch R 5101 / 23219, Bl. 2 – 16. Siehe auch unten 341.

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verfahren, wie es die Rechtslage nur irgendwie zuläßt.“363 Maßgeblich seien für Hannover allein die Vorgaben vom 12. August 1940, denn den „Belangen des nationalsozialistischen Staates wird mit der Aufsicht in den wichtigeren Angelegenheiten durchaus genügt.“364 Reichskirchenminister Kerrl sei der „immer steigenden Schwierigkeiten und fortgesetzten Zusammenstöße[.] zwischen den Finanzabteilungen und den Kirchenverwaltungen“365 so sehr überdrüssig, warnte Stahn, dass er „zur Aufhebung neige.“ Er selbst sei ein „Freund der Finanzabteilungen“ und könne Hoffmeister daher nur dringend raten, „nicht kleinlich“ zu verfahren, sondern jeden Streit zu vermeiden. Der von Hoffmeister verursachte Wirbel sei den Finanzabteilungen nicht dienlich gewesen, auch wenn man sich über die „sture und uneinsichtige, z. T. leider auch unaufrichtige Haltung der klerikalen Kirchenmänner in Hannover und Braunschweig“ einig sei. Personelle Konsequenzen wurden trotz der Vorgänge nicht gezogen.366 Nach der Affäre beeilten sich unterdessen Schnelle und Cölle, die die Zeichen der Zeit verstanden hatten, zu versichern, „daß die Zusammenarbeit zwischen Landeskirchenamt und Finanzabteilung nunmehr völlig reibungslos erfolgt, und daß die Differenzen irgend welcher Art nicht mehr aufgetreten sind.“367 Bis auf weiteres verhielt sich Cölle nun zurückhaltend, nach außen herrschte auch ein freundlicher Ton. Er vermied es, so Cölle einmal in einem persönlichen Schreiben an Stahn, „dem Ministerium etwas vorzulegen, was irgendwie hier erledigt werden kann. Vor allem habe ich davon abgesehen, Beschwerden über das Verhalten des Landeskirchenamtes einzureichen, wozu an sich vielfach Anlaß bestanden hätte.“368 Da aber das Landeskirchenamt die geschwächte Position der Finanzabteilung nach der Schlichtung im August 1940 ausnutzte, indem es sie verschiedentlich zu übergehen versuchte – etwa die Vorlage von Beschlüssen mit finanzieller Auswirkung unterließ –, konnte Cölle sich berechtigterweise über das Vorgehen der Kirchenbehörde beschweren. Er tat dies in persönlichen Schreiben und mit viel Vorsicht und zeigte damit einerseits, dass er begriffen hatte, dass das Ministerium keine polternde Finanzabteilung mehr wünschte, andererseits aber auch, dass er 363 So fasste Cölle die Anweisungen Stahns im April 1941 zusammen (BArch R 5101 / 23219, Bl. 43 – 45, Zitat Bl. 44). 364 Stahn an Hoffmeister vom 6. 9. 1940 (ebd., Bl. 4). 365 Vermerk Stahns über eine Besprechung mit Hoffmeister am 24. 9. 1940 (ebd., Bl. 14 f.), daraus auch die folgenden Zitate. 366 Hoffmeisters Person stand aber eine Zeit lang noch zur Disposition. Als etwa im Dezember 1940 Cölles Einberufung zur Wehrmacht drohte, entschied Kerrl dessen Unabkömmlichkeit zu reklamieren, da gegen „eine Vertretung durch Herrn Hoffmeister […] angesichts der besonderen Verhältnisse in Hannover Bedenken“ bestünden, Vermerk Stahns vom 16. 12. 1940 (ebd., Bl. 26). 367 Schnelle und Cölle an Stahn vom 18. 9. 1940 (ebd., Bl. 10). 368 Cölle an Stahn (undatiert) (ebd., Bl. 43 – 45, hier Bl. 43). Vgl. auch die Antwort Dieckmanns vom 9. 4. 1941 (ebd., Bl. 42).

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bemüht war, die Stimmung in Berlin wieder zu drehen. Die unversöhnliche Haltung des Landeskirchenamtes konnte ihm da nur nutzen. So betonte Cölle, dass er der Anregung Stahns folge, „möglichst loyal & entgegenkommend zu verfahren und Schärfen zu vermeiden […] Ich möchte […] noch einmal hervorheben, daß ich mich ständig bemüht habe und auch noch bemühe, Reibereien zu vermeiden und Schwierigkeiten auszuräumen, soweit das nur ohne Schaden für die Aufgaben der Finanzabteilung möglich ist.“

Schnelle sei hingegen wenig gewillt, „von sich aus eine derartige Haltung einzunehmen“ und verhalte sich unversöhnlich und unfreundlich.369 Auf der anderen Seite unterließ es die Kirchenleitung, in dieser Phase entschlossen nachzusetzen und eventuell weitere Erfolge in der Zurückdrängung der Finanzabteilung zu erreichen. Ob dies hätte gelingen können oder derartige Vorstöße die gegenteilige Wirkung gehabt hätten, ist kaum zu beurteilen. Dadurch aber, dass die Kirchenleitung immer wieder versuchte, sich mit der Finanzabteilung zu arrangieren, Zugeständnisse machte oder Kompromisse suchte, akzeptierte sie deren grundsätzlichen Machtanspruch.

1.7.4. Die Rückkehr in die Offensive: Der Kurs der Finanzabteilung 1942 Die Situation in Hannover änderte sich grundlegend, als nach Kerrls Tod Muhs mit der Führung des Reichskirchenministeriums beauftragt wurde. Die Haltung des Berliner Ministeriums, die Cölle in Hannover gehemmt und zurückgeworfen hatte, änderte sich schlagartig. Muhs konnte sich zwar auch keine ausufernden Konflikte in den Landeskirchen leisten, denn seine Nützlichkeit wurde auf politischer Ebene daran gemessen, ob er in der Lage wäre, die Ruhe in der Kirche aufrechtzuerhalten. Dennoch erhielt Cölle nun Rückendeckung für sein altes Gebaren der Kompetenzanmaßung und Einmischung. Er konnte sogar noch effektiver auftreten als in der Vorkriegszeit, als er sich in seiner neuen Stellung erst etablieren musste. Cölle war daran interessiert, die restriktiven Bestimmungen vom 12. August 1940 zu revidieren. Am 20. März 1942 bat er den Reichskirchenminister um Zustimmung zu seinem Plan, die Vorlagepflicht sämtlicher Gesetze und Verordnungen der Kirchenleitung wieder einzuführen, um ihm eine Handhabe gegen Anordnungen in Kultusangelegenheiten zu geben, deren „Inhalt zu politischen Bedenken Anlaß gibt“370. Muhs wollte Cölle in Hannover möglichst freie Hand lassen und stimmte dem Vorgehen zu.371 Selbst eine Maßnahme, die erklärtermaßen dazu dienen sollte, in Kultusangelegenheiten eingreifen zu können, wurde ohne Bedenken gebilligt. 369 Cölle an Stahn (undatiert) (ebd., Bl. 43 – 45, Zitate Bl. 45). 370 Cölle an Reichskirchenminister vom 20. 3. 1942 (BArch R 5101 / 23446, Bl. 268 f., hier Bl. 268). 371 Vgl. Schreiben an Cölle vom 4. 4. 1942 (ebd., Bl. 270).

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Wenig später unternahm Cölle einen weiteren Vorstoß. Er legte den in Paragraph 7 der 15. Durchführungsverordnung „absichtlich weitgefaßten Begriff“ der finanziellen Auswirkungen universell aus. Es „liegt eine Maßnahme mit finanzieller Auswirkung auch dann vor“, so Cölle, „wenn die Maßnahme eine rechtliche Grundlage oder einen Tatbestand schafft oder verändert, auf Grund dessen Maßnahmen mit finanziellen Folgen erst getroffen werden können.“372 Nach dieser Interpretation konnte Cölle jede Maßnahme der Kirchenleitung von einer FA-Zustimmung abhängig machen, selbst wenn sie unmittelbar keinen finanziellen Bezug hatte.373 Es wurde zwar vom Ministerium bekräftigt, dass Kerrls Weisungen vom 12. August 1940 und vom 21. Juli 1939 weiterhin gelten würden,374 doch in der Praxis spielten die dort verankerten FA-Begrenzungen keine Rolle mehr. Cölle wurde in allen grundsätzlichen Fragen vom Reichskirchenministerium unterstützt. Lediglich im „täglichen Kleinkampf“375 konnte die Kirchenleitung zuweilen Erfolge verbuchen, die allerdings substanziell kaum eine Erleichterung brachten. Nach der Entspannung in den Jahren 1940/41 verschlechterte sich das Verhältnis von Kirchenleitung und Finanzabteilung 1942 wieder rapide. Vor allem die Einberufungen von Bosse und Rose hatten sich sehr ungünstig ausgewirkt; es fehlten nun die beiden Mitglieder der Kirchenregierung, die die beste Beziehung zu Cölle hatten. Regelmäßige Besprechungen von Kirchenregierung und Finanzabteilung, wie sie früher üblich gewesen waren, fanden ab Ende 1940 nicht mehr statt376 und wurden erst Mitte 1942, im Vorfeld einer Schlichtungsreise Werner Hauggs aus dem Reichskirchenministerium, wieder aufgenommen;377 allerdings auch nur sporadisch und nicht mit alter Intensität.378 Auch Kleinigkeiten wurden schriftlich ausgetauscht, was Einigungen

372 Cölle an Kirchenregierung vom 11. 5. 1942 (EZA 1/1376). 373 Während einer Besprechung in Karlsruhe am 7. / 8. März 1944 wies Landgerichtsrat Haugg auf die Schwierigkeiten des Paragraphen 7 der 15. Durchführungsverordnung hin: Einerseits brächte dieser „Abgrenzung, andererseits immerwährenden Konfliktstoff. Eine FA, die ihre Pflichten wahrnehme, müsse danach trachten, alle Massnahmen als mit finanzieller Auswirkung verbunden anzusehen. Die Kirchenbehörde werde das Gegenteil annehmen. Die Diskrepanz folge aus der Natur der Sache. Die Konflikte müssten auf ein gesundes Mittelmass beschränkt werden.“ Protokoll Redecker vom 20. 3. 1944 (EZA 1/1611). 374 So etwa Haugg bei Schlichtungsgesprächen im Juli 1942, vgl. Reisebericht Hauggs vom 2. 8. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 114 – 117). 375 So der Ausdruck Mahners in einem Schreiben an Wolckenhaar vom 22. 6. 1942 (LkAH S 1 H II 155, Bl. 35 f., hier Bl. 36). 376 Cölle datiert die letzte Besprechung auf November 1940, vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 16. 6. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 120 – 122, hier Bl. 120). 377 Die erste Besprechung fand zwischen Cölle (anwesend war zudem Hoffmeister) und Marahrens am 5. Juni 1942 statt, vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 5. 6. 1942 (BArch R 5101 / 23979, Bl. 64). Am 24. Oktober 1942 wurde Cölle auch erstmals wieder zu einer Sitzung der Kirchenregierung hinzugezogen, vgl. Protokoll der Sitzung (LkAH S 1 H II 111). 378 Vgl. die Protokolle der Kirchenregierungssitzungen in LkAH S 1 H II 111 und S 1 H II 112.

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erschwerte.379 Es herrschte ein Klima der gegenseitigen Schikane.380 Cölle stellte sogar die Arbeitsfähigkeit der Kirchenregierung in Frage, denn mit Bosse und Rose seien zwei ihrer Mitglieder, darunter der Vertreter der Deutschen Christen, eingezogen.381 In der Zeit nach dem 12. August 1940 hatte sich die Kirchenleitung, ähnlich wie in der Anfangszeit der Finanzabteilung, darauf verlassen, dass mit der neuen Rückendeckung aus dem Ministerium schon mittelfristig die Lage im Sinne der Kirche geklärt würde. 1935/36 hatte man angenommen, sich auf die Personalbesetzung verlassen zu können, nun galt das gleiche kurzsichtige Vertrauen dem Reichskirchenminister Kerrl. Wieder glaubte man, die grundsätzlichen Bedenken beiseite lassen zu können, solange nur ein erträglicher modus vivendi zu erzielen war. Während des Jahres 1941 funktionierte dies. Nach dem Tod des Kirchenministers erwies sich diese abwartende Haltung jedoch als illusionäre Hoffnung. Im Mai 1942 wandte sich Marahrens daher, „persönlich und vertraulich“, an Lammers, den Chef der Reichskanzlei, um mit staatlicher Rückendeckung bei Muhs vorstellig werden zu können.382 Seine Bemühungen Lammers einzuschalten blieben jedoch ohne Erfolg.383 Dies war der letzte Versuch des Landesbischofs, gegen die hannoversche Finanzabteilung vorzugehen. Er verlagerte seinen Kampf nun eher auf den Geistlichen Vertrauensrat, denn auf der gesamtkirchlichen Ebene erschien die Bedrohung bald noch erheblicher als in Hannover. Die Kontrahenten blieben dabei die gleichen, denn Cölle war auch auf dieser Ebene Marahrens’ Gegenspieler.

379 380

381 382 383

1944 wurde die Beteiligung Cölles in den Sitzungen der Kirchenregierung zeitweise wieder intensiver. Vgl. zu dem Verhältnis Kirchenleitung-Finanzabteilung den Reisebericht Hauggs vom 2. 8. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 114 – 117). Vgl. etwa Cölles Schreiben an Dennhardt, aus der sächsischen Finanzabteilung, vom 17. 10. 1944 (EZA 1/1607). Zur üblichen Vorlage des Kirchlichen Amtsblattes, bei der die Finanzabteilung eigentlich nur einen Sichtvermerk setzen und damit die Kenntnisnahme ausdrücken musste, merkte Cölle an: „Ich schreibe allerdings aus Bosheit meistens ,genehmigt‘. Jedoch ist sachlich solches nicht immer geboten.“ Solche Sticheleien trugen erheblich zu dem schlechten Arbeitsklima bei. Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 20. 3. 1942 (BArch R 5101 / 23446, Bl. 265 f., hier Bl. 265). Schreiben vom 11. 5. 1942 (BArch R 43 II / 165a, Bl. 164), daraus auch obiges Zitat; vgl. auch Marahrens an Lammers vom 3. 6. 1942 (ebd., Bl. 168); dazu auch Melzer, Vertrauensrat, 281 – 283. Vgl. Lammers an Marahrens vom 18. 5. 1942 und vom 14. 6. 1942 (BArch R 43 II / 165a, Bl. 165, 169); auch Lammers an Muhs vom 18. 5. 1942 (ebd., Bl. 165); Muhs an Lammers vom 16. 7. 1942 (ebd., Bl. 170 – 172); Muhs an Cölle vom 29. 5. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 82); und die Antwort Cölles vom 16. 6. 1942 (ebd., Bl. 120 – 122).

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Doch nachdem die hannoverschen Auseinandersetzungen bereits an den Chef der Reichskanzlei getragen worden waren, musste Muhs handeln. Im Juli 1942 wurde noch einmal ein größerer Schlichtungsversuch unternommen; Landgerichtsrat Haugg wurde nach Hannover geschickt.384 Haugg resümierte nach den Gesprächen, dass in allen Streitfragen „zwischen Finanzabteilung und Landeskirchenamt eine Einigung oder doch sonst ein positives Ergebnis erzielt“ werden konnte. „Das beweist, daß es von Nutzen ist, dort ab und an eine Oberaufsicht und nähere Einflußnahme auszuüben.“385 Eine dauerhafte wirkliche Befriedung brachten die Konsultationen indes nicht mehr.386 Dennoch entspannten sich in Folge der Verhandlungen die Verhältnisse in Hannover merklich. Es gelang Muhs, durch gelegentliche Zugeständnisse an die Kirchenleitung oder ein Einwirken auf seinen Freund Cölle, die Auseinandersetzungen in Hannover soweit zu begrenzen, dass sie seinem Gesamtkalkül nicht im Wege standen. Entscheidend dafür war auch eine gewisse Entkrampfung auf der persönlichen Ebene.387 Cölle, der letztlich auf das Wohlwollen aus dem Ministerium angewiesen war, hielt sich an die Richtlinien aus Berlin, die er in zunehmenden Maße selbst mitgestaltete und zeigte auch von sich aus eine größere Konzessionsbereitschaft. Er hatte im August 1942 die Leitung der DEKK-Finanzabteilung übernommen und war gewillt, im Interesse der allgemeinen kirchenpolitischen und politischen Lage allzu heftige kirchliche Proteste zu vermeiden. Außerdem war er durch seine diversen FA-Ämter schlicht so stark eingespannt, dass er in Hannover etwas kürzer treten musste. Er begnügte sich fortan zunehmend mit der grundsätzlichen Aufrechterhaltung seines Machtanspruchs, ohne ihn noch in aller Konsequenz auszuüben – nicht nachlassend allerdings bei dem, was er als seinen eigentlichen Auftrag begriff, nämlich der politischen Kontrolle der Landeskirche. So hielt es Cölle beispielsweise für nötig, an der Unabkömmlichstellung von LKA-Mitgliedern beteiligt zu werden, denn das Wehrbezirkskommando, so seine Wahrnehmung, behandele die Anträge des Landeskirchenamts immer sehr „grosszügig und entgegenkommend“388. Er selbst aber hielt manche LKAMitarbeiter durchaus für entbehrlich und überlegte, „ob die Finanzabteilung kraft ihres Aufsichtsrecht [sic] nicht sogar verpflichtet wäre, die zuständigen militärischen Stellen darauf hinzuweisen, dass nach ihrem Urteil eine Uk384 Vgl. Haugg an Kirchenregierung, FA- und LKA-Hannover vom 8. 7. 1942 (ebd., Bl. 94). 385 Ausführlicher Reisebericht Hauggs vom 2. 8. 1942 (ebd., Bl. 114 – 117, Zitate Bl. 114). 386 Haugg schrieb an Muhs, er habe Cölle „auch stets den Angriffen des Landeskirchenamtes gegenüber in Schutz genommen und verteidigt und seine Maßnahmen selbst da immer als gut und richtig hingestellt, wo man eigentlich auch ein wenig anderer Meinung sein konnte.“ Reisebericht Hauggs vom 1. 8. 1942 (ebd., Bl. 110 f., hier Bl. 111). Vgl. ansonsten auch Mahner an Duensing vom 1. 8. 1942 zu diesem Schlichtungsversuch (LkAH S 1 H II 361b, Bl. 100 f., hier Bl. 100). 387 Vgl. Mahner an Duensing vom 10. 8. 1942 (LkAH S 1 H II 361b, Bl. 102 f.); ferner Fleisch, Kirchengeschichte, 255, 267. 388 Cölle an Reichskirchenminister vom 20. 6. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 92), daraus auch die folgenden Zitate.

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Stellung nicht oder nicht mehr erforderlich wäre.“ Daher „möchte ich mir“, so Cölle an den Reichskirchenminister, „die Anregung erlauben, eine Anordnung dahin zu treffen, dass mindestens die Uk-Anträge, die die obersten kirchlichen Verwaltungsbehörden für ihre Beamten und Angestellten stellen, bei der Finanzabteilung durchlaufen müssen, da diese in der Regel objektiv zu beurteilen in der Lage ist, ob die Uk-Stellung auch gerechtfertigt ist.“389 Sein Vorstoß scheiterte jedoch an Bedenken im Reichskirchenministerium.390

1.7.5. Die passive Bekenntnisgemeinschaft Die Bekenntnisgemeinschaft hatte in den zurückliegenden Jahren bemerkenswert wenig auf die Entwicklung der Finanzabteilung reagiert. Die Bildung 1935 war noch beachtet worden, doch schon die Umbesetzung zu Schnelle hatte in den BG-Rundschreiben keinerlei Echo mehr gefunden, zu dominant waren zu jener Zeit die Bildung der Kirchenregierung und die Kontroversen um die Kirchenausschusspolitik. Auf die 13. und 15. Durchführungsverordnung hatte die Bekenntnisgemeinschaft in ihren Rundbriefen hingewiesen, aber jeweils nur sporadisch. Kann dies bis zur Berufung Cölles noch damit erklärt werden, dass die Finanzabteilung nicht als drängendes Problem wahrgenommen wurde, so kann dies für die Zeit danach nicht mehr gelten. Gleichwohl war die Bekenntnisgemeinschaft an dem anfänglichen Protest gegen die FA-Umbesetzung zwar beteiligt, allerdings nur indirekt, durch die Unterstützung des Schreibens der Landessuperintendenten;391 und dies noch nicht einmal ausdrücklich im Namen der Bekenntnisgemeinschaft. Angestrebt war in dieser Frage vielmehr eine Sammlung über ihre Grenzen hinaus.392 Auch in den folgenden Jahren beschränkte sich die Bekenntnisgemeinschaft in ihren Rundbriefen auf die gelegentliche Erwähnung von einzelnen FA-Maßnahmen. Besonders Cölles Unterstützung der Deutschen Christen wurde ab und an erwähnt.393 Der Erlass vom 12. August 1940 wurde sogar 389 Anlass für Cölles Vorstoß war eine Affäre um die Abstellung Wagenmanns zur Kirchenkanzlei von April bis Juni 1942. Cölle leitete aus der Abstellung ab, dass Wagenmanns Unabkömmlichstellung ungerechtfertigt wäre. Der ganze Vorgang findet sich anteilig in LkAH B 13 Nr. 824 Bd. VI; und BArch R 5101 / 23219, Bl. 67 – 70, 75 f.; vgl. auch Cölle an den Vorsitzenden der FADEKK vom 30. 4. 1942 (LkAW FinAbt 94). 390 Vgl. Haugg an Cölle vom 3. 7. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 93). 391 Siehe oben 215 f. 392 Vgl. Rundschreiben vom 24. 5. 1938 (LkAH K:A 671). 393 So etwa in den Rundschreiben vom 27. 4. 1939, vom 2. 2. 1940 (wo es summarisch hieß: „Herr Cölle verschafft immer noch durch seine Massnahmen, den DCGruppen eine ihnen weder sachlich noch zahlenmässig zustehende Bedeutung und macht auch sonst viele Schwierigkeiten“) oder vom 27. 4. 1940 (als den Kirchensteuersonderkonten eine „auflösende Wirkung für das Gemeindeleben“ und damit „Kirchenzerstörung“ attestiert wurde). Alle erwähnten Rundbriefe finden sich ebd.

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etwas ausführlicher rezipiert.394 Nach 1940 versiegten selbst diese gelegentlichen Mitteilungen. Die Bekenntnisgemeinschaft als Organisation verharrte in einer passiven, grundsätzlichen Ablehnung der Finanzabteilung, ohne größere Aktionen gegen sie zu unternehmen. Ihre Strategie ging eher dahin, die von der Finanzabteilung bedrängten BG-Mitglieder zu unterstützen und ansonsten ihre Entwicklung zu ignorieren. Nur die einzelnen, von FA-Maßnahmen betroffenen Pastoren der Bekenntnisgemeinschaft setzten sich mit der Finanzabteilung aktiv auseinander, etwa wenn es um Gehaltssperren, Pfarrstellenbesetzungen oder Eingriffe der Finanzabteilung in der Minderheitenfrage ging. Erst im Juli 1942 fand ein umstrittener Strategiewechsel statt. Erstmals suchte die Leitung der Bekenntnisgemeinschaft das Gespräch mit Cölle, obwohl es interne Befürchtungen gab, dies könne wie eine Abkehr von der bisherigen grundsätzlichen Ablehnung aussehen.395 Die Leitung der Bekenntnisgemeinschaft aber wollte sich so wieder aktiv in das Geschehen einschalten, „mit dem Mann überhaupt einmal in ein Gespräch“396 kommen und vor allem „Cölle die Stimme der Landeskirche zu Gehör […] bringen. Er dürfe nicht in seiner Meinung gelassen werden, er habe es nur mit einer verärgerten und widerspänstigen Behörde zutun [sic]“397. Dabei sei es aber nicht das Ziel, mit ihm über konkrete Dinge zu verhandeln, „sondern wir haben ihm zu sagen, was Sache ist“398 und ihm zu zeigen, „dass sich Pfarrerschaft und Gemeinden in der Ablehnung der Massnahmen der FA einig sind.“399 Doch auch nach den Gesprächen blieb eine weitere Auseinandersetzung der Bekenntnisgemeinschaft mit der Finanzabteilung aus.

1.7.6. Die Finanzabteilung in den letzten Kriegsjahren 1943 – 1945: Organisation und Position in der Landeskirche Von der Ansicht, dass die Finanzabteilung die Vermögensverwaltung der Landeskirche selbst ausüben sollte, war Cölle im Laufe der Zeit abgerückt. Zweckmäßiger sei es, nur die Kontrolle auszuüben, damit nicht der Eindruck erweckt würde, „als ob sie [scil. die Finanzabteilung], wenn auch nur zum Teil, die Kirche“400 selbst leiten wolle – die Kontrolle der Kirche sollte möglichst lautlos und dezent, aber wirksam und effektiv erfolgen. 394 395 396 397 398 399 400

Siehe oben 244. Vgl. Mahner an Duensing vom 25. 7. 1942 (LkAH S 1 H II 361b, Bl. 97 – 99). Ebd., hier Bl. 99. Mahner an Duensing vom 12. 8. 1942 (ebd., Bl. 104 f., hier Bl. 104). Ebd. Mahner an Duensing vom 25. 7. 1942 (ebd., Bl. 97 – 99, hier Bl. 99). So Cölle auf einer Besprechung von FA-Leitern am 1. 9. 1944 (LkAH S 1 E II 113, Bl. 44 – 46, hier Bl. 45). Siehe auch oben 164 f.

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Obwohl Lübbing seit September 1940 der Finanzabteilung voll und ganz zur Verfügung stand, beschäftigte Cölle in der Finanzabteilung neben Büropersonal noch verschiedene juristische, meist nebenamtliche Hilfskräfte. Zwischenzeitlich gab es hierbei, auch kriegsbedingt, eine recht hohe Fluktuation, ungefähr ab Frühjahr 1943 stabilisierten sich die Verhältnisse.401 Diese eigene FA-Belegschaft hatte den Sinn, bei der Bearbeitung von bestimmten Dingen nicht auf LKA-Mitarbeiter angewiesen zu sein, die Überwachungsaufgaben erfüllen zu können und nicht nur dem Selbstverständnis nach, sondern auch de facto eine eigene Behörde zu sein. Dennoch blieb es dabei, dass die LKA-Dezernenten einen Großteil der Vermögensverwaltung als Auftragsarbeit für die Finanzabteilung erledigten bzw. vorbereiteten (z. B. Haushaltsplan, Kirchensteuern, Rechnungswesen, Umlagebeschlüsse); die Finanzabteilung kam vor allem zur Endzeichnung, Veröffentlichung und Überwachung der LKA-Ausarbeitungen ins Spiel. Außerdem zog Cölle die für ihn interessanten, meist politischen Fälle an sich. Ein anhaltendes Problem, verschärft durch Cölles Verpflichtungen in neuen FA-Ämtern, blieb die Verzögerung im Geschäftsgang, denn die meisten Angelegenheiten konnten erst abgeschlossen oder weitergeführt werden, wenn er anwesend402 und bereit dazu war oder ein Vertreter zur Zeichnung befugt wurde – Hoffmeister als Cölles ständiger Vertreter war ebenfalls nicht permanent anwesend.403 Die Hilfsarbeiterschaft konnte hier nicht helfen, denn es gab ja kein Bearbeitungs-, sondern ein Unterschriftsproblem. Auch Lübbing durfte nicht alles erledigen, immerhin jedoch die laufenden Geschäfte.404 Vor allem von den politischen Sachen wurde er hingegen, jedenfalls nach Auskunft des Landeskirchenamts, ausgeschlossen.405 Cölle begriff Lübbing nach wie vor nur als „Beauftragten“, der als LKA-Mann verdächtig war. Jener saß damit 401 Vgl. zu der FA-Hilfsarbeiterschaft (und den FA-Bürokräften) vor allem: BArch R 5101 / 23228, Bl. 291, 297 – 302, 306 – 308, 395 f., 398, 404 – 407; Klageschrift im Schadensersatzprozess vom 13. 5. 1947 (LkAH B 1 Nr. 8752); Gutachten Pilgers vom 14. 2. 1946 (ebd.); Klageerwiderung vom 29. 7. 1947 im Schadensersatzprozess gegen Cölle (ebd.); Geschäftsverteilungsplan vom 29. 12. 1942 (LkAH B 6 Nr. 3). 402 In einem Schriftsatz vom 23. Dezember 1947 anlässlich eines Schadensersatzprozesses hieß es, Cölle sei „in den späteren Jahren wochenlang überhaupt nicht“ mehr in Hannover erschienen (LkAH B 1 Nr. 8752). 403 Er war in dieser Hinsicht ohnehin keine Erleichterung, im Gegenteil: Mahner berichtete am 23. Februar 1942 an Wolckenhaar, im Landeskirchenamt sei „die geradezu groteske Lage entstanden, daß man auf das gelegentliche Auftauchen Cölles wartet, weil sein Stellvertreter alles anhält und beanstandet.“ LkAH S 1 H II 155, Bl. 26 – 29, hier Bl. 29. 404 Vgl. Lübbing an LKA-Wolfenbüttel vom 23. 6. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8755); auch ein LKAKonzept aus dem Sommer 1942 (LkAH S 1 H II 113, Bl. 16 – 22, hier Bl. 22). 405 Vgl. LKA an Öffentlichen Kläger vom 22. 7. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8752). Zumindest an Anfragen zu politischen Beurteilungen bei Staatsstellen war Lübbing jedoch sehr wohl beteiligt, erst bei Beanstandungen zog Cölle die Angelegenheiten an sich, vgl. zu Lübbings Beteiligung an den Anfragen seine Zeichnungen auf entsprechenden Dokumenten in HStAH Hann. 122a Nr. 4076. Die Beteuerungen des Landeskirchenamts nach dem Krieg mögen auch zur Entlastung Lübbings gedient haben.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

gewissermaßen zwischen allen Stühlen: Von Cölle wurde er nicht voll akzeptiert, vom Landeskirchenamt aber ebenso wenig als einer der ihren betrachtet.406 Zur Beseitigung der Zeichnungsprobleme hielt Cölle im Dezember 1943 die Ergänzung der Finanzabteilung um ein weiteres Mitglied „für notwendig, weil ich mich nur infolge meiner augenblicklichen Belastung um die wirklich grundsätzlichen Angelegenheiten und Dinge der Gesamtleitung bekümmern kann, mein ständiger Vertreter, Regierungsdirektor Hoffmeister, wegen seiner Tätigkeit als kommissarischer Oberbürgermeister zurzeit aber so belastet ist, dass er für mich nicht einspringen kann.“407

Lübbing sei der ihm nun obliegenden „Hauptarbeitslast […] nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht in vollem Umfange gewachsen.“ Bei Hoffmeister bestand das zusätzliche Problem, dass sein dienstlicher Vorgesetzter, der Oberpräsident der Provinz Hannover, seine FA-Tätigkeit nicht unterstützte und kaum zu tolerieren bereit war. Daher sollte das künftige FA-Mitglied vor allem als neuer Vertreter Cölles fungieren. Als geeignet ausgewählt wurde der städtische Rechtsrat Dr. Adolf Doetsch. Dieser unterlag als städtischer Beamter nicht nur Hoffmeisters Dienstaufsicht, er war sogar dessen persönlicher Referent.408 Cölle wollte bei der neuen Personalie eine Verstimmung Hoffmeisters vermeiden und ihm nicht das Gefühl geben, er solle ausgeschaltet werden.409 So wurde Hoffmeister auch nicht aus der hannoverschen Finanzabteilung abberufen, er scheint auch 1944 noch gelegentlich dort aufgetaucht zu sein.410 Kompliziert wurde die Sache allerdings, weil Doetsch aus der Kirche ausgetreten war und Cölle dies der Kirchenleitung verheimlichen wollte. Er befürchtete ansonsten Einwände, möglicherweise eine neue Protestwelle. Die Angelegenheit sollte so stillschweigend wie möglich erledigt, Doetsch daher nicht als neuer Stellvertreter eingeführt werden, da dies die Aufmerksamkeit der Kirchenleitung auf ihn gelenkt hätte. Cölle versicherte jedoch dem Reichskirchenminister, er „habe […] den sicheren Eindruck, dass er [scil. Doetsch] sich für kirchliche Dinge in dem Sinne, wie es erwünscht ist, interessiert, und dass aus der Tatsache seines Kirchenaustritts keine Schlüsse zu 406 Nach dem Krieg war von dieser Zurückhaltung des Landeskirchenamtes und der Kirchenregierung gegenüber Lübbing keine Rede mehr. Diesem wurde vielmehr, als er Probleme wegen seiner FA-Mitgliedschaft bekam, attestiert, er sei seinerzeit auf Wunsch von Marahrens in die Finanzabteilung berufen worden, habe „sich von den übrigen Mitgliedern der FA innerlich völlig abgesetzt und wurde wegen seiner unzureichenden politischen Zuverlässigkeit in Personalsachen als Vertreter des Dr. Cölle schließlich ganz ausgeschaltet und durch Dr. Doetsch ersetzt.“ FA-Hannover an Militärregierung vom 18. 9. 1945 (LkAH B 13 Nr. 798 Bd. III). 407 Cölle an Reichskirchenminister vom 16. 12. 1943 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 424), daraus auch folgendes Zitat. 408 Vgl. Fleiter, Stadtverwaltung, 48. 409 Vgl. Aktenvermerk Cölles vom 2. 3. 1944 (LkAH L 2 Nr. 240/08). 410 Worauf etwa seine Sichtvermerke schließen lassen.

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Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 255

ziehen sind, die ihn für das in Aussicht genommene Amt wenig geeignet erscheinen liessen.“411 Im Februar 1944 erklärte sich Muhs mit der Ernennung einverstanden, doch zuvor solle Cölle das Landeskirchenamt über die Personalmaßnahme informieren.412 Dies tat Cölle in einem Gespräch mit Schnelle am 23. Februar 1944. Als Schnelle ihn fragte, ob Doetsch denn der Kirche angehöre, erwiderte Cölle, „dass diese Frage die Fin[anz]Abt[eilun]g nicht interessiere. Sicher sei jedenfalls, dass er kein Gegner der Kirche oder des Christentums sei.“413 Schnelle hat sich mit dieser Auskunft offenbar zufrieden gegeben, er wollte es gar nicht genauer wissen – er mag gehofft haben, dass eventuell Hoffmeister ausscheiden würde, wenn mit Doetsch Ersatz vorhanden wäre. Cölle drängte nun auf eine rasche Umsetzung der Berufung, um vollendete Tatsachen zu schaffen und eine weitere Diskussion über die Personalie von vornherein zu unterbinden. Am 6. März 1944 erfolgte die Ernennung Doetschs vom Reichskirchenministerium.414 Die Berufung wurde auf Weisung Cölles jedoch nicht ins Kirchliche Amtsblatt aufgenommen, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu minimieren.415 Doetschs Aufgabe war es offenbar vor allem, die Präsenz der Finanzabteilung zu gewährleisten,416 besonders in Erscheinung getreten ist er nicht; es scheint auch weiterhin die „Hauptarbeitslast“ bei Lübbing gelegen zu haben.417

Cölle an Reichskirchenminister vom 16. 12. 1943 (BArch R 5101 / 23758, Bl. 424). Vgl. ebd., Bl. 426. Aktenvermerk Cölles vom 2. 3. 1944 (LkAH L 2 Nr. 240/08). BArch R 5101 / 23578, Bl. 432 f. Vgl. LKA an Öffentlichen Kläger vom 22. 7. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8752). Vgl. etwa Cölle an Doetsch vom 12. Januar 1945, wo er schreibt: „Im übrigen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie möglichst täglich kurz nach dem Rechten sehen würden und wenn irgend angängig dazu die frühen Morgenstunden wählten, damit das Gerede über den angeblich verspäteten Dienstbeginn aufhört.“ EZA 1/1608. Vgl. zum Vorwurf, die FA-Hilfsarbeiter wären nur selten im Landeskirchenamt anwesend gewesen auch das Gutachten Pilgers vom 14. 2. 1946 (LkAH B 1 Nr. 8752); außerdem die Unterlagen zu einem Disziplinarverfahren gegen einen ehemaligen FA-Mitarbeiter nach dem Krieg (LkAH B 13 Nr. 59). 417 Vgl. Untersuchungsbericht Brüels vom 11. Juni 1945 im Disziplinarverfahren gegen einen ehemaligen FA-Mitarbeiter (LkAH B 13 Nr. 59), wo er zu dem Ergebnis kommt, Doetsch habe sich nur gelegentlich um die Geschäfte der Finanzabteilung gekümmert. Vgl. auch Lübbing an LKA-Wolfenbüttel vom 23. 6. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8755).

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1.8. Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 1.8.1. Finanzabteilung und Judenverfolgung: Rassenantisemitismus und die Ausgrenzung von Christen jüdischer Herkunft Cölle versuchte, in der hannoverschen Landeskirche die nationalsozialistische Judenpolitik umzusetzen. Er tat dies als überzeugter Antisemit.418 Nicht nur seine praktische Tätigkeit lässt daran keinen Zweifel, auch Cölles Äußerungen sind an Deutlichkeit nicht zu überbieten: In einer Diskussion mit der Kirchenregierung über die Einrichtung von Kirchensteuersonderkonten hatte Cölle Verständnis für Personen geäußert, die mit der Begründung aus der Kirche austräten, dass die Kirche „in ihren Reihen Juden dulde und diese wie jedes andere Mitglied behandele […] Daraufhin erwiderte mir der Herr Landesbischof: Das könne er nicht für richtig halten. Die Juden hätten auch einen Heilsanspruch. Ich habe ihm erwidert“, so Cölle, „daß nach meiner persönlichen Meinung die Juden vernichtet werden müßten [sic] wo man nur könnte. Daraufhin richtete sich der Herr Landesbischof in seinem Sessel hoch auf und sagte: ,Herr Rechtsanwalt! dafür [sic] finden Sie aber weder im Alten noch im Neuen Testament eine Stütze!‘“419

So war Cölles Haltung in der „Judenfrage“ eine andere als diejenige der Kirchenleitung. Dort waren zwar der christliche Antijudaismus und eine „gesellschaftlich-kulturelle Judenfeindschaft“420 verbreitet und wurden auch von Marahrens vertreten. Doch Cölle war ein Anhänger des in der nationalsozialistischen Weltanschauung verankerten Rassenantisemitismus.421 Dementsprechend kam Cölle zu dem Schluss, von der Kirchenleitung würden „die Grundsätze des Völkischen Staates wie etwa in der Judenfrage abgelehnt und bekämpft.“422 Doch gerade in der „Judenfrage“, so meinte er, sollten „unter gar keinen Umständen Konzessionen gemacht werden […] An dieser Frage scheiden sich nun einmal die Geister.“423 1940 lehnte Cölle Oberlandeskirchenrat Niemann als neues FA-Mitglied unter anderem deshalb ab, weil Niemann 1933 den Boykott jüdischer Ge418 Sch•fer-Richter, Niemandsland, 205, spricht von „einem ausgewiesenen Antisemiten“, Rçhm / Thierfelder, Juden 4/1, 604 Anm. 97, von „Cölles radikalem Antisemitismus“. 419 Vermerk Cölles über eine Sitzung der hannoverschen Kirchenregierung vom 10. 11. 1939 (LkAS (03.06.02.) V 49). 420 Tçdt, Novemberverbrechen, 31. 421 Vgl. zu den Spielarten des Antisemitismus nur Benz, Antisemitismus, bes. 65 – 115; Friedl•nder, Juden, passim. 422 Cölle an Reichskirchenminister vom 16. 6. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 120 – 122, hier Bl. 122). 423 Cölle an den Vorsitzenden der FA-Baden vom 23. 5. 1939 (LkAKA GA Nr. 7065).

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schäfte unterlaufen und 1938 oder 1939 eine Jüdin als „nicht evangelische Volksgenossin“ bezeichnet habe. „Beide Vorgänge“, so Cölles Urteil, „dürften zeigen, dass Herr Oberlandeskirchenrat Niemann in dieser Frage die richtige Einstellung vermissen lässt.“424 Auch Marahrens erschien Cölle als Gegner der nationalsozialistischen Judenpolitik,425 obwohl der Landesbischof nicht öffentlich als solcher hervortrat. Ende 1938, wenige Wochen nach dem Novemberpogrom, fragte Cölle bei dem Reichskirchenminister an, ob nicht „die Judenfrage auch auf kirchlichem Gebiet in Angriff genommen werden soll“. Er beabsichtige, „eine Anordnung zu treffen, wonach jeder Geistliche und Kirchenbeamte, sei es der allgemeinen kirchlichen Verwaltung oder im Dienste der Gemeinden und Gesamtverbände, den Ariernachweis zu führen hat.“426 Da er von der Kirchenleitung keine Zustimmung erwarten konnte und ein eigenmächtiges Handeln wenig erfolgversprechend war, suchte er die für diesen Vorstoß nötige Unterstützung in Berlin.427 Das Reichskirchenministerium allerdings war an Cölles Unternehmen nicht interessiert und reagierte daher nicht auf dessen Schreiben. Auch der Leiter der Kirchenkanzlei ließ sich von Cölle nicht zum Erlass einer entsprechenden allgemeinen Regelung überreden.428 Auch wenn diese Vorstöße nicht fruchteten, so setzte die Finanzabteilung in Hannover 1939 immerhin durch, dass die theologischen Kandidaten einen „Ariernachweis“ beibringen mussten.429 Cölle plante ferner, jegliche Unterstützungen aus kirchlichem Vermögen oder aus Kollekten für Personen, „bei denen ein oder mehrere Großelternteile jüdisch sind“, für unzulässig zu erklären.430 Cölles Judenpolitik äußerte sich auch in konkreten Maßnahmen gegen Pfarrer jüdischer Herkunft. Den beiden ohne FA-Zutun zur Ruhe gesetzten Pastoren jüdischer Herkunft Bruno Benfey und Paul Leo431 musste die Finanzabteilung zu Cölles Leidwesen zunächst gesetzlich ihre vollen Ruhestandsbezüge leisten.432 Erst die Emigration der beiden Pastoren bot den Cölle an Reichskirchenminister vom 1. 8. 1940 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 467). Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 16. 6. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 120 – 122). Schreiben vom 3. 12. 1938 (EZA 1/1321). Vgl. seine Schreiben an den Reichskirchenminister vom 3. 12. 1938 und vom 8. 2. 1939 (ebd.). Vgl. Cölle an Werner vom 23. 2. 1939 (ebd.). Vgl. Lindemann, Typisch, 546 f.; Rundbrief Feldmanns vom 16. 4. 1939 (LkAH S 1 H I 1033, Bl. 9). 430 Cölle an LKAvom 12. 6. 1939 (EZA 1/1602). Der Text ist im Amtsblatt jedoch aus unbekannten Gründen nicht erschienen. 431 Benfey war schon zum 1. Juni 1937, Leo zum 1. August 1938 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Grundlage hierfür war eine „Verordnung über die Versetzung eines Geistlichen in den einstweiligen Ruhestand“ vom 6. März 1937, nach der ein Geistlicher in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden konnte, wenn eine „gedeihliche Fortführung des Pfarrdienstes in seiner Gemeinde nicht möglich ist“ und auch eine Versetzung nicht durchführbar erscheine (KABl., 1937, 25 f.). 432 Die Pensionszahlungen an Leo waren öffentlich bekannt geworden und hatten mehrere 424 425 426 427 428 429

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Vorwand, die Pensionszahlungen einzustellen. Doch Cölle hatte auch festgestellt, dass noch ein „halbjüdischer“ Pfarrer, Pastor Rudolf Gurland, in der hannoverschen Landeskirche tätig war.433 Obwohl es noch keine Beschwerden gegen Gurland gegeben habe, so wandte sich Cölle an den Reichskirchenminister, „halte ich es doch bei der jetzt allgemein zum Durchbruch gelangten Auffassung in der Judenfrage für nicht tragbar, daß ein halbjüdischer Geistlicher durch seine Tätigkeit den mit dem Pfarramt verbundenen weitgehenden Einfluß auf seine Gemeinde nimmt. Noch viel weniger scheint es mir tragbar zu sein, daß ein Halbjude deutschen Kindern Religionsunterricht oder Konfirmandenunterricht erteilt.“

Außerdem befürchtete Cölle, der Fall könne, wenn er allgemein bekannt würde, zu schweren Vorwürfen gegenüber der Finanzabteilung führen, weil sie „einen solchen Zustand“ geduldet habe. Für ein Eingreifen brauchte Cölle jedoch eine Anweisung des Reichskirchenministers, da dieser „Einzelaktionen in der Judenfrage“ nicht wünschte. Anders als die Kirchenleitung, die bisher immer erst dann eingegriffen hatte, nachdem „es zu anscheinend unlösbaren Konflikten zwischen“434 den Pastoren jüdischer Herkunft und ihren Gemeinden oder lokalen politischen Stellen gekommen war, wollte Cölle bereits gegen Gurland vorgehen, bevor es ernste Auseinandersetzungen gegeben hatte.435 Marahrens und Stalmann hielten einen Widerstand gegen die Finanzabteilung im Fall Gurland offenbar nicht für aussichtsreich; er wurde am 1. Juni 1939 in den einstweiligen Ruhestand versetzt – das Gleiche galt auch für Gustav Oehlert (ein anderer, ebenfalls „halbjüdischer“ Pastor der hannoverschen Landeskirche),436 auf den Cölle in der Zwischenzeit aufmerksam geworden war. Cölle war an der Zurruhesetzung der Pastoren jüdischer Herkunft nur zum Teil beteiligt, insbesondere bei Gurland lässt sich jedoch sein Einfluss nachweisen. Ein stärkerer Druck der Finanzabteilung war offenbar gar nicht notwendig, weil die Kirchenleitung sich als sehr nachgiebig gegenüber den Erwartungen des Reichskirchenministeriums, der Finanzabteilung und der örtlichen Parteistellen erwies.437

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Hetzartikel im „Schwarzen Korps“ zur Folge. Es ergab sich die paradoxe Situation, dass Cölle die Zahlungen gegen die Angriffe verteidigen musste, während er gleichzeitig nach einem Weg suchte, sie einstellen zu können. Vgl. zu der Angelegenheit: Lindemann, Typisch, 564 – 570; Brandy, Pastoren, 407 – 411; Gundlach, Brunotte, 275 – 278; Rçhm, Juden 3/1, 343 f.; außerdem LkAH S 1 H II 523; EZA 1/1321. Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 8. 2. 1939 (EZA 1/1321), daraus auch die folgenden Zitate. Lindemann, Typisch, 540. Vgl. ebd. zu den unterschiedlichen Haltungen. Oehlert war Pastor in Rinteln, das 1937 von der Landeskirche Kurhessen-Waldeck nach Hannover gekommen war. Vgl. zu den Aktivitäten der Finanzabteilung bezüglich der Pastoren jüdischer Herkunft: Ebd., bes. 538 – 541, 588 – 592, 596 – 599; Klìgel, Landeskirche, 492 – 496; Lindemann, Christen,

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Nicht nur die Pastoren jüdischer Herkunft wollte Cölle aus ihren Ämtern entfernen, sondern die Christen jüdischer Herkunft generell aus der Kirche ausschließen. Er meinte: „Angesichts des Verhaltens von Juden verstößt jede Gemeinschaft und jede nicht vom Staate besonders angeordnete Betreuung von Juden gegen das gesunde Volksempfinden“438. Als im Februar 1939 einige DC-Landeskirchen Regelungen zum Ausschluss von Christen jüdischer Herkunft erließen, wurde die Thematik auch in der hannoverschen Landeskirche diskutiert, ohne allerdings Konsequenzen nach sich zu ziehen.439 Erst 1941 wurde die Frage wieder aktuell: Am 22. Dezember 1941 forderte die Kirchenkanzlei die obersten landeskirchlichen Behörden auf, „geeignete Vorkehrungen zu treffen, daß die getauften Nichtarier dem kirchlichen Leben der deutschen Gemeinde fernbleiben“440 ; die Betroffenen sollten nach Möglichkeit eigene Gemeinden bilden. Das Schreiben war im Einvernehmen mit dem Geistlichen Vertrauensrat erstellt worden und wurde unter dem 17. Januar 1942 vom Landeskirchenamt, unterzeichnet von Schnelle, an die Superintendenten weitergeleitet, „mit dem Ersuchen, den aufgestellten Grundsatz zu beachten.“441 In der Folge distanzierten sich selbst die LKA-Mitglieder (mit einem „Entrüstungssturm“442) von diesem Rundversand, der entgegen den Gepflogenheiten nicht LKA-intern abgesprochen war. Die LKA-Mitglieder, so teilte Schnelle Cölle mit, seien „auf keinen Fall gewillt, mehr als geschehen zu tun und würden sich, jedenfalls die Geistlichen, nicht entschließen, die Juden aus der Kirche zu entfernen.“443 Es kam in der hannoverschen Landeskirche so letztendlich nicht zur Umsetzung des Schreibens.444 Cölle aber hatte seine eigenen Konsequenzen aus den Debatten um den Ausschluss der Christen jüdischer Herkunft gezogen. Er beschloss, von (getauften) Juden – definiert nach den staatlichen Gesetzen –, „die bisher in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover steuerpflichtig waren, […] keine Kirchensteuer mehr zu erheben, da Juden nicht als Mitglieder der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover als Körperschaft des öf-

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bes. 363; Brandy, Pastoren, 378 – 381, 409 – 411; Bitter, Kirche, 284 – 288; Hermle, Bischöfe, 285; Lindemann, Geschichtspolitik, 532 Anm. 97. Cölle an den Gemeindeführer der St. Stephanie-Gemeinde in Bremen vom 3. 3. 1942 (zit. nach Koch, Deportation, 78). Vgl. auch ebd., 75 – 78. Vgl. Lindemann, Typisch, 541 – 554; Gundlach, Brunotte, 246 – 257; Hermle, Bischöfe, 298 f.; Klìgel, Landeskirche, 497; auch, allerdings apologetisch, Brunotte, Kirchenmitgliedschaft, 155 – 160. KJ, 461. LkAH S 1 H II 523, Bl. 18. Cölle an Reichskirchenminister vom 14. 2. 1942 (BArch R 5101 / 23446, Bl. 252 f., Zitat Bl. 252). Ebd. Vgl. zu dem ganzen Vorgang: Lindemann, Typisch, 641 – 658; Melzer, Vertrauensrat, 262 – 269; Gundlach, Brunotte, 264 – 270; Klìgel, Landeskirche, 497 f.; Rçhm, Juden 4/1, 102 – 119; Sch•fer-Richter, Niemandsland, 298 – 308; Hermle, Bischöfe, 300 – 302; Ders., NSPolitik, 187 f.; Lindemann, Hermannsburger Mission, 52 f.

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fentlichen Rechts angesehen werden können.“445 Da Cölle nicht erwartete, „daß die zuständigen kirchlichen Stellen ein derartiges Gesetz erlassen werden“446, machte er es selbst – in Form einer rechtsverbindlichen Anordnung. Das Reichskirchenministerium erteilte seine Zustimmung.447 Cölle hatte damit in eigener Regie den Christen jüdischer Herkunft ihre Kirchenmitgliedschaft abgesprochen (wenn auch ausweichend formuliert). Dies ging dem Landeskirchenamt zu weit. Schnelle, der mit Cölle über die Anordnung verhandelte, war der Auffassung, dass die Finanzabteilung keine Bestimmung über die Kirchenmitgliedschaft treffen könne. Den sonstigen Inhalt der Anordnung stellte er indes nicht in Frage. Schnelle nannte Cölle in einem Gespräch gleich mehrere Varianten, wie der Erlass der Anordnung aus Sicht des LKA-Kollegs möglich sei: Ohne Begründung („Damit würde das Landeskirchenamt gern einverstanden sein“448), herausgegeben in der IchForm vom Leiter der Finanzabteilung oder so formuliert, dass die Landeskirche aus dem Spiel bleibe (etwa, dass „Juden nicht als Mitglieder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts angesehen werden können“). Cölle berief sich in dem Gespräch mit Schnelle darauf, Marahrens habe als GVRMitglied das Schreiben der Kirchenkanzlei doch mitgetragen. „Herr Präsident Schnelle erwiderte,“ so Cölle, „dass diese Stellungnahme von Marahrens schon zu grossen Schwierigkeiten geführt hätte und dass Landesbischof Marahrens sich unter keinen Umständen dazu entschliessen würde, die Mitgliedschaft der Juden-Christen in der Kirche aufzuheben.“ Cölle fuhr in seinem Bericht fort: „Ich habe Herrn Präsidenten Schnelle noch darauf hingewiesen, dass mich sehr befremden müsste, dass das Landeskirchenamt oder sonstige Organe der Kirche noch immer nicht begriffen hätten, dass die Juden auszumerzen seien. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass die Auffassung des Landeskirchenamts sich in ihrer Tendenz gegen die Grundsätze und Grundlagen des völkischen Staats richte. Daraufhin gab Herr Präsident, wie bei solchen Besprechungen üblich, zu erkennen, dass er persönlich selbstverständlich meiner Meinung sei. Aber er könne gegen das Landeskirchenamt nichts ausrichten, und auch der Landesbischof Marahrens werde, wie erwähnt, sich nicht zu einem Ausschluss der Juden entschliessen.“

Auch wenn die Konzessionsbereitschaft Schnelles und des Landeskirchenamts kaum Grenzen kannte, blieb Cölle bei seinem Anordnungswortlaut. Muhs sah zu einer Änderung ebenso wenig Anlass,449 wenngleich Cölle zu bedenken gab, 445 Die Anordnung datiert auf den 9. Januar 1942 und wurde am 9. März des Jahres im Kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht (KABl., 1942, 21). Eine wortgleiche Anordnung veranlasste Cölle auch für die Bremer Landeskirche, siehe den Vorgang in BArch R 5101 / 23795, Bl. 161 – 163. 446 Cölle an Reichskirchenminister vom 9. 1. 1942 (BArch R 5101 / 23446, Bl. 245). 447 Mit Schreiben vom 27. 1. 1942 (ebd., Bl. 247). 448 So Schnelle laut Cölle an Reichskirchenminister vom 14. 2. 1942 (ebd., Bl. 252 f.), daraus dieses und die folgenden Zitate. 449 Vgl. Muhs an Cölle vom 25. 2. 1942 (ebd., Bl. 255).

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„dass insbesondere der Landesbischof Marahrens diese Angelegenheit zu benutzen versuchen würde [sic] zu behaupten, dass der Staat sich in innerkirchliche Angelegenheiten einmische.“450 Cölle war wiederholt bemüht, dem Eisenacher „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ Unterstützungen aus Geldern der Landeskirche zukommen zu lassen.451 In dem Haushaltsentwurf für das Rechnungsjahr 1939 stellte er 5000 RM für „wissenschaftliche Forschung“ bereit, versehen mit dem ausdrücklichen Zusatz, daraus solle ein Beitrag für das Eisenacher Institut entnommen werden.452 In seiner Erläuterung zu dem Haushaltsentwurf für den Reichskirchenminister meinte er, eine Unterstützung des „Entjudungsinstituts“ sei „dringend geboten […], da diese Probleme nun wirklich in Angriff genommen werden müssen.“453 Zu einer Zahlung an das Institut kam es dennoch nicht, da hierzu die Zustimmung der Kirchenregierung notwendig gewesen wäre. Diese aber sträubte sich und brauchte dabei zunächst keinen Druck aus Berlin zu fürchten. Reichskirchenminister Kerrl nämlich stand dem Institut zunächst ablehnend gegenüber.454 Mit dem Haushaltsentwurf von Anfang Februar 1940 wiederholte sich das Prozedere.455 Kurz zuvor, am 26. Januar 1940, hatte Kerrl zwar erklärt, er habe nichts gegen landeskirchliche Zahlungen an das „Entjudungsinstitut“ einzuwenden, er werde den Finanzabteilungen jedoch keine entsprechende Weisung erteilen.456 Am 11. Juli 1940 folgte eine endgültige Regelung der Frage durch das Reichskirchenministerium:457 Zahlungen an das Institut konnten demnach nur geleistet werden, wenn zwischen Finanzabteilung und Kirchenbehörde darüber Einvernehmen herrsche – dies war in Hannover eindeutig nicht gegeben. Cölle erreichte später immerhin, dass Kerrl ihm gestattete, Vortragsveranstaltungen finanziell zu unterstützen, die das „Entju-

450 Cölle an Reichskirchenminister vom 14. 2. 1942 (ebd., Bl. 252 f., Zitat Bl. 253). Vgl. zur Kirchensteuerangelegenheit insgesamt: Otte, Kirchensteuer, 261 f.; Lindemann, Typisch, 647 f.; Ders., Volkskirche, 123 f.; Ders., Antijudaismus, 583 f.; Ders., Diskriminierung, 62 f.; Dokumente V, 376 – 380. 451 Vgl. zur Finanzierung des „Entjudungsinstituts“ allgemein: Arnhold, Kirche II, 493 – 515; Heschel, Jesus, 94 – 98; Dies., Theologen, 146 – 148. 452 Vgl. den Haushaltsentwurf (LkAH S 1 H II 111, Bl. 50 – 70, hier Bl. 67 f.). 453 Schreiben vom 26. 4. 1939 (HStAH Hann. 180 Hannover e2 Nr. 2). 454 Vgl. Arnhold, Kirche I, bes. 449 f. 455 Vgl. das Schreiben der Kirchenregierung an die Finanzabteilung vom 29. März 1940, in dem sie Cölle auffordert, den Vermerk, Beiträge an das „Entjudungsinstitut“ leisten zu wollen, aus dem Haushaltsentwurf zu streichen (LkAH B 1 Nr. 7410); und das Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 8. 2. 1940 (LkAH S 1 H II 111, Bl. 174). 456 Vgl. Sitzung der DC-Kirchenleiter vom 7. 2. 1940 (EZA 1/1269); auch Lindemann, Typisch, 276; Arnhold, Kirche II, 506. 457 LkAW S 1647.

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dungsinstitut“ in der hannoverschen Landeskirche abhielt. So konnten den teilnehmenden hannoverschen Pastoren ihre Reisekosten erstattet werden.458 Doch Cölle wollte mehr. Er wollte auch direkte Unterstützungen an das Institut leisten – dazu musste die aktuelle Regelung fallen. Cölle argumentierte: „Wenn die Förderung vernünftiger und notwendiger Einrichtungen an die Zustimmung kirchlicher Organe geknüpft wird, wird eine Unterstützung nicht möglich sein, da gerade alle die Kirchen, die zum sog. Lutherrat gehörden [sic] oder [sich] zur sog. Kirchenführerkonferenz rechnen, auf dem Boden der Bekenntnisfront stehen und daher nicht bereit sind, die Judenfrage im Sinne des nationalsozialistischen völkischen Staates zu klären oder gar zu regeln.“459

Im Juli 1942 brachte Cölle die Frage auf die Agenda der hannoverschen Schlichtungsgespräche, da Landeskirchenamt und Kirchenregierung die Ausschüttung der von ihm eingestellten Haushaltsmittel verhindern würden.460 Bei den Gesprächen, so hielt Haugg fest, äußerten Landeskirchenamt und Kirchenregierung „weitgehende Bedenken gegen die Arbeit des Instituts, die umgekehrt von mir als wünschenswert und als im wohlverstandenen Interesse der Kirche liegend bezeichnet wurde.“461 Im Ergebnis sollten für einzelne wissenschaftliche Arbeiten des Instituts Haushaltsmittel aus Hannover bereitgestellt werden. Landesbischof Marahrens gab daraufhin jedoch zunächst ein Gutachten über die Tätigkeit des Instituts in Auftrag. Dieses sah Zahlungen an das Institut kritisch.462 So blieben der Landesbischof und mit ihm die Kirchenleitung entgegen dem im Schlichtungsgespräch ausgehandelten Kompromiss bei ihrer Haltung, Zahlungen an das Eisenacher Institut abzulehnen. Cölle gelang es zu keinem Zeitpunkt, dem Institut Gelder der hannoverschen Landeskirche zukommen zu lassen.463

1.8.2. Finanzabteilung und Deutsche Christen: Kirchenpolitische und finanzielle Förderung Die Unterstützung der Deutschen Christen in der hannoverschen Landeskirche war eines der Hauptaktionsfelder der Finanzabteilung. Vor allem ging es ihr um die Minderheitenversorgung und die finanzielle Förderung. Zunächst zur Minderheitenversorgung: In der hannoverschen Landeskir458 459 460 461 462

Vgl. KABl., 1941, 15; auch Lindemann, Typisch, 279; Heschel, Deutsche Theologen, 78. Cölle an Reichskirchenminister vom 18. 6. 1942 (LkAW S 1647). Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 17. 7. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 102). Reisebericht Hauggs vom 2. 8. 1942 (ebd., Bl. 114 – 117, Zitat Bl. 115). Das Gutachten findet sich in LkAH S 1 H II 523, Bl. 26 – 28. Vgl. dazu auch Lindemann, Typisch, 279 f.; Schyga, Kirche, 258 f. 463 Vgl. zum Ganzen: Lindemann, Typisch, 275 – 280; Klìgel, Landeskirche, 464; ferner Lindemann, Antijudaismus, 606.

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 263

che bildete Paragraph 8 der Kirchengemeindeordnung vom 20. Dezember 1922 die Grundlage für die Versorgung kirchlicher Minderheiten.464 Im September 1935 hatte das Landeskirchenamt die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen geändert, um den Ansprüchen der Deutschen Christen begegnen zu können.465 Beschwerden in der Minderheitenversorgung wurden ab 1936 der Kirchenregierung zur Entscheidung vorgelegt. Für die Kirchenregierung waren vor allem drei Punkte maßgebend, wenn es darum ging, Anträge auf Überlassung kirchlicher Räumlichkeiten für Minderheitengottesdienste zu beurteilen: Es musste tatsächlich eine größere Anzahl von Gemeindemitgliedern dies wünschen (hierbei sei aber „weitherzig“466 zu verfahren) und der Antrag aus der Gemeinde selbst kommen, es mussten landeskirchliche Geistliche den Gottesdienst entsprechend der landeskirchlichen Ordnung durchführen und dieser durfte nicht zur Hauptgottesdienstzeit stattfinden.467 In den meisten Fällen wurden DC-Anträge auf Überlassung von kirchlichen Räumlichkeiten von der Kirchenregierung genehmigt.468 Diese war „je länger desto mehr geneigt, darauf hinzuwirken, daß ,Kirchen und Gemeindehäuser für Gottesdienstfeiern [scil. der Deutschen Christen] – außerhalb der normalen Gottesdienstzeit – zur Verfügung gestellt‘ würden.“469 Mit Muhs’ Erlass vom 3. September 1938 wurde die Finanzabteilung in die Minderheitenversorgung eingeschaltet.470 Es wurde ihr zur Aufgabe gemacht, die Maßnahmen der Kirchenleitung zur Minderheitenversorgung zu überwachen, notfalls aber auch selbst entsprechende Regelungen zu treffen. Cölle hatte auf diese Ermächtigung hingewirkt. Er hatte kurz zuvor das Ministerium um eine Klärung der Zuständigkeiten in dieser Frage gebeten, da „nur dann einigermaßen geordnete kirchliche Verhältnisse geschaffen werden können, wenn die Verfügung über die kirchlichen Gebäude der Finanzabteilung zusteht“, 464 465 466 467

Ebers, Kirchenrecht, 48. KABl., 1935, 147 f. Schnelle an den Superintendenten von Norden vom 16. 2. 1940 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 47). Vgl. besonders die Darlegung der Minderheitenpraxis in Hannover, die als zweite Anlage einem Schreiben von Marahrens an die DEKK vom 29. 1. 1940 beilag (LkAH S 1 H II 113, Bl. 219 – 223); ansonsten Kirchenregierung an den Superintendenten von Norden vom 16. 3. 1939 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 30); Kirchenregierung an Bekenntnisgemeinschaft vom 28. 3. 1939 (LkAH S 1 H II 113, Bl. 199); Cölle an Marahrens vom 13. 12. 1939 (LkAW FinAbt 3); Schnelle an den Superintendenten von Norden vom 16. 2. 1940 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 47); Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 22. 2. 1940 (LkAH S 1 H II 111, Bl. 176 f., hier Bl. 177). 468 Marahrens vertrat auch auf der Sitzung der Kirchenregierung vom 7. Dezember 1939 in Anwesenheit Cölles die Auffassung, Anträge auf Minderheitenversorgung seien „grosszügig und entgegenkommend zu behandeln“. Cölle an Marahrens vom 13. 12. 1939 (LkAW FinAbt 3). Eine amtliche Verlautbarung in diesem Sinne, wie sie Cölle gefordert hatte, war Marahrens indes nicht bereit abzugeben (vgl. ebd.). 469 Klìgel, Landeskirche, 352. Vgl. insgesamt zur hannoverschen Regelung in der Minderheitenversorgung: Ebd., 162 f., 351 f.; Delbanco, Kirchenkampf, 108 f. 470 HStAH Hann. 122a Nr. 3619, Bl. 193 – 195 (Dokumente IV, 228 f.). Siehe auch oben 107 f.

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auch wenn er sich bewusst sei, „daß in der Frage über die Verfügung über kirchliche Gebäude die Grenze zwischen vermögensrechtlichen und kultischen Angelegenheiten flüssig sein wird“471.

Erstmals trat Cölle im März 1939 mit einer Minderheitenregelung in eigener Regie auf472 – gleich mit einem Ultimatum: Die DC-Ortsgemeinde in Norden hatte die Überlassung der dortigen lutherischen Kirche für ihre Konfirmationsfeier beantragt. Cölle setzte am 1. März 1939 dem Kirchenvorstand eine dreitägige Frist, dem zuzustimmen, ansonsten werde er diese Raumfrage entsprechend seiner vom Reichskirchenministerium erteilten Ermächtigung regeln.473 Der Kirchenvorstand wandte sich wegen der allgemeinen Bedeutung dieses neuen FA-Vorgehens an die Kirchenregierung. Diese aber reagierte nicht rechtzeitig; der Kirchenvorstand entschied, der Regelung nicht zuzustimmen, denn die Deutschen Christen wollten die Konfirmation unter der Mitwirkung von Pastor Heinrich Meyer aus Aurich abhalten, der aber im Rahmen eines Dienststrafverfahrens vorläufig aus dem Dienst entlassen war.474 Cölle erwirkte daraufhin beim Regierungspräsidenten die Vollstreckbarkeit für seine Verfügung vom 1. März 1939, legte am 15. März 1939 die Details für die Überlassung der Kirche an die Deutschen Christen fest und beauftragte einen Bevollmächtigten mit der Durchführung seiner Anordnung.475 Ein ähnliches Vorgehen, bei dem es zunächst einmal nur um die Überlassung von Kirchen für DC-Konfirmationen ging, exerzierte Cölle zu jener Zeit in weiteren Kirchengemeinden durch.476 Für den Gesamtverband Hildesheim traf Cölle am 24. März 1939 eine darüber hinausgehende Regelung:477 Die Markgemeinde der Nationalkirchlichen Deutschen Christen sollte zukünftig regelmäßig die Andreaskirche in Hildesheim (oder sonstige kirchliche Räumlichkeiten) zur Verfügung gestellt 471 Cölle an Reichskirchenminister vom 24. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 143 f.). 472 Zuvor hatte er sich auf die Anmahnung von Schwierigkeiten in der Minderheitenversorgung beschränkt, vgl. Protokolle von Sitzungen der Kirchenregierung am Jahresende 1938 (LkAH S 1 H II 111, Bl. 111, 114); Cölle an Bosse und Rose vom 23. 9. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 271 – 273). 473 Vgl. Cölle an KV Norden vom 1. 3. 1939 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 25). 474 Erst am 29. November 1939 fiel das gegen Meyer seit 1936 laufende Dienststrafverfahren einer durch den Kriegsanfang bedingten Amnestie anheim (aufgrund der „Verordnung über die Gewährung von Straffreiheit“ der DEKK vom 9. 10. 1939, GBlDEK, 1939, 112 f.). Meyer fühlte sich jedoch auch danach in Aurich nur für die 1936 gegründete DC-Gemeinde zuständig. Vgl. zum Ganzen: LkAH L 5i Nr. 159; Delbanco, Kirchenkampf, 84 – 97, 109; Klìgel, Landeskirche, 277; Meier, Kirchenkampf II, 282; außerdem LkAH B 6 Nr. 7, zur Gehaltsfortzahlung an Meyer. 475 Die Anordnung findet sich in LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 105. 476 Am 15. März 1939 erging ein mit Norden vergleichbarer FA-Beschluss für die Kirchengemeinde Ardorf (LkAH S 1 H II 113, Bl. 198); vgl. auch Klìgel, Landeskirche, 459. In weiteren Gemeinden scheint es ähnliche Vorgänge gegeben zu haben, vgl. Bekenntnisgemeinschaft an Kirchenregierung vom 16. 5. 1939 (LkAH S 1 H II 113, Bl. 203); Rundschreiben der Bekenntnisgemeinschaft vom 27. 4. 1939 (LkAH K:A 671); Delbanco, Kirchenkampf, 117. 477 LkAH S 1 H I 959, Bl. 3.

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bekommen. Es wurde ein Bevollmächtigter eingesetzt, ein Ortsgruppenleiter der NSDAP, der mit der praktischen Ausführung beauftragt wurde. Damit war jedoch nur der Anfang gemacht. Im Herbst 1939 berichtete Cölle dem Reichskirchenminister von 22 Kirchengemeinden, in denen eine Minderheitenregelung besonders dringlich sei.478 Cölle fühlte sich zunehmend für die Minderheitenversorgung der Deutschen Christen zuständig und ergriff hierbei auch immer weitgehendere Maßnahmen. Einige Beispiele verdeutlichen die Eskalation: Am 15. März 1941 verfügte Cölle, dass den Deutschen Christen in Leer an jedem vierten Sonntag die Kirche für eine „Gottesfeier“ zur Verfügung zu stellen sei479 – allerdings nicht zur Hauptgottesdienstzeit –, am 14. Mai 1941 ergänzte er diese Regelung um einige Feiertage.480 Am 2. Juni 1942 bestimmte Cölle, dass den Nationalkirchlichen Deutschen Christen in Norden die Kirche einmal monatlich zur Hauptgottesdienstzeit für eine „Gottesfeier“ zur Verfügung zu stellen sei.481 Am 7. Mai 1942 hatte Cölle ein Gleiches für Aurich verfügt; die Deutschen Christen sollten hier die Kirche außerdem an jedem zweiten Festtag hoher kirchlicher Feiern zur Hauptgottesdienstzeit nutzen können.482 Das Landeskirchenamt und die Kirchenregierung, die den Gemeinden stets zu einer großzügigen Handhabung der Minderheitenversorgung geraten hatten, mussten erleben, dass Cölle auch dort Anweisungen traf, wo sie selbst eine Minderheitenregelung vorgeschlagen hatten, die der Finanzabteilung aber nicht ausreichte.483 Solch ein Vorgehen war selbst bei großzügiger Auslegung des Erlasses vom 3. September 1938 zweifelhaft, denn die Grundsatz478 Marahrens überprüfte die Angaben Cölles und kam zu dem Ergebnis, in den meisten Fällen hätten die Gemeinden gar keinen Antrag auf Überlassung der Kirchen gestellt, in weiteren Fällen würde die Kirche bereits den Deutschen Christen überlassen, in zwei Fällen würde noch verhandelt und nur in einem Fall sei ein Antrag abgelehnt worden. Cölles Eingabe bezwecke daher offensichtlich lediglich den Zweck, „das örtlich nur vereinzelt anzutreffende und dann zumeist noch künstlich erweckte Interesse [an] DC-Gottesdienste[n] grösser erscheinen zu lassen, als es in Wirklichkeit ist.“ Nur selten kämen die Anträge wirklich aus den Gemeinden heraus, häufig würden sie von außen hereingetragen; manchmal würden sogar dort, wo bereits ein DC-Pastor amtiere, Anträge gestellt. Marahrens an DEKK vom 29. 1. 1940 (LkAH S 1 H II 113, Bl. 206 – 209, Zitat Bl. 207). Vgl. auch die dazugehörigen Anlagen in LkAH L 5i Nr. 148/3 bzw. LkAH S 1 H II 113, Bl. 219 – 223 (jeweils eine Anlage). Der Vorgang findet sich auch in EZA 1/1376. Vgl. auch Klìgel, Landeskirche, 484 – 486. 479 LkAH S 1 H III 1011b, Bl. 120. 480 Vgl. LKA an Reichskirchenminister vom 28. 5. 1941 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 67). Vgl. zur DC-Gemeinde Leer auch Wessels, Ostfriesland, hier bes. 190. 481 LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 71. Im Juli 1942 verfügte Cölle eine ähnliche Änderung für Leer und legte die dortige DC-„Gottesfeier“ ebenfalls auf die Zeit des Hauptgottesdienstes. Vgl. LKA an FA-Hannover vom 3. 10. 1944 (LkAH L 2 Nr. 3b). Die Deutschen Christen Leer hatten die Zeitänderung zuvor vergeblich beim Landeskirchenamt gefordert, vgl. den Schriftwechsel in LkAH S 1 H III 1011b, Bl. 126 f. 482 Vgl. Kirchenregierung an Reichskirchenministerium vom 23. 5. 1942 (EZA 1/1635); LKA an Kirchenregierung vom 14. 5. 1942 (LkAH L 5i Nr. 158/3). 483 Vgl. LKA an Reichskirchenminister vom 28. 5. 1941 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 67).

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kompetenz zur Minderheitenregelung lag nach wie vor bei der Kirchenregierung. Doch deren Maßgaben betrachtet Cölle als für die Finanzabteilung nicht verbindlich.484 Cölle erlaubte es den DC-Gemeinden oder Ortsgruppen stets, die Geistlichen für ihre „Gottesfeiern“ völlig frei zu wählen, auch wurden die „Gottesfeiern“ nicht der landeskirchlichen Ordnung entsprechend ausgerichtet – sämtliche Vorgaben der Kirchenregierung in der Minderheitenversorgung wurden damit missachtet. Cölle hatte ausdrücklich erklärt, einziges Kriterium bei der Genehmigung einer Minderheitenversorgung sei für ihn, dass ein Geistlicher, gleich welcher Couleur und woher stammend, die „Gottesfeier“ abhalten müsse, es könnten hingegen „nicht die Einhaltung einer Gottesdienstordnung oder Vorschriften der Agende verlangt werden, wenn die Minderheit gerade aus kultischen Gründen diese landeskirchlichen Vorschriften ablehnt.“485 Zur Durchführung der FA-Anordnungen wurde jeweils ein Bevollmächtigter der Finanzabteilung bestimmt, der die Kirche zum gegebenen Zeitpunkt „in Besitz zu nehmen“486 hatte; in der Regel ein DCFunktionär. Ein bemerkenswerter Fall ereignete sich in Bad Lauterberg. Cölle beauftragte am 30. April 1942 die Landesgemeinde Hannover der Deutschen Christen mit der dortigen Minderheitenversorgung und überließ sie ihr in eigener Regie. Damit hatte er der Landesgemeinde kurzerhand kirchenleitende Funktionen übertragen – das Landeskirchenamt akzeptierte das Vorgehen dennoch, lehnte aber für die künftige geistliche Versorgung der deutsch-christlichen Gemeindeglieder in Bad Lauterberg jegliche Verantwortung ab.487 Eine ähnliche Variante der Minderheitenregelung schwebte Cölle 1944 als generelle Lösung des Problems vor. Er schlug vor, landeskirchliche DC-Pastoren, die dann im Auftrag der Landesgemeinde der Deutschen Christen tätig werden sollten, für die Minderheitenversorgung freizustellen. Die finanzielle Absicherung aus landeskirchlichen Mitteln wollte Cölle besorgen.488 Nach diesem Modell sollte etwa Pastor Nordhausen die Minderheitenversorgung in Hannover und Umgebung übernehmen. Das Landeskirchenamt wies den Vorschlag jedoch entschieden zurück. Davor, Nordhausen eigenmächtig mit einem entsprechenden Auftrag zu versehen, schreckte Cölle zurück. Zu eklatant wäre der Eingriff in Kultusangelegenheiten gewesen. Ähnlich gelagert war der Fall des bekannten DC-Geistlichen Ernst Stöckmann. Nach Cölles Vorstellungen sollte dieser 1944 von der Kirchenleitung mit der Minderhei-

484 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 8. 6. 1939 (BArch R 5101 / 23446, Bl. 13). 485 Cölle an LKA vom 7. 4. 1942 (EZA 1/1376). 486 Anordnung Cölles vom 2. 6. 1942 wegen der Kirchengemeinde Norden (LkAH S 1 H II 1002 f, Bl. 71). 487 Vgl. zum Vorgang: BArch R 5101 / 23219, Bl. 105 – 109. 488 Vgl. Cölle an Nordhausen vom 7. 6. 1944 (BArch R 5101 / 23985, Bl. 5).

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tenversorgung in Hannoversch Münden betraut werden. Der Plan scheiterte jedoch offenbar an den Bedenken des Landesbischofs.489 Den von Cölles Minderheitenregelungen betroffenen Gemeinden war gemeinsam, dass sie heftig gegen die FA-Maßnahmen protestierten.490 Wie sich herausstellte, hatten sie ebenfalls gemein, dass ihre deutsch-christliche Minderheit zumeist nur aus einer kleinen, weiter schwindenden Gruppe bestand, zugunsten derer die „normale“ Ortsgemeinde meist einmal im Monat, ab 1942 häufig zur Hauptgottesdienstzeit, auf ihr Gotteshaus verzichten musste. Cölles Minderheitenpolitik sorgte so für starke Verstimmungen in der hannoverschen Landeskirche. Die Unzufriedenheit wurde auch an das Landeskirchenamt getragen, das sich vergeblich um Abhilfe bemühte.491 Cölle verschärfte dessen ungeachtet in der ersten Jahreshälfte 1942 seine Maßnahmen – zu dieser Zeit war das Verhältnis Kirchenleitung-Finanzabteilung auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. In dem Schlichtungsgespräch vom Juli 1942 stand daher auch die Minderheitenfrage zur Diskussion, welche Marahrens als „besonders schweres Ärgernis“492 bezeichnete. Das Ergebnis war bescheiden: Die Zahl der „Gottesfeiern“ zur Hauptgottesdienstzeit sollte etwas reduziert werden, außerdem sollten die Besuchszahlen von „Gottesfeiern“ und Gottesdiensten verglichen werden.493 Praktisch wurde an der Situation nichts geändert, denn das Reichskirchenministerium billigte die Unterstützung der Deutschen Christen – Haugg meinte, „daß man den DC aus Toleranz möglichst weit entgegenkommen sollte.“494 Das Landeskirchenamt sah sich daher genötigt, Anfang 1943 seine Bedenken abermals vorzutragen. Cölles Maßnahmen seien ein „unmittelbarer Eingriff in den Kultus“495 der Landeskirche, wenn, wie in Aurich, Leer und Norden, den Nationalkirchlichen Deutschen Christen die Kirchen zur Hauptgottesdienstzeit zur Verfügung gestellt würden, damit sie dort „Gottesfeiern“ entgegen der landeskirchlichen Ordnung mit zum Teil nicht-landeskirchlichen Geistlichen abhalten könnten.496 Die Besucherzählungen hät489 Vgl. entsprechende Unterlagen in LkAH B 6 Nr. 1. 490 Am 27. Februar 1939 wandte sich auch die Bekenntnisgemeinschaft mahnend an die Kirchenregierung, als zu befürchten stand, dass die Finanzabteilung in die Minderheitenregelungen eingreifen würde (LkAH S 1 H II 113, Bl. 193 – 195, hier Bl. 194). 491 Vgl. etwa LKA an Reichskirchenminister vom 24. 6. 1941 (EZA 1/1378); Stahn an LKA vom 30. 10. 1941 (ebd.). 492 Reisebericht Hauggs vom 2. 8. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 114 – 117, hier Bl. 116). 493 Vgl. ebd. 494 Vermerk Brunottes vom 22. 4. 1942 über eine Besprechung mit Haugg (EZA 1/1376). 495 LKA an Reichskirchenminister vom 11. 1. 1943 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 96 f.; Delbanco, Kirchenkampf, 168 f.), daraus auch das Folgende. Vgl. auch Kirchenregierung an Reichskirchenminister vom 17. 4. 1942 (EZA 1/1376). 496 Vgl. auch LKA an Kirchenregierung vom 13. 4. 1942 (LkAH L 5i Nr. 158/3). Letzten Endes kam das Landeskirchenamt sogar zu der Einschätzung, dass die Nationalkirchlichen Deutschen Christen gar nicht als Minderheit der lutherischen Landeskirche gelten

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ten ergeben, so das Landeskirchenamt, dass die DC-„Gottesfeiern“ nur einen Bruchteil der Resonanz der üblichen Gottesdienste erreichen würden – und das, obwohl ein Teil der Besucher nicht einmal lutherisch sei (sondern reformiert, mennonitisch o. ä.) und die Feiern nur einmal im Monat stattfänden.497 Die früheren Versuche, DC-„Gottesfeiern“ gänzlich zu verhindern,498 hatte das Landeskirchenamt 1943 schon aufgegeben, es ging nur noch um Schadensbegrenzung. Daher schlug es als Lösung vor, die nationalkirchliche Minderheit könne entweder zur Hauptgottesdienstzeit andere kirchliche Räumlichkeiten als die Kirche nutzen oder die Kirche zu anderen Zeiten.499 Erfolg hatten dieser und spätere Proteste nicht. Cölle änderte seine Maßnahmen bis Kriegsende nicht ab, denn er bezeichnete es stets als eine Frage der Toleranz, den Deutschen Christen bei der Minderheitenregelung großzügige Rechte einzuräumen. Er meinte, mit seinem Eingreifen die Ungerechtigkeit der Kirchenleitung ausgleichen zu müssen, schließlich bestehe „nicht der geringste Zweifel […], dass die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen in Hannoverland auf die intolerante Haltung des Herrn Landesbischofs zurückzuführen seien.“500 Durch das fortschreitende Erlahmen der DC-Aktivitäten im Laufe des Krieges erledigte sich das Problem jedoch zunehmend von selbst.501 Im Laufe der Zeit war es in der hannoverschen Landeskirche zu einer zunehmenden Absonderung der deutsch-christlichen Minderheit bis hin zur Gründung eigener DC-Gemeinden bzw. Gemeindegruppen gekommen. Dem trug Cölle Rechnung, indem er, wo es geboten und möglich erschien, DCKirchensteuersonderkonten einrichtete. Voraussetzung war „eine nicht unerhebliche“502 Anzahl Deutscher Christen in einer Kirchengemeinde. Diese und ihre Sympathisanten konnten ihre Kirchensteuer auf ein Sonderkonto

497 498 499 500 501

502

könnten (ihre Mitglieder hätten das lutherische Bekenntnis verlassen und gehörten verschiedenen Konfessionen an). Die Minderheitenversorgung basiere aber auf der Annahme „des Vorhandenseins verschiedener Gruppen in einer Kirche“ und könne, da dies nicht mehr gegeben sei, nicht mehr angewendet werden. LKA an FA-Hannover vom 3. 10. 1944 (LkAH L 2 Nr. 3b). Schon 1941 hatte das Landeskirchenamt bemängelt, Cölles Maßnahmen dienten nur dazu, den Deutschen Christen künstlich Leben einzuhauchen, obwohl deren Basis in den Gemeinden denkbar schwach sei, vgl. LKA an Reichskirchenminister vom 24. 6. 1941 (EZA 1/1378). Vgl. etwa LKA an Reichskirchenminister vom 28. 5. 1941 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 67 f.); LKA an Reichskirchenminister vom 24. 6. 1941 (EZA 1/1378). LKA an Reichskirchenminister vom 11. 1. 1943 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 96 f.; Delbanco, Kirchenkampf, 168 f.). Schreiben an den Reichskirchenminister vom 21. 12. 1939 (LkAKA GA Nr. 7144). Vgl. zu dem ganzen Komplex der Minderheitenversorgung: Klìgel, Landeskirche, 317, 459 – 462, 484 – 486; Delbanco, Kirchenkampf, 117 – 122; Cordes, Geschichte, 84 f. Zu den einzelnen Vorgängen auch LkAH S 1 H III 1002 f; LkAH S 1 H III 1016; LkAH S 1 H III 1011b; EZA 1/1376. Cölle an Reichskirchenminister vom 24. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 143 f., hier Bl. 144).

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zahlen, weil es ihnen, so Cölle, nicht mehr zugemutet werden könne, „ihre Kirchensteuern zu Händen der Kirchengemeinde abzuführen“503. Ein Erlass des Reichskirchenministers vom 11. April 1938 bot die rechtliche Grundlage für dieses Vorgehen.504 Ursprünglich war Cölle kein Anhänger dieser Option gewesen, weil sie letztlich in Richtung eines Simultaneums lief. Die Deutschen Christen aber waren zunehmend unzufrieden damit, dass ihre Kirchensteuern der Landeskirche und der Gemeinde zugute kamen, in der sie sich nicht aufgehoben fühlten und in der sie glaubten, nicht zu ihrem Recht zu kommen. Cölle gab schließlich in der Sache nach, offenbar auch, um Kirchenaustritte zu verhindern.505 Die erste Gemeinde, in der ein Kirchensteuersonderkonto eingerichtet wurde, war am 5. November 1938 die St. Mariengemeinde in Uelzen.506 Am 7. Dezember 1938 folgten Norden507 und Aurich508. Diejenigen, die sich den Deutschen Christen zugehörig fühlten und auf die gesonderten Konten einzahlen wollten, hatten sich auf entsprechende Steuerlisten einzutragen. Trotz massiven Werbens fand sich jeweils nur eine sehr bescheidene Anzahl von Eintragungen – in Norden hatten sich bis zum 28. Februar 1939, bei Schließung der Liste, 169 Personen registrieren lassen,509 in Aurich 260. Weitere Kirchensteuersonderkonten wurden eingerichtet in Leer510, Hann. Münden511,

503 Cölle an KV Norden vom 7. 12. 1938 (LkAH S 1 H III 1011b, Bl. 73). 504 Er findet sich im Ministerial-Blatt des Reichs- und Preussischen Ministeriums des Inneren, 1938, Sp. 873 – 876. In Spalte 876 heißt es: „Die Finanzabteilungen werden durch entsprechende, meiner Genehmigung unterliegende Anordnungen dafür zu sorgen haben, daß Auseinandersetzungen der kirchlichen Gruppen nicht auf das Kirchensteuergebiet übergreifen. Insbesondere ist Steuerpflichtigen, denen die Zahlung der Kirchensteuern an die örtlichen Stellen nicht zuzumuten ist, die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Kirchensteuer an eine Kasse zur Verfügung der staatlich eingesetzten Finanzabteilungen zu zahlen.“ 505 Vgl. Vermerk Cölles über die Sitzung der Kirchenregierung vom 10. 11. 1939 (LkAS (03.06.02.) V 49). 506 So lässt sich aus dem Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 14. 11. 1938 schließen (LkAH S 1 H II 111, Bl. 107 – 109, hier Bl. 107). Vgl. auch LKA an den Oberstaatsanwalt von Lüneburg vom 22. 1. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8754). 507 LkAH S 1 H III 1016, Bl. 46. 508 LkAH L 5i Nr. 156. 509 Die Liste findet sich in LkAH S 1 H III 1011b, Bl. 100 – 106. 510 Am 3. 1. 1940, vgl. Superintendent von Leer an LKA vom 5. 4. 1940 (LkAH L 5i Nr. 156). Am 14. Februar 1942 richtete auch die Finanzabteilung der reformierten Kirche, obwohl widerwillig, in Leer ein DC-Kirchensteuersonderkonto ein (vgl. LkAH S 1 H III 1015a, Bl. 4). Eine Zusammenlegung beider Sonderkonten scheiterte, die DC-Gemeinde hatte sich ihren Haushalt nun von beiden Finanzabteilungen genehmigen zu lassen (vgl. ebd., bes. Bl. 5, 11, 13, 15, 27). Vgl. auch zu den DC-Kirchensteuersonderkonten in Leer : Wessels, Ostfriesland, 190 f.; Wever, Hunde, 287 f. 511 Am 7. 2. 1940. Das Datum lässt sich nur aus dem Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung am 22. 2. 1940 schließen (LkAH S 1 H II 111, Bl. 176 f., hier Bl. 176).

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

Backemoor512, Victorbur (30 Personen)513 und Moordorf (18 Personen)514. Die Zahl der Interessenten an den Sonderkonten war offenbar gering und schrumpfte im Laufe der Zeit noch weiter.515 Überdies hatten sich zum Teil auch Reformierte, Mennoniten oder Dissidenten auf den Listen eingetragen. Die Kirchensteuersonderkonten standen unter der ausschließlichen Verfügung der Finanzabteilung;516 die DC-Gemeinden mussten ihre Ausgaben von der Finanzabteilung genehmigen lassen und bekamen dann den entsprechenden Betrag von den Konten zur Verfügung gestellt. Mit den Geldern wurden neben Sachausgaben zum Beispiel die Kosten für die nicht-landeskirchlichen DC-Geistlichen getragen, die zum Teil die geistliche Versorgung der Deutschen Christen übernahmen.517 Die direkten Kosten der Minderheitenregelungen, beispielsweise Heizkosten für die Kirchen, wurden allerdings auch dort den Gemeinden auferlegt, wo es Kirchensteuersonderkonten für DC-Belange gab.518 Cölle wollte die Sonderkonten nämlich nicht so verstanden wissen, als würden die Einzahler damit aus ihrer Gemeinde ausscheiden – sie zahlten nur ihre Steuern auf ein besonderes Konto.519 Überschüsse aus den Kirchensteuersonderkonten schöpfte Cölle in einen „Unterstützungsfonds für Minderheiten“ ab, um damit DC-Gruppen außerhalb jener Gemeinden zu unterstützen.520 In den Gesamtverbänden Hannover und Wesermünde verfuhr Cölle nach einem anderen Prinzip: Hier entrichteten die Deutschen Christen ihre Kirchensteuern regulär an die Gesamtverbände, welche aber auf Anordnung der Finanzabteilung einen Pauschalbetrag an die jeweiligen DC-Gemeinden überweisen mussten.521 Die Einrichtung der Kirchensteuersonderkonten erregte in den Gemeinden kaum Aufregung (mit Ausnahme von Norden). Auch die Kirchenregierung hatte ihrer Einrichtung zugestimmt,522 da es sich nur um eine begrenzte und verabredete Zahl von Fällen handelte. Das Landeskirchenamt sah sich eben-

512 Am 23. 6. 1941, vgl. BArch R 5101 / 23446, Bl. 233. 513 Am 7. 5. 1942, vgl. LkAH S 1 H III 1011d, Bl. 3; zur Anzahl die Liste vom 7. 5. 1942 (LkAH L 5i Nr. 156) 514 Am 25. 9. 1942, vgl. LkAH L 5i Nr. 156. 515 Vgl. auch Klìgel, Landeskirche, 318. 516 Vgl. Cölle an LKA vom 7. 8. 1940 (LkAH B 1 Nr. 7410). 517 Es finden sich in den einschlägigen Archivbeständen diverse Haushaltspläne der DC-Gemeinden, die genaueren Aufschluss über die Verwendung der Gelder geben (LkAH S 1 H III 1011b; LkAH S 1 H III 1011c; LkAH S 1 H III 1011d; LkAH S 1 H III 1015a). 518 Vgl. auch Klìgel, Landeskirche, 462. 519 Vgl. Cölle an Pastor Brunken, Victorbur vom 16. 6. 1942 (LkAH L 5i Nr. 156). 520 Vgl. Gutachten Pilgers vom 14. 2. 1946 (LkAH B 1 Nr. 8752). Cölle entnahm dem Fonds jedoch insgesamt nur geringe Beträge. 521 Vgl. ebd.; Ausschuss des Gesamtverbands Hannover an LKA vom 18. 9. 1946 (ebd.). 522 Vgl. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 6. 12. 1938 (LkAH S 1 H II 111, Bl. 114 f., hier Bl. 114).

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falls nicht in der Pflicht, etwas gegen die Kirchensteuersonderkonten zu unternehmen.523 Im August 1945 verfügte die Nachkriegs-Finanzabteilung die Auflösung der Kirchensteuersonderkonten. Eigentlich sollten die darauf enthaltenen, nicht unerheblichen Restbeträge, immerhin insgesamt 22 916 RM,524 umgehend den betroffenen Kirchengemeinden zugute kommen, allerdings waren die Konten von der Militärregierung einstweilen gesperrt worden. Wo das Geld schon ausgezahlt worden war, musste es bald zurücküberwiesen werden, da die Deutschen Christen anfingen, das Geld für sich zu beanspruchen – die Militärregierung musste eine Entscheidung treffen. Diese ließ sich jedoch viel Zeit; erst im April 1948 stand fest, dass die regulären Kirchengemeinden das Geld bekommen sollten.525 In mehreren Jahren wies Cölle auch Haushaltsgelder für die DC-Männer-, Frauen- und Jugendarbeit sowie die DC-Volksmission aus. Insgesamt kamen den Deutschen Christen auf diese Weise mindestens 41 000 RM aus landeskirchlichen Mitteln zugute.526 All dies zeigt, dass Cölle der deutsch-christlichen Minderheit tatsächlich ein erhebliches Maß an „Schutz und Geleit“527 zuteil werden ließ. Mit seinen finanziellen Hilfestellungen sorgte er dafür, dass die Deutschen Christen lebensfähig blieben. In der Minderheitenversorgung ignorierte er das geltende Minderheitenrecht und die Vorgaben der Kirchenleitung. Er scheute auch vor eindeutigen Eingriffen in Kultusangelegenheiten der Kirche nicht zurück und unterstützte die Deutschen Christen auch dort, wo sie sich außerhalb der landeskirchlichen Ordnung positionierten. Cölles Vorgehen wurde dabei, 523 Vgl. LKA an KV und Superintendent von Norden vom 13. 1. 1939 (LkAH S 1 H III 1002 f, Bl. 15). 524 Vgl. Gutachten Pilgers vom 14. 2. 1946 (LkAH B 1 Nr. 8752). 525 Vgl. LKA an die betroffenen Gemeinden vom 30. 4. 1948 (ebd.). In Uelzen war das Konto in der Zwischenzeit von dem ehemaligen Geschäftsführer der DCLandesleitung, der verfügungsberechtigt war, leergeräumt worden. Die folgende Klage, um das Geld zurückzufordern, scheiterte, die knapp 1500 RM waren verloren. Vorgang ebd. Vgl. zu den Kirchensteuersonderkonten insgesamt: Delbanco, Kirchenkampf, 109 – 111; zu den einzelnen Vorgängen vor allem: LkAH B 1 Nr. 8754; LkAH S 1 H III 1011b; LkAH S 1 H III 1011c; LkAH S 1 H III 1011d; LkAH S 1 H III 1015a. 526 Im Gutachten Pilgers vom 14. Februar 1946 (LkAH B 1 Nr. 8752) werden je 9000 RM für die Jahre 1942, 1943 und 1944 nachgewiesen. Ebenfalls 9000 RM lassen sich zusätzlich für das Jahr 1940 belegen (je 1000 RM für die DC- Frauen und Männerarbeit, 2000 RM für die DC-Jugendarbeit sowie 5000 RM für die DC-Volksmission, vgl. LkAH S 1 H I 956, Bl. 108 – 111). Es lässt sich vermuten, dass auch im Jahre 1941 9000 RM für dieselben Zwecke verausgabt wurden. Nachweisen lässt sich eine Anweisung von 5000 RM an die DC-Volksmission im Jahre 1939 (dies geht aus einem Entwurf einer Disziplinarverfügung Cölles gegen Wagenmann vom 14. 6. 1939 hervor, BArch R 5101 / 23228, Bl. 315 – 317) – ein Drittel des für die volkskirchliche Arbeit insgesamt vorgesehenen Haushaltspostens. 527 Klìgel, Landeskirche, 373.

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rechtlich betrachtet, weder von der 15. Durchführungsverordnung noch durch den Erlass vom 3. September 1938 gedeckt, denn selbst hiernach durfte die Finanzabteilung in der Minderheitenversorgung nur mit größter Zurückhaltung eingreifen und nur dort, wo die Kirchenleitung von sich aus nichts unternahm528 – wichtiger allerdings als die Rechtslage war, dass das Reichskirchenministerium Cölles Vorgehen nicht nur geduldet, sondern gebilligt hat. Dass von Cölles Einsatz für die Deutschen Christen auf der Gemeindeebene dennoch keine tiefgreifende Wirkung ausging, lag weniger an seinem Tun, sondern vielmehr daran, dass schlicht vielerorts eine ausreichende DC-Basis fehlte. Dort, wo es in beachtenswerter Anzahl Deutschen Christen gab, konnte Cölle sie stützen und tat dies auch. Im Alleingang aufbauen konnte auch Cölle die Deutschen Christen nicht.

1.8.3. Das Kollektenwesen529 Im Kollektenwesen waren die Finanzabteilungen nach den allgemeinen Regelungen auf Aufsichtsfunktionen beschränkt.530 Cölle war damit nicht zufrieden, er beanspruchte eine aktive Rolle: Er verlangte von der Kirchenleitung, diese müsse ihm den Kollektenplan zur Genehmigung vorlegen, damit er die Gelegenheit habe, die Verwendung von Kollekten für unzulässige Zwecke zu beanstanden. Außerdem wollte er die gesammelten Mittel nicht einfach nur entsprechend den von der Kirchenleitung festgelegten Zwecken verteilen, sondern die Ausschüttung zielgerichtet lenken.531 Der heftige Widerstand des Landeskirchenamtes führte dazu, dass Cölle sich letztlich weitgehend damit begnügte, seine Ansprüche aufrechtzuerhalten, ohne sie im Einzelnen wirklich auszuüben; lediglich Stichproben sollten ihm einen Überblick verschaffen, ob schärfere Kontrollen bei den Kollekten notwendig seien.532 528 Der Erlass vom 3. September 1938 wurde eigentlich sogar mit den Ausführungsbestimmungen vom 21. Juli 1939 überholt. 529 Vgl. zum Folgenden insgesamt: Klìgel, Landeskirche, 314 f.; Cölle an Doerr vom 26. 2. 1941 (LkAW S 1015); Cölle an LKA-Hannover vom 28. 1. 1941 (ebd.); daneben LkAH S 1 H II 113, Bl. 4, 7, 60 – 62, 78 – 81, 149 – 151; BArch R 5101 / 23228, Bl. 95. 530 Siehe oben 106 f. 531 1941 unterwarf die Finanzabteilung auf Anweisung des Reichskirchenministeriums die Auszahlung von Kollektengeldern an die freien kirchlichen Verbände der Frauen-, Männer- und Jugendarbeit einer strengen Reglementierung, vgl. Erlass des Reichskirchenministeriums vom 2. 1. 1941 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 435 f.; Besser, Weg, 553 f.). Bald darauf wurden die Vereine von Landesbischof und Landeskirchenamt förmlich in die Landeskirche eingegliedert. Vgl. KABl., 1941, 71 – 76; Klìgel, Landeskirche, bes. 437 – 439; Riesener, Volksmission, 91 – 96; Blatz, Erbstücke, bes. 84, 86, 97 f.; Otte, Kirchen in Niedersachsen, 1067. Damit unterlagen sie zwar der direkten Finanzaufsicht der Finanzabteilung, sie konnten aber leichter Mittel erhalten. 532 Vgl. Cölle an Doerr vom 26. 2. 1941 (LkAW S 1015).

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1942 revidierte Cölle seine Haltung.533 Eine zu aktive Rolle der Finanzabteilung im Kollektenwesen schien ihm nicht mehr zeitgemäß; es gelte vielmehr, die Finanzabteilung aus den Niederungen der Kirchenarbeit herauszuhalten. Von einer formellen Genehmigung des Kollektenplans wollte Cölle nun absehen, um zu vermeiden, dass die Finanzabteilung sich „zu sehr mit kirchlichen Wünschen“534 identifiziere. Die Finanzabteilung sollte nur noch mitteilen, ob eine Kollektenausschreibung beanstandet würde. Selbst die Abführung der Kollekten wollte Cölle nun der Kirche selbst überlassen. Allerdings war zur Auszahlung der Mittel jeweils ein Sichtvermerk der Finanzabteilung notwendig. Cölle zog sich damit soweit wie möglich zurück, ohne die Möglichkeit der jederzeitigen Beanstandung aufzugeben. Denn grundsätzlich gelte, „daß Kollekten als finanzielle Angelegenheiten angesehen werden und daher die Mitwirkung der Finanzabteilung geboten ist.“535

1.8.4. Finanzabteilung und Kirchengemeinden: Politischer Druck und der Einsatz von Bevollmächtigten als Ausnahme Nach der 15. Durchführungsverordnung waren die Befugnisse der Finanzabteilung auf Gemeindeebene begrenzt. Es war lediglich die kirchliche Aufsicht über die Vermögensverwaltung der Gemeinden und Verbände von der Kirchenleitung auf sie übergegangen.536 Nur wenn die zuständigen kirchlichen Organe beschlussunfähig waren, der staatlichen Ordnung zuwiderhandelten oder die Zuständigkeiten strittig waren, durfte die Finanzabteilung die verfassungsmäßige Selbstverwaltung der Kirchengemeinden antasten und an sich ziehen. Mit der Durchführung ihrer Maßnahmen konnte sie Bevollmächtigte betrauen.537 Doch Cölle strebte auch auf der Gemeindeebene nach mehr Macht und Einfluss: Er beanspruchte etwa, an der Ergänzung kirchlicher Körperschaften beteiligt zu werden. In Hannover war das Landeskirchenamt dafür zuständig, bei Bedarf die kirchlichen Körperschaften, also etwa die Kirchenvorstände und Kreiskirchenvorstände, zu ergänzen oder neu zu bilden.538 1939 verlangte Cölle eine FA-Beteiligung in der Sache, da vom Landeskirchenamt „nicht immer Persönlichkeiten bestellt werden, die den Anforderungen genügen, die zur Wahrung der Belange von Staat und Partei erforderlich wären.“539 Es kam zu einer Auseinandersetzung mit der Kirchenleitung, die mit einem Kompromiss endete. Zwar sollte die Finanzabteilung zukünftig bei der Ergänzung 533 534 535 536 537 538 539

Vgl. dazu Cölle an Hoffmeister vom 6. 5. 1942 (LkAW FinAbt 65). Ebd. Cölle an LKA-Hannover vom 5. 8. 1942 (LkAW S 1015). Vgl. Cölles diesbezügliche Klarstellung vom 20. 5. 1938 (KABl., 1938, 73). Siehe auch oben 89. Vgl. KABl., 1936, 171; KABl., 1937, 185. Cölle an Reichskirchenminister vom 13. 4. 1939 (BArch R 5101 / 23446, Bl. 11).

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kirchlicher Körperschaften ein Widerspruchsrecht erhalten, dies sollte aber nicht veröffentlicht werden, da Marahrens für diesen Fall massive Proteste angekündigt hatte. Die politische Situation des ausgehenden Jahres 1939 hatte das Reichskirchenministerium zu diesem Einlenken bewogen.540 An der Aufwertung der Finanzabteilung änderte dies nichts, es war nur ein Prestigegewinn für Marahrens. Die FA-Mitwirkung bei der Ergänzung kirchlicher Körperschaften sollte nach Cölle dazu dienen, „notorisch schräge Zeitgenossen von der Mitarbeit in kirchlichen Körperschaften auszuschalten.“541 Cölle hielt es zwar für wünschenswert, „daß die Finanzabteilungen bei jeder Ernennung zum Mitglied einer kirchlichen Körperschaft von den zuständigen Stellen eine Auskunft über die politische Haltung des Betroffenen bekommen“, doch wusste er, dass die entsprechenden Dienststellen (Gestapo oder NSDAP-Dienststellen) derart zahlreiche Anfragen nicht bearbeiten würden. So konnte er in Hannover bei der Ergänzung kirchlicher Körperschaften nur Fälle genauer prüfen, bei denen bereits Anhaltspunkte für politische Bedenken vorlagen.542 Gerne hätte Cölle auch seine Befugnisse gegenüber der Vermögensverwaltung der Gemeinden und Verbände ausgeweitet. Eine entsprechende, von ihm entworfene rechtsverbindliche Anordnung, mit der er das verfassungsmäßige Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden deutlich beschränkt hätte, erhielt jedoch nicht das Plazet des Reichskirchenministers.543 Immerhin konnte Cölle am 2. März 1939 eine „Anordnung betr. Rechnungsführung in Kirchengemeinden und Kreiskirchenverbänden“ erlassen, die Eingriffe in die Rechnungsführung der Gemeinden ermöglichte.544 Zur Anwendung kam die Anordnung indes kaum – sie sollte vor allem zur stärkeren vermögensrechtlichen Zusammenfassung der Kirchengemeinden dienen; ein Anliegen, welches auch vom Landeskirchenamt unterstützt wurde.545 Ein besonderes Mittel der FA-Politik gegenüber den Gemeinden waren die Bevollmächtigten, die Cölle erst recht spät, seit Februar 1939, und insgesamt nur in Einzelfällen einsetzte. In anderen Landeskirchen, etwa der Altpreußischen Union, waren bereits ab 1935 Bevollmächtigte üblich gewesen. Es sind zwei Typen von Bevollmächtigten zu unterscheiden. Gemeinsam war ihnen, 540 541 542 543

Vgl. zum ganzen Vorgang: Ebd., Bl. 11 f., 73 – 79, 86 – 91, 96 – 98. Cölle an Kretzschmar vom 23. 5. 1942 (LkAW FinAbt 1), daraus auch folgendes Zitat. Vgl. ebd. Der Vorgang zog sich ergebnislos von Dezember 1939 bis Dezember 1940 hin. Vgl. BArch R 5101 / 23446, Bl. 147 – 172, 196 – 198. 544 KABl. 1939, 55 f. Die Anordnung ermöglichte es der Finanzabteilung, für eine oder mehrere Gemeinden, notfalls auch gegen deren Willen, (gemeinsame) Rechnungsführer zu beauftragen und jenen sogar „auch die Führung weiterer vermögensrechtlicher Geschäfte“ für die Gemeinden zu übertragen. Potentiell konnte Cölle damit die Kirchenvorstände vermögensrechtlich leichter entmachten. 545 Vgl. zum ganzen Vorgang: BArch R 5101 / 23446, Bl. 1 – 7, 104 f.; Sperling, Vermögensverwaltung, 300 f.; auch Klìgel, Landeskirche, 469.

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dass sie ausschließlich an die Weisungen der Finanzabteilung gebunden waren: Die erste Variante waren Bevollmächtigte mit der einzigen Aufgabe, die Zur-Verfügungstellung von kirchlichen Räumlichkeiten an die DC-Minderheit entweder selbst zu regeln oder die Durchführung der von Cölle zentral getroffenen Regelungen zu gewährleisten. Diese Bevollmächtigten, auch „Schlüsselbevollmächtigte“ genannt, hatten nur Kompetenzen in der Raumfrage. Sie waren ein kirchenpolitisches Instrument der Finanzabteilung und für Cölle nicht zuletzt auch ein nützliches Druckmittel in der Minderheitenfrage.546 Das ultimative Machtmittel Cölles gegenüber den Gemeinden war jedoch die Beauftragung eines Bevollmächtigten mit allen „auf Verfassung, Gesetz oder Verordnungen dem Kirchenvorstande in vermögensrechtlicher Hinsicht zustehenden Befugnisse[n]“547. Der Kirchenvorstand wurde durch einen solchen Bevollmächtigten vermögensrechtlich vollkommen entmachtet; selbst Maßnahmen des Kirchenvorstandes in Angelegenheiten des Kultus’ und Bekenntnisses waren an die Zustimmung des Bevollmächtigten gebunden, wenn sie mit vermögensrechtlichen Auswirkungen verbunden waren.548 Die Situation der Landeskirche wurde damit gewissermaßen im Kleinen auf die Kirchengemeinden übertragen. Bevollmächtigungen dieser Art wurden im Kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht. Es finden sich dort folgende Bekanntmachungen: 1939 für den Gesamtverband Wesermünde549 und Hittfeld,550 1940 für Barnstorf, Escherode, Lesum und Aumund,551 1941 für Ahrbergen, Elbingerode und Wildemann,552 1942 für Lüdersen, Edemissen, Nesse, Lenthe, Lüthorst, Roggenstede und Marienwerder-Stöcken,553 1943 für Edesse und Dedenhausen554. Darüber hinaus wurde offensichtlich ein Bevollmächtigter für den Gesamtverband Harburg eingesetzt, ohne dass dies im Kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht

546 Solche Bevollmächtigte wurden belegbar etwa in Hildesheim, Leer, Aurich, Norden, Herzberg, Collinghorst, Moordorf oder Ardorf eingesetzt, es dürfte jedoch darüber hinaus noch eine Anzahl weiterer solcher Bevollmächtigter gegeben haben, die im Einzelnen nicht eruiert werden konnten. Siehe zu der Minderheitenpolitik ansonsten oben 262 – 268. 547 So oder ähnlich war in der Regel der Wortlaut der Bevollmächtigungen, exemplarisch hier die Beauftragung für Hittfeld (KABl., 1939, 43 f.). 548 Bei der Ernennung des Bevollmächtigten für Escherode am 17. 4. 1940 wies die Finanzabteilung darauf ausdrücklich hin (KABl., 1940, 64). 549 Der Bevollmächtigte fungierte auch als Bevollmächtigter für die Einzelgemeinden Wesermünde-Geestemünde, Lehe und Wulsdorf (KABl., 1939, 25). 550 Ebd., 43 f. 551 Ebd., 1940, 50, 64; ebd., 1941, 4. 552 Ebd., 9, 29, 64 f. 553 Ebd., 1942, 40 f., 43 f., 48, 61 f., 83 f., 116. 554 Ebd., 1943, 78.

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worden wäre;555 es ist insofern nicht auszuschließen, dass einzelne weitere solche Fälle existieren. Im Zuge des Gebietsaustauschs mit der braunschweigischen Landeskirche im Herbst 1942 übernahm die hannoversche Landeskirche die von der braunschweigischen Finanzabteilung eingesetzten Bevollmächtigten auf dem neu-hannoverschen Gebiet.556 Cölle kam diese Altlast sehr ungelegen, da sie nicht seiner vergleichsweise zurückhaltenden Bevollmächtigtenpolitik entsprach. Die Bevollmächtigten aber sofort nach der Umgemeindung abzuziehen, hätte eine Desavouierung des Leiters der braunschweigischen Finanzabteilung bedeutet. Als Ausweg wurde für den Kreis Holzminden ein kreiskirchliches Rentamt geschaffen, welches fortan für die Vermögensverwaltung der Gemeinden zuständig war. Infolgedessen konnten die Bevollmächtigten, ohne Hoffmeister bloßzustellen, zum 1. April 1943 abberufen werden. Cölle legte aus Solidaritätsgründen Wert auf die Feststellung, dass die Bevollmächtigten nur wegen des Zusammenschlusses zu einem finanziellen Gesamtverband abberufen worden wären, „nicht, weil die Hann[oversche] Fin[anz]Abt[eilung] die Politik der Braunschw[eigischen]FA missbillige.“557 Cölle nutzte die Bevollmächtigten verstärkt in den Jahren 1940 bis 1942, ab 1943 war ihre Zahl rückläufig.558 Er setzte sie ein, wenn es in Kirchengemeinden zu einer unzulänglichen Rechnungsführung oder zu Pflichtwidrigkeiten in der Vermögensverwaltung gekommen war. Die Einsetzung eines Bevollmächtigten geschah in solchen Fällen durchaus „im stillschweigenden Einvernehmen mit dem Landeskirchenamt“559 und lag im Sinne einer geordneten Verwaltung. Proteste aus den Gemeinden waren entsprechend selten. In Ausnahmefällen allerdings nutzte Cölle die Einsetzung von Bevollmächtigten als politische oder kirchenpolitische Maßnahme. Dies scheint vor allem für die folgenden drei Fälle zu gelten: In Hittfeld hatte die Finanzabteilung einen Bevollmächtigten eingesetzt, um vom Reichskirchenminister angeordnete Gehaltskürzungen gegen Superintendent Albert Lührs und Pastor Ernst Arfken durchsetzen zu können. Da Cölle die Kosten für den Bevollmächtigten vom Gehalt der Pfarrer abzog (dies war so für Fälle vorgesehen, in denen das Verhalten eines Pfarrers die Ein555 Der Bevollmächtigte lässt sich nur aus Dokumenten aus der Nachkriegszeit herleiten, vgl. LKA an Celler Oberlandesgerichtspräsidenten vom 29. 3. 1947 und Lampe an Brüel vom 25. 3. 1947 (beides in LkAH B 1 Nr. 8752). 556 Dies war in Art. III § 7 des Vertrages festgelegt worden (KABl., 1943, 1 – 4, hier 2). 557 Protokoll der Besprechung in Celle am 4. 5. 1944 (EZA 1/1611). Vgl. zum Ganzen den Bericht Lübbings an das LKA-Wolfenbüttel vom 23. 6. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8755); ansonsten Cölles Korrespondenz mit dem Bevollmächtigten von Stadtoldendorf (BArch R 5101 / 23792, bes. Bl. 427, auch Bl. 423 – 426). 558 Vgl. die Abberufungen im KABl., 1943, 39, 56; ebd., 1944, 66. 559 Lübbing an LKA-Wolfenbüttel vom 23. 6. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8755). Das zeigt auch die Tatsache, dass nach dem Krieg nicht automatisch sämtliche Bevollmächtigte abberufen wurden, sondern sogar Sonderregelungen angedacht wurden, diese im Einzelfall belassen zu können, vgl. die Sitzung des LKA-Kollegs vom 31. 12. 1945 (LkAH B 1 Nr. 1434).

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setzung eines Bevollmächtigten schuldhaft verursacht hatte; ansonsten wurden die Kosten üblicherweise der Gemeinde zur Last gelegt),560 kam in Hittfeld als weiterer strittiger Punkt die Bezahlung des Bevollmächtigten hinzu; ein Ausnahmefall in Hannover, da die sonst nur geringfügigen Kosten andernorts nicht beanstandet wurden.561 Der Fall kam schließlich vor die Beschlussstelle für kirchliche Rechtsangelegenheiten und endete am 26. Februar 1940 damit, dass die Gehaltskürzungen an die Geistlichen in voller Höhe nachgezahlt werden mussten.562 Abberufen wurde der Bevollmächtigte dennoch nicht. In Lüthorst war der dortige Pastor, Bernhard Visbeck, durch unbotmäßige politische Äußerungen aufgefallen. Dies hatte der Hildesheimer Regierungspräsident Cölle gemeldet.563 Cölle sperrte daraufhin für den Juli 1942 Visbecks komplettes Gehalt, da er sich durch sein Verhalten „selbst außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt hat.“564 Für den August hob Cölle die Anordnung nach Anweisung des Reichskirchenministeriums wieder auf,565 dafür wurde bald darauf ein Bevollmächtigter eingesetzt, weil „die Staats- und Kommunalbehörden den Dienstverkehr mit dem Pastor Visbeck […] eingestellt haben“566. Ein ähnlicher Fall scheint sich in Marienwerder-Stöcken (Hannover) ereignet zu haben. Der dortige Pastor, Walter Klose, war im August 1940 wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz (wegen „hetzerischer“ politischer Äußerungen) zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden.567 Nach seiner Rückkehr in die Gemeinde habe Cölle, so die Darstellung Kloses nach dem Krieg, „veranlasst, dass der damalige Bürgermeister der Stadt Hannover sich weigerte, mit einem wegen politischer Unzuverlässigkeit mit Gefängnis bestraften Pastoren weiterhin schriftlich zu verkehren, und auf diese Weise die Einsetzung eines kirchenfremden Finanzbevollmächtigten erzwungen.“568

560 Vgl. die diesbezügliche Regelung der FA-DEKK vom 28. 3. 1939 (EZA 1/1602). 561 Vgl. Lübbing an LKA-Wolfenbüttel vom 23. 6. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8755). 562 Vgl. zu der ganzen Angelegenheit das entsprechende Material in EZA 1/1378; LkAH S 1 H II 114, Bl. 8 f., 12, 15, 18 – 23, 45 – 48, 60 – 63; LkAH S 1 H III 616; LkAH N 64 Nr. 21; EZA 1/1376; HStAH Hann. 180 Hannover e1 Nr. 192/2; Klìgel, Landeskirche, 316, 463. 563 Mitteilung an Cölle vom 21. 5. 1942 (BArch R 5101 / 24002). 564 Cölle an KV Lüthorst vom 18. 5. 1942 (LkAH S 1 H II 114, Bl. 62). 565 Visbeck war Thema bei den Schlichtungsgesprächen im Juli 1942 gewesen, wo Entsprechendes vereinbart worden war, vgl. Reisebericht Hauggs vom 2. 8. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 114 – 117, hier Bl. 115). 566 So der Wortlaut in der Bestellung des Bevollmächtigten vom 7. 9. 1942 (KABl., 1942, 83 f., hier 83). Vgl. zu der ganzen Angelegenheit vor allem die entsprechenden Unterlagen in HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380; außerdem LkAH B 1 Nr. 8752; HStAH Hann. 122a Nr. 4047, Bl. 11 f.; LkAH S 1 H II 361b, Bl. 95, 98, 103, 108 f.; Klìgel, Landeskirche, 463, 510. 567 Vgl. hierzu BArch R 5101 / 24220; Schmiechen-Ackermann, Kooperation, 302 f.; Ders., Modus vivendi, 247 f. 568 Klose an LKA vom 2. 8. 1949 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380).

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Eingedenk der Tatsache, dass der Bevollmächtigte erst im Dezember 1942 eingesetzt wurde, also lange nach Kloses Gefängnisstrafe, ist allerdings ungewiss, ob dies die einzige Ursache für die Einsetzung des Bevollmächtigten war. Ein erwähnenswerter Fall ist schließlich die Einsetzung des Bevollmächtigten im Gesamtverband Wesermünde und den einzelnen zusammengeschlossenen Gemeinden im Jahre 1939. Der Gesamtverband war zum 1. Oktober 1936 gebildet worden569 und hatte Anfangsschwierigkeiten mit dem Finanzgebaren. Die ersten Haushaltsplanungen waren ungenügend, eine geordnete Rechnungsführung nicht so schnell zu gewährleisten und vor allem die Altlasten aus den einzelnen Gemeinden nicht so schnell aufzuarbeiten. Die vom Gesamtverband angestrengten Veränderungen in der Verwaltung brachten nicht den gewünschten Erfolg. Cölle schien deshalb die Einsetzung eines Bevollmächtigten „geboten, weil sich über die Verwaltung des Gesamtverbandes und der ihm angehörenden Kirchengemeinden kein klares Bild gewinnen läßt.“570 Die lokalen kirchlichen Stellen nahmen dies als ausgesprochen kirchenpolitische Maßnahme wahr, da Cölle ihnen gar nicht die Möglichkeit gegeben habe, ihre Haushaltsführung selbst in Ordnung zu bringen. Außerdem war der Bevollmächtigte Angehöriger der reformierten Gemeinde, was die Vorbehalte noch vertiefte. Es wurde geargwöhnt, der Bevollmächtigte solle dazu dienen, die Deutschen Christen in Wesermünde zu unterstützen. Hinzu kam, dass, anders als bei den späteren Bevollmächtigungen, eine Beschränkung der Befugnisse des Bevollmächtigten auf vermögensrechtliche Angelegenheiten unterblieben war. Er war generell mit allen Rechten der örtlichen kirchlichen Organen ausgestattet worden.571 Superintendent Hermann Wendebourg beklagte, die Kirchenvorstände und der Gesamtverbandsausschuss seien „völlig entmündigt“572 worden. Was die Akzeptanz des Bevollmächtigten gänzlich unmöglich machte, war, dass jener einen harten Konsolidierungskurs einleitete, um den Gesamtverband wirtschaftlich zu sanieren, dabei aber, so der Vorwurf, „die Wahrung der kirchlichen Belange ausser acht“573 ließ. Es zeigte sich indes, dass auch der Bevollmächtigte nicht in der Lage war, die Probleme rasch zu lösen. Er war selten vor Ort anwesend, durch seine Befugnisse jedoch eigentlich unverzichtbar. Die Auseinandersetzungen um den Bevollmächtigten erreichten in Wesermünde ungewöhnliche Ausmaße und wurden auch an das Reichskir569 KABl., 1936, 124 – 127. 570 Cölle an Oberpräsident vom 25. 2. 1939 (HStAH Hann. 122a Nr. 3922). 571 Ein Geestemünder Kirchenvorsteher schrieb am 27. November 1940 an „Pg. Kerrl“, der Bevollmächtigte sei mit Vollmachten ausgestattet worden, „wie dieselben unseres Erachtens nur ein Mann im ganzen deutschen Reich hat, und zwar der Führer“ (BArch R 5101 / 22402, Bl. 60 – 63, hier Bl. 62). 572 Schreiben an die Kirchenregierung vom 16. 8. 1939 (LkAH S 1 H I 959, Bl. 16 – 20, hier Bl. 19). 573 Lübbing an LKA-Wolfenbüttel vom 23. 6. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8755). Vgl. auch Wendebourg an LKA vom 8. 2. 1946 (LkAH B 1 Nr. 8752).

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chenministerium getragen. Die Angelegenheit behinderte sogar die Vermittlungsbemühungen des Augusts 1940 und war dem Minister daher sehr lästig. Als erste Entspannungsmaßnahme wurde Cölle veranlasst, die Bevollmächtigungen für die einzelnen Gemeinden zum 1. Oktober 1940 aufzuheben. Die Bevollmächtigung für den Gesamtverband sollte erst mit dem Ende des Rechnungsjahres aufgehoben werden, um den ersten Konsolidierungsschritt zu einem sinnvollen Abschluss zu bringen. So ist es dann auch geschehen.574 Ob für die Sanierung des Gesamtverbands tatsächlich ein Bevollmächtigter notwendig war, ist ungewiss. Dass seine Einsetzung jedoch vordringlich eine kirchenpolitische Maßnahme war, lässt sich aus den Akten nicht bestätigen, denn ein begründeter Anlass war gegeben.575

1.8.5. Finanzabteilung und Personalpolitik: Politische Kontrolle und kirchenpolitische Einflussnahme Eines von Cölles bevorzugten Operationsfeldern war das facettenreiche Gebiet der Personalangelegenheiten. Hier konnte er besonders effektiv seine kirchenpolitischen Vorstellungen verwirklichen; beispielsweise auf dem Gebiet der Pfarrstellenbesetzung: Unbestritten war, dass die Finanzabteilung bei der Freigabe einer Pfarrstelle ihre Zustimmung zu erteilen hatte, also bei der Frage, ob eine Pfarrstelle überhaupt neu besetzt oder geschaffen werden sollte. Doch Cölle ging noch weiter und schaffte es, sich wirkungsvoll in die Personalpolitik der Kirchenleitung einzuschalten, indem er auch die Einweisung eines Pfarrers von einer FA-Zustimmung abhängig machte. Er setzte diese Praxis mit Hilfe des Reichskirchenministeriums gegen den Protest der Kirchenleitung durch und musste lediglich zwischenzeitlich aufgrund der Grundsatzbestimmungen vom 21. Juli 1939576 und 12. August 1940577 eine Einschränkung seines Spielraumes hinnehmen,578 bevor er ab 1942 wieder ungeniert in die Personalangelegenheiten der Geistlichen hineinregieren konnte. 574 Vgl. KABl., 1940, 116, 127; ebd., 1941, 21. 575 Vgl. zum Bevollmächtigten in Wesermünde insgesamt: BArch R 5101 / 22402; LkAH S 1 H I 959, Bl. 16 – 28; BArch R 5101 / 23228, Bl. 429 f.; HStAH Hann. 122a Nr. 3922. 576 EZA 2/687. 577 BArch R 5101 / 23228, Bl. 444 f. 578 Dies führte zu Fällen wie bei der Besetzung der Superintendentur in Salzgitter 1940/41. Cölle hatte hier versucht, den LKA-Kandidaten zu verhindern, weil sich die Ortsgruppe der NSDAP in Salzgitter gegen ihn ausgesprochen hatte. Dem lagen allerdings, wie eine Auskunft des Sicherheitsdienstes zeigte, keine politischen Bedenken zugrunde. Der Kandidat war zurückgewiesen worden, weil er der Bekenntnisgemeinschaft zugerechnet wurde. Solche kirchenpolitischen Gründe wollte das Reichskirchenministerium jedoch nicht gelten lassen und gab Cölle den Bescheid, er könne die Ernennung nicht verweigern, höchstens auf das Landeskirchenamt einwirken, doch einen anderen Geistlichen zu benennen. Vgl. den Vorgang in BArch R 5101 / 23994.

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1941/42 versuchten Kirchenleitung und Finanzabteilung verschiedentlich, ihre Befugnisse bei der Pfarrstellenbesetzung auf Kosten der jeweils anderen Partei auszuweiten – die Kirchenleitung plante etwa ein Amtsträgergesetz579 und eines zu den Pfarrwahlen580, die Finanzabteilung entwarf eine Anordnung, die es ihr ermöglicht hätte, Pfarrer in bestimmten Fällen abzuberufen581. Keines der Projekte konnte jedoch in der beabsichtigten Form durchgeführt werden – entweder verliefen die Vorhaben komplett im Sande oder es kamen schließlich nur Kompromisslösungen zustande. So blieb es bis zum Kriegsende bei dem bisherigen status quo in Personalangelegenheiten.582 In der Praxis machte Cölle seine Entscheidungen auf dem Personalsektor von politischen Beurteilungen abhängig – nicht nur bei Geistlichen, sondern auch bei LKA-Mitarbeitern oder sogar Gemeindehelferinnen. Dazu holte er regelmäßig Erkundigungen bei der Gestapo ein. Ab 1943 geschah dies häufig über eine Anfrage beim Oberpräsidenten,583 der diese Angelegenheiten dann im Regelfall an die Gestapo weiterleitete.584 Gelegentlich aber lehnte der Oberpräsident eine Bearbeitung auch aus Gründen der Arbeitsersparnis ab.585 Für den Oberpräsidenten genoss die Bewertung der politischen Zuverlässigkeit von kirchlichen Mitarbeitern keine Priorität.586 Den Fällen, in denen die politischen Auskünfte seine Bedenken bestätigten, widmete sich Cölle persönlich.587 So etwa im Fall von Pastor Gerhard Grotjahn. Dieser war 1940 mit großer Mehrheit in eine Hildesheimer Pfarrstelle gewählt 579 Vgl. hierzu BArch R 5101 / 23446, Bl. 265 – 267; KABl., 1942, 107 – 110; Klìgel, Landeskirche, 420. 580 Vgl. hierzu BArch R 5101 / 23446, Bl. 256 – 264, 287 – 290; LkAH S 1 H II 113, Bl. 19; EZA 1/ 1376; KABl., 1942, 82 f. Das geplante Gesetz hätte in das Pfarrwahlrecht der Gemeinden eingegriffen, um mehr Kriegsteilnehmer, die von den Gemeinden nicht oft genug freiwillig gewählt wurden, in Pfarrstellen unterbringen zu können. Nach Auffassung Cölles war die einzige Absicht des Gesetzes jedoch, „die Wahl eines neuzeitlich eingestellten Geistlichen“, also eines Deutschen Christen, „unmöglich“ zu machen und DC-Minderheiten völlig auszuschalten. Cölle an Reichskirchenminister vom 10. 3. 1942 (BArch R 5101 / 23446, Bl. 256). 581 Vgl. zu jener Angelegenheit: Ebd., Bl. 271 – 284, 291 – 293, 297 – 301; EZA 1/1376; LkAW FinAbt 92; ferner BArch R 5101 / 22379, bes. Bl. 145 – 150. 582 Vgl. Reisebericht Hauggs vom 2. 8. 1942 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 114 – 117, hier Bl. 114 f.). 583 Regierungsdirektor Hoffmeister riet Cölle in einem Gespräch am 15. Mai 1943, laut Aktenvermerk Cölles, er solle zukünftig doch „in allen Fällen, in denen für eine Einweisung die Zustimmung erforderlich sei, Rückfrage bei dem Herrn Oberpräsidenten […] halten, ob politische Bedenken der Erteilung der Zustimmung zur Einweisung entgegenständen.“ BArch R 5101 / 21852, Bl. 363. 584 Vgl. die diversen Fälle in HStAH Hann. 122a Nr. 4071 und Nr. 4076; ferner HStAH Hann. 122a Nr. 3711, Bl. 2 – 5. 585 Vgl. gelegentliche Fälle in HStAH Hann. 122a Nr. 4071 und Nr. 4076. 586 Vgl. Aktenvermerk zur Besprechung zwischen Hoffmeister und Cölle am 15. 5. 1943 (BArch R 5101 / 21852, Bl. 363). 587 Vgl. die Entscheidung des Berufungsausschusses in Cölles Entnazifizierungsverfahren vom 10. 11. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380); Cölles Aussage in seinem Entnazifizierungsverfahren am 4. / 6. 5. 1950 (ebd.).

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worden. Cölle aber versagte seine Zustimmung zu der Einweisung, da die Gestapo bei ihm politische Bedenken angemeldet hatte – Stahn pflichtete Cölles Entscheidung bei, nachdem Auskünfte beim Sicherheitsdienst eingeholt worden waren.588 Seit 1942 versuchten Landesbischof und Landeskirchenamt dann, Grotjahn zum Superintendenten des Kirchenkreises Bockenem zu ernennen. Muhs und Cölle lehnten ab, da die erneute Prüfung des Falles durch die Gestapo ergeben hätte, dass Grotjahn nach wie vor politisch untragbar sei. Selbst der Berufung in ein reguläres Pfarramt in Bockenem stimmte Cölle 1943/44 nicht zu.589 Politische Bedenken waren der häufigste Grund für Cölle, Personalmaßnahmen der Kirchenleitung zu hintertreiben, sie zu verschleppen oder seine Zustimmung zu versagen.590 Die enge Zusammenarbeit mit der Gestapo und anderen Staatsstellen zeigt sehr deutlich, dass sich Cölle besonders auf dem Personalsektor als Politkommissar verstand. Er hatte dieses Bild soweit kultiviert, dass die staatlichen Stellen teilweise von sich aus an ihn herantraten. Umgekehrt leitete Cölle seinerseits zuweilen politische Informationen an staatliche Stellen weiter.591 Cölles Äußerungen über einen stadthannoverschen Pastor, der in die sächsische Provinzialkirche wechseln wollte, zeigen seine Schärfe bei der Beurteilung von Geistlichen. Der Pfarrer hatte seine Wechselabsicht damit begründet, nervlich die Bombenalarme in der Großstadt nicht mehr ertragen zu können und seine schwer zerstörte Wohnung verlassen zu wollen. Dem provinzial-sächsischen FA-Vorsitzenden Schultz legte Cölle daraufhin nahe, der Einweisung des Pastors nicht zuzustimmen, da dessen Verhalten „von der Fahnenflucht nicht allzu weit entfernt ist.“592 In einer Besprechung mit 588 Vgl. Stahn an LKA- und FA-Hannover vom 10. 4. 1941 (LkAH S 1 H II 114, Bl. 61). 589 Vgl. zum Fall Grotjahn, der einiges Aufsehen verursachte, das entsprechende Material in BArch R 5101 / 24216; LkAH S 1 H II 114; LkAH B 6 Nr. 3; HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380; LkAH B 1 Nr. 8752. Vgl. auch Klìgel, Landeskirche, 463 f.; Arndt, Deutsche Christen, 304 f. 590 Zwei weitere Fälle auf höherer Ebene: Cölle verschleppte einige Zeit die Versetzung des Hildesheimer Landessuperintendenten Rudolf Detering, der seinen Amtssitz Goslar nach dem Gebietstausch mit Braunschweig verlassen musste. Erst nachdem die Gestapo grünes Licht gegeben hatte, macht er die Versetzung nach Hildesheim möglich. Vgl. Arndt, Deutsche Christen, 308 f. 1938 verhinderte Cölle die Besetzung der Superintendentur Hannover-Limmer, weil der von der Kirchenregierung hierfür vorgesehene Superintendent Wilhelm Büning aus Esens als dezidierter Bekenntnisgeistlicher galt. Außerdem hatten die NS-Gauleitung und ferner auch der Kreiskirchenvorstand politische und kirchenpolitische Bedenken gegen Büning angemeldet. Vgl. den Vorgang in BArch R 5101 / 23233, Bl. 386 – 400; ferner Schmiechen-Ackermann, Kooperation, 189 f. Die Liste ließe sich noch ergänzen, etwa um die an Cölle gescheiterten Versuche, den Auricher Pastor Eilhard Schütt zum Superintendenten zu ernennen, vgl. LkAH L 5i Nr. 137. 591 Vgl. den Fall eines Lehrers, der vertretungsweise Konfirmandenunterricht gab und dort mit einer unbedachten Äußerung aufgefallen war. Cölle leitete entsprechende Informationen zur weiteren Veranlassung an den Regierungspräsidenten weiter, vgl. den Vorgang in HStAH Hann. 122a Nr. 4047, Bl. 16 – 20. 592 Schreiben vom 16. 1. 1944 (LkAH B 6 Nr. 3).

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Schnelle und Stalmann erklärte Cölle, „jemand mit solcher Gesinnung“ gehöre „eigentlich ins KZ“593. Zur Ablehnung einer Personalmaßnahme reichten Cölle gelegentlich auch schon ausschließlich kirchenpolitische Gründe. In Uelzen etwa verhinderte er die Freigabe einer Pfarrstelle, weil der dortige BK-Hilfsgeistliche übernommen werden sollte, er aber einen Deutschen Christen wünschte. Die Freigabe versagte er dann mit der Begründung, die Gemeinde sei bei Einrechnung des in Uelzen im mecklenburgischen Auftrag tätigen DC-Pastors Blankerts ausreichend versorgt.594 Die Abhängigkeit der Kirchenleitung von den Genehmigungen der Finanzabteilung war das eine. Ein anderes Hauptelement der FA-Machtentfaltung auf dem Personalsektor war die Verfügung über die Haushaltsmittel. Durch die Verweigerung notwendiger Gelder konnte Cölle Druck auf die Kirchenleitung aufbauen, ihm in seinen Personalvorstellungen entgegenzukommen. 1939 verweigerte er etwa dem Predigerseminar Göhrde die Bewilligung dringend benötigter Mittel, solange die Leitung des Seminars nicht verändert würde. Nachdem der Leiter ausgetauscht worden war, war Cölle sogleich bereit, das Predigerseminar mit zusätzlichen Mitteln zu unterstützen; es ging ihm bei seiner Maßnahme nicht darum, die Kirche zur Schließung des Seminars zu zwingen, ihm ging es nur um dessen politische Ausrichtung.595 Auch um renitente Pfarrer zu disziplinieren, sie politisch oder kirchenpolitisch unter Druck zu setzen, ließ sich die Verfügung über die finanziellen Mittel vorzüglich nutzen. Es waren hier häufig die Pfarrbesoldungsmittel bzw. die staatlichen Pfarrbesoldungszuschüsse, die Cölle kürzte oder sperrte.596 Es gab einige prominente Fälle in dieser Hinsicht: Dem Göttinger Studentenpfarrer Adolf Wischmann sperrte Cölle im Februar 1939 unter Berufung auf Weisungen des Reichskirchenministeriums, aber ohne weitere Angabe von Gründen, das Gehalt – der Hintergrund waren politische Verdächtigungen. Obwohl Cölle per Einstweiliger Verfügung zur Gehaltsleistung verpflichtet wurde, da er „gegen die elementarsten Grundsätze des Beamtenrechts“597 verstoße, nahm er erst im November 1939, mit Rücksicht auf Wischmanns Heeresdienst, die Zahlungen wieder auf und zahlte das einbehaltene Gehalt nach.598 Auch Oberlandeskirchenrat Fleisch war zwischenzeitlich von Gehaltskürzungen betroffen.599 Aktenvermerk Cölles vom 17. 1. 1944 (ebd.). Vgl. BArch R 5101 / 24001; Klìgel, Landeskirche, 315; auch LkAH S 1 H II 114, Bl. 49 – 52. Vgl. zu dem Vorgang: BArch R 5101 / 22537. Siehe zur Grundlage für dieses Vorgehen oben 108 f. Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 1. 8. 1939 im Berufungsverfahren in dieser Sache (LkAH S 1 H I 958, Bl. 8 f., hier Bl. 9). Vgl. auch die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Hannover vom 6. 4. 1939 (ebd., Bl. 4 f.). 598 Vgl. zum Fall Wischmann: Klìgel, Landeskirche, 316 f.; LkAH S 1 H II 114; LkAH N 78 Nr. 381; LkAH S 1 H I 958, Bl. 4 f., 8 f., 21 – 31.

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Schließlich setzte Cölle personalpolitisch auch beim geistlichen Nachwuchs an: Schon bei den Abschlussprüfungen an der Universität wurde über die Finanzabteilung Druck auf den theologischen Nachwuchs ausgeübt. Nach einem Erlass des Reichskirchenministeriums vom 16. Mai 1938600 durfte die Finanzabteilung zur Besoldung für nach dem 31. Mai 1938 geprüfte Theologen nur noch dann Mittel aus Kirchensteuern oder Staatsleistungen verwenden, wenn an deren Prüfung alle Professoren der jeweiligen Universität gleichmäßig beteiligt waren. An der Göttinger theologischen Fakultät musste damit der höchst umstrittene DC-Professor Walter Birnbaum zu allen Prüfungen hinzugezogen werden. Die Kirchenleitung handelte schließlich einen Kompromiss aus, der unter den gegebenen Umständen den Studenten das Ablegen der Prüfungen ohne bekenntnismäßige Gewissensnot ermöglichen sollte.601 Größere Schwierigkeiten hatten Kandidaten, die ihre Prüfungen nicht vor hannoverschen Stellen abgelegt hatten, denn bei BK-Verdacht erkannte Cölle solche Prüfungen nicht an.602 Dies betraf auch Kandidaten, die schon vor Cölles Zeit in die Landeskirche übernommen worden waren: Der Hilfsprediger Karl Bonenkamp, der in Aurich tätig war, war so ein Fall. Er hatte sein zweites Examen vor dem Bruderrat in Oldenburg abgelegt und im Mai 1938 plötzlich das Problem, dass Cölle das Examen nicht anerkannte und ihm das Gehalt sperrte.603 In anderen Fällen verhinderte Cölle die Neuanstellung von auswärtigen Kandidaten, denn, so Cölle: „Die Finanzabteilung hält es nicht für wünschenswert, dass der Kreis jener Pfarrer, die auf dem Boden der Bruderräte stehen, in der hiesigen Landeskirche noch vergrössert wird“604. So etwa im Fall Götz Harbsmeier, der ebenfalls in Oldenburg vor dem Bruderrat geprüft worden war. Der Legalisierung von dessen Prüfung wollte Cölle zunächst nicht zustimmen, da Harbsmeier „es seinerzeit für richtig befunden [habe], vor dem illegalen Bruderrat in Oldenburg seine theologische Prüfung abzulegen und sich damit ausserhalb des gültigen Rechts begeben“605 habe.606 599 Siehe unten 285. 600 KABl., 1938, 74. 601 Vgl. zu der Prüfungsfrage insgesamt: Mager, Verhältnis, bes. 191 – 194; Klìgel, Landeskirche, bes. 315, 327 – 330; Ericksen, Theologen, 238 – 240. 602 Vgl. Cölles Bekanntmachung vom 30. Juni 1938, wo er darauf hinwies, dass nur von einer rechtmäßigen landeskirchlichen Stelle geprüfte Personen besoldet werden dürften (KABl., 1938, 81 f.). Vgl. auch Klìgel, Landeskirche, 316. 603 Vgl. zu Bonenkamp: BArch R 5101 / 23760, Bl. 234 – 268; LkAH L 5i Nr. 152; LkAH S 1 H II 114, Bl. 5 – 7. Bonenkamp holte schließlich das beanstandete Examen nach und konnte, trotz heftigen Gegenwillens Cölles, aber auf Veranlassung des Reichskirchenministeriums, Ende 1939 auf eine Pfarrstelle als Hilfsgeistlicher eingewiesen werden. Es gab noch eine Reihe ähnlich gelagerter Fälle, vgl. LkAH S 1 H II 114, Bl. 17; LkAH S 1 H II 113, Bl. 3; LkAH S 1 H I 957, Bl. 51. 604 Cölle an Reichskirchenminister vom 2. 8. 1943 (BArch R 5101 / 24274). 605 Ebd. 606 Erst bald ein Jahr nach dem ersten Anstellungsversuch stimmte Cölle einer Übernahme doch zu, weil ein Wehrmachts-Major sich für Harbsmeier eingesetzt hatte. Vgl. den Vorgang ebd.; Cölle an Muhs vom 21. 1. 1944 (LkAH B 6 Nr. 1).

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Deutsch-christlich gesinnte Kandidaten aus anderen Landeskirchen durften hingegen jederzeit mit Cölles Unterstützung rechnen, wenn sie in den Dienst der hannoverschen Landeskirche treten wollten.607 Cölle wollte damit der Politik der Kirchenleitung entgegenwirken, der er vorwarf, immer nur BKPastoren übernehmen zu wollen; die Kirchenleitung bemühe sich, so Cölles Vorwurf, „die hannoversche Landeskirche gegen die Deutschen Christen mit allen Kräften abzuriegeln“608. Nimmt man die diversen Eingriffe Cölles gegen einzelne Pastoren, Kandidaten oder LKA-Mitarbeiter zusammen, so zeigen all diese Fälle,609 dass seine Maßnahmen einer gewissen Willkür nicht entbehrten und es häufig nur darum ging, zu demonstrieren, wer die eigentliche Machtposition in der Landeskirche besaß. Die Kirchenleitung schreckte fallweise auch von sich aus vor Konflikten mit der Finanzabteilung zurück, antizipierte deren Haltung oder nahm von sich aus darauf Rücksicht.610 Gleichzeitig war Cölle bei seinen Maßnahmen immer auf die Unterstützung des Reichskirchenministeriums angewiesen, denn häufig wurden die strittigen Fälle nach Berlin getragen.

1.8.6. Der vergebliche Kampf der Finanzabteilung gegen den Lutherrat Die Bekämpfung der Mitwirkung Hannovers im Lutherrat war gewissermaßen ein Steckenpferd Cölles. Seine Repressionsmaßnahmen erstreckten sich auf mehrere Ebenen und hatten dabei stets die Unterstützung vom Reichskirchenministerium. Am 2. Juni 1938 hatte Muhs, aus „gegebener Veranlassung“, alle Finanzabteilungen „mit Nachdruck“ darauf hingewiesen, dass alle Zahlungen an den Lutherrat aus landeskirchlichen Mitteln, Kollekten oder Mitteln der Kirchengemeinden verboten und zu verhindern seien.611 Cölle veröffentlichte 607 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 12. 11. 1943 (BArch R 5101 / 24274). 608 Cölle an Reichskirchenminister vom 18. 4. 1939 (BArch R 5101 / 24222). Vgl. auch Cölle an Reichskirchenminister vom 3. 10. 1938 (ebd.). 609 Vgl. zu weiteren Fällen nur LkAH B 6 Nr. 3. 610 Vgl. etwa den Fall des Hilfsgeistlichen Winfried Feldmann, der 1938 die Treueidleistung auf Hitler verweigert hatte. Ludwig, Feldmann, 107, weist darauf hin, dass es das Landeskirchenamt selbst und nicht die Finanzabteilung war, das jenem aufgrund der Verweigerung des Treueeides seinen kirchlichen Auftrag entzog. Feldmann selbst sah als Hintergrund dafür jedoch die Furcht des LKA-Personalreferenten Stalmann vor Cölle (vgl. Feldmann an Vikar van de Loo vom 6. 8. 1938, LkAH N 25 Nr. 3). Tatsächlich bekannte Cölle in einem Schreiben vom 1. Juli 1943 an den Reichskirchenminister freimütig, einer etwaigen erneuten Beauftragung Feldmanns durch das Landeskirchenamt „würde die Finanzabteilung auch seine Zustimmung versagt haben.“ BArch R 5101 / 23967, Bl. 16. Nach dem Tode Feldmanns war es Cölle, der eine Hinterbliebenenversorgung der Witwe, anders als das Landeskirchenamt, ablehnte. Vgl. ebd., Bl. 16 f. 611 GBlDEK, 1938, 67 f.

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diese Anweisung wenig später im Kirchlichen Amtsblatt,612 strich daraufhin jegliche Haushaltsmittel für den Lutherrat und untersagte die Ausschreibung, Einsammlung und Verwendung von Kollekten zugunsten des Lutherrats.613 Darüber hinaus versuchte Cölle insbesondere die Tätigkeit Paul Fleischs im Lutherrat zu unterbinden. Fleisch war seit September 1936 im Berliner Sekretariat des Lutherrates tätig, wo ihm nach dem Ausscheiden Breits im November 1938 die eigentliche Leitung zufiel. Seit seinem Wiedereintritt ins Landeskirchenamt 1937 verwendete er meist vier Tage in der Woche für diese Tätigkeit. Cölle verweigerte nun zum einen die Erstattung der Reisekosten zum Sekretariat – diese wurden ab November 1938 vom Lutherrat übernommen. Außerdem wandte er sich bereits am 19. Mai 1938 an Schnelle, mit der Ankündigung, Fleisch das Gehalt zu kürzen, wenn dieser weiterhin in der Hauptsache für den Lutherrat tätig sei, denn für den Lutherrat dürften keine Mittel verausgabt werden.614 Die Kirchenleitung nahm daraufhin allerdings keine Änderung an der Beauftragung vor, sondern zögerte die Angelegenheit hinaus. Cölle hatte von Kerrl in der Sache völlig freie Hand bekommen und sperrte daher im Januar 1939 Fleisch 2/7 seines Lohnes, da jener seinerzeit zwei Tage die Woche im Lutherrat arbeitete. Es folgten einige gerichtliche Niederlagen Cölles, bis schließlich die Beschlussstelle für kirchliche Rechtsangelegenheiten Vergleichsvorschläge vorlegte. Letztlich wurde Fleisch sein Gehalt nachgezahlt, er bekam fortan wieder seine vollen Bezüge, und er fuhr weiterhin nach Berlin. Im Sommer 1940 gab Cölle seine letzten Bemühungen auf, Fleisch doch noch von der Tätigkeit im Lutherrat abzuhalten.615 Letztlich gelang es Cölle nicht, die hannoversche Unterstützung des Lutherrats zu verhindern; die Bekenntnisgemeinschaft trug die Beiträge, die Cölle verweigerte.616 Wohl aber erschwerte Cölle die Mitwirkung Hannovers im Lutherrat.617 Auch dem Lutherischen Weltkonvent, dessen Präsident Marahrens war, begegnete Cölle mit Misstrauen. Im März 1939 fragte er beim Reichskirchenministerium an, ob er einem Antrag des Landeskirchenamts entsprechen solle, 4000 RM für den Lutherischen Weltkonvent bereitzustellen. Erst nachdem Marahrens der Finanzabteilung versichert hatte, die Verwendung der

612 KABl., 1938, 81. 613 Cölle wachte nicht nur über die hannoversche Landeskirche, sondern monierte etwa 1938 und 1944 auch Zahlungen der Landeskirche Schaumburg-Lippe an den Lutherrat, vgl. die Vorgänge in BArch R 5101 / 23802, Bl. 66, 82 f., 86. 614 BArch R 5101 / 23228, Bl. 66. 615 Vgl. zum Vorgang Fleisch: Fleisch, Kirchengeschichte, 210, 232, 239 f., 248 f., 266 f.; Ders., Werden, 41; BArch R 5101 / 23228, Bl. 64 – 75, 287; LkAH S 1 H II 113, Bl. 104 f.; Klìgel, Landeskirche, 269; LKAH S 1 H II 114, Bl. 38 – 44; EZA 1/1376; EZA 50 Nr. 46. 616 Vgl. Klìgel, Landeskirche, 502. 617 Vgl. zum Ganzen: Klìgel, Landeskirche, 275 f., 311; Schneider, Zeitgeist, 185.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

Gelder liege im nationalen Interesse des Deutschen Reiches, genehmigte das Ministerium der Finanzabteilung die Auszahlung des Betrages.618

1.9. Auflösung und Folgen der Finanzabteilung nach dem Krieg: Abwicklung ihres Erbes und die Entnazifizierung ihrer Mitglieder Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete auch in der hannoverschen Landeskirche das Ende der Finanzabteilung – allerdings ein Ende auf Raten. Die hannoversche Kirchenleitung, allen voran der Landesbischof, hielt die Wahrung einer möglichsten Rechtskontinuität für unbedingt notwendig. Einige notwendige Veränderungen veranlasste die Kirchenleitung zwar selbst, revolutionäres Handeln war jedoch nicht von ihr zu erwarten.619 Im Falle der Finanzabteilung konnte die Kirchenleitung nicht ohne weiteres selbst aktiv werden, da jene auf staatlicher Gesetzgebung beruhte und das Kirchensicherungsgesetz noch nicht aufgehoben war. Dennoch schien es zunächst so, als sei eine Abschaffung der Finanzabteilung mit Billigung der Militärregierung umgehend zu besorgen. In einem ersten Gespräch der Oberlandeskirchenräte Stalmann und Mahrenholz mit Major Beattie von der Militärregierung am 28. April 1945 hatte dieser, nachdem er über das Wesen der Finanzabteilung als „Nazieinrichtung“ aufgeklärt worden war, „kurz erklärt: sie ist aufgehoben.“620 Hiervon war bald darauf, unter Verweis auf die Zuständigkeit des Alliierten Kontrollrats für die Aufhebung der NS-Gesetzgebung, keine Rede mehr.621 Stattdessen sollte neues Personal in der Finanzabteilung eingesetzt werden, denn hierfür war nun die Militärregierung zuständig. Marahrens wurde um Vorschläge gebeten.622 Für den Landesbischof und die Kirchenleitung hatte nun Priorität, dass wieder ein LKA-Mitarbeiter den Vorsitz in der Finanzabteilung übernehmen müsse.623 Schließlich wurde 618 Der Vorgang findet sich in BArch R 5101 / 23843, Bl. 7 f., 14 – 17, 21. 619 Vgl. zur hannoverschen Landeskirche in der unmittelbaren Nachkriegszeit hier besonders: Otte, Landeskirche nach 1945, 21 – 28; Lindemann, Volkskirche, 130 – 132; ferner Grosse, Neubeginn; Besier, „Selbstreinigung“; Otte, Umbruch; Fleisch, Entwicklung, 182 f.; Gundlach, Brunotte, 325 f.; Grosse, Neuanfang, 200 f. 620 Vermerk Stalmanns (Besier, Kapitulation I, 79 – 81, hier 79). 621 Vgl. Vermerk Stalmanns über eine Besprechung mit Beattie am 8. 5. 1945 (ebd., 88 f., hier 88); auch Mahrenholz an Brunotte vom 6. 6. 1945 (LkAH N 48 Nr. 202). Laut Mahrenholz war der Meinungsumschwung der Militärregierung „auf Grund sehr ungeschickter rechtlicher Darlegungen aus der Feder Stalmanns“ erfolgt. Die erwähnte Darlegung Stalmanns für die Militärregierung sollte die Überflüssigkeit und den bisherigen Charakter der Finanzabteilung belegen. Sie findet sich in LkAH L 2 Nr. 18a, Bl. 154 – 156. 622 Beattie an Marahrens vom 9. 5. 1945 (LkAH L 2 Nr. 18a, Bl. 147). 623 Vgl. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 28. 5. 1945 (LkAH S 1 H II 112, Bl. 16 – 21, hier Bl. 17).

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Oberlandeskirchenrat Karl Stalmann als FA-Vorsitzender vorgeschlagen,624 auch wenn diese Personalie nicht unumstritten war,625 und am 7. Juni 1945 von der Militärregierung bestätigt626 – der „natürliche“ FA-Vorsitzende, der LKAFinanzreferent Wagenmann, war noch in Kriegsgefangenschaft. Mit der bloßen Umbesetzung wollten sich jedoch weder Landesbischof noch Landeskirchenamt und auch nicht die umbesetzte Finanzabteilung selbst zufrieden geben.627 Die Bemühungen, eine völlige Aufhebung der Finanzabteilung zu erreichen, gingen weiter.628 Im September 1945 gab die Militärregierung nach und erklärte, die Finanzabteilung dürfe bereits vor Abschaffung der Gesetzesgrundlage suspendiert werden.629 Nachdem die Militärregierung damit den Weg frei gemacht hatte, stellte Stalmann die Tätigkeit der Finanzabteilung mit dem 14. November 1945 ein, ihre Befugnisse fielen an die landeskirchlichen Organe zurück.630 In der kurzen Amtszeit Stalmanns war die Finanzabteilung zu einer Amtsführung zurückgekehrt, wie sie unter Schnelle geherrscht hatte. Die Geschäfte der Finanzabteilung wurden vollständig vom Landeskirchenamt erledigt und ihr erst zur notwendigen Zeichnung vorgelegt, ihre Korrespondenz über das Landeskirchenamt geleitet, und ihr Selbstverständnis war das einer kirchlichen Verwaltungsstelle. Die 15. Durchführungsverordnung sei zwar noch zu beachten, so Stalmanns Selbstverständnis, aber doch möglichst eng auszulegen.631 Die Finanzabteilung war wieder zu einem Teil der kirchlichen Verwaltungsbehörde geworden. Eine ihrer ersten Maßnahmen bestand darin, die Bevollmächtigten der Finanzabteilung dort, wo dies gewünscht war und es sich nicht bereits von selbst erledigt hatte, abzuberufen.632 Außerdem veranlasste Stalmann bei der 624 Vgl. Marahrens an Militärregierung vom 12. 5. 1945 (LkAH L 2 Nr. 18a, Bl. 143). Daneben wurden als Möglichkeiten Wagenmann und Niemann genannt. 625 Vgl. Mahrenholz’ sehr kritische Denkschrift vom 23. 5. 1945 (LkAH N 48 Nr. 202). 626 KABl., 1945, 15. Vgl. auch das Schreiben der Militärregierung vom 7. 6. 1945 (LkAH B 1 Nr. 8752). 627 Heinz Brunotte hatte bei einem Besuch am 2. Juni 1945 auf Marahrens eingewirkt, weiterhin auf die Beseitigung der Finanzabteilung hinzuarbeiten. Vgl. Vermerk Brunottes vom 6. 6. 1945 (Besier, Kapitulation I, 188 f., hier 188). Auch berichtete Marahrens in seinem Wochenbrief vom 20. September 1945, immer wieder werde an ihn der Wunsch herangetragen, die Finanzabteilung möge endgültig verschwinden (Zur Lage der Kirche III, 1775 – 1781, hier 1777). 628 Vgl. Marahrens an Militärregierung vom 4. 7. 1945 (LkAH B 6 Nr. 4). 629 Schreiben vom 15. 9. 1945 an Marahrens (LkAH B 1 Nr. 8752). 630 KABl., 1945, 38; vgl. auch Stalmann an LKA vom 12. 11. 1945 (LkAH B 1 Nr. 8751); Stalmann an Militärregierung vom 12. 11. 1945 (LkAH B 1 Nr. 8752); insgesamt zur Abschaffung der Finanzabteilung: LKA an Oberpräsident der Provinz Hannover vom 13. 7. 1946 mit einer Zusammenfassung des Abschaffungsprozederes (EZA 7/5398). 631 Vgl. Rundschreiben Stalmanns vom 16. 6. 1945 (LkAH L 2 Nr. 240/08); das interne LKARundschreiben von Schnelle vom 15. 6. 1945 (LkAH B 1 Nr. 8752). 632 Vgl. die Beschlüsse vom 16. und 29. 6. 1945 (KABl., 1945, 18 f.); auch das Rundschreiben Stalmanns vom 16. 6. 1945 (LkAH L 2 Nr. 240/08).

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Militärregierung die überfällige Abberufung der bisherigen Mitglieder der Finanzabteilung633 und bat, stattdessen Wagenmann als FA-Mitglied zu berufen.634 Dem entsprach die Militärregierung am 2. Juli 1945.635 Ansonsten bestand die Hauptaufgabe der Finanzabteilung zu dieser Zeit darin, die Maßnahmen von Cölle wieder rückgängig zu machen; etwa seine Minderheitenregelungen oder die Kirchensteuersonderkonten.636 Es wurden jedoch nicht pauschal alle früheren FA-Anordnungen aufgehoben. Stattdessen machte das Landeskirchenamt Inventur, prüfte sämtliche von der Finanzabteilung im Kirchlichen Amtsblatt veröffentlichten Maßnahmen und hob Mitte 1946 schließlich eine ganze Reihe von ihnen auf637 – vieles aber war bereits von selbst hinfällig geworden und der größte Teil der überprüften Anordnungen wurde vom Landeskirchenamt nicht beanstandet.638 In der Reflexion der hannoverschen Kirchenleitung über ihre Rolle im „Kirchenkampf“ nahm die Finanzabteilung eine zwiespältige, in jedem Fall jedoch untergeordnete Rolle ein. Auf der einen Seite diente sie dazu, herauszustellen, dass auch die hannoversche Landeskirche in besonderem Maße unter den Bedrückungen der NS-Herrschaft gelitten habe. Im Jahre 1946 schrieb Brunotte in der Denkschrift „Die Haltung der Hannoverschen Landeskirche im Kirchenkampf und heute“639, die im Namen der gesamten Kirchenleitung herausgegeben wurde: Durch die Finanzabteilung „ist die Leitung der Hannoverschen Landeskirche, wie wohl kaum eine andere, ständigen, bis ins Persönliche gehenden politischen Diffamierungen und Übergriffen aller Art ausgesetzt gewesen, die das Ziel hatten, die Leitung der Landeskirche zu Fall zu bringen.“640 Auf der anderen Seite sollte die Betonung der Bedrückungen nur dazu dienen, dagegen umso klarer die Stärke und Widerstandskraft der Kirchenleitung hervorheben zu können. So fährt Brunotte in seiner Denkschrift fort: Landesbischof, Kirchenregierung, Landessuperintendenten und Landeskirchenamt hätten sich „bis zum äußersten“ gegen diesen Eingriff des Staates gewehrt und „keine entscheidende Position“ aufgegeben. Die Quintessenz sollte sein, dass die Kirchenleitung dem NS-Staat und seinen Handlangern in schwerem Kampf vorbildlich widerstanden habe; Erfolge und Wirksamkeit der Finanzabteilung wurden marginalisiert. 633 Vgl. Stalmann an Militärregierung vom 16. 6. 1945 (LkAH B 1 Nr. 8752); und die Antwort vom 22. 6. 1945 (ebd.). 634 Vgl. Stalmann an Militärregierung vom 23. 6. 1945 (ebd.). 635 Schreiben der Militärregierung vom 2. 7. 1945 (ebd.). Vgl. auch KABl., 1945, 28. 636 Vgl. Rundschreiben Stalmanns vom 26. 6. 1945 (LkAH B 1 Nr. 8752). Siehe auch oben 271. 637 Vgl. Bekanntmachung vom 28. 6. 1946 (KABl., 1946, 45 f.). 638 Vgl. zu dem Prüfungsprozess: LkAH S 1 H II 115. 639 Diese erschien als Beilage zum KABl. vom 25. 10. 1946 und ist abgedruckt in: Klìgel, Dokumente, 215 – 226. 640 Ebd., 219, dort auch folgende Zitate. Auch Brunotte, Kirchenkampf, 89, stellt das Leiden unter der Finanzabteilung heraus.

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In gleicher Weise begegnete Eberhard Klügel in seiner Gesamtdarstellung der Finanzabteilung. Auf der einen Seite wurden ausführlich die Angriffe der Finanzabteilung geschildert, als Resümee jedoch vermerkte Klügel: „Wenn nun die tatsächlich eingetretenen Schäden der ständigen Gefährdung noch nicht entsprachen, so lag das vornehmlich an der Geschlossenheit der Landeskirche, die für Cölle immer wieder ein schwer zu beseitigendes Hindernis war.“641 Das hannoversche Beispiel zeige, „wie schwer es für eine nur auf Verwaltungsbefugnisse und staatliche Machtmittel gestützte Instanz ist, in geschlossene Landeskirchen mit bekenntnisgebundener Leitung einzudringen.“642 Die Finanzabteilung diente der Kirchenleitung so zwar als Legitimationsobjekt, jedoch wurde insgesamt im Nachkriegsdiskurs nur relativ selten auf sie Bezug genommen. Landesbischof Marahrens etwa sprach die Rolle der Finanzabteilung weder in seinen Wochenbriefen noch in seinem Rechenschaftsbericht vor der Landessynode anlässlich seines Rückzuges als Landesbischof am 15. April 1947643 an. Er hatte offenbar nicht den Eindruck, zur eigenen Legitimation auf die Abgrenzung zur Finanzabteilung angewiesen zu sein. Ein stärkerer Verweis auf ihre Rolle hätte der Legitimation der Kirchenleitung sogar eher abträglich sein können, denn allein ihre Existenz unterstrich bereits, dass die Kirchenleitung die Landeskirche eben nicht frei vom nationalsozialistischen Einfluss hatte halten können. Die Finanzabteilung beschäftigte die Kirchenleitung nach dem Krieg auch noch aus anderen Gründen. Die Kirchenregierung hielt es auf ihrer Sitzung am 18. Juli 1945 für „dringend erforderlich, daß die Tätigkeit von Dr. Cölle als Leiter der Finanzabteilung nachgeprüft wird.“644 Insbesondere sollte eine Übersicht über die Kosten der Finanzabteilung, die Ausgaben der Finanzabteilung für Zwecke der Deutschen Christen und die Verwendung der Gelder von den Kirchensteuersonderkonten erstellt werden.645 Das Landeskirchenamt seinerseits hatte bereits am 5. Juli 1945 beschlossen, es solle überprüft werden, ob und wie Schadensersatzansprüche gegen Cölle geltend gemacht werden könnten.646 Nachdem das Landeskirchenamt zum 1. Oktober 1945 eine erste Aufstellung der Kosten der Finanzabteilung erstellt hatte,647 wurde beschlossen, ein externes Gutachten zu dem Thema in Auftrag zu geben.648 641 642 643 644 645

Klìgel, Landeskirche, 319. Ebd. Der Rechenschaftsbericht ist abgedruckt in: Ders., Dokumente, 205 – 215. Protokoll der Sitzung (LkAH S 1 H II 112, Bl. 23 – 27, hier Bl. 23). Vgl. die Schreiben der Kirchenregierung an das LKA vom 23. 7. und 1. 9. 1945 (LkAH B 1 Nr. 8754). 646 Vgl. Sitzung des LKA-Kollegs vom 5. 7. 1945 (LkAH B 1 Nr. 1434). 647 Sie findet sich in LkAH L 2 Nr. 3b. 648 Ursprünglich wurde bei der Kirchenkanzlei angefragt, ob einer ihrer Mitarbeiter das gewünschte Gutachten anfertigen könnte. Als dies nicht möglich war wurde Arnold Pilger, ein

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Das Gutachten lag am 14. Februar 1946 vor.649 Es kam zu dem Ergebnis, dass Cölle über Gebühr Personal für die Finanzabteilung eingestellt und damit unnötige Kosten verursacht habe – für diese sei Cölle auch haftbar zu machen, da er den Vermögensschaden „vorsätzlich“ herbeigeführt und dabei seine Amtspflicht verletzt habe. Daneben beanstandete das Gutachten verschiedene Zahlungen an die Deutschen Christen,650 so dass der ersatzpflichtige Betrag auf gut 110 000 RM veranschlagt wurde.651 Ursprünglich war beabsichtigt gewesen, das Material der Militärregierung vorzulegen, doch nun sollten die Ansprüche über einen Zivilprozess geltend gemacht werden.652 Im Juni 1946 wurde ein Rechtsanwalt mit der Vorbereitung der Schadensersatzklage beauftragt, Cölle über den Vorgang informiert und ihm „Gelegenheit zur freiwilligen Anerkennung der Ersatzpflicht“653 gegeben. Über ein halbes Jahr lang scheiterten diverse Versuche des Landeskirchenamtes, mit Cölle zu einem Gespräch über die bevorstehende Klage zu kommen – Cölle stand teils krankheitsbedingt nicht zur Verfügung, teils scheint er die Angelegenheit taktisch verschleppt zu haben.654 Dann beschloss das Landeskirchenamt, die Klage ohne eine vorherige Besprechung einzureichen.655 Am 12. Mai 1947 wurde die Klageschrift beim Landgericht Hannover eingereicht.656 Cölle bestritt die Vorwürfe und beantragte die Abweisung der Klage.657 Im Vorfeld der Verhandlung wurde in Schriftsätzen viel darüber gestritten, ob die Deutschen Christen für die von Cölle getätigten Zuwendungen aus landeskirchlichen Mitteln legitimiert gewesen wären, und ob die FA-eigenen Hilfskräfte mit dem Arbeitsaufkommen der Finanzabteilung begründet werden konnten. Bei der Entscheidung in dem Prozess spielten alle diese Erwägungen jedoch keine Rolle. Es rückte ausschließlich die Frage in den Fokus, ob Cölles Maßnahmen mit Weisungen bzw. der Zustimmung des Reichskir-

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Mitarbeiter der Reichsbahndirektion, der Marahrens empfohlen worden war, im November 1945 mit der Anfertigung des Gutachtens beauftragt. Der Vorgang findet sich in LkAH B 1 Nr. 8752. LkAH B 1 Nr. 8752. Außerdem hatte Pilger in dem Gutachten die Finanzverhältnisse der Kirchensteuersonderkonten ermittelt, wobei das Landeskirchenamt auf diesem Sektor keine Erstattungsansprüche geltend machen wollte. Vgl. Gutachten Pilgers vom 14. 2. 1946 (ebd.). Das Gutachten weist allerdings, bedingt wohl auch durch die miserable Quellenlage, die Pilger zur Verfügung stand, einige Ungenauigkeiten und, besonders bei seiner Interpretation der Personalverhältnisse, zweifelhafte Annahmen auf. Vgl. Sitzung des LKA-Kollegs vom 28. 3. 1946 (LkAH B 1 Nr. 1434). Schreiben an Cölle vom 17. 7. 1946 (LkAH B 1 Nr. 8752). Die Besprechung sollte ursprünglich im September 1946 stattfinden, wurde dann jedoch immer weiter verschoben. Der ganze Vorgang findet sich ebd. Am 7. März 1947 erteilte das Landeskirchenamt seinem Anwalt den Auftrag, die endgültige Klageschrift auszuarbeiten (ebd.). Die Klageschrift findet sich ebd. Vgl. die Klageerwiderung vom 29. 7. 1947 (ebd.).

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chenministeriums gerechtfertigt werden konnten. Das Gericht kam in seinem Urteil vom 1. April 1948658 zu dem Ergebnis, dass Cölle in der Finanzabteilung „mit hoheitsrechtlichen Aufgaben betraut“ war. „Hierbei stand der Beklagte im Dienst des Staates. Die Finanzabteilung selbst ist durch Staatsakt geschaffen; sie beruht auf staatlichem, nicht auf kirchlichem Recht.“ Cölle habe der Dienstaufsicht des Reichskirchenministeriums unterlegen, sein Status sei somit dem eines Staatsbeamten gleichzusetzen gewesen und daher sei nicht er, sondern allenfalls der Staat für Schäden haftbar zu machen.659 Die Klage wurde abgewiesen. Das Landeskirchenamt verzichtete wegen geringer Erfolgsaussichten auf eine Berufung.660 Doch dies war nicht der einzige Prozess, dem sich Georg Cölle in der Nachkriegszeit gegenüber sah. Außerdem lief sein Entnazifizierungsverfahren und ein Ermittlungsverfahren wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10661. Letzteres wurde im Frühjahr 1949 von dem Oberstaatsanwalt in Hannover eingeleitet, weil der Verdacht bestand, Cölle habe während seiner FA-Tätigkeit aus politischen Gründen landeskirchliche Mitarbeiter bei der Gestapo angezeigt sowie belastendes Material gesammelt.662 In einem Ermittlungsbericht der Polizei Braunschweig wurde Anfang 1950 sogar behauptet, Cölle sei ein V – Mann der Gestapo in Kirchensachen gewesen.663 Das Ermittlungsverfahren zog sich eine ganze Weile hin, doch schließlich wurde es am 19. November 1951 eingestellt.664 Cölles Schuld konnte nicht zweifelsfrei belegt werden.665 658 659 660 661 662

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Ebd., daraus auch die folgenden Zitate. Hierauf zielte zuletzt auch die ganze Verteidigungsstrategie von Cölles Anwalt. Vgl. Schreiben vom 13. 5. 1948 (ebd.). Gesetz vom 20. 12. 1945 (Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Nr. 3, 1946, 50 – 55). Eine Anklage wegen „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ war nach dem Krieg das in der britischen Besatzungszone übliche Verfahren, wurde jemandem eine Denunziation zur Last gelegt – sofern es überhaupt zu Ermittlungen kam, vgl. Raim, NS-Prozesse, bes. 37 – 41; Dçrner, „Heimtücke“, 298. Ermittlungsbericht vom 2. Januar 1950 für den Öffentlichen Kläger (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). Vgl. LkAH B 1 Nr. 8752. Leider sind zu dem Ermittlungsverfahren gegen Cölle nur wenige Unterlagen aufzufinden. Cölle war im Zuge eines Verfahrens gegen einen ehemaligen LKA/FA-Mitarbeiter ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten. Konkret wurde der Fall eines LKA-Mitarbeiters untersucht, der 1942 bei der Gestapo wegen staatsfeindlicher Äußerungen denunziert worden war. Als Urheber der Anzeige kamen, wie die Ermittlungen nach dem Krieg ergaben, entweder der zunächst verdächtigte ehemalige LKA/FA-Mitarbeiter oder aber Cölle in Frage. Es waren im Laufe der Zeit verschiedene Gerichte mit der Frage befasst. Je länger die Ermittlungen andauerten, desto mehr neigten sie dazu, Cölle die Anzeige zuzuschreiben – zu klären war und ist dieser Sachverhalt nicht mehr zweifelsfrei. Fest steht, dass Cölle eine enge Zusammenarbeit mit der Gestapo pflegte, ebenso dass er sich dafür zuständig fühlte, die politischen Äußerungen von LKA-Mitarbeitern zu überwachen. In LkAH B 1 Nr. 8752 finden sich einige LKA-Schreiben zu dem Ermittlungsverfahren; Unterlagen zum Fall des Denunzierten finden sich insbesondere in BArch R 5101 / 24230; ansonsten liefern die Personalunterlagen zum neben Cölle verdäch-

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Sein Entnazifizierungsverfahren bereitete Cölle offenbar die meisten Sorgen.666 Zunächst hatte er versucht, die Verfahrenseröffnung so weit wie möglich hinauszuzögern, um nach Möglichkeit eine mündliche Verhandlung zu vermeiden – offenbar spekulierend auf die Gnade eines mehrjährigen Vergessens und eine einziehende Entnazifizierungsmüdigkeit. Nachdem er aber doch seinen Fragebogen abgegeben hatte667 und sich im Mai 1949 der Entnazifizierung stellen wollte, hörte er, dass das Landeskirchenamt Material gegen ihn zusammentrage.668 Tatsächlich zeigte sich das Landeskirchenamt an Cölles Entnazifizierungsverfahren außerordentlich interessiert und lieferte dem Öffentlichen Kläger eine Fülle von Material.669 Dieses sollte belegen, dass Cölle sich „in ausgesprochen nationalsozialistischem Sinne betätigt, die Anliegen des NS. Staates nachdrücklich gewahrt und sich auch kirchenpolitisch völlig im Fahrwasser der nat[ional]soz[ialistisch] eingestellten Deutschen Christen bewegt hat.“670 Cölle ließ daher seine Kontakte spielen und erfuhr sehr vertraulich vom hannoverschen Generalstaatsanwalt, schlechter als Kategorie IV (Mitläufer) würde er in seinem Verfahren nicht eingestuft werden.671 Der Öffentliche Kläger jedoch beantragte am 14. Dezember 1949, eine mündliche Verhandlung für Cölles Entnazifizierung anzusetzen. Cölle versuchte zwar im Januar 1950 eine Aussetzung seines Verfahrens zu erreichen, bis das Entnazifizierungsverfahren gegen Muhs abgeschlossen sei,672 doch

666

667 668 669 670

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tigten LKA/FA-Mitarbeiter reichhaltige Informationen, aus denen sich auch die Beteiligung Cölles in der Sache ergibt (LkAH B 13 Nr. 58 und Nr. 59, ferner Nr. 60). Der ganze Vorgang findet sich in HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380; und teilweise auch in LkAH B 1 Nr. 8752. Vgl. zur Entnazifizierung allgemein und in der britischen Besatzungszone: Vollnhals, Rehabilitierung, bes. 24 – 34; Kçnigseder, Ende; ferner Klessmann, Staatsgründung, bes. 86 – 92; Eschenburg, Jahre, bes. 108 – 120; Niethammer, Mitläuferfabrik; Vollnhals, Herrschaft; Borgstedt, Entnazifizierung. Aus dieser Literatur auch die im Folgenden verwendeten allgemeinen Informationen. Cölles Entnazifizierungs-Fragebogen datiert auf den 21. 5. 1949 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). Vgl. Cölle an seinen Anwalt vom 18. 11. 1949 (ebd.). Es versuchte beispielsweise, möglichst viele Stellungnahmen gegen Cölle zusammenzutragen, vgl. die entsprechenden Anfragen in LkAH B 1 Nr. 8752, etwa an Visbeck, Wischmann, Grotjahn, Klose, Bosse oder Walter Bornemann, den Leiter der bremischen Kirchenkanzlei. LKA an Öffentlichen Kläger vom 28. 6. 1949 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). Im Vergleich zu Bornemanns Schreiben an den Öffentlichen Kläger vom 22. Dezember 1949 (ebd.) liest sich die Stellungnahme des Landeskirchenamtes noch zurückhaltend: Bornemann berichtete, er habe Cölle „als einen der verhängnisvollsten Funktionäre des radikalen, von der SS gesteuerten Kurses in der NSDAP erkannt, der mit dem ihm eigenen Geschick planmäßig das Ziel verfolgte, die Kirche mit Hilfe der finanziellen Drosselung oder Fesselung als Stimme des Gewissens auszuschalten und in die unbedingte Botmäßigkeit der Partei zu bringen.“ Dieser Vorwurf schießt freilich übers Ziel hinaus, denn, wie gesehen, befand sich Cölle mit dem kirchenfeindlichen Flügel der NSDAP keineswegs im Einklang – Bornemanns Wahrnehmung war offenbar eine andere. Vgl. Cölle an seinen Anwalt vom 18. 11. 1949 (ebd.). Vgl. Cölle an den Öffentlichen Kläger Hannover vom 6. 1. 1950 (ebd.).

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wurde dieses Gesuch abgelehnt. Die Verhandlung wurde zunächst für den Januar 1950 angesetzt, allerdings verschob sich der Beginn des Verfahrens mehrfach wegen krankheitsbedingter Verhinderung Cölles. Schließlich fand die Entnazifizierungsverhandlung erst am 4. / 6. Mai 1950 statt – das Verfahren fiel in die Endphase der Entnazifizierung.673 Cölle versuchte den Spruchausschuss zu überzeugen, dass er politisch völlig unengagiert und ein reiner Befehlsempfänger des Reichskirchenministeriums gewesen sei. Zu allen nun gegen ihn vorgebrachten Maßnahmen und Handlungen sei er gegen seinen Willen gezwungen worden, denn kirchenpolitisch sei er neutral und der Kirche immer schon wohlgesonnen gewesen.674 Das Resultat der Verhandlung war eine Einstufung Cölles in Kategorie IV (Mitläufer), ohne weitere Maßnahmen. Der Spruchausschuss machte vor allem geltend, dass Cölle nicht dem kirchenfeindlichen Flügel der NSDAP angehangen, sondern „eine Mittlerstellung zwischen den Kirchenabsichten und den Bestrebungen des Nationalsozialismus“ eingenommen habe – unter „Bestrebungen des Nationalsozialismus“ verstand der Ausschuss ausschließlich die radikale Politik der Parteikanzlei in München, die Kirchenpolitik des Reichskirchenministeriums wurde hingegen als positiv und kirchenfreundlich angesehen. Cölles Kooperation und Kollaboration mit der Gestapo wertete der Ausschuss lediglich als „eine gewisse Amtshilfe“, die Cölle als Inhaber eines staatlichen Amtes leisten musste, als „eine Konzession an die Verhältnisse der damaligen Zeit, aber nicht eine Förderung des Nat[ional]Soz[ialismus].“675 Gegen diese Entscheidung wurde, auch auf Drängen der Landeskirchen von Hannover und Bremen, vom Öffentlichen Kläger am 31. Mai 1950 Berufung eingelegt.676 Die Bewertung des Spruchausschusses, so hieß es in der Begründung der Revision, dass nämlich von der Parteikanzlei die einzige für den Nationalsozialismus „maßgebende Kirchenpolitik“ betrieben worden wäre, sei falsch, da auch das Kirchenministerium die evangelische Kirche „zu einem

673 In Niedersachsen wurde die Entnazifizierung mit dem Gesetz vom 18. 12. 1951 beendet (Nieders•chsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 5, (1951), 231 f.). 674 Cölle verzerrte in seinen Darlegungen seine Rolle in der NS-Zeit ganz erheblich. Er ließ sich sogar zu der Äußerung hinreißen, er sei damals der Meinung gewesen, dass „die Richtung, die Marahrens vertrat, […] die richtige Richtung sei.“ Aussage Cölles in seiner Entnazifizierungsverhandlung vom 4. / 6. 5. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). 675 Entnazifizierungsentscheidung vom 6. 5. 1950 (ebd.). 676 Die Entscheidung hatte auch bereits größeres öffentliches Interesse erfahren: Heinz Brunotte veröffentlichte einen Aufsatz mit dem Titel „Ein Stück Kirchengeschichte – falsch gesehen!“, in dem er der Begründung der Entnazifizierungsentscheidung „erschreckende[.] geschichtliche[.] Fehlurteile“ attestierte. Vgl. auch den Artikel zu dem Thema im Evangelischen Pressedienst vom 31. Mai 1950, der unter der bezeichnenden Überschrift „Ein seltsamer Freispruch / Dr. Cölle, einst Schrecken der Kirchenleitungen, in Kategorie Vier eingestuft“ erschien (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380); sowie den Artikel „Dr. Cölle in Kategorie IV eingestuft“ (Die Botschaft 5, Nr. 23/24 vom 4. 6. 1950).

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Hannovers

willfährigen Werkzeug der NSDAP“677 hätte machen wollen. Die Berufungsverhandlung fand am 6. und 10. November 1950 statt.678 Entgegen dem Trend, mit zunehmendem Zeitabstand Großzügigkeit walten zu lassen,679 und trotz der zurückhaltenden Entnazifizierungspraxis in der britischen Besatzungszone, wurde die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und revidiert. Cölle wurde nun in Kategorie III (Minderbelastete) eingestuft, da er „einen weitgehenden und bedeutenden Einfluss auf die evangelische Kirche ausgeübt und diesen dazu benutzt hat, sie zu einem politischen Werkzeug der NSDAP zu machen“680. Für die Kirchenleitung war dies nach dem gescheiterten Schadensersatzprozess eine späte Genugtuung; für Cölle hatte die Entscheidung, aufgrund der Amnestie- und Rehabilitierungsgesetze der frühen fünfziger Jahre, keine dauerhaften Konsequenzen.681 Bald konnte Cölle wieder als Rechtsanwalt praktizieren, er ließ sich später in Köln nieder.682

677 Berufungsschreiben vom 31. 5. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). 678 Vgl. die Protokolle der Verhandlungen (ebd.). 679 Vgl. zum Beispiel den Entnazifizierungsfall Muhs’, der zunächst in Kategorie III (Minderbelastete) eingestuft wurde, um sich dann, nach der Berufung, in Kategorie V (Entlastete) wiederzufinden. Vgl. Kreutzer, Reichskirchenministerium, 137 f.; Arndt, Muhs II, 83 – 107. Die Finanzabteilungen hatten in dem Verfahren keine Rolle gespielt, vgl. Muhs’ Entnazifizierungsakte (HStAH Nds. 171 Hildesheim Nr. 73849). 680 Entscheidung des Berufungsausschuss vom 10. 11. 1950 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 18380). 681 In Niedersachsen wurden mit dem „Gesetz zum Abschluß der Entnazifizierung“ vom 18. Dezember 1951 (Nieders•chsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 5, (1951), 231 f.) alle Fälle der Kategorien III und IV in Kategorie V überführt. 682 Die anderen (zeitweiligen) Mitglieder der Finanzabteilung hatten kaum Probleme mit der Entnazifizierung: Schnelle blieb ein solches Verfahren offenbar erspart (vgl. LkAH B 13 Nr. 411), ob Wagenmann eines durchlief ist unklar (Auskunft Karl-Heinz Grotjahn, LkAH, vom 31. 5. 2011), Lübbing waren 1945 nach Kriegsende seine Konten gesperrt und erst im Dezember 1945 wieder freigegeben worden. 1949 wurde sein Entnazifizierungsverfahren mit der Einordnung in Kategorie V abgeschlossen. Lübbing blieb nach dem Krieg im Dienst der Landeskirche, vgl. zu ihm: LkAH B 13 Nr. 798 Bd. III. Zur Entnazifizierung von Hoffmeister siehe unten 402 – 404.

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2. Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche 2.1. Die braunschweigische Landeskirche vor der Einrichtung der Finanzabteilung Die braunschweigische Landeskirche benötigte nach dem Ende des landesherrlichen Kirchenregiments und der Abdankung des Herzogs zu Beginn der Weimarer Republik eine neue Kirchenverfassung. Diese wurde rasch ausgearbeitet und bereits am 26. November 1920 von der verfassunggebenden Landessynode verabschiedet. Weil allerdings das Placet des Staates zunächst nicht erteilt wurde, konnte die Verfassung erst am 23. Januar 1922 verkündet und kurz darauf im Amtsblatt veröffentlicht werden.1 Die Leitung der Landeskirche lag nun bei dem Landeskirchentag (der braunschweigischen Landessynode), der Kirchenregierung und dem Landeskirchenamt. Der Landeskirchentag hatte die zentrale Aufgabe, als „Träger der der Landeskirche innewohnenden Kirchengewalt“2, unter anderem die Mitglieder von Kirchenregierung und Landeskirchenamt zu wählen sowie Kirchengesetze zu erlassen. Die Kirchenregierung, an deren Spitze als Vorsitzender der Landesbischof stand, war für die praktische oberste Leitung und die Außenvertretung der Landeskirche zuständig. Sie übernahm beispielsweise die Durchführung und Ausgestaltung der kirchlichen Gesetze. Das Landeskirchenamt schließlich führte „die landeskirchliche Verwaltung nach den Vorschriften der Kirchengesetze.“3 Es war die oberste kirchliche Verwaltungsbehörde der braunschweigischen Landeskirche. Gegenüber den Kirchengemeinden besaß das Landeskirchenamt nach der Kirchengemeindeordnung vom 21. Juli 1922 eine Oberaufsichtsfunktion, unter anderem in der Vermögensverwaltung. Es hatte etwa deren Haushaltsvoranschlag zu prüfen und konnte ihn beanstanden.4 Für die ansonsten selbständige Vermögensverwaltung in den Gemeinden waren die Kirchenvorstände und die Kirchengemeinderäte zuständig. Den LKA-Vorsitz führte ein Geistlicher mit der „Amtsbezeichnung Landesbischof“5. Ein selbständiges Organ war dieses Amt nach der Kirchenverfassung jedoch nicht, obwohl der Landesbischof als geistlicher Leiter der Landeskirche und Vorsitzender zweier Leitungsgremien 1 2 3 4 5

Amtsblatt des Braunschweigischen Landes-Konsistoriums, 1922, 2 – 16. § 45 der Kirchenverfassung (ebd., 9). § 56 der Kirchenverfassung (ebd., 12). Die Kirchengemeindeordnung von 1922 findet sich ebd., 151 – 190. § 54 der Kirchenverfassung (ebd., 12).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

eine zentrale Position in der Landeskirche einnahm und Einfluss in Kirchenregiment und Verwaltung entfalten konnte.6 Die Verfassung wurde, obwohl bereits seit 1922 in Kraft,7 erst in vollem Umfang wirksam, als der braunschweigische Landtag am 8. August 1923 das bis dahin noch bestehende staatliche Landeskonsistorium aufhob und damit die Kirche endgültig in die Selbständigkeit entließ. Am gleichen Tag wurden durch den braunschweigischen Kirchenvertrag die für die kirchliche Verwaltung künftig fälligen Staatsleistungen geregelt.8 Die Landeskirche erlebte 1923/24 einen tiefgreifenden Neuanfang: Das Landeskirchenamt wurde gegenüber dem vorigen Konsistorium personell völlig neu besetzt. Es wurde am 16. September 1923 mit Alexander Bernewitz der erste braunschweigische Landesbischof eingeführt und es trat 1924 erstmals der Landeskirchentag zusammen.9 Im Folgenden soll ein knapper Überblick über die kirchenpolitische Entwicklung der Jahre 1933 bis 1936 gegeben werden:10 Die NSDAP war im Freistaat Braunschweig bereits vor 1933 eine feste politische Größe geworden, so dass sich die Landeskirche frühzeitig mit ihr auseinandersetzen musste. Im deutsch-national gesinnten Landesbischof Bernewitz fand die neue Bewegung einen, allerdings von kritischen Anklängen nicht freien, deutlichen Befürworter. Doch Bernewitz’ Position ging den Deutschen Christen nicht weit genug, die sich im Frühjahr 1933 in der braunschweigischen Landeskirche konstituierten. Bald forderte Pastor Johannes Schlott, der DC-Gauobmann, den Rücktritt des mittlerweile 70-jährigen Landesbischofs, eine Neuausrichtung von Kirchenregierung und Landeskirchenamt sowie Neuwahlen des Landeskirchentages. Die Kirchenregierung reagierte auf die DC-Angriffe am 2. Mai 1933 mit einer Verlautbarung, in der sie beteuerte, völlig auf dem Boden des „nationalen Aufbruchs“ zu ste6 Vgl. zu Verfassung und Verfassungsgenese: Kuessner, Synode, 119 – 128; Heintze, Entwicklung, 149 – 152; Schmidt, Stellung, hier bes. 97 – 103, 126 f., 130 f.; Albrecht, Konsistorium, 471 f.; Kuessner, Landeskirche im 20. Jahrhundert, 364; Rolffs, Kirchenkunde, 257; Krumwiede, Kirchengeschichte, 424 f.; ferner Kuessner, Übergang. 7 Amtsblatt des Braunschweigischen Landes-Konsistoriums, 1922, 37. 8 Das Staatsgesetz zur Aufhebung des Landeskonsistoriums und der Vertrag sind abgedruckt in: Huber, Staat IV, 673 – 676. Vgl. ansonsten hierzu und zum in Braunschweig sehr problematischen Thema der Staatsleistungen während der Weimarer Republik: Kuessner, Synode, 134 f., 141 – 143; Ders., Weimarer Zeit, 163, 165 – 167, 175 f.; Kuessner, Landeskirche im 20. Jahrhundert, 373 – 375, 379; Otte, Kirchen in Niedersachsen, bes. 1032 f.; Bockisch, Finanzen, 542; Breust, Denkschrift. 9 Vgl. dazu Kuessner, Weimarer Zeit, 155, 157 – 159. Zu Bischof Bernewitz auch Ders., Bernewitz. 10 Vgl. zum Folgenden: Ders., Überblick, 71 – 130; Meier, Kirchenkampf I, 406 – 413; Otte, Kirchen in Niedersachsen, 1052 – 1054; Meier, Kirchenkampf II, 295 f.; Heintze, Entwicklung, 153 – 159; Kuessner, Bischof der Mitte, 29 – 39; Krumwiede, Kirchengeschichte, 465 – 467, 474 f., 483 f., 497 – 500, 522 f.; Palmer, Material, bes. 7 – 67; Kuessner, Landeskirche im 20. Jahrhundert, 379 – 391; ferner Ders., Nationalsozialismus, 13 – 19; Ders., Palmer, passim; Ders., Schlott; Ders., Stadtkirchen, bes. 90 – 126, 181 – 193.

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hen.11 Der Landeskirchentag verabschiedete am 12. Mai 1933 ein Ermächtigungsgesetz für den Landesbischof,12 in dem ihm, als „Kirchenkommissar“, die Befugnisse des Landeskirchentages übertragen wurden, bis ein solcher nach Wahlen neu gebildet werden würde. Gleichzeitig wurde die Auflösung des Landeskirchentags beschlossen. Damit war den deutsch-christlichen Ambitionen, umgehend die Macht in der Landeskirche zu übernehmen, ein Dämpfer erteilt worden, indem stattdessen der „alte“ Landesbischof gestärkt wurde. Unterdessen verschärften sich innerhalb der Landeskirche die Gegensätze: Die Kirchenregierung sah sich zunehmend genötigt, öffentlich gegen die Agitation der Deutschen Christen vorzugehen, außerdem sammelte sich im Vorfeld der von der Reichsregierung anberaumten Kirchenwahl eine kirchliche Opposition gegen die DC-Bewegung. Gleichwohl begünstigte die kirchenpolitische Entwicklung auf der Reichsebene die Deutschen Christen, die bei den Kirchenwahlen am 23. Juli 1933 in der braunschweigischen Landeskirche einen deutlichen Erfolg erringen konnten. Letztlich zogen in den neuen braunschweigischen Landeskirchentag ausschließlich Deutsche Christen ein, denn die Liste „Evangelium und Kirche“ war noch am Wahlmorgen, als Reaktion auf Hitlers Wahlaufruf zugunsten der Deutschen Christen, zurückgezogen worden. Nun war der Weg frei für eine deutsch-christliche Umgestaltung der Landeskirche. Wesentlicher Bestandteil dessen war die personelle Neubesetzung von Kirchenregierung sowie Landeskirchenamt: Auf der ersten Versammlung des neugewählten Landeskirchentages am 28. Juli 1933 kündigte Landesbischof Bernewitz an, zum 1. Oktober 1933 in den Ruhestand zu treten. Aus dem Landeskirchenamt schieden, neben dem Landesbischof, auch die beiden geistlichen Mitglieder aus, die kommissarisch durch DC-Gauobmann Schlott und Pastor Wilhelm Beye, einem weiteren führenden Deutschen Christen, ersetzt wurden. Die Kirchenregierung wurde fast komplett umbesetzt; lediglich Oberkirchenrat Dr. Reinhold Breust, ein arrivierter landeskirchlicher Beamter, hatte schon der vorigen Kirchenregierung angehört. Er war inzwischen NSDAP- und DC-Mitglied geworden. Auf der zweiten Tagung des Landeskirchentags am 12. September 1933 wurde schließlich Beye zum Landesbischof gewählt und Schlott als regulärer Oberkirchenrat im Landeskirchenamt eingesetzt.13 Außerdem beschloss der Landeskirchentag ein Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Pfarrer und Kirchenbeamten.14 Dieses beinhaltete einen „Arierparagraphen“ und verpflichtete die Pfarrer und Beamten per Gesetz „gesinnungsmäßig[.]“15 auf den 11 12 13 14 15

LkABl., 1933, 13 f. Ebd., 17. Ebd., 49. Ebd., 47 f. Meier, Kirchenkampf I, 409.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

NS-Staat. Wer nicht in dieses Konzept passte, konnte in den Ruhestand versetzt werden. Das DC-Kirchenregiment hatte indes schon früher begonnen, besonders aus den großen Kirchen der Landeskirche oppositionelle Pfarrer zu entfernen. Im Landeskirchenamt setzte Beye die personelle Gleichschaltung fort, indem er weitere Gefolgsleute in die Behörde holte. Das Vorgehen der Kirchenleitung führte in der Landeskirche zu zunehmendem Unmut. Eine von Beye anberaumte Versammlung aller Pfarrer, Vikare und Kandidaten, auf der er den aufbrechenden Riss in der Pfarrerschaft mit einem Aufruf zur Einigkeit hatte überbrücken wollen, führte schließlich zur Konstituierung einer fest organisierten Opposition in der Landeskirche – dem braunschweigischen Pfarrernotbund.16 Ende 1933 war trotz der mit der Oppositionssammlung einhergehenden Turbulenzen die gesamte Kirchenleitung fest in deutsch-christlichen Händen. Das Verhältnis von Pfarrernotbund und Beye verschlechterte sich hingegen zusehends, bald wurde Heinrich Lachmund, Vorsitzender des Pfarrernotbundes, von Beye suspendiert. Außerdem wurden weitere oppositionelle Pfarrer in den Ruhestand versetzt. Doch auch die Deutschen Christen hatten Anfang 1934 mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Landesbischof Beye, erst am 21. Januar 1934 durch den Reichsbischof feierlich in sein Amt eingeführt, musste bereits am 23. Februar 1934 sein Amt wieder aufgeben. Er wurde verdächtigt, kirchliche Gelder veruntreut zu haben und hatte seinen Rückhalt beim Braunschweiger Staatsministerium und der Parteiführung verloren. Zudem waren kurz zuvor zwei Mitglieder der Kirchenregierung zurückgetreten und hatten diese so handlungsunfähig gemacht. Die chaotischen Zustände riefen Reichsbischof Müller auf den Plan, der am 21. Februar 1934 einen Bevollmächtigten der Deutschen Evangelischen Kirche für die braunschweigische Landeskirche ernannte, den Berliner Oberkonsistorialrat Oskar Evers. Dieser war berechtigt, „alle Befugnisse des Landesbischofs, der Kirchenregierung oder sonstiger kirchenregimentlicher Organe der braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche wahrzunehmen.“17 Evers bildete am 17. März 1934 die kirchlichen Organe nach seinem Willen um. Er verkleinerte den Landeskirchentag um zwei Drittel seiner Mitglieder.18 Außerdem bildete er eine neue Kirchenregierung:19 Vorsitzender und stellvertretender Landesbischof wurde LKA-Rechtsreferent Dr. Breust, sein Stellvertreter der LKA-Jurist Oberkirchenrat Dr. Friedrich Lambrecht. Hinzu 16 Zunächst schlossen sich 43 Pfarrer zum Pfarrernotbund zusammen. Die Mitgliedszahlen stiegen noch leicht, so dass laut Kuessner, Überblick, 104, dem Pfarrernotbund in der braunschweigischen Landeskirche bis 1945 kontinuierlich etwa 60 – 70 Mitglieder angehörten (bei einer Gesamtpfarrerschaft von etwa 230 Pastoren). Vgl. auch Meier, Kirchenkampf III, 417; Kuessner, Palmer, 176; Palmer, Material, 124. 17 LkABl., 1934, 7 f. 18 Vgl. ebd., 25. 19 Ebd., 25 f.

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kamen Pastor Schlott, Staatsrat Kurt Bertram, DC-Kreispfarrer Otto Gremmelt20 und Landgerichtsdirektor Kurt Gerhard. Das neue Kirchenregiment war nicht geeignet, eine Entspannung in der Landeskirche herbeizuführen. Unter dem Eindruck des Beye-Prozesses sowie des Disziplinarverfahrens gegen Lachmund, der aus dem Dienst der Kirche entlassen wurde, verschärften sich stattdessen die Gegensätze weiter. Unterdessen wurde am 1. Juni 1934 vom verkleinerten Landeskirchentag die Eingliederung der braunschweigischen Landeskirche in die Reichskirche beschlossen. Per DEK-Gesetz vom 2. Juni 1934 übernahm die Reichskirche „unter Führung des Reichsbischofs durch ihre Organe die Leitung“21 der Landeskirche und unterstellte den Landesbischof den Weisungen des Reichsbischofs. Die Eingliederung verlief reibungslos, lediglich der Pfarrernotbund protestierte gegen diesen Schritt. Komplettiert wurde diese rasche Entwicklung mit der Berufung Helmuth Johnsens zum kommissarischen Kirchenführer der braunschweigischen Landeskirche am 4. Juni 1934.22 Johnsen war zuvor Dompfarrer in Lübeck gewesen, 1933 in die NSDAP eingetreten,23 außerdem Mitglied der Deutschen Christen. Seine Ernennung fügte sich nahtlos in die zuvor in der braunschweigischen Landeskirche betriebene Personalpolitik. Am 15. November 1934 wählte der Landeskirchentag Johnsen zum Landesbischof. Zu jener Zeit brach auch Reichsbischof Müllers Eingliederungswerk zusammen, so dass das Landeskirchenamt am 21. Dezember 1934 bekanntgeben konnte, die Leitung der braunschweigischen Landeskirche werde wieder von heimischen Organen ausgeübt.24 Schon während Johnsens Amtszeit als kommissarischer Kirchenführer hatten sich die Zustände in der Landeskirche entspannt und stabilisiert. Johnsen verfügte über eine „feste[.] nationalsozialistische[.] Grundüberzeugung“25 und verfolgte von Anfang an ein Konzept „der Mitte, nämlich einer lutherischen, gruppenfreien Landeskirche im nationalsozialistischen Staatswesen“26. So übernahm er zwar zunächst die Gauleitung der braunschweigischen Deutschen Christen, gleichzeitig aber kam er in vielen Entscheidungen dem Pfarrernotbund entgegen, indem er etwa außer Amt gebrachte Notbundpfarrer wieder einsetzte oder Disziplinarmaßnahmen aufhob; auch Lachmund wurde wieder in den Dienst genommen. In letzter Konsequenz trat er sogar am 26. Februar 1935 bei den Deutschen Christen aus, auch wenn er ihren Vorstellungen verbunden blieb. Johnsen meinte es ernst mit seinem 20 Am 1. Juni 1934 wurde der aus der Kirchenregierung zurückgetretene Gremmelt durch Kirchenrat Erich Tacke ersetzt (ebd., 39). 21 GBlDEK, 1934, 53 f. 22 Vgl. zur Person Johnsens: Kuessner, Bischof der Mitte; ferner Ders., Schicksal. 23 Und zwar am 1. Mai 1933, vgl. BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP. 24 Vgl. den Bericht für den Reichskirchenminister von Mahrenholz vom 10. 2. 1936 (EZA 1/1247). Im Amtsblatt erschien jedoch keinerlei Bericht über die Rücknahme der Eingliederung. 25 Pollmann, Entnazifizierung, 30. 26 Kuessner, Überblick, 121.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Ideal einer gruppenfreien Landeskirche. Allerdings erreichte er sein Ziel, die kirchenpolitischen Gruppierungen zu neutralisieren, mit seinem Mittelkurs nicht: Die radikalen Deutschen Christen verärgerte Johnsen durch seine Personalentscheidungen sowie mit seiner versöhnenden und ausgleichenden Amtsführung; die weiterhin bestehenden Differenzen zur Bekennenden Kirche störten sein Verhältnis zum Pfarrernotbund, der ihn als von Reichsbischof Müller eingesetzten Kirchenführer ansah. Johnsen konnte keine der Seiten auf Dauer für sich gewinnen. Die Mehrheit der Pfarrer gehörte indes keiner der beiden kirchenpolitischen Gruppierungen an; bei ihnen fand Johnsen mit seinem gemäßigten Mittelkurs Anklang. Unter Johnsen kam es zu neuerlichen personellen und strukturellen Veränderungen in der Landeskirche, die seine Stellung weiter festigen sollten: Bereits unmittelbar nach seinem Amtsantritt als kommissarischer Kirchenführer beurlaubte er unter anderem die Oberkirchenräte Breust, Lambrecht und Schlott, da diese beschuldigt wurden, ein landeskirchliches Grundstück an einen Juden veräußert zu haben. Lambrechts Beurlaubung wurde kurze Zeit später wieder aufgehoben (er war an der Transaktion nicht beteiligt gewesen), er kehrte als Finanzreferent und Leiter des juristischen Referates ins Landeskirchenamt zurück; Schlott wurde entlassen; Breust blieb bis auf weiteres beurlaubt. Als Ersatz für Schlott berief Johnsen Kirchenrat Friedrich Wilhelm Röpke als geistlichen Oberkirchenrat ins Landeskirchenamt; einen Mann der Mitte. Röpke war Anfang 1934 bei den Deutschen Christen ausgetreten und zuvor ein gemäßigter DC-Vertreter gewesen, außerdem war er seit 1933 NSDAP-Mitglied. Auf der mittleren Verwaltungsebene wurde die Landeskirche im März/April 1935 umgegliedert.27 Aus den erst 1933 im Zuge der DC-Machtkonsolidierung umgestalteten Kirchenkreisen28 wurden 15 Propsteien gebildet. Die neuen Pröpste gehörten nur noch zum kleineren Teil den Deutschen Christen an, einer war Mitglied des Pfarrernotbundes, der größte Teil jedoch war der Gruppe der Neutralen zuzurechnen. Johnsen hatte sich eines Teils der vorherigen DC-Kreispfarrer entledigen können, von denen einige in Opposition zu ihm gestanden hatten. Die Deutschen Christen Braunschweigs arbeiteten unterdessen am Jahresende 1935 daran, Johnsen „kirchenpolitisch auszubooten.“29 Sie beantragten, einen Landeskirchentag einzuberufen, der nach Möglichkeit Johnsen absetzen sollte – obwohl der Landeskirchentag seine Befugnisse am 25. März 1935 auf Johnsen übertragen hatte.30 Auch von der Einrichtung eines Landeskirchenausschusses erhofften sie sich eine Entmachtung des Landesbischofs. 27 28 29 30

Vgl. LkABl., 1935, 22 – 24, auch 28, 32 f. Vgl. ebd., 1933, 41 – 44, 49. Meier, Kirchenkampf II, 297. LkABl., 1935, 10.

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Die Bildung der Finanzabteilung im Rahmen der Ausschussbildung 1936 301

2.2. Die Bildung der Finanzabteilung im Rahmen der Ausschussbildung 1936 Anfang 1936 fanden erste Verhandlungen über die Einsetzung eines Kirchenausschusses für die braunschweigische Landeskirche statt.31 Das Reichskirchenministerium hielt eine Klärung der Rechtslage für notwendig, denn die kirchenpolitischen Gruppierungen bezweifelten die Rechtmäßigkeit des Kirchenregiments Johnsen, vor allem dessen Wahl zum Landesbischof 1934.32 Auch die Kirchenregierung selbst wünschte sich eine staatliche Verordnung,33 um sich der ständigen Anfechtungen erwehren zu können. Die Verhandlungen unter der Federführung von Christhard Mahrenholz (für den Reichskirchenausschuss) und Hermann von Detten (für das Reichskirchenministerium) führten rasch zum Ziel: Aufgrund der Siebenten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 26. Februar 193634 wurde in der braunschweigischen Landeskirche vom Reichskirchenminister eine neue Kirchenregierung eingesetzt. Trotz der Bezeichnung, die an eine Sonderregelung wie in Hannover denken lässt, entsprachen die gesetzlichen Bestimmungen für die neue Kirchenregierung genau denen anderer Landeskirchenausschüsse. Als Mitglieder der Kirchenregierung setzte Reichskirchenminister Kerrl die der vorherigen ein: Johnsen (Vorsitzender), Bertram, Gerhard, Lambrecht und Pfarrer Wilhelm Rauls.35 Die Alternative, eine auch personelle Neubildung einer Kirchenregierung, war in Berlin als unkalkulierbares Experiment verworfen worden. Die neue Kirchenregierung war rechtlich gesehen mit der bisherigen nicht vergleichbar, denn sie übte die Befugnisse des Landeskirchentages sowie der verfassungsmäßigen Kirchenregierung aus. Ihre Amtszeit war zunächst bis zum 30. September 1937 befristet, sie amtierte jedoch aufgrund der späteren gesetzlichen Bestimmungen auch über diesen Zeitpunkt hinaus. Seit Oktober 1936 bestand die Kirchenregierung nur noch aus vier Mitgliedern, da Landgerichtsdirektor Gerhard verstarb.36 31 Vgl. zur Einsetzung der Kirchenregierung insbesondere den Bericht Mahrenholz’ für den Reichskirchenminister vom 10. 2. 1936 (EZA 1/1247; die vorliegende Abschrift datiert auf den 14. 2., doch hat der Bericht dem Minister bereits am 10. 2. 1936 vorgelegen, vgl. von Detten an Mahrenholz vom 18. 2. 1936, LkAH N 48 Nr. 119 F); die Unterlagen ebd.; zudem Meier, Kirchenkampf II, 296 f.; Kuessner, Überblick, 130; Pfundtner / Neubert, Reichsrecht, I d 4, 30 f.; Krumwiede, Kirchengeschichte, 523; Heintze, Entwicklung, 157; Kuessner, Bischof der Mitte, 39; Klìgel, Landeskirche, 285; Palmer, Material, 68 – 70. 32 Vgl. das Gutachten Fleischs vom 4. 3. 1935 (LkAH N 48 Nr. 119 F). 33 Vgl. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 10. 1. 1936 (LkAW KR 41). 34 LkABl., 1936, 2. 35 Bekanntmachung des Reichskirchenministeriums vom 29. 2. 1936 (ebd.). Rauls war im Oktober 1935 anstelle des ausgeschiedenen Kirchenrates Tacke hinzugekommen. 36 Vgl. ebd., 28.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Letztlich ging Johnsen aus der Krise gestärkt hervor, denn sein Kirchenregiment war nun auch staatlich sanktioniert. Er konnte seinen ausgleichenden Mittelkurs fortsetzen. Von den Deutschen Christen war nach dieser staatlichen Regelung keine ernsthafte Anfechtung mehr zu erwarten – denn dafür hätten sie sich gegen das Ministerium wenden müssen. Dem Pfarrernotbund kam Johnsen entgegen, indem er nach längeren Verhandlungen zustimmte, den Notbundpfarrer Hans Eduard Seebaß als nebenamtlichen Oberkirchenrat ins Landeskirchenamt aufzunehmen.37 Dies war bereits in den Verhandlungen zur Bildung der Kirchenregierung eine wesentliche Forderung des Pfarrernotbundes gewesen.38 Am 1. November 1936 trat Seebaß offiziell ins Landeskirchenamt ein.39 Mit der Siebenten Durchführungsverordnung wurde am 26. Februar 1936 in der braunschweigischen Landeskirche auch eine Finanzabteilung gebildet und an die Bestimmungen des preußischen Vermögensverwaltungsgesetzes sowie dessen erster Durchführungsverordnung gebunden. In dem Gesetzeskommentar von Pfundtner / Neubert hieß es dazu lapidar : „Auch in Braunschweig ist wie in den anderen bisher geordneten Landeskirchen eine Finanzabteilung gebildet“40. Die Bildung von Finanzabteilungen war inzwischen zu einem integralen Bestandteil der Kerrl’schen Ordnungs- und Ausschusspolitik geworden. Da spielte es auch keine Rolle, dass der braunschweigische Ministerpräsident erst im September 1935 dem Reichskirchenminister mitgeteilt hatte, dass die Finanzen der Landeskirche in Ordnung seien und daher die Bildung einer Finanzabteilung „für das Land Braunschweig nicht tunlich erscheint.“41 Zwar hatten sich die Deutschen Christen im Vorfeld der FABildung über das angeblich verschwenderische Finanzgebaren des Landesbischofs beschwert, und Mahrenholz hatte sich angeschlossen, „daß man das vielleicht in manchen Punkten zu repräsentative Auftreten von Johnsen“42 einschränken sollte.43 Doch letztlich war dies unerheblich. Bei den Verhandlungen im Vorfeld der Bildung der Kirchenregierung wurde es allseits als Selbstverständlichkeit angesehen, dass auch eine Finanzabteilung eingerichtet werden würde. Daher stand dieser Punkt in den Verhandlungen niemals zur Disposition; lediglich über die Personalbesetzung wurde debattiert: Dem Reichskirchenministerium kam es darauf an, die Finanzabteilung möglichst kirchenpolitisch neutral zu besetzen. Im Rahmen der Ausschusspolitik war es üblich geworden, den FA-Vorsitz dem Leiter der obersten Kir37 Vgl. die Unterlagen in EZA 1/2620. 38 Vgl. Bericht Mahrenholz’ für den Reichskirchenminister vom 10. 2. 1936 (EZA 1/1247); Propst Schwartz an Mahrenholz vom 5. 2. 1936 (LkAH N 48 Nr. 119 F); Meier, Kirchenkampf II, 297; Kuessner, Überblick, 130 f. 39 Vgl. den Dienstvertrag (EZA 1/2617). 40 Pfundtner / Neubert, Reichsrecht, I d 4, 30. 41 Schreiben vom 5. 9. 1935 (BArch R 5101 / 22728, Bl. 646). 42 Bericht Mahrenholz’ für den Reichskirchenminister vom 10. 2. 1936 (EZA 1/1247). 43 Vgl. ebd.; ferner Kuessner, Überblick, 138.

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Die Bildung der Finanzabteilung im Rahmen der Ausschussbildung 1936 303

chenverwaltungsbehörde zu übertragen. Da dies hier Landesbischof Johnsen gewesen wäre, schied diese Option aus. Stattdessen ernannte der Reichskirchenminister am 29. Februar 1936 Oberkirchenrat Dr. Friedrich Lambrecht zum Vorsitzenden der Finanzabteilung.44 Lambrecht war von Mahrenholz für diesen Posten vorgeschlagen worden. Er war als langjähriges Behördenmitglied45 und Finanzreferent für diese Aufgabe prädestiniert, zumal in der Behörde kein vergleichbar eingearbeiteter juristischer Mitarbeiter zur Verfügung stand. Ferner war Lambrecht „Parteigenosse“46 und somit auch nach dieser Seite unverdächtig. Außerdem hatten sich Landesbischof, Notbund und die Deutschen Christen einmütig und problemlos mit dieser Personalie einverstanden erklärt, ihr Vertrauen in Lambrechts Amtsführung bekannt und eine gedeihliche Zusammenarbeit zugesichert.47 Daneben berief Kerrl auch den zweiten hauptamtlichen Juristen des braunschweigischen Landeskirchenamts, Kirchenoberregierungsrat Dr. Hans-Wilhelm Jürgens, als Mitglied in die Finanzabteilung.48 Jürgens war seit 1934 SA-Mitglied und schien politisch unbedenklich – 1937 trat er, bald nach Lockerung der Aufnahmesperre, in die NSDAP ein.49 Mahrenholz aber hatte im Vorfeld grundsätzlich dafür plädiert, neben Lambrecht und Jürgens ein weiteres FA-Mitglied einzusetzen. Ein auswärtiger Jurist schien ihm besonders empfehlenswert: „Diese Maßnahme ist vielleicht schon darum zweckmäßig, damit allen Gerüchte[n] über eine falsche Finanzgebarung in der braunschweigischen Landeskirche der Boden entzogen wird und [die Finanzabteilung] letztlich mit zur Autoritätsstärkung der Braunschweigischen Kirchenregierung dient. [sic!]“50

So ernannte Kerrl Oberkirchenrat Gustav Ahlhorn aus der hannoverschen Landeskirche zum dritten FA-Mitglied51 – Mahrenholz kannte Ahlhorn aus dem hannoverschen Landeskirchenamt, beurteilte diesen offenbar günstig und hatte ihn empfohlen.52 Zwischenzeitlich hatte Mahrenholz auch Breust für 44 45 46 47 48 49 50 51

Bekanntmachung des Reichskirchenministeriums (LkABl., 1936, 2). Lambrecht war 1924 in das Landeskirchenamt eingetreten. Aufgenommen am 1. Mai 1933, vgl. BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP. Vgl. Lambrecht, Lebenserinnerungen, 194; Kuessner, Überblick, 138. Bekanntmachung des Reichskirchenministeriums vom 29. 2. 1936 (LkABl., 1936, 2). Selbstauskunftsbogen Jürgens’ vom 28. 10. 1938 (LkAW LKA BA 214). Bericht Mahrenholz’ für den Reichskirchenminister vom 10. 2. 1936 (EZA 1/1247). Bekanntmachung des Reichskirchenministeriums vom 29. 2. 1936 (LkABl., 1936, 2). Johnsen und Lambrecht hatten in einem Gespräch mit Hermann von Detten am 14. Februar 1936 als FA-Besetzung Lambrecht, Röpke und Jürgens vorgeschlagen, auch Staatsrat Bertram wäre für sie in Frage gekommen. Ein auswärtiges FA-Mitglied schlossen sie aber nicht aus. Letztlich dürfte den beiden die dann erfolgte Personalbesetzung recht gewesen sein. Vgl. von Detten an Mahrenholz vom 18. 2. 1936 (LkAH N 48 Nr. 119 F). 52 Ursprünglich hatte Mahrenholz als „auswärtigen Juristen“ Oberlandeskirchenrat Carstensen aus Kiel vorgeschlagen, der auch in Hannover eingesetzt war, vgl. Bericht Mahrenholz’ für den Reichskirchenminister vom 10. 2. 1936 (EZA 1/1247). Im Reichskirchenministerium lehnte man diesen Vorschlag jedoch ab, da Carstensen schon mit seiner hannoverschen Tätigkeit „besonders belastet“ sei. Von Detten an Mahrenholz vom 18. 2. 1936 (LkAH N 48 Nr. 119 F). Als

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

einen FA-Posten erwogen. Aufgrund des gestörten Verhältnisses von Breust und Johnsen wurde diese Variante jedoch nicht ernsthaft weiter verfolgt.

2.3. Unbeachtete Hinnahme: Reaktionen auf die FA-Bildung So wenig Interesse und Diskussionen die Bildung der Finanzabteilung in ihrem Vorfeld ausgelöst hatte, so wenig Aufmerksamkeit weckte sie danach. Der Landesbischof hielt es nicht einmal für nötig, die Einrichtung der Finanzabteilung in einem seiner Bischofsbriefe auch nur zu bemerken.53 Ähnlich der Pfarrernotbund. In einer Stellungnahme zur neuen Kirchenregierung, vermutlich von Lachmund, hieß es einerseits, der Pfarrernotbund habe zur „geistlichen Leitung des Landesbischofs und der Kirchenregierung […] bisher kein Vertrauen gehabt, – und das kann sich auch durch einen staatlichen Auftrag nicht ändern.“54 „In Dingen der Verwaltung“ andererseits, „haben wir auch bisher mit Kirchenregierung und Landeskirchenamt arbeiten müssen“55, in dieser Hinsicht ändere sich auch zukünftig nichts. Von der Einrichtung der Finanzabteilung nahm Lachmund in dem Schreiben keine explizite Notiz, an ihrem staatlichen Auftrag keinen Anstoß. Seine Haltung war symptomatisch; der Pfarrernotbund unterschätzte die Bedeutung der FAEinrichtung und verzichtete daher auf eine kritische Begleitung. Die Deutschen Christen hatten sich von der FA-Bildung eigentlich eine Entmachtung des Landesbischofs und eine Stärkung ihrer eigenen Position versprochen. Dieses Ziel hatten sie nicht erreicht, denn die Besetzung der Finanzabteilung sanktionierte den status quo. Dennoch lehnten sie die Finanzabteilung nicht grundsätzlich ab. Zur allseitigen Akzeptanz der Finanzabteilung trug bei, dass ihre Einrichtung das Personengefüge in der Vermögensverwaltung nicht antastete.56 Geändert wurde nur die rechtliche Grundlage. Daran aber störte sich in der braunschweigischen Landeskirche zunächst niemand; zumal die FA-Bildung mit der Einrichtung der Kirchenregierung einherging. Die Beteiligung Ahlhorns aus der hannoverschen Landeskirche löste ebenfalls keine Irritationen

53 54 55 56

Ausweichvorschlag hatte Mahrenholz wenig später empfohlen, „einen der juristischen Räte des hannoverschen Landeskirchenamtes zu bestellen“, die sich wegen der Nachbarschaft und Bekenntnisgleichheit der Landeskirchen anböten. Gedacht war an Wagenmann oder Ahlhorn. Vgl. den undatierten Bericht für den Reichskirchenminister über neuerliche Besprechungen in Braunschweig am 19. 2. 1936 (ebd.). In seinem fünften Bischofsbrief vom 17. April 1936 (LkAW LBF 128) äußerte sich Johnsen lediglich positiv zur Bildung der Kirchenregierung. Undatierte Stellungnahme (LkAW PNB 4). Ebd. Vgl. zur Arbeitsaufteilung im Landeskirchenamt vor der FA-Einrichtung: Lambrecht, Lebenserinnerungen, 190.

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Die Finanzabteilung unter Friedrich Lambrecht 1936 – 1938

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aus. Der sorglose Umgang mit der FA-Einrichtung schien gerechtfertigt, da in anderen Landeskirchen bereits seit längerer Zeit Finanzabteilungen bestanden.

2.4. Die Finanzabteilung unter Friedrich Lambrecht 1936 – 1938: Problemlose Integration Die Finanzabteilung gliederte sich in den ersten Jahren ihres Bestehens weitgehend in das bisherige Gefüge der Landeskirche ein.57 Gleichwohl war sich Lambrecht seiner Statusveränderung durchaus bewusst. So schrieb er in seinen Erinnerungen, der ausführlichsten, wenn auch subjektiven Quelle zu dieser FA-Periode: „Die Tatsache, daß nunmehr jede Ausgabe aus der braunschweigischen Landeskirchenkasse oder aus einer der braunschweigischen Ortskirchenkassen von mir verhindert werden konnte, war natürlich für den Landesbischof und für den hauptamtlichen, theologischen Oberkirchenrat eine harte Nuß. Ich habe mir zwar stets Mühe gegeben, mein Amt mit viel Takt und Rücksicht auf verständliche Empfindlichkeiten auszuüben, aber Reibungen konnten dennoch nicht ausbleiben.“58

So habe er den zu „übertriebener Repräsentation“59 neigenden Landesbischof zuweilen wegen der gebotenen Sparsamkeit bremsen müssen. Dies bedeutete aber letztlich keine wesentliche Eintrübung des Verhältnisses von Finanzabteilung und Kirchenleitung. „Gegen keine meiner Entscheidungen“, so hielt Lambrecht in seinen Erinnerungen fest, „wurde in der mehr als zweijährigen Amtsdauer jemals von irgendeiner Seite Beschwerde bei dem dafür zuständigen Reichskirchenminister erhoben. Andererseits habe ich meinerseits niemals, auch wenn es sich um noch so schwerwiegende und folgenreiche oder schwierige Fälle handelte, eine Entscheidung oder Entscheidungshilfe des Ministeriums erbeten, sondern stets nach eigenem Rechtsempfinden und Gewissen entschieden“60.

Diese Darstellung ist zutreffend.61 Eine Involvierung des Reichskirchenministeriums in braunschweigische Angelegenheiten war nicht nötig: Zum einen verhielten sich die kirchenpolitischen Gruppierungen still, zum anderen führte Lambrecht die Finanzabteilung als kirchliches Organ, arbeitete „in 57 58 59 60 61

Vgl. auch Kuessner, Palmer, 200. Lambrecht, Lebenserinnerungen, 194. Ebd., 195. Ebd., 195 f. Daher finden sich im Bundesarchiv im Bestand des Reichskirchenministeriums kaum Unterlagen zur braunschweigischen Finanzabteilung vor 1938.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

loyaler Weise mit der Kirchenregierung“62 zusammen und agierte meist in Übereinstimmung mit der Kirchenleitung. Außerdem beriet er sich regelmäßig mit den beiden Mitgliedern der Finanzabteilung und erzielte „am Schluß der Beratungen stets eine einhellige Meinung“63. War Lambrecht also bemüht, die Finanzabteilung soweit wie möglich von staatlichen Einflüssen freizuhalten, so deckte sich dies mit Johnsens damaliger Hinwendung zum Lutherrat und dem Kasseler Gremium.64 Johnsen machte sich etwa die „Kasseler Botschaft“ vom 23. August 1937 zu Eigen und legte sie seinem Bischofsbrief vom 27. August 1937 bei.65 Er schloss sich damit auch dem Protest gegen staatskirchliche Tendenzen und die Finanzabteilungen an. Johnsens Haltung führte innerhalb der Kirchenregierung bald zu Unstimmigkeiten, denn Staatsrat Bertram sah in den Aktivitäten Johnsens unbotmäßige Angriffe auf staatliche Organe.66 Abgesehen von diesen kleineren Schwierigkeiten und Streitigkeiten im (zumindest mittelbaren) Zusammenhang mit der Finanzabteilung, verrichtete diese unauffällig ihre Tätigkeit, und dafür erhoben die kirchlichen Stellen keine Einwände gegen ihr Bestehen oder ihre Amtsführung.67 Wenn Johnsen sich auch auf gesamtkirchlicher Ebene den Protesten gegen die Finanzabteilungen anschloss, so ließ er diesem Bekenntnis auf landeskirchlicher Ebene keine Konsequenzen folgen. Die Existenz der Finanzabteilung in seiner Landeskirche stellte er nicht in Frage.

62 So Johnsens Bericht auf der Sitzung des Lutherrats am 1. 4. 1937, Zitat nach einem Protokoll Breits (Verantwortung III, 221 Anm. 42). 63 Lambrecht, Lebenserinnerungen, 195. 64 Vgl. Kuessner, Bischof der Mitte, 40. Die braunschweigische Landeskirche war am 6. Januar 1937 nach schwierigen Verhandlungen in den Lutherrat eingetreten (LkABl., 1937, 1 f.); daneben war die braunschweigische Landeskirche auch durch ihren Bruderrat im Lutherrat vertreten. Vgl. insgesamt zu Braunschweig im Lutherrat: Meier, Kirchenkampf II, 296 – 298; Besier, Kirchen, 505 – 508; Schneider, Zeitgeist, 153 f.; Pollmann, Entnazifizierung, 31; Kuessner, Palmer, 213 – 217; Ders., Überblick, bes. 132, 134; Ders., Bischof der Mitte, 39, 45; Meier, Kirchenkampf III, 414; Krumwiede, Kirchengeschichte, 524; Palmer, Material, 71 – 74. 65 Der 18. Bischofsbrief findet sich in LkAW LBF 128. Vgl. auch Kuessner, Überblick, 135; Ders., Palmer, 235. Allgemein zu den Bischofsbriefen: Ders., Bischof der Mitte, 40; Ders., Überblick, 135. 66 Vgl. das Sitzungsprotokoll der Kirchenregierung vom 4. 10. 1937 (LkAW KR 41); auch Kuessner, Überblick, 135; Ders., Bischof der Mitte, 40. 67 Männerwerkspfarrer Schäfer befand rückblickend, Lambrecht habe „die Finanzabteilung in einer sehr sorgfältigen und sauberen Weise geführt“ (Sch•fer, Blätter, 30).

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Im Zeichen der Muhs’schen FA-Politik: Umbesetzung der Finanzabteilung 307

2.5. Im Zeichen der Muhs’schen FA-Politik: Die Umbesetzung der Finanzabteilung 1938 Staatssekretär Muhs verfolgte im Jahre 1938 das Ziel, die Finanzabteilungen systematisch in die Hände kirchenfremder Vorsitzender zu legen, um sie dadurch stärker an den Staat zu binden. Dabei geriet auch die kirchliche, um Unabhängigkeit bemühte Amtsführung der braunschweigischen Finanzabteilung in sein Visier. Nach Möglichkeit versuchte Muhs, eine FA-Umbesetzung mit einem Vorwand zu rechtfertigen. In Braunschweig allerdings fehlten Verfehlungen der Finanzabteilung. Dafür bot ihr Vorsitzender Lambrecht eine Angriffsfläche. Dieser hatte in einem Disziplinarverfahren gegen den bekannten nationalkirchlichen DC-Pastor Friedrich Nümann die Untersuchung geführt. Obwohl das Disziplinarverfahren an sich keinen offensichtlichen kirchenpolitischen Bezug hatte, wandte sich Nümann an das Reichskirchenministerium, um gerade dies zu beklagen. Lambrecht wies den Vorwurf als völlig abwegig zurück. Im Reichskirchenministerium kam nun Albrecht, der mit dem Verfahren befasst war, zu dem Ergebnis, dessen Ausgang (Nümann wurde zwangsversetzt, erhielt einen Verweis und eine Geldstrafe) beruhe auf kirchenpolitischen Gründen; Lambrecht sollte diskreditiert werden. Daran arbeitete auch der Rechtsanwalt Nümanns, Dr. Georg Cölle, der Lambrecht als treibende Kraft hinter dem Disziplinarverfahren vermutete.68 Für Lambrecht hatte der Vorgang Konsequenzen. Er wurde am 30. Mai 1938 mit sofortiger Wirkung von seinem FA-Posten entbunden – bei der günstigen Gelegenheit wurde auch gleich Ahlhorn aus der Finanzabteilung entfernt.69 Stattdessen wurden als neuer Vorsitzender Oberregierungsrat Ludwig Hoffmeister und als dessen Stellvertreter Rechtsanwalt Cölle in die Finanzabteilung berufen.70 Sie markierten einen personellen wie konzeptionellen Neuanfang. Kirchenoberregierungsrat Jürgens blieb bis auf weiteres FA-Mitglied, denn dessen Sachkenntnisse konnten anfangs nicht entbehrt werden. Eine Begründung für die Umbesetzung lieferte das Reichskirchenministerium der Kirchenleitung nicht, der weitreichende Eingriff wurde ohne Diskussionen und Erläuterungen vorgenommen. Dieses Vorgehen war möglich, weil in der Landeskirche keine unmittelbaren Reaktionen auf die FA-Umbildung erfolgten. Die Kirchenregierung nahm auf ihrer Sitzung am 13. Juni 1938 die Maßnahme zur Kenntnis, ein 68 Vgl. zu der Angelegenheit die Personalakte Nümanns (LkAW LKA PA 1203); außerdem Lambrecht, Lebenserinnerungen, 197 f.; ferner Kuessner, Überblick, 139. 69 Vgl. Kerrl an FA-Braunschweig (EZA 1/1629). 70 Ebd., vgl. auch die Mitteilung vom 17. 6. 1938 (LkABl., 1938, 23). Vgl. zur Umbesetzung der Finanzabteilung auch: Meier, Kirchenkampf III, 415; ferner Krumwiede, Kirchengeschichte, 542; Brunotte, Finanzaufsicht, 63.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Protest wurde offenbar nicht in Erwägung gezogen.71 Auch der Pfarrernotbund schwieg zunächst. Die bisherige ruhige FA-Entwicklung hatte für eine trügerische Sicherheit gesorgt. Reaktionen auf die Umbesetzung erfolgten indes auf gesamtkirchlicher Ebene. Landesbischof Johnsen gehörte neben den Landesbischöfen Marahrens, Wurm, Meiser und Kühlewein zu den Mitunterzeichnern eines Schreibens an den Reichskirchenminister vom 2. Juni 1938, in dem unter anderem auch die Umbesetzung der braunschweigischen Finanzabteilung moniert wurde.72 Die Passage zur Entwicklung in Braunschweig war zwar sehr zurückhaltend formuliert, auch im Vergleich zum Rest des Briefes, doch immerhin wurde ein Kontext mit den sonstigen Tendenzen der Muhs’schen FAPolitik hergestellt. Der grundsätzlichen Kritik am FA-System hatte sich Johnsen einmal mehr angeschlossen. Rückwirkungen auf das Verhalten in seiner eigenen Landeskirche und den Umgang mit der FA-Umbesetzung hatte dies jedoch nicht. Offensichtlich ging die allgemeine Haltung in der braunschweigischen Landeskirche dahin, erst einmal abzuwarten, wie sich die Dinge unter dem neuen Vorsitzenden entwickeln würden. Die neue FA-Personalbesetzung entsprach den Idealvorstellungen von Muhs. Hoffmeister, als hoher Partei- und Staatsfunktionär, gehörte genau der Personengruppe an, die Muhs bevorzugt in den Finanzabteilungen einsetzen wollte, die aber gleichzeitig gegenüber Ämtern im Raum der Kirche meist im besten Falle zurückhaltend war.73 Ludwig Hoffmeister wurde am 20. August 1906 in Kiel geboren.74 1919 siedelte seine Familie nach Wolfenbüttel über, wo sich sein Vater als Rechtsanwalt und Notar niederließ. Kurz nach seinem Assessorexamen, Hoffmeister war Jurist geworden, wurde er als Regierungsassessor zum 1. April 1933 in den braunschweigischen Staatsdienst übernommen und zunächst in Blankenburg eingesetzt. Wenig später erfolgte seine Berufung in das Staatsministerium in Braunschweig, wo er zunächst als Hilfsreferent beim Finanzminister beschäftigt wurde. Nachdem er seit Anfang 1934 im Justizministerium eingesetzt und zum Regierungsrat befördert worden war, kehrte Hoffmeister 1935 in das braunschweigische Finanzministerium zurück, wurde zum Oberregierungsrat befördert und übernahm dort schließlich die Leitung des allgemeinen Personal- und Besoldungsreferates sowie des Finanz- und Haushaltsreferats. Diese Aufgaben übte er auch 1938 aus, als er in die Finanzabteilung der 71 72 73 74

Vgl. Sitzungsprotokoll der Kirchenregierung vom 13. 6. 1938 (LkAW KR 41). BArch R 5101 / 23713, Bl. 55 f., hier Bl. 55. Siehe oben 101 – 103. Vgl. zur Person Hoffmeisters und den folgenden Angaben dessen SS-Akte (BArch, ehem. BDC, SSO Nr. 109 A); außerdem seine NSDAP-Mitgliedsunterlagen (BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP); seinen Personalbogen (BArch R 601 / 1821); die Akten des Spruchgerichtsverfahrens nach dem Krieg (BArch Z 42 V 2823; BArch Z 42 V 2823a); Mlynek, Hoffmeister ; die Aussage Hoffmeisters vom 24. 11. 1947 anlässlich eines Untreue-Verfahrens (LkAW LKA 2559, Bl. 10 – 14, hier Bl. 10).

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Im Zeichen der Muhs’schen FA-Politik: Umbesetzung der Finanzabteilung 309

Landeskirche eintrat, die er nun nebenamtlich leitete. Im November 1941 wurde Hoffmeister zum Oberpräsidenten der Provinz Hannover versetzt, wo er seitdem als Leiter der Allgemeinen Abteilung fungierte. Im Februar 1942 wurde er zum Regierungsdirektor, im Februar 1943 zum Leitenden Regierungsdirektor befördert. Am 7. Mai 1942 wurde Hoffmeister zudem als Staatskommissar mit der Wahrnehmung der Geschäfte des hannoverschen Oberbürgermeisters beauftragt.75 Am 18. Oktober 1944 wurde er ins Reichsinnenministerium abgeordnet, wo er in der Haushalts- und Personalabteilung tätig, jedoch offenbar unzufrieden war. Im März 1945 kehrte er daher in das Oberpräsidium von Hannover zurück. Hoffmeisters zwischenzeitliche Versetzung nach Berlin resultierte offenbar aus dem angespannten Verhältnis zwischen ihm und dem Gauleiter und Oberpräsidenten Hartmann Lauterbacher, der sich nach Ansicht Hoffmeisters zu sehr ins operative Verwaltungsgeschäft einmischte. Neben dieser Karriere im Staatsdienst war Hoffmeister auch in der Partei sehr aktiv. Am 1. Juli 1931 wurde er in die NSDAP aufgenommen. Im Februar 1931 war er bereits SA-Mitglied geworden. Nach dem Krieg erklärte Hoffmeister seinen Eintritt in Partei und SA mit Idealismus: Er habe gedacht, dass die NSDAP sich für die „sogen. ,Kleinen Leute‘“ einsetzen würde. Außerdem habe er das politische System der Weimarer Republik für „nicht geeignet“ gehalten, „Deutschland vor der drohenden Katastrophe zu bewahren“76, die sich durch die wirtschaftliche Lage, den sittlichen Verfall und die Verschärfung der sozialen Gegensätze angebahnt habe. Die NSDAP habe er für die Volksbewegung gehalten, „die nun endlich die Einigung aller Deutschen und die Schaffung geordneter Zustände herbeiführen sollte.“ Auf der anderen Seite konnte die NSDAP in Braunschweig bereits 1930 große Wahlerfolge vorweisen und war sogar an der Regierung beteiligt, so dass sich der ehrgeizige Hoffmeister von einer Mitgliedschaft auch berufliche Perspektiven versprochen haben mag. Seine ungewöhnlich schnelle und steile Karriere wäre ohne seinen Status als „Alter Parteigenosse“ kaum möglich gewesen. In der SA fungierte Hoffmeister seit 1933 als Rechtsberater einer Standarte in Wolfenbüttel. Schließlich stieg er bis zum Obersturmführer auf. Gleichzeitig war er bei der NSDAP-Kreisleitung in Wolfenbüttel, später in Braunschweig als Kreisrechtsberater tätig; zeitgenössischen Unterlagen zufolge fungierte er in Wolfenbüttel und Braunschweig sogar jeweils als Kreisrechtsamtsleiter, 1942 zwischenzeitlich als Gaurechtsamtsleiter.77 Eine Berufung ins Oberste Par75 Vgl. zu Hoffmeisters Tätigkeit in dieser Funktion: Mlynek, Hannover, bes. 536, 552, 567; ferner Fleiter, Stadtverwaltung, passim. 76 Rechtfertigungsstellungnahme Hoffmeisters aus dem Jahre 1947 (BArch Z 42 V 2823, Bl. 53 – 55, 58 – 67, hier Bl. 61, folgendes Zitat Bl. 62). 77 Nach dem Krieg behauptete Hoffmeister, nie Kreisrechtsamtsleiter geschweige denn Gaurechtsamtsleiter gewesen zu sein, er sei nur als Rechtsberater des Kreisleiters tätig gewesen – diese Unterscheidung war nach dem Krieg von großer Bedeutung, denn hiervon hing ab, ob Hoffmeister als Hoheitsträger der Partei und als Mitglied des politischen NSDAP-Führerkorps

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

teigericht der NSDAP lehnte Hoffmeister auf Bitten von Ministerpräsident Dietrich Klagges und Finanzminister Friedrich Alpers ab, die ihn in Braunschweig nicht verlieren wollten.78 Bereits 1932 trat Hoffmeister dem späteren NS-Rechtswahrerbund bei, wurde 1933 Kreisgruppenführer dieser Organisation für Wolfenbüttel, bald darauf für Braunschweig-Stadt und amtierte schließlich seit Januar 1942 als Gauleiter des Bundes für Hannover. Seit 1939 war Hoffmeister als Vertrauensmann und ehrenamtlicher Mitarbeiter des SDAbschnittes Braunschweig tätig.79 Mit Datum vom 1. Juni 1942 wurde er von der SA in die Allgemeine SS übernommen und erreichte dort schließlich am 30. Januar 1945 den Rang eines Obersturmbannführers.80 Im Anschluss an seinen SS-Eintritt wurde er auch als Angehöriger in den Sicherheitsdienst übernommen. In seiner SS/SD-Personalakte wurde Hoffmeister als „überzeugter und kämpferischer Nationalsozialist“ und „wertvoller ehrenamtlicher Mitarbeiter“81 beurteilt. Weitere Gründe für Hoffmeisters Berufung in die Finanzabteilung, neben seinen politischen „Qualifikationen“, sind nicht recht ersichtlich. Nicht erhärtet werden kann die Vermutung, Hoffmeister sei „auf Anordnung des [braunschweigischen] Staatsministeriums“82 in die Finanzabteilung eingetreten. Er hatte zwar das Einverständnis seiner Dienststelle, doch ging die Berufung eindeutig vom Reichskirchenministerium aus. Hoffmeister selbst gab nach dem Krieg an, er habe sich nicht um die Position in der Finanzabteilung bemüht, er wäre „auch kirchenpolitisch nicht interessiert gewesen“ und wisse nicht, aus welchen Gründen er berufen worden sei.83 Ein SD-Bericht aus dem Jahre 1939 legt nahe, dass der Einfluss Cölles zu Hoffmeisters Berufung in die Finanzabteilung beigetragen hat; danach hätten Cölle und ein DC-Funktionär Hoffmeister bereits im Sommer 1937 angesprochen, ob er bereit wäre, in die Finanzabteilung einzutreten.84

78 79 80 81 82 83 84

angesehen werden konnte. Das politische Führerkorps war im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess für verbrecherisch erklärt worden. Vor Gericht konnte nicht bewiesen werden, dass Hoffmeister tatsächlich offiziell Kreisrechtsamtsleiter gewesen ist. Vgl. ebd.; BArch Z 42 V 2823a. Siehe BArch, ehem. BDC, OPG-Richter Nr. 41. Er fungierte für den Sicherheitsdienst auch als wichtiger Informant in Kirchensachen. Siehe oben 126 f. Laut einem Eintrag in seiner SS-Akte war Hoffmeister bereits am 12. April 1940 SS-Angehöriger geworden, doch lassen seine weiteren einschlägigen Personalunterlagen und die Nachkriegsermittlungen den Schluss zu, dass er tatsächlich wohl erst 1942 in die SS überwechselte. Undatierter SS-Personalbericht (BArch, ehem. BDC, SSO Nr. 109 A). So Jìrgens, Jugendarbeit, 83. Aussage Hoffmeisters vom 24. 11. 1947 anlässlich eines Untreue-Verfahrens (LkAW LKA 2559, Bl. 10 – 14, hier Bl. 10). Vgl. den Bericht des SD-Braunschweig vom 12. 12. 1939 (BArch R 58 / 5791, Bl. 861 – 868, hier Bl. 867 f.).

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Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 311

2.6. Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 1938 – 1945 2.6.1. Die ungestörte Verselbständigung der Finanzabteilung bis Mitte 1939 Hoffmeister fand sich schnell und zielgerichtet in seine neue Aufgabe ein, war sofort darüber orientiert, welche Möglichkeiten die Finanzabteilung bieten konnte, und auf welche Weise sie sich organisieren ließ. Dies mag zum Teil seinem in Kirchendingen erfahrenen Stellvertreter Cölle zu verdanken gewesen sein. Besonders in Erscheinung getreten ist Cölle in der braunschweigischen Finanzabteilung in der Anfangszeit indes nicht, Hoffmeister trat als allein handelnder Protagonist auf. In welchem Umfang im Hintergrund Gespräche zwischen den beiden Funktionären stattfanden, ist nicht zu eruieren. Zweifellos jedoch drückte Hoffmeister der Finanzabteilung in Wolfenbüttel, je länger er tätig war, je mehr einen eigenen Stempel auf. Hoffmeisters Maßnahmen orientierten sich in dieser ersten Phase an dem Leitprinzip, die Finanzabteilung möglichst rasch möglichst weit zu verselbständigen, sie von Kirchenverwaltungsbehörde und Kirchenleitung zu entkoppeln und von kirchlichen Einflüssen zu befreien. Gleichzeitig sollte der Einfluss der Finanzabteilung auf die kirchlichen Organe, sowohl auf landeskirchlicher Ebene als auch auf Gemeindeebene, ausgebaut werden. Zunächst führte Hoffmeister eine verschärfte Kontrolle der Kirchenleitung ein. Er erließ am 4. Juni 1938 eine Anordnung, nach der sämtliche „Verfügungen des Landeskirchenamtes, die mittelbar oder unmittelbar eine finanzielle Auswirkung haben, […] mir zur Genehmigung vorzulegen [sind]“85 ; von in Vorbereitung befindlichen Verfügungen sei er in Kenntnis zu setzen. Zur Überprüfung seien ihm die zur Veröffentlichung vorgesehenen Amtsblätter vor ihrer Drucklegung vorzulegen.86 Sogleich zog Hoffmeister auch die Verfügung über die Landeskirchenkasse an sich: Ab dem 21. Juni 1938 war nur noch die Finanzabteilung befugt, Kassenanweisungen auszustellen. Wollte ein LKA-Sachbearbeiter eine Einnahme oder Ausgabe veranlassen, so musste er hierfür einen Antrag an die Finanzabteilung stellen, die dann die Anweisung

85 Hoffmeister an die LKA-Abteilungsleiter (LkAW FinAbt 160). 86 Vgl. Hoffmeister an Johnsen vom 27. 6. 1938 (LkAW FinAbt 80, Bl. 32). Grundlage hierfür war ein RKM-Erlass vom 22. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 79). Der Ablauf beim Amtsblattdruck war seither folgendermaßen: Röpke reichte bei der Finanzabteilung vor Drucklegung einen Entwurf des Inhaltsverzeichnisses ein und bat um eine Genehmigung der Drucklegung. Die Finanzabteilung bewilligte dann die Druckkosten bzw. erteilte die Genehmigung für den Druckauftrag. Auch legte Röpke der Finanzabteilung Schriftstücke vor, die veröffentlicht werden sollten, mit der Anfrage, ob Bedenken bestünden; Hoffmeister seinerseits reichte bei Röpke diejenigen FA-Dokumente ein, die ins Amtsblatt aufgenommen werden sollten, ablehnen konnte Röpke diese nicht. Vgl. zu dem Ablauf: LkAW S 2232; und LkAW S 2233.

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vornahm. Gültig waren die Anweisungen darüber hinaus nur, wenn Hoffmeister oder Cölle persönlich diese gezeichnet hatten.87 Doch über diese Kontroll- und Überwachungsfunktionen88 ging Hoffmeister rasch hinaus. Er wollte mit der Finanzabteilung die Vermögensverwaltung der Landeskirche ohne Zutun der Kirchenbehörde alleine abwickeln. Nach der 15. Durchführungsverordnung, so erklärte Hoffmeister den LKAMitarbeitern, stehe „die Verwaltung und die Verfügung über das Vermögen der Landeskirche sowie deren Stiftungen, Fonds und Werke ausschließlich der Finanzabteilung“ zu.89 Daher beanspruche er, „die Bearbeitung der einschlägigen Angelegenheiten“ mit der Finanzabteilung selbst auszuführen. Um dies praktisch umzusetzen und organisatorisch zu verankern, wurde bereits im Sommer 1938 eine erste Umgestaltung in der Organisation des Landeskirchenamtes vorgenommen90 – im Einvernehmen mit Johnsen.91 Johnsen mag gehofft haben, mit einer Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten dem wachsenden Führungsanspruch der Finanzabteilung Einhalt gebieten zu können, vielleicht hat er die Ansprüche der Finanzabteilung jedoch auch noch gar nicht als übermäßig problematisch empfunden. Die Neuordnung jedenfalls sah vor, das Landeskirchenamt in eine Pfarr- sowie eine Finanzabteilung zu untergliedern. Davon ausgenommen blieben der Landesbischof, dem die Leitung der Landeskirche und der Kirchenbehörde zukam, und die LKA-Justitiare, die für die Abfassung der Kirchengesetze und Verordnungen zuständig waren. De facto waren dies die Justitiare ausschließlich der Pfarrabteilung, da die Finanzabteilung mit Hoffmeister und Cölle über eigene juristische Führungskräfte verfügte. Die Finanzabteilung bestand nach dem Geschäftsverteilungsplan aus vier Referaten: Referat F I beinhaltete die Leitungsfunktionen und lag unmittelbar beim Vorsitzenden Hoffmeister und dessen Stellvertreter Cölle. Das Referat F II wurde geleitet von einem LKA-Oberinspektor, Referat F III war Amtmann Paul Butzmann unterstellt. Die Grundstücksabteilung schließlich, die unter ihrem bisherigen Leiter Oberkirchenrat Jürgens verblieb, lief nun als Referat F IV. Die Pfarrabteilung bestand ebenfalls aus vier Untergliederungen. Referat Eins oblag Oberkirchenrat Röpke und seinem Vertreter Seebaß und beinhaltete im Prinzip die zentralen Zuständigkeiten der Pfarrabteilung: Kul87 Vgl. Rundverfügung Hoffmeisters vom 21. 6. 1938 (LkAW FinAbt 160); auch die FA-Verfügung vom 8. 6. 1938 (ebd.). 88 Hoffmeister zog auch kleinere Angelegenheiten an die Finanzabteilung. So verfügte er am 15. Juli 1938, dass Dienstfahrten von LKA-Mitarbeitern im Dienstkraftwagen des Landeskirchenamts von der Finanzabteilung jeweils genehmigt werden müssten. Privatfahrten hatte Hoffmeister bereits am 29. Juni 1938 grundsätzlich untersagt. Beides ebd. 89 Rundschreiben vom 16. 6. 1938 (LkAW LKA 35), daraus auch folgendes Zitat. 90 Der Zeitpunkt ergibt sich daraus, dass in einem Schreiben vom 12. August 1938 bereits auf die Neuaufteilung der Geschäfte Bezug genommen wird. Vgl. zu der Maßnahme auch Kuessner, Überblick, 144. 91 Siehe zum Folgenden den Geschäftsverteilungsplan aus dem Sommer 1938 (LkAW LKA 35).

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tusangelegenheiten, Pfarrbestellungen, Beihilfen und Unterstützungen, das Friedhofswesen, das Kollektenwesen und Weiteres mehr. Seebaß leitete außerdem das Referat Zwei, welches unter anderem das Amt für Gemeindedienst umfasste. Referat Drei, unter Pfarrer Lic. Walter Schäfer, war für die kirchliche Männerarbeit und Referat Vier, unter Landesjugendwart Ernst Stracke, für die kirchliche Jugendarbeit zuständig. Die Pfarr- und Finanzabteilung waren nach diesem Geschäftsverteilungsplan personell durchaus noch verschränkt. So war Lambrecht Justitiar des Landeskirchenamtes sowie weltlicher Vertreter des Landesbischofs und gleichzeitig als Vertreter des Referatsleiters in der Abteilung F II eingeteilt. Jürgens war FA-Abteilungsleiter und außerdem der Vertreter des LKA-Justitiars. Mit dieser Neuorganisation hatte Hoffmeister einen Großteil der LKAMitarbeiterschaft unter seine Kontrolle und Weisungsberechtigung gebracht. Er betrachtete nämlich diejenigen Mitarbeiter, die im neuen Bereich der Finanzabteilung tätig waren, als nur ihm unterstellt, als zur Dienstleistung in der Finanzabteilung herangezogen; denn die Finanzabteilung sollte schließlich nach seinem Verständnis die Vermögensverwaltung der Landeskirche selbst und vom restlichen Landeskirchenamt (Pfarrabteilung) unabhängig ausführen. Die Finanzabteilung war damit, zwar noch nicht vollständig, aber doch bereits weitgehend, aus dem Landeskirchenamt herausgelöst oder wurde von Hoffmeister zumindest entsprechend betrachtet. Dennoch konnte dieser Geschäftsverteilungsplan noch so verstanden werden, als wäre die Finanzabteilung Teil der übergeordneten Verwaltungsbehörde und neben der Pfarrabteilung deren zweite Abteilung.92 Die gewachsenen Ambitionen der Finanzabteilung schlugen sich auch im Haushaltsplan nieder, den Hoffmeister umgehend revidierte. Er veranschlagte für den Bedarf der Finanzabteilung eine Summe von nunmehr 18 200 RM93 – wenige Monate zuvor hatte Lambrecht für diesen Zweck lediglich 100 RM eingesetzt.94 Hoffmeister unterfütterte seinen Verselbständigungskurs mit den nötigen finanziellen Mitteln. Die Kirchenleitung um Landesbischof Johnsen stand den Maßnahmen Hoffmeisters hilflos gegenüber. Johnsen erteilte zwar am 17. Juni 1938 Hoffmeisters Selbstverwaltungsansprüchen eine Absage und beharrte darauf, weder die Vermögensverwaltung der Landeskirche noch die ihrer Werke sei generell auf die Finanzabteilung übergegangen. Die Bearbeitung entsprechender Angelegenheiten sei nach der 15. Durchführungsverordnung dem 92 Anders Kuessner, Überblick, 144, der schon im Geschäftsverteilungsplan von 1938 die völlige Selbständigkeit der Finanzabteilung verwirklicht sieht. 93 Vgl. den Haushaltsplan vom 1. 7. 1938 (LkABl., 1938, 28 – 30, hier 28). 94 Vgl. den Haushaltsplan vom 5. 4. 1938 (ebd., 16 – 18, hier 16). Im Haushaltsplan 1936/37 waren für die Finanzabteilung 38,35 RM vorgesehen gewesen (LkABl., 1937, 12).

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Landeskirchenamt verblieben.95 Sogar ein vierseitiges Gutachten über die „Rechtslage nach der 15. Verordnung vom 25. 6. 1937“96 hatte Johnsen seinem Anschreiben hinzugefügt. Doch hatte die Aktion offenbar keine nennenswerte Wirkung auf Hoffmeister, Johnsen hakte nicht nach,97 und im neuen Geschäftsverteilungsplan wurde schließlich nichts anderes festgeschrieben, als dass die Finanzabteilung die Vermögensverwaltung der Landeskirche selbst führte. Zusätzlich besaß diese durch ihre Hoheit über die Landeskirchenkasse, ihre Zustimmungsbefugnisse und die Vorlagepflicht des Amtsblattes in nahezu allen Belangen der Landeskirche, nicht nur den Finanzfragen, eine Vetomöglichkeit. Dennoch ließen die Kirchenregierung, der Landesbischof oder das Landeskirchenamt keinen offiziellen Protest gegen die Umbesetzung, die Umstrukturierungen oder die Machtansprüche der Finanzabteilung in der Öffentlichkeit verlauten. Stattdessen resümierte Johnsen auf der Kirchenregierungssitzung am 30. Juni 1938, Hoffmeister habe sich inzwischen eingearbeitet: „Die Einarbeitung ist reibungslos erfolgt.“98 Nur in wenigen Einzelfragen bestünden Meinungsverschiedenheiten, die noch zu klären seien. Währenddessen hatte die Finanzabteilung auch in den Gemeinden und Verbänden frühzeitig ihren direkten Kontroll- und Führungsanspruch untermauert sowie ihre Aufsicht verschärft.99 Außerdem meldete Hoffmeister rasch Ansprüche auf eine FA-Beteiligung bei der Minderheitenversorgung an, veranlasste die politische Überprüfung sämtlicher Kirchengemeinderatsmitglieder und begann Bevollmächtigte in den Gemeinden einzusetzen.100 Es waren diese FA-Anordnungen für die Gemeindeebene, die in der Pfarrerschaft eine Protestaktion gegen die Finanzabteilung auslösten. Am 19. Oktober 1938 reichte eine Gruppe von zunächst 38 Notbundpfarrern bei der Kirchenregierung und der Finanzabteilung einen scharfen Protest ein.101 Auch Johnsen war mit der Entwicklung der Dinge bald längst nicht mehr zufrieden. Gegenüber den Pröpsten beklagte der Landesbischof am 1. November 1938 auf einer Arbeitstagung sogar, die geistliche Leitung des Landeskirchenamtes sei „entmächtigt“ und werde „völlig übergangen“ – so jedenfalls gab Propst Carl Bosse Johnsens Ausführungen wieder.102 Dennoch zog Johnsen nicht die Konsequenz, entschieden gegen die FA-Amtsführung in seiner Landeskirche vorzugehen, obwohl er dabei auf die Unterstützung zu95 LkAW FinAbt 80. 96 Ebd. 97 Auch scheiterten Lambrechts Bemühungen, sich diese Rechtsansicht von der Finanzabteilung der Kirchenkanzlei bestätigen zu lassen, vgl. Lambrecht an Meinzolt vom 16. 6. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899). 98 LkAW KR 41. 99 Vgl. Hoffmeister an sämtliche Kirchenvorstände vom 10. 6. 1938 betreffend Haushaltsführung (LkAW FinAbt 68); Hoffmeister an sämtliche Kirchenvorstände vom 10. 6. 1938 betreffend Bau- und Besserungsarbeiten an kirchlichen Gebäuden (LkAW LKA 2282). 100 Siehe dazu unten 356 – 376. 101 Siehe dazu unten 323 f. 102 Bosse an einen Amtsbruder vom 2. 11. 1938 (LkAW NL 302).

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mindest des Pfarrernotbundes hätte zählen können. Stattdessen warf Johnsen dem Notbund vor, mit seiner Oktoberinitiative ein einheitliches Vorgehen der Pfarrerschaft verhindert zu haben, ohne auch nur vorher mit ihm Fühlung zu nehmen.103 Johnsens Zurückhaltung wird auch daraus verständlich, dass in der Kirchenregierung mit Staatsrat Bertram ein Mann saß, der schon einmal eine Kritik von ihm an Maßnahmen des Staates beanstandet hatte und möglicherweise die Kirchenregierung sprengen könnte, wenn Johnsen zu entschieden gegen die Finanzabteilung vorginge.104 Auch hatte die Kirchenleitung Sympathien für die nationalsozialistische Grundhaltung Hoffmeisters, eines nach Einschätzung Lambrechts „hundertfünfzig-prozentigen Nazi[s]“105 ; die Vorbehalte beschränkten sich auf dessen offensives Amtsverständnis. Vor allem aber war Johnsen nach wie vor von seinem auf Ausgleich und Befriedung angelegten Konzept bestimmt und stellte die Aufrechterhaltung des Anscheins einer befriedeten Landeskirche mit einer problemlos arbeitenden Kirchenleitung über die Möglichkeit, gegen die Finanzabteilung mehr als nur sehr zaghaften Protest zu erheben; auch um den Preis, damit die neugestaltete und in ihren Machtansprüchen gewachsene Finanzabteilung widerspruchslos hinzunehmen. Daher schloss sich Johnsen lediglich vorsichtig bestimmten Passagen des Protestschreibens vom 19. Oktober 1938 an106 und legte Einspruch gegen Teile einer der umstrittenen FA-Anordnungen ein.107 Letztlich waren diese Proteste Johnsens somit sehr überschaubar und stets nur auf bestimmte Aspekte der FA-Maßnahmen bezogen. Die Kirchenregierung sah sich zu keinerlei kritischer Stellungnahme veranlasst. Hoffmeister war mit derlei zögerlichem Protest nicht zu beeindrucken und ließ ihn wirkungslos verpuffen. Stattdessen ging er daran, seine Machtposition zu festigen und die Trennung der Finanzabteilung vom restlichen Landeskirchenamt weiter voranzutreiben. Den Anfang markierte der Abschied Oberkirchenrat Lambrechts aus dem Landeskirchenamt zum 1. Dezember 1938. Lambrecht war nach seiner Ablösung als FA-Vorsitzender laut Geschäftsverteilungsplan weiterhin zur Dienstleistung in der Finanzabteilung vorgesehen gewesen. Nach seinen Erinnerungen lehnte Lambrecht diese Verpflichtung jedoch ab; er habe Hoffmeister eröffnet: 103 Vgl. Kuessner, Überblick, 143; Johnsen an Pastor Oelze vom 28. 10. 1938 (LkAW NL 302); auch Lachmund an den Lutherrat vom 12. 1. 1939, wo jener berichtet, Johnsen sei sehr unzufrieden über den Protest gewesen (LkAH D 15 I Nr. 66). 104 So hatte sich Johnsen offenbar auf der Arbeitstagung der Pröpste am 1. 11. 1938 eingelassen, vgl. Bosse an einen Amtsbruder vom 2. 11. 1938 (LkAW NL 302). Mit Rücksicht auf die schwierige Lage in der Kirchenregierung verzichtete auch der Bruderrat darauf, sein Protestschreiben vom 19. Oktober offiziell einzugeben, vgl. von Schwartz an Johnsen vom 17. 12. 1938 (ebd.). 105 Lambrecht, Lebenserinnerungen, 198. 106 Vgl. Johnsen an Hoffmeister vom 28. 10. 1938 (LkAW FinAbt 3). 107 Vgl. Johnsen an Hoffmeister vom 4. 11. 1938 (ebd.).

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„Es sei mir klar geworden, daß unsere Ansichten über die Belange der Kirche völlig unterschiedlich seien und daß er bei der Verwaltung der kirchlichen Finanzen ganz andere Grundsätze anwende als ich das vierzehn Jahre lang getan habe. Deshalb sehe ich mich nicht in der Lage, seinem Ersuchen nachzukommen, ich wolle aber weiteren Schwierigkeiten aus dem Weg gehen und mich bemühen, so bald wie möglich eine neue Berufstätigkeit außerhalb der Kirche zu finden.“108

Lambrechts Entschluss, den Kirchendienst zu verlassen, war folgerichtig, denn der Rechtslage nach hatte Hoffmeister das Recht, ihn zur Dienstleistung heranzuziehen. Es scheint bei Lambrechts Entscheidung auch eine gewisse Resignation eine Rolle gespielt zu haben, jedenfalls wenn man seinen Erinnerungen folgt. Hiernach will er vor seinem Abgang zusammen mit Oberkirchenrat Jürgens versucht haben, die theologischen Oberkirchenräte und den Landesbischof zu einem gemeinsamen Protest des LKA-Kollegiums gegen die Finanzabteilung zu bewegen. „Dabei wiesen wir nachdrücklich auf die unserer Ansicht nach bestehende Gefahr hin, daß den Übergriffen Hoffmeisters in die weltlichen Arbeitsgebiete, wenn nichts dagegen unternommen würde, demnächst Übergriffe in die theologischen Arbeitsgebiete folgen würden. Die theologischen Mitglieder des Landeskirchenamts aber glaubten nicht an diese Gefahr und lehnten eine Beschwerde an das Reichskirchenministerium ab.“109

Lambrecht wechselte in den Staatsdienst; Jürgens rückte später als leitender Justitiar des Landeskirchenamts auf, ein Nachfolger für Lambrecht wurde indes nicht mehr eingestellt. Auch die Kirchenregierung, die von Lambrechts Ausscheiden ebenfalls betroffen war, wurde nicht mehr ergänzt und amtierte bis auf weiteres in der Konstellation Johnsen-Bertram-Rauls.110 Hoffmeister konnte das freiwillige Ausscheiden Lambrechts nur Recht sein; den Ausschluss Jürgens’ aus den Sphären der Finanzabteilung betrieb er wenig später selbst. Es ging ihm darum, die letzte personelle Verklammerung von Landeskirchenamt und Finanzabteilung zu lösen und nebenbei die Grundstücksabteilung, die Jürgens nun bereits seit 1935 führte, vollständig unter seine Kontrolle zu bekommen. Anlass, Jürgens auszuschalten, bot ein Eklat im Landeskirchenamt:111

108 Lambrecht, Lebenserinnerungen, 200. 109 Wieder steht als Quelle für diesen Sachverhalt nur die Darstellung Lambrechts zur Verfügung, Lebenserinnerungen, 198. Kuessner, Überblick, 143, der auch von dieser Gegebenheit berichtet, beruft sich ebenfalls nur auf eine Auskunft Lambrechts. 110 Vgl. die Bekanntmachung im LkABl. vom 16. 3. 1939 (LkABl., 1939, 2); Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 19. 12. 1938 (LkAW KR 41). Vgl. insgesamt zum Ausscheiden Lambrechts: Lambrecht, Lebenserinnerungen, 198 – 201; Kuessner, Überblick, 143; Ders., Bischof der Mitte, 57; ferner Lambrechts Personalakte (LkAW LKA BA 260). 111 Vgl. zu der Angelegenheit insgesamt: Jürgens an den braunschweigischen Landesbischof vom

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Der LKA-Angestellte August Rosenthal, Leiter der Registratur, hatte auf der Suche nach Akten, die Hoffmeister angefordert hatte, im Dienstzimmer Röpkes einen Aktenschrank aufgebrochen, in dem er die gesuchten Unterlagen hinter einer Glasscheibe erblickt hatte. Der Vorfall wurde durch Oberkirchenrat Jürgens, im Auftrag von Landesbischof Johnsen, untersucht. Jürgens versuchte insbesondere festzustellen, ob Rosenthal auf Anweisung Hoffmeisters oder eigenmächtig gehandelt habe. Er überliefert, Hoffmeister habe ihn „wie in einem Tobsuchtsanfall“112 seines FA-Postens enthoben, als er von der Vernehmung Rosenthals hörte. Formell teilte Hoffmeister Jürgens am 21. November 1938 mit, er habe sich der Dienstleistung in der Grundstücksabteilung der Finanzabteilung nunmehr zu enthalten, wie ihm dies bereits mündlich eröffnet worden sei. Sein Auftrag nach der 15. Durchführungsverordnung sei damit erloschen, das Grundstücksreferat übernehme Kirchenregierungsrat Fritz Steffen.113 Da Jürgens seine Suspendierung nicht ohne weiteres hinnehmen wollte, Hoffmeister dessen FA-Mitgliedschaft nicht eigenmächtig beenden konnte und auch das Landeskirchenamt (Pfarrabteilung) Protest erhob, wurde die Angelegenheit schließlich anlässlich einer Besprechung in Berlin am 11. Februar 1939 vor Landgerichtsrat Albrecht im Reichskirchenministerium verhandelt.114 Man erledigte die Angelegenheit mit der Feststellung, „daß Oberregierungsrat Hoffmeister keine Anweisung zur gewaltsamen Öffnung dieses Aktenschrankes gegeben hat.“ Rosenthal habe vielmehr eigenmächtig gehandelt und die Anweisungen Hoffmeisters fehlinterpretiert. Er sei daher von Hoffmeister gerügt worden. Jürgens, so kam man auf der Besprechung überein, sollte aus der Finanzabteilung entlassen werden. Hoffmeister bestand darauf, da „eine ersprießliche Zusammenarbeit“ nicht mehr möglich sei; auch Jürgens wollte die Finanzabteilung verlassen. Das Grundstücksreferat blieb in den Händen von Steffen.115 Am 11. März 1939 wurde Jürgens vom Reichskirchenminister offiziell aus der Finanzabteilung abberufen.116 Damit endete die personelle Verschränkung in den Führungspositionen von Finanz- und Pfarrabteilung, die im Geschäftsverteilungsplan aus dem Sommer 1938 noch implementiert gewesen war. Jürgens wurde mit der ausdrücklichen Zustimmung Hoffmeisters Nachfolger Lambrechts als Justitiar des Landeskirchenamts.117 Diese Tätigkeit für die Pfarrabteilung empfand er allerdings offenbar als unbefriedigend, da er

112 113 114 115 116 117

27. 1. 1948 (LkAW LKA BA 214); Aussage Hoffmeisters vom 24. 11. 1947 (LkAW LKA 2559, Bl. 10 – 14, hier Bl. 11); ferner Kuessner, Überblick, 143 f.; Ders., Bischof der Mitte, 57. Beitr•ge, 17. Vgl. das Schreiben in LkAW LKA BA 214. Vgl. Albrechts Vermerk vom 14. 2. 1939 (LkAW FinAbt 155, Bl. 9 f.), daraus auch die folgenden Zitate. Vgl. LkABl., 1939, 5. Reichskirchenminister an Jürgens (EZA 1/1627). Vgl. LkABl., 1939, 5.

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in seiner Stellung von der Bearbeitung jeglicher Angelegenheiten mit finanziellen Auswirkungen ausgeschlossen war. So sah er seine Tätigkeit als bloße „Tarnung eines über mich verhängten ,Wartestandes‘“118, ohne die Möglichkeit einer nutzbringenden Arbeit für die Landeskirche. Außerdem fühlte er sich von Hoffmeister nach der Affäre nicht hinreichend rehabilitiert und litt unter dem von ihm angenommenen Ansehensverlust. So entschloss er sich, zum 1. Januar 1941 in den Ruhestand zu treten,119 den Dienst der Landeskirche zu verlassen und als kaufmännischer Angestellter nach Hamburg überzusiedeln.120 Röpke hatte zwar versucht, diesen Abgang zu verhindern, beugte sich aber schließlich dem Reichskirchenministerium, welches sich in der Sache eingeschaltet hatte.121 Damit verließ der letzte Jurist das Landeskirchenamt (Pfarrabteilung); es musste fortan ohne eigenen juristischen Referenten auskommen, denn es war mit dem Reichskirchenministerium vereinbart worden, dass mit einer Nachfolge bis nach dem Kriegsende gewartet werden sollte. Für die aufziehenden Probleme mit der Finanzabteilung war diese fehlende Expertise im eigenen Haus für das Landeskirchenamt eine Hypothek. Parallel zur Verdrängung Jürgens’ hatte Hoffmeister angefangen, neue Arbeitskräfte anzustellen; namens der Landeskirche, teils auch als landeskirchliche Beamte, aber zum ausschließlichen Dienst in der Finanzabteilung. Bis August 1939 hatte Hoffmeister 13 Beschäftigte eingestellt;122 unter anderem Landeskirchenrat Herbert Westermann.123 Außerdem betrieb Hoffmeister die Beförderung der von ihm in FA-Leitungspositionen eingesetzten LKABeamten.124 Schließlich reaktivierte Hoffmeister auch den schon seit 1934 beurlaubten Oberkirchenrat Breust. Breust besaß in der Landeskirche „immer noch einen guten Ruf“125, den Hoffmeister nutzen wollte, um die Akzeptanz der Finanzabteilung in der Landeskirche zu steigern; außerdem waren Breusts Sachkenntnisse für die Finanzabteilung interessant. Politisch und kirchen118 119 120 121

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Jürgens an Braunschweiger Landesbischof vom 27. 1. 1948 (LkAW LKA BA 214). Vgl. LkABl., 1941, 6. Vgl. Jürgens an Braunschweiger Landesbischof vom 27. 1. 1947 (LkAW LKA BA 214). Hoffmeister hatte sich offenbar gegenüber dem Reichskirchenminister über die persönliche Haltung Jürgens’ beschwert, so dass das Ministerium Röpke dringend riet, der Pensionierung Jürgens’ zuzustimmen. Vgl. Stahn an Hoffmeister vom 27. 11. 1940 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 124). Vgl. Vermerk Stahns vom 25. 8. 1939 (LkAW FinAbt 80). Die Kirchenregierung stimmte der Ernennung Westermanns zum Landeskirchenrat auf ihrer Sitzung am 11. März 1939 zu. Er sollte in der Finanzabteilung ein Referat übernehmen und kein stimmberechtigtes LKA-Mitglied werden. Vgl. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 11. 3. 1939 (LkAW KR 41); LkABl., 1939, 5. Westermann übernahm das Referat F II. Nach einem Arrangement zwischen Johnsen und Hoffmeister vom 11. Februar 1939 wurde Kirchenregierungsrat Steffen zum Oberlandeskirchenrat befördert, ohne dass allerdings damit eine Stimmberechtigung im LKA-Kolleg verbunden gewesen wäre, vgl. Sitzung der Kirchenregierung vom 11. 3. 1939 (LkAW KR 41); Vermerk Albrechts vom 14. 2. 1939 (LkAW FinAbt 155, Bl. 9 f.). Kuessner, Überblick, 144.

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politisch schien Breust zudem einwandfrei. Um ihn für die Finanzabteilung zu gewinnen, fanden bereits im Juni 1938 Gespräche zwischen ihm und Hoffmeister statt. Am 21. Juni 1938 wurde Breust zum Bevollmächtigten der Finanzabteilung für den Stadtkirchenverband Braunschweig bestellt.126 Für Breust war die Kooperation mit Hoffmeister interessant, weil sie es ihm ermöglichte, an seinem Gegner Johnsen vorbei in den aktiven landeskirchlichen Dienst zurückzukehren.127 Daneben scheint eine gegenseitige persönliche Sympathie zwischen beiden Männern bestanden zu haben. Die Kirchenregierung wehrte sich lange gegen die von Hoffmeister im Juni 1939 beantragte Aufhebung der Beurlaubung Breusts, da sie eine etwaige Mitarbeit Breusts im Landeskirchenamt befürchtete. Sie stimmte der Reaktivierung schließlich nur unter der Maßgabe zu, dass Breust kein Stimmrecht in der Kirchenbehörde mehr besitzen sollte.128 Nicht nur in Personalfragen, auch inhaltlich setzte die Finanzabteilung zum wachsenden Unmut der Kirchenleitung längst eigene Akzente. Etwa bezüglich des Lutherrats, den Hoffmeister strikt ablehnte und daher jegliche Zahlungen an ihn unterband.129 Oder auch im Kollektenwesen, in dem Hoffmeister sich nicht, wie es die Rechtslage vorsah,130 auf Überwachungs- und Genehmigungsfunktionen beschränkte, sondern zuweilen die Auszahlung von Gelder verweigerte oder verschleppte, weil ihm die Begünstigten nicht passten.131 Anfang 1939 hatten sich die Differenzen zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung so weit verschärft, dass darüber nicht mehr hinweggegangen werden konnte. Am 11. Februar 1939 fand in Berlin eine Besprechung zwischen Hoffmeister, Johnsen und Albrecht, dem Sachbearbeiter der braunschweigischen Angelegenheiten im Reichskirchenministerium, statt. Ferner war Oberkirchenrat Jürgens anwesend. Die Besprechung sollte grundsätzlich dazu dienen, „die alten Streitpunkte aus der Welt“ zu schaffen, um „die 126 Am 22. August 1938 erfolgte eine weitere offizielle Bevollmächtigung Breusts für den Stadtkirchenverband Braunschweig, jedoch zeigen Schriftstücke Hoffmeisters, dass Breust schon ab dem oben genannten Datum als Bevollmächtigter in Braunschweig verwendet wurde, vgl. LkAW FinAbt 113. 127 Ferner war Breust durch die 15. Durchführungsverordnung sogar verpflichtet, einer Anforderung Hoffmeisters zur Dienstleistung nachzukommen. 128 Vgl. zur Reaktivierung Breusts insgesamt: Kuessner, Überblick, 144; Ders., Bischof der Mitte, 57 f.; zur Aufhebung der Beurlaubung bes. die Protokolle der Sitzungen der Kirchenregierung vom 28. 6. 1939, 1. 9. 1939, 8. 12. 1939 (LkAW KR 41) und 12. 2. 1940 (LkAW KR 42); außerdem BArch R 5101 / 23789, Bl. 228 – 235; LkAW LKA BA 1114. 129 Vgl. eine entsprechende Anordnung im LkABl., 1938, 23. 130 Siehe oben 106 f. 131 Vgl. insgesamt Röpke an Reichskirchenminister vom 29. 2. 1940 (LkAW FinAbt 121); Hoffmeister an Röpke vom 30. 11. 1938 (LkAW FinAbt 80); FA-Braunschweig an FA-DEKK vom 20. 7. 1939 (LkAW S 1015); Hoffmeister an FA-Baden vom 3. 3. 1941 (ebd.); Cölle an Hoffmeister vom 6. 5. 1942 (LkAW FinAbt 65); zu den einzelnen Kollektenanträgen und Zahlungsanweisungen der Finanzabteilung die Bestände LkAW S 1016; LkAW S 1017; LkAW S 1018.

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Grundlage für eine zukünftige bessere Zusammenarbeit zu geben“132. Die Gespräche waren ein Erfolg: Hoffmeister und Johnsen beteuerten, im Sinne einer gedeihlichen Zusammenarbeit zukünftig ihre Differenzen untereinander und ohne Einschaltung des Ministeriums beilegen zu wollen – das hatte Albrecht gefordert. Außerdem gelang es, alle bestehenden Streitpunkte beizulegen.133 So konnte sich Landesbischof Johnsen am 6. März 1939 in einem Rundschreiben an seine Pröpste wenden und mitteilen: Bei der „Besprechung konnten alle schwebenden Fragen erörtert und geklärt werden. Vorhandene Differenzen sind beigelegt. Ich werde unter selbstverständlicher Wahrung der mir anvertrauten kirchlichen Belange um eine loyale Zusammenarbeit mit dem Herrn Vorsitzenden der Finanzabteilung bemüht sein. Ich erwarte im Interesse unserer Landeskirche das Gleiche von den Herrn Pröpsten und allen Pfarrern.“134

Hoffmeister nutzte die günstige Situation und Johnsens Verständigungsbereitschaft, um einen neuen Geschäftsverteilungsplan zu implementieren. Dieser wurde am 20. Mai 1939 von Johnsen und Hoffmeister unterzeichnet und sollte fortan eine wesentliche Grundlage für das Verhältnis von Finanzabteilung und Landeskirchenamt bilden:135 Der neue Geschäftsverteilungsplan unterschied sich entscheidend von demjenigen aus dem Sommer 1938. Bisher war der Pfarr- und Finanzabteilung ein übergreifender Bereich vorangestellt gewesen. Dieser bildete nun zusammen mit der Pfarrabteilung den neuen Bereich A. Dessen erster Abschnitt behandelte die Aufgaben des Landesbischofs. Ihm kam nach wie vor die Leitung der Landeskirche und der Behörde zu, außerdem in geistlichen Dingen die Verhandlungen mit anderen Landeskirchen. Der zweite Abschnitt des Bereiches A beinhaltete den Justitiar des Landeskirchenamts, Oberlandeskirchenrat Jürgens,136 dessen Aufgaben unverändert blieben. Den dritten Abschnitt bildete die Pfarrabteilung, die ihrerseits in vier Referate untergliedert war. Im Wesentlichen blieben die Kompetenzen und die Referatsaufteilung gegenüber der bisherigen Regelung unverändert. Nur einige auffallende Neuerungen waren zu bemerken. So verlor Referat Eins der Pfarrabteilung etwa die Zuständigkeiten für Beihilfen, Unterstützungen und Stipendien (nun in Referat F I) sowie für das Friedhofswesen (nun in Referat F IV). Dem Bereich A, dem Landeskirchenamt, folgte nun ein Bereich B: Finanzabteilung. Beide waren somit deutlich voneinander abgesetzt. Die Fi132 Vermerk Albrechts zu der Besprechung vom 14. 2. 1939 (LkAW FinAbt 155, Bl. 9 f.). 133 Vgl. ebd.; Johnsen an Hoffmeister vom 13. 3. 1939 (ebd., Bl. 11); Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 4. 4. 1939 (ebd. Bl. 13); Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 11. 3. 1939 (LkAW KR 41). 134 LkAW FinAbt 155, Bl. 12. 135 Er findet sich in BArch R 5101 / 23789, Bl. 194 – 198. 136 Mit Beschluss der Kirchenregierung vom 11. 3. 1939 war die Dienstbezeichnung der Oberkirchenräte Jürgens, Röpke und Seebaß in „Oberlandeskirchenrat“ geändert worden (LkABl., 1939, 4).

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nanzabteilung selbst war gegenüber dem Geschäftsverteilungsplan aus dem Sommer 1938 ebenfalls grundlegend verändert. So wurde vor allem das Referat F I, das direkt beim Vorsitzenden lag, genauer ausgestaltet. Neben den Leitungsfunktionen zog Hoffmeister unter anderem auch den Haushaltsplan, „Personalangelegenheiten in finanzieller Hinsicht“, Besoldungssachen sowie Genehmigungen von Dienstreisen und die Aufsicht über das Büromaterial an sich. Diese Dinge waren bisher zumeist in anderen Referaten der Finanzabteilung angesiedelt gewesen. Referat F II stand nun unter der Leitung von Landeskirchenrat Westermann und war vor allem für Gemeindeangelegenheiten zuständig. In Referat F III von Amtmann Butzmann waren die landeskirchlichen Kassenangelegenheiten, die Verwaltung des Kapitalvermögens und die Staatsleistungen angesiedelt. Referat F IV war die Grundstücksabteilung, zuständig etwa für Land- und Gebäudeverkäufe. Es unterstand Oberlandeskirchenrat Steffen.137 Hoffmeister war mit diesem neuen Geschäftsverteilungsplan organisatorisch am angestrebten Ziel angekommen. Er hatte die Verselbständigung der Finanzabteilung festgeschrieben, personell vollzogen, die kirchliche Verwaltung auf die geistlichen Angelegenheiten beschränkt und an den Rand gedrängt – und das mit Zustimmung des Landesbischofs, der den Geschäftsverteilungsplan mitgetragen hatte. Das verbliebene Rest-Landeskirchenamt stand unter seiner Kontrolle, aber nicht unter seiner direkten Leitung. Eine solche Verquickung hätte den dezidiert staatlichen Status gefährdet, den Hoffmeister für die Finanzabteilung in Anspruch nahm.138 Mit dem Geschäftsverteilungsplan war die Trennung von Finanzabteilung und Landeskirchenamt klar erkennbar geworden;139 ihr Verhältnis war nicht mehr das zweier Abteilungen einer übergeordneten Behörde, sie waren de facto zwei unterschiedliche Behörden geworden. Es gab kein gemeinsames Dach und keine gemeinsame Behördenleitung mehr, nicht einmal auf dem Papier. Röpke hielt zwar daran fest, die Finanzabteilung sei „als eine dem Landeskirchenamt zugeordnete selbständige Abteilung“140 anzusehen, doch mit dieser Lesart konnte er sich nicht durchsetzen. Der Schwerpunkt der Verwaltung lag bei der Finanzabteilung; das zeigte schon die Personalverteilung. Dem Landeskirchenamt (Landesbischof, Justitiar und Pfarrabteilung) standen neben dem Landesbischof und den beiden geistlichen Oberlandeskirchenräten Röpke und Seebaß sowie dem bald aus137 Vgl. zu dem Geschäftsverteilungsplan auch Kuessner, Bischof der Mitte, 56. 138 Von daher ist es problematisch von „Hoffmeister als faktischem Leiter des Landeskirchenamtes“ (Ders., Landeskirche im 20. Jahrhundert, 395) zu sprechen oder davon, Hoffmeister hätte das Landeskirchenamt praktisch übernommen (Engelking, Verhältnis, 487). 139 Entsprechend wird in dieser Arbeit auch im Folgenden nicht unterschieden zwischen dem Gegensatzpaar Pfarr- und Finanzabteilung, denn dies impliziert, dass beide doch letztlich Teil des Landeskirchenamtes gewesen wären, sondern zwischen Landeskirchenamt und Finanzabteilung. 140 Röpke an DEKK vom 18. 2. 1941 (LkAW LKA 2551).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

scheidenden Justitiar Jürgens nur noch drei weitere Arbeitskräfte zur Verfügung. Insgesamt umfasste das Landeskirchenamt 1939 sieben Personen.141 Die Finanzabteilung hingegen hatte die übrigen, zuvor im Landeskirchenamt beschäftigten Mitarbeiter zu ihrer ausschließlichen Verfügung herangezogen. Hoffmeister bootete die alten landeskirchlichen Mitarbeiter also nicht aus (dies tat er nur in wenigen Ausnahmen), vielmehr spannte er sie in die Dienste der Finanzabteilung ein – und sie ließen sich einspannen.142 Nach außen sorgte diese Personalkontinuität für eine gewisse Beruhigung. Zusammen mit den neu angestellten Mitarbeitern verfügte die Finanzabteilung 1939 über mehr als 40 „Gefolgschaftsmitglieder“.143

2.6.2. Die Bekennende Kirche: Protest von kurzer Dauer Die braunschweigische Bekennende Kirche hatte zu diesem Zeitpunkt den Protest gegen die Finanzabteilung bereits eingestellt. Etwa ein Jahr zuvor war er begonnen worden: Am 2. Juli 1938 hatte sich Pfarrer Lachmund, der Pfarrernotbund und Bruderrat nach außen vertrat, an Landesbischof Johnsen gewandt.144 Die FA-Umbesetzung Ende Mai hatte ihn offenbar alarmiert, auch wenn eine unmittelbare Reaktion nicht erfolgt war. Nun beklagte Lachmund die Entwicklung der Finanzabteilung mit deutlichen Worten: „Solange ein Glied der Behörde selbst Leiter der Finanzabteilung war, ging es reibungslos, da diese Herren, z. B. unser Dr. Lambrecht kirchliches Verständnis und kirchliches Verantwortungsgefühl hatten. Das musste sich mit einem Schlage ändern, als an ihre Stelle reine Staatsbeamte traten, die sich nur als Beauftragte des Staates ohne jede kirchliche Bindung wissen und mit totaler Gewalt im Raume der Kirche regieren. So ist es nicht nur ein Personalwechsel, der an sich bedauerlich, aber doch zu ertragen wäre, dessen Reichweite allmählich begrenzt, abgebogen und unschädlich gemacht werden könnte, sondern schon die ersten Taten des neuen Leiters zeigen, dass – gewiss in Ausführung gewordener Befehle, im Gehorsam, der ihm selbstverständliche Pflicht ist, nach seiner Rechtsauffassung, die man ihm bestreiten, aber nicht zum Vorwurf machen kann, – dass jetzt erst das ganze Wollen der Finanzabteilungen bei uns in Erscheinung tritt, wovor uns bisher das kirchliche Bewusstsein von Oberkirchenrat Lambrecht bewahrt hat. Jetzt sehen wir ganz deutlich, dass die Linie, die 1934 scheiterte, unentwegt wieder aufgenommen ist, und die 141 Vgl. Johnsen an Reichskirchenminister vom 27. 10. 1939 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 186 – 189, hier Bl. 188). 142 Bezeichnend dafür ist die Tatsache, dass Johnsen die bisher im Landeskirchenamt üblichen Andachten kurz nach Hoffmeisters Amtsantritt mangels Beteiligung aufgeben musste. Die Mitarbeiter der Finanzabteilung fühlten sich als solche offenbar nicht zur Teilnahme angehalten. Vgl. Kuessner, Überblick, 144; Ders., Bischof der Mitte, 56. 143 Siehe dazu unten 347 f. 144 LkAW PNB 6, daraus auch die folgenden Zitate.

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Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 323 Kirche völlig unter die Vollmacht des Staates gezwungen werden soll. Die verhängnisvolle Unterscheidung von äusserer Ordnung und innerm [sic] Leben, die wir für unmöglich erklären, muss dazu herhalten, auch in das innere Leben der Kirche einzugreifen, mit dem leichtbeigebrachtem [sic] Nachweis, dass das irgendwie finanzielle Auswirkungen haben könnte, oder schon gehabt hätte […] Ich kann mit aller Entschiedenheit erklären, dass wir Pfarrer des Notbundes nicht gewillt sind, diesem Machtanspruch des Staates im Raume der Kirche nachzugeben.“

Lachmund appellierte an Johnsen, „ein entschiedenes ,Nein‘ zu sagen und dann daraus auch die Folgerungen zu ziehen“, der Pfarrernotbund würde „getreulich hinter Ihnen stehen“. Doch Johnsen weigerte sich. Der Bruderrat wartete noch einige Zeit vergeblich „auf ein Wort der Weisung“145 und drängte den Landesbischof in Gesprächen zum Handeln.146 Dann setzte er den Protest vorläufig ohne Unterstützung der Kirchenleitung fort. Es kam zu der Protestnote des Bruderrates vom 19. Oktober 1938.147 Dem Schreiben schlossen sich letztendlich 50 Pfarrer an. Sie erhoben „grundsätzlich Einspruch […] gegen die Stellung, die die Finanzabteilung beansprucht“, indem sie „das Gebiet der finanziellen Angelegenheiten überschreitet, kirchenregimentliche Befugnisse in Anspruch nimmt und damit ein staatliches Regiment in der Kirche aufrichtet, das an das Bekenntnis nicht gebunden ist.“

Die Finanzabteilung reagierte scharf auf die Eingabe. Als Strafmaßnahme setzte sie Bevollmächtigte ein und forderte bei der Kirchenleitung Sanktionen gegen beteiligte Geistliche. Diese Gegenmaßnahmen und die nur halbherzige Unterstützung der Kirchenleitung ließen den Protest des Bruderrats wirkungslos auflaufen148 – bald beugten sich manche Unterzeichner dem Druck der Finanzabteilung und distanzierten sich von dem Schreiben.149 Der Bruderrat war dennoch davon überzeugt, dass dem Protestschreiben „die sachliche Notwendigkeit“ zugrunde gelegen hätte, „in dieser Lage zu bezeugen, dass die Kirche nicht von der Finanzabteilung regiert werden kann.“150 Daher wollte er eigentlich an dem eingeschlagenen Kurs festhalten und weiterhin versuchen, Johnsen zu überzeugen, sich dem Protest anzu145 Lachmund an Johnsen vom 10. 11. 1938 (LkAW NL 302). 146 Vgl. Rundschreiben des Bruderrats vom 9. 11. 1938 (LkAW PNB 6); Lachmund an Lutherrat vom 4. 2. 1939 (LkAW PNB 7); auch Kuessner, Überblick, 142. 147 BArch R 5101 / 23793, Bl. 89, daraus auch folgende Zitate. Siehe zu dem Schreiben auch oben 314, unten 357, 372 f. 148 Vgl. zu dem Protestschreiben vom 19. 10. 1938: Palmer, Material, 118 f.; Kuessner, Palmer, 249 – 251; Meier, Kirchenkampf III, 416; Kuessner, Überblick, 143. 149 Auch Oberlandeskirchenrat Seebaß hatte den Protest unterzeichnet und musste sich im März 1939 hiervon distanzieren, vgl. Vermerk Albrechts vom 14. 2. 1939 (LkAW FinAbt 155, Bl. 9 f.); Johnsen an Hoffmeister vom 13. 3. 1939 (ebd., Bl. 11); Seebaß an Johnsen vom 14. 11. 1938 (LkAH D 15 I Nr. 66); auch Kuessner, Überblick, 147. 150 Rundschreiben des Bruderrats vom 9. 11. 1938 (LkAW PNB 6).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

schließen.151 Gleichzeitig fühlte sich der Bruderrat durch die zaghafte Haltung des Landesbischofs in seinem Einsatz gegen die Finanzabteilung gehindert152 und meinte, selbst „ja auch zur Zurückhaltung gezwungen“153 zu sein. So kam es zu keinen weiteren drängenden Schreiben an die Kirchenregierung oder den Landesbischof; der Bruderrat unternahm auch keine öffentlichen Schritte mehr, selbst die Pfarrerschaft gegen die Finanzabteilung zu mobilisieren. Man beschied sich mit der Feststellung, ohne die Kirchenleitung nichts unternehmen zu können und beließ es bei diesem Befund. Der Höhepunkt der Auseinandersetzung des braunschweigischen Bruderrates mit der Finanzabteilung war somit im Jahre 1938 erreicht, 1939 bereits überschritten. Dabei war Lachmund durchaus selbstkritisch und resümierte im Mai 1940, man würde „nicht so energisch Krieg führen“ wie dies in Hannover geschehe; außerdem würdigte er den Widerstand, den Röpke der Finanzabteilung ab 1940 entgegenhielt.154 In den Gemeinden leisteten einzelne BK-Pfarrer nach 1939 ausdauernden Widerstand gegen die Maßnahmen der Finanzabteilung. Als Organisationen aber verharrten Bruderrat und Pfarrernotbund bis Kriegsende weitgehend in ihrer passiven Ablehnung der Finanzabteilung. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch den im Kriegsverlauf immer desolater werdenden Zustand der Bekennenden Kirche in Braunschweig.155 2.6.3. Eskalation 1939: Das Missverhältnis von schwankender Kirchenleitung und kompromissloser Finanzabteilung Der Geschäftsverteilungsplan aus dem Mai 1939 führte nicht zu einer Beruhigung der Lage und einer auf seiner Grundlage stehenden einvernehmlichen Arbeit der Behörden. Bald war der Landesbischof nicht mehr zufrieden mit der getroffenen Regelung, denn die Gesamtsituation hatte sich geändert; es schien Johnsen nun möglich, eventuell eine Abschaffung der Finanzabteilung erreichen zu können. Anlass für diese Hoffnung bot die Sammlungsbewegung, die Kerrl mittels seiner „Grundsätze“ anstrebte und in deren Rahmen eine Auflösung der Finanzabteilungen diskutiert wurde.156 Johnsen war der erste Kirchenleiter, der sich aus dem Kreis der Kirchenführerkonferenz und des Lutherrats die Kerrl’schen Grundsätze zu Eigen machte.157 Sicherlich nicht nur

151 152 153 154 155 156 157

Vgl. Lachmund an Johnsen vom 10. 11. 1938 (LkAW NL 302). Vgl. ebd. Lachmund an Lutherrat vom 4. 2. 1939 (LkAW PNB 7). Rundschreiben Lachmunds vom 18. 5. 1940 (ebd.). Vgl. Kuessner, Überblick, 164 f.; Ders., Palmer, 252. Siehe oben 115 f. Vgl. dazu Kuessner, Bischof der Mitte, 60 – 63; Ders., Überblick, 151 f.; Lindemann, Typisch, 266. Die vorausgegangene Godesberger Erklärung hatte er nicht unterzeichnet, sie wurde aber

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wegen der Finanzabteilung, sondern auch aus innerer Überzeugung und in der Hoffnung, das Verhältnis von Staat und Kirche hiermit verbessern zu können. Für Johnsen war die heftige Kritik des Lutherrats an den „Grundsätzen“ sogar der Anlass, aus diesem auszutreten.158 Die Annahme der Kerrl’schen Grundsätze hatte zur Folge, dass die Ausführungsanweisung zur 15. Durchführungsverordnung vom 21. Juli 1939159 auch in der braunschweigischen Landeskirche angewendet werden sollte. Sofort bat Johnsen die Finanzabteilung in der Sache um eine Besprechung. Da Hoffmeister nicht zur Verfügung stand, drängte der Landesbischof Landeskirchenrat Westermann zu einem Treffen, obwohl dieser ohne vorherige Rücksprache mit Hoffmeister nur zu einer „völlig unverbindliche[n] Fühlungnahme“160 bereit war. Noch am Nachmittag des 21. Juli 1939 trafen sich Johnsen, Jürgens und Westermann. Nach Westermanns Bericht über die Zusammenkunft verlangten Johnsen und Jürgens, dass die Finanzabteilung sich entsprechend der Ausführungsanweisung auf die ihr in der 15. Durchführungsverordnung zugewiesenen Befugnisse beschränken müsse, also vor allem auf Überwachungs- und Genehmigungsfunktionen. Sie wollten also nichts anderes, als dass die Vermögensverwaltung wieder im Landeskirchenamt selbst ausgeführt werde, wenn auch unter Aufsicht der Finanzabteilung, „denn der gegenwärtige Zustand sei auf die Dauer für das Landeskirchenamt untragbar. Das Landeskirchenamt spiele z. Z. eine völlig untergeordnete und nebensächliche Rolle“, außerdem „fehle es völlig an einer von dem Herrn Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten gewünschten Zusammenarbeit zwischen der Finanzabteilung und dem Landeskirchenamt.“

Es folgten in Braunschweig langwierige und schwierige Verhandlungen, die erst am 15. Dezember 1939 zu einer Neuregelung des Verhältnisses Landeskirchenamt-Finanzabteilung führten: Zunächst hatte die Finanzabteilung auf Johnsens Vorstoß gar nicht weiter reagiert und die Angelegenheit verschleppt; sicherlich auch, weil der FA-Vorsitzende Hoffmeister ab dem 18. Juli 1939 wegen eines mehrmonatigen Wehrmachtslehrgangs nur sehr sporadisch zur Verfügung stand.161 Aufgrund des Kriegsausbruches verzögerte sich Hoffmeisters Rückkehr in den normalen Dienst zusätzlich – er wurde kurzzeitig an der Westfront eingesetzt. So meldete sich Hoffmeister erst Ende Oktober 1939

158 159 160 161

von Hoffmeister im Amtsblatt veröffentlicht (LkABl., 1939, 27 f.). Vgl. dazu auch Hoffmeister an Johnsen vom 14. 4. 1939, vom 29. 4. 1939 und vom 1. 6. 1939 (LkAW FinAbt 73). Vgl. dazu Schneider, Zeitgeist, 185, 199; Kuessner, Bischof der Mitte, 63; Ders., Überblick, 154 f.; Pollmann, Entnazifizierung, 31, 33. EZA 2/687. Vgl. zu der Besprechung den Vermerk Westermanns vom 18. 8. 1939 (LkAW FinAbt 80), daraus auch dieses und die folgenden Zitate. Vgl. Hoffmeister an alle FA-Abteilungsleiter vom 29. 6. 1939 (LkAW FinAbt 12).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

zu seiner Tätigkeit in der Finanzabteilung zurück.162 In der Zwischenzeit führte sein Stellvertreter Cölle die Geschäfte.163 Am 19. August 1939 war es Johnsen allerdings gelungen, mit Hoffmeister eine längere Aussprache wegen der Ausführungsanweisung zu halten.164 Dabei hatte er „die Rückübertragung der gesamten Verwaltung an ihn, den Landesbischof, gefordert. Dies hatte“, so berichtete Stahn von dem Treffen, „Herr Hoffmeister abgelehnt.“165 Dem schloss sich auch Stahn selbst an, der am 20. August 1939 zu einer Besprechung mit Johnsen nach Braunschweig gekommen war ; zu weitgehend erschienen ihm und dem Reichskirchenminister die Forderungen.166 Gleichwohl waren Stahn und Kerrl der Auffassung, dass für Braunschweig eine neue Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Finanzabteilung und Landeskirchenamt in Anlehnung an den Erlass vom 21. Juli 1939 vorgenommen werden müsste.167 In diesem Sinne schrieb Stahn am 5. September 1939 an Cölle und erteilte diesem die Anweisung, mit Johnsen eine Neuregelung vorzubereiten.168 Er sollte sich an der zeitgleich in Hannover ausgehandelten Regelung orientieren.169 Cölle arbeitete einen entsprechenden Entwurf aus und übergab ihn am 25. Oktober 1939 dem Landesbischof.170 Sein Vorschlag enthielt keine substanziellen Veränderungen am bisherigen Zustand, sondern nur einige kosmetische Maßnahmen. Es sei auch, so erläuterte Cölle dem Reichskirchenminister, in Braunschweig eine Änderung der Zuständigkeiten „nur im beschränkten Umfange möglich“171, da der Geschäftsverteilungsplan bereits die notwendige Kompetenzabgrenzung beinhalte. Entsprechend sollte dieser die Grundlage der Neuregelung bilden, auch die grundsätzlichen Arbeitsabläufe sollten nicht angetastet werden. Die Reaktion Johnsens, nachdem Cölle ihm den Vorschlag überreicht hatte, ist symptomatisch für seine Haltung gegenüber der Finanzabteilung. Noch bevor er den Entwurf überhaupt gelesen hatte, erklärte er sich bereit, diesen zu unterzeichnen und sofort in Kraft zu setzen. Dies allerdings ging Cölle zu schnell. Er hatte Anweisung, den Entwurf zunächst dem Reichskirchenministerium vorzulegen – außerdem hatte Hoffmeister seine baldige Rückkehr aus der Wehrmacht angekündigt, so dass Cölle auch ihn nicht vor vollendete 162 163 164 165 166

167 168 169 170 171

Vgl. Hoffmeister an Cölle vom 27. 10. 1939 (LkAW FinAbt 153). Vgl. Cölle an DEKK vom 12. 9. 1939 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 328). Vgl. Vermerk Stahns vom 25. 8. 1939 (LkAW FinAbt 80). Ebd. Insbesondere hatte Johnsen bei dem Gespräch mit Stahn die Vorlage aller Verfügungen und Erlasse der Finanzabteilung vor ihrer Veröffentlichung, die Reduzierung der Anzahl der Bevollmächtigten und die Beteiligung des Landesbischofs an allen Personalmaßnahmen gefordert. Vgl. Vermerk Stahns vom 7. 11. 1939 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 209). LkAW FinAbt 80. Siehe zu der hannoverschen Reglung vom 26. 9. 1939 oben 239. BArch R 5101 / 23789, Bl. 190 – 193. Vgl. auch Cölle an Reichskirchenminister vom 25. 10. 1939 (ebd., Bl. 199 – 201). Ebd., Bl. 199.

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Tatsachen stellen wollte. Möglicherweise war dies der Grund für Johnsens sofortige Zustimmung; er erwartete von Cölle günstigere Konditionen als von Hoffmeister und wollte die Regelung daher umgehend vollziehen. Cölle aber verweigerte die sofortige Inkraftsetzung und bat Johnsen um eine schriftliche Stellungnahme zu dem Entwurf.172 Diese erfolgte am 27. Oktober 1939 und war an den Reichskirchenminister gerichtet.173 Johnsen hatte eine völlige Kehrtwende vollzogen und lehnte den Entwurf ab, denn sein „Inhalt hat mich bei näherer Prüfung aufs äusserste enttäuscht“. Abgesehen „von geringfügigen Änderungen“ lege er „den gegenwärtig bestehenden braunschweigischen Zustand nochmals fest“ und könne nicht „als eine nur halbwegs befriedigende Lösung“ angesehen werden. Das Landeskirchenamt werde in jeder Hinsicht von der Finanzabteilung an den Rand gedrängt und übergangen: „Diese Zustände sind es, die ich als unerträglich empfinde. Ich sehe aus dieser Not keinen anderen Ausweg als den, daß die Einheit der kirchlichen Verwaltung wieder hergestellt wird.“ In der Zwischenzeit war Hoffmeister in den Dienst zurückgekehrt und hatte begonnen, sich der Angelegenheit anzunehmen. Zuvor hatte er die Entwicklung argwöhnisch begleitet und während eines Feldurlaubs Anfang Oktober sogar eine Besprechung mit Johnsen anberaumt. Er hatte den Verdacht, Johnsen benutze seine „Abwesenheit, um hinter seinem Rücken die von ihm aufgebaute Arbeit der Finanzabteilung zu ändern.“174 Hoffmeister hatte auch nicht vor, Cölle die Verantwortung für die Neuordnung zu überlassen. Am 2. November 1939 legte Hoffmeister einen neuen Entwurf zur Regelung des Verhältnisses Landeskirchenamt-Finanzabteilung vor, der aber in den wesentlichen Punkten mit Cölles Vorschlag übereinstimmte, mithin keine großen Veränderungen in der Landeskirche vorsah, schon gar keine Beschneidung der Kompetenzen der Finanzabteilung.175 Größere Diskrepanzen zum Entwurf Cölles ergaben sich lediglich bezüglich des kirchlichen Männerwerkes. Dessen Bekämpfung war ein besonderes Anliegen von Hoffmeister, da dieses nach seiner Auffassung „in seiner Tendenz der [nationalsozialistischen] Bewegung feindlich gegenüberstände“176 ; als Konsequenz hatte er frühzeitig eine Verwendung von Kollekten für Zwecke des Männerwerkes unterbunden sowie dessen Konten und die vorgesehenen Haushaltsmittel gesperrt.177 Gerade das Männerwerk besaß nun aber einen besonders hohen

172 Vgl. ebd., hier Bl. 201. Vgl. auch Vermerk Westermanns vom 4. 12. 1939 über die Besprechung am 25. 10. 1939 (LkAW FinAbt 20). 173 BArch R 5101 / 23789, Bl. 186 – 189, daraus auch die folgenden Zitate. 174 So nach einem Vermerk Johnsens vom 6. 10. 1939 (LkAW LBF 149). 175 BArch R 5101 / 23789, Bl. 216. 176 Vermerk Albrechts vom 14. 2. 1939 (LkAW FinAbt 155, Bl. 9 f., hier Bl. 10). 177 Vgl. Hoffmeister an Lang vom 21. 2. 1939 (LkAW FinAbt 18); Hoffmeister an Pfarrer Gennrich vom 6. 11. 1939 (LkAW FinAbt 68); Meissner, Männerwerk, 59 f.; Kuessner, Bischof der Mitte, 56; Ders., Überblick, 147; Meissner, Überblick, 172 f.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Stellenwert für Landesbischof Johnsen.178 Zunächst hatte dieser versucht, durch Konzessionen die ablehnende Haltung der Finanzabteilung zu ändern – sogar der zuständige Männerwerkspfarrer Lic. Schäfer war schließlich abberufen worden.179 Stattdessen hatte Johnsen übergangsweise persönlich die Leitung der Männerarbeit übernommen.180 Dies machte die Angelegenheit jedoch nicht einfacher, galt doch auch Johnsen den braunschweigischen staatlichen Behörden, der NSDAP und Hoffmeister „als politisch unsicher, wenn nicht gar untragbar“, die Männerarbeit staatlicherseits damit so lange als „unerwünscht und stark bedenklich“, solange sie von Johnsen geleitet werde.181 Johnsen hatte sich durch seine Mitgliedschaft im Lutherrat, auch wenn er ihn inzwischen wieder verlassen hatte, und seine Kirchenpolitik der Mitte verdächtig gemacht.182 Hoffmeister war also der Meinung, Johnsen könne die landeskirchliche Männerarbeit nicht führen. Daher schlug er in seinem Entwurf vom 2. November 1939 vor, die Männer- und Jugendarbeit solle einem noch zu bestimmenden Mitarbeiter übertragen werden, „der bei den öffentlichen Stellen das erforderliche Vertrauen“183 besitze. An diesem Punkt geriet Hoffmeister nun in einen Gegensatz zu dem Reichskirchenministerium und sogar zu Cölle. Letztere vertraten die Auffassung, man könne Johnsen, solange er Vorsitzender des Landeskirchenamts sei, nicht einfach die Leitung der Männerarbeit absprechen und ihm die Verfügung über die Gelder des Männerwerkes komplett verwehren.184 Im Unterschied zu Hoffmeister wog für Cölle die braunschweigische Männerarbeit nicht so viel, dass er für diesen Streitpunkt bereit gewesen wäre, sich mit dem Reichskirchenministerium zu überwerfen, Sanktionen zu provozieren und die ganzen Verhandlungen scheitern zu lassen. In einem Schreiben appellierte Cölle eindringlich an Hoffmeister, „dass es sich bei der augenblicklichen Lage der Dinge empfiehlt, solche Konflikte zu vermeiden [scil. wie etwa denjenigen bezüglich der Männerarbeit], bei denen die Finanzabteilungen nicht 100 %ig in jeder Weise recht behalten. Die Aufrechterhal178 Johnsen war seit 1935 Reichsobmann des Deutschen Evangelischen Männerwerkes, vgl. Kuessner, Bischof der Mitte, 43 f. 179 Dies geschah am 23. 6. 1939, vgl. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 28. 6. 1939 (LkAW KR 41). Vgl. zu den vorhergehenden Diskrepanzen zwischen Finanzabteilung und Schäfer : Sch•fer, Blätter, 30 f.; Meissner, Männerwerk, 60 f.; Bericht Schäfers vom 19. 7. 1938 (LkAW Luth Hilf 2); Bericht des SD-Braunschweig vom 12. 12. 1939 (BArch R 58 / 5791, Bl. 861 – 868, hier Bl. 862). 180 Vgl. Rundschreiben Johnsens vom 21. 4. 1939 (LkAW FinAbt 18). 181 So die Einschätzung Hoffmeisters laut Cölles Bericht an den Reichskirchenminister vom 25. 10. 1939 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 199 – 201, hier Bl. 200 f.). 182 Vgl. den Bericht des SD-Braunschweig vom 12. 12. 1939 (BArch R 58 / 5791, Bl. 861 – 868); auch den SD-Bericht an den Reichskirchenminister vom 7. 7. 1942 (BArch R 5101 / 24218). 183 BArch R 5101 / 23789, Bl. 216. Vgl. auch das Anschreiben Hoffmeisters an Stahn vom 2. 11. 1939, wo er den DC-Propst Gremmelt für den Posten vorschlug (ebd., Bl. 210). 184 Vgl. Cölle an Hoffmeister vom 26. 10. 1939 (LkAW FinAbt 80); Cölle an Reichskirchenminister vom 25. 10. 1939 nebst Anlage (BArch R 5101 / 23789, Bl. 199 – 203, hier Bl. 200 f., 203).

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Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 329 tung der Finanzabteilung ist in meinen Augen zu wichtig, als dass man sie wegen Herrn Dr. Johnsen aufs Spiel setzen sollte; dazu ist Dr. Johnsen zu unwichtig im Gesamtkirchenraume.“185

Das Reichskirchenministerium setzte nun auf ein Gespräch mit Johnsen, um in den Verhandlungen zur Neuordnung des Verhältnisses von Landeskirchenamt und Finanzabteilung den Durchbruch zu erzielen. Und tatsächlich brachte das Gespräch Stahns mit Johnsen am 16. November 1939 eine überraschende Wende.186 Johnsen lehnte die Vorschläge Hoffmeisters zur Neuregelung des Verhältnisses Finanzabteilung-Landeskirchenamt zwar wiederum als ungenügend ab, doch tauchte eine neue Option auf – ob diese von Johnsen oder Stahn aufgeworfen wurde, ist unklar :187 Der Landesbischof sollte einen Dispositionsfonds in Höhe von 5000 RM zur freien Verfügung erhalten, wenn er sich dafür „ganz von den Verwaltungsgeschäften zurückziehen und lediglich seiner geistlichen Aufgabe dienen“188 würde. Am 24. November 1939 präzisierte Johnsen den Vorschlag: Er wäre nach Beratung mit seinen Kollegen im Landeskirchenamt bereit, seine Bedenken gegen die Neuordnungsvorschläge der Finanzabteilung zurückzustellen.189 „Ich tue dies“, so Johnsen, „in dem Bestreben, alles zu tun, um von mir aus zu einer befriedigenden Gestaltung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Landeskirchenamt und der Finanzabteilung zu gelangen, und in der Hoffnung, daß zu gegebener

185 Cölle an Hoffmeister vom 26. 10. 1939 (LkAW FinAbt 80). In einem SD-Bericht vom 12. Dezember 1939 (BArch R 58 / 5791, Bl. 861 – 868, daraus auch die folgenden Zitate) wurde deshalb ein klarer Gegensatz zwischen Cölle und Hoffmeister bei den Verhandlungen zur Neuregelung des Verhältnisses von Finanzabteilung und Landeskirchenamt unterstellt. So wurde Cölles Appell, Konflikte möglichst zu vermeiden und seine Bereitschaft, das Männerwerk wieder zu finanzieren, als „unverständlich milde Haltung“ gekennzeichnet. Allerdings ging der Bericht fälschlich davon aus, Cölle sei Johnsen „weitgehend“ entgegengekommen, was de facto nicht der Fall war. Der Sicherheitsdienst mutmaßte aber, Cölle habe sich auf Kosten Hoffmeisters profilieren und in dessen Abwesenheit die Verhältnisse neu regeln wollen, um so beim Reichskirchenministerium zu gefallen. Daher kam der SDBericht zu der Folgerung: „Durch das unverhoffte Eintreffen des Leiters der Finanzabteilung der Landeskirche Braunschweig wurden natürlich Cölle und der Landesbischof an der Durchführung der getroffenen Massnahmen gehindert, da der zuständige Leiter sofort den alten Zustand wiederherstellte.“ Diese Einschätzung, so unzutreffend sie ist, ist dennoch sehr interessant, schließlich war Hoffmeister Informant des Sicherheitsdienstes. Von daher ist es durchaus möglich, dass Hoffmeister das Wirken Cölles in Braunschweig zum damaligen Zeitpunkt auch als Intrige gegen sich empfunden haben mag. Sachlich jedoch lagen die beiden nur in der Frage des Männerwerkes auseinander, in den Verhandlungen war Cölle daran gelegen, Hoffmeister gerade nicht zu übergehen. 186 Vgl. zu dem Gespräch den Vermerk Stahns vom 17. 11. 1939 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 219). 187 Laut Stahns Vermerk zu dem Gespräch liegt nahe, dass der Vorschlag von Johnsen kam (ebd.), Johnsen seinerseits erweckt in seinem Schreiben vom 24. November 1939 (ebd., Bl. 179 f.) den Eindruck, Stahn habe den Vorschlag aufgebracht. 188 Vermerk Stahns vom 17. 11. 1939 (ebd., Bl. 219). 189 Ebd., Bl. 179 f., daraus auch die folgenden Zitate.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Zeit eine Gesamtregelung der kirchlichen Verwaltung innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirchen erfolgt.“

Zwei Forderungen machte er für seine Zustimmung geltend: Erstens sollten ihm jährlich 5000 RM sowie der Kirchenregierung und dem Landeskirchenamt jeweils 2500 RM zur freien Verfügung im Etat bereitgestellt werden – und zwar ohne „Sichtvermerkzwang durch die Finanzabteilung“. Zweitens verlangte er, dass das Kollektenwesen eine reine LKA-Angelegenheit werden müsse. Johnsen wollte den Kampf aufgeben und sich die Verwaltung der Landeskirche gewissermaßen abkaufen lassen – für einen Betrag von insgesamt jährlich 10 000 RM. Es ging Johnsen darum, zumindest einen gewissen Freiraum gegenüber der Finanzabteilung zu behaupten – eine Verwirklichung seiner Forderungen hätte der Kirchenleitung neuen Spielraum zur Finanzierung ihrer geistlichen Anliegen verschafft. Eine Änderung im Kollektenwesen lehnte das Reichskirchenministerium jedoch ab; es bestanden allgemeine Regelungen, die nicht revidiert werden sollten. Bezüglich der Dispositionsfonds aber holte Stahn die Stellungnahme Hoffmeisters ein, denn Kerrl „wäre bereit, es in Braunschweig bei dem gegenwärtigen Zustand zu belassen“, wenn Hoffmeister die Einrichtung der Fonds akzeptiere.190 An ein solches Entgegenkommen dachte Hoffmeister jedoch gar nicht.191 Wie schon bei den Fragen des Männerwerkes legte er eine absolut kompromissverweigernde Haltung an den Tag: Mehrausgaben seien aus Sparsamkeitsgründen insbesondere angesichts der Kriegslage „sachlich nicht vertretbar“.192 Auch hielt er es für „äusserst bedenklich“, dem Landesbischof eine uneingeschränkte Verfügung über die Mittel zu gewähren. Er könne aus den Plänen nur folgern, dass Johnsen die Dispositionsfonds für Auszahlungen nutzen wolle, „die mit einer ordnungsgemässen Verwaltung nicht in Einklang zu bringen sind.“ Da Johnsen ferner darauf abziele, „die Finanzabteilung als ihm lästige Einrichtung überhaupt zu beseitigen“ und er sie „in ihren Zuständigkeiten beschneiden“ wolle, könne er sich nicht vorstellen, dass der Reichskirchenminister an der geplanten Einrichtung der Dispositionsfonds festhalten wolle. Hier irrte sich Hoffmeister. Nach einer weiteren abschließenden Besprechung mit Landesbischof Johnsen und einem Telefongespräch mit Hoffmeister, erfolgte am 15. Dezember 1939 vom Reichskirchenminister eine „Regelung des Verhältnisses zwischen Landeskirchenamt und Finanzabteilung“193. Die Regelung zementierte im Wesentlichen den bisherigen Zustand in 190 Stahn an Hoffmeister vom 1. 12. 1939 (ebd., Bl. 181). 191 Vgl. Hoffmeister an Stahn vom 6. 12. 1939 (ebd., Bl. 220 – 222), daraus auch die folgenden Zitate. 192 Bisher standen laut Haushaltsplan dem Landesbischof und der Kirchenregierung je 1500 RM zur Verfügung (Posten 60/61 Haushaltsplan 1939/40 vom 9. 6. 1939, LkABl., 1939, 34), allerdings waren diese Mittel an den Kassensichtvermerk der Finanzabteilung gebunden. 193 Sie findet sich in BArch R 5101 / 23789, Bl. 177 f., daraus auch dieses und folgende Zitate.

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Braunschweig; der Geschäftsverteilungsplan vom 20. Mai 1939 wurde als „maßgebend“ anerkannt und damit die strikte Trennung von Landeskirchenamt und Finanzabteilung auch kirchenministeriell sanktioniert. Die Frage, wer die Vermögensverwaltung der Landeskirche auszuführen habe, war endgültig zugunsten der Finanzabteilung entschieden. Dafür sollten dem Landesbischof und der Kirchenregierung zusammen 6000 RM jährlich „zu deren alleiniger Verfügung“ überwiesen werden. Der Verwendungsnachweis war gegenüber dem Ministerium zu führen. Auch die Personalzuständigkeiten wurden in dem Erlass behandelt, weil Johnsen früher vehement Einschränkungen der Finanzabteilung in diesem Bereich gefordert hatte. Große Eingriffe blieben jedoch aus, die Finanzabteilung konnte ihre uneingeschränkte Dienstaufsicht über die von ihr angestellten Mitarbeiter und das von ihr herangezogene LKA-Personal behaupten. Johnsen blieb die Dienstaufsicht über die wenigen, dem Landeskirchenamt zugehörigen Mitarbeiter. Bezüglich des Männerwerks wurde keine abschließende Regelung getroffen; zu gering war beim Reichskirchenminister das Interesse an dieser Angelegenheit,194 so dass er gewillt war, Hoffmeister seinen Spielraum zu lassen.195 Mit dem Erlass verband der Reichskirchenminister die Erwartung, dass Finanzabteilung und Kirchenleitung nunmehr „jede gegenseitige Reibung vermeiden, Differenzen durch persönliche Aussprache klären und das Kirchenministerium tunlichst entlasten“196 würden. Der Geschäftsverteilungsplan vom 20. Mai 1939 und der Erlass vom 15. Dezember 1939 waren bis auf weiteres die grundlegenden Bestimmungen für das Verhältnis von Finanzabteilung und Kirchenleitung in der braunschweigischen Landeskirche. Die Ausführungsanweisung vom 21. Juli 1939 hingegen war schon wieder überholt. Die Finanzabteilung in Wolfenbüttel überstand die Krise der Finanzabteilungen im Jahre 1939 damit ohne tiefgreifende Einschränkungen. Selbst den Erlass vom 15. Dezember 1939 setzte sie nur zögerlich um.197 Am 19. Dezember 1939 hielt Hoffmeister noch einmal in Berlin Rücksprache mit Stahn, um „ihn auf verschiedene Zweifel“198 an den Anordnungen hinzuweisen. Er erreichte kleinere Zugeständnisse, etwa mussten von den 6000 RM für Bischof und Kirchenregierung aus Sparsamkeitsgründen zunächst nur 3000 RM gezahlt werden.199 194 Vgl. Vermerk Stahns vom 7. 11. 1939 (ebd., Bl. 209). 195 Im November/Dezember 1939 setzte Johnsen Pfarrer Hermann Gennrich als kommissarischen Leiter der Männerarbeit ein – immerhin ein Deutscher Christ und „Parteigenosse“. Die Finanzabteilung verweigerte dennoch weiterhin die Freigabe von Mitteln für das Männerwerk, vgl. Meissner, Männerwerk, 64 f. Noch am 29. Juni 1942 schrieb Hoffmeister an Cölle, dass das Männerwerk „als staatsfeindlich angesehen werden muss und dass das Männerwerk deswegen zweckmässig zu verbieten wäre.“ LkAW FinAbt 18. 196 Erlass vom 15. 12. 1939 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 177 f., hier Bl. 178). 197 Vgl. Röpke an Reichskirchenminister vom 29. 2. 1940 (LkAW FinAbt 121). 198 Vermerk Hoffmeisters vom 8. 4. 1940 (LkAW FinAbt 155). 199 Vgl. ebd.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Der ganze Vorgang zeigt eindrücklich Johnsens stets schwankende Haltung gegenüber der Finanzabteilung; etwa als er die Vorschläge Cölles vom 25. Oktober 1939 sofort unterzeichnen wollte, zwei Tage später aber ein vernichtendes Urteil über sie fällte. Im direkten Kontakt mit Hoffmeister oder Cölle verhielt sich Johnsen häufig nachgiebig und konfliktscheu, Proteste erfolgten nur zögerlich. Er war offenbar unsicher im Umgang mit dieser staatlich sanktionierten Einrichtung, mochte sie, jedenfalls in Braunschweig, nicht öffentlich attackieren, um nicht in den Verdacht zu geraten, Kritik am Staatswesen zu üben. So blieb sein Verhalten diffus und unentschlossen und war damit nicht geeignet, dem entschiedenen Vorgehen von Hoffmeister zu begegnen. Im Herbst 1939 führte Johnsens Haltung schließlich in letzter Konsequenz dazu, im Streit um die landeskirchliche Vermögensverwaltung nachzugeben. Dies um den Preis von Dispositionsfonds, mit denen er offenbar hoffte, wenigstens seine geistlichen Anliegen umsetzen zu können. Außerdem war inzwischen der Krieg ausgebrochen, Johnsen plante seinen baldigen Eintritt in die Wehrmacht und wünschte daher ein Ende des Konfliktes. Der Vorgang zeigt auch die Unterschiede zwischen Hoffmeister und Cölle auf. Cölle war als pragmatischer Kirchenpolitiker im Sinne einer höheren Sache – hier dem Erhalt der Finanzabteilung, den er in Gefahr sah – zu Kompromissen bereit; Hoffmeister nicht. Lieber nahm er Konflikte selbst mit dem Reichskirchenministerium in Kauf. 2.6.4. Krisenjahre 1940 – 1942: Die entfesselte Finanzabteilung unter Ludwig Hoffmeister Eine Beruhigung in der braunschweigischen Landeskirche brachte der Erlass vom 15. Dezember 1939 entgegen den Hoffnungen jedoch nicht. Im Gegenteil, die Jahre 1940 bis 1942 waren geprägt von dauernden Auseinandersetzungen zwischen Kirchenleitung und Finanzabteilung. Diese trug jedoch nicht mehr in erster Linie Landesbischof Johnsen aus. Er zog im Januar 1940 auf eigenen Wunsch als Offizier in den Krieg, um „in dieser entscheidungsvollen Zeit unseres Volkes Dienst“200 als Soldat zu tun.201 Am 3. Januar 1940 trat damit die von der Kirchenregierung schon frühzeitig202 getroffene Vertretungsregelung in Kraft: Oberlandeskirchenrat Röpke übernahm als Johnsens Stellvertreter dessen Funktionen als Landesbischof und Leiter des Landeskirchenamts.203 Er scheute sich weniger als Johnsen, die Konflikte mit der Finanzabteilung anzunehmen und auszufechten. 200 So Johnsen an das Wehrbezirkskommando Braunschweig vom 9. 9. 1940, als er sich gegen eine etwaige Reklamation energisch verwahrte (BArch R 5101 / 23790, Bl. 19). 201 Vgl. zu Johnsens Einberufung: Kuessner, Bischof der Mitte, 64 f. 202 Vgl. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung am 1. 9. 1939 (LkAW KR 41). Vgl. auch Johnsen an Reichskirchenminister vom 28. 8. 1939 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 105). 203 Vgl. Kirchenregierung an Röpke vom 3. 1. 1940 (LkAW LKA PA 1251).

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In den Jahren 1940 bis 1942 behielt Hoffmeister, allen sich verändernden äußeren Umständen zum Trotz, den bisherigen Kurs der Finanzabteilung bei. Nachdem er die Finanzabteilung als selbständige und unabhängige Behörde etabliert hatte und seine Zuständigkeiten bereits weitestgehend ausgedehnt waren, war seine Zielsetzung eine doppelte. Es ging Hoffmeister um die totale Kontrolle der Kirche und darum, gegenüber der Kirche die Staats- und Parteiinteressen durchzusetzen. Sein erstes Ziel diente dabei dem zweiten. Die vollständige Überwachung der Kirche sollte es ihm ermöglichen, überall dort einzuschreiten, wo es ihm aus nationalsozialistischem Interesse geboten schien – auch wenn er dabei in den Zuständigkeitsbereich des Landeskirchenamts eingreifen musste. Die politische Konformität war die übergeordnete Maßgabe, an der letztlich alle Maßnahmen der Kirchenleitung gemessen wurden. Eine wirksame Kontrolle und Ausschaltung der Kirchenleitung ließ sich durch die Gestaltung des Geschäftsganges erzielen. Hoffmeister hatte dies erkannt. Längst hatte er etwa eine eigene Aktenführung der Finanzabteilung eingeführt. Außerdem sollte sämtliche Korrespondenz staatlicher oder kirchlicher Stellen in Finanzangelegenheiten unmittelbar mit der Finanzabteilung abgewickelt werden;204 das Landeskirchenamt sollte hier von vornherein ausgeschlossen werden. Gleichzeitig sicherte sich Hoffmeister die Aufsicht über die LKA-Posteingänge. Dies geschah über die Registratur, deren Mitarbeiter sich schon frühzeitig einzig den Anweisungen der Finanzabteilung verantwortlich fühlten (ein augenfälliger Beweis war die Rosenthal-Affäre Ende 1938). Bedingt war dies durch gezielte Personalmaßnahmen Hoffmeisters und politische Loyalitäten; Rosenthal, der Leiter der Registratur, war etwa bereits seit 1932 „Parteigenosse“.205 Hoffmeister ließ die LKA-Posteingänge sowie häufig die persönliche Post Röpkes von der Registratur routinemäßig im Auftrag der Finanzabteilung öffnen. Anschließend wurden zuweilen an das Landeskirchenamt gerichtete Schreiben, selbst wenn sie in dessen Zuständigkeit fielen, zunächst von der Finanzabteilung bearbeitet oder der Kirchenbehörde erst nach mitunter längeren Verzögerungen und womöglich nur in Abschrift vorgelegt.206 Röpke betrachtete daher die Registratur bald nicht mehr als eine gemeinsame Einrichtung, sondern als reine FA-Stelle. Er strengte sogar am 12. Juli 1940 in der Sache eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Reichskirchenminister an.207 Hoffmeister musste sich daraufhin in zwei Gesprächen 204 Vgl. Hoffmeister an alle Pfarrämter vom 3. 2. 1939 (LkAH S 1 E III 021, Bl. 49); Hoffmeister an die braunschweigische Staatsführung vom 26. 5. 1941 (LkAW FinAbt 2); Hoffmeister an den braunschweigischen Finanzminister vom 19. 9. 1942 (LkAW FinAbt 156). 205 Vgl. dessen Personalakte (LkAW LKA BA 393). 206 Vgl. nur Röpke an Hoffmeister vom 11. 6. 1940 (LkAW FinAbt 121); Röpke an Reichskirchenminister vom 10. 9. 1940 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 272). 207 BArch R 5101 / 23789, Bl. 256 f.; vgl. auch die Ergänzung vom selben Tage (ebd., Bl. 253). Bei einer Besprechung mit Fischer-Dorp und Werner aus der Kirchenkanzlei am 30. Juli 1940

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

gegenüber Vertretern des Ministeriums rechtfertigen: Er behauptete, die fehlerhafte Behandlung von LKA-Eingängen sei auf „Registraturversehen“208 zurückzuführen, außerdem gelobte er Besserung.209 Im Übrigen aber marginalisierte er die Beschwerde, denn die „Finanzabteilung hat wichtigere Sachen zu tun“210, als sich mit solcherlei Lappalien zu befassen.211 Eine Änderung der Praxis bewirkten die Gespräche nicht. Der weitere Verlauf der Angelegenheit zeigt aber, wie quälend sich die Auseinandersetzungen in Braunschweig häufig hinzogen: Röpke verfügte am 21. Februar 1941, mit ausdrücklicher Billigung des Reichskirchenministers,212 es seien sämtliche „Posteingänge, die auf dem Umschlag an das Landeskirchenamt, an die Kirchenregierung und an den Herrn Landesbischof bezw. an den Stellvertreter des Landesbischofs adressiert sind, […] mir, bezw. in meiner Vertretung Herrn Oberlandeskirchenrat Seebaß sofort ungeöffnet vorzulegen.“213 Doch Hoffmeister wollte davon nichts wissen. Die Verfügung wurde erst von der Finanzabteilung zurückgehalten und dann vom FA-Vorsitzenden kurzerhand erklärt, es werde bei der „Behandlung der Eingänge einstweilen bei dem bisherigen Verfahren“214 bleiben. Dagegen legte Röpke am 1. März 1941 eine neuerliche Dienstaufsichtsbeschwerde und „schärfste Verwahrung“ beim Reichskirchenminister ein.215 Wieder bekam er Recht.216 Hoffmeister aber wollte sich nicht beugen; öffne die Registratur nicht alle Briefe, würde „eine erneute für den Geschäftsbetrieb der Finanzabtlg. nachteilige Abhängigkeit vom Landeskirchenamt“217 und eine Verzögerung entstehen, denn ein Großteil der an das Landeskirchenamt adressierten Schreiben sei inhaltlich eigentlich für die Finanzabteilung bestimmt, müsste also ohnehin zuständigkeitshalber abgegeben werden. Stahn intervenierte ein weiteres Mal, doch wieder reagierte Hoffmeister unwillig und beharrte darauf, dass man im Ministerium die Situation offenbar nicht begriffen habe und er also bei der bisherigen Übung bleibe. Mehrere Monate hatte sich Hoffmeister nun einfach verweigert, ein drittes Mal musste Stahn die Entscheidung des Ministers wiederholen, es musste noch ein Gespräch geführt werden, bis

208 209 210 211 212 213 214 215 216 217

bat Röpke darum, Runderlasse von Kirchenkanzlei und dortiger Finanzabteilung auch an seine Privatadresse zu richten, „da er die Erfahrung gemacht habe“, so Fischer-Dorp in einem Vermerk, „dass Runderlasse von hier ihn verschiedentlich nicht erreicht hätten.“ Vermerk vom 6. 8. 1940 (EZA 1/1603). Vermerk Dieckmanns vom 27. 9. 1940 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 278 – 281, hier Bl. 279). Vgl. Vermerk Stahns und Schreiben an Röpke vom 27. 7. 1940 (ebd., Bl. 271); Vermerk Dieckmanns vom 27. 9. 1940 (ebd., Bl. 278 – 281, hier Bl. 278 f.). Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 9. 8. 1940 (LkAW FinAbt 155). Vgl. auch Hoffmeister an DEKK-Leiter vom 8. 6. 1940 (ebd.). Erlass des Reichskirchenministers vom 20. 2. 1941 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 346). Ebd., Bl. 345. Hoffmeister an Röpke vom 24. 2. 1941 (ebd., Bl. 350). Ebd., Bl. 342 – 344, Zitat Bl. 343. Vgl. Stahn an Hoffmeister vom 17. 3. 1941 (ebd., Bl. 335). Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 7. 4. 1941 (ebd., Bl. 352).

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Hoffmeister schließlich nachgab und Röpke im Juni 1941 vermelden konnte, Hoffmeister lege ihm die Post nun ungeöffnet vor.218 Als letzten Affront nahm Hoffmeister die Regelung gegenüber der Registratur allerdings persönlich vor,219 bestritt damit Röpke ein letztes Mal, dass dieser befugt wäre, von sich aus den Geschäftsgang zu ändern und der Registratur Anweisungen zu erteilen. Röpke aber hatte die Eingänge des Landeskirchenamtes wieder unter eigener Kontrolle.220 Über die Postausgänge des Landeskirchenamtes versuchte Hoffmeister eine Übersicht zu gewinnen, indem er im Frühjahr 1941 anordnete, sämtliche ausgehenden Briefe von Pfarrabteilung und Landesbischof dürften nur noch in Gegenwart des für die Ausgabe von Briefmarken verantwortlichen Beamten frankiert werden; der Verbrauch an Briefmarken sei zu hoch. Auch diese Angelegenheit führte zu Auseinandersetzungen zwischen Hoffmeister, Röpke und dem Reichskirchenministerium. Sie zogen sich letztlich bis 1943 hin, doch gelang es Hoffmeister am Ende nicht, mittels der Briefmarkenausgabe eine Kontrolle über die Korrespondenz der Kirchenleitung zu erlangen.221 Daneben betrachtete Hoffmeister die Finanzabteilung als jederzeit zugriffsberechtigt auf LKA-Akten, während umgekehrt dem Landeskirchenamt kein Zugriff auf die FA-Akten gewährt wurde.222 Erst 1943 wurde diese Handhabung vom Reichskirchenministerium moniert. Es bestimmte, jede Stelle verfüge frei über ihre Akten, solle sie aber im Einzelfalle der jeweils anderen Behörde zur Verfügung stellen.223 Damit war, vom Reichskirchenministerium abgesegnet, der Geschäftsgang beider Verwaltungsbehörden der Landeskirche völlig getrennt; Registratur und Aktenführung waren unabhängig voneinander.224 Die Kirchenleitung sah sich diversen größeren und kleineren, teilweise ins persönliche gehenden Schikanen der Finanzabteilung ausgesetzt. Diese verlangte etwa ab 1941 bei der Erstattung von Dienstreisekosten von Röpke und Seebaß detaillierte Angaben über deren Gesprächspartner und -gegenstän-

218 Vgl. Röpke an Reichskirchenminister vom 10. 6. 1941 (ebd., Bl. 374). 219 Am 14. 6. 1941 (LkAW FinAbt 39). 220 Der ganze Vorgang findet sich in BArch R 5101 / 23789, Bl. 312 – 316, 332 – 335, 342 – 354, 369 – 374; LkAW FinAbt 39. 221 Alle Vorgänge in der Briefmarkenfrage finden sich in LkAW FinAbt 41; ferner in BArch R 5101 / 23792, Bl. 23 f., 28 f.; BArch R 5101 / 23790, Bl. 276 – 280; BArch R 5101 / 23791, Bl. 136 – 138. 222 Vgl. Hoffmeister an LKA vom 25. 4. 1942 (LkAW FinAbt 94). 223 Vgl. Vermerk zu der Besprechung vom 4. 6. 1943 (LkAW FinAbt 155); auch den Vermerk Hauggs über eine Besprechung vom 20. 8. 1943 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 540). 224 Die Finanzabteilung hatte bereits im Herbst 1939 die Verwahrung sämtlicher Personalakten der von ihr beschäftigten Mitarbeiter an sich gezogen. In einem längeren Disput über diese Frage, der bis in den Oktober 1941 andauerte, konnte sich die Finanzabteilung durchsetzen. Vgl. den Vorgang in LkAW FinAbt 116; BArch R 5101 / 23792, Bl. 53 – 63; Vermerk zu einer Besprechung am 4. 6. 1943 (LkAW FinAbt 155).

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de.225 Außerdem weigerte sie sich, Röpkes Telefonkosten auf die Landeskirchenkasse zu übernehmen,226 verbot dem Landeskirchenamt, den Dienstwagen der Landeskirche zu nutzen227 und machte der Pfarrabteilung deutlich, dass sie eigentlich nicht einmal mehr im Gebäude des Landeskirchenamtes erwünscht war.228 Als Hoffmeister auch noch die Dienstaufwandsentschädigung Johnsens um die Hälfte kürzte, schritt Stahn ein und wies ihn zurecht, „solche Maßnahmen, die sehr kleinlich wirken und die andere Seite verärgern müssen,“229 solle er unterlassen.230 Die Maßnahmen hatten bisweilen keinen anderen erkennbaren Hintergrund, als die Absicht, der Kirchenleitung aufzuzeigen, wo sie sich im Machtgefüge der Landeskirche befand und welche Priorität ihre Bedürfnisse hatten. Seine Machtstellung nutzte Hoffmeister auch bei der Bewilligung von Kosten, die mit der geistlichen Versorgung, dem kirchlichen Leben oder Kultusangelegenheiten zu tun hatten. Häufig wies er die Ansprüche und Wünsche der Kirchenleitung aus Sparsamkeitsgründen zurück oder unterminierte kirchliche Maßnahmen, indem er die Übernahme oder Freigabe von Geldern verweigerte. Ein Beispiel sind die Vertretungskosten. Hoffmeister wollte diese 1940 reduzieren (durch weniger Gottesdienste), wohingegen Röpke gerade in Kriegszeiten hier keine Einschnitte dulden wollte.231 Eine Grundsatzentscheidung des Reichskirchenministeriums fiel letztlich zugunsten Röpkes aus – die Finanzabteilung sollte die anfallenden Vertretungskosten ohne Beanstandungen oder Einwände übernehmen.232 Ein weiteres Beispiel ist der vom Landeskirchenamt 1939/40 herausgege225 Vgl. zu den entsprechenden Vorgängen: BArch R 5101 / 23790, Bl. 266 – 268; Vermerk Hoffmeisters vom 13. 10. 1941 (LkAW FinAbt 74); BArch R 5101 / 23791, Bl. 440 – 448; BArch R 5101 / 23792, Bl. 157 – 162; LkAW FinAbt 34. 226 Strittig war die Übernahme der Grundgebühr und bestimmter Gesprächskosten von Röpkes Privatanschluss. Das Reichskirchenministerium entschied mehrfach zugunsten Röpkes. Vgl. den Vorgang in BArch R 5101 / 23792, Bl. 81 – 96; BArch R 5101 / 23790, Bl. 285 – 292. 227 Hoffmeister arbeitete hier mit dem Landrat von Wolfenbüttel zusammen, der dem Landeskirchenamt ein eigenes Benzinkontingent hätte zuteilen müssen. Vgl. zu diesem Vorgang, der sich von April 1940 bis Juli 1941 hinzog und in dem Röpke den Kampf um die Nutzung des Fahrzeugs schließlich entnervt aufgab: BArch R 5101 / 23792, Bl. 109 – 135. 228 Im Januar 1940 veranlasste Hoffmeister, ohne vorherige Fühlungnahme oder Ankündigung, dass die Diensträume der Pfarrabteilung nicht mehr beheizt wurden – obwohl ihr lediglich noch zwei Räume verblieben waren. Bei der Finanzabteilung hingegen wurden jedenfalls einige Räume weiter beheizt. Vgl. Röpke an Reichskirchenminister vom 29. 2. 1940 (LkAW FinAbt 121). 229 Vermerk Stahns vom 27. 7. 1940 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 4). 230 Vgl. zu dem Vorgang: Ebd., Bl. 2 – 7; LkAW LKA 2552. 231 Vgl. den Vorgang in BArch R 5101 / 23790, Bl. 54 – 65. 232 In den Haushaltsplänen spiegelt sich das Nachgeben der Finanzabteilung wider, denn die entsprechenden Posten wurden in den Haushaltsplänen für die Jahre 1941 und 1942 jeweils erheblich erhöht (vgl. LkABl., 1941, 28; LkABl., 1942, 31).

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bene Gesangbuchanhang. Der stellvertretende FA-Vorsitzende Cölle hatte in einem ihm vorgelegten Entwurf ein Lied (es war von Otto Dibelius verfasst worden) sowie einige Verse in zwei weiteren Liedern moniert. Obwohl seinen Forderungen in weiten Teilen entsprochen wurde, verweigerte Hoffmeister die Übernahme der Druckkosten, da die Auflagen Cölles nicht vollständig umgesetzt worden seien und eine Abschlussprüfung durch die Finanzabteilung nicht stattgefunden habe.233 Schließlich verfügte das Reichskirchenministerium, dass die Finanzabteilung die Gelder freigeben müsse. Dennoch, ihr war die Einmischung in diese Kultusangelegenheit gelungen, der Anhang war überarbeitet worden.234 Die Kirchenleitung musste so für jedes ihrer Anliegen große Mühe aufwenden, und wenn es nur darum ging, von der Finanzabteilung die Zustimmung zur Anstellung von Gemeindehelferinnen oder ausreichende Mittel für die Organistenvergütung zu erlangen. Bei Personalangelegenheiten der Geistlichen war die Finanzabteilung zwar auch beteiligt und achtete beispielsweise darauf, dass keine Geistlichen in die Landeskirche übernommen wurden, die ihre Prüfungen vor Bruderräten abgelegt hatten.235 Doch insgesamt waren die Probleme in diesem Bereich vergleichsweise gering.236 Dies mag daran gelegen haben, dass die Kirchenleitung die grundsätzliche Mitwirkung der Finanzabteilung bei der Pfarrstellenbesetzung nicht in Frage stellte und Hoffmeisters innerkirchliches Interesse sich außerdem in engen Grenzen hielt.237 Über die Freigabe von Pfarrstellen entschied die Finanzabteilung jeweils bei der Aufstellung des Haushaltsplans auf Antrag des Landeskirchenamtes. Auch hierbei gab es selten Probleme.238 233 Die eigentlich treibende Kraft in dieser Angelegenheit war Cölle, nicht Hoffmeister. Cölle hatte die inhaltlichen Beanstandungen gemacht, Hoffmeister verweigerte die Zahlung der Gelder dann aus formellen Gründen. Ansonsten aber war Hoffmeister daran uninteressiert, „welche Lieder von der Kirchenleitung veröffentlicht würden, weil dafür das Landeskirchenamt die Verantwortung tragen müsse.“ Vermerk Dieckmanns vom 27. 9. 1940 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 278 – 281, hier Bl. 278). Anders Kuessner, Gesangbuch, 93, der die Initiative zum inhaltlichen Eingriff bei Hoffmeister sieht. 234 Der Vorgang findet sich in LKAW LKA 2546. Vgl. auch Beitr•ge, 187; Kuessner, Gesangbuch, bes. 93 – 95. 235 Hoffmeister gab etwa Muhs’ Erlass vom 22. 6. 1938 betreffend „Nichtbesoldung von nicht ordnungsgemäß angestellten Pfarramtskandidaten“ im Amtsblatt zur Kenntnis (LkABl., 1938, 31) und wies in einem weiteren Schreiben darauf hin, dass bei einer Missachtung des Erlasses mit Regressforderungen zu rechnen wäre, Rundschreiben vom 29. 6. 1938 (LkAW LKA 2208). 236 Nur gelegentlich fühlte sich die Finanzabteilung veranlasst, in die Personalangelegenheiten der Geistlichen einzugreifen: Etwa bei den „nichtarischen“ Pastoren (siehe unten 379 f.), in den seltenen Fällen, in denen bei Personalmaßnahmen politische Bedenken auftauchten, oder wenn Pfarrer in Konflikte mit der Staatsgewalt gerieten, vgl. den Fall des Braunschweiger Pfarrers Carl von Schwartz (Kuessner, Stadtkirchen, bes. 279 – 281). 237 Siehe unten 377 f., 394 – 396. 238 Vgl. Westermann an Cölle vom 16. 6. 1942 (LkAW FinAbt 92). Nur gelegentlich machte Hoffmeister Sparzwänge geltend, um die Wiederbesetzung erledigter Pfarrstellen zu verwehren (hierbei spielten kirchenpolitische Gründe jedoch keine Rolle). Vgl.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Als letzte Bastion ihrer Unabhängigkeit besaß die Kirchenleitung bald nur noch die im Dezember 1939 angeordneten Verfügungsfonds für Landesbischof und Kirchenregierung. Diese bekam Hoffmeister zwar nicht unter seine Kontrolle, erreichte aber immerhin im Frühjahr 1942 beim Reichskirchenministerium, dass er ihre Aufstockung aussetzen durfte. Er hatte auf die „durch die Kriegsverhältnisse angespannte Finanzlage“239 der Landeskirche verwiesen, außerdem hatten sich erhebliche Mittel in den Fonds angehäuft, denn Röpke ging sehr sparsam mit den Geldern um. Die Mittel der Fonds wurden beispielsweise für Feldpostsendungen, Beihilfen, Dienstreisen, Briefmarken oder auch für eine Dienstaufwandsentschädigung des Stellvertretenden Landesbischofs verwendet. Die Ausgaben richteten sich dabei zum Teil jeweils danach, welche Mittel die Finanzabteilung andernorts gerade verweigerte. Die Aufstockung der Fonds wurde bis Kriegsende nicht wieder aufgenommen, die Mittel gingen dennoch nicht zur Neige.240 Das Verhältnis von Finanzabteilung und Landeskirchenamt war in den Jahren 1940 bis 1942 schwer gestört. Röpke schrieb 1940 an Lachmund: „Mit der Finanzabteilung bin ich völlig auseinander.“241 Seine Methode, den Problemen mit der Finanzabteilung zu begegnen, war seit Anfang 1940 eine konsequente Vorlage aller Streitigkeiten beim Reichskirchenminister. Er trat jeweils den einzelnen FA-Maßnahmen entgegen, beschwerte sich über diese hartnäckig, legte Verwahrung ein, bat um Zurechtweisung der Finanzabteilung oder verlangte Abhilfe vom Minister. Die Finanzabteilung stand so unter einem ständigen Rechtfertigungsdruck. Die Beschwerdetätigkeit nahm dabei solch einen Umfang an, „daß ich“, so konnte Röpke ohne Übertreibung selbst konstatieren, „den größten Teil meiner Tätigkeit für die Wahrung der Belange unserer Kirche und Pfarrerschaft einsetze.“242 Röpke vermied es jedoch, grundsätzliche Forderungen zu stellen und etwa eine Umbesetzung oder Abschaffung der Finanzabteilung zu verlangen oder auch nur eine grundsätzliche Neuregelung der Kompetenzverteilung.243 Die Grundsatzfragen waren 1939 bereits entschieden worden; die Hoffnung, dass das Reichskirchenministerium diese revidieren würde, scheint Röpke entweder nicht gehegt oder jedenfalls angenommen zu haben, dem nicht durch offensive Forderungen dienen zu können. Er könnte sich gerade von seinem

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hier insbesondere einen Vorgang aus der ersten Jahreshälfte des Jahre 1941 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 177 – 204). Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 30. 3. 1942 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 323). Vgl. insgesamt zu den Verfügungsfonds: BArch R 5101 / 23789, Bl. 238 f.; BArch R 5101 / 23792, Bl. 323 – 327; sowie die Abrechnungen ebd., Bl. 315 – 322, 328 – 335; BArch R 5101 / 23793, Bl. 185 – 199. Vgl. zur Dienstaufwandsentschädigung des Stellvertreters des Landesbischofs: BArch R 5101 / 23792, Bl. 568 – 571. Röpke an Lachmund vom 21. 9. 1940 (LkAW PNB 7). Ebd. Vgl. etwa Röpke an Reichskirchenminister vom 29. 2. 1940 (LkAW FinAbt 121).

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kleinteiligen Vorgehen eine wirkungsvolle Strategie gegen die Finanzabteilung versprochen haben: Er transportierte aus Braunschweig die Atmosphäre eines Kleinkrieges, in den er permanent das Ministerium einbezog. Damit demonstrierte er diesem, dass die Finanzabteilung einer Befriedung im Wege stand und es die einfachste Lösung wäre, grundlegend einzugreifen. Es war eine Zermürbungstaktik, die Röpke noch zusätzlich verfeinerte. Er band die Kirchenkanzlei, die wie der Minister gerade kritisch auf die Finanzabteilungen blickte, sowie den Geistlichen Vertrauensrat in seine Beschwerden ein, so dass diese sich ihrerseits an den Reichskirchenminister wandten, um die braunschweigischen Verhältnisse zu beklagen. Hoffmeister sah in diesem Vorgehen Röpkes ganz treffend den Versuch, im Reichskirchenministerium und bei der Kirchenkanzlei „Stimmung gegen die Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Wolfenbüttel zu machen.“244 Zu dieser Strategie passte, dass in der Kriegszeit vor allem Röpke die Fühlungnahme mit der Finanzabteilung verweigerte. Hoffmeister hingegen war gelegentlich bemüht, eine Verständigungsbereitschaft zumindest zu suggerieren, um beim Reichskirchenminister einen günstigen Anschein zu erwecken. Eine echte Bereitschaft, der Kirchenleitung in Verhandlungen substanziell entgegenzukommen, war damit allerdings nicht verbunden. Röpke reichte strittige Vorgänge daher weiterhin gleich an übergeordnete Stellen, um seine Proteste zu forcieren; denn Aussprachen, „die im Endergebnis wenig oder gar keinen Erfolg haben, sind im letzten zwecklos.“245 Bei alledem war Röpke allerdings nicht ganz konsequent und gelegentlich auch bereit, den Wünschen der Finanzabteilung ohne Not entgegenzukommen – etwa im Bevollmächtigtenwesen. Später, als seine Zermürbungstaktik nicht den gewünschten Effekt brachte, ging Röpke doch dazu über, eine grundsätzliche Wandlung der braunschweigischen Verhältnisse zu fordern. So bemängelte er in Gesprächen mit Dr. Wilhelm Dieckmann aus dem Reichskirchenministerium am 6. / 7. Juni 1941, dass der Geschäftsverteilungsplan vom 20. Mai 1939 nicht mit der Rechtslage vereinbar sei und daher nicht maßgebend sein könne.246 Ihm schwebte eine Lösung vor, wie sie in Hannover im August 1940 getroffen worden war. So sehr man in Hannover die braunschweigischen Verhältnisse fürchtete, so sehr verklärte man in Braunschweig die Zustände in der hannoverschen Landeskirche. Bei seinen Eingaben war Röpke stets bemüht, sich dem Reichskirchenministerium als loyalen, zuverlässigen Mann zu präsentieren, der sich an die 244 Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 9. 8. 1940 (LkAW FinAbt 155); Vgl. auch etwa Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 7. 8. 1940 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 34). 245 Röpke an Hoffmeister vom 11. 6. 1940 (LkAW FinAbt 155). 246 Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 11. 6. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 1 – 8). Im August 1941 dann, und dies ist ein Beispiel für Röpkes gelegentlich zu beobachtende Inkonsequenz im Widerstreben gegen die Finanzabteilung, akzeptierte Röpke den Geschäftsverteilungsplan explizit als Grundlage für die gegenseitig vorzunehmende Fühlungnahme.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Anweisungen des Ministeriums strikt halte. Auch an seiner regimekonformen und -treuen Einstellung wollte Röpke keinen Zweifel aufkommen lassen. Dieckmann notierte 1941: „An sich ist Herr Röpke Mitglied der Partei. Er läßt auch an seiner bejahenden Einstellung zur nationalsozialistischen Bewegung, der er schon vor der Machtübernahme sympathisierend gegenüber gestanden haben will, nicht rütteln.“247 Röpke, den nationalsozialistischen Usancen durchaus aufgeschlossen, bejahe, „daß das Landeskirchenamt, insbesondere die Räume der Finanzabteilung, äußerlich nicht den Eindruck einer kirchlichen Amtsstelle, wie man sie gewohnt ist, (mit entsprechenden Bildern, Bibelsprüchen usw.) macht, sondern den eines betont nationalsozialistischen Betriebes.“248 Im Reichskirchenministerium sah man die Entwicklung in der braunschweigischen Landeskirche mit zunehmender Unzufriedenheit. Kerrl wollte gerade in der Kriegszeit Ruhe in der Kirche. In Wolfenbüttel verschärften sich stattdessen die Gegensätze innerhalb der Führung der Landeskirche permanent. Stahn, der in diesen turbulenten Jahren für die braunschweigische Landeskirche zuständig war, reagierte Anfang 1940, der Erlass vom 15. Dezember 1939 war gerade ergangen, zunächst abweisend auf jede Meldung aus Wolfenbüttel. Der Ministerialdirigent nahm die Ausführungen beider Seiten zur Kenntnis, verwies jedoch auf die bereits ergangenen Beschlüsse und meinte, die Probleme sollten untereinander gelöst werden.249 Eine Einschaltung des Ministers persönlich sollte möglichst vermieden werden. Röpke und Hoffmeister aber waren ohne Beistand aus Berlin nicht bereit, miteinander das mündliche Gespräch zu suchen. Lediglich die Vermittlungen des Kirchenregierungsmitglieds Bertram, der das Vertrauen Hoffmeisters wie der Kirchenseite genoss, führten gelegentlich zu einem direkten Austausch der Kontrahenten.250 Unter diesen Umständen konnte Stahn seine abwartende Haltung nicht lange beibehalten; es war, um eine Eskalation zu vermeiden, nötig, in Berlin zu entscheiden und gelegentlich persönliche Schlichtungsgespräche zu führen. Dabei wurde deutlich, dass das Reichskirchenministerium in Einzelentscheidungen zumeist auf Seiten der Kirchenleitung stand und die Probleme dem radikalen FA-Kurs anlastete. Eine besonders deutliche Ermahnung, sich mit der Finanzabteilung zurückzunehmen, erhielt Hoffmeister bei einer Besprechung mit Stahn und Dieckmann am Braunschweiger Bahnhof am 18. Juli 1940. Dieses Gespräch fiel zeitlich genau in jene Phase, als das Ministerium die Kompetenzen der Finanzabteilung in Hannover deutlich einschränkte. So wies Stahn nun auch 247 248 249 250

Ebd., hier Bl. 2. Ebd. Vgl. beispielhaft Stahn an Röpke vom 10. 4. 1940 (LkAW FinAbt 121). Vgl. Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 19. 4. 1940 (LkAW FinAbt 155).

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Hoffmeister darauf hin, die Finanzabteilung solle „sich grundsätzlich auf die Bearbeitung der finanziellen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten beschränken und von weiteren Versuchen einer Ausdehnung ihrer Zuständigkeit auf Grund tatsächlicher Machtbefugnisse ablassen.“251 Auch bat er Hoffmeister „eindringlich […], bei der Geschäftsführung in Finanzangelegenheiten gegenüber den Mitgliedern der Braunschweigischen Kirchenregierung, insbesondere dem Landesbischof gegenüber, etwas großzügiger zu sein und nicht durch besondere Schärfe die persönliche Situation zwischen den Beteiligten immer schwieriger zu gestalten.“252

Gegenüber Röpke indes verteidigte Stahn die Finanzabteilung und beschied, es könne „an der bestehenden sachlichen Situation nicht gerührt werden“, die Verwaltung sei bei Hoffmeister „in guten Händen“ und Röpke „möge sich mit aller Kraft der geistlichen Belange annehmen.“253 So beschränkte sich das Ministerium auf die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes, sah, anders als in Hannover, von einem neuen grundsätzlichen Erlass ab254 und verwies stattdessen wiederkehrend auf die Geltung des Erlasses vom 15. Dezember 1939.255 Die Finanzabteilung unter Hoffmeister war so nicht zu zügeln. Die restriktiven Einzelentscheidungen aus Berlin mussten dem FA-Vorsitzenden zum Teil immer wieder vorgehalten werden, bis er sich, wenn überhaupt, dazu entschloss, diese umzusetzen. Statt sich den Anweisungen des Ministeriums zu beugen, ging Hoffmeister zuweilen auf Konfrontationskurs. Er beharrte renitent auf seiner Auffassung und forderte das Reichskirchenministerium mitunter wiederholt auf, seine Haltung noch einmal zu überdenken. Er verstand die Vorgaben aus Berlin eher als Anregungen denn als verbindliche Anordnungen. Dieses Verhalten verstärkte im Ministerium die Unzufriedenheit mit dem FA-Funktionär zusätzlich. Im Spätsommer 1940 sorgte Hoffmeister auch noch bei einer Urlaubsvertretung in der hannoverschen Finanzabteilung für Wirbel, und das, nachdem das Reichskirchenministerium dort die Lage gerade beruhigt hatte.256 Entsprechend verärgert war Stahn über diesen Hoffmeister’schen Vorstoß;257 das Maß war voll. In einem Vermerk Stahns über eine Besprechung mit Hoffmeister am 24. September 1940 in Berlin hieß es: 251 Vermerk Stahns vom 20. 7. 1940 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 270). 252 Ebd. Vgl. auch Stahn an Hoffmeister vom 4. 9. 1940 (ebd., Bl. 275). 253 Stahn an Hoffmeister (Bericht über eine Besprechung Stahns mit Röpke am 4. 9. 1940) vom 4. 9. 1940 (ebd., Bl. 275). 254 Vgl. Stahn an Hoffmeister vom 6. 9. 1940 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 4). 255 So etwa in Stahns Schreiben vom 6. 11. 1940 (LkAW FinAbt 155). 256 Siehe oben 245 f. 257 Vgl. Stahn an Hoffmeister vom 6. 9. 1940 (BArch R 5101 / 23219, Bl. 4).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

„Ich habe mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, daß wir hier den Eindruck hätten, Hoffmeister suche die Anordnungen des Kirchenministeriums schon seit längerer Zeit in irgend welcher Form zu umgehen oder führe sie nur zögernd durch, da ihm der Kurs des Ministeriums nicht radikal genug sei. Eine solche Haltung gegenüber dem Ministerium könne nicht gebilligt werden […] Die Tendenz des Herrn Hoffmeister sei eine zu ausgesprochen staatskirchliche und sein Handeln, wenn auch in bester Meinung, zu sehr auf Alleinherrschaft abgestellt.“258

Stahn wollte es jedoch vermeiden, Hoffmeister öffentlich zurechtzuweisen, um nicht den Eindruck eines Nachgebens gegenüber den „klerikalen Kirchenmänner[n]“ in Braunschweig zu erwecken, „die immer wieder Beispiele von völliger Verständnislosigkeit nationalsozialistischen Belangen gegenüber lieferten“. Es blieb bei der Ermahnung, Hoffmeister solle „die nationalsozialistisch auszuübende Aufsicht in den Kirchensachen nicht kleinlich gestalten, er müsse die Beamten der Kirchenverwaltung angemessen behandeln und jeden Streit vermeiden.“ Doch Hoffmeister blieb bei seinem Kurs. Im März 1941 gipfelten die Auseinandersetzungen schließlich in der unverhohlenen Drohung Kerrls, Hoffmeister abzusetzen.259 Die zahlreichen Eingaben Röpkes hatten ihre Wirkung getan. Kerrl warf Hoffmeister vor, „daß Sie als Vorsitzender der Finanzabteilung über das Ihnen zugewiesene Aufgabengebiet hinaus bestrebt sind, die gesamte kirchliche Verwaltung einschließlich zahlreicher innerkirchlicher Angelegenheiten an sich zu ziehen.“ Eine „derartige Ausdehnung der Zuständigkeiten der Finanzabteilungen“ entspreche indes „nicht meinen Wünschen“.

Wenn Hoffmeister sich zukünftig nicht mit den ihm zugewiesenen Befugnissen begnüge und die Erlasse des Reichskirchenministeriums nicht „auf das Sorgfältigste“ beachte, sehe er sich gezwungen, „den Ihnen nebenamtlich übertragenen Auftrag der Leitung der Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Wolfenbüttel zurückzuziehen.“ Hoffmeister antwortete am 12. April 1941.260 Er wiederholte alle Argumente, die er zur Verteidigung seines Kurses vorzubringen pflegte: Er befolge die Anweisungen aus dem Ministerium stets „peinlichst“ und das im Gegensatz zu den kirchlichen Stellen; er strebe eine „positive Arbeit“ an, während die Kirchenleitung eine Zusammenarbeit verweigere. „Ich habe bereits seit längerer Zeit Ihre Herren Sachbearbeiter darauf aufmerksam gemacht“, so Hoffmeister, „daß nach meinen Erfahrungen die Beschwerden über die Finanzabteilung nicht deswegen eingereicht würden, weil im Vordergrund sachlich 258 Vermerk vom 25. 9. 1940 (ebd., Bl. 14 f.), daraus auch die folgenden Zitate. 259 Kerrl an Hoffmeister vom 31. 3. 1941 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 355), daraus auch die folgenden Zitate. 260 Ebd., Bl. 356 – 359, daraus auch die folgenden Zitate.

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Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 343 berechtigte Gründe ständen, sondern weil im Laufe der Zeit durch die zahlreichen systematisch eingelegten Beschwerden am besten Stimmung bei den zuständigen Stellen gegen die Finanzabteilung gemacht werden könnte.“261

So habe eigentlich er allen Anlass, sich zu beschweren. Zu Recht konnte Hoffmeister auch darauf verweisen, dass die Beschwerden des Landeskirchenamts gar nicht grundsätzliche Zuständigkeitsfragen berührten, sondern immer sachliche Einzelfragen beträfen. Tatsächlich waren die Zuständigkeiten seit dem Geschäftsverteilungsplan vom 20. Mai 1939 nicht mehr verändert worden – und diese Grundlage ermöglichte Hoffmeister ganz regulär den Eingriff in die innerkirchlichen Angelegenheiten, die Kerrl bemängelte. Hoffmeisters Entgegnung scheint seine Wirkung auf Kerrl gehabt zu haben: Nachdem Stahn dem Minister das Schreiben vorgetragen hatte, beschloss Kerrl Ende April 1941, es sollte „zunächst die weitere Entwicklung abgewartet und die vorliegenden einzelnen Beschwerdefälle wie bisher von uns entschieden werden.“262 Eine etwaige Abberufung Hoffmeisters war damit vom Tisch. Ein allzu großes Interesse, die Sache weiterzuverfolgen, dürfte Kerrl indes ohnehin nicht gehabt haben. Die Abberufung hätte einen Präzedenzfall geschaffen und möglicherweise andere Kirchenleitungen ermuntert, gleiches für ihre Landeskirchen zu fordern. Außerdem wäre gerade die Ablösung eines Mannes wie Hoffmeister in Parteikreisen kaum vermittelbar gewesen. Hoffmeister war einer der wenigen höheren NS-Kader, die sich im Bereich der Finanzabteilungen und damit im Bereich der Kirche engagierten. Hätte Kerrl ihn aufgrund kirchlicher Proteste abberufen, so hätte dies seiner ohnehin schon geringen Akzeptanz und auch dem Ansehen der Finanzabteilungen in Staat und Partei schaden können. Die Unruhe in der Landeskirche, die er mit diesem Schritt möglicherweise hätte beheben können (je nachdem, wer Hoffmeister nachgefolgt wäre), hätte Kerrl zumindest gegen eine Verstimmung in der braunschweigischen Staatsführung getauscht und überdies eine Destabilisierung des ganzen FA-Systems riskiert. Die Beschwerden Röpkes gingen also weiter. Auch die Kirchenkanzlei setzte dem Ministerium wegen ihrer Besorgnis über die Entwicklung in der braunschweigischen Landeskirche zu. Die Reibungen dort hätten „einen derartigen Umfang angenommen, daß u. E. Ihr Eingreifen in einer Reihe von Fragen erforderlich wird, die nicht offen bleiben können, ohne daß eine ernstliche Gefahr für den ordnungsmäßigen Gang der Verwaltung in der Braunschweigischen Landeskirche entsteht.“263 Es war an der Zeit für neuerliche Besprechungen vor Ort.264 Diese fanden vom 5. bis zum 7. Juni 1941 in Wolfenbüttel unter der Führung von Amtsge261 262 263 264

Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 12. 4. 1941 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 356 – 359). Vermerk Stahns vom 26. 4. 1941 (ebd., Bl. 360). Schreiben vom 5. 6. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 12 – 15, hier Bl. 12). Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 29. 5. 1941 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 205); Vermerk aus dem Reichskirchenministerium vom 30. 5. 1941 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 361).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

richtsrat Dieckmann statt.265 Kerrls Entscheidung aus dem April hatte den Weg vorgegeben: Dieckmanns Hauptaufgabe sollte darin bestehen, in Einzelfragen tätig zu werden. Daneben wurden jedoch auch grundsätzliche Fragen besprochen. So beklagte sich Röpke darüber, „daß das Landeskirchenamt in seiner eigenen Behörde als ,Fremdkörper‘ oder als ,Statist‘ betrachtet werde, die Finanzabteilung dränge das Landeskirchenamt völlig an die Wand, das Landeskirchenamt sei nichts als ein ,fünftes Rad am Wagen‘“266 Innerhalb der Behörde werde ihm von den FA-Mitarbeitern mit großer Respektlosigkeit begegnet. Dieckmann sah Röpkes Eindruck bestätigt und analysierte die Zustände in Braunschweig wie folgt: „Die Finanzabteilung und das Landeskirchenamt haben sich völlig auseinandergelebt. Von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit kann keine Rede sein […] Die Gefolgschaft hat das Gefühl dafür, daß sie eine Gefolgschaft des Landeskirchenamts ist, verloren. Sie sieht zwei nebeneinanderstehende Behörden vor Augen und fühlt sich als Gefolgschaft der Finanzabteilung, für die daher auch nicht Oberlandeskirchenrat Röpke, sondern Oberregierungsrat Hoffmeister maßgebend ist.“

Dieckmann bemerkte, dass die „Denkweise“ von Röpke und Hoffmeister „eine ganz verschiedene ist“ und sah hierin den eigentlichen „Grund für das schlechte Verhältnis zwischen beiden Stellen.“ Röpke strebte ungeachtet seiner politischen Konzessionsbereitschaft eine möglichst unabhängige, eigenverantwortliche kirchliche Verwaltung nach originär kirchlichen Maßstäben an. Für Hoffmeister war diese kirchliche Haltung nicht „mit den Anschauungen des Nationalsozialismus“ vereinbar. Eine Bereinigung des Verhältnisses von Landeskirchenamt und Finanzabteilung in Wolfenbüttel hielt Dieckmann vor diesem Hintergrund nicht für möglich, denn eine „Angleichung der beiderseitigen Auffassungen“ sei „ausgeschlossen.“ Als Lösung der prekären Situation hatte Röpke vorgeschlagen, es solle die hannoversche Lösung auf die braunschweigische Landeskirche übertragen werden: Das Landeskirchenamt sollte die Vermögensverwaltung wieder übernehmen, die Finanzabteilung sich auf die Überwachung und ihre besonderen Aufgaben beschränken. Diese Option aber verwarf Dieckmann sofort: „Ich habe Herrn Röpke gleich darauf hingewiesen, daß gerade bei der besonderen Lage in Braunschweig gegen die Übertragung der hannoverschen Regelung doch erhebliche Bedenken bestehen. Man kann darüber streiten, ob die Aufteilung der Geschäfte in Wolfenbüttel der Rechtslage völlig entspricht. Jedenfalls ist sie nun 265 Vgl. hierzu den Vermerk Dieckmanns vom 11. 6. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 1 – 8), daraus auch die folgenden Zitate. 266 Als Beleg hierfür diente ein von der Finanzabteilung aufgestelltes Telefonverzeichnis des Hauses (ebd., Bl. 11), auf dem zunächst die vier Abteilungen der Finanzabteilung zu finden waren, gefolgt von der Registratur, der Zentrale, dem Boten und erst zum Schluss der Pfarrabteilung.

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Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 345 einmal geschehen und hat sich eingespielt. Ich habe den Eindruck, daß es kaum möglich wäre, im Augenblick von heute auf morgen eine praktische Änderung herbeizuführen. Bei der Anschauungsweise der Gefolgschaft würde ein großer Teil mit dem Landeskirchenamt überhaupt nicht weiter arbeiten können. So würde man schon rein praktisch mit einem ganz erheblichen Personalwechsel rechnen müssen […] Er [scil. Röpke] stellt sich nach meiner Überzeugung diese Sache praktisch aber einfacher vor, als sie in Wahrheit ist […] Ich halte deshalb ein solches Experiment, insbesondere während des Krieges nicht für tunlich. Es könnte sich doch leicht zu einer Katastrophe für die Verwaltung der Landeskirche auswirken […] Die gleichen Gründe sprechen aber auch gegen eine völlige Aufhebung der Finanzabteilung. Einen Personalwechsel in der Leitung vorzunehmen, erscheint ebenfalls bedenklich.“

Dieckmann kam zu dem Ergebnis, dass man der Lage nur Herr werden könne, wenn man „von hier aus bindende Regeln“ aufstelle, „die auch den gerechtfertigten Belangen des Landeskirchenamts gerecht werden.“ Entscheidend sei dann, dass man gegenüber der Finanzabteilung darauf achte, dass diese Regelungen auch eingehalten würden. Röpke, so Dieckmanns Einschätzung, könne man auf diese Weise zufriedenstellen. „Es fragt sich dann bloss, wie wir mit der Finanzabteilung fertig werden.“ Der Reichskirchenminister war überzeugt, stärker Autorität zeigen zu müssen als bisher. Daher erließ Kerrl am 30. Juni 1941 eine weitere Grundsatzanordnung für die braunschweigische Landeskirche.267 Er regelte darin jene Punkte, die Dieckmann bei seinen Gesprächen in Wolfenbüttel nur ansprechen, aber noch nicht hatte erledigen können, ohne zuvor dem Minister vorgetragen zu haben. Grundsätzlich, so bestimmte Kerrl neuerlich, gelte in Braunschweig sein Erlass vom 15. Dezember 1939 und damit der Geschäftsverteilungsplan vom 20. Mai 1939. Die normative Kraft des Faktischen gab den Ausschlag, von grundlegenden Änderungen hatte Dieckmann nach den Gesprächen in Wolfenbüttel abgeraten. Daneben hob Kerrl allerdings auch den Erlass vom 21. Juli 1939 als „maßgebend“ hervor. Praktische Folgen ergaben sich daraus kaum, das Signal aber war, dass die braunschweigische Finanzabteilung auf ihre ursprünglichen Kompetenzen zurückgeführt werden sollte. De facto sollte die Finanzabteilung weiterhin über Einzelentscheidungen zugunsten der Kirchenbehörde einer gewissen Begrenzung unterworfen werden. Ansonsten enthielt die Anordnung die Klärung einiger verbliebener Einzelfragen. Insbesondere drängte Kerrl darauf, dass in Wolfenbüttel untereinander ausreichend Fühlung genommen werde. Viele Streitfragen, so seine Hoffnung, ließen sich dann direkt ausräumen, ohne das Reichskirchenministerium einzuschalten. Er setzte eine Frist von drei Wochen, binnen der eine „Vereinbarung über die Behandlung der Eingänge und den gesamten Geschäftsgang“268 erzielt werden müsse.269 Tatsächlich wurde eine solche Ver267 LkAW FinAbt 90. 268 Ebd.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

einbarung ausgehandelt;270 die entscheidende Frage aber war, ob beide Parteien nunmehr bereit waren, diese auch umzusetzen und sich abzustimmen. Hoffmeister war mit der Entwicklung unzufrieden. Noch im Juni 1941 bat er um ein Gespräch mit Ministerialdirigent Stahn.271 Das Gespräch fand aus Termingründen schließlich erst im Oktober 1941 statt.272 Wieder wurde eine große Zahl von Fragen besprochen und zumeist auch von Stahn direkt entschieden. Vor allem aber war dieser Besuch in Braunschweig für Stahn wichtig, weil er ihm Gelegenheit bot, allein mit Ministerpräsident Klagges zu sprechen. Er bat ihn, „doch dahin zu wirken, daß Oberregierungsrat Hoffmeister entsprechend dem Wunsche meines Herrn Ministers mehr Zurückhaltung übe und nicht durch Ausweitung seiner Machtbefugnisse die ganze Kirchenverwaltung sozusagen verstaatliche.“ Klagges aber teilte Hoffmeisters Ansatz, dass man über die Kirchenfinanzen „politisch unerwünschten Bestrebungen der geistlichen und kirchlichen Kreise am besten entgegenwirken könne.“ Daher verwies Stahn auf die Einstellung Hitlers, denn dieser „wünsche weder eine Reichs- noch Staatskirche und habe auch sonst mit der Evangelischen Kirche sozusagen nichts mehr vor.“ Unter diesen Umständen hatte Klagges „nunmehr volles Verständnis dafür, daß ein zu weitgehendes Hineinregieren der Finanzabteilung in kirchliche Angelegenheiten nicht erwünscht sei. Oberregierungsrat Hoffmeister wird entsprechend angewiesen werden, sich zurückzuhalten.“ Am 18. Oktober 1941 teilte das Reichskirchenministerium schließlich auch der Kirchenkanzlei mit, es müsse angesichts der zusätzlichen Arbeitsbelastung vermieden werden, dass sie sich in den gleichen Angelegenheiten wie Röpke beim Ministerium einschalte.273 Der Minister wollte endlich Ruhe bezüglich der braunschweigischen Landeskirche. Mit dem Wechsel in der Spitze des Reichskirchenministeriums zum Jahreswechsel 1941/42 änderten sich die Verhältnisse. Besonders bemerkbar war dies in den Einzelentscheidungen: Neue Streitfälle wurden zumeist von vornherein zugunsten der Finanzabteilung entschieden, alte Entscheidungen wurden revidiert. Hoffmeister hielt sich ab 1942 einfach nicht mehr an die getroffenen, ihn störenden Abmachungen. Röpke beschwerte sich daraufhin,

269 Dieckmann hatte in seinem Vermerk zu den Gesprächen in Wolfenbüttel festgehalten, allein die Anordnung der Fühlungnahme würde in Braunschweig nicht weiterführen; wenn man Ergebnisse sehen wolle, so Dieckmann, „müssen wir die Fühlungnahme m. E. ganz konkret regeln.“ BArch R 5101 / 23792, Bl. 1 – 8, hier Bl. 4. 270 Röpke und Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 18. 8. 1941 (ebd., Bl. 137). 271 Vgl. Dieckmann an Hoffmeister vom 26. 6. 1941; sowie Hoffmeister an Dieckmann vom 30. 6. 1941 (ebd., Bl. 98 und 136). 272 Vgl. Vermerk Stahns vom 11. 10. 1941 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 11), daraus auch die folgenden Zitate. Vgl. auch Vermerk vermutlich Hoffmeisters vom 14. 10. 1941 (LkAW FinAbt 74). 273 BArch R 5101 / 23791, Bl. 13.

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wie gewohnt, beim Reichskirchenministerium, das dann aber der Finanzabteilung Recht gab. Dies hätte zu einer Verschärfung des FA-Kurses führen können, stattdessen jedoch entspannte sich im Lauf des Jahres 1942 allmählich das Verhältnis von Landeskirchenamt und Finanzabteilung. Die Schikanen seitens der Finanzabteilung nahmen ab und dafür reduzierten sich auch die Beschwerden der Kirchenleitung.274 Der Hauptgrund dafür dürfte gewesen sein, dass Hoffmeister durch seine beruflichen Verpflichtungen in Hannover zunehmend eingespannt war und daher weniger Zeit hatte, sich mit den Angelegenheiten der Finanzabteilung zu befassen. Insgesamt bietet die Zeitperiode 1940 bis 1942 das Bild einer entfesselten Finanzabteilung, die weder bereit war, die Anordnungen des Reichskirchenministeriums zu befolgen noch auf die Kirche Rücksicht zu nehmen. Zwar fehlte es nicht an Beschwerden und Protesten Röpkes,275 einzig, ein durchschlagender Erfolg war diesen nicht beschieden. Das lag vor allem am Reichskirchenministerium, das nicht in der Lage und willens war, der Finanzabteilung ihre Grenzen aufzuzeigen und sich stattdessen auf eine Kontrolle mittels unzähliger Einzelentscheidungen beschränkte. Die zögerliche Haltung mag dadurch begünstigt worden sein, dass die braunschweigische Landeskirche im Gesamtkirchenraume nicht ein solches Gewicht besaß, als dass ihre Befriedung zulasten Hoffmeisters unbedingt notwendig gewesen wäre. Eine Regelung, der hannoverschen vom 12. August 1940 vergleichbar, war vor diesem Hintergrund nicht nötig. Hoffmeister konnte in der braunschweigischen Landeskirche trotz der Anfeindungen aus der Kirchenleitung und der häufigen Ermahnungen aus dem Reichskirchenministerium letztlich seinen Kurs durchsetzen und ein stabiles Regiment führen. 2.6.5. Die innere Entwicklung der Finanzabteilung Die Finanzabteilung hatte im Krieg mit zahlreichen Einberufungen ihrer Arbeitskräfte umzugehen: Vor Kriegsausbruch verfügte sie 1939 über 46 Mitarbeiter und Hilfskräfte (darunter elf Kirchenbeamte und 21 Angestellte).276 Während des Krieges konnte sie dann zum Teil nur noch auf ein Viertel der Belegschaft zurückgreifen.277 274 Vgl. auch Vermerk Hauggs vom 14. 1. 1943 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 348). 275 Allein die zahlreichen Eingaben, die bei der Kirchenkanzlei in dem Zeitraum von Juli 1941 bis Juni 1942 eingingen (EZA 1/2616), verdeutlichen, in welchem Maße Röpke aktiv wurde und in welchem Maße er auch die Kirchenkanzlei einschaltete. 276 Vgl. die Aufstellungen vom 31. 5. 1939 und 1. 9. 1939 (LkAW S 2197). Vgl. auch Westermann an Reichskirchenminister vom 21. 12. 1943 (LkAW FinAbt 11); Johnsen an Reichskirchenminister vom 27. 10. 1939 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 186 – 189). 277 Vgl. zu den Mitarbeiterverhältnissen die Aufstellungen vom 31. 5. 1940, 26. 1. 1943, 12. 8. 1944

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Gegenüber dem Landeskirchenamt war der FA-Personalstand indes noch erheblich. Dort waren neben dem hauptamtlichen Mitglied Oberlandeskirchenrat Röpke und dem nebenamtlich tätigen Oberlandeskirchenrat Seebaß lediglich zwei Schreibkräfte (eine Stenotypistin und eine Büroangestellte) sowie eine Hilfskraft (die im Frühjahr 1941 eingezogen wurde) eingesetzt – seit 1941 verfügte das Landeskirchenamt damit nur über insgesamt vier Mitglieder und Mitarbeiter.278 1942 gelang es Hoffmeister einen Pastor, den Deutschen Christen Erich Schwaab, zur Dienstleistung in der Finanzabteilung heranzuziehen.279 Das Landeskirchenamt hatte zwar protestiert280 und der Reichskirchenminister war der Auffassung, dass aus grundsätzlichen Gründen keine Geistlichen in der Finanzabteilung beschäftigt werden sollten,281 dennoch durfte Hoffmeister Schwaab während der Kriegszeit mit der Wahrnehmung einzelner FADienstgeschäfte betrauen.282 Es handelte sich vor allem um die Erstellung von Referaten, Stellungnahmen und Gutachten theologischer und kirchenpolitischer Natur, besonders bezüglich der Deutschen Christen.283 Außerdem veranlasste Hoffmeister die Übernahme einiger neu angestellter FA-Mitarbeiter in den LKA-Beamtenkorpus – insbesondere Kirchenverwaltungsrat Friedrich Heuer ist hier zu nennen.284 An den Loyalitäten der „FAGefolgschaftsmitglieder“ änderte das neue Dienstverhältnis freilich nichts; etwaige Anweisungen von Röpke, dem LKA-Vorsitzenden, betrachteten sie weiterhin nicht als bindend.285 Mit dem Ausscheiden Jürgens’ aus der Finanzabteilung im Frühjahr 1939 war deren Führungsbelegschaft auf Hoffmeister und Cölle zusammengeschrumpft. Beide waren keine hauptamtlichen LKA-Mitarbeiter und entsprechend nicht durchgängig in der Behörde verfügbar. Daher sollte die Finanzabteilung im August 1940 um ein neues Mitglied ergänzt werden. Die

278 279 280 281 282 283 284 285

(alle in LkAW S 2197); Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 21. 11. 1941 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 108); Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 31. 1. 1941 (ebd., Bl. 119); Westermann an Reichskirchenminister vom 21. 12. 1943 (LkAW FinAbt 11). Vgl. Röpke an Reichskirchenminister vom 23. 9. 1940 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 61 f.); auch das Telefonverzeichnis aus dem Jahre 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 11); und Westermann an Reichskirchenminister vom 21. 12. 1943 (LkAW FinAbt 11). Vgl. Hoffmeister an LKA vom 18. 4. 1942 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 201). Vgl. Röpke an Hoffmeister vom 25. 4. 1942 (ebd., Bl. 200). Vgl. Vermerk Hauggs vom 5. 5. 1942 (ebd., Bl. 202). Vgl. Hoffmeister an LKA vom 1. 6. 1942 (LKAW LKA PA 1589). Vgl. Aussage Schwaabs am 29. 6. 1945 (LkAW LKA PA 1587). Nach dem Krieg wurde Schwaab auch aufgrund seiner FA-Tätigkeit aus dem Pfarrdienst entlassen, später jedoch rehabilitiert. Vgl. dazu ebd. Vgl. zu diesem Vorgang: LkAW S 2183; BArch R 5101 / 23789, Bl. 224 – 226, 231 – 233, 236; LkABl., 1940, 9. Vgl. etwa Röpke an Reichskirchenminister vom 14. 3. 1941 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 336).

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Wahl fiel auf Landeskirchenrat Herbert Westermann,286 der bereits seit März 1939 für die Finanzabteilung tätig war. Das Problem war damit allerdings nur zwischenzeitlich gelöst, denn das NSDAP-Mitglied Westermann287 strebte Anfang 1942 die Übernahme in den Staatsdienst an. Schon 1939 hatte Westermann, der bis dahin als Rechtsanwalt in Hannover praktiziert hatte, eigentlich in den staatlichen Justizdienst eintreten wollen, was ihm seinerzeit nicht gelungen war. Auf „Anraten eines Anwaltskollegen in Hannover“288 hatte er sich stattdessen bei der Finanzabteilung beworben. Zum 16. April 1942 gelang es ihm nun doch, vom Reichsminister des Innern in die staatliche Verwaltung übernommen zu werden. Zunächst probeweise für ein Jahr. Von seinem landeskirchlichen Dienst war Westermann während der Probezeit beurlaubt. Er wurde zunächst im Braunschweiger Innenministerium, ab Juni 1942 beim Oberpräsidenten von Hannover eingesetzt. Dort wurde er zum 1. März 1943 als Regierungsrat endgültig in den preußischen Staatsdienst übernommen und fortan in der Preisbildungs- und Preisüberwachungsstelle in Hannover verwendet.289 Während der ganzen Zeit blieb Westermann in der Finanzabteilung in Wolfenbüttel tätig, nunmehr allerdings auch nur noch nebenamtlich. Als sich anbahnte, dass Westermann den Kirchendienst verlassen würde, ergänzte der Reichskirchenminister die Finanzabteilung mit Kirchenverwaltungsrat Friedrich Heuer um ein weiteres Mitglied. Die Berufung erfolgte am 17. März 1942 völlig problemlos nach einem Antrag Hoffmeisters.290 Heuer arbeitete seit dem 1. Juli 1939 in der Finanzabteilung. Cölle hatte sich bei dessen Einstellung persönlich für ihn verwendet, da er ihn persönlich kannte und einen sehr guten Eindruck von ihm gewonnen hatte.291 Heuer hatte vor seinem Eintritt in die Wolfenbütteler Finanzabteilung in Aurich gewohnt und dort als Bankdirektor gearbeitet; er war außerdem NSDAP-Mitglied.292 Es ist gut denkbar, dass Heuer und Cölle im ostfriesischen DC-Umfeld in Kontakt miteinander gekommen waren, denn beide waren überzeugte Anhänger der

286 Die Berufung erfolgte am 12. 8. 1940 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 13 f.). 287 Westermann war zum 1. Mai 1933 in die Partei aufgenommen worden. Außerdem gehörte Westermann unter anderem dem NS-Rechtswahrerbund an. Vgl. BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP. 288 Aussage Westermanns vom 25. 11. 1947 (LkAW LKA 2559, Bl. 16). 289 Vgl. zu Westermanns Übergang in den Staatsdienst: BArch R 5101 / 23792, Bl. 437 – 453; BArch R 1501 / 211927; HStAH Hann. 173 Acc. 56/97 Nr. 302. Es war übrigens Hoffmeister, der im Oberpräsidium bei Westermanns endgültiger Übernahme in den Staatsdienst als Berichterstatter fungierte und dessen Übernahme befürwortend begleitete. 290 Die Ernennung findet sich in BArch R 5101 / 23791, Bl. 130 f. Hoffmeister stellte den Antrag am 28. 2. 1942 (ebd., Bl. 129). 291 Vgl. Cölle an Hoffmeister vom 17. 2. 1939 (LkAW LKA BA 182). 292 Heuer war am 1. Mai 1933 „Parteigenosse“ geworden, vgl. BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP. 1935 bis 1939 war Heuer auch SS-Angehöriger, vgl. Heuers Entnazifizierungsbeschluss vom 6. 2. 1946 (LkAW LKA 805).

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Deutschen Christen.293 Heuer war insgesamt der Cölle’schen FA-Linie zuzurechnen und wusste sich, hierbei im Konsens auch mit Hoffmeister, besonders an den staatlichen Auftrag der Finanzabteilung gebunden.294 Er war der Ansicht, die Kirche müsse sich den Umständen der nationalsozialistischen „Umwälzung“ anpassen und ihre Haltung grundlegend ändern.295 Heuer hatte nach seiner Anstellung schnell das Vertrauen des FA-Vorsitzenden erworben, so dass er mit Kriegsausbruch als Dienstvertreter die laufenden Dienstgeschäfte des Referates F I übertragen bekam.296 Anfang 1943 ergab sich ein Wechsel in der Führung der Finanzabteilung. Regierungsdirektor Hoffmeister, der bereits vor einer Weile nach Hannover umgezogen war und dort arbeitete, sah sich durch seine Verpflichtungen so sehr eingespannt, dass er um die Entbindung von seinem Amt als FA-Vorsitzender in Wolfenbüttel bat.297 Als Nachfolger schlug er Westermann vor. Dieser Vorschlag fand sowohl in Wolfenbüttel, bei Oberlandeskirchenrat Röpke, als auch in Berlin Zustimmung. Auch das Oberpräsidium Hannover, die Dienststelle Westermanns, erteilte ihm die nötige Genehmigung. So konnte bereits am 14. Januar 1943 die Berufung Herbert Westermanns zum FA-Vorsitzenden erfolgen.298 Als Stellvertreter blieb Cölle im Amt. Im Reichskirchenministerium versprach man sich von der Berufung Westermanns eine weitere Verbesserung des Verhältnisses zwischen Finanzabteilung und Landeskirchenamt, denn Westermann galt als weniger kompromisslos als sein Amtsvorgänger. Westermann hatte allerdings meist nur an Samstagen Gelegenheit, in die Finanzabteilung zu kommen,299 sein Stellvertreter Cölle war ebenfalls nicht ständig in Wolfenbüttel. Daher wurde Kir293 Heuer war von 1935 bis 1945 Mitglied der Deutschen Christen und bekleidete bei ihnen auch verschiedene Funktionen auf Gemeindeebene, vgl. ebd.; Delbanco, Kirchenkampf, 89. Vgl. auch Röpke und Seebaß an das Braunschweiger Staatsministerium vom 13. 8. 1945 (LkAW LKA 44), wo es hieß, Heuer sei „als fanatischer Deutscher Christ bekannt“ gewesen; außerdem Röpke an Militärregierung vom 8. 8. 1945 (ebd.). Auch wenn diese Einschätzungen mit Vorsicht zu betrachten sind, so war Heuer offenbar entschieden DC-orientiert. 294 Vgl. Heuers Ausführungen am 9. 10. 1942 in Goslar laut einem Vermerk vom 12. 10. 1942 (LkAW FinAbt 111). 295 Vgl. Heuer an Pastor Schwaab vom 23. 6. 1942 (LkAW LKA 2559, Bl. 142), daraus auch voriges Zitat. 296 Vgl. Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 25. 11. 1939 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 224); Vermerk Heuers vom 12. 10. 1942 (LkAW FinAbt 111). 297 Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 11. 11. 1942 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 347). 298 Vgl. den Vermerk Hauggs und die Ernennung Westermanns vom 14. 1. 1943 (ebd., Bl. 348 f.); außerdem LkABl., 1943, 3. Vgl. auch zur Ernennung Westermanns: Meier, Kirchenkampf III, 415. Vgl. zur Person Westermanns seine LKA-Personalakte (LkAW LKA BA 509); außerdem BArch R 1501 / 211927; HStAH Hann. 173 Acc. 56/97 Nr. 302; HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 14950; sowie auch seine Aussage vom 25. 11. 1947 (LkAW LKA 2559, Bl. 16). 299 Vgl. Beitr•ge, 39; Aussage Heuers am 24. 2. 1948 (LkAW LKA 2559, Bl. 138); Aussage Westermanns vom 27. 11. 1947 (ebd., Bl. 16).

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chenverwaltungsrat Heuer zu Westermanns ständigem Vertreter im Dienst bestimmt.300 Kurz nach Übernahme des FA-Vorsitzes traf Westermann die Entscheidung, Oberlandeskirchenrat Breust, den FA-Bevollmächtigten für den Stadtkirchenverband Braunschweig, direkt in der Finanzabteilung in Wolfenbüttel einzusetzen. Ihm wurde die Leitung der Grundstücksabteilung (F IV) übertragen, außerdem wurde er als hauptamtlicher Justitiar der Finanzabteilung betrachtet.301 Die Kirchenleitung protestierte gegen diese Personalmaßnahme nicht – sie hatte längst die Hoffnung aufgegeben, auf FA-Personalentscheidungen Einfluss ausüben zu können.302 Breust schied am 1. Juli 1944 krankheitsbedingt aus sämtlichen FA-Ämtern aus. Sein Einfluss auf die Finanzabteilung sollte nicht überschätzt werden. Selbst als Bevollmächtigter des Stadtkirchenverbands Braunschweig, dem eigentlichen Machtbereich Breusts,303 war der Kirchenfunktionär stets abhängig vom jeweiligen FA-Vorsitzenden. Als Breust direkt in der Finanzabteilung in Wolfenbüttel beschäftigt wurde avancierte er dort nicht zu einer der zentralen Figuren, wurde nicht einmal FA-Mitglied.304 Westermann, Cölle und Heuer waren deutlich einflussreichere Figuren in der braunschweigischen Finanzabteilung, FA-Abteilungsleiter wie Steffen oder Heinrich Streck keinesfalls weniger bedeutend. Zwar profitierten Hoffmeister und Breust 1938 voneinander, allerdings zu keinem Zeitpunkt als gleichberechtigte oder auch nur annähernd gleichmächtige Partner. Von einem „Staatskommissariat Hoffmeister/Breust“305 kann daher nicht gesprochen werden. Seit Spätsommer 1944 versuchten Westermann und Heuer die Führung der Finanzabteilung neu zu gliedern. Es stand zu erwarten, dass Westermann einberufen werden würde, deshalb sollte zukünftig Heuer die FA-Geschäfte als ständiger Vertreter Westermanns mit allen Vollmachten führen – nicht wie bisher lediglich als Dienstvertreter.306 Cölle reagierte auf die Bemühungen 300 Vgl. FA-Kriegsgeschäftsverteilungsplan vom 1. 4. 1943 (LkAW FinAbt 12). 301 Zum 1. Februar 1943 kam Breust in die Finanzabteilung, vgl. Westermann an Reichskirchenminister vom 6. 2. 1943 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 355); FA-Kriegsgeschäftsverteilungsplan vom 1. 4. 1943 (LkAW FinAbt 12); Protokoll der Kirchenregierungssitzung vom 30. 1. 1943 (LkAW KR 47); Kuessner, Bischof der Mitte, 58. 302 Obwohl sie 1941 erkämpft hatte, verankert im Erlass vom 30. Juni 1941, dass das Landeskirchenamt bei FA-Personalfragen zumindest mitzuentscheiden hatte. Dieser Anspruch wurde offenbar nicht wahrgenommen. 303 Vgl. zu seiner dortigen Tätigkeit: Kuessner, Stadtkirchen, 273 f., 457. 304 Hoffmeister hatte allerdings, als er um seine Abberufung bat, den Vorschlag aufgeworfen, Breust als Mitglied in die Finanzabteilung zu berufen, vgl. Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 11. 11. 1942 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 347). 305 Dieses Motiv wird von Kuessner, Palmer, explizit auf den Seiten 188, 252, 253 verwendet, ähnlich auf Seite 245, hier „Ära Hoffmeister/Breust“. Ebd., 246 und 249, wird Breusts Rolle in der Finanzabteilung betont. 306 Vgl. Heuers Rundschreiben vom 8. 9. 1944 (LkAW FinAbt 93); Westermann an Cölle vom 9. 12. 1944 (LkAW FinAbt 72).

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alarmiert. Er befürchtete offenbar ausgebootet zu werden und beharrte deshalb darauf, die Leitungsaufgaben müssten weiterhin ihm und Westermann persönlich vorbehalten bleiben.307 Für Heuer käme nur die Dienstvertretung vor Ort ohne allgemeine Zeichnungsbefugnis in Frage.308 Cölle konnte sich letztlich durchsetzen; als Westermann am 22. März 1945 zum „Volkssturm“ eingezogen wurde, übernahm Cölle die Leitung der Finanzabteilung, Heuer fungierte als sein Dienstvertreter.309 Praktische Folgen hatte dies nicht mehr. Es ist letztlich nicht zu klären, ob Westermann und Heuer in der Vertretungsfrage tatsächlich versucht haben, Cölle auszuschalten – wie es den Anschein erweckte und wie es Cölle offenbar auch verstanden hat –, oder ob die beiden nur ohne Hintergedanken nach einer möglichst praktikablen Lösung für die Verwaltung der braunschweigischen Landeskirche gesucht haben. Auf jeden Fall verhinderte Cölle eine grundsätzliche Änderung in der Leitungsstruktur der Finanzabteilung und behauptete seine Stellung. Er baute diese sogar aus, denn durch Westermanns Abwesenheit wuchsen ihm allein die grundsätzlichen Entscheidungen zu.

2.6.6. Kein neuer Kurs: Die Finanzabteilung unter Herbert Westermann 1943 – 1945 Im Laufe des Jahres 1942 hatte sich eine Entspannung im Verhältnis von Kirchenleitung und Finanzabteilung bereits angedeutet. Dieser Trend fand seine Fortsetzung in den letzten Kriegsjahren. Die Finanzabteilung begnügte sich mit den erreichten Zuständigkeiten und zeigte sich öfter kulant in ihren Maßnahmen; die Kirchenleitung auf der anderen Seite gab in manchen, früher noch heftig umkämpften Angelegenheiten ihren Widerstand auf. Sie hatte offenbar zum Teil ihren Frieden mit den bestehenden Zuständen gemacht. Doch einige Angelegenheiten blieben strittig. Vor allem solche, die bereits seit längerer Zeit schwelten und nie ganz geklärt worden waren, wie die Frage der Bevollmächtigten oder die der Minderheitenversorgung.310 So waren die Meinungsverschiedenheiten nach wie vor tiefgreifend. Sie wurden jedoch nun mehr auf einer sachlichen Ebene ausgetragen, ohne dass ständig eine besondere Schärfe hinzukam. Nach wie vor bestanden auch unterschiedliche Auffassungen über den Charakter der Finanzabteilung. Röpke war der Meinung, die Finanzabteilung sei letztlich doch nur ein Bestandteil des Landeskirchenamts und er insofern als Behördenleiter auch den Unterabteilungen der Finanzabteilung überge307 Vgl. Cölle an Haugg vom 9. 2. 1945 (BArch R 5101 / 24004). 308 Vgl. Cölle an Heuer vom 20. 9. 1944 (LkAW S 2197); Cölle an Westermann vom 19. 12. 1944 (LkAW FinAbt 72). 309 Vgl. Cölle an Heuer vom 28. 3. 1945 (EZA 1/1629). 310 Siehe hierzu unten 359 – 376.

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ordnet. Westermann sah darin eine „völlige[.] Verkennung des tatsächlich bestehenden Zustandes“311. Er vermutete, Röpke wolle „von Neuem den Versuch unternehmen, Rechte an sich zu ziehen, die ihm vor Errichtung der Finanzabteilung vielleicht einmal zugestanden haben, für deren Ausübung unter den gegebenen Verhältnissen jedoch alle Voraussetzungen fehlen.“ Falls Röpke sich tatsächlich nach dem Vorsitzendenwechsel Hoffnungen auf eine Revision des Verhältnisses von Landeskirchenamt und Finanzabteilung machte, so zerstörte Westermann diese. Er war entschlossen, das Hoffmeister’sche FA-Modell weiterzuführen. Für ihn stellte sich die Lage folgendermaßen dar : „Nach dem Geschäftsverteilungsplan gehören zum Aufgabengebiet des Landeskirchenamtes (Pfarrabteilung) im wesentlichen nur Angelegenheiten rein innerkirchlicher Art, während alle übrigen Angelegenheiten, also nicht nur Angelegenheiten rein finanzieller Art (z. B. das Friedhofswesen) [sic] von der Finanzabteilung bearbeitet werden.“

Das „Schwergewicht der landeskirchlichen Verwaltung“ läge damit eindeutig bei der Finanzabteilung. Gleichzeitig ging Westermann offenbar noch Ende 1944 davon aus, „dass die Finanzabteilungen Kirchenbehörden, wenn auch staatlich errichtete Kirchenbehörden sind.“312 In den Jahren 1943 bis 1945 wurden noch drei Besprechungen unter Hinzuziehung des Reichskirchenministeriums durchgeführt – eine in jedem Jahr. Die erste Konsultation fand am 4. Juni 1943 in Wolfenbüttel statt,313 die zweite am 4. Mai 1944 in Celle.314 Für das Reichskirchenministerium führte jeweils Landgerichtsrat Haugg die Besprechungen. Röpke zeigte sich mit den Ergebnissen der Celler Besprechung sehr zufrieden: „Neben kleinen Differenzen im Amt, die schiedlich-friedlich beigelegt wurden“, so berichtete er Marahrens, seien auch grundsätzliche Fragen, etwa bezüglich der Bevollmächtigten, zu seiner Zufriedenheit behandelt worden.315 Dieses Resümee behielt Röpke auch einige Monate nach dem Treffen noch bei: „Seit Celle ist die Zusammenarbeit [scil. mit der Finanzabteilung] wesentlich angenehmer geworden. Das ändert im letzten aber nicht meine Gesamteinstellung zu der Art, wie hier in der Kirchenbehörde die Finanzabteilung ihre Funktion ausübt. Ich werde auch bei passender Gelegenheit erneut die Ansprüche der Kirchenleitung 311 Westermann an Reichskirchenminister vom 21. 12. 1943 (LkAW FinAbt 11), daraus auch die folgenden Zitate. 312 Westermann an Cölle vom 30. 12. 1944 (HStAH Hann. 122a Nr. 3620, Bl. 37). Vgl. auch Cölles Antwort vom 12. 1. 1945 (ebd., Bl. 38). 313 Vgl. zur Vorbereitung des Treffens: BArch R 5101 / 23792, Bl. 433 – 436; zu den Ergebnissen den Vermerk Westermanns vom 4. 6. 1943 (LkAW FinAbt 155). 314 Vgl. zur Vorbereitung des Treffens: LkAW FinAbt 155; zu den Ergebnissen das Protokoll Cölles vom 12. 5. 1944 (EZA 1/1611). 315 Röpke an Marahrens vom 3. 6. 1944 (LkAH L 2 Nr. 7 Bd. IV).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

anmelden. Wenn schon eine Finanzabteilung bleibt, ist sie so einzurichten, wie sie etwa in Hannover geführt wird.“316

Die letzte Besprechung unter Teilnahme des Reichskirchenministeriums datierte auf den 9. März 1945 und fand in Bad Harzburg statt. Die Themen blieben vergleichbar den der vorherigen Treffen, allmählich dürfte jedoch die Kriegsentwicklung die Konflikte in der Landeskirche überlagert haben.317 Auch wenn die meisten Konflikte während Westermanns Amtszeit noch aus Hoffmeister’schen Tagen herrührten, so verursachte er mit dem sogenannten Spendenerlass vom 31. Juli 1943 selbst eine langwierige Auseinandersetzung.318 Westermann hatte verfügt, dass Gaben, „die von dritter Seite kirchlichen Amtsträgern für kirchliche Zwecke überlassen wurden“, Spenden also, wie alle anderen Gelder auch, den kirchlichen Kassen zufließen sollten. Es war vorgekommen, dass Pastoren mit Spendengeldern sogenannte „Schwarze Fonds“ eingerichtet und mit den Mitteln, an dem Gemeindehaushalt vorbei, etwa die Anstellung von Gemeindehelferinnen finanziert oder ähnliche Ausgaben bestritten hatten. Westermanns Anordnung zielte darauf, die Spendengelder in den regulären Gemeindehaushalt einzuordnen und so unter Kontrolle der Finanzabteilung und gegebenenfalls ihrer Bevollmächtigten zu bringen. Letztlich konnte Westermann für die Anordnung sachliche Gesichtspunkte geltend machen, denn es ging um eine ordnungsgemäße Verwaltung der Gelder, die bisher unkontrolliert verwendet wurden; auch Haugg unterstützte ihn.319 Gegen den Spendenerlass erhob sich in der Landeskirche ein breiter Protest. Die Pfarrer sahen sich von der Finanzabteilung in ihrer seelsorgerlichen Tätigkeit beschränkt, denn die Spender gäben ihnen das Geld als Ausdruck besonderen Vertrauens und zum Zwecke der Seelsorgetätigkeit. Auch Röpke vertrat diese Ansicht und hielt die Anordnung „für völlig unmöglich, da sie meiner Ansicht nach in eine innerkirchliche Angelegenheit eingreift“320. Er trug die Angelegenheit vor Reichskirchenminister, Kirchenkanzlei und Geistlichen Vertrauensrat. Am 20. August 1943 wurde sie im Reichskirchenministerium besprochen, woraufhin Westermann am 28. August 1943 eine Ergänzung des Spendenerlasses herausgab. Er verfügte, dass kleinere Spenden (etwa bis zur Höhe von 25 RM) nicht abgeführt werden müssten, „wenn diese dem Pfarrer aus persönlicher Verbundenheit des Spenders zur Verfügung gestellt werden“ und von den Pfarrern für nicht im Haushalt vorgesehene Ausgaben verwendet würden – etwa für kleine Aufmerksamkeiten zu hohen 316 Röpke an Marahrens vom 27. 9. 1944 (ebd.). 317 Vgl. zur Vorbereitung des Treffens: LkAW FinAbt 155; zu den Ergebnissen liegt nur ein Schreiben Röpkes an Marahrens vom 19. 3. 1945 vor (LkAH L 2 Nr. 7 Bd. IV). 318 Der Erlass findet sich in LkAW FinAbt 19, daraus auch folgendes Zitat. 319 Vgl. Vermerk Westermanns zu der Besprechung vom 4. 6. 1943 (LkAW FinAbt 155). 320 Röpke an Propst Rauls vom 11. 8. 1943 (LkAW LKA 41); ähnlich auch Röpke an DEKK vom 11. 8. 1943 (EZA 1/2617).

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Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 355

Geburtstagen oder anlässlich einer Goldenen Hochzeit.321 Diese Spenden, samt Ausgabenachweisen, seien in einem besonderen „Heftchen“ niederzulegen, um der Finanzabteilung gegebenenfalls eine Kontrolle zu ermöglichen. Für Röpke war die Angelegenheit damit jedoch nicht zufriedenstellend geregelt. Er verlangte weiterhin die völlige Aufhebung der strittigen Verfügung.322 Unterdessen verschärfte Westermann den Konflikt: Er teilte dem Landeskirchenamt mit, dass er, so lange das Landeskirchenamt seinen Standpunkt bezüglich des Spendenerlasses beibehalte, keine Kollektenmittel mehr für die kirchliche Frauen-, Jugend-, und Männerarbeit auszahlen werde. Cölle riet zur Deeskalation und meinte, dass „bei einer amtlichen Regelung dieser Art vielleicht das psychologische Moment nicht ausreichend beachtet“323 worden sei. „Manche Gemeindemitglieder wollen ihre Gaben über den behördlichen Rahmen hinaus geben und nicht diese Gaben als eine Art freiwilliger Kirchensteuer betrachtet wissen.“ Er empfahl daher, die Pfarrer nur zu einer genauen Buchführung über die Spenden zu verpflichten, die im „Rahmen der allgemeinen Finanzkontrolle“ mitgeprüft werden könnte. Der Spendenerlass blieb ein ständiger Streitpunkt, bis er bei der Besprechung in Celle am 4. Mai 1944 behandelt wurde.324 Es wurde beschlossen, ihn entscheidend abzumildern – es sollten nun „übliche Spenden nicht erfasst werden, wenn diese dem Pfarrer aus persönlicher Verbundenheit des Spenders zur Verfügung gestellt werden.“325 Ausgaben der Gemeinden, an dem Gemeindehaushalt vorbei, durften aus den Geldern nicht bestritten werden – dies war jedoch auch unstrittig gewesen. Die von Westermann verfügte Sperrung der Kollektengelder sollte aufgehoben werden. Röpke urteilte über die Ergebnisse von Celle, der Spendenerlass sei praktisch gefallen.326 Insgesamt beeinträchtigte der personelle Bruch an der Spitze der Finanzabteilung das Hoffmeister’sche FA-Modell in Braunschweig nicht. Hoffmeister hatte die FA-Organisation und die Zuständigkeitsabgrenzung zum Landeskirchenamt ausgestaltet, Westermann behielt beides bei. Hoffmeister hatte den inhaltlichen Kurs der Finanzabteilung geprägt, Westermann führte ihn in der Sache fort, setzte allenfalls neue Akzente. Im Hintergrund war Hoffmeister 321 LkAW FinAbt 19. 322 Vgl. besonders Röpke an Reichskirchenminister vom 4. 9. 1943 (EZA 1/2617). 323 Cölle an Reichskirchenminister vom 27. 10. 1943 (EZA 1/1605), daraus auch die folgenden Zitate. 324 Vgl. Röpke an Reichskirchenminister vom 14. 3. 1944 (EZA 2/125). 325 Ergänzung des Spendenerlasses vom 18. 5. 1944 (LkAW FinAbt 19). 326 Röpke an Marahrens vom 3. 6. 1944 (LkAH L 2 Nr. 7 Bd. IV); ähnlich auch Röpke an Schwarzhaupt vom 27. 5. 1944 (EZA 2/125). Vgl. ansonsten zu den Verhandlungen in Celle das Protokoll Cölles vom 12. 5. 1944 über die Ergebnisse der Celler Besprechung vom 4. 5. 1944 (EZA 1/1611); auch das Rundschreiben an die Pröpste vom 20. 5. 1944 (LkAW FinAbt 19); Vermerk vom 15. 5. 1944 (ebd.); Vermerk Cölles vom 12. 5. 1944 (EZA 1/1611). Vgl. zum Spendenerlass insgesamt: LkAW FinAbt 19; LkAW LKA 41; EZA 1/2617; Gerichtsvermerk vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

für den neuen FA-Vorsitzenden auch immer noch präsent, denn beide arbeiteten im Oberpräsidium Hannover. Möglicherweise waren nicht ganz zufällig Ende 1944, als Hoffmeister gerade im Reichsinnenministerium tätig war, erste Anzeichen einer Emanzipation Westermanns sichtbar, die sich darin äußerten, vorsichtig an einer Ausbootung Cölles zu arbeiten.327

2.7. Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 2.7.1. Finanzabteilung und Kirchengemeinden: Politische Kontrolle und standardmäßiger Einsatz von Bevollmächtigten Der umfassende Kontroll- und Machtwille der Finanzabteilung erstreckte sich nicht nur auf die landeskirchliche, sondern ebenso auf die Ebene der Kirchengemeinden. Am 6. Oktober 1938 ordnete Hoffmeister eine politische Zuverlässigkeitsüberprüfung sämtlicher Kirchengemeinderatsmitglieder an. Die Verfügung hatte eine längere Vorgeschichte: Am 7. Juli 1938 hatte sich Hoffmeister an den Reichskirchenminister gewandt. Er hatte festgestellt, dass nach der Kirchengemeindeordnung nur „Personen von gutem Ruf“328 zu Mitgliedern der Kirchengemeinderäte gewählt werden sollten.329 „Meiner Auffassung nach“, so Hoffmeisters Folgerung, „kann man im nationalsozialistischen Staate bei den Personen von einem guten Rufe nicht sprechen, die politisch unzuverlässig sind.“330 Er plane daher eine Anordnung, um die politische Zuverlässigkeit von Kirchengemeinderatsmitgliedern zu prüfen. Zunächst erhielt Hoffmeister eine Antwort von Erich Ruppel, Referent im Reichskirchenministerium, der anfragte, „inwiefern für die von Ihnen angeregte Anordnung die Zuständigkeit der Finanzabteilung begründet ist.“331 Die denkbar knappe Antwort Hoffmeisters lautete schlicht: „Die Zuständigkeit der Finanzabteilung für die von mir angeregte Anordnung ergibt sich aus der 15. Verordnung zur Durchfüh327 Siehe oben 351 f. 328 § 11 der Kirchengemeindeordnung vom 21. 7. 1922 (Amtsblatt des Braunschweigischen Landes-Konsistoriums, 1922, 155). Der „gute Ruf“ war nicht das einzige Kriterium. Nach der Kirchengemeindeordnung sollten vor allem kirchliche Gesinnung und kirchliches Engagement im Vordergrund stehen. 329 Nach der Kirchengemeindeordnung waren in der braunschweigischen Landeskirche die Organe der Kirchengemeinden folgendermaßen organisiert: Die Mitglieder der Kirchengemeinde wählten einen Kirchengemeinderat, der, je nach Größe der Gemeinde, neben den Pfarrern aus bis zu 24 Mitgliedern bestand. Aus seiner Mitte wählte der Kirchengemeinderat bis zu sechs sogenannte Kirchenverordnete, die zusammen mit den Pfarrern den Kirchenvorstand der Gemeinde bildeten. 330 Schreiben an Richter vom 7. 7. 1938 (LkABl., 1938, 45). 331 Schreiben vom 16. 7. 1938 (LkAW FinAbt 80).

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rung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Ev. Kirche vom 25. 6. 37“332. Die politische Kontrolle war für Hoffmeister inhärenter Bestandteil seines vom Staat empfangenen Auftrages. Dem schloss sich auch Stahn in seiner Entscheidung vom 20. September 1938 an.333 Er habe gegen die geplante Anordnung nichts einzuwenden, zumal „der Kirchengemeinderat auch mit finanziellen Aufgaben betraut ist […] Die Finanzabteilung als das vom Staate eingesetzte Organ zur Wahrung der staatlichen Belange (und damit auch der Interessen der Partei) kann die erforderlichen Mitteilungen bei den Parteistellen führen und das Ergebnis der Kirchenbehörde mitteilen.“

Am 6. Oktober des Jahres verschickte Hoffmeister ein Rundschreiben an die Kirchenvorstände, in dem er die Verantwortung für die Überprüfungen an sie delegierte:334 „Die Kirchenvorstände werden hiermit umgehend beauftragt, hinsichtlich der in ihrem Bereich im Amt befindlichen Kirchengemeinderatsmitglieder deren politische Zuverlässigkeit bei den zuständigen Kreisleitungen festzustellen und die von den Kreisleitern hierüber ausgestellten Bescheinigungen bis zum 15. November 1938 mir einzureichen.“

Die Anordnung war Mitauslöser für das Protestschreiben oppositioneller Pfarrer vom 19. Oktober 1938.335 Die Protestler beanstandeten allerdings nicht die politische Zuverlässigkeitsüberprüfung per se, es ging ihnen nur darum, dass die „Einholung einer Bescheinigung über politische Zuverlässigkeit […] nicht Sache des Kirchenvorstandes als eines kirchlichen Organes“336 sei. Die Finanzabteilung müsse die Überprüfungen schon selber vornehmen lassen, man werde ihr aber auf Anforderung Listen der Kirchengemeinderatsmitglieder zukommen lassen. Dieser Haltung schloss sich auch Landesbischof Johnsen an;337 gleichwohl riet er den Pfarrern, die Anordnung der Finanzabteilung zu befolgen, schließlich müsse auch der Kirchenvorstand an den Ergebnissen interessiert sein.338 Die Finanzabteilung blieb bei ihrer Anordnung. Im Oktober/November 1938 holten die Kirchenvorstände die politischen Beurteilungen bei den Parteistellen ein. Die Überprüfung verlief insgesamt recht reibungslos, sieht man von gelegentlichen Bedenken in den Gemeinden und von vereinzelten Beanstandungen der Kreisleitungen ab. Größere Probleme gab es nur in Ausnahmefällen, etwa in Helmstedt. Zudem ergaben sich Schwierigkeiten 332 Schreiben vom 15. 8. 1938 (ebd., Bl. 45). 333 LkABl., 1938, 45 f., daraus auch folgendes Zitat. 334 Es findet sich in LkAW FinAbt 2. Aus dem Schreiben auch das folgende Zitat. Siehe auch Hoffmeister an Röpke vom 30. 9. 1938 (LkAW FinAbt 71). 335 Siehe oben 323. 336 Das Protestschreiben findet sich in BArch R 5101 / 23793, Bl. 89. 337 Vgl. sein Schreiben an Hoffmeister vom 28. 10. 1938 (LkAW FinAbt 3). 338 Vgl. Johnsen an Oelze vom 28. 10. 1938 (LkAW NL 302).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

daraus, dass manche Parteistellen sich weigerten, für die Kirche politische Überprüfungen durchzuführen. Das lag daran, dass die Parteileitung in München keine Anweisung in der Sache erlassen hatte und daher die Kreisleitungen nicht wussten, ob diese Aktion im Parteiinteresse liege.339 In die gleiche Richtung wie die politische Überprüfung der Kirchengemeinderatsmitglieder zielte die Beteiligung der Finanzabteilung an der Ergänzung kirchlicher Körperschaften, die Hoffmeister seit 1938 in Anspruch nahm. Wollte das für die Ergänzungen zuständige Landeskirchenamt340 neue Kirchengemeinderatsmitglieder ernennen, musste es seine Vorschläge vorab bei der Finanzabteilung einreichen, die dann gegebenenfalls eine politische Überprüfung veranlasste (meist per Anfrage bei der Gestapo).341 Bis Mitte 1940 erfolgte diese Praxis mit Röpkes Einvernehmen; dann aber legte er eine Beschwerde gegen die FA-Mitwirkung beim Reichskirchenminister ein: Nicht etwa, weil er nun das Kriterium der politischen Zuverlässigkeit missbilligt hätte – im Gegenteil, Röpke betonte, das Landeskirchenamt lege großen Wert darauf, „daß in die kirchlichen Körperschaften nur Persönlichkeiten hineinkommen, die nicht nur die erforderliche kirchliche Eignung besitzen, sondern auch politisch in jeder Beziehung einwandfrei und möglichst auch Parteigenossen sind.“342 Er habe nur Bedenken, weil die Finanzabteilung die Ergänzungsvorschläge nicht ausreichend schnell bearbeite und inakzeptable Verzögerungen einträten. Nachdem Röpke auch die Kirchenkanzlei und den Geistlichen Vertrauensrat mobilisiert hatte, untersagte der Reichskirchenminister im November 1940 tatsächlich die Mitwirkung der Finanzabteilung bei der Ergänzung kirchlicher Körperschaften.343 Anderthalb Jahre später revidierte Muhs diese Entscheidung.344 Die Finanzabteilung führte ihre Erhebungen wieder durch. Beanstandungen waren dennoch die Ausnahme, da das Landeskirchenamt offenbar von vornherein politisch tadellose Personen in Vorschlag brachte. Wenn politische Beurteilungen jedoch negativ ausfielen, lehnte die Finanzabteilung eine Ernennung der Betreffenden auch konsequent ab.345 Es scheint auch vorgekommen zu sein, dass Kirchengemeinderäte sich eigenmächtig selbst ergänzt haben, ohne 339 Vgl. insgesamt zur politischen Zuverlässigkeitsprüfung: Kuessner, Überblick, 141 f.; Palmer, Material, 118; das Material in LkAW FinAbt 71; und LkAW FinAbt 154; außerdem Schyga, Bad Harzburg, 95 f. 340 Die Zuständigkeit ergab sich aus einem Kirchengesetz vom 11. 1. 1935 (LkABl., 1935, 2); vgl. auch ebd., 1940, 7. 341 Das Landeskirchenamt versuchte zwar, schon von sich aus die politischen Beurteilungen einzuholen, doch zeigten sich die angefragten NSDAP-Dienststellen meist wenig entgegenkommend, vgl. etwa Röpke an Reichskirchenminister vom 29. 2. 1940 (LkAW FinAbt 121). 342 Röpke an DEKK vom 9. 8. 1940 (LkAW LKA 2548). 343 Vgl. zu dem ganzen Vorgang: BArch R 5101 / 23789, Bl. 270, 292 – 300, 303 f.; BArch R 5101 / 23790, Bl. 1; LKAW LKA 2548; LkAW FinAbt 1; LkAH S 1 E II 129a, Bl. 65, 67 (Protokolle der GVR-Sitzungen vom 5. / 6. 9. 1940 und 27. / 28. 9. 1940). Siehe auch zu dieser Frage oben 123. 344 Erlass vom 14. 5. 1942 (LkABl., 1942, 42). 345 Siehe zu einzelnen Vorgängen LkAW FinAbt 1.

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dem Landeskirchenamt und damit der Finanzabteilung Meldung zu machen, um so die politische Überprüfung zu vermeiden.346 Mit der Anordnung vom 6. Oktober 1938 war gewissermaßen der Ist-Zustand an Kirchengemeinderatsmitgliedern einer politischen Überprüfung unterzogen worden, durch die Mitwirkung bei der Ergänzung der kirchlichen Körperschaften wurde die Überprüfung fortlaufend gewährleistet. Der Finanzabteilung gelang es auf diese Weise, die politische Unbedenklichkeit als Kriterium für die Aktivität in kirchengemeindlichen Organen fest zu verankern. Bereits am 16. Juni 1938 hatte Hoffmeister die Kirchenvorstände in Hinblick auf die Beschäftigung von Arbeitskräften darauf hingewiesen, „dass nur solche Angestellte und Arbeiter von den Kirchengemeinden eingestellt werden dürfen, deren politische Zuverlässigkeit ausser Zweifel steht. Es ist daher in jedem Falle ein entsprechendes Zeugnis des zuständigen Kreisleiters bezw. Ortsgruppenleiters der NSDAP. einzufordern“347. Auch die Mitarbeiterschaft auf Gemeindeebene wurde so einer politischen Selektion unterzogen. Die politische Kontrolle war das eine. Daneben ging es der Finanzabteilung um die Gemeindeverwaltungen. Diese wollte sie nicht nur beaufsichtigen, wie in der 15. Durchführungsverordnung vorgesehen, sondern nach Möglichkeit selbst ausführen. Die Kirchengemeinden sollten so in das Verwaltungskonzept der braunschweigischen Finanzabteilung eingebunden werden. Ihr Mittel dazu war die Einsetzung von Bevollmächtigten. Laut 15. Durchführungsverordnung konnte die Finanzabteilung Bevollmächtigte „zur Durchführung der von ihr in den Kirchengemeinden und kirchlichen Verbänden zu treffenden Anordnungen“ bestellen;348 die Bevollmächtigten konnten dann die der Finanzabteilung zustehenden Befugnisse wahrnehmen – etwa bei der Durchführung von Minderheitenregelungen. Ihnen konnten jedoch nicht ohne weiteres generell die Rechte der Kirchenorgane in der Vermögensverwaltung übertragen werden, denn diese standen der Finanzabteilung gar nicht zu. Dies war nur in Ausnahmefällen möglich; dann, wenn die zuständigen kirchlichen Organe beschlussunfähig waren oder etwa der staatlichen Ordnung zuwiderhandelten. In der braunschweigischen Landeskirche wurde die Ausnahme zur Regel gemacht. Hoffmeister setzte bereits ab 1938 in großem Umfang in den Kirchengemeinden Bevollmächtigte ein, die nicht nur mit der Durchführung einzelner Aufgaben betraut wurden, sondern in deren Bestellungen es regelmäßig hieß: „Mit dieser Bestellung erhalten Sie die Befugnis, das Vermögen 346 Vgl. den Bericht aus der Kirchengemeinde Bortfeld an das Landeskirchenamt vom 15. 6. 1945 (LkAW LKA 103). Ob weitere Kirchengemeinderäte ähnlich verfuhren, konnte nicht eruiert werden. 347 EZA 1/1602. 348 GBlDEK, 1937, 34.

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der Kirchengemeinde(n) und Kirche(n) in [jeweiliger Name] zu verwalten und zwar einschließlich des Rechtes, über die kirchlichen Gebäude und Grundstücke zu verfügen.“349 In einer allgemeinen FA-Erläuterung zu den Aufgaben der Bevollmächtigten bestimmte sie, dass „die den Kirchengemeinderäten und Kirchenvorständen nach den kirchengesetzlichen Bestimmungen u. a. […] obliegenden Aufgaben, soweit sie mit finanzieller Auswirkung verbunden sind, ausschliesslich von den Bevollmächtigten der Finanzabteilung wahrgenommen werden, und dass danach sämtliche Entscheidungen finanzieller Art nur von den Bevollmächtigten der Finanzabteilung zu treffen sind.“350

Die kirchlichen Gemeindeorgane wurden systematisch eingeschränkt, ähnlich der Kirchenleitung auf landeskirchlicher Ebene. Im Jahre 1938 hat die Finanzabteilung etwa 40 bis 45 Bevollmächtigte eingesetzt, vor allem als Reaktion auf den Protest vom 19. Oktober 1938.351 Zuvor war bereits für den Stadtkirchenverband Braunschweig ein Bevollmächtigter installiert worden, um den Einfluss der Finanzabteilung dort frühzeitig zu sichern.352 Bis Mitte 1939 stieg die Zahl der Bevollmächtigten auf 120. Manche Bevollmächtigte deckten mehrere Gemeinden ab, so dass eine noch etwas höhere Anzahl von Gemeinden betroffen war.353 Die Tendenz war weiter ansteigend. Die Finanzabteilung setzte die Bevollmächtigten ein, ohne jeweils den Nachweis geführt zu haben, dass die Voraussetzungen für diesen schwerwiegenden Eingriff in die Gemeindeautonomie erfüllt waren. Ihre Maßnahmen konnten zwar nachvollziehbare Gründe haben, etwa eine Weigerung von Pastoren/Kirchengemeinden, Anordnungen der Finanzabteilung durchzuführen, (angebliche) Missstände in der Gemeindefinanzverwaltung oder den Protest von Gemeindeorganen gegen die Finanzabteilung oder ihre Maßnahmen. Häufig waren den Kirchengemeinden oder der Kirchenleitung die Gründe der Finanzabteilung jedoch gar nicht ersichtlich. Angesichts der großen Zahl von betroffenen Gemeinden musste ohnehin zweifelhaft sein, ob in jeder dieser Gemeinden die Kirchenorgane wirklich unfähig zur ord-

349 Dies war der Standardwortlaut ab Anfang 1940. Er wurde bis Kriegsende so verwendet, vgl. beispielsweise die Bestellungen in LkAW LKA 40. Zwischen Anfang 1939, als sich die routinemäßige Einsetzung von Bevollmächtigten einbürgerte, und Anfang 1940 lautete der Standardwortlaut noch etwas anders, vgl. beispielsweise entsprechende Schreiben in LkAW FinAbt 127. 350 Rundschreiben Hoffmeisters an alle Pfarrämter vom 27. 1. 1939 (LkAW FinAbt 69). 351 Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 11. 6. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 1 – 8, hier Bl. 5); Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459). 352 Siehe oben 319. 353 Vgl. die Aufstellung Hoffmeisters vom 21. 6. 1939 (LkAW FinAbt 2). Johnsen berichtete im Oktober 1939 von Bevollmächtigten für ca. 150 Gemeinden, Schreiben vom 27. 10. 1939 an den Reichskirchenminister (BArch R 5101 / 23789, Bl. 186 – 189, hier Bl. 189).

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nungsgemäßen Vermögensverwaltung gewesen sind oder der staatlichen Ordnung zuwidergehandelt hatten.354 Bereits 1939 sah sich Hoffmeister zur „Durchführung einer strafferen Organisation“ veranlasst, für die Bevollmächtigten sogenannte Zentralstellen einzurichten – und zwar für Helmstedt, Blankenburg, Wolfenbüttel und Braunschweig-Land.355 Die Zentralstellen waren jeweils für ein Gebiet zuständig, das vom Zuschnitt den politischen Kreisen entsprach. Der Leiter der Zentralstelle sollte in seinem Kreis zur „sachlichen Beratung“ und Unterstützung der Bevollmächtigten dienen. Die Aktivität dieser mittleren Ebene im Bevollmächtigtenwesen war jedoch offenbar nicht besonders groß. Seit dem Jahresanfang 1939 praktizierte die Finanzabteilung ein standardmäßiges Prozedere, wenn sie beabsichtigte, einen Bevollmächtigten einzusetzen. Die überaus zahlreichen Einsetzungen hatten die Entstehung eines solchen Routineverfahrens bedingt. Es lief systematisch folgendermaßen ab: Die Finanzabteilung unterrichtete zunächst den für das Gebiet der jeweiligen Kirchengemeinde zuständigen Landrat von ihrer Absicht, einen Bevollmächtigten einzusetzen.356 Gleichzeitig bat sie ihn um Personalvorschläge, regte aber gleichzeitig an, der Landrat möge, wenn möglich, den Bürgermeister der entsprechenden Ortschaft vorschlagen. Als Kriterium für die Personalfindung gab die Finanzabteilung ansonsten lediglich vor, dass der Betreffende Mitglied der braunschweigischen Landeskirche sein müsse. Auch die Landräte entwickelten aufgrund der zahlreichen Anfragen der Finanzabteilung eine gewisse Routine in ihrer Abwicklung: Entweder wandte sich der Landrat wegen der Personalvorschläge an den Bürgermeister der betreffenden Ortschaft; dieser sollte seine Bereitschaft erklären, das Amt selbst zu übernehmen oder jemanden vorschlagen, der für das Amt geeignet wäre (so ging etwa der Landrat des Kreises Wolfenbüttel gewöhnlich vor). Oder der Landrat schaltete die jeweilige Kreisleitung der NSDAP ein, damit diese ihm entsprechende Personalvorschläge unterbreiten möge (dies war etwa das übliche Vorgehen des Landrates des Kreises Gandersheim). Nachdem der Landrat von Bürgermeister oder NSDAPAntwort erhalten hatte, wandte er sich seinerseits wieder an die Finanzabteilung, um dieser die Vorschläge zu unterbreiten.357 Dieses Vorgehen verlief meist reibungslos. Probleme resultierten allerdings daraus, dass die Landräte zuweilen nachlässig bei ihren Personalvorschlägen waren. Am 12. April 1939 beklagte sich Hoffmeister bei den Landräten, dass 354 Vgl. auch Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459). 355 Mitteilung Hoffmeisters an die Bevollmächtigten vom 25. 5. 1939 (LkABl., 1939, 35), daraus das obige und das folgende Zitat. 356 In Einzelfällen kam es vor, dass ein Landrat seinerseits die Finanzabteilung darum bat, für Kirchengemeinden einen Bevollmächtigten zu bestellen, vgl. Landrat Kreis Gandersheim an Hoffmeister vom 31. 5. 1939 (LkAW FinAbt 153). 357 Vgl. zu dem stets wiederkehrenden Prozedere: StAW 91 N Nr. 115; StAW 127 Neu Nr. 3312; StAW 127 Neu Nr. 3313; StAW 129 Neu Fb. 2 Nr. 4333.

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sie ihm zum Teil ungeeignete Personen vorschlügen – solche, die aus der Kirche ausgetreten seien oder solche, die das Amt gar nicht übernehmen wollten. „Derartige Vorkommnisse sind bei der Bedeutung, die der Bestellung von Bevollmächtigten zukommt, und zur Durchführung der der Finanzabteilung gestellten Aufgaben unerträglich und müssen peinlichst vermieden werden.“358 Kurz zuvor hatte Hoffmeister schon den braunschweigischen Minister des Innern eingeschaltet, der die Landräte zur Sorgfalt ermahnen sollte.359 Auch ein hoher Staatsfunktionär wie Hoffmeister hatte bei Staatsstellen um das gewünschte Engagement in Kirchensachen zu kämpfen.360 Das Vorgehen der Finanzabteilung zeigte deutlich, dass es ihr vor allem darum ging, dem Staat genehme und treue Männer als Bevollmächtigte einzusetzen. Eine Abstimmung mit kirchlichen Stellen hielt sie hingegen zur Bevollmächtigtenfindung nicht für nötig; ein kirchliches Interesse der Bevollmächtigten war auch kein Auswahlkriterium. Gleichwohl sollte nicht per se angenommen werden, dass nun in großer Zahl kirchenfeindliche Personen zu Bevollmächtigten bestellt worden wären; für diese war die Übernahme eines Amtes im Raum der Kirche in der Regel wenig reizvoll. Die Finanzabteilung bemühte sich gezielt, Bürgermeister oder städtische beziehungsweise kommunale Beamte als Bevollmächtigte zu gewinnen. Die Kirchengemeinden sollten auf lokaler Ebene in ein Abhängigkeitsverhältnis zu den dortigen Staatsstellen gebracht und eine Verquickung von kommunalen Staats- und Kirchenämtern erreicht werden. Dabei hatte die Finanzabteilung durchaus Erfolg. Es ist davon auszugehen, dass sich ein beachtlicher Anteil der Bevollmächtigten aus Bürgermeistern oder Kommunalbeamten zusammensetzte.361 Die Pfarrabteilung stellte Anfang 1939 jede Beteiligung bei der Bestellung von Bevollmächtigten ein. Bis dahin hatte sie die Gemeinden über die Einsetzung von Bevollmächtigten informiert; am 6. Januar 1939 bat sie die Finanzabteilung, diese möge zukünftig die Gemeinden selbst über die Vorgänge informieren und die Pfarrabteilung nur noch benachrichtigen.362 Eine Bitte, der Hoffmeister gerne entsprach, denn damit gab die Pfarrabteilung doch gewissermaßen ein Einverständnis mit der Bevollmächtigtenpraxis der Finanzabteilung, vielleicht sogar ein gewisses Desinteresse an der Problematik zu erkennen. Die Zahl der Bevollmächtigten wuchs im Laufe des Jahres enorm, ohne dass 358 LkAW FinAbt 137. 359 Das Schreiben vom 3. 3. 1939 wurde am 9. 3. 1939 vom Innenminister an die Landräte weitergegeben (vgl. StAW 91 N Nr. 115). 360 Der Erfolg dieser Ermahnungen war jedoch nicht nachhaltig, so dass Hoffmeister am 25. Juni 1940 erneut in der Sache an den Innenminister herantreten musste (LkAW FinAbt 2). 361 Legt man eine Aufstellung der Bevollmächtigten von Mitte 1939 und die letzte Erhebung vom 4. Mai 1945 zugrunde (beide ebd.), so ergibt sich, dass 1939 von 116 Bevollmächtigten 56 der oben bezeichneten Personengruppe zuzurechnen waren, 1945 von 40 Bevollmächtigten 18. 362 Ebd.

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die Kirchenleitung eingeschritten wäre. Erst im Spätsommer/Herbst 1939 schaltete sich Johnsen in der Frage der Bevollmächtigten ein.363 Im Rahmen der Gespräche im Oktober 1939, die wegen der Neuordnung des Verhältnisses von Finanzabteilung und Landeskirchenamt geführt wurden, beklagte Johnsen die „Zwangsverwaltung“ in den Gemeinden „als schwer zu tragende Last. Ich fordere darum die generelle Abberufung sämtlicher Bevollmächtigten der Finanzabteilung bis auf die Fälle, wo auch unter Zustimmung des Landeskirchenamtes die Beibehaltung oder Einsetzung eines Finanzbevollmächtigten zwingende Notwendigkeit ist.“364 Weil eine generelle Abberufung nicht durchzusetzen war, forderte der Landesbischof im November 1939 von der Finanzabteilung, diese müsse bei jeder Einsetzung eines Bevollmächtigten die Pfarrabteilung nicht nur über diese Maßnahme unterrichten, sondern auch ihre Notwendigkeit begründen.365 Dies umso mehr, als der Unterhalt der Bevollmächtigten erhebliche Kosten in den Gemeinden verursache366 – die Bevollmächtigten erhielten aus den Gemeindehaushalten eine Aufwandsentschädigung, die vor allem für kleinere Gemeinden eine finanzielle Belastung darstellte.367 Röpke griff die Kritik des Landesbischofs an den Bevollmächtigten Anfang 1940 auf, denn die Neubestellung von Bevollmächtigten hatte sich fortgesetzt. Außerdem war die Finanzabteilung dazu übergegangen, zusätzlich Stellvertreter für die Bevollmächtigten zu ernennen; vorbeugend, für den Fall, dass der Bevollmächtigte in die Wehrmacht einberufen werden würde. Röpke beklagte: „Verhandlungen mit dem Landeskirchenamt vor der Ernennung oder Angabe von Gründen, die zu einer Entmächtigung der Kirchenvorstände und Kirchengemeinderäte auf dem Gebiet der ortskirchlichen 363 Vgl. Vermerk Westermanns vom 18. 8. 1939 (LkAW FinAbt 80); und Johnsens Einzelfallbeschwerden in Bevollmächtigtensachen ab August 1939 (LkAW FinAbt 2). 364 Johnsen an Reichskirchenminister vom 27. 10. 1939 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 186 – 189, hier Bl. 189). 365 Vgl. Johnsen an Hoffmeister vom 11. 11. 1939 (LkAW FinAbt 2). 366 Johnsen veranschlagte die Kosten für alle Bevollmächtigten insgesamt auf jährlich 30 000 RM, vgl. Johnsen an Reichskirchenminister vom 27. 10. 1939 (BArch R 5101 / 23789, Bl. 186 – 189, hier Bl. 189); Johnsen an Stahn vom 23. 12. 1939 (ebd., Bl. 228). 367 Am 11. April 1939 hatte Hoffmeister die Höhe der Dienstaufwandsentschädigung für Bevollmächtigte wie folgt geregelt (LkAW FinAbt 2): Bevollmächtigte in einer Landgemeinde erhielten 20 RM monatlich, Bevollmächtigte in einer Stadtgemeinde 50 RM, deren Vertreter 30 RM. Für den Stadtkirchenverband Braunschweig galten höhere Sätze. In der Praxis waren die Summen nicht dogmatisch, es kamen auch Dienstaufwandsentschädigungen etwa von 15 RM vor. Auf jeden Fall aber war die Vergütung in Braunschweig deutlich großzügiger, als etwa in der Altpreußischen Union, wo der Evangelische Oberkirchenrat am 19. September 1940 verfügte, ein Bevollmächtigter solle nur dann für seinen Aufwand entschädigt werden, wenn dessen Tätigkeit „besonders umfangreich und zeitraubend ist oder einen besonderen Aufwand verursacht“ (LkAW FinAbt 80). Der unverhältnismäßig hohen Belastung kleinerer Gemeinden wurde in einer Dienstanweisung für die Bevollmächtigten vom 25. Oktober 1941 entgegengesteuert, nach der die Kosten für den Bevollmächtigten in besonderen Fällen auch auf landeskirchliche Mittel übernommen werden konnten (LkABl., 1941, 36 f.).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Finanzverwaltung führten, sind nicht erfolgt […] So kann das nicht weitergehen“368. Seit dem Herbst 1939 war das Bevollmächtigtenwesen damit der wichtigste Konfliktpunkt zwischen Kirchenleitung (sowie den Gemeinden) und Finanzabteilung. Ein Konfliktpunkt, der fortan nicht mehr vollständig von der Tagesordnung verschwinden sollte. Die Finanzabteilung baute unterdessen das System von Bevollmächtigten weiter aus. Zwischen Dezember 1939, als einem SD-Bericht zufolge 146 Bevollmächtigte für 170 Gemeinden eingesetzt waren,369 und Januar 1941 stieg die Zahl der Bevollmächtigten auf ca. 170 Bevollmächtigte für über 200 Kirchengemeinden.370 Immerhin stiegen die Zahlen nicht mehr ganz so rasant wie noch 1939. Dennoch, angesichts dieser Entwicklung und dem von der Finanzabteilung verfolgten Verwaltungskonzept ist die Schlussfolgerung plausibel, dass die Finanzabteilung systematisch jede Kirchengemeinde der Landeskirche mit einem Bevollmächtigten versehen wollte. Diese Absicht scheint um den Jahreswechsel 1938/39 gefasst worden zu sein. Dieser Zeitpunkt ergibt sich, weil zuvor vergleichsweise wenige Bevollmächtigte eingesetzt wurden und diese vor allem auf die Protestnote vom 19. Oktober 1938 zurückzuführen waren; im Januar 1939 aber war plötzlich ein großer Schub von Bevollmächtigungen zu verzeichnen. Genau zu diesem Zeitpunkt begann die Finanzabteilung auch, neue Einsetzungsprozeduren mit standardisierten Einsetzungsformularen zu verwenden, ihr Vorgehen zu professionalisieren und die Landräte in den Bestellungsprozess einzubinden. Außerdem ließ Hoffmeister just im Januar 1939 den Gemeinden ein Rundschreiben zugehen, in dem er die Kompetenzen der Bevollmächtigten noch einmal darlegte.371 Es war das Ziel dieser Politik, letztlich die gesamte Gemeindeverwaltung an die Finanzabteilung zu ziehen und durch die Bevollmächtigten selbst zu führen. Es ging nicht darum, einer kirchenpolitischen Richtung mittels der Bevollmächtigten zum Durchbruch zu verhelfen oder Gemeinden mit Notbundpfarrern zu drangsalieren; die Maßnahmen waren unabhängig von solchen innerkirchlichen Erwägungen. Obwohl dem Reichskirchenministerium das Problem der Bevollmächtigten frühzeitig bekannt war,372 hat es lange Zeit nichts unternommen. Erst im Jahre 1941, als die Auseinandersetzungen um die Bevollmächtigten zwischen Kirchenleitung und Finanzabteilung einen neuen Höhepunkt erreichten, griff das Ministerium ein. Röpke hatte seit Januar 1941 seine Beschwerden an das Reichskirchenministerium, die Kirchenkanzlei und den Geistlichen Vertrauensrat forciert, um endlich eine Änderung der Bevollmächtigtenpraxis zu

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Röpke an Reichskirchenminister vom 29. 2. 1940 (LkAW FinAbt 121). SD-Sonderbericht vom 12. 12. 1939 (BArch R 58 / 5791, Bl. 861 – 868, hier Bl. 863). Vgl. Röpke an Reichskirchenminister vom 22. 1. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 64). Rundschreiben vom 27. 1. 1939 (LkAW FinAbt 69). Vgl. Vermerk Stahns vom 25. 8. 1939 (LkAW FinAbt 80).

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erreichen.373 Daneben häuften sich 1941 in Berlin Eingaben aus Gemeinden, die sich über Zusammenstöße mit den Bevollmächtigten beschwerten.374 Konfliktpunkte gab es genug: Grundsätzliche Zweifel an der Notwendigkeit der Bevollmächtigten,375 den stets wiederkehrenden Kostenfaktor,376 die generelle Übertragung der Vermögensverwaltung auf die Bevollmächtigten377 oder Bevollmächtigte, die der Kirche nicht (mehr) angehörten.378 Letzteres wollte die Finanzabteilung zwar auch von sich aus vermeiden, es kam aber hierbei immer wieder zu Versehen.379 Zusätzlich angeheizt wurden die Beschwerden, weil die Finanzabteilung im ersten Vierteljahr des Jahres 1941 119 weitere Gemeinden unter die Finanzverwaltung eines Bevollmächtigten ge373 Vgl. das erste Schreiben der neuen Offensive: Röpke an Reichskirchenminister vom 22. 1. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 64). 374 Erwähnt sei besonders der Fall des Pastors Otto Sander aus Volkmarsdorf, der auch in diversen weiteren Gemeinden, u. a. Mackendorf und Papenrode, vertretungsweise eingesetzt war. Sander überzog seit Ende 1940 die Finanzabteilung, aber auch das Reichskirchenministerium mit unzähligen (zum Teil nichtigen) Beschwerden und Einsprüchen wegen der Bevollmächtigten, mit denen er es in den Gemeinden zu tun bekam. Er spekulierte offenbar darauf, der Finanzabteilung so lästig zu werden, dass sie die Bevollmächtigten der Einfachheit halber abziehen würde. Diesen Gefallen tat ihm die Finanzabteilung jedoch nicht. Im Gegenteil: Als der Bevollmächtigte von Volkmarsdorf und Nordsteimke aus Krankheitsgründen im Juli 1942 abgezogen werden musste, übte die Finanzabteilung in Wolfenbüttel die Befugnisse des Bevollmächtigten bis auf weiteres selbst aus. Sander galt Hoffmeister nämlich als „typischer Querulant“, der „vor allem von maßgebenden öffentlichen Stellen als politisch nicht einwandfrei bezeichnet wird“, Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 16. 11. 1942 (ebd., Bl. 296 – 298, hier Bl. 296). Nachdem eine Änderung der Zustände offenbar nicht zu erreichen war, die Finanzabteilung vielmehr seit längerem seine diversen Eingaben nicht mehr beantwortete, gab Sander seine Strategie Anfang 1943 auf und stellte die permanenten Beschwerden ein. Vgl. die Vorgänge: Ebd.; außerdem in BArch R 5101 / 23791; LkAW LKA 41; LkAW FinAbt 22. 375 Vgl. Röpke an Reichskirchenminister vom 1. 4. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 76); DEKK an Reichskirchenminister vom 5. 6. 1941 (ebd., Bl. 12 – 15). Es gab sogar einzelne Gemeinden, die die Einsetzung eines Bevollmächtigten mittels eines Anwalts anfechten ließen, vgl. die Fälle in Papenrode: BArch R 5101 / 23791, bes. Bl. 184 – 187; und Mackendorf: BArch R 5101 / 23792, bes. Bl. 286 – 293. Die grundsätzliche Frage, ob ein Gericht in Zweifelsfällen nachprüfen dürfe, ob die Einsetzung eines Bevollmächtigten durch die Finanzabteilung berechtigt wäre, wurde 1944 vom Kammergericht Berlin und dem Amtsgericht Goslar bejaht. Die braunschweigische Finanzabteilung hatte dies bestritten. Eine besondere Wirkung entfalteten diese Urteile indes nicht mehr, auch wenn Cölle sehr alarmiert reagiert hatte und Röpke meinte, der Beschluss sei „als Richtung weisend anzusehen“, Röpke an Schwarzhaupt vom 27. 5. 1944 (EZA 2/125). Vgl. den Vorgang, der auch die betreffenden Urteile vom 12. 5. 1944 bzw. 11. 3. 1944 und eine längere Stellungnahme Cölles zur Einsetzung von Bevollmächtigten enthält, in BArch R 5101 / 23971, Bl. 42 – 52. 376 Vgl. etwa Röpke an Reichskirchenminister vom 3. 9. 1941 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 294). 377 Vgl. DEKK an Reichskirchenminister vom 5. 6. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 12 – 15). 378 Vgl. ebd. 379 Vgl. exemplarisch den Fall des Bevollmächtigten von Klein Stöckheim im Jahre 1941, der aus der Kirche ausgetreten war und von der Finanzabteilung deshalb ersetzt wurde – allerdings durch einen Nachfolger, der ebenfalls der Kirche nicht angehörte. Auch dieser musste wieder ersetzt werden. Vgl. den Vorgang ebd., Bl. 68, 73 – 75; BArch R 5101 / 23791, Bl. 17 – 25.

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stellt hatte.380 Außerdem führte die Rolle der Bevollmächtigten bei der seinerzeit durchaus gängigen Übertragung der kirchlichen Friedhöfe auf die politischen Gemeinden zu großen Bedenken.381 Die Kommunalisierung der Friedhöfe erfolgte im Allgemeinen durch eine Vereinbarung von Kirchengemeinde, vertreten durch den Bevollmächtigten, und politischer Gemeinde.382 Am Ende war eine Genehmigung der Finanzabteilung einzuholen. Die Folge waren Fälle, in denen der Bürgermeister einer Gemeinde die Übertragung mit sich selbst aushandeln konnte: für die politische Gemeinde als Bürgermeister, für die Kirchengemeinde in seiner Funktion als Bevollmächtigter. Interessenkollisionen waren dabei vorprogrammiert. So hatten sich die Beschwerden bereits im Februar 1941 soweit zugespitzt, dass das Reichskirchenministerium eingreifen musste. Es legte Hoffmeister Röpkes aktuellste Beschwerde383 zur Stellungnahme vor, bald darauf besprach Dieckmann die Angelegenheit noch einmal mit Hoffmeister.384 Auf die Vorhaltung Dieckmanns, es „gehe nicht an, daß die Finanzabteilung dazu übergehe, allgemein Finanzbevollmächtigte einzusetzen, um die Kirchengemeinden mit der Finanzabteilung gleichzuschalten“, erwiderte Hoffmeister, dies sei keineswegs der Fall, es lägen für jede Bevollmächtigung jeweils besondere Gründe vor. Überhaupt wiegelte er ab, er könne den Grund für die Aufregung nicht verstehen. Er informiere das Landeskirchenamt über die Einsetzung von Bevollmächtigten, mehr könne es nicht erwarten.385 Am 7. Februar 1941 hatte er dem Landeskirchenamt zu allem Überfluss mitgeteilt, und das erst nach dessen Anfrage, dass er es zukünftig nur noch vierteljährlich gesammelt über die Einsetzung von Bevollmächtigten unterrichten werde – aus Papierersparnisgründen.386 Dies war für Röpke nicht akzeptabel,387 denn längst verlangte er stattdessen, über die Gründe in jedem Einzelfall unterrichtet zu werden. Dennoch gab sich das Reichskirchenministerium vorerst mit Hoffmeisters Erklärungen und Versicherungen, es habe mit den Bevollmächtigten schon alles seine Ordnung, zufrieden. Erst im Juni 1941 führten die anhaltenden und nicht unbegründeten Be380 Vgl. Westermann an LKA vom 2. 4. 1941 (LkAW FinAbt 127). 381 Vgl. Röpke an die Pröpste vom 21. 5. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 107); DEKK an Reichskirchenminister vom 19. 6. 1941 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 208). 382 Eine Ausnahme bildete der Kreis Gandersheim. Der dortige Landrat veranlasste, dass die Bürgermeister seines Kreises die Friedhöfe der Kirchengemeinden „ohne weiteres“ übernehmen sollten. Ein irgendwie geartetes Mitsprache- oder Einspruchsrecht der Kirchengemeinden bestünde hierbei nicht. Vgl. Schreiben vom 31. 5. 1939 an Hoffmeister (LkAW FinAbt 153), daraus auch das Zitat. 383 Vom 22. 1. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 64). 384 Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 27. 2. 1941 (ebd., Bl. 72), daraus auch folgendes Zitat. 385 Vgl. Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 11. 2. 1941 (LkAW FinAbt 2). 386 Vgl. Hoffmeister an Röpke vom 7. 2. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 71). 387 Vgl. Röpke an Reichskirchenminister vom 14. 2. 1941 (ebd., Bl. 69); Röpke an Reichskirchenminister vom 3. 4. 1941 (LkAW FinAbt 127).

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schwerden zu einem ernsthafteren Einschreiten des Reichskirchenministeriums. Unterdessen hatte sich auch die Kirchenkanzlei eingeschaltet, die die Zahl der Bevollmächtigten in der braunschweigischen Landeskirche als „unverhältnismässig hoch“388 beurteilte. Bei den Grundsatzbesprechungen Dieckmanns in Wolfenbüttel am 6. / 7. Juni 1941 wurde die Frage der Bevollmächtigten daher eingehend behandelt.389 Der Erlass des Reichskirchenministers vom 30. Juni 1941, der aus den Besprechungen resultierte, markierte einen Einschnitt im Bevollmächtigtenwesen.390 Er bestimmte: Bevollmächtigte, „insbesondere für die gesamte Vermögensverwaltung“, dürften nur eingesetzt werden, wenn „ganz besondere Gründe gegeben“ seien – entsprechend den in der 15. Durchführungsverordnung und dem Erlass vom 21. Juli 1939 getroffenen Regelungen. Fielen die Gründe weg, müsse auch der Bevollmächtigte abberufen werden. Daher sollten die bestehenden Bevollmächtigungen auf ihre Grundlage geprüft werden. Von Neubestellungen sei „das Landeskirchenamt unter Angabe der Gründe alsbald zu unterrichten.“ Außerdem sollte die Finanzabteilung eine neue Dienstanweisung für die Bevollmächtigten aufstellen. Bei der Personalauswahl, so der Reichskirchenminister, sei darauf zu achten, dass keine Personen bestellt würden, die der Kirche nicht angehörten oder bei denen durch ihre FA-Tätigkeit Interessenkollisionen entstehen könnten (problematisch seien etwa Bürgermeister hinsichtlich der Kommunalisierung der Friedhöfe). In der Frage der Friedhofsübertragungen gab der Reichskirchenminister den Forderungen Röpkes nach: Eine Überführung sei nur im Einvernehmen mit den Kirchenorganen zulässig – es erwies sich aber in der späteren Praxis, dass einvernehmliche Lösungen nur selten gefunden werden konnten; der Bevollmächtigte übertrug weiterhin im Zweifelsfall den Friedhof, die Friedhofskasse und die Friedhofsverwaltung eigenmächtig der politischen Gemeinde. Die Streitigkeiten in dieser Frage hielten daher an.391 Insgesamt sollen etwa 40 Friedhöfe in der braunschweigischen Landeskirche an die Kommunen überführt worden sein.392 Der Erlass zwang Hoffmeister, sein Vorgehen bezüglich der BevollmächFürle an Reichskirchenminister vom 14. 2. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 67). Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 11. 6. 1941 (ebd., Bl. 1 – 8, hier Bl. 5, 7). Der Erlass findet sich in LkAW FinAbt 90, daraus auch die folgenden Zitate. Verkompliziert wurde die Angelegenheit dadurch, dass häufig der Grundbesitz, auf dem die kirchlichen Friedhöfe lagen, den politischen Gemeinden gehörte und nur die Verwaltung bisher von den Kirchengemeinden geführt wurde. Reichskirchenminister Kerrl bestimmte daher im Oktober 1941, dass diejenigen Friedhöfe, die im kirchlichen Eigentum stünden, während des Krieges nicht gegen den Willen der Kirchengemeinden angetastet werden sollten, während bei den übrigen die Verwaltung an die politischen Gemeinden überführt werden könnte, Erlass vom 16. 10. 1941 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 69). 392 Vgl. exemplarisch die Vorgänge in LkAW LKA 2504. Vgl. auch den Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459); ferner die allerdings skandalisierende Darstellung in Beitr•ge, 161 – 164; außerdem Palmer, Material, 113; Darstellung Breusts vom 13. 2. 1949 (LKAW LKA 2559, Bl. 98 f.).

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tigten einer Revision zu unterziehen. Zunächst hatte er die Dienstanweisung vom 27. Januar 1939,393 die als ungenügend empfunden worden war, einer Präzisierung zu unterziehen. Die Neufassung wurde am 25. Oktober 1941 im Landeskirchlichen Amtsblatt veröffentlicht.394 Für die Bevollmächtigten änderte sich vor allem, dass sie nunmehr in viel stärkerem Maße angewiesen wurden, Fühlungnahme mit den Kirchengemeindeorganen zu halten, selbst bei Angelegenheiten auf rein vermögensrechtlichem Gebiet. Dennoch war die Dienstanweisung kaum geeignet, die Zustände zu entspannen, denn das größte Problem war, dass den Gemeinden ohne triftige Gründe Bevollmächtigte verordnet wurden. Doch auch das sollte ja mit dem Erlass vom 30. Juni 1941 geändert werden. Gedacht war an umfangreiche Abberufungen von ungerechtfertigt eingesetzten Bevollmächtigten. Bis Oktober 1941 wurden tatsächlich immerhin etwa 25 Bevollmächtigte abberufen; weitere Abberufungen waren in Aussicht gestellt.395 Damit war die Trendwende eingeläutet. Mitte 1941, auf dem absoluten und kurzzeitigen Höhepunkt des Bevollmächtigtenwesens, gab es offenbar 241 Bevollmächtigte für 371 Gemeinden.396 Dieser Wert war erst im Sommer 1941 erreicht worden. Von den insgesamt gut 400 Gemeinden der Landeskirche hatten damit fast alle einen Bevollmächtigten; die Finanzabteilung hatte zu diesem Zeitpunkt ihr Ziel einer flächendeckenden Übernahme der ortskirchlichen Vermögensverwaltung nahezu erreicht. Seit August 1941 aber war die Anzahl der Bevollmächtigten in der braunschweigischen Landeskirche rückläufig.397 Die weiteren Kontroversen um die Bevollmächtigten drehten sich vor allem darum, wie schnell und umfassend ihr Abzug erfolgen sollte; denn bald schon kamen die Abberufungen ins Stocken. Für den Sommer 1942 liegen Zahlen vor, nach denen bis dahin 183 Bevollmächtige für 322 Gemeinden verblieben waren.398 Innerhalb eines Jahres waren lediglich etwa 60 Bevollmächtigte abgezogen worden. 393 394 395 396

LkAW FinAbt 69. LkABl., 1941, 36 f. Vgl. Vermerk Stahns vom 11. 10. 1941 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 295). Diese Zahlen beruhen auf Cölles Protokoll vom 12. 5. 1944 zu den Gesprächen am 4. 5. 1944 in Celle (EZA 1/1611) und beziehen sich auf eine Aussage Hauggs. 397 Siehe zu dieser Entwicklung auch die einschlägigen Bestände im Staatsarchiv Wolfenbüttel, wo sich anhand der Akten der Landratsämter die jeweiligen Trends ablesen lassen: StAW 129 Neu Fb. 2 Nr. 4333; StAW 127 Neu Nr. 3312; StAW 91 N Nr. 115. 398 Laut einem Vermerk vom 8. März 1945 wurden diese Zahlen am 15. August 1942 erreicht (LkAW FinAbt 2). Die Zahlen decken sich recht gut mit einem Bericht, die Finanzabteilung hätte von Oktober 1941 bis Oktober 1942 die Bevollmächtigten aus 50 weiteren Gemeinden (zuzüglich der vorherigen 25) abberufen, vgl. die Liste der Finanzabteilung vom 21. 10. 1942 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 187). Bei aller Schwierigkeit, die Zahlen für die Bevollmächtigten der Finanzabteilung in Wolfenbüttel über den Lauf der Zeit präzise zu bestimmen, scheinen die Zahlen also durchaus plausibel zu sein. In dem Vermerk vom 8. März 1945 wird die Zahlenangabe für den Sommer 1942 mit der

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Die Abberufungen waren indes eine durchaus sensible Angelegenheit, schließlich hatte die Finanzabteilung bewusst die Bevollmächtigtenämter mit kommunalpolitisch einflussreichen Persönlichkeiten versehen, die vielfach der NSDAP angehört haben dürften.399 Diese wollte man nun nicht einfach brüskieren. Dennoch: langsam aber stetig verringerte sich die Zahl der Bevollmächtigten.400 Im Mai 1944 waren noch 108 Bevollmächtigte in der braunschweigischen Landeskirche im Amt.401 Röpke ging der Abzug nicht schnell genug – es waren in den vergangenen beinahe zwei Jahren lediglich weitere ca. 80 Bevollmächtigte abberufen worden. Der Stellvertreter des Landesbischofs bemängelte daher bei der Besprechung in Celle am 4. Mai 1944, dass die Abberufungen nicht „durchgreifend durchgeführt“402 würden; es sei „bis jetzt nichts wesentliches geschehen“403. Das war allerdings ein hartes Urteil, immerhin waren seit 1941 über 130 Bevollmächtigte abberufen worden.404 Landgerichtsrat Haugg plädierte in Celle dafür, dass „Abberufungen in grösserem Umfang erfolgen“ müssten, es seien systematisch diejenigen Bevollmächtigten abzuberufen, die „in finanziell und politisch unbedenklichen Gemeinden eingesetzt seien.“405 Es wurde daher vereinbart, dass die Finanzabteilung innerhalb eines Vierteljahres dem Landeskirchenamt mitteilen sollte, welche Bevollmächtigten bereits abberufen worden seien und welche noch abberufen würden. Außerdem sollte sie eine Liste über die noch verbliebenen Bevollmächtigten einreichen, damit das Landeskirchenamt auf dieser Grundlage

399 400 401 402 403 404 405

Feststellung verbunden, dies sei die Höchstzahl an Bevollmächtigten in der Landeskirche gewesen. So stimmig die Zahlenangabe für sich genommen ist, so unplausibel ist die Annahme, dies könnte der Höchstwert an Bevollmächtigten gewesen sein. Dies widerspräche der ganzen sonstigen Quellenlage. Die Höchstzahlen müssen im Sommer 1941 erreicht worden sein. Kuessner, Überblick, 145, übernimmt die Angaben aus dem genannten Vermerk und nimmt so ebenfalls irrtümlich an, die Höchstzahl der Bevollmächtigten sei 1942 erreicht worden und zwar in Höhe der dort angegeben Anzahl. Die Angaben aus Kuessner, Überblick, 145, übernimmt jüngst auch Bockisch, Finanzen, 545. Palmer, Material, 116, berichtet von 188 Bevollmächtigten, einer Höchstzahl, der sich Meier, Kirchenkampf III, 416, anschließt. Brunotte, Finanzaufsicht, 63, geht ebenfalls von falschen Zahlen aus und meint, 2/3 der Kirchengemeinden (also ca. 270) seien mit Bevollmächtigten versehen worden. Vgl. zu dem Einfluss der NSDAP in den Kommunen: Gruner, Kommunen. Vgl. die Mitteilungen der Finanzabteilung über Abberufungen im Jahre 1943 in LkAW FinAbt 2. Vgl. zu der Zahl das Protokoll Cölles vom 12. 5. 1944 über die Ergebnisse der Celler Besprechung vom 4. 5. 1944 (EZA 1/1611). Vermerk Heuers vom 15. 5. 1944 (LkAW FinAbt 2). Protokoll Cölles vom 12. 5. 1944 über die Ergebnisse der Celler Besprechung vom 4. 5. 1944 (EZA 1/1611). Röpke selbst schrieb am 3. Juni 1944 an Marahrens, ein wesentlicher Teil der Bevollmächtigten sei bereits abberufen worden, „Die vorhandene Zahl – wohl gut Hundert – ist mir aber immer noch zu hoch“ (LkAH L 2 Nr. 7 Bd. IV). Protokoll Cölles vom 12. Mai 1944 über die Ergebnisse der Celler Besprechung vom 4. 5. 1944 (EZA 1/1611).

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seinerseits weitere Abberufungen beantragen könne.406 Die Bevollmächtigten sollten in einer Inventur erfasst und die Sache innerhalb kurzer Frist beendet werden. Röpke war hierbei durchaus zuversichtlich: „Ich habe nicht den Eindruck, dass der Vorsitzende der Finanzabteilung aus seiner Erfahrung heraus an der Aufrechterhaltung einer großen Zahl von Finanzbevollmächtigten noch besonders interessiert ist. In vielen Fällen haben diese Finanzbevollmächtigten doch versagt, weil ihnen sehr oft die erforderliche Sachkenntnis fehlte.“407

In der Tat gingen die Abberufungen in erheblicher Anzahl weiter.408 Der FAVorsitzende Westermann hatte hierfür ein neues System entwickelt: Beabsichtigte die Finanzabteilung einen Bevollmächtigten abzuziehen, verlangte sie zunächst vom Kirchenvorstand der betreffenden Gemeinde die Unterzeichnung eines Formblattes, in dem der Kirchenvorstand erklärte, er werde dafür Sorge tragen, „dass eine den öffentlichen Belangen entsprechende ordnungsmässige Verwaltung gewährleistet bleibt, dass größte Sparsamkeit beobachtet wird und dass die staatlichen und kirchlichen Bestimmungen eingehalten werden. Insbesondere verpflichten wir uns, die von der Finanzabteilung getroffenen Anordnungen und Maßnahmen jeder Zeit zu beachten. Wir werden es uns ferner angelegen sein lassen, mit der Finanzabteilung eng zusammenzuarbeiten.“409

Hatte der Kirchenvorstand dieses Dokument unterschrieben, was meist reibungslos geschah, wurde der Bevollmächtigte abberufen. Die verlangte Liste über die noch belassenen Bevollmächtigten blieb die Finanzabteilung hingegen lange Zeit schuldig. Erst nach mehrmaliger Ermahnung durch Röpke410 und der Besprechung mit Haugg im März 1945 übergab die Finanzabteilung dem Landeskirchenamt am 28. April 1945 eine entsprechende Aufstellung. Es waren, quasi mit Stand Kriegsende, noch genau 40 Bevollmächtigte für 82 Gemeinden verblieben.411 Am 28. Mai 1945, nach Ende des Krieges, wurden sämtliche Bevollmächtigte abberufen.412 Die Einsetzung eines Bevollmächtigten konnte für die einzelnen Kirchengemeinden eine große Not bedeuten. Viele Gemeinden und Pastoren fühlten sich durch ihre Bevollmächtigten drangsaliert. Als ein Beispiel soll nur der Fall des Bevollmächtigten in Calvörde aufgegriffen werden. Dieser wurde im Januar 1939 von der Finanzabteilung eingesetzt und löste schon bald Proteste seitens 406 407 408 409 410 411 412

Vgl. ebd; Vermerk Heuers vom 15. 5. 1944 (LkAW FinAbt 2). Röpke an Marahrens vom 3. 6. 1944 (LkAH L 2 Nr. 7 Bd. IV). Vgl. die Mitteilungen der Finanzabteilung in LkAW FinAbt 2; LkAW FinAbt 98. Ein solches Formblatt und diverse unterzeichnete Erklärungen finden sich in LkAW FinAbt 2. Vgl. ebd., die entsprechenden Schreiben. Liste ebd. Am 4. 5. 1945 reichte Heuer noch eine genauere Aufstellung nach (ebd.). LkAW LKA 2556.

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 371

des dortigen Pastors Waldemar Hille aus. Hille erreichte, dass auch Landeskirchenamt und Landesbischof sich bei der Finanzabteilung für die Abberufung des Bevollmächtigten einsetzten. Die Vorwürfe waren vielfältig: Der Bevollmächtigte verhalte sich respektlos, lasse das Eigentum der Kirche verkommen und verweigere die Auszahlung bestimmter Gelder. Als die Finanzabteilung dennoch an ihm festhielt, griff Hille zu einem besonderen Mittel des Widerstandes. Er prangerte den Bevollmächtigten nicht nur in einer Kanzelabkündigung an, sondern fasste mit dem Kirchengemeinderat den Beschluss, dessen Vollmachten nicht mehr anzuerkennen. In der Folge versuchte Hille, die Verfügungsgewalt über die Konten der Kirchengemeinde wieder zu übernehmen. Was er betrieb, war eine offene Rebellion gegen den Bevollmächtigten. Das konnte sich die Finanzabteilung nicht bieten lassen: Hoffmeister beantragte beim Landeskirchenamt ein Disziplinarverfahren gegen Hille. Das Landeskirchenamt konnte die Vorwürfe nicht einfach übergehen, leitete ein Verfahren ein und beurlaubte Hille. Er wurde wegen seiner Renitenz gegenüber dem Bevollmächtigten zudem vor einem NS-Sondergericht angeklagt, 1941 aber freigesprochen. Das Gericht mochte sich der Auffassung der Finanzabteilung nicht anschließen: Diese hatte argumentiert, eine gegen sie oder einen ihrer Bevollmächtigten gerichtete Aktion sei gleichbedeutend mit einer gegen den Staat gerichteten Handlung. Die vorläufige Amtsenthebung Hilles wurde von der Kirchenregierung nach dem Freispruch aufgehoben, das Dienststrafverfahren abgeschlossen – Hille wurde lediglich mit einer Warnung bedacht, der mildesten möglichen Sanktion. Nun ordnete der Reichskirchenminister an, den Bevollmächtigten abzuberufen – der Finanzabteilung war die Entwicklung aus den Händen geglitten. Hoffmeister wandte sich daher an die Gestapo, damit diese Hille einmal in politischer Hinsicht untersuchen möge. Wenn Hille nämlich, so Hoffmeisters Gedankengang, mit der kirchlichen Verwarnung und dem Freispruch vor dem Sondergericht davonkommen würde, obwohl er sich offen gegen die Finanzabteilung gewandt hatte, so könnte dieses Beispiel Schule machen und die Arbeit der Finanzabteilung erschweren. Die Gestapo und das Reichssicherheitshauptamt jedoch wollten den Fall nicht wieder aufrollen und maßen ihm keine grundsätzliche Bedeutung bei. In diesem Falle hatte der Widerstand Hilles gegen die Finanzabteilung letztlich Erfolg gehabt.413 In den meisten Gemeinden lief die Auseinandersetzung mit dem Bevollmächtigten weniger spektakulär ab. Entweder arrangierte man sich miteinander oder der kirchliche Protest beschränkte sich auf einzelne Maßnahmen der FA-Funktionäre.

413 Vgl. zu dem Vorgang insgesamt: LkAW LKA PA 405; LkAW LKA PA 404; LkAW FinAbt 17; BArch R 5101 / 23791, Bl. 1 – 10.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Neben den in diesem Abschnitt behandelten Finanzbevollmächtigten setzte die Finanzabteilung anfangs in seltenen Fällen Bevollmächtigte ein, die nur die Minderheitenversorgung und die politische Überprüfung der Kirchengemeinderatsmitglieder durchzuführen hatten.414 In einzelnen Fällen berief sie sogar Geistliche in diese Ämter. Es scheint diesen Typus von Bevollmächtigten nur eine gewisse Zeit gegeben zu haben, bevor deren Kompetenzen auf die üblichen Bevollmächtigten übergingen.

2.7.2. Finanzabteilung und Deutsche Christen: Minderheitenpolitik als Machtpolitik Die braunschweigische Finanzabteilung veranlasste vor allem auf zwei Gebieten Maßnahmen zugunsten der Deutschen Christen: In der Minderheitenversorgung und in der Frage finanzieller Unterstützungen. In der braunschweigischen Landeskirche war die Minderheitenversorgung durch Paragraph 11 der Kirchenverfassung vom 23. Januar 1922 geregelt.415 Hiernach konnte die Kirchenregierung dann eine geistliche Versorgung durch einen anderen als den zuständigen Pfarrer gestatten, wenn eine bestimmte Mindestzahl von Wahlberechtigten in einer Gemeinde dies beantragte. Die Finanzabteilung in Wolfenbüttel beschäftigte sich bis 1938 nicht mit Minderheitenfragen. Erst mit Muhs’ Erlass vom 3. September 1938 änderte sich die Lage; die Finanzabteilungen sollten nicht nur die Minderheitenregelungen der Kirchenleitung überwachen, sondern durften notfalls eigene Maßnahmen treffen.416 Hoffmeister besprach den Erlass mit Landesbischof Johnsen und der Pfarrabteilung und sah sich danach autorisiert, sich in die Minderheitenregelungen einzuschalten.417 In einem Rundschreiben an alle Kirchenvorstände vom 4. Oktober 1938 meldete er seine Ansprüche in der Minderheitenversorgung an.418 Zwar habe nach wie vor die Kirchenbehörde die Minderheitenregelungen zu treffen, doch erwarte er, dass diese den Wünschen der Minderheit entsprächen. Zugleich positionierte sich die Finanzabteilung in dem Rundschreiben als gewissermaßen letzte Instanz in Minderheitenfragen, die bei Schwierigkeiten zuständig sei. Die Minderheitenanweisung war einer der Auslöser für den Protest der oppositionellen Pfarrer vom 19. Oktober 1938: Die nicht bekenntnisgebundene Finanzabteilung, so der Vorwurf, eigne sich kirchenregimentliche Be414 Ein solcher Fall ereignete sich etwa in Blankenburg, siehe unten 374. 415 Amtsblatt des Braunschweigischen Landes-Konsistoriums, 1922, 4. Vgl. dazu auch Schmidt, Stellung, 105 f. 416 HStAH Hann. 122a Nr. 3619, Bl. 193 – 195 (Dokumente IV, 228 f.); siehe auch oben 107 f. 417 Vgl. Vermerk Hoffmeisters vom 4. 10. 1938 (LkAW FinAbt 3); Vermerk Johnsen, Röpke, Seebaß vom 21. 10. 1938 (LkAW LBF 141). 418 Das Schreiben findet sich in LkAW FinAbt 2.

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 373

fugnisse an, die nur einem bekenntnisgebundenen, geistlichen Kirchenregiment zustehen könnten.419 Die Probleme mit der Minderheitenversorgung in der braunschweigischen Landeskirche waren zunächst eher überschaubar. Recht reibungslos wurden Minderheitenregelungen zugunsten der Nationalkirchlichen Deutschen Christen in größeren Städten wie Braunschweig420, Helmstedt, Blankenburg, Bad Harzburg und Wolfenbüttel getroffen.421 Seit 1940 aber kam es zu vermehrten Eingriffen der Finanzabteilung in die Minderheitenversorgung. Sie war dazu übergegangen, nicht nur bei Schwierigkeiten als letzte, entscheidende Instanz aufzutreten, sondern von vornherein die gesamte Minderheitenregelung an sich und ihre Bevollmächtigten zu ziehen und selber durchzuführen. Die Kirchenregierung oder das Landeskirchenamt wurden dabei weder beteiligt noch auch nur über die getroffenen Maßnahmen unterrichtet.422 Hoffmeister berief sich darauf, dass er die Minderheitenversorgung mit Billigung der Kirchenleitung, nämlich nach Rücksprache mit Johnsen, an die Finanzabteilung gezogen habe.423 Das war für die Kirchenleitung nicht akzeptabel; Röpke meinte, die Minderheitenregelung sei Kirchensache – seiner Ansicht nach hatte die Finanzabteilung „nur die kirchlichen Gebäude zur Verfügung zu stellen außerhalb der üblichen Gottesdienstzeit der Gemeinde.“424 Denn auch die Grundsätze, die die Finanzabteilung bei der Minderheitenversorgung anlegte, entsprachen nicht den Vorstellungen Röpkes. Diese verfuhr nämlich so, grundsätzlich „Anträgen der Minderheiten […] in vollem Umfange zu entsprechen, da auch die Minderheiten denselben Anspruch auf kirchliche Versorgung“425 wie die Mehrheiten in den Gemeinden hätten. Daher hätten Minderheiten auch einen Anspruch darauf, dass ihre Gottesdienste zur Hauptgottesdienstzeit stattfänden und nicht immer auf Nebenzeiten gelegt würden.426 Hoffmeister meinte, sich mit seiner Minderheitenpolitik an dem Grundsatz der Toleranz zu orientieren, anders als die Kirchenleitung, die „vorher die Minderheitenregelung nicht mit der erforderlichen Toleranz durchgeführt“427 habe. Die Minderheitenregelung, so Hoffmeisters Überlegungen zu dem Thema, könne nicht gerecht durchgeführt werden, „wenn man sie in die Hände der Geistlichkeit legt, die mehr oder minder einseitig kirchlich orientiert ist, was die kirchlichen Richtungen anlangt.“ Die „Minderheitenfrage muss sich orga419 420 421 422 423 424 425 426 427

Siehe das Protestschreiben in BArch R 5101 / 23793, Bl. 89. Vgl. Kuessner, Stadtkirchen, 457. Vgl. Ders., Überblick, 159. Vgl. DEKK an Reichskirchenminister vom 10. 2. 1941 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 412 f.). Vgl. etwa Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 7.10. 1940 (ebd., Bl. 399). Röpke an Lachmund vom 21. 9. 1940 (LkAW PNB 7). Hoffmeister an Propst Kellner vom 18. 7. 1940 (LkAW S 155). Vgl. auch Röpke an Stahn vom 3. 1. 1941 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 414). Hoffmeister an DEKK vom 5. 8. 1940 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 25 f.), daraus auch die folgenden Zitate.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

nisch unter Gewährung gleicher Möglichkeiten für alle entwickeln können“ und „durch eine übergeordnete tatsächlich völlig neutrale Stelle“ durchgeführt werden – oder mit anderen Worten: „Für die Regelung der Minderheitenfrage müssten ausschliesslich unparteiische, neutrale und kirchenpolitisch nicht interessierte oder gebundene Stellen eingesetzt werden. Meines Erachtens“, so Hoffmeisters Schlussfolgerung, „kämen hierfür ausschliesslich die Finanzabteilungen in Betracht“428. Nach seiner Auffassung sollten daher auch die Minderheiten in ihren Veranstaltungen keine Kirchenpolitik betreiben.429 Ungeachtet seiner Beteuerungen lief Hoffmeisters Minderheitenpolitik de facto auf eine einseitige Unterstützung der Nationalkirchlichen Deutschen Christen hinaus. Diese konnten häufig zur Hauptgottesdienstzeit ihre „Gottesfeiern“ mit eigener Liturgie und eigenen Gesangbüchern430 durchführen. Zu größeren Auseinandersetzungen zwischen Kirchenleitung und Finanzabteilung kam es insbesondere wegen der Regelungen in Bad Harzburg431, Wolfenbüttel und Goslar (nachdem es 1942 an Braunschweig gekommen war)432. Als besonders problematisch hatte sich bereits seit 1938 die Lage in Blankenburg erwiesen. Der dortige DC-Pastor Friedrich Nümann war im Frühjahr 1938 von der Kirchenregierung nach Wieda im Harz zwangsversetzt worden. Er hatte daraufhin namens der Blankenburger Gemeinde eine Minderheitenversorgung durch ihn als Minderheitenpfarrer beantragt. Nachdem die Kirchenregierung dies im April 1938 abgelehnt hatte, sah Nümann im Oktober 1938 eine neue Chance, seinen Einflussbereich, nun mit Unterstützung der Finanzabteilung, auszudehnen. Tatsächlich setzte Hoffmeister am 10. November 1938 in Blankenburg einen Bevollmächtigten ein (den DC-Propst Adolf Kellner), der die Minderheitenregelung durchführen sollte. Eine Befriedung der Situation war damit nicht verbunden, die Minderheitenversorgung in Blankenburg blieb in den nächsten Jahren umstritten.433 Auch die Diskrepanzen in der Minderheitenfrage wurden von Röpke an das Reichskirchenministerium und die Kirchenkanzlei getragen. Dem Ministerium blieb gar nichts anderes übrig, als zugunsten der kirchlichen Stellen zu 428 Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 25. 8. 1941 (ebd., Bl. 342). 429 Vgl. Hoffmeister an Propst Kellner vom 18. 7. 1940 (LkAW S 155). 430 Breust hatte für die Deutschen Christen das Gesangbuch der Kommenden Kirche (der DCRichtung des Bischofs Weidemann aus Bremen) angeschafft, vgl. Kuessner, Gesangbuch, 95; Ders., Überblick, 153. 431 Vgl. hierzu bes. das entsprechende Material in BArch R 5101 / 23791, Bl. 394 – 404, 406, 409, 421; LkAW S 158; EZA 1/1457; auch Schyga, Bad Harzburg, 100 – 104. 432 Vgl. hierzu das entsprechende Material in LkAW S 158; auch DEKK an Reichskirchenminister vom 15. 1. 1945 (EZA 1/1607); Schyga, Kirche, bes. 93 – 139. 433 Vgl. zur Minderheitenversorgung in Blankenburg insgesamt das entsprechende Material in LkAW S 154; LkAW S 155; LkAW S 156; EZA 1/1457; BArch R 5101 / 23790, Bl. 270 – 275; BArch R 5101 / 23791, Bl. 423 – 439; BArch R 5101 / 23792, Bl. 301 – 303, 456 – 461. Vgl. zu Nümann insgesamt: LkAW FinAbt 82; LkAW FinAbt 86; Meier, Kirchenkampf III, 416; Ders., Christen, 250; Kuessner, Überblick, 140; Palmer, Material, 116 – 118.

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intervenieren, denn die Finanzabteilung setzte sich klar über den Erlass vom 3. September 1938 hinweg, indem sie die Minderheitenregelungen als ihre alleinige Aufgabe betrachtete434. Es ordnete Ende 1940/Anfang 1941 daher einige Richtlinien an, nach denen sich die Finanzabteilung zu richten habe: Sie müsse ihre Regelungen mit der Kirchenleitung abstimmen;435 auch dürften die Minderheitengottesdienste nicht ohne weiteres zu Lasten der regulären Gottesdienste auf die Hauptgottesdienstzeit gelegt werden.436Außerdem dürften, wenn Minderheitengottesdienste stattfänden, deshalb nicht die regulären Gottesdienste ausfallen437 – eine solche Regelung hatte die Finanzabteilung für Bad Harzburg verfügt. Eine grundsätzliche Entscheidung des Reichskirchenministeriums zur Minderheitenregelung in der braunschweigischen Landeskirche erfolgte am 21. April 1941. Die Beschwerden aus der Landeskirche waren nicht abgerissen, weil Hoffmeister immer noch davon ausging, die Minderheitenregelungen sollten „durch mich weitergeführt werden.“438 Kerrl stellte nun klar, dass „die Entscheidung darüber, ob und in welcher Form eine Minderheitenversorgung anzuordnen ist, in erster Linie Sache der Kirchenbehörde [ist]. Nur ausnahmsweise bei Fällen schwerer örtlicher Auseinandersetzungen sollen die Finanzabteilungen auf diesem Gebiete ohne vorausgehende Regelung der Kirchenbehörde selbst handeln. Auch dieses Vorgehen soll nur erfolgen, wenn vorher mit der Kirchenbehörde Fühlung genommen worden ist.“439

Hoffmeister musste seinen Kurs korrigieren. Am 28. April 1941 unterrichtete er die Bevollmächtigten darüber, dass die Finanzabteilung „auf dem Gebiete der Regelung der Minderheitengottesdienste zunächst nicht mehr tätig“440 werden solle. Die Hoheit über die Minderheitenregelungen lag nun wieder beim Landeskirchenamt. Es beseitigte in der Folge die privilegierte Stellung der Deutschen Christen, reagierte aber auf die deutsch-christlichen Forderungen gleichzeitig nicht übermäßig restriktiv. DC-„Gottesfeiern“ zur Hauptgottesdienstzeit etwa waren weiterhin üblich, wenn sie auch im Allgemeinen seltener stattfinden durften als zu FA-Zeiten. Für die Kirchenbehörde standen die Versorgung und die Bedürfnisse der Mehrheitsgemeinde im Vordergrund. Daher war sie auch für DC-Proteste gegen ihre Anordnungen unempfänglich. Das nahmen die Deutschen Christen zum Anlass, sich wiederum mit ihren Wünschen an die Finanzabteilung zu 434 Dies bekräftigt Hoffmeister unumwunden etwa in seinen Schreiben an die Kirchenkanzlei vom 10. 7. 1940, vom 31. 7. 1940 und vom 5. 8. 1940 (alle Schreiben in LkAW FinAbt 3). 435 Vgl. Vermerk Stahns vom 7. 11. 1940 (ebd.); Stahn an Hoffmeister vom 27. 11. 1940 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 124). 436 Vgl. Reichskirchenminister an FA- und LKA-Wolfenbüttel vom 24. 2. 1941 (LkAW S 155). 437 Vgl. Vermerk Stahns vom 7. 11. 1940 (LkAW FinAbt 3). 438 Hoffmeister an LKA vom 24. 3. 1941 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 420). 439 Ebd., Bl. 422. 440 LkAW S 155.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

wenden.441 Damit hatte diese die Möglichkeit, der Kirchenbehörde ungerechte Minderheitenregelungen vorzuwerfen, und eine Rechtfertigung, die Minderheitenregelungen wieder selbst vorzunehmen.442 Hierbei konnte die Finanzabteilung sich sogar auf das Reichskirchenministerium berufen, welches stets dabei geblieben war : „Nach dem […] Erlaß des Ministers von 1938, habe die Finanzabteilung, falls eine Einigung anders nicht zu erzielen sei, die Angelegenheit von sich aus zu regeln.“443 Auf diese Weise gelang es der Finanzabteilung, die Minderheitenregelungen im Laufe des Jahres 1942 wieder, wo sie es wollte, an sich zu ziehen. Die Minderheitenregelungen des Landeskirchenamtes, so begründete Hoffmeister sein Vorgehen, hätten zu Unzuträglichkeiten geführt, so dass „die Finanzabteilung im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung die Regelung wieder ansich [sic] genommen hat. So wird in Zukunft auch für den gesamten Bereich der Landeskirche hiernach verfahren.“444 Das Reichskirchenministerium ließ Hoffmeister gewähren, inzwischen hielt dort Muhs die Zügel in der Hand. Zwar wies es auf die Beachtung früherer Erlasse hin,445 nicht jedoch auf denjenigen vom 21. April 1941, in dem die Finanzabteilung am deutlichsten zurechtgewiesen worden war. Ansonsten verweigerte das Reichskirchenministerium zunächst ein weiteres Eingreifen in der braunschweigischen Minderheitenfrage. Begleitet wurde die Finanzabteilung bei ihrem Vorgehen von anhaltenden Protesten des Landeskirchenamtes. Bei einer Besprechung mit Haugg am 4. Juni 1943 wurde ein Übereinkommen erzielt, nach dem wieder das Landeskirchenamt die Minderheitenregelungen vornehmen sollte; allerdings sollten bestimmte bestehende Regelungen der Finanzabteilung unangetastet bleiben.446 Wo das Landeskirchenamt eigene Minderheitenregelungen erließ, musste es allerdings damit rechnen, dass die Finanzabteilung diese aushebelte und durch eigene Anweisungen ersetzte. Die Frage der Zuständigkeit für die Minderheitenregelungen war somit bis Kriegsende umstritten, de facto jedoch zugunsten der Finanzabteilung entschieden.447 441 Vgl. beispielsweise Nümann an Hoffmeister vom 4. 11. 1941 (ebd.). 442 Vgl. etwa Hoffmeister an den Bevollmächtigten von Blankenburg vom 13. 12. 1941 (ebd.). 443 Vermerk Stahns vom 11. 10. 1941 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 269); vgl. auch den FA-Vermerk vom 13. 10. 1941 (LkAW FinAbt 74), wo festgehalten wurde, Stahn habe erklärt, die Finanzabteilung könne sich dann einschalten, „wenn sonst Schwierigkeiten entstünden.“ 444 Schreiben an den Reichskirchenminister vom 29. 6. 1942 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 436). 445 Vgl. Reichskirchenminister an Hoffmeister vom 17. 7. 1942 (ebd., Bl. 437). 446 Vgl. Vermerk Westermanns zu der Besprechung (LkAW FinAbt 155). 447 Auseinandersetzungen zwischen Finanzabteilung und Landeskirchenamt gab es auch in der Frage, wer darüber zu entscheiden habe, ob und unter welchen Bedingungen evangelische Kirchengebäude den Katholiken für ihre Gottesdienste überlassen werden könnten – besonders im Umfeld der Hermann-Göring-Werke und anderer Industrieneuansiedlungen war dies eine aktuelle Frage. Auch hier konnte sich die Finanzabteilung, jedenfalls bis Herbst 1944, durchsetzen. Vgl. dazu Flammer, Nationalsozialismus, bes. 174 – 178, 193 f.; BArch R 5101 / 23791, Bl. 106 – 110; BArch R 5101 / 23793, Bl. 242 – 257.

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Die Deutschen Christen erhielten von der Finanzabteilung auch finanzielle Zuwendungen. Die DC-Markgemeinde Braunschweig etwa bekam seit 1941 jährlich einen Zuschuss von 1000 RM für ihre Arbeit, seit 1944 noch 500 RM.448 Auch weitere DC-Untergliederungen und Organisationen erhielten Unterstützungsgelder von der Finanzabteilung.449 Diese gewährte die Leistungen jedoch nicht, ohne Röpke um Einverständnis gebeten zu haben und versorgte die Deutschen Christen nicht eigenmächtig mit Mitteln. DC-Kirchensteuersonderkonten wurden in der braunschweigischen Landeskirche nicht eingerichtet. Es hatte zwar entsprechende Anträge der DCGemeinden in Braunschweig, Blankenburg und Goslar gegeben, und Hoffmeister hatte das Reichskirchenministerium sogar um Zustimmung zur Einrichtung solcher Sonderkonten gebeten, weil die Anträge aus dem gerechtfertigten Misstrauen der Minderheit gegen die Kirchenleitung erwachsen wären.450 „Grundsätzlich“ allerdings, so Hoffmeister, „bemerke ich hierzu, dass ich im Interesse der Einheit der kirchlichen Finanzverwaltung und der Sicherung der Ordnung der kirchlichen Finanzen die Errichtung solcher Sonderkonten nicht begrüsse, da hierdurch nur eine Zersplitterung der finanziellen Verhältnisse eintritt.“451

Er wollte das Problem von vornherein umgehen: Mit einer eigenen FA-Minderheitenpolitik sollte bei den Deutschen Christen gar nicht erst das Bedürfnis nach speziellen Sonderkonten aufkommen. Im Oktober 1941 verfügte das Reichskirchenministerium, dass in der braunschweigischen Landeskirche keine Kirchensteuersonderkonten eingerichtet werden sollten, da dies bisher nicht geschehen sei und während des Krieges eine Änderung der Praxis nicht zweckmäßig wäre.452 Hoffmeister hatte kein Interesse an der religiösen oder theologischen Dimension der Deutschen Christen. Seine Unterstützung galt nicht ihrer Sache. Die Finanzabteilung betrachtete er tatsächlich als kirchenpolitisch neutrale Instanz in der Landeskirche.453 Er beanspruchte dennoch mit großer Vehemenz die Zuständigkeit für die Minderheitenversorgung in der braunschweigischen Landeskirche,454 weil dies ein weiteres Feld war, auf dem er die 448 Siehe LkAW S 157; ferner BArch R 5101 / 23790, Bl. 209 – 211. 449 Beispielsweise erhielt die Landesgemeinde Hannover der Nationalkirchlichen Einung 1939 von Hoffmeister für ihre Arbeit in der braunschweigischen Landeskirche 2000 RM an Zuschüssen (vgl. LkAW S 154), die DC-Markgemeinde Blankenburg erhielt 1940 750 RM (vgl. LkAW S 155). 450 Vgl. Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 8. 8. 1941 und vom 25. 8. 1941 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 264, 342). 451 Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 25. 8. 1941 (BArch R 5101 / 23790, Bl. 342). 452 Vgl. Vermerk Stahns vom 11. 10. 1941 (ebd., Bl. 341); FA-Vermerk vom 13. 10. 1941 (LkAW FinAbt 74). 453 Vgl. auch Hoffmeister an Werner vom 26. 2. 1940 (LkAKA GA Nr. 7144). 454 In dem Geschäftsverteilungsplan vom 20. Mai 1939 wurde die Regelung von Minderheitenangelegenheiten sogar in das Referat des Vorsitzenden gebracht.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

Kirchenleitung entmachten und die Finanzabteilung aufwerten konnte. Es ging Hoffmeister ausschließlich um den Machtzuwachs und um den Hegemonialanspruch der Finanzabteilung gegenüber der Landeskirchenleitung, der sich auf dem Gebiet der Minderheitenversorgung demonstrieren ließ. Dass die FA-Maßnahmen in der Minderheitenfrage einseitig zugunsten der Deutschen Christen ausfielen, ist mit politischen Gründen erklärbar ; die Deutschen Christen galten als staatsnah, die Bekennende Kirche als staatsfeindlich. Hoffmeisters Haltung war jedoch nicht paradigmatisch für die Finanzabteilung. Andere einflussreiche FA-Mitglieder oder Mitarbeiter sympathisierten weit stärker mit den Deutschen Christen.455 Cölle ist zu nennen, daneben der im Laufe der Zeit immer einflussreicher werdende Kirchenverwaltungsrat Heuer, außerdem Oberlandeskirchenrat Breust, der bis 1945 Mitglied der Deutschen Christen war, sowie Streck, nach eigenen Angaben von 1941 bis 1943 DC-Mitglied.456 Die Deutschen Christen (besonders diejenigen nationalkirchlicher Richtung) wurden durch die Maßnahmen der Finanzabteilung erheblich gestärkt, obwohl sie in der Landeskirche spätestens seit den späten dreißiger Jahren keine größere Bedeutung mehr hatten.457 In den Kirchengemeinden hätten sie sich ohne die FA-Privilegierung kaum in dem Maße durchsetzen können, wie dies letztlich geschah. In DC-fernen kirchlichen Kreisen wurde daher dieser Eingriff der Finanzabteilung als besonders schmerzlich empfunden.

2.8. Finanzabteilung und Staat 2.8.1. Finanzabteilung und Judenverfolgung: Die Adaption der staatlichen Politik in der Kirche Die Finanzabteilung befand sich in der „Judenfrage“ auf einem staatskonformen Kurs. Aus dem von Staat und Partei zur Maxime erhobenen Antisemitismus leitete sie praktische Folgerungen für die braunschweigische Landeskirche ab. 455 Vgl. Kuessner, Überblick, 158 f. 456 Vgl. Streck an Berufungs-Entnazifizierungsausschuss der Landeskirche vom 28. 4. 1947 (LkAW LKA 805). 457 Vgl. Meier, Kirchenkampf III, 416; Palmer, Material, 116. Vgl. zu den braunschweigischen Deutschen Christen außerdem: Meier, Christen, 190 f.; Kuessner, Bischof der Mitte, 37 – 39; Ders., Überblick, passim; Meier, Kirchenkampf III, 414, 416 f. Die Deutschen Christen verfügten spätestens seit 1936 auch in der Pfarrerschaft über keine breite Basis mehr. 1936 sollen sich noch etwa 20 Pfarrer den Deutschen Christen zugehörig gefühlt haben. Die Zahl nahm jedoch noch weiter ab. Zudem waren die Deutschen Christen internen Spaltungen unterworfen.

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Finanzabteilung und Staat

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Akut wurde das Thema durch zwei im Dienst der braunschweigischen Landeskirche stehende Pfarrer, die wegen ihrer jüdischen Mütter dem NSRegime und der Finanzabteilung als „Mischlinge“ galten. Bis November 1938 hatten Alfred Goetze und Albert Niemann ohne größere Probleme amtieren können.458 Doch am Tag nach der Reichspogromnacht ergriff Hoffmeister die Initiative und ließ Goetze und Niemann telefonisch die weitere Ausübung ihres pfarramtlichen Dienstes untersagen. An Johnsen schrieb er, durch die „Ermordung des Gesandtschaftsrats vom Rath in Paris durch einen Juden ist eine erhebliche Erregung der Bevölkerung eingetreten.“459 Er befürchte mögliche Übergriffe aus der Bevölkerung auf die Kirchengebäude Goetzes und Niemanns. Johnsen oder Röpke hatte er vorab nicht über „diese vorsorglichen Massnahmen“ informiert, da er sie als besonders eilbedürftig einschätzte und keinen der beiden erreichen konnte. Hoffmeister war nun auf das Thema aufmerksam geworden und unternahm daher bald einen Vorstoß in Berlin, um die Einführung eines allgemeinen „Ariernachweises“ für Pastoren zu erreichen – eine für ihn „im nationalsozialistischen Staate selbstverständliche[.] Angelegenheit“460 : „Die Tatsache, dass im Bereich der braunschw. Landeskirche noch bis jetzt nichtarischen oder nichtarisch-versippten Geistlichen die Möglichkeit zur Amtsausübung gegeben ist“, habe zu Beanstandungen geführt und könne „insbesondere bei der jetzigen Lage auf keinen Fall mehr verantwortet werden.“461 Das Reichskirchenministerium gab Hoffmeisters Anfrage an die Kirchenkanzlei weiter. Diese wiederum verhielt sich hinhaltend und stellte in Aussicht, eine reichsweite Regelung zu treffen.462 Dazu aber kam es nicht. Dennoch gab das braunschweigische Landeskirchenamt am 1. Juni 1939 Hoffmeisters Forderung nach und verlangte von allen Geistlichen, einen „Ariernachweis“ für sich und ihre Ehefrauen vorzulegen.463 Unterdessen sorgte die unklare Lage Goetzes und Niemanns in der braunschweigischen Landeskirche für Unruhe. Bei Niemann ließ sich ein Kompromiss finden, der mit dessen Pensionierung zum 1. November 1939 endete; doch im Fall Goetze gestaltete sich die Angelegenheit schwieriger. Bewegung in den Vorgang kam im September 1939. Da Hoffmeister von der Wehrmacht in Anspruch genommen war, lag die Angelegenheit auf FA-Seite 458 Der am 12. September 1933 eingeführte „Arierparagraph“ (LkABl., 1933, 47 f.) war auf die beiden, weil sie sogenannte „Mischlinge“ waren, nicht anwendbar. Vgl. zu den beiden Pastoren und dem „Arierparagraphen“: Lindemann, Typisch, 606 – 636, 826 f.; Rçhm, Juden 3/1, 316 – 340; Gerlach, Zeugen, 318 f.; Kuessner, Überblick, 146 f., 166; Ders., Palmer, 253 – 256; Palmer, Material, 76 – 79; Kuessner, Stadtkirchen, 486 – 495. Aus der Literatur auch, wenn nicht anders ausgewiesen, das Folgende. 459 Hoffmeister an Johnsen vom 10. 11. 1938 (EZA 1/1321), daraus auch folgendes Zitat. 460 Hoffmeister an DEKK vom 13. 3. 1939 (LkAW FinAbt 80). 461 Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 28. 11. 1938 (ebd.). 462 Vgl. Rundschreiben der DEKK vom 13. 5. 1939 (ebd.; Quellen IV, 442 f.). 463 LkAW FinAbt 103.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

bei Cölle. Der forderte, „dass die Kirchenregierung unverzüglich die gesetzliche Grundlage schaffen muss, um den Halbjuden Pfarrer Goetze in den Ruhestand zu versetzen.“464 Ein weiteres Amtieren Goetzes führe nach seiner Überzeugung „mit absoluter Gewissheit zu einer erheblichen Zahl in meinen Augen durchaus berechtigter Kirchenaustritte“465. Es bestehe „die dringende Gefahr, dass […] die nationalsozialistische Bevölkerung mit allen Mitteln gegen eine derartige Provokation einschreiten wird.“ Es „wird das Volk zur Selbsthilfe greifen“, warnte er. Wenn die kirchliche Verwaltungsbehörde für solche Gefahren kein Gefühl habe, „so halte ich mich dafür verpflichtet“, so Cölle, „für das Ansehen der Kirche, das schon wegen der säumigen Erledigung der Judenfrage genug gelitten hat, in eine der nationalsozialistischen Auffassung entsprechenden Weise einzutreten.“ Ihm schwebte als Lösung die hannoversche Regelung von 1937 vor, die es ermöglichte, in besonderen Fällen Pastoren in den Ruhestand zu versetzen. Der Druck der Finanzabteilung hatte Erfolg, bald legte das Landeskirchenamt einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, der am 8. Dezember 1939 von der Kirchenregierung verabschiedet wurde.466 Aufgrund des neuen Gesetzes beschloss die Kirchenregierung rasch die Versetzung Goetzes in den einstweiligen Ruhestand zum 1. Februar 1940. Die Pensionierung Goetzes verzögerte sich jedoch, da dieser sich wehrte und die Kirchenkanzlei eingeschaltet wurde, ganz erheblich; letztlich bis ins Frühjahr 1941.467 Die Vorgänge zeigen, dass es in der braunschweigischen Landeskirche die Finanzabteilung war, die zunächst die Initiative ergriff, um die „nichtarischen“ Pastoren aus dem Dienst zu drängen, und die Finanzabteilung war es auch, die stets auf den Vollzug dieser Maßnahme drängte. Die Kirchenleitung allerdings musste die Schritte vollziehen und das tat sie auch. Seit dem Frühjahr 1939 plädierte Hoffmeister für einen generellen Ausschluss von getauften Juden aus der Kirche. Einige DC-Landeskirchen hatten Anfang 1939 entsprechende Regelungen erlassen und Hoffmeister forderte nun von der Kirchenleitung, diese möge ebenfalls tätig werden.468 Röpke fragte daraufhin bei der Kirchenkanzlei an, ob eventuell eine einheitliche Regelung dieser Frage geplant wäre. Als die Antwort der Kirchenkanzlei jedoch auf sich warten ließ und Röpke im Alleingang nichts unternehmen wollte, wandte sich Hoffmeister mit seinem Anliegen an den Reichskirchenminister. Er führte aus: Cölle an Reichskirchenminister vom 30. 9. 1939 (LkAW FinAbt 163). Cölle an DEKK vom 30. 9. 1939 (ebd.), daraus auch die folgenden Zitate. LkABl., 1939, 61. 1941/42 strengte Goetze im Nachgang zu seiner Pensionierung ein Gerichtsverfahren gegen die Landeskirche an, welches jedoch für ihn mit einer Niederlage endete. Der Rechtsanwalt der Landeskirche war in diesem Verfahren der Vater Ludwig Hoffmeisters, Willy Hoffmeister, siehe die Unterlagen in LkAW FinAbt 79. 468 Vgl. Hoffmeister an Johnsen vom 4. 3. 1939; und Hoffmeister an Pfarrabteilung vom 28. 3. 1939 (beide Schreiben in LkAW S 1646).

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„Ich bin der Auffassung, dass nach den für das 3. Reich massgebenden rassischen Gesichtspunkten eine weitere Zugehörigkeit von Juden zur Evang. Kirche untragbar ist und mit nationalsozialistischem Volksempfinden daher unvereinbar ist. Ich halte es daher für erforderlich, dass eine generelle Regelung erfolgt, wie dies z. B. für Sachsen und Thüringen geschehen ist, wonach Juden nicht mehr als Angehörige der Kirche behandelt werden können.“469

Wenn die Kirche von sich aus nicht zu der gewünschten Regelung käme, so meinte Hoffmeister, müsste diese vom Ministerium in Berlin verordnet werden. Sein Vorstoß blieb indes folgenlos; die Kirchenkanzlei lehnte die von Hoffmeister gewünschte Regelung ab470 und das Reichskirchenministerium ignorierte Hoffmeisters diesbezügliche Anfragen.471 1942 konnte Hoffmeister allerdings eine Anordnung durchsetzen, nach der von (getauften) Juden472 keine Kirchensteuer mehr erhoben werden sollte, „da Juden nicht Angehörige der braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche sein können“473 – die Regelung erfolgte offenbar in Absprache mit Hannover, wo eine inhaltsgleiche Anordnung erging. Für Hoffmeister lag der Fall folgendermaßen: „Diese Anordnung stellt eine dem nationalsozialistischen Staat selbstverständliche Regelung dar, zu deren Notwendigkeit eine nähere Begründung überflüssig sein dürfte […] Ich nehme an, dass inzwischen auch in der Kirche sich der Standpunkt durchgesetzt haben sollte, dass Juden als äusserhalb [sic] der Volksgemeinschaft stehende Menschen auch von der Kirche nicht mehr betreut werden dürfen. Ob auf dem Gebiete von Kultus und Bekenntnis die Kirche eine entsprechende Regelung treffen will, muss ihr überlassen bleiben. Für die Finanzabteilung jedenfalls ist es auf die Dauer untragbar, getaufte Juden als gleichberechtigt mit den anderen Kirchenangehörigen behandeln zu müssen.“474

Hoffmeister hatte den Ausschluss getaufter Juden aus der Landeskirche erreicht, wenn auch nur auf dem finanziellen Sektor. Die Kirchenleitung widersprach der Anordnung nicht. Im Frühjahr 1940 trat erstmals das Eisenacher „Entjudungsinstitut“ an die Finanzabteilung heran, um finanzielle Unterstützung zu erbitten.475 Hoffmeister war mit der Arbeit des Instituts nicht vertraut, dessen theologische Aufgabe auch nicht in seinem Interessengebiet lag. Er holte zunächst weitere 469 Schreiben vom 23. 5. 1939 (ebd.). 470 Vgl. Schreiben vom 11. 7. 1939 (ebd.). 471 Hoffmeister hatte am 19. Juli 1939 abermals an das Ministerium appelliert, von dort eine Regelung zum Ausschluss der getauften Juden zu veranlassen (ebd.). 472 Definiert nach der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. 11. 1935 (RGBl., 1935, 1333 f.), hier relevant der § 5. 473 Rechtsverbindliche Anordnung vom 16. 3. 1942 (LkABl., 1942, 24). 474 Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 12. 1. 1942 (BArch R 5101 / 23792). 475 Vgl. zu der ganzen Angelegenheit: LkAW S 1647, dort auch sämtliche angeführten Schreiben. Vgl. auch dazu Lindemann, Typisch, 278 Anm. 326.

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Informationen ein, bevor er sich am 26. Juni 1940 an das Landeskirchenamt wandte, um von dort eine Stellungnahme in der Sache einzuholen. Röpke seinerseits wollte einer Entscheidung offenbar ausweichen und fragte zunächst beim Reichskirchenministerium an, ob es von dort Weisungen gäbe. Dieses hatte gegen Zahlungen an das „Entjudungsinstitut“ grundsätzlich nichts einzuwenden, es müsse jedoch in der Frage Einvernehmen zwischen Finanzabteilung und Landeskirchenamt herrschen. Röpke, immer noch unentschlossen, antwortete daraufhin am 27. Juli 1940 Hoffmeister, er sei über die Tätigkeit des Instituts nicht ausreichend orientiert, daher könne er zu der Frage der finanziellen Unterstützung keine Stellung nehmen. Hoffmeister hakte nicht nach, sondern sagte dem Institut ab, denn ein Einvernehmen sei nicht zu erzielen. Dieses ließ jedoch nicht locker. Im November 1940 fragte es abermals bei Hoffmeister an, ob eine Zahlung nun möglich sei. Hoffmeister war zwar bereit, von sich aus Vortragsveranstaltungen des Instituts auf dem Gebiet der braunschweigischen Landeskirche finanziell zu unterstützen,476 ansonsten aber riet er dem „Entjudungsinstitut“, sich mit seinem Anliegen direkt an Röpke zu wenden. Für ihn war die Angelegenheit wegen ihrer vorwiegend theologischen Bedeutung eher nebensächlich. Eine Anfrage des „Entjudungsinstituts“ erreichte Röpke im Dezember 1940. Doch zu einer Stellungnahme war er nicht zu bewegen. Er gab die Anfrage des Instituts „zuständigkeitshalber“477 an die Finanzabteilung weiter ; Hoffmeister deutete das, offenbar nicht zu Unrecht, als Einverständnis Röpkes mit etwaigen Zahlungen. Anfang 1941 überwies er erstmals 1000 RM an das Eisenacher Institut. Der Zuschuss wurde fortan jährlich geleistet. Die limitierenden Faktoren bei Maßnahmen in der „Judenfrage“ waren für die braunschweigische Finanzabteilung das Reichskirchenministerium und vor allem die Kirchenkanzlei in Berlin. Die braunschweigische Kirchenleitung begegnete den FA-Vorstößen zumeist hinhaltend und indifferent, ein ernsthafter Widerspruch von dieser Seite erfolgte nicht.

2.8.2. Kirchliches Vermögen als Volksvermögen: Der Verkauf von kirchlichem Grundvermögen Ein besonderes Kennzeichen der Tätigkeit der braunschweigischen Finanzabteilung waren deren Eingriffe in das kirchliche Grundvermögen. Die Verfassung von 1922 bestimmte, die Vermögenswerte sowie das Gut der Landeskirche und ihrer Körperschaften seien „in ihrem Bestande zu erhalten und so zu benutzen, daß ihr dauernder Ertrag gesichert bleibt.“478 Auf Ebene 476 Vgl. LkABl., 1941, 9. 477 Röpke an FA-Wolfenbüttel vom 3. 1. 1940 (LkAW S 1647). 478 § 63 der Kirchenverfassung (Amtsblatt des Braunschweigischen Landes-Konsistoriums, 1922, 14).

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der Kirchengemeinden war für Grundstücksangelegenheiten in erster Linie der Kirchengemeinderat zuständig;479 er durfte nur „aus Rücksicht auf die kirchlichen Interessen“480 das Vermögen vermindern. Soweit die Gesetzeslage. 1940/41 begannen in der braunschweigischen Landeskirche Grundstücksverkäufe in größerem Stil.481 Die Veräußerungen erfolgten jeweils nach Kaufanfragen seitens verschiedener Interessenten, auf kirchlicher Seite war die Finanzabteilung für die Geschäfte verantwortlich. Als größte Kaufinteressenten traten die Braunschweigische Siedlungsgesellschaft sowie die Großdeutsche Umsiedlungsgesellschaft auf. Die Braunschweigische Siedlungsgesellschaft kaufte zum einen selbst kirchliche Grundstücke (etwa als Ersatzland bei öffentlichen Bauvorhaben), zum anderen agierte sie als Kaufvermittler, indem sie im Auftrag von Unternehmern, Landwirten, NS-Organisationen oder politischen Gemeinden, die aus öffentlichem Interesse Kirchenland erwerben wollten, mit der Landeskirche verhandelte sowie Gutachterfunktionen übernahm. Diese Doppelfunktion machte die Braunschweigische Siedlungsgesellschaft zu einem wichtigen Akteur im Kirchenlandverkauf. Die Großdeutsche Umsiedlungsgesellschaft GmbH kaufte nur aus einem Grund Ländereien: um Ersatzland zu beschaffen.482 Die Landeskirche war hierbei gewissermaßen die Leidtragende: Insbesondere für den Ausbau von Industrie und Infrastruktur wurde Land benötigt, das von Grundbesitzern, wie etwa Bauern, abgegeben werden musste. Den damaligen Grundsätzen entsprechend mussten diese Ersatzland erhalten. Im Bereich der braunschweigischen Landeskirche waren die Landbedürfnisse besonders groß, weil hier wichtige Industrien angesiedelt und ausgebaut wurden, etwa die Reichswerke Salzgitter, zu deren Unterstützung die Umsiedlungsgesellschaft gegründet worden war. Den größten Anteil an Ersatzland stellte das Land Braunschweig zur Verfügung, doch nach Auffassung der Siedlungsgesellschaften und der Finanzabteilung hatte auch die Landeskirche als großer regionaler Grundbesitzer ihren Anteil an der Bereitstellung von Ersatzland zu leisten. Umso mehr, als sie eine Körperschaft öffentlichen Rechts war und darum nach Auffassung der Großdeutschen Umsiedlungsgesellschaft zur Landabgabe auch rechtlich verpflichtet war. Doch nicht nur die beiden großen Gesellschaften wollten Kirchenland er479 Vgl. § 35 Abs. 4 der Kirchengemeindeordnung (ebd., 161). 480 § 49 der Kirchengemeindeordnung (ebd., 167). 481 Vgl. zu diesem Abschnitt eine Fülle an Einzelfällen, die ans Reichskirchenministerium getragen wurden, in BArch R 5101 / 23790; BArch R 5101 / 23791; BArch R 5101 / 23792; BArch R 5101 / 23793; mit instruktiven Übersichten den Vermerk des Oberstaatsanwalts vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459); ansonsten, wenn auch tendenziös, Beitr•ge, passim. 482 Von den insgesamt veräußerten 939,47 Hektar kirchlichen Landes erwarb die Großdeutsche Umsiedlungsgesellschaft 398,70 Hektar (42,5 % des insgesamt gehandelten Landes), die Braunschweigische Siedlungsgesellschaft kaufte selbst 173,48 Hektar (18,5 %). Bei den übrigen Käufern, die insgesamt 367,29 Hektar (39 %) Kirchenland erwarben, trat die Siedlungsgesellschaft bei einem Gutteil als Vermittler in Erscheinung. Vgl. zu den Angaben Beitr•ge, 12 f.

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werben. Es gab weitere Interessenten, die sich direkt an die Finanzabteilung wandten: Bürgermeister, die für öffentliche Bauvorhaben Kirchenland benötigten, oder auch die NS-Volkswohlfahrt, die etwa ungenutzte Pfarrhäuser kaufen wollte. Die Finanzabteilung unter Hoffmeister vertrat den Standpunkt, dass kirchlicher Grundbesitz dann zu veräußern wäre, wenn die Kaufanträge ein öffentliches Interesse geltend machten – denn öffentliches Interesse müsse auch kirchliches Interesse sein.483 Mit öffentlichen Belangen argumentierten indes die meisten Kaufinteressenten: Nicht nur bei der Beschaffung von Ersatzland oder wenn die öffentliche Hand aus irgendwelchen Gründen ein Grundstück erwerben wollte, sondern auch dann, wenn ein Betrieb sich vergrößern wollte oder ein Landwirt meinte, im Interesse der Volksernährung mehr Land zu benötigen. Ging ein entsprechender Kaufantrag ein, betrachtete die Finanzabteilung sich und ihre Bevollmächtigten dazu berechtigt, die Transaktionen ohne Fühlungnahme und sogar gegen den Willen der eigentlich zuständigen kirchlichen Stellen vorzunehmen. Die Finanzabteilung unternahm dabei keinen Versuch, den Landverlust der Landeskirche durch Tauschland oder den Ankauf von Ersatzflächen zu kompensieren (was sich in der Praxis wohl auch schwierig gestaltet hätte). Die Kirchenleitung war mit der ganzen Entwicklung nicht einverstanden. Sie bestritt der Finanzabteilung die Befugnis, unabhängig von kirchlichen Stellen Grundeigentum der Kirche zu veräußern. Die Frage wurde 1941 dem Reichskirchenministerium vorgelegt und von diesem in den Erlass vom 30. Juni 1941 aufgenommen.484 Es wurde bestimmt, dass die Finanzabteilung vor einem Grundbesitzverkauf dem Landeskirchenamt Gelegenheit zur Stellungnahme geben müsse. Widerspreche das Landeskirchenamt der Verkaufsentscheidung, so sei die Entscheidung des Reichskirchenministers einzuholen. In den meisten Fällen befolgte die Finanzabteilung die neuen Vorgaben und zog fortan das Landeskirchenamt routinemäßig bei beabsichtigten Landverkäufen hinzu; nur gelegentlich unterblieb dies. Ein Versuch Westermanns, das Landeskirchenamt 1943 bei den Grundstücksverkäufen weitgehend auszuschalten – ihm sollte nur noch „in besonders gelagerten Fällen“485 ein Einspruchsrecht zustehen – scheiterte in Berlin. Eine Lockerung des Erlasses vom 30. Juni 1941 kam für das Reichskirchenministerium nicht in Frage.486 Die Frage der Befugnisse beim Grundbesitzverkauf war damit seit Juni 1941 grundsätzlich geklärt. Inhaltlich aber lagen Landeskirchenamt und Finanzabteilung in der Bewertung häufig weit auseinander, wann ein Grundbesitz483 Zudem müsse ein solches Verhalten „von der Kirche als Körperschaft des öffentl[ichen] Rechts erwartet werden“, Westermann an Reichskirchenminister vom 6. 3. 1942 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 146). 484 BArch R 5101 / 23792, Bl. 23 f. 485 Westermann an Reichskirchenminister vom 18. 12. 1943 (BArch R 5101 / 23793, Bl. 32). 486 Vgl. Reichskirchenminister an Westermann vom 14. 3. 1944 (ebd., Bl. 33).

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verkauf angebracht sei und wann nicht. Die Finanzabteilung akzeptierte bei den meisten Kaufanträgen unkritisch das Vorliegen eines öffentlichen Interesses. Nur wenige Landverkäufe wurden von vornherein abgelehnt. Das Landeskirchenamt jedoch ging die Sache insgesamt sehr viel kritischer an und wollte stets genau prüfen. Es bestritt außerdem, dass die Kirche rechtlich dazu verpflichtet wäre, der Großdeutschen Umsiedlungsgesellschaft auf Antrag Ersatzland zu verkaufen. Dem Landeskirchenamt ging es um eine grundsätzliche Eindämmung der Landverkaufspraxis, deshalb votierte es häufig selbst dann gegen eine Veräußerung, wenn der betroffene Kirchengemeinderat bereits zugestimmt hatte. So hart die Auffassungen aufeinanderprallten, ließ sich doch bei manchen Verkaufssachen ein Einvernehmen herstellen – meist in dem Sinne, dass das Landeskirchenamt einem Verkauf zustimmte. Regelmäßig konnten die einzelnen Verkäufe allerdings nicht in Wolfenbüttel entschieden werden, da die Finanzabteilung für den Verkauf votierte, das Landeskirchenamt jedoch dagegen. Diese strittigen Angelegenheiten wurden dem Reichskirchenministerium zur Entscheidung vorgelegt. Die Finanzabteilung gab auch solche Fälle an das Ministerium weiter, in denen sie selbst einen Verkauf kritisch sah, die Ablehnung aber absichern wollte. Zunächst, bis Ende 1941, war das Ministerium gegenüber den Kaufanträgen häufig ähnlich kritisch wie die Kirchenbehörde. In solchen Fällen beugte sich die Finanzabteilung der ministeriellen Entscheidung und die Verkäufe wurden nicht durchgeführt. Ab 1942 dann gab das Ministerium grundsätzlich eher der Auffassung der Finanzabteilung den Vorzug. Fortan wurden verstärkt wieder Landverkäufe auch gegen den Protest der kirchlichen Stellen durchgeführt. Seit 1943, als Breust die Grundstücksabteilung der Finanzabteilung übernommen hatte, war die Tendenz zu bemerken, dass die Finanzabteilung zunehmend gegen Kaufanträge der Braunschweigischen Siedlungsgesellschaft votierte. Die Verkäufe wurden dadurch jedoch selten verhindert: Wenn die Siedlungsgesellschaft auf der Durchsetzung eines (angeblich) öffentlichen Interesses beharrte, den FA-Bescheid anfocht und deshalb das Reichskirchenministerium hinzugezogen wurde, entschied dieses im Regelfall, dass der Verkauf durchgeführt werden sollte. So gingen die Landverkäufe bis 1945 weiter, obwohl die Herausgabe kirchlicher Grundstücke für Ersatzlandzwecke seit November 1944 eigentlich ausgesetzt werden sollte.487 Auch in der Endphase des Krieges erfolgten indes nicht alle Landverkäufe gegen den Willen des Landeskirchenamtes und der örtlichen Kirchenstellen, sondern teilweise mit deren Einvernehmen. Eine besondere Brisanz gewannen die Verkäufe von kirchlichem Grundeigentum der braunschweigischen Landeskirche durch die unübersichtliche Verflechtung der daran hauptsächlich beteiligten Akteure. Dies galt in be487 Vgl. Reichskirchenminister an Westermann vom 23. 11. 1944 (BArch R 5101 / 23793, Bl. 310); auch Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft an Reichskirchenminister vom 15. 11. 1944 (ebd., Bl. 309).

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

sonderem Maße für das Verhältnis der Braunschweigischen Siedlungsgesellschaft zur Landeskirche. Die Gesellschaft wurde seit 1935 von Karl Hamer geleitet. Hamer war früher im Landeskirchenamt beschäftigt gewesen und mit starkem Groll aus diesem ausgeschieden.488 Ganz besondere Animositäten bestanden zwischen Breust und Hamer. Gleichzeitig saß Hoffmeister als ständiger Vertreter des Vorsitzenden (Ministerpräsident Klagges) im Aufsichtsrat der Braunschweigischen Siedlungsgesellschaft.489 Interessenkollisionen und persönliche Beweggründe könnten daher bei den Grundstücksverkäufen eine Rolle gespielt haben. Eine weitere pikante Note ist, dass bei vielen Grundstücksverkäufen der Vater Ludwig Hoffmeisters, Willy Hoffmeister, als Notar eingeschaltet wurde.490 Hinzu kam, dass die Finanzabteilung der Siedlungsgesellschaft bei den Geschäften routinemäßig die Preisfestsetzung für die Grundstücke überließ. Diese durfte letztlich also selbst den Preis bestimmen, den sie oder der von ihr vertretene Kaufinteressent zu zahlen haben würde. Die Preisfindung wurde dabei erklärtermaßen nicht „im Sinne der liberalistisch-kapitalistischen Wirtschaft“, sondern „im Sinne der nationalsozialistischen Wirtschaft“491 vorgenommen. Die „nach nationalsozialistischen Grundsätzen“492 festgesetzten Preise, so gab die Siedlungsgesellschaft zu bedenken, „weichen allerdings erheblich ab von den Werten, die man im liberalistischen Zeitalter für Ländereien forderte und auch erhielt.“ Der Wert eines Grundstückes orientierte sich nicht unbedingt an den damit bisher erzielten Pachteinnahmen. Die Braunschweigische Siedlungsgesellschaft konnte sich bei ihren Preisbemessungen darauf berufen, in Übereinstimmung mit dem Reichsnährstand zu handeln; die Finanzabteilung verließ sich bereitwillig darauf, dass die Preise angemessen sein würden. Diese Praxis führte in einigen Fällen nachweislich dazu, dass von der Braunschweigischen Siedlungsgesellschaft deutlich zu niedrige Preise für die Ländereien festgesetzt wurden (was in dieser Form bei Verkäufen an die Großdeutsche Umsiedlungsgesellschaft nicht vorkam). Die Kirche verlor nicht nur aufgrund zum Teil unzureichend begründeter Kaufanträge ihr Land, sie wurde nicht einmal finanziell ausreichend entschädigt. Es gab also tatsächlich viele Fälle, in denen eine objektive Schädigung der Kirche vorlag.493 Hinzu kamen weitere zweifelhafte Landtransaktionen zwischen Siedlungsgesellschaft und Finanzabtei488 Vgl. Kuessner, Überblick, 160. 489 Vgl. Geschäftsbericht der Braunschweigischen Siedlungsgesellschaft für das Jahr 1939 vom 3. 5. 1941 (BArch R 2 / 18972); ferner Hoffmeisters Lebenslauf vom 16. 4. 1941 (BArch, ehem. BDC, SSO Nr. 109 A). 490 Vgl. beispielsweise LKA an Braunschweiger Staatsministerium vom 13. 8. 1945 (LkAW LKA 44). 491 Braunschweigische Siedlungsgesellschaft (Hamer) an FA-Braunschweig vom 18. 11. 1941 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 87). 492 Braunschweigische Siedlungsgesellschaft (Hamer) an FA-Braunschweig vom 18. 11. 1941 (ebd., Bl. 95), daraus auch folgendes Zitat. 493 Vgl. zu diesen Fällen den Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459).

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lung: In Blankenburg etwa wurde ein im Kirchenbesitz befindlicher Platz unentgeltlich auf die politische Gemeinde übertragen – unter Mitwirkung des FA-Bevollmächtigten, der gleichzeitig Bürgermeister von Blankenburg war.494 Durch das Zusammenspiel von Finanzabteilung und Braunschweigischer Siedlungsgesellschaft entwickelte sich beim Grundbesitzverkauf ein missbräuchliches System, an dem beide Partner beteiligt waren. Den aktiveren Part nahm die Braunschweigische Siedlungsgesellschaft ein, denn sie war es, die durch ihre Kaufanträge die Maschinerie erst zum Laufen brachte und sie war es auch, die die Preispolitik gestaltete. Die Finanzabteilung trat in dem Vorgang weniger aktiv, sondern eher als passiver, äußerst entgegenkommender Erfüllungsgehilfe in Erscheinung; sie erleichterte der Siedlungsgesellschaft ihre Machenschaften. Sie konnte sich dabei darauf berufen, dass die Braunschweigische Siedlungsgesellschaft einen gemeinnützigen, halb-öffentlichrechtlichen Charakter besaß und daher als vertrauenswürdig angesehen werden musste, auch hinsichtlich der Preisbemessung. Selbst initiiert hat die Finanzabteilung die Veräußerungsvorgänge nicht und sich auch nicht völlig willfährig gezeigt. Dem System zu entkommen, das in Berlin durch die Entscheidungen des Reichskirchenministeriums gestützt wurde, hatte die Finanzabteilung indes weder Wunsch noch Mittel. Insgesamt wurden während der Tätigkeit der Finanzabteilung unter Hoffmeister und Westermann 939,47 Hektar kirchlichen Grundbesitzes verkauft – auf die Vorsitzendenzeit Hoffmeisters bis Januar 1943 entfielen 695,62 Hektar, auf Westermanns Amtsperiode 243,85 Hektar. Bei einem Gesamtgrundbesitz der Landeskirche von rund 8000 Hektar entspricht dies insgesamt fast 12 %.495 Da die Kirche ihre Ländereien zum großen Teil an Kleinpächter vergeben hatte, wurden von den Grundstückstransaktionen 1878 Pächter betroffen.496 Eine weitere Verflechtung von Braunschweigischer Siedlungsgesellschaft und Finanzabteilung ergab sich im Pachtwesen. Am 22. April 1940 stellte Hoffmeister der Siedlungsgesellschaft eine Generalvollmacht zur Verpachtung des kirchlichen Grundbesitzes aus. Dieses Vorgehen rief bei Röpke grundsätzliche Bedenken hervor: „Den Gedanken, die Pachtgelder in Zukunft nicht mehr durch eine kirchliche (landeskirchliche) Stelle einziehen zu lassen, halte ich für so bedenklich, daß ich hier494 Vgl. zu dem Vorgang aus dem Jahre 1942: BArch R 5101 / 23791, Bl. 298 – 318; Beitr•ge, 36 f. 495 Vgl. zu den Zahlen den Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459); Krìger-Wittmack, Grundbesitz, 342 f. (hier ist weniger Gesamtbesitz angegeben); Garmissen, Grundvermögen, 42. Die Zahl von 939,47 Hektar findet sich auch in Beiträge, passim; Palmer, Material, 110. Etwas andere Zahlen finden sich bei Kuessner, Überblick, 160 f. Die Differenzierung zwischen Hoffmeisters und Westermanns FA-Vorsitzendenamtszeit ist aus dem Schreiben des Landeskirchenamts an den Untersuchungsrichter beim Landgericht Braunschweig vom 14. 9. 1948 entnommen (BArch Z 42 V 2823, Bl. 249). 496 Vgl. zu dieser erstaunlich präzisen Zahl: Beitr•ge, 14; Krìger-Wittmack, Grundbesitz, 343.

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Die Finanzabteilung der braunschweigischen Landeskirche

gegen Einspruch erheben muß. Durch eine solche Maßnahme muß in den Gemeinden der Eindruck entstehen, als werde der kirchliche Grundbesitz nicht mehr ausschließlich von der Kirche (Landeskirche) verwaltet, sondern stehe in Gefahr, der Landeskirche zu entgleiten.“497

Auch die konkrete Ausgestaltung der Vollmacht wurde von der Kirche als nachteilig empfunden, da der Siedlungsgesellschaft als Vergütung für die Pachtverwaltung 5 % der Erträge zuflossen. Außerdem, so wurde in der Denkschrift von 1948 betont, habe Hamer, seitens der Siedlungsgesellschaft, die Pachten vielfach unangemessen herabgesetzt – dies war Teil der nationalsozialistischen Pacht- und Preispolitik, deren williger Vollstrecker die Siedlungsgesellschaft war. Die Vorteile der Regelung wurden von der Kirchenleitung indes nicht berücksichtigt. Beispielsweise wurden der Landeskirche durch den Vertrag die Pachtgelder verbindlich zu einem festen Zeitpunkt von der Siedlungsgesellschaft bereitgestellt, unabhängig von der Zahlungsmoral der einzelnen Pächter. Das Risiko lag bei der Siedlungsgesellschaft. Für die Landeskirche stieg daher nach Einführung der Neuerung das Aufkommen an Pachterlösen, obwohl bereits einige Landverkäufe stattgefunden hatten. Ein weiterer Vorteil für die Landeskirche ergab sich gerade zu Kriegszeiten aus der Verwaltungsersparnis. Gleichwohl war die Abführung von 5 % der Erträge nicht unerheblich. Ganz abwegig war die Auslagerung des Pachtwesens allerdings ohnehin nicht gewesen, da in der LKA-Pachtverwaltung in den dreißiger Jahren Unregelmäßigkeiten vorgekommen waren.498 Die Kirche hatte bei den Vorgängen den Eindruck gewonnen, die Finanzabteilung habe ihr durch den Landverkauf systematisch schaden wollen. Dieser Vorwurf spielte daher nach dem Krieg eine zentrale Rolle. In der vom Landeskirchenamt herausgegebenen Denkschrift nahmen die Grundstücksverkäufe eine dominierende Stellung ein.499 Die Kirchenleitung überzeichnete die Auswirkungen der Landverkäufe dabei ganz erheblich. Die Rede ist von einem „wilde[n] Ausverkauf des kirchlichen Grundvermögens zu Schleuderpreisen, wie er selbst auf dem Gebiete der Kirche auch im 3. Reiche sonst nicht vorgekommen ist.“500 Die Forschung kolportierte meist diese Einschätzung.501 Hier wird etwa berichtet, die Finanzabteilung habe das Land „verschleu497 Röpke an Reichskirchenminister vom 27. 3. 1940 (LkAW LKA 835). 498 Vgl. zu der Änderung im Pachtwesen: Ebd.; zu den Unregelmäßigkeiten in der LKA-Pachtabteilung die Aussage Heuers am 24. 2. 1948 (LkAW LKA 2559, Bl. 138 f.); Röpke an Breust vom 6. 4. 1948 (ebd., Bl. 141). Der Vertrag der Finanzabteilung mit der Braunschweigischen Siedlungsgesellschaft wurde am 19. 7. 1945 mit sofortiger Wirkung gekündigt, (EZA 2/688). 499 Siehe die Denkschrift, Beitr•ge. 500 Ebd., 5. Vgl. auch Palmer, Material, 110 – 113, der in seiner Materialsammlung das Bild fortführt. 501 So in Meier, Kirchenkampf III, 415; jüngst Bockisch, Finanzen, 544; weniger Kuessner, Überblick, 160 f.

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dert“502 oder „einen systematischen Ausverkauf des landeskirchlichen Grundbesitzes durchgeführt“503. Die Kirchenleitung ließ bei ihrer Einschätzung nach dem Krieg, wie Pollmann zu bedenken gibt, außer Acht, dass die Grundbesitzveränderungen nicht nur die Kirche betrafen, sondern im Lande Braunschweig ein generelles Phänomen waren.504 Wie die Landeskirche sich dem hätte entziehen sollen, erklärte die Kirchenleitung nicht. Richtig ist allerdings, dass unter den Landeskirchen tatsächlich nur die Braunschweigische mit umfangreichen Landverkäufen zu kämpfen hatte. Die Kirchenleitung verfestigte nach dem Krieg eine wesentliche Grundannahme bezüglich der Grundstücksverkäufe, die in der Forschung bis heute fortgeschrieben wird. Sie ging davon aus, dass es das Prinzip Hoffmeisters und der Finanzabteilung gewesen sei, von dem Grundvermögen der Kirche „soviel wie möglich zu verkaufen“, um dadurch der Kirche „den wesentlichen Teil ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage“505 zu entziehen.506 Der Landverkauf sei also nur zu dem Zweck erfolgt, die Kirche zu schädigen. Tatsächlich scheint dem Verhalten der Finanzabteilung aber eine andere Prämisse zugrunde gelegen zu haben: Sie hielt sich schlicht an ihren allgemeinen Grundsatz, dem öffentlichen, staatlichen Interesse Vorrang gegenüber den Bedürfnissen der Kirche einzuräumen. Hiernach war das wohlverstandene Eigeninteresse der Kirche mit dem staatlichen Wollen gleichzusetzen: Hoffmeister vertrat in staatskirchlicher Manier die „Auffassung, daß kirchliches Vermögen Volksvermögen ist und daher im allgemeinen Interesse zu verwenden ist.“507 Daher sei kirchlicher Grundbesitz dann zu veräußern, „wenn es das öffentliche Interesse verlangt, nicht aber schon, weil gegen den Grundbesitz grundsätzliche Bedenken bestehen und er deshalb zweckmäßig abzustossen ist.“508 Die Veräußerung des Grundbesitzes hatte nicht den Selbstzweck der wirtschaftlichen Schädigung der Kirche – deshalb bot die Finanzabteilung den Grundbesitz auch nicht auf dem Markt an –, diese wurde aber vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses als Kollateralschaden in Kauf genommen. Es entstand damit ein objektiver Schaden, der bei der Kirchenleitung zu der subjektiven Annahme führte, dies sei der Zweck des Ganzen gewesen. Die Kirchenleitung übersah bei ihren Vorwürfen zudem die Zwänge und Gegebenheiten der damaligen Verhältnisse. So traf ab 1941 in Kuessner, Überblick, 161. Meier, Kirchenkampf III, 415. Vgl. Pollmann, Entnazifizierung, 32 f. Beitr•ge, 1. Dieser Gedankengang wird in der Denkschrift durchgängig vertreten. Er wird gestützt auf kolportierte, nicht überprüfbare Aussagen Betroffener. Vgl. dazu den Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459), wo die entsprechenden Vorwürfe der Denkschrift entkräftet werden. 507 So wird Westermann von Dieckmann bezüglich Hoffmeisters Auffassung bei einer Besprechung im Juni 1941 zitiert, Vermerk Dieckmanns vom 11. 6. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 1 – 8, hier Bl. 6). 508 Ebd.

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vielen Fällen gar nicht mehr die Finanzabteilung, sondern das Reichskirchenministerium die letztgültige Entscheidung über etwaige Verkäufe. Auch eine allein zuständige Kirchenleitung hätte Schwierigkeiten gehabt, die Verkäufe zu unterbinden. Außerdem konnte die Finanzabteilung annehmen, dass es im kirchlichen Interesse lag, Kaufbegehren der Großdeutschen Umsiedlungsgesellschaft freiwillig zu akzeptieren, da sie davon ausging, andernfalls sei jene zu Enteignungen berechtigt. Als insbesondere aus den Grundstücksverkäufen nach dem Krieg ein Untreuevorwurf gegenüber Hoffmeister und Westermann hergeleitet werden sollte,509 mochten sich die Staatsanwaltschaft und das Gericht diesem Vorwurf nicht anschließen.510 Das der braunschweigischen Landeskirche mit den Grundstücksverkäufen zugefügte Unrecht ist zwar ohne die Finanzabteilung nicht in der realisierten Form vorstellbar, die alleinige Verantwortung trug sie indes nicht. Von dem während der NS-Zeit veräußerten Land konnte die Landeskirche nach dem Krieg 351 Hektar zurückerlangen, teilweise auf dem Prozessweg,511 250 Hektar trat sie zu öffentlichen Zwecken ab, der Verkauf wurde damit gewissermaßen nachträglich legitimiert, der Rest von 338 Hektar blieb verloren.512 Da bei weitem nicht die gesamten 939 Hektar während der NS-Zeit gegen den Willen der Kirche verkauft worden waren, dürfte hiervon ein erheblicher Teil rechtmäßig veräußert worden sein. 2.8.3. Das Zusammenspiel von Staat und Finanzabteilung im Land Braunschweig: Staatskirche mit antikirchlicher Politik Ministerpräsident Dietrich Klagges pflegte mit seiner Staatsregierung nach der „Machtergreifung“ zunächst ein gutes Verhältnis zur evangelischen Landeskirche. Persönlich pflegte er einen deutsch-völkischen Glauben und stand den Vorstellungen der Deutschen Christen nahe; er ließ auch etwa seine Kinder konfirmieren.513 Mit der DC-affinen Kirchenleitung kam er insofern gut aus. 509 Cölle war an den Grundstückstransaktionen in Braunschweig nicht beteiligt. Auch in Hannover hat er keine eigenmächtigen Grundstücksverkäufe vorgenommen, ohne das Landeskirchenamt zu informieren. Vgl. Klìgel, Landeskirche, 318 f.; Lübbing an LKA-Wolfenbüttel vom 23. 6. 1949 (LkAH B 1 Nr. 8755). 510 Vgl. den Vermerk des Oberstaatsanwalts vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459). 511 Die Gerichte entschieden in den angestrengten Verfahren zumeist zugunsten der Kirche, da die Finanzabteilung sich seinerzeit nicht als vertretungsberechtigt im Landverkauf hätte ansehen dürfen. Vgl. einige Gerichtsentscheide in BArch Z 42 V 2823, Bl. 179 – 204; außerdem Grendel, Eingriffe; Zeitschrift fìr evangelisches Kirchenrecht 1, (1951), 205 – 213; Zeitschrift fìr evangelisches Kirchenrecht 2, (1952/53), 217 f. 512 Vgl. die Zahlen in Krìger-Wittmack, Grundbesitz, 343. 513 Vgl. zu Klagges Haltung zur Kirche: Germann, Religion, bes. 95 – 98; Kuessner, Klagges,

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Bald jedoch begann sich die braunschweigische Staatsregierung zunehmend von der evangelischen Landeskirche zu distanzieren. Klagges hielt die Kontrolle der Kirchenfinanzen für notwendig, um so politischen Einfluss auf die Kirche zu gewinnen.514 Es war daher nur folgerichtig, dass die braunschweigische Staatsführung 1938 auch der FA-Besetzung mit einem hochrangigen Staatsbeamten zustimmte. Die Führung der landeskirchlichen Vermögensverwaltung lag damit praktisch in staatlicher Hand; hinzu kamen durch Hoffmeisters Eingreifen in geistliche Belange Teile der iura in sacra. Das staatskirchliche Vorgehen stand jedoch bald unter dem Vorzeichen einer Trennung von Staat und Kirche, war offenbar beeinflusst durch die Linie der Parteiführung. Die Staatsregierung wollte, unter Beibehaltung der Kontrolle der kirchlichen Vermögensverwaltung, die finanziellen Verbundenheiten von Staat und Kirche möglichst lösen.515 Dies betraf vor allem die Staatsleistungen, die schon während der Weimarer Republik in Braunschweig ein sehr umstrittenes Thema gewesen waren.516 Die nationalsozialistische Staatsregierung hatte bis zum Krieg die Verpflichtungen anstandslos gezahlt. Dann sah sie die Möglichkeit gekommen, sich der inzwischen unerwünschten Leistungen entledigen zu können. Sie musste dabei dezent vorgehen, da die Anweisung Hitlers bestand, während des Krieges eine unnötige Unruhe in der Kirche zu vermeiden. An dieser Stelle kam dem braunschweigischen Staat gelegen, dass mit der Finanzabteilung innerhalb der Kirchenverwaltung eine interne, unauffällige Wirkmöglichkeit gegeben war. Seine Bestrebungen brauchten so nicht unbedingt von außen vorgebracht werden, die Finanzabteilung konnte ihnen von innen entgegenarbeiten. Im Falle der Staatsleistungen war die Situation zwischen Staat und Kirche indes verfahren. Aus früheren Streitigkeiten waren gegenseitige Forderungen aufgelaufen, über deren Höhe und Rechtmäßigkeit Uneinigkeit herrschte. Verhandlungen zwischen Staat und Finanzabteilung führten dazu, dass am 31. März 1940 diese Altlasten beseitigt werden konnten. Alle zum damaligen Zeitpunkt bestehenden gegenseitigen Forderungen wurden gegeneinander aufgehoben und damit eine umfassende Lösung gefunden.517 In anderen Fällen führten Absprachen von Finanzabteilung und braunschweigischer Staatsführung jedoch zu Ergebnissen, die einseitig zu Lasten der Kirche gingen: Im April 1941 fragte der braunschweigische Finanzmi-

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bes. 21 – 25; zur NS-Kirchenpolitik in Braunschweig auch Flammer, Nationalsozialismus, passim. Vgl. Vermerk Stahns vom 11. 10. 1941 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 11). Indiz hierfür war etwa der Vorstoß des Braunschweiger Finanzministeriums, von der Landeskirche ab 1943 eine Verwaltungsgebühr für die Genehmigung der Kirchensteuern erheben zu wollen. Die Frage wurde schließlich bis nach Kriegsende zurückgestellt, doch die Tendenz ist erkennbar, den öffentlich-rechtlichen Charakter der Kirche anzuzweifeln. Vgl. zu dem Vorgang: BArch R 5101 / 23793, Bl. 200 – 218. Siehe oben 296 Anm. 8. Vgl. dazu den Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459).

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nister bei der Finanzabteilung an, ob auf die Zahlung von Staatszuschüssen für das abgelaufene Rechnungsjahr verzichtet werden könne, da sonst der Staatshaushalt nicht mehr ausgeglichen werden könne – es ging insbesondere um Pfarrbesoldungszuschüsse. Hoffmeister entsprach diesem Wunsch im Namen der Kirche. Die landeskirchliche Finanzlage war sehr gut, der Haushalt wies 1940 auch ohne die Staatszuschüsse einen Überschuss aus; für Hoffmeister sprach damit nichts gegen das Arrangement. Die Sache konnte intern, ohne öffentlichkeitswirksame Maßnahmen umgesetzt werden. Hoffmeister hatte zwar formal lediglich auf die Zahlungen für das Rechnungsjahr 1940 verzichtet, aber nicht grundsätzlich die kirchlichen Ansprüche aufgegeben. Allerdings blieben die Staatsleistungen des Landes nunmehr bis zum Kriegsende aus, ohne dass die Finanzabteilung dagegen Einspruch erhoben hätte.518 Auch kommunale Staatsleistungen an die Kirche wurden mit Billigung der Finanzabteilung während des Krieges eingestellt. In Blankenburg etwa verzichtete der FA-Bevollmächtigte (gleichzeitig Bürgermeister der Stadt) 1940 seitens der Kirchengemeinde auf die Einforderung verschiedener städtischer Zahlungen – Hoffmeister entließ bald darauf die Stadt aus ihren finanziellen Verpflichtungen.519 Das braunschweigische Finanzministerium ordnete im April 1941 schließlich die umgehende Einstellung sämtlicher kommunaler Staatsleistungen im Lande Braunschweig an. Davon waren noch die kirchlichen Haushalte von 1940 betroffen. Vielerorts waren Beschwerden der Gemeinden die Folge, als plötzlich die jährlichen Zahlungen ausblieben.520 Hoffmeister billigte die Einstellung der verschiedenen Staatsleistungen. Dem staatlichen Vermögen sollte die Kirche nicht zur Last fallen; die Alternative, nämlich in Prozessen die ausbleibenden Staatsleistungen einzufordern, kam für Hoffmeister nicht in Frage.521 1941/42 sollte das Thema der Staatsleistungen in Braunschweig umfassend gelöst werden, bei Lage der Dinge zu Lasten der Kirche. Die Ablösung der Staatsleistungen sollte zwischen Staat und Finanzabteilung vertraglich vereinbart werden – der Abschluss der Vereinbarung verlief jedoch schließlich 1943 im Sande, weil durch die Gebietsumgliederungen Ende 1942 die bisherigen Ausarbeitungen hinfällig wurden.522 Hoffmeister wollte dem Staat nicht nur Einsparungen ermöglichen. Wäre es 518 519 520 521

Vgl. zu dem Verzicht auf die Staatsleistungen ab 1941, ebd. Vgl. ebd.; Beitr•ge, 157 – 160. Vgl. allgemein dazu BArch R 5101 / 23793, Bl. 139, 142. Nach dem Krieg wurde wegen der vom Staat einbehaltenen Staatsleistungen ein Vergleich zwischen Staat und Kirche getroffen, der beide Parteien zufrieden stellte und der Kirche die Zahlung einer erheblichen Ausgleichssumme sicherte. Vgl. insbesondere das Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 19. 11. 1948 (LkAW KR 61). Vgl. auch insgesamt zu den Staatsleistungen: Beitr•ge, 171 f. 522 Vgl. zu der Angelegenheit das entsprechende Material in LkAW LKA 1257; EZA 1/1629; BArch R 5101 / 23791, Bl. 207 – 211, 223 f., 237, 240 – 265; BArch R 5101 / 23789, Bl. 137 – 153.

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nach ihm gegangen, hätte er dem Staat ganz direkt erhebliche kirchliche Gelder zugeleitet. Während er bei kirchlichen Belangen stets größte Sparsamkeit verlangte, beabsichtigte Hoffmeister Ende 1938 „für Zwecke des Vierjahresplanes dem Herrn Generalfeldmarschall Göring einen Betrag von zunächst RM 100.000.– zu überweisen.“523 Weitere Gaben sollten offenbar folgen. Solche Vermögensverschiebungen gingen aber dem Reichskirchenminister zu weit, der Hoffmeister diese Verwendung von Kirchensteuermitteln untersagte.524 Ein Kennzeichen von Hoffmeisters FA-Kurs war dessen Bemühen, weitere Staatsinstanzen ins Kirchenwesen einzuschalten. Auf kommunaler Ebene spannte er örtliche Staatsfunktionäre in den Kirchengemeinden als Bevollmächtigte ein. In Personalangelegenheiten kooperierte Hoffmeister bei den politischen Beurteilungen mit Gestapo und NSDAP-Dienststellen. Mit der NSVolkswohlfahrt pflegte die Finanzabteilung ab 1942 eine Zusammenarbeit und bemühte sich, eine Überführung der kirchlichen Kindergärten in die Trägerschaft der NS-Organisation zu befördern.525 Außerdem stellte die Finanzabteilung Staats- und Parteistellen auf Antrag kirchliche Räumlichkeiten zur Verfügung; etwa der NS-Volkswohlfahrt, wenn diese für ihre Kindereinrichtungen Platz benötigte.526 Als Hoffmeister den FA-Vorsitz an seinen Nachfolger Westermann abgab relativierte sich die bisherige Staatsnähe, denn Westermann war auch in diesen Belangen weniger radikal als Hoffmeister. Im Grundsatz aber bestand sie 523 Hoffmeister an Reichskirchenminister vom 23. 12. 1938 (LkAW FinAbt 80). 524 Schreiben vom 13. 1. 1939 (BArch R 5101 / 23791, Bl. 37). In der Denkschrift Beitr•ge, 164 – 169, wird die These vertreten – sie wird auch von Kuessner, Überblick, 160, übernommen –, Hoffmeister hätte, als ihm die Spende an Göring verweigert worden war, stattdessen für die Landeskirche die Stiftskirche in Steterburg von der Wohnungsaktiengesellschaft der Reichswerke „Hermann Göring“ erworben – der Kaufpreis betrug exakt 100 000 RM. Dieser Kauf sei nach der Rechtslage, so ist in der Denkschrift zu lesen, völlig überflüssig gewesen, da der Kirche die unentgeltliche Nutzung der Kirche sowieso zugestanden habe. Der Kausalzusammenhang mit der beabsichtigen Spende war damit laut der Denkschrift bewiesen. Tatsächlich aber scheint auch die Kirchenleitung im Jahre 1939 – am 9. März wurde die Transaktion getätigt – den Kirchenkauf begrüßt zu haben, da seinerzeit die Rechtslage bezüglich der Nutzung der Kirche offenbar nicht so klar gesehen wurde. Wenngleich der Fall somit differenzierter zu sehen ist, als in der Denkschrift dargelegt, legen die Geschäftsumstände und der überhöhte Kaufpreis dennoch ein zweifelhaftes Vorgehen der Finanzabteilung nahe. Der Zusammenhang mit der beabsichtigten Spende drängt sich daher auf. Vgl. Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459); LKA an Militärregierung vom 16. 6. 1947 (BArch Z 42 V 2823, Bl. 137 – 140). 525 Sie entsprach damit einem Erlass Muhs‘, den Hoffmeister im LkABl., 1942, 24, veröffentlichte. Vgl. Bookhagen, Kinderpflege II, 746 – 751, 807 f.; LkAW FinAbt 53. 526 Vgl. nur die Fälle in Wolfenbüttel, Ampleben oder Semmenstedt: BArch R 5101 / 23790, Bl. 364 – 383; LkAW FinAbt 55; BArch R 5101 / 23793, Bl. 103 f.; BArch R 5101 / 23791, Bl. 449 – 460; BArch R 5101 / 23792, Bl. 494; und insgesamt auch LkABl., 1938, 51 f.

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weiter. Westermann hatte keine Berührungsängste mit dem nationalsozialistischen Staatswesen, war auch selbst Staatsbeamter. Von ihm fehlen zwar ähnlich explizite Äußerungen zum Nationalsozialismus, wie sie von Hoffmeister oder Cölle in Fülle vorliegen, aber verschiedentlich gab auch er zu erkennen, dass das Politische für ihn ein wichtiges Kriterium war. Die Berufung eines Geistlichen zum stellvertretenden Propst der Propstei Schöppenstedt lehnte Westermann 1944 etwa ab, weil jener „dem Nat[ional]soz[ialismus] gegenüber stets ausserordentliche Zurückhaltung gezeigt“527 habe. Die für Braunschweig typische enge Verbundenheit von regionalem Staatswesen und Finanzabteilung war von Hoffmeister 1938 begründet worden und fand in seiner Person auch das extremste Beispiel; sie beschränkte sich indes nicht darauf. Hoffmeister trat am 23. Mai 1942 aus der Kirche aus und gab seither als Glaubensrichtung „Gottgläubig“ an.528 Ein wenig überraschender Schritt, denn: „Irgendwelche kirchlichen Bindungen“, so war ihm einmal in einer SSBeurteilung attestiert worden, „sind bei Hoffmeister nicht vorhanden.“529 Nach dem Krieg erinnerte sich Heuer, Hoffmeister habe seinerzeit seinen Kirchenaustritt damit begründet, „dass er Christentum und Kirche nicht mehr für identisch halte“, da die „Haltung der offiziellen Kirchenkreise“ zu sehr von den christlichen Grundsätzen abwichen. „In den letzten Jahren habe er so manchen Eindruck von der menschlichen Unzulänglichkeit, ja geradezu charakterlichen Minderwertigkeit kirchlicher Kreise gewonnen, dass er gerade als überzeugter Christ der Kirche in ihrer jetzigen Form nicht angehören könne.“530 Die Gegensätze zur braunschweigischen Kirchenleitung boten Hoffmeister den Hintergrund für seine Entscheidung. Doch den konkreten Zeitpunkt im Mai 1942 dürfte er nicht von ungefähr gewählt haben. Der Austritt erfolgte gewissermaßen gerade noch rechtzeitig, bevor Hoffmeister am 1. Juni 1942 in die SS übernommen wurde. Er entsprach den dortigen Usancen.531 Daher könnte sich Hoffmeister von dem Kirchenaustritt ein 527 Protokoll Cölles vom 12. 5. 1944 über die Ergebnisse der Celler Besprechung vom 4. 5. 1944 (EZA 1/1611). Vgl. zu dem Vorgang: LkAW FinAbt 8. Auch dem ehemaligen Landesjugendwart Stracke verweigerte Westermann wegen dessen angeblicher politischer Unzuverlässigkeit die Anstellung als Pfarrer, vgl. LkAW FinAbt 61. 528 Vgl. unter anderem Hoffmeisters Beförderungsbogen (BArch R 601 / 1821). Vgl. auch das Schreiben Röpkes an die Kirchenkanzlei vom 24. 8. 1942 (LkAW LKA 41), in dem Röpke die Frage aufwirft, ob Hoffmeister unter diesen Umständen FA-Vorsitzender bleiben könne. Hoffmeister war indes nicht der erste aus der Kirche ausgetretene FA-Vorsitzende. Der FAVorsitzende in Düsseldorf, Hans Friedrich Sohns, hatte bereits die Kirche verlassen, bevor er in sein FA-Amt berufen wurde. Vgl. Kaminsky, Rolle, 216 f.; Rauthe, Gegner, 44, 409. 529 Beurteilung vom 14. 7. 1942 (BArch, ehem. BDC, SSO Nr. 109 A). 530 Eidesstattliche Erklärung Heuers vom 4. 11. 1948 (BArch Z 42 V 2823a, Bl. 81 f., alle Zitate Bl. 81). 531 In SS und Sicherheitsdienst war die „Gottgläubigkeit“ durchaus die erwünschte Regel. Vgl.

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besseres Fortkommen in der SS, möglicherweise auch die erleichterte Übernahme in den Sicherheitsdienst und dort verbesserte Aufstiegschancen versprochen haben.532 Der Kirchenaustritt stünde hiernach in direktem Zusammenhang mit Hoffmeisters SS-Übernahme und seinem Ehrgeiz, in der NSHierarchie voranzukommen. Schon sein Verbleib in der Kirche bis zum damaligen Zeitpunkt war mit seiner SD-Dienststelle abgesprochen gewesen.533 Ob und in welchem Maße Hoffmeister mit seinem Kirchenaustritt eine innere Abkehr vom Christentum verband oder ob er sich nur von der offiziellen Kirche distanzieren wollte, ist nicht sicher zu beurteilen.534 Der Kirchenaustritt kann in jedem Fall als Ausdruck von Hoffmeisters Prioritätensetzung gelten – die SS-Ambitionen siegten über sein äußerliches Bekenntnis zur Kirche. Hoffmeister verkörperte in seiner Person nahezu idealtypisch den ganzen Zwiespalt der „Staatskirche im kirchenfeindlichen Staate“535. Seine FA-Tätigkeit trägt Kennzeichen sowohl der staatskirchlichen als auch der kirchenfeindlichen Tendenz. Wie die staatskirchlichen Kräfte wollte er in den Finanzabteilungen Verantwortung in der Kirche und staatliches Herkommen vernetzen und die Verbindungen letztlich dazu nutzen, die Kirche politisch und weltanschaulich auf NS-Linie zu bringen. Mit den radikalen Kirchengegnern verband ihn seine Tendenz, die Kirche finanziell zu beschneiden, seine Missachtung kirchlicher Bedürfnisse und seine große Distanz zu innerkirchlich-theologischen Angelegenheiten. Sein Engagement in der Finanzabteilung hob ihn gleichwohl von diesen Kreisen ab; die Kirchengegner beurteilten diese Institution grundsätzlich skeptisch und lehnten jedes Engagement von Parteiangehörigen in der Kirche ab (daher dürfte auch die Bevollmächtigtenpolitik der Finanzabteilung bei diesen Kräften wenig Anklang gefunden haben). In der Praxis führte Hoffmeister die kirchliche Vermögensverwaltung im Sinne eines Staats- und Politkommissariats.536 Der vom Nationalsozialismus

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Schreiber, Elite, bes. 95, 119 – 122; Hein, Elite, 251; Dierker, Glaubenskrieger, 87 f., 309; Browder, Enforcers, 166; Banach, Elite, 141 – 145; Mallmann, Konfrontation, 132; Besier, Kirchen, 216 f. Bei Beförderungen in SS und Sicherheitsdienst wurde die konfessionelle Bindung der Betreffenden in die Erwägungen einbezogen, auch wenn sie nicht das ausschlaggebende Kriterium waren. Die SD-Dienststelle billigte seinen Verbleib in der Kirche in der Annahme, ein Kirchenaustritt Hoffmeisters würde auch dessen Rückzug aus der Finanzabteilung bedingen und damit diese Nachrichtenquelle zum Versiegen bringen. Vgl. die SS-Beurteilung vom 14. 7. 1942 in Hoffmeisters SS-Personalakte (BArch, ehem. BDC, SSO Nr. 109 A). Vgl. allgemein zu dem „nur aus der heutigen Rückschau scheinbar paradoxe[n], eigentlich unmöglich erscheinende[n]“ (Gailus, Einleitung, 12) Phänomen des „christlichen Nationalsozialisten“ bes. Ders., „Nationalsozialistische Christen“. Erler, Kirchenrecht, 78. Siehe dazu oben bes. 130 – 132. Eine Aussage Westermanns nach dem Krieg beschrieb Hoffmeisters Amtsauffassung folgendermaßen: „Hoffmeister fühlte sich als Exponent der staatlichen Belange und hat diese mit

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vertretene Totalitätsanspruch wurde von ihm kompromisslos im Raum der Kirche umgesetzt. Noch nach dem Krieg gab Hoffmeister zu Protokoll: „Ich habe den Eindruck, dass hiesige Kirchenstellen nicht das genügende Verständnis für die Interessen anderer insbesondere des Staates und der Allgemeinheit hatten.“537 Hoffmeisters Tätigkeit erwies sich dabei oftmals als schädlich für die Kirche. Nach innen in dem Versuch, sie nationalsozialistisch auszugestalten, nach außen in der Überzeugung, kirchliche Belange vernachlässigen zu können. Andere, kirchlich gebundenere FA-Funktionäre, wie etwa Cölle, entfalteten ihre Wirkung häufig primär nach innen, etwa mittels ihrer Unterstützung der Deutschen Christen, während nach außen, etwa im Vermögen der Kirche, kaum Schäden entstanden.

2.9. Die Auflösung der Finanzabteilung nach dem Krieg und die Folgen für ihre Mitglieder Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam das Ende der Finanzabteilung. So unklar und umstritten die Neugestaltung der braunschweigischen Kirchenleitung nach dem Ende der NS-Herrschaft war,538 so unumstritten war es, dass die Finanzabteilung unter den neuen Umständen ihre Existenzberechtigung verloren habe. Bei Kriegsende war von der FA-Führungsriege niemand in Wolfenbüttel anwesend. Heuer war evakuiert worden,539 Westermann seit März 1945 zum „Volkssturm“ einberufen und bei der Sturmartillerie eingesetzt,540 Cölle hatte zwar angekündigt, im April 1945 nach Wolfenbüttel kommen zu wollen, doch war er nicht erschienen.541 Am 12. Mai 1945 konferierten im Braunschweiger Staatsministerium Seebaß und Amtsgerichtsrat Friedrich Linke, der am 28. Mai 1945 in die Kirchenregierung aufgenommen wurde, mit dem braunschweigischen Bildungsminister. Der Minister teilte die Auffassung der Kirchenleitung, „nämlich dass die Finanzabteilung als ein seitens der Partei der Kirche aufge-

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einem gewissen Temperament vertreten.“ Aussage Westermanns vom 25. 11. 1947 (LkAW LKA 2559, Bl. 16 – 20, hier Bl. 16). Aussage Hoffmeisters vom 1. 12. 1947 (ebd., Bl. 15). Vgl. zur braunschweigischen Landeskirche in der unmittelbaren Nachkriegszeit: Pollmann, Entnazifizierung, bes. 34 – 41, 93 – 95; Kuessner, Überblick, bes. 177 – 183; Jìrgens, Propst, bes. 159 – 163; Meier, Kirchenkampf III, 418 f.; Kuessner, Palmer, bes. 271 – 285. Vgl. Röpke und Seebaß an Braunschweiger Staatsministerium vom 13. 8. 1945 (LKAW LKA 44). Vgl. Westermanns Entnazifizierungsfragebogen vom 15. 11. 1945 (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 14950). Vgl. Röpke an Marahrens vom 16. 6. 1945 (LkAH L 2 Nr. 7 Bd. IV).

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zwungenes Organ anzusehen sei, das jetzt als erledigt anzusehen sei.“542 In einer anschließenden Besprechung schloss sich der Ministerpräsident dem an und sagte den Kirchenvertretern zu, am 14. Mai 1945 einen entsprechenden Kabinettsbeschluss zu fassen.543 Dieser kam jedoch nicht zustande. Daraufhin beschloss die Kirchenregierung in ihrer ersten Nachkriegssitzung am 28. Mai 1945, an der neben den beiden verbliebenen Mitgliedern der Kirchenregierung, Röpke und Rauls (Staatsrat Bertram war von den Alliierten interniert worden), auch Seebaß teilnahm: „Die Kirchenregierung sieht die Befugnisse der Finanzabteilung als erloschen an. Die Landeskirche übernimmt daher wieder ihre gesamten verfassungsmässigen Rechte.“544 Darüber wurden am selben Tag auch per Rundschreiben alle Pfarrämter informiert; gleichzeitig wurden sämtliche Bevollmächtigten abberufen;545 wenige Tage zuvor waren schon zwei Anordnungen der Finanzabteilung aufgehoben worden.546 Die Kirchenleitung sah die Beseitigung der Finanzabteilung mit ihrem Kirchenregierungsbeschluss als erledigt an. Damit war sie etwas voreilig: Am 11. August 1945 forderte der Präsident des braunschweigischen Staatsministeriums das Landeskirchenamt auf, ihm Vorschläge für eine personelle Neubesetzung der Finanzabteilung einzureichen. Die Finanzabteilung sei „bisher weder durch ein Gesetz der Militärregierung, noch durch eine andere gesetzliche Bestimmung“547 aufgehoben worden. Die Kirchenleitung protestierte und machte rechtliche Bedenken geltend. Sie appellierten in längeren Schreiben eindringlich an Militärregierung und Braunschweiger Staatsministerium, „sich mit der Beendigung der Finanzabteilung als eines Instrumentes des Nationalsozialistischen Staates, das die Kirche vergewaltigte, ausdrücklich einverstanden zu erklären.“548 „Jede Finanzabteilung“, so wandten sich Röpke und Seebaß an das braunschweigische Staatsministerium, „bedeutet für die Kirche eine unnötige Erschwerung und Verteuerung ihres Geschäftsganges, die gerade heute nicht verantwortet werden kann. Jede Finanzabteilung trägt darüberhinaus die Gefahr in sich, wie die Kirche es schon einmal erlebt hat, plötzlich ein Instrument einer die Kirche zerstörenden Politik zu werden. Jede Finanzabteilung bescheinigt der Kirche, daß sie unter Vormundschaft gestellt ist und ihre eigenen Angelegenheiten nicht selbst verwalten darf,

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Vermerk vom 14. 5. 1945 (LkAW LKA 44). Vgl. ebd. LkAW KR 47. Rundschreiben des Landeskirchenamts vom 28. 5. 1945 (LkAW LKA 2635). LkABl., 1944/45, 46. LkAW LKA 44 So in einem Schreiben des Landeskirchenamts an die Militärregierung vom 8. August 1945, als die Neubesetzungsabsichten des Staatsministeriums schon ruchbar geworden waren (ebd.). Vgl. ansonsten die Schreiben an das Braunschweiger Staatsministerium vom 13. 8. 1945 und vom 22. 8. 1945 (beide ebd.). Zur Stärkung seiner Position schaltete Röpke auch die Kirchenkanzlei ein. Vgl. Röpke an DEKK vom 18. 8. 1945 (ebd.).

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daß sie unwürdig ist, sich der Freiheit zu erfreuen, die sie glaubte von der Beseitigung der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft erwarten zu können.“549

Das Staatsministerium ließ sich nicht beeindrucken und hielt an seinem Standpunkt fest, „daß die Einrichtung der Finanzabteilung noch fortbesteht.“550 Im September wiederholte es seine Aufforderung, Vorschläge für eine Neubesetzung zu machen.551 Die Kirchenregierung allerdings hielt „die Frage [der] Einrichtung einer Finanzabteilung für die Landeskirche [für] nicht diskutabel“552. Überraschend schnell erledigte sich die Angelegenheit, als am 1. Oktober 1945 die Militärregierung anordnete, die Tätigkeit der Finanzabteilung sei mit sofortiger Wirkung eingestellt.553 De facto hatte die Finanzabteilung seit Kriegsende ihre Arbeit nicht mehr aufgenommen. Die Kirchenregierung hatte unterdessen bereits auf ihrer Sitzung am 28. Mai 1945 Konsequenzen für einige FA-Mitarbeiter beschlossen. Kirchenverwaltungsrat Heuer wurde vorläufig seines Amtes enthoben, „da die Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm in der Kirchenbehörde nicht gegeben sind“554, außerdem wurden einige FA-Beschäftigte gekündigt,555 bald darauf einige erzwungene Verbeamtungen von FA-Mitarbeitern für nichtig erklärt.556 Doch nicht alle höheren FA-Mitarbeiter kamen nach dem Krieg automatisch nicht mehr als Mitarbeiter des Landeskirchenamtes infrage. Die FAReferatsleiter Streck und Butzmann wurden anstandslos weiterbeschäftigt.557 Oberlandeskirchenrat Steffen war insofern ein problematischer Fall, als das Landeskirchenamt ihn gerne weiterbeschäftigen wollte, er jedoch bereits Anfang 1932 in die NSDAP eingetreten war und 1948 bei seiner Entnazifizierung in Kategorie II (Belastete) eingeordnet wurde. Damit musste er als Oberlandeskirchenrat entlassen werden. Steffen wurde schließlich zunächst als Angestellter übernommen, bevor er 1949, nach erfolgreichem Einspruch gegen seine Entnazifizierungsklassifizierung, in Kategorie V (Entlastete) eingruppiert wurde.558 Auch die stets besonders umstrittene Personalie Breust endete im Januar 1946 mit dessen endgültiger und vollwertiger Rückkehr ins Landeskirchenamt.559 549 550 551 552 553 554 555 556 557 558 559

Schreiben vom 22. 8. 1945 (ebd.). Präsident des braunschweigischen Staatsministeriums an LKAvom 17. 9. 1945 (LkAW LKA 9). Vgl. ebd. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 25. 9. 1945 (LKAW KR 47). Vgl. Präsident des braunschweigischen Staatsministeriums an LKA vom 4. 10. 1945 (LkAW LKA 44). Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung (LkAW KR 47). Vgl. ebd.; auch Röpke an Marahrens vom 16. 6. 1945 (LkAH L 2 Nr. 7 Bd. IV). Vgl. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 4. 7. 1945 (LkAW KR 47). Vgl. LKA-Rundschreiben vom 28. 5. 1945 (LkAW LKA 2556). Für die Weiterbeschäftigung Strecks setzte sich Röpke auch persönlich ein (LKAW LKA 805). Vgl. zu Steffen das entsprechende Material in LkAW LKA 805; Pollmann, Entnazifizierung, 71. Vgl. zu Breust in der Nachkriegszeit: Pollmann, Entnazifizierung, bes. 37 f., 69 – 71; Kuess-

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Unterdessen hatte Röpke begonnen, Informationen über die Kosten zu sammeln, die die Finanzabteilung verursacht hatte.560 Allein die Aufwendungen für die Bevollmächtigten bezifferte er auf insgesamt 250 000 RM.561 Letztlich sollten die Daten dazu dienen, Schadensersatzansprüche gegen Hoffmeister geltend machen zu können.562 Um das Material zu den durch die Finanzabteilung verursachten Schäden zusammenzufassen, wurde die Erstellung einer Denkschrift über die Tätigkeit der Finanzabteilung ab 1938 in Auftrag gegeben. Diese wurde 1948 gedruckt und im Namen der Kirchenregierung vom Landeskirchenamt herausgegeben. Sie setzte sich aus Beiträgen verschiedener Autoren zusammen, federführend war Oberlandeskirchenrat Breust.563 Die äußerst plakative und oftmals unsachliche Denkschrift war der sichtbarste Ausweis für den treffenden Befund Pollmanns, dass nämlich in Braunschweig „seit Mitte 1945 das Feindbild Finanzabteilung überdimensional wahrgenommen“ wurde und auch „eine legitimatorische Funktion“564 für die Kirchenleitung hatte. Man meinte, in Braunschweig hätten Zustände geherrscht, „wie sie auch im 3. Reich in Deutschland nicht zum 2. Male vorgekommen sind.“565 Nirgends habe „eine Finanzabteilung auch nur annähernd so gehaust […] wie in Braunschweig.“ Die Finanzabteilung bot der Kirchenleitung die Möglichkeit, eigene Verfehlungen, Versäumnisse und Verstrickungen auszublenden und den „heroischen Abwehrkampf[.]“566 gegen die Finanzabteilung oder mit Röpkes eigenen Worten, den „erbitterten Kampf

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ner, Überblick, 178 f.; Ders., Palmer, 283 f. Breust war besonders seine FA-Tätigkeit vorgeworfen worden, wohingegen er sich darauf berief, nach der Rechtslage zur Übernahme der Aufgaben verpflichtet gewesen zu sein. Er sah sich als Opfer der Kirchenleitung unter Johnsen und Röpke und versuchte, sich als internen Gegenspieler der Finanzabteilung zu stilisieren. Vgl. etwa die Stellungnahme Breusts vom 29. 12. 1948 (LkAW KR 61). Im Entnazifizierungsverfahren wurde Breust am 28. Mai 1949 als „entlastet“ (Kategorie V) eingestuft (LkAW LKA 805). Röpke bat am 9. Juni 1945 den zuständigen Abteilungsleiter des Landeskirchenamts Streck um eine Aufstellung der FA-Kosten (LkAW LKA 2201). Am 22. Juni 1945 ersuchte er die Landeskirchenkasse, ihm Angaben über die Kosten zu machen, die die Finanzabteilung mit der Beauftragung des Pfarrers Schwaab insgesamt verursacht habe (ebd.). Am 28. Juli 1945 richtete Röpke ein Rundschreiben an die Gemeinden, in dem erfragt wurde, welche Dienstaufwandsentschädigungen an die Bevollmächtigten gezahlt worden seien (LkAW FinAbt 97). Obige Zahl präsentierte Röpke in der Sitzung der Kirchenregierung am 4. 7. 1945 (LkAW KR 47). Vgl. Protokoll der Sitzung der Kirchenregierung vom 4. 7. 1945 (ebd.). Vgl. zur Genese der Denkschrift: Pollmann, Entnazifizierung, 34; ferner Kuessner, Überblick, 188; außerdem die Protokolle verschiedener Sitzungen der Kirchenregierung (LkAW KR 61). Die fertige Denkschrift wurde auf den 30. Oktober 1948 datiert (vgl. Beitr•ge, 188). Pollmann, Entnazifizierung, 33. Beitr•ge, 188, dort auch das folgende Zitat. Pollmann, Entnazifizierung, 33.

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gegen das radikale und unkirchliche System des Oberregierungsrat Hoffmeister“567, überzubetonen.568 Als Röpke in den fünfziger Jahren wegen seiner Rolle im „Dritten Reich“ angegriffen wurde, war es wieder sein Widerstand gegen die Finanzabteilung, der als Legitimation dienen sollte. So schrieb Röpke 1958: „Es war diese Finanzabteilung, wie immer wieder betont ist und wird, die heftigste und antikirchlichste im Gesamtbereich der Deutschen Evangelischen Kirche. Ich sage es ungern, aber muß es ausführen, daß ich in diesem Kampf gegen die Finanzabteilung die Landeskirche vor schwerstem Schaden – Grundstücksverkäufe usw. – bewahrt habe. Ich habe der Finanzabteilung schärfsten Widerstand geleistet […] – die Pfarrer sind von mir geschützt.“569

Dieser Lesart hat sich auch die weitere Aufarbeitung in der Landeskirche angeschlossen.570 Dass der „Parteigenosse“ Röpke dem Nationalsozialismus sehr aufgeschlossen und mit einem großen Entgegenkommen gegenübergestanden hatte, trat in der Wahrnehmung zurück hinter seinen nicht zu leugnenden Widerstand gegen die Finanzabteilung. Nicht zuletzt diese Reputation sicherte Röpke nach dem Krieg den Verbleib in der braunschweigischen Kirchenleitung. Bevor die Landeskirche den geplanten Schadensersatz-Zivilprozess hätte anstrengen können, nahm die Staatsanwaltschaft Braunschweig 1947 Ermittlungen gegen Hoffmeister, Westermann und Hamer wegen des Verdachtes auf Untreue auf. 1948 wurde das Strafverfahren gegen Hoffmeister und Westermann vor dem Landgericht Braunschweig eröffnet – Hamer war inzwischen verstorben. Der Oberstaatsanwalt hatte im Zuge der Ermittlungen auch geprüft, ob den FA-Vorsitzenden aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen ihrer FA-Tätigkeit zur Last gelegt werden müssten.571 Dieser Verdacht wurde jedoch fallengelassen: „Die 567 LKA an Militärregierung vom 8. 8. 1945 (LkAW LKA 44). 568 Vgl. hierzu Pollmann, Entnazifizierung, 33 f. Bestärkt konnte sich Röpke auch durch Kommentare von Marahrens fühlen. Vgl. den Brief vom 18. 9. 1945, wo Marahrens schrieb: „Die schweren Auseinandersetzungen, die Sie mit Ihrer Finanzabteilung hatten, werden Ihnen unvergessen bleiben.“ LkAH L 2 Nr. 7 Bd. IV. 569 Brief vom 7. 2. 1958 im Rahmen eines landeskirchlichen Disziplinarverfahrens gegen einen Pastor, der Röpke in einem offenen Brief angegriffen hatte (LkAW NL 61).Vgl. dazu auch Kuessner, Landeskirche im 20. Jahrhundert, 411. 570 In Palmer, Material, 115, etwa hieß es: „Daß die Kirchenregierung und das Landeskirchenamt in jenen Jahren einen harten Kampf gegen die Übergriffe der staatlichen Instanz – denn nichts anderes war ja im Grunde die F.A. – hat führen müssen und geführt hat, geht aus dem Mitgeteilten zur Genüge hervor. Dieser Kampf mußte so aufreibend und zermürbend sein, weil er mit einem der Kirche übelwollenden Gegner geführt werden mußte […] Den Oberlandeskirchenräten des Landeskirchenamtes, die diesen zähen Kampf geführt haben, besonders Herrn Röpke, gebührt für ihr tapferes Aushalten der höchste Dank der Landeskirche.“ 571 Vgl. den Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (LkAW LKA 2459), daraus auch die folgenden Zitate.

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den beiden Beschuldigten zur Last gelegten Taten stellen durchweg Vermögensverfügungen dar“, so befand der Oberstaatsanwalt. „Sie enthalten also nicht unmittelbare Angriffe gegen höchstpersönliche Rechte.“ Auch „die Voraussetzung einer systematischen Verfolgung aus religiösen und politischen Gründen“ sei nicht gegeben; dafür hätten „die Vermögensverfügungen der Angeschuldigten zu einer Terrorisierung der freien Glaubensbetätigung“ führen müssen. Die Handlungen der Angeklagten aber hätten „keine Auswirkung auf die Verkündigung der christlichen Lehre erzielen können“ und hätten auch „keine Einschränkung der bekennenden Christen bewirkt“, schließlich hätten „diese sich in der Erkenntnis des rein weltlichen Machtkampfes des Staates gegen die Kirche“ nur noch enger zusammengeschlossen und „noch fester an ihren christlichen Glauben“ gehalten. Der Oberstaatsanwalt war kurzum der Auffassung, weil niemand wegen der Vermögensverfügungen der Finanzabteilung vom Glauben abgefallen sei, habe diese die freie Religionsausübung auch nicht behindert. Auch der Untreuevorwurf selbst konnte nicht durchdringen. Nach umfangreichen Untersuchungen des Oberstaatsanwalts, der sich detailliert mit dem Grundbesitzverkauf und diversen weiteren Einzelfragen auseinandersetzte, stellte das Landgericht Braunschweig das Verfahren am 23. Juni 1951 mangels Beweises ein.572 Ein möglicher Schadensersatzprozess der Landeskirche wurde dementsprechend nicht mehr angestrengt. Das Landgericht hatte sich die Auffassung der Staatsanwaltschaft zu Eigen gemacht, nach der den Angeschuldigten eine Untreue nicht zur Last gelegt werden könne. Dafür hätte neben dem objektiven Schaden, den die Staatsanwaltschaft festgestellt hatte, ein subjektiver Vorsatz bewiesen werden müssen, also dass Hoffmeister und Westermann „im Bewusstsein einer Pflichtwidrigkeit gehandelt haben“573. Die FA-Funktionäre aber, so die Staatsanwaltschaft, hätten nach der damaligen Gesetzeslage davon ausgehen können, dass sie nicht nur der Kirche, sondern, sogar in erster Linie, auch dem Staat verpflichtet gewesen seien. „Das bedeutet aber für ihre Handlungsweise, dass sie sich verpflichtet fühlen konnten und mussten, auch den damaligen staatlichen Auffassungen gerecht zu werden.“ Weder Hoffmeister noch Westermann hätten jedoch „willkürlich zum Schaden der Kirche gehandelt“ oder seien „von kirchenfeindlicher Tendenz“ geleitet gewesen – die ihnen zur Last gelegten Taten stellten „durchweg Ermessenshandlungen innerhalb ihrer Verwaltungstätigkeit“ dar.574 Der ehemalige FA-Vorsitzende Westermann arbeitete nach Kriegsende im Regierungspräsidium Hannover in der Schulverwaltung, bis er im Oktober 1945 auf Anordnung der Militärregierung entlassen wurde – eine automati572 Der Beschluss findet sich ebd. 573 Vermerk des Oberstaatsanwalts Braunschweig vom 5. 6. 1951 (ebd.), daraus auch die folgenden Zitate. 574 Vgl. zu dem ganzen Verfahren: Ebd.; LkAW LKA 2559; LkAW LKA 2458.

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sche Maßnahme aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft. Er legte Einspruch ein und erreichte, dass er im Juli 1946 seinen Dienst wieder antreten konnte. Westermanns Entnazifizierung verlief für ihn unproblematisch: Er wurde am 11. Oktober 1948 ohne Verhandlung in Kategorie IV (Mitläufer) eingruppiert. Er konnte für seine Entnazifizierung auch einige Entlastungszeugen aus dem kirchlichen Lager vorweisen. So steuerte Heinrich Streck aus dem Landeskirchenamt eine Bescheinigung bei, ebenso Propst Otto Rosenkranz. Westermanns Tätigkeit in der Finanzabteilung hat bei seiner Entnazifizierung keine besondere Rolle gespielt.575 Hoffmeister war am 13. Mai 1945 von den Alliierten in Bad Harzburg verhaftet und anschließend im Internierungslager Staumühle-Paderborn festgehalten worden – auf ihn trafen gleich mehrere Kriterien zu, die zum „automatic arrest“ führten.576 Am 27. August 1947 wurde er nach Wolfenbüttel entlassen, nachdem er provisorisch der Entnazifizierungskategorie IV zugeordnet worden war – zu jener Zeit nicht ganz ungewöhnlich, denn „bedeutende NS-Funktionsträger kamen im Frühjahr/Sommer 1947 mit skandalös niedrigen Kategorisierungen frei.“577 Es wurde allerdings weiter gegen ihn ermittelt. Die Eröffnung des Spruchgerichtsverfahrens verzögerte sich jedoch, weil Hoffmeister hierfür zunächst im Rahmen seiner Entnazifizierung als Hauptschuldiger (Kategorie I) bewertet werden musste. Der Kreisentnazifizierungsausschuss Wolfenbüttel hatte Ende 1947/Anfang 1948 auch diese Einstufung vorgeschlagen, diese musste aber noch durch die Militärregierung bestätigt werden.578 Nachdem dies Ende Juni 1948 geschehen war, erhob der Öffentliche Kläger in Hiddesen umgehend Anklage gegen Hoffmeister. Dies kam für Hoffmeister überraschend, da er angenommen hatte, sein Fall wäre bereits endgültig eingestellt. Die Anklage lautete auf Zugehörigkeit zum politischen Führerkorps der NSDAP (als Kreis- und Gaurechtsamtsleiter) und Mitgliedschaft in SD sowie SS nach dem 1. September 1939 unter Kenntnis des verbrecherischen Charakters der Organisationen. Nach der mündlichen Verhandlung am 9. / 10. November 1948 wurde Hoffmeister zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt, die durch seine Internierungshaft als abgegolten betrachtet wurde.579 Seine FA-Tätigkeit spielte in dem Ermittlungsverfahren gegen Hoffmeister 575 Vgl. zum Ganzen: Westermanns Entnazifizierungsunterlagen (HStAH Nds. 171 Hannover Nr. 14950). 576 Vgl. zum Folgenden: Hoffmeisters Spruchgerichtsakten (BArch Z 42 V 2823 und BArch Z 42 V 2823a). Vgl. zur Internierungspraxis allgemein: Wember, Umerziehung; auch Ders., Entnazifizierung; ferner Schick, Internierungslager. 577 Wember, Umerziehung, 145. 578 1950/51 wurde in Braunschweig ein weiteres Entnazifizierungsverfahren gegen Hoffmeister durchgeführt, zu dem allerdings keine Unterlagen auffindbar gewesen sind. 579 Das Urteil wurde Anfang Dezember 1948 rechtskräftig, nachdem beide Seiten, Öffentlicher Kläger und Hoffmeister, ihre zuvor eilig eingelegten Revisionen zurückgezogen hatten.

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zunächst keine Rolle. Erst Anfang September 1947, als Hoffmeister gerade wieder auf freiem Fuß war, wurde der Öffentliche Kläger auf diesen Gesichtspunkt aufmerksam gemacht. Er erhielt gleich mehrere Hinweise: Oberlandesgerichtsrat Friedrich-Wilhelm Holland580 sagte aus, es sei „ein offenes Geheimnis, dass H[offmeister] seine Stellung als Leiter der Finanzabteilung einseitig zu Gunsten des Staates unter Vernachlässigung kirchlicher Belange ausgeübt hat“581; der Braunschweiger Staatsanwalt bedeutete dem Öffentlichen Kläger, er solle in der Sache Hoffmeister auch Oberlandeskirchenrat Breust vernehmen; außerdem fand ein Gespräch zwischen dem Öffentlichen Kläger in Hiddesen und dem braunschweigischen Landesbischof Martin Erdmann statt (die Kirchenleitung hatte von Hoffmeisters Freilassung erfahren und sofort reagiert). Im Zuge der Anklageerhebung gegen Hoffmeister Mitte 1948 teilte der Öffentliche Kläger dem Landeskirchenamt dann mit, dass „das kirchenfeindliche Vorgehen von Hoffmeister in diesem Verfahren eine Rolle spielen wird“582. Er bat daher um Zusendung von weiteren Unterlagen zu Hoffmeisters Aktivitäten. Das Landeskirchenamt stellte ihm daraufhin wiederholt Material zur Verfügung, insbesondere zu den Grundstücksverkäufen. Aufgrund dieser Entwicklung befürchtete Willy Hoffmeister, der als Anwalt für seinen Sohn in dem Spruchgerichtsverfahren auftrat, die Tätigkeit in der Finanzabteilung solle gegen Hoffmeister verwendet werden. Es solle unterstellt werden, Hoffmeisters Gesinnung und seine Aktivitäten seien kirchenfeindlich gewesen. Dies sei aber falsch, so Hoffmeister. Das zeige sich schon daran, dass die Partei die Finanzabteilungen abgelehnt habe.583 Willy Hoffmeister hielt die FA-Tätigkeit damit für nicht prozessrelevant, sollte sie doch thematisiert werden, solle als Zeuge Westermann geladen werden. Später wünschte er zusätzlich die Ladung von Cölle und Muhs, die bezeugen sollten, dass Hoffmeisters FA-Tätigkeit „in keinerlei Zusammenhang mit irgendwelchen Kirchenverfolgungen stand“584. In dem Verfahren selbst spielte die FA-Tätigkeit Hoffmeisters dann keine besondere Rolle. Zwar wurden Muhs und Breust tatsächlich geladen und machten ihre Aussagen,585 für das Urteil war das alles jedoch nicht relevant, da Sohn des ehemaligen braunschweigischen Kirchenregierungsmitglieds Wilhelm Holland. Vernehmung vom 5. 9. 1947 (BArch Z 42 V 2823, Bl. 114). Öffentlicher Kläger an LKA vom 29. 6. 1948 (ebd., Bl. 162). Am ausführlichsten nahm Willy Hoffmeister in seinem Schreiben an das Spruchgericht Hiddesen vom 21. Juli 1948 zu Hoffmeisters Einstellung zur Kirche und dessen Tätigkeit in der Finanzabteilung Stellung (ebd., Bl. 223 – 226, hier bes. Bl. 225 f.). 584 Willy Hoffmeister an Spruchgericht Hiddesen vom 12. 10. 1948 (BArch Z 42 V 2823a, Bl. 35). 585 Muhs verstieg sich bei seiner Aussage zu der abenteuerlichen Behauptung: „Differenzen zwischen dem Angeklagten und der Kirchenregierung sind nicht eingetreten.“ Er bezog sich auf die Landverkäufe. Vgl. Muhs’ Aussage vom 10. 11. 1948 laut Protokoll (ebd., hier Bl. 71). Breust hatte im Vorfeld den Öffentlichen Kläger vorgewarnt, sollte er nach dem persönlichen Verhalten Hoffmeisters ihm gegenüber befragt werden, so sehe er sich gezwungen, „auch in erheblichem Umfange zu Gunsten Hoffmeister’s auszusagen.“ Schreiben vom 25. 10. 1948

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die Spruchkammer den Ermittlungen im Untreueverfahren nicht vorgreifen wollte. Auch Hoffmeisters Informationsdienste für den SD in Kirchensachen wurden nicht verwendet. In den fünfziger Jahren konnte Hoffmeister seine juristische Karriere als Richter an verschiedenen Gerichten fortsetzen.586

(ebd., Bl. 38). Breust hatte auch, was ihm später in kirchlichen Kreisen vorgeworfen wurde, am 10. November 1945, lange vor dem Prozess, Hoffmeister ein günstiges Zeugnis ausgestellt, um dessen Freilassung aus dem Internierungslager zu erreichen. Es findet sich in BArch Z 42 V 2823, Bl. 17. Vgl. dazu auch Pollmann, Entnazifizierung, 70; Kuessner, Überblick, 184. Hoffmeister hatte im Vorfeld des Prozesses auch entlastende Erklärungen von Streck und Heuer erhalten. Streck vermerkte etwas diffus, Hoffmeister sei ein Mann gewesen, „der ehrlich und fest davon überzeugt war, dass seine nationalsozialistische Haltung seinem Volke dienen könne. Ich selber habe immer den Eindruck gehabt, dass Hoffmeisters Wollen mehr von sozialistischen als von nationalistischen Gedankengängen bestimmt war.“ Bescheinigung vom 16. 4. 1947 (BArch Z 42 V 2823, Bl. 15). Heuer thematisierte die Tätigkeit Hoffmeisters in der Finanzabteilung und lobte sie als objektiv, sachlich, korrekt und der Kirche dienlich, keinesfalls kirchenfeindlich. Vgl. seine Eidesstattliche Versicherung vom 4. 11. 1948 (BArch Z 42 V 2823a, Bl. 81 f.). 586 Vgl. Mlynek, Hoffmeister.

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3. Die Finanzabteilung der Landeskirche Badens 3.1. Die badische Landeskirche vor der Einrichtung der Finanzabteilung Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Abdankung des badischen Großherzogs endete für die konsensunierte Vereinigte Evangelisch-protestantische Landeskirche Badens das landesherrliche Kirchenregiment. Eine neue Kirchenverfassung war nötig. Diese wurde im Dezember 1919 von der verfassunggebenden Generalsynode verabschiedet und am 24. Dezember 1919 verkündet.1 Nach ihr hatte die Landeskirche drei Leitungsorgane: die Landessynode, die Kirchenregierung und den Oberkirchenrat – im Folgenden auch als Evangelischer Oberkirchenrat bezeichnet. Die Kirchenregierung war „das oberste Organ zur Leitung und Verwaltung der Landeskirche“2. Sie handelte im Auftrag der Landessynode, die als „Inhaberin der der Landeskirche innewohnenden Kirchengewalt“3 an der Spitze der Landeskirche stand. Die oberste Verwaltungsbehörde der Landeskirche war der Evangelische Oberkirchenrat. Ihm oblag auch die Vermögensverwaltung. Er bestand aus dem Kirchenpräsidenten als Vorsitzendem (seit 1924 D. Klaus Wurth), dessen Stellvertreter (Oberkirchenrat Dr. Emil Doerr), dem Prälaten4 (seit 1924 D. Julius Kühlewein) sowie den geistlichen und weltlichen Oberkirchenräten, die von der Kirchenregierung ernannt wurden. Der Evangelische Oberkirchenrat führte auch die Aufsicht über die Vermögensverwaltung der Gemeinden,5 die ansonsten selbständig vom Kirchengemeinderat (und ferner dem Kirchengemeindeausschuss) erledigt wurde.6 In Fällen, in denen eines der Gemeindegremien „eine ordnungsmäßige wirtschaftliche Verwaltung trotz Erinnerung durchzuführen unterläßt“7, konnte der Ober1 Die Verfassung der badischen Landeskirche findet sich nebst Einführungsgesetz als Beilage zum GVBl. vom 31. 12. 1919, 2 – 22. Vgl. ansonsten zum Folgenden: Wennemuth, Kirchenleitung, 35 – 38; Winter, Verfassungsentwicklung, bes. 190 f.; Rìckleben, Zentralbehörden, 653 f.; Wennemuth, Jahre, 137 – 139; Thierfelder, Landeskirche, 293 – 296; Liermann, Staat; Klausing, Baden, 64 – 67; Erbacher, Landeskirche, 30 f.; Friedrich, Entwicklung Badens, 292 f.; Meier, Kirchenkampf I, 436; Stçssel, Kirchenleitung, 2 f.; Rçhm, Landeskirchen, 222. 2 § 110 der Kirchenverfassung (Beilage GVBl. vom 31. 12. 1919, 17). 3 § 93 der Kirchenverfassung (ebd., 15). 4 Dieser übte die geistliche Leitung der Landeskirche aus, vgl. § 125 der Kirchenverfassung (ebd., 19). 5 Vgl. das vorläufige Kirchengesetz über die Verwaltung des evangelischen Kirchenvermögens vom 24. 4. 1934 (GVBl., 1934, 36 – 38). 6 Vgl. § 33 der Kirchenverfassung (Beilage GVBl. vom 31. 12. 1919, 6). 7 § 6 des vorläufigen Gesetzes zur Verwaltung des Kirchenvermögens (GVBl., 1934, 37).

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kirchenrat die Vermögensverwaltung der Gemeinde an sich ziehen und diese selbst führen.8 Der badische Staat hatte bei der kirchlichen Vermögensverwaltung seit 1934 nur noch Aufsichtsbefugnisse;9 etwa im Kirchensteuerwesen.10 Der badische Kirchenvertrag vom 14. November 1932 garantierte zudem, dass die kirchliche Vermögensverwaltung auch keine über die bestehenden gesetzlichen Regelungen11 hinausgehende staatliche Einschränkung mehr erfahren würde.12 Die grundsätzliche Selbständigkeit der kirchlichen Vermögensverwaltung war für die Landesregierung damit unantastbar. Der Vertrag verbriefte zudem das Recht der Kirche auf Steuererhebung und legte die Staatsleistungen an die Kirche fest; ausgenommen die Pfarrbesoldungszuschüsse, die in Baden auf befristeten Gesetzen basierten. Der Staat erhielt in dem Vertrag im Gegenzug das Recht, bei der Bestellung eines Kirchenpräsidenten wegen Bedenken „allgemein-politischer“13 Art einschreiten zu dürfen.14 Bis 1938 erlebte die badische Landeskirche tiefgreifende Umwälzungen:15 Der Tag von Potsdam und Hitlers kirchenfreundliche Äußerungen ließen die badische Kirchenleitung 1933 die „Machtergreifung“ Hitlers begrüßen.16 Unter dem Eindruck des „nationalen Aufbruchs“ wurde die bisherige verfassungsmäßige Ordnung revidiert:17 Anfang Juni 1933 wurde das Amt des 8 Vgl. zur gesetzlichen Grundlage der Kirchenvermögensverwaltung der Landeskirche: Bìrgy, Vermögensaufsicht, bes. 378 – 383; May, Staatsaufsicht, 48 – 50; Friedrich, Entwicklung Badens, 305; Ders., Kirchenvertrag, bes. 20 – 22, 25 – 30, 86 – 90; außerdem die Begründung des badischen Kirchenvertrages von 1932 (Weber, Konkordate, 195 – 211, hier bes. 199 – 203, 207 – 210). 9 Vgl. Staatsministerial-Verordnung vom 4. 4. 1934 (GVBl., 1934, 38 f.); auch das vorläufige Kirchengesetz über die Verwaltung des evangelischen Kirchenvermögens vom 24. 4. 1934 (ebd., 36 – 38). 10 Vgl. das Landes- und das Ortskirchensteuergesetz, beide vom 30. 6. 1922 (Badisches Gesetzund Verordnungs-Blatt, 1922, 493 – 514). 11 Es waren dies das Kirchenvermögensgesetz vom 7. April 1927 und das Badische Stiftungsgesetz vom 19. Juli 1918. 12 Vgl. Art. II Abs. 4 des Kirchenvertrages (GVBl., 1933, 33). 13 Art. II Abs. 2 des Kirchenvertrages (ebd.). 14 Der Kirchenvertrag ist nebst Schlussprotokoll abgedruckt ebd., 32 – 38. Vgl. zu ihm auch Friedrich, Kirchenvertrag, hier bes. 78 – 92, 97 – 111; Huber, Staat IV, 726 f.; Peter, Grundlegung, 133 f. 15 Vgl. zum Folgenden: Wennemuth, Kirchenleitung, 38 – 57; Thierfelder, Landeskirche, 296 – 299, 310 – 327; Meier, Kirchenkampf I, 436 – 442; Ders., Kirchenkampf II, 316 – 321; Friedrich, Entwicklung Badens, 294 – 317; Erbacher, Landeskirche, 36 – 46; Rìckleben, Zentralbehörden, 656 – 661; Klausing, Baden, 67 – 104, 142 – 159, 181 – 196; Kunze, Bedeutung, 187 – 193; Stçssel, Kirchenleitung, 12 – 26; Wennemuth, Jahre, 139 f.; Scholder, Baden, 230 – 236; Meier, Christen, 91 f., 162 – 166, 247 f.; Wennemuth, Kiefer, 481 – 484; Rçhm, Landeskirchen, 245 – 247; Quellen III, bes. 1 – 159, 190 – 306, 399 – 445; ferner Quellen I, passim; Quellen II, passim; Hoffmann, Beginn, 112 – 115, 122 – 138; H•ffner, Beginn, 171 – 175; Benrath, Landeskirche, 128 – 130. 16 Vgl. etwa den Hirtenbrief Prälat Kühleweins vom 29. 3. 1933 (Quellen II, 797 – 799). 17 Vgl. das Gesetz zum Umbau der Verfassung vom 1. 6. 1933 (GVBl., 1933, 69 – 71).

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Landesbischofs eingeführt. Dieser stand als geistlicher Führer an der Spitze der Landeskirche und besaß wichtige Kompetenzen – die Ämter von Kirchenpräsident und Prälat fielen dafür weg. Außerdem wurde als neues Kirchenorgan der Erweiterte Oberkirchenrat geschaffen, der im Wesentlichen diejenigen Zuständigkeiten der Kirchenregierung übernahm, die nicht schon der Landesbischof erhalten hatte. Die Kirchenregierung wurde abgeschafft. Der Erweiterte Oberkirchenrat setzte sich aus den Mitgliedern des Evangelischen Oberkirchenrates sowie vier Synodalen zusammen. Auch der Evangelische Oberkirchenrat selbst wurde verändert; er bestand nunmehr aus dem Landesbischof sowie den sechs Oberkirchenräten. Der Landesbischof führte zwar bei den EOK-Sitzungen den Vorsitz, ansonsten jedoch war „für den geordneten Geschäftsgang der Behörde“18 ein weltlicher Oberkirchenrat verantwortlich – diese Schlüsselrolle fiel an Oberkirchenrat Doerr. Neu war auch, dass der Evangelische Oberkirchenrat seine Beschlüsse fortan nach dem Mehrheitsprinzip als Kollegialbehörde fasste. Ansonsten blieb der Oberkirchenrat „die oberste Behörde zur Regierung und Verwaltung der Landeskirche“19, gewann jedoch einige Zuständigkeiten durch die Verfassungsänderung hinzu.20 Im Juli 1933 wurde zum ersten Landesbischof der bisherige Prälat Julius Kühlewein gewählt. Er war ein Kompromisskandidat, der allen kirchenpolitischen Gruppierungen tragbar erschien. Auch die badische Staatsführung hielt ihn für akzeptabel, da er dem Nationalsozialismus wohlwollend gegenüber stand. So war die Landeskirche bereits vor den Kirchenwahlen im Juli 1933 verfassungsmäßig und personell neu aufgestellt. Auch im Lager der in Baden traditionell sehr einflussreichen Kirchenparteien brachte das Jahr 1933 einschneidende Veränderungen. Zu den Kirchenwahlen traten von ehemals fünf Kirchenparteien nur noch zwei an: die Deutschen Christen und die Kirchlich-Positive Vereinigung. Die beiden Parteien verständigten sich auf eine Einheitsliste, die den Deutschen Christen in der neuen Landessynode die Mehrheit verschaffte. Mitte 1933 war die Kirchenleitung der badischen Landeskirche damit zu einem Gutteil deutsch-christlich ausgerichtet. In der Synode und dem Erweiterten Oberkirchenrat besaßen die Deutschen Christen Mehrheiten. Im Evangelischen Oberkirchenrat herrschte hingegen eine Pattsituation. Von den sechs Oberkirchenräten gehörten drei den Deutschen Christen an – Fritz Voges, gleichzeitig DC-Gauleiter, Heinrich Brauß und Emil Doerr, der im Mai 1933 von der Kirchlich-Liberalen Vereinigung zu den Deutschen Christen gekommen war. Demgegenüber standen Karl Ludwig Bender, der als ständiger Vertreter Kühleweins fungierte, Gustav Adolf Rost, wie Bender kirchlich-positiv, und Otto Friedrich, keiner kirchenpolitischen Gruppierung zugehörig, 18 § 4 des Gesetzes zum Umbau der Verfassung (ebd., 70). 19 § 3 des Gesetzes zum Umbau der Verfassung (ebd.). 20 Vgl. das Gesetz zur Definition der Zuständigkeiten des Evangelischen Oberkirchenrats vom 1. 6. 1933 (ebd., 71 f.).

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jedoch den Kirchlich-Positiven nahestehend. Landesbischof Kühlewein gehörte keiner der kirchenpolitischen Gruppierungen mehr an, war früher aber in der Kirchlich-Positiven Vereinigung gewesen. Bis Mitte 1934 gelang es den gemäßigt auftretenden Deutschen Christen Badens und den Kirchlich-Positiven, sich zu arrangieren. Die Sportpalastkundgebung hatte bereits für ernstere Spannungen gesorgt, doch zu harten Auseinandersetzungen kam es erst im Juli 1934: Nach den Vorstellungen der Deutschen Christen sollte die Landessynode die Eingliederung der Landeskirche in die Reichskirche beschließen. Sie brachten eine entsprechende Vorlage ein, zu deren Verabschiedung jedoch wegen ihres verfassungändernden Charakters eine Zwei-Drittel Mehrheit nötig war. Diese wurde in der Abstimmung verfehlt, da die Kirchlich-Positiven den Gesetzentwurf ablehnten – obwohl Landesbischof Kühlewein die Annahme des Gesetzes empfohlen hatte. Um die Landeskirche dennoch eingliedern zu können, griffen die Deutschen Christen zu einigen Winkelzügen. Zunächst löste der Erweiterte Oberkirchenrat, mit seiner DC-Mehrheit, die Landessynode auf, um anschließend das Eingliederungsgesetz selbst zu beschließen.21 Dann bildete er aufgrund eines weiteren neuen Gesetzes eine verkleinerte Landessynode, die den Eingliederungsbeschluss legitimieren sollte.22 In der Synode waren fast ausschließlich Deutsche Christen vertreten, da die Kirchlich-Positiven ihre Teilnahme verweigerten – es waren ihnen einige wenige Sitze angeboten worden. So verabschiedete diese kurzfristig neu gebildete Landessynode, in der aber immerhin Kühlewein als Präsident auftrat, am 14. Juli 1934 das Eingliederungsgesetz.23 Die badische Kirchenleitung wurde auf die Reichskirche übertragen. Unterdessen hatte sich als Reaktion auf die Eingliederungspläne und unter dem Eindruck der Barmer Bekenntnissynode in Baden die Bekennende Kirche formiert. Am 19. Juni 1934 wurde ein Landesbruderrat gebildet. Die badische Bekenntnisgemeinschaft ging letztlich hervor aus der Kirchlich-Positiven Vereinigung, reichte aber über deren Kreis hinaus. Vorsitzender des Landesbruderrats wurde Pfarrer Karl Dürr, der auch schon den badischen Pfarrernotbund geführt und 1933 den Vorsitz in der Kirchlich-Positiven Vereinigung von Oberkirchenrat Bender übernommen hatte. Die Bekenntnisgemeinschaft stand vor allem in Opposition zu den Deutschen Christen. In Sachen Eingliederung jedoch bezog sie auch eindeutig und entschieden gegen den Landesbischof Stellung, der diese mit befördert hatte und sie weiterhin verteidigte. Die Eingliederung der Landeskirche in die Reichskirche war indes nur von kurzer Dauer. Als im November 1934 das Eingliederungswerk Müllers kollabierte, vollzog Landesbischof Kühlewein eine Kehrtwende. Am 13. November 21 Vgl. GVBl., 1934, 69 f. 22 Vgl. ebd., 69. 23 Vgl. ebd., 70.

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1934 widerrief er seine Unterordnung unter den Reichsbischof und übernahm die Führung der Landeskirche wieder selbst, um „die drohende Spaltung innerhalb unserer badischen Landeskirche zu verhindern und deren Weiterbestand aufrecht zu erhalten“24. Seine Entscheidung sicherte er durch eine Befragung der badischen Pfarrer ab,25 die seinem Vorgehen mit sehr deutlicher Mehrheit zustimmten; lediglich die deutsch-christlichen Pfarrer votierten dagegen. In der Folge beschloss am 14. Dezember 1934 der Evangelische Oberkirchenrat, in dem sich in der Zwischenzeit die Kräfteverhältnisse verschoben hatten, die Eingliederung der badischen Landeskirche in die Reichskirche aufzuheben. Im gleichen Zuge wurden per Erlass des Landesbischofs die Zuständigkeiten des Erweiterten Oberkirchenrats auf den Evangelischen Oberkirchenrat übertragen.26 Damit wurde dieser erheblich aufgewertet und konnte nun beispielsweise vorläufige Kirchengesetze erlassen. In den folgenden Jahren hielten die innerkirchlichen Gegensätze an. Auf der einen Seite standen dabei die Deutschen Christen, die dem Landesbischof und dem Evangelischen Oberkirchenrat die Wiederausgliederung aus der Reichskirche nicht verziehen, aber der Kirchenleitung in oppositioneller Haltung teilweise noch angehörten. Auf der anderen Seite befanden sich Landesbischof und Oberkirchenrat sowie die Bekenntnisgemeinschaft, die nach dem Intermezzo um die Eingliederung trotz eines schwankenden Verhältnisses und wiederkehrender Spannungen wieder hinter beiden stand. Kühlewein und Evangelischer Oberkirchenrat selbst hatten sich am 20. Februar 1935 der geistlichen Führung der 1. Vorläufigen Kirchenleitung unterstellt27 und damit einen gemäßigt bekenntniskirchlichen Weg eingeschlagen. Die Deutschen Christen verloren im Laufe der Zeit zunehmend an Rückhalt in der Pfarrerschaft. Massive interne Zwistigkeiten und wiederholte Mitgliederausschlüsse führten schließlich zur Spaltung. Der seit Mai 1936 amtierende DC-Gauleiter Pastor Friedrich Kiefer hatte sich mit den badischen Deutschen Christen im September 1936 zunächst von der Reichsleitung der Deutschen Christen in Berlin losgesagt, um im Mai 1937 den Anschluss an die spätere Nationalkirchliche Einung zu vollziehen. Diesen radikalen Kurs der DCLandesleitung wollten die gemäßigten Deutschen Christen nicht mitvollziehen und spalteten sich ab. Sie sammelten sich um den Religionslehrer Professor Otto Soellner und hielten weiterhin zur DC-Reichsbewegung. Diese Gruppe trat kirchenpolitisch in der Folge wenig in Erscheinung und bemühte sich um „ein auskömmliches Verhältnis“28 mit der badischen Kirchenleitung. Sie stellte die Mehrzahl der badischen DC-Pfarrer. Die späteren Nationalkirchler um Landesleiter Kiefer radikalisierten sich seit 1936 zunehmend und 24 25 26 27 28

So Kühlewein in seiner Erklärung (Quellen III, 403). Schreiben vom 13. 11. 1934 (ebd., 403 f.). GVBl., 1934, 135 f. Quellen III, 561. Meier, Christen, 165.

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blieben in einem scharfen, unversöhnlichen Gegensatz zu Landesbischof und Oberkirchenrat. Zahlenmäßig hatten die Deutschen Christen Badens 1933 ihren Höhepunkt erreicht, als ihnen noch deutlich über Hundert Pfarrer angehörten. Seit der Sportpalastkundgebung 1933 sank diese Zahl kontinuierlich. 1937 waren schließlich nur noch etwa 60 DC-Pfarrer zu verzeichnen – hiervon waren wohl etwa zwanzig der Gaugemeinde der Nationalkirchlichen Einung zuzurechnen. Die Bekenntnisgemeinschaft hingegen konnte sich, aufbauend auf dem üppigen Mitgliederstock der Kirchlich-Positiven Vereinigung, eines steten Zulaufs erfreuen, so dass ihr auf ihrem Höhepunkt 1937 schließlich 387 Geistliche angehörten (bei insgesamt etwa 650 – 700 badischen Geistlichen)29. Allerdings hatte auch sie unter internen Richtungskämpfen zu leiden, die schließlich 1938/39 dazu führten, dass einige namhafte Mitglieder die Bekenntnisgemeinschaft verließen. Der ungebundene Rest der badischen Pfarrerschaft fand sich in der neutralen Mitte wieder.30 Am Vorabend der Einrichtung der Finanzabteilung, im Jahre 1938, waren die Kräfteverhältnisse in der badischen Kirchenleitung kritisch für die Deutschen Christen. Im Evangelischen Oberkirchenrat stand das einzig verbliebene DCMitglied Doerr in einer Minderheitenposition und begriff sich als Opponent zum übrigen Kollegium und dem Landesbischof. Doerr war in der Behörde für den Finanzsektor zuständig und fungierte nach wie vor als geschäftsführender Vorsitzender des Evangelischen Oberkirchenrates. Der ehemalige Landesleiter Voges hatte die Deutschen Christen bereits Ende 1934 verlassen und sich scharf von ihnen distanziert. Er gehörte weiterhin dem Oberkirchenrat an. Brauß, der den radikalen Deutschen Christen um Kiefer zuneigte, war 1937 wegen Unstimmigkeiten aus dem Evangelischen Oberkirchenrat ausgeschieden und in den Schuldienst gewechselt. Ansonsten gehörten dem Oberkirchenrat unverändert der Landesbischof und die Oberkirchenräte Bender (gleichzeitig Stellvertreter des Landesbischofs), Rost und Friedrich an. Der Erweiterte Oberkirchenrat existierte nicht mehr, die Landessynode war ebenso wenig reanimiert worden. So waren Landesbischof, als geistliche Leitung, und Evangelischer Oberkirchenrat 1938 die beiden einzigen kirchenleitenden Organe der badischen Landeskirche. Der Evangelische Oberkirchenrat war inzwischen zu der landeskirchlichen Zentral- und Regierungsstelle geworden, die nicht nur die Verwaltung zu beschicken hatte, sondern in deren Zuständigkeitsbereich auch die Gesetzgebung fiel. Er war 29 Dies ungefähr die Zahl der Geistlichen inklusive unständiger Geistlicher. An Gemeinde- und landeskirchlichen Pfarrern gab es in der Landeskirche etwa 550. 30 Vgl. zu den Zahlen der kirchenpolitischen Gruppierungen: Thierfelder, Landeskirche, 322 Anm. 143; Meier, Kirchenkampf I, 438, 442; Kunze, Bedeutung, 187, 191; Meier, Christen, 247; Ders., Kirchenkampf III, 439; Kunze, Problem, 207.

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Bemühungen um eine Finanzabteilung vor 1938

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durch die 17. Durchführungsverordnung vom Reichskirchenminister als im Amt befindliche Kirchenleitung bestätigt worden.

3.2. Bemühungen um eine Finanzabteilung vor 1938: Kultusminister Otto Wacker und der lange Weg zur Finanzabteilung Es waren schon verschiedene Anläufe gescheitert, eine Finanzabteilung für die badische Landeskirche einzurichten, bevor es im Frühjahr 1938 doch noch dazu kam: Das Verhältnis von nationalsozialistischem Staat und evangelischer Kirche in Baden war ursprünglich recht harmonisch gewesen. Mit der Selbstausgliederung aus der Reichskirche, dem Verfall der Deutschen Christen und der Hinwendung der Kirchenleitung zu einem mehr bekenntniskirchlichen Kurs hatte sich das Verhältnis jedoch rasch abgekühlt und war schon 1935 auf einem Tiefpunkt angekommen.31 Dies bekam die Landeskirche finanziell zu spüren: Die bisher auf Grundlage eines Gesetzes von 193032 gezahlten Pfarrbesoldungszuschüsse wurden mit Auslaufen des Gesetzes zum 1. April 1935 eingestellt; damit fielen über 500 000 RM Staatszuschüsse weg. Die weiteren Staatsleistungen waren der Landeskirche pauschal durch den Kirchenvertrag garantiert, daher nicht so einfach abzuschaffen.33 Dafür senkte der badische Kultusminister Otto Wacker die Kirchensteuer und nahm der Landeskirche 1936 die Möglichkeit, Kirchgeld zu erheben.34 Gauleiter und Reichsstatthalter Robert Wagner hatte 1932 noch die Vorläuferorganisation der Deutschen Christen in Baden mitbegründet, obwohl er der Kirche schon damals bestenfalls „distanziert und gleichgültig“35 gegenüberstand. Seither aber hatte er sich weiter von der Kirche abgewandt und lehnte nun insbesondere die badische Kirchenleitung ab.36 Als Chef der Zivilverwaltung im Elsass betrieb er während des Krieges dort eine „rigorose 31 Vgl. zum Wandel des Verhältnisses: Schrecke, Wacker, 717 – 721; Klausing, Baden, 162 – 164; Scholder, Baden, 232 – 239; Thierfelder, Landeskirche, bes. 317, 319 f., 327, 329. 32 Badisches Gesetz- und Verordnungs-Blatt, 1930, 85 f. Vgl. auch Lang, Leistungen, 90 – 102. 33 Gleichwohl unternahmen Reichsstatthalter und Kultusminister wiederholt Vorstöße, die Staatsleistungen, wenn nicht abzuschaffen, so doch zumindest zu vermindern, vgl. exemplarisch Reichsstatthalter an Reichskirchenminister vom 23. 6. 1939 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 154 f.); Kultusminister an FA-Baden vom 2. 10. 1939 (BArch R 5101 / 23780); Kultusminister an Reichsstatthalter vom 8. 11. 1941 (GLAK 235 / 31757). 34 Vgl. dazu EOK an Reichsfinanzminister vom 27. 6. 1936 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 40 – 46); Kultusminister an Reichskirchenminister vom 12. 10. 1936 (ebd., Bl. 52 f.). 35 Ferdinand, Misere, 128. 36 Vgl. den Bericht Landesbischof Diehls über ein Gespräch mit Wagner am 26. 5. 1936 (Quellen IV, 96 f.).

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Kirchenpolitik“37. Symptomatisch für Wagners Einstellung war eine von ihm ausgegebene Richtlinie aus dem Jahre 1934, nach der ein gleichzeitiges Innehaben von einem Kirchen- und einem Parteiamt ausgeschlossen sei. So mussten sich entsprechende Funktionsträger in Baden entscheiden, ob sie ihr kirchliches Amt oder ihr Amt in der Partei beibehalten wollten.38 In diesem Klima nun hatte Kultusminister Wacker, der in Baden als wesentlicher Exponent dieser dezidiert kirchenfeindlichen Politik auftrat,39 sehr interessiert auf das preußische Vermögensverwaltungsgesetz reagiert. Bereits am 30. März 1935 bat er den Reichsinnenminister um die Zusendung der Gesetzesbegründung, um prüfen zu können, „ob eine Notwendigkeit für den Erlass eines dem dortigen Gesetz über die Vermögensverwaltung in den evangelischen Landeskirchen vom 11. März 1935 entsprechenden Gesetzes auch für den Gau Baden besteht“40. Er dachte insbesondere an die der Landeskirche im badischen Kirchenvertrag zugesicherte freie Vermögensverwaltung: Er wolle „eine Prüfung vor allem in der Richtung vornehmen, ob heute infolge dringender staatlicher Notwendigkeiten ein, die freie Vermögensverwaltung der Landeskirche unmittelbar oder mittelbar wiederum einengendes Gesetz geboten ist.“ Der Kultusminister erhielt zwar die erbetene Gesetzesbegründung, doch es lag weder im Interesse des Reichsinnenministers noch des eingeschalteten Reichserziehungsministers, nun als erstes mittels des gerade erlassenen Vermögensverwaltungsgesetzes früher geschlossene Kirchenverträge auszuhebeln. Diese erste Initiative des Kultusministers verlief im Sande. Damit war die Idee der Bildung einer Finanzabteilung in Baden jedoch für die Landesregierung und vor allem für Wacker keineswegs vom Tisch. Bereits Anfang August 1935 kam der badische Kultusminister auf seine Märzinitiative zurück.41 Er argumentierte, die Landeskirche lasse „vielfach die erforderliche Sparsamkeit vermissen“ und stehe der Bekennenden Kirche nahe: „Ich halte es für nicht erträglich“, so der Kultusminister, „dass auf der einen Seite der Staat durch seine Dotationen und seine noch weit schwerwiegendere Hilfeleistung durch Gewährung des Besteuerungsrechts der Kirche die von ihr benötigten Mittel beschafft, während auf der andern Seite die Kirche die Mittel zum Teil für Zwecke, die den Zielen der staatlichen Kirchenpolitik zuwiderlaufen, oder unrationell verwendet.“ Daher sei die „Schaffung eines gewissen staatlichen Aufsichts- und Einflussrechts auf die kirchliche Finanzgebarung […] unerlässlich.“

37 Syr¦, Wagner, 758. 38 Vgl. Quellen III, 463 – 475; Heidel, Kampf, 265; Meier, Kirchenkampf II, 317; Nolzen, Nationalsozialismus, 164 f. 39 Vgl. Schrecke, Wacker, 719; Scholder, Baden, bes. 237. 40 BArch R 5101 / 22728, Bl. 143, daraus auch folgendes Zitat. 41 Schreiben an den Reichskirchenminister vom 5. 8. 1935 (GLAK 233 / 27761), daraus auch die folgenden Zitate.

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Es sei ihm jedoch nicht möglich, „ein solches Aufsichtsrecht im Wege landesgesetzlicher Regelung zu schaffen“, da der Kirchenvertrag von 1932 und das Kirchenvermögensgesetz von 1927 das nicht zuließen. Daher bat er den Reichskirchenminister, per Reichsgesetz außerpreußische Landesregierungen zu ermächtigen, in ihren Landeskirchen in eigener Regie Finanzabteilungen zu errichten. An einer solchen Ermächtigung konnte Kerrl indes kein Interesse haben, denn damit hätte er die Verfügung über die Finanzabteilungen aus den Händen gegeben. Stattdessen fragte er kurz darauf bei den Landesregierungen an, wo Finanzabteilungen gewünscht seien. Für Baden allerdings veranlasste Kerrl nichts weiter. Bald bot sich der badischen Landesregierung die nächste Möglichkeit, ihren Wunsch nach einer Finanzabteilung voranzutreiben. Den Hintergrund bildete nunmehr die Kirchenausschusspolitik des Reichskirchenministers. Die rechtliche Situation in der Landeskirche war seit Anfang 1936 zweifelhaft: Als problematisch erwies sich vor allem das Fehlen der im Juli 1933 aufgelösten Landessynode, denn nur ein von „Kirchengenossen“ gewähltes Kirchenorgan war nach dem Landeskirchensteuergesetz vom 30. Juni 1922 befugt, einen Kirchensteuerbeschluss zu fassen, der dann dem Staat zur Genehmigung vorgelegt werden konnte.42 Da diese Regelung auf staatlicher Gesetzgebung beruhte, konnte die Kirchenleitung die Kompetenzen nicht einfach auf den Evangelischen Oberkirchenrat verlagern. Im März 1936 lief der letzte Kirchensteuerbeschluss aus. Nun fehlte der Landeskirche für ihre Haushaltsverabschiedung, bei der die Kirchensteuerbeschlussstelle hätte mitwirken müssen, und die Steuerfestlegung das passende Organ; beides war nicht mehr auf rechtmäßigem Weg möglich. Währenddessen lief eine Kampagne der Deutschen Christen. In zahlreichen Eingaben versuchten sie, beim Reichskirchenminister den Eindruck zu erwecken, in Baden herrschten unhaltbar zerrüttete kirchliche Zustände und ein brutaler innerkirchlicher Kampf. Sie wollten eine Ausschuss-Bildung erreichen,43 von der sie sich eine Entmachtung der Kirchenleitung und ein eigenes Wiedererstarken erhofften. Reichskirchenminister und Reichskirchenausschuss erwogen angesichts dieser Gesamtsituation tatsächlich die Bildung eines Landeskirchenausschusses.44 Eine erste Prüfung erfolgte im November/Dezember 1935 durch den Reichskirchenausschuss, ohne dass es jedoch im Ergebnis zur Bildung eines Ausschusses für Baden gekommen wäre.45 Am 19. Mai 1936 besuchten 42 Laut Art. 5 des Gesetzes (Huber, Staat IV, 200). 43 Vgl. exemplarisch DC-Kreis Konstanz an Reichskirchenminister vom 7. 1. 1936 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 8). 44 Vgl. zur Ausschussfrage in Baden insgesamt: Friedrich, Entwicklung Badens, 311 – 313; Meier, Kirchenkampf II, 319 f.; Thierfelder, Landeskirche, 330 f.; Wennemuth, Kirchenleitung, 55, 57; Klausing, Baden, 187 – 189; Stçssel, Kirchenleitung, 25 f.; auch die Dokumente in Quellen IV, hier 48 f., 64 f., 69 – 98; ferner Geschichte in Quellen, 380 – 389. 45 Vgl. auch Reichskirchenminister an Reichskirchenausschuss vom 18. 2. 1936 (EZA 1/1435).

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zur abermaligen Lageeinschätzung einige Mitglieder des Reichskirchenausschusses sowie ein Vertreter des Reichskirchenministeriums Karlsruhe, um mit der Kirchenleitung, Vertretern der kirchenpolitischen Gruppen sowie Kultusminister Wacker und Reichsstatthalter Wagner über die Einrichtung eines Landeskirchenausschusses zu beraten.46 Kühlewein erklärte den Berliner Gesandten, ein Landeskirchenausschuss sei nicht nötig, die Verhältnisse wohlgeordnet.47 Dem Problem mit den Haushalts- und Steuerbeschlüssen könnte begegnet werden, indem der Evangelische Oberkirchenrat ermächtigt würde, diese zu verabschieden. Die Mehrheit der EOK-Mitglieder pflichtete Kühleweins Einschätzung bei. Auch die Vertreter der Bekenntnisgemeinschaft lehnten eine Ausschuss-Bildung ab, da sie eine Entmachtung der von ihnen als legitim und geordnet betrachteten Kirchenleitung verhindern wollten. Ein Ausschuss könne nur als Versuch gewertet werden, „auf Umwegen den DC zu stärkerem Einfluß in unserer Kirche zu verhelfen“48. Die Deutschen Christen ihrerseits befürworteten gegenüber der Delegation die Bildung eines Ausschusses. Diese Auffassung vertraten auch die deutsch-christlichen EOKMitglieder. Die Bildung einer Finanzabteilung wurde bei den Konsultationen erst von Kultusminister Wacker explizit erwähnt. Er betonte, er würde „die Bildung eines Landeskirchenausschusses unter Errichtung einer gleichzeitigen Finanzabteilung beim Oberkirchenrat“ begrüßen.49 Endlich sollte nach Vorstellung Wackers die Freiheit der Landeskirche bei ihrer Vermögensverwaltung eingeschränkt werden. Implizit hatte er gleich einen Personalvorschlag für die Finanzabteilung parat, indem er seine Hochschätzung für Oberkirchenrat Doerr zum Ausdruck brachte. Auch wenn die mögliche FA-Einrichtung nur in dem Gespräch mit Wacker eine hervorgehobene Rolle gespielt hatte, darf als sicher angenommen werden, dass, wäre ein Landeskirchenausschuss gebildet worden, im selben Zuge auch eine Finanzabteilung installiert worden wäre, denn dies war ein integraler Bestandteil einer Ausschussbildung. Doch Kirchenleitung und Bekenntnisgemeinschaft mieden das Thema. Auch die Deutschen Christen forderten sie nicht. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt offenbar die Hoffnung auf eine direkte paritätische Beteiligung an der Kirchenleitung, besser eine Dominanz derselben, noch nicht aufgegeben. Die Forderung nach einer Finanzabteilung hätte vor diesem Hintergrund wenig Sinn gemacht, denn eine solche hätte die dann errichtete (DC-)Kirchenleitung wieder in ihren Kompetenzen beschnitten. Damit wäre bestenfalls, bei einer DC-Besetzung der Finanzabteilung, nichts gewonnen gewesen, bei einer für die Deutschen Christen un46 Ein Bericht des pfälzischen Landesbischofs Ludwig Diehl gibt detailliert Auskunft über die Reise (Quellen IV, 88 – 96; auch in EZA 1/1561). 47 Vgl. auch Kühleweins Schreiben an die 1. VKL vom 31. 10. 1935 (LkAKA GA Nr. 5701). 48 So schon in einem Rundbrief des Landesbruderrats vom 15. 1. 1936 (Quellen IV, 82 f., Zitat 83). Ähnlich auch in Dürrs Jahresbilanz 1935 (ebd., 52 – 65, hier 64 f.). 49 Bericht Diehls (ebd., 95).

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günstigen FA-Personalkonstellation hätten sich sogar Nachteile ergeben können. Die Delegation kehrte jedoch im Mai 1936 unverrichteter Dinge nach Berlin zurück. Der Reichskirchenausschuss empfahl wenig später, von der Bildung eines Landeskirchenausschusses in Baden vorläufig abzusehen. Mit dem Scheitern des Ausschusses war auch an eine Finanzabteilung zunächst nicht mehr zu denken. Das FA-System war für die Kirchenleitung dennoch ein aktuelles Thema. Kühlewein trug etwa als Mitglied der Kirchenführerkonferenz einige Proteste gegen die Finanzabteilungen mit. Wie die übrigen in der Kirchenführerkonferenz zusammengeschlossenen Landeskirchen, verweigerte auch der Evangelische Oberkirchenrat die Veröffentlichung unter anderem der 15. Durchführungsverordnung.50 Erst nach Intervention des Reichskirchenministeriums, das die Gestapo einschaltete, wurde die Verordnung ins Gesetz- und Verordnungsblatt aufgenommen und verspätet veröffentlicht.51 Solche prophylaktischen Abwehrmaßnahmen hatten durchaus ihren Grund, denn nach der gescheiterten Ausschusspolitik stand bald abermals die Bildung einer Finanzabteilung für die badische Landeskirche zur Debatte. Hintergrund bot die ungeregelte rechtliche Lage bezüglich der Haushaltsund Steuerverabschiedung, die Anfang 1938 abermals auf die Tagesordnung rückte. Der Evangelische Oberkirchenrat hatte sich am 10. Februar 1938 an den badischen Kultusminister gewandt und um die Ermächtigung gebeten, zukünftig den Haushaltsplan ohne Mitwirkung der Kirchensteuerbeschlussstelle verabschieden zu dürfen.52 Obwohl das Problem schon länger bestand, und auch der Reichskirchenausschuss für den Erlass einer entsprechenden ministeriellen Verordnung plädiert hatte,53 war bisher in dieser Hinsicht nichts geschehen. Der Kultusminister dachte auch jetzt gar nicht daran, dem Oberkirchenrat entgegenzukommen. Er wollte stattdessen die rechtliche Situation als Hebel benutzen, um die Bildung einer Finanzabteilung für die Landeskirche zu erreichen. Mitte 1937 war er sogar schon in die konkreten Personalplanungen eingestiegen: Am 16. Juli 1937 hatte er sich unter dem Betreff „Verabschiedung des Haushaltsplans der badischen Evang. Landeskirche“ an den Evangelischen Oberkirchenrat gewandt und um Überlassung der Personalakte Oberkirchenrat Doerrs gebeten.54 Zugleich hatte Ministerialrat Karl Asal, Referent im badischen Kultusministerium, im Juli 1937 die Personalakte von Oberfinanzrat Friedrich Guttenberg angefordert, mit dem Bemerken, es solle „ge50 Siehe oben 138. 51 Vgl. GVBl., 1938, 11 – 13; auch Friedrich, Entwicklung Badens, 314 f.; Meier, Kirchenkampf II, 321; Verantwortung III, 666 Anm. 75. 52 Vgl. EOK an Reichskirchenminister vom 8. 4. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239); Friedrich, Entwicklung Badens, 320. 53 Vgl. RKA-Sitzung vom 28. / 29. 5. 1936 (Geschichte in Quellen, 389). 54 LkAKA 2.0. Nr. 3396.

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prüft werden, ob Oberfinanzrat Guttenberg für die Mitarbeit in der Finanzabteilung in Betracht gezogen werden kann.“55 Daneben zog das Kultusministerium auch die Personalakte von Finanzrat Dr. Heinrich Kaeser zur Prüfung heran.56 Dem Evangelischen Oberkirchenrat war damit schon im Juli 1937 bekannt, dass das Kultusministerium in Karlsruhe weiterhin die Absicht verfolgte, der Landeskirche eine Finanzabteilung aufzunötigen – in Verbindung mit dem Betreff zur Anforderung von Doerrs Personalakte konnte ihm sogar schon der entsprechende Anlass geläufig sein. Außerdem war dem Oberkirchenrat offenbar bekannt, dass der Kultusminister die Personalakten der Kirchenbeamten auch an den Reichskirchenminister weiterreichte.57 Der Kultusminister leistete für das Berliner Ministerium die Vorarbeiten, die für die Einrichtung einer Finanzabteilung nötig waren, und servierte bereits fertige Personalvorschläge inklusive Auskunftsmaterial. Am 24. März 1938 reagierte der badische Kultusminister auf die Eingabe des Oberkirchenrats wegen der Haushaltsverabschiedung. Er sei in der Sache beim Reichskirchenminister vorstellig geworden und habe die Einsetzung einer Finanzabteilung erbeten.58 Damit lagen die Karten offen auf dem Tisch. Wacker verweigerte sich einer einfachen Lösung, um die haushaltsrechtlichen Schwierigkeiten zu beheben – wie es der EOK-Vorschlag vermocht hätte. Er wollte die freie Vermögensverwaltung der Landeskirche beseitigen. Er argumentierte, die haushaltsrechtlichen Zuständigkeiten könnten während der Geltung der 15. Durchführungsverordnung nur von einer Finanzabteilung wahrgenommen werden. Die Kirchenleitung in Baden habe damit, so die Interpretation des Kultusministers, die Haushaltszuständigkeiten (die eigentlich bei der Synode lagen) an die noch nicht existente Finanzabteilung verloren. Deshalb müsse nun, um die Ordnung wiederherzustellen, eine Finanzabteilung eingerichtet werden. Nur auf diese Weise lasse sich das Haushalts- und Steuerdilemma beseitigen.59 Erst diese Mitteilung rüttelte die Kirchenleitung auf, nachdem sie 1937 die Vorbereitungen für die Finanzabteilung tatenlos hingenommen hatte. Landesbischof Kühlewein wandte sich umgehend namens des Oberkirchenrates an den Reichskirchenminister.60 Abermals schlug er vor, die rechtliche Lage durch eine EOK-Ermächtigung zu klären. Die Leitung der Landeskirche läge nach der 17. Durchführungsverordnung beim Oberkirchenrat, daher sei es nur natürlich, wenn dieser auch den Steuerbeschluss fassen könne. Die rechtliche Auslegung des Kultusministers wies der Landesbischof zurück. Die 55 56 57 58

Aktenvermerk Doerrs vom 30. 8. 1937 (LkAKA 2.0. Nr. 3415). Dies geht aus einem Schreiben des Kultusministers an den EOK vom 30. 11. 1937 hervor (ebd.). Vgl. EOK an Kultusminister vom 3. 11. 1937 (ebd.). Vgl. die Zitierung des Schreibens in einer FA-Bekanntmachung vom 31. 3. 1939 (GVBl., 1939, 30); zu dem Schreiben auch Frisch, Errichtung, 19 Anm. 28. 59 Vgl. zu dem Gedankengang die FA-Bekanntmachung vom 31. 3. 1939 (GVBl., 1939, 30); FAVermerk vom 25. 6. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 60 Schreiben vom 8. 4. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239), daraus auch die folgenden Zitate.

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Vermögensverwaltung der Landeskirche sei wohlgeordnet, einzig fehle es an einer Institution, die über die Kirchensteuer beschließen dürfe. Dieser Mangel sei aber verschuldet worden durch Eingriffe der Reichskirche und könne durch eine Finanzabteilung nicht behoben werden, denn diese sei gemäß dem Landeskirchensteuergesetz auch nicht zu einem Beschluss über die Kirchensteuern befugt. Dies könne also kein maßgeblicher Grund für eine FA-Bildung sein. Das Kirchenvolk wisse um die ordnungsgemäße Verwaltung der Landeskirche: „Es kann deshalb gar kein Zweifel darüber bestehen, dass die Einrichtung einer Finanzabteilung nicht als eine für den Bestand der Landeskirche notwendige Massnahme, sondern als der Versuch einer kirchenpolitischen Einwirkung empfunden wird, der deshalb im Bereich unserer Landeskirche Unordnung in die Führung der Geschäfte und damit Unruhe und Verbitterung in das Kirchenvolk hineintragen würde.“

Kühlewein bat daher den Reichskirchenminister „auf das eindringlichste“, von der Bildung einer Finanzabteilung abzusehen und den Vorschlägen des Oberkirchenrates zur Behebung der haushaltsrechtlichen Probleme beizupflichten. Im Reichskirchenministerium war während dieser für Baden heiklen Zeitperiode allerdings gerade Staatssekretär Muhs tonangebend. Diesem war an einer Ausweitung des FA-Systems ohnehin gelegen und in Baden sah er ungewöhnlich günstige Voraussetzungen für eine FA-Bildung: Der badische Staat war aufgeschlossen, der Kultusminister hatte sogar bereits personelle Vorarbeiten geleistet und darüber hinaus existierte mit der strittigen Rechtslage ein vorzüglicher Vorwand für den staatlichen Eingriff – immerhin konnte seit dem Rechnungsjahr 1935 kein rechtsgültiger Haushalt mehr beschlossen werden. Mitte Mai 1938 richtete der Reichskirchenminister schließlich beim Evangelischen Oberkirchenrat der badischen Landeskirche eine Finanzabteilung ein. Der Einfluss der Deutschen Christen bei der FA-Bildung sollte nicht überschätzt werden, auch wenn sie inzwischen zu eifrigen FA-Befürwortern geworden waren. Sie erhofften sich, nach dem Scheitern der Ausschussbildung, auf diesem Wege neuen Einfluss in der Kirchenleitung.61

3.3. Die Bildung der Finanzabteilung 1938 Die Einsetzung der Finanzabteilung in Baden erfolgte durch eine Bekanntmachung (auf Basis der 15. Durchführungsverordnung) des Reichskirchen61 Vgl. Meier, Kirchenkampf III, 435; Thierfelder, Landeskirche, 333 f.; Kunze, Bedeutung, 195; Friedrich, Entwicklung Badens, 320; Kissener, Landeskirche, 18.

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ministers vom 18. Mai 1938. Am 25. Mai 1938 erschien in Karlsruhe eine dreiköpfige Delegation aus dem Reichskirchenministerium, bestehend unter anderem aus Ministerialrat Stahn und Landgerichtsrat Albrecht, überbrachte die Bekanntmachung und setzte die Karlsruher Finanzabteilung in ihr Amt ein.62 Erst mit diesem Tag nahm die Finanzabteilung ihre Tätigkeit auf – auch die Bekanntgabe der Maßnahme im Gesetz- und Verordnungsblatt der badischen Landeskirche datiert auf diesen Tag.63 Als Gründe für die Maßnahme wurden die haushaltsrechtliche Situation genannt, außerdem Zahlungen der badischen Landeskirche an den Lutherrat sowie die restriktive DC-Politik der Kirchenleitung.64 Zum FA-Vorsitzenden wurde der Mosbacher Bürgermeister Dr. Theophil Lang bestellt. Dessen ständiger Vertreter wurde Oberkirchenrat Doerr ; weitere FA-Mitglieder wurden Oberfinanzrat Guttenberg sowie Finanzrat Kaeser.65 Die kirchlichen Verwaltungsbeamten entsprachen damit den Vorschlägen des badischen Kultusministers. Wie das Reichskirchenministerium zu der Personalie Lang kam ist unklar. Möglicherweise wurde auch dieser vom badischen Kultusminister vorgeschlagen – Dokumente hierzu fehlen jedoch. In jedem Fall entsprach es Muhs üblichem Vorgehen, einen kirchenfremden FA-Vorsitzenden einzusetzen. Der Jurist Dr. Lang, 1904 geboren, war für ein FA-Amt besonders geeignet: Er war nicht nur „Parteigenosse“,66 sondern als Bürgermeister eine lokale NS-Führungspersönlichkeit. Im Sommer 1938 wechselte er als Bürgermeister von Mosbach, wo er seit 1933 amtiert hatte, nach Bruchsal.67 Zudem war Lang durchaus kirchenaffin. Er hatte einige Semester Theologie studiert68 und sich auch in seiner juristischen Dissertationsschrift aus dem Jahre 1931 mit einem kirchlichen Thema beschäftigt.69 Lang gehörte offenbar den Deutschen Christen an.70 Ende 1940 wurde er als Stadtkommissar ins elsässische Mülhausen berufen.71 Im Februar 1944 fiel Lang als Soldat in Russland.72 Oberkirchenrat Doerr war für einen FA-Posten prädestiniert gewesen: fachlich als langjähriger EOK-Finanzreferent, kirchenpolitisch als Deutscher

62 Vgl. FA-Vermerk vom 25. 6. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477; Quellen IV, 194 f.); Darstellung Friedrichs vom 23. 5. 1945 (LkAKA GA Nr. 8120; Quellen VI, hier 166). 63 Die entsprechende Nummer des Verordnungsblattes erschien am 27. 5. 1938 (GVBl., 1938, 61). 64 Vgl. Bericht über eine Protestversammlung in Karlsruhe vom 31. 5. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 143 – 145). 65 Vgl. GVBl., 1938, 61. 66 Vgl. die Unterlagen zu Lang im BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP. 67 Vgl. Lang an Reichskirchenminister vom 14. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 84). 68 Vgl. Doerr an Reichskirchenminister vom 8. 5. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 69 Die Arbeit (Lang, Leistungen) wurde auch in die Reihe „Veröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der evangelischen Landeskirche Badens“ aufgenommen. 70 Vgl. Kiefer an Leffler vom 28. 3. 1940 (LkAS (03.06.02.) V 41). 71 Vgl. Lang an Reichskirchenminister vom 20. 12. 1940 (BArch R 5101 / 23782). 72 Vgl. Engelhardt an Reichskirchenminister vom 11. 4. 1944 (ebd.).

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Christ und politisch als NSDAP-Mitglied.73 Doerr war zwar erst am 1. Mai 1937 in die Partei eingetreten74 – direkt nach Aufhebung der NSDAP-Mitgliedersperre –, dafür war er seit 1933 Förderndes Mitglied der SS,75 außerdem Mitglied in einigen weiteren der NSDAP angeschlossenen Verbänden.76 Zudem war er seit 1938 als Auskunftsperson für den Sicherheitsdienst tätig.77 Als Vorsitzender der Finanzabteilung wurde Doerr zwar anfangs nicht eingesetzt, aber als ständigem Vertreter des Vorsitzenden kam ihm eine Schlüsselposition zu – umso mehr, als er permanent in der Kirchenbehörde anwesend war, während Lang seinen Posten nebenamtlich ausübte. Oberfinanzrat Friedrich Guttenberg fungierte seit Oktober 1937 als Vorstand der Evangelischen Pflege Schönau, einer kirchlichen Bezirksvermögensverwaltungsstelle mit Sitz in Heidelberg. Er war wie Doerr ein erfahrener, älterer Kirchenbeamter, geboren 1880, der seit 1922 in den Diensten der Landeskirche stand.78 Für ein Amt in der Finanzabteilung machte ihn neben seiner Verwaltungserfahrung jedoch auch sein Parteiengagement interessant. So war Guttenberg bereits am 1. Dezember 1931 in die NSDAP aufgenommen worden und gehörte damit zu den „Alten Parteigenossen“.79 Darüber hinaus war er seit Mai 1932 zunächst als stellvertretender Vorsitzender, später als Vorsitzender des NSDAP-Kreisgerichts in Mosbach tätig gewesen. Er hatte dieses Amt schließlich am 11. Dezember 1937 aufgeben müssen, nachdem ihn die Landeskirche von Mosbach nach Heidelberg versetzt hatte. Zwischenzeitlich hatte die NSDAP-Gauleitung 1936 sogar angestrebt, Guttenberg in das Partei-Gaugericht Baden zu berufen, doch lehnte Guttenberg diese Bemühungen wegen Arbeitsüberlastung ab. Trotz seiner hervorgehobenen Tätigkeit in der NSDAP war Guttenbergs politische Einstellung nicht unumstritten. In einer SD-Beurteilung für die Gauleitung vom 4. Oktober 1937 wurden Guttenberg starke kirchliche Bindungen attestiert, die ein Bekenntnis zur NSWeltanschauung verhinderten. Er sei daher nicht als unbedingt politisch zuverlässig zu bezeichnen.80 Auch in einer Beurteilung der NSDAP-Kreisleitung Mosbach für das Gaupersonalamt wurde Guttenberg aufgrund seiner konfessionellen Bindungen noch 1939 als weltanschaulich schwankend bezeichnet.81 Andere Beurteilungen hingegen bescheinigten Guttenberg schon 1937 73 Vgl. zu Doerr auch Wennemuth, Kirchenleitung, 44 f.; Rìckleben, Doerr ; Klausing, Baden, 154 f. 74 Vgl. BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP. 75 Vgl. zur Einordnung: Hein, Elite, 164 – 170. 76 Etwa in der NS-Volkswohlfahrt und im NS-Rechtswahrerbund, vgl. Erhebungsbogen vermutlich aus dem Jahre 1938 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). 77 Siehe auch unten 510 f. 78 Vgl. zu den Angaben zu Guttenberg: LkAKA 2.0. Nr. 3415; dessen Unterlagen in BArch, ehem. BDC, Mitgliederkartei der NSDAP; dessen OPG-Richter Akte (BArch, ehem. BDC, OPGRichter Nr. 32). 79 Guttenberg war außerdem Mitglied der NS-Volkswohlfahrt und im NS-Rechtswahrerbund. 80 GLAK 465 c Nr. 15918. 81 Vgl. das Schreiben vom 12. 7. 1939 (ebd.).

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die politische Zuverlässigkeit.82 Kirchenpolitisch war Guttenberg seit 1934 Mitglied der Deutschen Christen und fungierte in Mosbach anfangs auch als Führungspersönlichkeit in diesen Kreisen.83 Finanzrat Dr. Heinrich Kaeser arbeitete erst seit kurzer Zeit im Evangelischen Oberkirchenrat, als er in die Finanzabteilung bestellt wurde.84 Zum 1. Februar 1937, siebenundzwanzigjährig, war der Jurist Kaeser in den Kirchendienst eingetreten85 und zunächst als Anwärter für den höheren Dienst der Evangelischen Pflege Schönau zugewiesen worden. Zum 1. Oktober 1937 wurde Kaeser zum Finanzrat ernannt und als Hilfsarbeiter im Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe eingesetzt. Er war seit dem 1. Mai 1933 „Parteigenosse“ und gehörte verschiedenen NSDAP-Verbänden an.86 Mitglied der Deutschen Christen war Kaeser nicht.

3.4. Die Auseinandersetzungen um Rolle und Funktion der Finanzabteilung 1938 – 1945 3.4.1. Der Kampf um die Autorität 1938: Innerkirchliche Protestbewegung und Selbstbehauptung der Finanzabteilung Am 25. Mai 1938 gab die Finanzabteilung in einem Rundschreiben an alle nachgeordneten kirchlichen Stellen ihre Einsetzung bekannt.87 Sie beabsichtigte, die Vermögensverwaltung fortan selbst auszuführen, denn auf die Finanzabteilung sei nunmehr „die gesamte Vermögensverwaltung der […] Landeskirche Badens“ übergegangen, ebenso wie die „alleinige Befugnis […], die […] Landeskirche rechtswirksam zu vertreten.“ Dieses Verwaltungskonzept bildete auch die Grundlage für den bald von der Finanzabteilung ausgearbeiteten Geschäftsverteilungsplan, der die Zuständigkeiten von Finanzabteilung und Oberkirchenrat gegeneinander abgrenzen

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Das Gaupersonalamt selbst zeigte sich rückblickend nicht sehr zufrieden mit Guttenbergs Parteirichtertätigkeit. So seien dessen Urteile im Parteigericht vom NS-Standpunkt her nicht immer zufriedenstellend gewesen, da Guttenberg sich „kleinherzig“ an die bestehenden Bestimmungen gehalten hätte. Schreiben an den badischen Reichsstatthalter vom 15. 8. 1939 (ebd.). Zu finden ebd. Vgl. Gaupersonalamtsleiter an Reichsstatthalter Baden vom 15. 8. 1939 (ebd.). Vgl. zu den folgenden Angaben: Kaesers Personalakte (LkAKA 2.0. Nr. 5393 Bd. I; sowie Bd. II). Schon Kaesers juristische Doktorarbeit (Kaeser, Kirchenregierung) hatte sich mit einem kirchlichen Thema beschäftigt. Der NS-Volkswohlfahrt, dem NS-Rechtswahrerbund sowie zwischen dem Juli 1933 und dem 1. April 1938 dem NS-Kraftfahrkorps (als Rottenführer). Rundschreiben an alle Bezirksvermögensverwaltungen, Dekanate, Pfarrämter und Kirchengemeinderäte (LkAKA GA Nr. 1239; Quellen IV, 193), daraus auch die folgenden Zitate.

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sollte.88 Hiernach leitete die Finanzabteilung die Vermögensverwaltung der Landeskirche nicht nur, sondern behielt sich eine Reihe von Gegenständen „zur ausschliesslichen Bearbeitung und Entscheidung“ vor. Darunter etwa die „Finanzangelegenheiten der Landeskirche, der Kirchenbezirke, der Kirchengemeinden und Kirchengemeindezweckverbände im allgemeinen“, aber auch Zuständigkeiten, die der Evangelische Oberkirchenrat weiterhin für sich reklamierte; etwa bei Personalangelegenheiten89 oder im Kollektenwesen.90 Die dem Oberkirchenrat verbliebenen Gebiete wurden, in Übereinstimmung mit der Gesetzeslage, summarisch mit dem Vorbehalt versehen, dass „allgemein alle Maßnahmen, die eine finanzielle Auswirkung haben, der Zustimmung der Finanzabteilung bedürfen.“ Insgesamt dehnte die Finanzabteilung in dem Geschäftsverteilungsplan ihre Befugnisse weit aus.91 Zur Umsetzung ihres Verwaltungskonzepts benötigte die Finanzabteilung eine breitere Mitarbeiterschaft als ihre vier Mitglieder, mit denen nur eine Kontrolle und Aufsicht möglich gewesen wäre. Lang hatte daher umgehend sämtliche Angestellte und Beamte der kirchlichen Verwaltung, auf Ebene des Evangelischen Oberkirchenrats, bei den Bezirksverwaltungen und auch in den Gemeinden, auf die Finanzabteilung eingeschworen. Sie alle sollten eine sogenannte „Eröffnungsbescheinigung“ einreichen und damit bestätigen, dass sie die Finanzabteilung anerkennen würden.92 Denn, so stellte der FA-Vorsitzende klar, es gebe „keinen kirchl. Beamten oder Angestellten in der Bad. Evang. Landeskirche, der nicht in einem Gehorsams- und Treueverhältnis zur Finanzabteilung stände und demgemäß seine Pflichten in vollem Umfange der Finanzabteilung gegenüber wahrzunehmen hätte.“ Dies schon allein, weil „ja sämtliche Beamte und Angestellte durch Eid bezw. feierliches Handgelübde auf den Führer und Reichskanzler verpflichtet sind.“93 Ein Eid auf Hitler, so Langs Gedankengang, begründe auch eine absolute Gehorsamspflicht gegenüber einer Institution wie der Finanzabteilung, die immerhin auf einer „mittelbar[en] […] Willensäußerung des Führers“ basiere. Auf dieser Basis zog die Finanzabteilung fortan zur Erledigung ihrer Aufgaben die bisherigen EOK-Mitarbeiter heran. Deren Dienstverhältnisse blieben zwar unverändert und sie übten weiterhin ihre angestammten Tätigkeiten aus, nun jedoch im ausschließlichen Dienst der Finanzabteilung, die sich auch als vorgesetzte Dienstbehörde begriff. Die Finanzabteilung führte so mit Hilfe erfahrener Mitarbeiter die Vermögensverwaltung unabhängig von der ei88 Der Geschäftsverteilungsplan (LkAKA GA Nr. 9051; Quellen IV, 200 – 203) datiert nach Quellen IV, 200, auf den 31. 5. 1938. Aus dem Plan die folgenden Zitate. 89 Siehe unten 472 – 483. 90 Siehe unten 502 – 504. 91 Am 15. 8. 1938 veröffentlichte die Finanzabteilung im Gesetz- und Verordnungsblatt der Landeskirche eine Aufstellung der ihr zukommenden Zuständigkeiten (GVBl., 1938, 93). 92 Vgl. Rundschreiben Langs vom 30. 5. 1938 (LkAKA GA Nr. 7266; Quellen IV, 197 f.), daraus auch die folgenden Zitate. 93 Siehe den Eid im RGBl., 1934, 785.

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gentlichen Verwaltungsbehörde und nach eigenen Grundsätzen. Diese Umstellung scheint den wenigsten EOK-Mitarbeitern größere Schwierigkeiten gemacht zu haben.94 Dem Evangelischen Oberkirchenrat ging so ein Großteil der Mitarbeiter verloren, da seit jeher in der Vermögensverwaltung ein Gros der EOK-Mitarbeiterschaft tätig war.95 Die leitenden Oberkirchenräte, von denen ein Widerstand zu erwarten gewesen wäre, versuchte die Finanzabteilung gar nicht erst in ihre Dienste einzuspannen. Die Finanzabteilung organisierte die Vermögensverwaltung ihren Wünschen entsprechend um und bildete intern vier Unterabteilungen, die jeweils von einem der vier zeichnungsberechtigten FA-Mitglieder geleitet wurden.96 Für Abteilung I, die „Verwaltungsabteilung“, war Lang als FA-Vorsitzender zuständig. Lang behielt sich darin die Leitungsangelegenheiten der Finanzabteilung vor (FA-Personalangelegenheiten, Vertretung der Landeskirche) sowie den Dienstverkehr mit übergeordneten Stellen (Reichskirchenministerium, DEKK-Finanzabteilung). Abteilung II unterstand Langs Stellvertreter Doerr. In seinen Zuständigkeitsbereich fielen die entscheidenden praktischen Zuständigkeiten der Finanzabteilung. So war Doerr etwa für die allgemeinen Finanzangelegenheiten der Landeskirche und den Haushalt verantwortlich. Die dritte FA-Abteilung unterstand Oberfinanzrat Guttenberg. In ihr wurden vor allem die Gemeindeangelegenheiten und die Besoldungssachen bearbeitet. Kaesers Abteilung IV war insbesondere für die kirchlichen Stiftungen und Fonds zuständig. Die Finanzabteilung hatte aufgrund ihres ausgedehnten Geschäftsbereichs ein hohes Arbeitsaufkommen. Sie hatte daher Oberfinanzrat Guttenberg, der ursprünglich nur tageweise in Karlsruhe verfügbar war, gänzlich in die Blumenstraße, den Dienstsitz des Oberkirchenrates, abgeordnet. Er pendelte seitdem täglich von Heidelberg nach Karlsruhe, denn seine Vorstandsstelle bei der Evangelischen Pflege Schönau behielt er pro forma bei.97 Bald wünschte Lang eine zusätzliche personelle Verstärkung der Finanzabteilung. Er bat den Reichskirchenminister bereits im Juli 1938, Oberfinanzrat Wilfried Seitz, Vorstand der Stiftschaffnei in Mosbach, als neues Mitglied in die Finanzabteilung zu berufen.98 Nachdem das Reichskirchenministerium die politische Zuverlässigkeit von Seitz geprüft hatte,99 entsprach der Minister dem wie-

94 Vgl. Bericht Cölles für Werner vom 7. 9. 1938 (EZA 1/1627). 95 Vgl. die Aufstellung der Beamten und Angestellten der Kirchenbehörde mit Stand vom 1. 8. 1939 (LkAKA GA Nr. 7206). 96 Vgl. den FA-Geschäftsverteilungsplan (LkAKA GA Nr. 9051). 97 Die Versetzung Guttenbergs erfolgte eigenmächtig durch die Finanzabteilung. Vgl. den Vorgang in BArch R 5101 / 23779, Bl. 134 – 138; EZA 1/1627; LkAKA GA Nr. 4899; auch das Protokoll der EOK-Sitzung am 28. 6. 1938 (LkAKA GA Nr. 3484). 98 Vgl. Schreiben vom 14. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 294). 99 Vgl. die Anfragen bei der Gestapo und dem Stellvertreter des Führers (ebd., Bl. 296 f., 299, 301).

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derholten Drängen des badischen FA-Vorsitzenden100 und berief Seitz am 26. Januar 1939 als Mitglied in die badische Finanzabteilung.101 Zuvor hatte die Finanzabteilung Seitz bereits als Dienstaushilfe in der Finanzabteilung Karlsruhe eingesetzt.102 Seitz war seit dem 1. Mai 1937 NSDAP-Mitglied, außerdem seit 1934 Mitglied bei den Deutschen Christen.103 Er kam, wie schon zuvor, in der Regel an drei Tagen in der Woche in die Finanzabteilung nach Karlsruhe. Die Finanzabteilung verfügte damit über fünf zeichnungsberechtigte Mitglieder. Neben den Verwaltungsumbauten bildete die Kontrolle der Kommunikation des Evangelischen Oberkirchenrats einen weiteren wichtigen Bestandteil der FA-„Machtergreifungsstrategie“. Hierzu übernahm die Finanzabteilung alsbald Registratur und Expeditur der Verwaltungsbehörde.104 Mit der Expeditur sicherte sie sich eine Übersicht über den ausgehenden Schriftverkehr des Oberkirchenrates, denn sämtliche EOK-Schreiben mussten nunmehr dort freigemacht werden.105 In der Registratur erfasste sie sämtliche eingehende Post, auch die des Oberkirchenrats, ließ darüber hinaus die Post der Kirchenbehörde öffnen und sich vorlegen – ohne allerdings, dass der Oberkirchenrat dies beanstandete –106 und entschied alleine über die weitere Verteilung der Eingänge;107 nur die Post des Landesbischofs ging offenbar nicht durch die Hände der Finanzabteilung.108 Auch die Veröffentlichung des Gesetz- und Verordnungsblattes brachte die Finanzabteilung am 13. Juli 1938 in ihre alleinige Verantwortung, denn nur noch ihre Druckaufträge durften ausgeführt werden.109 Fortan musste der Oberkirchenrat die von ihm zur Veröffentlichung bestimmten Schriftstücke in der Leitungsabteilung der Fi100 Vgl. Lang an Reichskirchenminister vom 10. 8. 1938 (ebd., Bl. 298); Doerr an Reichskirchenminister vom 14. 10. 1938 (ebd., Bl. 300); Lang an Reichskirchenminister vom 3. 1. 1939 (ebd., Bl. 302). 101 Vgl. ebd., Bl. 303 – 306. 102 Vgl. Lang an Seitz vom 10. 8. 1938 (ebd., Bl. 298); Doerr an Expeditur vom 16. 8. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239); Doerr an Seitz vom 14. 10. 1938 (LkAKA 2.0. Nr. 6420). 103 Vgl. zur Person: Seitz’ Personalakte (ebd.). 104 Vgl. den FA-Geschäftsverteilungsplan (LkAKA GA Nr. 9051). 105 Vgl. FA-Baden an EOK vom 16. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 241; Quellen IV, 206). Die Kirchenleitung betrachtete dies als „unwürdige Schikane“, EOK an FA-Baden vom 4. 7. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 242). 106 Auf der EOK-Sitzung am 31. Mai 1938 wurde die Praxis zwar erörtert und verurteilt, jedoch kam es nicht zu einer weiteren Gegenwehr, vgl. Sonderbericht zur EOK-Sitzung am 31. 5. 1938 (LkAKA GA Nr. 9050; Quellen IV, 198 – 200). 107 Vgl. Vermerk Albrechts vom 29. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 98 f.). 108 So Bender auf einer Protestversammlung am 31. 5. 1938 in Heidelberg (ebd., Bl. 147 f.). Heikle Angelegenheiten sollten daher, so der Rat des Oberkirchenrats an Korrespondenzpartner, direkt an den Landesbischof gerichtet werden, um so die Finanzabteilung zu umgehen. 109 Anweisung an die Druckerei (LkAKA GA Nr. 4899). Seit dem Gesetz- und Verordnungsblatt vom 25. Mai 1938 gab es auch die neue Rubrik „Bekanntmachungen der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat“, in der die Finanzabteilung ihre Veröffentlichungen, in Abgrenzung zu der Rubrik „Bekanntmachungen des Oberkirchenrats“, platzieren konnte. Vgl. auch Jacobs, 150 Jahre, 186 f.

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nanzabteilung einreichen.110 Nach einer Rundanweisung Muhs’ vom 22. Juni 1938 sollten die Amtsblätter vor Drucklegung den Finanzabteilungen zur Durchsicht vorgelegt werden, in Baden übernahm die Finanzabteilung den Vorgang gleich komplett.111 Sie konnte so die Veröffentlichungen der Kirchenleitung kontrollieren und gegebenenfalls beanstanden, verschleppen oder verhindern, außerdem in manchen Fragen dem Reichskirchenministerium als Erfüllungsgehilfe dienen, indem sie dessen Erklärungen veröffentlichte.112 Schließlich zielte die Finanzabteilung sogar darauf, die direkte Kommunikation des Oberkirchenrates zu beschränken bzw. unter FA-Aufsicht zu bringen: Dazu stellte sie die Reisetätigkeit der Kirchenleitung unter ihre Kontrolle. Sie verlangte im Juni 1938, dass „auf den Dienstreisekostenrechnungen die Angaben so gehalten sind, dass die Art des Dienstgeschäftes klar erkennbar ist.“113 Die Benutzung des Dienstwagens der Kirchenleitung war nur noch mit Genehmigung der Finanzabteilung möglich.114 Am liebsten wollte die Finanzabteilung die Außenkommunikation der Landeskirche ganz an sich ziehen, sich auf diesem Feld als eigene, unabhängige Stelle profilieren. Dies war im Dienstverkehr mit Kirchenkanzlei und dortiger Finanzabteilung ein wiederkehrender Zankapfel, da diese die Kirchenleitung nicht ausgrenzen wollten.115 Wichtiger aber für die Finanzabteilung war, dass der Dienstverkehr mit den staatlichen Stellen in Baden über sie ablief und sie von jenen anerkannt wurde. Hierbei leistete das Reichskirchenministerium erhebliche Hilfestellung. Muhs veranlasste den Reichsstatthalter von Baden,116 die ihm nachgeordneten Dienststellen anzuweisen, es sei grundsätzlich „nur noch mit der Finanzabteilung […] zu verkehren“117, nicht nur in finanziellen Dingen, sondern in allen kirchlichen Angelegenheiten.118 Der Oberkirchenrat sollte völlig ausgeschaltet werden. Dieser erfuhr erst im März 1940 von der Regelung.119 Bis dahin hatte er sich lediglich darüber gewundert, dass die Staatsstellen sich stets an die Finanzabteilung wandten.120 Gegenüber den nachgeordneten kirchlichen Stellen hatte Lang bereits am 25. Mai 1938 die Anweisung erteilt, dass „der gesamte Geschäftsverkehr der 110 FA-Baden an EOK vom 13. 7. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 216 f.). 111 BArch R 5101 / 23779, Bl. 79. Vgl. auch den weiteren Vorgang: Ebd. Bl. 80 f. 112 Vgl. GVBl., 1938, 63, 121; dazu auch BArch R 5101 / 23779, Bl. 165 – 167, 270 – 288; LkAKA GA Nr. 7152; Friedrich, Entwicklung Badens, 319 f.; Kissener, Landeskirche, 17 f. 113 FA-Baden an EOK vom 16. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 241). 114 Vgl. FA-Baden an Kühlewein vom 1. 9. 1938 (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 230 f.). 115 Siehe oben 151 f. 116 Vgl. das Schreiben vom 18. 6. 1938 (GLAK 233 / 27784; Quellen IV, 206). 117 Kultusminister an FA-Baden vom 26. 9. 1939 (LkAKA GA Nr. 8048). 118 Vgl. beispielhaft den Lauf der Anweisung bis zu den nachgeordneten Dienststellen des badischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums in LkAKA GA Nr. 9075. 119 Vgl. Landesbischof an Stahn vom 27. 3. 1940 (LkAKA GA Nr. 4899). 120 Vgl. Darstellung Friedrichs vom 23. 5. 1945 (LkAKA GA Nr. 8120; Quellen VI, hier 171).

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Bezirks- und örtlichen Stellen sich künftig zwischen diesen und der Finanzabteilung abzuspielen“ habe.121 Binnen kurzer Zeit hatte sich die Finanzabteilung entscheidende Machtbefugnisse gesichert: in der Verwaltungsorganisation, dem Mitarbeitergefolge sowie auf dem Feld der Kommunikation. Nach ihrer Einsetzung hatte sich die Finanzabteilung in Baden erstaunlich schnell zu einer „Behörde selbständiger Art“122 entwickelt. Sie grenzte sich klar von der kirchlichen Verwaltungsbehörde ab und sah es als ihre Aufgabe an, die „nationalsozialistische Rechtsauffassung“ durchzusetzen.123 Lang meinte, es dürfe „zu keiner Zeit verkannt werden, dass die Einrichtung der Finanzabteilung auf Grund eines staatlichen Hoheitsaktes erfolgte, und dass demgemäss diese Abteilung gegenüber dem heutigen Staate eine besonders hohe Verantwortung hat. Wir sind dabei überzeugt, dass, wenn wir unter diesem Gesichtspunkt die Geschäfte der Finanzabteilung führen, wir dazu beitragen, die Evang. Kirche mehr und mehr zu befähigen, Dienerin am Volke zu sein.“124

Deutlicher noch umriss Lang sein Verständnis vom Auftrag der Finanzabteilung in einem Schreiben an den Reichskirchenminister vom 31. Mai 1938: „Es ist der Wille der Finanzabteilung, zwar unter möglichster Vermeidung von Konflikten, jedoch unter allen Umständen und ohne jede Konzession dem Staatswillen Geltung zu verschaffen, wie er in dem Auftrag des Herrn Reichskirchenminister an die Finanzabteilung gegeben ist.“125 Der Beweis der Staatstreue war für die Finanzabteilung erste Kirchenpflicht. So scheute sie sich nicht, im Gesetz- und Verordnungsblatt anlässlich der Einverleibung des Sudetenlandes ins Deutsche Reich eine eigene Kundgebung zu veröffentlichen, in der die „große[.] Friedenstat des Führers“ gepriesen und zum Anlass genommen wurde, zu postulieren, „auch die kirchlichen Dinge“ müssten „so eingerichtet werden, daß sie dem Reiche und Volke zum Segen dienen“, getreu der Parole: „Gehorsam und Treue dem Führer! “126 Ganz im Dienste der „nationalsozialistischen Ausrichtung des Menschen“127, warb der FA-Vorsitzende Lang 1938/39 auch in seiner Mitarbeiterschaft solange darum, der NS-Volkswohlfahrt beizutreten, bis nahezu alle Beschäftigten diesem dringenden Ersuchen gefolgt waren.128 Staatliches Interesse 121 122 123 124 125 126

Rundschreiben vom 25. 5. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239; Quellen IV, 193). FA-Baden an EOK vom 13. 7. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 216 f.). FA-Baden an EOK vom 10. 8. 1943 (BArch R 5101 / 23782). Rundschreiben vom 25. 5. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239; Quellen IV, 193). EZA 1/1627. Kundgebung vom 7. 10. 1938 (GVBl., 1938, 108). Vgl. mit ähnlichem Duktus die FA-Kundgebung zum 50. Geburtstag Hitlers (ebd., 1939, 39). 127 FA-Baden an ihre Mitarbeiter vom 30. 3. 1939 (LkAKA GA Nr. 7063). 128 Vgl. ebd. die entsprechenden Unterlagen.

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umfasste im Nationalsozialismus untrennbar Parteiinteressen, denen sich die Finanzabteilung daher ebenfalls verpflichtet sah.129 Das politische Sendungsbewusstsein der Finanzabteilung verband sich mit einem starken kirchenpolitischen Engagement, denn beide Bereiche waren für die Finanzabteilung verquickt. Zusammen waren beide Motive ausschlaggebend für das Handeln der Finanzabteilung. Einige Beispiele mögen hier genügen: Im Personalwesen galten Anhänger der Bekenntnisgemeinschaft per se als staatsfeindlich;130 der Lutherrat wurde als bekenntniskirchlich abgelehnt, dessen finanzielle Unterstützung durch die Landeskirche daher umgehend eingestellt;131 eine Beihilfe für Aktivitäten des Deutschen Evangelischen Männerwerks in Baden wurde abgelehnt, weil dieses eine „einseitige kirchliche Haltung“132 einnehme und vom braunschweigischen Landesbischof Johnsen geleitet wurde, den die Finanzabteilung für politisch zweifelhaft hielt;133 die Godesberger Erklärung und die damit einhergehenden DC-Projekte hielt die Finanzabteilung für „so bedeutungsvoll und für die richtige Ausrichtung der kirchlichen Amtsträger auf den Nationalsozialismus hin so wesentlich“134, dass sie dafür auch finanzielle Mittel bereitstellen wollte.135 Doch die Entfaltung der Finanzabteilung verlief nicht ungestört. Im Gegenteil, noch bei der Amtseinsetzung der Finanzabteilung am 25. Mai 1938 legten Kühlewein und Friedrich gegenüber der Delegation des Reichskirchenministers Einspruch gegen die FA-Bildung ein.136 Es war der Auftakt zu einer Protestwelle gegen die Finanzabteilung. Die Konflikte spielten sich dabei auf mehreren Ebenen ab: Zwischen Kirchenleitung und Finanzabteilung bestanden Abgrenzungsschwierigkeiten. Diese scharfen Diskrepanzen wurden vor das Reichskirchenministerium getragen – die zweite Ebene der Auseinandersetzung. Drittens entstand eine Protestbewegung seitens der Pfarrerschaft und Kirchengemeinderäte. Die Finanzabteilung musste bald erhebliche Mühen in die Bekämpfung der Protestbewegung investieren, um die Lage 129 Vgl. FA-Baden (Guttenberg) an Reichskirchenminister vom 9. 11. 1938 (BArch R 5101 / 23999). 130 Siehe unten bes. 479 – 481. 131 Die badische Kirchenleitung war dem Lutherrat in einer engen Zusammenarbeit verbunden, vgl. Schneider, Zeitgeist, 158 f.; Kissener, Landeskirche, 16; Friedrich, Entwicklung Badens, 315. Sie unterstützte ihn mit monatlich 250 RM, bis die Finanzabteilung am 10. Juni 1938 diese Zahlungen mit sofortiger Wirkung einstellte, vgl. Rundschreiben Langs (LkAKA GA Nr. 7143). Unter dem 1. Juli 1938 untersagte Lang jegliche Zahlungen aus dem Bereich der Landeskirche für Zwecke des Lutherrats (GVBl., 1938, 80). 132 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 14. 2. 1939 (LkAW FinAbt 18). 133 Vgl. zum ganzen Vorgang: Ebd. 134 Lang an Kühlewein vom 5. 5. 1939 (BArch R 5101 / 23780). 135 Vgl. insgesamt LkAKA GA Nr. 7140. 136 Vgl. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 27. 5. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239; Friedrich, Entwicklung Badens, 342 – 345); Lang an Reichskirchenminister vom 31. 5. 1938 (EZA 1/1627). Vgl. auch den Sonderbericht zur EOK-Sitzung am 31. 5. 1938 (LkAKA GA Nr. 9050; Quellen IV, 198 – 200).

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unter Kontrolle zu behalten. Schließlich, und dies kann gewissermaßen als Meta-Ebene der Auseinandersetzung begriffen werden, stritten Kirchenleitung und Finanzabteilung um die Deutungshoheit über die Protestbewegung und die Rechtmäßigkeit des eigenen Standpunktes. Die badische Kirchenleitung, bestehend aus Evangelischem Oberkirchenrat und Landesbischof, machte vor allem zwei grundlegende Vorbehalte gegenüber der Finanzabteilung geltend. Zum einen beklagte sie die Einschränkung der freien kirchlichen Vermögensverwaltung, „sodass der Oberkirchenrat hier vollkommen ausgeschaltet ist.“137 Es widerspreche der Rechtslage, wenn die Finanzabteilung die Vermögensverwaltung der Landeskirche komplett übernehme und sich gegenüber den kirchlichen Angestellten und Beamten als vorgesetzte Dienstbehörde aufspiele.138 Die Ausführung der Verwaltung läge nach wie vor beim Evangelischen Oberkirchenrat, die Finanzabteilung habe nur auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung Leitungs- und Aufsichtsfunktionen.139 Einen selbständigen Behördencharakter habe die Finanzabteilung nicht – geistliche Leitung und Vermögensverwaltung könnten ohnehin nicht von verschiedenen Behörden ausgeübt werden.140 Die Anfechtungen wären in dieser Heftigkeit nicht nötig gewesen, wenn nicht der zweite Vorbehalt der Kirchenleitung hinzugekommen wäre: Da vor allem DC-Mitglieder in die Finanzabteilung berufen worden seien, dränge sich, so der Landesbischof, „wie sehr ich mich auch dagegen wehren mag, der Schluss auf, dass die Einsetzung der Finanzabteilung nicht ohne kirchenpolitische Absichten geschieht. Es soll auf diesem Weg der nationalkirchlichen Bewegung Vorschub geleistet werden.“141 Wenn es den Nationalkirchlichen Deutschen Christen aber gelänge, „mit Hilfe der Staatsgewalt ihren Machtwillen in der Kirche durchzusetzen“, so sei das „der Untergang unserer evang. Kirche und eine Preisgabe des Evangeliums“142. Der Kirchenleitung ging es bei ihren Einwänden kurzum „um die Erhaltung des Wesens und der Freiheit unserer evangelischen Kirche“143. Der FA-Vorsitzende Lang warf seinerseits dem Oberkirchenrat vor, durch seine „Auflehnungsmassnahmen […] längst den Boden des Tragbaren und der Gesetzlichkeit“144 verlassen zu haben. Er hielt der Kirchenleitung vor, politisch 137 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 2. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 223 – 227, hier Bl. 225; Friedrich, Entwicklung Badens, 345 – 349). 138 Vgl. ebd. 139 Vgl. etwa EOK an FA-Baden vom 27. 7. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899); EOK an FA-Baden vom 29. 6. 1938 (ebd.); EOK an FA-Baden vom 21. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 165 – 167, hier Bl. 165; Quellen IV, 206). 140 Vgl. etwa EOK an FA-Baden vom 27. 7. 1938 (ebd.; Quellen IV, 222). 141 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 27. 5. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239; Friedrich, Entwicklung Badens, 342 – 345). 142 EOK an FA-Baden vom 17. 11. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239). 143 Ebd. 144 Lang an EOK vom 10. 8. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899).

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illoyal zu sein. Ein Vorwurf, den die Kirchenleitung als „vollständig abwegig“145 zurückwies. Nicht umsonst hatte sie erst kurz zuvor den Treueeid auf Hitler angeordnet.146 Das Verhältnis von Finanzabteilung und Kirchenleitung war somit von Beginn an katastrophal. Die Finanzabteilung machte dafür allein die Haltung des Oberkirchenrates verantwortlich, der mit seiner „Protestaktion, die nun wochenlang schon durch das Land betrieben wird, mit Angriffen auf das Reichskirchenministerium und damit auf die Reichsregierung auch den guten Willen der Finanzabteilung leider zerschlagen mußte“147. Eine sachliche Zusammenarbeit sei so fast unmöglich gemacht.148 Der Oberkirchenrat lasse eine „gewollte Mißachtung der Stellung der Finanzabteilung“149 und eine „seltsame Art der Geschäftsgebarung“ erkennen. Lang spielte darauf an, dass der Oberkirchenrat die Finanzabteilung anfangs zuweilen kontaktierte, indem er ihr Schreiben unter der EOK-Sachbearbeiterziffer Oberkirchenrat Doerrs zukommen ließ;150 ein bewusster Affront, um ihren Status zu bestreiten. Umgekehrt warf die Kirchenleitung der Finanzabteilung vor, es an der nötigen Fühlungnahme fehlen zu lassen und für das bestehende Missverhältnis verantwortlich zu sein.151 Offensichtlich hegten beide Seiten die Befürchtung, eine Normalisierung der Beziehungen würde als Anerkennung oder Aufwertung der jeweils anderen Behörde verstanden werden. Entsprechend ruppig war in der Anfangszeit der Umgangston zwischen Oberkirchenrat und Finanzabteilung. Bald mäßigte sich zwar der Tonfall, der Kontakt beider Behörden beschränkte sich allerdings weiterhin auf den schriftlichen Austausch.152 Erst im Oktober 1938 fand eine erste und singulär bleibende, offenbar auch wenig weiterführende persönliche Besprechung zwischen Kühlewein und Lang statt.153 Deutlichstes Indiz für die völlig zerrütteten Verhältnisse war, dass sich Oberkirchenrat Doerr ab dem 12. Juli 1938 weigerte, an den EOK-Sitzungen teilzunehmen.154 Lang lieferte die Erklärung: Es sei „schlechterdings nicht tragbar, dass Mitgliedern der Finanzabteilung zugemutet werden soll, mit den Mitgliedern des Evang. Oberkirchenrats, welche draussen im Land die Finanzabteilung und ihre Mitglieder herunterreissen, in gemeinsamer Beratung 145 Kühlewein an FA-Baden vom 16. 8. 1938 (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 227 f.). 146 Vgl. zur Treueeidleistung vor allem: Thierfelder, Landeskirche, 337 – 339; Klausing, Baden, 215 – 222; Friedrich, Entwicklung Badens, 318 f. 147 Doerr an Kühlewein vom 30. 7. 1938 (LkAKA GA Nr. 9075). 148 Vgl. auch Doerr an Reichskirchenminister vom 29. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 139 – 142). 149 Lang an EOKvom 13. 7. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 216 f.), daraus auch folgendes Zitat. 150 Vgl. ebd. 151 Vgl. etwa EOK an FA-Baden vom 9. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 161 – 164). 152 Vgl. auch Friedrich, Entwicklung Badens, 321; Wennemuth, Kirchenleitung, 61. 153 Vgl. Lang an Kühlewein vom 21. 10. 1938 (LkAKA GA Nr. 9075). 154 Vgl. das Protokoll jener Oberkirchenratssitzung (LkAKA GA Nr. 3484).

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am gleichen Tisch zusammensitzen [sic].“155 Für den Evangelischen Oberkirchenrat hatte dies die Nebenwirkung, dass er fortan ohne DC-Mitwirkung agieren konnte. Für Doerr war die Präsenz in der Behördenspitze mit seinem FA-Amt verzichtbar geworden. Um ihre Positionen durchsetzen zu können, wandten sich beide Konfliktparteien an das Reichskirchenministerium; sie eröffneten damit die zweite Ebene der Auseinandersetzungen. Unmittelbar nach der FA-Einrichtung glaubte die Kirchenleitung noch, sogar eine Rücknahme der Finanzabteilung erwirken zu können. Sie nahm an, mit guten Gründen deren Recht- und Zweckmäßigkeit bestreiten zu können. Am 27. Mai 1938 erfolgte der erste schriftliche Protest der Kirchenleitung beim Reichskirchenminister,156 den Kühlewein, um ihm Nachdruck zu verleihen, auch an weitere NS-Größen versandte.157 Diverse weitere Eingaben folgten. Kühlewein knüpfte an seine Argumente gegen eine FA-Bildung an, die er schon zu Kirchenausschusszeiten vorgebracht hatte. Für ihn stand fest, dass die 15. Durchführungsverordnung in Baden nicht angewendet werden dürfe, ja, dass die Maßnahme „in krassem Widerspruch“158 zum Kirchensicherungsgesetz stünde, denn in seiner Landeskirche habe es stets geordnete Verhältnisse gegeben. Überdies habe der nationalsozialistische badische Staat der Landeskirche 1934 eine freie und eigenverantwortliche Vermögensverwaltung zugesichert, dies lege auch der badische Kirchenvertrag fest.159 Hitler persönlich habe in seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 die Kirchenverträge anerkannt, diese seien also auch für das Reich bindend. Kühlewein prognostizierte: „Es ist […] für mich und alle, die die Verhältnisse kennen, sicher, dass die Geordnetheit unserer Kirche nunmehr schweren Schaden nehmen wird.“160 Bis zum August 1938 hatte Kühlewein noch keine Reaktion des Reichskirchenministers erhalten.161 Daher legte er nach. Am 2. August 1938 kam er in 155 Lang an Reichskirchenminister vom 10. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 229 f., Zitat Bl. 230). Vgl. auch Doerr an Kühlewein vom 30. Juli 1938 (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 222 f.). 156 Schreiben Kühleweins (LkAKA GA Nr. 1239; Friedrich, Entwicklung Badens, 342 – 345). 157 Das Schreiben ging an den Stellvertreter des Führers, den Reichsinnenminister, die Reichskanzlei, Göring und den Reichsaußenminister. Ferner erhielten auch Lutherrat und verschiedene Landeskirchen Abschriften, vgl. Lang an Reichskirchenminister vom 31. 5. 1938 (EZA 1/1627). 158 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 9. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 161 – 164, hier Bl. 164). 159 Vgl. zu dieser Argumentation: Ebd.; Kühlewein an Reichskirchenminister vom 2. 8. 1938 (ebd., Bl. 223 – 227; Friedrich, Entwicklung Badens, 345 – 349); EOK-Rundschreiben an die Dekanate vom 8. 10. 1938 (LkAKA 043, Dekanat Müllheim, Nr. 48). 160 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 27. 5. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239; Friedrich, Entwicklung Badens, 342 – 345). 161 Im Reichskirchenministerium existierten jedoch eine Reihe von Entwürfen zu einer grund-

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einem Schreiben an den Reichskirchenminister zu folgendem vernichtenden Urteil über die Finanzabteilung: „Überblickt man all diese Tatsachen [scil. der beanstandeten FA-Amtsführung], so muss auch der Fernstehende zwangsläufig erkennen, dass die Finanzabteilung nicht dazu da ist, um der Landeskirche über etwaige Hemmungen, die das Fehlen der Landessynode zur Folge haben könnte, zu helfen, sondern dass sie eine Art Staatskommissariat über die Kirche, eine bis ins einzelne gehende staatliche Verwaltung der Kirche ist, die doch in Gesetzen und Verträgen die feierliche Zusage hat, dass sie keine Staatskirche sein soll. Was hier aufgerichtet ist, stellt, wenn man es auch mit andern Namen belegt, nichts anderes als eine Wiederherstellung des Staatskirchentums aus der Zeit des strengsten Territorialismus dar.“162

Die Finanzabteilung bringe „keinerlei Verständnis für das Anliegen der Kirche und ihrer Diener“ auf und es bestehe die Gefahr, dass die Kirchenleitung abhängig gemacht werde „von Mächten, die den biblisch- und bekenntnismässig begründeten evangelischen Glauben nicht mehr anzuerkennen vermögen“ und von „den Weisungen staatlicher Behörden, die maßgeblich besetzt sind von Beamten, die weltanschaulich völlig gebunden dastehen.“ Unterstützung erhielt die badische Kirchenleitung bei ihrem Protest aus anderen Kirchengebieten.163 Insbesondere die beiden süddeutschen Landeskirchen von Württemberg und Bayern reagierten alarmiert auf die Einsetzung der Finanzabteilung in der benachbarten badischen Landeskirche. Zum einen befürchteten sie eine Ausdehnung der Maßnahme auf ihre Gebiete, zum anderen fühlten sie sich in einer besonderen regionalen Solidarität mit der badischen Landeskirche verbunden.164 Doch auch die Finanzabteilung wurde nicht müde, Lobbyarbeit beim Reichskirchenministerium zu betreiben und, der ständigen Angriffe der Kirchenleitung überdrüssig werdend, darum zu bitten, „der Leitung der Badischen Landeskirche einmal ganz klar zu machen, dass ihr Verhalten nachgerade untragbar wird, wenn sie sich nicht baldigst eines anderen Verkehrs mit der Finanzabteilung befleissigt.“165

162 163 164 165

sätzlichen Entgegnung auf Kühleweins Protestnoten. Die Genese lässt sich in BArch R 5101 / 23779, Bl. 196 – 214, verfolgen. Die ersten Entwürfe stammten aus dem Juli, die letzten aus dem September 1938; sie enthielten scharfe Vorwürfe gegen den Landesbischof. Die Absendung des Antwortschreibens verzögerte sich jedoch immer wieder und unterblieb letztlich, weil ein solches Schreiben nach Kühleweins Distanzierung von der Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung im Zuge der Gebetsliturgie-Krise nicht mehr geboten erschien und Kerrl an einer Entspannung der Lage gelegen war. Vgl. den Vermerk auf dem Schreiben Langs an den Reichskirchenminister vom 9. 11. 1938 (ebd., Bl. 249). Kühlewein an Reichskirchenminister vom 2. 8. 1938 (ebd., Bl. 223 – 227, dieses und folgende Zitate Bl. 226 f.; Friedrich, Entwicklung Badens, 345 – 349). Vgl. das Schreiben der Landesbischöfe Marahrens, Wurm, Meiser, Kühlewein und Johnsen an den Reichskirchenminister vom 2. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23713, Bl. 55 f.). Vgl. auch den Bericht Cölles für Werner vom 7. 9. 1938 (EZA 1/1627). Lang an Reichskirchenminister vom 10. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 229 f., hier Bl. 230).

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Unterdessen hatte sich in der badischen Landeskirche noch im Mai 1938 eine breite Protestbewegung gegen die Finanzabteilung konstituiert;166 die dritte Ebene der Auseinandersetzungen um die FA-Einsetzung. Anfangs sah die Finanzabteilung die ersten Unmutsanzeichen in der Landeskirche recht gelassen. Es sei vorauszusehen, so vermutete Lang am 31. Mai 1938, dass „sich Widerstände gegen die Neuordnung der Dinge erheben werden“ und dieser Unmut sich auch „in den nächsten Tagen oder Wochen da und dort“ steigern könnte.167 Lang meinte sogar, diese Proteste könnten „so lange ohne weiteres hingenommen werden […], als die Autorität der Abteilung […] weder nach außen hin noch tatsächlich eine Einbuße erleidet.“ Gleichzeitig vermutete er, dass Proteste von der Kirchenleitung „künstlich geschaffen“ und geschürt werden könnten, da derlei Unruhen „praktisch selbstverständlich nicht vorhanden sind und auch nie eintreten werden, weil das Volk draußen im Lande sich den Kopf über die Einrichtung oder Nichteinrichtung einer Finanzabteilung von sich aus niemals zerbricht.“ Lang war zuversichtlich, dass aufgekommene „Aufputschungsversuche“ und Proteste alsbald wieder abflauen würden. Diese begannen am 31. Mai 1938 andernorts in der Landeskirche jedoch gerade erst. In Karlsruhe, Freiburg und Heidelberg fanden an dem Tag jeweils große Protestversammlungen statt.168 Diese waren am 25. Mai 1938 von Friedrich, Rost und dem Landesbruderrat vereinbart worden.169 Dass der Landesbruderrat einen „eventuell notwendigen praktischen Widerstand unter Pfarrern und Gemeinden“ gegen eine Finanzabteilung mittragen würde und es für unabdingbar hielt, „jedem Versuch aufs Entschiedenste zu widerstehen, die legitime Kirchenhoheit durch vom Staat abhängige Gremien beschränken zu lassen“, hatte er den Landesbischof bereits vor Einrichtung der Finanzabteilung wissen lassen170 – die Maßnahme drohte schließlich bereits seit längerem. Die Kirchenleitung war an den Versammlungen prominent beteiligt; es war an jedem Ort mindestens ein Oberkirchenrat vertreten. Zu den Versammlungen waren nur Pfarrer der Bekenntnisgemeinschaft und zu dieser Richtung neigende neutrale Pfarrer eingeladen worden. Ihnen wurde eine vorbereitete Protesterklärung zur Unterschrift vorgelegt – in sechsfacher Ausfertigung –, 166 Vgl. insgesamt zu der Protestwelle, die zwischen Mai und November 1938 ihren Höhepunkt hatte: Frisch, Einsetzung, 69 – 72; Lange, Mondon, 371 – 373; Klausing, Baden, 229 – 232, 234 – 236; Kissener, Landeskirche, 19; Rìckleben, Zentralbehörden, 662 f.; Friedrich, Entwicklung Badens, 322 f.; Erbacher, Landeskirche, 47, 49; Thierfelder, Landeskirche, 334 f.; Witt, Dürr, 54 f.; Darstellung Friedrichs vom 23. 5. 1945 (LkAKA GA Nr. 8120; Quellen VI, hier 166 f.); die Unterlagen in LkAKA 150.011, bes. Nr. 9, 27. 167 Lang an Reichskirchenminister vom 31. 5. 1938 (EZA 1/1627), daraus auch die folgenden Zitate. 168 Vgl. zu den Protestversammlungen: DC-Berichte zu den Versammlungen in Karlsruhe und Heidelberg (BArch R 5101 / 23779, Bl. 143 – 148); Doerr an Reichskirchenminister vom 29. 6. 1938 (ebd., Bl. 139 – 142). 169 Vgl. Frisch, Einsetzung, 69. 170 Landesbruderrat an Landesbischof vom 19. 4. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 1).

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die von den meisten Anwesenden unterzeichnet wurde.171 Auf den drei großen und einigen nachfolgenden kleineren Versammlungen sowie durch nachträgliche Unterzeichner kamen letztlich ungefähr 450 Unterschriften zusammen.172 Eine beachtliche Zahl, die allerdings auch zeigt, dass der Protest nur wenig über die Kreise der Bekenntnisgemeinschaft hinausreichte. Die Protestnote wurde letztlich an verschiedene Staatsstellen versandt. Mit dieser konzertierten Aktion sollte der staatliche Eingriff angeprangert und die Finanzabteilung von der Basis her lahmgelegt werden. Die Pastoren trugen den Widerstand gegen die Finanzabteilung auch in ihre Gemeinden. 177 Kirchengemeinderäte schlossen sich dem Protest an.173 Zahlreiche Geistliche, Kirchengemeinderäte, Dekanate oder Bezirkssynoden wandten sich in der folgenden Zeit an die Finanzabteilung und übergeordnete Staatsstellen (bis hin zu Hitler persönlich).174 Sie protestierten gegen die Einrichtung der Finanzabteilung, weil jene „offenbar entschlossen ist, kirchliche Maßstäbe und Gesichtspunkte in ihren Maßnahmen bewußt außer acht zu lassen“175 ; sie ließen verlauten, „vorläufig den Verkehr mit der Finanzabteilung nicht“176 beziehungsweise nur unter Vorbehalt aufzunehmen; oder sie erklärten, Landesbischof und Oberkirchenrat als die rechtmäßige Kirchenleitung anzuerkennen,177 worum der Landesbischof gebeten hatte.178 Die Vertrauenskundgebungen für die Kirchenleitung waren jedoch nicht immer als Protest gegen die Finanzabteilung gedacht, wurden von dieser aber so verstanden.179 Der Unmut an der Basis wurde dadurch noch verstärkt, dass die katholische Kirche keine Einschnitte in ihrer Vermögensverwaltung hinnehmen musste – im konfessionell gemischten Baden wurde dies, auch von der Kirchenleitung,180 als besonderer Affront empfunden. Die Finanzabteilung konnte trotz ihrer anfänglichen Gelassenheit die enorme Erregung in der Landeskirche bald nicht mehr einfach ignorieren. Gleichwohl versuchte sie, die beachtliche Beteiligung an der Protestbewegung gegenüber dem Reichskirchenministerium kleinzureden: Die Kirchenleitung, 171 Die Erklärung findet sich in BArch R 5101 / 23779, Bl. 146 (Quellen IV, 198). 172 Vgl. SD-Bericht vom 5. 8. 1938 (BArch R 58 / 5779, Bl. 139); auch ein allerdings undatiertes Verzeichnis (LkAKA GA Nr. 1417). Lang sprach am 18. November 1938 von insgesamt 447 protestierenden Geistlichen (GLAK 233 / 27784; Quellen IV, 250 f.). 173 Vgl. zu dieser Zahl einen SD-Bericht vom 23. 8. 1938 (BArch R 58 / 5779, Bl. 142). 174 Vgl. die entsprechenden Schreiben in BArch R 5101 / 23779; LkAKA GA Nr. 4899; LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 203 – 205. 175 10 Freiburger Geistliche an FA-Baden vom 14. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 159). 176 Hier exemplarisch KGR Überlingen an FA-Baden vom 8. 6. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899). 177 Vgl. exemplarisch KGR Überlingen an Landesbischof vom 27. 6. 1938 (ebd.). 178 Er bat in seinen „Weisungen an die Pfarrer“ vom 22. 6. 1938 um Vertrauenskundgebungen (BArch R 5101 / 23779, Bl. 181 f.; Quellen IV, 208 f.). 179 Vgl. FA-Baden an Dekan Kolb vom 3. 5. 1939 (LkAKA GA Nr. 7345); FA-Baden an KGR Heidelsheim vom 18. 11. 1938 (ebd.). Vgl. ebd. auch die zahlreichen Klarstellungen von Kirchengemeinderäten, die diese Verknüpfung nicht beabsichtigten. 180 Vgl. etwa Kühlewein an Reichskirchenminister vom 27. 5. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239; Friedrich, Entwicklung Badens, 342 – 345).

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so Doerrs Interpretation der Vorgänge, habe das „gewünschte Ziel nicht erreicht“; „die Zahl der protestierenden Kirchengemeinden“ sei „nicht gross.“181 Gleichzeitig musste die Finanzabteilung doch sehr aufgerüttelt von der Breite und vor allem der Durchhaltekraft der Proteste sein, die sich nicht wie erwartet nach einigen Tagen oder jedenfalls wenigen Wochen von alleine legten. So ergriff die Finanzabteilung im Laufe der nächsten Monate immer schärfer werdende Gegenmaßnahmen, um der Protestwelle Herr zu werden. Zunächst versuchte sie es mit einer einfachen Belehrung, in der sie die Dekanate darüber aufklärte, dass die Finanzabteilung gegenüber den Kirchengemeinden und ihren Mitarbeitern in Sachen Vermögensverwaltung die weisungsberechtigte Stelle sei.182 Zu konkreten Gegenmaßnahmen mochte die Finanzabteilung zunächst noch nicht greifen, zu diesem Zwecke wollte sie sich zunächst der Auffassung des Reichskirchenministers versichern. Daher schrieben Doerr am 29. Juni 1938183 und Lang am 1. Juli 1938184 nach Berlin. Beide statteten ihre Schreiben mit diversen Anlagen aus, um den Reichskirchenminister über den Protest aufzuklären, der, wie sich die FA-Funktionäre sicher waren, der aufputschenden Tätigkeit der Kirchenleitung zuzuschreiben sei. Die Kirchenleitung würde „in steigendem Maße und nunmehr in aller Öffentlichkeit gegen die Einrichtung der Finanzabteilung Sturm“ laufen und „dabei allmählich in eine bedenkliche Zügellosigkeit“ verfallen.185 Es sei „von Tag zu Tag mehr zu erkennen […], daß die derzeitige Kirchenleitung mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln das Kirchenvolk in die von ihr gewollte aber bis jetzt noch nicht vorhandene Erregung zu versetzen sucht, um dadurch auf den Herrn Reichskirchenminister Druck auszuüben“186. „Alle diese Vorgänge, die die Finanzabteilung an sich nicht aufregen“, so gab Doerr zu bedenken, „sind geeignet, die Autorität der Finanzabteilung auf die Dauer sowohl beim Volk wie bei der Pfarrerschaft und der Beamtenschaft zu untergraben. Denn jeder vernünftige Mensch erwartet, daß nach all den Provokationen doch ein energischer Gegenschlag schon längst am Platz gewesen wäre. Das Stillhalten der Fi181 Doerr an Reichskirchenminister vom 29. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 139 – 142, hier Bl. 140). 182 Rundschreiben vom 23. 6. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899). 183 BArch R 5101 / 23779, Bl. 139 – 142. 184 ebd., Bl. 174 – 176. 185 Ebd., hier Bl. 175. Die Finanzabteilung sah als wesentlichen Urheber der Schwierigkeiten den Stellvertreter des Landesbischofs, Bender, an, dessen negativer Einfluss das Verhalten des Landesbischofs beeinflusse. Bender sei es, der „am schärfsten gegen die Finanzabteilung kämpfe.“ Bericht Cölles für Werner vom 7. 9. 1938 (EZA 1/1627). Tatsächlich übten Bender und Oberkirchenrat Friedrich einen erheblichen Einfluss auf den Landesbischof aus (vgl. Wennemuth, Kirchenleitung, 49 f.; Klausing, Baden, 143, 146, 191), so dass die Bedenken der Finanzabteilung nicht ganz von ungefähr kamen. In DC-Kreisen wurde auch Oberkirchenrat Rost als „eigentliche[r] Aufputscher“ angesehen, Bericht über die Pfarrerversammlung am 31. 5. 1938 in Karlsruhe (BArch R 5101 / 23779, Bl. 143 – 145, hier Bl. 143). 186 Lang an Reichskirchenminister vom 1. 7. 1938 (ebd., Bl. 174 – 176, hier Bl. 175).

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nanzabteilung muss als Schwäche ausgelegt werden und schadet so der Sache und unserer Arbeit ungeheuer.“187

Lang blieb in seinem Schreiben nur, den Reichskirchenminister zu bitten, „in energischer Weise dem Treiben der Kirchenleitung Einhalt zu gebieten“188 – eine Reaktion des Ministeriums auf diese eindringlichen Appelle erfolgte indes nicht. Die Finanzabteilung musste so ernste Sorge haben, ob sie in der Lage sein würde, ihre Autorität durchzusetzen. Auf einer FA-Tagung in Berlin im Juli 1938 vertrat Lang eine düstere Auffassung: „[W]enn sich diese Einrichtung überhaupt durchsetzen sollte“, so meinte er, „müssten allgemein Finanzabteilungen eingerichtet und ihre Befugnisse erheblich verstärkt werden“189. In der Landeskirche reagierte die Finanzabteilung mit zunehmender Härte und einer Reihe von Gegenmaßnahmen auf die Protestbewegung. Die 15. Durchführungsverordnung sah als Disziplinierungsmittel gegenüber Kirchengemeinderäten die Einsetzung von Bevollmächtigten vor. Hiervon glaubte die Finanzabteilung jedoch anfangs nicht in größerem Umfang Gebrauch machen zu können,190 so dass sie weitere Druckmittel gegenüber den Gemeinden ersann. Hierzu schlug sie mehrere Bahnen ein. Zum einen setzte sie in ihrem eigentlichen Metier, dem Finanziellen, an: Sie weigerte sich, Gemeinden ihre Ortskirchensteuervoranschläge zu genehmigen, solange diese ihren Protest aufrechterhielten.191 Außerdem veranlasste sie, dass in solchen Fällen auch die staatliche Genehmigung der Ortskirchensteuervoranschläge versagt wurde.192 Auf diese Weise wurden die renitenten Kirchengemeinden von einer wichtigen Einnahmequelle abgeschnitten. Außerdem unterband die Finanzabteilung die Ausschüttung von Kollekten für Gemeinden, die sich am Protest gegen die Finanzabteilung beteiligt hatten.193 Die finanziellen Sanktionen kulminierten schließlich am 14. Juli 1938. Der FA-Vorsitzende erklärte in einer Mitteilung an alle Dekanate, Kirchengemeinderäte und Pfarrer, „daß im Interesse einer geordneten Vermögens- und Finanzverwaltung der Kirche derartige gegen die Staatsautorität

187 188 189 190 191

Doerr an Reichskirchenminister vom 29. 6. 1938 (ebd., Bl. 139 – 142, hier Bl. 140). Lang an Reichskirchenminister vom 1. 7. 1938 (ebd., Bl. 174 – 176, hier Bl. 175 f.). Protokoll der Tagung am 8. 7. 1938 (EZA 1/1611). Siehe unten 492. Vgl. exemplarisch den Bescheid der FA-Baden an den KGR Überlingen vom 30. 6. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 214 f.). 192 Vgl. FA-Baden an Reichskirchenminister vom 10. 9. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 88). 193 Sie sperrte auch der badischen Volksmission, die sie für einen der Hauptträger der Protestbewegung hielt, die Kollektengelder, vgl. FA-Rundschreiben vom 7. 10. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 236 f.). Vgl. insgesamt: FA-Rundschreiben vom 10. 1. 1939 (LkAKA GA Nr. 1240a); Reichskirchenminister an FA-Baden vom 21. 9. 1938 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 161 f.); Reichskirchenminister an FA-Baden vom 3. 8. 1938 (LkAKA GA Nr. 7279).

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gerichtete Aktionen [scil. wie der Protest] endlich die gebührende Antwort finden und abgestellt werden“194 müssten. Er gebe daher bekannt, „daß ich es fortan ablehne, Anträge und Gesuche jeder Art, wie auch überhaupt Zuschriften von solchen Dekanaten, Kirchengemeinderäten und Geistlichen entgegenzunehmen und amtlich zu behandeln, die gegen die Einrichtung der Finanzabteilung protestiert oder in sonstiger Weise ihren Widerspruch gegen die Finanzabteilung zum Ausdruck gebracht haben.“

Lediglich die Aufgabe ihres „durch nichts begründeten Widerstand[s] gegen die Finanzabteilung“ böte den Protestlern die Möglichkeit, wieder Anschluss an die kirchliche Vermögensverwaltung zu bekommen – dazu bedurfte es jedoch einer bedingungslosen, förmlichen Rücknahme des Protestes; es genüge nicht, nur den Geschäftsverkehr mit der Finanzabteilung wiederaufzunehmen.195 Die Kirchengemeinderäte und Geistlichen, so der Gedankengang der Finanzabteilung, müssten „endlich […] begreifen lernen“, dass sie „in Vermögensangelegenheiten Dienststellen [sind], die der vom Reichskirchenministerium eingesetzten Finanzabteilung nachgeordnet und zum Dienstgehorsam verpflichtet sind.“196 Die Finanzabteilung setzte außerdem einige Ultimaten, um die Kirchengemeinderäte zu veranlassen, für ihre Verwaltungsmitarbeiter die von der Finanzabteilung bei ihrer Einsetzung geforderten Eröffnungsbescheinigungen beizubringen.197 Fast 250 Gemeinden hatten dies nicht rechtzeitig oder in genügender Form getan.198 Neben den finanziellen Repressalien baute die Finanzabteilung politischen Druck gegen die Protestbewegung auf, denn für die Finanzabteilung war der Protest keine kirchliche Frage. Für sie war es eine „Auflehnung gegen die Staatsautorität“199, die Protestler damit „Staatsfeinde“200. Am 26. Juli 1938 trat die Finanzabteilung in etlichen gleichlautenden Eingaben an verschiedene badische Staatsstellen und öffentliche Körperschaften heran,201 um darauf hinzuweisen, dass sich an den Protesten auch „Reichs-, Staats-, Gemeindeoder sonstige Körperschaftsbeamte“ beteiligt hätten (in ihren Positionen in 194 LkAKA GA Nr. 7266 (Quellen IV, 217 f.), daraus auch die folgenden Zitate. 195 Vgl. etwa FA-Baden an Dekanat Lörrach (nachrichtlich an die anderen Dekanate) vom 15. 9. 1938 (LkAKA 043, Dekanat Müllheim, Nr. 48); auch den Schriftwechsel mit dem Dekanat Müllheim (Quellen IV, 232 f.). 196 FA-Baden an KGR Überlingen vom 23. 7. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 215 f.). 197 Vgl. zu den Ultimaten und den geforderten Formschreiben: LkAKA GA Nr. 7266. Letztlich führte die Verweigerung der Eröffnungsbescheinigung bei zwei Mitarbeitern zur Entlassung, vgl. Frisch, Einsetzung, 69. 198 Vgl. eine entsprechende Liste (LkAKA GA Nr. 7266). 199 So Kühlewein an Reichskirchenminister vom 2. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 223 – 227, hier Bl. 227; Friedrich, Entwicklung Badens, 345 – 349). 200 Ebd. 201 Das Schreiben ging unter anderem an den badischen Ministerpräsidenten und den Reichsstatthalter (EZA 1/1627). Die folgenden Zitate aus dem Schreiben an den Ministerpräsidenten.

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Kirchengemeindeorganen oder Bezirkssynoden), „ohne sich dessen bewußt zu sein, daß sie damit gegen eine Maßnahme der Reichsregierung Stellung nehmen.“ Gerade aber durch die Beteiligung öffentlicher Beamter „wird in den urteilslosen Laienmitgliedern der genannten Körperschaften die Meinung erweckt, daß das Protestieren gegen die Maßnahme des Herrn Reichskirchenministers erlaubt sei und im vorliegenden Falle wohl auch das Richtige sei.“ Der badische Ministerpräsident und der badische Reichsstatthalter waren bereit, der Finanzabteilung den Rücken zu stärken.202 Bald waren alle Staatsbeamten und -angestellten in Baden darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich von den kirchlichen Protesten gegen die Finanzabteilung zurückzuziehen hätten, wenn sie sich nicht „der Gefahr strafrechtlichen und dienstpolizeilichen Eingreifens aussetzen“ wollten. Dies war ein wichtiger Erfolg für die Finanzabteilung: der Staat verurteilte die Proteste als illegitim.203 Die politische Ächtung des Protestes unterstrich die Finanzabteilung am 15. August 1938, als sie im Gesetz- und Verordnungsblatt der Landeskirche verlauten ließ, eine Missachtung der Finanzabteilung sei „als mittelbar gegen den Staat gerichtet anzusehen“204. Am 31. Oktober 1938 verschickte die Finanzabteilung ein Rundschreiben an die protestierenden Kirchengemeinderäte. Sie sollten prüfen, ob sie in ihrer ungerechtfertigten Stellung verharren oder sich auf den Boden der Legalität zurückbegeben wollten und bereit seien, den Geschäftsverkehr mit der Finanzabteilung aufzunehmen.205 Weitere Einschüchterungen richtete die Finanzabteilung zudem an einzelne widerständige Kirchengemeinderäte und Dekanate.206 Ihre Versuche, die Gestapo für Zwecke der Protestniederschlagung einzusetzen, waren allerdings nur bedingt mit Erfolg versehen.207 Die Protestbewegung musste auf die sich zuspitzenden Gegenmaßnahmen reagieren. Die Kirchenleitung nahm bald eine zwiespältige Position ein. Auf der einen Seite schürte sie die Widersetzlichkeit der Gemeinden und Geistli202 Vgl. Rundschreiben der badischen Staatskanzlei an die nachgeordneten Dienststellen vom 10. 8. 1938 (GLAK 233 / 27784; Quellen IV, 226 f.), daraus auch das folgende Zitat; Reichsstatthalter an Direktor der Reichsbahndirektion Karlsruhe vom 8. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 256). 203 Offenbar gab es lediglich einen Fall, in dem ein badischer Beamter im Ruhestand als Mitglied eines Kirchengemeinderates seinen Protest nicht zurückzog, ansonsten erzielte die staatliche Ermahnung allerorts ihre Wirkung. Vgl. FA-Rundschreiben vom 30. 11. 1938 (LkAKA GA Nr. 8048; Quellen IV, 253). 204 GVBl., 1938, 93. 205 Das Schreiben findet sich in LkAKA GA Nr. 1239 (Quellen IV, 242 f.). 206 Vgl. exemplarisch FA-Baden an KGR Gernsbach vom 10. 10. 1938 (LkAKA GA Nr. 9075). 207 Die Gestapo wurde nur bei der Bekämpfung von als staatsfeindlich gewerteten Flugblättern aktiv, siehe unten 444. Ansonsten hatte sie nicht die Absicht, zugunsten der Finanzabteilung in die Proteste einzugreifen, wie manche Absagen an die Finanzabteilung deutlich machten. Vgl. einen Vorgang in BArch R 5101 / 23779, Bl. 331 – 335; und ein Schreiben des SD-Chefs an den Reichskirchenminister vom 13. 11. 1939 (BArch R 5101 / 23780).

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chen, denn sie hatte die Protestinitiative durch ihre Mitwirkung amtlich legitimiert. Als die Gegenmaßnahmen einsetzten, rief sie zum Durchhalten auf.208 Auf der anderen Seite aber erklärte der Landesbischof zugleich, „daß Maßnahmen der Finanzabteilung, die sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit trifft und die weder mittelbar noch unmittelbar die Erfüllung dieser Aufgaben [scil. des kirchlichen Auftrags] beeinträchtigen, ja sie sogar fördern, unter Aufrechterhaltung des grundsätzlichen Widerspruchs hingenommen werden müssen“209.

Die Kirchenleitung versuchte, bald nicht mehr allzu offenkundig als Anheizer der Proteste in Erscheinung zu treten. Kühleweins Anweisungen, an dem Protest festzuhalten, wurden den Pfarrern über die Volksmission und ohne Unterschrift zugeleitet; Alleingänge von Geistlichen sollten möglichst verhindert werden, um eine weitere Verschärfung der Situation zu vermeiden.210 Die Situation war der Kirchenleitung über den Kopf gewachsen. Besonders problematisch war für sie, dass das Auskommen mit dem Staat zusehends unter dem Protest litt (Abbruch des Geschäftsverkehrs; Anweisung an Staatsbedienstete, sich von den Protesten zu distanzieren). Die Kirchenleitung wollte ihren Widerstand gegen die Einrichtung der Finanzabteilung aber nicht als gegen den Staat gerichtet wissen und war daher bald sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. Es wurde der Kirchenleitung immer klarer, dass der Protest gegen eine staatliche Maßnahme in dieser Form auf Dauer kaum zu halten sein würde, daher bremste sie die Unmutsäußerungen zunehmend und war an einer Beruhigung der Lage interessiert. Der Landesbruderrat hingegen behielt seinen scharfen Kurs bei211 – obgleich auch er den Einspruch gegen die Finanzabteilung keinesfalls als Protest gegen den Staat oder den Nationalsozialismus missverstanden sehen wollte. Das vom Landesbischof geforderte Festhalten am Protest könnte „nur als ein Minimum betrachtet werden“, so meinte Dürr, weitere praktische Initiativen gegen die Finanzabteilung seien notwendig, damit „dieser Knebelungsversuch unserer Kirche mißlingt.“212 Auch nach den ultimativen Aufforderungen der Finanzabteilung, den Protest einzustellen, wollte der Landesbruderrat nicht nachgeben;213 Kompromisslösungen schlug er aus. Eine solche hatte der Karlsruher Dekan Viktor Renner, ein Deutscher Christ, mit Lang ausgehan208 Vgl. die „Weisungen an die Pfarrer“ vom 22. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 181 f.; Quellen IV, 208 f.). Diese Anweisungen wurden begleitet von einem Wort Kühleweins, welches am 26. 6. 1938 in den Gottesdiensten zur Verlesung kommen sollte (BArch R 5101 / 23779, Bl. 179 f.; Quellen IV, 209 f.). 209 „Weisungen an die Pfarrer“ vom 22. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 181 f.; Quellen IV, 208 f.). 210 Vgl. das Rundschreiben vom 26. 7. 1938 (Quellen IV, 221). Kühlewein stellte stattdessen in Aussicht, selbst weitere Maßnahmen gegen die Finanzabteilung zu unternehmen. 211 Vgl. etwa Rundschreiben Dürrs vom 31. 10. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 23). 212 Rundschreiben Dürrs vom 30. 6. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 9, Bl. 106). 213 Vgl. etwa Rundschreiben Dürrs vom 8. 8. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 11, Bl. 33).

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delt: Eine Formerklärung sollte den Protestlern einen gesichtswahrenden Rückzug aus ihrer Haltung ermöglichen.214 Stattdessen riet der Bruderrat, zur Behebung der finanziellen Engpässe, etwa bei Nichtgenehmigung der Ortskirchensteuer, ersatzweise den Klingelbeutel einzuführen und Ausgaben einzuschränken.215 Für den Landesbruderrat galt die Devise: „Unser gewissensmäßiger Protest dagegen, dass durch die FA die Leitung der Kirche der Kirche Christi genommen und der Nationalkirche ausgeliefert wird, ist unaufgebbar.“216 Gleichzeitig fühlten sich der Landesbruderrat und die Protestler in den Gemeinden von der Kirchenleitung immer weniger unterstützt, denn diese war nicht imstande, die Verschärfung der Situation für die Protestierenden zu verhüten und ließ Weisungen vermissen, wie mit der eskalierenden Lage umzugehen sei.217 Die Protestbewegung entfremdete sich langsam von der Kirchenleitung. Gleichzeitig hatte sich der Protest festgefahren. Auch der Landesbruderrat war sich bald nicht mehr schlüssig, wie ein Erfolg des Protestes erreicht werden könnte – er hoffte, dass die Kirchenleitung sich noch einmal klar positionieren würde.218 Zudem waren in der Bekenntnisgemeinschaft interne Differenzen aufgebrochen.219 So verharrte der Landesbruderrat in seiner Grundsatzopposition, blieb aber ebenfalls den Protestlern in den Gemeinden längere Zeit genauere Anweisungen schuldig, wie dem Druck der Finanzabteilung praktisch begegnet werden könne. So wurden die Pfarrer und Gemeinden zeitweise von Kirchenleitung und Landesbruderrat ohne Führung in der Sache allein gelassen. Dazu kam, dass die Aufrechterhaltung der geordneten Kirchenarbeit ohne die notwendigen finanziellen Mittel und Genehmigungen auf die Dauer immer problematischer wurde. So konnten auch die entschlossenen Parolen des Landesbruderrates nicht verhindern, dass die Protestbewegung in den Gemeinden unter dem Eindruck der FA-Sanktionen im Laufe des Spätsommers ganz allmählich zu bröckeln begann. Den Protestierenden schwante allmählich die Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens, zumal auch die Finanzabteilung sich bemühte, diesen Eindruck zu verfestigen. Sie betonte, es sei „mit dem Verschwinden der Finanzabteilung nie mehr zu rechnen“220. So musste der Landesbruderrat 214 In der Erklärung wurde die Rechtmäßigkeit der Finanzabteilung zwar anerkannt und auch versichert, dass man den Dienstverkehr aufnehme und weitere Proteste unterlasse, doch war eine Distanzierung von den bisherigen Protesten nicht explizit notwendig. Vgl. das Rundschreiben Dekan Renners vom 29. 8. 1938 (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 230). Dürr distanzierte sich von der Lösung in seinem Rundschreiben vom 13. 9. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 27). 215 Vgl. das Rundschreiben des FA-Ausschusses des Landesbruderrats vom 21. 9. 1938 (ebd.). 216 Ebd. 217 Vgl. etwa Dürr an Pfarrer Grüber vom 10. 8. 1938 (ebd.). 218 Vgl. Rundschreiben Dürrs vom 20. 10. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 9); auch das Rundschreiben vom 31. 10. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 23). 219 Vgl. Lange, Mondon, bes. 371, 374; unten 444 f. 220 FA-Baden an Dekanat Baden-Baden vom 23. 7. 1938 (LkAKA GA Nr. 7345).

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feststellen, dass seine Position immer prekärer wurde, auch wenn die Protestbewegung bis in den Oktober 1938, ungeachtet aller Verfallserscheinungen, im Großen und Ganzen gehalten hatte. Bis dahin hatten etwa 60 bis 70 Pfarrer die Protestreihen verlassen.221 Die Kirchenleitung hatte sich bis dato noch nicht von der Protestbewegung distanziert. Auch mit dem Landesbruderrat herrschte noch eine stillschweigende Übereinstimmung. Doch Anfang November 1938 kam es zum Bruch zwischen den beiden Trägern der Protestbewegung. Auslöser war ein Schreiben des Landesbischofs an sämtliche Geistliche vom 2. November 1938; hinzu kam die Beteiligung Kühleweins an der Affäre um die Bußgebetsliturgie der Zweiten Vorläufigen Kirchenleitung.222 Kühleweins neue Weisungen folgten der Einsicht, dass die Aufrechterhaltung des Protestes nicht zu dem Ziel der Auflösung der Finanzabteilung führen würde. So stellte es der Landesbischof den Pfarrern frei, den Protest aufzugeben: „Jeder Geistliche möge bei der Prüfung der Frage einer Zurücknahme seines Einspruchs erwägen, ob er nicht dem Verlangen der Finanzabteilung nunmehr deshalb Rechnung tragen könne, weil von Landesbischof und Oberkirchenrat alles, was kirchlich möglich war, getan worden ist.“223 Kühlewein befreite mit seinem Rückzieher viele Pfarrer und Gemeinden aus einer inneren Zwickmühle. Die Folgen des Protests hatten die Gemeindearbeit vielfach stark beeinträchtigt, dennoch standen die Pfarrer zur Kirchenleitung und wollten ihr nicht in den Rücken fallen. Deshalb hatten sie auch immer drängender um Weisungen gebeten, wie es mit dem Widerstand weitergehen sollte, denn alleine konnten und wollten sie ihn schon lange nicht mehr tragen.224 Seitens der Kirchenleitung stand der Rücknahme des Protestes nun nichts mehr entgegen – die Finanzabteilung begrüßte die Entwicklung. Der Landesbruderrat aber war von Kühleweins Initiative vor den Kopf gestoßen und empfand diese Wende als „große[s] Betrübnis“, ja sogar als „unsagbar schmerzlich“225. Auf der Sitzung der BG-Bezirksvertreter am 9. November 1938 wurde beschlossen, am Protest vom 31. Mai 1938 grundsätzlich festzuhalten, jedoch den Geschäftsverkehr mit der Finanzabteilung freizugeben.226

221 Vgl. SD-Bericht vom 20. 10. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 145). 222 Vgl. Landesbruderrat an Landesbischof vom 9. 11. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 1); Klausing, Baden, 222 – 224; auch Meier, Kirchenkampf III, 54 – 60. 223 Rundschreiben Kühleweins vom 2. 11. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 250 f., hier Bl. 251; Quellen IV, 245 f.). 224 Vgl. exemplarisch Dekanat Wertheim an EOK vom 5. 10. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 234 f.). 225 Landesbruderrat an Landesbischof vom 9. 11. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 1). 226 Erklärung vom 9. 11. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 27). Vgl. auch den Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der BG-Bezirksvertreter vom 9. 11. 1938 (Quellen IV, 246 f.); die Weisungen an die BG-Mitglieder aus dem November 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 11, Bl. 2).

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Diese Lösung war für die Finanzabteilung nicht akzeptabel, die Rücknahme des Protestes Voraussetzung für die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen. Die Kirchenleitung, die selbst stets den Dienstverkehr mit der Finanzabteilung aufrechterhalten hatte, hatte angenommen, dass nach Kühleweins Rundschreiben allgemein der Geschäftsverkehr mit der Finanzabteilung aufgenommen würde und die Finanzabteilung damit zufrieden gestellt wäre. Damit irrte sie sich: Eine größere Anzahl von Geistlichen und Gemeinden blieb auch später konsequent bei ihrer Verweigerungshaltung gegenüber der Finanzabteilung;227 außerdem erfolgten die Reaktionen nicht so rasch wie erhofft. Dennoch hatte das Schreiben des Landesbischofs letztlich den Bann gebrochen. Ende November 1938 hielten noch etwa 15 % der Gemeinden, also ca. 75, ihren Protest aufrecht,228 unter den Geistlichen hatten Mitte November bereits etwa 100 von ihrem Protest Abstand genommen.229 In weiterhin widerspenstigen Gemeinden ging die Finanzabteilung verstärkt dazu über, den Widerstand durch den Einsatz von Bevollmächtigten zu egalisieren.230 In den folgenden Monaten lief der Protest allmählich aus.231 Ende März 1939 konnte die Finanzabteilung vermelden, inzwischen hätten „weitaus die meisten derjenigen Geistlichen und Kirchengemeinderäte“232, welche gegen die Finanzabteilung protestiert hätten, diesen Protest ausdrücklich zurückgezogen. Gleichzeitig zog die Finanzabteilung einen Schlussstrich: Wer den Protest noch nicht zurückgenommen hatte, den erklärte die Finanzabteilung für unbelehrbar. Sie ging davon aus, dass spätere Protestrücknahmen nicht mehr aus Einsicht erfolgten, sondern nur „um keine persönliche Benachteiligung durch die Finanzabteilung“ zu erfahren. „Ich bin deshalb“, so erklärte Lang am 28. März 1939, „von jetzt an nicht mehr in der Lage, Geistlichen und Kirchengemeinderäten, welche in der Zukunft ihre Unterschrift unter eine Protestkundgebung zurücknehmen, genau so zu behandeln wie diejenigen Geistlichen und Kirchengemeinderäte, welche sich von jeder Protestkundgebung ferngehalten haben oder sehr bald die Irreführung, der sie zum Opfer gefallen sind, eingesehen haben. Ich sehe mich ausserstande, noch einkommenden Erklärungen über die Zurücknahme des Protestes eine Bedeutung beizumessen.“

227 Vgl. Lang an Kühlewein vom 9. 11. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 252 f.; Quellen IV, 247 f.). 228 Vgl. SD-Bericht vom 24. 11. 1938 (BArch R 58 / 5779, Bl. 3). Frisch, Einsetzung, 71, spricht für Ende Januar 1939, leider unbelegt, von mehr als 160 protesthaltenden Gemeinden. 229 Vgl. Lang an badischen Ministerpräsident vom 18. 11. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 250 f.). 230 Siehe unten bes. 490 – 494. 231 Vgl. die zahlreichen Eingaben in LkAKA GA Nr. 9075. Die Mahnungen des Landesbruderrates, an dem Protest unbedingt festzuhalten (vgl. etwa das Rundschreiben des Landesbruderrats vom 30. 11. 1938, LkAKA 150.011 Nr. 9, Bl. 170), wurden immer weniger befolgt oder konnten immer weniger befolgt werden. 232 FA-Rundschreiben vom 28. 3. 1939 (LkAKA GA Nr. 1240a; Quellen IV, 264 f.), daraus auch die folgenden Zitate.

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Endgültig erledigt wurde die Angelegenheit schließlich im April 1940: Der Reichskirchenminister entschied, die noch nicht zurückgenommen Proteste der Geistlichen seien nunmehr, nachdem zwei Jahre vergangen waren, als gegenstandslos zu betrachten.233 Die Proteste gegen die Finanzabteilung umfassten nicht die gesamte Pfarrerschaft, sondern wurden in der Hauptsache von BG-Pastoren getragen. Viele Pastoren der Mitte standen zwar grundsätzlich hinter der Kirchenleitung, wollten sich jedoch nicht dem Protest gegen die Finanzabteilung anschließen. Die Deutschen Christen begrüßten die FA-Einrichtung aufs Wärmste. Sie erhofften sich von ihr die ersehnte Unterstützung.234 Die Proteste seitens der Bekenntnisgemeinschaft und der Kirchenleitung lehnten sie ab. Sie nutzten sie für Gegenangriffe und warfen der Kirchenleitung vor, „dass sie die Autorität des Staates unterwühlt und gleichzeitig die Kirche zerstört.“235 DC-Landesgemeindeleiter Kiefer bat im Juni 1938 Reichsstatthalter Wagner, „dafür zu sorgen, daß unser gutgläubiges badisches Landvolk nicht noch länger dem schändlichen Treiben von reaktionären Pfaffen ausgesetzt bleibt. Helfen Sie mit, daß der Blumenstr. [scil. Sitz des Evangelischen Oberkirchenrats] baldigst der nötige Kirchenkommissar gesandt und auf diese Weise ein abbaureifer Oberkirchenrat entmächtigt wird.“236

Bei all diesen Auseinandersetzungen ging es Finanzabteilung und Kirchenleitung stets auch darum, die Deutungshoheit über die Protestbewegung zu gewinnen – gegenüber dem Reichskirchenministerium, den badischen Staatsstellen und der badischen Pfarrerschaft. Finanzabteilung und Kirchenleitung lieferten sich teilweise regelrechte Eingabeduelle bei den staatlichen Stellen.237 Um die Zustimmung der Pfarrerschaft buhlten die Kontrahenten mittels diverser Rundschreiben.238 Das Reichskirchenministerium musste auf die schweren Konflikte in der badischen Landeskirche reagieren. Es hatte die Lage selbst befördert, denn bei der Besprechung anlässlich der FA-Einrichtung hatten Stahn und Albrecht der Finanzabteilung zu verstehen gegeben, ihr Auftrag bestünde darin, „ihre Zuständigkeit als möglichst weitgehend anzusehen und auf diesem Wege die 233 Vgl. Reichskirchenminister an FA-Baden vom 10. 4. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 234 Vgl. Frisch, Errichtung, 17; Anmerkung Köllis in „Der Deutsche Christ“ vom 11. 9. 1938 (Ausschnitt in BArch R 5101 / 23779, Bl. 90). 235 Kölli an Reichskirchenminister vom 13. 7. 1938 (BArch R 58 / 5779, Bl. 141). 236 Schreiben vom 30. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 219). 237 Vgl. etwa den Schlagabtausch gegenüber dem badischen Ministerpräsidenten mit Schreiben vom 10. 10. 1938 (Kühlewein); 18. 11. 1938 (Lang); und 23. 11. 1938 (Kühlewein) (alle Schreiben in GLAK 233 / 27784; eines in Quellen IV, 250 f.). 238 Vgl. etwa das Rundschreiben Kühleweins vom 2. 11. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 250 f.; Quellen IV, 245 f.); und die ebenfalls rundverschickte Entgegnung Langs vom 9. 11. 1938 (ebd., Bl. 252 f.; Quellen IV, 247 f.).

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Kirchenleitung nach und nach dadurch auszuhöhlen, daß die Finanzabteilung eine Angelegenheit nach der anderen an sich ziehe.“239 Diese Instruktionen gaben die Haltung von Staatssekretär Muhs wieder ; dieser führte zu dieser Zeit das Tagesgeschäft des Reichskirchenministeriums. Dennoch unterstützte er die badische Finanzabteilung in ihrer prekären Situation von Beginn an nur mittelbar, durch seine allgemeine FA-Politik. Er sanktionierte etwa mit seinem Erlass vom 1. Juli 1938,240 dass die badische Finanzabteilung die Vermögensverwaltung selbst ausführte.241 Wenige Tage zuvor hatte Kühlewein noch die FA-Amtsführung als anmaßend beklagt, nun musste er zur Kenntnis nehmen, dass dieser Zustand vom Reichskirchenministerium gebilligt wurde. Gleichwohl herrschte zu den konkreten badischen Verhältnissen eine große Zurückhaltung in Berlin. Weder Kühleweins Proteste noch die hilfesuchenden FA-Eingaben, „daß die Finanzabteilung Karlsruhe in dem vom Landesbischof Kühlewein und seinen Räten angezettelten Kampf vom Ministerium unterstützt werden möge“242, wurden beantwortet. Auch ging das Ministerium nicht auf die drängenden Wünsche der Finanzabteilung nach weiteren Kompetenzausdehnungen ein. Andererseits wurde das Verhalten der Finanzabteilung auch nicht beanstandet. Muhs vermied jegliche offizielle Stellungnahme zu der Protestbewegung in der Landeskirche und verweigerte ein direktes Eingreifen. Das Reichskirchenministerium ließ die gerade eingesetzte Finanzabteilung mit der Aufgabe, ihre Autorität in Baden durchzusetzen, weitgehend alleine. So waren die Kontrahenten vor Ort unsicher, welche Haltung das Ministerium eigentlich einnahm. Beide Seiten konnten zwar glauben, Verständnis beim Reichskirchenminister zu finden, sicher konnten sie sich nicht sein. Deshalb suchte die Finanzabteilung umso mehr permanent den Kontakt zu dem Ministerium, wollte sich Maßnahmen nachträglich bestätigen lassen oder bat um Rat und Anweisungen in offenen Fragen.243 Die Zurückhaltung aus Berlin war letztlich so lange für die Finanzabteilung tragbar, wie sie und das Reichskirchenministerium weitgehend übereinstimmende Vorstellungen von der Tätigkeit und dem Auftrag der Finanzab239 FA-Vermerk vom 25. 6. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477; Quellen IV, 194 f.). Vgl. auch den Aktenvermerk Doerrs vom 15. 4. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 240 Der Erlass wurde von der FA-Baden am 4. 8. 1938 veröffentlicht (GVBl., 1938, 88). Vgl. auch EOK an FA-Baden vom 29. 6. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899). 241 Möglicherweise hatte die badische Finanzabteilung Muhs letztlich zu der Anordnung vom 1. Juli 1938 inspiriert. Vgl. FA-Baden an Reichskirchenminister vom 29. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 134). 242 Vermerk Richters vom 12. 7. 1938 (ebd., Bl. 185). Vgl. auch den Appell Langs an den Reichskirchenminister vom 1. 7. 1938 (ebd., Bl. 174 – 176). 243 Vgl. etwa den Vermerk Richters über eine Besprechung mit Lang, Doerr und Cölle am 8. 7. 1938, bei dem diverse offene Fragen behandelt wurden (ebd., Bl. 185 – 195). Offenbar riet Albrecht der Finanzabteilung dazu, vor Entscheidungen möglichst die Rückendeckung des Reichskirchenministeriums einzuholen, vgl. Doerr an Stahn vom 9. 1. 1940 (BArch R 5101 / 23780).

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teilung hatten; also solange Staatssekretär Muhs 1938 mit seinen Anhängern im Reichskirchenministerium die Fäden zog. Lang konnte das Reichskirchenministerium schließlich überzeugen, im August 1938 eine Delegation zur Finanzabteilung nach Karlsruhe zu schicken; es kamen Landgerichtsrat Albrecht nebst Cölle (für die DEKK-Finanzabteilung).244 Lang erhoffte sich eine Verbesserung des Drahtes nach Berlin. Die Konsultationen waren für die badischen FA-Funktionäre allerdings ernüchternd: Im Ergebnis wurde deutlich, dass nicht alle Kompetenzen, die die Finanzabteilung beanspruchte, auch haltbar waren und eine gewisse Verständigungsbereitschaft vom Ministerium doch vorausgesetzt wurde. Es wurde sogar „für wünschenswert erachtet“, dass Doerr wieder an den Sitzungen des Oberkirchenrates teilnähme, „damit nicht beide Behörden völlig nebeneinander herliefen, sondern eine gewisse Fühlungnahme auch weiterhin bestände.“245 Indes bahnte das Gespräch lediglich an, was sich sowieso bald vollziehen würde, nämlich die Rückkehr des Reichskirchenministers in die aktive Politik; nunmehr mit seinem Oktoberprogramm. Dadurch veränderten sich die Gegebenheiten auch für die badische Finanzabteilung, denn sie verlor die Protektion von Staatssekretär Muhs. Zwar beruhigte Stahn am 21. Oktober 1938 Lang in einem Telefongespräch noch, „[a]n der Linie des Ministeriums, wonach die Verwaltung fest in der Hand der Finanzabteilungen zu bleiben habe, sei bisher nichts geändert worden und würde auch m. W. nichts geändert werden“246, doch Kerrl kam es nun vor allem auf eine Befriedung der Kirche an. Es bleibt aus der Anfangszeit der Finanzabteilung in Baden das Bild eines mit „letzter Schärfe“247 geführten Konfliktes zwischen Kirchenleitung und Finanzabteilung. Auch die Gemeinden und Geistlichen waren stark in die Auseinandersetzungen involviert. „In der Praxis war dies ein zersetzender, nicht nur für das Personal in Karlsruhe schwer erträglicher, die gesamte Landeskirche extrem polarisierender Zermürbungskrieg mit allen Mitteln amtlicher Schikanierung, der Denunziation und Diversion“248. Am Ende des Prozesses hatte sich die Finanzabteilung in weiten Teilen gegenüber den widerspenstigen Gemeinden und Geistlichen durchgesetzt und den Evangelischen Oberkirchenrat in dem Machtkampf immer mehr zurückgedrängt. Trotz mangelnder Unterstützung aus Berlin hatte die Finanzabteilung in der badischen Landeskirche sich und ihren Machtanspruch etabliert. 244 Vgl. zu dem Besuch: Vermerk Albrechts vom 29. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 98 f.); Bericht Cölles für Werner vom 7. 9. 1938 (EZA 1/1627). 245 Bericht Cölles für Werner vom 7. 9. 1938 (Ebd.). 246 Vermerk Stahns vom 22. 10. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 109). 247 Kunze, Bedeutung, 195. 248 Ebd.

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3.4.2. Die Bekennende Kirche: Das Auslaufen des Protests im Zeichen interner Machtkämpfe Die Bildung der Finanzabteilung war für den badischen Landesbruderrat eines der dominierenden Themen des Jahres 1938. Er hatte auf seiner Sitzung am 12. September 1938 sogar einen eigenen Arbeitsausschuss gebildet, der in FA-Fragen Weisungen an die Mitglieder erteilen und mit der Kirchenleitung enge Fühlung halten sollte.249 Es war dem Bruderrat dennoch nicht gelungen, in der kritischen Protestphase im November 1938, die Reihen geschlossen zu halten. Er hatte auch deshalb nicht effektiv handeln können, weil er just zum Jahreswechsel 1938/39 mit sich selbst beschäftigt war. Es gab interne Querelen um den Kurs und die Führung des Landesbruderrates.250 Zur einen Seite spaltete sich um Pfarrer Julius Bender eine Gruppe ab, die sich dem gemäßigten Kurs der lutherischen Landesbischöfe verpflichtet sah, in der Mitte stand der Vorsitzende Dürr mit seinen an der Vorläufigen Kirchenleitung orientierten bruderrätlichen Vorstellungen und auf der anderen Seite bildete sich um Pfarrer Egon Güß eine kleine Gruppe rigoros dahlemitisch eingestellter Bekenntniskirchler, die sich in der „Theologischen Sozietät in Baden“ sammelten.251 Zu dieser Zeit konnte der Landesbruderrat kaum geschlossen handeln. Aktionen gegen die Finanzabteilung gingen höchstens von einzelnen BG-Aktivisten aus: Ende 1938 kursierte vor allem in Karlsruhe-Durlach die Postwurfsendung „Die Zerstörung der Kirche durch die Finanzabteilung“, in der die Bevölkerung zur Unterstützung der widerständigen Pfarrer aufgerufen wurde.252 Güß verbreitete im April 1939 eine Denkschrift, in der er stärkeren Widerstand gegen die Finanzabteilung forderte.253 Als Mitte 1939 der interne Machtkampf weitgehend zugunsten des bisherigen Landesbruderratsvorsitzenden Dürr entschieden war, hatte sich die Finanzabteilung bereits fest etabliert. Der Zenit der Protestbewegung lag zu 249 Vgl. Bericht in LkAKA 150.011 Nr. 9, Bl. 126. 250 Vgl. Klausing, Baden, bes. 199 – 208; Heidel, Kampf, 330; Dietrich, Kirchengemeinde, 240; Witt, Dürr, 56. 251 Vgl. Thierfelder, Landeskirche, 339; Klausing, Baden, 201, 221; Quellen IV, 310. 252 Die Schrift wurde von dem Sondergericht Mannheim als „aufreizende Kampfschrift“ (Urteil gegen Münz, BArch R 5101 / 24226) bezeichnet. Der Verfasser des Schreibens konnte von der Gestapo nicht festgestellt werden, wohl aber konnten zwei Vikare mit ihrer Verbreitung in Verbindung gebracht werden, Ernst Münz und Paul Menacher. Die Finanzabteilung erfuhr von diesen Aktivitäten, betrachtete die beiden fortan als staatspolitisch unzuverlässig (es kamen bei beiden noch zusätzliche Gründe hinzu) und behinderte deren beruflichen Werdegang. Bei Münz führte dies dazu, dass er erst nach dem Kriege eine Anstellung in der badischen Landeskirche finden konnte. Die Postwurfsendung findet sich in LkAKA GA Nr. 7424 (Quellen IV, 253 – 255). Vgl. zum Ganzen die entsprechenden Unterlagen in BArch R 58 / 5779, Bl. 149 f.; BArch R 5101 / 23780; BArch R 5101 / 23981; BArch R 5101 / 24226; LkAKA GA Nr. 7424; auch Klausing, Baden, 240. 253 Denkschrift „Die kirchenpolitische Lage in Baden“ (Quellen IV, 310 – 316). Vgl. auch Thierfelder, Landeskirche, 339.

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diesem Zeitpunkt bereits einige Monate zurück. Der Landesbruderrat versuchte nicht mehr, daran anzuknüpfen. Die Auseinandersetzungen hatten sich in die einzelnen Gemeinden verlagert, wo die einzelnen BG-Pfarrer und Kirchengemeinderäte die Konflikte austrugen und hiervon sehr in Anspruch genommen wurden.254 Die Bekenntnisgemeinschaft oder der Landesbruderrat haben sich nicht mehr vertieft mit der Institution Finanzabteilung auseinandergesetzt, das blieb der Kirchenleitung überlassen. Dazu trugen auch die Kriegsbedingungen bei. Viele Pastoren wurden eingezogen, die übrigen waren durch die gewachsenen Vertretungsaufgaben stark belastet. Ein organisierter Widerstand gegen die Finanzabteilung musste unter diesen Umständen zurücktreten.255 Gleichwohl war die Ablehnung der Finanzabteilung für die Bekenntnisgemeinschaft ein einigendes Band, welches sie, bei allen Differenzen, auch mit der Kirchenleitung verband. 3.4.3. Das ungeklärte Verhältnis zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung 1939/40 Das Verhältnis von Kirchenleitung und Finanzabteilung erwies sich auch nach dem Niedergang der Protestbewegung in der Landeskirche als irreparabel. Eine Verständigung war allein deshalb unmöglich, weil das Selbstverständnis der Finanzabteilung und die Vorstellung der Kirchenleitung, wie die Finanzabteilung zu wirken habe, unvereinbar waren. Beide Behörden, der Evangelische Oberkirchenrat und die Finanzabteilung, betrachteten sich als die letztlich oberste und maßgebliche Instanz in der Landeskirche. Hinzu kamen persönliche Animositäten. Die Konsequenz waren anhaltende Beschwerden der Kirchenleitung beim Reichskirchenminister : Die Finanzabteilung mische sich ständig in die geistliche Leitung der Landeskirche ein,256 „mit der kaum noch verdeckten Absicht, kirchliche Aufbauarbeit zu stören und zu zerstören.“257 Sie handele „fortgesetzt in Überschreitung ihrer Zuständigkeit“258 und schließe die Kirchenleitung „von der Leitung und Verwaltung des kirchlichen Vermögens vollkommen“259 aus; das aber sei untragbar, wenn die Vermögensverwal254 Vgl. auch Wennemuth, Kirchenleitung, 57 f.; Klausing, Baden, 241 f. 255 Vgl. auch den SD-Bericht an den Reichskirchenminister vom 17. 4. 1940 (BArch R 5101 / 23780). In seinen Rundbriefen ging der Landesbruderratsvorsitzende in der Kriegszeit kaum noch direkt auf die Finanzabteilung ein. Nur in demjenigen aus der Adventszeit 1943 wies Dürr im Kontext des Wurm’schen Einigungswerkes auf die Finanzabteilung hin (LkAKA 150.011 Nr. 17, Bl. 125). 256 Am 10. März 1940 schrieb Kühlewein an den Reichskirchenminister, es gebe „schwerlich einen Gegenstand der kirchlichen Verwaltung, der zur Zuständigkeit des Oberkirchenrats gehört, in die [sic] sich nicht in irgend einer Form die Finanzabteilung einmischt.“ BArch R 5101 / 23780. 257 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 3. 8. 1939 (ebd.). 258 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 11. 12. 1939 (ebd.). 259 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 18. 2. 1939 (ebd.).

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tungsstelle „in keinerlei kirchlicher Bindung und Verpflichtung steht.“260 Die Finanzabteilung verfolge das Ziel, „das Arbeitsgebiet der Kirchenleitung nach und nach auszuhöhlen, um dann die Kirche so zu führen, wie die kirchenpolitischen Tendenzen der Finanzabteilung gehen.“261 Das Wirken der Finanzabteilung diene daher machtpolitisch in erster Linie den Nationalkirchlichen Deutschen Christen.262 Insgesamt meinte Kühlewein „feststellen zu müssen, dass zwischen der Verfahrensweise der Finanzabteilung und der 15. D.V.O. keinerlei Zusammenhang erkennbar ist.“263 Durch die Finanzabteilung werde „die vorher in keiner Weise gestörte Ordnung in der Landeskirche in immer steigendem Maße gestört und zerrüttet“264. Die Finanzabteilung bestritt sämtliche Vorwürfe. Nach außen vertrat Doerr die Auffassung: „Vermögensverwaltung und geistliche Leitung haben nach meiner Beurteilung der Dinge nichts miteinander zu tun.“265 Ein taktisches Postulat, da der Reichskirchenminister seinerzeit die Trennung beider Bereiche wünschte. Die Finanzabteilung rekurrierte stattdessen zur Erklärung ihrer Maßnahmen auf ihren politischen Auftrag. Lang betonte, er habe durch seine bisherige Amtsführung bewiesen, „dass ich als Vorsitzender der Finanzabteilung nur die Belange des nationalsozialistischen Staates und sein Wollen in Bezug auf die Deutsche Evang. Kirche vertrete.“266 Der Evangelische Oberkirchenrat habe hingegen „als ein die staatliche Ordnung und die Ruhe der Kirchengemeinden bedrohender Gefahrenherd längst den Anspruch darauf verwirkt […], seitens des Herrn Reichsministers für die kirchlichen Angelegenheiten oder seitens einer anderen staatlichen Stelle noch als eine sachlich urteilende Behörde, welche ihre Aufgabe in einer sachgemäßen Ausübung der Kirchenleitung sieht, gewertet zu werden. Der Evang. Oberkirchenrat Karlsruhe ist völlig unfähig, anders als in einer übersteigerten Intoleranz und giftigen Unsachlichkeit und voll Haß gegen die den Staat und seine Maßnahmen gegenüber der Kirche vertretende Finanzabteilung zu handeln.“267

Kaum verhohlen forderte der FA-Vorsitzende personelle Veränderungen in der Kirchenleitung.268

260 261 262 263 264 265 266 267 268

Kühlewein an Reichskirchenminister vom 11. 12. 1939 (ebd.). Kühlewein an Reichskirchenminister vom 18. 2. 1939 (ebd.). Vgl. zu diesem häufigen Vorwurf etwa Kühlewein an FA-Baden vom 11. 3. 1939 (ebd.). Kühlewein an Reichskirchenminister vom 3. 8. 1939 (ebd.). Kühlewein an Reichskirchenminister vom 11. 12. 1939 (ebd.). Doerr an Reichskirchenminister vom 8. 5. 1940 (ebd.). Lang an Reichskirchenminister vom 26. 4. 1939 (ebd.). Schreiben an den Reichskirchenminister vom 4. 7. 1939 (ebd.; Quellen IV, 266). Vgl. auch Lang an Ministerialrat Richter vom 8. Juli 1939 (BArch R 5101 / 23780), wo er insistierte, „daß es für die Finanzabteilung auf die Dauer unerträglich ist, daß der Evang. Oberkirchenrat in der derzeitigen Zusammensetzung die Bad. Evang. Landeskirche noch länger weiterleitet.“

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Das zerstörte Verhältnis zur Kirchenleitung war für die Finanzabteilung prinzipiell leicht zu ertragen, denn letztlich saß sie, über den Zugriff auf die Finanzen, am längeren Hebel. Voraussetzung hierfür war allerdings eine nominelle Absicherung durch das Reichskirchenministerium, denn sonst stand stets zu befürchten, dass getroffene Entscheidungen von der Kirchenleitung erfolgreich angefochten werden könnten. Es war 1939 entscheidend, wie sich das Reichskirchenministerium zu den badischen Verhältnissen positionieren würde. Kerrls Politik zielte seit Ende 1938 auf eine Befriedung der Kirche, und diese Pläne störten in Baden sowohl Kirchenleitung als auch Finanzabteilung mit ihrer unversöhnlichen Haltung. Daher konnte sich der Reichskirchenminister nicht entschließen, sich klar zu positionieren. Stattdessen ließ er es zu, dass sich die Lage in Baden im Laufe des Jahres 1939 immer mehr zuspitze; lediglich in Einzelfragen ergingen Entscheidungen des Ministers. Auch der Grundsatzerlass vom 21. Juli 1939, in dem die FA-Zuständigkeiten begrenzt wurden, galt nicht in der badischen Landeskirche, da Kühlewein nicht zu den Unterzeichnern der Kerrl’schen Grundsätze zählte.269 Für die Finanzabteilung bedeutete das nicht enden wollende unentschlossene Verhalten des Ministers eine Zurücksetzung. Seit Herbst 1939 glaubte sie nicht mehr, dessen volle Unterstützung zu besitzen.270 Ein Schreiben Langs vom 11. November 1939 zeigte den Unmut der Finanzabteilung: „Ich habe in den letzten Monaten wiederholt Anlass gehabt, dem Herrn Reichskirchenminister Fälle vorzulegen, in welchen die Bosheit der Kirchenleitung und ihrer verhetzten Nachläufer zutage trat, und in welchen uns die Ehre abgeschnitten wurde, einerlei, ob der Ehrabschneider ein hoher Kirchenmann oder ein grüner Vikar gewesen ist. […] [E]s sind der Herr Hochwürdigste Landesbischof und seine Paladine, die nach wie vor ungestraft das badische Land und eine rückgradlose [sic] Pfarrerschaft durcheinander machen, um eines Tages nach Berlin melden zu können, die vox populi verlange endlich die Ausmerzung der kirchenschädigenden Finanzabteilung. Diese Finanzabteilung ficht derweil getreu der ihr gegebenen Weisung auf einsamem Posten, umlauert von Spitzeln, kaum wesentlich unterstützt durch eine verwöhnte, geltungsbedürftige, auf zwei Achseln Wasser tragende Beamtenschaft […] Für mich und meine Mitarbeiter besteht nunmehr der unverrückbare Entschluß, entweder abzutreten, oder aber denjenigen Schutz und diejenigen Befugnisse vom Herrn Reichskirchenminister zu fordern, die allein geeignet sind, eine dauerhafte Ordnung zu begründen. […] Die Frage ist in dieser Stunde einzig die : bekommt die Finanzabteilung den Ehrenschutz, der längst überfällig war? Bekommt sie die Rechtsvollmachten, die ihr 269 Siehe oben 116. 270 Vgl. FA-Vermerk vom 25. 6. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477).

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nicht nur eine Berufung auf ihre Mission, sondern ein Zupacken – insbesondere auch gegenüber der zwiespältigen Beamtenschaft, mit der sie doch arbeiten muß! – ermöglichen? Wird man der Kirchenleitung die Grenzen ihrer Anmaßung fühlbar aufzeigen? Wenn nicht, dann ist unsere weitere Arbeit nur verlorene Zeit, denn triumphieren wird doch der furor theologorum.“271

So hatten sich um die Jahreswende 1940 die Dinge so weit verschärft, dass der Reichskirchenminister an einer Schlichtung in Baden nicht mehr vorbei kam, wenn er nicht ein völliges Auseinanderbrechen der dortigen Verhältnisse riskieren wollte. Die ersten Bemühungen endeten jedoch in einem Fiasko. Zunächst hatte Kerrl für den 15. November 1939 eine Besprechung in Berlin angesetzt, an der Kühlewein und Lang teilnehmen sollten.272 Beide Seiten wollten zwar gerne mit dem Reichskirchenminister das Verhältnis von Kirchenleitung und Finanzabteilung besprechen, aber ohne die konkurrierende Gegenseite.273 Beide sagten deshalb ihre Teilnahme an dem Treffen ab. Kühlewein wollte stattdessen ein Treffen mit Kerrl unter Teilnahme von Marahrens, dem GVRVorsitzenden, um zu „einer grundsätzlichen Aussprache“274 über die 15. Durchführungsverordnung zu kommen.275 Der Reichskirchenminister unternahm kurz darauf einen weiteren Versuch, die Kontrahenten an einen gemeinsamen Tisch zu bringen: Für den 19. Januar 1940 wurde ein neues Treffen anberaumt.276 Es kam wieder zu Komplikationen. Daraufhin wurde erst Kühlewein ausgeladen,277 das Treffen dann komplett abgesagt.278 Das Maß war voll. „Eine Besprechung in Sachen der Finanzabteilung ist bis auf weiteres nicht geplant“279, so ließ der Minister letztlich entnervt Lang mitteilen. Die gegenseitigen Anschuldigungen, die Verweigerung beider Seiten, mit der Gegenseite auch nur in persönlichen Kontakt zu treten – selbst im Beisein des Reichskirchenministers – und das völlige Fehlen auch nur einer zaghaften Verständigungsbereitschaft, ließen es dem Minister aussichtslos erscheinen, sich in die badischen Verhältnisse einzuschalten. Unter diesen Umständen überließ er die unhaltbaren Zustände lieber sich selbst. Die Kontrahenten sollten sich untereinander verständigen

271 Persönliches Schreiben Langs an Stahn vom 11. 11. 1939 (BArch R 5101 / 23780). 272 Die Einladung datiert auf den 9. 11. 1939 (LkAKA GA Nr. 9075). 273 Vgl. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 11. 11. 1939 (BArch R 5101 / 23780); Lang persönlich an Stahn vom 11. 11. 1939 (ebd.). 274 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 11. 11. 1939 (ebd.). 275 Vgl. auch Kühlewein an Marahrens vom 13. 11. 1939 (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 270). 276 Vgl. Einladung vom 2. 1. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 277 Kühlewein hatte angekündigt, Oberkirchenrat Friedrich mitzubringen sowie Landesbischof Marahrens zu der Begegnung einzuladen, vgl. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 6. 1. 1940 (ebd.). 278 Vgl. den Vorgang ebd.; ferner Quellen IV, 271 f. 279 Stahn an Lang vom 27. 1. 1940 (BArch R 5101 / 23780).

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und es unterlassen, ihn mit einer „Vielzahl einzelner Vorgänge von oft nur untergeordneter Bedeutung“280 zu belästigen.281 Die Finanzabteilung konnte nicht verstehen, dass der Reichskirchenminister beide Stellen gleichermaßen zurückwies: „Wir führen unser Amt in Treue zum Herrn Reichskirchenminister, die Herren des Oberkirchenrats aber voll Mißtrauen und Haß gegen ihn. Trotzdem werden wir mit diesen Herren auf eine Stufe gestellt. Das ist für die Mitglieder der Finanzabteilung schmerzlich“282 – so klagte Doerr gegenüber Stahn. Man lege nur deshalb die Ämter nicht nieder, „weil wir unser Amt stets als Nationalsozialisten und aus Verantwortung gegenüber dem Dritten Reich und seinem Führer ausgeübt haben“283. Das Gesprächs-Desaster um die Jahreswende 1939/40 wurde von allen Seiten als Makel empfunden. Daher kamen im Frühjahr 1940 schließlich doch erste Gespräche zustande; meistens fuhr jeweils einer der badischen Kontrahenten nach Berlin.284 Nach den ersten fruchtbringenden Gesprächen dieser Art dachte der Reichskirchenminister sogar bereits daran, Stahn könne „in einiger Zeit die ganze Angelegenheit mit beiden Seiten an Ort und Stelle in Karlsruhe noch einmal durchspreche[n]. Vielleicht“, so seine Hoffnung, „ist doch eine Beilegung der Zwistigkeiten in dem Sinne möglich, daß unter die Vergangenheit ein Strich gemacht wird.“285 Dies wäre sicherlich die Wunschlösung für den Reichskirchenminister gewesen. Eine andere Option war die Aufhebung der Finanzabteilung, die vom Reichskirchenministerium immer wieder ins Gespräch gebracht wurde. Stahn berichtete Doerr, die Auflösung der Finanzabteilung sei „die wiederholt auch von der Partei dem Kirchenministerium gegenüber gewünschte Linie.“286 Die badische Finanzabteilung war mit ihrer Konfliktfreude ein Paradebeispiel dafür, welches FA-Verhalten der Reichskirchenminister nicht mehr sehen wollte.287 Kerrl wünschte 1940 keine Finanzabteilung, die sich in den Verdacht „kirchenpolitischer Parteinahme“ begebe, indem sie versuche, „die Kirche in 280 Reichskirchenminister an EOK und FA-Baden vom 3. 1. 1940 (LkAKA GA Nr. 7264). In jenen Tagen schickte der Reichskirchenminister wiederholt ähnlich lautende abweisende Schreiben, wenn Einzelfragen aus Baden an ihn getragen wurden. 281 Sehr gereizt reagierte Stahn, wenn die „Mißhelligkeiten“ zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung auch noch an die badischen Staatsstellen getragen wurden, „da dies nur zum Nachteil beider Behörden und zum Schaden der Sache selbst gereichen kann.“ Schreiben vom 19. 1. 1940 an Landesbischof und FA-Baden (BArch R 5101 / 23780). Das Reichskirchenministerium wollte tunlichst Einmischungen der regionalen Behörden vermieden sehen. 282 Doerr an Stahn vom 9. 1. 1940 (ebd.). 283 Ebd. 284 So etwa Kühlewein am 14. 3. 1940, vgl. Stahn an Doerr vom 14. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 114); Doerr und Kaeser am 5. / 6. 4. 1940, vgl. Vermerk Stahns vom 10. 4. 1940 (ebd., Bl. 108); Doerr am 11. 6. 1940, vgl. Vermerk Stahns vom 28. 6. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 285 Vermerk Stahns vom 27. 4. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 109). 286 Schreiben vom 14. 3. 1940 (ebd., Bl. 114). 287 Vgl. etwa Stahn an Doerr vom 9. 3. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477).

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ihrer Verkündigung oder kultischen Ausrichtung nationalsozialistisch zu gestalten“288. Stahn hatte für Doerr den Hinweis parat: „Das Kunststück besteht nur darin, in der Ausübung der Verwaltung die richtige Grenze gegenüber den geistlichen Angelegenheiten und typisch kirchlichen Erwägungen zu finden. Das ist Ihnen nach Auffassung des Herrn Ministers, aber auch nach meiner Auffassung bisher nicht ganz gelungen. Wir wollen aber helfen, wenn es gelingt.“289

Auf der anderen Seite ärgerte sich der Minister sehr über die unversöhnliche Haltung der badischen Kirchenleitung,290 ob ihre Beschwerden nun berechtigt waren oder nicht.291 Auch sie verhinderte schließlich jede Befriedung, da Kühlewein „sich zu einer friedlichen Zusammenarbeit mit der Finanzabteilung nicht bereitfinden lassen will.“292 Kerrls Mitarbeiterschaft, etwa der für die badische Entwicklung maßgebende Stahn, votierte für eine Lösung zugunsten der Finanzabteilung. Der Minister war hin und her gerissen. Im Frühjahr 1940 entschied er, die Situation solle zu Lasten der Finanzabteilung bereinigt werden. Diese solle es unterlassen, immer mehr kirchenleitende Funktionen an sich zu ziehen.293 Der Reichskirchenminister, so richtete Stahn Doerr und Kaeser am 5. April 1940 aus, „lege heute Wert darauf, daß die Finanzabteilung ihre Geschäfte im Einvernehmen mit dem Herrn Landesbischof führe, daß sie also vor allen Entscheidungen, die sie treffe, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gebe, und daß sie nicht so entscheide, daß er Anlaß habe, beim Herrn Reichsminister für die kirchl. Angelegenheiten Beschwerde zu führen. Herr Bürgermeister Dr. Lang habe als Vorsitzender der Finanzabteilung die gebotenen Grenzen öfter überschritten; es müsse das nun aufhören, andernfalls die Auflösung der Finanzabteilung erfolgen werde.“294

Der Ministerialdirigent suggerierte der badischen Finanzabteilung, sie stünde kurz vor der Auflösung. Er erörterte sogar bereits Pläne, wie die FA-Mitglieder anschließend in den Staatsdienst wechseln könnten, denn ein weiterer Verbleib im Kirchendienst schien dann ausgeschlossen. Er persönlich bedauere 288 Stahn an Doerr vom 14. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 114). 289 Stahn an Doerr vom 15. 3. 1940 (ebd., Bl. 115). 290 Vgl. die Beschwerdeschreiben Kühleweins vom 10. 3. 1940 und vom 25. 4. 1940 (beide Schreiben in BArch R 5101 / 23780). 291 Vgl. auch Doerr an Bacmeister vom 16. 5. 1940 (LkAKA GA Nr. 7271; Quellen IV, 278). 292 Ebd. Kühlewein schrieb etwa am 10. März 1940 an den Reichskirchenminister, dass es dem Evangelischen Oberkirchenrat „nicht zugemutet werden kann, eine Einstellung gegenüber der Finanzabteilung zu finden, die zur Gewinnung eines sachlichen Einvernehmens bei den einzelnen Entscheidungen Voraussetzung wäre.“ BArch R 5101 / 23780. 293 Vgl. Aktenvermerk Doerrs vom 15. 4. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477); den SD-Bericht des SDAbschnittes Weimar ans Reichssicherheitshauptamt vom 9. 7. 1940 (BArch R 58 / 6019 Teil 1). 294 Aktenvermerk Doerrs vom 15. 4. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477).

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die Entwicklung sehr,295 doch die Parteileitung mache Druck auf den Minister. Auch wenn Stahn Kerrls Auflösungsüberlegungen durchaus ernst nahm, dürfte er bei seinen Szenarien aus taktischen Gründen dramatisiert haben.296 Es ging darum, die Finanzabteilung unter Druck zu setzen. Stahn trat als die Finanzabteilung verteidigender Befürworter auf, der sie vor allen Auflösungsbestrebungen zu bewahren versuche, was ihm aber nur gelingen könne, wenn sie kooperiere. Gegenüber der Kirchenleitung sprach Stahn nie davon, die Finanzabteilung stünde kurz vor der Ablösung. Hier ist eine entgegengesetzte Strategie zu vermuten: Die Kirchenleitung sollte bewegt werden, die Finanzabteilung zu akzeptieren. Eine in Aussicht stehende Auflösung der Finanzabteilung hätte stattdessen die Beschwerden befeuert.297 Es kursierte zwischenzeitlich eine Kompromisslösung. Der Minister wäre bereit gewesen, die Finanzabteilung in Baden aufzulösen, wenn die Kirchenleitung sich mit der Einführung einer Kirchenbeitragsordnung einverstanden erklärt hätte.298 Mit ihr wären sämtliche Staatsleistungen wegfallen und die Haushaltsführung der Landeskirche der staatlichen Aufsichtsbehörde direkt unterstellt worden. Der wegfallenden Finanzabteilung wären also neue staatsaufsichtliche Rechte gefolgt. Finanziell wie auch in Hinblick auf die staatliche Kontrolle war dieses Szenario für die Kirche kaum vorteilhaft.299 Vor diese Alternative gestellt, hatte der badische Landesbischof schnell angedeutet, „daß er gegen das Fortbestehen der Finanzabteilung dann nichts einwenden wolle, wenn diese sich auf ihre Funktionen als Finanzaufsichtsbehörde zurückziehe.“300 Die Einführung von Kirchenbeiträgen erschien der Kirchenleitung noch bedrohlicher als die Finanzabteilung; um diesen Preis wollte sie die Auflösung nicht erreichen.301 295 Stahn schrieb am 15. März 1940 an Doerr persönlich, er „zweifle keinen Augenblick an der engen dogmatischen Einstellung des Oberkirchenrats und deren unheilvoller Auswirkung“, daher sehe er „die Verwaltung sehr gerne in Ihren Händen“ (BArch R 5101 / 23781, Bl. 115). Die „sehr kirchlich eingestellten Herren des Oberkirchenrates“, so brachte Stahn in einem weiteren Schreiben an Doerr vom 14. März 1940 sein Missfallen zum Ausdruck, seien „nicht immer in der Lage […], zu erkennen, wo sie mit nationalsozialistischer Auffassung in Widerspruch geraten.“ Ebd., Bl. 114. 296 Anfang März 1940 schrammte die Finanzabteilung nach Angaben Stahns haarscharf an ihrer Auflösung vorbei, als Kerrl im Affekt des Ärgers über eine Maßnahme der Finanzabteilung, diese am liebsten direkt aufheben wollte, was er nur wegen des Hinweises Stahns unterließ, man dürfe „die Parteigenossen in der Finanzabteilung keinesfalls mit einer solchen Maßnahme überraschen“. Stahn an Doerr vom 9. 3. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 297 Vgl. zu dem taktischen Element bei den Auflösungserwägungen auch oben 121 f. 298 Vgl. Stahn an Doerr vom 14. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 114); Aktenvermerk Doerrs vom 15. 4. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477); Reichssicherheitshauptamt an Führer des SD-Leitabschnittes Karlsruhe vom 31. 7. 1940 (BArch R 58 / 5779, Bl. 181). 299 Vgl. die Entwürfe (BArch R 5101 / 23781, Bl. 116 – 118). 300 Stahn an Doerr persönlich vom 14. 3. 1940 (ebd., Bl. 114). 301 Vgl. Kühlewein an Stahn vom 27. 4. 1940 (BArch R 5101 / 23780). Kühlewein schrieb: „So sehr es der Oberkirchenrat für notwendig erachtet, daß die Finanzabteilung einmal wieder in Wegfall kommt, so kann doch die Aufhebung dieser Finanzabteilung allein nicht als aus-

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Die Vorgänge machten der Finanzabteilung eines klar : Der Reichskirchenminister war bereit, zum rechten Zeitpunkt und unter bestimmten Umständen, auf sie zu verzichten. Andererseits erledigte sich bald die Kirchenbeitragsordnung, da sie Hitlers Direktiven zuwidergelaufen wäre.302 Die Finanzabteilung blieb gewissermaßen auf Abruf erhalten; ein für alle Seiten unbefriedigender Zustand. Doerr war um Schadensbegrenzung bemüht und versuchte seit dem Frühjahr 1940 die FA-Aufgaben möglichst konfliktarm zu erledigen.303 Gleichzeitig konnte er an der bisherigen politisierten FA-Amtsführung nichts Falsches erkennen,304 bat aber dringend um eine Klärung des Parteistandpunktes, denn „schließlich können ja die Finanzabteilungen keine Arbeit tun, die nicht von der Partei her gutgeheißen wird“305. Lang gab sich gegenüber den neuen Direktiven kämpferisch, hatte aber wegen seiner Einberufung kaum noch Gelegenheit, in die Geschäfte einzugreifen: „Die FA Karlsruhe wird auch weiterhin nach den Gesichtspunkten arbeiten, die ihr s. Zt. als die den Interessen des nationalsozialistischen Staates entsprechenden bezeichnet wurden und die wir als solche heute noch erkennen. Ohne unnötige oder kleinliche Konflikte zu suchen, werden wir den Widersachern des heutigen Staates, soweit sie uns im Bereich der bad. Kirche gegenübertreten, Schach gebieten mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln.“306

Am 4. / 5. Oktober 1940 kamen Ministerialdirigent Stahn und Amtsgerichtsrat Dieckmann nach Karlsruhe, „um durch persönliche Besprechungen eine Besserung des Verhältnisses zwischen dem Oberkirchenrat und der Finanzabteilung zu erreichen und verschieden vorliegende Beschwerdefälle zu erledigen.“307 Es sollte allen Beteiligten klar gemacht werden, dass eine Änderung des bestehenden Zustandes nicht zu erwarten sei und daher ein Arrangement gefunden werden müsse. Zu den Gesprächen finden sich Vermerke aller Beteiligten – Reichskirchenministerium,308 Finanzabteilung,309 Evangelischer

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schlaggebender Faktor bei den Erwägungen, die hinsichtlich der Einführung einer Kirchenbeitragsordnung anzustellen sind, ins Gewicht fallen.“ Vgl. auch Kühlewein an Reichskirchenminister vom 25. 4. 1940 (ebd.); FA-Baden an Landesbischof vom 22. 4. 1940 (ebd.; Quellen IV, 276); Landesbischof an FA-Baden vom 23. 4. 1940 (BArch R 5101 / 23780). Vgl. Vermerk Stahns und Dieckmanns vom 9. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 205 – 219, hier Bl. 205). Vgl. Doerr an Bacmeister vom 16. 5. 1940 (LkAKA GA Nr. 7271; Quellen IV, 278); Bacmeister an Doerr vom 27. 5. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). Er meinte, die Finanzabteilung habe sich „rücksichtslos dafür eingesetzt, daß die Autorität des Staates geachtet werde, und hat bisher immer zugegriffen, wann und wo Pfarrer und kirchliche Körperschaften sich gegen die Autorität des Staates wandten.“ Doerr an Reichskirchenminister vom 8. 5. 1940 (BArch R 5101 / 23780). Doerr an Bacmeister vom 16. 5. 1940 (LkAKA GA Nr. 7271; Quellen IV, 278). Lang an Stahn vom 10. 5. 1940 (BArch R 5101 / 23780). Vermerk Stahns und Dieckmanns vom 9. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 205 – 219, hier Bl. 205). Ebd.

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Oberkirchenrat310 –, so dass sich ein guter Eindruck von den Verhandlungen gewinnen lässt. Gemeinsame Besprechungen von Finanzabteilung und Oberkirchenrat erwiesen sich weiterhin als nicht möglich. Daher führten Stahn und Dieckmann jeweils abwechselnd mehrere Gespräche mit Finanzabteilung und Oberkirchenrat – eifersüchtig wachten die Kontrahenten darüber, dass keine Seite irgendwie von den Vertretern des Reichskirchenministeriums bevorzugt würde. Die Kirchenleitung hatte sich eine grundlegende Neuordnung des Verhältnisses von Kirchenleitung und Finanzabteilung erhofft; sie hatte sogar schon entsprechende Vorschläge ausgearbeitet. Die Finanzabteilung sollte auf die Überwachung einer EOK-Vermögensverwaltung beschränkt werden.311 Diese Vorstellungen deckten sich zum Teil mit Stahns Überlegungen. Im Vorfeld der Verhandlungen hatte er erwogen, die Bearbeitung der Vermögensverwaltung wieder in die Hände des Evangelischen Oberkirchenrates zu legen – ähnlich der Regelung für Hannover.312 Doch die Verhältnisse in Baden ließen Stahn während der Gespräche von seiner Idee abrücken. Dieckmann war schon im Juni 1940 zu der Einschätzung gekommen, die Probleme in Baden wären „weniger durch eine mangelnde Abgrenzung der Zuständigkeiten hervorgerufen313 […], sondern durch die Art, wie die Finanzabteilung ihre Befugnisse wahrnimmt.“314 Letztlich wurden in den Konsultationen und einem folgenden Erlass315 daher nur Einzelfragen geklärt und die Finanzabteilung in einigen Belangen stärker begrenzt. Behandelt wurden etwa einige besonders umstrittene Konfliktpunkte: die Personalzuständigkeiten,316 die Bevollmächtigten,317 die Pläne der Finanzabteilung zur Einsparung von Pfarrund Vikariatsstellen,318 die Unterstützung der Deutschen Christen seitens der Finanzabteilung,319 die angebliche Aufblähung des FA-Verwaltungsappara-

309 FA-Vermerk vom 7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 310 Vermerk Friedrichs (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 281 f.); vgl. auch die Nachlese: EOK an Reichskirchenminister vom 27. 1. 1941 (LkAKA GA Nr. 7270). 311 Vgl. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 7. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 80 – 84; Quellen IV, 282 – 284); außerdem eine Ausarbeitung der anvisierten Richtlinien in LkAKA GA Nr. 9075. 312 Vgl. auch Dieckmann an Cölle vom 24. 5. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 313 Die Bekanntmachung der Finanzabteilung vom 15. August 1938 (GVBl., 1938, 93) wurde als ausreichende Regelung der Zuständigkeiten angesehen, nach der weiter verfahren werden könne. Vgl. Dieckmann an Cölle vom 7. 6. 1940 (BArch R 5101 / 23228, Bl. 413). 314 Vermerk Dieckmanns zur Unterredung mit Doerr am 11. 6. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 315 Erlass vom 14. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 76 – 79; Quellen IV, 284 – 286). 316 Siehe unten 472 – 483. 317 Siehe unten 490 – 502. 318 Vgl. dazu insbesondere FA-Baden an Reichskirchenminister vom 8. 5. 1940 (BArch R 5101 / 23780); Kühlewein an Reichskirchenminister vom 25. 5. 1940 (ebd.); Kühlewein an Reichskirchenminister vom 10. 3. 1940 (ebd.); EOK an Reichskirchenminister vom 27. 1. 1941 (LkAKA GA Nr. 7270). 319 Siehe unten 484 – 489.

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tes320 und, damit einhergehend, insgesamt die Frage der Haushaltsführung der Finanzabteilung. Die Kirchenleitung warf der Finanzabteilung nämlich vor, bei geistlich-kirchlichen Aufgaben, dem „Zentrum des kirchlichen Lebens“321, zu sparen, die Verwaltung jedoch auszubauen. Konnte die Kirchenleitung in den Einzelfragen durchaus Erfolge erzielen, so bestätigte Stahn bei den Gesprächen im Oktober 1940 ausdrücklich den grundsätzlichen status quo: Die Finanzabteilung sollte die Vermögensverwaltung weiterhin selbst und getrennt von der geistlichen Leitung führen.322 Von einer möglichen FA-Auflösung war nach dem Intermezzo im Frühjahr nicht mehr die Rede.323 Auch nach bald zweieinhalb Jahren heftigster Kämpfe in der Landeskirche wurde Wesentliches nicht geändert, das Reichskirchenministerium blieb bei seiner Beobachterrolle. Stahn zog die etwas resignierte Bilanz, die atmosphärischen Störungen in Baden seien nicht mehr zu beheben; „die starken menschlichen Gegensätze“324 seien einem sachlichen Wirken leider sehr hinderlich. Den Landesbischof beschwichtigte Stahn: „Die Verwaltung der äußeren Angelegenheiten ist bei der Finanzabteilung Karlsruhe – mögen auch einige Fehler vorgekommen sein – doch in den Händen von Männern, die ihr Fach verstehen und guten Willens sind. Von einer ,kirchenzerstörenden Tätigkeit‘ dieser Finanzabteilung kann jedenfalls nach unseren Eindrücken wirklich nicht gesprochen werden.“325

3.5. Struktur und Entwicklung der Finanzabteilung 3.5.1. Die Organisation der Finanzabteilung und das Problem ständiger Personalknappheit Unterdessen hatte die Finanzabteilung ihre Verwaltungsabläufe in der Kirchenverwaltung etabliert; es hatte sich eine getrennte Aktenführung von Finanzabteilung und Oberkirchenrat herausgebildet, zwei Registraturen waren entstanden.326 Für das Reichskirchenministerium wurde mit dem Maß der Separierung eine grundsätzliche Umstrukturierung unattraktiv, denn die 320 Siehe unten 455. 321 EOK an FA-Baden vom 22. 2. 1940 (LkAKA GA Nr. 4899). 322 Doerr konnte Landesbischof Walther Schultz am 22. Oktober 1940 von den Besprechungen berichten: „Im großen ganzen ist die Stellung der Finanzabteilung gehalten worden“ (LkAKA 2.0. Nr. 3396). 323 Vgl. FA-Vermerk vom 7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 324 Stahn an Kühlewein vom 18. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 9075). 325 Ebd. 326 Dies war für den Oberkirchenrat insofern günstig, als er nun wieder selbst Anweisungen für die Behandlung seiner Post treffen konnte, vgl. Friedrich an Registratur vom 30. 1. 1940 (LkAKA GA Nr. 8045).

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Verwaltungsarbeit wieder in die Hände des Evangelischen Oberkirchenrates zu legen, hätte neue Abstimmungsschwierigkeiten bedeutet.327 Die Verwaltung war allerdings auch nicht, wie die Kirchenleitung beklagte,328 besonders ausgebaut worden. Zwar stiegen die Personalkosten unter FA-Verantwortung, dies war aber im Wesentlichen auf von ihr nicht zu beeinflussende oder sachlich notwendige Faktoren zurückzuführen.329 Die badische Finanzabteilung stellte kaum neue Hilfsarbeiter für ihre Sachbearbeitung ein – also das, was man als originären FA-Personalbestand bezeichnen könnte –, sondern beanspruchte hierfür weiterhin das EOK-Personal. Dieses wurde aufgrund der gewachsenen Verwaltungsaufgaben auch etwas aufgestockt. Ein echter finanzieller Mehraufwand ergab sich lediglich wegen der FA-Mitglieder – diese erhielten Vergütungen, Aufwandsentschädigungen und ähnliches.330 Das eigentliche Problem aber war eher die Prioritätensetzung der Finanzabteilung. In der Verwaltung wurde nämlich, anders als bei der geistlichen Versorgung, kein erkennbarer Sparkurs eingeleitet. Noch in der Kriegszeit nahm die Finanzabteilung etwa eine Umstrukturierung der Räumlichkeiten des EOKDienstgebäudes in der Blumenstraße vor. Das war zwar sachlich notwendig, allerdings disponierte sie dabei nicht nur im Alleingang die Räumlichkeiten um, sondern baute diese teilweise auch noch opulent aus (etwa das Dienstzimmer des FA-Vorsitzenden) und verursachte damit hohe Kosten.331 Die eigentliche Leitung der Finanzabteilung hatte sich schon vor Kriegsausbruch zunehmend auf den stellvertretenden FA-Vorsitzenden Doerr verlagert, denn Lang hatte diese Funktion in vollem Umfang nur in den ersten Wochen seiner Amtstätigkeit ausüben können. Seinerzeit war es ihm als Bürgermeister von Mosbach, einer damals überschaubaren Ortschaft im Odenwald, noch möglich gewesen, an zwei bis drei Tagen in der Woche in der Finanzabteilung tätig zu sein. Bald wechselte er als Bürgermeister ins wesentlich größere Bruchsal; sein neues Amt ließ das zeitaufwendige FA-Engagement nicht mehr zu. Lang konnte nur noch durchschnittlich einen Tag in der Woche erübrigen. Er kam im Wesentlichen nur noch zu den FA-Sitzungen

327 Vgl. Vermerk Stahns und Dieckmanns vom 9. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 205 – 219). 328 Vgl. etwa Kühlewein an Reichskirchenminister vom 10. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23780); Kühlewein an FA-Baden vom 20. 5. 1940 (ebd.). 329 Beispielsweise auf die Einführung einer neuen Tarifordnung, automatische Erhöhungen von Zulagen oder kriegsbedingt notwendige Vertretungen. 330 Im Voranschlag für das Rechnungsjahr 1939 waren dafür immerhin 20 000 RM vorgesehen (GVBl., 1939, 64). Seitz und Guttenberg, die wegen ihrer FA-Tätigkeit von ihren Wohnorten nach Karlsruhe pendeln mussten, erhielten etwa Entschädigungen hierfür. Vgl. Lang an Reichskirchenminister vom 14. 6. 1939 (BArch R 5101 / 23780). 331 Der Evangelische Oberkirchenrat wollte allerdings nicht nachstehen und verlangte ebenfalls die Herrichtung einiger Zimmer und die Neuanschaffung von Möbelstücken. Vgl. zu der Angelegenheit diverse Schreiben aus dem April und Mai 1940 in BArch R 5101 / 23780; außerdem Vermerk Stahns vom 28. 6. 1940 (ebd.); Vermerk Stahns und Dieckmanns vom 9. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 205 – 219); die Unterlagen ebd., Bl. 447 – 453.

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nach Karlsruhe.332 Mit Kriegsbeginn kam Langs FA-Tätigkeit so gut wie zum Erliegen. Nach einer kurzzeitigen Einberufung in der Zeit um den Kriegsausbruch stand Lang seit Dezember 1939 endgültig im Kriegsdienst.333 De facto fungierte fortan Doerr, der das operative Geschäft seit jeher geführt hatte, als Vorsitzender der Finanzabteilung. Diese Statusänderung wurde am 7. Januar 1941 offiziell vollzogen, Doerr zum FA-Vorsitzenden gemacht.334 Lang hatte zuvor um seine Amtsentbindung gebeten, da er durch seine neue Verpflichtung als Stadtkommissar im Elsass keine Gelegenheit für die Ausübung des Amtes mehr haben würde.335 Ein Stellvertreter für Doerr wurde vom Reichskirchenminister nicht bestellt, diese Funktion übte in der Folge jedoch Oberfinanzrat Guttenberg aus. Langs Ausscheiden hatte kaum arbeitstechnische Auswirkungen, weil er ohnehin nie Sachbearbeiterfunktionen übernommen hatte.336 Doch nicht nur Lang war einberufen worden. Gravierender für die Sachbearbeitung war, dass Oberfinanzrat Seitz Ende August 1939 und Finanzrat Kaeser im Juni 1940 von der Wehrmacht eingezogen wurden.337 Seit dieser Zeit waren an hauptamtlichen FA-Mitgliedern nur noch Doerr und Guttenberg verfügbar.338 Doerr sah angesichts des schwindenden Personalstands „eine erhebliche Störung in der Abwicklung der Dienstgeschäfte“339 heraufziehen. Doch verschiedene Versuche, für Kaeser Arbeitsurlaub zu erwirken, scheiterten an der Wehrmacht.340 Auch der Antrag, Seitz aus dem Wehrmachtsdienst zu entlassen, scheiterte.341 Stattdessen verschärfte sich die Personalsituation zusätzlich, weil Oberkirchenrat Doerr seit Ende 1940 immer wieder aus gesundheitlichen Gründen ausfiel, teilweise für längere Zeiträume von mehreren Monaten. In diesen Zeiten stand der Finanzabteilung allein Guttenberg zur Verfügung – und über diesem schwebte permanent das Damoklesschwert einer möglichen Einberufung in die Wehrmacht, denn Guttenberg war Hauptmann der Reserve. Eine dringend von der Finanzabteilung gewünschte Uk-Stellung Guttenbergs wurde von der Wehrmacht stets abgelehnt,342 immerhin wurde er jedoch nicht einberufen. Versuche, die Arbeitssituation durch die Einstellung geeigneter Hilfskräfte zu entspannen, gestalteten sich aufgrund der kriegsbedingten Personalknappheit oder individueller 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342

Vgl. FA-Baden an Reichskirchenminister vom 8. 5. 1940 (BArch R 5101 / 23780). Vgl. Doerr an Kerrl vom 8. 12. 1939 (ebd.). Die Bekanntmachung findet sich im GVBl., 1941, 16. Vgl. Lang an Reichskirchenminister vom 20. 12. 1940 (BArch R 5101 / 23782). Vgl. Lang an Reichskirchenminister vom 10. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 298). Vgl. Doerr an DEKK vom 11. 9. 1939 (BArch R 5101 / 23780); Doerr an Reichskirchenminister vom 3. 7. 1940 (BArch R 5101 / 23782). Vgl. den Geschäftsverteilungsplan aus dieser Zeit (LkAKA GA Nr. 7073). FA-Baden an Wehrbezirkskommando Heidelberg vom 13. 4. 1940 (LkAKA 2.0. Nr. 6420). So etwa im Oktober 1940 und um die Jahreswenden 1940/41 sowie 1941/42. Vgl. die Unterlagen in BArch R 5101 / 23782; und in LkAKA 2.0. Nr. 5393 Bd. II. Vgl. den Vorgang aus dem Frühjahr 1940 (LkAKA 2.0. Nr. 6420). Vgl. die Unterlagen in LkAKA 2.0. Nr. 3415.

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Hinderungsgründe schwierig.343 So wurden immer wieder einfache, vom Evangelischen Oberkirchenrat herangezogene Mitarbeiter ermächtigt, bestimmte FA-Beschlüsse auftragsweise abschließend zu zeichnen.344 Anfang 1939 hatte die Finanzabteilung allerdings einen eigenen theologischen Sachverständigen engagiert. Sie tat dies, um bei geistlichen Angelegenheiten mit finanziellen Auswirkungen nicht von den Beurteilungen der Kirchenbehörde abhängig zu sein. Solche Fälle ergaben sich etwa im Stipendienwesen oder bei der Beurteilung, welche Pfarrstellen im Zuge von Sparmaßnahmen aufgehoben werden könnten. Als theologischen Sachverständigen wählte die Finanzabteilung den früheren Oberkirchenrat Ernst Julius Schulz. Dieser galt als ausgewiesener kirchenpolitischer Gegner des Landesbischofs und war ein guter Bekannter Langs und Doerrs. Für die Kirchenleitung war die ganze Situation ein Affront erster Güte, denn die Finanzabteilung beweise damit, so der Vorwurf, „dass sie auch geistliche Leitung der Kirche erstrebe.“345 Das Reichskirchenministerium war über die Maßnahme alles andere als begeistert; es hatte immer den Grundsatz ausgegeben, in einer Finanzabteilung sollten keine Geistlichen beschäftigt werden. Stahn bezeichnete die Beschäftigung von Schulz sogar als „finstere Angelegenheit“346. Dennoch durfte der theologische Berater bleiben.347 Er kam im Durchschnitt zweimal in der Woche nach Karlsruhe, um seinen Dienst zu verrichten und nahm auch an den FA-Beratungen teil.348 Organisatorisch war die Finanzabteilung in der Kriegszeit weiterhin in vier Abteilungen untergliedert.349 Zur Finanzabteilung gehörten außerdem das Rechnungsprüfungsamt, die FA-Registratur, die Expeditur und Kanzlei, die Bauabteilung und die Landeskirchenkasse nebst Kirchensteuerstelle. Die Finanzabteilung war ein breit aufgestelltes, personalreiches Gebilde geworden. Nach eigenen Angaben verfügte sie im Dezember 1943 über 61 Beamte und 136 Angestellte, während der Evangelische Oberkirchenrat, nicht eingerechnet die Oberkirchenräte und der Landesbischof, auf fünf Beamte und fünf Angestellte zurückgreifen konnte.350 343 344 345 346 347

Vgl. einen exemplarischen Vorgang in BArch R 5101 / 23782. Vgl. entsprechende Anordnungen (LkAKA GA Nr. 7073). Vermerk Friedrichs zu einer Besprechung am 4. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 9075). FA-Vermerk vom 7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). Das Ministerium segnete die Beiziehung des theologischen Beraters im Juli 1939 mündlich durch Albrecht ab. Vgl. Doerr an Reichskirchenminister vom 8. 5. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 348 Vgl. zu der Angelegenheit: Lang an Reichskirchenminister vom 16. 1. 1939 und vom 4. 7. 1939 (ebd.); Kühlewein an Reichskirchenminister vom 18. 2. 1939 (ebd.); Stahn an FA-Baden vom 17. 2. 1939 (ebd.); Bender an Reichskirchenminister vom 15. 7. 1939 (LkAKA GA Nr. 8083); FA-Vermerk vom 7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477); Vermerk Stahns und Dieckmanns vom 9. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 205 – 219). 349 Siehe oben 422. Vgl. zum Folgenden den FA-Geschäftsverteilungsplan aus dem Jahre 1941 oder 1942 (LkAKA GA Nr. 7073). 350 Vgl. Engelhardt an Präsident des Gauarbeitsamtes Straßburg vom 2. 12. 1943 (LkAKA GA

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3.5.2. Die überforderte Finanzabteilung unter Emil Doerr 1941 – 1943 Die Personalsituation auf FA-Referentenebene war so verheerend, dass nicht alle Arbeiten in der gewünschten Frist oder überhaupt erledigt werden konnten, selbst wenn Guttenberg und Doerr voll einsatzbereit waren. Ein Haushaltsplan etwa kam ab 1941 gar nicht mehr zustande.351 Die erschwerten Arbeitsbedingungen minderten aber nicht entscheidend die Wirksamkeit der Finanzabteilung. Sie fokussierte sich bei ihrer Tätigkeit nun auf diejenigen Bereiche, die ihr besonders wichtig erschienen – der Rest musste eben warten. Für sie hatte es Priorität, ihre Zuständigkeiten gegen den Evangelischen Oberkirchenrat zu behaupten, außerdem hatten Angelegenheiten Vorrang, die staats- oder kirchenpolitisch relevant waren – selbst wenn sie im Einzelnen dann nur von untergeordneter Bedeutung waren. Doerr versuchte sogar, trotz der Arbeitsüberlastung, weitere grundsätzliche Kompetenzen an die Finanzabteilung zu ziehen. 1941 wollte er die Vermögensverwaltung der Inneren Mission in Baden übernehmen: Sowohl der Gesamtverband der Inneren Mission wie auch die einzelnen Anstalten und Einrichtungen auf Gemeindeebene verwalteten ihre Angelegenheiten bisher unabhängig von der badischen Landeskirche. Sie erhielten aber oft aus kirchlichen Mitteln nicht unerhebliche Unterstützungen; auch personell waren Innere Mission und Landeskirche eng verbunden. Aufgrund dieser „organische[n] Verbindung“ wollte Doerr die „nach aussen hin selbständigen örtlichen Einrichtungen der Inneren Mission“ den kirchlichen Verbänden gleichstellen und mit der Finanzabteilung „die sachgemässe Dienstaufsicht“352 übernehmen. Dafür benötigte er das Placet des Reichskirchenministers. Dieser jedoch beschied am 17. Juli 1941, nach Rücksprache mit der Kirchenkanzlei: „Eine Ausdehnung der Zuständigkeiten der Finanzabteilungen auf die Anstalten der Inneren Mission ist zur Zeit nicht beabsichtigt.“353 Ohne Unterstützung aus Berlin musste Doerr die Sache zurückstellen.354 Ein späterer

351 352 353

354

Nr. 7206). Der Evangelische Oberkirchenrat ging davon aus, dass die Finanzabteilung lediglich insgesamt 152 Beamte und Angestellte herangezogen habe, vgl. EOK an FA-Baden vom 8. 12. 1943 (ebd.). Vgl. ansonsten FA-Baden an EOK vom 18. 1. 1943 (ebd.); die Übersicht bei Kissener, Landeskirche, 19; den FA-Geschäftsverteilungsplan in LkAKA GA Nr. 7073. Vgl. Darstellung Friedrichs vom 23. 5. 1945 (LkAKA GA Nr. 8120; Quellen VI, hier 172 f.); EOK an Reichskirchenminister vom 11. 1. 1943 (BArch R 5101 / 23782). Doerr an Reichskirchenminister vom 21. 3. 1941 (LkAKA GA Nr. 7341; Quellen V, 140 – 143). Reichskirchenminister an FA-Baden vom 17. 7. 1941 (BArch R 5101 / 23782). Bei dem in Quellen V, 148 f., abgedruckten Schreiben, das fälschlich als das Schreiben des Reichskirchenministers deklariert wird, handelt es sich tatsächlich um das Schreiben der DEKKirchenkanzlei vom 10. Juli 1941, das dem Schreiben des Reichskirchenministers undatiert und ohne Kennzeichnung der Herkunft beilag. Siehe die Schreiben in BArch R 5101 / 23782. Vgl. zum ganzen Vorgang: BArch R 5101 / 23782; Quellen V, 102 f., 140 – 147; Bookhagen, Menschenführungsaufgabe, 152 – 155; Zeilfelder-Lçffler, Innere Mission, bes. 111; Erbacher, Innere Mission, 115 – 117.

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Versuch Doerrs, 1942, Cölle als FA-Zentralstellenleiter für seine Pläne zu gewinnen, scheiterte ebenfalls.355 Die Verhandlungen im Oktober 1940 hatten die Lage in Baden nur zwischenzeitlich etwas beruhigt. Bereits im Frühjahr 1941 verschlechterte sich das Verhältnis von Oberkirchenrat und Finanzabteilung wieder.356 Der FAVorsitzende Doerr beklagte, die Kirchenleitung versuche, „die Finanzabteilung an die Wand zu drücken, bezw. über sie zur Tagesordnung überzugehen […] und benützt jede Gelegenheit, ausfällig zu werden und Streit heraufzubeschwören.“357 Auch Oberkirchenrat Friedrich bemerkte im Mai 1941 eine Verschlechterung der Beziehungen.358 Es wirkte sich ungünstig aus, dass der FA-Vorsitz auf Doerr übergegangen war, denn gegen ihn bestanden schärfste persönliche Vorbehalte. Es fiel der Kirchenleitung schwer, die Finanzabteilung als eigenständige Behörde anzuerkennen, wenn an ihrer Spitze ein EOK-Beamter stand.359 Das Reichskirchenministerium bemühte sich in den Konflikten um eine paritätische, ausgleichende Position, ohne eine Seite in seinen Einzelentscheidungen zu bevorzugen. Eine Auflösung der Finanzabteilung, obgleich vom Evangelischen Oberkirchenrat oft gefordert, stand nicht mehr zur Diskussion, wurde aber von Doerr nach wie vor befürchtet.360 Er mutmaßte, im Reichskirchenministerium seien Kräfte am Werk, die sich bemühten, „aus der Finanzabteilung eine rein kirchliche Dienststelle zu machen.“361 Angesichts der unbefriedigenden Situation zog sich Doerr etwas zurück und vermied nach Möglichkeit Reibereien, denn eine Unterstützung seitens des Ministeriums erwartete er ohnehin nicht mehr.362

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1942 wurde allerdings die „Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche in Baden“, die bis dahin als eingetragener Verein firmierte, in die Landeskirche eingegliedert. Diese Eingliederung war indes nicht nur von der Finanzabteilung vorangetrieben worden, die auf diese Weise die Vermögensverwaltung beaufsichtigen konnte, sondern auch vom Evangelischen Oberkirchenrat. Vgl. Lauterer, Frauen, 198 f. Vgl. Doerr an Cölle vom 20. 7. 1942 (LkAKA GA Nr. 7341; Quellen V, 148); Cölle an Doerr vom 26. 10. 1942 (LkAKA GA Nr. 7341; Quellen V, 149 f.). Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 29. 5. 1941 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 455). Doerr an Cölle vom 20. 2. 1942 (LkAW FinAbt 155). Vgl. auch Doerr an Cölle vom 16. 4. 1941 (LkAKA GA Nr. 7271). Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 29. 5. 1941 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 455). Vgl. Doerr an Cölle vom 20. 2. 1942 (LkAW FinAbt 155). Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 29. 5. 1941 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 455). Doerr an Cölle vom 20. 2. 1942 (LkAW FinAbt 155). Vgl. ebd.

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3.5.3. Die Finanzabteilung unter Leopold Engelhardt 1943 – 1945: Neuer Schwung und alte Kämpfe Anfang 1943 hatten sich in Baden wieder diverse Beschwerden und Unstimmigkeiten aufgestaut.363 Deshalb sollten die „in Karlsruhe derzeit entstandenen Schwierigkeiten“, so das Reichskirchenministerium, „durch mündliche Verhandlungen […] bereinigt werden.“364 Vom 3. bis 5. Februar 1943 führten Landgerichtsrat Haugg und FA-Multifunktionär Cölle vor Ort verschiedene Besprechungen. Am 3. Februar traf Haugg mit Repräsentanten verschiedener badischer Staatsstellen zusammen, ferner mit DC-Landesleiter Kiefer ; am 4. und 5. Februar fanden die Gespräche mit Oberkirchenrat und Finanzabteilung statt.365 Haugg setzte sich gegen die Bedenken Doerrs366 durch und beraumte erstmalig gemeinsame Besprechungen an, statt nacheinander mit den verschiedenen Parteien zu verhandeln. Er hatte andernorts gute Erfahrungen damit gemacht. Nach den Gesprächen hielt Haugg fest: „Überraschenderweise wurde ähnlich wie seinerzeit in Hannover zu allen Streitfällen zwischen Finanzabteilung und Oberkirchenrat eine Art Einigung oder doch sonst ein positives Ergebnis erzielt. […] Zunächst zeigte das Verhältnis zwischen Oberkirchenrat und Finanzabteilung in Karlsruhe eine absolute Verkrampfung. Die einzelnen Herren beider Dienststellen grüßten sich größtenteils überhaupt nicht mehr. Ein mündlicher oder telefonischer Verkehr zwischen beiden Dienststellen findet seit langem überhaupt nicht mehr statt, obwohl beide Teile im gleichen Hause sitzen. Grundsätzlich wird wegen jeder Einzelsache, gleichviel ob es sich um Bagatellsachen handelt oder um maßgeblichste Vorgänge von weittragender Bedeutung, geschrieben.“367

Haugg appellierte an die Beteiligten, zukünftig den persönlichen und schriftlichen Verkehr „in angemessener und konzilianter Form“ zu pflegen – und zweifellos, so meinte er, habe auch bereits während der Besprechungen „eine gewisse Auflockerung stattgefunden.“ „Dem Ministerium“, so betonte Haugg in Karlsruhe, „sei an einer wenigstens einigermaßen reibungslosen Zusammenarbeit beider Dienststellen gelegen und eine solche sei auch möglich, wenn wirklich sachlich an die Gegenstände selbst herangegangen werde.“ Seit Jahren schon war dies die Forderung des Reichskirchenministeriums. Haugg hatte den Eindruck, dass beide Seiten das Eingreifen des Reichskirchenministeriums „doch irgendwie dankbar empfunden haben 363 Vgl. etwa Kühlewein an Reichskirchenminister vom 11. 1. 1943 und vom 28. 1. 1943 (BArch R 5101 / 23782); Doerr an Reichskirchenminister vom 29. 1. 1943 (ebd.). 364 Vermerk Hauggs vom 22. 1. 1943 (ebd.). 365 Vgl. zu den Besprechungen den Reisebericht Hauggs (ebd.); ansonsten die Notizen Kühleweins zu den Besprechungen (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 287 – 289). 366 Vgl. Doerr an Reichskirchenminister vom 29. 1. 1943 (BArch R 5101 / 23782). 367 Reisebericht Hauggs (ebd.), daraus auch die folgenden Zitate.

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[…], und daß beide Teile irgendwie erleichtert seien, daß nun erst einmal für einige Zeit sämtlicher, seit langem angesammelter Streitstoff bereinigt wäre.“ Landesbischof Kühlewein war mit den Ergebnissen der Verhandlungen ebenso zufrieden. Er notierte: „Im großen u[nd] ganzen haben wir auf der ganzen Linie gesiegt und im einzelnen erreicht, was wir wollten.“368 Aus den Gesprächen mit den badischen Staatsstellen berichtete Haugg, „daß sowohl das Badensche Ministerium für Unterricht und Kultus wie auch der Reichsstatthalter in Baden sich um die Angelegenheiten der Evangelischen Kirche offensichtlich nicht allzusehr bekümmern. Man sieht dies alles dort etwas allzusehr als eine innerkirchliche Angelegenheit an, die die Kirche unter sich ausmachen müsse. Dabei wird dann auch die Stellung der Finanzabteilung, die doch als staatliche Dienststelle zur Beaufsichtigung der Kirche eingesetzt ist, naturgemäß nicht richtig gesehen. Finanzabteilungen werden dort als in die staatskirchenrechtliche Entwicklung der Zeit nicht mehr recht passend angesehen.“369

Die Finanzabteilung hatte bei den badischen Staatsstellen daher einen schweren Stand. Der badische Kultusminister etwa machte kaum einen Unterschied zwischen der Finanzabteilung und der vormaligen rein landeskirchlichen Vermögensverwaltung: Im Wesentlichen, so teilte er im November 1944 dem Reichsstatthalter mit, seien nur „einer Abteilung des Evang. Oberkirchenrats weitere Aufgaben mit staatlichen Vollmachten übertragen.“370 Es wäre dem FA-Vorsitzenden daher „vor längerer Zeit vertraulich zur Kenntnis gebracht worden […], daß in der Finanzabteilung keine staatliche, sondern eine kirchliche Einrichtung zu erblicken sei, welche lediglich gewisse staatliche Vollmachten übertragen bekommen hätte; die Finanzabteilung dürfe daher nach aussen hin keineswegs als staatliche Stelle in Erscheinung treten.“371

Schon im Frühjahr 1940 war auch der Evangelische Oberkirchenrat zum Leidwesen der Finanzabteilung wieder ein anerkannter Ansprechpartner für die badischen Staatsstellen geworden. Die anderslautende Anordnung aus dem Jahre 1938 war revidiert worden.372 Die Finanzabteilung musste so in 368 369 370 371 372

Notizen Kühleweins zu den Besprechungen (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 288 f.). Reisebericht Hauggs (BArch R 5101 / 23782). Schreiben vom 30. 11. 1944 (GLAK 235 / 12869). Ebd. Vgl. Reichskirchenminister an badische Staatskanzlei vom 9. 5. 1940 (GLAK 233 / 27784). Eine Aufstellung Erbachers, Landeskirche, 48, über die Posteingänge von Finanzabteilung und Oberkirchenrat zeigt, dass ab 1940 der Verkehr, hier des badischen Kultusministers mit dem Oberkirchenrat, wieder regelmäßiger geworden ist; doch auch zuvor war der Verkehr nie ganz abgebrochen. Dass nach der genannten Aufstellung staatliche Stellen wie Gestapo oder auch die NSDAP-Parteistellen vor allem mit der Finanzabteilung kommunizierten, ergibt sich nicht etwa daraus, dass die Finanzabteilung erfolgreich den Geschäftsverkehr des Evangelischen Oberkirchenrats mit diesen Stellen unterbunden hätte, sondern vor allem daraus, dass die Finanzabteilung diese Stellen initiativ mit Anfragen bedachte, so dass diese zur Antwort

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Baden immer wieder darum kämpfen, als staatliche Dienststelle, die „eine wirtschaftliche und eine politische Aufgabe“373 zu erfüllen habe, anerkannt zu werden. Häufig gelang dies nicht.374 Es bedurfte beispielsweise erst der Intervention des Reichskirchenministeriums und des zähen Insistierens der Finanzabteilung, bis die badischen Wehrmachtsdienststellen bereit waren, die Finanzabteilung soweit anzuerkennen, dass sie selbst Uk-Anträge einreichen durfte.375 Andere Finanzabteilungen hatten solche Probleme nicht. Haugg konnte bei seinen Gesprächen in Karlsruhe Anfang Februar 1943 mit Kultusministerium und Reichsstatthalter immerhin die Zusage erreichen, dass keine weiteren Vorstöße gegen die Finanzabteilung unternommen würden.376 Unterdessen hatte Oberkirchenrat Doerr den Reichskirchenminister im Oktober 1942 gebeten, ihn wegen seines Gesundheitszustandes und der permanenten Arbeitsüberlastung von dem FA-Vorsitz zu entbinden.377 Als FAMitglied ohne Leitungsaufgaben wollte er sich stärker seinen Sachbearbeiterobliegenheiten widmen. Er wünschte sich als Nachfolger einen kirchenfremden FA-Vorsitzenden. Ein solcher könne leichter als er den gebührenden Respekt von der Kirchenleitung erlangen: „Wenn der Leiter der Finanzabteilung außerdem zu den Parteistellen in Karlsruhe die besten Beziehungen hat, wird er der Kirchenbehörde gegenüber umso bestimmter auftreten und sich durchsetzen können.“378 Er schlug als seinen Nachfolger Dr. med. Leopold Engelhardt vor, der „großes Interesse an der Gestaltung der kirchlichen Dinge“ habe und bereit sei, „sich mit den Angelegenheiten der kirchlichen Vermögensverwaltung vertraut zu machen.“379 Engelhardt war auch Cölle bereits vorgestellt worden und hatte auf ihn „einen recht günstigen Eindruck gemacht“380. Auch Haugg bestätigte diese Einschätzung.381 Nachdem die übliche politische Überprüfung zufriedenstellend ausgefallen war und auch der badische Reichsstatthalter keine Einwände hatte, wurde Engelhardt am 25. Februar 1943 zum Vorsitzenden der badischen Finanzabteilung bestellt382

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382

genötigt waren. Von sich aus haben weder die NSDAP noch die Gestapo ein tieferes Verhältnis zur Finanzabteilung gewünscht, genauso wenig wie zum Oberkirchenrat. FA-Baden an Arbeitsamt Karlsruhe vom 29. 3. 1943 (LkAKA GA Nr. 7206; Quellen V, 278 f.). Dies machte sich schon bei Problemen mit der Treibstoffzuteilung für den Dienstwagen bemerkbar, vgl. die Unterlagen in BArch R 5101 / 23780. Vgl. den Vorgang aus den Jahren 1941 – 1943 in BArch R 5101 / 23782. Vgl. Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (ebd.). Schreiben vom 27. 10. 1942 an Muhs (ebd.). Bereits im April 1942 hatte er in dieser Hinsicht vorgefühlt, vgl. Doerr an Engelhardt vom 29. 2. 1944 (LkAKA GA Nr. 7477). Doerr an Muhs vom 27. 10. 1942 (BArch R 5101 / 23782). Ebd. Cölle an Reichskirchenminister vom 28. 11. 1942 (ebd.). Haugg urteilte, Engelhardt mache „menschlich einen angenehmen, entschlossenen und praktischen Eindruck, er wird auch anders als Dr. Dörr [sic] in der Lage sein, gewisse Übergriffe des Oberkirchenrats von vornherein abzuwehren.“ Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (ebd.). Der Vorgang findet sich ebd.; siehe auch GVBl., 1943, 23.

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und am 14. April 1943 in Karlsruhe von Haugg in sein Amt eingeführt.383 Oberkirchenrat Doerr wurde jedoch nicht ganz aus der Leitungsverantwortung entlassen, sondern zum Stellvertreter Engelhardts ernannt. Leopold Engelhardt war Fabrikant.384 Seit dem 1. Mai 1937 war er NSDAPMitglied.385 In der Deutschen Arbeitsfront bekleidete er verschiedene Ämter ; nach eigenen Angaben aus dem Jahre 1943 war er schließlich DAF-Gauhauptabteilungsleiter.386 Engelhardt war seit dem 1. November 1937 Mitglied der Deutschen Christen, laut seinem Entnazifizierungsfragebogen allerdings nur bis ins Jahr 1943. Ideologisch blieb er ihnen auch später verbunden. In politischer und kirchenpolitischer Hinsicht war er damit nach Muhs’schem Verständnis bestens für ein FA-Amt geeignet. Er war allerdings 1941 aus der Kirche ausgetreten; und zwar mit der Erklärung, dass er sich „nach bestem Wissen und Gewissen nicht mehr als im Landeskirchlichen Sinne evangelisch, sondern ausschliesslich als gottgläubiger Anhänger der Nationalkirchlichen Einung deutscher Christen zu bekennen vermag.“387 In Berlin hoffte man, mit einem Personalwechsel an der FA-Spitze die festgefahrenen persönlichen Spannungen in der Leitungsebene der Landeskirche entschärfen zu können. Daraus wurde jedoch nichts, denn der Kirchenleitung war der Kirchenaustritt Engelhardts und dessen Bekenntnis zu den Deutschen Christen wohl bekannt. Kühlewein legte daher umgehend Widerspruch gegen die Berufung Engelhardts ein: „Es ist mir unfasslich, wie ein Mann, der diese Einstellung hat, in der Lage sein soll, seine Arbeitskraft dafür einzusetzen, dass der Evang. Landeskirche Badens als einer Erscheinung der Kirche Jesu Christi die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung gestellt werden […] Dass eine solche Auswahl möglich war, zeigt aufs neue, dass die Finanz-Abteilung sich als eine kirchenmachtpolitische Einrichtung erweist, durch welche die Substanz des evangelischen Glaubens und die Ordnung der Kirche zu Gunsten nationalkirchlicher Bestrebungen beeinträchtigt wird.“388 383 Vgl. zu der Amtseinführung und der anschließenden Dienstbesprechung: Vermerk Redeckers vom 11. 5. 1943 (EZA 1/1605); Vermerk Hauggs vom 17. 4. 1943 (BArch R 5101 / 23782). 384 Er produzierte hauptsächlich Konditorrohmassen, daneben Obstsäfte und andere unalkoholische Getränke. 385 Vgl. zu den folgenden Angaben: Engelhardts Entnazifizierungsakte (GLAK 465 a/51 Nr. 7/ 14670). 386 Vgl. Schreiben an den Reichskirchenminister vom 21. 12. 1943 (BArch R 5101 / 23782). 387 Engelhardt an EOK vom 4. 2. 1941 (LkAKA GA Nr. 4900). In seinem Entnazifizierungsfragebogen vom 30. April 1946 gab Engelhardt als Begründung für seinen Kirchenaustritt an, er hätte die „orthodox-dogmatische Haltung der Bad. Evg. Landeskirchenleitung“ abgelehnt (GLAK 465 a/51 Nr. 7/14670). 388 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 5. 3. 1943 (BArch R 5101 / 23782). Auch die Landesbischöfe Meiser, Wurm und Marahrens gingen in einer Eingabe an den Reichskirchenminister vom 20. Juli 1944 auf Engelhardts Berufung ein. Sie urteilten: „Dass ein religiös im schroffen Gegensatz zur Landeskirche stehender Fabrikant zur Beaufsichtigung der kirchlichen Finanzen eingesetzt wird, muß jedem billig Denkenden als eine Herausforderung

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Engelhardt brachte der Finanzabteilung neuen Schwung. Er scheute sich nicht, neue ambitionierte Projekte anzugehen – etwa bezüglich der Pfarrstellenbesetzung.389 Auch band er die badische Finanzabteilung wieder stärker in das Netzwerk um den FA-Multifunktionär Cölle ein. Doerr, der seit 1939 an diesem Zirkel beteiligt gewesen war, hatte die Einbindung zuletzt lockerer werden lassen, da er durch das operative Geschäft zu sehr in Anspruch genommen worden war.390 Der neue FA-Vorsitzende hatte zwar anlässlich seiner Amtseinführung beteuert, ein „grösstmöglichste[s] Vertrauensverhältnis“391 zur Kirchenleitung herstellen zu wollen, doch diese Verständigung hatte sich für ihn auszurichten an seinen Grundsätzen. Die Finanzabteilung, so beschrieb Engelhardt einmal ihre Funktion, sei „in erster Linie verpflichtet, die Belange der kirchlichen Vermögensverwaltung im Einklang mit dem staatspolitischen Interesse des Dritten Reiches und mit den Belangen der gesamten Volksgemeinschaft zu pflegen […] Die Finanzabteilung ist […] eine von der Reichsregierung eingesetzte Behörde, die ausser der kirchlichen Vermögensverwaltung noch überwachende Befugnisse gegenüber der Kirchenleitung besitzt.“392

Er betrachtete die Finanzabteilung gewissermaßen als Korrektiv zu der „entschieden altkirchliche[n] und bekenntnismässige[n] Haltung“ des Evangelischen Oberkirchenrates, die sich nach seiner Auffassung nicht „mit Treue und Gehorsam gegenüber dem nationalsozialistischen Staate“393 vereinbaren lasse. Die Kirchenleitung sah gerade diese politische Funktion der Finanzabteilung kritisch. In der 15. Durchführungsverordnung sei nicht gesagt, so ihr Einwand, „daß die Finanzabteilung eine politische Überwachungsstelle ge-

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erscheinen. Es ist auch kaum zu erwarten, daß ein solcher Mann die nötige Objektivität aufbringt, um sein schwieriges Amt in voller Sachlichkeit zu verwalten. Seine Einsetzung läßt, auch wenn sie nicht unmittelbar gegen den Buchstaben des Gesetzes verstößt, im öffentlichen Laienurteil jedes Verständnis für die kirchlichen Erfordernisse vermissen.“ BArch R 5101 / 23710, Bl. 150 f., hier Bl. 151. Siehe unten 483. Siehe zu dem Netzwerk oben 152 – 156. Es bestand zwar stets ein enger schriftlicher Austausch zwischen der badischen und den gleichgesinnten Finanzabteilungen, doch an den persönlichen Treffen hatte Doerr immer seltener teilnehmen können (vgl. LkAKA GA Nr. 7271). Doerr selbst bedauerte dies außerordentlich, da er, so schrieb er an Cölle, „den Wunsch und das Bedürfnis“ hegte, „auch einmal wieder mit Ihnen und den anderen Herren in persönliche Fühlung zu kommen.“ Doerr an Cölle vom 16. 4. 1941 (ebd.). Um Abhilfe zu schaffen, wurden seit 1941 gelegentlich im süddeutschen Raum oder sogar in Karlsruhe Treffen der FA-Leiter veranstaltet, vgl. ebd. Vermerk Redeckers vom 11. 5. 1943 (EZA 1/1605). Engelhardt an Direktor Mayer vom 9. 3. 1944 (BArch R 5101 / 23782). Engelhardt an Kühlewein vom 15. 2. 1944 (ebd.).

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genüber der Kirchenbehörde ist. Der Staat hat für die politische Überwachung besondere Organe eingesetzt.“394 Der persönliche Umgang von Kirchenleitung und Finanzabteilung war bereits kurz nach Engelhardts Amtsantritt gestört. Der FA-Vorsitzende beklagte sich über „Verkehrsformen“ des Landesbischofs, „die unter deutschen Behörden als ungehörig gelten“395. Der Landesbischof seinerseits warf der Finanzabteilung „eine starke Unfreundlichkeit“ vor, „die nur geeignet ist, die an sich schon gespannten Beziehungen zwischen Kirchenleitung und Finanzabteilung noch weiter zu verschärfen.“396 Selbst offenbar versöhnlich gemeinte Gesten Engelhardts führten nur zu neuen Zerwürfnissen. Zur Jahreswende 1943/44 hatte Engelhardt den EOK-Mitgliedern beispielsweise ein Grußkärtchen zukommen lassen, das er in dem für ihn typischen Stil später folgendermaßen begründete: „Es lag mir daran, Ihnen [scil. Kühlewein] und den Herren des Oberkirchenrates – in aller Aufrichtigkeit meiner eigenen Einstellung entsprechend – gerade in ernster Zeit ,fröhliche‘ Weihnachten und ein ,glückliches‘ neues Jahr zu wünschen, weil der feste Glaube an Gottes Vorsehung auch den schwerst Geprüften ein allzeit ,fröhliches‘ Herz erhält, und weil deutsche Männer, die heute an der stolzen Aufgabe dieses Volkes teilhaben dürfen, einer Welt voll Teufel gegenüber irgendwie für Gottes Ordnung zu kämpfen, auch bei aller härtesten Opfern kein grösseres ,Glück‘ ersehnen, als dem entscheidenden Sieg des Deutschtums über das vom Auserwähltheitswahn und vom Weltherrschaftsanspruch besessene Judentum im neuen Jahre immer näher zu kommen.“ Er habe angenommen, wenn sowohl die EOK- wie die FA-Mitglieder „als zu verschiedenen Organen zusammengeschlossene Zellen unseres Volksorganismus dem Vaterlande in Wahrhaftigkeit und nach bestem Können zu dienen streben, brauchen die lebendigen, gottgewollten Spannungen, welche die Besonderheit der Individualitäten, der Aufgaben und Zielsetzungen auf beiden Seiten mit sich bringt, den alle echten Deutschen umfassenden Volksgemeinschaftsgeist und die Höflichkeit persönlicher Umgangsformen weder bei der Kirchenleitung noch bei der Finanzabteilung zu beeinträchtigen.“397

Doch Kühlewein hatte Engelhardt auflaufen lassen: Zu „sonst vielleicht möglichen oder üblichen gesellschaftlich-persönlichen Beziehungen“, so hatte er ihm mitgeteilt, sähen er und die EOK-Mitglieder sich nicht in der Lage. Engelhardts Amtsführung lasse ihnen keine Wahl, als „die Beziehungen auf das dienstlich Unerlässliche zu beschränken.“398 Die Ernennung Engelhardts brachte so keine Beruhigung der Lage in 394 395 396 397 398

EOK an FA-Baden vom 29. 7. 1942 (LkAKA GA Nr. 4900). Engelhardt an Haugg vom 26. 9. 1943 (BArch R 5101 / 23782). Kühlewein an FA-Baden vom 18. 9. 1943 (ebd.). Engelhardt an Kühlewein vom 15. 2. 1944 (ebd.). Vgl. den ganzen Vorgang ebd. Kühlewein an Engelhardt vom 31. 12. 1943 (ebd.).

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Baden, Kühlewein beklagte sogar eine Verschärfung der Gegensätze.399 Für den 7. / 8. März 1944 wurde daher vom Reichskirchenministerium eine Besprechung angesetzt, um die offenen Streitfragen zu klären. Abermals war es Haugg, der für das Reichskirchenministerium die Verhandlungen führte, auch Cölle war mit von der Partie.400 Der sehr informative Reisebericht Hauggs gibt eine kundige Einschätzung der von ihm in Baden vorgefundenen Situation: „Die Lage in Karlsruhe zwischen Finanzabteilung und Oberkirchenrat ist ähnlich wie im Vorjahre. Die persönlichen Verhältnisse zwischen Finanzabteilung und Oberkirchenrat sind nicht besser geworden und es steht dies auch nicht zu erwarten“. Engelhardt habe sich zwar „verhältnismäßig gut in s[eine] Aufgabe eingearbeitet“, allerdings erschöpfe „sein Interesse an der Finanzabteilung sich wesentlich in der kirchenpolitischen Seite der Angelegenheit […] So und zufolge der Krankheit des eigentlichen Sachbearbeiters der Finanzabteilung Oberkirchenrat Dr. Dörr [sic] ist es dahin gekommen, daß die eigentlich finanziellen und vermögensrechtlichen Aufgaben der Finanzabteilung bei der landeskirchlichen Vermögensverwaltung weitgehend liegengeblieben sind, während die kirchenpolitischen Vorgänge zu sehr in den Vordergrund gestellt worden sind […] Eine solche Außerachtlassung der großen finanziellen und vermögensrechtlichen Aufgaben der Finanzabteilung empfiehlt sich schon rein äußerlich nicht so sehr für eine Finanzabteilung. Sie soll sich zwar um die Wahrung der öffentlichen Belange und damit auch um das kirchenpolitische Geschehen der Landeskirche kümmern, es ist aber zweckmäßig, dies nicht nach außen hin allzusehr in Erscheinung treten zu lassen. Hinzu kommt speziell für Karlsruhe eine im Ansatz dort bereits vorhandene Entwicklung, daß sich die Finanzabteilung weitgehend auch um die Theologie bekümmert, was daraus zu erklären ist, daß der Vorsitzende der Finanzabteilung religiös und weltanschaulich persönlich ziemlich stark interessiert ist. Ich habe Dr. Engelhardt persönlich und privat auf die Gefahr einer solchen Entwicklung aufmerksam gemacht, der auch das Ministerium nicht ganz unbeteiligt gegenüber stehen könne, weil Fehlschläge, die in einer Finanzabteilung in dieser Hinsicht zu Tage treten, dem Ministerium gegenüber das ganze Finanzabteilungssystem belasten und daher unter allen Umständen vermieden werden müssen. Dr. Cölle hat mir in dieser Beurteilung der Dinge weitgehend beigestimmt“401.

Es fehlten der Finanzabteilung, nach Hauggs Eindruck, „vollwertige Fachreferenten“ für die eigentlichen Angelegenheiten der Vermögensverwaltung. Deshalb habe sie „gegenüber einem so erfahrenen Kirchenjuristen wie dem auf Seiten des Oberkirchenrats tätigen, 30 Jahre im Kirchendienst stehenden Oberkirchenrat Dr. Friedrich naturgemäß aus der Sache selbst heraus einen 399 Vgl. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 22. 2. 1944 (LkAKA GA Nr. 4900). 400 Vgl. zu den Besprechungen den Reisebericht Hauggs vom 23. 3. 1944 (BArch R 5101 / 23782); Protokoll Redeckers vom 20. 3. 1944 (EZA 1/1611); Notizen Kühleweins zu den Besprechungen (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 290 f.). 401 Reisebericht Hauggs vom 23. 3. 1944 (BArch R 5101 / 23782), daraus auch die folgenden Zitate.

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schweren Stand.“ Friedrich sei sehr gewandt und verstehe „es sehr geschickt, seine Hauptchance, die darin besteht, über alles am besten unterrichtet zu sein und bei der Finanzabteilung keinen ebenbürtigen Gegenspieler zu haben, auszunutzen.“ In den Verhandlungen gelang es Haugg, zu allen behandelten Einzelfragen Ergebnisse und Entscheidungen herbeizuführen, so dass die aufgelaufenen Streitfälle erst einmal wieder beigelegt waren. Der Oberkirchenrat befand nach den Gesprächen: „Im ganzen ist nicht viel herausgekommen. Umsonst war es nicht. Aber die Hauptanstöße bleiben.“402 Das Reichskirchenministerium spielte in Baden seit 1940 vor allem die Rolle des Schlichters. Staatssekretär Muhs war zu dieser ausgleichenden Haltung genötigt, da er während des Krieges möglichst eine Eskalation in der Kirche vermeiden musste, um seine eigene Position im Staatsgefüge nicht aufs Spiel zu setzen. Das änderte sich mit der Bestellung Engelhardts nicht. Die forsche und rücksichtslose Art des neuen FA-Vorsitzenden verhinderte eine stärkere Identifikation des Reichskirchenministeriums mit der Finanzabteilung. Arbeitstechnisch brachte die ehrenamtliche Bestellung Engelhardts nur die Entlastung Doerrs von den Leitungsgeschäften. Engelhardt wohnte und arbeitete in Karlsruhe, so dass er sich täglich um die FA-Geschäfte kümmern konnte, eine sonstige Sachbearbeitung übernahm er nicht. So waren die beiden verbliebenen Sachbearbeiter nach wie vor damit überfordert, den Ausfall der eingezogenen FA-Referenten zu kompensieren. Doerr, der immer noch das operative FA-Geschäft leitete, hatte besonders ab Ende 1942 immer längere Ausfallzeiten und selbst wenn er im Dienst war, war er nicht mehr voll einsatzfähig.403 Guttenberg allein konnte „die pünktliche Erledigung der Dienstgeschäfte nur mit größter Mühe aufrechterhalten“404, falls dies überhaupt noch gelang. Die Probleme behinderten auch den Evangelischen Oberkirchenrat, denn er war bei seinen Maßnahmen häufig auf die Zustimmung der Finanzabteilung angewiesen.405 Gleichzeitig war die Finanzabteilung nicht bereit, von ihren errungenen Zuständigkeiten und der politischen

402 Notizen Kühleweins zu der Besprechung (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 291). 403 Vgl. zu Doerrs Krankengeschichte dessen Personalakte (LkAKA 2.0. Nr. 3396); auch entsprechende Unterlagen in BArch R 5101 / 23782. 404 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 22. 3. 1944 (ebd.). 405 Vgl. EOK an Reichskirchenminister vom 11. 1. 1943 (ebd.); Kühlewein an Reichskirchenminister vom 3. 1. 1944 (ebd.). Ein bezeichnendes Beispiel ist etwa die Neuregelung der Dienst- und Versorgungsverhältnisse der unständigen Geistlichen. Obwohl in der Sache bereits 1942 weitgehend Einigkeit zwischen Finanzabteilung und Oberkirchenrat herrschte und die Angelegenheit allgemein als dringlich angesehen wurde, verzögerte sich der Erlass einer rechtsverbindlichen Anordnung durch die Finanzabteilung bis ins Jahr 1944. Vgl. zu der Angelegenheit die entsprechenden Unterlagen in BArch R 5101 / 23783.

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Aufsichtsfunktion abzurücken, führte sogar neue, umständliche Genehmigungsabläufe ein.406 Kühlewein bemerkte dazu: „Ich habe immer wieder den Eindruck, daß die Finanzabteilung ihre eigenen Angelegenheiten in geordneter Weise nicht zu erledigen vermag. Wohl aber findet sie Zeit, sich fortgesetzt mit Fragen zu beschäftigen, die zu entscheiden allein der Kirchenbehörde und mir zustehen. Mit ganz besonderer Vorliebe widmet man sich Fragen der Lehre und der Disziplin, obwohl das die Finanzabteilung nichts angeht.“407

Auch Haugg meinte im März 1944, dass es „für die Finanzabteilung zweckmäßig ist, nur so viel Sachen an sich zu ziehen, als sie praktisch wirklich bearbeiten und erledigen kann.“408 Engelhardt war bemüht, die Lage in den Griff zu bekommen, doch der Erfolg war gering. Wiederholte Anstrengungen des FA-Vorsitzenden, 1943/44 für Kaeser einen Arbeitsurlaub zu erwirken, scheiterten.409 Hilfskräfte zur Entlastung ließen sich nur vereinzelt und mit Schwierigkeiten gewinnen.410 Guttenberg musste neben seiner FA-Tätigkeit zusätzlich als Vorstand der Pflege Schönau einspringen, gleichzeitig litten seine Arbeitsleistung und sein Engagement.411 Angesichts dieser immer chaotischer werdenden Zustände kam Engelhardt ein Angebot des Reichskirchenministeriums sehr gelegen. Es schlug vor, Oberlandeskirchenrat Kretzschmar aus Dresden vertretungsweise in der badischen Finanzabteilung einzusetzen.412 „Je eher er seine Arbeit hier aufnehmen kann, umso besser“413, schrieb Engelhardt freudig an Cölle. Dennoch scheint Kretzschmar lediglich für drei Wochen im Juni 1944 in Karlsruhe eingesetzt worden zu sein.414 Eine nennenswerte Erleichterung für die FA-Geschäftsführung brachte das nicht. Am 21. Juni 1944 bat Engelhardt den Reichskirchenminister, den Direktor des städtischen Steueramtes in Mannheim, Dr. Otto Mayer, zum FA-Mitglied 406 Zum Beispiel bei den Reisekostengenehmigungen, vgl. den Vorgang aus dem Sommer/Herbst 1943: BArch R 5101 / 23782; Quellen IV, 289 f. 407 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 3. 1. 1944 (BArch R 5101 / 23782). 408 Reisebericht Hauggs vom 23. 3. 1944 (ebd.). 409 Vgl. die Unterlagen ebd.; und in LkAKA 2.0. Nr. 5393 Bd. II. 410 Vgl. FA-Baden an Reichskirchenminister vom 13. 1. 1944 (BArch R 5101 / 23782); Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (ebd.); Reisebericht Hauggs vom 23. 3. 1944 (ebd.). 411 Vgl. Reisebericht Hauggs vom 23. 3. 1944 (ebd.); Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (ebd.); auch Guttenberg an Engelhardt vom 10. 3. 1944 (LkAKA GA Nr. 7477); Engelhardt an Guttenberg vom 20. 3. 1944 (ebd.). 412 Vgl. Reichskirchenminister an FA-Baden vom 15. 4. 1944 (BArch R 5101 / 23782). Kretzschmar war seinerzeit gerade in die gesamtkirchliche Finanzabteilung abkommandiert worden, um die Lage in Sachsen zu entspannen, siehe oben 173. Cölle war aber bereit, ihn abzugeben. 413 FA-Baden an FA-DEKK vom 18. 4. 1944 (BArch R 5101 / 23782); vgl. auch FA-Baden an Reichskirchenminister vom 18. 4. 1944 (ebd.). 414 Vgl. FA Baden an Kretzschmar vom 12. 6. 1944 (LkAKA GA Nr. 4900).

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zu berufen.415 Er wollte ihn für spezielle Mannheimer Belange, außerdem in Steuer- und Vermögensangelegenheiten einsetzen. Nachdem die üblichen Auskünfte eingeholt worden waren und auch Cölle sich „[b]ei der Lage der Dinge“416 für dessen Berufung ausgesprochen hatte, wurde Mayer am 27. Oktober 1944 als Mitglied in die Finanzabteilung berufen.417 Zuvor war er bereits als FA-Hilfsarbeiter beschäftigt worden. Mayer war seit 1933 NSDAPMitglied und zudem als politischer Leiter aktiv.418 Cölle nahm daher an, dass durch die Ernennung „die politische Stellung der Finanzabteilung nur verbessert werden kann.“419 Ab Ende 1944 war auch Oberkirchenrat Doerr wieder verstärkt einsatzfähig.420 Er beabsichtigte allerdings, sich aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe setzen zu lassen. Ein entsprechender Antrag vom 18. November 1944 sollte nach einer amtsärztlichen Untersuchung an den Landesbischof weitergeleitet werden.421 Doerrs FA-Amt wäre damit nicht automatisch hinfällig gewesen – das Reichskirchenministerium hatte signalisiert, er könne den Posten in jedem Falle behalten.422 Die Entwicklung aber nahm ohnehin einen anderen Lauf: Doerr musste im Januar 1945 noch einmal stellvertretend den FA-Vorsitz übernehmen.423 Engelhardts Karlsruher Fabrikanlagen waren ausgebombt und nach Bayern umgelagert worden – sie produzierten seinerzeit kriegswichtige U-Bootsonderverpflegungsmittel. Engelhardt folgte ihnen und konnte deshalb die FA-Leitungsaufgaben nicht weiter wahrnehmen.424 Unter diesen Umständen wollte Doerr seine Zurruhesetzung zunächst nicht weiter betreiben, so dass der Antrag bis zum Kriegsende nicht eingereicht worden war. Pläne, im Januar 1945 abermals Kretzschmar zur Entlastung von Doerr in die badische Finanzabteilung zu beordern, zerschlugen sich.425 Dies alles hatte für die Tätigkeit der Finanzabteilung jedoch keine großen Auswirkungen mehr, denn die Dienstgeschäfte unterlagen nach der Beschädigung des Karlsruher EOK-Dienstgebäudes durch einen Fliegerangriff am

415 Vgl. FA-Baden an Reichskirchenminister vom 21. 6. 1944 (BArch R 5101 / 23783). Schon im März 1944 war die Bestellung Mayers mit Haugg erörtert und von Engelhardt vorbereitet worden, vgl. Vermerk Hauggs vom 23. 3. 1944 (BArch R 5101 / 23782); Engelhardt an Mayer und den Oberbürgermeister von Mannheim vom 9. 3. 1944, in Abschrift für Haugg (ebd.). 416 Cölle an Reichskirchenminister vom 13. 7. 1944 (BArch R 5101 / 23783). 417 Vgl. den Vorgang ebd.; auch EZA 1/1606; ferner GLAK 235 / 12869. 418 Vgl. SD-Bericht vom 13. 10. 1944 (BArch R 5101 / 23783). 419 Cölle an Reichskirchenminister vom 13. 7. 1944 (ebd.). 420 Vgl. Engelhardt an Muhs vom 18. 12. 1944 (EZA 1/1607). 421 BArch R 5101 / 23783. 422 Vgl. Reichskirchenminister an FA-Baden vom 10. 1. 1945 (ebd.); Doerr an Engelhardt vom 18. 11. 1944 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). 423 Vgl. Reichskirchenminister an FA-Baden vom 25. 1. 1945 (BArch R 5101 / 23783). 424 Vgl. Engelhardt an Muhs vom 18. 12. 1944 (EZA 1/1607). 425 Vgl. Cölle an Reichskirchenminister vom 30. 1. 1945 (BArch R 5101 / 23769); FA-Baden an FADEKK vom 16. 3. 1945 (EZA 2/688); ansonsten zu dem Vorgang: EZA 1/1607; 1/1608.

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26. / 27. September 1944 ohnehin starken Einschnitten.426 Für die einzelnen FA-Mitglieder brachte das eine gewisse Arbeitserleichterung, da die Geschäfte in ihrem Umfang stark abnahmen.427 Zugleich aber war der Betrieb auf die Dauer nicht mehr in Karlsruhe aufrechtzuerhalten, denn Evangelischer Oberkirchenrat und Finanzabteilung mussten ihren Dienstsitz in der Blumenstraße verlassen. Zwar war das Gebäude wieder in Stand zu setzen, doch wurde es nun von den ortsgebundenen städtischen Dienststellen beansprucht, die aufgrund der Bombardements ihre eigenen Dienstsitze verloren hatten. Für den Evangelischen Oberkirchenrat stand schnell fest, dass er nach Herrenalb im Schwarzwald ausweichen wollte. Die Finanzabteilung präferierte Heidelberg.428 Eine Trennung der Dienstsitze war unvermeidlich, weil kein Standort geeignet war, beide Stellen aufzunehmen. Der Finanzabteilung erschien das problematisch, weil hierdurch die „Überwachung und Prüfung der Maßnahmen der Kirchenleitung in der Hinsicht, ob sie nicht staatsabträglich sind, außerordentlich erschwert wenn nicht unmöglich gemacht“ werde.429 Der Evangelische Oberkirchenrat hingegen war froh, dass die Wege der Behörden sich trennten. Die Auslagerung des Evangelischen Oberkirchenrates gestaltete sich recht reibungslos, seit Mitte November 1944 war Herrenalb sein neuer Dienstsitz.430 Der Umzug der Finanzabteilung erwies sich hingegen als außerordentlich schwierig und langwierig; immer wieder erwog die Finanzabteilung neue Alternativen oder musste umdisponieren. Eine Lösung war nicht gefunden, als die Finanzabteilung im Dezember 1944 den Dienstsitz in der Blumenstraße endlich räumen sollte. In ihrer Not legte sie sich nun auf Heidelberg fest, denn dort waren für die Unterbringung der Finanzabteilung genug kirchliche Räume vorhanden. Seit Mitte Dezember 1944 war die Finanzabteilung bereit für den Umzug, ihre Sachen waren gepackt. Sie wollte Karlsruhe nun auch möglichst rasch verlassen, weil die Stadt weiterhin durch Bombardements erschüttert wurde und vom alliierten Vormarsch bedroht war. Doch der Abtransport der Akten und des Inventars verzögerte sich immer wieder, da die Fahrbereitschaft Heidelberg, die den Transport vornehmen sollte, die Sache wiederholt aufschob. Zwar vermeldete die Finanzabteilung am 2. Januar 1945, ab sofort wäre sie in Heidelberg zu erreichen431 und sie nahm dort auch „in ganz be426 Vgl. Quellen V, 338 – 342. Vgl. auch zu den Bombenangriffen auf Karlsruhe: Bayer, Auswirkungen, 217 – 221. 427 Vgl. etwa Guttenberg an Engelhardt vom 18. 12. 1944 (LkAKA 2.0. Nr. 3415). 428 Nach früheren Plänen hatte der Evangelische Oberkirchenrat nach Stuttgart und die Finanzabteilung nach Mosbach ausweichen wollen, vgl. Quellen V, 253 – 255. 429 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 9. 11. 1944 (BArch R 5101 / 23783). Vgl. auch Cölle an FA-Baden vom 25. 10. 1944 (EZA 1/1607); Cölle an Reichskirchenminister vom 28. 11. 1944 (BArch R 5101 / 23783). 430 Vgl. EOK-Rundschreiben vom 16. 11. 1944 (LkAKA GA Nr. 1242b). 431 FA-Rundschreiben vom 2. 1. 1945 (LkAKA GA Nr. 8048).

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schränktem Umfang ihre Dienstgeschäfte“432 auf. Der eigentliche Umzug jedoch begann erst am 9. Januar 1945 und wurde so sporadisch fortgeführt und bald ausgesetzt, dass er bis zum Kriegsende nicht abgeschlossen war. Nur mit Mühe konnten in dieser Zeit essentielle Dinge, wie die Lohnzahlungen, erledigt werden. Im Wesentlichen war die Finanzabteilung seit September/Dezember 1944 damit beschäftigt, den Umzug zu bewerkstelligen.433 Das Verhalten der staatlichen Stellen (etwa der Oberbürgermeister von Karlsruhe und Heidelberg) bei der Suche nach einer Ausweichstelle und den Ablauf des Umzugs empfand Doerr häufig als schikanös. An Cölle schrieb er, die Verhandlungen, insbesondere mit der Fahrbereitschaft Heidelberg, „sind für mich so unwürdig gewesen, dass ich es sehr wohl verstehen kann, dass Leute, denen die gleiche Behandlung wie mir […] zuteil wird, in Erbitterung […] geraten und dadurch wieder in ihrer politischen Zuverlässigkeit beeinträchtigt werden.“434 Er führte die verbreiteten Unfreundlichkeiten völlig zutreffend darauf zurück, „daß diese Behörden die Finanzabteilung beim Evang. Oberkirchenrat Karlsruhe nicht als eine vom Herrn Reichsminister für die kirchl. Angelegenheiten eingesetzte staatliche Einrichtung, sondern als eine rein kirchliche Verwaltungsstelle ansehen“435. Gegen Ende des Krieges unternahmen Landesbischof Kühlewein und Oberkirchenrat Friedrich eine letzte Offensive, um doch noch eine Auflösung der Finanzabteilung zu erreichen; ein Ziel das nie aufgegeben worden war. Kühlewein schrieb an den Reichskirchenminister,436 Friedrich an den badischen Reichsstatthalter.437 Beide beriefen sich nun auf die Erfordernisse „des totalen Kriegseinsatzes“ und behaupteten, eine FA-Auflösung würde diverse Arbeitskräfte für den Kriegsdienst freisetzen. Der Reichsstatthalter gab die Eingabe am 14. November 1944 an den badischen Kultusminister weiter „mit der Bitte um vertrauliche Prüfung und Feststellung, ob im Rahmen der totalen Kriegsmaßnahmen eine Auflösung der Finanzabteilung beim Evang. Ober432 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 15. 2. 1945 (BArch R 5101 / 23783). 433 Vgl. zu dem ganzen Vorgang um die Ausweichstellen das entsprechende Material in EZA 1/ 1607; EZA 1/1608; BArch R 5101 / 23783; LkAKA GA Nr. 7339; LkAKA GA Nr. 1242b; ferner Friedrich, Entwicklung Badens, 331 f. 434 Doerr an Cölle vom 15. 2. 1945 (EZA 1/1608). 435 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 17. 2. 1945 (BArch R 5101 / 23783). Dieses Schreiben schickte Doerr abschriftlich an Cölle und versah es mit der Anmerkung: „Die Schwierigkeiten, welche der Verlagerung der Finanzabteilung […] von Karlsruhe nach Heidelberg seitens städtischer Dienststellen und auch anderer Behörden in den Weg gelegt werden, müssen endlich einmal durch ein Eingreifen höherer Instanzen so gründlich ausgeräumt werden, daß es diesen Stellen ein für allemal vergeht, immer und immer wieder Wünschen der Finanzabteilung mit schroffer Ablehnung zu begegnen, ganz zu schweigen von den unerhörten Demütigungen, denen die Vertreter der Finanzabteilung bei ihren Verhandlungen mit diesen Behörden ausgesetzt sind.“ EZA 1/1608. 436 Schreiben vom 3. 11 1944 (BArch R 5101 / 23783), daraus auch das folgende Zitat. 437 Friedrich an Ministerialrat Kraft vom 1. 11. 1944 (GLAK 235 / 12869).

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kirchenrat sich durchführen läßt.“438 Der Kultusminister riet ab: Eine FAAufhebung hätte nicht den gewünschten Effekt auf die Arbeitskräfte, stattdessen würde der von ihr garantierte „Frieden in der Kirche zwischen den Deutschen Christen und den Bekenntnischristen“439 gefährdet. Haugg antwortete Kühlewein am 12. Dezember 1944: Eine FA-Aufhebung sei gerade wegen des totalen Kriegseinsatzes ausgeschlossen, „weil im Zuge der Maßnahmen, die den totalen Krieg betreffen, häufig weitreichende staatliche Belange berührende Entscheidungen zu fällen sind, die nur von der genannten Finanzabteilung getroffen werden können.“440

3.6. Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 3.6.1. Finanzabteilung und Personalpolitik: Politischer Auftrag und kirchenpolitisches Sendungsbewusstsein Der Personalsektor bot der Finanzabteilung Gelegenheit, ihre kirchenpolitischen Vorstellungen umzusetzen, ihre politische Funktion zu betonen, aber auch ihr Machtbewusstsein zu demonstrieren. Bei den heftig umkämpften Dienstverhältnissen der kirchlichen Angestellten und Beamten ging es vor allem um die Machtfrage. Die Konfliktlinien veränderten sich von 1938 bis zum Kriegsende kaum: Die Finanzabteilung beanspruchte, zumindest für die von ihr herangezogenen Verwaltungsbeamten und -angestellten die vorgesetzte Dienststelle zu sein441 und forderte entsprechende Personalbefugnisse.442 Für die Finanzabteilung war die „vollständige Dienstaufsicht über die von ihr beschäftigten Arbeitskräfte […] die unentbehrliche Voraussetzung für eine geordnete Führung der Finanzabteilung.“443 Der Evangelische Oberkirchenrat vertrat die Haltung, durch die 15. Durchführungsverordnung habe sich an den Dienst(aufsichts)verhältnissen keine Änderung ergeben. Er beharrte darauf, „Anstellungs- und Aufsichtsbehörde der Beamten und Angestellten bleibt […] allein der Evang. 438 ebd. 439 Schreiben vom 30. 11. 1944 (ebd.). 440 BArch R 5101 / 23783. Vgl. auch die Entgegnung Kühleweins vom 31. 1. 1945 (ebd.), der sich über diese Begründung, die einmal mehr die politische Zuverlässigkeit der Kirchenleitung in Frage stellte, heftig echauffierte. 441 Vgl. den Geschäftsverteilungsplan von 1938 (LkAKA GA Nr. 9051) und den aus der Vorsitzendenzeit Doerrs (LkAKA GA Nr. 7073). 442 Vgl. etwa Doerr an Reichskirchenminister vom 29. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 139 – 142). 443 Engelhardt an Reichskirchenminister vom 15. 2. 1944 (BArch R 5101 / 23782).

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 473

Oberkirchenrat.“444 Dies gelte auch für von der Finanzabteilung herangezogene Mitarbeiter.445 Die Unvereinbarkeit der Positionen machte die Frage der Dienstverhältnisse zu einem ständig virulenten Thema. Fast jährlich wiederkehrend wurde der Reichskirchenminister in der Sache eingeschaltet. Bis 1942 unterstützte das Ministerium die Haltung des Oberkirchenrates.446 Gleichzeitig war bis 1942 kein offizieller Erlass zu der Sache ergangen; der status quo stand auf wackeligen Füßen. Anfang 1942, mit dem Wechsel an der Spitze des Reichskirchenministeriums, sah die Finanzabteilung die Gelegenheit, die vorherrschende Interpretation anzugreifen. Auch der Evangelische Oberkirchenrat wollte endlich eine offizielle Anerkennung seiner Auffassung erreichen und als alleiniger oberster Dienstherr bestätigt werden. Die Angelegenheit wurde zwar neu aufgerollt, blieb letztlich aber weiter ungeklärt.447 Der status quo, wie Haugg ihn im Februar 1943 zusammenfasste, war folgender :448 Die allgemeine Dienstaufsicht über jegliches EOK-Personal, auch das von der Finanzabteilung herangezogene, stehe dem Evangelischen Oberkirchenrat zu. Dieser stelle die Mitarbeiter ein, befördere und entlasse sie, auch die Disziplinarbefugnisse lägen allein bei ihm. Die wenigen originär von der Finanzabteilung angestellten Hilfsarbeiter hingegen „gehen den Oberkirchenrat nichts an“, hier sei die Finanzabteilung die alleinige Dienstaufsichtsbehörde. Im Übrigen habe die Finanzabteilung gegenüber allen ihren Mitarbeitern, „die fachliche Dienstaufsicht. Das heißt, die Finanzabteilung teilt die Arbeit zu, und bestimmt, welche Arbeit die einzelnen Personen zu leisten haben.“ Die Frage der Dienstaufsicht über die von der Finanzabteilung herangezogenen Mitarbeiter wurde schließlich erst im März 1944 grundsätzlich entschieden. Mit Erlass vom 1. März übertrug Muhs den Finanzabteilungen die ausschließliche Dienstaufsicht über die von ihnen herangezogenen Mitarbeiter.449 444 EOK an FA-Baden vom 19. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7272). 445 Vgl. zur Haltung des Evangelischen Oberkirchenrates besonders: EOK an FA-Baden vom 9. 6. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 161 – 164); EOK an FA-Baden vom 19. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7272). 446 Vgl. Reisebericht Stahns und Dieckmanns über die Dienstreise nach Karlsruhe vom 3.–5. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 205 – 219). 447 Vgl. vor allem Doerr an Reichskirchenminister vom 6. 2. 1942 (LkAKA GA Nr. 7272); EOK an Reichskirchenminister vom 12. 2. 1942 (BArch R 5101 / 23782); Doerr an Cölle vom 20. 2. 1942 (LkAW FinAbt 155); den Entscheid zur Heranziehung von EOK-Mitarbeitern durch die Finanzabteilung vom 19. 3. 1942 (BArch R 5101 / 23782). 448 Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (ebd.), daraus auch die folgenden Zitate. Vgl. ansonsten die Notizen Kühleweins zu den Gesprächen (LkAKA GA Nr. 9075). 449 Siehe oben 163. Vgl. auch die Schreiben zu dem Thema in BArch R 5101 / 23713, Bl. 447 – 449, 452 – 454, 456; LkAKA GA Nr. 7272; außerdem das FA-Rundschreiben vom 22. 6. 1944 (LkAKA GA Nr. 9052). Vgl. insgesamt zur Frage der Dienstaufsicht: Friedrich, Entwicklung Badens, 330 f.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Badens

Im Personalwesen der Geistlichen hatte die Finanzabteilung wirkungsvolle Eingriffsmöglichkeiten. Jede Personalmaßnahme der Kirchenleitung war mit finanziellen Auswirkungen verbunden, daher musste nach der 15. Durchführungsverordnung für jede Personalmaßnahme die Zustimmung der Finanzabteilung eingeholt werden; sei es die Pfarrstellenbesetzung in einer Gemeinde, die Versetzung eines Geistlichen, Vertretungsregelungen, die Ernennung eines Dekans oder seine Amtszeitverlängerung,450 die Übernahme eines Vikars in den planmäßigen Pfarrdienst oder die erste Aufnahme von Pfarrkandidaten in den Dienst der Landeskirche.451 Die Finanzabteilung nutzte ihre Position, um erheblichen Druck auf die Pfarrerschaft auszuüben. Sie versuchte Systemkonformität und Gefolgschaft zu erzwingen: Dazu machte sie 1938/39 ihre Zustimmung bei Personalmaßnahmen von drei bis vier Erhebungen abhängig. Zunächst holte sie bei der Gestapo (und im Bedarfsfall dem Sicherheitsdienst) eine politische Beurteilung des Geistlichen ein.452 Außerdem überprüfte die Finanzabteilung eine Beteiligung des Geistlichen an der Protestbewegung. Hatte er seinen Protest (noch) nicht zurückgenommen, wertete sie ihn als staatspolitisch bedenklich. Wenn in den Aufgabenbereich eines Geistlichen auch die Erteilung des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen fallen sollte – in Baden durchaus üblich –, erkundigte sich die Finanzabteilung zusätzlich beim badischen Kultusminister nach Bedenken. Schließlich holte sie bei fast jeder Personalmaßnahme routinemäßig einen sogenannten „Revers“ bei den betreffenden Geistlichen ein. Mit dieser Erklärung sollten sich die Geistlichen der Finanzabteilung unterstellen: „Ich erkläre, dass ich vorbehaltlos auf dem Boden des nationalsozialistischen Staates stehe, und dass ich alle Anordnungen des Herrn Reichsministers für die kirchl. Angelegenheiten in Beziehung auf die Deutsche Evang. Kirche und die Evang. Landeskirchen, insbesondere die Fünfzehnte und Siebzehnte Verordnung […] anerkennen und befolgen werde. 450 Dekane wurden in der badischen Landeskirche für jeweils sechs Jahre ernannt. Mit dem Amt des Dekans war eine Funktionszulage verbunden, daher war die Finanzabteilung immer zu beteiligen. Vgl. etwa FA-Baden an Reichskirchenminister vom 23. 5. 1939 (LkAKA GA Nr. 4899); siehe auch GVBl., 1939, 169 f. Konflikte ergaben sich daraus, dass die Kirchenleitung einige Dekane, deren Amtszeitverlängerung die Finanzabteilung abgelehnt hatte, im Amt beließ, mit dem Argument, solange kein neuer Dekan eingesetzt würde, amtiere der bisherige Amtsinhaber weiter, vgl. etwa EOK an Reichskirchenminister vom 10. 6. 1939 (LkAKA GA Nr. 4899). Vgl. als exemplarischen Fall den des Dekans Oskar Weber in Pforzheim, dessen Amtszeitverlängerung von der Finanzabteilung aus staatspolitischen Gründen abgelehnt wurde, vor allem da Weber den Protest gegen die Finanzabteilung mitgetragen und nicht zurückgezogen hatte. Der Dekan wurde dennoch im Amt belassen, die Finanzabteilung konnte nur dessen Funktionszulage streichen. Nach längeren Querelen musste die Finanzabteilung schließlich der neuen Amtsperiode Webers auf Weisung des Reichskirchenministers zustimmen. Der Vorgang findet sich in BArch R 5101 / 23987. 451 Vgl. auch die Zuständigkeitsabgrenzung aus dem Jahre 1938 (LkAKA GA Nr. 9051). 452 Vgl. etwa Doerr an Reichskirchenminister vom 7. 10. 1941 (BArch R 5101 / 23979, Bl. 78 – 80).

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 475 Ich bin mir bewusst, dass ich auf Grund dieser Erklärung gehalten bin, mich von allen Unternehmungen fernzuhalten, durch welche ich mich in Widerspruch zu meiner eigenen Erklärung setzen werde, und dass die Voraussetzungen für meine Verwendung im Dienste der Bad. Evang. Landeskirche hinfällig werden, wenn ich entgegen dieser Erklärung handle.“453

Nur wenn alle diese Überprüfungen positiv ausfielen, stimmte die Finanzabteilung der Personalmaßnahme zu.454 Die Kirchenleitung kritisierte das FA-Vorgehen, denn es verursachte, etwa durch die Einbindung der Gestapo, ständig teils erhebliche Verzögerungen der Personalmaßnahmen.455 Dies war insbesondere bei Vertretungsregelungen hinderlich, da dabei, gerade in der Kriegszeit, umgehendes oder doch beschleunigtes Handeln nötig gewesen wäre. Auch dass die Ersternennung eines Pfarrers bis zu sechs Monate dauern konnte, war für Pfarrer und Kirchenleitung eine Geduldsprobe. Für die Finanzabteilung allerdings waren die Verzögerungen letztlich kein Beschwerdegrund, denn sie nehme nur das Recht für sich in Anspruch, „in jedem Einzelfall zu prüfen, ob alle Voraussetzungen gegeben sind, die nach ihrer Meinung erfüllt sein müßten, damit sie als vom Staat eingerichtete Aufsichtsstelle ihre Zustimmung geben kann oder versagen muß.“456 Neben den Verzögerungen bemängelte die Kirchenleitung die Intransparenz des Verfahrens. Sie konnte die Gründe für die FA-Bescheide, wenn etwa auf politische Unzuverlässigkeit verwiesen wurde, nicht überprüfen. Sie vermutete daher häufig kirchenpolitische Motive. Die Reverse wurden von Kirchenleitung und Pfarrerschaft als „ein Gewissensterror“457 empfunden, schließlich seien die Geistlichen schon auf Hitler vereidigt.458 Bis zum Winter 1939/40 billigte der Reichskirchenminister die FA-Maßnahmen. Dann entschloss er, die Rahmenbedingungen für die FA-Entscheidungen im Personalwesen zu ändern: die Finanzabteilung solle künftig von der Einholung von Reversen absehen.459 Als diese an ihrer Praxis festhielt,460 musste Stahn im März 1940 genervt abermals verlangen, dass von „diesen unglückseligen Revers“ abzusehen sei, denn die „Finanzabteilung ist überhaupt nicht zuständig dafür, sich solche Erklärungen dieses Inhalts abgeben 453 Vordruck in LkAKA GA Nr. 7477. Dieser Wortlaut wurde bis Anfang 1940 verwendet, anschließend eine entschärfte Fassung. Diese findet sich in BArch R 5101 / 23987 (Quellen IV, 275). 454 Vgl. zu dem ganzen Prozedere die zahlreichen Einzelfälle in BArch R 5101 / 23780; BArch R 5101 / 23781; außerdem zusammenfassend den FA-Vermerk vom 25. 6. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477; Quellen IV, 194). 455 Vgl. nur Kühlewein an Reichskirchenminister vom 10. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 456 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 8. 5. 1940 (ebd.). 457 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 25. 4. 1940 (ebd.). 458 Vgl. bes. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 7. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 80 – 84); Kühlewein an Reichskirchenminister vom 14. 1. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 459 Vgl. Reichskirchenminister an FA- und EOK-Baden vom 14. 2. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 460 Vgl. Doerr an Stahn vom 12. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 110 f.).

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Badens

zu lassen, zumal eine solche Erklärung garnichts besagt, denn es kommt nur auf die Haltung an und über diese entscheidet letztlich die Partei.“461 Erst im Oktober 1940 beugte sich die Finanzabteilung endgültig und bei allen Personalmaßnahmen dieser Anweisung.462 Im April 1940 hatte der Reichskirchenminister außerdem angeordnet, dass der Protest von 1938 als überholt anzusehen sei;463 er durfte kein Kriterium bei der FA-Zustimmungserteilung mehr bilden. Bis Oktober 1940 hatte der Reichskirchenminister damit bereits zwei Vorgaben der Finanzabteilung überholt. Dann implementierte er weitere Einschränkungen:464 Bei der Versetzung nichtständiger Vikare, wegen Vertretungen häufig eilbedürftig, sollte die Finanzabteilung zur Beschleunigung des Geschäftsganges nicht mehr mitwirken. Staatspolitische Beurteilungen der Gestapo sollten nicht mehr bei allen Personalmaßnahmen, sondern nur noch bei der Pfarrstellenbesetzung eingeholt werden – und zwar in möglichster Beschleunigung. Stahn ging dabei davon aus, dass zu den meisten Pfarrern bereits frühere politische Beurteilungen vorlägen. Er stellte es der Finanzabteilung zudem frei, zu Pfarrern unabhängig von einem Anlass vorsorglich politische Beurteilungen einzuholen, damit diese im Bedarfsfall nicht erst mühsam angestrengt werden müssten.465 Gleichzeitig waren politische Bedenken der Gestapo, oder „aus anderer einwandfreier Quelle“466, der einzige zulässige Grund für die Finanzabteilung, ihre Zustimmung bei der Pfarrstellenbesetzung zu versagen. In solchen Fällen mussten allerdings die Bedenken der Kirchenleitung im Einzelnen mitgeteilt werden, damit diese sie im Zweifelsfall ausräumen könne.467 Die FA-Bescheide konnten damit angefochten und hinterfragt werden, die Finanzabteilung musste ihre Entscheidungen substanziieren und untermauern können. Diese Auskunftspflicht war hochproblematisch für die Finanzabteilung, denn zum Teil erfuhr sie von der Gestapo gar keine näheren Begründungen. Vor allem aber befürchtete sie, nicht unberechtigt, „daß es jede vertrauensvolle Zusammenarbeit der Finanzabteilung mit den staatlichen Dienststellen zerstören würde, wenn die Feststellungen staatlicher Stellen, wie 461 Stahn an Doerr vom 9. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23987, Bl. 78). 462 Am 14. Oktober 1940 hatte der Reichskirchenminister unzweideutig verfügt: „Von der Anforderung von Reversen jeder Art hat die Finanzabteilung abzusehen.“ BArch R 5101 / 23781, Bl. 76 – 79, hier Bl. 79. 463 Siehe oben 441. 464 Vgl. Erlass vom 14. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 76 – 79); Vermerk Stahns und Dieckmanns vom 9. 10. 1940 (ebd., Bl. 205 – 219); FA-Vermerk vom 7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477); Vermerk Friedrichs vom 7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 281 f.). 465 Vgl. FA-Vermerk vom 7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477); FA-Baden an EOK vom 20. 12. 1940 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 287). 466 Erlass vom 14. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 76 – 79, hier Bl. 79). 467 So schon die Anordnung des Reichskirchenministers an FA- und EOK-Baden vom 3. 1. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477).

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 477 z. B. diejenigen der Geheimen Staatspolizei, nochmals einer Nachprüfung durch die Kirchenbehörde unterworfen werden könnten.“468

Außerdem würde sich der Geschäftsgang verkomplizieren und verzögern, wenn um die politischen Beurteilungen derartige Auseinandersetzungen geführt werden müssten. Doch die Absicht des Reichskirchenministers war klar : Die Personalentscheidungen sollten wieder weitgehend frei bei der Kirchenleitung liegen, die Finanzabteilung sollte keine kirchenpolitischen Kriterien mehr anlegen. Die Finanzabteilung beklagte die Entwicklungen des Jahres 1940: Es werde ihr durch die Regelungen des Ministers „außerordentlich schwer gemacht, Kandidaten und Pfarrer, welche als staatspolitisch unzuverlässig anzusehen sind, aus kirchlichen Ämtern fernzuhalten.“469 Für den Evangelischen Oberkirchenrat war die Regelung aus dem Oktober 1940 dennoch unbefriedigend, denn ein Einspruchsrecht wegen staatspolitischer Bedenken hielt er nicht für gerechtfertigt. Er argumentierte, im Kirchenvertrag von 1932 sei ein solches Einspruchsrecht bei der Pfarrstellenbesetzung nicht vorgesehen, zudem sei es nicht „angängig, daß in einigen evangelischen Landeskirchen, in denen Finanzabteilungen bestehen, eine Nachprüfung der staatspolitischen Eigenschaften der Geistlichen erfolgt, während sie in anderen Kirchen, in denen eine Finanzabteilung nicht eingerichtet worden ist, unterbleibt.“470 Es erwies sich bald, dass die Finanzabteilung die Anweisungen des Reichskirchenministers nicht dogmatisch verstand. Auch nach dem Oktober 1940 erwies sie sich als sehr beharrlich, Personalmaßnahmen zu verhindern oder zu verschleppen. Sie missachtete dabei nicht selten die bestehenden Regelungen, verweigerte der Kirchenleitung beispielsweise genauere Angaben bei Zustimmungsverweigerungen, stellte weiterhin bei jeder Versetzung politische Erhebungen an,471 holte reversähnliche Erklärungen ein,472 behauptete ihre Mitwirkungszuständigkeit, wo diese nicht mehr ausgeübt werden sollte,473 oder machte kirchenpolitische Beweggründe für ihre Entscheidungen maßgeblich. In Einzelfällen forderte die Finanzabteilung den Evangelischen Oberkirchenrat sogar zur Versetzung von Pfarrern auf.474 Der Personalbereich 468 Doerr an Reichskirchenminister vom 14. 2. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 469 FA-Vermerk vom 25. 6. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477; Quellen IV, 194). 470 EOK an Reichskirchenminister vom 27. 1. 1941 (LkAKA GA Nr. 7270). Vgl. auch EOK an FABaden vom 28. 6. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 210 f.). 471 Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 29. 5. 1941 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 455). Bei einem Vikar wollte sie sogar aus politischen Gründen die früher erteilte Zustimmung zu einer Versetzung rückgängig machen, vgl. Doerr an Kühlewein vom 15. 8. 1942 (BArch R 5101 / 23972, Bl. 8). 472 Vgl. nur FA-Baden an Pfarrer Kaiser vom 20. 9. 1941 (LkAKA GA Nr. 4900); dazu auch die Beschwerde Kühleweins vom 1. 10. 1941 und die Reaktion des Reichskirchenministers vom 21. 3. 1942 (beide in BArch R 5101 / 23782). 473 Vgl. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 22. 11. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 246); und den zugehörigen Vorgang (ebd., Bl. 247 – 256). 474 Vgl. etwa den Fall von Pfarrer Helmut Bier in Singen, dessen Versetzung letztlich vom

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Badens

blieb damit ein ständiger Unruhefaktor.475 Die Zuständigkeiten wurden bei jedem Schlichtungsgespräch behandelt, allerdings kaum mehr verändert.476 1942 gab das Reichskirchenministerium anlässlich der Besetzung der Pfarrstelle Pforzheim-West für die badische Landeskirche den allgemeinen Grundsatz aus, dass ein kirchenpolitischer Richtungswechsel bei Pfarrerwechseln vermieden werden sollte.477 Wenn also etwa eine bisherige DCPfarrei frei wurde, sollte dort wieder ein Deutscher Christ eingesetzt werden. Die Finanzabteilung konnte ihre Zustimmung zu einer Pfarrstellenbesetzung versagen, wenn sie die Richtlinie verletzt sah. Besonders genau nahm diese den Grundsatz, wenn der scheidende Amtsinhaber den Nationalkirchlern angehört hatte.478 Die Richtlinie gab der Finanzabteilung eine große Freiheit, denn die Definition der kirchenpolitischen Richtung einer Pfarrstelle war stets Auslegungssache – Finanzabteilung und Kirchenleitung kamen hier naturgemäß zu unterschiedlichen Einschätzungen. Die Finanzabteilung nutzte ihren Ermessensspielraum, um zumindest den „Besitzstand“ der Deutschen Christen zu verfestigen. Die Kirchenleitung attackierte die status-quo-Richtlinie, wenn auch erst Ende 1943.479 Die seelsorgerische Betreuung der Gemeinden, so ein Argument des Landesbischofs, sei Angelegenheit der Kirchenleitung; die Finanzabteilung dürfe nicht die kirchenpolitische Richtung von Pfarrern und Gemeinden beurteilen,480 schon gar nicht der FA-Vorsitzende Engelhardt, der sich hierbei durch „Diletantismus [sic] schlimmster Art“ und „Unkenntnis“481 hervortue. Wenn eine Gemeinde einen DC-Pfarrer wünsche, so würde sich die Kirchenleitung trotz aller Bedenken nicht dagegen sträuben und berechtigten Anliegen Rechnung tragen. Aber : „Es widerstreitet jedem Grundsatz evangelischer kirchlicher Ordnung, über den Wunsch und die Bedürfnisse einer Gemeinde hinwegzuschreiten und einer Gemeinde einen Pfarrer aufzudrängen, der nach seiner ganzen lehrmässigen Ausrichtung und kirchlichen Haltung im Gegensatz zum Bekenntnisstand der Landeskirche

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Reichskirchenminister zurückgewiesen wurde, Vorgang in BArch R 5101 / 23961; siehe auch unten 494 f. Anm. 591. Vgl. die zusammenfassenden Klagen des EOK beim Reichskirchenminister vom 11. 1. 1943 (BArch R 5101 / 23782); Kühlewein an Reichskirchenminister vom 3. 1. 1944 (ebd.). Vgl. Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (ebd.). Vgl. den Vorgang in BArch R 5101 / 23987; ferner entsprechendes Material in LkAKA 2.0. Nr. 3396. In Pforzheim selbst wurde die Vorgabe letztlich doch nicht umgesetzt. Vgl. Kühlewein an LKA-Hannover vom 16. 3. 1944 (LkAKA GA Nr. 4900). Vgl. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 18. 11. 1943 (BArch R 5101 / 23782); außerdem zum Folgenden: EOK an FA-Baden vom 20. 5. 1944 (LkAKA GA Nr. 4900). Dies sei ein „inquisitorisches Verfahren“, Kühlewein an Reichskirchenminister vom 5. 2. 1944 (BArch R 5101 / 23782). Ebd.

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 479 und der ihm zuzuweisenden Gemeinde steht […] [,] nur deshalb, weil der abgegangene Pfarrer zufällig den Deutschen Christen angehört hat.“482

Kühlewein versuchte daher, im Einzelfall nachzuweisen, dass beim Weggang eines DC-Pfarrers ein entsprechender Nachfolger von der Mehrheit in der Gemeinde nicht gewünscht würde.483 In der Praxis war der Effekt der reichskirchenministeriellen Vorgabe, die eigentlich Sicherheit hatte geben sollen, häufig verheerend. Die Debatten über die kirchenpolitische Richtung der Pfarrer verunsicherten die Gemeinden selbst da, wo solche Fragen vorher gar nicht relevant gewesen waren. Das Reichskirchenministerium aber blieb bei der status-quo-Richtlinie.484 Gleichwohl betonte Haugg bei den Besprechungen im März 1944, die vordringliche Aufgabe der Finanzabteilung sei die politische Zuverlässigkeitsüberprüfung, die Einordnung der Geistlichen „nach bekenntnismäßigen Gesichtspunkten müsse dagegen mit Vorsicht betrieben und möglichst vermieden werden.“485 Die Richtlinie sollte also nicht überstrapaziert werden. Konnte die status-quo-Regelung einmal nicht eingehalten werden, so war zumindest eine Minderheitenversorgung für die Deutschen Christen zu installieren.486 Gezielt setzte die Finanzabteilung mit ihren Maßnahmen bei dem geistlichen Nachwuchs an. Die Vergabe von Stipendien an Studenten der Theologie zog sie 1938 an sich.487 Der Evangelische Oberkirchenrat protestierte zwar,488 doch der Reichskirchenminister entschied, dass die Bewilligung von Stipendien „eine unmittelbare Verfügung über kirchliche Gelder“489 darstelle und somit die Finanzabteilung zuständig sei. Da die Finanzabteilung die Vermögensverwaltung der Landeskirche selbst führte, konnte sie auch die Stipendienvergabe für sich beanspruchen.490 Mit der Kirchenleitung war in dieser Frage lediglich noch Fühlung zu halten. Die Finanzabteilung konnte nun frühzeitig auf die Theologiestudierenden einwirken, denn zur Voraussetzung für die

482 Kühlewein an Reichskirchenminister vom 27. 1. 1944 (ebd.). 483 Vgl. Kühlewein an FA-Baden vom 26. 2. 1944 (LkAKA GA Nr. 4900). 484 Vgl. Reisebericht Hauggs vom 23. 3. 1944 (BArch R 5101 / 23782); Protokoll Redeckers vom 20. 3. 1944 zur Schlichtungsreise am 7. / 8. 3. 1944 (EZA 1/1611); auch die Fälle etwa in Kehl, Mannheim oder Heidelberg in BArch R 5101 / 23782. Vgl. zu Heidelberg auch Heidel, Kampf, 335 – 337. 485 Protokoll Redeckers vom 20. 3. 1944 zur Schlichtungsreise am 7. / 8. 3. 1944 (EZA 1/1611). 486 Vgl. Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (BArch R 5101 / 23782), wo ein solcher Fall in Pforzheim geregelt wurde. Vgl. auch Protokoll Redeckers vom 20. 3. 1944 zu Besprechungen am 7. / 8. 3. 1944 (EZA 1/1611). 487 Vgl. Geschäftsverteilungsplan 1938 (LkAKA GA Nr. 9051); FA-Baden an EOK vom 8. 10. 1938 (LkAKA GA Nr. 7395); Doerr an Cölle vom 16. 1. 1939 (ebd.). 488 Vgl. EOK an Reichskirchenminister vom 18. 11. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 410 f., hier Bl. 410). 489 Erlass vom 3. 1. 1939 (LkAKA GA Nr. 7279). 490 Vgl. auch Cölle an Kretzschmar vom 27. 5. 1942 (LkAKA GA Nr. 7395).

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Bewilligung von Stipendien machte sie, dass die Bewerber „vorbehaltlos auf dem Boden des nationalsozialistischen Staates stehen“491. Die Übernahme von geprüften Theologiestudenten als Pfarrkandidaten in den Dienst der Landeskirche beobachtete die Finanzabteilung besonders genau, denn hier sah sie eine Zukunftsentscheidung. Sie war überzeugt, den Kandidaten sei „völlig das Rückgrat gebrochen“492, weil sie ihres späteren Auskommens wegen gezwungen wären, die kirchenpolitische Ausrichtung der Kirchenleitung anzunehmen. Nationalkirchliche Kandidaten würden vergrault.493 Dem wollte sie entgegenwirken. Im Herbst 1938 hatte sie daher angefangen, die Kandidaten massiv unter Druck zu setzen; sie machte für eine Aufnahme in den Dienst der Landeskirche die Unterzeichnung eines Reverses zur Pflicht.494 Hinzu kam eine obligatorische politische Zuverlässigkeitsüberprüfung,495 außerdem war ein „Ariernachweis“ erforderlich. Doch damit nicht genug: Nach Meinung der Finanzabteilung reichte nicht „die sog. nationale Einstellung, auch nicht lediglich […] die politische Zuverlässigkeit der Kandidaten.“496 Sie wollte auch die Übernahme solcher Kandidaten ablehnen, die „sich schon bisher vollständig und einseitig im Fahrwasser der sog. Bekenntnisfront hielten und zu der begründeten Befürchtung Anlaß geben, daß sie im Dienste unserer Landeskirche nicht der Befriedung und Überbrückung der Gegensätze, sondern zu deren Verschärfung beitragen werden.“ Ihr erschien „die Versagung der Zustimmung hinsichtlich der zur scharfen Richtung der Bekenntnisfront gehörigen Theologiekandidaten zurzeit und auch in Zukunft als das einzige geeignete Mittel, den Oberkirchenrat zu einer gleichmäßigen und gerechten Behandlung der Kandidaten, ohne Unterscheidung ihrer kirchenpolitischen bezw. theologischen Richtung oder Hinneigung, zu veranlassen.“

So unverhohlen trat das kirchenpolitische Motiv der Finanzabteilung selten hervor, es wurde nicht einmal versucht, es zu kaschieren. Doch der Reichskirchenminister ließ sich darauf nicht ein. Die Finanzabteilung durfte ihre Zustimmungserteilung nur von staatspolitischen Bedenken abhängig machen.497 Kühlewein, der für die Übernahme der Kandidaten zuständig war, hatte 491 GVBl., 1940, 7 f., hier 7. Bis Oktober 1940 wurde daher ein entsprechender Revers von den Interessenten eingeholt, vgl. ebd., 1939, 81, 143 f.; ebd., 1940, 7 f., 15, 74 f., 108 f.; ebd., 1941, 26 f. 492 Lang an DEKK vom 28. 6. 1939 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 260 – 263, hier Bl. 261; Quellen IV, 267 – 269). 493 Vgl. FA-Baden an Albrecht vom 6. 1. 1939 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 320 f.). 494 Vgl. auch die FA-Anforderungen an die Kandidaten aus dem Mai 1939 (LkAKA 150.011 Nr. 27; Quellen IV, 262; Quellen V, 158 – 160). 495 Vgl. FA-Baden an Gaupersonalamtsleiter Karlsruhe vom 4. 11. 1938 (LkAKA GA Nr. 7084). 496 FA-Baden an Albrecht vom 6. 1. 1939 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 320 f.), daraus auch die folgenden Zitate. 497 Vgl. RKM-Vermerk aus dem Februar 1939 (ebd., Bl. 330).

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keine Handhabe, die Mitwirkung der Finanzabteilung ganz zu umgehen und riet den Kandidaten daher zur Kooperation.498 Der Landesbruderrat hingegen fürchtete um den Nachwuchs und versuchte erfolglos, Kühlewein zu einem härteren Kurs in der Sache zu bewegen499 und die Kandidaten von der Unterzeichnung von Reversen abzuhalten.500 Im Herbst 1938 waren die ersten Kandidaten von den Anforderungen der neuen Finanzabteilung betroffen. Die Finanzabteilung verweigerte bei fünf von ihnen die Zustimmung zur Übernahme in den Dienst der Landeskirche gänzlich, bei zahlreichen anderen Kandidaten zögerte sich die Aufnahme teilweise monatelang hinaus. Es ergaben sich harte Auseinandersetzungen um die fünf strittigen Kandidaten, da die Kirchenleitung auf deren Übernahme beharrte. Auf Druck des Reichskirchenministeriums erklärte sich die Finanzabteilung schließlich bereit, die Kandidaten aufzunehmen, wenn diese einen Revers unterzeichneten.501 Auch 1939/40 kam es noch teilweise zu erheblichen Verzögerungen bei der Aufnahme von Pfarrkandidaten.502 Die meisten Befugnisse der Finanzabteilung auf dem Personalsektor bezogen sich auf Operationen der Kirchenleitung. Sie selbst konnte keine Maßnahmen veranlassen, sondern immer nur reagieren. Dies empfand die Finanzabteilung als Mangel. Anfang 1939 unternahm sie daher einen ersten Vorstoß, in eine 498 Vgl. Rundschreiben Kühleweins an die Kandidaten vom 22. 10. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239; Quellen IV, 241). 499 Vgl. Landesbruderrat an Landesbischof vom 17. 10. 1938 (LkAKA GA Nr. 9075); eindringlich auch Dürr an Landesbischof vom 21. 10. 1938 (LkAKA 150.011 Nr. 12, Bl. 17). 500 Vgl. zu der Angelegenheit: Ebd., Bl. 9 – 11, 17, 126; LkAKA 150.011 Nr. 27. 501 Vgl. hierzu vor allem Kühlewein an FA-Baden vom 25. 11. 1938 (LkAKA GA Nr. 7084); FABaden an Kühlewein vom 30. 11. 1938 (ebd.); Kühlewein an FA-Baden vom 21. 12. 1938 (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 256); Kühlewein an Reichskirchenminister vom 14. 1. 1939 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 328; Hermelink, Kirche, 438 f.); FA-Baden an Albrecht vom 6. 1. 1939 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 320 f.; Quellen IV, 257 f.); RKM-Vermerk aus dem Februar 1939 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 330); außerdem Frisch, Einsetzung, 78 f.; Klausing, Baden, 238 – 240; insgesamt LkAKA GA Nr. 7084. 502 Aufgegriffen sei hier nur der Fall des Kandidaten Rudolf Deuchler, der 1939 als Pfarrkandidat in den Dienst der Landeskirche aufgenommen werden sollte. Zu dem Fall liegen in Quellen V, 161 – 167, einige Dokumente vor, allerdings fehlt der Abschluss der Angelegenheit. Die Finanzabteilung hatte die Übernahme Deuchlers aufgrund einer staatspolitischen Beurteilung der Gestapo abgelehnt. Daneben hatte sie einiges gegen Deuchler zusammengetragen: seine BK-Orientierung, seine Nähe zum geächteten Karl Barth, Vermutungen über engere Beziehungen zu einer jüdischen Familie, Verstöße gegen das Heimtückegesetz (die allerdings aufgrund von Amnestieverfügungen nicht weiter verfolgt wurden) und seine Missachtung von „rassischen“ Gesichtspunkten. Der Fall musste im Oktober 1940 an das Reichskirchenministerium gegeben werden, da der Evangelische Oberkirchenrat an Deuchler festhielt. Dieses entschied am 15. November 1940, dass die Finanzabteilung der Aufnahme Deuchlers zustimmen solle, wenn dieser eine Erklärung abgebe, dass er keinerlei Beziehung zu Barth oder dessen Sekretärin unterhalte. Dies tat er, so dass die Finanzabteilung am 9. Dezember 1940 der Ernennung Deuchlers zum Pfarrkandidaten zustimmen musste. Vgl. zu der Angelegenheit: BArch R 5101 / 23781, Bl. 335 – 352.

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aktivere Rolle zu kommen. Sie wollte ersatzweise für den Landesbischof Pfarrstellenbesetzungen vornehmen dürfen, wenn dieser dabei eine bestimmte Frist verstreichen lasse. Hintergrund war die Praxis des Landesbischofs, Pfarrstellen unbesetzt zu lassen, wenn die Finanzabteilung ihre Zustimmung zu seiner Wunschbesetzung verweigert hatte. Der wegen des fehlenden Pfarrers in den betroffenen Gemeinden entstehende Unmut fiel dann auf die Finanzabteilung zurück. Der FA-Vorstoß in dieser Sache scheiterte am Reichskirchenminister.503 1939/40 arbeitete die Finanzabteilung dann auf eine Änderung des Pfarrstellenbesetzungsverfahrens hin, das seinerzeit ohnehin neu geregelt werden musste.504 Sie schlug folgendes Verfahren vor: Die Finanzabteilung solle aus den Bewerbern für eine Pfarrstelle eine Auswahl treffen, diese ausgewählten Kandidaten dem Landesbischof vorschlagen und dieser dann die endgültige Besetzung vornehmen.505 Die Finanzabteilung wäre entscheidend und unmittelbar an der Pfarrstellenbesetzung beteiligt gewesen. Sie begründete ihre Forderungen damit, dass die Kirchenleitung bei der Pfarrstellenbesetzung BK-Geistliche bevorzuge;506 außerdem würden bei dem bisherigen Verfahren die Kirchengemeinden nicht ausreichend beteiligt. Die Finanzabteilung sah darin geradezu eine „Diktatur des Priesterelementes“507 und den Ausdruck „klerikalen Machtstrebens“508. Die Finanzabteilung hingegen wäre ein Garant für eine unabhängige, neutrale, freie Pfarrstellenbesetzung zum Wohle und nach den Wünschen der Gemeinden.509 Es kam nicht zu der gewünschten Änderung. Die Pfarrstellenbesetzung wurde Ende 1940 neu geregelt; sie verblieb in der Zuständigkeit des Landesbischofs, allerdings wurden die Rechte des Kirchengemeinderates gestärkt.510 503 Vgl. zu dem Vorgang: BArch R 5101 / 23779, Bl. 317 – 319. 504 Die gesetzliche Grundlage des bisherigen Prozederes lief aus und die Finanzabteilung widersetzte sich einer Verlängerung. Seit 1933 lag die Pfarrstellenbesetzung beim Landesbischof, der die Pfarrer ernannte (Gesetz vom 1. 6. 1933, GVBl., 1933, 69 f.) – die in der Kirchenverfassung vorgesehene Gemeindewahl war hierdurch abgelöst worden. Das Verfahren hatte noch näher ausgestaltet werden sollen, was aber bis 1939 nicht erfolgt war. Siehe die immer wieder verlängerte Interimsregelung vom 19. 9. 1933 (ebd., 123). 505 Vgl. Lang an DEKK vom 28. 6. 1939 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 260 – 263; Quellen IV, 267 – 269). 506 Lang an Richter vom 14. 6. 1939 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 257 f., hier Bl. 258). 507 Lang an DEKK vom 28. 6. 1939 (ebd., Bl. 260 – 263, hier Bl. 262; Quellen IV, 267 – 269). 508 Doerr an DEKK vom 31. 1. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 276 – 280, hier Bl. 280). 509 Diese Argumentation veranlasste Kühlewein zu der zusammenfassenden Replik: „Also: Was die Kirchenleitung tut, ist von vornherein und unter allen Umständen zu verwerfen. Was die Finanzabteilung tut, ist unter allen Umständen gerecht und sachgemäss. Die Finanzabteilung allein kann auch die geistlichen Bedürfnisse der Gemeinde beurteilen. Wozu dann überhaupt noch eine geistliche Kirchenleitung? Man sehe zu, wohin auf diesem Weg das kirchliche und geistliche Leben der Gemeinden gerät.“ Kühlewein an FA-Baden vom 2. 8. 1939 (ebd., Bl. 274 f., hier Bl. 275). 510 Die bisherige Regelung zur Pfarrstellenbesetzung war noch bis zum 31. Dezember 1940 verlängert worden. Am 9. Dezember 1940 erschien schließlich die von Kirchenkanzlei und

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Die Finanzabteilung machte sich die Änderung zunutze, indem sie ihre Zustimmung zu einer Pfarrstellenbesetzung dann versagte, wenn sie glaubte, dass die Kirchenleitung die Gemeindeanliegen übergehe, also etwa den dort verbreiteten Wunsch, von einem DC-Pfarrer betreut zu werden. Sie konnte allerdings zu keinem Zeitpunkt die Pfarrstellenbesetzung direkt erzwingen. Im Oktober 1940 verfügte der Reichskirchenminister, die Finanzabteilung solle endgültig ihre Bemühungen einstellen, ihren Einfluss auf die Pfarrstellenbesetzung auszubauen.511 So unternahm erst Engelhardt im Juni 1944 den nächsten Versuch, die FABefugnisse bei der Pfarrstellenbesetzung grundlegend zu erweitern. Er plante eine rechtsverbindliche Anordnung, die es der Finanzabteilung ermöglicht hätte, die Freigabe von Pfarrstellen an bestimmte Auflagen und Bedingungen zu knüpfen. Auch sollte es ihr erlaubt sein, die Freigabe später unter bestimmten Bedingungen zu widerrufen.512 Die Kirchenleitung wehrte sich erbittert und empfand die Pläne als „Ungeheuerlichkeit“513, auch der Geistliche Vertrauensrat schaltete sich ein. Der Engelhardt’sche Vorschlag schlug in Berlin hohe Wellen und wurde dort allseits als unpassend empfunden, denn die allgemeine kirchenpolitische Lage war ohnehin schon angespannt. Cölle, in der Sache eigentlich auf Engelhardts Seite, ließ ihn wissen, dass er „zurzeit neue grundsätzliche Differenzen grösseren Umfangs gern vermeiden möchte.“514 Auch ein Vermerk aus dem Reichskirchenministerium aus dem August 1944 hielt fest, „daß es recht mißlich war, daß die badensche Finanzabteilung ohne jede vorherige Fühlungnahme mit uns oder der Finanzabteilung bei der DEK in solcher wichtigen Angelegenheit, die eine Änderung des gesamten Pfarrstellenbesetzungsmodus plötzlich mitten im 5. Kriegsjahr mit sich bringt, einen so weittragenden Entwurf aufzustellen [sic]. Dr. Cölle hat Dr. Engelhart [sic] inzwischen in dieser Sache Zurückhaltung anempfohlen.“515

Die Sache verlief im Sande.

511 512 513 514 515

Geistlichem Vertrauensrat vermittelte neue Regelung in Form eines Vorläufigen Gesetzes (GVBl., 1940, 117 f.). Vgl. insgesamt zu dem Vorgang: EZA 1/1435; BArch R 5101 / 23781, Bl. 257 – 295; Friedrich, Entwicklung Badens, 325 f.; Meier, Kirchenkampf III, 438; Stçssel, Kirchenleitung, 28 f. Vgl. Erlass vom 14. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 76 – 79); Reisebericht Stahns und Dieckmanns zu den Besprechungen am 3.–5. 10. 1940 (ebd., Bl. 205 – 219, hier Bl. 217). Vgl. das entsprechende Material in BArch R 5101 / 23783. Der Anordnungsentwurf findet sich in LkAKA 043, Dekanat Müllheim, Nr. 48 (Quellen IV, 291 – 294). Vgl. auch die Erläuterungen Friedrichs zu dem Entwurf (ebd., 294 – 296); und Friedrich, Entwicklung Badens, 326 f. Protokoll der EOK-Sitzung vom 13. 6. 1944 (LkAKA GA Nr. 4791). Cölle vertraulich an Engelhardt vom 13. 7. 1944 (BArch R 5101 / 23783). Ebd.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Badens

3.6.2. Finanzabteilung und Deutsche Christen: Minderheitenpolitik in eigener Sache Nicht nur im Personalwesen bewies die Finanzabteilung ihr Wohlwollen für die Deutschen Christen. Sie förderte jene auch finanziell und engagierte sich in der Minderheitenversorgung. Sie meinte, die Kirchenleitung würdige die DC-Minderheitenanliegen nicht ausreichend und berief sich bei ihrer DCUnterstützung auf den Toleranzgedanken.516 Sie meinte, damit der Sache der Kirche zu dienen: „Wir wollen alle, daß die Kirche dem Volke erhalten wird und daß sie eine Volkskirche wird und bleibt; wir fürchten aber, daß, wenn die Methode des badischen Evang. Oberkirchenrats noch lange angewendet wird, die evangelische Kirche den Boden im Volke verliert. Unter der furchtbaren Intoleranz des Evang. Oberkirchenrats leiden viele treue Kirchenglieder, nicht etwa bloß wir in der Finanzabteilung oder die ,Deutschen Christen‘.“517

Toleranz im Sinne der badischen Finanzabteilung bedeutete indes keine Gleichbehandlung aller kirchenpolitischen Gruppierungen, sondern eine einseitige Bevorzugung der Deutschen Christen, insbesondere der Nationalkirchlichen Einung. Der Reichskirchenminister billigte die FA-Aktivitäten, solange sie nicht ausuferten und vor allem nicht zu augenfällig wurden. Er befürwortete etwa eine finanzielle Bezuschussung der DC-Minderheitenanliegen, denn auch die Deutschen Christen würden schließlich Kirchensteuern leisten.518 Die Finanzabteilung konnte daher aus landeskirchlichen Mitteln der Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistischer Kirchenleiter, einem Verbund von DC-Kirchenleitern,519 1939 einen Betrag von 15 000 RM zur Verfügung stellen.520 Weitere kleinere Beträge machte sie für andere DC-Anliegen außerhalb Badens frei.521 Daneben stützte sie, etwa mit Kollektenmitteln, badische DC-Organisationen,522 ferner auch die ausgedehnte Reisetätigkeit des DC-Landesleiters Kiefer.523 516 517 518 519 520

Vgl. Doerr an Reichskirchenminister vom 8. 5. 1940 (BArch R 5101 / 23780). Doerr an Stahn vom 12. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 110 f., hier Bl. 111). Vgl. Reisebericht Stahns und Dieckmanns vom 9. 10. 1940 (ebd., Bl. 205 – 219). Vgl. Meier, Kirchenkampf III, 96 – 100. Vgl. zu dem Vorgang: LkAKA GA Nr. 7286; BArch R 5101 / 23780; Kissener, Landeskirche, 25; Friedrich, Entwicklung Badens, 329 f.; Quellen IV, 270 f. 521 So 600 RM für die Arbeit an einem neuen Gesangbuch, vgl. das entsprechende Material in LkAKA GA Nr. 7342; außerdem Kissener, Landeskirche, 25. 522 Siehe unten 503. 1938 leistete die Finanzabteilung etwa für Schulungsarbeiten von Professor Odenwald, einem gemäßigten Deutschen Christen, einen Zuschuss von 200 RM, vgl. den Vorgang in BArch R 5101 / 23779, Bl. 128 – 130. Der Nationalkirchlichen Einung war die Finanzabteilung bei der Finanzierung einer Hilfskraft

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Die Minderheitenversorgung in der badischen Landeskirche war vor allem durch die Paragraphen 57 und 58 der Kirchenverfassung von 1919 geregelt:524 Eine Minderheitenversorgung war danach möglich, wenn eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern einer Kirchengemeinde einen entsprechenden Antrag stellte. Der Evangelische Oberkirchenrat prüfte und entschied solche Anträge. Die Finanzabteilungen erhielten erst durch Muhs’ Erlass vom 3. September 1938 eine Funktion in der Minderheitenversorgung.525 Am 21. Oktober 1938 gab die badische Finanzabteilung bekannt, wie die landeskirchliche Minderheitenversorgung fortan auf Grundlage der Kirchenverfassung und des Erlasses konkret durchgeführt werden sollte.526 Sie kündigte an, sich „aller Fälle der Minderheitenversorgung“ anzunehmen: Wo der Oberkirchenrat eine Minderheitenversorgung angeordnet habe, werde sie „dafür […] sorgen, daß die Anordnung, soweit vermögensrechtliche Belange berührt werden, ordnungsmäßig durchgeführt wird“. Die Benutzung der Kirchengebäude durch Gemeinde und Minderheit sollte vor Ort der Kirchengemeinderat oder, wo vorhanden, der FA-Bevollmächtigte regeln. Sollte es bei der Umsetzung von EOK-Anordnungen Probleme geben, werde die Finanzabteilung in den betreffenden Gemeinden Bevollmächtigte einsetzen. Wenn die Kirchenbehörde es ablehne, eine Minderheitenregelung zu treffen, „etwa weil sie einseitig die Interessen einer kirchlichen Gruppe“ unterstütze, werde die Finanzabteilung die Regelung selbst vornehmen. Mit dieser Interpretation der FA-Rolle bei der Minderheitenversorgung befand sich Lang genau auf der von Muhs vorgegebenen Linie. Der Evangelische Oberkirchenrat hatte grundsätzlich Bedenken gegen DCAnträge auf Minderheitenversorgung. Er betrachtete die Nationalkirchliche Einung nicht als legitime kirchliche Gruppierung; sie stehe vielmehr in „schroffem Gegensatz“527 zur lehrmäßigen Kirche. Am besten sei daher eine völlige Trennung von den Nationalkirchlern, denn „im Raum der Evang. Kirche […] ist für sie ein Platz nicht vorhanden.“528 „Der Umstand, daß ein Kirchenglied Kirchensteuern zahlt, gibt ihr [sic] nicht das Recht, eine im Widerspruch zu den lehr- und rechtmässigen Grundlagen der Kirche stehende Versorgung zu erhalten.“529 Eine gesetzmäßige Minderheitenversorgung auf-

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zur Durchführung der nationalkirchlichen Frauenarbeit oder auch mit Zuschüssen zu Tagungen behilflich, vgl. Kiefer an Landesbischof Schultz vom 14. 5. 1940 (LkAS (03.06.02.) V 41). Vgl. etwa EOK an Reichskirchenminister vom 28. 11. 1942 (LkAKA GA Nr. 4900); Wennemuth, Kiefer, 486, 490 f.; Ders., Mannheim, 410. Beilage GVBl. vom 31. 12. 1919, 10 (Quellen IV, 335 f.). HStAH Hann. 122a Nr. 3619, Bl. 193 – 195 (Dokumente IV, 228 f.). Siehe auch oben 107 f. GVBl., 1938, 114 f., daraus auch die folgenden Zitate. EOK an Reichskirchenminister vom 28. 11. 1942 (LkAKA GA Nr. 4900). Ebd. EOK an Reichskirchenminister vom 27. 1. 1941 (LkAKA GA Nr. 7270). Später argumentierte der Oberkirchenrat einmal, selbst in einem Verein könne man aus seiner Beitragsleistung nicht

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grund der einschlägigen Bestimmungen, so die Schlussfolgerung des Evangelischen Oberkirchenrates, könne bei dieser Lage nicht angewendet werden.530 Dennoch bewilligte er zuweilen DC-Anträge, basierend aber auf Paragraph 9 der Kirchenverfassung. Hiernach konnten Kirchen für „besondere Zwecke“ und „[a]ußerordentliche Wünsche“ zur Verfügung gestellt werden.531 Nach seiner Lesart gab der Oberkirchenrat also nicht einem berechtigten Anspruch einer kirchlichen Minderheit nach. Es war eher eine Gefälligkeit, um Schwierigkeiten zu vermeiden und die Finanzabteilung von Bevollmächtigtenbestellungen abzuhalten. BK-Anträge auf Minderheitenversorgung wurden von der Kirchenleitung zumeist letztlich bewilligt – hier opponierte die Finanzabteilung.532 Insgesamt war der Evangelische Oberkirchenrat der Auffassung, den Deutschen Christen hinreichend Gelegenheit zur Minderheitenversorgung zu bieten.533 Die Finanzabteilung beurteilte die Minderheitensituation anders, zumal sie oft von den unzufriedenen Deutschen Christen, besonders den Nationalkirchlern, eingeschaltet wurde. Sie ging davon aus, dass auch die Nationalkirchler ein Recht auf eine kirchliche Minderheitenversorgung hätten.534 Daher ordnete sie, wo sie Bedarf sah, selbst eine solche an. Hierzu setzte sie entweder Bevollmächtigte ein oder nahm die Regelungen selbst zentral von Karlsruhe aus vor.535 Die Anordnungen konnten eine dauerhafte, regelmäßige Minderheitenversorgung zum Inhalt haben oder auch nur die Zurverfügungstellung von Kirchen für bestimmte DC-Feierlichkeiten (wie Konfirmationen) oder Festtage. Zuweilen einigten sich auch Kirchengemeinderäte und DC-Ortsgruppen eigenständig über eine Nutzung der kirchlichen Räumlichkeiten. 1942 verschärften sich die Konflikte in der Minderheitenversorgung: Die Finanzabteilung hatte den Bevollmächtigten in Aussicht gestellt, dass Kirchen der Minderheit auch zur Hauptgottesdienstzeit zur Verfügung gestellt werden

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„von dem Vereinsvorstand eine Einstellung herleiten, die mit den Satzungen und dem Ziel des Vereins nicht in Übereinstimmung“ stünde – wie viel weniger könne dies dann für die Kirche gelten, EOK an Kultusminister vom 2. 11. 1943 (LkAKA GA Nr. 8048) Vgl. beispielhaft EOK an Reichskirchenminister vom 27. 1. 1941 (LkAKA GA Nr. 7270); Landesbischof an FA-Baden vom 23. 10. 1941 (LkAKA SpA Nr. 6106); EOK an Reichskirchenminister vom 28. 11. 1942 (LkAKA GA Nr. 4900). Beilage GVBl. vom 31. 12. 1919, 2 f. Vgl. Wennemuth, Kiefer, 504 Anm. 46; beispielhaft die BK-Minderheitenversorgung in Sankt Georgen: Quellen IV, 352 – 354; und diejenige in Mannheim-Seckenheim: Wennemuth, Mannheim, 428 – 430. Vgl. Reisebericht Stahns und Dieckmanns vom 9. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 205 – 219, hier Bl. 206). Vgl. FA-Baden an Reichskirchenminister vom 2. 2. 1943 (BArch R 5101 / 23782). Vgl. exemplarisch den Ablauf einer Minderheitenregelung für Müllheim im Jahre 1942/43 in LkAKA GA Nr. 7477; ebd. auch weitere Fälle; außerdem den Fall Überlingen in LkAKA SpA Nr. 12436; und zur Mannheimer Minderheitenversorgung: Wennemuth, Mannheim, 407 – 411, 416 – 422, 424 – 430.

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könnten.536 Bis dahin hatte die Finanzabteilung sich bei ihren Regelungen strikt auf die Nebenzeiten beschränkt. Nun aber hatte Cölle aus Hannover vermeldet, dass Haugg dort die Hauptgottesdienstzeit freigegeben habe. Bald erfuhr auch der Evangelische Oberkirchenrat von der neuen Aussicht. Er reagierte scharf, denn es war stets sein Grundsatz gewesen, dass durch die Minderheitenversorgung der gemeindliche Gottesdienst nicht beeinträchtigt werden dürfe; das heißt, für Minderheitengottesdienste kamen nur Nebenzeiten in Frage.537 Er beschwerte sich beim Reichskirchenminister : „Es muß eine Verwirrung und damit Zerstörung der evangelischen Gemeinde zur Folge haben, wenn ihre Glieder den sonntäglichen Gottesdienst nicht mehr in der agendarisch festgelegten Form und mit der nach dem Bekenntnisstand der Landeskirche ausgerichteten Wortverkündigung, sondern etwas ganz anderes, z. T. Gegensätzliches, erhalten.“538

Auch die Finanzabteilung selbst sah indes nur selten den Bedarf, den DCMinderheiten die Kirchen zur Hauptgottesdienstzeit zur Verfügung zu stellen und beschied die meisten entsprechenden DC-Anträge von sich aus abschlägig.539 Anfang Februar 1943 konnte Haugg so in dieser Streitfrage ohne große Schwierigkeiten schlichten: Es solle in Baden dabei bleiben, dass die Minderheitenversorgung zur Nebengottesdienstzeit stattzufinden habe.540 Der Vorstoß der Finanzabteilung, den sie selbst nur mit sehr wenig Nachdruck verfolgt hatte, wurde abgeschlagen. Bald jedoch wechselte der FA-Vorsitz und mit Engelhardt kam frischer Elan in die Sache. Er verfolgte einen schärferen Minderheitenkurs als sein Vorgänger Doerr und nahm neuerlich für die Finanzabteilung in Anspruch, Minderheitengottesdienste auch zur Hauptgottesdienstzeit zu verfügen, wenn das entsprechende Bedürfnis bestehe.541 Er fühlte sich für diesen Vorstoß gewappnet, weil die badische Landesregierung der Finanzabteilung in Minderheitenfragen Rückendeckung gegeben hatte. Der Kultusminister hatte geschrieben: 536 Vgl. FA-Rundschreiben vom 9. 9. 1942 (LkAKA GA Nr. 7424). 537 Vgl. etwa Friedrich an Dekan Barner vom 13. 3. 1940 (LkAKA GA Nr. 2753); EOK an FA-Baden vom 14. 11. 1941 ((LkAKA GA Nr. 7270). 538 EOK an Reichskirchenminister vom 28. 11. 1942 (LkAKA GA Nr. 4900). 539 Strittig war vor allem die Situation in Heidelberg, wo die Finanzabteilung den Deutschen Christen alle 14 Tage eine Kirche zur Hauptgottesdienstzeit zubilligen wollte. Die Finanzabteilung nahm letztlich von selbst wieder von ihrer Entscheidung Abstand, die Wirren sorgten jedoch für einige Besorgnis. Vgl. Pfarrer Hauß an FA-Baden vom 14. 11. 1942 (LkAKA SpA Nr. 3775); FA-Baden an Reichskirchenminister vom 2. 2. 1943 (BArch R 5101 / 23782); Doerr an EOK vom 11. 6. 1943 (LkAKA SpA Nr. 3775); ferner Heidel, Kampf, 334 f. 540 Vgl. Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (BArch R 5101 / 23782); auch FA-Baden an Reichskirchenminister vom 2. 2. 1943 (ebd.); EOK an Reichskirchenminister vom 28. 11. 1942 (LkAKA GA Nr. 4900). 541 Vgl. Engelhardt an Reichskirchenminister vom 4. 8. 1943 (BArch R 5101 / 23782); FA-Rundschreiben an die Bevollmächtigten vom 30. 9. 1943 (LkAKA GA Nr. 1242a).

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„Wenn und solange die Deutschen Christen Mitglieder der Evangelisch-protestantischen Landeskirche sind, haben sie Anspruch darauf, die Räume dieser Kirche mitzubenützen. Die Leitung der Kirche ist daher verpflichtet, ihnen die Benützung der Kirchen zu gestatten. […] Wenn sie dies aber […] ablehnt, […] obwohl sie die Angehörigen der Minderheit weiter als kirchensteuerzahlende Mitglieder führt, dann muss sie zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber der Minderheit angehalten werden.“542

Engelhardt hatte mit seinem Vorstoß Erfolg: aus Berlin kam dieses Mal kein Widerspruch, Einwände des Evangelischen Oberkirchenrates verhallten ungehört.543 Alle drei FA-Vorsitzenden gehörten den Deutschen Christen an. Doerr förderte Deutsche Christen jedweder Observanz (neben den Nationalkirchlern auch die gemäßigten Deutschen Christen Rehm’scher Richtung um Pfarrer Rudolf Hahn, Professor Otto Soellner oder Professor Theodor Odenwald)544, Engelhardt fühlte sich besonders den Nationalkirchlichen Deutschen Christen verbunden. Diese seien, so Engelhardt, „einem positiven Christentum ebenso wie auch dem Deutschtum Adolf Hitlers eng verbunden“ und pflegten eine „völlig staatsbejahende“545 Haltung – damit entsprachen sie seiner persönlichen, „völkischer Frömmigkeit zuneigend[en]“546 Einstellung.547 Die DC-Unterstützung wurde von den entscheidenden Akteuren in der Finanzabteilung mit viel Nachdruck und Beharrlichkeit versehen; propagandistische Hilfe für die Deutschen Christen war für die Finanzabteilung eine „Selbstverständlichkeit“548. Es bestand zu jeder Zeit ein enger Kontakt von Finanzabteilung und der Landesgemeinde der Nationalkirchlichen Einung Deutsche Christen.549 Gleichwohl betonte die Finanzabteilung stets, nur dem Reichskirchenmi-

542 Badischer Kultusminister an FA-Baden und Reichskirchenminister vom 14. 7. 1943 (BArch R 5101 / 23782). 543 Vgl. EOK an Kultusminister vom 2. 11. 1943 (LkAKA GA Nr. 8048); EOK an FA-Baden vom 2. 11. 1943 (ebd.); Kultusminister an EOK vom 15. 11. 1943 (LkAKA GA Nr. 1242a); FARundschreiben an die Bevollmächtigten vom 22. 12. 1943 (ebd.). 544 Vgl. Thierfelder, Landeskirche, 334; Meier, Kirchenkampf III, 439. 545 Engelhardt an Kühlewein vom 31. 1. 1944 (BArch R 5101 / 23782). 546 Kunze, Bedeutung, 196 Anm. 88. 547 Diese Einstellung zeigte sich sehr eindrücklich im Schreiben Engelhardts an Kühlewein vom 15. 2. 1944 (BArch R 5101 / 23782). 548 Lang an EOK vom 19. 10. 1939 (BArch R 5101 / 23780). Es ging in dem Schreiben um die Auslage von DC-Zeitschriften im EOK-Wartezimmer. Vgl. zu dem Vorgang das entsprechende Material in BArch R 5101 / 23780; BArch R 5101 / 23781, Bl. 302 f.; LkAKA GA Nr. 4899. 549 Vgl. Meier, Kirchenkampf III, 437. Kiefer lud beispielsweise am 10. Juni 1939 die FA-Mitglieder zur Jahrestagung der Landesgemeinde ein (LkAKA GA Nr. 7247). Vgl. ansonsten auch die Korrespondenz Doerrs in LkAKA 2.0. Nr. 3396. Auch mit Landesbischof Schultz aus Schwerin pflegte Doerr eine gelegentliche Korrespondenz.

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 489

nisterium verpflichtet und von den Deutschen Christen unabhängig zu sein.550 Das war sie tatsächlich. Der Einfluss der Deutschen Christen um Kiefer und Pfarrer Johannes Friedrich Kölli auf die Finanzabteilung sollte nicht überschätzt werden;551 anders als dies die Kirchenleitung tat. Letztlich waren sie auch nur Bittsteller bei der Finanzabteilung, Anweisungen des Reichskirchenministeriums genossen immer Vorrang. In der Minderheitenversorgung waren DC-Anträge bei der Finanzabteilung keine Selbstgänger, sondern wurden kritisch überprüft.552 Umgekehrt wusste die Landesgemeinde der Nationalkirchlichen Einung um die Unterstützung, die sie der Finanzabteilung zu verdanken hatte, und reagierte höchst alarmiert und verärgert auf die FA-kritische Politik des Reichskirchenministeriums 1939/40. Zu einer möglichen FA-Auflösung schrieb etwa DC-Landesleiter Kiefer im Mai 1940: „Das bedeutet praktisch nicht nur eine völlige Zurückdrängung jeglicher nationalkirchlicher Arbeit der Deutschen Christen in Baden, sondern, was viel schwerer wiegt und ausschlaggebend ist, eine Aufhebung des Toleranzgedankens und in dessen Verfolg der kirchlichen Minderheitenversorgung und Unterstreichung und Betonung des einseitigen Terrorregimentes des BK-mäßig eingestellten ev. Oberkirchenrates in Karlsruhe.“553

Insgesamt vermochte jedoch auch das Eingreifen der Finanzabteilung zugunsten der Deutschen Christen deren schwache und schwächer werdende Position in der Landeskirche nicht zu ändern.

550 Vgl. etwa Lang an Kühlewein vom 7. 8. 1939 (BArch R 5101 / 23780). 551 So auch Wennemuth, Kiefer, 501. 552 Vgl. etwa den Fall Überlingen in LkAKA SpA Nr. 12436. Die Finanzabteilung ordnete hier zwar schlussendlich eine Minderheitenversorgung an, allerdings erst nach längeren Erhebungen. Vgl. ansonsten etwa den Fall Ettlingen, wo die Finanzabteilung von sich aus anregte, aufgrund der geringen Resonanz die Minderheitengottesdienste einzustellen (LkAKA SpA Nr. 2239). Auch als der DC-Landesgemeindeleiter Kiefer anregte, für das Bodenseegebiet einen hauptamtlichen nationalkirchlichen Geistlichen zur Minderheitenversorgung zu bestellen, wurde dies von der Finanzabteilung mit Hinweis auf die „ganz schwache[.] Minderheit in wenigen Gemeinden“ (FA-Baden an Kiefer vom 14. 2. 1941, LkAKA SpA Nr. 5677) abgelehnt, vgl. den Vorgang ebd. 553 Kiefer an Schultz vom 14. 5. 1940 (LkAS (03.06.02.) V 41). Zahlreiche weitere Briefe Kiefers an den mecklenburgischen Landesbischof Schultz zeugen von der entstandenen Erregung. Ende 1939 behauptete Kiefer, „daß, wenn diese Finanzabteilung nicht mehr auf dem Posten wäre, die badische Oberkirchenratsbehörde ein ausschließlich kirchlich reaktionäres Regiment führte und die badische Landeskirche in dem Geist der Bekenntnisfront und damit einer volksfremden Sektiererei verwaltet würde.“ Kiefer an Schultz vom 25. 11. 1939 (BArch R 58 / 5779, Bl. 77).

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Badens

3.6.3. Finanzabteilung und Kirchengemeinden: Einsatz von Bevollmächtigten unter erschwerten Bedingungen Nicht nur die Kirchenleitung war mit FA-Eingriffen konfrontiert. Die Finanzabteilung wurde auch auf der Gemeindeebene aktiv. Sie beanspruchte etwa, an der Ergänzung kirchlicher Körperschaften beteiligt zu werden.554 Es kam ihr hierbei vor allem auf eine politische Überprüfung der Mitglieder der kirchlichen Gemeindevertretungen an, um gewährleisten zu können, „daß Mitglieder von Kirchengemeinderäten und Kirchengemeindeausschüssen keine Personen sind, welche politisch unzuverlässig sind.“555 In zwei Anordnungen aus dem Oktober 1938 ordnete Lang die politischen Kontrollen an.556 Es sollten nicht nur neue Mitglieder kirchlicher Körperschaften überprüft werden, sondern „die Anordnung gilt vielmehr auch bezüglich der bereits im Amt befindlichen Mitglieder kirchlicher Vertretungskörperschaften.“557 Die Anregung zu der Maßnahme hatte Lang von der braunschweigischen Finanzabteilung bekommen, deren Begründung sie auch übernahm.558 Das praktische Vorgehen erwies sich jedoch als schwierig, denn die Parteistellen, mit deren problemloser Kooperation die Finanzabteilung offenbar gerechnet hatte, verweigerten häufig die erwünschten Auskünfte.559 Die Gestapo zeigte sich allerdings auskunftsfreudiger. In den Gemeinden, unter der Pfarrerschaft oder bei der Kirchenleitung rief die FA-Maßnahme nur wenig Aufregung hervor, möglicherweise weil die Überprüfungen sich derart beschwerlich gestalteten.560 Die Finanzabteilung nutzte auch die Möglichkeit, in Kirchengemeinden FABevollmächtigte einzusetzen. Sie tat dies aus verschiedenen Gründen: Häufig stand die Maßnahme im Zusammenhang mit der Protestbewegung. Die Einsetzung eines Bevollmächtigten war gewissermaßen der abschließende 554 Vgl. insgesamt zur Ergänzung kirchlicher Körperschaften in der badischen Landeskirche: LkAKA GA Nr. 7109; zu den Ergänzungswahlen auch BArch R 5101 / 23782; GVBl., 1941, 42 f. 555 Ebd., 1938, 110. 556 Anordnungen vom 7. 10. und 29. 10. 1938 (ebd., 110 und 119). 557 Ebd., 119. 558 Unter dem 20. 9. 1938 war ein diesbezüglicher Schriftwechsel von Hoffmeister und Stahn an die badische Finanzabteilung weitergeleitet worden (LkAKA GA Nr. 7109); siehe auch oben 356 – 358. 559 Vgl. Gaupersonalamtsleiter von Baden an FA-Baden vom 21. 1. 1939 (LkAKA GA Nr. 7109); FA-Baden an Reichskirchenminister vom 27. 1. 1939 (ebd.); FA-Baden an Reichskirchenminister vom 30. 6. 1939 (BArch R 5101 / 23780). Auch der Reichskirchenminister konnte der Finanzabteilung nicht helfen, ihr Interesse gegenüber den Parteistellen durchzusetzen, da die Parteileitung in München Überprüfungen für den kirchlichen Gebrauch ablehnend gegenüber stand. Vgl. Stahn an FA-Baden vom 30. 8. 1939 (BArch R 5101 / 23958, Bl. 185). 560 Vgl. insgesamt die Vorgänge in LkAKA GA Nr. 7109.

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Bestandteil der FA-Disziplinierungsmaßnahmen gegenüber renitenten Kirchengemeinderäten oder Pastoren; es war das ultimative Machtmittel der Finanzabteilung, um ihre Autorität durchzusetzen. Nach der 15. Durchführungsverordnung war ihr Vorgehen in solchen Fällen berechtigt:561 Die Gemeindeorgane handelten der staatlichen und kirchlichen Ordnung zuwider, wenn sie eine ihr übergeordnete Verwaltungsbehörde nicht anerkannten. Eine ordnungsgemäße Verwaltung war unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich, insbesondere, weil die Finanzabteilung diesen Gemeinden die Bearbeitung von Anträgen in Finanz- und Vermögensangelegenheiten verweigerte. Manche Bevollmächtigte sollten vor allem die Minderheitenversorgung in einer Kirchengemeinde regeln.562 Auch in diesen Fällen wurden die Bevollmächtigten jedoch nicht auf diese Aufgabe, die Verfügung über die Kirchengebäude, beschränkt. Das wäre rechtlich abgedeckt gewesen. Stattdessen wurden sie stets uneingeschränkt mit der gesamten gemeindlichen Vermögensverwaltung betraut.563 Ein drittes Motiv für die Einsetzung von Bevollmächtigten war schlicht das Machtkalkül der Finanzabteilung. Frühzeitig sicherte sie sich in den bedeutenden Stadtgemeinden wie Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg oder Pforzheim einen unmittelbaren Einfluss, indem sie Bevollmächtigte installierte. Häufig verquickten sich die verschiedenen Beweggründe im Einzelfall. Die Einsetzung von Bevollmächtigten war in Baden ein recht geläufiges Phänomen. Allerdings machte die Finanzabteilung nur in einem eng umgrenzten Zeitraum von dieser Möglichkeit Gebrauch. Fast alle Bevollmächtigten wurden zwischen Oktober 1938 und Juni 1939 eingesetzt. Nur ein Bevollmächtigter kam nach diesem Zeitpunkt in sein Amt, nämlich im Juni 1942, drei waren davor berufen worden.564 Das Zeitfenster erklärt sich daraus, dass die Bevollmächtigten vornehmlich in Zusammenhang mit der Protestbewegung eingesetzt wurden. Insgesamt erteilte die Finanzabteilung 51 Bevollmächtigungen für 72 Kirchengemeinden (bei insgesamt etwa 500 Kirchengemeinden).565 Vier anvisierte Bevollmächtigte (für fünf Gemeinden) traten 561 Vgl. GBlDEK, 1937, 34. 562 Vgl. FA-Baden an Reichskirchenminister vom 8. 5. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 563 Nach den stets fast gleichlautenden Bestellungen übte der Bevollmächtigte jeweils „in Finanzund Vermögensverwaltungsangelegenheiten [der betreffenden Gemeinde] die auf Grund von Kirchenverfassung, Gesetz und Verordnung den Kirchengemeindevertretungskörperschaften und ihren Vorsitzenden, Ausschüssen und Kommissionen zugewiesenen Befugnisse aus. Er ist an die Weisungen der Finanzabteilung beim Evang. Oberkirchenrat Karlsruhe gebunden.“ Hier der Wortlaut der Bestellung des Bevollmächtigten für Berghausen vom 10. 1. 1939 (GVBl., 1939, 9). Dieser Wortlaut änderte sich von der ersten bis zur letzten Bevollmächtigtenbestellung der Finanzabteilung kaum, der Inhalt gar nicht. 564 Der erste Bevollmächtigte wurde am 29. 6. 1938 in Karlsruhe eingesetzt (ebd., 1938, 79 f.). Vgl. zu den Gründen besonders FA-Baden an EOKvom 27. 6. 1938 und die Antwort vom 29. 6. 1938 (LkAKA SpA Nr. 5208). 565 Die Bevollmächtigungen lassen sich anhand des Gesetzes- und Verordnungsblattes nahezu

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ihre Ämter jedoch nicht an: Zwei verweigerten die Amtsübernahme, weil sie vor ihrer Ernennung nicht informiert worden waren und kein Interesse an der Funktion hatten,566 einer scheute den sofort aufbrechenden Widerstand in der betreffenden Gemeinde und weigerte sich, unter den gegebenen Umständen seinen Dienst aufzunehmen,567 und bei einem Bevollmächtigten stellte sich heraus, dass er der katholischen Kirche angehörte.568 Die Finanzabteilung hätte gerne mehr Bevollmächtigte eingesetzt als letztlich geschehen und die Protestbewegung frühzeitig auf diese Weise bekämpft. Nach einem Vermerk Albrechts aus dem Reichskirchenministerium bestand im August 1938 sogar „die Absicht, die Gemeinden weitgehend mit Finanzbevollmächtigten zu versehen.“569 Es gelang der Finanzabteilung jedoch nicht einmal, in allen protesthaltenden Gemeinden Bevollmächtigte zu installieren, obwohl das Reichskirchenministerium entsprechende Pläne ausdrücklich sanktioniert hatte.570 Sie fand anfangs einfach nicht genügend geeignetes Personal,571 denn die „wirklich brauchbaren Kräfte wünschten sich entweder nicht mit diesen kirchlichen Schwierigkeiten zu belasten oder seien bereits aus Unmut über die bisherigen kirchlichen Zustände aus der Kirche ausgetreten.“572 Erst seit Oktober 1938 stand der Finanzabteilung in größerem Umfang Personal zur Verfügung, doch immer wieder kam es vor, dass sie wegen Personalmangels letztlich auf die Einsetzung eines Bevollmächtigten verzichten musste.573

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lückenlos nachvollziehen. Lediglich die Einsetzung eines Bevollmächtigten, es handelt sich um den Fall in Wertheim, sowie einige Abberufungen und die Beschränkung eines Bevollmächtigten auf die Minderheitenversorgung in der Schlussphase des Krieges sind darin nicht verzeichnet. Ansonsten findet sich eine Liste aller Bevollmächtigungen in LkAKA GA Nr. 9050 (Quellen IV, 211 – 214). Und zwar die Bevollmächtigten für Auenheim sowie Dietenhan und Kembach (vgl. ebd.). Und zwar der Bevollmächtigte für die Kirchengemeinde Stein (vgl. ebd.). In der Gemeinde amtierte der Pfarrer Egon Thomas Güß. Zu Güß existiert eine Fülle an Literatur. Vgl. zu dessen Auseinandersetzungen mit dem Bevollmächtigten: Frisch, Einsetzung, 74 f.; Hçpfinger, Güß, 34 – 37; Gerner-Wolfhard, Güß, 88 – 91; Kissener, Landeskirche, 31 f. Und zwar der Bevollmächtigte für Wertheim. Die Bestellung wurde indes erst am 10. Oktober 1942 förmlich zurückgenommen, angetreten hat der vorgesehene Bevollmächtigte sein Amt nie; die Finanzabteilung wollte auf seine Dienste lieber verzichten. Vgl. die Liste der Bevollmächtigten in LkAKA GA Nr. 9050. Vgl. insgesamt zu den vier Fällen: Frisch, Einsetzung, 74 f. Vermerk vom 29. 8. 1938 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 98 f., hier Bl. 98). Vgl. FA-Baden an KGR Ettlingen vom 2. 6. 1942 (LkAKA SpA Nr. 2249), wo die Finanzabteilung auf eine entsprechende mündliche Weisung des Reichskirchenministeriums verwies. Vgl. FA-Baden an Kultusminister vom 30. 6. 1938 (LkAKA GA Nr. 1239). So Lang auf einer FA-Tagung in Berlin am 8. 7. 1938 (EZA 1/1611). Vgl. etwa den gescheiterten Versuch, für die Gemeinde Heinsheim einen Bevollmächtigten einzusetzen. Die Finanzabteilung hatte Landrat und Stiftschaffnei Mosbach wegen geeigneter Kandidaten angefragt, bevor sie den Fall im August 1939 zu den Akten legte. Bis dahin hatte sie keine geeigneten Vorschläge erhalten können. Vgl. zu dem Fall: LkAKA SpA Nr. 4252. Ähnlich war der Ablauf im Fall der Kirchengemeinde Kirchen. Zwischen März und August 1939 fragte die Finanzabteilung vergeblich den Landrat (der seinerseits den Bürgermeister von Kirchen

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Die bevorzugte Methode der Finanzabteilung, geeignete Bevollmächtige zu finden, bestand darin, bei den Landräten um entsprechende Personalvorschläge nachzusuchen.574 Zum Teil wurden ihr Vorschläge jedoch auch aus interessierten (DC-)Kreisen eingereicht,575 dort von der Finanzabteilung angefragt576 oder die Bevollmächtigten kurzerhand aus dem Reservoir der kirchlichen Verwaltungsmitarbeiter, vornehmlich der Bezirksvermögensverwaltungsstellen,577 rekrutiert. Bei der Auswahl, so erläuterte Lang einmal dem badischen Ministerpräsidenten, „ist für mich lediglich der Gedanke massgebend, für dieses Amt restlos auf dem Boden des nationalsozialistischen Staates stehende Personen zu gewinnen, die Kraft ihrer Beziehungen zur Evang. Kirche die Gewähr dafür bieten, dass sie die kirchlichen Belange im nationalsozialistischen Staat richtig vertreten.“578

Lang stellte sich als Idealbesetzung „Parteigenossen“ mit „Interesse am kirchlichen Leben“579 vor.580 Nationalkirchliche Deutsche Christen konnten demnach Bevollmächtigte werden, Anhänger der Bekenntnisgemeinschaft kamen dafür „im Hinblick auf die staatspolitische Einstellung der Bekenntnisfront“581 nicht in Frage. Staatliche oder kirchliche Beamte mit Erfahrung in der Finanz- und Vermögensverwaltung wurden bevorzugt.582 War ein geeigneter Kandidat gefunden, war immer noch ungewiss, ob dieser auch bereit sein würde, als Bevollmächtigter zu fungieren. Gerade in dem anvisierten Personenkreis, insbesondere unter den staatlichen Beamten und Angestellten, war die Bereitschaft, ein solches Amt zu übernehmen, häufig gering. Ab-

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konsultierte), den Kreisleiter der NSDAP Lörrach und den Bevollmächtigten der Kirchengemeinde Lörrach wegen Personalvorschlägen an. Vgl. zu dem Fall: LkAKA SpA Nr. 5509; auch andeutungsweise Frisch, Einsetzung, 73. Vgl. exemplarisch FA-Baden an den Landrat des Landkreises Sinsheim vom 7. 2. 1939 (LkAKA SpA Nr. 4340). So empfahl etwa ein DC-Pfarrer am 2. Februar 1939 der Finanzabteilung die Einsetzung eines Bevollmächtigten in Aglasterhausen und Unterschwarzbach, um die dortige DC-Minderheit zu unterstützen. Als Kandidaten nannte er führende örtliche Nationalkirchler, vgl. Schreiben an Doerr (LkAKA GA Nr. 7477). Nur einen Monat später, am 11. März 1939, bestellte die Finanzabteilung tatsächlich die Vorgeschlagenen – einer betreute die Gemeinden als Bevollmächtigter, der andere wurde sein Stellvertreter (GVBl., 1939, 31 f.). So etwa in Sankt Georgen, vgl. Frisch, Einsetzung, 73. Solche Beamte boten den Vorteil, verfügbar zu sein und wurden vielfach auch nacheinander mit mehreren zu betreuenden Gemeinden versehen. Vgl. den Fall des Multibevollmächtigten Julius Elsasser: Ebd., 75 – 77; ansonsten die Liste von Bevollmächtigten (LkAKA GA Nr. 9050; Quellen IV, 211 – 214). Schreiben vom 18. 11. 1938 (GLAK 233 / 27784). FA-Baden an den Landrat des Landkreises Waldshut vom 14. 2. 1939 (BArch R 5101 / 23780). Die Finanzabteilung war daher auch bemüht, Bevollmächtigte vor ihrer Berufung von der Gauleitung Badens politisch überprüfen zu lassen, vgl. FA-Baden an Reichskirchenminister vom 27. 1. 1939 (LkAKA GA Nr. 7109). Lang an den badischen Ministerpräsidenten vom 18. 11. 1938 (GLAK 233 / 27784). Vgl. FA-Baden an den Landrat des Landkreises Waldshut vom 14. 2. 1939 (BArch R 5101 / 23780).

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schreckend wirkte zusätzlich, dass Reichsstatthalter Wagner 1934 die Unvereinbarkeit von kirchlichem Amt und Parteiamt postuliert hatte. Nicht allen „Parteigenossen“ war klar, dass das Amt eines Bevollmächtigten „ein im staatlichen Auftrage wahrgenommenes Amt, keine kirchliche Tätigkeit“583 war. Die Finanzabteilung sah außerdem das Verhalten des Staates gegenüber der Protestbewegung als ein Hemmnis bei der Bevollmächtigtenrekrutierung. Es würde „kein auf seine Ehre etwas haltender Parteigenosse mehr sich dazu hergeben“584 Bevollmächtigter zu werden, wenn er in der Position den Angriffen der Protestler schutzlos ausgeliefert sei. Die Bevollmächtigtenpolitik der Finanzabteilung wurde begleitet von Protesten der Kirchenleitung. Besonders dass viele Bevollmächtigte persönlich den Deutschen Christen nahe standen, sorgte für Zündstoff,585 denn so hatten DC-Bevollmächtigte unter anderem über die DC-Kirchennutzung zu entscheiden. In Sankt Georgen hatte die Finanzabteilung kurzerhand den dortigen nationalkirchlichen Pfarrer zum Stellvertreter des Bevollmächtigten ernannt.586 Solch ein Vorgehen blieb zwar die Ausnahme, verdeutlicht aber die Ursachen für den Unmut der Kirchenleitung. Diese war auch durch die Art und Weise verärgert, wie die Finanzabteilung Bevollmächtigte einzusetzen pflegte: Gründe für die Maßnahmen wurden in der Regel nämlich nicht mitgeteilt, eine vorherige Fühlungnahme mit der Kirchenleitung unterblieb ebenfalls.587 Die Kirchenleitung vermutete daher, dass ausreichende, der 15. Durchführungsverordnung genügende Gründe für die Bestellungen schlicht fehlten.588 Zudem kritisierte sie die Kosten der Bevollmächtigten.589 Es waren jährlich insgesamt ca. 14 000 RM von den betroffenen Gemeinden aufzubringen.590 In den Kirchengemeinden selbst rief die Einsetzung eines Bevollmächtigten teils massiven Widerstand hervor; zuweilen hatten die FA-Funktionäre Mühe, ihre Autorität durchzusetzen.591 In vielen der betroffenen Gemeinden war die 583 Reichskirchenminister an Reichserziehungsminister vom 23. 10. 1942 (BArch R 5101 / 23992). 584 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 21. 2. 1939 (LkAKA SpA Nr. 13925). 585 Vgl. etwa Kühlewein an den badischen Ministerpräsidenten vom 10. 10. 1938 (GLAK 233 / 27784); EOK an FA-Baden vom 17. 11. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899). 586 GVBl., 1938, 94 f. Vgl. auch zu Sankt Georgen: Quellen IV, 348 – 363; Frisch, Einsetzung, 72 f. 587 Vgl. FA-Baden an EOK vom 13. 12. 1938 (LkAKA GA Nr. 5562); FA-Baden an EOK vom 11. 11. 1938 (LkAKA SpA Nr. 6603). 588 Vgl. Bender an Reichskirchenminister vom 15. 7. 1939 (LkAKA GA Nr. 8083). 589 Vgl. ebd.; auch Kühlewein an Reichskirchenminister vom 10. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23780); Kühlewein an Reichskirchenminister vom 25. 5. 1940 (LkAKA GA Nr. 5562). 590 Die Bevollmächtigten erhielten von den Gemeinden zwischen 10 und 100 RM monatlich. Vgl. die Liste von Bevollmächtigten (LkAKA GA Nr. 9050). 591 Vgl. etwa den Fall Singen, wo es besonders heftige Auseinandersetzungen gab. Schon die Amtsübergabe an den Bevollmächtigten, er und sein Stellvertreter waren Nationalkirchler, wurde von dem örtlichen Pfarrer Dr. Helmut Bier verweigert und musste von der Finanzabteilung unter Zuhilfenahme von Polizei und Landrat durchgesetzt werden. Später brach Pfarrer Bier die Beziehungen zu dem Bevollmächtigten ab. Vgl. zu den außergewöhnlich harten, auch

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Oppositionshaltung gegenüber der Finanzabteilung ja auch gerade der Grund für die Einsetzung gewesen. Andererseits fanden nicht selten der Bevollmächtigte und seine Kirchengemeinde ein gutes Auskommen miteinander.592 Die tatsächlichen Bedingungen in den Gemeinden hingen entscheidend von der Persönlichkeit des Bevollmächtigten und dessen Amtsauffassung ab.593 Mit Kriegsausbruch setzte die Finanzabteilung den Ausbau der Bevollmächtigten aus. Sie sorgte nur für Personalergänzungen, wenn Bevollmächtigte oder ihre Stellvertreter aus dem FA-Amt ausscheiden mussten, etwa wegen ihres Kriegseinsatzes. Im März 1940 ließ Doerr den Reichskirchenminister wissen, dass er nunmehr wieder beabsichtige, neue Bevollmächtigte zu bestellen. Er wollte wissen, ob dagegen während der Kriegszeit Bedenken bestünden, „weil erfahrungsgemäß die Einsetzung von Bevollmächtigten der Finanzabteilung Proteste und sonstige Kundgebungen auslöst“594. Er war aufgrund vorhergehender Besprechungen von einem positiven Entscheid ausgegangen.595 Er irrte sich; für das Reichskirchenministerium hatte eine ruhige Lage oberste Priorität, erwartbare Unruhen waren zu vermeiden. Es sei der Wunsch des Ministers, so Stahn, „daß Sie von Ihrer Befugnis zur Einsetzung von Bevollmächtigten nur in den Kirchengemeinden Gebrauch machen, in denen durch das Verhalten des Pfarrers eine geordnete Vermögensverwaltung nicht mehr gesichert ist und nur durch Einsetzung von Bevollmächtigten wieder gewährleistet wird.“596 Es sei allerdings noch kein ausreichender Grund, wenn ein Pfarrer seinen Protest gegen die Finanzabteilung noch nicht zurückgezogen habe. Damit war die Einsetzung von Bevollmächtigten in renitenten Gemeinden erschwert.597 Von der Finanzabteilung wurde dies als herber Schlag empfunden; sie brauche „doch auch noch ein Mittel der Selbsthilfe […], um nicht den hemmungslosen Anwürfen eines sie bekämpfenden Pfarrers preisgegeben zu

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auf der persönlichen Ebene geführten Auseinandersetzungen in Singen: Quellen IV, 238 f., 255 f., 263 f.; Frisch, Einsetzung, 77 f.; Kissener, Landeskirche, 32 – 34; entsprechende Schreiben in LkAKA GA Nr. 9075; insgesamt: LkAKA SpA Nr. 13924; LkAKA SpA Nr. 13925; ferner LkAKA SpA Nr. 13926; Material zu Pfarrer Bier findet sich auch in BArch R 5101 / 23961. Der Kirchengemeinderat Hochstetten dankte etwa seinem Bevollmächtigten nach dessen Abberufung herzlich für dessen Treue und wohlwollende Arbeit und erfreute sich des „ungetrübt guten Verhältnisses“, welches sie verbunden habe, Schreiben vom 24. 4. 1942 (LkAKA SpA Nr. 4416). Vgl. auch zum unproblematischen Fall in Freiburg: Dietrich, Kirchengemeinde, 245; zu Mannheim: Wennemuth, Mannheim, 403 – 405. Vgl. Frisch, Einsetzung, 75 – 77. Doerr an Reichskirchenminister vom 30. 3. 1940 (BArch R 5101 / 23780). Vgl. Doerr an Hoffmeister vom 10. 7. 1940 (LkAKA GA Nr. 7270). Schreiben Stahns vom 11. 4. 1940 (ebd.). Vgl. auch Meier, Kirchenkampf III, 436; Frisch, Einsetzung, 78.

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sein.“598 Es nützte nichts, ihre Pläne für weitere Bevollmächtigte waren hinfällig geworden, bereits angelaufene Bestellungen wurden ebenfalls nicht mehr umgesetzt. Es gab zwar noch Versuche, die Entscheidung zu revidieren und später neue Bevollmächtigte einzusetzen, doch waren fast alle diese Bemühungen (bis auf einen Fall)599 erfolglos. So beispielsweise in Langensteinbach. Die Finanzabteilung hatte bereits im Laufe des Jahres 1939 versucht, dort einen Bevollmächtigten einzusetzen, aber kein geeignetes Personal gefunden. Sie war daher geneigt gewesen, diesen Fall, wie so manch anderen, zu den Akten zu legen. Doch Pfarrer und Kirchengemeinderat von Langensteinbach erwiesen sich als besonders widerspenstig; Schlichtungsbemühungen scheiterten, als Sanktion blieb nur noch die Einsetzung eines Bevollmächtigten. Im Juni 1940 ließ Stahn der Finanzabteilung dafür freie Hand. Diese schaltete nun den badischen Innenminister ein, um geeignete Personalvorschläge zu erhalten. Der Innenminister aber ließ sich erst viel Zeit, dann sagten seine Kandidaten der Finanzabteilung ab und spätere Alternativvorschläge erwiesen sich zum Teil als ungeeignet. Als Ende Juni 1941 endlich geeignete Persönlichkeiten gefunden waren, bat die Finanzabteilung vor Vollzug der Maßnahme lieber noch einmal den Reichskirchenminister um Zustimmung, denn es war viel Zeit seit dessen Einverständnis vergangen. Der Minister entschied, dass der Kirchenleitung noch Gelegenheit gegeben werden solle, den Kirchengemeinderat zur Aufnahme einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu bewegen. Dies gelang dem Landesbischof, so dass die Finanzabteilung letztlich im Oktober 1941 bekannt gab, auf die Einsetzung eines Bevollmächtigten in Langensteinbach nunmehr verzichten zu wollen.600 Im Mai 1940 forderte Landesbischof Kühlewein erstmals, dass die Bevollmächtigten abgebaut werden müssten. Sie sollten nur dort verbleiben, wo auch im Zusammenwirken von Oberkirchenrat und Finanzabteilung die örtliche Finanzverwaltung nicht sicherzustellen sei.601 Dem Reichskirchenminister ging der Vorschlag zwar zu weit, allerdings sah auch er die FABevollmächtigtenpraxis kritisch.602 In den Verhandlungen im Oktober 1940 griff der Reichskirchenminister daher durch:603 Bevollmächtigte seien tun598 Doerr an Reichskirchenminister vom 30. 4. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 599 In Blumberg (GVBl., 1942, 42). 600 Vgl. den Vorgang in LkAKA SpA Nr. 6106. Vgl. ansonsten auch den Fall Überlingen 1942, wo die Finanzabteilung wiederholt Versuche unternahm, einen Bevollmächtigten einzusetzen. Die Vorstöße scheiterten 1942 am Landrat und 1943 am badischen Kultusminister. Vgl. die Vorgänge in LkAKA SpA Nr. 12619; BArch R 5101 / 23995. 601 Vgl. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 25. 5. 1940 (LkAKA GA Nr. 5562). 602 Vgl. Vermerk Dieckmanns zu Besprechungen am 11. 6. 1940 (BArch R 5101 / 23780). 603 Vgl. zu den Regelungen des Oktobers den Erlass vom 14. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 76 – 79, hier Bl. 77); ansonsten die Berichte zu den Besprechungen am 3.–5. 10. 1940: Vermerk Stahns und Dieckmanns vom 9. 10. 1940 (ebd., Bl. 205 – 219); FA-Vermerk vom

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 497

lichst auf die Durchsetzung der jeweils notwendigen Maßnahmen zu beschränken, sie sollten nicht pauschal mit der gesamten Vermögensverwaltung der Gemeinden betraut werden. Wurde ein Bevollmächtigter also eingesetzt, um die Minderheitenversorgung regeln, sollte seine Aufgabe darauf begrenzt sein. Auch Abberufungen sollten geprüft werden. In Gemeinden, wo der Bevollmächtigte ausschließlich zur Protestniederschlagung eingesetzt worden sei, sollte der Evangelische Oberkirchenrat feststellen, ob die Kirchengemeindeorgane „nunmehr gewillt sind, vorbehaltlos mit der Finanzabteilung zusammenzuarbeiten und deren Anordnungen Folge zu leisten“604. Sei dies der Fall, solle die Finanzabteilung die Bevollmächtigten abziehen. Am 14. November 1940 startete der Evangelische Oberkirchenrat eine entsprechende Abzugsinitiative. In einem Rundschreiben erklärte er den Kirchengemeinderäten der betroffenen Gemeinden die Situation und forderte sie auf, sich bereit zu erklären, „im Rahmen der Kirchenverfassung und der übrigen einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen einschließlich der 15. DVO. die Verwaltung des örtlichen Kirchenvermögens […] wie vor Einsetzung des Finanzbevollmächtigten wieder in die Hand zu nehmen und ordnungsmäßig unter der Aufsicht der Finanzabteilung durchzuführen.“605

Kirchengemeinderat und -ausschuss sollten entsprechende Beschlüsse fassen, diese dem Oberkirchenrat mitteilen, und er werde dann das Erforderliche zur Abberufung des Bevollmächtigten veranlassen. 53 der angeschriebenen Gemeinden gaben die Erklärungen ab. Zwölf Gemeinden aber wollten den Bevollmächtigten entweder explizit behalten oder, im Ergebnis das Gleiche, verweigerten die Beschlussfassung, zum Teil wegen der in den Kirchengemeindeorganen vertretenen DC-Vertreter.606 Der Oberkirchenrat hatte eine größere Durchschlagskraft seiner Aktion erwartet;607 er hatte gehofft, die Bevollmächtigten mithilfe des Reichskirchenministers flächendeckend ihrer Ämter entkleiden zu können. Nun musste er zur Kenntnis nehmen, dass einige Kirchengemeinderäte zwar die gewünschte Erklärung einreichten, gleichzeitig aber anmerkten, dass sie mit dem Bevollmächtigten eigentlich ganz zufrieden seien.608 Und auch in den

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7. 10. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477); Vermerk Friedrichs (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 281 f.). Erlass vom 14. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 76 – 79, hier Bl. 77). EOK-Rundschreiben vom 14. 11. 1940 (LkAKA GA Nr. 1240b). Vgl. die Zusammenstellung der Rückmeldungen in EOK an Reichskirchenminister vom 25. 3. 1941 (LkAKA GA Nr. 5562); auch die entsprechenden Erklärungen der Gemeinden (LkAKA GA Nr. 9066). Er sah sich sogar genötigt, Kirchengemeinderäte, die auf das Schreiben vom 14. November 1940 nicht reagiert hatten, zu ermahnen, dies tunlichst nachzuholen. Vgl. zum Beispiel EOK an Vorsitzender KGR Gundelfingen vom 20. 2. 1941 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). Vgl. entsprechende Schreiben in LkAKA GA Nr. 9066.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Badens

zahlreichen Kirchengemeinden, die dem Abberufungsprozedere vorbehaltlos entsprachen, gestaltete sich die Abberufung der Bevollmächtigten nicht wie erwartet. Die Finanzabteilung war nicht bereit, kampflos auf ihre Bevollmächtigten zu verzichten, denn ein Nachgeben in dieser Frage, der Abzug der örtlichen FA-Vertretungen, wurde als Anfang vom Ende der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat betrachtet.609 Die Anordnung des Reichskirchenministers und die Aktion des Evangelischen Oberkirchenrates wurden von der Finanzabteilung vernichtend beurteilt: An Landesbischof Walther Schultz schrieb Doerr, die Aktion verursache im ganzen Kirchengebiet größte Erregung und diene nur dazu, die Finanzabteilung zu schwächen. „Sie werden wie ich zu der Überzeugung kommen“, so urteilte Doerr, „daß die Protestbewegung vom Jahre 1938 nun in anderer Form mit Hilfe des Reichskirchenministers durchgeführt wird.“610 Auch die Deutschen Christen lehnten die Aktion des Oberkirchenrats ab611 und überschütteten den Reichskirchenminister mit Protestschreiben: Sie behaupteten, die „vortrefflich bewährten“612 Bevollmächtigten hätten die kirchenpolitische Lage in Baden durch ihre „rein objektive, unparteiische, völlig sachliche Amtsführung“613 merklich entspannt. Eine Abberufung in Kriegszeiten wäre verhängnisvoll. Die Behandlung der Angelegenheit zeigte, welchen Stellenwert die Deutschen Christen in Baden den Bevollmächtigten beimaßen. Etwa wurde die Reichsleitung der Nationalkirchler eingeschaltet614 und der Landesleiter der badischen Nationalkirchlichen Deutschen Christen schrieb an den Reichskirchenminister : „Wer Kirche will, wer die deutsche Volksgemeinschaft bejaht, wer auf das Wohl unseres Volkes gerade in diesen Kriegsläufen bedacht ist, kann nur mit äußerstem Befremden, ja mit innerem Entsetzen und tiefer Abscheu zu einem Ansinnen Stellung nehmen“, wie es der Oberkirchenrat beabsichtige. „Der Evang. Oberkirchenrat will trotz all seiner gegenteiligen Beteuerungen nicht der Kirche Bestes. Sondern die Erfahrung all der letzten Jahre hat immer wieder gezeigt, daß der derzeitige Oberkirchenrat in seinem Handeln ausschließlich für Kirche und Volk negativ zu wirken im Stande ist. Ich halte darum, um die Landeskirche und die Kirchengemeinden vor weiteren Erschütterungen zu bewahren, die Beibehaltung der

609 Vgl. etwa EOK an Reichskirchenminister vom 25. 3. 1941 (LkAKA GA Nr. 5562). 610 Schreiben vom 30. 11. 1940 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). 611 Unter den DC-Ortsgemeinden kursierte offenbar eine an den Oberkirchenrat zu versendende Erklärung, in der die Aktion verurteilt wurde, vgl. entsprechende eingesandte Schreiben in LkAKA GA Nr. 9066; auch EOK an Reichskirchenminister vom 25. 3. 1941 (LkAKA GA Nr. 5562). 612 DC-Markgemeinde Heidelberg an Reichskirchenminister vom 3. 12. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 201 – 203). 613 Kiefer an Reichskirchenminister vom 6. 12. 1940 (ebd., Bl. 235 f., hier Bl. 235). 614 Vgl. Landesbischof Schultz an Landessuperintendent Propp vom 12. 12. 1940 (LkAS (03.06.02.) V 41).

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Die Machtentfaltung der Finanzabteilung innerhalb der Kirche 1938 – 1945 499 eingesetzten Finanzbevollmächtigten in den einzelnen Kirchengemeinden für unbedingt erforderlich.“615

Stahn konnte angesichts dieser Reaktionen nur antworten, er „sehe nicht den Grund zu dieser Aufregung“616, schließlich sei die Minderheitenversorgung in dem Erlass des Reichskirchenministers garantiert worden. Sensibler musste das Reichskirchenministerium auf eine Eingabe des badischen Reichsstatthalters reagieren. Jener war durch zahlreiche DC-Eingaben beunruhigt worden und hatte den Eindruck gewonnen, dass die Bevollmächtigten zu einer „Konsolidierung im gesamten kirchlichen Leben“617 geführt hätten. Er bat deshalb darum, „im Interesse der Stärkung der inneren Front“, die Bestrebungen des Oberkirchenrates „wenigstens für die Dauer des Krieges zu unterbinden.“ Stahn beschwichtigte den Reichsstatthalter, die Deutschen Christen würden die Aktion übertrieben dramatisieren. Allerdings werde er den Oberkirchenrat auffordern, sich „mehr Zurückhaltung aufzuerlegen.“618 Als der Evangelische Oberkirchenrat dem Reichskirchenminister die Ergebnisse seiner Initiative vorlegte, am 25. März 1941, hatte sich die dortige Stimmung wegen der Eingaben aus Baden bereits zuungunsten der Kirchenbehörde gewandelt. Die EOK-Forderung, nämlich nun „allenthalben die Finanzbevollmächtigten abzurufen“619, hatte keine Aussicht auf Erfolg mehr. Nur ein Bevollmächtigter wurde Anfang 1941 zurückgezogen,620 allerdings nicht aufgrund der EOK-Aktion. Freiwillig unternahm die Finanzabteilung zunächst nichts. Der Reichskirchenminister aber verzichtete auf Weisungen,621 und beharrte zunächst nicht auf der Umsetzung seines Erlasses vom 14. Oktober 1940. Erst auf Drängen des Evangelischen Oberkirchenrates bat er die Finanzabteilung überhaupt, zu der Abberufung von Bevollmächtigten „kurz Stellung zu nehmen.“622 Eine Reaktion erhielt er nicht.623 Die Aktion des Oberkirchenrates war ins Leere gelaufen. Die Kirchenleitung kam zwar wiederholt mündlich und schriftlich auf die Abberufung der Bevollmächtigten zurück,624 doch der Minister scheute weitere Entscheidungen in dieser Sache. 615 Kiefer an Reichskirchenminister vom 6. 12. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 235 f., hier Bl. 235). 616 Stahn an Kiefer vom 12. 12. 1940 (ebd., Bl. 239). 617 Schreiben an den Reichskirchenminister vom 20. 2. 1941 (ebd., Bl. 383), daraus auch die folgenden Zitate. 618 Schreiben vom 10. 3. 1941 (ebd., Bl. 387 f.). Dies geschah so in dem Schreiben Stahns vom 10. 3. 1941 an den EOK (ebd., Bl. 388). 619 EOK an Reichskirchenminister vom 25. 3. 1941 (LkAKA GA Nr. 5562). 620 GVBl., 1941, 7. 621 Vgl. EOK-Rundschreiben vom 10. 6. 1941 an die Kirchengemeinderäte, die eine Abberufung ihrer Bevollmächtigten gewünscht hatten (LkAKA GA Nr. 5562). 622 Reichskirchenminister an FA-Baden vom 26. 4. 1941 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 415). 623 Dennoch beschränkte sich der Reichskirchenminister darauf, an den ausstehenden Bericht zu erinnern, vgl. die Schreiben an die Finanzabteilung vom 1. 7. 1941; 18. 10. 1941; 25. 2. 1942 (BArch R 5101 / 23782). 624 Vgl. Vermerk Dieckmanns vom 29. 5. 1941 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 455); EOK an Reichs-

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Dafür ließ der badische Reichsstatthalter der Finanzabteilung im September 1941 seinen Standpunkt in der Frage der Bevollmächtigten mitteilen. Er sprach sich gegen die Einsetzung neuer Bevollmächtigter aus.625 1942 begründete er seine ablehnende Haltung: Die Einrichtung der Finanzabteilung und die Einsetzung der Bevollmächtigten habe dazu geführt, „daß die nicht nationalkirchlichen Kreise immer mehr in eine Kampfstellung zum nationalsozialistischen Staat gerieten.“626 Dabei sei es so, „daß Staat und Partei kein Interesse daran haben, ordnend in die inneren Verhältnisse der evangelischen Kirche einzugreifen und […], daß die Beseitigung der Schwierigkeiten vielmehr der Kirche selbst überlassen werden sollte“. Weil die Finanzabteilung aber nun einmal bestehe, „sollte für die Dauer des Krieges die Finanzabteilung im Interesse wirksamer staatlicher Aufsicht über die kirchliche Finanzgebahrung [sic] ebenso beibehalten werden, wie die bisher ernannten Bevollmächtigten“.627 Entsprechend dieser Haltung waren die badischen Staatsstellen jedoch sehr verstimmt, als die Finanzabteilung am 5. Juni 1942 in Blumberg einen Bevollmächtigten neu einsetzte:628 Die Maßnahme wurde sofort vom badischen Kultusministerium scharf beanstandet.629 Die Finanzabteilung gab sich zwar unbeeindruckt,630 ihr war im Vorfeld von Staatssekretär Muhs bedeutet worden, „es zunächst einmal darauf ankommen zu lassen, ob gegen die Bestellung von Bevollmächtigten […] durch den Herrn Minister des Kultus und Unterrichts Einspruch erhoben werde.“631 Nach den Erfahrungen unterblieben aber weitere Neubestellungen. Die Finanzabteilung hatte mit ihrer Hinhaltetaktik viel Zeit gewonnen,

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kirchenminister vom 10. 6. 1941 (LkAKA GA Nr. 4900); EOK an Reichskirchenminister vom 22. 8. 1941 (LkAKA GA Nr. 7270); Kühlewein an Reichskirchenminister vom 6. 10. 1941 (BArch R 5101 / 23782). Vgl. Kultusminister an FA-Baden vom 15. 9. 1941 (BArch R 5101 / 23995). Reichsstatthalter an Reichskirchenminister vom 23. 9. 1942 (ebd.), daraus auch folgende Zitate. Vgl. auch das ähnlich lautende Schreiben des badischen Kultusministers an den Reichskirchenminister vom 28. 12. 1942 (BArch R 5101 / 23987, Bl. 93 f.). GVBl., 1942, 42. Vgl. zu der Angelegenheit: LkAKA SpA Nr. 575, bes. den Vermerk Doerrs vom 9. 7. 1942. Vgl. Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (BArch R 5101 / 23782). Haugg hielt fest, dass Kultusminister und Reichsstatthalter in Baden „ziemlich wenig Sympathie“ für die Einsetzung von Bevollmächtigten hätten. Der badische Kultusminister äußerte sich in einem Schreiben an den Reichskirchenminister vom 26. Februar 1943 sogar dahingehend, dass es „keiner Finanzbevollmächtigten in den Gemeinden mehr“ bedürfe (BArch R 5101 / 23987, Bl. 102). In Besprechungen mit der Finanzabteilung in Karlsruhe relativierte das Kultusministerium diese Haltung allerdings, vgl. FA-Aktenvermerk vom 27. 3. 1943 (LkAKA GA Nr. 7270). Sie verwies darauf, dass die 15. Durchführungsverordnung sie zur Bestellung von Bevollmächtigten berechtige. Sollte dies nicht mehr erwünscht sein, bedürfe es einer Weisung durch das Reichskirchenministerium. Die badischen Staatsstellen oder die Parteikanzlei, auf die sich der Kultusminister berufen hatte, müssten sich also an den Reichskirchenminister wenden, wenn sie eine Änderung der Bevollmächtigtenpraxis erreichen wollten. Vermerk Doerrs vom 9. 7. 1942 (LkAKA SpA Nr. 575).

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doch letztlich stand nach wie vor der Erlass vom 14. Oktober 1940 im Raum. Das Reichskirchenministerium wünschte Ende 1941 Abberufungen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt seien.632 Die Finanzabteilung aber erklärte nun, die vom Evangelischen Oberkirchenrat eingeholten Beschlüsse der Kirchengemeindeorgane würden in ihrer Form nicht dem Erlass des Ministers vom 14. Oktober 1940 genügen.633 Daher verlangte sie von den Kirchengemeinden plötzlich neue, von ihr vorgegebene Erklärungen. Nicht alle Kirchengemeinderäte waren indes bereit, diese verschärfte Fassung zu unterzeichnen.634 Dennoch begann die Finanzabteilung im Laufe des Jahres 1942, zögerlich den Erlass vom 14. Oktober 1940 umzusetzen.635 Auf den Besprechungen im Februar 1943 wurde dann nochmals vereinbart, die Finanzabteilung solle weiterhin mögliche Abberufungen überprüfen.636 Diese verhielt sich ambivalent. In manchen Gemeinden fragte sie von sich aus an, ob gegen Abgabe einer entsprechenden Erklärung die Abberufung des Bevollmächtigten gewünscht sei.637 Gegenüber anderen Gemeinden verhielt sie sich so hinhaltend wie möglich und stellte ständig neue Bedingungen auf, die vor Abberufung des Bevollmächtigten erfüllt sein müssten,638 oder sie überging entsprechende Abberufungsanträge einfach ohne Begründung. Insbesondere in größeren Städten wie Mannheim und Heidelberg hielt die Finanzabteilung ausdauernd an den Bevollmächtigten fest. Entsprechend zögerlich ging der Abzug vonstatten. Die Kirchenleitung reagierte genervt639 und versuchte, mit abgestimmten Aktionen Druck auf die Finanzabteilung auszuüben.640 Auch bei den Besprechungen in Karlsruhe im März 1944 wurde das Thema wieder behandelt.641 Die Finanzabteilung rechtfertigte ihr Vorgehen und 632 Vgl. Reichskirchenminister an FA-Baden vom 22. 11. 1941 (BArch R 5101 / 23782); Reichskirchenminister an FA-Baden vom 18. 10. 1941 (LkAKA GA Nr. 7270). 633 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 6. 11. 1941 (LkAKA SpA Nr. 6106). 634 Vgl. FA-Baden an EOK vom 27. 3. 1943 (LkAKA GA Nr. 7270); EOK an FA-Baden vom 16. 3. 1942 (LkAKA GA Nr. 1241b); EOK an FA-Baden vom 14. 11. 1941 (LkAKA GA Nr. 5562). 635 Vgl. exemplarisch den Fall Berghausen in LkAKA SpA Nr. 13905. 636 Vgl. Reisebericht Hauggs über den Karlsruhebesuch vom 3.–5. 2. 1943 (BArch R 5101 / 23782); auch die Notizen Kühleweins zu den Gesprächen (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 288); FAAktenvermerk vom 27. 3. 1943 (LkAKA GA Nr. 7270). 637 Vgl. etwa FA-Baden an KGR Ettlingen, Rußheim oder Hochstetten vom 20. 2. 1942 (LkAKA SpA Nr. 2249; LkAKA GA Nr. 5562; bzw. LkAKA SpA Nr. 4416). Vgl. als komplizierten Fall die Gemeinde Lohrbach, wo die Finanzabteilung den Bevollmächtigten gerne abziehen wollte, es aber bis 1944 an einer ausreichenden Erklärung des Kirchengemeinderates mangelte. Vgl. den Vorgang in LkAKA SpA Nr. 6603. 638 Vgl. Engelhardt an KGR Aglasterhausen vom 10. 8. 1943 (LkAKA GA Nr. 8804). 639 Vgl. Kühlewein an Reichskirchenminister vom 3. 1. 1944 (BArch R 5101 / 23782); EOK an FABaden vom 29. 9. 1943 (LkAKA GA Nr. 5562). 640 Im März 1943 verschickte der Evangelische Oberkirchenrat etwa gehäuft Abberufungsanträge an die Finanzabteilung. Eindruck auf die Finanzabteilung machte dies nicht. Vgl. als Beispiel der Aktion im März 1943 den Fall des Bevollmächtigten für Hilsbach (LkAKA SpA Nr. 4340). 641 Vgl. Reisebericht Hauggs vom 23. 3. 1944 (BArch R 5101 / 23782); Protokoll Redeckers vom 20. 3. 1944 (EZA 1/1611); Notizen Kühleweins zu der Besprechung (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 290).

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führte jeweils besondere Gründe an, weswegen sie bestimmte Bevollmächtigte nicht abziehen könne: Es fehlten geeignete Unterwerfungserklärungen der Gemeinden, diese hätten nicht den Wunsch, dass der Bevollmächtigte abberufen würde, es fehle an geeigneten Personen, die die Geschäfte nach Abzug des Bevollmächtigten übernehmen könnten, es gäbe Schwierigkeiten bei der Minderheitenversorgung oder es liefen Verwaltungsmaßnahmen,642 die erst abgeschlossen sein müssten, bevor an den Abzug der Bevollmächtigten gedacht werden könne.643 Die Gespräche brachten dennoch einige Ergebnisse: Beispielsweise wurde der Wortlaut der abzugebenden Abberufungserklärungen entschärft.644 Diese neue Version wurde in den Gemeinden gut angenommen,645 so dass nach den Gesprächen eine beachtliche Anzahl von Bevollmächtigten tatsächlich abberufen werden konnte. Andere Bevollmächtigte wurden auf die Regelung der Minderheitenversorgung beschränkt.646 Der Evangelische Oberkirchenrat fand es zwar „wenig erfreulich“, dass solche Bevollmächtigte überhaupt bestehen blieben, es sei aber „unter den obwaltenden Umständen“ doch ein Fortschritt, denn immerhin fiel die Finanzverwaltung wieder den Kirchengemeindeorganen zu.647 In den größeren Städten fanden keine weiteren Abberufungen mehr statt, obwohl dies von der Finanzabteilung in Aussicht gestellt und vom Oberkirchenrat verlangt worden war.648 Bis Kriegsende waren von den insgesamt 51 Bevollmächtigten 31 abberufen worden. Der Rest fiel 1945 mit der Finanzabteilung weg. Die Bevollmächtigten waren insgesamt von der Finanzabteilung recht erfolgreich gehalten worden.

3.6.4. Das Kollektenwesen Im Kollektenwesen beanspruchte die Finanzabteilung bereits 1938 weitreichende Befugnisse; sie meinte für das „gesamte Kollektenwesen“ allein zuständig zu sein.649 Dem stand allerdings nicht nur der Evangelische Oberkirchenrat entgegen, der meinte, dass die Kollekten „eine rein geistliche Ange642 Etwa die Bildung von Gesamtkirchenverbänden. 643 Vgl. zu den einzelnen Abberufungsmaßnahmen und den angegebenen Gründen für die Verschleppungen die FA-Aufstellung vom 4. 3. 1944 (LkAKA GA Nr. 7270). 644 Vgl. Reisebericht Hauggs vom 23. 3. 1944 (BArch R 5101 / 23782). Im April 1944 schickte der Evangelische Oberkirchenrat den Gemeinden die neue Erklärung als Blankoformular zu und riet zur Unterzeichnung (LkAKA GA Nr. 5562). 645 Vgl. das EOK-Rundschreiben aus dem April 1944 (ebd.). 646 Dies betraf die Gemeinden Gernsbach, Karlsruhe-Rüppurr, Lörrach und Konstanz. Vgl. GVBl., 1944, 37 f.; Liste der Bevollmächtigten (LkAKA GA Nr. 9050); exemplarisch den Fall Konstanz in LkAKA SpA Nr. 5695. 647 EOK-Rundschreiben aus dem April 1944 (LkAKA GA Nr. 5562). 648 Vgl. zu Mannheim: Wennemuth, Mannheim, 406 f. 649 Nach dem Geschäftsverteilungsplan (LkAKA GA Nr. 9051).

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legenheit“650 seien. Vor allem schränkte sie ein allgemeiner Erlass des Reichskirchenministers vom 9. Juli 1938 ein. Danach hatten die Finanzabteilungen zwar die Verteilung der Kollektengelder zu besorgen und darüber zu wachen, dass keine Kollekten für staatlich nicht anerkannte Organisationen ausgeschrieben würden. Die Kollektenausschreibung an sich aber blieb Sache der kirchlichen Stellen.651 Wollte die Finanzabteilung also nun kirchenpolitische Interessen im Kollektenwesen durchsetzen, etwa die Auszahlung gesammelter Gelder verhindern oder die landeskirchlichen Kollektenpläne abändern, so musste sie dafür jeweils staatspolitische Einwände geltend machen.652 In der badischen Landeskirche ergaben sich lange Auseinandersetzungen zwischen Kirchenleitung und Finanzabteilung um die Auszahlungen von Kollektengeldern, etwa für die Frauen-, Jugend- oder Missionsarbeit. Der Finanzabteilung gelang es, Kollektenmittel zum Teil DC-Organisationen und Zwecken zuzuschanzen, für die die Sammlungen eigentlich nicht vorgesehen waren. Eine heftig umkämpfte Schlüsselkompetenz war die Festlegung der Aufteilung sogenannter Sammelkollekten, also solcher Kollekten, die für mehrere Empfänger bestimmt waren. Es war zwischen Finanzabteilung und Oberkirchenrat strittig, wer letztlich entscheiden dürfe, welcher Anteil der Gelder an welche Empfänger auszuzahlen wäre. Die vom Reichskirchenministerium verfügte Kompromissformel lautete schließlich, dass der Evangelische Oberkirchenrat den Verteilungsschlüssel vorschlagen sollte und die Finanzabteilung hiervon nur infolge besonderer Gründe abweichen durfte.653 Ein Fall, bei dem es hierüber jedes Jahr zu Auseinandersetzungen kam, war die badische Ostasien-Mission, ein Steckenpferd der Deutschen Christen. Die Finanzabteilung wollte bei der Verteilung der Sammlungen für die Äußere Mission stets die Ostasien-Mission bevorzugen, der Oberkirchenrat aber sah immer einen Verteilungsschlüssel zugunsten der Baseler Mission vor. Schlussendlich konnte sich zwar jedes Jahr der Oberkirchenrat durchsetzen, doch musste er 650 Schreiben an den Reichskirchenminister vom 29. 6. 1938 (LkAKA GA Nr. 4899; Quellen IV, 211). 651 Siehe zu dem Erlass oben 106 f.; vgl. auch die Bekanntgabe des Erlasses in Baden am 19. 7. 1938 (GVBl., 1938, 83). 652 Vgl. etwa den Fall der Sperrung der Kollektenmittel für das Theologische Studienhaus in Heidelberg 1938, die aufgrund der bekenntniskirchlichen Ausrichtung der Einrichtung erfolgte. Die Finanzabteilung konnte die kirchenpolitischen Gründe nicht durch staatspolitische unterfüttern – Gestapo und Sicherheitsdienst lieferten keine Argumente –, so dass die Sperre nach Intervention des Reichskirchenministeriums fallen gelassen werden musste. Die Finanzabteilung behinderte die Finanzierung des Hauses dennoch weiter nach Kräften. Vgl. BArch R 5101 / 23784; Heidel, Kampf, 332 – 334. 653 Vgl. FA-Baden an Reichskirchenminister vom 6. 3. 1939 und die Antwort vom 25. 4. 1939 (BArch R 5101 / 23779, Bl. 406 – 409); FA-Bekanntmachung vom 10. 6. 1939 (GVBl., 1939, 135). In einem RKM-Erlass vom 14. 10. 1940 wurde die Regelung bestätigt (LkAKA GA Nr. 9075; Quellen IV, 284 – 286).

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dafür der Ostasien-Mission entgegenkommen. Außerdem verzögerte sich mit jedem Einspruch der Finanzabteilung in Kollektenfragen die Auszahlung der gesammelten Gelder. In der Praxis musste häufig eine Entscheidung des Reichskirchenministeriums eingeholt werden. Die Auseinandersetzungen in einzelnen Kollektenfragen hielten bis weit in die Kriegsjahre hinein an, nahmen aber an Häufigkeit und Intensität ab.654

3.7. Finanzabteilung und Staat 3.7.1. Finanzabteilung und Judenverfolgung: Die „Rassenfrage“ als „Staatsgrundgesetz“ Die Finanzabteilung machte sich in der „Judenfrage“ die Staatsdoktrin und -politik zu Eigen und erklärte, „dass die Forderung des nationalsozialistischen Staates in Bezug auf die Rassenfrage ein Staatsgrundgesetz ist“655. Daran orientierte sie sich auch bei ihrer Tätigkeit: Ein „Arierparagraph“ für Geistliche existierte in der badischen Landeskirche nicht. Allerdings hatten die theologischen Kandidaten seit 1933 vor ihren Prüfungen eine Erklärung über ihre Abstammung abzugeben.656 Den bestehenden Zustand empfand die Finanzabteilung als unbefriedigend. Es lag jedoch nicht in ihrem Machtbereich, einen „Arierparagraphen“ zu erlassen, daher verfügte sie lediglich, dass bei Übernahme eines Pfarrkandidaten oder eines auswärtigen Geistlichen in den Dienst der Landeskirche sowie bei der Erteilung einer Heiratserlaubnis ein „Ariernachweis“ erbracht werden musste.657 Von den weltlichen Beamten der Landeskirche und deren Ehepartnern verlangte sie ebenfalls den Nachweis der „deutschblütigen Abstammung“658. De facto änderte sich damit wenig an den bestehenden Bestimmungen, denn in den meisten der genannten Situationen hatte auch schon zuvor ein „Ariernachweis“ erbracht werden müssen. Der Unterschied war nur, dass nun die Finanzabteilung sich dieser Thematik angenommen 654 Vgl. insgesamt die entsprechenden Vorgänge in BArch R 5101 / 23781, etwa Bl. 12 – 31, 163 f., 167 – 199, 315 f., 431 – 442; BArch R 5101 / 23779, Bl. 341 – 358; BArch R 5101 / 23792, Bl. 470 – 489; BArch R 5101 / 23989 (Ostasien-Mission); GVBl., 1939, 16; Lauterer, Frauen, bes. 198 (Frauenarbeit). Auch LkAW S 1015 und LkAW S 1019 enthalten diverses Material zu den badischen Kontroversen in Kollektenfragen, da die Finanzabteilung sich dabei zuweilen mit der braunschweigischen Finanzabteilung abstimmte, vgl. auch Engelking, Mission, 718. 655 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 18. 10. 1940 (BArch R 5101 / 23781, Bl. 335 – 337, hier Bl. 337). 656 Vgl. zu dem Komplex um den „Arierparagraphen“ in der badischen Landeskirche: Rìckleben, Kirchenleitung, 381 – 385; Ders., ,Judenchristen‘, 70 – 72; Thierfelder, Landeskirche, 340; Friedrich, Entwicklung Badens, 317 f.; LkAKA GA Nr. 4996. 657 Bekanntmachung vom 11. 8. 1939 (GVBl., 1939, 162). 658 Verfügung vom 19. 8. 1939 (ebd., 163 – 165); siehe auch ebd., 183 f.

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hatte. Auch verlangte sie formelle Bescheinigungen, während die Kirchenleitung stets nur Versicherungen von den Betreffenden eingeholt hatte.659 Seit Ende 1940 verlangte die Finanzabteilung auch von allen nichtbeamteten FAMitarbeitern einen Nachweis über die Abstammung.660 Außerdem sollten alle nichtbeamteten hauptamtlichen Gemeindemitarbeiter, zumindest in Gemeinden, in denen ein FA-Bevollmächtigter eingesetzt war, einen „Ariernachweis“ führen.661 In der badischen Landeskirche waren 1938 noch zwei Pfarrer im Dienst, die nach der NS-Klassifizierung als „Mischlinge zweiten Grades“ galten: die Brüder Karl Theodor und Max Theodor Achtnich. Die Finanzabteilung unternahm keine Vorstöße, die Gebrüder aus ihren Ämtern zu drängen. Sie hielt sich damit an den badischen Kultusminister, der sich an den beiden Pfarrern nicht mehr störte, seit er wusste, dass die Achtnichs keine „Mischlinge ersten Grades“ waren.662 Im Fall von Ernst Lehmann, einem 1931 pensionierten „volljüdischen“ Pfarrer, zeigte sich die Finanzabteilung dagegen zum Durchgreifen entschlossen. Im März 1940 war Lehmann von einem Sondergericht zu 21 Monaten Haft verurteilt worden. Damit verlor er automatisch die Versorgungsansprüche aus seiner Dienstzeit. Die Finanzabteilung hätte am liebsten bereits vor Lehmanns Verurteilung, in Erwartung einer solchen Strafe, die Auszahlung der Ruhestandsbezüge eingestellt, doch der Evangelische Oberkirchenrat konnte dies verhindern. Nach der erfolgten Verurteilung dann hatte der Evangelische Oberkirchenrat vor, einem von Lehmann eingereichten Gnadengesuch zu entsprechen. Einen „Staatsfeind“ zu begnadigen kam für die Finanzabteilung allerdings nicht in Frage; sie verweigerte ihre Zustimmung. Die Gnadenerteilung wurde damit in ihren finanziellen Folgen nicht wirksam. Die Finanzabteilung ließ letztlich jedoch der Ehefrau Lehmanns guttatsweise eine gewisse Unterstützung zukommen.663 Etwas zwiespältig zeigte sich die Finanzabteilung bei Angestellten der Kirchenbehörde. Einen EOK-Mitarbeiter drängte sie etwa mit der Begründung aus seiner Beschäftigung, es müsse „unverzüglich jede[r] Judenstämmling auch aus dem Kirchendienst aus[.]scheiden“664. Im Falle eines pensionierten Pfarrers jüdischer Herkunft aber, der immer wieder auftrags659 Vgl. zu den Regelungen der Finanzabteilung: Rìckleben, Kirchenleitung, 385 f.; Quellen IV, 442 – 444; FA-Baden an EOK vom 11. 8. 1939 (GVBl., 1939, 162); FA-Baden an Kühlewein vom 4. 11. 1938 (LkAKA GA Nr. 7084). 660 Vgl. FA-Rundschreiben vom 13. 11. 1940 (LkAKA GA Nr. 8048). 661 Vgl. FA-Rundschreiben an alle Bevollmächtigten vom 13. 11. 1940 (ebd.). 662 Vgl. zu den Gebrüdern Achtnich: Rìckleben, Kirchenleitung, 388 – 390; Quellen III, 852 – 859; Friedrich, Entwicklung Badens, 318; Thierfelder, Landeskirche, 340. 663 Vgl. zum Fall Ernst Lehmann: Rìckleben, Kirchenleitung, 403 – 406 (kritisch dazu Fliedner, Verhalten, bes. 87 – 89); Friedrich, Entwicklung Badens, 324; Thierfelder, Landeskirche, 340 f.; Quellen V, 180 – 194; Quellen IV, hier bes. 445, 461 – 466; Klausing, Baden, 106 f. 664 Schreiben vom 30. 11. 1938 (zit. nach Rìckleben, Kirchenleitung, 383).

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weise vom Evangelischen Oberkirchenrat beschäftigt worden war, wich sie von ihren Grundsätzen ab. Noch 1942 konnte der Evangelische Oberkirchenrat ihm einen neuen Auftrag erteilen; die Finanzabteilung selbst hatte Vorschläge unterbreitet, wie der Pfarrer verwendet werden könnte und auch dessen Frau Arbeit in der Kirchensteuerstelle verschafft. Erst Ende 1942 hielt die Finanzabteilung weitere Beauftragungen des Mannes für nicht mehr verantwortbar.665 Die Finanzabteilung schaltete sich auch in den Fall des Pfarrers Hermann Maas ein, der für seine philosemitische Haltung allgemein bekannt war.666 Sie setzte die Kirchenleitung unter Druck, Maas des Dienstes zu entheben – der badische Kultusminister hatte ihr im Frühjahr 1943 entsprechendes Material zugespielt. Der Oberkirchenrat sah keine Möglichkeit mehr, Maas auf die Dauer zu halten und legte ihm daher nahe, von sich aus die Zurruhesetzung zu beantragen. Das tat Maas. Der Finanzabteilung aber reichte das nicht. Engelhardt war der Meinung, „als Vertreter des nationalsozialistischen Staatsinteresses, eine schärfere Dienstbestrafung des Pfarrers Maas fordern zu sollen.“667 Die Finanzabteilung wollte, dass Maas disziplinarisch aus dem Amt entfernt würde. Der badische Kultusminister jedoch war damit zufrieden, dass Maas aus dem aktiven Dienst ausschied und sah es keineswegs als sicher an, dass ein Disziplinarverfahren in diesem Sinne enden würde – Nachrichten aus dem Oberkirchenrat deuteten in eine andere Richtung. Daher drängte der Kultusminister die Finanzabteilung, dem Antrag Maas’ auf Zurruhesetzung zuzustimmen. Das tat die Finanzabteilung schließlich widerwillig, nicht aber ohne dabei gegenüber dem Evangelischen Oberkirchenrat zu betonen: „Die Beurteilung, welche der Evang. Oberkirchenrat ,vom Boden evangelischchristlicher Bindung heraus‘ in weitgehender Übereinstimmung mit Pfarrer Maas anwenden zu müssen glaubt, weicht so tiefgehend und grundlegend von der Beurteilungsweise der Finanzabteilung ab, welche ganz auf dem Boden der nationalsozialistischen Staatsidee steht, daß eine Verständigung über das pflichtgemäße Verhalten eines deutschen evangelischen Geistlichen als Inhabers eines öffentlichen Amtes in der deutschen Volksgemeinschaft […] aussichtslos ist.“668

Engelhardt sah die antijüdischen Maßnahmen im „Dritten Reich“ als „ein mit historischer Folgerichtigkeit sich entwickelndes Schicksal eines Ausbeuterund Schmarotzervolkes“, welches es „unter Betonung des Zusammenhanges zwischen Sünde und Schicksal […] als unvermeidlichen Zwangslauf der Geschichte“ zu begreifen gelte.669 Es bedürfe keiner besonderen Betonung, 665 Vgl. zu beiden Fällen: Ebd., 382 f., 387 f.; Ders., ,Judenchristen‘, 72. 666 Vgl. zum Folgenden: Quellen IV, 396 – 413; BArch R 5101 / 23982; Heidel, Kampf, 340 f.; Marggraf, Maas, 79 – 81; Kissener, Landeskirche, 29. 667 Engelhardt an Muhs vom 8. 7. 1943 (BArch R 5101 / 23982). 668 Schreiben Engelhardts vom 8. 7. 1943 (ebd.). 669 Schreiben an den EOK vom 24. 5. 1943 (ebd.; Quellen IV, 405 – 411), daraus auch die folgenden Zitate.

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„welche Schuld das Judentum am 1. und 2. Weltkriege und an der jahrzehntelangen inneren Zersetzung des Deutschtums trägt.“ Die Verfolgung der Juden wurde so bei Engelhardt zur „Volksabwehr“. Nicht nur die kirchlichen Mitarbeiter jüdischer Herkunft bekamen es mit der Finanzabteilung zu tun. Diese war der Auffassung, dass getaufte Juden generell keinen Platz mehr in der Kirche haben sollten. Exemplarisch zeigte sich das etwa bei einer zum Judentum konvertierten, ursprünglich evangelischen Frau, die in die Landeskirche zurückkehren wollte. Die Finanzabteilung wollte sie nun nicht wieder aufnehmen, da „infolge ihrer Verheiratung mit einem Juden […] die frühere Nichtjüdin eben heute noch Mitglied einer jüdischen Hausgemeinschaft“670 sei. In einem anderen Fall wollte die Finanzabteilung über die Taufe einer mit einem evangelischen Mann verheirateten Jüdin mitbestimmen: Solange noch Kirchensteuern von getauften Juden erhoben würden, so ihre Argumentation, seien dabei finanzielle Implikationen gegeben, sie sei deshalb in den Vorgang einzubinden.671 Im Juni 1939 legte die Finanzabteilung dem Reichskirchenminister eine rechtsverbindliche Anordnung vor, um die Kirchenmitgliedschaft der Christen jüdischer Herkunft grundsätzlich anzugehen.672 Sie hatte sich dabei an den gesetzlichen Regelungen aus DC-Landeskirchen orientiert, die Anfang 1939 zum Status der Christen jüdischer Herkunft erschienen waren. Sie griff nun diejenigen Aspekte heraus, für die sie meinte, zuständig zu sein. So sollten (getaufte) Juden „nicht steuerpflichtige Mitglieder“ der Landeskirche sein können, Kirchensteuern von ihnen also nicht mehr erhoben werden. Außerdem sah die Finanzabteilung die Bestimmung vor, dass zur „Vornahme von Amtshandlungen an Juden […] kirchliche Räume und Einrichtungen nicht benutzt werden“ dürften. Die vorgesehenen Regelungen, so die Finanzabteilung, ergäben sich „aus der in der nationalsozialistischen Auffassung begründeten Einstellung zum Judentum“673. In der vorgesehenen Form konnte die Anordnung nicht erlassen werden. Der Reichskirchenminister beanstandete nach Rücksprache mit der Kirchenkanzlei einige ihrer Passagen:674 Die Finanzabteilung sei nicht befugt über die Kirchenmitgliedschaft oder die Ausführung von Amtshandlungen eigene Bestimmungen zu treffen, dies sei Sache der Kirchenleitung. Für die notwendige Überarbeitung ließ sich die Finanzabteilung über ein halbes Jahr Zeit. Am Ende war von dem ursprünglichen Entwurf lediglich noch übrig geblieben, dass Kirchensteuern von (getauften) Juden (definiert nach Para670 FA-Baden an Reichskirchenminister vom 10. 5. 1939 (LkAKA GA Nr. 7065; Quellen IV, 434 f.). 671 Vgl. zu den Fällen: LkAKA GA Nr. 7065; Rìckleben, ,Judenchristen‘, 78 – 81. 672 Das Schreiben datiert auf den 19. 6. 1939 (BArch R 5101 / 23780; Rìckleben, ,Judenchristen‘, 122 f.); der Entwurf findet sich anbei, daraus auch folgende Zitate. 673 FA-Baden an Kultusminister vom 19. 6. 1939 (LkAKA GA Nr. 7066). 674 Vgl. Reichskirchenminister an FA-Baden vom 19. 8. 1939 (ebd.).

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graph 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz675) nicht mehr erhoben würden. Die Finanzabteilung beharrte darauf, „dass nach den für das 3. Reich massgebenden rassischen Gesichtspunkten eine weitere Zugehörigkeit von Juden zur Deutschen Evang. Kirche untragbar ist und mit dem nationalsozialistischen Volksempfinden daher unvereinbar ist. Solange es an einem entsprechenden Kirchengesetz mangelt, muss wenigstens die Erhebung von Kirchensteuer bei evangelischen Juden unterbleiben.“676

Am 28. Mai 1940 konnte die Anordnung erlassen werden.677 Es war der Finanzabteilung jedoch nicht gelungen, die Kirchenmitgliedschaft von Christen jüdischer Herkunft in Frage zu stellen. Der Evangelische Oberkirchenrat zeigte sich verwundert über die FA-Anordnung, schließlich „werden Staatssteuern von Nichtariern im gleichen Umfang wie von Deutschen erhoben“678. Einer Anregung Cölles 1942, die Nichterhebung der Kirchensteuern doch noch mit der Nicht-Kirchenmitgliedschaft der Christen jüdischer Herkunft zu begründen, wie er es in Bremen und Hannover getan hatte,679 folgte die Finanzabteilung nicht mehr. Am 11. März 1939 ersuchte das Eisenacher „Entjudungsinstitut“ die badische Finanzabteilung, ihr für das Rechnungsjahr 1939/40 einen Betrag von 6000 RM als Zuschuss bereitzustellen.680 Diese musste sich zunächst über das Institut orientieren und fragte dann beim Reichskirchenministerium an, ob sie dem Institut die erbetenen Mittel zur Verfügung stellen solle. Das Geld sei vorhanden, werde aber erst nach Zustimmung des Reichskirchenministers freigegeben.681 Derweil sprach sich der Landesbischof gegen etwaige Zahlungen an die Einrichtung aus.682 Der Reichskirchenminister entschied letztlich, dass Unterstützungen aus landeskirchlichen Mitteln nicht geleistet werden sollten, da es sich „nur um ein gruppenmäßig eingerichtetes Institut“683 handele. 1940 gab der Reichskirchenminister seine ablehnende Haltung auf. Er habe gegen die Zahlung von Zuschüssen an das „Entjudungsinstitut“ nichts einzuwenden, solange Kirchenleitung und Finanzabteilung diesen einvernehm675 Vom 14. 11. 1935 (RGBl., 1935, 1333 f.). 676 FA-Baden an EOK vom 18. 4. 1940 (LkAKA GA Nr. 7066; Quellen IV, 436). Diese Formulierungen sind teilweise wörtlich einem Schreiben Hoffmeisters an den Reichskirchenminister vom 23. 5. 1939 (LkAKA GA Nr. 7065) entnommen worden, welches abschriftlich der badischen Finanzabteilung zugegangen war. 677 GVBl., 1940, 43. 678 Schreiben an die FA-Baden vom 12. 4. 1940 (ebd.). 679 Vgl. die Schreiben Cölles an die FA-Baden vom 7. 1. 1942 und 2. 3. 1942 (ebd.). 680 LkAKA GA Nr. 7231. Vgl. zum folgenden Abschnitt das entsprechende Material ebd.; und in LkAKA GA Nr. 4943. 681 Vgl. Schreiben vom 31. 5. 1939 (LkAKA GA Nr. 7231). 682 Vgl. Kühlewein an FA-Baden vom 3. 6. 1939 (ebd.). 683 Reichskirchenminister an FA-Baden vom 5. 7. 1939 (ebd.).

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lich zustimmten.684 Die Kirchenleitung aber blieb bei ihrer Haltung, so dass die Finanzabteilung auch 1940 das „Entjudungsinstitut“ abweisen musste. Nur einmal, 1942, überging die Finanzabteilung die Anweisungen aus Berlin. Sie war von dem Institut um die Gewährung eines jährlichen Zuschusses von 5000 RM gebeten worden, den sie gerne angewiesen hätte. Der Landesbischof aber lehnte jede Zahlung weiterhin ab und verwies auf die nationalkirchliche „Grundrichtung und die Tendenz des Instituts“685. Die Finanzabteilung verweigerte nun zwar den dauernden Zuschuss, doch überwies sie dem Eisenacher Institut, im „Hinblick auf die Förderung, welche das Institut durch den Herrn Reichsminister für die kirchl. Angelegenheiten bisher erfahren hat und auf die wertvollen Ergebnisse, welche die Arbeit des Instituts bisher gezeitigt hat“686, eigenmächtig einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 3000 RM. Daneben sponserte die Finanzabteilung mit Zustimmung des Reichskirchenministers Vortragsveranstaltungen des „Entjudungsinstituts“ auf dem Gebiet der Landeskirche und Reisekosten von Geistlichen, die Veranstaltungen des Instituts besuchen wollten.687 Allein eine Arbeitstagung des Instituts in Heidelberg bezuschusste die Finanzabteilung im April 1941 mit pauschal 3000 RM, eine Tagung im November 1941 in Freiburg mit 2000 RM.688 Die Finanzabteilung hat dem „Entjudungsinstitut“ trotz des Widerstands des Landesbischofs immer wieder erhebliche Geldbeträge zukommen lassen. Dass nicht noch größere Summen verausgabt wurden, war einzig den Weisungen aus Berlin geschuldet.

3.7.2. Finanzabteilung und Sicherheitsdienst: Kollaboration und schwindendes Interesse Der Führer des Sicherheitsdienstes des SS-Oberabschnittes Süd-West mit Sitz in Stuttgart erstattete in den Jahren 1938/39 regelmäßig dem Reichssicherheitshauptamt Bericht über die Entwicklung in der badischen Landeskirche. Ein Hauptthema war die Einrichtung der Finanzabteilung und die damit einhergehenden Proteste. Der Sicherheitsdienst zeigte sich gut informiert und reicherte seine Berichte häufig mit umfangreichen Dokumentenanlagen an. Darunter waren Auszüge aus dem Gesetz- und Verordnungsblatt der Landeskirche ebenso wie Korrespondenz der Kirchenleitung, der Finanzabteilung und prominenter DC-Vertreter wie Kiefer oder Kölli sowie interne FA-Vermerke. Er verfügte auch über Eingaben auswärtiger kirchlicher Stellen zur 684 Vgl. FA-Baden an „Entjudungsinstitut“ vom 4. 5. 1940 (ebd.); auch Aktenvermerk Doerrs vom 15. 4. 1940 (LkAKA GA Nr. 7477). 685 Kühlewein an FA-Baden vom 17. 9. 1942 (LkAKA GA Nr. 7231). 686 FA-Baden an Landesbischof vom 27. 10. 1942 (LkAKA GA Nr. 4943). 687 Vgl. Reichskirchenminister an FA-Baden vom 22. 11. 1940 (LkAKA GA Nr. 7231); auch die Bekanntmachung der FA-Baden vom 4. 3. 1941 (GVBl., 1941, 27). 688 Vgl. Kassenanweisungen der FA-Baden vom 7. 4. 1941 und 3. 11. 1941 (LkAKA GA Nr. 7231).

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badischen Finanzabteilung, etwa vom Lutherrat oder aus der württembergischen Landeskirche. Der Sicherheitsdienst übermittelte dem Reichssicherheitshauptamt ein Bild von den Protesten, das im Wesentlichen dem der Finanzabteilung entsprach.689 Ab Frühjahr 1939 wurden nur noch sporadisch Berichte über die Finanzabteilung an das Reichssicherheitshauptamt geliefert. Im Juli 1940 schickte ihm der SD-Leitabschnitt Karlsruhe noch einen ausführlichen Bericht über die FA-Entwicklung;690 vereinzelte weitere Berichte beschäftigten sich mit Besprechungen zwischen der Finanzabteilung und dem Reichskirchenminister691 oder mit dem Bevollmächtigtenwesen.692 Vollständig zum Erliegen kam die Berichterstattung in Sachen Finanzabteilung offenbar 1941. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Sicherheitsdienst zu dieser Zeit die eigenständige Kirchenüberwachung aufund viele der V – Leute an die Gestapo abgab.693 Der Sicherheitsdienst verdankte seine detaillierte Kenntnis über die FAEntwicklung und die internen Dokumente wohl in erster Linie der Zuarbeit von Oberkirchenrat Doerr, der nachweislich seit 1938 als V – Mann für den Sicherheitsdienst tätig war.694 Für den Sicherheitsdienst war ein Mann wie Doerr ein idealer und wertvoller Bestandteil seines Informantennetzwerks: Er 689 Vgl. besonders die Berichte vom 5. 8. 1938; 23. 8. 1938; 10. 9. 1938; 20. 10. 1938; 26. 10. 1938; 27. 10. 1938; 3. 11. 1938; 24. 11. 1938; 11. 1. 1939; 2. 2. 1939; 3. 2. 1939 (BArch R 58 / 5779, Bl. 139, 142, 143, 145, 4 – 8, 149, 144, 3, 13, 18, 74). 690 Bericht vom 10. 7. 1940 (ebd., Bl. 206 – 211). Es ist unklar, wer das Schriftstück verfasst hat. Der Bericht wurde am 10. Juli 1940 vom SD-Leitabschnitt, mit Unterschrift des bearbeitenden SS-Sturmbannführers, an das Reichssicherheitshauptamt geschickt; unter anderem Datum, nämlich dem 25. Juni 1940, und ohne Unterschrift sowie ohne Adressat findet es sich auch in LkAKA GA Nr. 7477. Kurze Abschnitte sind abgedruckt in: Quellen IV, 194 f.; sowie in: Geschichte in Quellen, 391 f. Das Dokument wird in den Quelleneditionen dem FA-Vorsitzenden Lang zugeordnet. Für die Urheberschaft kommen indes mindestens drei Personen in Frage. Der SD-Mitarbeiter, der das ihm vorliegende Material zu dem Bericht hätte verarbeiten können. Diese Version ist allerdings eher unwahrscheinlich, denn der Bericht setzt sehr intime Kenntnisse der Vorgänge voraus; zudem wäre unklar, wie der Bericht dann an die Finanzabteilung gekommen sein sollte. Wahrscheinlicher ist die Urheberschaft eines FA-Führungsmitgliedes. Hier kämen Lang und Doerr in Frage. Da Doerr als V – Mann für den Sicherheitsdienst auftrat, läge es nahe, den Bericht ihm zuzuordnen. Doerr könnte ihn ausgearbeitet und dem Sicherheitsdienst vorgelegt haben, woraufhin der Sachbearbeiter ihn nach Berlin weitergab. Auch Lang könnte das Dokument verfasst haben, allerdings war er zu jener Zeit kaum noch in der Finanzabteilung tätig, von daher ist fraglich, ob er den zeitlichen Aufwand für das umfangreiche Schriftstück, welches mit über zwanzig Anlagen versehen war, investiert haben mag. 691 Vgl. den Vermerk Doerrs vom 15. 4. 1940, der dem Reichssicherheitshauptamt vorlag (BArch R 58 / 5779, Bl. 183 – 186). 692 Vgl. Bericht des SD-Leitabschnittes Karlsruhe vom 25. 2. 1941 (ebd., Bl. 187 – 189). 693 Siehe oben 125. 694 Vgl. Einstellungsbeschluss des Entnazifizierungsverfahrens vom 21. 12. 1948 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). Der Bruder Emil Doerrs, Friedrich Doerr, berichtete am 12. April 1948 an den Evangelischen Oberkirchenrat, Doerr sei seit 1937 Auskunftsperson für den Sicherheitsdienst gewesen (ebd.).

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Das zähe Ende der Finanzabteilung nach dem Krieg

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pflegte eine nationalsozialistische Haltung, war bereit, vertrauliche Informationen an den Nachrichtendienst weiterzugeben und befand sich beruflich an einflussreicher und bestens informierter Stelle.695 Doerr selbst konnte mit seiner SD-Tätigkeit seine Treue zum NS-Regime unter Beweis stellen. Er trat auch als V – Mann für die Gestapo auf.696 Der Evangelische Oberkirchenrat erfuhr erst nach dem Krieg durch die Besatzungsbehörden von Doerrs SDTätigkeit.697 Es kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, weshalb die Berichterstattung des Sicherheitsdienstes ab 1939 so deutlich nachließ. Möglich wäre, dass Doerr ab diesem Zeitpunkt gewisse Ermüdungserscheinungen als V – Mann zeigte und nicht mehr in dem anfänglichen Maße Informationen lieferte.698 Wahrscheinlich aber verlor der Sicherheitsdienst des SS-Oberabschnittes Süd-West mit dem Abflauen der Proteste einfach das Interesse an der FA-Entwicklung. Die Reaktionen in der Bevölkerung und den Gemeinden waren das eigentlich Interessante für ihn gewesen, davon gab es nun weniger zu berichten. Im Südwesten des Reiches lag die Hauptaufmerksamkeit des Geheimdienstes ohnehin bei der katholischen Kirche.699

3.8. Das zähe Ende der Finanzabteilung nach dem Krieg und die Entnazifizierung ihrer Mitglieder Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte der Evangelische Oberkirchenrat noch in seinem Ausweichquartier in Herrenalb. Ab Juni 1945 begann er mit der notwendigen Neuorganisation der Landeskirche.700 Zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung über das weitere Schicksal der Finanzabteilung bereits gefallen. Am 2. Mai 1945 hatte der Evangelische Oberkirchenrat die Initiative ergriffen und gegenüber Doerr erklärt: Wegen der Besetzung Deutschlands durch die Alliierten und der damit einhergehenden Aufhebung der NS-Gesetzgebung sei die Finanzabteilung „ausser Wirksamkeit gesetzt. Die der Finanzabteilung zugewiesene Zuständigkeit fällt der Kirchenbehörde wieder 695 696 697 698 699 700

Vgl. Schreiber, Elite, 327. Vgl. Stolle, Staatspolizei, 268. Vgl. EOK an Friedrich Doerr vom 19. 3. 1948 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). Das wäre für V – Leute nach Schreiber, Elite, 210, nicht untypisch. Vgl. auch Stolle, Staatspolizei, 232. Vgl. zur badischen Landeskirche in der unmittelbaren Nachkriegszeit: Friedrich, Entwicklung Badens, 332 – 334; Thierfelder, Tradition; Dietrich, Neuordnung, 191 – 201; Meier, Kirchenkampf III, 440 – 442; Thierfelder, Landeskirche, 360 f.; Erbacher, Landeskirche, 51 f.; Rìckleben, Zentralbehörden, 664; Geschichte in Quellen, 424 f.; Quellen V, 347 – 413.

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Die Finanzabteilung der Landeskirche Badens

zu.“701 Doch die Finanzabteilung saß in Heidelberg und die Verbindung zum Evangelischen Oberkirchenrat war spärlich, daher konnte jener nicht ohne weiteres die Vermögensverwaltung wieder in eigene Hände nehmen. Er war auf das in Heidelberg vorhandene Personal angewiesen. So ist das Lavieren zu erklären, das im Mai 1945 beim praktischen Umgang mit der Finanzabteilung entstand. Die grundsätzliche Frage, ob die Finanzabteilung überhaupt weiterbestünde, war Anfang Mai 1945 geklärt.702 Dem widersprach auch Doerr nicht: Die Prüfung der veränderten Lage habe ergeben, so berichtete er dem Landesbischof, dass die 15. Durchführungsverordnung „zwar nicht aufgehoben ist, dass aber tatsächlich die Finanzabteilung keine Tätigkeit mehr ausüben kann und daher als ausser Wirksamkeit gesetzt anzusehen ist. Die Finanzabteilung ist also der Rechtsauffassung des Evang. Oberkirchenrates insoweit beigetreten“703. Doerr bat den Evangelischen Oberkirchenrat um Zustimmung zu seinem Vorhaben, die FA-Geschäfte „im Auftrag“ des Oberkirchenrats in Heidelberg weiterzuführen, bis eine Zurückverlegung der nun als „Evang. Oberkirchenrat Karlsruhe – Abteilung Vermögensverwaltung – in Heidelberg“ firmierenden früheren Finanzabteilung nach Karlsruhe bewerkstelligt werden könnte. Er kam auch auf seinen Antrag auf Zurruhesetzung aus dem November 1944 zurück, der seinerzeit von Engelhardt dem Landesbischof hätte zugeleitet werden sollen. Nunmehr könne, „wie ich annehme, mein Ausscheiden aus dem landeskirchlichen Dienst in absehbarer Zeit erfolgen“704. Doerr hoffte, die Vermögensverwaltung der Landeskirche zunächst weiterführen und anschließend, spätestens zum 1. Oktober 1945, geordnet aus dem Dienst der Landeskirche scheiden zu können. Gleichzeitig war ihm klar : „Auf Grund dieser Änderung der kirchlichen Verhältnisse [scil. dem Erlöschen der Finanzabteilung] ist meine Person als Mitglied des Evang. Oberkirchenrates im Hinblick auf meine bisherige kirchenpolitische Zugehörigkeit und im Hinblick auf meine Zugehörigkeit zur Finanzabteilung für die Kirchenleitung nicht mehr tragbar.“705

Deshalb könne der Landesbischof ihn auch aus kirchenpolitischen Gründen zur Ruhe setzen, falls er gesundheitliche Gründe nicht anführen möge. Doch zunächst schienen sich Doerrs Hoffnungen auf einen geordneten Abgang zu erfüllen. Am 26. Mai 1945 teilte der Evangelische Oberkirchenrat ihm mit, er sei „ermächtigt, die unerlässlich notwendigen, das Kirchenver701 LkAKA GA Nr. 4900. 702 Vgl. auch die Mitteilung des Landesbischofs in einem Rundschreiben an alle Geistlichen vom 23. 5. 1945 (LkAKA GA Nr. 1242b). 703 Schreiben an den Landesbischof vom 19. 5. 1945 (LkAKA GA Nr. 4900; Quellen IV, 297 f.). 704 Ebd. Vgl. auch den Aktenvermerk Doerrs und sein Schreiben an den Landesbischof vom 22. 5. 1945 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). 705 Doerr an Landesbischof vom 22. 5. 1945 (LkAKA 2.0. Nr. 3396).

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mögen betreffenden Verfügungen und Anweisungen zu geben.“706 Ansonsten solle er sich allerdings jeglicher Amtshandlungen enthalten. Die Bereitschaft des Evangelischen Oberkirchenrates, Doerr zunächst weiter gewähren zu lassen, war allerdings bereits am 29. Mai 1945 Makulatur, als Oberkirchenrat Doerr und der FA-Vorsitzende Engelhardt von der badischen Militärregierung ihrer Ämter enthoben wurden.707 Am 1. Juni 1945 suspendierte der Evangelische Oberkirchenrat Doerr. Als Begründung wurde nicht der Befehl der Militärregierung angeführt, sondern dass Doerr noch im Mai 1945 unter der Firma „Finanzabteilung“ Verfügungen herausgegeben habe.708 Er habe damit den Besatzungsbehörden Anlass gegeben, anzunehmen, „daß die Landeskirche an der Einrichtung der Finanzabteilung festhält und damit eine Maßnahme des doch nun zusammengebrochenen nationalsozialistischen Staates aufrechtzuerhalten versucht.“709 Dadurch sei Misstrauen bei der amerikanischen Besatzungsbehörde und damit eine „schwere Gefahr für unsere Landeskirche“ entstanden. Auch Guttenberg wurde am 1. Juni 1945 von seinem Amt in der Evangelischen Pflege Schönau und als FA-Mitglied suspendiert.710 Damit war die Finanzabteilung endgültig Geschichte. Sie wurde nicht mehr förmlich durch die Militärregierung aufgehoben,711 ihr Ende war durch den kirchlichen Beschluss vom 2. Mai 1945 besiegelt worden. Es blieb die Aufgabe, das Erbe der Finanzabteilung abzuwickeln. Auch dies gelang in Baden zügig, da von großen Förmlichkeiten abgesehen wurde. Mit dem Ende der Finanzabteilung wurden auch deren Anordnungen und Verfügungen als nichtig betrachtet, sofern sie störend waren. Bald verlor die ehemalige Finanzabteilung auch ihre Sonderbezeichnung „Abteilung-Vermögensverwaltung“ und hieß nur noch „Evangelischer Oberkirchenrat Karlsruhe – Abteilung Heidelberg“. Verschiedene Rundschreiben aus dem Juni 1945 unterrichteten die Dekanate, Kirchengemeinden und andere kirchliche Stellen von dem Ende der Finanzabteilung und den damit einhergehenden Veränderungen.712 Den bis dahin verbliebenen Bevollmächtigten wurde mitgeteilt, dass auch ihre Tätigkeit in den Gemeinden mit der Fi-

706 LkAKA GA Nr. 4900. 707 Vgl. LkAKA GA Nr. 7276. Vgl. auch die Notiz der Militärregierung vom 9. 6. 1945 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). 708 Der Vorwurf traf zu, vgl. beispielhaft entsprechende Schreiben in LkAKA GA Nr. 7404; auch Doerr an Landesbischof vom 4. 6. 1945 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). 709 EOK an Doerr vom 1. 6. 1945 (LkAKA GA Nr. 7276; Quellen IV, 298), daraus auch folgendes Zitat. 710 Schreiben in LkAKA 2.0. Nr. 3415. 711 Es scheint aber Verhandlungen des Evangelischen Oberkirchenrates mit der Militärregierung zu dieser Frage gegeben zu haben. Jene Stelle habe, so berichtete Oberkirchenrat Friedrich, „auch keinen Zweifel darüber [gelassen], dass die Finanzabteilung beseitigt ist.“ Friedrich an Dekan Kampp vom 26. 5. 1945 (LkAKA 2.0. Nr. 3396). 712 Sie finden sich in LkAKA GA Nr. 7276.

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nanzabteilung geendet habe und ihre Zuständigkeiten wieder an die kirchengemeindlichen Organe zurückgefallen seien.713 Nach dem Krieg nutzte die Kirchenleitung die Gelegenheit, die Finanzabteilung als Exponent des kirchenfeindlichen NS-Regimes im Raum der badischen Landeskirche hervorzuheben und so von eigenen Fehlern in der Vergangenheit abzulenken. Die Finanzabteilung war so „in den Diskussionen nach der Befreiung immer mehr oder weniger deutlich präsent“714 und bildete den negativen Bezugspunkt für die Legitimation der Kirchenleitung.715 In einem Wort an die Gemeinden vom 26. Juni 1945 ging Kühlewein daher verhältnismäßig breit auf das Wirken der Finanzabteilung ein. Er unterstrich wiederholt ihren kirchenzerstörenden Charakter sowie den beharrlichen, jedoch vergeblichen Widerstand der Kirchenleitung.716 Auch auf der ersten Vorläufigen Landessynode im November 1945 verwies der Landesbischof auf den „siebenjährigen Kriege gegen die Finanzabteilung“717. Auf der ersten Sitzung des neu konstituierten Erweiterten Oberkirchenrates am 23. August 1945 konnte Kühlewein im Rahmen seines Lageberichtes vermelden, mit der FA-Aufhebung, der Entlassung von Doerr und Engelhardt sowie der Suspendierung Guttenbergs „und dem Verschwinden der Finanzbevollmächtigten ist die Kirchenleitung von einem schweren Druck und mancherlei Hemmungen, die Zerstörungen in unserer Kirche anrichteten, befreit.“718 Nicht überall in der Landeskirche wurde die apologetische Sichtweise geteilt. Die badische Theologische Sozietät hob das Verhalten der Kirchenleitung gegenüber der Finanzabteilung als Exempel für ihr Versagen angesichts des Nationalsozialismus hervor. Die Kirchenleitung habe an dieser Stelle „den Widerstand verweigert und sich mit dem Widerspruch begnügt, obwohl der Herr Landesbischof selbst der Meinung Ausdruck gegeben hat, dass durch ein Zurückweichen vor der FA die ganze Kirche dem Staat ausgeliefert würde. Sie hat es den Inhabern kirchlicher Ämter sogar zugemutet, ihren Einspruch gegen die FA aufzugeben und diese wider besseres Wissen und Gewissen anzuerkennen.“719

713 Vgl. ebd. das entsprechende Rundschreiben. Schon in seinem Rundschreiben vom 23. Mai 1945 an alle Geistlichen hatte Landesbischof Kühlewein vermeldet, nebst der Finanzabteilung seien die Bevollmächtigten weggefallen (LkAKA GA Nr. 1242b). Vgl. auch die FA-eigenen Pläne, die Bevollmächtigten nach dem Krieg geordnet abzuziehen, FA-Baden an EOK vom 9. 5. 1945 (LkAKA SpA Nr. 5208). 714 Stçssel, Kirchenleitung, 27. 715 Vgl. ebd., 27, 56. 716 Vgl. GVBl., 1945, 1 – 3. 717 Kühleweins Stellungnahme ist abgedruckt teilweise in: Quellen V, 398 f. 718 Protokoll in LkAKA GA Nr. 1052. 719 „Zur gegenwärtigen kirchlichen Lage in Baden“, Denkschrift der badischen Theologischen Sozietät aus dem Oktober 1945 (Quellen V, 388 – 391, hier 390).Vgl. dazu auch Dietrich, Neuordnung, 189 – 191.

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Die badische Theologische Sozietät war jedoch nur eine kleine kirchenpolitische Gruppierung mit eher geringem Einfluss, die Sicht der Kirchenleitung dominierte in der zeitgenössischen Diskussion. Doch wie ging es mit den FA-Mitgliedern weiter? Die Entnazifizierung der Geistlichen war nach dem Krieg ein umstrittenes Thema,720 bei den kirchlichen FA-Mitgliedern lagen die Fälle hingegen meist in der einen oder anderen Weise eindeutig. Offizieller FA-Vorsitzender war bei Kriegsende immer noch Dr. Engelhardt. Von der Aufhebung der Finanzabteilung hatte er erst spät erfahren, da er bei Kriegsende nicht erreichbar gewesen war. In seinem Entnazifizierungsverfahren spielte seine FA-Tätigkeit nur eine sehr untergeordnete Rolle.721 Er selbst gab an, sein FA-Einsatz sei „aushilfsweise und ehrenamtlich“722 gewesen, und bemerkt dazu: „Verhinderte Gewalteingriff des NSDAP-Regimes.“ Er habe seine Aufgabe „unpolitisch und rein fachtechnisch“ zum „Schutz der evang. Kirchenverwaltung“ wahrgenommen und zwar „unter Abwehr nazistischer Übergriffe und bei Unterstützung politisch Verfolgter.“ Eine höchst abwegige Darstellung seiner FA-Tätigkeit. Der Öffentliche Kläger legte ihm jedoch vielmehr seine Rolle in der DAF-Gauverwaltung, die Engelhardt nach dem Krieg zu marginalisieren versuchte, sowie Vorkommnisse in seiner Fabrik zur Last (es ging unter anderem um Kontakte zur Gestapo). Er beantragte eine Einreihung Engelhardts in die Gruppe der Belasteten (Kategorie II). Engelhardt selbst betonte stets seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus, welche er in „Wort und Tat“723 vielfach bewiesen hätte. Die Spruchkammer ließ sich von der Entlastung Engelhardts überzeugen und warf ihm letztlich nur die formalen Belastungen, NSDAP- und DAF-Mitgliedschaft, vor. Er wurde als Mitläufer (Kategorie IV) eingestuft. Die Kirchenleitung der badischen Landeskirche war in das Verfahren überhaupt nicht involviert gewesen; weder wurde sie angefragt noch versuchte sie, sich selbst einzubringen. Oberkirchenrat Doerr war aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft, der Kooperation der Finanzabteilung mit den NS-Dienststellen, und vor allem wegen seiner Tätigkeit für den Sicherheitsdienst und seine SS-Förderschaft in das Visier der Besatzungsbehörden geraten. Im Mai/Juni 1945 wurde Doerr daher mehrfach vernommen.724 Doerr bekam von der Landeskirche guttatsweise (trotz Entlassung durch die Militärregierung) ein Ruhestandsgehalt ausgezahlt sowie eine landeskirchliche Wohnung in Heidelberg zur Verfügung

720 Vgl. dazu Lindemann, Entnazifizierung; Muster, Reinigung, bes. 139 – 210; Quellen V, bes. 357. 721 Vgl. zu Engelhardts Entnazifizierung seine Akte (GLAK 465 a/51 Nr. 7/14670). 722 Erläuterungen Engelhardts zu den Angaben im Entnazifizierungsfragebogen vom 30. 4. 1946 (ebd., Bl. 25 – 29, hier Bl. 25), aus den Erläuterungen auch die folgenden Zitate. 723 Engelhardt an Spruchkammer Karlsruhe vom 27. 1. 1948 (ebd., Bl. 89 – 103, hier Bl. 103). 724 Vgl. Doerr an Landesbischof vom 4. 6. 1945 (LkAKA 2.0. Nr. 3396).

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gestellt.725 Sein Entnazifizierungsverfahren konnte vor Doerrs Tod am 15. Januar 1948 nicht mehr abgeschlossen werden. Es wurde schließlich am 21. Dezember 1948 eingestellt, da die Ermittlungen nicht ergeben hätten, dass Doerr „materiell als Hauptschuldiger oder Belasteter im Sinne des Befreiungsgesetzes einzureihen wäre.“726 Oberfinanzrat Guttenberg war zum 1. September 1945 aus dem Dienst der Landeskirche entlassen worden. Der Evangelische Oberkirchenrat entsprach damit den allgemeinen Richtlinien der Militärregierung für NSDAP-Mitglieder in der Beamtenschaft. Zusätzlich hielt die Kirchenbehörde Guttenberg vor, dass „Sie ein überzeugter Anhänger des Nationalsozialismus waren und auch der Vereinigung der ,Deutschen Christen‘ angehört haben“727. In seinem Entnazifizierungsverfahren wurde Guttenberg aufgrund seiner Parteitätigkeit in den Jahren bis 1937, mit der er die NS-Gewaltherrschaft wesentlich gefördert habe, als Belasteter (Kategorie II) eingestuft, was automatisch mit dem Verlust der Pension einherging.728 Wegen seiner FA-Tätigkeit war sich Guttenberg keiner Schuld bewusst. Daher hatte er auch mit Unverständnis auf seine Suspendierung Anfang Juni 1945 reagiert. Er sei „lediglich mit Bearbeitung rein wirtschaftlicher und juristischer Fragen befasst“ gewesen, habe hingegen „mit Gegenständen kirchen- oder parteipolitischer Natur und insbesondere mit der Gestapo als Sachbearbeiter nie etwas zu tun“ gehabt.729 Seine Arbeit könne „jeder objektiven Prüfung“ „auf ihre rein sachliche, stets den Vorteil der kirchlichen Vermögensverwaltung beobachtende, von Parteipolitik unbeeinflusste Geschäftsführung […] standhalten.“ Guttenberg versuchte sich als internen Opponenten der von Doerr und Engelhardt getragenen FA-Politik zu stilisieren. Die Gehaltssperre aufgrund der Suspendierung empfand er als „eine[.] erbarmungslose[.] Härte […], die im schroffsten Gegensatze zu der Behandlung stehen würde [scil., wenn ihm nicht geholfen würde], die den nach dem Umschwung des Jahres 1933 vom Ev. Oberkirchenrat in den Ruhestand versetzten Geistlichen jüdischer Rasse zuteil wurde, die vielmehr ihr volles Ruhegehalt anstandslos auch von der Finanzabteilung erhielten“.

Sein selbst verschuldetes Schicksal hielt Guttenberg nicht nur für vergleichbar dem der Geistlichen jüdischer Herkunft, sondern sogar für unbilliger. Der Evangelische Oberkirchenrat gewährte ihm bald ein kleines Auskommen, um die Härten für ihn und seine Familie zu mildern.730 Auch in seiner bisherigen Dienstwohnung konnte er bis auf weiteres verbleiben. Guttenberg hoffte weiterhin, dass der Oberkirchenrat einen „in treu geleistetem Kir725 726 727 728 729 730

Vgl. Vermerk Friedrichs vom 17. 8. 1945 (ebd.). Einstellungsbescheid (ebd.). Vgl. zu Doerr in der Nachkriegszeit auch Rìckleben, Doerr, 61. Schreiben vom 25. 8. 1945 (LkAKA 2.0. Nr. 3415). Vgl. das Spruchurteil vom 18. 10. 1946 (ebd.). Guttenberg an Landesbischof vom 1. 7. 1945 (ebd.), daraus auch die folgenden Zitate. Vgl. EOK an Guttenberg vom 17. 7. 1945 (ebd.).

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chendienst ergrauten Beamten“731 nicht ohne Ruhestands- und Hinterbliebenenbezüge würde stehen lassen. Ab August 1948, nachdem die Entnazifizierungssanktionen aufgehoben worden waren, gewährte der Evangelische Oberkirchenrat Guttenberg guttatsweise einen Unterhaltszuschuss in Höhe des Ruhegehaltes. Seine Entlassung wurde jedoch nicht zurückgenommen.732 Oberfinanzrat Seitz nahm nach seiner Rückkehr aus dem Krieg im Mai 1945 seine Arbeit als Vorstand der Evangelischen Stiftschaffnei Mosbach wieder auf.733 Im September 1945 wurde er zu einem Gespräch mit Oberkirchenrat Friedrich nach Karlsruhe geladen.734 Es sollte um seine Vergangenheit gehen. Das Gespräch führte zur vollständigen Rehabilitierung Seitz’. Man lastete ihm seine FA-Mitgliedschaft nicht an, da er „ohne sein Zutun“735 vom Reichskirchenminister berufen worden sei. Da er zudem weder politisch noch kirchenpolitisch hervorgetreten war, wurde er als unbelastet erachtet. Er habe, so hieß es nun, „als der ,weiße Rabe‘“ oder „Renommierschulze“736 der Finanzabteilung gegolten, und man war offenbar gewillt, Seitz’ Vergangenheit, immerhin war er DC-Mitglied gewesen, einem unheilvollen Einfluss Doerrs zuzuschreiben.737 Das Vertrauen des Evangelischen Oberkirchenrats zu Seitz war jedenfalls intakt, wie auch dessen weitere Verwendung zeigte. In seinem Entnazifizierungsverfahren wurde Seitz am 11. Oktober 1946 als Mitläufer (Kategorie IV) wegen seiner nominellen Zugehörigkeit zur NSDAP zu einer Geldstrafe verurteilt.738 Als problematisch erwies sich der Fall von Finanzrat Kaeser.739 Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg wurde er vom Evangelischen Oberkirchenrat zunächst beurlaubt. Anschließend wurde er zum Gespräch mit Landesbischof Kühlewein bestellt. Es sollte über eine Weiterverwendung im kirchlichen Dienst entschieden werden.740 Kaeser legte „eine umfassende Beichte“741 über seine Tätigkeit in der Finanzabteilung ab, dennoch fiel die Entscheidung zu seinen Ungunsten aus. Es wurde ihm bei dem Gespräch nahegelegt, von sich aus den Dienst zu quittieren, da er andernfalls entlassen würde.742 Er erschien der Kirchenleitung zu belastet; Kaeser sei zwar „ein guter Arbeiter“ gewesen, „aber charakterlich ist er zu bedenklich.“743 Als Mitglied der Finanzabteilung

731 732 733 734 735 736 737 738 739 740 741 742 743

Guttenberg an Friedrich vom 20. 10. 1945 (ebd.). Vgl. EOK an Guttenberg vom 30. 8. 1948 (ebd.). Vgl. Seitz an EOK vom 15. 5. 1945 (LkAKA 2.0. Nr. 6420). Vgl. Friedrich an Seitz vom 8. 9. 1945 (ebd.). Vermerk Friedrichs vom 29. 8. 1946 (ebd.). Dekan Herrmann an EOK vom 19. 9. 1945 (ebd.), daraus auch das vorige Zitat. Vgl. ebd. Vgl. den Entnazifizierungsspruch (ebd.). Vgl. dazu insgesamt LkAKA 2.0. Nr. 5393 Bd. II. Vgl. Friedrich an Kaeser vom 11. 9. 1945 (ebd.). Kaeser an Friedrich vom 18. 2. 1947 (ebd.). Vgl. auch den EOK-Beschluss vom 14. 10. 1945 (LkAKA GA Nr. 1052). So die Einlassung Friedrichs auf der EOK-Sitzung am 14. 10. 1945 (ebd.).

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habe er „dem Oberkirchenrat doch viele Schwierigkeiten gemacht.“744 Allenfalls könne er später, so ein Beschluss des Erweiterten Oberkirchenrates, als Angestellter in den kirchlichen Dienst zurückkehren.745 So wurde Kaeser zum Ende Oktober 1945 auf eigenen Antrag aus dem kirchlichen Dienst entlassen.746 In seinem Entnazifizierungsverfahren wurde er als Mitläufer (Kategorie IV) eingestuft und mit einer Geldbuße bedacht.747 Im Oktober 1946 fragte Kaeser bei Oberkirchenrat Friedrich an, ob eine Rückkehr in den kirchlichen Dienst möglich sei. Dem Evangelischen Oberkirchenrat ging das zunächst zu schnell,748 später meinte Friedrich grundsätzlich, „dass es für die Kirchenleitung sehr schwer sein würde, Sie, wenn auch nur im Vertragsverhältnis, hier zu beschäftigen.“749 Er wurde vom Evangelischen Oberkirchenrat weit kritischer beurteilt als sein FA-Kollege Seitz. Gleichwohl war der Evangelische Oberkirchenrat Kaeser behilflich, eine Zulassung als Rechtsanwalt zu erlangen. Kaeser begegnete dem Unwillen der Kirchenleitung, ihn wieder aufzunehmen, mit einer großen Verbitterung. Er betonte, er habe den Deutschen Christen nie auch nur nahe gestanden und rechtlich immer einwandfrei gehandelt. Es folgten jedoch aus „der Tatsache meiner nun einmal nicht aus der Welt zu schaffenden Zugehörigkeit zur Finanzabteilung, d. i. einer Einrichtung, die als kirchenzerstörend gewertet wird, […] notwendigerweise ,kirchenzerstörende‘ Amtshandlungen, die man in beliebiger Weise immer wieder aufgreifen und anprangern kann.“ Er habe aber „keine übergesetzlichen oder naturgesetzlichen Rechte verletzt, keine Verbrechen gegen die Humanität begangen, auch nicht die nat[ional]soz[ialistische] Gewaltherrschaft stützen wollen, die mir vielmehr, wie Sie sehr verehrter Herr Oberkirchenrat wissen, durchaus verhasst war.“750

744 745 746 747

So die Einlassung Friedrichs auf der EOK-Sitzung am 14. 10. 1945 (ebd.). Vgl. EOK an Kaeser vom 23. 10. 1945 (LkAKA 2.0. Nr. 5393 Bd. II). Vgl. EOK-Erlass vom 23. 11. 1945 (ebd.); auch GVBl., 1945, 29. Vgl. dessen Spruchkammerakte (GLAK 465 p Nr. 438); ferner entsprechendes Material in LkAKA 2.0. Nr. 5393 Bd. II. 748 Vgl. Vermerk Friedrichs vom 16. 10. 1946 (ebd.). 749 Friedrich an Kaeser vom 3. 2. 1947 (ebd.). 750 Kaeser an Friedrich vom 18. 2. 1947 (ebd.).

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4. Vergleich Die im Detail vorgestellten drei landeskirchlichen Finanzabteilungen sollen im Folgenden einem Vergleich unterzogen werden. Es soll nicht darum gehen, einzelne Entwicklungen oder Maßnahmen der Finanzabteilungen abzugleichen, sondern es gilt, ihren Weg und ihr Wirken, ihr typisches Verhalten und ihr Selbstverständnis einander gegenüberzustellen. Dabei soll der Vergleich nicht überstrapaziert werden. Letztlich sind die drei Finanzabteilungen spezifische Beispiele dafür, wie die Umsetzung der FA-Politik auf landeskirchlicher Ebene erfolgen konnte. Sie können nicht repräsentativ für alle Finanzabteilungen stehen, denn typisch für sie war ihr staatskirchlicher Kurs, den nicht alle Finanzabteilungen so dezidiert teilten. Vergliche man weitere oder andere Finanzabteilungen, etwa die von Kurhessen-Waldeck, Schleswig-Holstein und der Kirchenprovinz Pommern, so erhielte man andere Befunde. Diese Koexistenz verschiedener Typen von Finanzabteilungen entsprach dem polykratischen Charakter der NS-Herrschaft und korrespondierte mit der schwankenden NS-Kirchenpolitik. Die gemeinsame Basis der hier behandelten Finanzabteilungen ermöglicht dafür einen Vergleich, der neben den Besonderheiten auch die Gemeinsamkeiten aufzeigt, die für die Entwicklung einer an der Muhs’schen Kirchenpolitik orientierten Finanzabteilung typisch waren.

4.1. Das Selbstverständnis der Finanzabteilungen Allen drei Finanzabteilungen war gemeinsam, dass sie 1938 mit kirchenfremden Vorsitzenden ausgestattet wurden. Im Falle Badens war dies die FAAnfangskonstellation, in Hannover und Braunschweig das Resultat von Umbesetzungen. Zuvor hatten die Finanzabteilungen dort noch in erster Linie als kirchliche, nicht staatliche Stellen agiert. Alle drei Maßnahmen waren von Staatssekretär Muhs ausgegangen. Die neuen FA-Führungsfunktionäre verstanden sich als Staatskommissare; für sie hatte die Durchsetzung von politischen Interessen im Raum der Kirche höchste Priorität, auch wenn dahinter kirchliche Bedürfnisse, wie sie die Kirchenleitungen verstanden, zurücktreten mussten. Sie sahen es als ihren Auftrag an, die Kirche politisch zu überwachen und die NS-Weltanschauung durchzusetzen. Alle Finanzabteilungen griffen dabei über ihr eigentliches Aufgabengebiet, die Vermögensverwaltung, hinaus und wurden in nahezu jedem Lebensbereich der Kirche tätig. Alle waren bestrebt, sich von der Kir-

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chenverwaltung möglichst vollständig zu emanzipieren. Es bedurfte zumeist der Intervention durch das Reichskirchenministerium, um sie zur Kooperation mit den Kirchenleitungen zu bewegen. Für alle drei Finanzabteilungen bestanden damit zunächst einmal konzeptionell gleiche Voraussetzungen und Bedingungen; sie starteten 1938 an einem gemeinsamen Ausgangspunkt. Gleichwohl entwickelten sie ganz unterschiedliche Ausprägungen. Sie unterschieden sich darin, wie sie ihren Auftrag konkret umsetzten, aber auch, wie sie ihn im Detail überhaupt verstanden und ausdeuteten. Die Finanzabteilungen handelten dabei auf all den Feldern vergleichbar, die sie als zentrale Bausteine der NS-Ideologie oder Politik begriffen und deren Durchsetzung sie damit gleichermaßen als ihre Kernaufgabe betrachteten. Daher versuchten alle drei Finanzabteilungen, die staatliche Judenpolitik auf den Raum der Kirche zu übertragen. Einigkeit herrschte auch darüber, dass die Bekennende Kirche als staatspolitisch unzuverlässig, wenn nicht staatsfeindlich zu beurteilen und daher ihre Bekämpfung eine Frage der Staatsräson wäre.

4.2. Die Stellung der Finanzabteilungen zu den Deutschen Christen Uneinheitlich war die Haltung der Finanzabteilungen gegenüber den Deutschen Christen. Nur auf den ersten Blick erscheint sie ähnlich: Alle drei Finanzabteilungen griffen zugunsten der Deutschen Christen in die Minderheitenversorgung der Landeskirchen ein und unterstützten sie finanziell sowie personalpolitisch, etwa bei der Pfarrstellenbesetzung. In Hannover und Baden aber förderten die maßgeblichen FA-Funktionäre – Cölle, Lang, Doerr und Engelhardt – die Deutschen Christen mit sehr viel Nachdruck und aus einer eigenen inneren Überzeugung heraus. Sie waren selbst Anhänger dieser kirchenpolitischen Gruppierung. Die Hilfen fielen daher sehr umfangreich und nachhaltig aus. In Braunschweig hingegen sah Hoffmeister in der Minderheitenpolitik nur ein weiteres Feld, die Kirchenleitung zu entmachten und in der Unterstützung der Deutschen Christen nur ein weiteres Mittel, Gegner der Kirchenleitung zu stärken. An den Deutschen Christen selbst und ihrer kirchenpolitischen Sache hatte Hoffmeister hingegen keinerlei Interesse. Ihre Unterstützung lag für ihn keineswegs per se im Staatsinteresse. Die Finanzabteilungen spiegeln die widerstreitenden Positionen innerhalb der NS-Bewegung gegenüber den Deutschen Christen wider. Seit Beginn der NS-Herrschaft, als die Deutschen Christen als Vehikel zur Gleichschaltung der evangelischen Kirche betrachtet wurden, hatten sich die Divergenzen in dieser Frage noch vertieft. Die Kreise um Muhs im Reichskirchenministerium standen den Deutschen Christen nach wie vor sehr aufgeschlossen gegenüber, während die radikalen Kirchengegner sie ablehnten. Welches die offizielle

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Das Verhältnis zum Reichskirchenministerium

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Haltung von Staat und Partei zu den Deutschen Christen wäre, war nicht zu entscheiden, solange Hitler sich nicht eindeutig positioniert hatte. Daher konnten auch die Finanzabteilungen bei dieser Bewertung voneinander abweichen.

4.3. Das Verhältnis zum Reichskirchenministerium Für das Verhältnis der drei Finanzabteilungen zum Reichskirchenministerium war prägend, dass dort kein einheitliches, festes FA-Konzept verfolgt wurde. Die Finanzabteilungen orientierten sich an Muhs’ Vorstellungen; er hatte 1938 ihr Personal ausgesucht und ihnen ihren Auftrag erläutert. Doch schon bald mussten die Finanzabteilungen im Kontext einer Kirchenpolitik wirken, die nicht mehr vom Staatssekretär, sondern von Reichskirchenminister Kerrl bestimmt wurde, der im Oktober 1938 ins aktive Geschäft zurückkehrte. Dieser erwartete von den Finanzabteilungen ein anderes Verhalten als Muhs und war überdies schwankend in seiner Haltung. Die Rahmenbedingungen hatten sich entscheidend geändert; die innere Einstellung der Finanzabteilungen nicht. Sie reagierten auf den Verlust der Muhs’schen Protektion im Grundsatz ähnlich: Sie hielten an dem bisherigen Kurs fest. So lebte Muhs’ Idee in den Landeskirchen fort, während Kerrl auf Reichsebene eine andere, auf Befriedung der Kirche angelegte Politik vollzog. Als er dieses Konzept auch auf die Finanzabteilungen anwenden wollte und auf eine eher restriktive, schlichtende FA-Politik setzte, waren Diskrepanzen zwischen den Finanzabteilungen und dem Minister die zwangsläufige Folge. Kerrl hielt die Finanzabteilungen bald dazu an, die Konflikte in den Landeskirchen möglichst zu minimieren, da ihnen sonst die Auflösung drohe. Die Finanzabteilungen entwickelten jeweils eigene Strategien, mit dem neuen Kurs des Ministeriums umzugehen. Dieses konnte daher keine dogmatische und überall gültige FA-Politik gegenüber den Landeskirchen betreiben, sich nicht überall mit den gleichen Mitteln durchsetzen, sondern war gezwungen, immer neue Lösungsstrategien zu entwickeln und sein Befriedungskonzept jeweils den spezifischen Umständen anzupassen. Cölle in Hannover verhielt sich in Konfliktfällen mit dem Reichskirchenministerium stets defensiv. Er verfolgte dabei einen unbedingten Beschwichtigungskurs und fügte sich ohne offenen Widerstand den ministeriellen Anordnungen, um seine Stellung als FA-Vorsitzender nicht zu gefährden. Es ging ihm um das höhere Ziel, die Finanzabteilungen grundsätzlich aufrechtzuerhalten und im NS-Herrschaftssystem zu etablieren. Dafür war er bereit, zeitweilig einzelne Kompetenzen aufzugeben, Kompromisse zu schließen und in Streitfällen einzulenken, ohne allerdings dabei von seinen grundsätzlichen Ansprüchen abzurücken. Er war ein pragmatischer, taktischer Kirchenpolitiker. Cölle hatte sich in Hannover nicht nur mit der ohnehin

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wechselhaften FA-Politik des Reichskirchenministers zu arrangieren; hinzu kam die starke Stellung der Kirchenleitung. Der Landesbischof besaß über die Grenzen der Landeskirche hinaus großen Einfluss und veranlasste den Reichskirchenminister zuweilen zu einer besonderen Rücksichtnahme. Diese Kombination, eine starke Stellung der Kirchenleitung und eine kompromissbereite Haltung der Finanzabteilung, machte es dem Reichskirchenminister verhältnismäßig leicht, die Finanzabteilung wirkungsvoll zu kontrollieren und seinen Vorgaben zu unterwerfen. Cölle legte in Hannover mit seinem verständigen Verhalten und der Orientierung an höheren Zielen den Grundstock für seine zunehmende Führungsrolle in dem System der Finanzabteilungen. Er profilierte sich außerdem als Führungsfigur in den FANetzwerken. Als Mittler vertrat er einerseits die Eigeninteressen der landeskirchlichen Finanzabteilungen (auch in Abgrenzung zum Reichskirchenministerium), stand auf der anderen Seite mit dem Ministerium in enger Verbindung. Später wurde Cölle zu Muhs’ Partner im Ausbau des FA-Systems. Anders die Situation in Braunschweig. Hoffmeister verhielt sich häufig erstaunlich renitent gegenüber restriktiven Anweisungen des Reichskirchenministeriums; er versuchte diese zu verschleppen, überging sie einfach oder protestierte anhaltend dagegen. Er war zu keinen Kompromissen bereit, weder mit der Kirchenleitung noch mit dem Reichskirchenministerium. Seine starke Stellung als hoher Staats- und Parteifunktionär im Lande Braunschweig, später in Hannover, machte ihn für das Ministerium schwer kontrollierbar. Die braunschweigische Finanzabteilung konnte daher ihre Stellung unabhängig von der Entwicklung der allgemeinen FA-Politik bemerkenswert unangetastet behaupten. Drohende Personalumbesetzungen wurden letztlich nicht vorgenommen, grundsätzliche Restriktionen fielen in Braunschweig regelmäßig einem mäßigenden Relativismus zum Opfer. Die Finanzabteilung unter Hoffmeister war zeitweise der Kontrolle des Reichskirchenministeriums weitgehend entglitten. Zwischen beiden Stellen tobte ein ständiger Kampf um die Autorität. Der Form halber lag diese zwar beim Reichskirchenminister, dieser fand jedoch aufgrund seiner prekären Position im NS-Herrschaftsgefüge keine Handhabe gegen die selbstbewusste Finanzabteilung. Er war zwar äußerst unzufrieden mit der Situation in Braunschweig, konnte aber seine Anordnungen nur mit Mühe, wenn überhaupt, durchsetzen und ließ die Finanzabteilung daher zuweilen gewähren. Mit dem Wechsel in der Führung des Reichskirchenministeriums Ende 1941 fiel die restriktive FA-Politik weg; die Konflikte zwischen dem Ministerium und der Finanzabteilung legten sich weitgehend. Da jedoch auch Muhs im Krieg ein Interesse an einer ruhigen kirchlichen Lage in Braunschweig haben musste, Hoffmeister dem hingegen nur untergeordnete Priorität beimaß, setzten sich bestimmte Differenzen fort, bis Hoffmeister sein FA-Amt abgab. In der badischen Landeskirche beruhte das Verhältnis von Finanzabteilung und Reichskirchenministerium im Grunde auf einem Missverständnis und litt darunter außerordentlich. Die Finanzabteilung war bei ihrer späten Gründung

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Die Amtsführung der FA-Vorsitzenden

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im Mai 1938 davon ausgegangen, dass sie fortan die volle Unterstützung des Reichskirchenministeriums besitzen würde. Doch unter Kerrl konnte davon schon bald keine Rede mehr sein. Das aber begriff die Finanzabteilung nicht. Sie hatte Schwierigkeiten, die gewandelten Verhältnisse in Berlin zu erkennen und zu akzeptieren. Sie verstand nicht, weshalb das Reichskirchenministerium sie bei der Durchsetzung ihrer Autorität, die nur mit größter Mühe gelang, nicht unterstützte, sondern sich aus den Auseinandersetzungen weitgehend heraushielt. Ihren Gegnern in der Landeskirche begegnete sie mit zunehmender Härte und versuchte so, ihre Unsicherheit zu kompensieren. Dadurch verschärften sich die Konflikte in Baden und der Reichskirchenminister wurde ob dieser ganzen Entwicklung immer unzufriedener mit der Finanzabteilung. Er blieb lange dabei, sich aus der ganzen Auseinandersetzung herauszuhalten und griff erst als Schlichter ein, als die Situation vollkommen zu entgleiten drohte. Kerrl drohte der badischen Finanzabteilung so nachdrücklich wie wohl keiner anderen mit der Auflösung. So agierte sie bis zum Tode Kerrls unter der permanenten Furcht, ihre Auflösung stünde kurz bevor. Von grundsätzlichen Einschränkungen der Finanzabteilung sah der Reichskirchenminister in Baden trotz des misslichen Verhältnisses weitgehend ab, da auch die badische Kirchenleitung mit ihrer Haltung ihm zweifelhaft erschien. Zusätzlich stand die Finanzabteilung seitens der badischen Staats- und Parteistellen unter Druck, denn diese vertraten einen dezidiert kirchenfeindlichen Kurs und neigten dazu, die Finanzabteilung als unerwünschte Stütze für die Kirche oder sogar als kirchliches Organ zu betrachten. Bei allen Schwierigkeiten, die das Reichskirchenministerium mit den Finanzabteilungen im Einzelnen hatte und so sehr teilweise die Interessen voneinander abwichen, darf nicht verkannt werden, dass die Finanzabteilungen letztlich doch ein Werkzeug nach Gnaden des Berliner Ministeriums waren; auch und gerade mit ihren zu Lasten der Kirche gehenden Maßnahmen. Gegen das Reichskirchenministerium konnten die Finanzabteilungen nur unter bestimmten Umständen agieren, oft genug hatten sie sich wider Willen den gesetzten Grenzen zu unterwerfen und konnten ihre Vorstellungen in den Landeskirchen nicht durchsetzen oder ihre Vorstöße nicht behaupten.

4.4. Die Amtsführung der FA-Vorsitzenden Der Aufbau der Finanzabteilungen, ausgerichtet am Führerprinzip, begünstigte eine ausgeprägte Personalisierung des FA-Systems. In den drei hier behandelten Finanzabteilungen prägten die FA-Vorsitzenden den jeweiligen Kurs. Cölle baute in Hannover ein Ein-Mann-System auf, bei dem er alle Leitungsgeschäfte in seiner Hand behielt und diese Aufgaben nicht delegierte. Auch in Braunschweig war die Fokussierung auf Hoffmeister unverkennbar. Cölle, als der pragmatische Kirchenpolitiker, und Hoffmeister, als der kom-

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promisslose Staats- und Parteifunktionär, waren die paradigmatischen Zentralfiguren ihrer Finanzabteilungen und deren personifizierte Verkörperung. In Baden lag die Situation insofern anders, als dass nacheinander drei FA-Vorsitzende amtierten. Jeder von ihnen dominierte während seines Vorsitzes die Außendarstellung der Finanzabteilung. Oberkirchenrat Doerr war dabei stets als graue Eminenz der Finanzabteilung präsent und drückte vor allem dem operativen Geschäft seinen Stempel auf. Baden war auch insofern eine Ausnahme unter den drei Finanzabteilungen, als dass überhaupt ein Beamter der kirchlichen Verwaltung an einflussreicher FA-Position eingesetzt wurde. Dies war den Verhältnissen im badischen Evangelischen Oberkirchenrat geschuldet, wo mit Oberkirchenrat Doerr ein leitender Beamter in Opposition zu den übrigen Mitgliedern der Kirchenbehörde stand. Muhs brachte zwischen November 1937 und Mitte 1938 nicht nur in den drei Finanzabteilungen neue, kirchenfremde Vorsitzende ins Amt, sondern auch in fünf weiteren.1 Die Personalpolitik war eine Richtungsentscheidung Muhs’, er wollte damit das FA-System prägen. Daher ist es interessant, dass die neuen Vorsitzenden bestimmte übereinstimmende Profilmerkmale hatten. Am auffälligsten ist wohl die Tatsache, dass fast alle dieser Persönlichkeiten noch relativ jung waren. Als sie ihre FA-Ämter antraten, waren sie teilweise erst knapp über 30 Jahre alt. Sie gehörten der „Kriegsjugendgeneration“ an, jener „Generation des Unbedingten“2, die ihre prägenden (politischen) Erfahrungen während des Ersten Weltkriegs und in den Wirren der frühen Weimarer Republik machte, die Inflation erlebte und der sich im Nationalsozialismus vielfach beste Karrieremöglichkeiten auftaten. Muhs selbst, 1894 geboren, war nur wenig älter. Er suchte offenbar bevorzugt in dieser Alterskohorte nach (ideologisch) geeigneten FA-Funktionären. Die neuen FA-Vorsitzenden wiesen zudem alle einen NSDAP-Hintergrund auf. Diese politische Basis war für Muhs im NS-Staat ein unverzichtbares, integratives Element. Betrachtet man jedoch die drei vertieft untersuchten Finanzabteilungen, so fällt auf, dass dieser parteipolitische Hintergrund lediglich bei Hoffmeister prägend war ; Cölle, Doerr oder auch Westermann brachten, abgesehen von ihrer Mitgliedschaft in Partei und angeschlossenen Verbänden, auf diesem Feld wenig Reputation mit. Die Rekrutierung höherer Parteikader und damit die Verflechtung von Partei und Finanzabteilung gestaltete sich schwierig. In der Praxis fand diese Verflechtung häufig auf relativ niedrigem Niveau statt – die Politik der Parteiführung, Parteifunktionäre von jeder Betätigung in der Kirche abzuhalten, tat hier ihre Wirkung –, gleichwohl Muhs auf diesem Ge1 Die betreffenden Vorsitzenden sind: Cölle, Hannover (Jg. 1901), Hoffmeister, Wolfenbüttel (Jg. 1906), Lang, Karlsruhe (Jg. 1904), Angermann, Königsberg (Jg. 1898), Bartholomeyczik, Breslau (Jg. 1903), Sohns, Düsseldorf (Jg. 1907); von Schmidt, Berlin (Jg. 1903). Stoppenbrink, Münster (Jg. 1892) ist von seinen zeitgleich ernannten Kollegen abzuheben, da er eine andere kirchenpolitische Haltung und FA-Amtsauffassung pflegte. 2 Titelgebender Begriff von Wildt, Generation. Vgl. daneben dazu Herbert, Best, bes. 42 – 45; Schreiber, Elite, 324 f.; zum Generationenkonzept: Ebd., 13 Anm. 62.

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Die Amtsführung der FA-Vorsitzenden

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biet auch einige beachtliche Erfolge erzielen konnte.3 Die FA-Funktionäre waren in der Regel als Rechtsanwalt, Bürgermeister, Oberregierungsrat oder Landgerichtsrat gut situiert und eigentlich nicht auf ihre FA-Tätigkeit angewiesen. Die Betreffenden übernahmen ihre Ämter aus Gestaltungswillen. Doch zurück zu Cölle und Hoffmeister. Deren Amtsführung war zunächst, 1938, noch sehr ähnlich, entwickelte sich aber bald deutlich auseinander. Cölle behielt den von Muhs vorgegebenen staatskirchlichen Kurs bei, wurde sogar dessen maßgeblicher Exponent und Interpret. Er wollte die Kirche dem NSRegime anpassen, das lag für ihn im wohlverstandenen Interesse der Kirche selbst. Sie sollte sich dem Nationalsozialismus bedingungslos unterordnen, aber nicht in diesem verloren gehen; Cölle billigte der Kirche durchaus noch ein berechtigtes Eigeninteresse zu. Sein Ziel führte ihn zwar in einen Gegensatz zur Kirchenleitung, jedoch nicht in eine Kirchenfeindschaft. Er schädigte die Kirche nicht in ihrem Vermögen oder Eigentum, sondern verteidigte sie in diesen Belangen selbst gegen staatliche Begehrlichkeiten. Hoffmeister hingegen negierte die Berechtigung eines kirchlichen Eigeninteresses im Laufe der Zeit zusehends oder stand diesem jedenfalls gleichgültig gegenüber. Alles, was im Interesse des Staates und des NS-Gemeinwohls lag, hatte auch kirchliches Interesse zu sein. Kirchliches Vermögen war für ihn „Volksvermögen“. Hoffmeister verzichtete daher etwa ohne Not auf bestimmte Staatsleistungen; nach seiner Lesart war das quasi eine Umverteilung öffentlicher Gelder. Hoffmeister nahm so Schädigungen der Kirche in Kauf, die von anderen Finanzabteilungen vermieden wurden. Das Gedeihen der Institution Kirche als solcher war für ihn von untergeordnetem Interesse, er hatte sich hier den Kirchengegnern angenähert. Amtsgerichtsrat Dieckmann aus dem Reichskirchenministerium hat Hoffmeisters Haltung im Sommer 1941 einmal treffend mit der Röpkes verglichen.4 Er führte aus, dass Hoffmeister eher 100 000 RM für den Vierjahresplan Görings zur Verfügung stellen würde, als dem Landeskirchenamt Mittel für die Besetzung von acht Pfarrstellen zu gewähren. Röpke hingegen würde darauf drängen, erst die kirchlichen Belange zu wahren, in diesem Falle die Besetzung der Pfarrstellen, bevor kirchliche Mittel der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden könnten. Dieses Bild der Besetzung von Pfarrstellen versus Abgabe von Geldern für staatliche Zwecke ist gut geeignet, ihm auch Cölles Position hinzuzufügen. Er würde zwar die Mittel zur Besetzung der acht Pfarrstellen aufgewendet haben, allerdings unter der Bedingung, dass diese mit Deutschen Christen besetzt würden. Hoffmeister wirkte als Staatspolitiker, Cölle als Kirchenpolitiker. Mit dem Amtsverständnis Cölles war für die Kirchenleitung leichter umzugehen, da hier die Diskrepanzen zwar kirchen-

3 Siehe unten 539 – 548; ferner oben 103. 4 Vermerk vom 11. 6. 1941 (BArch R 5101 / 23792, Bl. 1 – 8, hier Bl. 2).

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politisch tief lagen, gleichwohl aber ein kirchliches Interesse noch angenommen werden konnte. Es gab weitere Unterschiede zwischen Cölle und Hoffmeister. Cölle wollte die FA-Befugnisse zwar möglichst weit ausdehnen und blieb bei Auseinandersetzungen mit der Kirchenleitung um grundsätzliche Kompetenzen auch stets unnachgiebig. Gleichzeitig aber verzichtete er anschließend zum Teil darauf, die erkämpften Befugnisse auch im Einzelnen auszuüben. Es kam ihm auf die grundsätzlichen Möglichkeiten an, die er dann aber nur bei den ihm wichtigen Angelegenheiten konsequent ausschöpfte, etwa wenn politische oder kirchenpolitische Fragen berührt wurden. Er ließ die Kirchenleitung und -verwaltung ihre Geschäfte unter Aufsicht der Finanzabteilung erledigen und mischte sich nur bei Bedarf ein. Er war gewillt, unnötige Streitigkeiten zu vermeiden; nur die Wirkmächtigkeit der Finanzabteilung sollte dadurch nicht beeinträchtigt werden. Diese Zurückhaltung war den Finanzabteilungen von Braunschweig und Baden fremd, entsprach indes genau den Wünschen des Reichskirchenministeriums. In Braunschweig und Baden bewegten sich die Auseinandersetzungen auf einem sehr viel kleinteiligeren Niveau als in Hannover. Es wurde um eine unendliche Anzahl von Nichtigkeiten gezankt, die Finanzabteilungen waren zu keinerlei Nachgeben bereit. Es herrschte ein strenges Kontrollregiment über die Kirchenleitungen und Gemeinden. In Baden entstand diese Situation früher als in Braunschweig und die Auseinandersetzungen darum wurden zeitweise auch mit größerer Heftigkeit ausgetragen. Die Finanzabteilung Hannovers konnte durch ihr weniger schikanöses, polterndes Auftreten unauffälliger agieren, für die Kirche tolerabler auftreten, aber nichtsdestoweniger eine ähnlich effektive Kontrolle über die Kirche ausüben. Als Beispiel für die unterschiedlichen Vorgehensweisen mag das Bevollmächtigtenwesen dienen. Hoffmeisters erklärtes Ziel war es, in möglichst allen Gemeinden FA-Bevollmächtigte einzusetzen, um die Gemeinden so völlig und direkt der Kontrolle der Finanzabteilung zu unterwerfen – es war unerheblich, wie die Gemeinden kirchenpolitisch ausgerichtet waren, ob es finanzielle Probleme gab oder sonst ein berechtigter Anlass bestand, einen Bevollmächtigten einzusetzen. Bald gingen die Bevollmächtigtenzahlen so in die Hunderte. Hoffmeister verfehlte sein Ziel der totalen Bevollmächtigtenpräsenz nur knapp, musste dann jedoch auf Druck des Reichskirchenministers die Zahlen reduzieren. In Baden war die Tendenz ähnlich. Die dortige Finanzabteilung nutzte die Bevollmächtigten regelmäßig als Instrument, um die Kirchengemeinden direkt ihrer Autorität zu unterwerfen. Es gelang der Finanzabteilung jedoch bei weitem nicht, das Netz der Bevollmächtigten derart eng zu knüpfen, wie dies in Braunschweig geschah. Ihr hätte wohl Ähnliches vorgeschwebt, doch fehlte ihr hierzu das Durchsetzungsvermögen. Immerhin wurde jedoch zeitweise etwa ein Siebtel der Gemeinden mit diesen FAFunktionären ausgestattet. Diese Quote hätte in der hannoverschen Landeskirche weit über hundert Bevollmächtigten entsprochen. Cölle aber verfolgte

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Die Organisation der Finanzabteilungen

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eine ganz andere Linie. Er setzte kaum mehr als ein Dutzend Bevollmächtigte ein; in der Mehrzahl wegen echter Probleme in den Gemeinden, nur wenige aus kirchenpolitischen Erwägungen. Die Gemeindeverwaltungen enger an die Finanzabteilung zu binden, hätte verwaltungstechnisch in Hannover wenig Sinn gemacht, denn die Finanzabteilung übte nicht einmal die landeskirchliche Verwaltung selbst aus. In einer so großen Landeskirche wie der hannoverschen wäre eine andere Bevollmächtigtenpolitik von der Finanzabteilung bald kaum mehr zu bewältigen gewesen. Cölle war zufrieden mit der potentiellen Möglichkeit, die Gemeinden unmittelbar der Finanzabteilung unterwerfen zu können. Dies alles führte dazu, dass sich die braunschweigische Kirchenleitung schließlich hannoversche Verhältnisse wünschte, ebenso wie man in Hannover die braunschweigischen Konstellationen fürchtete. Der klare Staatskurs ohne jegliche Berücksichtigung der kirchlichen Interessen hob Hoffmeister selbst von einem rigiden FA-Funktionär wie Cölle ab.

4.5. Die Organisation der Finanzabteilungen Die Finanzabteilungen organisierten sich höchst unterschiedlich. Es gab den Typus von Braunschweig und Baden sowie den von Hannover. In Braunschweig und Baden wurden die Finanzabteilungen zur eigentlichen kirchlichen Verwaltungsbehörde ausgebaut. Sie waren dort kein Organ zur bloßen Überwachung und Kontrolle der kirchlichen Vermögensverwaltung, sondern übten die Sachbearbeitung selbst aus. Sie entzogen die zur Vermögensverwaltung benötigten Mitarbeiter der kirchlichen Verwaltungsbehörde und verpflichteten sie zur ausschließlichen Dienstleistung in der Finanzabteilung. Der Kirchenbehörde verblieben jeweils nur einige wenige Verwaltungsmitarbeiter, die die geistlichen Angelegenheiten bearbeiteten. Dieses Vorgehen war möglich, weil die landeskirchlichen Verwaltungsmitarbeiter sich jeweils ohne größere Probleme der Finanzabteilung unterstellten. Die Kirchenleitung wurde auf finanziellem Gebiet vollständig entmachtet und von der Finanzabteilung abhängig gemacht, sobald ihre Maßnahmen finanzielle Auswirkungen zeitigten. Die badische Finanzabteilung hielt an diesem Modell auch dann noch fest, als sich abzeichnete, dass sie mit der Aufgabe überlastet war, die Vermögensverwaltung selbst zu führen. Für das Selbstverständnis der Finanzabteilungen von Baden und Braunschweig war diese Organisationsform konstitutiv. Anders das hannoversche Modell. Auch Cölle verfolgte anfangs die Tendenz, die Kirchenbehörde möglichst zu marginalisieren. Doch dies gelang ihm nicht. Er musste sich aufgrund von Weisungen aus dem Reichskirchenministerium weitgehend damit begnügen, die kirchliche Vermögensverwaltung zu beaufsichtigen und zu überwachen. Gezwungenermaßen entwickelte er ein

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Gegenmodell zu Braunschweig und Baden. Die Finanzabteilung zog kaum Mitarbeiter der Verwaltungsbehörde zur Dienstleistung heran – deren Loyalitäten lagen auch beim Landesbischof, es hätte der Finanzabteilung daher für eine komplette Übernahme der Verwaltungstätigkeit an verlässlichen Mitarbeitern gemangelt. Stattdessen ließ sie ihre Aufgaben jeweils auftragsweise und nach ihrer Anweisung von LKA-Mitarbeitern ausführen. Am Ende wurden die Ergebnisse kontrolliert und bestätigt oder geändert; die letzte Entscheidung lag stets bei der Finanzabteilung. Nur bei bestimmten Angelegenheiten aber zog sie die Bearbeitung vollständig an sich. Die Kirchenbehörde führte also die Vermögensverwaltung der Landeskirche weiterhin im Grunde selbst aus, allerdings unter der strengen Aufsicht und Kontrolle der Finanzabteilung, die auch die Endzeichnung vornahm. Um ihre Kontrollaufgaben wahrnehmen zu können, unterhielt die Finanzabteilung einen eigenen, von der Kirchenbehörde unabhängigen, nicht unerheblichen Mitarbeiterkorpus. In Braunschweig und Baden war die Verwaltungsaufteilung zugunsten der Finanzabteilung entschieden worden, in Hannover zugunsten der Kirchenverwaltung. Dass sich so grundsätzlich unterschiedliche Modelle etablieren konnten, lag vor allem daran, dass das Reichskirchenministerium beide Varianten beförderte. In Hannover sorgten die Erlasse des Ministeriums dafür, dass Cölle dem Landeskirchenamt mehr an Verwaltungsarbeit überlassen musste, als ihm anfangs lieb war ; in Braunschweig und Baden hingegen bestätigte es die von den Finanzabteilungen getroffenen Regelungen. Die Organisationsformen der Finanzabteilungen wurden zudem durch die strukturellen Bedingungen in den Landeskirchen beeinflusst. In kleinen und mittleren Landeskirchen wie Braunschweig und Baden konnte eine völlige Übernahme der Kirchenverwaltung durch die Finanzabteilung problemlos gelingen; in einer so großen Landeskirche wie der von Hannover, war dies in praktischer Hinsicht schwieriger, im konkreten Fall insbesondere deshalb, weil die Verwaltungsmitarbeiter sehr auf die Kirchenleitung eingeschworen waren. In manchen anderen Landeskirchen und Kirchenprovinzen war der Gegensatz zwischen Kirchenbehörde und Finanzabteilung weit weniger ausgeprägt als in den drei untersuchten Kirchen. Hier sind daher nochmals andere Organisationsformen zu erwarten. Wahrscheinlich solche wie in Hannover und Braunschweig 1936/37, als unter kirchlichen Führungskräften die Finanzabteilungen noch vollkommen in die kirchliche Verwaltung integriert gewesen sind.

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Die Haltung der Kirchenleitungen

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4.6. Die Haltung der Kirchenleitungen Die Kirchenleitungen der drei untersuchten Landeskirchen hatten einige Gemeinsamkeiten beim Umgang mit den Finanzabteilungen. Sie alle lehnten ihre Finanzabteilungen seit 1938/39 ab und trugen ihre Einwände häufig vor das Reichskirchenministerium. Die Form des Protestes, sein Inhalt und Charakter sowie die Verve, mit der er vorgetragen wurde, variierten; auch gab es Phasen, in denen die Kirchenleitungen ihre Proteste reduzierten. Doch keine Kirchenleitung gab ihre Einwände jemals ganz auf. Die Kirchenleitungen waren in den Landeskirchen der Hauptträger des Protestes gegen die Finanzabteilungen. Von den bekenntniskirchlichen Organen waren lediglich für jeweils begrenzte Zeitintervalle 1938/39 größere Proteste feststellbar ; die Unterschiede zwischen den einzelnen Landeskirchen waren hierbei allerdings groß. Jede Landeskirchenleitung hatte ihre Eigenheiten, ihren Protest auszudrücken. Die braunschweigische Kirchenführung suchte so oft wie möglich zusätzliche Unterstützung für ihre Eingaben bei der Kirchenkanzlei oder dem Geistlichen Vertrauensrat. Sie versprach sich hiervon eine Steigerung der Durchsetzungskraft ihrer Einwände. Bei der ohnehin schon durchsetzungskräftigen hannoverschen Kirchenleitung, deren Bischof im Geistlichen Vertrauensrat saß, war ein solches Vorgehen nicht üblich. Ein weiteres Charakteristikum des Protestes der braunschweigischen Kirchenleitung war, dass er erst verhältnismäßig spät einsetzte. Zunächst hatte Landesbischof Johnsen noch versucht, sich mit der Finanzabteilung zu arrangieren, bevor sich dieser Weg seit Frühjahr 1939 als zunehmend ungangbar erwies. In Baden hingegen erhob sich direkt nach der FA-Einrichtung im Frühjahr 1938 der anhaltende Protest der Landeskirchenleitung. Es entstand dort sogar in der Pfarrerschaft und den Gemeinden eine von der Kirchenleitung unterstützte Boykottbewegung gegen die Finanzabteilung. Diese hatte deshalb zeitweise große Mühe, ihre Autorität in der Landeskirche durchzusetzen. In keiner der beiden anderen untersuchten Landeskirchen war der Protest aus der Pfarrerschaft derart ausdauernd und konsequent wie in Baden. In Hannover folgte die Bekenntnisgemeinschaft dem Kurs des Landesbischofs, für den ein Boykott undenkbar war. In Braunschweig hielt der Bruderrat es für unmöglich, ohne Unterstützung der Kirchenleitung Maßnahmen gegen die Finanzabteilung durchzuführen; die Kirchenleitung unter Johnsen schreckte jedoch vor einer konsequenten Haltung zurück. Die Protestformen der Kirchenleitungen unterschieden sich auch in ihrer Zielsetzung. In Baden war es stets das erklärte Ziel, eine Auflösung der Finanzabteilung zu erreichen. In Braunschweig war dieses Ziel lediglich latent vorhanden. Röpkes Strategie zielte darauf, den Reichskirchenminister davon zu überzeugen, dass die Finanzabteilung aufgrund der fortgesetzten Schwierigkeiten mehr Schaden als Nutzen brächte. Seine zahlreichen Beschwerden

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waren daher meist auf Einzelmaßnahmen der Finanzabteilung bezogen. In Hannover hingegen hatte man sich mit der grundsätzlichen Existenz der Finanzabteilung frühzeitig abgefunden. Das vordringliche Ziel war, eine Umbesetzung der Finanzabteilung zu erreichen, auf dass die Probleme sich mit einer kirchlich besetzten Finanzabteilung von selbst verlören; man erinnerte sich noch an die Zeit vor Cölle. Erfolgreich war letztlich keine der Strategien. Das Reichskirchenministerium, die Beschwerdeinstanz für die Kirche, verfolgte eigene Ziele, nicht die Interessen der Kirchenleitungen. Die Bekenntnisausrichtung der Landeskirchenleitungen spielte bei den Protesten keine Rolle. Alle drei Kirchenleitungen, ob uniert oder lutherisch, argumentierten vergleichbar und bezogen sich nicht auf bekenntnisspezifische Einwände. Sie legten ihren Beschwerden zumeist rechtliche Erwägungen zugrunde und verwiesen ansonsten nur darauf, eine bekenntnismäßig nicht gebundene Finanzabteilung könne keine Kirchenleitung ausüben. Ihre Gegenwehr galt auch nur dem staatlichen Eingriff in die inneren, geistlichen Angelegenheiten der Kirche; weder die Kirchenleitungen noch die Bekennende Kirche beabsichtigten mit dem Protest eine Distanzierung vom Nationalsozialismus oder der staatlichen Obrigkeit. Nach dem Krieg diente der Kampf gegen die als kirchenfeindlich geltenden Finanzabteilungen vor allem den Kirchenleitungen von Baden und Braunschweig als Legitimationsbasis für ihr weiteres Wirken. Sie nutzten die vergangenen Auseinandersetzungen dazu, von den eigenen Versäumnissen und Fehlern in der NS-Zeit abzulenken. In Hannover wurde einerseits mit den Bedrückungen durch die Finanzabteilung kokettiert, auf der anderen Seite jedoch deren Wirksamkeit heruntergespielt, um die Stärke der eigenen Position hervorzuheben. Die Finanzabteilung nahm als Abgrenzungsobjekt nur eine sehr untergeordnete Stellung für die Legitimation der Kirchenleitung ein.

4.7. Die Entwicklung der Finanzabteilungen Die FA-Entwicklung lässt sich in den Landeskirchen in je verschiedene Phasen einteilen. In der badischen Landeskirche gab es von 1938 bis 1940 massive Auseinandersetzungen zwischen Kirchenleitung und Finanzabteilung. Erst 1941/42 entspannten sich die Verhältnisse leicht; dies vor allem aufgrund der Arbeitsüberlastung der Finanzabteilung. Als 1943 mit Engelhardt ein neuer FAVorsitzender eingesetzt wurde, verlieh dieser der Finanzabteilung wieder neuen Schwung, so dass sich die Schwierigkeiten alsbald wieder häuften. Ab Spätsommer 1944 schließlich sorgten die Kriegsverhältnisse in Baden dafür, dass das Austragen von Streitigkeiten stark in den Hintergrund treten musste. Für Baden gilt, dass das Verhältnis von Kirchenleitung und Finanzabteilung

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Die Entwicklung der Finanzabteilungen

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nahezu ununterbrochen desolat war. Lediglich in Phasen, in denen die Finanzabteilung aufgrund äußerer Umstände zur Mäßigung gezwungen war, war eine Entspannung möglich. In Braunschweig war die Entwicklung wechselvoller. Zunächst hatte die Finanzabteilung zwischen 1936 und 1938 ohne Probleme mit der Kirchenleitung zusammengearbeitet. Auch nach der Umbesetzung im Frühjahr 1938 blieb das Verhältnis zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung zunächst noch längere Zeit intakt, kühlte aber bald zunehmend ab. 1938 war indes der Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen dem Pfarrernotbund und der Finanzabteilung. Erst für Mitte 1939 kann dann ein Kollaps des Verhältnisses von Kirchenleitung und Finanzabteilung konstatiert werden. Die Jahre von 1940 bis 1942 waren geprägt von mit großer Schärfe geführten Auseinandersetzungen, bevor sich die Lage ab 1942/43 wieder zu entspannen begann. Zunächst hatte Hoffmeister immer weniger Zeit gehabt, sich um die Angelegenheiten der Finanzabteilung zu kümmern, dann war ein Wechsel im FAVorsitz vorgenommen worden. In Hannover schließlich bilden die Phasen der FA-Entwicklung ziemlich genau die allgemeine FA-Politik des Reichskirchenministeriums ab. Zunächst war die Einrichtung der Finanzabteilung 1935 von der Kirchenleitung mit Skepsis begleitet worden. Diese wurde jedoch sehr bald aufgegeben. Spätestens ab 1936 bestand volles Einvernehmen zwischen Finanzabteilung und Kirchenleitung. Mit der Umbesetzung 1938 kam es zu einem ersten Tiefpunkt in dem gegenseitigen Verhältnis, das sich jedoch noch im Laufe des Jahres 1938 wieder etwas erholte. Grund war eine vom Reichskirchenminister erzwungene, zunehmende Mäßigung der Finanzabteilung. Das Verhältnis von Kirchenleitung und Finanzabteilung blieb jedoch bis 1940 sehr angespannt und war von immer wieder aufflammenden Konflikten geprägt. Erst 1940/41 kam es zu einer Entspannungsphase. Diese nahm jedoch 1942 ein jähes Ende, weil die hannoversche Finanzabteilung nach Kerrls Tod ihre vorherige Mäßigung aufgeben konnte. Das Verhältnis der beiden Kontrahenten erreichte einen zweiten Tiefpunkt, der etwa ein Jahr währte, bevor ab 1943 wieder eine Entspannung zu verzeichnen war. Zurückzuführen war dies darauf, dass der FA-Vorsitzende Cölle inzwischen im FA-System an vielen Stellen eingesetzt war und sich in Hannover weitgehend damit begnügte, den grundsätzlichen Machtanspruch der Finanzabteilung aufrechtzuerhalten, ohne diesen im Einzelfall immer auszuüben.

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Resümee Die Finanzabteilungen waren seit 1935 ein fester Bestandteil der nationalsozialistischen Kirchenpolitik. Sie hatten ihren Ursprung in der Situation der evangelischen Kirche 1934/35. Seinerzeit konnte eine geordnete Kirchenverwaltung mancherorts nicht mehr gewährleistet werden, es herrschte eine große Rechtsunsicherheit. Daher sah sich der Staat gezwungen, mit einer zunächst als vorübergehend bezeichneten Rechtshilfe ordnungspolitisch einzugreifen. Nach der Korrelatentheorie und der Weimarer staatskirchenrechtlichen Praxis war dies grundsätzlich legitim und noch kein unbotmäßiger Eingriff in die inneren Belange der Kirche. Anfangs wurden die Finanzabteilungen weder vom Reichserziehungsminister noch vom Reichskirchenminister als kirchenpolitisches Kampfinstrument genutzt. Sie sollten nur dazu dienen, eine neutrale Kirchenverwaltung zu gewährleisten. Sie waren zunächst eine tatsächliche Rechtshilfe für die Kirche: die Finanzverwaltung konnte geordnet werden. Für die als illegal geächtete Bekennende Kirche wirkte sich die Maßnahme indes von Beginn an negativ aus. Zudem boten die Finanzabteilungen die Basis für weitergehende staatliche Eingriffe in die Finanzverwaltung der Kirche. Schon 1935/36 waren sie ein integraler Bestandteil der Kirchenausschusspolitik des Reichskirchenministers geworden. Eigentlich hätten sie zu diesem Zeitpunkt hinfällig werden können, denn die Kirchenausschüsse allein gewährleisteten nun schon die kirchliche Ordnung. Doch stattdessen wurde das FA-System ausgebaut. Es diente schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vordringlich der Abhilfe in einer kirchlichen Notlage, sondern hatte einen Funktions- und Wesenswandel erfahren. Die 15. Durchführungsverordnung vom 25. Juni 1937 besiegelte die Entwicklung: Die Finanzabteilungen waren ein dauerhaftes, weitreichendes Aufsichts- und Kontrollorgan des Staates im Raum der Kirche geworden, das mit seiner ursprünglichen Intention kaum mehr in Einklang zu bringen war. Die Finanzabteilungen gingen damit über das dem Staat traditionell zustehende und ihm von der Kirche zugebilligte Aufsichtsrecht weit hinaus. Doch die überkommenen Vorstellungen galten im NS-Staatskirchenrecht nicht. Staatssekretär Muhs und Reichskirchenminister Kerrl wollten eine strenge Kontrolle der evangelischen Kirchenverwaltungen erreichen. Insbesondere für Muhs waren das Mittel der Wahl hierzu stets die Finanzabteilungen. Daher war es auch der Staatssekretär, der 1937/38 ihren Ausbau zu einem rein staatlichen Machtinstrument maßgeblich vorantrieb. Für den Reichskirchenminister wäre es auch denkbar gewesen, das staatliche Kontrollinteresse gegenüber den Kirchenverwaltungen in einer anderen Form

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Resümee

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durchzusetzen. Den FA-Ausbau beförderte der Minister daher nur mit wechselnder Intensität. Wäre es ihm gelungen, eines der verschiedenen, von ihm geplanten kirchenpolitischen Neuordnungsszenarien umzusetzen, so wären möglicherweise die Finanzabteilungen weggefallen. Sie wären dann verzichtbar gewesen und im Rahmen größerer Umgestaltungen durch andere Kontrollmöglichkeiten substituiert worden. Kerrl kam jedoch nicht zum Zuge; eine eigenständige Kirchenpolitik war dem Reichskirchenministerium bereits seit 1937 aufgrund des Widerstands seiner Gegner sowie fehlender Unterstützung durch Hitler nur noch in sehr begrenztem Rahmen möglich. Das Reichskirchenministerium befand sich in einer äußerst schwachen Position innerhalb des NS-Herrschaftsgefüges; sein mangelndes Ansehen färbte auch auf die Finanzabteilungen ab. Ende 1938/Anfang 1939 trennten sich die ordnungspolitischen Vorstellungen des Reichskirchenministers und seines Staatssekretärs endgültig. Kerrl versuchte nunmehr, seine Vorstellungen mittels der Sammlung möglichst breiter kirchlicher Kreise umzusetzen; und dies setzte voraus, um diese Gruppen zu werben, ihnen entgegenzukommen und unnötige Verstimmungen zu vermeiden. Die Finanzabteilungen standen Kerrl dabei im Wege. Sie waren in vielen Kirchengebieten von Muhs mit kirchenfremdem Personal besetzt worden und dessen kirchenpolitischer Konzeption verpflichtet. Daher war es vielerorts zu schweren Konflikten gekommen; die Finanzabteilungen waren zu einem ständigen Unruhefaktor geworden. Kerrl musste sich von ihnen distanzieren. Er grenzte ihre Kompetenzen, die von Muhs stetig ausgebaut worden waren, wieder stärker ein und ermahnte sie, sich um Kooperation mit den Kirchenleitungen zu bemühen, anstatt ihren Machtanspruch auf Kosten der Kirchen durchzusetzen. Auf die Finanzabteilungen einfach zu verzichten, kam für Kerrl allerdings nicht in Frage. Sie waren eine seiner wenigen Möglichkeiten, überhaupt eine eigene Kirchenpolitik zu betreiben und trotz allem ein vorzügliches Machtmittel, um im Zweifelsfall die Kirchen disziplinieren zu können. Noch im Herbst 1941 machte Kerrl von seinen Möglichkeiten Gebrauch, indem er in Bremen eine neue Finanzabteilung einrichtete. Gleichzeitig hatte er mitunter Schwierigkeiten, seine Autorität gegenüber bestimmten Finanzabteilungen durchzusetzen. Diese konnten sich bis zu einem gewissen Grad (der je nach ihrer Durchsetzungsfähigkeit variierte) eigene Handlungsspielräume in den Landeskirchen schaffen. Sie agierten nicht immer, wie geplant, als regionale Schaltstellen einer zentralistisch vorgegebenen kirchenpolitischen Konzeption, sondern entwickelten ihre eigenen Vorstellungen und Handlungsmaximen. Sie waren allerdings auch keine allmächtigen Herrschaftsorgane in den Landeskirchen, sondern stießen bei ihrer konkreten Tätigkeit oftmals an die Grenzen, die ihnen der Reichskirchenminister setzte, scheiterten mit ihren Vorstellungen oder Maßnahmen. Als der Reichskirchenminister Ende 1941 verstarb, übernahm Staatssekretär Muhs die Führung des Ministeriums. Er hätte das FA-System gerne

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weiter ausgebaut. Doch seinen Ambitionen waren durch die Kriegsverhältnisse Grenzen gesetzt. Er musste in der Kirche eine möglichst ruhige Lage gewährleisten – dies war Hitlers fundamentale Anweisung für die Kriegszeit gewesen. Außerdem war ihm von der Staats- und Parteiführung der äußere Ausbau des Systems der Finanzabteilungen untersagt worden. Mit Muhs rückte auch sein Gefolgsmann Dr. Georg Cölle ins Zentrum der FA-Politik. Cölle entwickelte sich zu einem Multifunktionär, der in diversen Finanzabteilungen vertreten war und erfolgreich Netzwerke knüpfte. Er leitete die Finanzabteilung der Kirchenkanzlei und konnte von dieser zentralen Position aus ein „System Cölle“ aufbauen. Im Zusammenspiel mit Muhs betrieb er die Erweiterung der FA-Kompetenzen innerhalb der Kirche. In einer dynamischen Entwicklung kam es zu ständigen Rechtsüberschreitungen, die von Neuinterpretationen der Rechtsgrundlage begleitet wurden. Das Ergebnis war eine nicht kalkulierbare Entgrenzung der FA-Machtbefugnisse. Der von Muhs und Cölle praktizierte innere FA-Ausbau war prinzipiell für alle Finanzabteilungen gültig. Doch nur relativ wenige von ihnen setzten die Vorgaben auch um. Vielfach lagen die Finanzabteilungen, zumal während der Kriegszeit, in kirchlichen Händen und folgten den beiden Hauptprotagonisten nicht in ihren Visionen eines umfassenden Staatskommissariats. Unter den gegebenen Umständen blieb die Umsetzung des FA-Systems hinter seinen potentiellen Möglichkeiten zurück. Nach einem siegreichen Krieg allerdings, falls sie bestehen geblieben wären, hätten die Finanzabteilungen nur noch mit passendem Personal besetzt werden müssen, um ein stringentes Staatskommissariat nach Muhs’ Paradigma zu errichten. Statt dieses Szenarios aber fanden die Finanzabteilungen nach dem Krieg überall ihre baldige Erledigung. Eigentlich hätten die radikalen Kirchengegner um Martin Bormann den Finanzabteilungen wohlmeinend gegenüber stehen können, denn als Zwischenziel auf ihrem Weg zur völligen Verdrängung der Kirchen befürworteten sie die verschärfte Kontrolle der Kirchenverwaltungen. In der Wahl der Mittel hätten also auch diese Kräfte auf die Finanzabteilungen zurückgreifen können. Dennoch hatten die Befürworter einer Trennung von Kirche und Staat den Finanzabteilungen schon vor dem Krieg sehr skeptisch und argwöhnisch gegenübergestanden, denn für sie bedeuteten diese lediglich eine verstärkte Verflechtung von Staat/Partei und Kirche. Außerdem sahen sie in dem Wirken der Finanzabteilungen eine Unterstützung und Stärkung der kirchlichen Ordnung und Einheit. Eine solche Rechtshilfe aber lag nicht in ihrem Interesse; sie hätten lieber eine innerlich geschwächte und auseinanderfallende Kirche gesehen. Es bestanden daher Vorbehalte beim Stellvertreter des Führers oder dem Sicherheitsdienst, wenn leitende „Parteigenossen“ oder SDFunktionäre FA-Posten übernehmen wollten. Die von der Kirche als kirchenfeindlich empfundenen Finanzabteilungen wurden von den kirchenfeindlichen Kräften in der NS-Bewegung abgelehnt. Und das nicht ohne Grund: die jeweiligen kirchenpolitischen Konzepte waren zu unterschiedlich.

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Die Kirchengegner wünschten eine völlige Ausschaltung der Kirchen, nicht nur aus dem öffentlichen Leben, sondern möglichst ihrer ganzen Existenz. Die Finanzabteilungen hingegen dienten dem Wunsch, die Kirchen nationalsozialistisch auszurichten und ihnen, entsprechend transformiert, unter dem Primat der NS-Weltanschauung einen Platz in der Volksgemeinschaft zu sichern. Sie wollten und sollten die Kirche nicht finanziell schädigen oder beschneiden, sondern die Finanzen der Kirche kontrollieren. Die Finanzabteilungen fanden sich zwischen den Fronten der NS-Kirchenpolitik wieder. Sie waren, so wie Muhs sie ausgerichtet hatte, wider Willen in diesen Gegensatz zu den Parteikreisen geraten, denn sie pflegten den Anspruch, in unbedingter Treue zu Staat und Partei zu stehen und vorrangig deren Interessen im Raum der Kirche durchzusetzen. Dies machte sie am Ende zu einer kirchenfeindlichen Institution: Sie dienten ergeben dem letztlich kirchenfeindlichen NS-Staat. Der Versuch der Finanzabteilungen, die Kirche von innen heraus zu vereinnahmen, war für die Kirche in höchstem Maße gefährlich. Die Finanzabteilungen zeigen, „welche ,weltanschaulichen‘ Energien in der Durchherrschung und letztlich Zerstörung der Kirchen auf administrativem Wege von nationalsozialistischen ,Weltanschauungskämpfern‘ nach dem vollständigen Scheitern der NS-Kirchen- und Religionspolitik auch schon vor Kriegsbeginn mobilisiert werden konnten.“1

Der bürokratische Zugriff über die Verwaltungen war in manchen Landeskirchen der einzige oder jedenfalls der wirksamste Mechanismus, um die Kirchen dem NS-Staat zu unterwerfen. Gleichzeitig macht die zwiespältige Position der Finanzabteilungen innerhalb der nationalsozialistischen Kirchenpolitik und ihre Distanz zu den Zielen der radikalen Kirchengegner, eine differenzierte Betrachtung notwendig. Der rechtliche Charakter der Finanzabteilungen blieb letztlich ungeklärt. Nach der Gesetzeslage war es sowohl möglich, sie als kirchliche Organe zu sehen als auch, ihnen ein staatliches Wesen zuzuschreiben. Es lässt sich nicht eindeutig definieren, was die Finanzabteilungen waren, nur was sie nicht waren. Sie waren keine bloßen Abteilungen der Kirchenverwaltungsbehörden, sondern konnten einen von der Kirchenleitung unabhängigen Status erlangen. Sie leiteten ihre Befugnisse allein von der Staatsgewalt her und übten die Vermögensverwaltung nur kraft staatlicher Rechtsetzung aus. Ob sie damit rechtlich zur Staatsbehörde oder eher zu einer (speziellen) neuen Kirchenbehörde wurden, mag dahingestellt bleiben; es ließen sich Argumente für beide Standpunkte anführen. Entscheidend für ihr praktisches Auftreten war die Einschätzung des Reichskirchenministeriums und für dieses lag der Fall klar, auch wenn es sich offiziell nicht festlegen wollte. Es betrachtete die Finanzabteilungen de facto als ihm nachgeordnete staatliche Behörden. Und von 1 Kunze, Bedeutung, 197.

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dieser Stellung gingen auch viele der Finanzabteilungen aus – vor allem wenn sie kirchenfremde Vorsitzende hatten, die nicht an die Kirche gebunden waren. 1935 war die Situation noch anders gewesen, als die ersten Finanzabteilungen ganz selbstverständlich meinten, kirchliche Organe mit kirchlicher Verantwortung zu sein. Die Kirchen hatten kaum die Möglichkeit, sich gegen die Finanzabteilungen zur Wehr zu setzen. Die Kirchenleitung, die Gemeinden oder die Pastoren hätten zwar die Zusammenarbeit mit der Finanzabteilung verweigern können. Ein solcher Boykott ist in der badischen Landeskirche von einer Anzahl Gemeinden und Pastoren versucht worden. Doch das Scheitern dieses Versuchs verdeutlicht, weshalb diese Handlungsoption andernorts theoretisch blieb. Die Finanzabteilung hatte die Machtmittel, den Boykott relativ rasch in sich zusammenbrechen zu lassen, denn sie konnte den renitenten Gemeinden und Pastoren einfach jegliche finanzielle Mittel vorenthalten. Dies hätte auch einer Kirchenleitung gedroht, die sich der Finanzabteilung total verweigert hätte. Gemeinden konnten zumindest eine Zeit lang versuchen, die benötigten Gelder auf anderem Wege zu vereinnahmen. Die Kirchenleitungen aber trugen die Verantwortung für eine ganze Landeskirche. Ihr FA-Boykott hätte die Kirche als staatlich anerkannte Institution und als Volkskirche in Frage gestellt, denn diese war nur mit ausreichenden finanziellen Mitteln aufrechtzuerhalten. Keine Kirchenleitung war bereit, dieses Risiko einzugehen. Der Erhalt der Kirche in der bestehenden Form war für die Kirchenleitungen (etwa von Hannover, Braunschweig und Baden) unaufgebbar, auch wenn dafür Konzessionen gemacht werden mussten. Die Alternative wäre gewesen, ein stringentes, alle kirchliche Angelegenheiten umfassendes, vollkommen selbständig finanziertes Notkirchenregiment aufzubauen, ähnlich dem der Bekennenden Kirche. Dafür aber hätten die Landeskirchen ihren Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts aufgeben und sich letztlich selbst in Freikirchen umwandeln müssen. Im Tausch für staatskirchliche Bedrückungen hätten sie dann, wiederum ähnlich der Bekennenden Kirche, ungewissen staatlichen Repressionen und Schikanen entgegengesehen. Die Kirche hätte dem Staat damit ihre Ausgrenzung erleichtert. Doch das war nicht der einzige Grund, weshalb ein FA-Boykott zum Beispiel für die Kirchenleitungen der drei in dieser Arbeit vertieft behandelten Landeskirchen nicht zur Diskussion stand. Hinzu kam, dass er gleichzeitig eine Verweigerung gegenüber dem NS-Regime bedeutet hätte. Die Kirchenleitungen aber wollten einen modus vivendi mit dem Regime finden und ihre grundsätzliche Loyalität zur staatlichen Obrigkeit, ihre Kompromiss- und Verständigungsbereitschaft niemals zur Debatte stellen. Außerdem herrschte nach wie vor die Auffassung vor, dass dem Staat ein legitimes Aufsichtsrecht gegenüber der Kirche zustehe. Daher wurden die Finanzabteilungen von den offiziellen Kirchenleitungen grundsätzlich hingenommen.

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Mit dieser Hinnahme im Allgemeinen korrespondierte ein teils erbitterter Widerstand mancher Kirchenleitungen gegen die Entwicklung der Finanzabteilungen. Es ging ihnen um die Wahrung eines Mindestmaßes an kirchlicher Selbständigkeit. Ein politischer Widerstand gegen den Staat war damit nicht beabsichtigt. Er wurde aber gleichwohl von den Finanzabteilungen unterstellt, die den Widerstand gegen ihre Maßnahmen als politisch motivierte Handlungen begriffen. Die Kirchenleitungen selbst begründeten ihre Proteste meist mit der (Un-)Rechtmäßigkeit der Finanzabteilungen oder ihrer Maßnahmen. Eine solche Argumentation konnte aber beim NS-Staat wenig Eindruck hinterlassen, denn die rechtliche Ausgestaltung des FA-Systems oder die Interpretation der Rechtsgrundlagen behielt er sich in eigener Machtvollkommenheit selbst vor. Die Kirchen standen den Finanzabteilungen letztlich machtlos gegenüber, waren immer auf die Hilfe und den guten Willen des Reichskirchenministeriums angewiesen, wenn sie sich in Konflikten behaupten wollten. Die Finanzabteilungen gingen unterschiedlich mit ihrer Machtstellung in der Kirche um. Entscheidend war ihre jeweilige Personalbesetzung. Manche Finanzabteilungen wirkten unauffällig bei der kirchlichen Verwaltung mit, ohne dass durch ihre Existenz größere Nöte entstanden; durch sie entstand lediglich eine latente Bedrohungslage für die kirchliche Selbständigkeit, denn auch sie konnten durch Umbesetzungen theoretisch jederzeit auf einen anderen Kurs gebracht werden. Andere Finanzabteilungen mischten sich, wo es nur ging, in die kirchlichen Angelegenheiten ein. Sie störten mit ihren Maßnahmen massiv die freie Entfaltung der Kirchen und schränkten die Handlungsspielräume der Kirchenleitungen ein – von einer intakten Landeskirchenführung konnte unter derartigen Umständen keine Rede mehr sein.2 Diese Finanzabteilungen erzielten eine Wirksamkeit, die über die Summe ihrer konkreten Maßnahmen oft noch weit hinausging. Ihre Einzelmaßnahmen erzeugten ein Klima der Verunsicherung, Bedrohung und Schikane, so dass oft schon allein ihre Präsenz ausreichte, um die Kirchenleitungen oder die Gemeinden und Pastoren fallweise zu einem vorauseilenden Gehorsam zu verleiten. Die kirchlichen Stellen passten sich ohne Not den Vorgaben der Finanzabteilung an, übernahmen ein bestimmtes Verhalten oder unterließen manche Maßnahmen, in dem Wissen, dass sonst die Finanzabteilung eingreifen könnte. Die gleichzeitig beklagten Zustände konnten so fortbestehen. Die Finanzabteilungen konnten ihre Wirkungsmacht durch ihre Position im innerkirchlichen Verwaltungsbereich relativ unauffällig entfalten und die 2 Der Topos der Intaktheit bestimmter Kirchenregimenter während der NS-Zeit wurde in der Forschung auf die drei Landeskirchen von Bayern, Württemberg und Hannover, ferner auf diejenige von Baden angewendet. In Hannover und Baden führte die Finanzabteilung dazu, dass die Spielräume kirchenleitenden Handelns jedenfalls ab 1938 massiv eingeschränkt wurden. Vgl. zur Situation von Landesbischof Marahrens: Hermle, Spielräume, 122 – 124; zu Baden: Kunze, Bedeutung, 192 f., 200; Thierfelder, Landeskirche, 328; Klausing, Baden, 269.

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Kirche gewissermaßen von innen aushöhlen. Für diese indes war der Verlust ihrer Souveränität insbesondere auf dem geistlichen Sektor, in den die Finanzabteilungen immer wieder hineinregierten, die eigentliche, existentielle Bedrohung. Jeder Anspruch auf eine unabhängige geistliche Leitung wurde durch die bloße Existenz einer Finanzabteilung ad absurdum geführt. Für die Kirche ergab sich nach dem Krieg aus dem System der Finanzabteilungen eine Grunderkenntnis des „Kirchenkampfes“: Nämlich, „daß Verkündigung und kirchliche Rechtsordnung in notwendigem Zusammenhang stehen“3. Die kirchliche Verwaltung und die äußere Ordnung der Kirche dürften daher nicht von der geistlichen Leitung und einer Bekenntnisbindung getrennt werden.4 So hatten die Finanzabteilungen „wohl die tiefste Besinnung über das Geld der Kirche und über seine Verwendung angeregt, die überhaupt in der bisherigen Kirchengeschichte angestellt ist.“5

3 Friedrich, Entwicklung Badens, 331. 4 Vgl. auch Schmidt, Einführung, 260. 5 Ebd., 207.

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Verzeichnis der FA-Mitglieder In der folgenden Aufstellung sämtlicher FA-Mitglieder wird jeweils der Zeitpunkt der Berufung in das FA-Amt genannt, ebenso das Ende der FA-Tätigkeit. In der Regel endete diese durch eine Abberufung, einige FA-Funktionäre sind auch im Amt verstorben. Wird nur das Datum der Beauftragung genannt, galt diese bis zum Kriegsende. Die Angaben sind vor allem dem Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger1 sowie dem Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche2 entnommen. Hier finden sich die offiziellen Bekanntmachungen des Reichskirchenministeriums. Da diese jedoch nicht alle FA-Personalveränderungen abbilden, wurden, soweit möglich, auch andere Informationen berücksichtigt.3 Außerdem sind die Ergebnisse dieser Arbeit eingeflossen.4 Finanzabteilung bei der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei in Berlin Vorsitzender 5. 11. 1935 – 4. 11. 1937 4. 11. 1937 – 3. 4. 1943 21. 8. 1942 3. 4. 1943

Walther Gustavus, OKonsRat Dr. Friedrich Werner, Präs. Dr. Georg Cölle, RA, mit der Leitung beauftragt Dr. Georg Cölle, AGR

Vertreter 4. 11. 1937 – 3. 4. 1943

Dr. Günther Fürle, OKonsRat

1 Dort sollten seit April 1936 alle FA-Personalmaßnahmen bekannt gegeben werden (was allerdings nicht in jedem Fall geschah), vgl. die Ankündigung in der 3. DVO zum Vermögensverwaltungsgesetz vom 23. 3. 1936 (GBlDEK, 1936, 45). 2 Ebd., 1935, 44 f., 87, 118, 122; ebd., 1936, 24, 45 f.; ebd., 1941, 23; ebd., 1942, 49; ebd., 1944, 37, 41. 3 Vor allem aus BArch R 5101 / 23237; BArch R 5101 / 23226; BArch R 5101 / 23211; EZA 1/1613; EZA 7/5398. 4 Vgl. auch die allerdings fehlerhafte FA-Personenliste in Brunotte, Finanzaufsicht, 75 – 78; außerdem die Übersicht im Handbuch I, hier 91 f. (FA-DEKK), 250 (FA-EOK der Altpreußischen Union). Auch das Handbuch ist in seinen Angaben nicht zuverlässig, zudem wird nicht zwischen FA-„Mitgliedern“ und FA-„Mitarbeitern“ unterschieden.

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Verzeichnis der FA-Mitglieder

Mitglieder 5. 11. 1935 5. 11. 1935 – 23. 5. 38 5. 11. 1935 5. 11. 1935 5. 11. 1935 5. 11. 1935 – 24. 8. 1944 21. 6. 1938 21. 6. 1938 17. 3. 1942–April 1942 17. 3. 1942 17. 3. 1942

Dr. Walter Koch, OKonsRat Dr. Johannes Duske, OKR Willy Kretzschmar, OLKR Dr. Hermann Müller, Direktor Dr. Hans Meinzolt, Vizepräs. Dr. Ewald Fischer, OLKR5 Dr. Richard Albrecht, LGR6 Dr. Georg Cölle, RA Ludwig Hoffmeister, Oberregierungsrat7 Heinz Gefaeller, OKonsRat Paul Kipper, LKA-Präs.

Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin Vorsitzender 11. 4. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936 5. 6. 1941 – 24. 8. 1944 20. 5. 43

Dr. Walter Koch, OKonsRat Dr. Friedrich Werner, EOK-Präs. Dr. Ewald Fischer-Dorp, OKonsRat, mit der Vertretung des zur Wehrmacht einberufenen FA-Vorsitzenden beauftragt Dr. Gustav Steckelmann, OKonsRat8

Vertreter 1. 4. 1936

Dr. Walter Koch, OKonsRat

Mitglieder 11. 4. 1935 – 23. 5. 38 11. 4. 1935 11. 4. 1935–Feb. 1936 1. 4. 1936 20. 2. 1941 – 24. 8. 1944 20. 2. 1941 – 23. 1. 1943 23. 1. 1943 18. 6. 1943 28. 9. 1944

Dr. Johannes Duske, OKonsRat Dr. Ernst Engelmann, OKonsRat Dr. Gerhard Thümmel, OKR Dr. Wilhelm Benecke, KonsRat Dr. Ewald Fischer-Dorp, OKonsRat Kurt Kronenberg, OKonsRat Dr. Gustav Steckelmann, OKonsRat Johannes Schultz, OKonsRat Dr. Georg Cölle, AGR

5 6 7 8

Seit 1938 Fischer-Dorp. Seit Albrechts Versetzung nach Prag im Herbst 1939 ruhte seine Tätigkeit. Das Ausscheiden Hoffmeisters wurde nicht offiziell bekannt gegeben, siehe oben 145 f. Das Reichskirchenministerium billigte mit diesem Datum, dass Fischer-Dorp Steckelmann mit der Wahrnehmung des FA-Vorsitzes beauftragte (EZA 1/1613).

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Verzeichnis der FA-Mitglieder

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Finanzabteilung beim Konsistorium in Berlin Vorsitzender 11. 4. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936 – 2. 5. 1937 22. 2. 1938 21. 3. 1942

Dr. Hans von Arnim, KonsRat Georg Rapmund, KonsPräs Erhard von Schmidt, Geschäftsführer Dr. Ewald Fischer-Dorp, OKonsRat, für die Dauer des Ausfalls des ständigen Vertreters und der Abwesenheit des FAVorsitzenden mit der Wahrnehmung des FA-Vorsitzes beauftragt

Vertreter 1. 4. 1936 – 22. 2. 1938 22. 2. 1938 – 6. 1. 1939 6. 1. 1939

Dr. Hans von Arnim, KonsRat Walter Siebert, OKonsRat Dr. Johannes Heinrich, KonsPräs

Mitglieder 11. 4. 1935 – 30. 5. 1938 11. 4. 1935 – 22. 2. 1938 30. 5. 1938 – 20. 1. 1942 30. 5. 1938 – 6. 12. 1939 6. 12. 1939 6. 12. 1939 – 20. 1. 1942 2. 9. 1941 20. 1. 1942 20. 1. 1942 19. 5. 1943

Paul Görs, KonsRat Dr. Martin Sellmann, KonsAss Dr. Helmut Engelhardt, KonsAss Lothar Graeger, KonsAss Erich Magnus, OKonsRat Gerhard Kolrep, KonsRat Dr. Walter Goebell, Pfarrer Karl Drohmann, Kämmerer Johannes Winter, KonsAss Oswald Müller, OKonsRat

Finanzabteilung beim Konsistorium in Königsberg Vorsitzender 11. 4. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936 – 18. 11. 1937 18. 11. 1937 – 19. 4. 1943 8. 10. 1943

Ernst Loerke, KonsRat Dr. Walter Tröger, KonsPräs Dr. Kurt Angermann, Regierungsvizepräsident Dr. Karl Ball, RA

Vertreter 1. 4. 1936 – 18. 11. 1937 18. 11. 1937

Ernst Loerke, KonsRat Artur von Bochmann, KonsRat

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Verzeichnis der FA-Mitglieder

Mitglieder 11. 4. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936 18. 11. 1937 9. 12. 1939

Dr. Wilhelm Benecke, KonsRat Werner Otto, KonsAss Ernst Loerke, KonsRat Dr. Hermann Krause, KonsRat

Finanzabteilung beim Konsistorium in Stettin Vorsitzender 11. 4. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936

Hans Ulrich, KonsRat D. Paul Gerhard Wahn, KonsPräs

Vertreter 1. 4. 1936

Dr. Gerhard Jahnz, OKonsRat

Mitglieder 11. 4. 1935 11. 4. 1935 – 1940 1. 4. 1936

Dr. Gerhard Jahnz, KonsRat Dr. Fritz Dreyer, KonsRat Georg Krüger-Wittmack, KonsRat

Finanzabteilung beim Konsistorium in Breslau Vorsitzender 11. 4. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936 – 1. 9. 1936 1. 9. 1936 – 29. 6. 1938 29. 6. 1938 29. 8. 1939–Mai 1940

Vertreter 1. 4. 1936 – 29. 6. 1938 29. 6. 1938

Johannes Redlich, KonsRat Dr. Günther Fürle, OKonsRat D. Johannes Hosemann, KonsPräs Dr. Horst Bartholomeyczik, LGR Dr. Hans Damrau, Oberbürgermeister, mit der FA-Geschäftsführung anstelle des zur Wehrmacht einberufenen FA-Vorsitzenden beauftragt9

Johannes Redlich, KonsRat D. Johannes Hosemann, KonsPräs

9 Damrau gab seine FA-Tätigkeit Anfang Mai 1940 auf. Anschließend übernahm Hosemann als ständiger Vertreter, vgl. EZA 7/5398.

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Verzeichnis der FA-Mitglieder Mitglieder 11. 4. 1935 11. 4. 1935 – 30. 3. 1940 1. 4. 1936

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Dr. Karl Sternsdorff, KonsRat Dr. Christian Granzow, KonsAss Dr. Christoph-Johann Kracker von Schwartzenfeldt, KonsRat

Finanzabteilung beim Konsistorium in Magdeburg Vorsitzender 11. 4. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936 – 30. 6. 1937 30. 6. 1937

Erich Meyer, OKonsRat Dr. Otto Fretzdorff, KonsPräs Johannes Schultz, KonsRat

Vertreter 1. 4. 1936

Dr. Ewald Siebert, KonsRat

Mitglieder 11. 4. 1935 31. 7. 1935 1. 4. 1936 30. 6. 1937

Dr. Ewald Siebert, KonsRat Dr. Erich Dalhoff, KonsAss Johannes Schultz, KonsRat Dr. Fritz Koch, OKonsRat

Finanzabteilung beim Konsistorium in Münster Vorsitzender 11. 4. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936 – 18. 5. 1938 18. 5. 1938

Dr. Hermann Kupsch, KonsRat Dr. Gerhard Thümmel, OKonsRat Hans Stoppenbrink, Syndikus

Vertreter 1. 4. 1936 – 18. 5. 1938 18. 5. 1938

Dr. Hermann Kupsch, OKonsRat Dr. Gerhard Thümmel, KonsPräs

Mitglieder 11. 4. 1935 – 18. 5. 1938 18. 5. 1938

Dr. Otto Kröger, KonsAss Dr. Gustav Steckelmann, KonsRat

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Verzeichnis der FA-Mitglieder

Finanzabteilung beim Konsistorium in Düsseldorf Vorsitzender 11. 4. 1935 – 23. 11. 1937 Dr. Otto Jung, KonsRat10 23. 11. 1937 Hans Friedrich Sohns, Reichsamtsleiter Vertreter 1. 4. 1936 – 23. 11. 1937 23. 11. 1937

Richard Spieß, OKonsRat Dr. Walter Koch, KonsPräs

Mitglieder 11. 4. 1935 – 10. 12. 1937 Dr. Otto Franke, KonsRat11 30. 5. 1938 Dr. Johannes Wollermann, OKonsRat

Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Kiel Vorsitzender 11. 4. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936

Johannes Carstensen, OLKR Dr. Christian Kinder, Vizepräs.

Vertreter 1. 4. 1936

Johannes Carstensen, OLKR

Mitglieder 11. 4. 1935

Herbert Bührke, LKR

Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Kassel Vorsitzender 11. 4. 1935–Mai 1941 12. 7. 1941

Ernst Gerlach, OKR Dr. Wilhelm Lütkemann, LKR

10 Bei Rauthe, Gegner, 44, wird als Datum der Abberufung der 12. November 1937 angegeben. Dort heißt es allerdings, Jung sei durch EOK-Präsident Werner von seinem FA-Amt abberufen worden. Da das unmöglich ist, wird die Neubestellung Sohns als Abberufung Jungs gewertet. 11 Datum der Abberufung laut Rauthe, Gegner, 399.

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Verzeichnis der FA-Mitglieder Mitglieder 11. 4. 1935 – 1938 12. 8. 1940 12. 7. 1941

545

Dr. Georg Endemann, LKR12 Dr. Wilhelm Lütkemann, LKR Fritz Krommes, LKR

Finanzabteilung beim Landeskirchenrat in Aurich Vorsitzender 11. 4. 1935 – 25. 7. 1935 25. 7. 1935

Otto Koopmann, Präs. Ev.-ref. Landeskirchenrat mit FA-Geschäften beauftragt

Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Hannover Vorsitzender 25. 7. 1935 – 1. 4. 1936 1. 4. 1936 – 28. 4. 1938 28. 4. 1938

Johannes Carstensen, OLKR Friedrich Schnelle, Präs. Dr. Georg Cölle, RA13

Vertreter 1. 4. 1936 – 30. 5. 1938 30. 5. 1938

Dr. Karl Wagenmann, LKR Ludwig Hoffmeister, Oberregierungsrat

Mitglieder 25. 7. 1935 – 30. 5. 1938 12. 8. 1940 6. 3. 1944

Dr. Karl Wagenmann, LKR Hans Lübbing, LKR Dr. Adolf Doetsch, Städtischer Rechtsrat

Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Dresden Vorsitzender 27. 11. 1935

Willy Kretzschmar, OLKR

Mitglieder 27. 11. 1935 – 30. 8. 1938 Erich Kotte, Geheimer KonsRat 27. 11. 1935 Dr. Werner Agricola, OKR 12 Möglicherweise das Ausscheiden auch erst Anfang 1939, vgl. RKM-Vermerk vom 12. 8. 1940 (BArch R 5101 / 23222, Bl. 374). 13 Veröffentlichung der Bestellung erst am 4. 5. 1938.

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546

Verzeichnis der FA-Mitglieder

30. 8. 1938 24. 3. 1944

Herbert Karch, OKR Dr. Wolfgang Dennhardt, RA14

Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Wolfenbüttel Vorsitzender 29. 2. 1936 – 30. 5. 1938 30. 5. 1938 – 14. 1. 1943 14. 1. 1943

Dr. Friedrich Lambrecht, OKR Ludwig Hoffmeister, Oberregierungsrat Herbert Westermann, LKR (bereits auf Probe im Staatsdienst)

Vertreter 30. 5. 1938

Dr. Georg Cölle, RA

Mitglieder 29. 2. 1936 – 11. 3. 1939 29. 2. 1936 – 30. 5. 1938 12. 8. 1940 17. 3. 1942

Dr. Hans-Wilhelm Jürgens, Kirchenoberregierungsrat Gustav Ahlhorn, OKR Herbert Westermann, LKR Friedrich Heuer, Kirchenverwaltungsrat

Finanzabteilung bei der Verwaltungsstelle Wiesbaden der Landeskirche Nassau-Hessen Vorsitzender 11. 4. 1935 – 1. 7. 1937

Dr. Ewald Fischer, OLKR

Mitglieder 11. 4. 1935 – 1. 7. 1937

Ludwig Schuster, LKR

Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Darmstadt Vorsitzender 1. 7. 1937

Paul Kipper, Präs.

14 Dennhardt führte zeitweise für den 1944 verschiedentlich andernorts verwendeten OLKR Kretzschmar vertretungsweise die FA-Geschäfte.

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Verzeichnis der FA-Mitglieder Vertreter 1. 7. 1937 – 1. 6. 1939 1. 6. 1939

Dr. Ewald Fischer, OLKR Freiherr Friedrich von Krane, KR

Mitglieder 1. 7. 1937 1. 7. 1937 10. 12. 1937 1. 6. 1939 7. 1. 1941 28. 4. 1942

Ludwig Schuster, LKR, Verwaltungsstelle Wiesbaden Dr. Emil Büchler, OKR, Verwaltungsstelle Darmstadt Freiherr Friedrich von Krane, KR Dr. Hans Theinert, Präs. Joachim Petri, LKR Wilhelm Hebermehl, Rechnungsdirektor

Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe Vorsitzender 18. 5. 1938 – 7. 1. 1941 7. 1. 1941 – 25. 2. 1943 25. 2. 1943

Dr. Theophil Lang, Bürgermeister Dr. Emil Doerr, OKR Dr. Leopold Engelhardt, Fabrikant

Vertreter 18. 5. 1938 – 7. 1. 1941 25. 2. 1943

Dr. Emil Doerr, OKR Dr. Emil Doerr, OKR

Mitglieder 18. 5. 1938 18. 5. 1938 26. 1. 1939 27. 10. 1944

Friedrich Guttenberg, Oberfinanzrat Dr. Heinrich Kaeser, Finanzrat Wilfried Seitz, Oberfinanzrat Dr. Otto Mayer, Direktor

Finanzabteilung bei der Bremischen Evangelischen Kirche Vorsitzender 8. 10. 1941 – 23. 12. 1941 Hermann Edzard, Kaufmann 23. 12. 1941 Dr. Georg Cölle, RA Vertreter 8. 10. 1941 – 23. 12. 1941 Carl Eduard Meyer, Bankier 15. 9. 1943 Dr. Walther Alfes, RA

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547

548

Verzeichnis der FA-Mitglieder

Mitglieder 8. 10. 1941 – 23. 12. 1941 Dr. Hermann Apelt, RA 15. 9. 1943 Dr. Hermann Ellinghausen, RA

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Abkürzungen AGR ApU BArch BDC BG BK BStU DAF DC DEK DEKK DVO EKD EOK EZA FA GBlDEK Gestapo GLAK GStAPK GVBl. GVR HStAH KABl. KGR KJ KonsAss KonsPräs KonsRat KR KV KZ LGR LKA

Amtsgerichtsrat Altpreußische Union Bundesarchiv Berlin Document Center Bekenntnisgemeinschaft Bekennende Kirche Behörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Deutsche Arbeitsfront Deutsche Christen, deutsch-christlich Deutsche Evangelische Kirche Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei Durchführungsverordnung Evangelische Kirche in Deutschland Evangelischer Oberkirchenrat Evangelisches Zentralarchiv Berlin Finanzabteilung Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche Geheime Staatspolizei Generallandesarchiv Karlsruhe Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Gesetzes- und Verordnungsblatt für die Vereinigte Evangelischprotestantische Landeskirche Badens Geistlicher Vertrauensrat Hauptstaatsarchiv Hannover Kirchliches Amtsblatt für die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers Kirchengemeinderat Kirchliches Jahrbuch für die Evangelische Kirche in Deutschland 1933 – 1944 Konsistorial-Assessor Konsistorialpräsident Konsistorialrat Kirchenrat Kirchenvorstand Konzentrationslager Landgerichtsrat Landeskirchenamt

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550

Abkürzungen

LkAB LkABl.

Landeskirchliches Archiv Bremen Landeskirchliches Amtsblatt der Braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche LkAH Landeskirchliches Archiv Hannover LkAKA Landeskirchliches Archiv Karlsruhe LkAN Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland LkAS Landeskirchliches Archiv Schwerin LkAW Landeskirchliches Archiv Wolfenbüttel LKR Landeskirchenrat NS Nationalsozialismus, nationalsozialistisch NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt OKonsRat Oberkonsistorialrat OKR Oberkirchenrat OLKR Oberlandeskirchenrat OPG Oberstes Parteigericht der NSDAP Pg. Parteigenosse (der NSDAP) Präs. Präsident RA Rechtsanwalt RGBl. Reichsgesetzblatt RKA Reichskirchenausschuss RKM Reichskirchenministerium, Reichskirchenminister RM Reichsmark SA Sturmabteilung SD Sicherheitsdienst des Reichsführers SS SS Schutzstaffel StAB Staatsarchiv Bremen StAW Staatsarchiv Wolfenbüttel Uk-Stellung Unabkömmlichstellung V – Mann Vertrauensmann Vizepräs. Vizepräsident VKL Vorläufige Kirchenleitung VO. Verordnung WRV Weimarer Reichsverfassung

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Quellen- und Literaturverzeichnis I. Archivalische Quellen Behörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (BStU) Bestand MfS: Ministerium für Staatssicherheit HA XX/4, Nr. 586

Bundesarchiv, Berlin und Koblenz (BArch) Bestand N 1177: Nachlass Elisabeth Schwarzhaupt 4

Kirchliche Finanzwirtschaft und Kompetenzabgrenzung zu den Finanzabteilungen bei den Kirchenämtern – Allgemeines und Einzelfälle (Handakten); 1938 – 1945

Bestand NS 8: Kanzlei Rosenberg 178

180

181

Schriftwechsel mit dem Stellvertreter des Führers, seit 1941 Leiter der Parteikanzlei, überwiegend betr. organisatorische Grundsatzangelegenheiten, z. B. Kompetenzstreitigkeiten mit Reichs- und Parteidienststellen sowie Personalangelegenheiten; Bd. 2: (1935) 1936 – 1937 Schriftwechsel mit dem Stellvertreter des Führers, seit 1941 Leiter der Parteikanzlei, überwiegend betr. organisatorische Grundsatzangelegenheiten, z. B. Kompetenzstreitigkeiten mit Reichs- und Parteidienststellen sowie Personalangelegenheiten; Bd. 4: Aug. – Dez. 1938 Schriftwechsel mit dem Stellvertreter des Führers, seit 1941 Leiter der Parteikanzlei, überwiegend betr. organisatorische Grundsatzangelegenheiten, z. B. Kompetenzstreitigkeiten mit Reichs- und Parteidienststellen sowie Personalangelegenheiten; Bd. 5: (1937) Jan. – Juni 1939

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552 184

Quellen- und Literaturverzeichnis Schriftwechsel mit dem Stellvertreter des Führers, seit 1941 Leiter der Parteikanzlei, überwiegend betr. organisatorische Grundsatzangelegenheiten, z. B. Kompetenzstreitigkeiten mit Reichs- und Parteidienststellen sowie Personalangelegenheiten; Bd. 8: April – Dez. 1940

Bestand NS 15: Der Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP 421 422

Lage der Kirchen: Gesetzentwürfe, Manuskripte, Berichte; 1937 – 1938 Lage der Kirchen: Verschiedene Angelegenheiten; 1936 – 1940

Bestand NS 51: Kanzlei des Führers der NSDAP (Dienststelle Bouhler) 22

Bestand R 2: 5024 18972

Innenpolitik – Verschiedenes, K (Kirche); 1934 – 1935

Reichsfinanzministerium Staatsleistungen für kirchliche Zwecke; Bd. 1: 1937 – 1942 Braunschweigische Siedlungsgesellschaft mbH, Braunschweig; 1934 – 1942

Bestand R 43 II: Reichskanzlei („Neue Reichskanzlei“) 152 153a 160 160a 163 165a 169 169a 170 170a 1156b

Staatsleistungen an die Kirchen; Bd. 1: 1936 – 1942 Staatsleistungen an die Kirchen; Bd. 3: 1941 Evangelische Kirche; Bd. 8: 1935 – 1941 Evangelische Kirche; Bd. 9: 1937 – 1942 Evangelische Kirche; Bd. 5: Okt. 1934 – Feb. 1935 Evangelische Kirche; Bd. 11: 1940 – 1943 Verhältnis der evangelischen Kirche zu Staat und Partei; Bd. 1: 1936 – 1941 Verhältnis der evangelischen Kirche zu Staat und Partei; Bd. 2: 1938 – 1940 Verhältnis der evangelischen Kirche zu Staat und Partei; Bd. 3: 1940 – 1943 Verhältnis der evangelischen Kirche zu Staat und Partei; Bd. 4: 1940 – 1944 Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten – Personalangelegenheiten des Ministers; 1941 – 1942

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Archivalische Quellen

553

Bestand R 58: Reichssicherheitshauptamt 5746a 5779 5791 6019 Teil 1

Beobachtung von Vereinen und Einrichtungen der Deutschen Evangelischen Kirche; 1936 – 1941 Beobachtung der Vereinigten evangelisch-protestantischen Landeskirche Badens; 1937 – 1941 Beobachtung der Kirchen in Deutschland; 1935 – 1942 Deutsche Evangelische Kirche (Sammelakten); 1938 – 1940

Bestand R 601: Präsidialkanzlei 1821

Preußischer Ministerpräsident; Bd. 3: 1934 – 1945

Bestand R 1501: Reichsministerium des Innern 211927

Westermann, Herbert, geb. 23. 10. 1903

Bestand R 3001: Reichsjustizministerium 24008 53570

Evangelische Kirche; 1937 – 1944 Cölle, Georg, geb. 11. 12. 1901

Bestand R 5101: Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten 24

25

33

36 21673 21852 22379 22402

Rechtliche und organisatorische Fragen der evangelischen Kirche (Handakten Dr. Ruppel, Ministerialrat, Referent in der Evangelischen Abteilung); Bd. 1: 1935 – 1938 Rechtliche und organisatorische Fragen der evangelischen Kirche (Handakten Dr. Ruppel, Ministerialrat, Referent in der Evangelischen Abteilung); Bd. 2: 1939 – 1942 Grundgedanken zur Kirchenpolitik des nationalsozialistischen Staates, v. a. gegenüber der evangelischen Kirche – Reichsminister Kerrl an den Schriftsteller Dr. Wilhelm Stapel vom 6. Sept. 1938 Reichskirchenministerium – Materialsammlung; Nov. 1934 – 1941 Finanzbeziehungen zwischen Staat und Kirche; 1934 – 1944 Einzelne Kirchen und Parochien – Hannover ; Bd. 1: Juni 1887 – Juni 1944 Einzelne Kirchen und Parochien – Regierungsbezirk Hildesheim; Aug. 1870 – Jan. 1944 Einzelne Kirchen und Parochien – Wesermünde: Kirchengemeinde und Gesamtverband; Febr. 1940 – März 1943

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554 22537 22596 22728

22729

23208 23209 23211 23218 23219 23222 23226 23228 23233 23237 23255 23366 23446 23502

23657 23705 23707 23709 23710

Quellen- und Literaturverzeichnis Evangelische Predigerseminare – Göhrde; Juli 1929 – Okt. 1942 Erhebung kirchlicher Umlagen – Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover; Apr. 1925 – Okt. 1944 Preußisches Gesetz über die Vermögensverwaltung in den evangelischen Landeskirchen und seine Durchführung; Bd. 1: Juli 1934 – Mai 1936 Preußisches Gesetz über die Vermögensverwaltung in den evangelischen Landeskirchen und seine Durchführung; Bd. 2: Sept. 1935 – Juni 1943 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Berlin; Mai 1936 – Dez. 1941 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Berlin; Sept. 1941 – März 1945 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Breslau; Sept. 1923 – Febr. 1944 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Hannover (ab 1. Nov. 1924 Evangelisch-lutherisches Landeskirchenamt); Nov. 1921 – Aug. 1938 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Hannover (ab 1. Nov. 1924 Evangelisch-lutherisches Landeskirchenamt); Aug. 1940 – März 1945 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Kassel (ab 1924 Evangelisches Landeskirchenamt); Dez. 1921 – März 1945 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Königsberg; Sept. 1922 – März 1945 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Hannover (ab 1. Nov. 1924 Evangelisch-lutherisches Landeskirchenamt); Febr. 1938 – Aug. 1940 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Münster; Jan. 1919 – Apr. 1941 Geschäftsgang des Evangelischen Oberkirchenrates in Berlin und der Finanzabteilung; Febr. 1941 – Febr. 1945 Evangelische Konsistorien – Einzelnes: Wiesbaden und Darmstadt; März 1925 – Sept. 1944 Kloster Loccum; Juni 1930 – Okt. 1942 Evangelische Landeskirche – Hannover : Evangelisch-lutherische Landeskirche; März 1939 – Jan. 1945 Gesetz zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 24. Sept. 1935 und Verordnungen zu dessen Durchführung; Sept. 1935 – Nov. 1938 Geschäftsbetrieb im Hauptbüro; Dez. 1935 – Nov. 1944 Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche und der deutschen evangelischen Landeskirchen; Dez. 1935 – Okt. 1942 Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche – Einzelfragen; Bd. 2: Okt. 1937 – Sept. 1939 Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche – Einzelfragen; Bd. 4: Febr. 1936 – Nov. 1944 Allgemeine Angelegenheiten der Verwaltung der Deutschen Evangelischen Kirche; Jan. 1937 – Okt. 1944

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Archivalische Quellen 23713 23753 23758 23760 23768 23769 23772 23774 23775 23779 23780 23781 23782 23783 23784 23785 23786 23789 23790 23791 23792 23793 23794 23795 23796

23797 23798 23799 23801

555

Finanzabteilung der Deutschen Evangelischen Kirche; Nov. 1935 – Nov. 1944 Ministerreden; Apr. 1941 – Nov. 1943 Evangelische Landeskirche – Hannover ; Apr. 1935 – März 1944 Evangelische Landeskirche – Schleswig-Holstein; Nov. 1935 – Apr. 1941 Evangelische Landeskirche – Sachsen; Bd. 5: Nov. 1935 – Sept. 1944 Evangelische Landeskirche – Sachsen; Bd. 6: Aug. 1944 – März 1945 Evangelische Landeskirche – Württemberg; Bd. 1: Febr. 1935 – Mai 1942 Evangelische Landeskirche – Bayern; Apr. 1935 – Sept. 1944 Evangelische Landeskirche – Thüringen; Bd. 1: Sept. 1935 – Febr. 1943 Evangelische Landeskirche – Baden; Bd. 1: Febr. 1935 – Mai 1939 Evangelische Landeskirche – Baden; Bd. 2: Aug. 1938 – Mai 1940 Evangelische Landeskirche – Baden; Bd. 3: Aug. 1938 – Juli 1941 Evangelische Landeskirche – Baden; Bd. 4: Sept. 1943 – Juli 1944 Evangelische Landeskirche – Baden; Bd. 5: Juli 1944 – März 1945 Evangelische Landeskirche – Baden; Okt. 1935 – Febr. 1943 Evangelische Landeskirche – Baden; 1936 – 1939 Evangelische Landeskirche – Mecklenburg; Sept. 1935 – März 1945 Evangelische Landeskirche – Braunschweig; Bd. 1: Aug. 1935 – Juni 1943 Evangelische Landeskirche – Braunschweig; Bd. 2: 1938, Juni 1940 – Okt. 1941 Evangelische Landeskirche – Braunschweig; Bd. 3: Aug. 1940 – Apr. 1942 Evangelische Landeskirche – Braunschweig; Bd. 4: Juli 1940 – Jan. 1944 Evangelische Landeskirche – Braunschweig; Bd. 5: Okt. 1943 – Jan. 1945 Evangelische Landeskirche – Oldenburg; Apr. 1936 – März 1945 Evangelische Landeskirche – Bremen; Sept. 1944 – März 1945 Evangelische Landeskirche – Bremen: Verordnung über die Bildung kirchlicher Körperschaften vom 16. August 1939 und Proteste gegen die Durchsetzung; Nov. 1937, Apr. 1939 – Juni 1941 Evangelische Landeskirche – Bremen: Leitung der Evangelischen Landeskirche; Bd. 1: Apr. 1940 – Dez. 1941 Evangelische Landeskirche – Bremen: Leitung der Evangelischen Landeskirche; Bd. 2: Okt. 1941 – Jan. 1945 Evangelische Landeskirche – Bremen: Leitung der Evangelischen Landeskirche; Bd. 3: Okt. 1940 – Dez. 1943 Evangelische Landeskirche – Lübeck; Aug. 1934 – Juli 1940

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556 23802 23843 23958 23961 23967 23971 23972 23979 23981 23982 23985 23987 23989 23992 23994 23995 23999 24001 24002 24004 24216 24218

Quellen- und Literaturverzeichnis Evangelische Landeskirche – Schaumburg-Lippe; Nov. 1935 – Jan. 1945 Lutherischer Weltkonvent; Nov. 1937 – Mai 1940 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe A; Nov. 1936 – Jan. 1943 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe B; Sept. 1937 – Aug. 1944 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe F; Nov. 1937 – Jan. 1945 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe G; Juli 1940 – Jan. 1945 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe H; Apr. 1936 – Juni 1944 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe L; Aug. 1936 – Jan. 1945 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe M; Jan. 1937 – März 1942 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe M; März 1940 – Mai 1944 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe N; März 1936 – Okt. 1943 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe P, Q; Apr. 1938 – Apr. 1943 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe R; Febr. 1939 – Okt. 1943 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe S; Aug. 1940 – Aug. 1944 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe Sch; Sept. 1935 – Mai 1943 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe Sch; Okt. 1936 – Sept. 1944 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe T; Jan. 1938 – Aug. 1941 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe U; Juni 1936 – Okt. 1943 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe V; Febr. 1941 – Apr. 1944 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Sonstige: Buchstabe W; Mai 1939 – Febr. 1945 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Hauptbüro; Buchstabe G; Dez. 1936 – März 1942 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Hauptbüro; Buchstabe I; März 1937 – Nov. 1944

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Archivalische Quellen 24220 24222 24226 24230 24274

557

Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Hauptbüro; Buchstabe Ki – Kl; Nov. 1936 – Dez. 1944 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Hauptbüro; Buchstabe Kr – Ku; Apr. 1937 – Okt. 1944 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Hauptbüro; Buchstabe M; Aug. 1937 – März 1944 Schriftwechsel zu Personen und Institutionen A – Z – Hauptbüro; Buchstabe Pf – Pu, Q; Febr. 1934 – Jan. 1944 Einzelne Kirchen und Parochien – Hannover; Bd. 2: Apr. 1938 – Juni 1944

Bestand Z 42 V: Spruchgericht Hiddesen 2823 2823a

Bestand ehem. BDC: Mitgliederkartei der NSDAP OPG-Richter : Nr. 32; 41 SSO Nr. 109 A

Evangelisches Zentralarchiv, Berlin (EZA) Bestand 1: Vorgängereinrichtungen der EKD 1116 1247 1269 1270 1321 1376 1378 1435

Verfassung der Deutschen Evangelischen Kirche; Bd. 3: 1939.01 – 1943.08 Eingliederung der Landeskirche Braunschweig in die DEK; 1934.06 – 1936.02 Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Kirchenleiter (HA F. Werner); 1938.01 – 1940.07 Godesberger Besprechungen (HA F. Werner); Bd. 1: 1938.10 – 1939.08 Sog. nichtarische Pfarrer und Theologiestudenten; 1936.06 – 1939.12 Kirchenpolitische Vorgänge der lutherischen Landeskirche Hannover; Bd. 1: 1934.10 – 1942.12 Kirchenpolitische Vorgänge der lutherischen Landeskirche Hannover; Bd. 6: 1933 – 1940 Kirchenpolitische Vorgänge der Landeskirche Baden; Bd. 2: 1935.11 – 1943.05

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558 1457 1484 1561 1602 1603 1604 1605 1606 1607 1608 1609 1610 1611 1613 1614 1615 1619 1622 1626 1627 1629 1632 1635 1657 1658 2616 2617 2620

Quellen- und Literaturverzeichnis Kirchenpolitische Vorgänge der Landeskirche Braunschweig; Bd. 2: 1933 – 1940 Reichskirchenausschuss; Bd. 2: 1937.01 – 1938.09 Landeskirche Baden; Bd. 1: 1935.10 – 1936.05 Finanzabteilung der DEK-Kanzlei; Bd. 1: 1935.11 – 1939.12 Finanzabteilung der DEK-Kanzlei; Bd. 2: 1940.01 – 1942.04 Finanzabteilung der DEK-Kanzlei; Bd. 3: 1942.08 – 1943.03 Finanzabteilung der DEK-Kanzlei; Bd. 4: 1943.04 – 1943.12 Finanzabteilung der DEK-Kanzlei; Bd. 5: 1944.01 – 1944.06 Finanzabteilung der DEK-Kanzlei; Bd. 6: 1944.01 – 1944.12 Finanzabteilung der DEK-Kanzlei; Bd. 7: 1945.01 – 1945.04 Sitzungen der Finanzabteilung; Bd. 1: 1935.11 – 1941.09 Sitzungen der Finanzabteilung; Bd. 2: 1941.10 – 1943.03 Besprechungen der Vorsitzenden der Finanzabteilungen der Landeskirchen; 1938.07 – 1944.02 Finanzabteilung des Evangelischen Oberkirchenrats der ApU; 1935.04 – 1943.05 Finanzabteilung des Konsistoriums Berlin-Brandenburg; 1942.10 – 1944.11 Finanzabteilung des Konsistoriums Königsberg; 1943.05 – 1945.03 Finanzabteilung des Konsistoriums Magdeburg; 1942.09 – 1944.12 Finanzabteilung des Konsistoriums Düsseldorf; 1943.01 – 1944.11 Finanzabteilung der Landeskirche Nassau-Hessen; 1937.01 – 1942.04 Finanzabteilung der Landeskirche Baden; 1938.06 – 1943.03 Finanzabteilung der Landeskirche Braunschweig; 1938.06 – 1945.03 Rundschreiben der Finanzabteilung der DEK; 1942.09 – 1945.02 Kirchenpolitische Vorgänge der lutherischen Landeskirche Hannover; Bd. 4: 1934 – 1938 Informationsdienst der nationalkirchlichen Einigung, Thüringen (HA Cölle); Bd. 1: 1943.01 – 1943.06 Informationsdienst der nationalkirchlichen Einigung, Thüringen (HA Cölle); Bd. 2: 1943.07 – 1944.04 Landeskirche Braunschweig; Bd. 2: 1941.07 – 1942.06 Landeskirche Braunschweig; Bd. 3: 1942.07 – 1943.11 Landeskirche Braunschweig; Bd. 6: 1936.06 – 1943.05

Bestand 2: Kirchenamt der EKD 125 687 688

Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig; Bd. 1: 03.1944 – 03.1949 Finanzabteilung der DEK; Bd. 1: 05.1943 – 01.1946 Finanzabteilung der DEK; Bd. 2: 05.1944 – 06.1946

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Archivalische Quellen

559

Bestand 7: Evangelischer Oberkirchenrat der Altpreußischen Union 5398

Finanz-Abteilung; Bd. 6: 10.1940 – 05.1950

Bestand 50: Archiv für die Geschichte des Kirchenkampfes 45 46

Denkschrift Dr. Muhs zur Befriedung der Kirche; 1938 Urteile in Prozess- und Strafsachen gegen Angehörige der Bekennenden Kirche; 1939 – 1944

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (GStAPK) Bestand I. HA Rep. 151: Finanzministerium Nr. 1217

Nr. 1218

Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover. Verfassung (Allgemein-rechtliche, Haushalts- und Besoldungsangelegenheiten); 1931 – 1943 Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover. Umlagen und Bauangelegenheiten; 1929 – 1942

Landeskirchliches Archiv Bremen (LkAB) Bestand B.203: Finanzabteilung .1 .2 .4 .5

Allgemein – Bildung und Durchführung; 1941 – 1945 Verhandlungen Cölle-Weidemann; Allgemein; 1941 – 1944 Bremen – Oldenburg; Verhandlungen; 1944 Diverse; 1942 – 1950

Staatsarchiv Bremen (StAB) Bestand 3- K.1.: Senatsregistratur : Kirchensachen Bildung einer Finanzabteilung bei der Verwaltungsbehörde der bremischen evangelischen Landeskirche; 1938 a Nr. 636 Beschwerden über das Finanzgebaren des Landesbischofs Weidemann sowie Einrichtung einer Finanzabteilung für die Bremische evangelische Kirche; 1940 – 1941 d.1.a.1 Nr. 59 Streitigkeiten zwischen der Unser Lieben Frauen Gemeinde und dem Landesbischof Weidemann wegen Änderung in der Besetzung des Gemeindevorstandes; 1940 – 1941 a Nr. 627

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560

Quellen- und Literaturverzeichnis

Hauptstaatsarchiv Hannover (HStAH) Bestand Hann. 122a: Oberpräsident Hannover Nr. 3619 Nr. 3620 Nr. 3711 Nr. 3898 Nr. 3922 Nr. 4036 Nr. 4047 Nr. 4071 Nr. 4076

Die Ausübung der Aufsichtsrechte des Staates in Beziehung auf die kirchliche Verwaltung; Bd. 1: 1875 – 1940 Die Ausübung der Aufsichtsrechte des Staates in Beziehung auf die kirchliche Verwaltung; Bd. 2: 1941 – 1945 Das Evang.-lutherische Landeskirchenamt Hannover – Verschiedenes; 1942 – 1945 Die Umlagen der evang.-lutherischen Landeskirche; 1925 – 1943 Umlagen des evangelisch-lutherischen Gesamtverbandes Wesermünde; 1936 – 1942 Die Pfarrbesoldung; auch Zuschüsse pp.; Bd. 2: 1931 – 1945 Das politische und sonstige Verhalten der Geistlichen; 1941 – 1942 Die Wiederbesetzung der erledigten lutherischen Pfarrstellen; Bd. 3: 1886 – 1944 Ernennungen zum Pfarrer pp. der evang.-lutherischen Landeskirche; 1943

Bestand Hann. 173: Oberlandesgericht Celle (vor 1945) Acc. 56/97 Nr. 302

Westermann, Herbert, geb. 1903, Rechtsanwalt in Hannover, nachher Regierungsrat; 1931 – 1943

Bestand Hann. 180 Hannover: Regierungspräsident Hannover (1885 – 1945) e1 Nr. 192/2 e2 Nr. 2

Kirchenpolitische Vorgänge: Hirtenbriefe, Kirchliches Amtsblatt; 1937 – 1943 Finanzielle Angelegenheiten der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover; 1912 – 1951

Bestand Hann. 180 Hildesheim: Regierungspräsident Hildesheim (1885 – 1945) Nr. 07014 Nr. 07115

Aufsichtsrechte des Staates gegenüber der evangelischen und der katholischen Kirche; Bd. 2: 1935 – 1945 Besoldung evangelischer Pfarrer ; 1929 – 1951

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Archivalische Quellen

561

Bestand Nds. 171 Hannover : Entnazifizierungsbehörden im Regierungsbezirk Hannover Nr. 14950; Nr. 18380

Bestand Nds. 171 Hildesheim: Entnazifizierungsbehörden im Regierungsbezirk Hildesheim Nr. 73849

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH) Bestand B 1: Generalakten des Landeskirchenamts Hannover Nr. 1434 Nr. 7410 Nr. 8751 Nr. 8752 Nr. 8754 Nr. 8755

Sitzungen des Kollegs; 1940 – 1948 Landeskirchliche Umlage – Allgemeines und Ausschreibungen; 1940 – 1956 Finanzabteilungen – Grundsätzliches; 1944 – 1946 Finanzabteilung beim Landeskirchenamt – Personalbesetzung; 1943 – 1951 Beziehung der Finanzabteilung zu den Deutschen Christen (Sonderkonten); 1945 – 1949 Finanzabteilungen bei anderen deutschen evangelischen Landeskirchen; 1944 – 1949

Bestand B 6: Finanzabteilung beim Ev.-luth. Landeskirchenamt Hannover Nr. 1

Nr. 3

Nr. 4 Nr. 7

Nr. 14

Kirchenpolitik: Rechtsstellung der Finanzabteilung; Freigabe von Pfarrstellen und Verwendung von Pastoren; politische Aussagen des Landesbischofs; 1943 – 1944 Allgemeiner Schriftverkehr : v. a. Zustimmung zur Besetzung von Pfarrstellen, Verwendung von Kollektengeldern. Politische Aussagen von Geistlichen, Kompetenzstreit mit dem Landeskirchenamt. Förderung der Deutschen Christen, Streitigkeiten mit der Bekenntnisgemeinschaft, u. a. in Aurich. Auch: Besprechung mit den Finanzabteilungen anderer Landeskirchen; 1942 – 1945 Beendigung der Arbeit der Finanzabteilung: Aufhebungsverfügung, Abgabe von Akten; 1941 – 1945 Abrechnungen über den Pfarrbesoldungsfonds: Staatliche Zuschüsse zur Pfarrerversorgung. Bericht über das Abrechnungsverfahren mit dem preußischen Staat; 1932 – 1946 Aktenvermerke betr. Oldenburgische Landeskirche; 1944

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562

Quellen- und Literaturverzeichnis

Bestand B 13: Personalakten landeskirchlicher Mitarbeiter und Beamter (Landeskirchenamt) Nr. 58; 59; 60; 411; 798 Bd. II; 798 Bd. III; 824 Bd. VI

Bestand D 15: Lutherrat (Rat der Ev.-luth. Kirche Deutschlands) I Nr. 12

I Nr. 66

III Nr. 13

Kirchenführer-Konferenz, Band 1: Stellungnahmen zur 13., 15. und 17. Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Sicherung der DEK; 1937 – 1938 Braunschweig, Band 2: Nichtarische Geistliche; Kirchengesetz zur Versetzung von Geistlichen in den einstweiligen Ruhestand vom 8. 12. 1939; 1937 – 1944 Sammlung Protokolle des Lutherrats; 1936 – 1939

Bestand K:A: Kirchenkampfbibliothek 671

Rundschreiben der Bekenntnisgemeinschaften der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers

Bestand L 2: Kanzlei Landesbischof Marahrens Nr. 2a Bd. VII Briefwechsel mit anderen Landeskirchen: Baden, Bayern; 1933 – 1934 Nr. 3b Verhältnis der Kirchenregierung zur Finanzabteilung; auch: Erlöschen der Befugnisse der Kirchenregierung; 1944 – 1945 Nr. 7 Bd. IV Geistlicher Vertrauensrat: Schriftwechsel mit den Landeskirchen Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Hessen-Nassau; 1943 – 1947 Nr. 18a Verhandlungen mit der Militärregierung; 1945 Nr. 21 Bd. IV Kirchenpolitik, Allgemeines: Eingliederung der Landeskirche in die DEK; Fürbitte für Niemöller ; 1934 – 1938 Nr. 240/08 Finanzabteilung; 1944 – 1945 Nr. 250/08 Sitzungen des Bischofsrates; 1937 – 1947 Nr. 730/02 DEK-Kirchenkanzlei; Verhältnis zur Finanzabteilung, Fortsetzung der Arbeit nach der Besetzung Stolbergs; 1943 – 1945

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Archivalische Quellen

563

Bestand L 5i: Landessuperintendentur Aurich Nr. 137

Nr. 148/3

Nr. 152

Nr. 156

Nr. 158/3

Nr. 159

Superintendent des Kirchenkreises Aurich, v. a. Besetzung des Ephoralamtes, auch: Ablehnung der Einsetzung von Pastor Schütt durch den Leiter der Finanzabteilung im Landeskirchenamt Cölle 1942; 1934 – 1961 Kirchenkampf. Hauptereignisse in der Hannoverschen Landeskirche und in der Deutschen Evangelischen Kirche, u. a. Bildung einer Synode 1939, Wort der hannoverschen Kirchenregierung vom 23. Juni 1939 über die Grundsätze zur Neuordnung der DEK, ”Lösung der Raumfrage” in der DC-Landesgemeinde Hannover ; 1939 – 1941 Personalia von Hilfspastor Bonenkamp, Aurich: Abberufung aus Fedderwarden/Oldenburg 1937, Anstellung in Aurich: Sperrung der Gehaltszahlungen durch die Finanzabteilung im Landeskirchenamt, Übernahme der Zahlungen durch die Bekenntnisgemeinschaft Ostfriesland; 1937 – 1938 Kirchensteuersonderkonto-Einrichtung für Deutsche Christen, v. a. Kontoeinrichtungen in Aurich, Norden, Leer, Viktorbur und Moordorf, auch: Aushändigung der Steuergelder Moordorf im Juli 1945; 1938 – 1945 Kirchenkampf in der Gemeinde Aurich, v. a. Auseinandersetzungen mit der DC-Gemeinde wegen Konfirmationen und Kirchenbenutzung, Berichte über die Arbeit der DC-Gemeinde; 1936 – 1944 Personalia von Heinrich Meyer, v. a. seine Dienstentlassung 1936, ihre Aussetzung 1937 und Aufhebung 1939; 1935 – 1939

Bestand N 25: Nachlass Winfried Feldmann Nr. 3

Auseinandersetzungen um den Treueeid; 1934 – 1942

Bestand N 48: Nachlass Christhard Mahrenholz Nr. 112 B Nr. 119 F Nr. 134 Nr. 141 Nr. 162 A Nr. 202 Nr. 275

Sitzungen des RKA; 1935 – 1937 Braunschweig; 1935 – 1937 Finanzsachen; Haushaltsplanung; Finanzabteilungsgesetzgebung; 1935 – 1937 Übergangsregiment 1937 (Lilje); 1937 – 1938 Kirchenregierung; 1943 – 1946 Neuordnung der Kirchenverfassung 1945; 1945 Disziplinarsachen; 1943 – 1946

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564

Quellen- und Literaturverzeichnis

Bestand N 64: Nachlass Karl Stalmann Nr. 21

Disziplinarangelegenheiten der Geistlichen; 1900, 1924 – 1946

Bestand N 78: Nachlass Adolf Wischmann Nr. 381

Rechtsstreit Wischmanns mit dem Reichskirchenministerium wg. verweigerter Gehaltszahlung; 1939

Bestand S 1: Kirchenkampfdokumentation E I 712 E I 923 E II 113 E II 126 E II 128 E II 129a E III 021 H I 712 H I 921 H I 956 H I 956a H I 957 H I 958 H I 959 H I 1033 H I 1102 H I 1105

H II 111 H II 111a H II 111b H II 112 H II 112b

Gesetz über die Vermögensverwaltung in den evang. Landeskirchen (Finanzabteilung); 1935 15. Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche; 1937 – 1939 Kirchensteuer und Finanzabteilungen; 1934 – 1939 Kirchenführerkonferenz, Marahrens als dienstältester Landesbischof; 1935 – 1944 Geistlicher Vertrauensrat, Sitzungsprotokolle; 1939 – 1944 Geistlicher Vertrauensrat; 1940 Braunschweig: Ereignisse; 1933 – 1939 Bildung der Finanzabteilung in Hannover ; 1935 – 1939 Bekanntgabe der 13. – 16. Durchführungsverordnung; 1936 – 1937 Ernennung Dr. Georg Cölles zum Leiter der Finanzabteilung; 1938 – 1944 Proteste gegen die Ernennung Dr. Cölles; 1938 Verbot der Zahlungen an den Lutherrat und Defektenverfahren; 1938 Ministererklärung über Zuständigkeit der Finanzabteilung; 1938 – 1959 Bestellung von Finanzbevollmächtigten für Gemeinden; 1938 – 1939 Gründung der hannoverschen Pfarrbruderschaft; 1939 – 1941 Kirchliche Äußerungen zu den Kriegsereignissen; 1939 – 1944 Ablieferung der Glocken (Diffamierung von Dr. Christhard Mahrenholz durch den Leiter der Finanzabteilung Dr. Georg Cölle und seinen Stellvertreter Hoffmeister); 1940 – 1943 Sitzungsprotokolle der Kirchenregierung; 1936 – 1943 Kirchenleitung und Kirchenregierung, verschiedenes Material; 1936 – 1939 Kirchenleitung und Kirchenregierung, verschiedenes Material; 1930 – 1940 Sitzungsprotokolle der Kirchenregierung (Nr. 150 – 166); 1943 – 1945 Verfügungen des Landeskirchenamtes; 1936 – 1945

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Archivalische Quellen H II 113 H II 114 H II 115 H II 155 H II 361 H II 361b H II 365 H II 523 H III 616 H III 1002f H III 1011b H III 1011c H III 1011d H III 1015a H III 1016

565

Finanzabteilung, Gesamtdarstellungen; 1937 – 1940 Finanzabteilung, einzelne Maßnahmen; 1938 – 1944 Auflösung der Finanzabteilung; 1945 – 1946 Rundbriefe von Wilhelm Mahner ; 1941 – 1944 Briefwechsel Friedrich Duensing; 1933 – 1944 Briefwechsel Duensings mit Wilhelm Mahner ; 1939 – 1944 Briefwechsel Wilhelm Mahner ; 1939 – 1944 Stellung zum Judentum; 1933 – 1978 Kirchenkreis Hittfeld; 1933 – 1947 Ostfriesland Kirchenkampf, 1936 – 1943 Aurich, Deutsche Christen; 1933 – 1946 Moordorf, Deutsche Christen, Kirchensteuersonderkonto; 1944 – 1946 Victorbur, Deutsche Christen, Kirchensteuersonderkonto; 1943 – 1946 Leer, Deutsche Christen, Kirchensteuersonderkonto, Kirchenbuchkopien der deutsch-christlichen Gemeinde Aurich; 1940 – 1947 Kirchenkreis Norden; 1933 – 1946

Generallandesarchiv Karlsruhe (GLAK) Bestand 233: Staatsministerium 27761 27784

Kirchenvermögensgesetz; 1926 – 1939 Verfassung der deutschen evangelischen Kirche; 1933 – 1945

Bestand 235: Kultusministerium 12869 31757

[Akten der] Finanzabteilung beim Oberkirchenrat über die Bestellung eines Bevollmächtigten; 1944 – 1945 Die Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften (Artikel 138 Abs. 1 der Reichsverfassung); 1919 – 1946

Bestand 465 a/51: Spruchkammer Karlsruhe: Verfahren Nr. 7/14670

Dr. med. Engelhardt, Leopold, Hygieniker, geboren am 10. 09. 1885 in Bremen

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566

Quellen- und Literaturverzeichnis

Bestand 465 c: Document Center Nr. 15918

Überprüfung der politischen Zuverlässigkeit des Guttenberg, Friedrich, geb. 23. 05. 1880 in Mosbach, Oberfinanzrat und NSDAP-Parteirichter ; 1937 – 1939

Bestand 465 p: Spruchkammer Weinheim Nr. 438

Dr. Kaeser, Heinrich, geb. 15. 01. 1910 in Mannheim

Landeskirchliches Archiv Karlsruhe (LkAKA) Bestand 2.0.: Personalakten Nr. 3396 Nr. 3415 Nr. 5393 Bd. I Nr. 5393 Bd. II Nr. 6420

Doerr, Emil Adolf Guttenberg, Friedrich Kaeser, Heinrich Kaeser, Heinrich Seitz, Wilfried

Bestand 043: Dekanat Müllheim Nr. 48

Landkreis

Bestand 150.011: Nachlass Karl Heinrich Dürr Nr. 1; 9; 11; 12; 17; 23; 27

Bestand GA: Generalia Nr. 1052 Nr. 1239 Nr. 1240a Nr. 1240b Nr. 1241b Nr. 1242a

Erweiterter Oberkirchenrat; 1945 – 1949 Runderlasse des Evangelischen Oberkirchenrats und Rundschreiben des Landesbischofs; 1938 Runderlasse des Evangelischen Oberkirchenrats und Rundschreiben des Landesbischofs; 1939 Runderlasse des Evangelischen Oberkirchenrats und Rundschreiben des Landesbischofs; 1940 Runderlasse des Evangelischen Oberkirchenrats und Rundschreiben des Landesbischofs; 1942 Runderlasse des Evangelischen Oberkirchenrats und Rundschreiben des Landesbischofs; 1943

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Archivalische Quellen Nr. 1242b Nr. 1417 Nr. 2753 Nr. 3484 Nr. 4791 Nr. 4899 Nr. 4900 Nr. 4943 Nr. 4996 Nr. 5562 Nr. 5701 Nr. 7063 Nr. 7065 Nr. 7066 Nr. 7073 Nr. 7084 Nr. 7109 Nr. 7140 Nr. 7143 Nr. 7144 Nr. 7146 Nr. 7152 Nr. 7206 Nr. 7231 Nr. 7247 Nr. 7264 Nr. 7266 Nr. 7268 Nr. 7270 Nr. 7271

567

Runderlasse des Evangelischen Oberkirchenrats und Rundschreiben des Landesbischofs; 1944/45 Widerstand gegen die Einrichtung der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat; 1938 DC-Versammlungen und Minderheits-Gottesdienste; 1939 – 1942 Sitzungen des Evangelischen Oberkirchenrats mit Register ; 1938 Sitzungen des Evangelischen Oberkirchenrats mit Register ; 1944/45 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1938 – 1940 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1941 – 1945 Institut zu Erforschung (und Beseitigung) jüdischen Einflusses auf das religiöse (kirchliche) Leben (des deutschen Volkes); 1939 – 1943 Arier-Nachweis der Geistlichen; 1933 – 1944 Bevollmächtige der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat; 1938 – 1944 Schriftwechsel mit der vorläufigen Leitung des Deutschen Evangelischen Kirchenbunds; 1934 – 1937 Nationalsozialistische Volkswirtschaft; 1936 – 1939 Aufnahme von Juden – Kirchenmitgliedschaft; 1939 Kirchliche Stellung und Steuerpflicht der getauften Juden; 1939 – 1942 Geschäftsverteilung des Evangelischen Oberkirchenrats; 1940 – 1944 Pfarrvikare – Aufnahme unter die badischen Pfarrkandidaten; 1938 – 1943 Bildung der kirchlichen Körperschaften; 1938 – 1942 Befriedung des Deutschen Evangelischen Kirchenbunds; 1938/39 Lutherischer Rat; 1938 Bildung eines geistlichen Vertrauensrates beim Deutschen Evangelischen Kirchenbund; 1939/40 Gewährleistung der Rechtseinheit unter den Landeskirchen; 1939 – 1943 Besetzung der Stelle des Landesbischofs; 1938 Drittes Reich – Steuerung des Menscheneinsatzes im Kriege; 1939 – 1945 Institut zu Erforschung (und Beseitigung) jüdischen Einflusses auf das religiöse (kirchliche) Leben (des deutschen Volkes); 1939 – 1942 DC. Nationalkirchliche Einung e. V.; 1939 – 1943 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1939 – 1945 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1938 – 1940 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1938 Bevollmächtige der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat; 1939 – 1945 Finanzabteilung des Deutschen Evangelischen Kirchenbunds; 1940 – 1944

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568 Nr. 7272 Nr. 7276

Nr. 7279 Nr. 7286 Nr. 7339 Nr. 7341 Nr. 7342 Nr. 7345 Nr. 7395 Nr. 7402 Nr. 7404 Nr. 7424 Nr. 7477 Nr. 8045 Nr. 8048 Nr. 8083 Nr. 8120

Nr. 8804 Nr. 9050 Nr. 9051 Nr. 9052 Nr. 9066 Nr. 9075

Quellen- und Literaturverzeichnis Die Rechtsstellung der kirchlichen Beamten und Angestellten; 1939 – 1944 Entlassungs- und Suspendierungsmaßnahmen auf Befehl der Militärregierung Baden in der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1945 Stipendien an Theologiestudierende; 1938 – 1941 Arbeitsgemeinschaft nationalsozialistisch geführter Kirchen; 1939/40 Ausweichstellen für den Evangelischen Oberkirchenrat in Bretten und Herrenalb; 1943 – 1946 Vereine. Gesamtverband der Inneren Mission; 1939 – 1944 Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchenleiter ; 1939 – 1941 Widerstand gegen die Einrichtung der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat; 1938 – 1940 Bewilligung von Stipendien an Theologiestudierende aus allgemeinen Kirchenmitteln; 1938 – 1942 Finanzreferentenbesprechung; 1940 Evakuierungen der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat; 1945 Bevollmächtige der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat; 1938 – 1942 Finanzabteilung beim Oberkirchenrat allgemein; 1940 – 1945 Einrichtung und Besetzung der Registratur; 1938 – 1943 Bevollmächtige der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat; 1938 – 1945 Bevollmächtige der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat; 1939 Recht und Gesetz der Landeskirche – Eine Darstellung der Eingriffe des Staates in die Angelegenheiten der Vereinigten evangelisch-protestantischen Landeskirchen Badens; 1945 Bevollmächtige der Finanzabteilung beim Oberkirchenrat; 1938 – 1945 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1938 – 1944 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1938 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1940 – 1945 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1940 – 1943 Evangelischer Oberkirchenrat – Finanzabteilung; 1938 – 1944

Bestand SpA: Spezialia Nr. 575 Nr. 2239 Nr. 2249

Blumberg. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1942/43 Ettlingen. Kirchliche Vereine: Deutsche Christen; 1942 Ettlingen. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1939 – 1942

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Archivalische Quellen Nr. 3775 Nr. 4252 Nr. 4340 Nr. 4416 Nr. 5208 Nr. 5509 Nr. 5677 Nr. 5695 Nr. 6106 Nr. 6603 Nr. 12436 Nr. 12619 Nr. 13905 Nr. 13924 Nr. 13925 Nr. 13926

569

Heidelberg. Versorgung der kirchlichen Minderheiten – Deutsche Christen; 1940 – 1943 Heinsheim. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1939 Hilsbach. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1939 – 1944 Hochstetten. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1939 – 1942 Karlsruhe. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1938 – 1945 Efringen-Kirchen. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1939 Konstanz. Minderheitenversorgung: „Deutsche Christen“; 1940/41 Konstanz. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1938 – 1945 Langensteinbach. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1939 – 1944 Lohrbach. Bevollmächtigter bei der Finanzabteilung beim Evangelischen Oberkirchenrat; 1938 – 1944 Überlingen. Die Minderheitenversorgung. „Deutsche Christen“; 1941/42 Überlingen. Finanzbevollmächtigter ; 1939 – 1945 Berghausen. Finanzbevollmächtigter ; 1939 – 1942 Singen a. H. Finanzbevollmächtigter. Evangelischer Oberkirchenrat; 1939 – 1945 Singen a. H. Finanzbevollmächtigter. FA; 1939 – 1945 Singen a. H. Finanzbevollmächtigter. Streitsache Geißler – Pfr. Dr. Bier ; 1939 – 1945

Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Kiel (LkAN) Bestand 12.03: Personalakten Nr. 1391 Bd. I Carstensen, Johannes, Oberkonsistorialrat; 1920 – 1971 Nr. 1419 Heintze, Freiherr von Traugott; 1877 – 1946

Bestand 22.02: Landeskirchenamt – Zentralregistratur, Landeskirche Schleswig-Holstein Nr. 1477

Geschäftsordnung des Landeskirchenamtes; 1933 – 1941

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570

Quellen- und Literaturverzeichnis

Bestand 98.040: Nachlass Reinhard Wester Nr. 186

Landesbruderrat; 1934 – 1940

Landeskirchliches Archiv Schwerin / Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Außenstelle Schwerin (LkAS) Bestand (03.06.02.): Landesbischof Walther Schultz (1900 – 1957) V9 V 41 V 49

Deutsche Evangelische Kirche: Finanzabteilung; 1943 – 1945 Baden; 1939 – 1941 Hannover ; 1939 – 1945

Landeskirchliches Archiv Wolfenbüttel (LkAW) Bestand FinAbt: Finanzabteilung 1; 2; 3; 8; 11; 12; 17; 18; 19; 20; 22; 34; 39; 41; 53; 55; 61; 64; 65; 68; 69; 71; 72; 73; 74; 78; 79; 80; 81; 82; 86; 88; 90; 92; 93; 94; 97; 98; 103; 111; 113; 116; 121; 127; 137; 153; 154; 155; 156; 157; 160; 163

Bestand KR: Kirchenregierung 41; 42; 47; 61

Bestand LBF: Landesbischof Helmuth Johnsen 128; 141; 149

Bestand LKA: Landeskirchenamt 6; 9; 35; 40; 41; 44; 103, 805; 835; 1257; 2201; 2208; 2282; 2458; 2459; 2504; 2546; 2548; 2551; 2552; 2556; 2559; 2635

Bestand LKA BA: Personalakten Beamte/Angestellte 182; 214; 260; 393; 509; 1114

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Archivalische Quellen

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Bestand LKA PA: Personalakten Geistliche 404; 405; 1203; 1251; 1587; 1589

Bestand Luth Hilf: Lutherische Hilfskasse 2

Bestand NL: Kleine Nachlässe 61; 302

Bestand PNB: Pfarrernotbund 4; 6; 7

Bestand S: Konsistorium / Landeskirchenamt Wolfenbüttel, Spezialakten 154; 155; 156; 157; 158; 1015; 1016; 1017; 1018; 1019; 1646; 1647; 2183; 2197; 2232; 2233

Staatsarchiv Wolfenbüttel (StAW) Bestand 12 Neu: Staatsministerium, Kultus und Wissenschaft 13 Nr. 22716 Kirchenfragen: Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Beiträgen durch Religionsgesellschaften im Lande Braunschweig – Kirchen bzw. gottesdienstliche Räume in neuen Siedlungen, kirchliche Betreuung katholischer Ausländer, Bereitstellung von evangelischen Kirchen für katholische Gottesdienste 13 Nr. 37924 Suspendierung des Domprobstes Dr. v. Schwartz (20. 01. 1934) – Kirchengesetz vom 17. 03. 1934 betreffend die Umbildung des Landeskirchentages und die Neubildung der Kirchenregierung – Versuch einer Eingliederung der Braunschweigischen Landeskirche in die Landeskirche Hannover durch das Landeskirchenamt Hannover ; 1932 – 1941

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572

Quellen- und Literaturverzeichnis

Bestand 91 N: Landkreis Braunschweig Nr. 115

Bestellung von Bevollmächtigten der Finanzabteilung beim Landeskirchenamt; 1939 – 1945

Bestand 127 Neu: Kreisdirektion Wolfenbüttel Nr. 3312

Nr. 3313

Bestellung von Bevollmächtigten der Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Wolfenbüttel für die Kirchengemeinden; Bd. 2: 1940 – 1950 Bestellung von Bevollmächtigten der Finanzabteilung beim Landeskirchenamt in Wolfenbüttel für die Kirchengemeinden; Bd. 1: 1938 – 1940

Bestand 129 Neu Fb. 2: Kreisdirektion Gandersheim Nr. 4333

Bestellung zum Bevollmächtigten der Finanzabteilung beim Landeskirchenamt; 1939 – 1944

II. Auskünfte Karl-Heinz Grotjahn, LkAH, 31. Mai 2011

III. Gedruckte Quellen und Literatur Albrecht, Peter : Das Konsistorium, in: Weber, Taufe, 463 – 475. Amtsblatt des Braunschweigischen Landes-Konsistoriums. Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland. Archiv fìr katholisches Kirchenrecht. Arndt, Klaus: Deutsche Christen – Bekenntnisgemeinschaft. Die evangelische Kirche in Hildesheim während des Dritten Reiches – im Spiegel der regionalen Presse. Hildesheim 1991. Arndt, Klaus: Dr. Hermann Muhs (1894 – 1962). Eine biographische Skizze in zwei Teilen, Teil I: Vom Göttinger Jurastudenten zum nationalsozialistischen Regierungspräsidenten in Hildesheim, in: Hildesheimer Jahrbuch für Stadt und Stift Hildesheim 81, (2009), 75 – 116. Arndt, Klaus: Dr. Hermann Muhs (1894 – 1962). Eine biographische Skizze in zwei Teilen, Teil 2: Von Hildesheim über Hannover nach Berlin, in: Hildesheimer Jahrbuch für Stadt und Stift Hildesheim 82, (2010), 71 – 125.

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Vollnhals, Clemens: Entnazifizierung. Politische Säuberung unter alliierter Herrschaft, in: Volkmann, Hans-Erich (Hg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine perspektivische Rückschau. München 1995, 369 – 392. Wagenmann, Karl: Träger der Kirchengewalt in der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Hannover 1930. Weber, Friedrich / Hoffmann, Birgit / Engelking, Hans-Jürgen (Hg.): Von der Taufe der Sachsen zur Kirche in Niedersachsen. Geschichte der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig. Braunschweig 2010. Weber, Werner : Das kirchenpolitische System der Weimarer Reichsverfassung im Rückblick, in: Ders., Staat, 311 – 324. Weber, Werner : Die Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften. Stuttgart 1948. Weber, Werner (Hg.): Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart. Textausgabe mit den amtlichen Begründungen sowie mit Ergänzungsbestimmungen, vergleichenden Übersichten, Schrifttumshinweisen und einem Sachverzeichnis. Band 1. Göttingen 1962. Weber, Werner : Die staatskirchliche Entwicklung des nationalsozialistischen Regimes in zeitgenössischer Betrachtung, in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche. Festschrift für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag. 15. Januar 1952. Dargebracht von Freunden, Schülern und Kollegen (Göttinger rechtswissenschaftliche Studien 3). Göttingen 1952, 365 – 386. Weber, Werner : Föderalismus und Einheitskirchentum in der Deutschen Evangelischen Kirche, in: Ders., Staat, 75 – 92. Weber, Werner : Neues Staatskirchenrecht. Zweiter Band der Textausgabe staatskirchenrechtlicher Bestimmungen mit Verweisungen und einem Sachverzeichnis sowie mit einleitenden und verbindenden Bemerkungen. München / Berlin 1938. Weber, Werner : Staat und Kirche in der Gegenwart. Rechtswissenschaftliche Beiträge aus vier Jahrzehnten (JusEcc 25). Tübingen 1978. Weber, Werner : Staatskirchenrecht. Textausgabe der neueren staatskirchenrechtlichen Bestimmungen mit Verweisungen und einem Sachverzeichnis sowie mit einleitenden und verbindenden Bemerkungen. München / Berlin 1936. Weigel, Björn: „Märzgefallene“ und Aufnahmestopp im Frühjahr 1933. Eine Studie über den Opportunismus, in: Benz, Parteigenosse, 91 – 109. Weitenhagen, Holger : 1939 – 1945 – Der Zweite Weltkrieg, in: Schneider, Thomas Martin (Hg.): Krise und Neuordnung im Zeitalter der Weltkriege: 1914 – 1948 (Evangelische Kirchengeschichte im Rheinland 4; SVRKG 173). Bonn 2013, 104 – 175. Wember, Heiner : Entnazifizierung nach 1945: Die deutschen Spruchgerichte in der britischen Zone, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 43, (1992), 405 – 426. Wember, Heiner : Umerziehung im Lager. Internierung und Bestrafung von Nationalsozialisten in der britischen Besatzungszone Deutschlands (Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens 30). Essen 21992. Wennemuth, Udo: 200 Jahre Evangelischer Oberkirchenrat in Karlsruhe, in: Jahrbuch für badische Kirchen- und Religionsgeschichte 1, (2007), 133 – 142. Wennemuth, Udo: Die badische Kirchenleitung im Dritten Reich, in: Marggraf, Unterdrückung, 35 – 65.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Wennemuth, Udo: Friedrich Kiefer (1893 – 1955). Schwärmerische Frömmigkeit und deutsch-christlicher Radikalismus, in: Ehmann, Lebensbilder II, 471 – 505. Wennemuth, Udo: Geschichte der evangelischen Kirche in Mannheim (Quellen und Darstellungen zur Mannheimer Stadtgeschichte 4). Sigmaringen 1996. Wennemuth, Udo: Kirchliche Zeitgeschichte in Baden, in: Jahrbuch für badische Kirchen- und Religionsgeschichte 4, (2010), 57 – 75. Wenschkewitz, Leonore: Politische Versuche einer Ordnung der Deutschen Evangelischen Kirche durch den Reichskirchenminister 1937 bis 1939, in: Zur Geschichte II, 121 – 138. Wenschkewitz, Leonore: Zur Geschichte des Reichskirchenministeriums und seines Ministers, in: Kirche und Nationalsozialismus. Zur Geschichte des Kirchenkampfes (TutzT; Sonderband 1). München 1969, 185 – 206. Wessels, Paul: Die Deutschen Christen in Ostfriesland und ihr Kampf um Einfluss in der evangelisch-reformierten Landeskirche der Provinz Hannover, in: Emder Jahrbuch für historische Landeskunde Ostfrieslands 81, (2001), 167 – 204. Wever, Helma: „Wir wären ja sonst stumme Hunde gewesen…“ Zur Lage innerhalb der Evangelisch-reformierten Landeskirche der Provinz Hannover in der Zeit des Nationalsozialismus unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1933 – 1937. Wuppertal 2009. Wiesenfeldt, Christoph: Mobilmachung in der Kirche? Die ev.-luth. Kirchengemeinde Lüneburg 1918 – 1945. Lüneburg 2009. Wildt, Michael: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburg 2002. Wilhelm, Georg: Die Diktaturen und die evangelische Kirche. Totaler Machtanspruch und kirchliche Antwort am Beispiel Leipzigs 1933 – 1958 (AKiZ.B 39). Göttingen 2004. Wilkens, Erwin: Bekenntnis und Ordnung. Ein Leben zwischen Kirche und Politik. Hannover 1993. Winter, Jörg: Die Verfassungsentwicklung der Evangelischen Landeskirche in Baden nach dem Ersten Weltkrieg, in: BWKG 108/109, (2008/2009), 181 – 200. Winter, Jörg: Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich (EHS.R 212). Frankfurt a. M. / Bern / Las Vegas 1979. Witt, Caroline: Karl Dürr. Pfarrer der Bekennenden Kirche und deutschnationaler NSGegner, in: Kunze, Theologen, 45 – 62. Wright, Jonathan R. C.: „Über den Parteien“. Die politische Haltung der evangelischen Kirchenführer 1918 – 1933 (AKiZ.B 2). Göttingen 1977. Zeilfelder-Lçffler, Monika: Die Innere Mission in Baden im Zweiten Weltkrieg, in: Marggraf, Unterdrückung, 105 – 116. Zeitschrift fìr evangelisches Kirchenrecht. Zipfel, Friedrich: Kirchenkampf in Deutschland 1933 – 1945. Religionsverfolgung und Selbstbehauptung der Kirchen in der nationalsozialistischen Zeit (VHKB 11). Berlin 1965. Zur Geschichte des Kirchenkampfes. Gesammelte Aufsätze I (AGK 15). Göttingen 1965. Zur Geschichte des Kirchenkampfes. Gesammelte Aufsätze II (AGK 26). Göttingen 1971.

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Gedruckte Quellen und Literatur

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Zur Lage der Kirche. Die Wochenbriefe von Landesbischof D. August Marahrens 1934 – 1947. Band 1. Hg. und bearb. von Thomas Jan Kück. Göttingen 2009. Zur Lage der Kirche. Die Wochenbriefe von Landesbischof D. August Marahrens 1934 – 1947. Band 2. Hg. und bearb. von Thomas Jan Kück. Göttingen 2009. Zur Lage der Kirche. Die Wochenbriefe von Landesbischof D. August Marahrens 1934 – 1947. Band 3. Hg. und bearb. von Thomas Jan Kück. Göttingen 2009.

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Personenregister / Biographische Angaben Achtnich, Karl Theodor 505 geb. 25. 2. 1890 Illenau, gest. 1969, Pfarrer in Weinheim. Achtnich, Max Theodor 505 geb. 29. 9. 1888 Kandern, gest. 1945, Pfarrer in Pforzheim. Agricola, Werner, Dr.jur. 545 geb. 17. 8. 1887 Leisnig, gest. 29. 6. 1962, 1926 – 1945 Landeskonsistorium/LKA-Dresden, zuletzt OLKR, 1945 – 1952 Dienstleistung in der hannoverschen Landeskirche; 1935 – 1945 Mitglied FA-Dresden. Ahlhorn, Gustav 232, 303 f., 307, 546 geb. 23. 8. 1886 Oldenburg, gest. 11. 1. 1971 Bad Sooden-Allendorf, 1921 – 1934 EOKOldenburg, 1934 – 1938 LKA-Hannover, zunächst juristischer Hilfsarbeiter, dann OLKR, 1938 Entfernung aus dem Landeskirchenamt; 1936 – 1938 Mitglied FA-Braunschweig. Vgl. Personenlexikon, 18. Albrecht, Richard, Dr.jur. 100, 102, 116, 146, 213, 219, 224 f., 233, 307, 317, 319 f., 418, 441 – 443, 457, 492, 540 geb. 14. 7. 1907 Wintze-Steinfisch, 1931 – 1935 hauptamtliche Tätigkeit als SA-Führer, 1936 – 1941 Referent im Reichskirchenministerium, August 1938 Versetzung zum Stab des obersten SA-Führers, Herbst 1939 – April 1940 Zuteilung zum Bodenamt in Prag, ab 1941 Reichspropagandaministerium; 1938 – 1945 Mitglied FA-DEKK (ab Herbst 1939 ruhend). Alfes, Walther, Dr.jur. 547 geb. 18. 1. 1891 Bremen, 1943 – 1945 Vertreter des Vorsitzenden FA-Bremen. Alpers, Friedrich 310 geb. 25. 3. 1901 Sonnenberg, gest. (Selbstmord) 3. 9. 1944 Quevy le Grand (Belgien), 1933/34 braunschweigischer Justizminister, 1933 – 1937 braunschweigischer Finanzminister. Angermann, Kurt, Dr.jur. 95, 153, 157, 173, 524, 541 geb. 31. 3. 1898 Claushagen, gest. 28. 3. 1978, 1933 – 1939 Regierungsvizepräsident in Königsberg, 1939 – 1941 Vertreter des Regierungspräsidenten ebd., 1941 – 1945 Regierungspräsident ebd.; bis 1937 stellvertretender DC-Gauobmann; 1937 – 1943 Vorsitzender FA-Königsberg. Apelt, Hermann, Dr.jur. 548 geb. 10. 7. 1876 Weimar, gest. 11. 11. 1960 Bremen, 1917 – 1933 Senator in Bremen (von den Nationalsozialisten zum Rücktritt gezwungen), 1933 – 1945 RA ebd., 1945 – 1955 Senator ebd.; 1941 kurzzeitig Mitglied FA-Bremen. Arfken, Ernst 276 geb. 4. 10. 1890 Ahlerstedt, 1925 – 1930 Pfarrer in Stapel, ab 1930 Pfarrer in Hittfeld. Arnim, Hans von, Dr.jur. 541 geb. 12. 10. 1889 Willmine (jetzt Groß-Fredenwalde), gest. 9. 6. 1971 Berlin, 1928 –

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Personenregister / Biographische Angaben

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1960 Konsistorium Berlin-Brandenburg, ab 1945 KonsPräs; 1935/36 Vorsitzender, 1936 – 1938 Vertreter des Vorsitzenden FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Vgl. Personenlexikon, 21. Asal, Karl, Dr.jur. 415 geb. 5. 5. 1889 Waldshut, gest. 27. 4. 1984 Freiburg im Breisgau, 1934 – 1945 Ministerialrat und Abteilungsleiter im badischen Kultusministerium. Ball, Karl, Dr.jur. 156, 173, 541 RA Königsberg, SS-Mitglied; 1943 – 1945 Vorsitzender FA-Königsberg. Barth, Karl, Dr.theol.h.c.mult. 481 geb. 10. 5. 1886 Basel, gest. 10. 12. 1968 Basel. Vgl. Personenlexikon, 27. Bartholomeyczik, Horst 101 – 103, 153, 157, 524, 542 geb. 13. 8. 1903 Goluchow, gest. 2. 6. 1975, Richter und später LGR, 1939 Kriegseinsatz, ab 1940 Dozent an den Universitäten Göttingen, Frankfurt und Breslau, nach 1945 Syndikus in der Industrie, 1956 – 1972 Jura-Professor an der Universität Mainz, ab 1957 Oberlandesgerichtsrat in Koblenz; 1937 NSDAP-Mitglied, SS-Obersturmbannführer, 1939 – 1944 im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS; 1938 – 1945 Vorsitzender FA-Breslau. Beattie, Arthur James 286 1945 Major, Education & Religious Affairs Branch, Military Government, Hanover Region. Bender, Julius, D.theol. 444 geb. 30. 8. 1893 Michelfeld, gest. 19. 1. 1966 Karlsruhe, 1934 – 1939 Mitglied im badischen Landesbruderrat. Vgl. Personenlexikon, 32 f. Bender, Karl Ludwig 407 f., 410, 433 geb. 28. 2. 1881 Karlsruhe, gest. 21. 3. 1961 Heidelberg, 1924 – 1933 Pfarrer in Mannheim, 1924 – 1933 Mitglied der badischen Kirchenregierung, 1925 – 1945 EOK-Baden, dort 1925 LKR, 1933 OKR, ab 1933 Ständiger Vertreter des Landesbischofs Baden, 1945 Ruhestand. Vgl. Personenlexikon, 33. Benecke, Wilhelm, Dr. 540, 542 1936 – 1939 OKonsRat DEKK, 1936 – 1941 EOK-Berlin; 1935/36 Mitglied FA-Königsberg, 1936 – 1945 Mitglied FA-EOK-Berlin. Benfey, Bruno 257 geb. 4. 9. 1891 Rösrath, gest. 28. 6. 1962 Betelberg Kanton Bern (Schweiz), 1927 – 1937 Pfarrer in Göttingen, 1937 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, 1938 Verhaftung als „Volljude“, KZ- und Gefängnishaft, Entlassung mit der Auflage Deutschland zu verlassen, 1946 Rückkehr in die Pfarrstelle in Göttingen. Vgl. Personenlexikon, 33. Bergholter, Heinrich 189, 199 f., 207, 233 geb. 5. 3. 1883 Gadenstedt, gest. 19. 9. 1963, 1927 – 1947 Pfarrer in Hamburg-Harburg, 1934/35 Landespropst Harburg. Bernewitz, Alexander, D.theol. 296 f. geb. 31. 3. 1863 Neuenburg (Kurland), gest. 30. 10. 1935 Halberstadt, 1923 – 1933 braunschweigischer Landesbischof. Vgl. Personenlexikon, 35.

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Personenregister / Biographische Angaben

Bertram, Kurt 299, 301, 303, 306, 315 f., 340, 397 Staatsrat in Braunschweig, nach dem Krieg Internierung; 1934 – 1945 Mitglied der braunschweigischen Kirchenregierung. Beye, Wilhelm 297 – 299 geb. 27. 5. 1903 Bielefeld, gest. 4. 5. 1975 Geesthacht, 1933 Landesbischof der braunschweigischen Landeskirche, 1934 Rücktritt, 1935 – 1941 Pfarrer Landsberg/Warthe. Vgl. Personenlexikon, 37. Bier, Helmut, Dr.phil. 477, 494 geb. 1893, gest. 1977, Pfarrer in Singen. Birnbaum, Walter 283 geb. 6. 4. 1893 Coswig, gest. 24. 1. 1987 München, 1934/35 OKR in der DEKK, 1935 – 1945 Professor für praktische Theologie in Göttingen, 1945 Entlassung, 1950 Rehabilitierung. Blankerts, Hermann Josef 201, 207, 282 geb. 10. 3. 1893, gest. 22. 3. 1969, 1932 – 1934 Pfarrer in Brensbach (Hessen), ab 1934 Pfarrer in Uelzen, 1935/36 aus dem Kirchendienst entlassen, Weggang nach Mecklenburg, später in mecklenburgischen Auftrag weiter als DC-Pfarrer in Uelzen tätig. Bochmann, Artur von 541 geb. 29. 5. 1876 Riga, gest. 8. 1. 1950 Füssen, 1937 – 1941 KonsRat in Königsberg; 1937 – 1945 Vertreter des Vorsitzenden FA-Königsberg. Vgl. Personenlexikon, 39. Bodelschwingh, Friedrich von, D.theol. D.Debrecen (Ungarn) Dr.med.h.c. 35 f., 67, 82 geb. 14. 8. 1877 Bethel, gest. 4. 1. 1946 Bethel, 1933 designierter Reichsbischof. Vgl. Personenlexikon, 39. Bonenkamp, Karl 283 geb. 15. 2. 1911, gest. 4. 11. 1945, 1937/38 Hilfsprediger in Aurich, 1939 – 1945 Pfarrer in Strackholt. Bormann, Martin 42, 98, 102, 105, 113, 115, 119 f., 124, 127 – 129, 140 f., 171, 534 geb. 17. 6. 1900 Halberstadt, gest. (Selbstmord) 2. 5. 1945 Berlin, 1933 – 1941 Stabsleiter des Stellvertreters des Führers, ab 1941 Leiter der Parteikanzlei, ab 1943 „Sekretär des Führers“. Bornemann, Walter, Dr.jur. 292 geb. 15. 11. 1902 Bremen, gest. 26. 8. 1967 Oslo, 1931 – 1958 Leiter der Kirchenkanzlei Bremen. Vgl. Personenlexikon, 41. Bosse, Carl 314 geb. 30. 11. 1869 Wolfenbüttel, gest. 18. 8. 1954 Braunschweig, 1914 – 1939 Pfarrer in Büddenstedt, ab 1935 Propst ebd. Bosse, Johannes 204, 233 f., 237, 248 f. geb. 22. 10. 1896 Hannover, gest. 9. 2. 1970 Minden, 1929 – 1936 Pfarrer in Raddestorf, 1936 – 1964 Pfarrer und Superintendent in Stolzenau, 1936 – 1945 Mitglied der hannoverschen Kirchenregierung; 1933 Mitbegründer und zeitweise Vorstandsmitglied der Landeskirchlichen Sammlung (später Bekenntnisgemeinschaft) Hannover, 1934 – 1938 Landesobmann der Bekenntnisgemeinschaft Hannover, 1934 – 1936 Mitglied im Reichsbruderrat. Vgl. Personenlexikon, 43.

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Personenregister / Biographische Angaben

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Braune, Paul Gerhard, D.theol. 82 geb. 16. 12. 1887 Tornow, gest. 19. 9. 1954 Bethel. Vgl. Personenlexikon, 44 f. Brauss, Heinrich 407, 410 geb. 1. 10. 1883 Lohrbach, gest. 1942 Mannheim, 1933 – 1937 OKR im EOK-Karlsruhe, 1937 – 1940 Religionslehrer in Mannheim; ab 1932 DC. Breit, Thomas, D.theol. 285 geb. 16. 3. 1880 Ansbach, gest. 20. 11. 1966 Augsburg, 1933 – 1945 OKR im Landeskirchenrat München; 1936 – 1938 Vorsitzender (Geschäftsführer) im Lutherrat (Sekretariat Berlin). Vgl. Personenlexikon, 45. Breust, Reinhold, Dr.jur. 297 f., 300, 303 f., 318 f., 351, 374, 378, 385 f., 398 f., 403 f. geb. 1. 5. 1893 Bromberg, gest. 6. 10. 1973, ab 1923 OKR im LKA-Wolfenbüttel, 1924 – 1934 Mitglied der braunschweigischen Kirchenregierung, zwischenzeitlich als Vorsitzender, ab 1934 beurlaubt, 1940 Aufhebung der Beurlaubung ohne Rückkehr ins LKA-Wolfenbüttel, 1943/44 Leiter der Grundstücksabteilung der FA-Wolfenbüttel, 1945 – 1963 leitender Jurist im LKA-Wolfenbüttel, 1946 – 1963 Mitglied in der braunschweigischen Kirchenregierung und dort stellvertretender Vorsitzender ; 1934 – 1945 DC-Mitglied; 1938 – 1944 FA-Bevollmächtigter Stadtkirchenverband Braunschweig. Brìel, Constanz, Dr.jur. 192, 222, 237 geb. 1. 11. 1892, gest. 30. 5. 1964, 1924 – 1958 LKA-Hannover, ab 1933 OLKR, 1933 von den DC aus dem LKA entfernt, 1935 rehabilitiert, ab 1953 Juristischer Dirigent. Brunotte, Heinz, D.theol. 18 f., 115, 161, 170, 177 – 179, 287 f. geb. 11. 6. 1896 Hannover, gest. 2. 2. 1984 Hannover, 1936 – 1945 OKonsRat in der DEKK, ab 1946 OLKR im LKA-Hannover, 1949 – 1965 Präs. Kirchenkanzlei der EKD. Vgl. Personenlexikon, 46 f. Bìchler, Emil, Dr.jur. 74, 547 geb. 18. 6. 1890 Saargemünd, gest. 6. 1. 1946 Heilbronn, 1922 – 1942 im Kirchendienst, OKR in Darmstadt; 1935 – 1937 Mitglied FA-Darmstadt (Reichsstatthalter), 1937 – 1942 Mitglied FA-Nassau-Hessen, Verwaltungsstelle Darmstadt. Bìchner, Hans 147, 170 geb. 1906, gest. 1986, vor 1936 Tätigkeit in der preußischen Justizverwaltung, 1936 – 1945 Reichskirchenministerium, ab 1942 Ministerialrat, persönlicher Referent von Staatssekretär Muhs und zentrale Gestalt im Reichskirchenministerium, Vertrauter Cölles. Bìhrke, Herbert 123, 174, 544 geb. 24. 10. 1891 Posen, gest. 8. 2. 1954 Kiel, ab 1925 KonsRat im LKA-Kiel, 1944 – 1954 Präs. ebd.; 1935 – 1945 Mitglied FA-Kiel. Vgl. Personenlexikon, 48. Bìning, Wilhelm 281 geb. 25. 5. 1885 Zeven, gest. 6. 1. 1964 Aurich, 1927 – 1940 Superintendent in Esens, 1940 – 1948 Superintendent in Osnabrück, 1948 – 1953 Landessuperintendent in Aurich. Butzmann, Paul 312, 321, 398 geb. 22. 1. 1881, 1924 Eintritt ins LKA-Wolfenbüttel, Amtmann, 1943 Kirchenober-

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Personenregister / Biographische Angaben

amtmann, Leiter der Kirchenkasse, 1938 – 1945 Referatsleiter in der FA-Wolfenbüttel, nach dem Krieg Weiterbeschäftigung im LKA-Wolfenbüttel. Carstensen, Johannes 72, 195, 197 – 199, 201 – 203, 205 f., 208, 303, 544 f. geb. 12. 12. 1886 Arrild, gest. 2. 1. 1950 Kiel, 1917 Gerichtsassessor am Oberlandesgericht Kiel, 1920 – 1950 Konsistorium/LKA-Kiel, zunächst KonsAss, 1924 KonsRat, 1928 OKonsRat; 1935/36 Vorsitzender FA-Kiel, dann bis 1945 Vertreter des Vorsitzenden ebd., 1935/36 Vorsitzender FA-Hannover. Cçlle, Georg Robert Hermann Erich, Dr.jur. 15, 63, 92 f., 100, 105 f., 109, 117, 121, 143 – 175, 178, 191, 200, 203, 213, 218 – 285, 288 – 294, 307, 310 – 312, 326 – 329, 332, 337, 348 – 352, 355 f., 365, 378, 380, 390, 394, 396, 403, 443, 459 f., 462, 464, 466, 468 f., 471, 483, 487, 508, 520 – 528, 530 f., 534, 539 f., 545 – 547 geb. 11. 12. 1901 Erichsburg, gest. 4. 7. 1980 Weiden bei Köln, 1924 1. Staatsexamen in Celle, 1927/28 Referendar im LKA-Hannover, 1928 2. Staatsexamen, 1928 – 1942 RA, zunächst in Burgdorf, ab 1934 in Hannover, 1934 kurzzeitig Hilfsarbeiter im LKAHannover, 1942 – 1945 AGR in Litzmannstadt (Łûdz´), aber vom Justizminister zur Dienstleitung in der DEKK abgestellt, nach Kriegsende kurzzeitig Landarbeiter in Gotha/Thüringen, dann 1945 – 1957 wohnhaft in Celle, bis 1952 verschiedene Tätigkeiten, etwa als kaufmännische Hilfskraft, 1952 – 1979 RA, bis 1957 in Celle, ab 1958 in Köln; 1933 – 1937 SA-Mitglied und Rechtsberater, 1933 NSDAP-Mitglied, außerdem Mitgliedschaften im NS-Rechtswahrerbund, NS-Volkswohlfahrt, NS-Reichskolonialbund, Reichsluftschutzbund, NS-Altherrenbund; DC-Mitglied; 1938 – 1945 Vorsitzender FA-Hannover, 1938 – 1945 Stellvertreter des Vorsitzenden FA-Wolfenbüttel, 1938 – 1945 Mitglied FA-DEKK, 1941 – 1945 Vorsitzender FA-Bremen, 1942/43 beauftragt mit der Leitung der FA-DEKK, 1943 – 1945 Vorsitzender FA-DEKK, 1944/45 Mitglied FA-EOK-Berlin. Vgl. Personenlexikon, 52. Cçlle, Karl Ernst 221 geb. 19. 8. 1860, gest. 23. 12. 1932, 1888 – 1895 Pfarrer in Borstel, 1895 – 1902 Studiendirektor im Predigerseminar Erichsburg, 1902 – 1929 Superintendent in Burgdorf. Dalhoff, Erich, Dr.jur. 543 geb. 2. 2. 1908 Oberbieber, gest. 27. 5. 1982, 1934 – 1936 Hilfsarbeiter bzw. KonsAss in Magdeburg, ab 1936 im EOK-Berlin, 1937 KonsRat in Magdeburg aber weiter in Berlin tätig, 1940 – 1945 Kriegseinsatz und Kriegsgefangenschaft, 1946/47 – 1976 Konsistorium Düsseldorf; 1935 – 1945 Mitglied FA-Magdeburg. Damrau, Hans, Dr.jur. 101, 153, 542 geb. 19. 2. 1902 Freystadt (Westpreußen), gest. 20. 12. 1952 Bochum, 1934 – 1938 Oberbürgermeister von Iserlohn, 1938 – 1940 Oberbürgermeister von Görlitz, 1940 Amtsenthebung und Meldung zur Waffen-SS, 1940 kurzzeitig Amtschef im Distrikt Lublin, dann Einsatz an der Ostfront, nach 1945 Geschäftsmann in Bochum; 1939/40 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des FA-Vorsitzenden Breslau betraut. Dennhardt, Wolfgang, Dr.jur. 156, 173, 546 RA; 1935 – 1939 führend in der Gaugemeinde Sachsen der Kirchenbewegung DC, dann wegen Kriegseinsatzes abgelöst; 1944/45 Mitglied FA-Dresden und zeit- und vertretungsweise Wahrnehmung des FA-Vorsitzes. Detering, Rudolf Hermann 281 geb. 24. 10. 1892 Osnabrück, gest. 29. 11. 1977 Hildesheim, 1928 – 1935 Pfarrer in

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Personenregister / Biographische Angaben

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Osnabrück, 1935/36 Superintendent in Goslar, 1936 – 1943 Landessuperintendent in Goslar, 1943 – 1961 Landessuperintendent in Hildesheim. Detten, Hermann von 47 f., 301 geb. 30. 5. 1879 Hamm, gest. 19. 1. 1954 Natingen, 1934/35 Leiter der Abteilung für kulturellen Frieden bei der NSDAP-Reichsleitung, 1935 als Stellvertreter des Ministers im Reichskirchenministerium, 1936 Ministerialdirigent, 1937 Wartestand, 1942 Ruhestand. Deuchler, Rudolf 481 geb. 1913, gest. 1942, 1940 als Pfarrkandidat in die badische Landeskirche aufgenommen. Dibelius, Otto, Dr.phil. Lic.theol. 337 geb. 15. 5. 1880 Berlin, gest. 31. 1. 1967 Berlin. Vgl. Personenlexikon, 58. Dieckmann, Wilhelm, Dr.jur. 241 f., 245, 339 f., 344 – 346, 366 f., 452 f., 525 geb. 9. 7. 1908 Peine, im Krieg vermisst, AGR im Reichskirchenministerium. Doerr, Emil, Dr.phil. 123, 126, 152, 154, 156, 165, 405, 407, 410, 414 – 416, 418 f., 422, 428 f., 433, 443, 446, 449 f., 452, 454 – 460, 462 – 464, 467, 469, 471, 487 f., 495, 498, 510 – 517, 520, 524, 547 geb. 3. 12. 1882 Plankstadt, gest. 15. 1. 1948 Grenzhof bei Heidelberg, 1919 – 1923 Regierungsrat bzw. Oberregierungsrat beim Finanzamt Mannheim, 1924 –1945 OKR im EOKKarlsruhe, 1924 – 1933 Stellvertreter des Kirchenpräsidenten, 1933 – 1945 geschäftsleitender OKR, 1938 Rückzug aus dem EOK-Karlsruhe, 1945 von der Militärregierung des Dienstes enthoben und vom EOK suspendiert; ab 1933 Förderndes Mitglied der SS, 1937 NSDAPMitglied, ab 1938 SD-Informant, Mitgliedschaften im NS-Rechtswahrerbund, NS-Volkswohlfahrt; ab Mai 1933 DC-Mitglied; 1938 – 1941 und 1943 – 1945 Stellvertreter des Vorsitzenden FA-Karlsruhe, 1941 – 1943 Vorsitzender FA-Karlsruhe. Doerr, Friedrich 510 geb. 1872, gest. 1949, badischer Pfarrer. Doetsch, Adolf, Dr.jur. 254 f., 545 Städtischer Rechtsrat Hannover und persönlicher Referent des Oberbürgermeisters Ludwig Hoffmeister ; 1944/45 Mitglied FA-Hannover in der Funktion des Vertreters des Vorsitzenden. Dreyer, Fritz, Dr. 542 gest. 1940, 1930 Eintritt ins Konsistorium Stettin, ab 1936 KonsRat, 1937/38 kurzzeitiger Einsatz im Konsistorium Münster, dann wieder in Stettin; 1935 – 1940 Mitglied FA-Stettin. Drohmann, Karl 541 geb. 13. 5. 1895 Berlin, gest. 26. 4. 1945 Kleinmachnow, Kämmerer des Verbandes der evangelischen Kirchengemeinden in der Reichshauptstadt Berlin und der Berliner Stadtsynode; 1942 – 1945 Mitglied FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Duensing, Friedrich 209, 219 geb. 4. 7. 1898 Fürstenwalde, gest. (gefallen) 25. 7. 1944 Dünaburg (Lettland), 1930 – 1934 Stadtjugendpfarrer Hannover, 1934 – 1944 Pfarrer in Rießen-Steyerberg, ab 1939 Kriegsdienst; 1933 Mitbegründer und bis 1939 Geschäftsführer der Landeskirchlichen Sammlung (später Bekenntnisgemeinschaft) Hannover. Vgl. Personenlexikon, 65.

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Personenregister / Biographische Angaben

Dìrr, Karl 408, 437, 444 f. geb. 31. 1. 1892 Pforzheim, gest. 29. 9. 1976 Pforzheim, 1935 – 1945 Pfarrer in Freiburg im Breisgau ; 1934 bis nach 1945 Vorsitzender des badischen Landesbruderrats. Vgl. Personenlexikon, 65. Duske, Johannes, Dr.jur. 63, 540 geb. 31. 1. 1898 Magdeburg, gest. 23. 5. 1938 Berlin, 1929 – 1937 EOK-Berlin, ab 1936 OKonsRat ; 1935 – 1938 Mitglied FA-DEKK, 1935 – 1938 Mitglied FA-EOKBerlin. Vgl. Personenlexikon, 65. Eder, Hans, Dr.theol. 162 geb. 29. 3. 1890 Buch (Österreich), gest. 25. 2. 1944 Wien, ab 1940 Bischof der Evangelischen Kirche in Österreich. Vgl. Personenlexikon, 67. Edzard, Hermann 547 geb. 1891, gest. 1968, 1945 – 1968 Schatzmeister der bremischen Kirche; 1941 kurzzeitig Vorsitzender FA-Bremen. Ehlers, Hermann, Dr.jur. 81 geb. 1. 10. 1904 Schöneberg, gest. 29. 10. 1954 Oldenburg. Vgl. Personenlexikon, 67 f. Ellinghausen, Hermann, Dr.jur. 548 RA; 1943 – 1945 Mitglied FA-Bremen. Ellwein, Theodor, Dr.theol. 116 – 118 geb. 18. 8. 1897 Madras (Indien), gest. 22. 2. 1962 München, ab 1936 OKonsRat in der DEKK. Vgl. Personenlexikon, 70. Elsasser, Julius 493 Verwaltungsbeamter in der badischen Landeskirche (Stiftschaffnei Mosbach); FABevollmächtigter in den Gemeinden Neckarelz, Neckargerach mit Guttenbach und Reichenbuch. Endemann, Georg, Dr.jur. 545 geb. 1896, LKR in Kassel, 1939 Wechsel ins Reichsluftfahrtministerium; 1935 – 1938 Mitglied FA-Kassel. Engelhardt, Helmut, Dr. 541 1938 – 1942 KonsAss im Konsistorium Berlin-Brandenburg, dann Übertritt in den Staatsdienst; 1938 – 1942 Mitglied FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Engelhardt, Leopold, Dr.med. 156, 462 – 469, 478, 483, 487 f., 506 f., 512 – 516, 520, 530, 547 geb. 10. 9. 1885 Bremen, gest. 14. 3. 1972 Karlsruhe, technischer Leiter, Gründer und Mitinhaber verschiedener Fabriken, 1913 – 1927 Soyama-Werk, 1922/23 KondimaWerk in Bad Homburg, 1923 – 1945 Kondima-Werk (vor allem Konditorrohmassen) in Karlsruhe, 1945 selbständiger „ernährungshygienischer Privatgelehrter“ und stiller Gesellschafter der Fabrik; 1934 DAF-Mitglied (ab 1943 Gauhauptabteilungsleiter), 1935 Mitglied in der NS-Volkswohlfahrt, 1937 NSDAP-Mitglied; 1937 – 1943 DC-Mitglied, 1941 Kirchenaustritt; 1943 – 1945 Vorsitzender FA-Karlsruhe.

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Engelmann, Ernst, Dr. 540 geb. 1893, gest. 1945, 1929 – 1945 KonsRat bzw. OKonsRat im EOK-Berlin, 1945 verhaftet und in Haft verstorben; 1935 – 1945 Mitglied FA-EOK-Berlin. Erdmann, Martin, D.theol. 403 geb. 23. 7. 1896 Ingeleben, gest. 1. 9. 1977 Braunschweig, 1947 – 1965 braunschweigischer Landesbischof. Vgl. Personenlexikon, 71. Evers, Oskar 298 geb. 6. 3. 1889 Limmer bei Hannover, gest. 6. 2. 1961 Lüneburg, Beamter im EOKBerlin. Vgl. Personenlexikon, 72. Feldmann, Winfried 224, 284 geb. 9. 3. 1910 Plantage Beekhuizen (Niederländisch-Guayana), gest. (gefallen) 17. 12. 1942 bei Belyj (Russland), 1936 Ordination, 1939 – 1942 Kriegseinsatz. Fiedler, Georg 199 – 201, 207 geb. 29. 10. 1891 Hoya, gest. 17. 11. 1938, 1921 – 1932 Pfarrer in Beverstedt, 1934/35 Landespropst in Celle, danach Professor für Praktische Theologie in Kiel. Vgl. Personenlexikon, 76. Fischer, Ewald, Dr.jur. (ab 1938: Fischer-Dorp) 74, 101, 145, 170, 173, 540f., 546f. geb. 2. 10. 1899 Frankfurt a. M., gest. 5. 2. 1991 Niefern-Öschelbronn, ab 1934 OLKR im Landeskirchenrat Nassau-Hessen, ab 1939 OKonsRat im EOK-Berlin, 1943 Übernahme ins Reichswirtschaftsministerium; 1935 – 1937 Vorsitzender FA-Wiesbaden, 1935 – 1937 Vorsitzender FA-Darmstadt (Reichsstatthalter), 1935 – 1944 Mitglied FADEKK, 1937 – 1939 Vertreter des Vorsitzenden FA-Nassau-Hessen, 1941 – 1944 Mitglied FA-EOK-Berlin, 1941 – 1943/44 Vertreter Werners in der Leitung der FA-EOK-Berlin, 1942 – 1945 vertretungsweise mit der Wahrnehmung des FA-Vorsitzes beim Konsistorium Berlin-Brandenburg betraut. Vgl. Personenlexikon, 77. Fleisch, Paul, D.theol. 186, 207, 212, 282, 285 geb. 11. 2. 1878 Hamburg, gest. 11. 3. 1962 Loccum, ab 1924 OLKR im LKA-Hannover, 1932 geistlicher Vizepräs. ebd., 1933 Zwangspensionierung, 1935 Wiedereinsetzung, 1937 Rehabilitierung als OLKR; 1936 Stellvertretender Vorsitzender und Mitarbeiter im Sekretariat des Lutherrats in Berlin. Vgl. Personenlexikon, 77. Franke, Otto, Dr. 544 geb. 17. 7. 1896 Berlin, gest. 12. 11. 1975, 1925 – 1940 im Konsistorium Düsseldorf, 1938 – 1940 Disziplinarverfahren, 1940 Wartestand, 1940 – 1945 kommissarische Tätigkeit als KonsRat in Münster, 1945 – 1961 LKR ebd.; 1935 – 1937 Mitglied FA-Düsseldorf. Fretzdorff, Otto, Dr.jur. 543 geb. 19. 12. 1881 Stralsund, gest. 21. 11. 1950 Magdeburg, 1936 – 1945 KonsPräs in Magdeburg; 1936/1937 Vorsitzender FA-Magdeburg. Vgl. Personenlexikon, 79. Frick, Wilhelm 38 f., 41, 46 f., 50 geb. 12. 3. 1877 Alsenz, gest. (hingerichtet) 16. 10. 1946 Nürnberg, 1933 – 1943 Reichsinnenminister, 1943 – 1945 Reichsprotektor in Böhmen und Mähren.

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Personenregister / Biographische Angaben

Friedrich, Otto, Dr.jur. 22 f., 168, 407, 410, 426, 431, 433, 448, 459, 466 f., 471, 513, 517 f. geb. 6. 7. 1883 Molsheim, gest. 21. 6. 1978 Heidelberg, 1924 – 1953 OKR im EOKKarlsruhe, 1933 – 1937 Lehrauftrag für Kirchenrecht in Heidelberg, ab 1945 wieder Lehrauftrag in Heidelberg, 1963 Honorarprofessur in Heidelberg. Fìrle, Günther 95, 145, 150, 157, 160 f., 165 – 167, 173 f., 539, 542 geb. 26. 7. 1899 Breslau, gest. 17. 1. 1978 Memmingen, 1935 betraut mit der kommissarischen Wahrnehmung des Amtes des KonsPräs in Breslau, 1938 – 1945 Direktor/ Vizepräs. der DEKK, ab Herbst 1943 Kriegsdienst; 1936 einige Monate Vorsitzender FA-Breslau, 1937 – 1943 Vertreter des Vorsitzenden FA-DEKK. Vgl. Personenlexikon, 83. Gefaeller, Heinz, Dr.jur. 123, 145, 173, 540 geb. 16. 8. 1904 Tapiau (Ostpreußen), gest. 28. 6. 1987 Bonn, 1936 KonsRat im EOKBerlin, ab 1942 KonsPräs in Königsberg; 1942 – 1945 Mitglied FA-DEKK. Vgl. Personenlexikon, 85. Gennrich, Hermann 331 geb. 5. 8. 1898 Berlin, gest. 10. 9. 1953 Lebenstedt, ab 1936 Pfarrer in Braunschweig, ab 1939 zusätzlich kommissarischer Leiter der Männerarbeit der braunschweigischen Landeskirche, 1945 – 1953 Pfarrer, ab 1950 Propst in Lebenstedt; ab 1936 DC-Mitglied. Gerhard, Kurt 299, 301 gest. 25. 9. 1936, 1934 – 1936 Mitglied der braunschweigischen Kirchenregierung. Gerlach, Ernst 544 gest. 10. 5. 1941, OLKR in Kassel; 1935 – 1941 Vorsitzender FA-Kassel. Goebbels, Joseph, Dr.phil. 42, 130, 146 geb. 29. 10. 1897 Rheydt, gest. (Selbstmord) 1. 5. 1945 Berlin, 1933 – 1945 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda. Goebell, Walter, Dr. 541 geb. 22. 7. 1911 Nordhackstedt, gest. 22. 1. 1988 Kiel, ab 1940 Mitarbeit in der FA Konsistorium Berlin-Brandenburg, 1944 Privatdozent in Berlin; 1941 – 1945 Mitglied FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Goetze, Gustav Alfred 379 f. geb. 28. 7. 1880 Berlin, gest. 24. 7. 1960 Braunschweig, 1915 – 1938 Pfarrer in Braunschweig, 1938 von der FA suspendiert, 1940/41 von der braunschweigischen Kirchenregierung in den Ruhestand versetzt, 1942 Übertritt in die württembergische Landeskirche. Gçring, Hermann 393, 525 geb. 12. 1. 1893 Rosenheim, gest. (Selbstmord) 15. 10. 1946 Nürnberg, 1933 – 1945 preußischer Ministerpräsident, 1935 – 1945 Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Gçrs, Paul 541 geb. 12. 7. 1891 Danzig, gest. 25. 5. 1947 Berlin, ab 1929 KonsRat im Konsistorium Berlin-Brandenburg, 1945 OKonsRat; 1935 – 1938 Mitglied FA Konsistorium BerlinBrandenburg. Graeger, Lothar 541 geb. 15. 5. 1908 Halle/Saale, gest. 1943 Losowatka (Russland), 1936 – 1939 im Konsistorium Berlin-Brandenburg, ab 1939 KonsRat in Düsseldorf; 1938/39 Mitglied FA Konsistorium Berlin-Brandenburg.

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Granzow, Christian, Dr.jur. 543 geb. 17. 6. 1902 Bärsdorf-Trach, gest. 2. 5. 1985 Berlin, 1934 – 1939 KonsRat in Breslau, 1939 – 1967 OKonsRat im EOK-Berlin; 1935 – 1940 Mitglied FA-Breslau. Gremmelt, Otto 299, 328 geb. 15. 9. 1893 Bortfeld, gest. 20. 3. 1971, 1934 – 1958 Kreispfarrer, ab 1935 Propst in Braunschweig, 1934 Mitglied der braunschweigischen Kirchenregierung; 1933 – 1938 DC-Mitglied. Grotjahn, Gerhard 280 f. geb. 29. 7. 1901 Borgloh, 1930/31 Pfarrer in Clausthal, ab 1931 Pfarrer in Hary. Gurland, Rudolf 258 geb. 10. 4. 1886 Mitau (Kurland), gest. 27. 2. 1947 Celle, 1930 – 1939 Pfarrer in Meine, 1939 zwangsweise in den Ruhestand versetzt, 1941 – 1944 Archivar in der Hermannsburger Mission, 1945/46 Lehrer am Missionsseminar Hermannsburg und mit der Versehung der Pfarrstelle Hermannsburg betraut. Gìrtner, Franz 78 geb. 26. 8. 1881 Regensburg, gest. 29. 1. 1941 Berlin, 1932 – 1941 Reichsjustizminister. Gìss, Egon Thomas 444, 492 geb. 10. 3. 1902 Konstanz, gest. 26. 5. 1991 Karlsruhe, 1928 – 1933 Vikar in Offenburg, 1933 – 1953 Pfarrer in Stein bei Pforzheim; ab 1938/39 Sprecher der Theologischen Sozietät in Baden. Gustavus, Walther, Dr.jur. 95, 150, 539 geb. 1. 12. 1892 Vietz (Landsberg/Warthe), gest. 18. 5. 1945 Landsberg/Warthe, 1935 – 1945 OKonsRat in der DEKK; 1935 – 1937 Vorsitzender FA-DEKK. Vgl. Personenlexikon, 95. Guttenberg, Friedrich 415 f., 418 – 420, 422, 455 f., 458, 467 f., 513 f., 516 f., 547 geb. 23. 5. 1880 Freiburg, gest. 1952, ab 1922 in der badischen Kirchenverwaltung, 1923 – 1937 Vorstand der Evangelischen Stiftschaffnei Mosbach, ab 1934 als Oberfinanzrat, 1937 – 1945 Vorstand der Evangelischen Pflege Schönau, 1945 von der Militärregierung suspendiert, dann aus dem Kirchendienst entlassen; 1931 NSDAP-Mitglied, 1932 – 1937 Stellvertreter bzw. Vorsitzender des Parteigerichts Mosbach, ab 1934 Mitgliedschaften im NS-Rechtswahrerbund, NS-Volkswohlfahrt; ab 1934 DC-Mitglied; 1938 – 1945 Mitglied FA-Karlsruhe. Hahn, Gerhard 185 – 193, 198 – 203, 206 f. geb. 1. 8. 1901 Großenrode, gest. 7. 7. 1943 Jelabuga (Sowjetunion), 1928 – 1933 Pfarrer in Elmlohe, 1933 Präs. Landeskirchentag und zugleich Vizepräs. LKA-Hannover, ab 1934 beurlaubt, 1936 Wechsel in den Dienst der Landeskirche Thüringen; 1933 – 1936 Landesleiter der DC-Hannover, Juni 1933 Unterkommissar Jägers für Hannover. Vgl. Personenlexikon, 96 f. Hahn, Rudolf 488 Pfarrer in der badischen Landeskirche. Haller, Richard 199, 207 geb. 14. 2. 1883 Velber, gest. 2. 11. 1953, 1926 – 1934 Superintendent in Uslar, 1934/35 Landespropst in Hannover, 1937 – 1946 Superintendent in Neustadt/Rübenberge. Hamer, Karl 386, 388, 400 gest. 1946/47, vor 1935 Beschäftigter im LKA-Wolfenbüttel, ab 1935 Leiter der Braunschweigischen Siedlungsgesellschaft.

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Personenregister / Biographische Angaben

Happich, Friedrich 112 geb. 14. 8. 1883 Speckswinkel, gest. 4. 4. 1951 Hephata bei Treysa, 1935 – 1945 Vorsitzender des Landeskirchenausschusses von Nassau-Hessen. Vgl. Personenlexikon, 98 f. Harbsmeier, Götz (Gottlieb), D.theol. 283 geb. 13. 8. 1910 Weißenburg, gest. 28. 6. 1979, theologische Prüfung vor dem oldenburgischen Bruderrat, ab 1936 Pfarrer in Wilhelmshaven, 1939 Kriegseinsatz, 1943 – 1952 Pfarrer in Reiffenhausen. Haugg, Werner, Dr.jur. 161, 248, 250, 262, 267, 353 f., 369 f., 376, 460 – 463, 466 – 469, 472 f., 479, 487 geb. 20. 2. 1908 Berlin, gest. 9. 4. 1977 Bad Wildungen, ab 1935 Gerichtsassessor im Reichskirchenministerium, 1937 dort LGR, 1949 – 1955 im Provinzialschulkollegium Düsseldorf, 1956 Abteilungsleiter im Kultusministerium Düsseldorf, 1957 Ministerialdirigent ebd., 1961 – 1973 stellvertretender Leiter des nordrhein-westfälischen Landesamts für Forschung. Hebermehl, Wilhelm 547 Rechnungsdirektor in der Landeskirche Nassau-Hessen; 1942 – 1945 Mitglied FANassau-Hessen. Heinrich, Johannes, Dr. 101, 157, 541 geb. 15. 7. 1895 Forst/Lausitz, gest. 20. 7. 1945 Berlin, 1932 – 1938 Finanzreferent und Justitiar im Central-Ausschuss für die Innere Mission, 1938 – 1945 KonsPräs des Konsistoriums Berlin-Brandenburg; 1939 – 1945 Vertreter des Vorsitzenden FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Heintze, Traugott Freiherr von, Dr.jur. D.theol. 72, 195 geb. 9. 10. 1877 Bordesholm, gest. 6. 3. 1946 Neumünster, 1925 – 1936 Präs. LKA-Kiel. Vgl. Personenlexikon, 105 f. Hess, Rudolf 42, 98, 102, 127 geb. 26. 4. 1894 Alexandria (Ägypten), gest. (Selbstmord) 17. 8. 1987 Berlin, 1933 – 1941 Stellvertreter des Führers und Reichsminister ohne Geschäftsbereich, 1941 Englandflug. Hesse, Hermann Albert, Lic.theol. D. 34 geb. 22. 4. 1877 Weener, gest. 26. 7. 1957 Wuppertal-Elberfeld. Vgl. Personenlexikon, 111. Heuer, Friedrich 348 – 352, 378, 394, 396, 398, 404, 546 geb. 1. 7. 1894 Norden, Bankdirektor und Stadtrat in Aurich, dann 1939 Anstellung in der FA-Wolfenbüttel, 1940 – 1945 Kirchenverwaltungsrat im LKA-Wolfenbüttel, 1945 des Dienstes enthoben; 1921 – 1933 Mitglied im Stahlhelm, 1933 NSDAP-Mitglied, 1935 – 1939 SS-Mitglied; DC-Mitglied; ab 1939 Dienstvertreter im Referat F 1 der FAWolfenbüttel, 1942 – 1945 Mitglied FA-Wolfenbüttel. Heydrich, Reinhard 42 geb. 7. 3. 1904 Halle/Saale, gest. (an den Folgen eines Attentats) 4. 6. 1942 Prag, ab 1932 Leiter des SD, ab 1939 Chef des Reichssicherheitshauptamts. Hille, Waldemar 371 geb. 16. 10. 1907 Dresden, gest. (gefallen) 1. 7. 1944 Orglandes, 1935 – 1944 Pfarrer in Calvörde.

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Personenregister / Biographische Angaben

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Himmler, Heinrich 42 geb. 7. 10. 1900 München, gest. (Selbstmord) 23. 5. 1945 Lüneburg, 1929 – 1945 Reichsführer SS, 1943 – 1945 Reichsinnenminister. Hindenburg, Paul von 39 geb. 2. 10. 1847 Posen, gest. 2. 8. 1934 Gut Neudeck (Ostpreußen), 1925 – 1934 Reichspräsident. Hitler, Adolf 31 – 41, 47 f., 50, 75 f., 78, 81, 95 f., 98 f., 113 – 115, 119 f., 124, 128 – 130, 133, 136, 140 f., 161, 176, 187, 192, 224, 236, 284, 297, 346, 391, 406, 421, 428 f., 432, 452, 475, 488, 521, 533 f. geb. 20. 4. 1889 Braunau am Inn (Österreich), gest. (Selbstmord) 30. 4. 1945 Berlin, 1933 – 1945 Reichskanzler. Hoffmeister, Ludwig 119, 126 f., 145, 149, 152 f., 156, 225, 237, 245 f., 248, 253 – 255, 276, 280, 307 – 322, 325 – 344, 346 – 351, 353 – 359, 361 – 367, 371 – 382, 384, 386 f., 389 – 396, 399 – 404, 520, 522 – 527, 531, 540, 545 f. geb. 20. 8. 1906 Kiel, gest. 8. 11. 1993 Lüneburg, 1928 1. juristisches Staatsexamen, 1933 2. Staatsexamen, 1933 Regierungsassessor im braunschweigischen Staatsdienst, eingesetzt in der Kreisdirektion Blankenburg, dann im braunschweigischen Finanzministerium, 1934 Regierungsrat im braunschweigischen Justizministerium, dort bald Referatsleiter, 1935 Oberregierungsrat im braunschweigischen Finanzministerium, dort Leiter des Verkehrs- und Wirtschaftsreferats, 1935 – 1941 ebd. Leiter des allgemeinen Personal- und Besoldungsreferats sowie des Finanz- und Haushaltsreferats, 1941 – 1944 Oberpräsidium Hannover, dort Leiter der Allgemeinen Abteilung, zunächst als kommissarischer Regierungsdirektor, 1942 als Regierungsdirektor, 1943 als Leitender Regierungsdirektor, 1942 – 1944 zusätzlich als Staatskommissar mit der Wahrnehmung der Geschäfte des hannoverschen Oberbürgermeisters betraut, 1944/45 Versetzung ins Reichsinnenministerium, 1945 Rückkehr ins Oberpräsidium Hannover, 1945 – 1947 Internierung, 1948 Verurteilung vor einem Spruchgericht, 1957 Richter am Landesverwaltungsgericht Braunschweig, 1959 Richter am Landesverwaltungsgericht Lüneburg, später am Oberlandesgericht Celle; 1931 – 1942 SA-Mitglied, ab 1933 auch Rechtsberater einer SA-Standarte, Aufstieg bis zum SA-Obersturmführer, 1931 NSDAP-Mitglied, ab 1931 Leiter des Rechtspolitischen Amtes in der NSDAP-Kreisleitung Wolfenbüttel, dann wahrscheinlich Kreisrechtsamtsleiter der NSDAP-Kreisleitung Wolfenbüttel, später Braunschweig, 1942 – 1945 wahrscheinlich Gaurechtsamtsleiter Gau Süd-Hannover-Braunschwieg, ab 1932 Mitglied im NS-Rechtswahrerbund, dort 1933 Kreisgruppenführer Braunschweig-Stadt, ab 1942 Gauleiter Hannover des Rechtswahrerbundes, ab 1939 ehrenamtlicher SD-Mitarbeiter, 1942 Übernahme von der SA in die Allgemeine SS, dort 1945 Obersturmbannführer; 1938 – 1943 Vorsitzender FA-Wolfenbüttel, 1938 – 1945 Stellvertreter des Vorsitzenden FA-Hannover, 1942 kurzzeitig Mitglied FA-DEKK. Hoffmeister, Willy 380, 386, 403 RA und Notar, Vater Ludwig Hoffmeisters. Holland, Friedrich-Wilhelm 403 geb. 12. 11. 1903 Braunschweig, gest. 20. 8. 1979 Braunschweig, 1946 Oberlandesgerichtsrat, ab 1949 Vizepräs. des Oberlandesgerichts Braunschweig.

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Personenregister / Biographische Angaben

Holland, Wilhelm 403 Generalstaatsanwalt Braunschweig, 1924 – 1933 Mitglied der braunschweigischen Kirchenregierung. Horre, Otto, Dr.jur. 74 geb. 1. 9. 1894 Zwingenberg, gest. 1972, 1927 – 1959 LKA-Darmstadt; 1935 – 1937 Mitglied FA-Darmstadt (Reichsstatthalter). Hosemann, Johannes, D.theol. 101, 157, 542 geb. 3. 6. 1881 Malchow bei Berlin, gest. 1. 9. 1947 Karlsruhe, 1936 – 1945 KonsPräs Breslau; 1936 – 1938 Vorsitzender FA-Breslau, 1938 – 1945 Vertreter des Vorsitzenden FA-Breslau. Vgl. Personenlexikon, 117. Hossenfelder, Joachim 32 geb. 29. 4. 1899 Cottbus, gest. 28. 6. 1976 Lübeck, 1932 Mitbegründer und bis Dezember 1933 erster Reichsleiter der Glaubensbewegung DC. Vgl. Personenlexikon, 117. Humburg, Paul, D.theol. 69 geb. 22. 4. 1878 Mülheim/Ruhr, gest. 21. 5. 1945 Detmold, 1934 – 1943 Präses der rheinischen Bekenntnissynode, 1934 – 1936 Mitglied der 1. VKL. Vgl. Personenlexikon, 118. J•ger, August, Dr.jur. 36, 38 – 41, 77, 134, 185 geb. 21. 8. 1887 Diez, gest. (hingerichtet) 17. 6. 1949 Posen, 1933 Leiter der Kirchenabteilung des preußischen Kultusministeriums, Juni/Juli 1933 Staatskommissar für die evangelischen Landeskirchen in Preußen, 1934 „Rechtswalter“ in der Reichskirchenregierung, 1939 stellvertretender Leiter der Zivilverwaltung im Warthegau, später dort Regierungspräsident. Jahnz, Gerhard, Dr.jur. 542 geb. 29. 5. 1897 Karbowo (Westpreußen), gest. 26. 6. 1972 Minden, 1925 – 1936 im EOK-Berlin, 1936 – 1945 OKonsRat in Stettin; 1935 – 1945 Mitglied FA-Stettin, ab 1936 als Vertreter des FA-Vorsitzenden. Johnsen, Helmuth, Dr.phil. 22, 137, 213, 299 – 304, 306, 308, 312 – 320, 322 – 332, 336, 357, 363, 372 f., 379, 399, 426, 529 geb. 29. 11. 1891 Neustadt bei Coburg, gest. (erschossen) 2. 9. 1947 Zrenjanin (Jugoslawien), 1929 – 1934 Hauptpastor in Lübeck, 1934 – 1946 braunschweigischer Landesbischof, ab 1936 Reichsobmann des Deutschen Evangelischen Männerwerks, ab 1940 Kriegseinsatz, ab 1945 Kriegsgefangenschaft; 1924 – 1928 Mitglied des Völkischen Blocks im Bayerischen Landtag; bis Februar 1935 DC-Gauobmann in Braunschweig, dann DC-Austritt. Vgl. Personenlexikon, 125. Jung, Otto, Dr.jur. 544 geb. 13. 9. 1893 Ober-Ohmen, gest. (Selbstmord) 12. 7. 1939 Cortina (Italien), 1923 – 1939 in der Kirchenverwaltung in den Konsistorien Berlin-Brandenburg, Breslau, Magdeburg, Koblenz, Münster, ab 1935 in Düsseldorf, 1936/37 mit der kommissarischen Wahrnehmung der Geschäfte des KonsPräs ebd. betraut, Beurlaubung, 1938 außerplanmäßige Referentenstelle im EOK-Berlin; 1935 – 1937 Vorsitzender FA-Düsseldorf.

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Jìrgens, Hans-Wilhelm, Dr.jur. 303, 307, 312 f., 316 – 320, 322, 325, 348, 546 geb. 7. 7. 1900 Hamburg, 1926 – 1941 im Dienst der braunschweigischen Landeskirche, ab 1935 zunächst Oberregierungsrat im LKA-Wolfenbüttel, dann Kirchenoberregierungsrat, 1937 OKR, 1939 OLKR, 1935 – 1938 Leiter der Grundstücksabteilung, ab 1939 Justitiar, 1941 Ruhestand auf eigenen Wunsch, ab 1941 kaufmännischer Angestellter in Hamburg; 1934/35 Mitgliedschaften im NS-Rechtswahrerbund, SA, NS-Volkswohlfahrt, 1936 Reichskolonialbund, 1937 NSDAP-Mitglied, 1938 Reichsbund der deutschen Studenten; 1938 Gauobmann DC-Braunschweig; 1936 – 1939 Mitglied FA-Wolfenbüttel. Vgl. Personenlexikon, 125 f. Kaeser, Heinrich, Dr.jur. 416, 418, 420, 422, 450, 456, 468, 517 f., 547 geb. 15. 1. 1910 Mannheim, gest. 9. 4. 1960, 1936 2. Staatsexamen, 1936/37 Assessor im Probedienst an verschiedenen Gerichten, 1937 Anwärter für den höheren Dienst bei der Evangelischen Pflege Schönau, ab 1937 Hilfsarbeiter im EOK-Karlsruhe als Finanzrat, 1940 – 1945 Kriegseinsatz, 1945 entlassen, später RA in Weinheim/Bergstraße; 1933 NSDAP-Mitglied, 1933 – 1938 im NS-Kraftfahrtkorps als Rottenführer, 1933 NSRechtswahrerbund, 1936 NS-Volkswohlfahrt; 1938 – 1945 Mitglied FA-Karlsruhe, 1938 – 1945 FA-Bevollmächtigter in Karlsruhe. Kapler, Hermann, Dr.jur. D.theol. 34 f. geb. 2. 12. 1867 Oels (Schlesien), gest. 2. 5. 1941 Berlin, ab 1925 Präs. im EOK-Berlin und damit zugleich Präs. des Deutschen Evangelischen Kirchenausschusses, 1933 Rücktritt. Vgl. Personenlexikon, 129. Karch, Herbert 546 OKR im LKA-Dresden; 1938 – 1945 Mitglied FA-Dresden. Kaufmann, Karl 105 geb. 10. 10. 1900 Krefeld, gest. 4. 12. 1969 Hamburg, 1929 – 1945 NSDAP-Gauleiter Hamburg, 1933 – 1945 Reichsstatthalter Hamburg. Kellner, Adolf 374 geb. 29. 10. 1881 Lutter, 1917 – 1947 Pfarrer in Blankenburg, 1933 – 1935 Kreispfarrer, dann Propst, 1947 von der Militärregierung entlassen, 1947/48 Pfarrer in Wienrode; 1933 – 1937 DC-Mitglied. Kerrl, Hanns 13, 15, 42, 50, 56, 58 f., 65 – 69, 71 – 78, 83, 87, 91, 94, 96 – 101, 104, 109 – 116, 118 – 123, 126, 138 – 145, 159, 162, 189, 191, 195, 198, 202, 204, 206, 209, 214, 216 – 218, 222 f., 233 f., 238, 240, 246 – 249, 261, 285, 301, 303, 324, 326, 330, 340, 342 – 345, 367, 375, 413, 430, 443, 447 – 451, 521, 523, 531 – 533 geb. 11. 12. 1887 Fallersleben, gest. 14. 12. 1941 Paris, 1933/34 preußischer Justizminister, 1934 Reichsminister ohne Geschäftsbereich, ab April 1935 Leiter des Zweckverbandes Reichsparteitag Nürnberg, ab April 1935 Leiter der Reichsstelle für Raumordnung, ab Juli 1935 Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten. Kiefer, Friedrich 409 f., 441, 460, 484, 488 f., 509 geb. 3. 1. 1893 Karlsruhe, gest. 9. 10. 1955 Ladenburg, 1933 – 1945 Pfarrer in Mannheim, 1945 vom Dienst enthoben, dann entlassen, im Herbst interniert, 1947/48 Wechsel in die Landeskirche Württemberg; ab 1932 DC-Mitglied, ab 1936 Leiter (Gebietsleiter Nord) der Nationalkirchlichen DC Baden auch Mitglied im Führerrat der Nationalkirchlichen DC.

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Personenregister / Biographische Angaben

Kinder, Christian, Dr.jur. 72, 104, 173, 544 geb. 29. 5. 1897 Plön, gest. 30. 5. 1972 Hamburg, 1936 – 1943 Präs. im LKA-Kiel, 1943 – 1945 Universitätskurator in Kiel; 1933 – 1935 Reichsleiter der Reichsbewegung DC; 1936 – 1945 Vorsitzender FA-Kiel. Vgl. Personenlexikon, 132 f. Kipper, Paul 74, 123, 126, 145, 540, 546 geb. 15. 5. 1876 Berghofen, gest. 17. 5. 1963 Darmstadt, 1934 – 1945 Leiter der Landeskirchenkanzlei der Landeskirche Nassau-Hessen (1938 umbenannt in LKA), 1937 – 1945 Wahrnehmung der Geschäfte des Landeskirchenausschusses; 1937 Vorsitzender FA-Darmstadt (Reichsstatthalter), 1937 – 1945 Vorsitzender FA-Nassau-Hessen, 1942 – 1945 Mitglied FA-DEKK. Vgl. Personenlexikon, 133. Klagges, Dietrich 310, 346, 386, 390 f. geb. 1. 2. 1891 Herringsen, gest. 12. 11. 1971 Bad Harzburg, 1931 – 1933 braunschweigischer Innenminister, 1933 – 1945 braunschweigischer Ministerpräsident. Klose, Walter 277 f. geb. 9. 11.1894 Gostyn (Posen), gest. 18. 11. 1968 Bassum, 1930 – 1945 Pfarrer in Marienwerder-Stöcken (Hannover), 1940 Inhaftierung wegen Vergehens gegen das „Heimtückegesetz“, 1945 – 1960 Pfarrer in Barnstorf. Klotsche, Johannes 116, 173 geb. 11. 5. 1895 Leipzig, gest. 24. 2. 1965 Stadt Wehlen/Elbe, 1937 Leiter des LKADresden, 1938 – 1945 dessen Präs., 1945 nach Kriegsende Entfernung aus dem Amt. Vgl. Personenlexikon, 137 f. Koch, Erich 95 geb. 19. 6. 1896 Elberfeld, gest. 12. 11. 1986 Gefängnis Barczewo (Polen), 1928 – 1945 NSDAP-Gauleiter von Ostpreußen, 1933 – 1945 Oberpräsident von Ostpreußen. Koch, Fritz, Dr.jur. 543 geb. 23. 12. 1877 Elberfeld, gest. 11. 3. 1949 Magdeburg, ab 1936 OKonsRat in Magdeburg, 1944 Ruhestand; 1937 – 1945 Mitglied FA-Magdeburg. Koch, Karl, D.theol. 82 geb. 6. 10. 1876 Witten, gest. 28. 10. 1951 Bielefeld, 1916 – 1949 Pfarrer in Bad Oeynhausen; ab 1934 führendes Mitglied der Bekennenden Kirche (Westfalen, Preußen und Deutsches Reich), Präses der Bekenntnissynoden der DEK, Mitglied der 1. VKL. Vgl. Personenlexikon, 140. Koch, Walter, Dr.jur. 121, 157, 540, 544 geb. 3. 2. 1894 Starzeddel (Brandenburg), gest. 8. 10. 1965 Remscheid, 1933 – 1937 OKonsRat im EOK-Berlin, 1937 – 1946 KonsPräs in Düsseldorf; 1935 – 1945 Mitglied FA-DEKK, 1935/36 Vorsitzender FA-EOK-Berlin, ab 1936 Vertreter des Vorsitzenden ebd.; 1937 – 1945 Vertreter des Vorsitzenden FA-Düsseldorf. Vgl. Personenlexikon, 140 f. Kçlli, Johannes Friedrich 489, 509 geb. 10. 10. 1900 Hornberg, gest. 1. 8. 1942 Freiburg, ab 1934 Pfarrer in Freiburg im Breisgau; ab 1936 Leiter (Gebietsleiter Süd) der Nationalkirchlichen DC Baden. Kolrep, Gerhard 541 geb. 12. 7. 1905 Brandenburg, ab 1939 KonsAss im Konsistorium Berlin-Brandenburg; 1939 – 1942 Mitglied FA Konsistorium Berlin-Brandenburg.

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Koopmann, Otto 65, 85, 545 geb. 19. 8. 1878 Suurhausen, gest. 27. 3. 1951 Aurich, 1925 – 1937 Präs. im Landeskirchenrat Aurich; 1935 – 1937 Mitglied im Reichskirchenausschuss; 1935 kurzzeitig Vorsitzender der FA-Aurich. Vgl. Personenlexikon, 143. Kotte, Erich, D.theol. 545 geb. 16. 11. 1886 Buchenau, gest. 24. 10. 1961 Dresden, 1936 – 1940 Leiter des LKADresden, dann zwangsweise Ruhestandsversetzung; 1935 – 1938 Mitglied FA-Dresden. Vgl. Personenlexikon, 143. Kracker von Schwartzenfeldt, Christoph-Johann, Dr.jur. 543 geb. 11. 11. 1902 Charlottenburg, gest. 9. 7. 1964 Berlin, 1933 – 1946 im Konsistorium Breslau; 1936 – 1945 Mitglied FA-Breslau. Krane, Freiherr Friedrich von 126, 547 geb. 4. 4. 1899 Berlin, gest. 30. 10. 1953 Darmstadt, ab 1935/36 Mitglied im Landeskirchenrat Nassau-Hessen; 1937 – 1945 Mitglied FA-Nassau-Hessen, ab 1939 als Vertreter des Vorsitzenden. Krause, Hermann, Dr.jur. 542 geb. 13. 8. 1908 Hanau, gest. 15. 2. 1988, 1938 – 1945 KonsRat in Königsberg; 1939 – 1945 Mitglied FA-Königsberg. Kretzschmar, Willy 16, 145, 153 f., 173 f., 468 f., 540, 545 f. geb. 6. 6. 1890 Dresden, gest. 7. 2. 1962 Dresden, ab 1933 OLKR im LKA-Dresden, 1944 Tätigkeit in der FA-Baden und der DEKK, 1945 Weiterbeschäftigung im LKA-Dresden, 1947 Degradierung zum Hilfssachbearbeiter ebd., ab 1950 ordentliches Mitglied ebd. mit dem Titel OLKR, 1959 Ruhestand; 1933 – 1938 DC-Mitglied; 1935 – 1945 Mitglied FA-DEKK, 1935 – 1945 Vorsitzender FA-Dresden. Vgl. Personenlexikon, 144 f. Krçger, Otto, Dr. 543 ab 1934 KonsRat in Münster ; 1935 – 1938 Mitglied FA-Münster. Krommes, Fritz 545 geb. 26. 9. 1906 Fritzlar, gest. 4. 3. 1971 Kassel, 1934 – 1957 im LKA-Kassel; 1941 – 1945 Mitglied FA-Kassel. Kronenberg, Kurt, Dr.jur. 540 geb. 4. 2. 1905 Aupitz, gest. 6. 7. 1987 Bad Gandersheim, 1932 – 1947 in der Kirchenverwaltung, zuletzt als OKonsRat in der DEKK und dem EOK-Berlin; 1941 – 1943 Mitglied FA-EOK-Berlin. Krìger-Wittmack, Georg, Dr.jur. 542 geb. 5. 3. 1902 Berlin, gest. 2. 7. 1986 Darmstadt, ab 1933 KonsAss in Stettin, ab 1936 KonsRat ebd. und in der DEKK, ab 1939 Referent im EOK-Berlin; 1936 – 1945 Mitglied FA-Stettin. Vgl. Personenlexikon, 146. Kube, Wilhelm 32, 191 geb. 13. 11. 1887 Glogau, gest. 22. 9. 1943 Minsk, 1928 – 1936 NSDAP-Gauleiter brandenburgische Ostmark, 1933 – 1936 Oberpräsident Brandenburg-Berlin und PosenWestpreußen. Kìhlewein, Julius, D.theol. 137, 213, 308, 405, 407 – 409, 414 – 417, 426, 428 – 430, 437, 439 f., 442, 446 – 448, 450, 461, 463, 465 f., 468, 471 f., 479 – 482, 496, 514, 517

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Personenregister / Biographische Angaben

geb. 18. 1. 1873 Neunstetten, gest. 2. 8. 1948 Freiburg im Breisgau, 1924 – 1933 Prälat der badischen Landeskirche, 1933 – 1945 badischer Landesbischof, im November 1945 Rücktritt. Vgl. Personenlexikon, 147 f. Kupsch, Hermann, Dr.jur. 543 geb. 3. 7. 1891 Klettwitz, gest. 3. 6. 1952 Münster, ab 1925 im Konsistorium Münster, 1939 Abordnung zum Konsistorium Königsberg; 1935/36 Vorsitzender FA-Münster, 1936 – 1938 Vertreter des Vorsitzenden ebd. Lachmund, Heinrich 298 f., 304, 322 – 324, 338 geb. 6. 9. 1875 Wolfenbüttel, gest. 4. 3. 1952 Wolfenbüttel, 1927 – 1946 Pfarrer in Blankenburg, zwischenzeitlich suspendiert und amtsenthoben; 1933 – 1945/46 Vorsitzender des braunschweigischen Pfarrernotbunds. Vgl. Personenlexikon, 150. Lambrecht, Friedrich, Dr.jur. 298, 300 f., 303, 305 – 307, 313 – 317, 322, 546 geb. 11. 4. 1898 Klein Biewende, gest. 6. 5. 1982 Braunschweig, 1924 2. Staatsexamen, 1924 – 1938 Mitglied im LKA-Wolfenbüttel, zuletzt als leitender Justitiar, 1934 – 1938 Mitglied der braunschweigischen Kirchenregierung, 1938 Wechsel in den Staatsdienst, zunächst im Finanzamt Braunschweig eingesetzt, ab 1939 Regierungsrat, 1941 – 1949 Oberregierungsrat im Oberfinanzpräsidium Hannover, dann Wechsel nach Göttingen, ab 1950 am Niedersächsischen Landesrechnungshof Hildesheim, 1951 Regierungsdirektor, 1953 Ministerialrat, 1966 leitender Ministerialrat; 1936 – 1938 Vorsitzender FAWolfenbüttel. Lammers, Hans Heinrich, Dr.jur. 98, 113, 120, 124, 140 f., 157, 171, 249 geb. 27. 5. 1879 Lublinitz, gest. 4. 1. 1962 Düsseldorf, 1933 – 1945 Chef der Reichskanzlei. Lampe, Walther, Dr.jur. 190, 192, 242 geb. 10. 9. 1894 München, gest. 18. 9. 1985 Hannover, 1933 – 1960 OLKR im LKAHannover. Vgl. Personenlexikon, 151 f. Lang, Theophil, Dr.jur. 109, 153, 418 f., 421 f., 424 – 428, 431, 433 f., 437, 440, 443, 446, 448, 450, 452, 455 f., 485, 490, 493, 510, 520, 524, 547 geb. 1904, gest. (gefallen) 1944 (Russland), 1930 – 1933 RA in Adelsheim, 1933 – 1938 Bürgermeister von Mosbach, 1938 – 1944 Bürgermeister von Bruchsal, 1939 Kriegsdienst, 1941/42 Erster Beigeordneter in Mülhausen/Elsass. Lauterbacher, Hartmann 146, 309 geb. 24. 5. 1909 Reutte (Österreich), gest. 12. 4. 1988 Seebruck, 1940 – 1945 NSDAPGauleiter Süd-Hannover-Braunschweig, 1941 – 1945 Oberpräsident in Hannover. Leffler, Siegfried 32 geb. 21. 11. 1900 Azendorf, gest. 10. 11. 1983 Hengersberg, Anfang der 30er Jahre Mitbegründer, später Reichsleiter der Thüringer DC (Kirchenbewegung DC, Nationalkirchliche Einung). Vgl. Personenlexikon, 154. Lehmann, Ernst, Dr.phil. 505 geb. 1861, gest. 1948, 1911 – 1931 Pfarrer in Mannheim. Leo, Paul, Dr.theol. 257 geb. 9. 1. 1893 Göttingen, gest. 10. 2. 1958 Dubuque (USA), 1930 – 1938 Pfarrer in

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Osnabrück, 1938 zwangsweise in den Ruhestand versetzt, Verhaftung, KZ Buchenwald, 1939 Emigration, 1939/40 Gastprofessur Pittsburgh, 1940 – 1943 Repetent in Pittsburgh, 1943 – 1950 Pfarrer in Texas, 1950/51 Professor in Dubuque/Iowa. Leutheuser, Julius 32 geb. 9. 12. 1900 Bayreuth, gest. (gefallen) 24. 11. 1942 bei Stalingrad, Anfang der 30er Jahre Mitbegründer der Thüringer DC. Vgl. Personenlexikon, 156. Linke, Friedrich 396 geb. 21. 2. 1912 Walkenried, gest. 5. 4. 1987, ab 1943 Hilfsarbeiter bei der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig, 1945/46 Suspendierung durch die Militärregierung, später Vizepräs. am Oberlandesgericht Braunschweig; 1944 Rechtsberater LKA-Wolfenbüttel, 1945 Mitglied in der braunschweigischen Kirchenregierung. Loerke, Ernst 541 f. 1936 – 1939 im Konsistorium Königsberg, ab 1939 im Konsistorium Stettin; 1935 – 1945 Mitglied FA-Königsberg, bis 1936 als Vorsitzender, 1936/37 als Vertreter des Vorsitzenden, ab 1937 als Mitglied. Lìbbing, Hans, Dr.jur. 242 – 245, 253 – 255, 294, 545 geb. 5. 5. 1904 Oldenburg, gest. 28. 1. 1984, 1935 Eintritt ins LKA-Hannover zunächst als Hilfsarbeiter, 1939 außerplanmäßiger Beamter auf Widerruf mit der Amtsbezeichnung „Kirchenrat“, 1940 vom LKA-Referat befreit, 1941 OLKR im LKA-Hannover, nach dem Krieg weiter im Dienst der Landeskirche Hannovers, 1948 ordentlicher LKR, 1953 Finanzdezernent; 1923 – 1925 Stahlhelm, 1923 – 1925 Brigade Erhardt, 1933 Mitglied NS-Rechtswahrerbund, 1933 NSDAP-Mitglied; 1940 – 1945 Mitglied FA-Hannover. Lìhrs, Albert 276 geb. 17. 1. 1886 Barrien, 1914 – 1929 Pfarrer in Langendorf, ab 1929 Superintendent in Hittfeld. Lìpke, Hermann von 186 geb. 28. 8. 1884 Stade, gest. 13. 5. 1973 Hannover, 1924 – 1944 Vizepräs. im LKA-Hannover, 1933 Versetzung in den Ruhestand. Vgl. Personenlexikon, 162. Lìtkemann, Wilhelm, Dr.jur. 544 f. geb. 10. 9. 1891 Uetze, gest. 19. 7. 1973 Kassel, ab 1939 im LKA-Kassel, 1941/42 – 1948 Präs. ebd.; 1940 – 1945 Mitglied FA-Kassel, ab 1941 als Vorsitzender. Vgl. Personenlexikon, 163. Maas, Hermann Ludwig 506 geb. 5. 8. 1877 Gengenbach, gest. 27. 9. 1970 Heidelberg, 1915 – 1943 Pfarrer in Heidelberg, 1943 zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Vgl. Personenlexikon, 164. Magnus, Erich 541 geb. 11. 8. 1882 Schnellewalde, gest. 12. 10. 1954 Hamburg, ab 1934 OKonsRat im Konsistorium Berlin-Brandenburg, 1940 stellvertretender Präs. ebd., 1946 Ruhestand; 1939 – 1945 Mitglied FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Mahner, Wilhelm 253 geb. 21. 10. 1901 Hannover, gest. 1957, 1929 – 1937 Pfarrer in Oberg, 1938 – 1947 Pfarrer in Hannover, 1947 – 1957 LKR im LKA-Hannover.

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Mahrenholz, Christhard, Dr.phil. D.theol. 77, 84 f., 205, 232, 234 f., 237, 286, 301 – 304 geb. 11. 8. 1900 Adelebsen, gest. 15. 3. 1980 Hannover, ab 1933 OLKR im LKA-Hannover, 1936 – 1945 Mitglied der hannoverschen Kirchenregierung; 1935 – 1937 Mitglied im Reichskirchenausschuss. Vgl. Personenlexikon, 165 f. Marahrens, August, D.theol. 18, 25, 27, 34, 36, 40 f., 77, 115, 137, 168, 184 f., 187 f., 190, 194 – 199, 203 – 206, 209 f., 213 – 223, 226, 232 – 236, 238 – 245, 249, 254, 256 – 258, 260 – 263, 265, 267, 274, 285 – 287, 289 f., 293, 308, 353, 400, 448, 463 geb. 11. 10. 1875 Hannover, gest. 3. 5. 1950 Kloster Loccum, ab 1909 Studiendirektor im Predigerseminar Erichsburg, 1914 – 1919 Lazarettpfarrer, 1918/19 Betreuer von Kriegsgefangenen in Belgien, ab 1920 Superintendent in Einbeck, ab 1922 Generalsuperintendent in Stade, 1925 – 1947 Landesbischof von Hannover, 1928 Abt zu Loccum; 1934 – 1936 Vorsitzender der 1. VKL, ab 1937 Vorsitzender der Kirchenführerkonferenz, 1939 – 1945 Mitglied im Geistlichen Vertrauensrat der DEK; 1933 – 1946 Vorsitzender der Allgemeinen ev.-luth. Konferenz, 1936 Mitbegründer des Lutherrats; 1935 – 1945 Präs. des Lutherischen Weltkonvents. Vgl. Personenlexikon-Nachtrag Mayer, Otto, Dr. 468 f., 547 geb. 27. 10. 1886 Görwihl, Direktor des städtischen Steueramtes in Mannheim; 1933 NSDAP-Mitglied, politischer Leiter ; 1944/45 Mitglied FA-Karlsruhe. Meinzolt, Hans, Dr.jur. 82, 95, 100, 150, 540 geb. 27. 10. 1887 Bächingen an der Brenz, gest. 20. 4. 1967 Weßling, 1935 – 1945 Vizepräs. im LKA-München; 1935 – 1945 Mitglied FA-DEKK. Vgl. Personenlexikon, 169. Meiser, Hans, D.theol. 40, 83, 115, 137, 213, 308, 463 geb. 16. 2. 1881 Nürnberg, gest. 8. 6. 1956 München, 1933 – 1955 bayerischer Landesbischof. Vgl. Personenlexikon, 169 f. Menacher, Paul 444 geb. 1911, ab 1936 Vikar in Karlsruhe, 1940 – 1945 Kriegseinsatz, 1945/46 Vikar in Karlsruhe und Freiburg im Breisgau, dann Pfarrverweser, 1948 Wechsel nach NassauHessen; Mitglied der badischen Bekenntnisgemeinschaft und der Theologischen Sozietät in Baden. Mergenthaler, Christian 73, 136 geb. 8. 11. 1884 Waiblingen, gest. 11. 9. 1980 Bad Dürrheim, 1933 – 1945 württembergischer Ministerpräsident und Kultusminister. Meyer, Carl Eduard 547 geb. 11. 6. 1880 Bremen, gest. 26. 7. 1954 Bremen, Mitinhaber einer Privatbank, 1935 – 1941 Schatzmeister der bremischen Kirche; 1941 Vertreter des Vorsitzenden FA-Bremen. Meyer, Erich 543 OKonsRat, 1935/36 Vorsitzender FA-Magdeburg. Meyer, Heinrich 189, 198 – 200, 207, 219 f., 264 geb. 15. 7. 1901 Arndorf, gest. 7. 5. 1979 Leer, ab 1929 Pfarrer in Aurich, 1934/35 Landespropst in Aurich, 1936 Dienststrafverfahren und Amtsenthebung, 1937/39 amnestiert; ab 1936 Landesleiter der DC-Hannover. Vgl. Personenlexikon, 172 f.

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Muhs, Hermann, Dr.jur. 13, 15, 74, 76 – 78, 80, 87, 91, 93 – 97, 99 – 111, 115, 118, 122 f., 130 f., 135 f., 140 – 147, 150, 157 – 161, 163 – 171, 173 – 177, 185 f., 191, 194, 210 – 213, 218 – 221, 223 f., 226 – 228, 230, 238 f., 247, 249 f., 255, 260, 263, 281, 284, 292, 294, 307 f., 358, 372, 376, 403, 417 f., 424, 442 f., 467, 473, 485, 500, 519 – 522, 524 f., 532 – 535 geb. 16. 5. 1894 Barlissen, gest. 13. 4. 1962 Göttingen, 1927 – 1932 RA in Göttingen, 1930 – 1933 Mitglied im preußischen Landtag, 1932 Notar in Göttingen, 1933 – 1935 Regierungspräsident in Hildesheim, 1936 Eintritt ins Reichskirchenministerium, 1937 – 1945 Staatssekretär ebd., nach dem Tod von Kirchenminister Kerrl im Dezember 1941 kommissarisch mit der Leitung des Ministeriums beauftragt, 1945 – 1948 Internierung, ab 1952 RA in Göttingen; 1929 NSDAP-Mitglied, 1930 stellvertretender NSDAP-Gauleiter Süd-Hannover-Braunschweig, 1932 kurzzeitig Einsatz als Gauleiter, 1933 Aufnahme in die SS (1938 dort Oberführer und Führer beim Stabe des Reichsführers SS), 1941 in Ehren aus der SS entlassen; 1933/34 Mitglied im DC-Kirchensenat der Landeskirche Hannovers. Mìller, Friedrich 81 f. geb. 11. 3. 1889 Berlin, gest. (gefallen) 20. 9. 1942 Szolty (Leningrad), 1933 – 1939 Pfarrer in Berlin-Dahlem; ab 1936 Vorsitzender der 2. VKL, 1937 – 1939 Vorsitzender der Konferenz der Landesbruderräte. Vgl. Personenlexikon, 181. Mìller, Hermann, Dr.jur. 82, 95, 100, 150, 540 geb. 5. 1. 1878 Herrenberg, gest. 29. 3. 1945 Stetten/Rems, 1927 – 1945 Direktor im EOK-Stuttgart; 1935 – 1945 Mitglied FA-DEKK. Vgl. Personenlexikon, 179. Mìller, Ludwig 34 – 41, 47 f., 134, 187, 190, 298 – 300, 408 geb. 23. 6. 1883 Gütersloh, gest. (Selbstmord) 31. 7. 1945 Berlin, 1933 Wahl zum Reichsbischof, 1935 Entzug der Befugnisse durch das Kirchensicherungsgesetz aber Verbleiben im Amt. Vgl. Personenlexikon, 180. Mìller, Oswald 541 geb. 21. 7. 1889 Berlin, gest. 27. 5. 1945 Trebbin, 1925 – 1945 im Konsistorium BerlinBrandenburg, ab 1938 Vertreter des Präs.; 1943 – 1945 Mitglied FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Mìnz, Ernst 444 geb. 1915, gest. 1969, badischer Pfarrkandidat, nach dem Krieg Pfarrer in der badischen Landeskirche. Murr, Wilhelm 136 geb. 16. 12. 1888 Eßlingen, gest. (Selbstmord) 14. 5. 1945 Egg, 1928 – 1945 NSDAPGauleiter Württemberg-Hohenzollern, 1933 – 1945 Reichsstatthalter in Württemberg. Neuhaus, Karl, Dr. 126 geb. 1910, Mitarbeiter im Reichssicherheitshauptamt, dort letzter Leiter des Kirchenreferats. Niemann, Albert 379 geb. 1. 3. 1872 Helmstedt, gest. 8. 12. 1939, 1928 – 1938 Pfarrer in Groß-Stöckheim, 1938 von der FA-Wolfenbüttel suspendiert, 1939 Pension.

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Niemann, Gerhard 134, 237, 242, 245, 256 f., 287 geb. 13. 2. 1892 Clausthal-Zellerfeld, gest. 5. 10. 1962 Hannover, 1922 – 1957 im Konsistorium/LKA-Hannover, ab 1933 OLKR. Niemçller, Martin, Dr.theol.h.c.mult 37 geb. 14. 1. 1892 Lippstadt, gest. 6. 3. 1984 Wiesbaden, 1931 – 1937 Pfarrer in BerlinDahlem, 1937 Verhaftung, 1938 KZ Sachsenhausen, 1941 KZ Dachau. Vgl. Personenlexikon, 185. Nordhausen, Friedrich 189, 266 geb. 8. 12. 1892, gest. 5. 7. 1976, 1934 – 1945 Pfarrer in Hannover, 1945 vorübergehend in den Wartestand versetzt, 1949 – 1957 Pfarrer in Bremerhaven. Nìmann, Friedrich 219, 307, 374 geb. 17. 11. 1896 Meggen, 1934 – 1938 Pfarrer in Blankenburg, 1938 zwangsversetzt nach Wieda/Harz, dort bis 1945 Pfarrer, dann in den Ruhestand versetzt. Oberheid, Heinrich 38 f. geb. 7. 2. 1895 Mülheim/Ruhr, gest. 17. 11. 1977 Düsseldorf, 1933 Bischof des „Bistums Köln-Aachen“, 1933 engster Mitarbeiter von Reichsbischof Müller, Juni 1934 Beurlaubung. Vgl. Personenlexikon, 188. Odenwald, Theodor, Lic.theol. 484, 488 geb. 6. 6. 1889 Tauberbischofsheim, gest. 9. 1. 1970 Heidelberg, 1929 – 1945 Professor für Systematische Theologie in Heidelberg. Vgl. Personenlexikon, 188. Oehlert, Gustav 258 geb. 21. 10. 1895 Hannover, gest. 26. 6. 1965, 1926 – 1939 Pfarrer in Rinteln, 1939 zwangsweise in den Ruhestand versetzt, 1945 – 1958 Pfarrer in Lemförde. Otto, Werner 542 OKonsRat in Königsberg; 1936 – 1945 Mitglied FA-Königsberg. Petri, Joachim 547 LKR, 1941 – 1945 Mitglied FA-Nassau-Hessen. Pilger, Arnold 289 f. im November 1945 vom LKA-Hannover mit der Erstellung eines Gutachtens über die FA-Hannover beauftragt. Popitz, Johannes 56 geb. 2. 12. 1884 Leipzig, gest. (hingerichtet) 2. 2. 1945 Berlin, ab 1933 preußischer Finanzminister, im Zuge des 20. Juli 1944 zum Tode verurteilt. Rahn, Felix 188, 201, 206 geb. 16. 3. 1877 Leipzig, gest. 14. 7. 1954, 1909 – 1947 Pfarrer in Sievershausen, ab 1920 Superintendent, 1935 vom eigentlich aufgelösten hannoverschen Landeskirchentag zum „Landesbischof“ gewählt, 1935 Versetzung in den Ruhestand, 1947 Entfernung aus dem Amt. Rapmund, Georg 541 geb. 1879, gest. 1937, 1936/37 KonsPräs im Konsistorium Berlin-Brandenburg; 1936/37 Vorsitzender FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Rath, Ernst vom 379 geb. 3. 6. 1909 Frankfurt a. M., gest. 9. 11. 1938 Paris, fiel als Botschaftsmitarbeiter in Paris einem Attentat zum Opfer.

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Rauls, Wilhelm 301, 316, 397 geb. 11. 1. 1896 Deensen, gest. 24. 3. 1984 Mölln, 1933 – 1943 Pfarrer in Braunschweig, 1935 – 1945 Mitglied der braunschweigischen Kirchenregierung, 1943 – 1962 Pfarrer und Propst in Goslar, 1945 kurzzeitige Entlassung durch die Militärregierung. Redecker, Ilse 145, 163, 178 1941 – 1943 KonsAss im EOK-Berlin, 1942 in die FA-DEKK übernommen, 1943 – 1945 persönliche Referentin Cölles im Rang einer Konsistorialrätin, 1945 entlassen. Redepenning, Wilhelm 205, 232 geb. 3. 2. 1880 Wiedensahl, gest. 24. 2. 1971, 1926 – 1948 Jurist im Staatsdienst, zuletzt Senatspräsident beim Oberlandesgericht Celle, 1936 – 1945 Mitglied der hannoverschen Kirchenregierung. Vgl. Personenlexikon, 203 f. Redlich, Johannes 542 KonsRat; 1935/36 Vorsitzender FA-Breslau, 1936 – 1938 Vertreter des Vorsitzenden FABreslau. Reinecke, Wilhelm 201, 207 geb. 29. 1. 1907, gest. (gefallen) 19. 9. 1941, 1933 – 1935 Hilfsgeistlicher in HarburgWilhelmsburg, 1935 Entzug der Verwaltung der Pfarrstelle, Wechsel in die Landeskirche Mecklenburg, dort 1935 – 1939 Pfarrer in Ludwigslust, ab 1939 Pfarrer in Kladrum, ab 1939 Kriegseinsatz. Renner, Viktor 437 geb. 1877, gest. 1941, Dekan von Karlsruhe-Stadt. Richter, Johannes, Dr.jur. 116 – 118, 186 – 188, 190 – 193, 196 – 203, 206 f., 213, 219, 221 f. geb. 15. 9. 1895 Gehrde, gest. 10. 11. 1977 Göttingen, ab 1928 LKR im LKA-Hannover, 1933 – 1937 Vizepräs. ebd., ab November 1934 beurlaubt, 1938 Hilfsarbeiter im Reichskirchenministerium, ab September 1938 Ministerialrat ebd. Rçpke, Friedrich Wilhelm 300, 303, 311 f., 317 f., 320 f., 324, 332 – 336, 338 – 348, 350, 352 – 355, 358, 363 – 367, 369 f., 373 f., 377, 379 f., 382, 387, 394, 397 – 400, 525, 529 geb. 24. 11. 1892 Bisperode, gest. 9. 5. 1970 Wolfenbüttel, 1922 – 1933 Pfarrer in Beddingen, 1931 – 1934 Kirchenrat des Kirchenkreises Thiede-Engelnstedt, 1934 – 1963 OKR (ab 1939 OLKR) im LKA-Wolfenbüttel, 1940 – 1945 und 1946 – 1963 Stellvertreter des Landesbischofs; 1933 NSDAP-Mitglied; 1933/34 DC-Mitglied. Rose, Gustav 205, 217, 221, 232 – 234, 237, 248 f. geb. 20. 2. 1890 Schulenburg, gest. 7. 1. 1961, 1934 – 1946 Superintendent in Lüneburg; 1936 – 1945 Mitglied der hannoverschen Kirchenregierung, 1949 – 1958 mit Versehung der Pfarrstelle in Schulenburg beauftragt. Rosenberg, Alfred 42, 98, 102, 113 geb. 12. 1. 1893 Reval, gest. (hingerichtet) 16. 10. 1946 Nürnberg, 1933 – 1945 Reichsleiter der NSDAP, ab 1934 „Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“. Rosenkranz, Otto 402 geb. 25. 6. 1882 Braunschweig, 1934 – 1938 Pfarrer in Fümmelse, ab 1935 Propst, 1938 – 1948 Propst in Wolfenbüttel.

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Personenregister / Biographische Angaben

Rosenthal, August 317, 333 geb. 5. 3. 1898, ab 1934 im LKA-Wolfenbüttel, 1938 – 1945 Leiter der Registratur ebd., 1945 Entlassung; 1932 SS-Mitglied, 1932 NSDAP-Mitglied. Rost, Gustav Adolf 407, 410, 431, 433 geb. 21. 1. 1884 Königsteele, gest. 10. 5. 1958 Heidelberg, 1922 – 1933 Pfarrer in Mannheim, 1933 – 1949 OKR im EOK-Karlsruhe, 1945 – 1949 ständiger Vertreter des badischen Landesbischofs. Ruppel, Erich, Dr.jur. 356 geb. 25. 1. 1903 Elberfeld, gest. 7. 7. 1975 Hannover, ab Juli 1935 für kurze Zeit in der Geistlichen Abteilung des Reichserziehungsministeriums, dann Referent im Reichsministerium für die kirchliche Angelegenheiten. Vgl. Personenlexikon, 211. Rust, Bernhard 35, 55 f., 59, 65, 190 f., 193 – 195 geb. 30. 9. 1883 Hannover, gest. (Selbstmord) 8. 5. 1945 Berend/Nübel, 1934 – 1945 Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Sander 191, 194 Gerichtsassessor, bis 1935 Hilfsarbeiter im LKA-Hannover. Sander, Otto 365 geb. 19. 10. 1891 Blankenburg, 1939 – 1961 Pfarrer in Volkmarsdorf und Nordsteimke. Sch•fer, Walter, Lic.theol. Dr.phil. 306, 313, 328 geb. 16. 3. 1903 Essen, gest. 18. 7. 1979 Bolzano (Italien), 1936 – 1939 braunschweigischer Männerwerkspfarrer, 1939 – 1960 Pfarrer in Osnabrück. Schlott, Johannes 296 f., 299 f. geb. 5. 10. 1878 Weißenfels, gest. 13. 11. 1953 Braunschweig, 1911 – 1933 Pfarrer in Braunschweig, 1933/34 OKR im LKA-Wolfenbüttel, 1934 Mitglied der braunschweigischen Kirchenregierung, 1934 aus LKA und Kirchenregierung entfernt, 1935 – 1945 wieder Pfarrer, 1945 interniert, dann auf eigenen Wunsch pensioniert; 1933 DC-Gauobmann Braunschweig. Schmidt, Erhard von 101, 103, 153, 157, 524, 541 geb. 2. 4. 1903 Thorn, gest. 27. 1. 1994 Bergisch-Gladbach, 1932/33 Stabsführer verschiedener SA-Brigaden, 1933 SA-Oberführer, ab 1933 Führer verschiedener SA-Brigaden, 1935 SA-Brigadeführer, 1939 Kriegsdienst, 1942 – 1945 ehrenamtlicher Richter am Volksgerichtshof; 1938 – 1945 Vorsitzender FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Schnelle, Friedrich 186 – 188, 192, 200, 205 f., 208 – 216, 218 f., 222, 224 f., 242, 246 f., 251, 255, 259 f., 282, 285, 287, 294, 545 geb. 22. 10. 1881 Bevensen, gest. 4. 3. 1966 Taetendorf, 1924 – 1946 im Landeskonsistorium/LKA-Hannover, 1933 – 1946 als Präs., 1933/34 Mitglied im hannoverschen Kirchensenat; 1936 – 1938 Vorsitzender FA-Hannover. Vgl. Personenlexikon, 224. Schramm, Max 186, 188, 202 geb. 14. 2. 1872 Elmshorn, gest. 28. 10. 1947 Amelinghausen, 1930 – 1933 Präs. im LKA-Hannover, von den DC 1933 in den Ruhestand versetzt. Vgl. Personenlexikon, 227. Schultz, Johannes 110, 144, 153, 157, 281, 540, 543 geb. 30. 3. 1897 Groß Thiemig, gest. 1967 Berlin, ab 1925 Kirchendienst im Konsistorium Magdeburg, 1930 KonsRat, 1938 OKonsRat, 1943 kommissarischer Kirchenführer

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und Kirchenpräsident in Bremen, 1945 Amtsenthebung; 1936 – 1945 Mitglied FAMagdeburg, ab 1937 als Vorsitzender, 1943 – 1945 Mitglied FA-EOK-Berlin. Vgl. Personenlexikon, 230 f. Schultz, Walther 488 f., 498 geb. 20. 8. 1900 Hof Tressow bei Grevesmühlen, gest. 26. 6. 1957 Schnakenburg, 1933 – 1945 „Landeskirchenführer“ bzw. Landesbischof der Landeskirche Mecklenburg. Vgl. Personenlexikon, 231. Schulz, Ernst Julius 457 geb. 1876, gest. 1949, OKR im EOK-Karlsruhe, 1933 Ruhestand; 1939 – 1945 theologischer Sachverständiger der FA-Karlsruhe. Schulze, Johannes 234 geb. 14. 1. 1901 Celle, gest. 3. 6. 1980 Langenhagen, 1936 – 1948 Pfarrer und Superintendent in Bremervörde; 1938 bis nach 1945 Vorsitzender der Bekenntnisgemeinschaft Hannover. Vgl. Personenlexikon, 231. Schuster, Ludwig 546 f. geb. 27. 2. 1891 Mainz, gest. 12. 4. 1957 Darmstadt, ab 1925 LKR bzw. OKR in Wiesbaden; 1935 – 1937 Mitglied FA-Wiesbaden, 1937 – 1945 Mitglied FA-Nassau-Hessen, Verwaltungsstelle Wiesbaden. Schìtt, Eilhard 281 geb. 23. 4. 1901 Leer, 1927 – 1967 Pfarrer in Aurich, ab 1946 zusätzlich Superintendent. Schwaab, Erich 348, 399 geb. 24. 2. 1905 Wien, gest. 22. 10. 1964, 1934 – 1947 Pfarrer in Astfeld, 1942 – 1945 nebenamtlich von der FA-Wolfenbüttel zur Dienstleistung herangezogen, 1946 von der Kirchenregierung entlassen, 1948 Pfarrverweser in seiner alten Pfarrstelle, 1949/50 wieder zum Pfarramt zugelassen, 1950 – 1964 Pfarrer in Braunschweig; ab 1934 DCMitglied. Schwarzhaupt, Elisabeth, Dr.jur. 161 geb. 7. 1. 1901 Frankfurt a. M., gest. 29. 10. 1986 Frankfurt a. M., ab 1936 juristische Referentin in zentralen Dienststellen der DEK. Vgl. Personenlexikon, 233. Schwerin von Krosigk, Johann Ludwig Graf 47 f. geb. 22. 8. 1887 Rathmannsdorf, gest. 4. 3. 1977 Essen, 1932 – 1945 Reichsfinanzminister. Seebass, Hans Eduard 302, 312 f., 320 f., 323, 334 f., 348, 396 f. geb. 21. 1. 1894 Hehlen, gest. 25. 4. 1957 Braunschweig, 1930 – 1957 Pfarrer im Marienstift in Braunschweig, 1936 – 1957 nebenamtlicher OKR (1939 OLKR) im LKAWolfenbüttel; Mitglied des braunschweigischen Landesbruderrates. Seitz, Wilfried 422 f., 455 f., 517 f., 547 geb. 13. 12. 1899 Mannheim, gest. 11. 5. 1989, 1927 Eintritt in den EOK-Karlsruhe, 1928/29 Einsatz bei der Evangelischen Pflege Schönau, 1929 Finanzrat und zurückversetzt in den EOK-Karlsruhe, 1931/32 Vorstand der Ev. kirchl. Stiftungenverwaltung Karlsruhe, 1932 – 1937 Vorstand der Ev. kirchl. Stiftungenverwaltung in Offenburg, 1937 Oberfinanzrat, 1937 – 1946 Vorstand der Evangelischen Stiftschaffnei Mosbach, 1939 – 1945 Kriegsdienst, 1946/47 Versehung der Vorstandsstelle der Ev. kirchl. Stiftungenverwaltung in Offenburg, 1947 – 1950 Vorstand der Evangelischen Stiftschaffnei

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Mosbach, 1950/51 – 1965 Vorstand der Evangelischen Pflege Schönau; 1933/34 Mitglied im Reichsbund der deutschen Beamten, 1934 NS-Rechtswahrerbund, 1935 NS-Volkswohlfahrt, 1937 NSDAP, 1937 NS-Reichskolonialbund, 1940 Reichsluftschutzbund; 1934 – 1945 DC; 1938 Dienstaushilfe in der FA-Karlsruhe, 1939 – 1945 Mitglied FAKarlsruhe. Sellmann, Martin, Dr. 541 KonsAss; 1935 – 1938 Mitglied FA Konsistorium Berlin-Brandenburg. Siebert, Ewald, Dr. 543 KonsRat; 1935 – 1945 Mitglied FA-Magdeburg, ab 1936 als Vertreter des Vorsitzenden. Siebert, Walter, Dr. 193, 195, 541 geb. 22. 2. 1895 Potsdam, gest. 21. 6. 1966 Berlin, 1930 – 1958 OKonsRat im Konsistorium Berlin-Brandenburg, 1937 – 1945 mit der Führung der Geschäfte des KonsPräs betraut; 1938/39 Vertreter des FA-Vorsitzenden Konsistorium Berlin-Brandenburg. Soellner, Otto 409, 488 geb. 1892, 1923 – 1937 Religionslehrer in Karlsruhe, 1937 – 1945 dasselbe in Heidelberg, 1945 Entlassung aus dem Staatsdienst; 1938 – 1945 FA-Bevollmächtigter in Heidelberg. Sohns, Hans Friedrich 103, 126 f., 153, 156 f., 394, 524, 544 geb. 15. 9. 1907 Illingen, gest. 10. 5. 1990, 1933 – 1939 NSDAP-Reichsleiter des Hauptamtes für Handwerk und Handel, 1935 Mitglied der SS und ehrenamtlicher SDMitarbeiter, 1939 stellvertretender Leiter des SD-Abschnittes München, 1939/40 Wehrmacht, ab 1940 Mitglied der Waffen-SS, 1941 Leiter der SD-Hauptaußenstelle München, 1941/42 Einsatz im Stab des Generalkommissars von Litauen, 1942/43 SDTätigkeit im Reichssicherheitshauptamt, 1943 SS-Sturmbannführer, 1943/44 Befehlshaber der Sicherheitspolizei in der Ukraine, 1944/45 Leiter der Abteilung Wirtschaft des SD-Abschnittes Braunschweig und SD-Tätigkeit in Berlin, 1945 – 1948 Internierung; 1935 Kirchenaustritt; 1937 – 1945 Vorsitzender FA-Düsseldorf. Spiess, Richard 544 geb. 26. 2. 1888 Hahnstätten, gest. 1943, ab 1936 OKonsRat in Düsseldorf; 1936/37 Vertreter des Vorsitzenden FA-Düsseldorf. Stahn, Julius, Dr.jur. 56, 65 f., 78 – 80, 85, 114, 116, 121 – 123, 143, 190 – 194, 200 – 202, 239 – 241, 245 – 247, 281, 326, 329 – 331, 334, 336, 340 – 343, 346, 357, 376, 418, 441, 443, 449 – 454, 457, 475 f., 495 f., 499 geb. 11. 11. 1898 Berlin, gest. 26. 5. 1945 Landsberg/Warthe (russisches Kriegsgefangenenlager), ab 1928 KonsAss auf verschiedenen Stationen in der Evangelischen Kirche der ApU (Stettin, Magdeburg), 1930 – 1935 Preußisches Kultusministerium, 1935 – 1938 Ministerialrat im Reichskirchenministerium, ab 1938 Ministerialdirigent. Stalmann, Karl 236 f., 258, 282, 284, 286 f. geb. 22. 10. 1877 Meensen, gest. 2. 7. 1953 Hannover, ab 1926 Superintendent in Hannover, ab 1930 Stadtsuperintendent von Hannover, ab 1933 Generalsuperintendent von Hannover, 1935 – 1953 OLKR im LKA-Hannover; 1945 Vorsitzender FA-Hannover. Steckelmann, Gustav, Dr.jur. 170 f., 178, 540, 543 geb. 25. 11. 1906 Minden, gest. 12. 9. 1986 Bielefeld, ab 1938 KonsRat bzw. OKonsRat in Münster, 1942 Versetzung in den EOK-Berlin; 1938 – 1945 Mitglied FA-Münster, 1943 – 1945 Mitglied FA-EOK-Berlin und mit Wahrnehmung des FA-Vorsitzes betraut. Vgl. Personenlexikon, 246.

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Steffen, Fritz 317 f., 321, 351, 398 Kirchenoberregierungsrat im LKA-Wolfenbüttel, 1939 OLKR, 1938 – 1945 Leiter der Grundstücksabteilung, 1947 von Militärregierung entlassen, aber vom LKA als Angestellter übernommen, 1949 Rehabilitierung; 1932 NSDAP-Mitglied. Sternsdorff, Karl, Dr. 543 geb. 1895, gest. 1968, 1925 – 1946 im Konsistorium Breslau; 1935 – 1945 Mitglied FABreslau. Stçckmann, Ernst 237, 266 geb. 7. 8. 1886, gest. 19. 11. 1986, 1930 – 1934 Pfarrer in Elbingerode, 1934 Ruhestand, als DC-Geistlicher weiter aktiv, 1947 aus dem Dienst entfernt. Stoppenbrink, Hans 101, 153, 157, 178, 524, 543 geb. 1892, Syndikus; 1938 – 1945 Vorsitzender FA-Münster. Stracke, Ernst 313, 394 geb. 17. 2. 1906 Wuppertal, bis 1940 Landesjugendwart im LKA-Wolfenbüttel. Streck, Heinrich 351, 378, 398, 402, 404 geb. 7. 1. 1896, Beschäftigter im LKA-Wolfenbüttel, 1943 – 1945 FA-Abteilungsleiter, nach dem Krieg Weiterbeschäftigung im LKA-Wolfenbüttel; 1941 – 1943 DC-Mitglied. Stuckart, Wilhelm, Dr.jur. 48 – 50, 53, 60 f. geb. 16. 11. 1902 Wiesbaden, gest. 15. 11. 1953 bei Hannover, 1933 Staatssekretär im preußischen Kultusministerium, 1934 Staatssekretär im Reichserziehungsministerium, ab 1935 Staatssekretär im Reichsinnenministerium. Tacke, Erich 299, 301 geb. 24. 12. 1864 Braunschweig, gest. 26. 3. 1939 Gandersheim, 1901 – 1935 Pfarrer in Gandersheim, 1931 – 1933 Kirchenrat; 1934/35 Mitglied der braunschweigischen Kirchenregierung. Tegetmeyer, Robert 123 geb. 12. 11. 1880 Kranichborn, gest. 6. 10. 1960 Eisenach, ab 1921 Kirchenrat im Thüringer Landeskirchenrat, 1946 Entlassung, 1950 Rehabilitierung und Versetzung in den Ruhestand; 1937 Finanzchef der Kirchenbewegung DC. Theinert, Hans, Dr.jur. 547 geb. 2. 4. 1879 Lübben, gest. 1948, 1939 – 1945 Leiter der Verwaltungsstelle II Wiesbaden der Landeskirche Nassau-Hessen; 1939 – 1945 Mitglied FA-Nassau-Hessen. Vgl. Personenlexikon, 255. Thìmmel, Gerhard, Dr.jur. 101, 153, 157, 540, 543 geb. 15. 12. 1895 Seehausen, gest. 7. 6. 1971 Münster, 1934 – 1936 OKR in der DEKK, ab 1936/38 KonsPräs in Münster ; 1935/36 Mitglied FA-EOK-Berlin, 1936 – 1938 Vorsitzender FA-Münster, 1938 – 1945 Vertreter des Vorsitzenden ebd. Vgl. Personenlexikon, 257. Trçger, Walther, Dr.jur. 95, 541 geb. 29. 2. 1884 Breslau, gest. 28. 8. 1952 Berlin, ab 1936 KonsPräs in Königsberg, 1938 – 1945 Referent im EOK-Berlin; 1937/38 Vorsitzender FA-Königsberg. Vgl. Personenlexikon, 261. Ulrich, Hans 542 geb. 9. 2. 1894 Essen, gest. 19. 8. 1963 Düsseldorf, vor 1936 KonsRat in Stettin, ab 1936 KonsRat in Düsseldorf und Magdeburg; 1935/36 Vorsitzender FA-Stettin. Vgl. Personenlexikon, 262.

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Personenregister / Biographische Angaben

Visbeck, Bernhard 277 geb. 17. 7. 1900 Ahausen, 1929 – 1935 Pfarrer in Barbis, ab 1935 Pfarrer in Lüthorst. Voges, Fritz 407, 410 geb. 1. 6. 1896 Mannheim, gest. 5. 10. 1967 Mannheim, 1933 – 1945 OKR im EOKKarlsruhe, 1934 zwischenzeitlich Dienstleistung in der DEKK, 1945 von der Militärregierung suspendiert, 1948 – 1963 Pfarrer in Mannheim; 1932/33 DC-Landesleiter Baden, 1934 DC-Austritt. Volkers, Johannes 172 geb. 5. 10. 1878 Oldenbrok über Brake, gest. 25. 6. 1944 Oldenburg, 1934 – 1944 oldenburgischer Landesbischof. Vgl. Personenlexikon, 266. Wacker, Otto, Dr.phil. 411 f., 414, 416 geb. 6. 8. 1899 Offenburg, gest. 14. 2. 1940 Karlsruhe, 1933 – 1940 badischer Kultusminister, 1933/34 zugleich badischer Justizminister, 1937 – 1939 Leiter des Amtes Wissenschaft im Reichserziehungsministerium. Wagenmann, Karl, Dr.jur. 190, 192 f., 195, 199, 202, 205, 208, 218, 224 f., 245, 251, 287 f., 294, 304, 545 geb. 15. 8. 1905 Bleckede, gest. 20. 11. 1982 Hannover, 1933 KonsAss in Königsberg, 1933 – 1970 LKA Hannover, zunächst juristischer Hilfsarbeiter, 1934 LKR, 1943 OLKR, 1952 Präs.; 1935 – 1938 Mitglied FA-Hannover, ab 1936 als Vertreter des Vorsitzenden, 1945 wieder Mitglied FA-Hannover. Vgl. Personenlexikon, 267. Wagner, Robert 411 f., 414, 441, 494 geb. 13. 10. 1895 Lindach, gest. (hingerichtet) 14. 8. 1946 Straßburg (Frankreich), 1925 – 1945 NSDAP-Gauleiter Baden, 1933 – 1945 Reichsstatthalter Baden, ab 1940 Chef der Zivilverwaltung im Elsass. Wahn, Paul Gerhard, Dr.jur. 157, 542 geb. 20. 9. 1874 Lübben, gest. 9. 9. 1951 Berlin, 1925 – 1946 KonsPräs in Stettin; 1936 – 1945 Vorsitzender FA-Stettin. Vgl. Personenlexikon, 267. Weber, Oskar 474 geb. 1879, gest. 1947, badischer Pfarrer und Dekan von Pforzheim-Stadt. Wehrenfennig, Erich, D.theol. 162 geb. 9. 4. 1872 Klein-Bressel (Österreich), gest. 13. 4. 1968 Feuchtwangen, 1920 – 1945 Kirchenpräsident (Bischof) der Deutschen Evangelischen Kirche in Böhmen, Mähren und Schlesien. Vgl. Personenlexikon, 270. Weidemann, Heinz, Dr.phil. 122, 142 – 144, 374 geb. 1. 3. 1895 Hannover, gest. 8. 3. 1976 München, ab 1934 bremischer Landesbischof, 1936 Beauftragung mit der Führung der Geschäfte des Präsidenten und Landeskirchenführers Bremen, 1941 erst Dienstenthebung, dann Suspendierung, 1944 Versetzung in den Ruhestand. Vgl. Personenlexikon, 270 f. Wendebourg, Hermann Wilhelm 278 geb. 17. 9. 1887 Barrel, gest. 1969, 1935 – 1958 Superintendent in Wesermünde.

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Personenregister / Biographische Angaben

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Werner, Friedrich, Dr.rer.pol. 55, 71, 79, 95, 109, 116 f., 123, 145, 150 – 152, 158 f., 163, 170, 191, 539 f., 544 geb. 3. 9. 1897 Oliva bei Danzig, gest. 30. 11. 1955 Düsseldorf, 1933 – 1945 Präs. des EOK-Berlin, ab 1937 Leiter der DEKK und der Evangelischen Kirche der ApU, 1945 Entlassung aus dem kirchlichen Dienst; 1932 Gründungsmitglied der Glaubensbewegung DC. Vgl. Personenlexikon, 273. Westermann, Herbert 167, 318, 321, 325, 349 – 356, 370, 384, 387, 390, 393 – 396, 400 – 403, 524, 546 geb. 23. 1. 1903 Hannover, 1930/31 Hilfstätigkeiten als Gerichtsassessor im Staatsdienst, 1932 – 1939 RA in Hannover, 1939 – 1943 LKR im LKA-Wolfenbüttel, 1942/43 Beurlaubung vom Kirchendienst und probeweise Beschäftigung im Staatsdienst beim Oberpräsidenten von Hannover und der braunschweigischen Staatsregierung, 1943 Übernahme als Regierungsrat beim Oberpräsidenten Hannover in der Preisbildungsund Preisüberwachungsstelle, 1945 Volkssturm, Juli 1945 Tätigkeit in der Schulverwaltung beim hannoverschen Regierungspräsidium, Oktober 1945 Entlassung auf Anordnung der Militärregierung, Juli 1946 Wiederaufnahme in den Staatsdienst; 1933 NSDAP-Mitglied, Mitgliedschaften im NS-Rechtswahrerbund, NS-Volkswohlfahrt, Reichsluftschutzbund; 1940 – 1945 Mitglied FA-Wolfenbüttel, 1943 – 1945 als Vorsitzender. Wischmann, Adolf, D.theol. 282 geb. 17. 10. 1908 Brockel, gest. 27. 10. 1983 Rotenburg/Wümme, 1936 – 1948 Studentenpfarrer in Göttingen, 1939 – 1945 Kriegsdienst. Vgl. Personenlexikon, 277. Wollermann, Johannes, Dr.jur. 544 geb. 1895, 1927 – 1933 Dienst im Konsistorium Königsberg, 1933 – 1937 KonsRat im EOK-Berlin, 1937 – 1946 in Düsseldorf, ab 1938 als OKonsRat, 1940 – 1945 Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft, später im Schuldienst; 1938 – 1945 Mitglied FA-Düsseldorf. Wurm, Theophil, D.theol. 40, 83, 115, 137, 213, 308, 463 geb. 7. 12. 1868 Basel, gest. 28. 1. 1953 Stuttgart, ab 1929 württembergischer Kirchenpräsident (1933 – 1949 mit dem Titel „Landesbischof“). Vgl. Personenlexikon, 280. Wurth, Klaus (Nikolaus), D.theol. 405 geb. 1. 12. 1861 Dundenheim, gest. 22. 2. 1948 Bretten, 1924 – 1933 badischer Kirchenpräsident. Vgl. Personenlexikon, 280 f. Zoellner, Wilhelm, D.theol. 77 geb. 30. 1. 1860 Minden, gest. 16. 7. 1937 Düsseldorf, 1905 – 1930 Generalsuperintendent von Westfalen; 1935 – 1937 Vorsitzender des Reichskirchenausschusses. Vgl. Personenlexikon, 284.

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