Politik und Gesellschaft 3411047232, 9783411047239

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Politik und Gesellschaft
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SCHÜLER DUDEN Politik und Gesellschaft Ein Lexikon zur politischen Bildung und Gemeinschaftskunde 2300 Stichwörter aus den Gebieten Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Recht. 120 meist zweifarbige Abbildungen im Text, Literaturverzeichnis.

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Für den Deutschunterricht: Rechtschreibung 1. 2./3. Schuljahr. 96 Seiten.

Jeder Band enthält Texte und Aufgaben zum selb¬ ständigen Wiederholen und Üben. Die DUDENSchülerhiifen stellen den Unterrichtsstoff, abgestimmt auf das jeweilige Alter und Schuljahr, anschaulich dar. Sie führen den Schüler an eine selbständige Arbeitsweise heran und ermöglichen es ihm, seine Kenntnisse zu vertiefen. Für den Rechen- und Mathematikunterricht: Grundrechenarten 1 Ab 2. Schuljahr. 96 Seiten.

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Größen und Maße Ab 5. Schuljahr. 96 Seiten.

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Rechenbäume - Terme - Texte 5./6. Schuljahr. Verbindung der vier Grundrechenarten. 96 Seiten. Gleichungen und Ungleichungen 1 5. /6. Schuljahr. 96 Seiten. Gleichungen und Ungleichungen 2 7. /8. Schuljahr. 96 Seiten.

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Textgleichungen 1 8. Schuljahr. 96 Seiten. Textgleichungen 2. 9. Schuljahr. 96 Seiten. Gleichungen mit zwei Unbekannten 8. /9. Schuljahr. 96 Seiten. Quadratische Gleichungen und Ungleichungen 9. Schuljahr. 96 Seiten. Flächen und ihre Berechnung I 5.-8. Schuljahr. 96 Seiten. Flächen und ihre Berechnung II 9./10. Schuljahr. 96 Seiten. Körper und ihre Berechnung I 5.-8. Schuljahr. 96 Seiten. Körper und ihre Berechnung II 9710. Schuljahr. 96 Seiten.

DUDEN-OXFORD Zweisprachige Wörterbücher Die DUDEN-OXFORD Wörterbücher sind das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit zweier renom¬ mierter Wörterbuchverlage, der OXFORD UNIVERSITY PRESS und des DUDENVERLAGES. Großwörterbuch Englisch 1. Teil: Englisch-Deutsch 2. Teil: Deutsch-Englisch 1696 Seiten mit mehr als 260000 Stichwörtern und Wendungen. Standardwörterbuch Englisch 1. Teil: Englisch-Deutsch 2. Teil: Deutsch-Englisch 1408 Seiten, mehr als 140000 Stichwörter und Wendungen. Kompaktwörterbuch Englisch Englisch-Deutsch - Deutsch-Englisch 800 Seiten mit rund 70000 Stichwörtern und Wendungen. Kleines Wörterbuch Englisch Deutsch-Englisch - Englisch-Deutsch 704 Seiten mit über 50000 Stichwörtern und Wendungen.

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Eine hervorragende Hilfe für die Vorbereitung auf die Abiturprüfung und Training für Klausuren. Der Stoff w ird klar gegliedert und ermöglicht eine methodische Vorbereitung auf die Prüfung. Von besonderem Nutzen sind dabei die vielen Übungs¬ aufgaben aus der schulischen Praxis sowie die zahlreichen .Abbildungen.

USA-LdSSR ,• 12713. Schuljahr. 79 Seiten.

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Geschichte II 12713. Schuljahr. 96 Seiten.

Geschichte I 12713. Schuljahr. 86 Seiten.

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Lineare .Algebra und analytische Geometrie Grundkurs 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Lineare Algebra und analytische Geometrie I Leistungskurs 12713. Schuljahr. 96 Seilen. Lineare Algebra und analytische Geometrie II Leistungskurs 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Stochastik I Leistungskurs 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Stochastik II Leistungskurs 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Basiswissen Mathematik zur Physik 11.-13. Schuljahr. 96 Seiten. Elektrizitätslehre I - Felder 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Mechanik I: Bewegungslehre 11. Schuljahr. 96 Seilen. Mechanik II: Erhaltungssätze 11. Schuljahr. 96 Seiten. Grundlagen der allgemeinen Chemie 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Grundlagen der organischen Chemie 12713. Schuljahr. 95 Seiten. Kunststoffe, Farbstoffe. Waschmittel 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Stoffwechsel und Energieumsatz 12713. Schuljahr. 80 Seiten. Nervensystem und Sinnesorgane 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Genetik 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Zellbiologie 12713. Schuljahr. 96 Seiten. Der deutsche Aufsatz 12713. Schuljahr. 96 Seiten.

Die Landwirtschaft 12713. Schuljahr. 96 Seiten.

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SCHÜLER DUDEN Politik und Gesellschaft

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Wortgeschichte Sprachgeschichte und Etymologie für den modernen Sprachunterricht

Bedeutungswörterbuch Weil viele Wörter mehrdeutig sind

Fremdwörterbuch Von relaxed bis marginal

Die richtige Wortwahl Auf einen Schlag den inhaltlich und stilistisch treffenden Ausdruck

Lateinisch-Deutsch Die Neufassung des »TaschenHeinichen«

Der Sport Vom Fallrückzieher bis zur Trainingslehre

Die Kunst Von der Farbenlehre bis zur Aktionskunst

Die Musik Bach und Bebop, Farbenhören und farbiges Rauschen

Die Literatur Absurdes Theater, Naturalismus, Hinkjambus: die Literatur in ihrer Vielseitigkeit

Die Chemie Von der ersten Chemiestunde bis zum Abiturwissen

Die Ökologie Klassische Ökologie und moderne Umweltproblematik

Die Pflanzen Vom Gänseblümchen bis zum Mammutbaum: Antwort auf Fragen, die im Unterricht offenbleiben

Die Biologie Auf dem neuesten Stand der Forschung

Die Tiere Rötelfalken und Rötelmäuse. Für kleine und große Biologen

Die Physik Die wichtigsten Begriffe und Methoden der Physik

Die Astronomie Von hellen Sternen und schwarzen Löchern. - Stern-Stunden verständlich gemacht

Die Geographie Von der Geomorphologie bis zur Sozialgeographie

Wetter und Klima Vom Heidelberger Talwind bis zu den Passaten

Die Geschichte Ob Merkantilismus oder UN: alles Wissenswerte leicht zugänglich

Die Wirtschaft Vom Break-even-point bis zur Schattenwirtschaft

Politik und Gesellschaft Vom Bruttosozialprodukt bis zur Pressefreiheit

Die Religionen Aberglaube, Christentum, Zwölfgöttersystem: die Welt der Religion auf einen Blick

Die Philosophie »Logik des Herzens« und kategorischer Imperativ: die wichtigsten Modelle und Schulen

Die Psychologie Vom Alter ego bis zur Zwillings¬ forschung

Die Pädagogik Alles zum Thema Schule, Ausbildung und Erziehung

Die Informatik Algorithmen und Zufallsgenerator: das Informationszentrum für Anfänger und Fortgeschrittene

Die Mathematik I 5.-10. Schuljahr

Die Mathematik II 11.-13. Schuljahr

Das Wissen von A bis Z Ein allgemeines Lexikon: die ideale Ergänzung zu den »Spezialisten«

DUDEN-Schülerlexikon Ein Lexikon nicht nur für die Schule

SCHÜLER DUDEN Politik und Gesellschaft 3., überarbeitete Auflage Herausgegeben von den Fachredaktionen des Bibliographischen Instituts Bearbeitet von Professor Dr. Hans Boldt, Universität Düsseldorf Professor Dr. Hede Prehl, Mannheim Professor Dr. Dieter C. Umbach, Karlsruhe y /

S-EB Ü 8 1995 DUDENVERLAG Mannheim • Leipzig • Wien ■ Zürich

Redaktionelle Leitung: Heike Pfersdorff M. A. Redaktionelle Bearbeitung: Klaus M. Lange Grafiken: Uschi Kostelnik, Gabriele Kuhnke

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheits^ufnahme

Schülerduden Politik und Gesellschaft/ hrsg. von den Fachred. des Bibliographisches Instituts. Bearb. von Hans Boldt...-3., überarb. Aufl.Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich: Dudenverl., 1992 ISBN 3-411-04723-2 NE: Boldt, Hans [Bearb.]; Politik und Gesellschaft Das Wort DUDEN ist für Bücher aller Art für den Verlag Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG als Warenzeichen geschützt Alle Rechte Vorbehalten Nachdruck, auch auszugsweise, verboten © Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim 1992 Satz: SCS Schwarz Satz & Bild digital, L.-Echterdingen Druck: Klambt-Druck GmbH, Speyer Einband: Graphische Betriebe Langenscheidt, Berchtesgaden Printed in Germany ISBN 3-411-04723-2

Vorwort zur 3. Auflage Der Schülerduden »Politik und Gesellschaft« wendet sich an die Schüler aller Schularten, insbesondere an Schüler der Sekundarstufen I und II sowie der berufsbildenden Schulen. Er ersetzt nicht das Lehr- oder Arbeitsbuch, das anders als kurze Lexikonartikel Themen problematisieren und unter¬ schiedliche Meinungen wiedergeben kann. Der Band will das notwendige Grundwissen über politische und gesellschaftliche Fakten, Strukturen, Ideen und Prozesse vermitteln und damit zur Vorbereitung auf den Unterricht sowie zur Vertiefung des Gelernten beitragen. Außerdem soll das Lexikon helfen, die täglich von den Medien verbreiteten Informationen zu verste¬ hen und einzuordnen. Die Auswahl der Stichwörter beruht vor allem auf einer Aus¬ wertung von Lehrplänen und Richtlinien der Bundesländer für die zum gesellschaftswissenschaftlichen Fachbereich gehören¬ den Fächer Politik, Gemeinschafts- und Sozialkunde. Zusätz¬ lich wurden Begriffe aufgenommen, die zum Verständnis des politischen und gesellschaftlichen Alltags notwendig sind. Auf die Darstellung historischer Entwicklungen oder Persönlich¬ keiten wurde verzichtet. Die Bearbeitung dieses Schülerdudens war insofern schwierig, als der »Gemeinschaftskunde« nicht nur eine Wissenschaft zugrunde liegt, wie z.B. der »Physik«, sondern mehrere, so z.B. Soziologie, Volkswirtschaftslehre, Geschichte, Politik und Rechtswissenschaft. Dabei handelt es sich um Wissenschaften mit eigenen Traditionen, recht verschiedenen Begriffssprachen und unterschiedlichem Abstraktionsniveau. Mehr als bei ande¬ ren Schülerduden sahen sich daher die Bearbeiter vor das Pro¬ blem gestellt, die Stichwörter in einer einheitlichen und ver¬ ständlichen Begriffssprache zu erklären, ohne auf die jeweils spezifische begriffliche Präzision zu verzichten. Auch war zu berücksichtigen, daß in diesem Bereich unterschiedliche politi¬ sche Einstellungen und Auffassungen den Inhalt von Artikeln, ja sogar die Definition von Stichwörtern beeinflussen und ver¬ ändern können. Ungeachtet dieses für politische Sachverhalte typischen Umstandes blieb es für die Bearbeiter oberstes Prin¬ zip, den Benutzern des Lexikons eine sachliche Information zu

bieten. An der Ausarbeitung der Texte und Schaubilder der 1. Auflage waren zahlreiche Mitarbeiter, vor allem Lehrer und Fachleute aus den Gebieten Politik, Soziologie, Wirtschaft und Recht, beteiligt. Die endgültige Abstimmung der Beiträge wurde von uns vorgenommen. Der schnelle Wandel in Politik und Gesellschaft, insbesondere die Wiedervereinigung und die europäische Entwicklung, machte eine Neuauflage mit zahlreichen neuen Stichwörtern und Aktualisierungen der alten notwendig. Die den Bereich der Wirtschaft betreffenden Stichwörter wurden weitgehend ausgeschieden. Hierfür wird auf den Schülerduden »Wirt¬ schaft« verwiesen. Die Konzeption des Buches wurde im übri¬ gen beibehalten. Seine Neuauflage wurde im wesentlichen vom Lehrstuhl Politikwissenschaft II an der Heinrich-HeineUniversität Düsseldorf besorgt. Verlag und Bearbeiter haben sich bemüht, die Informationen auf den neuesten Stand zu bringen, auch wenn dies aufgrund der sich rapide ändernden politischen Verhältnisse oft schwierig war. An den nunmehr drei Auflagen haben zahlreiche Autoren mitgewirkt, sie sind im Mitarbeiterverzeichnis am Schluß des Bandes aufgeführt. Besitzt ein Stichwort mehrere Bedeutungen, so ist das durch O gekennzeichnet. Verweise sind durch einen Pfeil | kenntlich gemacht. Das Literaturverzeichnis soll zum Weiterstudium anregen. Düsseldorf, Mannheim, Karlsruhe, im April 1992 Hans Boldt, Hede Prehl, Dieter C. Umbach

A ABC-Waffen: Sammelbezeichnung für atomare, biologische und chemische Waf¬ fen. Atom- oder Kernwaffen besitzen nu¬ kleare oder thermonukleare (auf Kernspal¬ tung oder Kernverschmelzung beruhende) Sprengkörper und haben verheerende Wirkung durch Druckwellen, Hitzestrah¬ len und radioaktive Strahlung. Biologische oder bakteriologische Waffen verbreiten krankheitserregende Bakterien (z. B. Pest, Blattern, Milzbrand), die gegen Men¬ schen, Tiere und/oder Pflanzen wirken. Chemische Waffen enthalten v. a. flüssige oder gasförmige Stoffe, die Lähmungen oder Erstickung bei Lebewesen hervorrufen. Die Herstellung und Anwendung von ABC-Waffen ist völkerrechtlich umstrit¬ ten. Die BR Deutschland hat in den t Pari¬ ser Verträgen (1954) einseitig darauf ver¬ zichtet. In einer Konvention von 1972 ver¬ zichteten 113 Staaten auf die Entwicklung, Produktion und Lagerung von bakteriolo¬ gischen und toxisch wirkenden Waffen. Trotz weiterer Erklärungen gegen Herstel¬ lung, Lagerung, Weiterverbreitung und Einsatz dieser Waffen - z. B. anläßlich der Pariser Konferenz für das Verbot chemi¬ scher Waffen 1989/90 - konnte bisher ein Verbot noch nicht weltweit durchgesetzt werden, wie der wiederholte Einsatz von Giftgas z. B. durch den Irak 1984 und 1988 zeigt. Abfallbeseitigung 1 Abfallentsorgung. Abfallentsorgung: Die A. wurde we¬ gen der zunehmenden Abfallmengen, aber auch deren potentieller Gefährlichkeit im häuslichen und gewerblichen Bereich zu einem der zentralen Probleme der t Um¬ weltpolitik. Während im Abfallbeseiti¬ gungsgesetz aus dem Jahre 1972 noch der Gedanke dominierte, sich der Abfälle zu entledigen (Wegwerfgesellschaft), rücken im Gesetz über die Vermeidung und Entsor¬ gung von Abfällen vom 27. August 1986 auch Gesichtspunkte der Abfallvermei¬

dung und Abfallverwertung in den Vorder¬ grund. Allerdings legt das Gesetz keinen Vorrang der präventiv wirkenden Abfall¬ vermeidung fest. Auch der geforderte Vor¬ rang der Verwertung vor der Beseitigung (Müllverbrennung, Deponierung) wird durch den Vorbehalt wirtschaftlicher Zu¬ mutbarkeit wieder wesentlich einge¬ schränkt. Zudem geht das Abfallrecht von einer Gleichrangigkeit der aus Gründen der Ressourcenschonung vorzuziehenden »stofflichen Verwertung« (t Recycling), mit der sog. »energetischen Verwertung« oder »thermischen Behandlung« (Müllver¬ brennung) aus. Die Abfallpolitik der Bun¬ desländer, Kreise und Kommunen ist dementsprechend in recht unterschiedli¬ cher Weise auf die drei Prinzipien der Ver¬ meidung, Verwertung und Beseitigung ausgerichtet. Es überwiegt der Versuch, durch den Bau von Müllverbrennungsan¬ lagen die Entsorgungskapazität zu stei¬ gern, was jedoch auf erheblichen Wider¬ stand in der Bevölkerung stößt. Gegen die Müllverbrennung wird eingewandt, daß sie - abgesehen von den mit ihr einherge¬ henden Schadgasemissionen - Ansätze zur Abfallvermeidung und -Verwertung behin¬ dert. In einigen Bundesländern, v. a. in Kreisen und Gemeinden, werden Anreize zur Müllvermeidung durch eine Staffelung der Müllgebühren gegeben sowie durch ge¬ trennte Sammlung und Behandlung von Papier, Altglas, Metall, organischem Ab¬ fall und Problemmüll. Selten werden auch Kunststoffabfälle erfaßt. Klare gesetzliche Vorschriften zur Behandlung des gewerbli¬ chen Mülls, v. a. der Sonderabfälle, existie¬ ren in der BR Deutschland - im Gegensatz zum t SeRo-System in der früheren DDR - bisher kaum. - t auch VerpackungsVer¬ ordnung. - Abb. S. 8. Abgaben (öffentliche A.) sind alle Lei¬ stungen (meist Geldzahlungen), die der 7

Abgeordnetenhaus 99,5 Mill. t

[in 10001]

56,9 Mill. t Gesamt¬ müllmenge

Hausmüll

64,3

31,2 Mill. t

,^

28 9 28,5 Bodenaushub Bauschutt

Produktions¬ abfälle 5,3

5,4 Mill. t 03,0 Mill. t

Klärschlamm 1,2 ->

1977

1980

1982

1984

1987

Abfallentsorgung. Die Entwicklung der Abfallmengen 1977—87 einiger ausgewähl¬ ter Abfallarten Bürger an den Staat oder andere t juristi¬ sche Personen des öffentlichen Rechts (Gemeinde, Stadt) zu erbringen hat und die zur Deckung des allgemeinen öffentli¬ chen Bedarfs dienen. Zu den A. gehören insbesondere die t Steuern, die grundsätz¬ lich nach dem Maß der Leistungsfähigkeit des Abgabenpflichtigen erhoben werden, sowie die Gebühren, die für eine dem Pflichtigen gegenüber erbrachte Leistung der Verwaltung zu entrichten sind (z. B. Post- und Fernmeldegebühren). Beiträge müssen als Entgelt für einen mittelbaren Vorteil, den eine Verwaltungsmaßnahme dem Beitragspflichtigen bringt, gezahlt werden (z. B. Erschließungsbeiträge). Abgeordnetenhaus: Allgemein die Be¬ zeichnung für eine parlamentarische Kör¬ perschaft (Volksvertretung). Von 1855 bis 1918 in Preußen die 2. Kammer neben dem Elerrenhaus. Seit 1950 Bezeichnung des Parlaments von Berlin. Abgeordneter heißt das gewählte Mit¬ glied eines Parlaments. Der A. genießt ei¬ 8

ne besondere Rechtsstellung (t freies Man¬ dat, t Immunität, 1 Indemnität). Je nach Teilnahme am parlamentarischen Gesche¬ hen und politischer Bedeutung unterschei¬ det man die politische Führung, die gege¬ benenfalls Regierungspositionen über¬ nimmt, Sachverständige für spezielle Fra¬ gen (Experten) und »Hinterbänkler«. Wählbar als A. ist jeder Staatsbürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat. Abhängigkeit bezeichnet ein Verhältnis, in dem etwas sich nach anderem richtet oder richten muß, ihm seine Entwicklung oder gar seine Existenz verdankt. In der Medizin spricht man von einer A. von Drogen (t Sucht), aber auch im sozialen Bereich gibt es zahlreiche Abhängigkeits¬ verhältnisse (z. B. Kinder - Eltern). Eben¬ so können Staaten voneinander abhängig sein oder das Parteiensystem eines Landes von dem dort herrschenden Wahlsystem oder Wählerverhalten. Extreme Formen der A. nennt man Hörigkeit. Die Ausnut¬ zung bestimmter Abhängigkeitsverhältnis-

Abrüstung

se (z. B. Vormund - Mündel, Arzt - Pa¬ tient) ist unter Strafe gestellt. Abitur, auch Reifeprüfung genannt, wird nach 13 (in den fünf neuen Bundesländern 12) Schuljahren abgelegt. Es berechtigt zum Fach- oder Hochschulstudium, das heute z.T. durch f Numerus clausus einge¬ schränkt ist. - t auch Schule. ABM:

0 Kurzform für Anti-ballistic Missiles (t Nuklearstrategie). 0 Abkürzung für t Arbeitsbeschaffungs¬ maßnahmen. Abrüstung: Beschränkung oder Beseiti¬ gung der militärischen Rüstung mit dem Ziel, die Chancen einer international ver¬ einbarten Friedensordnung zu vergrößern. In einem weiteren Sinne werden auch Ab¬ sprachen über die Beschränkung zukünfti¬ ger Rüstungen als Maßnahmen der A. be¬ zeichnet. Unter diesen Begriff fallen auch Absprachen über Standorte und techni¬ sche Ausführungen oder Möglichkeiten

der Modernisierung von Waffensystemen. Problematisch i§£ es, Absprachen über den Ausbau des Waffenpotentials als A. zu be¬ zeichnen. Ansätze zu einer allgemeinen A. gab es bereits 1899 auf den Haager Frie¬ denskonferenzen. Nach dem 1. Weltkrieg wurden dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten im Versailler Friedensver¬ trag weitgehende Rüstungsbeschränkun¬ gen auferlegt, die zugleich der Beginn ei¬ ner allgemeinen A. sein sollten. Die Abrü¬ stungskonferenz im Rahmen des Völker¬ bundes scheiterte jedoch an den gegensätz¬ lichen Interessen der Staaten. Eine partiel¬ le Rüstungskontrolle wurde lediglich auf dem Gebiet des Flottenbaus durch die Flottenabkommen von Washington (1921/22) und London (1930) sowie den deutsch-britischen Flottenvertrag (1935) erreicht. Nach dem 2. Weltkrieg hat sich die BR Deutschland nach Wiedererlan¬ gung ihrer Souveränität zu gewissen Rü¬ stungsbeschränkungen gegenüber den

(Abgaben, Leistungen und Duldungsptlichten gegenüber Staat, Gemeinden und anderen öffentlich-rechtlichen Verbänden)

Geldleistungen

Steuern, Zölle (Abgaben i.e.S.) Beiträge Gebühren öffentlich-rechtliche Leistungsentgelte (z. B. für Leistungen der Post)

Naturalleistungen

Unterlassungs- und Duldungspflichten

- allgemeine Leistungen, z. B. Wehrpflicht, Zeugen¬ pflicht, Anzeige- und Ablieferungspflichten

z.B. von Grundstücks¬ eigentümern bei öffentlicher Nutzung ihres Grundstücks

- spezielle Leistungen, z. B. Straßenreinigungspflicht der Anlieger

Abgaben. Bei öffentlichen Abgaben und Lasten handelt es sich um eine Sammel¬ bezeichnung für Leistungen aller Art an die öffentliche Hand 9

Abrüstung

Staaten der f Westeuropäischen Union verpflichtet und auf die Herstellung und den Besitz von Kernwaffen verzichtet. Nach dem Einsatz der Atombombe durch die USA im 2. Weltkrieg konzentrierten sich die Abrüstungsbemühungen auf die Kontrolle der Herstellung und Weitergabe von t ABC-Waffen und die Durchführung von experimentellen Atomexplosionen. In der Phase des t kalten Krieges standen sich zunächst das Bemühen der UdSSR um ein totales Verbot von Nuklearwaffen und die Forderung der USA nach einem umfassenden Abrüstungskonzept unter Einbeziehung der konventionellen Streit¬ kräfte unvereinbar gegenüber. Die USA verlangten - angesichts des sowjetischen Übergewichts an konventionellen Waf¬ fen - insbesondere deren Reduzierung und die Errichtung eines internationalen Kontrollsystems, während die UdSSR lediglich einer gleichmäßigen Verringerung der Waffen zustimmte und jegliche Inspektion ablehnte. Unter dem Eindruck des t ato¬ maren Patts und der ständigen Weiterent¬ wicklung immer komplizierterer Waffen¬ systeme entschärften sich diese Positio¬ nen. 1961 einigten sich die USA und die UdSSR über Prinzipien einer allgemeinen A. und die Errichtung einer Abrüstungs¬ kommission von 18 Staaten. Nach der Kubakrise (1962) konzentrierten sich die beiden Supermächte auf konkrete Abrüstungsschritte und gaben das Ziel ei¬ ner umfassenden A. auf. Erfolge wurden erzielt mit dem 1 Atomteststoppabkom¬ men, dem aber Frankreich und China fernblieben. Das Abkommen über die friedliche Erforschung und Nutzung des Weltraums verbot die Nutzung des Welt¬ raums für nichtfriedliche Zwecke. Im t Atomwaffensperrvertrag von 1968, dem sich auch die BR Deutschland anschloß, wurden Grundsätze vereinbart, die die Weitergabe von Material und Ausrüstung zur Herstellung von Atomwaffen verhin¬ dern sollen. Seit Beginn der 1970er Jahre hat sich das Schwergewicht der Bemühungen um A. auf Verhandlungen zwischen den Super¬ mächten über Rüstungskontrolle (t SALT = Strategie Arms Limitation Talks) verla¬ gert. Es ging im wesentlichen darum, das quantitative und qualitative Verhältnis der 10

Rüstung der USA und der UdSSR festzu¬ legen. Im SALT-I-Abkommen von 1972 wurde eine Einigung über die Begrenzung von Systemen zur Abwehr ballistischer Ra¬ keten (= Raketen, die sich auf einer ge¬ krümmten Flugbahn bewegen) und über bestimmte Maßnahmen hinsichtlich der Begrenzung von strategischen AngrifFswaffen erzielt. In den Jahren 1973 und 1974 folgten Abkommen über die Verhin¬ derung von Atomkriegen und über die Be¬ grenzung unterirdischer Kernwaffenversu¬ che. Das SALT-II-Abkommen von 1979 brachte weitere quantitative und qualitati¬ ve Reduzierungen der strategischen Waf¬ fen der beiden Supermächte. Obwohl der amerikanische Kongreß diesen Vertrag nicht in Kraft setzte, hielten sich beide Sei¬ ten im wesentlichen an seine Bestimmun¬ gen. In den Jahren 1982 und 1983 verhan¬ delten die USA und die UdSSR im Rah¬ men der START (= Strategie Arms Reduction Talks) ebenfalls über diese Art von Waffen. Ab 1985 fanden zwischen den USA und der UdSSR umfassende Abrü¬ stungsverhandlungen über strategische Nuklearwaffen, Nuklearwaffen in Europa (t INF) und Weltraumwaffen (t Welt¬ raumrüstung) statt. Über eine Verringe¬ rung der t konventionellen Waffen in Eu¬ ropa wird im Rahmen der MBFR-Verhandlungen (t MBFR) seit 1973 in Wien beraten. Vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Militärbündnissen der t NA¬ TO und des Warschauer Paktes wurden 1975 auf der t KSZE-Konferenz beschlos¬ sen. Seit 1984 wurde über weitere Ma߬ nahmen auf der t KVAE-Konferenz in Stockholm verhandelt. 1986 wurden sie mit der Annahme eines Bündels von Ver¬ trauens- und sicherheitsbildenden Ma߬ nahmen (VSBM), die die Transparenz und Berechenbarkeit im militärischen Bereich fördern sollen, beendet. 1987 wurden mit dem t INF-Vertrag die Verhandlungen über die Reduzierung der nuklearen Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von 500 bis 5 500 km abge¬ schlossen mit dem Ergebnis, daß alle Flug¬ körper mittlerer Reichweite der USA und der UdSSR bis 31. Mai 1991 beseitigt wur¬ den. Die Vertragseinhaltung ist durch strenge Verifikationsmaßnahmen über 13 Jahre gesichert.

Absolutismus Wesentliche und rasche Fortschritte brachte die auf der Madrider KSZE-Konferenz von 1989 getroffene Vereinbarung über konventionelle Streitkräfte in Euro¬ pa, t VKSE. Im VKSE-Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten der NATO und des Warschauer Paktes vom November 1990 wurden erhebliche Abrüstungen des Kriegsgeräts vom Atlantik bis zum Ural innerhalb von 40 Monaten vereinbart. Höchstgrenzen wurden für jede Seite hin¬ sichtlich der Kampfpanzer (20000), der gepanzerten Fahrzeuge (30 000), der Artil¬ leriegeschütze (20000), der Kampfflug¬ zeuge (6800) und der Kampfhubschrau¬ ber (2000) festgelegt. Die 1985 wiederaufgenommenen STARTVerhandlungen über strategische nukleare Offensivwaffen zwischen den USA und der Sowjetunion führten 1991 zu einem Vertrag, der etwa eine Halbierung der ato¬ maren Trägersysteme und Gefechtsköpfe vorsieht (t START). Die durch die A., durch Truppenreduzie¬ rung und Auflösung von Standorten ent¬ stehenden Kosten werden in der BR Deutschland allein für den Bund etwa 1 Mrd. DM betragen. Abschiebung: Behördlich angeordnete zwangsweise Entfernung eines Ausländers aus einem t Staatsgebiet. Die A. dient dem Vollzug einer förmlichen t Ausweisung oder der Abweisung einer illegal eingerei¬ sten Person. Sie ist nach dem Ausländerge¬ setz vom 9. Juli 1990 anzuordnen, wenn die freiwillige Ausreise nicht gesichert ist oder aus Gründen der t öffentlichen Si¬ cherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Die A. in einen Staat, in dem Verfolgung aus ras¬ sischen, religiösen oder politischen Grün¬ den droht, ist unzulässig. Zur Vorberei¬ tung der Ausweisung kann ein Ausländer in bestimmten Fällen in Abschiebehaft ge¬ nommen werden. Abschöpfungen: Erhebung einer Ein¬ fuhrabgabe in Höhe der Differenz zwi¬ schen Inlandspreis und einem niedrigeren Auslandspreis eines Gutes. Das System der A. ist ein Grundelement der Agrar¬ marktordnungen der EG (t Europäische Gemeinschaft). Es dient der Angleichung der Weltmarktpreise an die Garantiepreise des 1 Agrarmarkts und schützt so die

Abrüstung

1963

Atomteststopp-Abkommen 112 Unterzeichner

1967

Abkommen über die friedliche Nutzung des Weltraums 85 Unterzeichner

1967

Verbot von Atomwaffen in Südamerika 23 Unterzeichner

1968

Atomwaffensperrvertrag 121 Unterzeichner

1971

Vertrag gegen Atomwaffen auf dem Meeresboden 74 Unterzeichner

1972

ABM-Vertrag zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen Unterzeichner USA/UdSSR

1972

SALT I zur Begrenzung der strategischen Rüstung Unterzeichner USA/UdSSR

1974

Vertrag zur Begrenzung unter¬ irdischer Atomwaffentests (nicht ratifiziert) USA/UdSSR

1979

SALT II zur Begrenzung der strategischen Rüstung (nicht ratifiziert) USA/UdSSR

1986

KVA - Schlußdokument über Vertrauens- und sicher¬ heitsbildende Maßnahmen Unterzeichner 35 KSZE-Staaten

1987

INF-Vertrag_ Unterzeichner USA/UdSSR

1990

KSE-Vertrag_ NATO/Warschauer Pakt

1991

START-Vertrag USA/UdSSR

Landwirtschaft innerhalb der EG vor Weltmarktkonkurrenz. Abschreckungsstrategie t Nuklear¬ strategie. Abschreibung dient der Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des abnutzbaren Anlagevermögens (z. B. Ge¬ bäude, Geräte) eines Betriebes auf mehre¬ re Jahre. Abschwung t Rezession, t Konjunktur. Absolutismus: Unbeschränkte (absolu¬ te) Herrschaft (z. B. absolute t Monarchie,

11

Abstimmung

Parlamentsabsolutismus) im Gegensatz zum t Konstitutionalismus und zu sonsti¬ gen Staatsformen mit t Gewaltenteilung. Abstimmung beendet das Entschei¬ dungsverfahren in einem mehrköpfigen Gremium. Für das Zustandekommen ei¬ nes verbindlichen Beschlusses können un¬ terschiedliche Kriterien bestehen: einfa¬ che, absolute, qualifizierte t Mehrheit oder Einstimmigkeit (entweder der an der A. Beteiligten oder aller Mitglieder des Gre¬ miums). Bei Stimmengleichheit hat der Vorsitzende häufig den Stichentscheid. Abstimmungen können offen (Handzei¬ chen, namentlich, t Hammelsprung) oder geheim (Stimmzettel) erfolgen. In man¬ chen t Geschäftsordnungen wird als Vor¬ aussetzung der A. die Beschlußfähigkeit des Gremiums, d. h. die Anwesenheit ei¬ ner bestimmten Anzahl seiner Mitglieder verlangt (t Quorum). abweichendes Verhalten: In der So¬ ziologie Bezeichnung für ein Verhalten von einzelnen oder Gruppen, das von den gültigen Regeln und Verhaltensvorschriften der Gesellschaft (t auch Norm) ab¬ weicht. Abwertung ist eine währungspolitische Maßnahme, durch die der Außenwert ei¬ ner Währung herabgesetzt wird. Die A. kann ein Mittel zur Erhöhung der interna¬ tionalen Wettbewerbsfähigkeit sein (z. B. wird der Export dadurch erleichtert). Abzahlungsgeschäft ist der Kauf einer beweglichen Sache, bei dem der Käufer den Kaufpreis nicht in einer Summe, son¬ dern in Teilzahlungen entrichtet (Kauf »in Raten«) und der Verkäufer sich in der Re¬ gel das Eigentum bis zur vollen Beglei¬ chung des Kaufpreises vorbehält. Wirt¬ schaftlich handelt es sich beim Abzahlungs- und Teilzahlungsgeschäft um eine Verbindung von Güteraustausch und Kre¬ ditgewährung. Wegen der großen wirt¬ schaftlichen und sozialen Bedeutung des A., insbesondere für die weniger bemittel¬ ten Bevölkerungsschichten, sind \m Abzah¬ lungsgesetz vom 16. Mai 1974 wichtige Be¬ stimmungen zum Schutze des Verbrau¬ chers und der wirtschaftlich und sozial Schwächeren enthalten. Adel: Durch Geburt, Besitz oder Lei¬ stung (durch Ernennung = Briefadel) aus¬ gezeichneter t Stand mit besonderen sozia¬

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len und politischen Verpflichtungen und t Privilegien, häufig exklusiv gegen andere Stände abgeschlossen mit eigener Lebens¬ form. Administration t Verwaltung. Adoption: Annahme einer Person als Kind; Herstellung eines künstlichen Eltern-Kind-Verhältnisses durch Ausspruch des Vormundschaftsgerichts. Die A. ist nur zulässig, wenn ein echtes Eltern-KindVerhältnis hergestellt werden soll und die Annahme dem Wohl des Kindes dient. Sie soll nicht mehr den Fortbestand des Na¬ mens und des Vermögens sichern, sondern einem Kind, das ein gesundes Zuhause entbehren muß, eine Familie geben. Nach der Reform des Adoptionsrechts im Jahre 1977 wird das Kind nunmehr mit allen Rechtswirkungen in die neue Familie auf¬ genommen; die alten Verwandtschaftsverhältnisse erlöschen. Die Annahme eines Kindes durch ein Ehepaar als gemein¬ schaftliches Kind ist die Regel; das Kind kann jedoch auch durch eine Einzelperson angenommen werden. Adoptionsvermitt¬ lungsstellen sind: Landesjugendämter, Diakonisches Werk, Deutscher Caritas¬ verband, Arbeiterwohlfahrt. In der Praxis hat sich weitgehend die Inkognito-Adoption durchgesetzt, bei der Name und Anschrift der Adoptiveltern den natürlichen Eltern nicht genannt werden. Agglomeration [von lateinisch agglomerare »zusammenballen«]: Anhäufung; z.B. städtische A. (t Ballungsräume): Ge¬ biet mit einer v. a. durch die Industrie aus¬ gelösten Verdichtung der Ansiedlung von Menschen, Wohngebäuden, Arbeitsstät¬ ten mit hohen Wirtschaftsleistungen auf engem Raum. Aggression [von lateinisch aggressio »Angriff«]: 0 Im t Völkerrecht der kriegerische An¬ griff eines oder mehrerer Staaten auf einen anderen. Gegen eine A. besteht das Recht auf Notwehr. Die A. ist als völkerrechts¬ widrig (t UN). 0 In der Psychologie v. a. das affektbe¬ dingte Angriffsverhalten von Menschen, das sich in vielfältiger Weise gegenüber Mitmenschen oder Institutionen äußert und der Selbstbehauptung bei einer tat¬ sächlichen oder vermeintlichen Bedro¬ hung oder auch der Erweiterung der eige-

Agrarpolitik Flächenstillegung in der Bundesrepublik Deutschland 1988-1991') Bundesland

stillgelegte Flächen in ha

Schleswig-Holstein Hamburg Niedersachsen Bremen Nordrhein-Westfalen Hessen Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Bayern Saarland Berlin (West)

Anteil an der gesamten Ackerfläche

29178 370 88220 16 32142 30388 22704 36334 71813 1 167 1

5,0% 4,9% 5,2% 0,8% 3,0% 6,0% 5,3% 4,3% 3,4% 3,0% 0,1%

Bundesgebiet (alt)

312333

4,3%

Mecklenburg-Vorpommern Sachsen-Anhalt Brandenburg Sachsen Thüringen Berlin (Ost)

144041 123944 207311 66044 57145 758

12,7% 11,8% 19,3% 8,7% 8,8% 13,8%

Beitrittsgebiet Bundesgebiet (neu)

599243 911576

12,8% 7,5%

') Die Zahlen für die neuen Bundesländer beziehen sich auf 1990/91 Agrarpolitik. Flächenstillegung landwirtschaftlich genutzter Flächen nen Machtstellung (z. B. Positionskämpfe) dient. A. kann die Reaktion auf eine t Fru¬ stration sein. Sie kann sich auch gegen die eigene Person wenden (Autoaggression, Selbsthaß). Agitation [von lateinisch agitare »antrei¬ ben«] ist eine aggressive, propagandisti¬ sche Tätigkeit, die das Denken und Han¬ deln der Menschen beeinflussen soll mit dem Ziel, politische und soziale Zustände zu ändern. Agrargesellschaft: Bezeichnung für ei¬ ne Gesellschaft, in der der überwiegende Teil der Bevölkerung in der Landwirt¬ schaft beschäftigt ist, mit geringer t Mobi¬ lität und mit starker Traditionsverbunden¬ heit (im Gegensatz dazu: t Industriegesell¬ schaft). Die Entwicklung einer Agrarge¬ sellschaft und das Seßhaftwerden der Menschen hängen zusammen. Voragrari¬ sche Gesellschaften sind die der Sammler und Jäger sowie die viehzüchtenden No¬ maden.

Agrarmarkt:

0 Alle Tauschbeziehungen der Anbieter und Nachfrager von Agrarerzeugnissen. 0 Gemeinsamer Markt der t Europäischen Gemeinschaft (t Europäischer Agrar¬ markt). Agrarpolitik: Alle Maßnahmen und Be¬ strebungen, die auf die Gestaltung und Steuerung der wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Verhältnisse in der Landund Forstwirtschaft ausgerichtet sind. Zie¬ le der A. sind: die Erhaltung und Förde¬ rung der Leistungsfähigkeit der Landwirt¬ schaft (ökonomisch) unter gleichzeitiger Beachtung einer gerechten Einkommens¬ verteilung (sozial) sowie einer ausreichen¬ den Versorgung der Volkswirtschaft mit den notwendigen Nahrungsmitteln (poli¬ tisch). Heute müssen alle agrarpolitischen Ziele auch ökologische Gesichtspunkte be¬ rücksichtigen. Land- und Forstwirtschaft können auf die Dauer nur mit, nicht gegen die Natur arbeiten. Um der landwirtschaft13

Agreement

liehen Überproduktion und zugleich dermit dem Einsatz von Schädlingsbekämpfungs- und Düngemitteln verbundenen ökologischen Probleme Herr zu werden, hat die EG in jüngster Zeit den Bauern mit Hilfe von Flächenstillegungsprogrammen einen materiellen Anreiz gegeben, Teile der Anbaufläche zumindest zeitweise nicht mehr zu bewirtschaften. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme ist jedoch als gering zu veranschlagen, da meist ertragsschwache Flächen aus der Produktion genommen werden. Kritisch ist an der gegenwärtigen Agrarpolitik ferner anzumerken, daß durch t Subventionen vorwiegend die gro¬ ßen, relativ einkommensstarken Betriebe begünstigt und die Kleinbetriebe (Neben¬ erwerbs- und Familienbetriebe) vermehrt aus der Produktion gedrängt werden. Für die Umstellung auf eine umweltverträgli¬ che Landwirtschaft werden nur sehr gerin¬ ge Subventionsmittel eingesetzt. In den fünf neuen Bundesländern begann 1990 die Umformung der kollektivierten Landwirtschaft (t landwirtschaftliche Pro¬ duktionsgenossenschaften) mit großen Schwierigkeiten: Nach 40 Jahren staatli¬ cher Planwirtschaft gemäß sowjetischem Muster konnte bei der Landbevölkerung die Orientierung auf Privatinitiative, per¬ sönliches Eigentum an Hof und Acker und marktwirtschaftliches Konkurrenzverhal¬ ten nur schrittweise gelingen. Die A. der Bundesregierung und der EG zeigten zu¬ nächst nur bei Förderungsmaßnahmen in bestimmten Bereichen Wirkung (Zuschüs¬ se zur Frühjahrsbestellung, teilweise Ent¬ schuldung für Genossenschaften u.a.). t auch Landwirtschaft. Agreement [englisch »Vereinbarung, Übereinstimmung«]: Übereinkunft zwi¬ schen zwei oder mehreren Staaten; das A. muß nicht schriftlich fixiert werden und bedarf nicht der Billigung der Parlamente der betreffenden Staaten. Es beruht allein auf der Zuverlässigkeit und Glaubwürdig¬ keit der Partner. Agrement [französisch »Genehmigung, Bewilligung«]: Eine aus diplomatischer Höflichkeit eingeholte vertrauliche Erklä¬ rung eines Staates, daß die von einem an¬ deren Staat geplante Entsendung eines Di¬ plomaten willkommen ist, d. h. daß dieser »persona grata« sei. Infolge seiner t Souve¬

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ränität ist der Empfangsstaat nicht ver¬ pflichtet, den ihm vorgeschlagenen Diplo¬ maten zu akzeptieren und kann ihn des¬ halb ohne Angabe von Gründen ablehnen. Aide-memoire [französisch »Gedächt¬ nishilfe«]. Im diplomatischen Verkehr Be¬ zeichnung für eine zusammenfassende Ge¬ sprächsnotiz, die als Gedächtnisstütze dient und dem Gesprächspartner formlos überreicht wird. Aids (engl. Abk. für acquired immune deficiency syndrome = erworbenes Immun¬ schwächesyndrom): 1980 entdeckte, durch Viren ausgelöste Infektionskrank¬ heit, die zu schweren und bislang nicht heilbaren Störungen der Immunabwehr mit Todesfolge führt. Die Ansteckung er¬ folgt v. a. durch Geschlechtsverkehr und Kontakt mit infiziertem Blut. Weitgehen¬ den Schutz vor einer Ansteckung gewähr¬ leistet die Verwendung von Präservativen (Kondomen) beim Geschlechtsverkehr. Akademie:

OGelehrtenvereinigung. ^Hochschulähnliche Einrichtung für ein besonderes Ausbildungsumfeld; auch In¬ stitut für Fortbildung in Erörterung. In der ehemaligen DDR war vor allem die A. der Wissenschaften bedeutsam. Akklamation [von lateinisch acclamare »zurufen«]: Zustimmung durch Beifalls¬ äußerungen (z. B. Zuruf) bei Wahlen und Beschlußfassungen. Die A. kann die t Ab¬ stimmung ersetzen, wenn sich kein Wider¬ spruch ergibt. Häufig in t Diktaturen als Mittel demokratischer Scheinlegitimie¬ rung. Akkord ist eine Lohnbasis in der Wirt¬ schaft. Der Akkordlohn bemißt sich - im Gegensatz zum Zeitlohn - nicht nach der Arbeitsdauer, sondern nach der in einem Zeitabschnitt erbrachten Arbeitsleistung (ausgedrückt in Stückzahlen). Akkreditierung [von französisch accrediter »beglaubigen«] ist ein hoheitlicher Akt, bei dem ein Diplomat sein Beglaubi¬ gungsschreiben (= Akkreditiv) als Vertre¬ ter seines Staates dem Staatsoberhaupt des Empfangsstaates übergibt. Akkulturation: Übernahme von Be¬ standteilen einer fremden t Kultur, deren Wertvorstellungen, t Normen und Verhal¬ tensmuster durch eine Einzelperson, Gruppe oder Gesellschaft.

Alleinvertretungsanspruch AKP-Staaten: Kurzbezeichnung für die

Aktiengesellschaft (AG) ist eine t Ka¬

(1990: 69) von der EG bevorzugt behan¬ delten Staaten Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums, die 1975 in Lome ein Kooperationsabkommen schlossen. Die EG stellt den AKP-Staaten Entwick¬ lungshilfe und zinsbegünstigte Darlehen der Europäischen Investitionsbank zur Verfügung für den Ausbau der Infrastruk¬ tur und Zusammenarbeit im Landwirt¬ schafts-, Industrie- und Dienstleistungssek¬ tor. Die Entwicklungsländer erhalten zoll¬ freien Zugang zu den EG-Märkten und öffnen sich ihrerseits für deren Exporte. Durch das Stabex-System (Stabilisierung der Exporterlöse) soll den Ländern ein Mindesteinkommen für Exportprodukte gesichert werden, von deren Einnahmen sie stark abhängig sind. Begünstigt werden v. a. die ärmsten Länder der Erde. In den Lome-Abkommen II (1979), III (1984) und IV (1989) wurde die Entwicklungshil¬ fe erheblich erhöht und die Zusammenar¬ beit intensiviert. Nach dem Lome-IV-Ab¬ kommen (Laufzeit zehn Jahre; Finanzbe¬ schlüsse fünf Jahre) werden die Gesichts¬ punkte der Achtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes wesentlich ver¬ stärkt. So verpflichten sich die AKP-Staa¬ ten z. B. auf eine Politik zur Erhaltung der tropischen Regenwälder und der biologi¬ schen Artenvielfalt. Die Umweltverträg¬ lichkeit wird bei der Beurteilung von Ent¬ wicklungsprojekten einbezogen. Aktie ist ein t Wertpapier, das von einer t Aktiengesellschaft (AG) auf einen bestimmten t Nennwert (mindestens 50 DM) ausgestellt und verkauft wird. Sie dient der Beschaffung langfristigen Kapi¬ tals. Die A. gibt ihrem Besitzer (— Aktionär) bestimmte Vermögensrech¬ te: den Anspruch auf Gewinnbeteiligung (t Dividende), das Bezugsrecht auf neue (junge) Aktien bei einer Kapitalerhöhung sowie den Anspruch auf Beteiligung am Liquidationserlös bei Auflösung der AG. Der Aktionär hat das Recht, Auskunft über die Geschäftstätigkeit der AG zu for¬ dern, und Stimmrecht in der Hauptver¬ sammlung (z. B. bei der Entlastung des Vorstandes oder bei der Wahl -des t Auf¬ sichtsrats). Aktien sind übertragbar und werden an der t Börse gehandelt. - 1 auch Belegschaftsaktie.

pitalgesellschaft mit eigener Rechtspersön¬ lichkeit (t juristische Person), deren Mit¬ glieder (= Aktionäre) mit ihren Einlagen (— t Aktien) am Grundkapital der AG be¬ teiligt sind. Die Aktionäre haften nicht persönlich, sondern nur mit ihren Einla¬ gen für die Verbindlichkeiten der AG. Bei der Gründung einer AG muß das Grund¬ kapital mindestens 100 000 DM betragen. Eine AG wird dann gegründet, wenn gro¬ ße Kapitalmengen notwendig sind; so ist die AG die vorherrschende Finanzierungs¬ und Rechtsform der Großunternehmen. Eine AG ist zur Veröffentlichung ihres Ge¬ schäftsberichts gesetzlich verpflichtet. Das Aktienrecht und die Satzung regeln die rechtlichen Grundlagen der AG. Ihre Or¬ gane sind der leitende Vorstand, der kon¬ trollierende t Aufsichtsrat und die Haupt¬ versammlung der Aktionäre, deren Kon¬ trollrechte wegen der Zersplitterung des Aktienbesitzes, der zum Teil fehlenden Sachkenntnis und aus Entschlußträgheit oft kaum genutzt werden. Häufig wird das Stimmrecht von Bevollmächtigten ausge¬ übt (Depotstimmrecht der Banken). aktives Wahlrecht heißt das Recht, als Wähler an politischen t Wahlen teilzuneh¬ men. - t auch Bundestagswahl, aktuelle Stunde: Auf Antrag von min¬ destens fünf Prozent der Bundestagsabge¬ ordneten anberaumte, höchstens einstündige Diskussion über ein Thema von »all¬ gemeinem, aktuellem Interesse«. Die Sprechzeit ist auf fünf Minuten pro Red¬ ner begrenzt. Im 11. Deutschen Bundestag wurden 126 solcher »Aktuellen Stunden« abgehalten. In den Parlamenten der Bun¬ desländer sind A. S. ebenso üblich, aber unterschiedlich geregelt. Akzeleration [von lateinisch acceleratio »Beschleunigung«]: Schnelleres Wachs¬ tum und früherer Beginn der körperlichen Reife bei Jugendlichen im Vergleich zu früheren Generationen. Die A. führt häu¬ fig zu individuellen und sozialen Konflik¬ ten. AI Fatah t PLO. Alleinvertretungsanspruch war der Anspruch der Bundesregierung, als einzi¬ ge demokratisch gewählte deutsche Regie¬ rung allein für Deutschland zu sprechen. Während der Gültigkeit der sog. t Hall15

allgemeine Geschäftsbedingungen

Steindoktrin nahm die BR Deutschland keine diplomatischen Beziehungen zu Staaten (außer der UdSSR) auf, die die DDR anerkannten. allgemeine Geschäftsbedingungen

(AGB): Die AGB, auch das »Kleinge¬ druckte« genannt, sind ein fester Bestand¬ teil des Wirtschaftslebens. Die neuzeitliche Entwicklung beim Umsatz von Waren und Leistungen hat zu einer starken Typisie¬ rung der dabei verwendeten vertraglichen Bedingungen geführt. An die Stelle des im t Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Ver¬ tragsrechts, das die Interessen beider Ver¬ tragsparteien berücksichtigt, sind daher weitgehend AGB getreten, die vielfach überwiegend den Interessen der Hersteller und Lieferanten dienen. Die AGB gelten aber nur bei ausdrücklichem Hinweis auf sie, wenn den Vertragspartnern ihre Kenntnisnahme möglich ist und sie mit ih¬ nen einverstanden sind. Unwirksam sind AGB-Klauseln, die den Vertragsgegner unangemessen benachteiligen oder dem anderen Teil einseitige Vorteile im Hin¬ blick auf die Geltendmachung seiner Rechte einräumen. Allgemeine

Ortskrankenkasse

t Krankenkassen. Allianz: Völkerrechtliche Bezeichnung für ein Bündnis zwischen Staaten. Allian¬ zen spielten zur Zeit hegemonialer Bestre¬ bungen einer Großmacht (Frankreich, Spanien) eine wichtige Rolle in Europa und waren auch für die Weltkriege im 20. Jahrhundert entscheidend. - t auch Hege¬ monie. Alliierte: Durch eine formelle t Allianz verbündete Mächte. Bezeichnung v. a. für die Kriegsgegner Deutschlands im 1. und 2. Weltkrieg (z. B. die sog. »Großen Vier«: USA, UdSSR, England und Frank¬ reich). Nach 1950 waren damit im allge¬ meinen die westlichen Hauptbündnispart¬ ner der t NATO gemeint. Allparteienregierung heißt eine Regie¬ rung, an der alle im Parlament vertretenen Parteien teilnehmen. A. gibt es besonders in Krisenzeiten zur Erhöhung der t Legiti¬ mation der Regierungsanordnungen. Alpenkonvention: Bezeichnung für das 1989 von der EG, der BR Deutsachland, Frankreich, Italien, Jugoslawien, Liech¬ tenstein, Österreich und der Schweiz abge¬ 16

schlossene »Übereinkommen zum Schutz der Alpen«. Ziel der A. ist es, die Ver¬ kehrsbelastung zu verringern (t Alpentran¬ sit), die Berglandwirtschaft zu erhalten und die weitere Zersiedelung der Alpen zu stoppen. Alpentransit: Die hohe Verkehrsbela¬ stung der Alpenländer durch den Güter¬ verkehr auf den Straßen führte zu einem Alpenverkehrsplan, dessen Ziel es ist, die Belastungen für Mensch und Umwelt auf ein erträgliches Maß zu senken. Geplant sind u. a. Ausbau und Modernisierung der Eisenbahnverbindungen, verstärkter »Huckepackverkehr«, erhöhte Transitge¬ bühren für Lkw, Fahrverbote an Sonnund Feiertagen sowie Nachtfahrverbote. Altenhilfe ist eine Form der t Alterssi¬ cherung. Zu ihr gehören die geschlossene A., bei der alte hilfsbedürftige Menschen in Heimen untergebracht werden, und die offene A., bei der sie von Altenpfleger(innen) an ihrem Wohnsitz betreut werden. Die A. ist im Bundessozialhilfegesetz gere¬ gelt und wird als Hilfe in besonderen Le¬ benslagen ohne Rücksicht auf Einkom¬ men und Vermögen erbracht. Auf die öf¬ fentlich finanzierten Leistungen der A., wie Hilfe zur Haushaltsführung, zur Befriedigung sozialer Bedürfnisse im Krankheits- und Pflegefall u. a., besteht ein allgemeiner Rechtsanspruch. Träger der A. sind Behörden und t Wohlfahrts¬ verbände (z. B. Sozialstationen). Die Be¬ deutung der A. nimmt ständig zu. Ein gro¬ ßer Teil der älteren Bürger ist auf sie ange¬ wiesen. - t auch Pflegeversicherung. Alter bezeichnet allgemein eine bestimm¬ te Lebensstufe (Kind, Jugendlicher, Er¬ wachsener, Greis) wie auch den zeitlich späten Lebensabschnitt. Mit unterschiedli¬ chem Alter sind unterschiedliche Lebens¬ umstände (Schul- und Berufswahl, Ehe¬ schließung, Ausscheiden aus dem Berufs¬ und Erwerbsleben) verbunden. Die damit verknüpften sozialen t Rollen und Erwar¬ tungen sind in den Kulturen verschieden und variieren nach technologisch-wirt¬ schaftlichen Gegebenheiten. Die Spezial¬ disziplin der Alterssoziologie untersucht die soziale Situation und die Lebensformen der biologisch »alten Menschen« u. a. in Abhängigkeit von geltenden gesellschaftli¬ chen Bewertungen dieses »Altersstatus«.

alternative Bewegungen

Der Anteil der alten Menschen an der Ge¬ samtbevölkerung hat in den letzten Jahr¬ zehnten stark zugenommen. Der Alters¬ aufbau eines Volkes wird in der Regel durch eine Alterspyramide (t Bevölke¬ rung) wiedergegeben. - t auch Jugend, alternative Bewegungen: Bezeich¬ nung für Gruppierungen zumeist jüngerer Menschen, die das immer stärker durch materiellen Wohlstand geprägte Leben der modernen Industriegesellschaft ablehnen und unterschiedliche eigene Formen wirt¬ schaftlicher, gesellschaftlicher und politi¬ scher Organisation entwickelt haben. Die Kritik an den bestehenden Verhältnissen bezieht sich v. a. auf undurchschaubar ge¬ wordene Lebensverhältnisse und Großor¬ ganisationen wie die staatliche Bürokratie, Parteien, Gewerkschaften und andere Ver¬ bände, die die Gesellschaft beherrschen. Die Wirtschaft ist nach Ansicht der a. B. von Großkonzernen, die Produktion von Großtechnologien geprägt, wodurch die

Alterslast steigt Folge: 1. Rentenberg

natürlichen Lebensgrundlagen allmählich zerstört würden. Der einzelne Mensch wird als Sklave der Produktion und des Konsums gesehen. Das führte zu dem Ver¬ such der a. B., die eigenen Lebensverhält¬ nisse wenigstens z. T. selbst in alternativen Organisationsformen zu bestimmen sowie ein alternatives Angebot an Waren und Dienstleistungen zu machen. Neben Pro¬ jekten im kulturellen Bereich sind Wirt¬ schaftsprojekte entstanden, die zumeist in genossenschaftlicher Form organisiert sind (alternative Handwerksbetriebe, Druckereien, Buch- und Zeitungsverlage, Dienstleistungs- und Einzelhandelsbetrie¬ be, landwirtschaftliche Betriebe). Es gibt auch Forschungsprojekte, die eine »sanf¬ te« Technologie, neue Arten der Energieund Rohstoffgewinnung und Recycling¬ verfahren erarbeiten sollen. Kritiker wen¬ den ein, die Anhänger der a. B. hätten sich lediglich in den Nischen der Industriege¬ sellschaft niedergelassen. Sie seien in ihrer

I

I

Alterslast sinkt vorübergehend

Alterslast steigt wieder

Alte (65 und älter) auf je 100 Erwerbsfähige (15-64 Jahre)

Grund Geburtenstarke Vorkriegsjahrgänge (1. Weltkrieg) kommen Grund ins Rentenalter Die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre ("Babyberg“) kommen ins Erwerbsalter

Grund Der "Babyberg“ kommt ins Rentenalter, Nachwuchs fehlt

Alterssicherung. Die finanzielle Sicherung der Altersversorgung wird nach heutigen Prognosen als ein Langzeitproblem betrachtet, das sich v. a. auch aus dem Geburten¬ rückgang der letzten Jahre ergibt

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Altersruhegeld

Lebensweise letztlich abhängig von der Existenz gerade der Gesellschaft, die sie verändern wollen und deren Institutionen wie etwa das Gesundheits- oder Sozialver¬ sicherungswesen sie bedenkenlos in An¬ spruch nähmen. Altersruhegeld t Rentenversicherung. Alterssicherung dient dazu, den Bürge¬ rinnen und Bürgern auch im Alter nach Beendigung des Erwerbslebens (60./ 63./65. Lebensjahr, gegebenenfalls früher) t Einkommen zu gewährleisten. Sie ist Teil der t sozialen Sicherheit. Einrichtungen der A. sind t Rentenversicherung, t Alten¬ hilfe, t Vorruhestand. Altersteilzeitarbeit t Vorruhestand. Ältestenrat: Allgemein ein Gremium des Parlaments zur Vorplanung und Koor¬ dination. Der Ä. des f Bundestags ist ein Parlamentsausschuß zur Unterstützung des Bundestagspräsidenten bei der Füh¬ rung seiner Geschäfte. Er besteht aus dem Bundestagspräsidenten, seinen Stellvertre¬ tern sowie 23 Mitgliedern des Bundestags, die von den einzelnen Fraktionen entspre¬ chend ihrer Stärke benannt werden. Die Aufgaben des Ä. sind in der t Geschäfts¬ ordnung des Bundestages festgelegt. Ähn¬ liche Regelungen gelten für den Ä. in den Landtagen. Altlasten sind Altablagerungen und Alt¬ standorte, sofern von ihnen Gefährdungen durch Schad- und Giftstoffe für die Um¬ welt, insbesondere die menschliche Ge¬ sundheit, ausgehen oder zu erwarten sind. Altablagerungen sind verlassene oder still¬ gelegte Deponien, Aufhaldungen und Ver¬ füllungen mit Produktionsrückständen, Bergematerial oder Bauschutt. Altstandor¬ te sind v. a. Grundstücke mit stillgelegten Anlagen, Einrichtungen oder Betrieben. Erhebliche Probleme werden auch durch die Rüstungsaltlasten und deren Beseiti¬ gung verursacht. In den alten Ländern der BR Deutschland schätzt man die Zahl der Altlastenver¬ dachtsflächen auf mindestens 48000. In den fünf neuen Bundesländer sind 12250 A. bekannt, Altlastenverdachtsflächen auf dem Territorium der ehemaligen DDR sind es weitaus mehr, doch liegen noch kei¬ ne endgültigen Zahlen vor. Nach dem Ge¬ meinlastprinzip übernimmt in der Regel der Staat die Sanierungskosten. 18

Altlasten. Anzahl der erfaßten Flächen mit Altlasten in den Ländern der alten Bundes¬ republik (1988) Schleswig-Holstein Hamburg Niedersachsen Bremen N ordrhein-W estfalen Hessen Rheinland-Pfalz Saarland Baden-Württemberg Bayern Berlin (West)

2358 1 840 6200 243 12448 5184 7528 3 596 6500 555 1925

Amendment [englisch »Berichtigung«]:

Gesetzesänderung oder -ergänzung, die in den USA nicht in den ursprünglichen Ge¬ setzestext eingearbeitet, sondern geson¬ dert angefügt wird. Amnestie bedeutet die allgemeine t Be¬ gnadigung einer Gruppe von verurteilten Straftätern durch einen staatsrechtlichen Akt. Mit einer A. verbunden ist meist auch eine Niederschlagung noch nicht abge¬ schlossener Strafverfahren (Abolition). Amnesty International ist eine 1961 gegründete Organisation zum Schutz der Menschenrechte. Die allein aus Spenden finanzierte Vereinigung versucht, Men¬ schen in allen Staaten der Welt zu helfen, die wegen ihrer politischen und religiösen Überzeugung gefangen gehalten werden (t politische Gefangene). Die Organisation erhielt - trotz kritischer Würdigung eini¬ ger ihrer Aktivitäten - 1977 den Friedens¬ nobelpreis. Heute gibt es 4 200 A. I.-Grup¬ pen in 70 Ländern; rund 1,1 Mill. Men¬ schen in 150 Ländern betätigen sich als Mitglieder, Unterstützer oder finanzielle Förderer. Ampelkoalition: Auf die »Farben« der Parteien abzielende Bezeichnung für eine Koalition von SPD (rot), FDP (gelb) und Grünen (grün). Ämterhäufung ist die Vereinigung meh¬ rerer (v.a. öffentlicher) Ämter in einer Person. Die Verbindung bestimmter Äm¬ ter ist häufig politisch unerwünscht (Inter¬ essenkollision) und daher unzulässig (f In¬ kompatibilität). Ämterpatronage ist die Bevorzugung bestimmter Personen bei der Besetzung

Anarchismus

Holstein Mecklenburg-4^

Homburg y

Vorpommern u , Winser Harburg

Unter]

.Leer (Ostfriesl,

f

Osterholz \ • OsterhblzSchormbec Brem^ rv\

! b u r g Trachow- ^ Dannenberg

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Rotenburg \ (Wümme)

DelmenhorstSQ.'Oldenburg'c. m S (Oldb ) ~ ' «Wilde*» t

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Homeln-Pyrmont

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Kreisfreie Stadt Sitz der Kreisverwoltung Sitz des Regierungsprösidiums

\ Osterrode

Landeshauptstadt Kreisgrenze Grenze der Regierungsbezirke 0

20

40

.Göltingei

60 Km

Die Kreise sind nach ihren Verwaltungssitzen benannt, wenn nicht anders angegeben.

Quelle: Der Niedersächsische Umweltminister (1989)

Altlasten. Flächen in Niedersachsen, auf denen Rüstungsaltlasten vermutet werden

von Ämtern aus sach- und fachfremden Motiven (Günstlings- oder Vetternwirt¬ schaft; Einwirkung politischer Parteien zugunsten ihrer Mitglieder). Amtsgericht ist das unterste Gericht in der t ordentlichen Gerichtsbarkeit. Amtshilfe ist jede Hilfe, die eine Behör¬ de einer anderen auf deren Ersuchen lei¬ stet, um dieser die Durchführung ihrer Aufgaben zu ermöglichen oder zu erleich¬ tern. Von Gerichten geleistete A. heißt t Rechtshilfe. Analphabetismus: Nichtbeherrschen des Lesens und Schreibens. Der Anteil der Schreib- und Leseunkundigen (Analphabe¬ ten) wird von der t UNESCO derzeit auf ca. 1 Mrd. Menschen geschätzt, wovon Asien 833 Milk, Afrika 124 Mill. und Süd¬ amerika 24 Mill. aufweisen. Trotz raschen

Anwachsens der Erdbevölkerung nimmt mit fortschreitender Industrialisierung und Ausbreitung des Schulwesens der Um¬ fang des A. prozentual ständig ab. Die UNESCO hat die Bekämpfung des A. 1951 in ihr Grunderziehungsprogramm aufgenommen. In modernen Industrie¬ staaten wächst die Zahl derer, die nicht ausreichend lesen und schreiben können. Anarchie [von griechisch anarchia »Ge¬ setzlosigkeit«]: Herrschaftsloser oder ge¬ setzloser Zustand. -1 auch Anarchismus. Anarchismus: Bezeichnung für soziale und politische Denkmodelle und Bewe¬ gungen, die jede Art von Autorität (z. B. von Staat, Kirche) als Form der Herr¬ schaft von Menschen über Menschen ab¬ lehnen und menschliches Zusammenleben nach den Grundsätzen von Gerechtigkeit,

19

Anarchosyndikalismus

Gleichheit und Brüderlichkeit ohne alle Zwangsmittel verwirklichen wollen. A. als politische Zielsetzung entstammt dem 19. Jahrhundert. Er läßt sich als eine Reak¬ tion auf die wirtschaftlich-sozialen Verän¬ derungen und die gleichzeitigen politi¬ schen Zentralisierungstendenzen jener Zeit erklären. Die Anhänger des A. arbei¬ teten z. T. mit terroristischen Mitteln. Im Hinblick auf die kommunistische Theo¬ rie von der Endphase enthält der t Marxis¬ mus ein utopisch-anarchistisches Element. Im Unterschied zu den Anarchisten, die den Staat durch Revolution abschaffen wollen, gehen die Marxisten jedoch von ei¬ nem allmählichen »Absterben« des Staates nach der Revolution und der Machtüber¬ nahme des Proletariats aus. - f auch Auto¬ nome. Anarchosyndikalismus: Sozialrevolu¬ tionäre t Arbeiterbewegung, die ihren Hö¬ hepunkt in den romanischen Ländern von der Jahrhundertwende bis zum 1. Welt¬ krieg (in Spanien bis zur Endphase des Bürgerkrieges 1938) erlebte. Der A. be¬ ruht auf einem ideologischen und organi¬ satorischen Kompromiß zwischen Anar¬ chisten und Syndikalisten, wobei die Anar¬ chisten gewerkschaftliche Organisation und Disziplin als Kampfmittel akzeptier¬ ten, die Syndikalisten dagegen die Errich¬ tung anarchistischer Kommunen als Ziel für die nachrevolutionäre Zeit anerkann¬ ten. - t auch Anarchismus, t Syndikalis¬ mus. ANC [Abk. für englisch African National Congress »Afrikanischer Nationalkon¬ greß«]: 1912 gegründete südafrikanische Partei der Bantu, deren Ziel eine demokra¬ tische Gesellschaft ist, in der sozial und po¬ litisch gleichberechtigte Rassen integriert Zusammenleben. Nach dem Verbot des ANC im Jahre 1960 formierte sich aus sei¬ nen Reihen die militante Organisation »Speer der Nation« unter der Führung von N. Mandela, der 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Auf immer stärke¬ ren internationalen Druck hin wurde Man¬ dela im Februar 1990 aus der Haft entlas¬ sen und im März 1990 zum Vizepräsiden¬ ten und im Juli 1991 zum Präsidenten des ANC gewählt, dessen Verbot im Februar 1990 aufgehoben worden war. Der ANC ist in den letzten Jahren in blutige Ausein¬ 20

andersetzungen mit der anderen großen Schwarzenorganisation Südafrikas, der Inkatha unter Führung von Chief G. Buthelezi, verstrickt, die die Interessen der Zulu vertritt. ANC und Inkatha rivalisieren um die Führerschaft bei den Verhandlungen um die Abschaffung der Apartheid mit der südafrikanischen Regierung. Andenpakt: Subregionale Zollunion der Andenstaaten Chile, Kolumbien, Peru, Ecuador, Bolivien und Venezuela im Rah¬ men der »Lateinamerikanischen Freihan¬ delszone«. Die Vereinbarung wurde 1969 in Cartagena unterzeichnet, Venezuela trat ihr 1973 bei. Hauptziel des Abkommens war die Schaffung eines gemeinsamen Marktes durch Zollreduktionen. Da über die geplante Behandlung des Auslandska¬ pitals keine Einigung erzielt werden konn¬ te, schied Chile 1976 aus dem Andenpakt aus. 1985 wurde der »Anden-Peso« für den Zahlungsverkehr zwischen den Noten¬ banken der Staaten des A. geschaffen. Anerkennung: Erklärung, bestimmte Tatsachen oder Rechtsverhältnisse gelten zu lassen. Man spricht z. B. im Zivilrecht von der A. der nichtehelichen Vaterschaft, im internationalen Bereich von der A. von Staaten und Regierungen. Anfechtungsklage t Klage. Angestellte sind t Arbeitnehmer, die sich von t Arbeitern und t Beamten ihrer Stellung wie ihren Tätigkeitsmerkmalen nach nur schwer abgrenzen lassen. Das Aufkommen dieses Berufsstandes und sei¬ ne starke zahlenmäßige Zunahme (in den letzten 80 Jahren von einer auf zwölf Mil¬ lionen) hängt zusammen mit der Entwick¬ lung von Unternehmen zu Großbetrieben und der Ausweitung des t öffentlichen Dienstes. Die A., die größtenteils dem Dienstleistungssektor angehören, unter¬ schieden sich von den Arbeitern durch ei¬ ne bessere Schulbildung, mehrjährige Be¬ rufsausbildung, Kündigungsschutz und ei¬ ne eigene Altersversicherung. Der Gro߬ teil der A. fühlte sich dem »Mittelstand« zugehörig und zeigte typisch »bürgerliche« Verhaltensweisen. Inzwischen kann man von einer einheitlichen Berufsgruppe oder sozialen t Schicht kaum mehr sprechen, da sich die A. heute vom Büroboten bis zum t leitenden Angestellten eines Unterneh¬ mens auffächern. Privilegien gegenüber

Anthropologie den Arbeitern bestehen zum Teil noch in t Tarifverträgen und t Betriebsvereinba¬ rungen. Angesteiltenversicherung t Renten¬ versicherung. Angriffskrieg ist ein gewaltsamer, mit militärischen Mitteln offensiv geführter Krieg. Er galt noch im 19. Jahrhundert als legitimes Mittel der Politik souveräner Staaten. Nach der Charta der t UN ist ein A. völkerrechtswidrig. Anklage wird von der t Staatsanwalt¬ schaft bei hinreichendem Verdacht einer t Straftat erhoben, andernfalls erfolgt (ebenso bei Geringfügigkeit des Verge¬ hens) eine Einstellung des 1 Ermittlungs¬ verfahrens. Anleihe: Sammelbegriff für festverzinsli¬ che Schuldverschreibungen, die sowohl von der öffentlichen Hand (Bund, Länder und Gemeinden) als auch von privaten Unternehmen v. a. zur Finanzierung von Investitionsvorhaben ausgegeben werden, z. B. Schatzbriefe, Pfandbriefe, Kommu¬ nal- und Industrieobligationen. Annahme an Kindes Statt t Adoption. Annexion ist die gewaltsame Aneignung fremden Staatsgebiets. Die A. kann nach¬ träglich von dem betroffenen Staat durch t Anerkennung legalisiert werden. Völker¬ rechtlich ist die A. unzulässig. Anomie: Krisenhafter gesellschaftlicher Zustand, der durch t abweichendes Ver¬ halten und Nichtbeachtung bisher gültiger Verhaltensregeln gekennzeichnet ist. Anonymität ist die Namenlosigkeit, das Nichtbekanntsein. Man spricht heute z. B. oft von der A. der Großstadt, d. h., daß der einzelne in der Stadt vielfach ohne Kontakte mit anderen Menschen, v. a. in seiner Nachbarschaft, lebt. Anpassung bezeichnet in der Soziologie die Vorgänge, durch die sich ein Individu¬ um in eine Gesellschaft einordnet und de¬ ren f Normen übernimmt. Als Teil der t Sozialisation ist A. mitentscheidend da¬ für, ob und wie sich ein Mensch in seiner Umwelt zurechtfmdet. Erziehung darf sich jedoch nicht auf bloße Einübung in die be¬ stehenden Verhaltensweisen einer Gesell¬ schaft beschränken oder gar die Übernah¬ me vorgeschriebener Denkschemata und Verhaltensmuster erzwingen, sondern soll auch die Kritikfähigkeit und die Ausbil-

düng einer eigenständigen Persönlichkeit fördern. Paßt siph ein Mensch nur noch den Forderungen seiner Umwelt an, spricht man von Überanpassung (Persön¬ lichkeitsverlust). Anstalten des öffentlichen Rechts sind Einrichtungen zur Erfüllung öffentli¬ cher Aufgaben, die aus der allgemeinen Staats- und Kommunalverwaltung ausge¬ gliedert sind. Im Gegensatz zu den t Kör¬ perschaften des öffentlichen Rechts sind sie nicht mitgliedschaftlich organisiert, sondern stehen Nichtmitgliedern zur Be¬ nutzung offen. Die Rechtsbeziehungen zwischen den A. d. ö. R. und ihren Benut¬ zern werden durch die Anstaltsordnung geregelt. A. d. ö. R. sind z.B. die Bundes¬ anstalt für Arbeit, die Deutsche Bundes¬ bahn, Schulen, Bibliotheken, öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten oder Kran¬ kenanstalten. Sie können selbständig als Träger von Rechten auftreten oder aber in eine größere Einheit (wie z. B. die Biblio¬ thek in einer Stadt) eingegliedert sein. Antagonismus [griechisch »Gegen¬ satz«] bezeichnet einen u. U. unversöhnli¬ chen Gegensatz. Nach der marxistischen Lehre besteht ein solcher Gegensatz zwi¬ schen den Interessen der verschiedenen t Klassen in einer nicht sozialistischen Ge¬ sellschaft. Antarktisvertrag: 1958 von Argenti¬ nien, Australien, Belgien, Chile, Frank¬ reich, Großbritannien, Japan, Neusee¬ land, Norwegen, Südafrika, Sowjetunion und USA abgeschlossener Vertrag über die friedliche Nutzung der Antarktis zu Forschungszwecken. Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im A. sind der Bau einer Forschungsstation und der Betrieb eines Polarforschungsschiffes. Anthropologie [von griechisch änthröpos »Mensch«]: Lehre vom Menschen in der Biologie (z. B. vom Körperbau, von Menschenrassen) und in der Philosophie. Die philosophische A. versucht Aussagen über den Menschen im allgemeinen, unge¬ achtet seiner unterschiedlichen histori¬ schen und soziokulturellen Lebensumstän¬ de und Verhaltensweisen zu treffen. Sie be¬ dient sich dabei des Mensch-Tier-Vergleichs. Schon von der traditionellen Philo¬ sophie wurden Aussagen über den Men¬ schen formuliert (z. B. im t Naturrecht).

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Anthroposophie

Hier gilt der Mensch als »animal rationale et sociale«, d. h. als Lebewesen, das sich durch Vernunft und eine bestimmte Form der Gesellung auszeichnet. Andere beto¬ nen dagegen den Gesichtspunkt des »homo faber«, d. h. die Fähigkeit des Men¬ schen, seine Umwelt mit Hilfe bestimmter Techniken zu gestalten. Vielfach wird die menschliche Sonderentwicklung mit dem aufrechten Gang und dem dadurch einge¬ tretenen Freiwerden der Hände zur prakti¬ schen und damit auch geistigen Tätigkeit (»begreifen von etwas«) in Zusammen¬ hang gebracht sowie mit der Tatsache, daß der Mensch biologisch gesehen nur mit ei¬ ner mangelhaften Ausstattung und v. a. mit nicht hinreichendem Instinkt zur Welt kommt (der Mensch als »Mängelwesen«); daraus folgt, daß er in bedeutendem Um¬ fang nicht biologisch, sondern kulturell (als Kleinkind durch Erfahrung und Erzie¬ hung) geprägt wird und zwar umsomehr, als seine ererbten Anlagen (»Triebe«) ei¬ ner bedeutenden Bildsamkeit (Plastizität) unterliegen. Der Mensch ist für die moder¬ ne A. nie ein Natur-, sondern immer schon ein Kulturwesen, abhängig von der For¬ mung durch seine kulturelle Umwelt (Enkulturation: t Sozialisation), die ihm die mangelhafte Instinktprägung ersetzt. Dies wird auch durch den Hinweis darauf un¬ terstrichen, daß er dauerhafte zwischen¬ menschliche Beziehungen nicht »natür¬ lich-selbstverständlich«, sondern nur mit Hilfe besonderer gestifteter Regeln auf¬ rechtzuerhalten vermag. Weitgehend lebt somit der Mensch in einer »sekundären« Welt, d. h. in von ihm geschaffenen Insti¬ tutionen wie Staat, Verbände, die ihm Weltorientierung vermitteln und ihn vom Umweltdruck entlasten. Mangelhafte Aus¬ stattung, Befreiung von biologischen Vor¬ prägungen und ein über das Streben nach kurzfristiger Befriedigung einfacher Be¬ dürfnisse hinausgehender Antriebsüber¬ schuß gelten als Voraussetzung für eine dauernde aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt, für ihre Umgestaltung und die Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Als Kulturwesen ist der Mensch daher auch v. a. ein geschichtli¬ ches Wesen, das nicht von vornherein auf einen bestimmten Zustand fixiert bleibt, sondern sich in der Zeit mit dem von ihm

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hervorgebrachten kulturellen Wandel selbst verändert. Ob er dabei bestimmte Stufen einer Entwicklung zu einem be¬ stimmten Ende durchläuft, wie vielfach seit der Entstehung der modernen Ge¬ schichtswissenschaft in der t Aufklärung angenommen wird (Fortschrittsglaube), ist zweifelhaft. - 1 auch Fortschritt. Anthroposophie [von griechisch änthröpos »Mensch« und Sophia »Weis¬ heit«] : Weltanschauungslehre, von R. Stei¬ ner 1913 begründet, nach der sich die Welt gemäß einer Stufenlehre entwickelt. Der Mensch soll diese Entwicklung einfühlend und erkennend nachvollziehen, um selbst höhere seelische Fähigkeiten zu entwikkeln. Die A. ist sowohl von christlichem als auch z. B. indischem Gedankengut beein¬ flußt. Die Lehre wurde von der »Anthro¬ posophischen Gesellschaft«, v. a. durch die »Freie Hochschule für Geisteswissen¬ schaften« in Dörnach bei Basel verbreitet. Besonders wirksam ist die A. auf dem Ge¬ biet der Pädagogik mit ihren »Freien Waldorfschulen«. antiautoritäre Bewegung: Die t Stu¬ dentenbewegung Ende der 1960er Jahre führte überall zu einem Aufbegehren der Jugend gegen das t Establishment: Schü¬ ler, Lehrlinge, Studenten und die Jugend¬ organisationen politischer Parteien ver¬ suchten, sich von »autoritärer« Bevormun¬ dung zu befreien. Abgelehnt wurde v. a. die nur von einem Amt, einer Institution abgeleitete t Autorität. Die a. B. wandte sich u. a. gegen die hierarchischen Struktu¬ ren der »Ordinarienuniversität« und for¬ derte Mitbestimmung, »freie, wissen¬ schaftliche Entfaltung« und die Verbin¬ dung von Theorie und Praxis. Antifaschismus: Ursprünglich Be¬ zeichnung der Opposition und des Wider¬ standes gegen den italienischen t Faschis¬ mus, später auch gegen den t Nationalso¬ zialismus und andere faschistische Re¬ gime. Der Ausdruck wurde v. a. von Kom¬ munisten zur Rechtfertigung sowohl ihres Bündnisses mit bürgerlichen Parteien in der f Volksfront als auch von bestimmten Formen des Übergangs zum t Sozialismus benutzt. Insbesondere vor und bei der Gründung der DDR wurde die Sammelbe¬ zeichnung A. von der SED als grundlegen¬ der ideologischer Kampf- und Motiva-

Apartheid

tionsbegriff eingesetzt. Die »antifaschi¬ stisch-demokratische Ordnung« galt in der DDR als verwirklicht; die Trennmauer in Berlin seit 1961 wurde als »antifaschisti¬ scher Schutzwall« bezeichnet. Antiimperialismus ist ein wesentlicher Bestandteil des revolutionären Nationalis¬ mus in Lateinamerika, Afrika und Asien. Oft vom t Marxismus-Leninismus ange¬ regt, kennzeichnet er eine Bewegung ge¬ gen fortdauernde Kolonialherrschaft oder den bestimmenden politischen und wirt¬ schaftlichen Einfluß der USA und einzel¬ ner europäischer Staaten in der t dritten Welt. Antikolonialismus: Bewegung zur Be¬ seitigung und Verhinderung jeder Form von t Kolonialismus. Der A. steht im Mit¬ telpunkt des Selbstverständnisses der Völ¬ ker der T dritten Welt. Antikommunismus bezeichnet die ab¬ lehnende Haltung gegenüber dem 1 Kom¬ munismus allgemein und gegenüber allen sich auf den t Marxismus-Leninismus be¬ rufenden Parteien und Staaten. Nach 1945 bildete sich in der BR Deutschland ein stark emotional gefärbter A. aus, bedingt durch die Teilung Deutschlands und die Etablierung der kommunistischen Herr¬ schaft in der DDR sowie durch die sowje¬ tische t Hegemonie in Osteuropa. Antisemitismus richtet sich nicht gegen alle semitischen Völker, sondern allein ge¬ gen die Juden und wird im Unterschied zur traditionellen Judenfeindschaft v. a. »rassisch« begründet (1 Rassismus). Die Diskriminierung und Verfolgung der Ju¬ den durch die Jahrhunderte erklärt sich aus ihrer Sonderstellung als religiöse und ethnische Minderheit. Kulturelle Eigenhei¬ ten sowie das starke Zusammengehörig¬ keitsgefühl der Juden selbst und ihre Ab¬ drängung in Ghettos und Zunftverbot kennzeichnen die soziale Abgeschlossen¬ heit der jüdischen Bevölkerung bereits im Mittelalter. Antijüdische Legenden (z. B. über Hostienschändung, Brunnenvergif¬ tung) und summarische Anschuldigungen führten zu gewaltsamen Verfolgungen (t Pogrom). Unter dem Einfluß rassischer t Vorurteile (gefördert v. a. durch die Schriften des Grafen von Gobineau und H. St. Chamberlain) fand im 19. Jahrhun¬ dert die Judenfeindschaft als A. neuen

Auftrieb und starke Verbreitung. Zugleich wurden die Jud$n für viele gesellschaftli¬ che Mißstände verantwortlich gemacht. Seinen Höhepunkt erreichte der A. schließlich in den Vernichtungsaktionen des t Nationalsozialismus. - t auch Juden¬ verfolgung. antizyklische Finanzpolitik versucht, Konjunkturschwankungen zu dämpfen. Während der Hochkonjunktur werden die Staatsausgaben gesenkt bzw. die Staatsein¬ nahmen erhöht, um eine Überhitzung der Konjunktur zu vermeiden. In der t Rezes¬ sion wird umgekehrt verfahren. - t auch Globalsteuerung. Anwaltszwang ist die gesetzliche Ver¬ pflichtung, sich in einem Prozeß durch ei¬ nen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten zu lassen. In Zivilsachen besteht A. vor Landgerichten und Gerichten der höheren Instanzen. AOK t Krankenkassen. Apartheid [afrikaans »Gesondertheit, Trennung«]: Bezeichnung für die von der Republik Südafrika bislang praktizierte Politik der Rassentrennung zwischen wei¬ ßer und farbiger Bevölkerung, die seit 1948 offizieller Bestandteil der Politik aller südafrikanischen Regierungen gewesen ist und zu einem auf Rassenkriterien beru¬ henden Herrschaftssystem der privilegier¬ ten weißen Minderheit geführt hat. Die Farbigen wurden systematisch von aller politischen, sozialen und kulturellen Teil¬ habe augeschlossen. Mischehen waren bis 1985 verboten. Das Wahlrecht beschränkt sich auf die weiße Bevölkerung sowie die Mischlinge und Inder. Durch den »Group Areas Act« und den »Bantustan Authorities Act«, beide 1950 erlassen, wurde jeder Südafrikaner einer Rasse und einem be¬ stimmten Wohngebiet zugeordnet. 1954 wurde ein zusätzliches Gesetz erlassen, das die Zwangsumsiedlung der Nichtweißen legitimierte. Um die räumliche Trennung (Segregation) durchführen zu können, wurden speziell für die Bantubevölkerung Südafrikas sog. »Homelands« geschaffen. Widerstandsaktionen der schwarzen Be¬ völkerung beantwortete die Regierung mit scharfen Polizeigesetzen sowie massivem Gewalteinsatz, der bis heute unzählige To¬ te gefordert hat. Die Republik Südafrika wurde wiederholt von den t UN wegen der

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APO

praktizierten Rassenpolitik verurteilt. Durch verstärkten internationalen Druck auf Südafrika, so etwa durch Sanktionen wie Kredit- und Investitionssperren, ist es in den letzten Jahren zu einer teilweisen Lockerung der A. gekommen. Am 1. Fe¬ bruar 1991 kündigte Staatspräsident de Klerk vor dem südafrikanischen Parla¬ ment seine Absicht an, die A. abzuschaf¬ fen. Die Trennung der Wohngebiete nach Rassen, das Verbot des Landbesitzes für Schwarze und v. a. das Erfassungsgesetz zur Rassenkategorisierung sollen aufgeho¬ ben werden. Nach Gesprächen mit reprä¬ sentativen schwarzen Gruppen ist eine an¬ schließende Allparteienkonferenz beab¬ sichtigt, in der eine neue Verfassung ent¬ worfen werden soll, über die wiederum ein Referendum entscheiden soll. - 1 auch ANC. APO t außerparlamentarische Opposi¬ tion. Arabische Liga ist der Zusammenschluß der arabischen Staaten 1945 im Pakt von Kairo zur Zusammenarbeit in politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen sowie zur friedlichen Beilegung in¬ nerarabischer Konflikte auf der Grundla¬ ge gegenseitiger Respektierung der Souve¬ ränität der Mitgliedsländer. Seit 1975/76 wird mit der EG ein sogenannter arabisch¬ europäischer Dialog geführt. Die Absicht der Gründer der A. L., über eine Koopera¬ tion zu einer einigen »arabischen Nation« zu gelangen, konnte wegen vieler politi¬ scher Differenzen nicht verwirklicht wer¬ den. Arbeit

0 ist zweckgerichtete, planmäßige Tätig¬ keit des Menschen zur Befriedigung seiner materiellen und geistigen Bedürfnisse. Um diesem Ziel so nahe wie möglich zu kom¬ men, ist der Mensch vor die Notwendig¬ keit der t Arbeitsteilung gestellt, die eine t Kommunikation und t Kooperation der Menschen miteinander verlangt. So wird A. zur Grundlage sozialer Prozesse in ei¬ ner Gesellschaft. Die zunehmende Unter¬ gliederung der Arbeitsprozesse und die Spezialisierung in den technisch weit fort¬ geschrittenen Industriestaaten werfen das Problem auf, die A. so zu verteilen und zu organisieren, daß jeder die Möglichkeit hat, entsprechend seinen Fähigkeiten und

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Bedürfnissen zu arbeiten. Dabei soll nicht der Mensch mit seiner Arbeitsleistung den Erfordernissen eines hochtechnisierten Arbeitsprozesses (z. B. Fließbandarbeit), sondern umgekehrt der Arbeitsprozeß nach Möglichkeit menschlichen Bedürfnis¬ sen angepaßt werden (sog. Humanisierung der Arbeit). - t auch Recht auf Arbeit. 0 ist in der Volkswirtschaftslehre neben t Boden und t Kapital der dritte zur Erzeu¬ gung oder Verteilung von Gütern oder Dienstleistungen erforderliche t Produk¬ tionsfaktor. Der Faktor A. wird bestimmt durch die Anzahl der Arbeitskräfte, ihre Leistungsfähigkeit und zeitliche Inan¬ spruchnahme. Arbeiter sind f Arbeitnehmer, die für Lohn überwiegend körperliche Arbeit lei¬ sten. Die t Industrialisierung hat die Zahl der A. schnell zunehmen lassen und sie in eine stark abhängige Position als Fabrikar¬ beiter (z. B. am Fließband), verbunden mit nur geringen Aufstiegschancen, gebracht. Das führte dazu, daß die Arbeiterschaft ei¬ ne besondere t Subkultur entwickelte und sich in der t Arbeiterbewegung zusammen¬ schloß. Historische Typen des A. sind Ta¬ gelöhner, Landarbeiter u. a.; heute meint der Begriff A. in erster Linie den Industrie¬ arbeiter, wobei wiederum zu unterschei¬ den ist zwischen dem gelernten (= Fach¬ arbeiter), dem ungelernten und dem Hilfs¬ arbeiter. War im 19. Jahrhundert die Ar¬ beiterschaft eine relativ geschlossene Gruppe (t Arbeiterklasse), so hat sie sich durch zunehmende soziale Verbesserun¬ gen seither differenziert. Insbesondere ha¬ ben sich die Unterschiede (z. B. in der Hö¬ he des Lohns, Urlaubszeit, Kündigungsfri¬ sten) gegenüber den f Angestellten verrin¬ gert; heute bestehen sie vor allem noch in einigen versicherungs- und arbeitsrechtli¬ chen Bestimmungen. Arbeiterbewegung: Alle organisierten Bestrebungen der Arbeiterschaft zur Ver¬ besserung ihrer wirtschaftlichen und sozia¬ len Situation im Kampf um gesellschaftli¬ che, wirtschaftliche und politische Macht. Die europäische A. entstand als Folge der t Industrialisierung und der Herausbil¬ dung des t Kapitalismus: Die daraus her¬ vorgehende neue Gesellschaftsschicht der Lohnarbeiter war zunächst politisch weit¬ gehend recht- und einflußlos und ohne so-

Arbeitnehmer ziale und wirtschaftliche Absicherung, nur von den Unternehmern abhängig, der Ver¬ elendung preisgegeben. Äußerte sich die A. zunächst als spontane Abwehrreaktion gegen Maschinen und Fabriken, so stellte sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend politische Forderungen auf. In der zweiten Jahrhun¬ derthälfte schlossen sich die Arbeiter in t Gewerkschaften, t Genossenschaften und politischen Parteien zusammen. Ihre geistigen Grundlagen bezog die A. v. a. aus sozialistischen Theorien (t Sozialis¬ mus) und aus den Lehren von K. Marx und F. Engels (t Marxismus), die im Kom¬ munistischen Manifest (1848) ihre erste programmatische Grundlage fanden. In Deutschland ging die A. aus den Jahren der polizeistaatlichen Unterdrückung (Sozialistengesetze) zunächst gestärkt her¬ vor und konnte besonders während und nach der Revolution von 1918/19 politi¬ sche und soziale Reformen durchsetzen. Die organisatorische und programmati¬ sche Aufspaltung der A. in eine reformisti¬ sche (t Reformismus, t Revisionismus) und eine revolutionäre (t Bolschewismus, 1 Kommunismus) Richtung, wie sie sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts abzeich¬ nete, schwächte die A. und führte zur Un¬ terdrückung ihrer Organisationen im t Na¬ tionalsozialismus. Nach 1945 wurden in Deutschland die Bedingungen für eine le¬ gale Betätigung von Organisationen der A. wiederhergestellt. - t auch Deutsche De¬ mokratische Republik, 1 Kommunistische Partei Deutschlands, t Sozialdemokrati¬ sche Partei Deutschlands, t Sozialistische Einheitspartei Deutschlands. Arbeiterklasse (t auch Proletariat): Nach der Lehre des t Marxismus die Ge¬ samtheit der Lohnabhängigen, die wegen ihres Nichtbesitzes an Produktionsmitteln ihre t Arbeitskraft zum Zwecke ihrer ma¬ teriellen Existenzsicherung verkaufen müs¬ sen und die in der kapitalistischen Gesell¬ schaft im unversöhnlichen Gegensatz zur besitzenden Klasse der t Bourgeoisie ste¬ hen. Als sozial einheitliche Gruppe mit re¬ volutionärem Bewußtsein ist die A., nach K. Marx, Subjekt der Revolution und Trä¬ ger der Macht im 1 Sozialismus. Als »Par¬ tei der A.« definierte sich die 1946.gegründete marxistisch-leninistische t Sozialisti¬

sche Einheitspartei Deutschlands, die in der DDR nach d$r Theorie von der Dikta¬ tur des Proletariats herrschte. Die Entwicklung der Industriegesellschaft seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat in¬ dessen gezeigt, daß es eine A. in diesem Sinne nicht gibt. Arbeiterwohlfahrt t Wohlfahrtsverbän¬ de. Arbeitgeber ist derjenige t Unterneh¬ mer, die t Personengesellschaft oder t juri¬ stische Person t Behörde u. a„ die t Ar¬ beitnehmer beschäftigt. Der A. kann be¬ stimmte Arbeitsleistungen verlangen und ist seinerseits zur Zahlung des vereinbar¬ ten Lohns und zur Fürsorge verpflichtet. Arbeitgeberverbände sind freiwillige Zusammenschlüsse von t Arbeitgebern zur Wahrung ihrer Interessen; sie bilden den Gegenpol zu den t Gewerkschaften. Die A. sind Fachverbände (z. B. Unter¬ nehmensverband Ruhrbergbau), die sich vielfach zu Landes- und Bundesvereini¬ gungen zusammengeschlossen haben. Na¬ hezu alle Fachspitzenverbände und Lan¬ desarbeitgeberverbände sind Mitglied der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitge¬ berverbände (BDA). Arbeitnehmer sind 1 Angestellte und t Arbeiter in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst. Als nicht selbständig Arbeitende sind sie den Weisungen des t Arbeitgebers unterworfen und erhalten ein regelmäßiges Entgelt. Arbeitnehmer. Nach ihrer Stellung im Berufsleben sind von den 21,8 26,7 26,5 26,9 Mill. Erwerbstätigen 15,6%

12,1 %

9,7%

8,5% Selbständige

14,9%

9,9%

6,3%

1,8%

Mithelfende Familien¬ angehörige

50,1 % 30,0%

38,4% Beamte und Angestellte

20,6% 48,8%

48,0%

45,6%

39,6%

Arbeiter 1950 1961 1970 1987 Ergebnisse der Volkszählungen 1950-87

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Arbeitsamt Arbeitsamt: Unterste Verwaltungsstelle der t Bundesanstalt für Arbeit. Der Bezirk

eines A. schließt meist mehrere Stadt- und Landkreise ein, da er nach arbeitsmarkt¬ politischen Gesichtspunkten unter Berück¬ sichtigung wirtschaftlicher Zusammenhän¬ ge abgegrenzt ist. Die Arbeitsämter haben nach dem t Arbeitsförderungsgesetz insbe¬ sondere folgende Aufgaben: t Arbeitsver¬ mittlung, t Berufsberatung, Förderung der t beruflichen Bildung und t Umschulung, Arbeitsmarktbeobachtung sowie die Ge¬ währung von t Arbeitslosengeld, t Arbeits¬ losenhilfe und Kindergeld. Die Tätigkeit der einzelnen Arbeitsämter wird durch elf Landesarbeitsämter und eine Hauptstelle in Nürnberg aufeinander abgestimmt. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen

(ABM) bezwecken die Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsprozeß durch Bereitstellung von Arbeitsplätzen. Den ABM im weitesten Sinne dienen alle Ma߬ nahmen und Einrichtungen wirtschafts-, sozial- und arbeitsmarktpolitischer Natur, die geeignet sind, den Arbeitsmarkt zu be¬ leben. Heutzutage geht es dabei v.a. um Verbesserung der beruflichen Qualifizie¬

rung und Umschulung, aber auch um Her¬ gabe öffentlicher Mittel für die zeitweise Beschäftigung von Arbeitssuchenden (sog. ABM-Stelleri). A. werden durch die t Bun¬ desanstalt für Arbeit gefördert. 1989 gab sie ca. 4 Mrd. DM für diese Zwecke aus. Arbeitserlaubnis ist eine besondere Er¬ laubnis für t ausländische Arbeitnehmer (Ausnahme: Angehörige der EG-Staaten) zur Arbeitsaufnahme in der BR Deutsch¬ land. Die Erteilung der A. kann je nach Arbeitsmarktlage auf bestimmte Betriebe, Berufsgruppen, Wirtschaftszweige, Bezir¬ ke oder in der Dauer beschränkt werden. Sie verfallt mit dem Erlöschen der t Auf¬ enthaltserlaubnis. Arbeitsförderungsgesetz vom 25. Ju¬ ni 1969 ersetzt das ältere Gesetz über Ar¬ beitsvermittlung und Arbeitslosenversi¬ cherung vom 16. Juli 1927 und sieht außer Maßnahmen der f Arbeitslosenversiche¬ rung auch die Förderung der beruflichen Bildung, gegebenenfalls auch eine Um¬ schulung u. ä. vor. Arbeitsfriede bezeichnet einen konfliktfreien Zustand zwischen den f Tarifpart¬ nern im Gegensatz zum t Arbeitskampf.

Arbeitsgericht

1. Kammer

2. Kammer

3. Kammer

weitere Kammern

2. Kammer

3. Kammer

weitere Kammern

Landesarbeitsgericht

ÄÄÄ 1. Kammer Bundesarbeitsgericht

rhkkkfK .-5. Senat

Ä

MäääääM Großer Senat*)

Berufs richter

\Z7

ih

ehrenamtlicher Richter (Laienrichter)

Arbeitsgerichtsbarkeit. Aufbau der Arbeitsgerichtsbarkeit 26

*) wird bei Abweichung eines Senats von der Recht¬ sprechung eines anderen Senats und bei besonders wichtigen Rechtsfragen angerufen

Arbeitslosenversicherung

Arbeitsfriedenspflicht besteht für die Ta¬ rifvertragsparteien während der Laufzeit von Tarifverträgen. Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der BR Deutschland t ARD. Arbeitsgerichtsbarkeit: Eine den be¬

sonderen Bedürfnissen des t Arbeitsrechts angepaßte Zivilgerichtsbarkeit, die im Ar¬ beitsgerichtsgesetz (ArbGG) geregelt ist. Der A. unterliegen Streitsachen, die sich aus dem Arbeitsverhältnis zwischen t Ar¬ beitgebern und t Arbeitnehmern oder zwi¬ schen Arbeitnehmern ergeben können, so¬ wie tarifrechtliche und betriebsverfas¬ sungsrechtliche Streitigkeiten. Für die er¬ ste Instanz ist zwingend ein Güteverfahren vorgeschrieben, außerdem müssen in der ersten Instanz die Parteien grundsätzlich ihre eigenen Gerichts- und Anwaltskosten selbst tragen. Der Aufbau der A. ist dreistufig: Arbeits¬ gerichte als erste Instanz, Landesarbeitsge¬ richte zur I Berufung und das Bundesar¬ beitsgericht in Kassel für die t Revision. Die Gerichte für Arbeitssachen sind mit Berufs- und Laienrichtern besetzt, dabei entstammen die Laienrichter je zur Hälfte Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkreisen. t auch Gerichtsbarkeit. Arbeitskampf: Kollektive (Kampf-) Maßnahmen von t Arbeitnehmern gegen t Arbeitgeber und umgekehrt, durch die die andere Seite zur Annahme gestellter Forderungen gezwungen werden soll (t Streik, t Aussperrung). In der BR Deutschland ist der organisierte A. auf¬ grund der t Koalitionsfreiheit legal. t auch Gewerkschaften. Arbeitslosengeld ist die finanzielle Un¬ terstützung für Arbeitslose aus den Mitteln der t Arbeitslosenversicherung. Die Zah¬ lung von A. ist auf den Kreis von Personen beschränkt, die gegen das Risiko der t Ar¬ beitslosigkeit versichert sind. Anspruch auf A. hat, wer im Sinne des t Arbeitsför¬ derungsgesetzes arbeitslos ist, wer der t Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, wer die Anwartschaftszeit erfüllt, wer sich beim t Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Zahlung von A. beantragt hat. Der An¬ spruch auf A. erlischt nach unterschiedli¬ cher Dauer (1 Arbeitslosenhilfe). Das A. kann bis 68 % des ausfallenden durch-

schnittlichen Nettoarbeitsentgelts betra¬ gen. ,• Arbeitslosenhilfe tritt an die Stelle des t Arbeitslosengeldes, wenn auf dieses kein Anspruch besteht, weil die Bezugsdauer ausgeschöpft ist oder Anspruchsvorausset¬ zungen für den Bezug nicht erfüllt sind. Die A. beträgt im Höchstfall 58 % des aus¬ fallenden durchschnittlichen Nettoarbeits¬ entgelts. Sie wird für ein Jahr mit Verlän¬ gerungsmöglichkeit gewährt. - t auch So¬ zialhilfe. Arbeitslosenversicherung: Die A. wurde in Deutschland im Jahre 1927 ein¬ geführt. Vorausgegangen waren verschie¬ dene Formen der kommunalen und ge¬ werkschaftlichen Arbeitslosenunterstüt¬ zung. Träger der A. ist nicht der Staat, son¬ dern eine mit Rechten der t Selbstverwal¬ tung ausgestattete öffentliche t Körper¬ schaft, früher die Reichsanstalt für Ar¬ beitsvermittlung und Arbeitslosenversi¬ cherung, heute die t Bundesanstalt für Ar¬ beit. t Arbeitslosigkeit gilt neben anderen (z. B. Krankheit, Alter) als eines der Risiken, ge¬ gen die der einzelne durch ein System der sozialen Sicherung kollektiv geschützt wer¬ den soll. Dies geschieht nach dem Versi¬ cherungsprinzip. Mit der Zahlung von Bei¬ trägen in die A. erwirbt sich der Versicher¬ te einen Anspruch auf Leistungen, wie z. B. t Arbeitslosengeld, wenn der Risiko¬ fall, die Arbeitslosigkeit, eintritt. Heute werden aus der A. jedoch nicht mehr nur finanzielle Unterstützungen für arbeitslose Versicherte gezahlt, sondern auch Ma߬ nahmen zur Erhaltung (Kurzarbeitergeld, Winterbauförderung) und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Maßnahmen der be¬ ruflichen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung finanziert. Inzwischen ist der weitaus größte Teil aller Arbeitnehmer in der A. pflichtversichert (eine Ausnahme bilden die t Beamten, die nicht dem üblichen Beschäftigungsrisiko unterliegen). Nichtversicherte Erwerbstä¬ tigengruppen sind die t Selbständigen und die ihnen mithelfenden Familienangehöri¬ gen. Die Beiträge zur A. werden von Ar¬ beitgebern und Arbeitnehmern zu gleichen Teilen aufgebracht. Vom 1. April 1991 an betragen sie je 6,8% der Beitragsbemes¬ sungsgrundlage. Die Einnahmen der A.

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Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit. Entwicklung des Arbeitsmarkts 1970-1990 und die Prognose bis 2000 1989 betrugen in der BR Deutschland 37,8 Mrd. DM, die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer 35,5 Mrd. DM, die Ge¬ samtausgaben 39,8 Mrd. DM. Das seit Jahren hohe Niveau der Arbeitslosigkeit stellte die A. vor ernsthafte Finanzierungs¬ probleme. Das Problem verlagert sich bei langfristiger t Arbeitslosigkeit, da die Fi¬ nanzierung der t Arbeitslosenhilfe (wenn nach einem Jahr die Zahlung von Arbeits¬ losengeld endet) aus Steuermitteln - auch von den Kommunen - bestritten wird. Arbeitslosigkeit bezeichnet den Zu¬ stand der Beschäftigungslosigkeit von Per¬ sonen, die berufsmäßig in erster Linie als t Arbeitnehmer tätig sind. A. ist ein in der freien t Marktwirtschaft immer wieder¬ kehrendes Problem, das sich auf folgende Ursachen zurückführen läßt: saisonale Be¬ schäftigungsschwankungen, die klimatisch bedingt sind (und v. a. die sog. Außenberu¬ fe, wie z. B. Maurer, im Winter treffen); konjunkturelle Abwärtsbewegungen, in denen mit dem Absatz von Waren auch die Zahl der Beschäftigten sinkt; struktu¬ rell bedingte A., die daraus resultiert, daß die Nachfrage nach den Produkten eines

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bestimmten Wirtschaftszweiges einer Volkswirtschaft zurückgeht; technologi¬ sche Entwicklung und Rationalisierungs¬ maßnahmen, durch die Arbeitskräfte durch Maschinen ersetzt werden (impor¬ tierte Arbeitslosigkeit). Eine abgeschwäch¬ te Form der A. ist die t Kurzarbeit. A. gilt heute als ein Phänomen, das aus so¬ zialen Gründen vermieden werden sollte. So ist die Bundesregierung durch das t Sta¬ bilitätsgesetz verpflichtet, die A. so niedrig wie möglich zu halten. Sie trifft ihre Ma߬ nahmen im Rahmen der t Konjunktur-, t Struktur- und t Beschäftigungspolitik. Außerdem hat der Gesetzgeber den Ar¬ beitslosen mit einem Netz staatlicher Für¬ sorgemaßnahmen umgeben (z. B. die f Ar¬ beitslosenversicherung). Die t Bundesan¬ stalt für Arbeit vermittelt Arbeitslose in freie Stellen und versucht, A. vorbeugend durch t Umschulung zu verhindern. Ihre Monatsberichte geben Auskunft über Schwerpunkte sowie über das Ausmaß der Arbeitslosigkeit. Trotz aller dieser Ma߬ nahmen kann A., insbesondere aus struk¬ turellen Gründen, für längere Zeit und in erheblichem Umfang eintreten.

Arbeitsvertrag

A. großen Ausmaßes brachte in den fünf neuen Bundesländern der Umbau der all¬ umfassenden staaüichen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Bis zum Zusammen¬ bruch hatte es in der ehemaligen DDR ei¬ ne große Zahl unrentabler Arbeitsplätze gegeben (verdeckte A.). Die Privatisierung der Wirtschaft und der Abbau der großen Bürokratien, der »Organe der Staats¬ macht« v.a., ließen die A. wachsen. Arbeitsplatzsicherheit ist die zentrale Arbeitnehmerforderung angesichts der Gefährdung von Arbeitsplätzen durch technologische f Innovationen, weltwirt¬ schaftliche Arbeitsteilung und konjunktu¬ rell bedingte t Arbeitslosigkeit. Arbeitsrecht: Sonderrecht der von ei¬ nem Arbeitgeber abhängigen und dessen Weisungen unterstehenden Arbeitnehmer. Das A. dient seit seiner Entstehung im 19. und 20. Jahrhundert dem Schutz des Ar¬ beitnehmers, soll ihm aber auch eine Teil¬ habe an den ihn wesentlich berührenden Entscheidungen im Arbeitsleben gewäh¬ ren. Eine Kodifikation der in zahlreichen Rechtsvorschriften verstreuten arbeits¬ rechtlichen Regelungen wird angestrebt. Das A. geht vom Arbeitnehmer einerseits als Individuum, andererseits als Mitglied von Kollektiven aus. Das Individualar¬ beitsrecht ordnet die rechtlichen Beziehun¬ gen des einzelnen Arbeitnehmers zum Ar¬ beitgeber, die grundsätzlich auf einem t Arbeitsvertrag beruhen. Das kollektive A. ordnet die Rechtsbeziehungen, die sich aus der Verbindung mehrerer Personen auf seiten der Arbeitnehmer oder Arbeit¬ geber ergeben, sowie deren Rechtsbezie¬ hungen zueinander. Das Koalitionsrecht (Bildung von t Gewerkschaften und I Ar¬ beitgeberverbänden) geht historisch auf Selbsthilfebestrebungen der Arbeitnehmer zurück; die 1 Koalitionsfreiheit ist verfas¬ sungsrechtlich durch Art. 9 Abs. 3 GG ga¬ rantiert. Arbeitsschutz: Im weitesten Sinne alle Maßnahmen gegen eine physische, seeli¬ sche, geistige und sittliche Gefährdung des Menschen in seiner beruflichen Beschäfti¬ gung. Zum A. gehören die; Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, der Arbeitszeit-, Kinder-, Jugendlichen-, Frauen- und Mutterschutz. Mit der Durch¬ führung des A. sind in der BR Deutsch¬

land betraut; die staatliche Gewerbeauf¬ sicht; die Berufegenossenschaften (über¬ wiegend für den technischen A.); teilweise die Technischen Überwachungsvereine so¬ wie die Bundesarbeitsgemeinschaft für Ar¬ beitssicherheit und das Bundesinstitut für Arbeitsschutz. In Deutschland entwickelte sich der A. (Verbot der Kinderarbeit, Fa¬ brikinspektionen usw.) mit der f Industria¬ lisierung im Rahmen staatlicher Sozialpo¬ litik. Der A. wurde v. a. nach 1918 unter dem wachsenden politischen Einfluß der Arbeiterparteien umfassend erweitert. Arbeitsteilung ist die Aufspaltung von Aufgabenbündeln in Teilaufgaben, die ver¬ schiedenen Menschen, Betrieben oder Ländern (t internationale A.) zur speziali¬ sierten Erledigung übertragen werden können. Vorteile der A. sind die Steige¬ rung der t Produktivität und des Versor¬ gungsniveaus durch Nutzung relativer Standortvorteile und Steigerung menschli¬ cher Leistungsfähigkeit. Voraussetzung wirksamer A. ist eine sinnvolle Koordina¬ tion der arbeitsteiligen Aufgabenerledi¬ gung. Wichtig ist ihre Beschränkung auf ein Maß, das die Anfälligkeit gegenüber t Krisen, die Verminderung beruflicher t Mobilität der Arbeitenden und die t Ent¬ fremdung des Menschen von seiner Arbeit durch Eintönigkeit nicht über Gebühr wachsen läßt. Arbeitsvermittlung: Durch das t Ar¬ beitsförderungsgesetz wurde der t Bundes¬ anstalt für Arbeit die A. übertragen. Durch die A. werden Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung neuer Ar¬ beitsverhältnisse zusammengeführt. Sie er¬ folgt durch Nachweis freier oder freiwer¬ dender Arbeitsplätze für Arbeitnehmer mit der erforderlichen Eignung und Nei¬ gung. Der eigentliche Abschluß von t Ar¬ beitsverträgen bleibt den Vertragspartnern selbst überlassen. Außerhalb der Bundes¬ anstalt für Arbeit darf zur Vermeidung von Mißbrauch A. nur in deren Auftrag er¬ folgen. Eine gelegentliche und unentgeltli¬ che Empfehlung von Arbeitskräften gilt nicht als Arbeitsvermittlung. - t auch Ar¬ beitsamt. Arbeitsvertrag: Privatrechtlicher Ver¬ trag zwischen Arbeitgeber und Arbeitneh¬ mer, der zur Begründung eines Arbeitsver¬ hältnisses führt. Er verpflichtet den Arbeit-

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Arbeitszeit

Durchschnittlich bezahlte Wochen¬ arbeitsstunden vollbeschäftigter männlicher Industriearbeiter (einschl. Überstunden)

1961 1965

45,2

1953: DGB fordert 5-Tage-Woche mit 40 Stunden

1969

44,9 1975 1979

1956: Metallindustrie Verkürzung von 48 auf 45 Stunden

42,4 1983

39,6

1965/67: 40-StundenWoche in Druckund Metallindustrie

1985

40,9

1988

40,5

1975: 40-Stunden-Woche weitgehend eingeführt 1977: IG Metall fordert 35-Stunden-Woche 1982: DGB fordert 35-Stunden-Woche 1985: DGB fordert weiterhin 35-Stunden-Woche_

Arbeitszeitverkürzung. Die Verkürzung der Arbeitszeit seit 1950 nehmer zur Übernahme einer bestimmten Funktion, den Arbeitgeber zur Leistung ei¬ ner Vergütung. Der A. hat sich aus dem Dienstvertrag des t Bürgerlichen Gesetz¬ buches entwickelt, ist jedoch ein Vertrag eigener Art mit besonderen schuldrechtli¬ chen und personenrechtlichen Wirkungen. Prinzipiell gilt der Grundsatz der t Ver¬ tragsfreiheit auch für den A„ die Freiheit zur inhaltlichen Gestaltung des A. und zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist al¬ lerdings zugunsten des Arbeitnehmers durch zwingende gesetzliche Vorschriften erheblich eingeschränkt. - t auch Tarifver¬ trag. Arbeitszeit: Dauer der vom Arbeitneh¬ mer zu erbringenden Arbeit, berechnet vom Beginn bis zum Ende der Arbeit, oh¬ ne Einbeziehung der Ruhepausen und der Wegzeit. In der BR Deutschland wird die A. gesetzlich durch die Arbeitszeitordnung, daneben durch einzelne f Tarifverträge und durch t Betriebsvereinbarungen gere¬ gelt. Neben der täglichen und wöchentli¬ chen A. ist auch die jährliche und die Le¬ bensarbeitszeit von Bedeutung. Die glei¬ tende A. erlaubt es, in bestimmtem Um¬

30

fang Anfang und Ende der Tagesarbeits¬ zeit selbst zu bestimmen. Das Problem der Festsetzung der A. hat seit jeher im Mittelpunkt gesellschafts- und sozialpolitischer Auseinandersetzungen gestanden und spielt eine ebenso wichtige Rolle wie der Kampf um den Lohn. Arbeitszeitverkürzung: Die hohe Ar¬ beitslosigkeit in der BR Deutschland hat seit Ende der 1970er Jahre zu einer ver¬ stärkten Diskussion um eine Verkürzung der Arbeitszeit geführt. Angesichts der Er¬ fahrung, daß selbst bei anhaltendem Pro¬ duktionszuwachs wegen fortschreitender Rationalisierung keine zusätzlichen Ar¬ beitsplätze geschaffen werden, fordern v. a. die Gewerkschaften eine Umvertei¬ lung der vorhandenen Arbeit auf mehr Be¬ schäftigte durch Arbeitszeitverkürzung. Dabei kann es sich um eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit, der Jahresarbeits¬ zeit (Urlaubsverlängerung) sowie der Le¬ bensarbeitszeit (verlängerte Ausbildung, Senkung des Rentenalters) handeln. Im Mittelpunkt der Diskussion steht zumeist eine Verkürzung der Wochen- und der Le¬ bensarbeitszeit. So soll es dem Arbeitneh-

Armut

mer ermöglicht werden, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen und seinen Platz für einen jungen Arbeitnehmer freizumachen (t Vorruhestand). Das wirksamste Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit se¬ hen viele Einzelgewerkschaften in der Ver¬ kürzung der Wochenarbeitszeit auf weni¬ ger als 40 Stunden. Die Arbeitgeberver¬ bände versuchen im Gegenzug, durch »Flexibilisierung der Arbeitszeit« die Teil¬ zeitarbeit zu vermehren (u. a. durch Heim¬ arbeit mit Hilfe neuer Kommunikations¬ techniken), erstreben aber auch andere ar¬ beitsvertragliche Formen wie das t Job¬ sharing. Die Gewerkschaften stehen die¬ sen Lösungen kritisch gegenüber. ARD [Abk. für: »Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der BR Deutschland«]: 1950 gegründete Dachorganisation der deutschen Rund¬ funkanstalten, deren Aufgabe die Wahr¬ nehmung gemeinsamer Interessen und Programmaufgaben der Landesrundfunk¬ anstalten ist. Der ARD gehören der Baye¬ rische Rundfunk, der Hessische Rund¬ funk, der Mitteldeutsche Rundfunk, der Norddeutsche Rundfunk (als gemeinsame Sendeanstalt der Länder Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Meck¬ lenburg-Vorpommern), der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg, Radio Bremen, der Saarländische Rundfunk, der Sender Freies Berlin, der Süddeutsche Rundfunk, der Südwestfunk und der Westdeutsche Rundfunk an, ferner als Rundfunkanstal¬ ten nach Bundesrecht die Deutsche Welle (für deutschsprachige Sendungen im Aus¬ land) und der Deutschlandfunk. Während die regionalen Rundfunkanstalten eigene Hörfunkprogramme und regionale Fern¬ sehprogramme (die 3. Programme) aus¬ strahlen, regelt der Fernsehvertrag von 1953 die Ausstrahlung eines gemeinsamen Fernsehprogramms, des Ersten Deutschen Fernsehens. Seit 1986 wird das Satelliten¬

fernsehprogramm »Eins Plus« ausge¬ strahlt. Seit November 1990 nutzt die ARD zur flächendeckenden Ausstrahlung ihrer Programme in den neuen Bundeslän¬ dern die Frequenzen der t DFF-Länderkette. Arge Alp, Abk. für Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, die 1972 von Bayern, BozenSüdtirol, Graubünden, Lombardei, Salz¬ burg, Tirol und Vorarlberg ins Leben geru¬ fen wurde. 1973 traten Trient, 1977 St. Gallen und 1992 Baden-Württemberg der Arge Alp bei. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, den mittleren Alpenraum durch gemeinsa¬ me Anstrengungen als eigenständigen Le¬ bensraum und Heimat für seine Bevölke¬ rung sowie als Wirtschaftsraum (Trink¬ wasserspeicher, Energiequelle) zu erhalten und weiterzuentwickeln. Aristokratie [griechisch »Herrschaft der Besten«]: ln der A. liegt die Staatsgewalt in der Hand einer bevorzugten Minderheit (t Adel). Ihr Herrschaftsanspruch wird be¬ gründet durch vornehme Geburt, Reich¬ tum und besondere kriegerische und politi¬ sche Tüchtigkeit. Armenrecht t Prozeßkostenhilfe. Armut bedeutet, daß der einzelne oder Gruppen ihr Existenzminimum nicht si¬ chern können. In diesem Sinne ist A. ein Problem v. a. in T Entwicklungsländern. Aber auch in den industrialisierten Län¬ dern gibt es neben der sog. psychischen Verelendung und der subjektiven A. (= Gefühl des Mangels an Mitteln zur Be¬ dürfnisbefriedigung) Formen von A. bei solchen Gruppen und Individuen, die weit unter dem allgemeinen durchschnittlichen Niveau leben. Dazu zählen in der BR Deutschland nicht nur die Obdachlosen und Nichtseßhaften, über deren Gesamt¬ zahl stark differierende Schätzungen vor¬ liegen (etwa 1 % der Gesamtbevölkerung), sondern auch viele Rentner und zum Teil auch Empfänger der t Arbeitslosen- und 1973

□ unter 38 Std. □ 38-39 Std. 1

I 40 Std.

31%

69% Tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit

1989 27%

52%

21%

□ 41 Std. und mehr

Arbeitszeitverkürzung. Arbeitszeiten 1973 und 1989

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Artenschutz

t Sozialhilfe (sog. »neue Armut«). - In der ehemaligen DDR lebten Rentner, die nur eine Mindestrente erhielten, im Vergleich zur BR Deutschland praktisch in der Nähe der Armutsgrenze. - t auch Zweidrittelge¬ sellschaft. Artenschutz ist der Lebensschutz von Pflanzen und Tieren in der freien Natur. Rechtliche Grundlage ist das Washingtoner Artenschutzübereinkommen von 1973, in der BR Deutschland die Bundesarten¬ schutzverordnung. Sie verbieten den ge¬ werbsmäßigen Handel mit Exemplaren von in ihrem Uberlebene gefährdeten, in der sog. »Roten Liste« aufgeführten Tier- und Pflanzenarten. Aufgrund der Erkenntnis, daß einzelne Arten am besten durch den Schutz ihres Lebensraums gesichert werden können, entwickelte sich aus dem A. das umfassendere Konzept des Lebensraum¬ oder Biotopschutzes. - tauch Naturschutz. ASEAN [Abk. für englisch Association of South-East Asian Nations »Vereinigung südostasiatischer Staaten«]: 1967 auf der Grundlage der Erklärung von Bangkok ge¬ gründet mit dem Ziel der Förderung des Friedens und des sozialen und wirtschaftli¬ chen Wohlstands ihrer Mitglieder sowie in der Region. Mitgliedsländer sind Indone¬ sien, Malaysia, die Philippinen, Singapur, Thailand und (seit 1984) Brunei. Seit Mitte der 1970er Jahre strebt die ASEAN bevor¬ zugte Kontakte zur OECD und zur EG, aber auch zu den kommunistischen Staa¬ ten Südostasiens an. Die ASEAN-Staaten sind mit Ausnahme Singapurs sog. t Schwellenländer und zeichnen sich durch Rohstoffreichtum sowie durch eine wichti¬ ge strategische Lage aus. asozial: Bezeichnung für Personen, die sich aufgrund einer mißglückten t Soziali¬ sation in die gesellschaftlichen t Normen und die soziale Umwelt nicht einfügen wollen oder können. Assoziierung [von lateinisch associare »sich zugesellen, vereinigen«]: Anschluß eines Staates an ein bestehendes Bündnis, eine Zoll- oder Wirtschaftsunion ohne for¬ melle Mitgliedschaft. ASTA [Abk. für Allgemeiner Studenten¬ ausschuß] ist die von allen immatrikulier¬ ten Studenten einer Universität gewählte Selbstverwaltung. Er gliedert sich in meh¬ rere Referate (Sozialfragen, Hochschulpo¬

32

litik, Sport, Kultur usw.). Der ASTA be¬ sitzt kein allgemeinpolitisches Mandat. In den Ländern Berlin, Bayern und BadenWürttemberg ist er durch Landeshoch¬ schulgesetze abgeschafft. Asylrecht: Gewährung von Schutz vor Auslieferung oder Ausweisung für poli¬ tisch verfolgte Ausländer durch den Zu¬ fluchtstaat. Die dafür maßgebenden Grundsätze ergeben sich zum Teil aus dem t Völkerrecht, vornehmlich jedoch aus dem innerstaatlichen Recht. Eine effektive Hilfe wird im Völkerrecht aufgrund einzel¬ ner Abkommen erreicht (z. B. Genfer Konvention zur Rechtsstellung der Flücht¬ linge vom 28. Juli 1951; tauch Genfer Konventionen). Daneben besteht die Ten¬ denz, einzelne politisch motivierte Strafta¬ ten von einer Asylgewährung auszuneh¬ men (z. B. Verbrechen gegen die Mensch¬ lichkeit, Geiselnahme, terroristische Ge¬ walttaten). Die BR Deutschland gewährt jedem politisch Verfolgten ein verfas¬ sungsrechtlich verbürgtes A. (Art. 16 Abs. 2 GG). Zuständige Behörde ist das Bundesamt für die Anerkennung ausländi¬ scher Flüchtlinge. Mit dem Asylverfahrensgesetz von 1982 hat der Gesetzgeber versucht, das Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zur Feststel¬ lung der Asylberechtigung politisch Ver¬ folgter und zur Regelung des Aufenthalts der Asylbewerber zu beschleunigen und zu ordnen. In den letzten Jahren gab es eine deutliche Zunahme von Asyl beantragen¬ den sog. Armutsflüchtlingen aus Ländern der dritten Welt und der Türkei. 1990 wur¬ den in der BR Deutschland 148 842 Anträ¬ ge auf Asyl gestellt, davon 6 518 (4,4%) anerkannt. Atheismus [von griechisch ätheos »ohne Gott«]: Weltanschauung, die beim Erklä¬ ren und Verstehen von Natur- und Kultur¬ vorgängen die Existenz eines Gottes oder mehrerer Götter leugnet bzw. auf deren Annahme verzichtet. Atlantikpakt t NATO, atomares Patt bezeichnete das nukleare Gleichgewicht durch die gegenseitige gesi¬ cherte Vernichtungsfähigkeit (»Gleichge¬ wicht des Schreckens«) zwischen den USA und der UdSSR seit der Mitte der 1960er Jahre. Atomenergie t Kernenergie.

Atomrecht Atommüll sind radioaktive Abfallstoffe,

gen. Es besteht weitgehend Einigkeit dar¬ über, daß der inj Atomgesetz an zweiter Stelle genannte Gesetzeszweck, nämlich Leben, Gesundheit und Sachgüter zu schützen, Vorrang vor dem an erster Stelle genannten Zweck hat, die Nutzung zu för¬ dern. Dem Schutzzweck entsprechend ist die Nutzung nur mit staatlicher Genehmi¬ gung zulässig. Genehmigungspflichtig sind u. a. das Errichten und Betreiben von t Kernreaktoren sowie die Wiederaufar¬ beitung oder Endlagerung (1 Entsorgung) von Kernbrennstoffen. Die Genehmigung darf u. a. nur erteilt werden, wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden ge¬ troffen ist. Betroffene Bürger können ge¬ gen eine erteilte Genehmigung beim Ver¬ waltungsgericht klagen, das den Bescheid dann wieder aufheben kann, wenn es die Vorsorge gegen Schäden nicht für ausrei¬ chend hält. Nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl im Frühjahr 1986 wurde am

die bei t Kernreaktoren entstehen. Da die schädliche radioaktive Strahlung anhält, wirft der A. besondere Probleme bei seiner Beseitigung (Ablagerung) auf. - t auch Entsorgung. Atomrecht: Zusammenfassende Be¬ zeichnung für alle rechtlichen Bestimmun¬ gen über die friedliche Nutzung der t Kernenergie. Nachdem im T Grundge¬ setz (Art. 74) die entsprechenden Voraus¬ setzungen geschaffen worden waren, konnte Ende 1959 das Atomgesetz erlas¬ sen werden, das die Länder unter Aufsicht des Bundes ausführen. Zur Wahrnehmung dieser Aufsichtsbefugnisse kann z. B. der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Bereich der kerntechnischen Sicherheit und des Strah¬ lenschutzes Weisungen erteilen. Über die im Atomgesetz geregelten wesentlichen Grundlagen hinaus sind bisher zahlreiche weitere ergänzende Verordnungen ergan¬

Sachverständige (Reaktor¬ sicherheits¬ kommission, Strahlenschutz¬ kommission)

Empfehlungen Gutachten

Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Weisungen

Sachverständige (TÜV, Sonstige)

Gutachten

Aufsicht

beteiligte Bundes¬ ministerien

beteiligte sonstige Behörden

Genehmigungs¬ behörde (Land)

Prüfungs¬ ergebnisse

Antrag

Genehmi gung

betroffene Dritte (Öffentlichkeit)

Antragsteller (Hersteller/ Betreiber)

Atomrecht. Beteiligte an einem Genehmigungsverfahren 2 SD Politik

DCB

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Atomteststoppabkommen

19. Dezember 1986 ein Strahlenschutzvor¬ sorgegesetz erlassen, das Maßnahmen vor¬ sieht, die die Strahlenexposition nach kern¬ technischen Unfällen mindern helfen sol¬ len. 1989 wurde ein Bundesamt für Strah¬ lenschutz in Salzgitter eingerichtet. Atomteststoppabkommen: In Mos¬ kau am 5. August 1963 von den USA, Großbritannien und der UdSSR abge¬ schlossener Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser. Unterirdi¬ sche Versuche blieben unberücksichtigt, da die UdSSR Kontrollen ablehnte, aber einen freiwilligen Verzicht ankündigte. Atomwaffensperrvertrag (Kernwaf¬ fensperrvertrag) : Kurzbezeichnung für den 1968 zwischen den USA, Großbritan¬ nien und der UdSSR abgeschlossenen »Vertrag über die Nichtverbreitung (Non¬ proliferation) von Atomwaffen«. Der A. wurde neben zahlreichen anderen Staaten 1969 auch von der BR Deutschland unter¬ zeichnet und trat 1970 in Kraft. Frank¬ reich und China traten dem Vertrag nicht bei. Die Einhaltung des A. wird von der In¬ ternationalen Atomenergie-Organisation in Wien kontrolliert. Aufenthaltserlaubnis ist die nach dem Ausländergesetz notwendige Erlaubnis für Ausländer, in die BR Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen. Die A. darf erteilt werden, wenn die Anwesen¬ heit des Ausländers die Belange der BR Deutschland nicht beeinträchtigt. - t auch Ausländer Aufklärung:

0 Allgemein der Erkenntnisvorgang, der die Wahrheit über natürliche und gesell¬ schaftliche Zustände durch selbständiges und nach Vernunftprinzipien argumentie¬ rendes Denken zu ermitteln sucht. 0 Epochenbezeichnung für den elementa¬ ren Prozeß der Säkularisierung des euro¬ päischen Denkens im 17./18. Jahrhundert, den I. Kant (1724-1804) als »Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit« bezeichnete. Die A. wand¬ te sich gegen kirchlichen t Dogmatismus und traditionelle (feudale, absolutistische) Staats- und Gesellschaftslehren und wurde in erster Linie von einem zu politischem Selbstbewußtsein erwachenden t Bürger¬ tum getragen.

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Aufsichtspflicht: Allgemein die gesetz¬

liche Pflicht, Personen oder Sachen zu be¬ aufsichtigen und damit Gefahr abzuwen¬ den. Im besonderen bedeutet A. die Beauf¬ sichtigung Minderjähriger oder von Perso¬ nen, die aufgrund ihres geistigen oder kör¬ perlichen Zustandes Aufsicht benötigen. A. haben v. a. Eltern, Lehrer und Pflege¬ personal. Verletzt der Aufsichtspflichtige seine A. und wird dadurch Dritten Scha¬ den zugefügt, so ist jener zum Ersatz des Schadens verpflichtet und kann, falls er ein Verbrechen oder Vergehen bei genügen¬ der A. hätte verhindern können, zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verurteilt wer¬ den. Aufsichtsrat ist das vom Gesetz vorge¬ schriebene Kontrollorgan einer t Aktien¬ gesellschaft. Der A. wird von den Eigentü¬ mern (= Aktionären) gewählt; in mitbe¬ stimmten Betrieben entsenden auch die Arbeitnehmer Vertreter in den A. (t Mit¬ bestimmung). Wichtigste Aufgaben des A. sind die Überwachung der Geschäftsfüh¬ rung, Prüfung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts sowie die Bestellung des Vorstands. Aufwertung: Erhöhung des Außenwerts einer Währung, um diese den tatsächli¬ chen Kaufkraftverhältnissen anzuglei¬ chen. Eine A. wirkt sich negativ auf die Flandelsbilanz aus (durch verbilligte Im¬ porte) und wird deshalb seltener durchge¬ führt als eine f Abwertung. Ausbildungsbeihilfen sind freiwillige oder gesetzliche, private oder staatliche Leistungen in Form von Zuschüssen oder Darlehen zur Berufsausbildung, zur Fort¬ bildung und beruflichen Weiterbildung so¬ wie zur Umschulung. Ausbildungsförderung: Bei der A. handelt es sich um staatliche finanzielle Mittel, die gemäß Bundesausbildungsförde¬ rungsgesetz (BAFöG) von 1971 auf Antrag für den Besuch von allgemeinbildenden und weiterführenden Schulen (ab 16. Le¬ bensjahr), Fach- und Hochschulen ge¬ währt werden. In der Regel handelt es sich bei der A. nur um die Erstausbildung. Die A. wird als Zuschuß, für Studenten zur Hälfte als Darlehen gewährt. Auf die Rückzahlung des Darlehens kann z.T. ver¬ zichtet werden. Die Höhe der A. hängt von der Vermögens- und Einkommenssi-

ausländische Arbeitnehmer

tuation des einzelnen und seiner Familie ab. Daneben gibt es noch besondere For¬ men der Begabtenförderung (z. B. Stipen¬ dien). Ausbildungsvertrag regelt das Berufs¬ ausbildungsverhältnis zwischen einem Ausbildenden und dem Auszubildenden und dessen gesetzlichem Vertreter (Ausbil¬ dungsziel, -dauer, -Vergütung u. a.). Ausbürgerung: Nach dem t Grundge¬ setz in der BR Deutschland unzulässige Entziehung der t Staatsangehörigkeit ge¬ gen den Willen des Betroffenen. Man un¬ terscheidet die kollektive A. ganzer Bevöl¬ kerungsgruppen (z. B. Juden im national¬ sozialistischen Deutschland) von der indi¬ viduellen A. unerwünschter Staatsbür¬ ger. — 1 auch Staatsangehörigkeit. Ausfuhr t Export. Ausländer: Als A. gelten solche Perso¬ nen, die nicht t Deutsche im Sinne des Art.

I

I

■ Schüler I in Tsd.

durchschnittl. monatl. Forderungsbetrag in DM

Studenten in Tsd.

durchschnittl. monatl. Forderungsbetrag in DM

gesamt in Tsd.

durchschnittl. monatl. Forderungsbetrag in DM

Schüler

j

Studenten

gesamt

Ausbildungsförderung. Durchschnittli¬ che Zahl der nach BAföG gefö.rderten Schüler und Studenten

2 •

116 GG sind. Ihr Aufenhalts- und Nieder¬ lassungsrecht ist,im Ausländergesetz, im Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten der EG sowie in mehreren zwischenstaatli¬ chen Abkommen geregelt. A., die in den Geltungsbereich des Grundgesetzes der BR Deutschland einreisen und sich darin aufhalten wollen, bedürfen einer t Aufent¬ haltserlaubnis. Einen Rechtsanspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet haben A. nicht; die Erteilung der Aufent¬ haltserlaubnis liegt vielmehr im pflichtge¬ mäßen Ermessen der Ausländerbehörden. Sie kann räumlich beschränkt und zeitlich befristet werden. Die Aufenthaltserlaubnis muß versagt werden, wenn die Anwesen¬ heit eines Ausländers Belange der BR Deutschland beeinträchtigt, insbesondere wenn Gründe vorliegen, die die t Auswei¬ sung rechtfertigen würden. Für eine Er¬ werbstätigkeit benötigen A. in der Regel eine besondere t Arbeitserlaubnis. A., die sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig in der BR Deutschland aufhal¬ ten und sich in das wirtschaftliche und so¬ ziale Leben eingefügt haben, kann eine zeitlich und räumlich unbeschränkte Auf¬ enthaltsberechtigung erteilt werden. In der BR Deutschland leben zur Zeit rund fünf Mill. Ausländer, davon ca. 1,5 Mill. Tür¬ ken. Über die Hälfte aller Ausländer lebt schon zehn Jahre und länger hier, 60% der ausländischen Kinder und Jugendlichen sind bereits hier geboren. - Ein Recht für A. zur Teilnahme an allgemeinen Wahlen gewährt das t Grundgesetz nicht. Bei Kommunalwahlen in den fünf neuen Bun¬ desländern 1990 waren Ausländer wahlbe¬ rechtigt, wenn sie 18 Jahre alt und minde¬ stens zwei Jahre lang ansässig waren (Kommunalverfassungsgesetz der DDR vom 17. Mai 1990). Integrations- und Be¬ schäftigungsprobleme sowie Beschnei¬ dung des Zuzugs und Förderung des Rückkehrwillens sind vorrangige Themen der Ausländerpolitik. Zur Untersuchung und Verbesserung der Lage der A. ist von der Bundesregierung das Amt des sog. Ausländerbeauftragten geschaffen worden. - t auch Asylrecht. ausländische Arbeitnehmer: Er¬ werbspersonen, die in der BR Deutsch¬ land einer bezahlten Beschäftigung nach-

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Auslese Anteile der Ein- und Ausfuhr 1989 nach Ländergruppen1) Einfuhr2)

Ausfuhr3)

o

• O

EG-Länder Vereinigte Staaten und Kanada Entwicklungsländer dar. OPEC-Länder



Staatshandels¬ länder4)

O

Sonstige

') Vorläufiges Ergebnis.-2) Ursprungsländer.-3) Bestimmungsländer.-J) Nach dem Stand vom Januar 1989. Quelle: Statistisches Bundesamt

gehen, ohne die deutsche f Staatsangehö¬ rigkeit zu besitzen. A. A. brauchen zur Ar¬ beitsaufnahme in der Regel eine t Aufent¬ halts- und t Arbeitserlaubnis, sofern sie nicht aus Ländern der EG stammen (EGFreizügigkeitsverordnung). Mit dem wirt¬ schaftlichen Aufschwung der BR Deutsch¬ land stieg der Bedarf an a. A. stark an, da das inländische Arbeitnehmerangebot nicht mehr ausreichte. Erst der Einsatz a. A. ermöglichte die hohen Wachstumsraten der 1960er Jahre. Ein Problem ist die so¬ ziale Integration der ausländischen Arbeit¬ nehmer. Seit der wachsenden Arbeitslosig¬ keit in der BR Deutschland geht es aber auch darum, welche Anreize für die Heim¬ kehr der a. A. geschaffen werden können. Auslese t soziale Auslese. Auslieferung: Form der zwischenstaatli¬ chen t Rechtshilfe; im f Völkerrecht die amtliche Überstellung einer Person an ei¬ ne ausländische Staatsgewalt zum Zwecke der Strafverfolgung oder Strafvollstrek¬ kung. Zur A. ist ein Staat nur verpflichtet, wenn ein entsprechender Auslieferungs¬ vertrag besteht, im übrigen sind die deut¬ schen Behörden zur Auslieferung nach Maßgabe des Auslieferungsgesetzes der BR Deutschland befugt. Den im allgemei¬ nen auf diplomatischem Wege gestellten Auslieferungsgesuchen kann beschränkt entsprochen werden, z. B. nur zur Verfol¬ gung einer Tat, wenn die A. wegen mehre¬ rer Taten verlangt worden war, oder nur

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unter der Bedingung, daß keine Todesstra¬ fe vollstreckt werden darf. Die BR Deutschland darf Deutsche an das Aus¬ land nicht ausliefern, Ausländer dann nicht, wenn ihnen das f Asylrecht zusteht (Art. 16 GG). Ausnahmezustand (auch: Belage¬ rungszustand, Kriegsrecht, Kriegszu¬ stand): In Ausnahmesituationen (z. B. Krieg, Aufruhr, Naturkatastrophen) gel¬ tender Rechtszustand, in dem bestimmte Staatsorgane (z. B. Regierung, Polizei, Mi¬ litär) besondere Vollmachten erhalten, um normale Verhältnisse wiederherzustellen. Während des A. kann die Verfassung zum Teil außer Kraft gesetzt werden (z. B. durch t Suspendierung von Grundrechten oder der Gesetzgebungszuständigkeit des Parlamentes). Inwieweit dies geschehen darf, regelt meist die Verfassung selbst (t Notstandsgesetzgebung). Soweit sie kei¬ ne Ermächtigung vorsieht, können gegen Gesetze verstoßende Notmaßnahmen un¬ ter Berufung auf den t Staatsnotstand ge¬ rechtfertigt sein. Ausschuß: Eine aus einem größeren Or¬ gan gewählte Arbeitsgruppe zur Beratung oder zur Erledigung bestimmter Aufga¬ ben, die das größere Organ in seiner Ge¬ samtheit nicht wahrnehmen kann. - t auch Parlamentsausschüsse. Außenhandel: Im weiteren Sinn der ge¬ samte Handel von Waren, Dienstleistun¬ gen und Kapital zwischen einer t Volks-

Aussiedler

Wirtschaft und der Außenwelt, im engeren Sinn nur der grenzüberschreitende Waren¬ verkehr. Starke Außenhandelsverflech¬ tung der Volkswirtschaften fördert die t in¬ ternationale Arbeitsteilung und kann so¬ mit zur Erhöhung des Wohlstands in den einzelnen Ländern beitragen. Die weltweit unterschiedliche Verteilung der t Produk¬ tionsfaktoren (Boden, Arbeit, Kapital) hat zu einer Spezialisierung einzelner Volks¬ wirtschaften auf die Herstellung bestimm¬ ter Güter geführt; somit ist es vorteilhaft, diese im Inland relativ günstiger herstellba¬ ren Güter zu exportieren und dafür Waren zu importieren, deren Produktion im In¬ land relativ unrentabel ist. -1 auch Export, t Import, t Zahlungsbilanz. Außenhandelsmonopol ist die Ab¬ wicklung des t Außenhandels durch eine staatliche Stelle; ein solches A. findet sich überwiegend bei t Zentralverwaltungswirt¬ schaften. Außenpolitik umschreibt den die Gren¬ zen eines Staates überschreitenden Be¬ reich der Politik. Sie wird von vielen Fak¬ toren (z. B. Lage und Größe eines Staates, Einflußmöglichkeiten anderer Staaten) be¬ stimmt, hängt aber in starkem Maße von gesellschaftlichen Kräften und Interessen im Staatsinnern ab. Zu den Mitteln der A. gehören Diplomatie, Verträge und Bünd¬ nisse mit anderen Staaten, auch Außen¬ wirtschaftspolitik u. a. Herkömmlicher¬ weise ist die A. der t Exekutive zugeord¬ net. In der BR Deutschland ist sie im allge¬ meinen Bundesangelegenheit (Art. 32 GG). Träger der auswärtigen Gewalt ist die t Bundesregierung. Dem Bundesmini¬ ster des Auswärtigen stehen als Apparat für die A. das t Auswärtige Amt und des¬ sen Auslandsvertretungen zur Verfügung. Außenseiter: Bezeichnung für Perso¬ nen, die in Gruppen, Organisationen oder in der Gesamtgesellschaft nicht voll akzep¬ tierte und beteiligte Mitglieder sind. Sie werden in der Regel abgelehnt, weil sie in ihrem Verhalten den Erwartungen der übrigen nicht entsprechen und den als nor¬ mal und verbindlich geltenden t Normen nicht nachkommen. Personen und Perso¬ nengruppen können sich selbst in eine Rand-( Marginal-)situation begeben, sie können jedoch auch durch sozialem Druck in eine Außenseiterposition gebracht wer¬

den, wenn normgerechtes Verhalten und Abweichungen davon so definiert sind, daß speziell sie zu A. gestempelt werden (z. B. durch rassische Vorurteile, Suche nach Sündenböcken). - t auch Randgrup¬ pen. außenwirtschaftliches Gleichge¬ wicht (Zahlungsbilanzgleichgewicht):

Nach dem t Stabilitätsgesetz sind Bund und Länder verpflichtet, für ein a. G. zu sorgen, d. h. die t Zahlungs- und Lei¬ stungsbilanz gegenüber dem Ausland aus¬ zugleichen. Außenwirtschaftsgesetz: Im A. des Jahres 1961 und der Außenwirtschaftsverordnung wurde die prinzipielle Außenwirt¬ schaftsfreiheit festgelegt, die nur zur Erfül¬ lung von Verpflichtungen aus zwischenstaat¬ lichen Vereinbarungen und zur Abwehr von schädlichen wirtschaftlichen Folgen einge¬ schränkt werden kann. Im Februar 1992 wurden die gesetzlichen Grundlagen ver¬ schärft, um unerlaubte t Waffenexporte schon im Vorfeld verhindern zu können. Dazu wurden das Wirtschaftsministerium und das Zollkriminalinstitut in Köln mit neuen Kompetenzen ausgestattet, außerdem die Strafen für illegalen Waffenexport er¬ höht. - tauch Kriegswaffenkontrollgesetz, t Rüstungsexporte. außerparlamentarische Opposition

(APO): V. a. aus Studenten und Jugendli¬ chen zusammengesetzte Protestbewegung in der BR Deutschland (1966-1968), die sich u. a. gegen die 1 Notstandsgesetzge¬ bung und die Pressekonzentration richte¬ te. Die APO war von der amerikanischen Bewegung gegen den Vietnamkrieg beein¬ flußt und verstand sich als Ausgleich für das Fehlen einer wirksamen parlamentari¬ schen t Opposition in der Zeit der t großen Koalition. Aussiedler sind Vertriebene, die nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungs¬ maßnahmen die ehemaligen deutschen Ostgebiete, Danzig, Estland, Lettland, Li¬ tauen, die ehemalige Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumä¬ nien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien oder China verlassen haben oder verlas¬ sen, es sei denn, daß sie, ohne vertrieben worden und bis 31.3. 1952 dorthin zu¬ rückgekehrt zu sein, einen Wohnsitz in diesen Gebieten nach dem 8. 5. 1945 be-

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Aussperrung

gründet hatten. Zu unterscheiden von A. sind die Umsiedler, die aufgrund von wäh¬ rend des 2. Weltkrieges geschlossenen zwi¬ schenstaatlichen Verträgen aus außerdeut¬ schen Gebieten oder aufgrund von Ma߬ nahmen deutscher Dienststellen aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten umgesiedelt worden waren. Als Übersiedler bezeichnet man v. a. die Men¬ schen, die aus der ehemaligen DDR in die BR Deutschland kamen. Die Anzahl der Aus- und Übersiedler stieg nach dem Zu¬ sammenbruch der kommunistischen Herr¬ schaftssysteme in Mittel- und Osteuropa sprunghaft an und bereitet erhebliche Pro¬ bleme bei der Integration der A. in die Ge¬ sellschaft. 1990 kamen 397075 A. und 238384 Übersiedler in die BR Deutsch¬ land. Aussperrung ist ein Instrument der Ar¬ beitgeber im t Arbeitskampf und wird als Abwehr gegen den t Streik angewandt. A. besteht in der gleichzeitigen Entlassung mehrerer Arbeitnehmer für die Dauer des Auszubildende 1988 (Stichtag: 31.12.1988) Jungen

Arbeitskampfs. Während der A. sind die Arbeitgeber gegenüber den Ausgesperrten von der Lohnzahlungspflicht befreit. Be¬ stehen bleibt hingegen die Pflicht zur Wie¬ dereinstellung der Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitskampfs, mit Ausnah¬ me von Fällen der Kündigung aus wichti¬ gem Grund während der Dauer des Ar¬ beitskampfs. In der BR Deutschland ist nur die Abwehraussperrung als Gegen¬ maßnahme gegen einen Streik zulässig. Auswärtiges Amt: Ältere, noch heute gebräuchliche Bezeichnung für das zur Wahrnehmung der auswärtigen Angele¬ genheiten zuständige Ministerium (Bun¬ desaußenministerium) . Ausweispflicht: Pflicht für alle in der BR Deutschland lebenden Personen über 16 Jahre, einen Personalausweis oder Paß zu besitzen und ihn auf Verlangen einer Behörde vorzulegen. Ein Verstoß gegen die A. ist eine f Ordnungswidrigkeit. Ausweisung ist die Aufforderung an den Ausländer, unverzüglich das Staatsge-

III 4L

II

Mädchen

I

Auszubildender. Der wichtigste Ausbildungszweig war 1988 in der Industrie und im Handel. Noch 1983 wurden die Jungen hauptsächlich im Handwerk ausgebildet, während die Mädchen 1983 vor allem in der Industrie und im Handel in die Lehre gingen. Von den 610294 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen 1988 sind 201 000 im Handwerk und rund 318000 in Industrie und Handel abgeschlossen worden

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Autorität

biet der BR Deutschland zu verlassen. Die Ausweisungsgründe sind in § 49 des Aus¬ ländergesetzes geregelt. - t auch Abschie¬ bung. Auszubildender: Nach dem Berufsbil¬ dungsgesetz zusammenfassende Bezeich¬ nung für alle, die sich in Berufsausbildung, beruflicher Fortbildung oder beruflicher Umschulung befinden. Der Ausdruck A. ist in der Regel gebräuchlich für jeman¬ den, der eine berufliche Erstausbildung durchläuft, deren praktischer Teil in einem Betrieb und deren begleitender theoreti¬ scher Teil in öffentlichen Berufsschulen stattfindet (= duales System). Der A. hat Anspruch auf eine mit fortschreitender Be¬ rufsausbildung steigende Vergütung und nach Beendigung des Berufsausbildungs¬ verhältnisses auf ein Zeugnis, das Aus¬ kunft über Art, Dauer und Ziele der Be¬ rufsausbildung sowie über die erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse des A. geben muß. Autarkie [griechisch »Selbstgenügsam¬ keit«]: Unabhängigkeit eines Staates von Rohstoff- und Nahrangsmittelimporten. In der Praxis ist A. nicht anzutreffen; Be¬ strebungen nach A. richten sich heute v.a. auf die Unabhängigkeit von der Einfuhr le¬ bensnotwendiger Güter (partielle A.). Autokratie [griechisch »Selbstherr¬ schaft«]: Unbeschränkte, keiner Macht¬ kontrolle unterworfene Herrschaft eines einzelnen. »Autokraten« waren z. B. der Kaiser von Byzanz und der rassische Zar. Automation: Bezeichnung für moderne Produktionsmethoden, die darauf abzie¬ len, den Produktionsprozeß ganzer Fabri¬ ken durch Einsatz von Automaten weitge¬ hend bedienungsfrei zu gestalten. Gegen¬ über der Mechanisierung ist die A. ge¬ kennzeichnet durch den Zusammenschluß der Maschinen eines ganzen Produktions¬ prozesses. Die Arbeitsgänge laufen selb¬ ständig elektronisch gesteuert nach einem festgelegten Plan ab. Der Mensch greift nicht mehr unmittelbar in die Abläufe ein, sondern setzt sie nur in Gang und über¬ wacht sie. Zweck der A. ist es, möglichst viele Produkte von hoher Qualität bei niedrigen Kosten zu erzeugen,-um dem steigenden Massenbedarf gerecht zu wer¬ den. Schwerwiegende Probleme ergeben sich dabei jedoch v. a. aus der Freisetzung

von Arbeitskräften (technologische Arbeits¬ losigkeit). - Auel} die Automatisierung von Büro- und Verwaltungsarbeiten sowie von Informations- und Kommunikationsvor¬ gängen mittels elektronischer Geräte, z. B. Datenverarbeitung, gehört zur A. im wei¬ testen Sinne. — t auch Rationalisierung. Autonome sind militante Extremisten (t Extremismus) innerhalb der anarchisti¬ schen Gruppierungen (t Anarchismus). A. büden keine Organisationsformen und vertreten eine Politik, die auf Beseitigung des demokratischen Rechtsstaates sowie jeglicher staatlichen Ordnung ausgerichtet ist. Die militante autonome Szene billigt Gewalt gegen Personen und Sachen und versucht, bestimmte politische Ereignisse und Gegebenheiten auszunutzen, wie z. B. Hausbesetzungen und den Widerstand ge¬ gen die zivile Nutzung der Kernenergie, die atomare Bewaffung oder gegen einzel¬ ne Großprojekte. Autonomie [von griechisch autönomos »nach eigenen Gesetzen lebend«] 0 bezeichnet allgemein die Möglichkeit von Individuen oder Gruppen, ihr Verhal¬ ten in weitgehender t Selbstbestimmung zu regeln. 0 bezeichnet das vom Staat öffentlichrechtlichen Körperschaften eingeräumte Recht zur t Selbstverwaltung (z. B. Uni¬ versitäten, Kirchen u. a.) sowie die einzel¬ nen Interessenverbänden eingeräumte Möglichkeit, bestimmte Angelegenheiten durch eigenständige Setzung und Kontrol¬ le von Rechtsnormen zu regeln; sozialpoli¬ tisch wichtig ist dabei v. a. das Recht der I Gewerkschaften und 1 Arbeitgeberver¬ bände, selbständig t Tarifverträge abzu¬ schließen (t Tarifautonomie). 0 bezeichnet die teilweise (Teilautonomie) oder vollständige Sonderstellung, die von manchen Staaten den in ihrem Hoheitsge¬ biet lebenden völkischen, religiösen oder rassischen I Minderheiten gewährt wird. Im Gegensatz dazu: t Heteronomie. Autorität begründet ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen Men¬ schen sowie zwischen Menschen und t In¬ stitutionen. Kennzeichnend für A. als ein Befehls- oder Einflußverhältnis im Gegen¬ satz zur reinen t Macht ist ihre Bejahung durch die Beteiligten. Man unterscheidet »persönliche«, d. h. in Kleingrappen er-

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Avantgarde

worbene A., die auf die Vorbildhaftigkeit oder das besondere Leistungsvermögen ei¬ ner Person zurückgeht, von »unpersönli¬ cher« oder »formaler«, d. h. in größeren Sozialzusammenhängen bzw. Organisatio¬ nen auftretender A., die in t Tradition, t Recht, t Eigentum oder religiösen und magischen Vorstellungen oder Ämtern (Amtsautorität) begründet ist. - t auch an¬ tiautoritäre Bewegung. Avantgarde: Allgemein die Vorkämpfer einer Idee. Im kommunistischen Sprachge¬ brauch ist damit »der fortgeschrittenste Teil der Arbeiterklasse«, die kommunisti¬ sche Partei, gemeint. Azubi t Auszubildender.

B Babyjahr ist der umgangssprachliche Ausdruck für den in der BR Deutschland 1986 eingeführten, zunächst für zwölf Mo¬ nate geltenden t Erziehungsurlaub (ab 1992: 3 Jahre) nach der Geburt eines Kin¬ des, der von einem Elternteil gegenüber seinem Arbeitgeber in Anspruch genom¬ men werden kann. Baden-Württemberg: Nach der Süd¬ weststaatabstimmung vom 9. Dezember 1951 aufgrund des zweiten Neugliede¬ rungsgesetzes gebildetes Bundesland aus Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Südbaden, das 35 750 km2 umfaßt und 9,4 Mill. Einwohner hat. Von der am 9. März 1952 gewählten verfas¬ sunggebenden Landesversammlung wurde am 11. November 1953 eine Verfassung beschlossen, die am 19. November 1953 in Kraft trat. 1945-47 hatten die Besatzungsmächte auf dem Gebiet von Baden, Württemberg und Hohenzollern die kleinen, wirtschaftlich schwachen Länder Württemberg-Baden in der amerikanischen sowie WürttembergHohenzollern und Südbaden in der franzö¬ sischen Zone errichtet. Die Volksabstim¬ mung vom 9. Dezember 1951 brachte 69,7 % der Stimmen für den neuen Süd¬ weststaat ; in Südbaden 62,2 % für das alte Land Baden. In der Volksabstimmung im

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Landesteil Baden vom 7. Juni 1970 wurde der Bestand des Landes B.-W. endgültig bestätigt. Die staatliche Existenz B.-W. begann mit der Verkündung des Überleitungsgesetzes am 25. April 1952. Nach der Verfassung vom 11. November 1953 ist B.-W. als re¬ publikanischer, demokratischer und sozia¬ ler Rechtsstaat ein Glied der BR Deutsch¬ land. Der aus allgemeinen, freien, glei¬ chen, geheimen und direkten Wahlen her¬ vorgehende Landtag, der alle vier Jahre neu zu wählen ist, übt die gesetzgebende Gewalt aus und wählt den Ministerpräsi¬ denten, der die Regierung ernennt. Eine Besonderheit stellt die Möglichkeit der Auflösung des Landtags durch Entscheid der Mehrheit der Abstimmungsberechtig¬ ten bei einer Volksabstimmung dar, die auf Verlangen von 200 000 Wahlberech¬ tigten abgehalten werden muß. Der Anteil von ausländischen Arbeitskräf¬ ten an der Gesamtzahl aller Arbeitnehmer des Landes betrug 1989 9,3 %. Die Ge¬ samtbevölkerung nahm von 1961 bis 1989 um rund 24 % zu. Die konfessionelle Struktur der Bevölkerung ist mit 41 % An¬ gehörigen der evangelischen Kirche und 45 % römisch-katholischer Christen bei 4,0 % sonstiger Kirchen- und Religionsge¬ meinschaften ausgeglichen. Ein Um¬ schichtungsprozeß der Erwerbspersonen von der Land- und Forstwirtschaft zum produzierenden Gewerbe begann mit der zunehmenden t Industrialisierung zur Jahrhundertwende und setzte sich nach dem 2. Weltkrieg fort. Die starke Tradi¬ tion des Handwerks ergibt sich schon aus dem Zahlenverhältnis von 0,63 Mill. im Handwerk Tätigen zu 1,45 Mill. Industrie¬ arbeitern. Besonders dem vorindustriell hochentwickelten Handwerk des Landes ist es zuzuschreiben, daß trotz des Fehlens bedeutender Bodenschätze die Industrie zum bedeutendsten Wirtschaftsfaktor wer¬ den konnte. Die räumlichen Schwer¬ punkte der Industrie liegen in den Bal¬ lungsräumen Stuttgart, Mannheim/Hei¬ delberg, Karlsruhe, Ulm, Heilbronn und Pforzheim. Baden-Württemberg bringt ei¬ nen Anteil von rund 16% am Gesamtbruttoinlandsprodukt der BR Deutschland auf. BAFÖG 1 Ausbildungsförderung.

Baugesetzbuch Ballungsräume sind durch eine starke Konzentration von Menschen, Gebäuden und Arbeitsstätten gekennzeichnet (z. B. Ruhrgebiet). Häufig sind in ihnen Über¬ lastungserscheinungen im Verkehr u. a. zu beobachten. Banken: Private oder öffentlich-rechtli¬ che Unternehmungen, die gewerbsmäßig Geldgeschäfte betreiben. Die Aufgabe des Bankensystems besteht in der Beschaffung der für den Wirtschaftsprozeß benötigten Zahlungsmittel und Kredite und in der Ab¬ wicklung der Zahlungsströme zwischen den t Wirtschaftssubjekten. Hierzu gehö¬ ren hauptsächlich das Führen von Giro¬ konten für die Kundschaft, das Hereinneh¬ men von Einlagen gegen Verzinsung (Ein¬ lagengeschäft), das Ausleihen von Geld (Kreditgeschäft), das Ankäufen von Schecks und Wechseln (Diskontgeschäft), der An- und Verkauf von Wertpapieren (Effektengeschäft), das Verwahren und Verwalten von Wertpapieren (Depotge¬ schäft). Neben Universalbanken, die alle Arten von Geldgeschäften betreiben, gibt es Spezialbanken für Teilbereiche, z. B. Teilzahlungsbanken, Realkreditinstitute zur Finanzierung von Bauprojekten. Das Bankensystem ist einer strengen Kontrolle unterworfen (Bankenaufsicht). - t auch Notenbank. Bank für Internationalen Zahlungs¬ ausgleich (BIZ): Die 1930 zur Abwick¬

lung der Reparationen des Deutschen Rei¬ ches gegründete BIZ koordiniert die Ar¬ beit der t Zentralbanken und ermöglicht internationale Finanzgeschäfte. Sitz der BIZ ist Basel. Bank für Wiederaufbau

und

Ent¬

wicklung t Weltbank. Bannmeile: Das Gebiet um den Sitz des

Bundestags, des Bundesrats und der Land¬ tage sowie des Bundesverfassungsgerichts, innerhalb dessen öffentliche Versammlun¬ gen und Demonstrationen verboten sind. (Ausnahmen: religiöse Veranstaltungen und Volksfeste.) Basisdemokratie: Bezeichnung für ein politisches Strukturprinzip; politische Fra¬ gen sollen nach ausgiebiger Diskussion von allen Mitgliedern einer Gruppierung (Partei, Bürgerinitiative, Haus- oder Be¬ triebsgemeinschaft), d. h. an der Basis ent¬ schieden werden. Mandats- und Funk¬

tionsträger sind weitgehend an diese Ent¬ scheidung gebunden und haben sich in den zentralen Vertretungsgremien für ihre Verwirklichung einzusetzen (t imperatives Mandat). Basisgruppen: Im Zusammenhang mit der t Studentenbewegung Ende der 1960er Jahre entstandene, v. a. studentische, poli¬ tisch linksorientierte Arbeitskreise zur ge¬ meinsamen (hochschul-)politischen Arbeit in den Instituten bzw. zur allgemeinen po¬ litischen Überzeugungsarbeit im Rahmen praktischer Hilfe für sozial schwache Be¬ völkerungsgruppen. In dem Maße, in dem die linken Gruppierungen an den Univer¬ sitäten an Geschlossenheit verloren und die Studienbedingungen durch die neuen Hochschulgesetze der Bundesländer ver¬ schärft wurden, hat die Aktivität der B. nachgelassen. Bauern: Eigentümer oder Pächter von landwirtschaftlichen Betrieben, die sie al¬ lein oder mit Hilfskräften bewirtschaften. B. gibt es, seitdem vor etwa 8 000 Jahren die Menschen seßhaft wurden. Sie bildeten den Hauptteil der Bevölkerung in den vor¬ industriellen t Agrargesellschaften. Viele B. wurden in den letzten zwei Jahrhunder¬ ten allmählich vom »Städter« verdrängt oder fielen einem raschen Prozeß des wirt¬ schaftlichen Wandels und der Konzentra¬ tion zum Opfer. Die Betriebsgrößen stie¬ gen stark an. Die Zahl der Betriebe in der Landwirtschaft ging in den alten Bundes¬ ländern von 1,65 Mill. im Jahre 1949 auf 629740 im Jahre 1990, also auf rund ein Drittel zurück. In der damaligen DDR be¬ standen (1989) 8668 landwirtschaftliche Betriebe (meist in der Form der t landwirt¬ schaftlichen Produktionsgenossenschaft). 780200 Menschen waren in der Landwirt¬ schaft beschäftigt, darunter 522500 zum Vollerwerb. Es ist dort ein tiefgreifender Umstrukturierungsprozeß im Gange, an dessen Ende die kollektivierte Landwirt¬ schaft entflochten und privatisiert sein soll. Bauernverband t Deutscher Bauern¬ verband. Baugesetzbuch (BauGB): Das am 8. Dezember 1986 erlassene B. führt die Re¬ gelungen des Bundesbaugesetzes von 1960 und des Städtebauförderungsgesetzes von 1971 in einer einheitlichen bundesrechtli¬ chen Kodifikation des Städtebaurechts zu-

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Bauleitplanung

sammen. Das Bauordnungsrecht bleibt da¬ gegen weiter der Regelung durch die Bun¬ desländer Vorbehalten. Die Erneuerung des t Baurechts wurde notwendig, um den in den 1980er Jahren grundlegend gewan¬ delten Zielen des Städtebaus, der Abkehr von Flächensanierungen zugunsten einer objektbezogenen und »erhaltenden Stadt¬ erneuerung« sowie der stärkeren Hinwen¬ dung zu Stadtökologie, zu Umweltschutz und Flächenrecycling gerecht zu werden. Das B. umfaßt v.a. die Bauleitplanung, Regelungen zur Entschädigung, Boden¬ ordnung, Enteignung und Erschließung sowie Sanierungsvorschriften. Auf bun¬ desrechtliche Regelungen zur t Mischfi¬ nanzierung der Städtebauförderung, wie sie im Städtebauförderungsgesetz enthal¬ ten waren, wurde im B. verzichtet. Die ge¬ meinsame Finanzierung städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen wird jedoch auf¬ grund einer Verwaltungsvereinbarung zwi¬ schen Bund und Ländern vom 18. März 1988 fortgesetzt. Bauleitplanung: Die B. der Gemeinden dient der planvollen städtebaulichen Ent¬ wicklung durch Flächennutzungspläne, die vorbereitend und großflächig die Nutzung des Gemeindegebietes beschreiben (u. a. Industriebereiche, Wohnviertel), und durch Bebauungspläne, die die Art der Be¬ bauung verbindlich regeln. Die Grundsät¬ ze der B. sind im t Baugesetzbuch geregelt. Sie hat öffentlich zu erfolgen (Beteiligungs- und Anhörungsverfahren) und un¬ terliegt der Genehmigung durch die je¬ weils zuständige höhere Verwaltungsbe¬ hörde. Sie hat die übergeordneten Grund¬ sätze der t Raumordnung und Landespla¬ nung zu berücksichtigen. Baurecht ist die Summe der Vorschrif¬ ten, die die bauliche Nutzung von Grund¬ stücken betreffen. Dazu gehören die t Bau¬ leitplanung, die im t Baugesetzbuch des Bundes geregelt ist und das Bauordnungs¬ recht in den Landesbauordnungen der Länder. Dieses regelt die Eigenschaften und Nachbarbeziehungen eines Baugrund¬ stücks, das Baugenehmigungsverfahren sowie die Anforderungen baukonstrukti¬ ver, baugestalterischer und bauwirtschaft¬ licher Art an die Bauwerke und Baustoffe. Bayern: Nach der Verfassung vom 2. De¬ zember 1946 ist B. ein Freistaat, nach

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Art. 23 GG ein Gliedstaat der BR Deutschland. Der Freistaat Bayern ist mit 11,05 Mill. Einwohnern und einer Fläche von 70 547 km2 der Ausdehnung nach das größte Land der BR Deutschland. Wichtigstes Organ der Gesetzgebung ist der in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl (modifiziertes Verhält¬ niswahlrecht mit Wahl- und Stimmkreis) auf jeweils vier Jahre gewählte Landtag, der seinerseits den Ministerpräsidenten zum Leiter der Staatsregierung wählt. Die¬ ser ernennt und erläßt mit Zustimmung des Landtags die übrigen Regierungsmit¬ glieder. Der Senat nimmt als beratendes Organ an der Gesetzgebung teil; er setzt sich aus 60 Mitgliedern zusammen, die von den sozialen, wirtschaftlichen, kultu¬ rellen und kommunalen Körperschaften berufen werden. Eine Möglichkeit direkter Teilnahme der Bevölkerung an der Gesetz¬ gebung besteht durch Volksbegehren und Volksentscheid. Der Verfassungsgerichts¬ hof entscheidet als oberstes bayerisches Gericht über staatsrechtlich strittige Fra¬ gen. B. ist aus dem Siedlungsgebiet dreier Volksstämme entstanden, der Baiern, Franken und Schwaben. Während und nach dem 2. Weltkrieg hat B. über 2 Mill. Flüchtlinge und Heimatvertriebene aufge¬ nommen (1961: 20,5 % der Bevölkerung). Der Konfessionszugehörigkeit nach sind 67.2 % der Bevölkerung katholisch und 23.2 % evangelisch. Während die Regie¬ rungsbezirke Oberbayern, Niederbayem, Oberpfalz und Schwaben einen Anteil von über 80 % katholischer Bevölkerung ha¬ ben. überwiegt in Oberfranken und Mittel¬ franken die evangelische Bevölkerung mit rund 60 %. B. hat in den letzten Jahren eine bedeuten¬ de industrielle Entwicklung aufzuweisen. Der Anteil der in der Land- und Forstwirt¬ schaft Berufstätigen ist zwischen 1950 und 1987 von 20,7% auf 5,7% zurückgegan¬ gen. Wegen der Mechanisierung der Land¬ wirtschaft bedeutet dies jedoch keinen Rückgang der Agrarerzeugnisse; vielmehr wird mit vermindertem Arbeitskräfteein¬ satz eine steigende Leistung erzielt, so daß der Grad der Ernährungsselbstversorgung nicht abnimmt. Ein Großteil der verblei¬ benden Landwirte sind Zuerwerbs- oder

Bedürfnisse

Nebenerwerbslandwirte, so daß es schon seit 1970 in B. keine Gemeinde mit rein landwirtschaftlicher Bevölkerung mehr gibt. BDA t Arbeitgeberverbände. BDI t Bundesverband der Deutschen In¬ dustrie. Beamter ist derjenige Angehörige des t öffentlichen Dienstes, der in einem öf¬ fentlich-rechtlichen Dienst- und Treuever¬ hältnis steht. Das Beamtentum kam mit dem modernen Staat im 17. und 18. Jahr¬ hundert auf. Beamte haben die Staatsent¬ wicklung als »Staatsdiener« wesentlich mitbewirkt. Heute gibt es Bundes- und Landesbeamte, Beamte auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Probe und auf Widerruf so¬ wie Ehrenbeamte. In ein Beamtenverhält¬ nis kann nur berufen werden, wer Deut¬ scher ist, die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die t freiheitliche demokrati¬ sche Grundordnung im Sinne des Grund¬ gesetzes eintritt und eine entsprechende, je nach Laufbahn unterschiedliche Vorbil¬ dung und Befähigung besitzt. Die Begrün¬ dung des Beamtenverhältnisses erfolgt un¬ ter Beachtung bestimmter Formvorschrif¬ ten durch Aushändigung einer Ernen¬ nungsurkunde. Die Rechte und Pflichten der Beamten werden wesentlich durch die »hergebrachten Grundsätze des Berufsbe¬ amtentums« (Art. 33 Abs. 5 GG) be¬ stimmt. Soweit die Wahrnehmung öffentli¬ cher Aufgaben es unbedingt erfordert, ist die Geltung der t Grundrechte im Beam¬ tenverhältnis gewissen Beschränkungen unterworfen (z. B. kein Streikrecht). Den besonderen Pflichten des Beamten stehen besondere Rechte gegenüber (z. B. Un¬ kündbarkeit bei Lebenszeitbeamten, An¬ spruch auf Schutz und Fürsorge, Pensions¬ anspruch). Das Beamtenverhältnis endet durch Tod, Entlassung, Verlust der Beam¬ tenrechte und Entfernung aus dem Dienst in einem Disziplinarverfahren sowie - in gewissem Umfang - durch Eintritt in den Ruhestand. Ob die Beschäftigung im öf¬ fentlichen Dienst auch dann im Beamten¬ verhältnis erfolgen sollte, wenn - z. B. von Postbeamten oder Lehrern - keine hoheit¬ lichen Handlungen vorgenommen wer¬ den, ist umstritten; eine Reduzierung des Umfangs der Beamtenschaft wird disku¬ tiert. - t auch Bürokratie.

Bebauungsplan ! Bauleitplanung. Bedürfnisse £ehen von Mangelzustän¬

den aus, die ein Mensch empfindet und be¬ heben möchte (Bedürfnisbefriedigung). Entsprechend der Dringlichkeit der Be¬ dürfnisbefriedigung werden unterschie¬ den: existentielle B. (lebensnotwendige B. wie Nahrung und Unterkunft), kulturelle B. (deren Befriedigung zu einem bestimm¬ ten Kulturniveau gehört) und Luxusbe¬ dürfnisse (deren Befriedigung als entbehr¬ lich gilt). Existentielle B. werden auch als Primärbedürfnisse bezeichnet, d. h. es handelt sich um ursprünglich vorhandene B. (Triebe, Instinkte). Dagegen sind Se¬ kundärbedürfnisse (wie kulturelle und Lu¬ xusbedürfnisse) durch die gesellschaftliche Umwelt hervorgerufen und angelernt. Ei¬ ne andere Unterteilung der B. unterschei¬ det materielle (auf Sachwerte bezogene) und soziale (auf Personen bezogene) Be¬ dürfnisse. Im Hinblick auf die B. eines ein¬ zelnen, einer Gruppe oder einer Gemein¬ schaft werden Individual-, Gruppen- und Kollektivbedürfnisse unterschieden. In den Wirtschaftswissenschaften werden die B., die auf dem Markt wirksam wer¬ den, als Bedarf bezeichnet. Da die B. groß, die Mittel zur Befriedigung dagegen knapp sind, wird davon ausgegangen, daß sich wirtschaftliches Handeln nach dem t ökonomischen Prinzip vollziehen muß, damit größtmögliche Bedürfnisbefriedi¬ gung erreicht werden kann. Hierbei sind folgende Fragen von Interesse: Wie ist ein bestimmter Zweck mit geringstem Mittel¬ einsatz zu erreichen und wie kann mit den vorhandenen Mitteln ein größtmöglicher Nutzen erwirtschaftet werden? Soziologisch bedeutsam erscheint der Um¬ stand, daß Bedürfnisbefriedigung gesell¬ schaftlich geregelt ist: Zeigt sich die Ge¬ sellschaft zur Befriedigung wichtiger B. nicht in der Lage oder werden Teile der Bevölkerung zur Unterdrückung ihrer B. gezwungen, kommt es zu Spannungen. Da aber nicht alle B. befriedigt werden kön¬ nen, werden die Formen der Bedürfnisbe¬ friedigung durch soziale t Normen so gere¬ gelt, daß die als nicht akzeptabel geltenden B. unterdrückt werden. In allen Gesell¬ schaften geht die Bedürfnisbefriedigung nach festen Verhaltensschemata vor sich; diese werden im Prozeß der t Sozialisation

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Beeinflussung

erworben und schließlich vom einzelnen als Selbstverständlichkeit empfunden (ver¬ innerlicht). Gesellschaftlicher Fortschritt wird u. a. auf den Aufschub augenblickli¬ cher B. zugunsten späterer Bedürfnisbe¬ friedigung zurückgeführt. Beeinflussung t Manipulation. Befreiungsbewegungen: Sammelbe¬ griff für den organisierten Widerstand, der auf Ablösung einer Kolonialherrschaft zielt, sich gegen nationale diktatorische Regime richtet oder die Loslösung eines Teilgebietes aus einem Gesamtstaat an¬ strebt. Die B. entstanden in der Zeit der t Entkolonisation der Länder der t dritten Welt nach dem 2. Weltkrieg. Sie genießen, obwohl sie keine effektive territoriale Herrschaft ausüben, eine gewisse interna¬ tionale Anerkennung als t Völkerrechts¬ subjekte. Während nach allgemeinem t Völkerrecht jede Gewaltanwendung ge¬ gen fremde Staaten, die nicht in Ausübung des Selbstverteidigungsrechts geschieht, verboten ist, haben nach einer Aggres¬ sionsdefinition der t UN von 1974 die Völ¬ ker zur Durchsetzung ihrer Selbstbestim¬ mung, Freiheit und Unabhängigkeit das Recht zum Kampf und zur Unterstützung Dritter in diesem Kampf. Die Kritiker die¬ ser Doktrin sehen darin eine Wiederbele¬ bung des Gedankens des »gerechten Krie¬ ges« und eine Auflösung des Gewaltver¬ bots. Der besondere völkerrechtliche Sta¬ tus der B. wirkt sich v. a. in der Anwend¬ barkeit der Regeln des internationalen t Kriegsrechts für die Angehörigen der B. aus. Begabung ist die Fähigkeit eines Men¬ schen, eine - im Vergleich zu anderen - be¬ sondere Leistung zu erbringen, sei es im allgemeinen (Allgemeinbegabung) oder auf einem speziellen Gebiet, z. B. im ma¬ thematischen oder künstlerischen Bereich (Sonderbegabung). Die ältere Begabungs¬ forschung ging davon aus, daß B. nur durch Vererbung und andere natürliche Faktoren (z. B. Rasse, Nationalität) festge¬ legt ist. So sah man u. a. auch die gesell¬ schaftliche f Schichtung als das Resultat ei¬ ner natürlichen und anlagebedingten Be¬ gabungsverteilung und somit als unverän¬ derbar an. Im Gegensatz dazu steht eine andere Theorie, die B. ausschließlich als das Resultat von Umwelteinflüssen be¬

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trachtet. Danach wird der Mensch als un¬ beschriebenes Blatt geboren und völlig durch die Umwelt geprägt. Die neuere, von der Sozialisationsforschung stark be¬ einflußte Begabungstheorie geht dagegen vom »dynamischen Begabungsbegriff« aus: B. wird als Resultat von Anlage und Umwelt gesehen und ist so zwar in ihren natürlichen Bedingungen angelegt, aber innerhalb bestimmter Grenzen durch die Umwelt veränderbar. B. kann durch be¬ sonders günstige Anreizbedingungen (z. B. systematische Schulung und Förde¬ rung von Interessen) bis zu einer obersten Leistungsgrenze gesteigert werden, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Dagegen kann fehlende Unterstützung durch die soziale Umwelt zu einer Ver¬ kümmerung der Begabungsreserven füh¬ ren. Als begabungsfördernde bzw. bega¬ bungshemmende Umweltfaktoren werden in der Begabungsforschung u. a. unter¬ sucht : Einkommen und Schichtzugehörig¬ keit der Eltern (sozioökonomischer Status), die Leistungs- und Erfolgsnormen der El¬ tern und Erzieher (Aspirations- bzw. Erwar¬ tungsniveau), die sprachliche Ausdrucksfä¬ higkeit, die notwendig ist, um Informatio¬ nen aufnehmen und wiedergeben zu kön¬ nen, das Erziehungsverhalten der Eltern und Lehrer im Hinblick darauf, ob es der Entwicklung einer selbstbewußten Persön¬ lichkeit dient und die Begabungsanlagen zu wecken versteht. Untersucht werden auch die Bildungseinrichtungen der Ge¬ sellschaft (z. B. Kindergarten, Schule, Uni¬ versität) danach, ob sie der Forderung nach Chancengleichheit durch die Förde¬ rung einzelner gerecht werden oder ob sie die Entfaltung der durch ihre soziale Her¬ kunft Benachteiligten hemmen. Was unter dem Begriff B. verstanden wird, ist von sich wandelnden Anschauungen abhängig, da jede Zeit und Gesellschaft ihren eige¬ nen Leistungsbegriff hat. Begnadigung: Gänzlicher oder teilwei¬ ser Verzicht des Staates auf Vollstreckung eines rechtskräftigen Strafurteils im Ein¬ zelfall (im Gegensatz zur t Amnestie, die eine Mehrzahl von Fällen betrifft). In der BR Deutschland übt der t Bundespräsi¬ dent das Begnadigungsrecht des Bundes aus, in den Ländern steht es den jeweüigen gesetzlich berufenen Organen, meist den

Benelux

Ministerpräsidenten, zu. Die sog. Gnaden¬ praxis im Hinblick auf lebenslänglich Ver¬ urteilte wird in den einzelnen Bundeslän¬ dern sehr unterschiedlich gehandhabt; es bestehen Überlegungen, die gerichtlich nicht überprüfbaren Gnadenentscheidun¬ gen zukünftig rechtlichen Regelungen zu unterwerfen. Behinderte sind Menschen, die durch ei¬ nen angeborenen oder erworbenen ge¬ sundheitlichen Schaden in der Ausübung normaler Tätigkeiten beeinträchtigt sind und auch in der Wahrnehmung ihrer sozia¬ len Rolle Einschränkungen unterliegen. Man unterscheidet Körperbehinderungen, Sprachbehinderungen, psychische Behin¬ derungen (einschließlich Geistes- und Suchtkrankheiten) sowie soziale Behinde¬ rungen, die in Lernbehinderungen oder Verhaltensstörungen zum Ausdruck kom¬ men. Die Zahl der B. wird in den alten Bundesländern mit 5 bis 8 Mill. Menschen angegeben, von denen etwa 60% über 60 Jahre alt sind. Nach dem 2. Weltkrieg bil¬ deten die über 2 Mill. Kriegsbeschädigten die Hauptgruppe der Behinderten. Die Schwere einer Behinderung wird im Sozialrecht nach ihrem »Grad« in Pro¬ zentsätzen gemessen. Gemäß dem Schwer¬ behindertengesetz vom 26. August 1986 gelten als Schwerbehinderte solche Perso¬ nen, bei denen der Grad der Behinderung mindestens 50% beträgt. Der Grad wird auf Antrag des B. durch die Versorgungs¬ ämter festgelegt. Nach dem Gesetz müs¬ sen öffentliche und private Arbeitgeber, die wenigstens über 16 Arbeitsplätze ver¬ fügen, mindestens 6% ihrer Arbeitsplätze mit einem B. besetzen. Solange sie dies nicht tun, ist eine Ausgleichsabgabe in Hö¬ he von 150 DM pro Monat zu entrichten. Tatsächlich sind von den sich daraus rech¬ nerisch ergebenden 1 Mül. Pflichtarbeits¬ plätzen nur rund 700000 besetzt. Deshalb wird seit längerem eine drastische Erhö¬ hung der Ausgleichsabgabe verlangt. In Betrieben mit mehr als fünf B. muß eine Schwerbehindertenvertretung gebildet werden. Gefördert werden auch die sog. Behinder¬ tenwerkstätten, von denen es (1987) 469 mit 61000 Beschäftigten gab. Außerdem gibt es Eingliederungshilfen, die von der medizinischen Versorgung bis zur Um¬

schulung und Arbeitsplatzbeschaffung rei¬ chen. Trotz dieser Hilfen stellt die Integra¬ tion der B. in die Gesellschaft eine schwere Aufgabe dar. Wichtig ist es, unbefangene Begegnungen zwischen B. und Nicht-B. zu ermöglichen, z. B. durch den gemeinsa¬ men Schulunterricht von Körperbehinder¬ ten und Nicht-B., wie er gegenwärtig in etwa 200 Integrationsprojekten versucht wird. Behörden sind Organe, die staatliche oder kommunale Aufgaben erfüllen. Man unterscheidet gemäß der Zuständigkeit Verwaltungs- und Gerichtsbehörden. Die staatlichen Verwaltungsbehörden, als B. im engeren Sinne, sind nach dem Prinzip der Über- und Unterordnung in Unter-, Mittel- und Zentralbehörden gegliedert; daraus folgt das Aufsichts- und Weisungs¬ recht der jeweils übergeordneten Instanz. B. sind auch intern hierarchisch geordnet. An ihrer Spitze steht der B.-chef. Unter ihm gliedern sich die B. in Abteilungen und Referate auf, deren Leiter den Wei¬ sungen und der Aufsicht ihrer Vorgesetz¬ ten unterstellt sind. - t auch Verwaltungs¬ aufbau. Beigeordneter ist ein von einer Gemein¬ devertretung (z. B. Stadtrat, Stadtverord¬ netenversammlung) gewählter oder be¬ stellter (Kommunal-)Beamter, der auch ehrenamtlich tätig sein kann. Beiräte sind aus Fachleuten und Interes¬ senvertretern zusammengesetzte Gremien zur Beratung der t Exekutive (z. B. t Sach¬ verständigenbeirat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung). Bekenntnisfreiheit: Das Grundrecht des Art. 4 GG garantiert die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiö¬ sen und weltanschaulichen Bekenntnisses, t auch Glaubens- und Gewissensfreiheit, t Religionsfreiheit. Bekenntnisschulen t Schule. Belegschaftsaktien sind t Aktien, die den Arbeitnehmern einer t Aktiengesell¬ schaft zu besonders günstigen Bedingun¬ gen angeboten werden. B. führen zu Ver¬ mögensbildung in Arbeitnehmerhand und zu Miteigentum am Produktionsvermö¬ gen. Gleichzeitig werden die Arbeitneh¬ mer enger an das Unternehmen gebunden. Benelux: Kurzwort für die 1948 in Kraft getretene Zoll-, seit 1960 auch Wirtschafts-

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Berlin Union zwischen Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. Seit 1958 gehören die drei Länder der EG an. Berlin: Die aus den beiden mittelalterli¬ chen Städten B. und Kölln zusammenge¬ wachsene Hauptstadt Preußens und des Deutschen Reichs wurde nach dem 1. Weltkrieg durch Eingemeindungen auf ihren gegenwärtigen Umfang von rund 883 km2 erweitert (Gesamt-B. 1990: 3,42 Mill. E„ 3 870 E/km2). Am Ende des 2. Weltkrieges wurde B. von sowjetischen Truppen besetzt, jedoch auf¬ grund einer schon 1944 getroffenen und 1945 ergänzten Vereinbarung in vier Sek¬ toren aufgeteilt, die von je einer der vier Hauptsiegermächte besetzt wurden. Zu¬ gleich wurde aber das gesamte Gebiet von Groß-B. der gemeinsamen Verwaltung der von Vertretern der amerikanischen, briti¬ schen, französischen und sowjetischen Truppen gebildeten Alliierten Komman¬ dantur unterstellt. Infolge zunehmender politischer Gegensätze zwischen den Westmächten und der UdSSR stellte diese im Juni 1948 ihre Mitarbeit in der Alliier¬ ten Kommandantur ein. Deren Tätigkeit war seitdem faktisch auf West-B. be¬ schränkt. Auch die aufgrund einer von der Alliierten Kommandantur im Jahre 1946 erlassenen vorläufigen Verfassung für Groß-B. gebildeten deutschen Organe konnten seit September 1948 ihre Tätig¬ keit nur noch in den Westsektoren aus¬ üben. Die sowjetische Blockade West-Ber¬ lins 1948/49 blieb erfolglos, weü die Bevöl¬ kerung durch eine Luftbrücke der westli¬ chen Alliierten versorgt wurde. Der Bau der Mauer durch B. seitens der DDR 1961 brachte West-Berlin langfristig in eine Son¬ dersituation. Ost-B. wurde de facto als Hauptstadt in die DDR integriert, wäh¬ rend die Bindungen West-B. an die BR Deutschland verstärkt wurden. Im Jahre 1971 bestätigten die vier Besatzungsmäch¬ te in einem Abkommen (t Viermächteab¬ kommen) ihre gemeinsame Verantwor¬ tung für das gesamte Gebiet von B.; im wesentlichen wurde der durch die Spal¬ tung geschaffene Status quo anerkannt. Im t Grundgesetz und in der 1950 mit Bil¬ ligung der Westmächte geschaffenen Ver¬ fassung von B. wurde die Stadt zwar zu ei¬ nem Land der BR Deutschland erklärt,

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aber die Westalliierten setzten durch, daß B. »nicht durch den Bund regiert werden« und nicht als Bundesland in die Verfas¬ sungsorganisation der BR Deutschland einbezogen werden durfte. Den deutschen Staatsorganen wurde jedoch erlaubt, so zu handeln, als ob B. ein Bundesland sei. Da¬ her wurden Bundesgesetze durch den Lan¬ desgesetzgeber nach B. übernommen. Auch durften Bundesverwaltungsbehör¬ den ihren Sitz in B. nehmen und Bundes¬ gerichte über Fälle aus B. entscheiden. Je¬ doch hatten die Bundestagsabgeordneten aus B. nur ein beschränktes Stimmrecht im t Bundestag. Heute ist Gesamtberlin ein Bundesland mit den vollen Rechten eines solchen. Seine Zusammenlegung mit dem Bundesland Brandenburg wird angestrebt. B. ist die Hauptstadt der BR Deutschland und wird wieder Regierungssitz. Nach der Verfassung von 1950 wählt das mindestens 200 Mitglieder zählende - Ab¬ geordnetenhaus (= Landesparlament) den Regierenden Bürgermeister und den Senat (= Landesregierung). Die wirt¬ schaftliche Lage in B., das größte Indu¬ striestadt Deutschlands ist, wird nach dem Zusammenbruch der DDR und ihrer tota¬ len Planwirtschaft von ähnlichen, aber un¬ mittelbar schärferen Problemen geprägt wie das vereinigte Deutschland. Vom Ab¬ bau der Berlinförderung des Bundes sind u. a. die vielfältigen kulturellen Einrichtun¬ gen der Metropole betroffen. Beruf: Im engeren, ursprünglichen Sinn die Tätigkeit, zu der sich ein Mensch durch Neigung und Begabung »berufen« fühlt. Heute bezeichnet B. die hauptsächliche, regelmäßige Tätigkeit eines Menschen, mit der er sich seinen Lebensunterhalt ver¬ dient. Die Zahl der Berufe hat mit der t In¬ dustrialisierung stark zugenommen. Neue Berufe sind entstanden, alte verschwunden oder haben sich in ihren Anforderungen wesentlich gewandelt. Durch die schnellen Entwicklungen in den Produktions- und Dienstleistungsbereichen der industriellen Gesellschaft erlernt man einen Beruf nicht mehr für die Lebenszeit, sondern es wird vom Berufstätigen eine dauernde Umstel¬ lung auf neue Aufgaben und dauernde An¬ passung an neue Verfahren verlangt, eine t Mobilität also, die vom einmal erlernten B. wegführt. Die Wahl des B. ist in der BR

berufliche Bildung

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Kindergarten Praktikantenausbildung

4

Weg von Ausbildung zu Ausbildung

3 2

Kinderkrippe

1

Weg zum Berufsleben Weg aus dem Berufsleben zur Ausbildung

Berufliche Bildung. Die Bildungswege im Bildungssystem der BR Deutschland Deutschland nach Art. 6 GG frei. - t auch Berufsfreiheit. berufliche Bildung: Im Berufsbildungs¬ gesetz (1969) zusammenfassende Bezeich¬ nung für Maßnahmen der Berufsausbil¬ dung, der beruflichen Fortbildung und der beruflichen Umschulung. Im Mittelpunkt der b. B. steht die berufli¬ che Erstausbildung Jugendlicher, in der Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, die für die darauf folgende Er¬

werbstätigkeit benötigt werden. Die Erst¬ ausbildung teilt sich in die praktische Be¬ rufsausbildung in einem Betrieb und in die begleitende theoretische Unterweisung in öffentlichen Berufsschulen (duales Sy¬ stem), deren Besuch für Jugendliche wäh¬ rend ihrer Ausbildungszeit ohne Rücksicht auf Alter oder Schulvorbildung verpflich¬ tend ist. Das Berufsbildungsgesetz regelt die betriebliche Ausbildung, die schulische untersteht den Kultusministerien der ein-

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Berufsbeamtentum zelnen Bundesländer. Die finanzielle För¬ derung der Berufsbildung wird durch das t Arbeitsförderungsgesetz (1969), die der schulischen Berufsbildung durch das Bun¬ desausbildungsförderungsgesetz (1971) geregelt. Die berufliche Fortbildung baut auf eine Berufsausbildung oder beruflichen Erfah¬ rungen auf; sie soll es ermöglichen, die be¬ ruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten und zu erweitern, der technischen Entwicklung anzupassen oder beruflich aufzusteigen. Die berufliche Umschulung ist eine Sonderform der Ausbildung und umfaßt alle Maßnahmen, die zu einer an¬ deren beruflichen Tätigkeit befähigen sol¬ len. Sie soll nach Inhalt, Art, Dauer und Ziel den besonderen Erfordernissen der beruflichen f Erwachsenenbildung ent¬ sprechen und - abweichend von der beruf¬ lichen Erstausbildung Jugendlicher - mög¬ lichst in verkürzter Ausbildungszeit durch¬ geführt werden. Von beruflicher Umschu¬ lung kann nur gesprochen werden, wenn bereits eine Berufsausbildung abgeschlos¬ sen wurde oder wenn eine berufliche Tätig¬ keit von längerer Dauer ausgeübt worden ist. Berufsbeamtentum t Beamter. Berufsberatung: Beratung von Jugend¬ lichen und Erwachsenen durch die Berufs¬ beratungsstellen der t Arbeitsämter in Fra¬ gen der Berufswahl und des beruflichen Fortkommens sowie Information über An¬ forderungen und die Arbeitsmarktsitua¬ tion bei den verschiedenen Berufen. Berufsfreiheit: Aus dem liberalen, gegen das Zunftwesen gerichteten Prinzip der t Gewerbefreiheit entwickeltes, durch Art. 12 Abs. 1 GG garantiertes Grund¬ recht, dessen Ziel der Schutz der wirt¬ schaftlich sinnvollen Arbeit als Beruf ist. Die B. verwirklicht sich vorwiegend im Be¬ reich der Berufs- und Arbeitsordnung und ist hier v. a. darauf gerichtet, Freiheit von Zwängen oder Verboten im Zusammen¬ hang mit der Wahl und Ausübung des Be¬ rufs zu gewährleisten. In erster Linie wird die Freiheit der Berufswahl garantiert, d. h. der freie Zugang zum Beruf und die faktisch sinnvolle Ausübung dieses Beru¬ fes. Der Schutzgehalt des Grundrechts umfaßt aber auch den Bereich der Berufs¬ ausübung, d. h. die Art und Weise der be¬

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ruflichen Tätigkeit. Häufig ist die Feststel¬ lung schwierig, ob ein staatlicher Eingriff noch auf der Stufe der Berufsausübung vorliegt oder schon in die Zone der Berufs¬ wahl vordringt. Die Freiheit der Berufs¬ wahl darf nur eingeschränkt werden, so¬ weit der Schutz besonders wichtiger Ge¬ meinschaftsgüter es zwingend erfordert; die Berufsausübung kann von bestimmten Qualifikationen (z. B. beim Arzt oder Apo¬ theker) abhängig gemacht werden. Berufsgenossenschaften sind Träger der gesetzlichen f Unfallversicherung, in die die t Unternehmer Pflichtbeiträge zah¬ len. Sie erlassen Vorschriften zur Unfall¬ verhütung und zum Gesundheitsschutz. Berufsheer t Militär. Berufsschule t berufliche Bildung. Berufsunfähigkeit bedeutet im Gegen¬ satz zur t Erwerbsunfähigkeit die Unfähig¬ keit eines Berufstätigen, im bisherigen oder einem vergleichbaren Beruf tätig zu sein. Bei B. kann eine Berufsunfahigkeitsrente gewährt werden. Berufsverbot ist die zeitweilige oder dauernde Untersagung der Ausübung eines bestimmten Berufs wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Be¬ rufspflichten. Es kann im berufsgerichtli¬ chen Verfahren durch Berufs- oder Ehren¬ gerichte (z. B. bei freien Berufen) oder im strafgerichtlichen Verfahren nach den §§61 und 70 des Strafgesetzbuches als t Maßregel der Sicherung und Besserung verhängt werden. Einem B. gleich kommt die Rücknahme der für die Berufsaus¬ übung erforderlichen Erlaubnis durch eine Verwaltungsbehörde (z. B. Gewerbeunter¬ sagung, Betriebsuntersagung). Berufswahl t Berufsfreiheit. Berufung: Das gegen die (meisten) erstinstanzlichen Urteile mögliche t Rechtsmittel. Das Berufungsgericht prüft das angefochtene Urteil in vollem Umfang, d. h. hinsichtlich der Tatsachen bzw. des Sachverhalts und der Rechtsfra¬ gen, im Gegensatz zum Revisionsgericht (t Revision), das von dem vom Unterge¬ richt festgestellten Sachverhalt ausgeht und nur Rechtsfragen behandelt. Besatzungsherrschaft nennt man die Übernahme der obersten Regierungsge¬ walt in Deutschland durch das Militär der Alliierten am Ende des 2. Weltkriegs (»Mi-

Betriebsrat

litärregierung«). Sie wurde von den Ame¬ rikanern, Engländern, Franzosen und Russen in besonderen Besatzungszonen (in Berlin: Sektoren) und gemeinsam im Alliierten Kontrollrat ausgeübt. Die deut¬ schen Verwaltungsbehörden hatten den Anordnungen der Besatzungsmächte Fol¬ ge zu leisten. In Westdeutschland wurde die B. 1949 einer schriftlichen Regelung unterworfen (Besatzungsstatut). Die B. wurde 1955 durch eine vertragliche Rege¬ lung zwischen den USA, Großbritannien, Frankreich und der BR Deutschland er¬ setzt (t Deutschlandvertrag). Beschäftigungspolitik ist ein Teilbe¬ reich der staatlichen t Wirtschaftspolitik und umfaßt alle Maßnahmen eines Staa¬ tes, die die t Arbeitslosigkeit verringern oder vermeiden sollen. Zu diesem Zweck kann der Staat selbst mehr Menschen be¬ schäftigen (im 1 öffentlichen Dienst), be¬ stimmte Arbeiten durchführen (z. B. öf¬ fentliche Bauarbeiten) oder Aufträge ver¬ geben (z. B. an die Rüstungsindustrie). Ferner gehören zur B. die Berufsberatung und Stellenvermittlung sowie die Umschu¬ lung von Arbeitslosen als Aufgaben der t Bundesanstalt für Arbeit. Ein weiteres Mittel der B. sind staatliche t Subventio¬ nen an Industriebetriebe mit der Auflage, Arbeitnehmer einzustellen oder nicht zu entlassen Die B. gewann in den fünf neuen Bundes¬ ländern beim Übergang von der desolat gewordenen staatlichen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft und zu privaten Eigen¬ tumsformen große Bedeutung. Für 1 Kurz¬ arbeit, Kündigungsschutz, berufliche Um¬ schulung, vorgezogenen Ruhestand und t Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden Übergangs- und Sonderregelungen getrof¬ fen und öffentliche Mittel großen Um¬ fangs bereitgestellt. Beschwerde: Eingabe an eine (überge¬ ordnete) Dienststelle oder an ein Gericht, durch die die Änderung der von einer un¬ teren t Instanz getroffenen Maßnahme er¬ strebt wird. Besitz knüpft im Gegensatz zum t Eigen¬ tum, das eine reine Rechtsbeziehung zu ei¬ ner Sache darstellt, an die tatsächliche Sachherrschaft an. Auch ein Nichteigentü¬ mer (z. B. der Mieter einer Sache) kann Besitzer sein mit einem unter Umständen

auch gegenüber dem Eigentümer gericht¬ lich durchsetzbaren Recht auf Besitz. Betreuungsgesetzt Vormundschaft. Betrieb ist eine selbständige und planvoll organisierte örtliche und technische Wirt¬ schaftseinheit, die durch Kombination ver¬ schiedener t Produktionsfaktoren Sachgü¬ ter produziert oder t Dienstleistungen be¬ reitstellt. Im t Arbeitsrecht wird der B. als eine Einrichtung beschrieben, in der ein t Unternehmer allein oder mit Hilfe von Arbeitskräften und unter Einsatz materiel¬ ler oder immaterieller Mittel fortgesetzt ei¬ nen arbeitstechnischen Zweck verfolgt, der sich nicht in der Befriedigung von Ei¬ genbedarf erschöpft. Die sozialrechtliche Seite des B. wird durch das t Betriebsver¬ fassungsgesetz geregelt, das die Rechtslage der Beschäftigten festlegt. Der Begriff B. ist gegenüber dem t Unternehmen nicht scharf abgegrenzt. betriebliche Altersversorgung: Alle Maßnahmen, die ein Unternehmen über seine Pflichtbeiträge zur gesetzlichen 1 Rentenversicherung hinaus ergreift, um alte oder invalide Arbeitnehmer und Wit¬ wen oder Waisen ehemaliger Arbeitneh¬ mer zu versorgen. Die b. A. kann in ver¬ schiedenen Formen erfolgen: betriebliche Ruhegeldverpflichtung (Pensionsver¬ pflichtung), d. h. das Unternehmen über¬ nimmt die Ruhegeldverpflichtung unmit¬ telbar, ist also selbst Träger der Versor¬ gung. Weiterhin durch Direktversiche¬ rung, Pensions- und Unterstützungskassen sowie freiwillige Höher- oder Selbstversi¬ cherung durch das arbeitgebende Unter¬ nehmen. Durch das Gesetz zur Verbesse¬ rung der b. A. von 1974 wurden nur ein Teil der Probleme der b. A. geklärt; schwierige Fragen ergeben sich nach wie vor bei der Höhe der Anpassung der Ver¬ sorgungsleistungen an die gestiegenen Le¬ benshaltungskosten und der Anrechnung anderer Bezüge. Betriebsrat ist die gewählte betriebliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Der B. hat gesetzlich abgestufte Informa¬ tions-, Beratungs- und Mitbestimmungs¬ rechte in wirtschaftlichen, personellen und sozialen Fragen des Betriebs. Der B. ist kein Organ der t Gewerkschaft, unterliegt der t Friedenspflicht und ist in seiner Ver¬ tretungsfunktion zur »vertrauensvollen

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Betriebsvereinbarung

Zusammenarbeit« mit dem Arbeitgeber verpflichtet. Seine ihm gesetzlich zugewie¬ sene Stellung im Spannungsfeld zwischen Arbeitnehmern, Betriebsleitung und Ge¬ werkschaften stellt den B. vor die schwieri¬ ge Aufgabe, die oft gegensätzlichen Erwar¬ tungen aller drei Gruppen zu vermitteln. t auch Betriebsverfassung, t Betriebsver¬ fassungsgesetz. Betriebsvereinbarung zwischen t Ar¬ beitgeber und t Betriebsrat regelt für alle t Arbeitnehmer des Betriebes dessen Ord¬ nung oder einzelne betriebliche Angele¬ genheiten nach Vorschrift des f Betriebs¬ verfassungsgesetzes. - t auch Betriebsver¬ fassung. Betriebsverfassung: Unter B. versteht man die Form, die ein Industriebetrieb zur Regelung der aus seiner Herrschaftsstruk¬ tur erwachsenden Spannungen und Kon¬ flikte annimmt: Es geht somit bei der B. um die soziale Regelung, nicht um die Auf¬ hebung der mit jedem Arbeitsverhältnis verbundenen vielfältigen Abhängigkeiten der f Arbeitnehmer von Entscheidungen der t Arbeitgeber bzw. des t Manage¬ ments. Durch die Bildung repräsentativer Organe der Arbeitnehmer (t Betriebsrat, gewerkschaftliche Vertrauensleute) und die ihnen eröffneten Beteiligungschancen an betrieblichen Entscheidungen verän¬ dert sich die Legitimität betrieblicher Herrschaftsausübung. Grundsätzlich unterscheidet man vier Be¬ teiligungsformen der Arbeitnehmer, die in der Realität vermischt und in spezifischer Ausprägung auftreten: 1. die gemeinsame Beratung von Management und Arbeit¬ nehmern, die die formale Entscheidungs¬ befugnis des Managements nicht aufhebt, aber dem Entscheidungsprozeß ein Stadi¬ um der Beratung vorordnet; 2. die Kollek¬ tivverhandlung, bei der ebenfalls die nor¬ male Entscheidungsbefugnis des Manage¬ ments erhalten bleibt, faktisch aber durch die organisierte Gegenmacht der Arbeit¬ nehmer (t Gewerkschaft, t Streik) einge¬ schränkt und an Verhandlungskompro¬ misse gebunden wird; 3. die t Mitbestim¬ mung, bei der die Arbeitnehmer mit einem bestimmten, im Grenzfall bis zur Parität gehenden Anteil in den zentralen Entschei¬ dungsgremien des Unternehmens reprä¬ sentiert sind und am Entscheidungsprozeß

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in verantwortlicher Form mitwirken; 4. die Selbstbestimmung oder -Verwaltung, bei der die zentralen Entscheidungsbefugnisse den Arbeitnehmern selbst bzw. ihren ge¬ wählten Vertretern übertragen werden. Betriebsverfassungsgesetz: Das B. von 1972 findet Anwendung in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten t Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind. Das B. betrifft die Mitwirkung und t Mitbestimmung der Arbeitnehmer in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten in Be¬ trieben der Privatwirtschaft. Es versucht, zwei verfassungsrechtlich geschützte Posi¬ tionen miteinander zu vereinbaren: Die durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierte unter¬ nehmerische Freiheit und die in den Art. 20 und 28 GG verankerte Sozial¬ staatsklausel, die eine Beachtung der Ar¬ beitnehmerinteressen erfordert. Die Mit¬ bestimmung der Arbeitnehmer vollzieht sich durch den t Betriebsrat. Neben die¬ sem gibt es die t Betriebsversammlung. Ar¬ beitgeber und Betriebsrat sind jeweils auch zum Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen t Gewerkschaften und Arbeit¬ gebervereinigungen verpflichtet; bei Mei¬ nungsverschiedenheiten zwischen Arbeit¬ geber und Betriebsrat ist im Bedarfsfall ei¬ ne Einigungsstelle zu bilden, deren Ent¬ scheidung außer in gesetzlich bestimmten Fällen allerdings nur dann verbindlich ist, wenn sich die Parteien dem Spruch unter¬ werfen. Die weiteste Form der Mitbestim¬ mung im Betrieb besteht in sozialen Ange¬ legenheiten; von erheblicher Bedeutung sind die Mitwirkungsrechte in personellen Angelegenheiten; am schwächsten ist die Beteiligung der Arbeitnehmer in wirt¬ schaftlichen Angelegenheiten des Unter¬ nehmens. Hier wird zwar in Unternehmen mit regelmäßig mehr als hundert ständigen Arbeitnehmern ein paritätisch besetzter Wirtschaftsausschuß gebildet; dieser ist aber ein reines Beratungsgremium. Bei ei¬ nem aus mehreren Betrieben bestehenden Unternehmen kann auf Beschluß der ein¬ zelnen Betriebsräte ein Gesamtbetriebsrat gebildet werden, der für die Angelegenhei¬ ten zuständig ist, die das Unternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und durch die einzelnen Betriebsräte nicht ge¬ regelt werden können. Leitende Angestellte

Bevölkerungsexplosion gelten nicht als Arbeitnehmer im Sinne des B.; für sie besteht häufig eine Vertretung in Form eines Sprecherausschusses auf der Grundlage des Sprecherausschußgesetzes vom 20. Dezember 1988 mit ähnlichen Rechten wie ein Betriebsrat. Betriebsversammlungen finden min¬ destens vierteljährlich während der Ar¬ beitszeit bei Lohnfortzahlung statt. An der B., die das wichtigste Kontaktorgan zwi¬ schen Unternehmensleitung, t Betriebsrat und Belegschaft ist, können alle Arbeitneh¬ mer teilnehmen. - t auch Betriebsverfas¬ sungsgesetz. Betrug ist die Vermögensschädigung ei¬ nes anderen zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil eines Dritten durch Täuschung (im Gegensatz zur t Erpressung), z. B. Zech¬ prellerei. Bevölkerung: Gesamtheit der Men¬ schen, die durch ihren Wohnsitz, Arbeits¬ platz oder sonstige Merkmale einem be¬ stimmten Gebiet (z. B. einem Staat oder der Erde insgesamt) angehören. Der Al¬ tersaufbau einer B. ähnelt normalerweise einer Pyramide. Einschnitte entstehen u. a. durch Kriege, Seuchen oder Hungersnöte. Der Rückgang oder die Zunahme der Ge¬ burtenhäufigkeit und eine veränderte Zu¬ oder Abwanderung können den Altersauf¬ bau grundsätzlich ändern. Bevölkerungsentwicklung: Eine ge¬ naue Zahl der Erdbevölkerung, die sehr ungleich über den Raum verteilt ist, kennt man nicht. Nach Erhebungen der f UN schätzt man die Gesamtzahl auf mehr als 5 Mrd. Menschen, den täglichen Zuwachs auf über 200 000. Die höchsten Geburten¬ zahlen werden auf der ganzen Erde noch für das laufende Jahrhundert erwartet. In allen westlichen Industriestaaten, ein¬ schließlich Australien und der UdSSR, ist allerdings die Zahl der Geburten rückläu¬ fig. Die Abnahme hängt allgemein vom Wohlstandsniveau und der Entwicklung empfängnisverhütender Mittel ab, die Zu¬ nahme von der Verbesserung der medizi¬ nischen und hygienischen, aber auch der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnis¬ se. - t auch Bevölkerungsexplosion, t Be¬ völkerungspolitik. Bevölkerungsexplosion: Bezeichnung für die rapide Zunahme der (Erd-)bevölkerung in den letzten Jahrzehnten, v.a. in

den Ländern der t dritten Welt. In Europa riefen im 18./10. Jahrhundert die durch

Deutschland

Männlich

in Tausend

Weiblich

Bevölkerung. Der Bevölkerungsaufbau in Deutschland 1910, 1946 und 1990

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Bevölkerungspolitik

Bevölkerungsexplosion. Prognosen für das Bevölkerungswachstum in den Erdteilen bis 2050. Die Verbesserung im Gesundheitswesen hat die Sterbeziffern sinken lassen und das Überleben vieler Kleinkinder gesichert. Diese Entwicklung in den Ländern der dritten Welt fand in Europa bereits im 19. Jh. statt die fortschreitende Industrialisierung ver¬ änderten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, die Herabsetzung der Säug¬ lingssterblichkeit sowie generell die mo¬ dernen medizinischen Einrichtungen und Maßnahmen ein starkes Bevölkerungs¬ wachstum hervor. Bevölkerungspolitik: Staatliche Ma߬ nahmen zur Förderung oder Hemmung der t Bevölkerungsentwicklung. Man un¬ terscheidet qualitative B. (Verbesserung der Volksgesundheit) und quantitative, ge¬ burtenfördernde oder -hemmende Ma߬ nahmen. Geburtenhemmende B. in der Hochindustrialisierungsphase durch Ge¬ burtenkontrolle (Empfängnisverhütung, Sterilisation, Schwangerschaftsabbruch), durch Steuer- und Sozialgesetze zeigte Er¬ folge z. B. in der UdSSR, Ungarn, China, Japan, Indien. Geburtenfördernde B. wird in hochindustrialisierten Staaten wie der BR Deutschland betrieben. Bewährung: Eine Freiheitsstrafe (t Stra¬ fe) wird zur B. ausgesetzt, um dem Straftä¬ ter Gelegenheit zu geben, sich durch Wohlverhalten nach der Tat Straffreiheit zu verdienen. Mit der Aussetzung der Stra¬ fe zur B. sollen die t Resozialisierung ge¬ fördert und Schäden durch den Vollzug kurzer Freiheitsstrafen vermieden werden. In der Regel dürfen nur Freiheitsstrafen von nicht mehr als einem Jahr zur B. aus¬

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gesetzt werden. Außerdem muß wahr¬ scheinlich sein, daß sich der Verurteilte in Zukunft straffrei verhalten werde. Der vom Gericht festzusetzende Bewährungs¬ zeitraum liegt zwischen zwei und fünf Jah¬ ren. Dem Verurteilten können Weisungen und Auflagen erteilt sowie ein t Bewäh¬ rungshelfer zur Seite gestellt werden. Wird dagegen schwerwiegend verstoßen oder wird der Verurteüte erneut straffällig, wi¬ derruft das Gericht in der Regel die Straf¬ aussetzung. Bewährungshelfer sind vom Gericht bestellte, haupt- oder nebenamtlich tätige Personen, die einen Verurteilten, dessen Strafe zur t Bewährung ausgesetzt wurde, beraten und betreuen und seine Lebens¬ führung überwachen sollen, v. a. im Hin¬ blick auf die Erfüllung gerichtlicher Aufla¬ gen. Von großer Bedeutung sind die B. v. a. für straffällig gewordene Jugendliche; der Mangel an B. führt häufig dazu, daß der einzelne B. zu viele Personen betreuen muß und sich daher dem einzelnen nicht in dem erforderlichen Maße widmen kann. Bezugsgruppe ist eine soziale 1 Gruppe, an deren t Normen, Wertvorstellungen und t Verhaltensweisen sich ein einzelner orientiert und durch die er in seinem eige¬ nen Verhalten maßgeblich beeinflußt wird. Die Orientierung kann auch auf eine ein¬ zelne Bezugsperson hin erfolgen.

Blockbildung BGB f Bürgerliches Gesetzbuch, bilateral [lateinisch »zweiseitig«]: An bi¬

lateralen Verträgen oder Verhandlungen sind nur zwei Parteien beteiligt (im Gegen¬ satz zu t multilateralen Verträgen). Bildschirmtext ist eine Telekommunika¬ tionsform, bei der insbesondere Texte über das Fernsprech wählnetz übertragen und auf dem Bildschirm des Fernsehempfän¬ gers sichtbar gemacht werden. B. erlaubt den Abruf von Informationen aus Daten¬ banken (private und Postrechner) im We¬ ge des Dialogs sowie das Abspeichern von Informationen durch zum Dienst zugelas¬ sene sog. Informationsanbieter. - t auch neue Medien. Bildungschancen: Der Begriff, der eng mit der t Chancengleichheit zusammen¬ hängt, spielt in der bildungspolitischen Diskussion eine große Rolle. Da von der Flöhe des Bildungsniveaus die Berufs- und damit die sozialen Aufstiegsmöglichkeiten abhängen, sollte jeder so gefördert wer¬ den, daß er alle B. nutzen kann. Da keines¬ wegs alle Schichten der Bevölkerung ent¬ sprechend ihrem Anteil an der Bevölke¬ rung zur Wahrnehmung ihrer B. an den Gymnasien oder Universitäten vertreten sind, versucht man, durch möglichst früh¬ zeitigen Ausgleich von Chancenunter¬ schieden (z. B. durch f kompensatorische Erziehung oder Erhöhung der Durchläs¬ sigkeit der einzelnen Schularten) den be¬ nachteiligten Schülern zu helfen. Bildungsplanung entwirft aufgrund der Forderungen und Bedürfnisse der Gesell¬ schaft, der Ergebnisse der Bildungsfor¬ schung und der bildungspolitischen Vor¬ stellungen der Länder und des Bundes (Art. 91 b GG) ein langfristiges Konzept gegenwärtiger und zukünftiger Bildungs¬ aufgaben. Die B. hat die Aufgabe, die quantitative Entwicklung sowie die innere und äußere Struktur (Schulsystem) des Bil¬ dungswesens den sich ständig verändern¬ den Verhältnissen und Bedürfnissen der Gesellschaft kontinuierlich und voraus¬ schauend anzupassen. 1970 erstellte der t Deutsche Bildungsrat einen Strukturplan für das Bildungswesen, der alle Stufen des Bildungswesens vom Elementarbereich bis zur Weiterbildung betrifft. 1973 wurde von der t Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförde¬

rung ein Bildungsgesamtplan verabschie¬ det, der einen Rahmenplan bis 1985 dar¬ stellte. Die B. soll Entscheidungshilfen für die Bildungsfinanzierung geben. Seit 1985 hat die Bund-Länder-Kommission für Bil¬ dungsplanung mittelfristige Pläne v. a. für die berufliche Bildung und die Weiterbil¬ dung ausgearbeitet. Die B. wurde seit Mit¬ te der 1980er Jahre unter dem Diktat der leeren öffentlichen Kassen kaum mehr mit Hilfe konzeptioneller Überlegungen be¬ trieben. Auch die Länderregierungen ver¬ suchten weniger, inhaltliche Akzente zu setzen, als akute Engpässe im Bildungssy¬ stem zu beseitigen oder auf Probleme des Arbeitsmarktes zu reagieren. Mit der Wie¬ dervereinigung ist der Bedarf an gesamt¬ staatlichen Bildungskonzeptionen, die über die Frage der Anerkennung von Schulabschlüssen hinausgehen, gestiegen. Bildungswesen umfaßt alle Einrichtun¬ gen, Personenkreise, Institutionen und Veranstaltungen, die zum Bildungserwerb beitragen. Die Art des B. hängt vom jewei¬ ligen Gesellschaftssystem ab. Am B. kann man Kulturhöhe und wirtschaftliche Be¬ deutung eines Staates ablesen. - t auch berufliche Bildung, t Schule, f Weiterbil¬ dung. Black Power [englisch »schwarze Macht«]: Seit 1966 afroamerikanische Be¬ wegung, die im Gegensatz zur Bürger¬ rechtsbewegung durch bewaffneten Auf¬ stand eine Verbesserung der sozialen Lage der schwarzen Amerikaner erreichen will. Blockade bezeichnet die Absperrung ei¬ ner Stadt (z. B. West-Berlins 1948/49 sei¬ tens der UdSSR), eines Gebietes oder Staates von jeglicher Zufuhr. Die B. wird gewöhnlich durch militärische Maßnah¬ men aufrechterhalten und daher im Krieg oft als Zwangsmaßnahme angewendet; in Friedenszeiten ist die B. völkerrechtlich unzulässig. Blockbildung

0 bezeichnet die Zusammenarbeit politi¬ scher f Parteien zur Unterstützung der t Regierung, als Wahlbündnis zur Über¬ nahme der Regierung oder zur Organisa¬ tion der t Opposition. - f auch Koalition. 0 bezeichnet die nach 1945/48 entstande¬ ne Verbindung der kommunistischen Staa¬ ten (Ostblock) auf der einen und der west¬ lichen Demokratien auf der anderen Seite.

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blockfreie Staaten blockfreie Staaten: Nach der Heraus¬ bildung der »Supermächte« USA und UdSSR nach dem 2. Weltkrieg und der t Blockbildung im 1 Ost-West-Konflikt tra¬ ten die b. S. 1961 auf der Belgrader Konfe¬ renz erstmalig als sog. dritte politische Kraft hervor. Die Idee der Blockfreiheit wurde zunächst in der t dritten Welt ent¬ wickelt: die b. S. nennen daher neben dem t Neutralitätsprinzip t Antiimperialismus, t Antikolonialismus, Entspannung und weltweite Abrüstung als Motive und Ziele ihrer Politik. In den t UN spielten die b. S. eine bedeutende Rolle. Nationale und re¬ gionale Sonderinteressen verhinderten je¬ doch bislang meist ein dauerhaftes gemein¬ sames Handeln der blockfreien Staaten. Seit den 1980er Jahren treten die b. S. insbes. für eine neue Weltwirtschaftsordnung und für Maßnahmen zur Beseitigung der internationalen t Schuldenkrise ein. Blockparteien: Bezeichnung für die Zu¬ sammenfassung aller zugelassenen und im Parlament vertretenen Parteien v. a. in den ehemals kommunistisch regierten Staaten des Ostblocks. Das Blocksystem verpflich¬ tete alle Parteien zur Unterstützung der Regierung unter straffer Führung der kommunistischen Partei, verhinderte die Bildung einer legalen t Opposition und in¬ stitutionalisierte die tatsächliche Einpartei¬ enherrschaft der Kommunisten. BND t Nachrichtendienste. Boden: Unter B. versteht man alle der Produktion dienenden Naturstoffe und au¬ ßermenschlichen Naturkräfte über, auf und in der Erde. Der B. ist neben t Arbeit und t Kapital der dritte t Produktionsfak¬ tor. Der Produktionsbeitrag des B. besteht zum einen in seiner Anbaufahigkeit durch die Land- und Forstwirtschaft (Anbaubo¬ den); er liefert Stoffe, die den Anbau von Pflanzen ermöglichen, die wiederum gleichzeitig Rohstoffe für die Herstellung von Nahrungsmitteln und Werkstoffe für andere Sachgüter abgeben. Darüber hin¬ aus enthält der B. Stoffe wie Erze, Kohle, Steine, Erdöl u. a., die im Produktionspro¬ zeß zu Gütern umgeformt werden und für den Gebrauch und Verbrauch bestimmt sind, d. h. der B. ist abbaufähig (Abbaubo¬ den). Weiter liefert der B. Energien, die die Arbeitskraft des Menschen ergänzen und Hilfsfunktionen für die Erzeugung

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und den Transport von Gütern darstellen (Wasserkraft, Wärme). Innerhalb einer t Volkswirtschaft ist der B. im allgemeinen nicht vermehrbar; nur in sehr beschränktem Ausmaß ist eine neue Gewinnung von nutzbarem B. durch Trokkenlegung oder Verbesserung von bislang unproduktivem B. möglich. Die Qualität und damit die Bedeutung des B. ändert sich durch die Verwendung im Zeitablauf. Ungeschützter Boden kann durch natürli¬ che Einflüsse (Wind, Wasser) abgetragen werden (Erosion), landwirtschaftlich ge¬ nutzter B. durch falsche Maßnahmen wie Überdüngung an Qualität verlieren. Bo¬ denschätze können durch Raubbau vorzei¬ tig erschöpft werden. Um den vorhandenen B. konkurrieren in der BR Deutschland die verschiedenen Sektoren wie Landwirtschaft, Industrie,

Bodennutzung 1989 Bundesgebiet (alt) 248619 km2

itsfjfV; Gebäude [ i Betriebsfläche Erholungsfläche WM/M Verkehrsfläche Landwirtschaftsfläche Waldfläche ; 3 Wasserfläche Flächen anderer Nutzung

0,6% 0,7% 5,0% 54,3% 29,8% 1,8% 1,7%

Börse

Gemeinde, Staat oder Wohnungsbau für unterschiedliche Nutzungsarten. 1989 wurden in der BR Deutschland 84,1 % des B. land- und forstwirtschaftlich, 6,2 % für Gebäude und Freiflächen, 5% für Ver¬ kehrsfläche genutzt. - t Bodenreform. Bodenordnung: Allgemeines Ziel der B. ist es, dafür zu sorgen, daß Grund und Bo¬ den in sinnvoller Weise für die Gesell¬ schaft zur Nutzung zur Verfügung stehen. Zur B. gehören alle Rechtsvorschriften, die die rechtlichen Beziehungen des Men¬ schen zum Grund und Boden regeln. In¬ strumente der B. sind die Umlegung (Ein¬ bringung der zum Umlegungsgebiet gehö¬ renden Grundflächen zwecks Neuvertei¬ lung zur besseren Ausnutzung), die Grenz¬ regelung (Austausch von Teilen benach¬ barter Grundstücke), Bodenverkehrsge¬ nehmigung, gemeindliches Vorkaufsrecht und die t Enteignung. Damit sollen auf dem Wege des staatlichen Eingriffs zur Förderung der städtebaulichen Entwick¬ lung entsprechend den Planungszielen die Grundstücke in wirtschaftlicher und bau¬ rechtlicher Hinsicht umgestaltet oder die Eigentumsverhältnisse geändert und den Eigentümern geeignete Grundstücke zur Bebauung zur Verfügung gestellt werden. - t auch Baugesetzbuch. Bodenreform: Veränderung der Rechts¬ verhältnisse an Grund und Boden durch Überführung in Gemeineigentum oder durch Umverteilung. Maßnahmen der B. gehen zumeist aus von der Knappheit des Grund und Bodens im Verhältnis zur Bevölkerungszahl. Heute ist eines der wich¬ tigsten Ziele der B. die Wiederherstellung eines funktionsfähigen Bodenmarktes (t Bodenspekulation). Die B., die 1945 in der sowjetisch besetz¬ ten Zone Deutschlands (Enteignung und Aufteilung des Grundbesitzes von mehr als 100 ha) durchgeführt wurde, mündete während der 1950er Jahre in die von der SED gewollte Kollektivierung der Land¬ wirtschaft. Bodenspekulation nennt man den Er¬ werb eines Grundstücks zu dem Zweck, bei einem späteren Verkauf aus einer zwi¬ schenzeitlichen Preissteigerung Gewinn zu erzielen. Man hat erwogen, durch städte¬ bauliche Maßnahmen und Leistungen der öffentlichen Hand (Planungs- und In¬

frastrukturaufwendungen) eintretende Wertsteigerungeh (Bodenwertzuwachs) durch einen vom Eigentümer zu zahlenden Ausgleichsbetrag (den sog. t Planungs¬ wertausgleich) teilweise abzuschöpfen bzw. den Wertzuwachs bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung nicht zu berücksichtigen. Ein entsprechender Ge¬ setzentwurf scheiterte jedoch in den 1970er Jahren. Im Gespräch war auch die Besteuerung des Wertzuwachses von Grundstücken (Bodenwertzuwachssteuer). Bolschewismus: Sammelbegriff für Theorie und Praxis der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, der sich aus der Spaltung der russischen Sozialdemokrati¬ schen Arbeiterpartei auf dem II. Partei¬ kongress 1903 in London ableitet. Dort entschied sich eine zufällige Mehrheit (rus¬ sisch : Bolschewiki) gegen die Politik der Minderheit (russisch: Menschewiki) der anwesenden Mitglieder und damit für Le¬ nins revolutionäre Taktik: Eine kleine Par¬ tei von Berufsrevolutionären sollte als kommunistische t Avantgarde den Mas¬ senaufstand herbeiführen und die t Dikta¬ tur des Proletariats bis zur Verwirklichung der t klassenlosen Gesellschaft nach der Weltrevolution leiten. Vollständige Verge¬ sellschaftung der Produktionsmittel, Ab¬ schaffung des Privateigentums an Produk¬ tionsmitteln und Planwirtschaft waren Grundelemente des Wirtschaftspro¬ gramms des Bolschewismus. Boom [englisch »Aufschwung«]: Bezeich¬ nung für einen plötzlichen, starken Kon¬ junkturaufschwung und die darauf folgen¬ de Hochkonjunktur in der Wirtschaft. Auch allgemein für eine plötzliche starke Zunahme (z. B. Babyboom). Börse ist ein Markt, an dem Kaufleute re¬ gelmäßig während der Börsenstunden (montags bis freitags) Zusammenkommen, um Handelsgeschäfte bzw. Verträge über Waren und v. a. Wertpapiere abzuschlie¬ ßen. Von anderen Märkten unterscheidet sich die B. in erster Linie dadurch, daß die Werte und Waren, die dort ge- oder ver¬ kauft werden, nicht selbst vorhanden sein müssen. Sie können durch Muster, Pro¬ ben, Beschreibungen vertreten werden, da sie aufgrund ihrer einheitlichen Beschaf¬ fenheit untereinander austauschbar sind. Am Börsenhandel beteiligen dürfen sich

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Botschafter

nur die bevollmächtigten Vertreter der zum Börsenhandel zugelassenen Banken und Handelsfirmen (Börsenvertreter) so¬ wie freie Makler und deren Angestellte (die sog. Kulisse). Das führt dazu, daß an der B. zum überwiegenden Teil Geschäfte für Rechnung anderer (t Kommissionsge¬ schäfte) vorgenommen werden. Über die Zulassung zum Börsenbesuch beschließt der Börsenvorstand. Die Preise, zu denen die an der B. repräsentierten Anbieter und Nachfrager Geschäfte abschließen, wer¬ den entweder zwischen den jeweiligen Kontrahenten selbst ausgehandelt oder von den vom Staat bestellten Kursmaklern festgesetzt (amtliche Kursnotierung). Die Höhe der Kursfestsetzung ist v. a. abhän¬ gig von Angebot und Nachfrage, kann aber auch, z. B. bei Wertpapieren, von der politischen Lage und von psychologischen Faktoren beeinflußt werden. Die Einteilung der Börsen erfolgt nach der Art der dort gehandelten Gegenstände: Die Warenbörse (= Produktenbörse) dient dem Handel und der schnellen Preisbil¬ dung für große Mengen von Waren und ist für den Güteraustausch in der arbeitsteili¬ gen Weltwirtschaft unentbehrlich. Die Wertpapierbörse (auch Effektenbörse ge¬ nannt) dient der Kapitalbeschaffung von Wirtschaft und Staat sowie zur Geldanlage in verzinslichen t Wertpapieren. Die Devi¬ senbörse führt den An- und Verkauf von ausländischen Zahlungsmitteln durch. Auf der Frachtenbörse (Schifferbörse) werden Verträge über grenzüberschreitende Was¬ sertransporte geschlossen. Die Versiche¬ rungsbörse dient v. a. dem Abschluß von Versicherungsverträgen für Überseetrans¬ porte. Börsen, an denen die Marktteilneh¬ mer mit Hilfe von Computern Börsenge¬ schäfte tätigen, heißen Computerbörse. An dieser Form des Börsenhandels sind v.a. Banken interessiert, da der Handel prak¬ tisch rund um die Uhr stattfinden kann, wenn die Teilnehmer nur noch über Com¬ puternetze miteinander in Kontakt treten. Botschafter t Gesandtschaftsrecht. Bourgeoisie [von französisch bourgeois »Bürger«]: Nach der marxistischen Lehre die ökonomisch und politisch über das Proletariat herrschende Klasse der Kapi¬ taleigentümer in der kapitalistischen Ge¬ sellschaft. - t auch Klassengesellschaft.

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Boykott: Zwangsmaßnahme im politi¬ schen oder wirtschaftlichen Kampf, bei der die Beziehungen oder der Handel teil¬ weise oder ganz abgebrochen werden, um ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen. So kann z. B. die Abnahme von Waren oder anderen Leistungen boykottiert wer¬ den. Brainstorming: Amerikanischer Begriff aus Wirtschaft und Politik. Bezeichnet das Verfahren, auf einer Zusammenkunft ein Problem durch Austausch spontaner Ideen zu lösen. Brandenburg ist seit dem 3. Oktober 1990 Land der BR Deutschland mit 29059 km2 und (1989) 2,64 Millionen Ein¬ wohnern (91 E/km2). Hauptstadt ist Pots¬ dam. Die Mark Brandenburg, die ur¬ sprünglich aus dem Gebiet der Alt-, Mittel¬ und Uckermark bestand, bildete unter den Hohenzollern die Keimzelle des späteren preußischen Staates. 1816 wurde (unter Gewinn der ehemals sächsischen Nieder¬ lausitz) die preußische Provinz B. gebildet. Nach der Reichsgründung wurde 1881 Berlin aus der Provinz herausgelöst; da¬ nach besaß B. einen vorwiegend ländli¬ chen Charakter. Auf der f Potsdamer Konferenz 1945 wur¬ den die östlich der Oder gelegenen Ge¬ bietsteile von B. abgetrennt und kamen zu Polen. B. wurde ein Land der DDR, an dessen Stelle 1952 die Bezirke Cottbus, Frankfurt und Potsdam traten. Mit dem Ländereinführungsgesetz vom 22. Juli 1990 entstand das Land durch Wiederzu¬ sammenlegung der drei Bezirke neu. 44,5% der Erwerbstätigen waren Ende 1989 in der Industrie und im verarbeiten¬ den Gewerbe, 21,9% in der Landwirt¬ schaft und 15,2% im Dienstleistungssektor tätig. Auf rund einem Fünftel der Landes¬ fläche ist die Hälfte der Bevölkerung kon¬ zentriert. Am dichtesten besiedelt sind der Nahbereich von Berlin und das Industrie¬ gebiet der Niederlausitz (Braunkohleab¬ bau). Die Landtagswahlen vom 14. Okto¬ ber 1990 gewann die SPD mit 38,3% der Stimmen. Sie bildete mit der FDP und dem t Bündnis 90 eine sog. t Ampelkoali¬ tion unter Ministerpräsident M. Stolpe (SPD). Eine Regelung für die Organe des neuen Landes und ihre Arbeit bot eine vor¬ läufige Landessatzung. Die neue Verfas-

Bruttosozialprodukt sung für das Land B. wurde 1991 vorberei¬ tet und zur Diskussion gestellt. Brauch: Traditionell geübtes Verhalten bei regelmäßig auftretenden Anlässen oder gleichen Lebenssituationen im Alltag, in Familie und Beruf, z. B. bei zwischen¬ menschlichen Begegnungen (Begrüßung) oder bei Festen im Jahres- und Lebenslauf (Weihnachten, Geburtstag). Bremen ist Freie Hansestadt, zugleich auch (kleinstes) Bundesland der BR Deutschland, das sich aus B. und dem an der Wesermündung gelegenen Bremerha¬ ven zusammensetzt. Die Gesamteinwoh¬ nerzahl beträgt 674 000 (1989), die Ge¬ samtfläche 404 km2 (1 667 E/km2). Die bremische Verfassung vom 21. Oktober 1947 trat am 22. Oktober 1947 in Kraft. Die Landesregierung, der Senat, besteht aus den vom Parlament (der t Bürger¬ schaft) gewählten zehn Senatoren und zwei Bürgermeistern, von denen einer Se¬ natspräsident ist. Die Senatoren leiten — Ministern vergleichbar - die einzelnen Verwaltungszweige. Der Senat ist zugleich oberstes Verwaltungsorgan der Stadtge¬ meinde Bremen. Die Bürgerschaft besteht aus 80 Bremer und 20 Bremerhavener Ab¬ geordneten ; sie bildet die staatlichen Aus¬ schüsse (Deputationen) u. a. für Finanzen, Arbeit, Fischereihafen, Rechtspflege und Strafvollzug sowie für öffentliche Dienste. Die Deputationen erstellen für ihr Ressort den Entwurf zum Haushaltsplan, der so¬ dann an die Finanzdeputation geht. Dane¬ ben bestehen städtische Ausschüsse (De¬ putationen) u. a. für Häfen, Schiffahrt, Verkehr, Inneres, Bildung, Wissenschaft und Kunst. Seit 1947 stellte stets die SPD, häufig in Koalition mit der FDP, den Se¬ nat. Bremerhaven besitzt eine eigene kom¬ munale Verwaltung. B. ist nach Hamburg die bedeutendste Ha¬ fenstadt in der BR Deutschland mit einem jährlichen Güterumschlag von über 20 Mill. t (mit Bremerhaven). Die bremi¬ sche Handelsflotte umfaßt über 400 Schif¬ fe mit 2,2 Mill. BRT. Im 19. Jahrhundert war B. der größte europäische Auswande¬ rerhafen, heute werden noch etwa 100 000 ein- und ausreisende Passagiere abgefer¬ tigt. B. ist einer der bedeutendsten Um¬ schlagplätze für Baumwolle, Tabak und Kaffee. In jüngster Zeit nimmt der Contai¬

nerverkehr an Bedeutung zu. Die Indu¬ strie von B. wird weitgehend durch seine Situation als Hafenstadt bestimmt (Tabak¬ fabriken, Kaffeeröstereien, Getreide- und Reismühlen, Schiffswerften, Jutespinne¬ reien). ln den 1950er Jahren bestand eine große Automobilproduktion (Borgward, Lloyd). Heute ist B. führend im Bereich der Luft- und Raumfahrtindustrie. Der überwiegende Teil der Erwerbstätigen ar¬ beitet in Handel, Verkehr, Kreditwesen und im privaten Dienstleistungsgewerbe (68,5 %); es folgt die Investitionsgüterin¬ dustrie vor der Nahrungs- und Genußmit¬ telindustrie, in der der größte Umsatz er¬ zielt wird. Breschnew-Doktrin: Zur nachträgli¬ chen Rechtfertigung der militärischen In¬ tervention der UdSSR in der CSSR 1968 von L. I. Breschnew vertretene t Doktrin, daß alle sozialistischen Staaten im Einflu߬ bereich der UdSSR nur beschränkte t Sou¬ veränität und beschränktes t Selbstbestim¬ mungsrecht besäßen. Die B.-D. ist heute aufgegeben. Briefgeheimnis: Das Grundrecht des B. (Art. 10 Abs. 1 GG) schützt den briefli¬ chen Verkehr von Person zu Person gegen eine Kenntnisnahme des Inhalts des Brie¬ fes durch die t öffentliche Gewalt. Es be¬ zieht sich auf verschlossene Briefe, das Post- und Fernmeldegeheimnis darüber hinaus auf alle der Post anvertrauten Sen¬ dungen. Das B. schützt den Absender und den Empfänger zugleich und dauert über den Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Aus¬ lieferung hinaus fort, mindestens bis zur Kenntnisnahme des Briefinhalts durch den Empfänger. Eltern sind nach § 1631 BGB befugt, Briefe von oder an ihre minderjäh¬ rigen Kinder zu öffnen und zu lesen; Ehe¬ gatten dürfen Briefe des anderen Ehegat¬ ten nur mit dessen Einwilligung öffnen. Gesetzliche Einschränkungen bestehen u. a. für nachrichtendienstliche Zwecke, Strafverfolgung und Untersuchungshaft (T auch G-Zehn-Gesetz). Bruttosozialprodukt: Geldwert aller in einem bestimmten Zeitraum (meist ein Jahr) von den Inländern einer t Volkswirt¬ schaft erbrachten Leistungen (B. zu Marktpreisen). Das um die durchschnittli¬ chen Preissteigerungen dieses Zeitraums bereinigte B. wird als reales B. bezeichnet.

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Budget

Bruttosozialprodukt. Struktur des Bruttosozialprodukts 1989 Das B. kann unterschiedlich, z. B. nach sei¬ ner Verwendung berechnet werden und setzt sich dann zusammen aus dem t Kon¬ sum, den t Investitionen sowie den t Ex¬ porten, vermindert um die t Importe (da diese von Ausländern produziert wurden). Die Verwendung des B. als Maßstab für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirt¬ schaft ist wegen der schwierigen Vergleich¬ barkeit unterschiedlicher Volkswirtschaf¬ ten umstritten. - t auch Volkseinkommen, t volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Budget 1 Haushaltsplan. Bulletin [französisch »Siegelkapsel«]: Amtliche Bekanntmachung, Tagesbericht; auch regelmäßiger Bericht über die Sitzun¬ gen wissenschaftlicher Gesellschaften. Heute v. a. Bezeichnung für eine periodi¬ sche Druckschrift des Presse- und Infor¬ mationsamtes der Bundesregierung. Bund:

0 Zusammenschluß von Personen oder Personenmehrheiten, z. B. von Staaten. 0 Bezeichnung für den Gesamtstaat (Zen¬ tralstaat) in einem t Bundesstaat, im Un¬ terschied zu den Gliedstaaten (Bundeslän¬ der). 0 umgangssprachlich für I Bundeswehr. BUND: Abk. für »Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.«. Einer der beiden bundesweiten, nach Art. 29 Bun¬ desnaturschutzgesetz anerkannten Natur¬ schutzverbände der BR Deutschland mit

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200000 Mitgliedern. Sein Ziel ist die För¬ derung ökologischer Belange bei öffentli¬ chen Planungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie im Hinblick auf das Umweltbewußtsein der Menschen. Bundesamt für Verfassungsschutz

t Nachrichtendienste. Bundesanstalt für Arbeit (BA) ist eine bundesunmittelbare t Körperschaft des öf¬ fentlichen Rechts mit t Selbstverwaltung, deren Organe sich aus Vertretern von t Ar¬ beitnehmern, t Arbeitgebern und öffentli¬ chen Körperschaften zusammensetzen; die BA hat ihren Sitz in Nürnberg. Nach dem I Arbeitsförderungsgesetz gehören zu ihren Aufgaben v. a. die t Berufsberatung, die t Arbeitsvermittlung, die Verwaltung der t Arbeitslosenversicherung, die Ge¬ währung von t Arbeitslosengeld und t Ar¬ beitslosenhilfe. Außerdem betreibt die BA Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Der BA unterstehen elf Landesarbeitsämter mit insgesamt 184 Arbeitsämtern und 646 N ebenstellen (Arbeitsamtsdienststellen), die die genannten Aufgaben auf der loka¬ len Ebene wahrnehmen. Bundesanzeiger (BAnz.): Das vom Bundesminister der Justiz auf kommerziel¬ ler Basis herausgegebene Publikationsor¬ gan mit etwa 25 000 Exemplaren je Num¬ mer bringt in seinem amtlichen Teil Ver¬ kündungen, Bekanntmachungen von Be¬ hörden, staatliche Ausschreibungen und

Bundesbehörden sonstiges. Der nichtamtliche Teil enthält v. a. Parlamentsberichte über t Bundestag und t Bundesrat. Eine Veröffentlichung im B. ist in vielen Gesetzen für bestimmte Mitteilungen, Satzungsänderungen u. a. vorgeschrieben. Bundesaufsicht nennt man die Befug¬ nis der Bundesregierung im f Bundesstaat, die Gliedstaaten zu kontrollieren. In der BR Deutschland dient sie v. a. der Prü¬ fung, ob die Länder die Bundesgesetze dem geltenden Recht gemäß ausführen. Im Fall der t Bundesauftragsverwaltung erstreckt sie sich auch auf eine Kontrolle der Zweckmäßigkeit des Vorgehens der Länder (Art. 83 Abs. 3-5, Art. 85 Abs. 4 GG). - t auch Staatsaufsicht, t Bundesre¬ publik Deutschland. Bundesaufsichtsämter sind selbstän¬ dige t Bundesbehörden. Das Bundesauf¬ sichtsamt für das Kreditwesen (BAK) im Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen mit Sitz in Berlin übt die Aufsicht über die Kreditinstitute aus; das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen (BAV) im Geschäftsbereich des gleichen Ministeri¬ ums, ebenfalls mit Sitz in Berlin, beaufsich¬ tigt die privaten Versicherungsunterneh¬ mungen und Bausparkassen. Weiterhin ge¬

hört zum Tätigkeitsbereich des Amtes die gutachterliche Äußerung über Fragen des Versicherungswesens und die Prüfung der Tarife in der Kfz-Versicherung. Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG) ist die von den Ländern im Aufträge des Bundes durchgeführte Verwaltung (z. B. Verwaltung der Bundesautobahnen). Es besteht ein Weisungsrecht der Bundes¬ regierung. Bundesausbildungsförderungsge¬ setz t Ausbildungsförderung. Bundesbank t Deutsche Bundesbank. Bundesbehörden: Die Ausführung der

Gesetze des Bundes ist in der BR Deutsch¬ land grundsätzlich Aufgabe der Länder. In Ausnahmefällen werden Sachbereiche durch eigene Behörden des Bundes (bun¬ deseigene Verwaltung) oder durch Kör¬ perschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts verwaltet, die der Aufsicht des Bundes unterstehen. Es gibt B., die einen selbständigen Verwal¬ tungszweig mit eigenem Verwaltungsauf¬ bau darstellen (t Bundeswehr, t Auswärti¬ ges Amt, t Bundespost, t Bundesbahn, Bundesfinanzverwaltung). Andere B. ohne Verwaltungsunterbau (z. B. t Bundeskri¬ minalamt) sind als Zentralbehörden für das gesamte Bundesgebiet zuständig und

411,7 (Entwurf)

Quelle: Woche im Bundestag, Bundestags-Drucksache 12/100

Bundeshaushalt. Die Entwicklung der Ausgaben und der Nettokreditaufnahme des Bundes seit 1985 sowie die Anteile wichtiger Ressorts am Bundeshaushalt für das Jahr 1991

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Bundesgerichtshof

Bundeskanzler. Die Wahl des Bundeskanzlers nach Art. 63 GG unterstehen in der Regel der Aufsicht ei¬ ner obersten Bundesbehörde. - t auch Bundesverwaltung. Bundesgerichtshof: Oberstes Gericht in Zivil- und Strafsachen. - t auch Ge¬ richtsbarkeit. Bundesgesetzblatt: Das amtliche Ver¬ kündungsorgan für Rechtsvorschriften des Bundes; im B. werden alle Bundesgesetze verkündet (= Voraussetzung für deren In¬ krafttreten). Bundesgrenzschutz: Der B. wurde 1951 geschaffen. Das am 1. April 1973 in Kraft getretene Bundesgrenzschutzgesetz hat die Organisation und Aufgaben des B. auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt. Danach ist der B. eine Polizei des Bundes, die dem Bundesinnenminister untersteht. Der B. ist eingeordnet in die gemeinsame Sicherheitskonzeption von Bund und Län¬ dern. Ihm obliegen u. a. der grenzpolizeili¬

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che Schutz des Bundesgebietes sowie poli¬ zeilicher Schutz und Sicherungsaufgaben nach Art. 91 und 115 f. GG. Besondere Bedeutung kommt ihm beim Schutz von Bundesorganen, ihren Repräsentanten und bei der Sicherung der Verkehrsflughä¬ fen zu. Der B. gliedert sich in die Grenz¬ schutzkommandos: Süd, Mitte, Nord, Kü¬ ste, Ost und West (für Bonn); in Berlin gibt es eine Nebenstelle. Zum 1. Januar 1992 ist eine grundlegende Reform des B. ge¬ plant. Eine Spezialeinheit ist die 1972 zur Bekämpfung des Terrorismus gebildete Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9). Bundeshaushalt: Als B. bezeichnet man die für eine (ein- oder zweijährige) Haushaltsperiode im Haushaltsplan zu¬ sammengefaßten Einnahmen und Ausga¬ ben sowie Verpflichtungsermächtigungen des Bundes (t auch Haushaltsplan). Die Ausgabenschwerpunkte des Bundes liegen

Bundeskompetenz in den Bereichen Arbeit und Soziales, Ver¬ teidigung, Verkehr sowie Jugend, Familie und Gesundheit ferner beim Schulden¬ dienst. Haupteinnahmequellen im B. (rund 85 %) sind T Steuern und steuerähnli¬ che t Abgaben. - Abb. S. 59. Bundeskanzler: In der BR Deutschland der Chef der t Bundesregierung. Der B. wird auf Vorschlag des t Bundespräsiden¬ ten vom f Bundestag gewählt und vom Bundespräsidenten ernannt (Art. 63 GG). Er leitet die Bundesregierung nach Ma߬ gabe einer von ihr beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten t Ge¬ schäftsordnung und trägt für die von ihm der Regierung gegebenen Richtlinien (f Richtlinienkompetenz) die Verantwor¬ tung (Art. 65 GG). Zur Vorbereitung und Durchführung seiner Aufgaben steht ihm das Bundeskanzleramt zur Verfügung. Die Amtszeit des B. endet mit dem Rücktritt, dem Zusammentritt eines neuen Bundes¬ tags oder mit seiner Entlassung durch den Bundespräsidenten aufgrund eines t kon¬ struktiven Mißtrauensvotums des Bundes¬ tags. Bundeskartellamt: Das B. in Berlin ist eine Bundesoberbehörde und wurde zur Sicherung der Wettbewerbsordnung er¬ Zuständigkeiten: (Delegation der Aufgaben

richtet (t Kartellbehörden, t Kartellrecht); es nimmt neberr Kontrollfunktionen (u.a. bei Firmenzusammenschlüssen) auch rich¬ terliche Aufgaben wahr. Bundeskompetenz: Die staatlichen Aufgaben sind im t Grundgesetz zwischen Bund und Ländern geteilt. Nach Art. 30 GG liegt die Erfüllung der staatlichen Auf¬ gaben grundsätzlich bei den Ländern, die Zuständigkeiten des Bundes sind dagegen im Grundgesetz speziell aufgeführt. Eine ungeschriebene B. besteht nur, wenn sie sich aus der Natur der Sache oder aus dem Sachzusammenhang ergibt. Diese Rege¬ lung täuscht aber über die tatsächlichen Verhältnisse hinweg. Bei der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten besitzt der Bund nur eine eng umgrenzte aus¬ schließliche Gesetzgebungskompetenz; in vielen Fällen konkurriert seine Zuständig¬ keit mit der der Länder, wobei Bundes¬ recht dem Landesrecht vorgeht. Da der Bund von seiner t konkurrierenden Ge¬ setzgebungsbefugnis umfassenden Ge¬ brauch macht, um einheitliche Verhältnis¬ se im ganzen Bundesgebiet zu gewährlei¬ sten, sind den Ländern tatsächlich nur we¬ nige Bereiche zur selbständigen Regelung verblieben. Im Gegensatz dazu liegt die

Bundespräsident (gewählt auf fünf Jahre)

Bundespräsident. Wahl und Zuständigkeiten des Bundespräsidenten

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Bundeskriminalamt

Verwaltung auch heute noch im wesentli¬ chen in der Zuständigkeit der Länder. Bundeskriminalamt: Bundesbehörde, die der Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Bekämpfung der über die Grenzen der Bundesländer hinausgehen¬ den und der internationalen t Kriminalität dient. Bundesländer: die Gliedstaaten eines Bundesstaates. Das Grundgesetz bezeich¬ net die Gliedstaaten der BR Deutschland als Länder. Bundesminister t Bundesregierung. Bundesnachrichtendienst t Nach¬ richtendienste. Bundespräsident: Bezeichnung des t Staatsoberhauptes in der BR Deutsch¬ land. Der B. wird von der 1 Bundesver¬ sammlung auf fünf Jahre gewählt (Art. 54 GG). Seine unmittelbare Wiederwahl ist

### ###

Hamburg Saarland

Hfl1

Bremen

###

Mecklenburg-Vorpommern

MH #### #### MH #### Hfl1# #### ####

Berlin Brandenburg Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Schleswig-Holstein Hessen Rheinland-Pfalz

###### ###### ###### ###### Bundesrat. menzahl)

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Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Baden-Württemberg

Zusammensetzung

Bayern

(Stim¬

nur einmal zulässig. Die Aufgaben des B. sind in erster Linie repräsentativer Art. Er vertritt z. B. die BR Deutschland gegen¬ über dem Ausland, ernennt und verpflich¬ tet u. a. den Bundeskanzler und die Bun¬ desminister und verkündet die Bundesge¬ setze. In bestimmten Fällen kann er den t Bundestag auflösen oder den 1 Gesetzge¬ bungsnotstand erklären (Art. 63 Abs. 4, Art. 68, 81 GG). Im Gegensatz zum Reichspräsidenten in der Weimarer Repu¬ blik wird der B. nicht vom Volk gewählt und gilt nicht wie damals als Gegenspieler des Parlaments. Bei vorsätzlicher Verlet¬ zung des Grundgesetzes oder eines ande¬ ren Bundesgesetzes kann der B. vom Bun¬ destag oder Bundesrat vor dem Bundes¬ verfassungsgericht angeklagt werden (Art. 61 GG).- Abb. S. 61. Bundesrat: In der BR Deutschland der Name für die Vertretung der Gliedstaaten (Länder) im Bund (I Bundesstaat). Der B. besteht aus Regierungsmitgliedern der Länder. Sie werden von den Landesregie¬ rungen bestellt und abberufen und sind an die Weisungen ihrer Regierungen gebun¬ den (Art. 51 GG). Jedes Bundesland ver¬ fügt im B. über mindestens drei Stimmen, Länder mit mehr als zwei Millionen Ein¬ wohnern über vier, mit mehr als sechs Mil¬ lionen Einwohnern über fünf, mit mehr als sieben Millionen Einwohnern über sechs Stimmen. Die Stimmen eines Landes müs¬ sen einheitlich abgegeben werden. Der B. nimmt nicht nur an der t Gesetzge¬ bung des Bundes teil (durch t Einspruch¬ gesetze und 1 Zustimmungsgesetze), son¬ dern wirkt auch bei einer Reihe anderer wichtiger Entscheidungen mit. So ist ins¬ besondere die t Bundesregierung an seine Zustimmung gebunden, wenn sie allgemei¬ ne Verwaltungsvorschriften für die Länder zur Ausführung von Bundesgesetzen durch diese erlassen will (Art. 84 Abs. 2, Art. 85 Abs. 2 GG); entsprechendes gilt für den Erlaß bestimmter t Rechtsverord¬ nungen durch die Bundesregierung (Art. 80 Abs. 2 GG). Wie bei der Gesetz¬ gebung kann auch hier der B. die Interes¬ sen der Länder, die mit der Ausführung der Bundesgesetze belastet werden, gel¬ tend machen. Weitere wichtige Befugnisse des B. betreffen den t Gesetzgebungsnot¬ stand, den inneren Notstand (t Notstands-

Bundesregierung gesetzgebung) und die Durchführung des t Bundeszwangs. Wenn die Bundesregie¬ rung bei der Ausübung ihrer t Bundesauf¬ sicht über die Ausführung der Bundesge¬ setze durch die Länder Mängel feststellt, so hat der B. zu entscheiden, ob diese Mängel einen Rechtsverstoß darstellen (Art. 84 Abs. 4 GG). Der B. berät und entscheidet in öffentli¬ cher Sitzung. Er wird einberufen vom Prä¬ sidenten des B., dessen Amt jährlich unter den t Ministerpräsidenten der Länder wechselt. Zur Vorbereitung der Beschlüsse des B. können Ausschüsse eingerichtet und die Regierungen der Länder konsul¬ tiert werden. Die Mitglieder der Bundesre¬ gierung müssen auf Verlangen im B. Rede und Antwort stehen. Auch die Haushalts¬ führung der Bundesregierung wird vom B. mitkontrolliert. Welch große Bedeutung das Grundgesetz dem B. zumißt, geht dar¬ aus hervor, daß nicht der Bundestagspräsi¬ dent, sondern der Präsident des B. das Staatsoberhaupt der BR Deutschland, den Bundespräsidenten, bei dessen Verhinde¬ rung vertritt. - t auch Bundesrepublik Deutschland, t Gesetzgebung, t Vermitt¬ lungsausschuß. Bundesrechnungshof: Der B. ist die Rechnungsprüfungsbehörde des Bundes. Er ist eine der t Bundesregierung gegen¬ über selbständige, nur dem Gesetz unter¬ worfene oberste Bundesbehörde mit Sitz in Frankfurt am Main; seine Mitglieder genießen richterliche Unabhängigkeit. Sei¬ ne Aufgabe besteht in der Prüfung der vom Bundesfinanzminister über alle Ein¬ nahmen und Ausgaben, über das Vermö¬ gen und die Schulden des Bundes zu erstel¬ lenden jährlichen Haushaltsrechnung so¬ wie in der Überwachung der Wirtschaft¬ lichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haus¬ halts- und Wirtschaftsführung des Bundes einschließlich der Sondervermögen (z. B. Bundespost) und Betriebe (z. B. Bundes¬ druckerei). Über das Ergebnis seiner Prü¬ fung hat der B. dem t Bundestag (der auch den Präsidenten des B. wählt), dem t Bun¬ desrat und der Bundesregierung zu berich¬ ten. Bundesregierung: Im t Bundesstaat be¬ sitzen die Gliedstaaten (Länder) und der Gesamtstaat (Bund) gesonderte Regierun¬ gen. Die B. in der BR Deutschland besteht

aus dem Bundeskanzler und den Bundes¬ ministern (Art. 62 GG). Der t Bundes¬ kanzler wird auf Vorschlag des t Bundes¬ präsidenten vom t Bundestag gewählt und vom Bundespräsidenten ernannt. Auch die Bundesminister sind - auf Vorschlag des Bundeskanzlers - vom Bundespräsi¬ denten zu ernennen. Anzahl und Ge¬ schäftsbereich der Bundesminister werden vom Bundeskanzler festgelegt. Den Ge¬ pflogenheiten des t parlamentarischen Re¬ gierungssystems entsprechend wird der Bundeskanzler in der Regel von der grö߬ ten Partei im Bundestag gestellt. Anzahl, Geschäftsbereich und Personen der Bun¬ desminister werden, wie das Regierungs¬ programm, meist schon im voraus von den an der Regierung teilnehmenden Parteien ausgehandelt (Koalitionsregierung). Die B. leitet nach Maßgabe einer von ihr gegebenen t Geschäftsordnung die gesam¬ te Staatstätigkeit im Bund und ist für die ordnungsgemäße Erledigung der Staats¬ aufgaben verantwortlich. Ihr obliegen auch Planungsmaßnahmen. Sie bereitet die Gesetze vor (t Gesetzgebung) und sorgt für deren Ausführung durch Erlaß von t Rechtsverordnungen und Verwal¬ tungsvorschriften. Sie richtet die mit der Ausführung der Gesetze betrauten Ver¬ waltungsbehörden ein, bestellt das Perso¬ nal, soweit sie diese Befugnisse nicht dele¬ giert hat, und übt über sie die t Staatsauf¬ sicht aus. Soweit die Bundesgesetze durch Bundesbehörden ausgeführt werden, un¬ terliegen diese den Weisungen der B., so¬ weit sie von den Ländern ausgeführt wer¬ den, besteht nur eine beschränkte f Bun¬ desaufsicht. Die B. kann jedoch gegen Länder, die ihren Pflichten gegenüber dem Bund nicht nachkommen, im Wege des f Bundeszwanges einschreiten. Weitere wichtige Befugnisse der B. sind z. B. die Ausübung der auswärtigen Gewalt (u. a. Vertragsabschlüsse mit fremden Staaten) und die Feststellung des t Verteidigungs¬ falles. Intern arbeitet die B. nach folgendem Schema (Art. 65 GG): Die Aufstellung der Richtlinien der Politik obliegt dem Bundeskanzler (f Kanzlerprinzip), der hierbei allerdings faktisch an das Regie¬ rungsprogramm der Koalition und die Mehrheitsentscheidungen des Parlamen-

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Bundesrepublik Deutschland

tes gebunden ist. Im Rahmen der allgemei¬ nen Richtlinien führt jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig (1 Ressort¬ prinzip). Kommt es zwischen den Mini¬ stern zu Meinungsverschiedenheiten, ent¬ scheidet die B. insgesamt (1 Kabinettsprin¬ zip) ; in der Regel werden wichtige Regie¬ rungsentscheidungen ebenfalls von der ge¬ samten B. (Kabinett) getroffen. Die we¬ sentliche Vorarbeit dazu wird von der Ministerialbürokratie in den einzelnen Bun¬ desministerien geleistet. Hier sitzen die Ex¬ perten, an deren Spitze ein fachlich erfah¬ rener t Staatssekretär steht, dem sog. t par¬ lamentarische Staatssekretäre zur Entla¬ stung des Ministers und zur Verbindung mit dem Bundestag beigesellt sind. Die Aufgabe der Minister ist es, für die Arbeit in ihren Ministerien politische Akzente zu setzen. Für ihre Politik und Haushaltsführung ist die B. dem Bundestag und f Bundesrat ver¬ antwortlich. Ihnen hat der Bundesfinanz¬ minister über alle Einnahmen und Ausga¬ ben sowie über das Vermögen und die Schulden des Bundes zur Entlastung der B. regelmäßig Rechnung zu legen (Art. 114 Abs. 1 GG). Allerdings sind die Möglichkeiten, gegen die B. vorzugehen, beschränkt. Zwar ist jedes Mitglied der B. verpflichtet (und berechtigt), vor dem Bundestag und Bundesrat zu erscheinen und Auskunft zu geben, doch kann nur der Bundestag, und zwar nur dem Bundes¬ kanzler, sein Mißtrauen aussprechen und damit dessen Entlassung erzwingen, die dann zum Rücktritt der gesamten B. führt (t konstruktives Mißtrauensvotum). Der Bundeskanzler seinerseits kann auch die Entlassung eines einzelnen Ministers durch den Bundespräsidenten herbeifüh¬ ren. Bundesrepublik Deutschland: 1949 entstandener Staat auf dem Gebiet des ehemaligen Deutschen Reichs, umfaßt nach der 1 Wiedervereinigung 356954 km2 mit 79,07 Mill. Einwohnern. Hauptstadt ist Berlin, Regierungssitz z.Z. noch Bonn. I. Geschichte: Die BR Deutschland ver¬ dankt ihre Entstehung der Nichteinigung der alliierten Siegermächte über das künf¬ tige Schicksal des t Deutschen Reichs. Ei¬ ne von gemeinsamen Absprachen nicht ge¬ deckte Politik der UdSSR in ihrer Besat¬

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zungszone und die Einbeziehung der west¬ lichen Besatzungszonen in den Wiederauf¬ bau Westeuropas nach dem 2. Weltkrieg führten unter den Bedingungen des f kal¬ ten Krieges zu einer Trennung West- und Ostdeutschlands. 1948 wurde die Grün¬ dung eines westdeutschen Staates auf der Londoner Sechsmächtekonferenz be¬ schlossen, eine Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen durchge¬ führt und durch L. Erhard noch vor der Gründung der Bundesrepublik die soziale Marktwirtschaft eingeführt. Von den Militärgouverneuren erhielten die Ministerpräsidenten der deutschen Länder in den westlichen Besatzungszo¬ nen am 1. Juli 1948 die Aufforderung, eine westdeutsche Staatsgründung herbeizu¬ führen (Frankfurter Dokumente). Ein von den Parlamenten der Länder gewählter t Parlamentarischer Rat beriet und be¬ schloß die als provisorisches Statut bis zur Wiedervereinigung Gesamtdeutsch¬ lands gedachte Verfassung des neuen Staa¬ tes, das t Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 verkündet wurde. Damit war die BR Deutschland entstanden. Allerdings galt sie zunächst auch weiterhin als ein besetz¬ tes Land und war nach dem Besatzungs¬ statut der Oberhoheit der Besatzungs¬ mächte unterworfen. Erst die wirtschaftli¬ che und militärische Einbindung in den Westen (1952 Montanunion, 1955 NATO, 1957 EWG) führte allmählich zu einer po¬ litischen Gleichberechtigung der BR Deutschland durch Ablösung des Besat¬ zungsstatuts und durch vertragliche Rege¬ lung der Beziehungen zu den Besatzungs¬ mächten (t Deutschlandvertrag vom 5. Mai 1955; Ablösung weiterer alliierter Vorbehalte durch die t Notstandsgesetzge¬ bung 1968). Gleichzeitig gelang es, den neuen Staat wirtschaftlich und politisch zu festigen. Der wirtschaftliche Wiederauf¬ bau unter Einbeziehung von über 10 Mill. Flüchtlingen und Vertriebenen (Bevölke¬ rungszuwachs von 1947 rund 47 Mill. auf 1970 rund 61,5 Mill.) ließ die BR Deutsch¬ land zu einem der führenden Industrie¬ staaten der Welt werden (»Wirtschafts¬ wunder«), Die wirtschaftliche und soziale Festigung (t soziale Marktwirtschaft, t Ge¬ werkschaften, Abbau der Arbeitslosigkeit, Sozialmaßnahmen wie Wohnungsbau,

Bundesrepublik Deutschland SchleswigHolstein Hamburg

MecklenburgVorpommern

Bremen

Branden¬ burg

BadenWürttem¬ berg

2

Bayern

Bundesrepublik Deutschland. Die 16 Bundesländer und ihre Wappen Rentengesetzgebung u. a.) hatte auch Rückwirkungen auf das politische System und auf die Stabilität der Regierungen, die eine längerfristige Außen- und Gesell¬ schaftspolitik betreiben konnten (1949 bis 1966 CDU-geführte Regierungen, 1966-1969 t große Koalition, 1969-1982 sozialliberale Koalition, seit 1982 wieder eine CDU/CSU-FDP-Koalition). Das Parteienspektrum schrumpfte aufgrund des Wählerverhaltens, der Nichtberück¬ sichtigung von f Splitterparteien (t Fünf¬ prozentklausel) und des Verbotes radika¬ ler Parteien (1952 SRP, 1956 KPD) zu¬ sammen. Inden 1960er und 1970er Jahren waren im Bundestag nur noch vier Partei¬ en vertreten, seit 1983 waren es mit den Grünen fünf, nach der Wiedervereinigung sind es mit der PDS und Bündnis "90/Griine (Ost) sechs. 3 SD Politik

Eine gewisse Wende trat nach der »Ära Adenauer« in den 1960er Jahren ein. Er¬ neut machten sich konjunkturelle und strukturelle Probleme in der Wirtschaft be¬ merkbar (Rezession 1967, Inflation, Ar¬ beitslosigkeit, Schrumpfen des Bergbaus und der Landwirtschaft, Probleme des Umweltschutzes und der Energieversor¬ gung u. a.). Dazu kamen der Fehlschlag des Versuches, die Wiedervereinigung Deutschlands über seine Westintegration zu erreichen (Mauerbau der DDR in Ber¬ lin und entlang der Demarkationslinie zur B.D. 1961), und ein Stillstand in der Ent¬ wicklung der EG. Nach der mehr integrativen Phase der 1950er Jahre (f Godesber¬ ger Grundsatzprogramm der SPD 1959) polarisierte sich das politische Leben er¬ neut (Studentenunruhen 1968, neue t Lin¬ ke). Neue radikale Parteien traten auf 65

Bundesrepublik Deutschland

NPD, kommunistische Splittergruppen; t auch alternative Bewegungen). Die Poli¬ tik der BR Deutschland zielte in dieser Zeit v. a. auf eine Festigung der Konjunk¬ tur durch t Haushaltspolitik und auf eine Integrierung der Entscheidungsträger in Bund, Ländern und Gemeinden sowie Staat und Wirtschaft zu einem gemeinsa¬ men Handeln (t kooperativer Föderalis¬ mus, t konzertierte Aktion, t Stabilitätsge¬ setz 1967, Finanzreform 1969). In der Au¬ ßenpolitik wurde versucht, das Verhältnis zu den Ostblockstaaten auf eine neue Grundlage zu stellen (t Grundlagenvertrag 1972 u. a.) und insbesondere die Lage 1 Berlins, das nach wie vor unter alliierter Oberhoheit stand, zu normalisieren. Die sozialliberale Koalition hat sich v. a. um die Erweiterung der Mitbestimmung und die Reform des Bildungswesens bemüht. Verschlechterte wirtschaftliche Rahmen¬ bedingungen (verringertes Wirtschafts¬ wachstum, Rohstofflage, Umwelt- und Umverteilungsprobleme) mit starker Zu¬ nahme der Arbeitslosigkeit führten zur Etablierung neuer Bewegungen im politi¬ schen Raum (t Friedensbewegung, t Grü¬ ne) und 1982 zur Ablösung der sozial¬ liberalen Regierung durch eine Koalition von CDU/CSU und FDP. Der grundle¬ gende Wandel der Verhältnisse in Osteuro¬ pa in der »Ära Gorbatschow« brachte den Zusammenbruch des kommunistischen Systems auch in der DDR und im An¬ schluß daran die Wiedervereinigung bei¬ der Teile Deutschlands am 3. Oktober 1990. II. Politisches System: Die BR Deutsch¬ land ist ein demokratischer und sozialer t Bundesstaat (Art. 20 Abs. 1 GG). Sie ist aus 16, zum Teil erst nach 1945 entstande¬ nen Bundesländern gebildet, unter denen Berlin eine besondere Stellung einnahm. Charakteristisch für den t Föderalismus der BR Deutschland ist: 1. die Vertretung der Länder im Bund durch Mitglieder der Länderregierungen, nicht durch gewählte Abgeordnete, mit erheblichen Mitsprache¬ befugnissen bei der Gesetzgebung des Bundes und der Ausführung der Bundes¬ gesetze (t Bundesrat); 2. keine völlige Trennung der Aufgaben von Bund und Ländern, sondern eine Verschränkung dergestalt, daß die meisten und wichtig¬ (t

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sten Gesetze vom Bund erlassen, aber von den Ländern ausgeführt werden (Art. 70 ff., 83 ff. GG; t auch Bundesauf¬ tragsverwaltung); 3. grundsätzliche Vor¬ rangstellung des Bundes (Art. 31 GG: »Bundesrecht bricht Landesrecht«) bei gleichzeitig grundsätzlicher Überantwor¬ tung der Staatsaufgaben an die Länder (Art. 30 GG). Die Entwicklung seit 1949 hat allerdings auch hier zu einer Stärkung des Bundes geführt. Die sog. t konkurrie¬ rende Gesetzgebung wird ganz von ihm ausgeübt, weitere Gesetzgebungsmaterien sind ihm zugeordnet worden, und auch in ursprüngliche Zuständigkeiten der Länder greift er mit Rahmenvorschriften (z. B. t Hochschulrahmengesetz), Mitsprache¬ rechten und Finanziellen Beteiligungen ein, um eine einheitliche Politik im ganzen Bundesgebiet zu erreichen (kooperativer Föderalismus, t Gemeinschaftsaufgaben). Die Bedeutung des Föderalismus in der BR Deutschland liegt v. a. darin, daß die Länder in einer mehr und mehr unitari¬ schen Politik regionale Besonderheiten zur Geltung bringen können und die politische Opposition die Chance erhält, als Regie¬ rung in einem Lande eine eigene Machtba¬ sis aufzubauen und ihre Politik zu demon¬ strieren - was allerdings zu Schwierigkei¬ ten im Verhältnis von t Bundestag zu Bun¬ desrat führen kann, wenn die Mehrheits¬ verhältnisse in beiden Institutionen unter¬ schiedlich sind. Bedeutsam ist in dem Zu¬ sammenhang auch die zunehmende Ent¬ äußerung von Hoheitsbefugnissen der B. D. an die t EG. Bund und Länder sind gleichstrukturierte demokratische Staaten, in denen gegen¬ über der Möglichkeit des t Volksentschei¬ des das repräsentative Prinzip überwiegt (t Demokratie). Die Politik wird von den Parteien gestaltet, die auch die Regierun¬ gen bilden (t parlamentarisches Regie¬ rungssystem). Im wesentlichen handelte es sich dabei um zwei Alternativen: CDU/ CSU oder SPD mit der FDP. In letzter Zeit hat sich das Spektrum der Möglich¬ keiten bei der Regierungsbildung erwei¬ tert. Eine bedeutende Rolle spielen die f Interessenverbände, die unterschiedliche Gruppeninteressen in die Politik einbringen. Neben ihnen haben sich zahlreiche neue Interessen und Bestrebungen in

Bundestag t Bürgerinitiativen artikuliert. Bisher ist es gelungen, diese unterschiedlichen Interes¬ sen zu integrieren und auf die gemeinsame t freiheitliche demokratische Grundord¬ nung zu verpflichten. Dies liegt nicht zu¬ letzt daran, daß alle Parteien den sozialen Auftrag des Grundgesetzes ernst nehmen und ihrer Politik zugrundelegen (t Sozial¬ staat), daß die rechtsstaatlichen Elemente der Verfassung stark entwickelt wurden (t Rechtsstaat, Schutz der t Grundrechte, umfassender t Rechtsschutz durch unab¬ hängige Gerichte: Art. 19 Abs. 4 GG, t Bundesverfassungsgericht) und daß eine klare Absage an alle Gegner der Demokra¬ tie erfolgte (die B. D. als eine »streitbare« Demokratie aufgrund der Erfahrungen mit der Weimarer Republik, Art. 18 und 21 Abs. 2 GG). Besondere Probleme wirft z.Z. die Integration der fünf neuen Bun¬ desländer auf, deren Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen neu aufgebaut wer¬ den müssen. Bundesstaat: Im B. sind die staatlichen Kompetenzen zwischen dem Zentralstaat (Bund) und seinen Gliedstaaten (Länder) geteilt. Der Bund besitzt meist Regelungs¬ befugnisse im Bereich der auswärtigen Po¬ litik, der Verteidigung und der Wirt¬ schaftseinheit, heute vielfach auch im Be¬ reich der t sozialen Sicherheit. Er hat die sog. Kompetenzkompetenz, d. h. er ent¬ scheidet über die Verteilung der staatli¬ chen Aufgaben zwischen ihm und den Gliedstaaten. Im B. besitzen die Gliedstaa¬ ten in der Regel Mitspracherechte durch eine zweite Kammer (t Bundesrat, t Se¬ nat). - t auch Föderalismus, t Staatenver¬ bindung, t Staatenbund, t Bundesaufsicht, t Bundeszwang. Bundestag: Name der Volksvertretung in der BR Deutschland. Der Deutsche B. besteht z. Z. aus 662 Abgeordneten, die für vier Jahre nach den Grundsätzen des allge¬ meinen und gleichen Wahlrechts gewählt werden (t Bundestagswahl). Die Abgeord¬ neten einer Partei bilden in der Regel eine gemeinsame t Fraktion zur Beratung und Interessenvertretung im Parlament. Der Deutsche B. ist das zentrale, demokra¬ tisch legitimierte Staatsorgan in der BR Deutschland. Ihm obliegen v. a. die t Ge¬ setzgebung, die Verabschiedung des f Haushaltsplans und die Regierungskon¬

trolle. Nach den Regeln des t parlamenta¬ rischen Regierungssystems ist von ihm auch die t Bundesregierung abhängig; er wählt den 1 Bundeskanzler (Art. 63 GG). Außerdem wirkt der B. bei der Wahl der Richter zum 1 Bundesverfassungsgericht und der obersten Gerichte des Bundes (Art. 94 Abs. 1; 95 Abs. 2 GG) sowie bei der Wahl des t Bundespräsidenten mit (t Bundesversammlung). Der B. kann je¬ derzeit die Anwesenheit der Mitglieder der Bundesregierung verlangen und Auskünf¬ te von ihnen fordern (t Interpellation, t parlamentarische Anfragen, t Fragestun¬ de, 1 Aktuelle Stunde). Zur Kontrolle von Regierung und Verwaltung kann der B. auch f Untersuchungsausschüsse einsetzen; zur Kontrolle der t Bundeswehr be¬ stellt er den t Wehrbeauftragten. Die Bun¬ desregierung hat dem B. regelmäßig über ihre Einnahmen und Ausgaben, den Stand des Vermögens und der Schulden des Bun¬ des Rechnung zu legen. Bei der t Rech¬ nungsprüfung bedient sich der B. des 1 Bundesrechnungshofes. Entspricht die Amtsführung der Bundesregierung nicht der Auffassung des B., so kann er dem Bundeskanzler durch Wahl eines Nachfol¬ gers sein Mißtrauen aussprechen und da¬ durch dessen Entlassung und den Rück¬ tritt der Bundesregierung bewirken (t kon¬ struktives Mißtrauensvotum). Allerdings hat dieses Mittel nur einen begrenzten Wert, da im parlamentarischen Regie¬ rungssystem die Regierung in der Regel von der Mehrheit des Parlaments getragen wird, ein Mißtrauensentscheid also nur bei einer bedeutsamen Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im B. (z. B. beim Auseinanderfall einer 1 Koalition) Zustan¬ dekommen wird. Der B. arbeitet nach einer von ihm selbst gegebenen t Geschäftsordnung. Er ver¬ handelt grundsätzlich öffentlich im t Ple¬ num und faßt seine Beschlüsse in der Re¬ gel mit einfacher Mehrheit (Ausnahmen sind z. B. die Änderung des Grundgesetzes oder Ausschluß der Öffentlichkeit, die mit einer 2/j-Mehrheit beschlossen werden müssen). Leitungs- und Schlichtungsorga¬ ne sind der Präsident, das Präsidium und der 1 Ältestenrat. Zur Vorbereitung der Beschlüsse werden f Ausschüsse gebildet, deren Mitglieder aus den Fraktionen ent-

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Bundestagswahl

sandt werden. In den Ausschüssen wird die wesentliche Facharbeit, z. B. bei der Beratung der Gesetze, geleistet (t auch Parlamentsausschüsse). Auch die Aus¬ schüsse können Regierungsmitglieder zur Beratung und Befragung heranziehen. Darüber hinaus werden von ihnen öffentli¬ che Befragungen von Sachverständigen zur Meinungsbildung veranstaltet (t auch Hearing). Der B. kann vom Bundespräsidenten auf¬ gelöst werden, wenn bei der Wahl zum Bundeskanzler kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen erhält, oder auf Wunsch des Bundeskanzlers, wenn diesem auf seinen Antrag hin vom B. nicht das er¬ betene Vertrauen ausgesprochen wurde (Art. 63 Abs. 4, 68 GG). In beiden Fällen soll verhindert werden, daß eine Bundesre¬ gierung sich nur auf eine Minderheit im B. stützen kann und auf diese Weise bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gehemmt wird. Bundestagswahl: Die t Wahlen zum Deutschen t Bundestag werden nach den Prinzipien der allgemeinen, gleichen, un¬ mittelbaren, freien und geheimen Wahl vorgenommen. Wahlberechtigt sind grundsätzlich alle Deutschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, wählbar sind alle Volljährigen (Art. 38 Abs. 1 GG). Ein¬ zelheiten über die Wahlberechtigung und das Wahlverfahren enthält das Bundes¬ wahlgesetz vom 7. Mai 1956. Danach hat jeder Wähler zwei Stimmen. Mit der Erst¬ stimme wählt er einen in seinem Wahlkreis kandidierenden Bewerber (Mehrheits¬ wahl), mit der Zweitstimme die Landesli¬ ste einer Partei (Verhältniswahl). Aus¬ schlaggebend dafür, wieviele Kandidaten einer Partei in den Bundestag einziehen, ist die Anzahl der Stimmen, die sie auf den Listen erhalten hat. Der Anteil der Bun¬ destagssitze jeder Partei wurde dabei frü¬ her nach dem t d’Hondtschen Höchstzahl¬ verfahren und wird jetzt nach der Metho¬ de t Hare-Niemeyer ermittelt. Auf diesen Anteil werden auch die Kandidaten einer Partei verrechnet, die vom Wähler mit sei¬ ner Erststimme in einem Wahlkreis ge¬ wählt wurden (Direktmandate). Im Ergeb¬ nis handelt es sich also bei der B. um eine nur durch die Erststimmenabgabe modifi¬ zierte (»personifizierte«) Verhältniswahl. Übersteigt die Zahl der Direktmandate ei¬

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ner Partei die ihrer Zweitstimmen, erhält sie zusätzliche Sitze im Bundestag (Über¬ hangmandate). Bei der Verteilung der Sit¬ ze nach Landeslisten werden nur die Par¬ teien berücksichtigt, die mindestens 5 % der insgesamt abgegebenen Zweitstimmen erhalten oder mindestens drei Direktman¬ date erobert haben (t Fünfprozentklausel). Bei der Bundestagswahl vom 2. Dezember 1990 gab es davon Abweichungen, die der besonderen Lage in den neuen Bundeslän¬ dern Rechnung trugen. Bundesverband der Deutschen ln> dustrie (BDI) wurde 1949/50 als Zentral¬

organ der westdeutschen Industrie gegrün¬ det mit dem Ziel der Zusammenarbeit der t Unternehmer auf wirtschaftspolitischem Gebiet. Der BDI ist ein Interessenverband und von erheblicher politischer Bedeutung in der BR Deutschland. Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände t Arbeitgeber¬

verbände. (BVG): Das B., das höchste Gericht in der BR Deutschland, ist ein mit den Garantien richterlicher Unabhängigkeit ausgestatte¬ ter Gerichtshof und zugleich ein oberstes Verfassungsorgan (wie der t Bundestag oder der t Bundesrat). Seine außerordent¬ lich weitreichenden Befugnisse erklären sich aus den Erfahrungen mit dem natio¬ nalsozialistischen Unrechtsstaat, die zur Schaffung eines lückenlosen verfassungs¬ gerichtlichen Rechtsschutzsystems auch gegenüber dem Gesetzgeber geführt ha¬ ben, dessen Gesetzesbeschlüsse der Kon¬ trolle durch das B. auf ihre Verfassungs¬ mäßigkeit hin unterliegen. Das B. entschei¬ det letztverbindlich alle Streitigkeiten zwi¬ schen den obersten Staatsorganen (z. B. Bundestag und Bundesrat) sowie zwischen Bund und Ländern über deren verfas¬ sungsmäßige Kompetenzen. Es schützt den Bürger gegen alle Eingriffe der t öf¬ fentlichen Gewalt in seine 1 Grundrechte (t Verfassungsbeschwerde) und kontrol¬ liert die Übereinstimmung der Bundes¬ und Landesgesetze mit dem t Grundgesetz (t Normenkontrollverfahren). Ferner sind dem B. eine Reihe weiterer Aufgaben übertragen, die der Bewahrung und dem Schutz der demokratischen Ordnung die¬ nen, z. B. das 1 Parteiverbot und das WahlBundesverfassungsgericht

Bundesverfassungsgericht

prüfungsverfahren. Die Entscheidungen des Gerichts, die regelmäßig über den Ein¬ zelfall hinaus erhebliche Bedeutung erlan¬ gen, binden die übrigen Verfassungsorga¬ ne des Bundes und der Länder sowie alle Behörden und Gerichte. Erklärt das B. ein Gesetz für nichtig, so hat dieser Spruch selbst Gesetzeskraft. Das B. mit Sitz in Karlsruhe verfügt über eine eigenständige Verwaltung und einen eigenen Haushalt. Organisatorisch gliedert es sich in zwei Senate, die verschiedene Zuständigkeiten haben und selbständig ne¬ beneinander stehen. Jedem Senat gehören acht Richter an, die für eine Amtszeit von zwölf Jahren (ohne Wiederwahlmöglich¬ keit) gewählt sind. Die Richter werden je zur Hälfte vom Bundestag (durch einen Wahlmännerausschuß) und vom Bundes¬ rat mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Die geforderte Zweidrittelmehrheit bei der Wahl der Richter zum B. gibt dem hohen Rang des Verfassungsrichteramtes Aus¬

druck und unterstreicht die Gesamtverant¬ wortung der Wahlorgane. Die Besetzung der Richterbank mit jeweils acht Richtern kann dazu führen, daß sich bei der Ent¬ scheidung keine Mehrheit bildet. Bei Stim¬ mengleichheit kann kein Verstoß gegen das Grundgesetz festgestellt werden. In be¬ stimmten Verfahren, z. B. Parteiverbots¬ verfahren, bedarf es zu einer für den An¬ tragsgegner nachteiligen Entscheidung ei¬ ner Zweidrittelmehrheit. Jeder Richter kann seine in der Beratung vertretene ab¬ weichende Meinung (dissenting opinion) zu einer Senatsentscheidung in einem Son¬ dervotum der Entscheidung anfügen. Die gestaltende Kraft der Entscheidungen des B. übt auf die Verfassungsordnung und das politische Geschehen im Staat große Wirkung aus. Das Gericht entscheidet aber stets nur über Rechtsfragen, indem es darüber wacht, daß die geschriebene Ver¬ fassung und die t Verfassungswirklichkeit möglichst übereinstimmen.

Wahlorgane

Bundesverfassungsgericht. Die Wahl der Bundesverfassungsrichter 69

Bundesversammlung Bundesversammlung: Die B. dient der Wahl des f Bundespräsidenten. Sie be¬ steht aus den Abgeordneten des Bundes¬ tags und einer gleichen Anzahl von Mit¬ gliedern, die von den Volksvertretungen der Länder entsandt werden. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA): t Körperschaft des

öffentlichen Rechts mit dem Recht der t Selbstverwaltung und Sitz in Berlin. Sie ist Träger der gesetzlichen ! Rentenversi¬ cherung der t Angestellten in der BR Deutschland. Ihre Organe sind der Vor¬ stand und die Vertreterversammlung; sie untersteht der Aufsicht des Bundesversi¬ cherungsamtes. Bundesverwaltung: Die B. in der BR Deutschland ist dreistufig aufgebaut: Zur Zentralstufe gehören die Obersten Bun¬ desbehörden (z. B. Bundeskanzleramt und Bundesministerien), die ihnen nachgeordneten Bundesoberbehörden (z. B. Bundes¬ gesundheitsamt, Bundeskartellamt, Stati¬ stisches Bundesamt) und einige nicht rechtsfähige Anstalten (z. B. Bundesar¬ chiv); zur Mittelstufe gehören z. B. die Oberfmanzdirektionen (t Finanzverwal¬ tung), die Wehrbereichsverwaltungen und die Oberpostdirektionen; zur Unterstufe gehören z. B. die Kreiswehrersatzämter und die Postämter. Da die Bundesgesetze grundsätzlich von den Ländern ausgeführt werden, verfügt der Bund nur über relativ wenige Behörden der Mittel- und Unter¬ stufe. - t auch Bundesbehörden, f Verwal¬ tungsaufbau. Bundeswehr: Bezeichnung für die mili¬ tärischen Streitkräfte der BR Deutsch¬ land. Der Aufbau der B. begann, nachdem sich die BR Deutschland in den t Pariser Verträgen (1954) zum Eintritt in die t Westeuropäische Union und die t NATO sowie zum Aufbau einer Armee verpflich¬ tet und durch eine Grundgesetzänderung 1954 und 1956 die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen hatte. Zu¬ nächst bestand die B. nur aus Freiwilligen; 1956 wurde dann durch das Wehrpflicht¬ gesetz die allgemeine Wehrpflicht einge¬ führt. Die Angehörigen der B. sind entwe¬ der Wehrpflichtige, Soldaten auf Lebens¬ zeit (Berufssoldaten) oder Soldaten auf Zeit. Die Verweigerung des Militärdien¬ stes ist möglich (t Kriegsdienstverweige¬

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rung). Die B. gliedert sich in die Teilstreit¬ kräfte Heer, Luftwaffe und Marine. Die B. unterliegt im vollen Umfang der Gesetzgebung des t Bundestages. Die Be¬ fehls- und Kommandogewalt über die B. hat im Frieden der Bundesminister der Verteidigung (Art. 65 a GG), im t Ver¬ teidigungsfall hat sie der t Bundeskanzler (Art. 115b GG). Die parlamentarische Kontrolle wird im einzelnen ausgeübt durch das Budgetrecht des Bundestages (Art. 87 a GG), durch den Verteidigungs¬ ausschuß des Bundestages (Art. 45 a GG) und durch den f Wehrbeauftragten zum Schutz der t Grundrechte und als Hilfsor¬ gan des Parlaments (Art. 45 b GG). Wei¬ teres Kontrollorgan ist der t Bundesrat, der Gesetzen über die Verteidigung zu¬ stimmen muß (Art. 87 b GG). Hauptaufgabe der B. ist die Landesvertei¬ digung im Rahmen des NATO-Bündnisses, in dessen militärische Struktur sie ein¬ gegliedert ist. Die B. darf einen Angriffs¬ krieg weder führen noch vorbereiten (Art. 26, 1 GG). Gemäß ihrem Verteidi¬ gungsauftrag soll die B. im Frieden jeden potentiellen Gegner davon abhalten, ge¬ genüber der BR Deutschland oder einem ihrer Bündnispartner militärische Gewalt anzudrohen oder anzuwenden (Abschrekkung); in Zeiten politischer Spannungen oder in einer Krise hat sie die Handlungs¬ freiheit der Bundesregierung zu sichern; im Krieg hat die B. den Auftrag, zusam¬ men mit den verbündeten Truppen den Angreifer so grenznah wie möglich abzu¬ wehren und die territoriale Integrität der BR Deutschland zu wahren bzw. wieder¬ herzustellen. Inwieweit ein Einsatz von Teilen der B. im Ausland, z. B. als Teil von »Friedenstruppen« der t UN zu sog. »peace-keeping-operations« verfassungs¬ rechtlich zulässig ist, ist umstritten. Im Rahmen der deutschen Wiedervereini¬ gung wird der Personalstand der B. von 495 000 auf 370000 Soldaten verringert. Die Bundesregierung kann unter bestimm¬ ten Voraussetzungen die B. auch zur Be¬ kämpfung von Naturkatastrophen und schweren Unglücksfällen (Art. 35 Abs. 3 GG) und bei einem inneren Notstand (Art. 87 a Abs. 4 in Verbindung mit Art. 91 Abs. 2 GG) in begrenzter Weise einsetzen.

Bürgerbegehren Bundeszentrale für politische Bil¬ dung: 1952 unter dem Namen Bundes¬ zentrale für Heimatdienst mit dem Ziel ge¬ gründet, die überparteiliche politische Bil¬ dung zu fördern; sie untersteht heute dem Bundesinnenministerium. Von ihr werden die Wochenzeitung »Das Parlament« und Informationen zur politischen Bildung herausgegeben. Die Bundesländer unter¬ halten mit den Landeszentralen für politi¬ sche Bildung entsprechende Einrichtun¬ gen. Bundeszwang nennt man die Maßnah¬ men, die die t Bundesregierung mit Zu¬ stimmung des t Bundesrats treffen darf, um ein Bundesland, das seinen Pflichten gegenüber dem Bund nicht nachkommt (z. B. die Bundesgesetze nicht ordnungsge¬ mäß ausführt), zur Erfüllung seiner Aufga¬ ben anzuhalten (t Bundesaufsicht). In Fra¬ ge kommt dabei u. a. die Einsetzung eines Bundeskommissars anstelle der Landesre¬ gierung. Die Landesbehörden unterstehen im Falle des B. direkt den Weisungen der Bundesregierung. Bund-Länder-Kommission für Bil¬ dungsplanung und Forschungsför¬ derung (BLK): Auf der Grundlage einer Grundgesetzänderung (Art. 91 b GG) im Jahre 1970 durch ein Verwaltungsabkom¬ men zwischen Bund und Ländern ins Le¬ ben gerufene Kommission, die dem Bund, abweichend vom Prinzip der T Kulturho¬ heit der Länder, ein Mitspracherecht in Fragen der Bildungsplanung und der For¬ schungsförderung eingeräumt hat. Zu den Aufgaben gehören die langfristige Rah¬ menplanung, mittelfristige Stufenpläne und Programme für die t Bildungspla¬ nung, deren ständige Überprüfung und Fi¬ nanzierung sowie die Durchführung von Modellversuchen. Angehörige der BLK sind 16 Vertreter des Bundes und je ein Vertreter der 16 Länder. Für eine Ent¬ scheidung ist eine Mehrheit von 25 Stim¬ men notwendig. Bündnis '90 entstand im Januar 1990 in der damaligen DDR als ein Wahlbündnis verschiedener friedens- und umweltpoliti¬ scher Bürgerinitiativen wie dem t Neuen Forum, »Demokratie Jetzt« und der »In¬ itiative Frieden und Menschenrechte«, die mit einer gemeinsamen Wahlplattform zu den Volkskammerwahlen vom 18. März

1990 antraten. Das B. ’90 versteht sich als eine basisdemokratische Bürgerbewegung, in der sich die geistigen Urheber der Revo¬ lution in der DDR 1989 eine politische Vertretung schufen. Bei der Volkskam¬ merwahl erreichte das B. ’90 mit nur 2,9% der Stimmen ein unerwartet schlechtes Er¬ gebnis. Bei der gesamtdeutschen Wahl am 2. Dezember 1990 ging man mit den Grü¬ nen in den neuen Bundesländern eine Li¬ stenverbindung ein, trat selbst nur dort zur Wahl an, erzielte 6% der Stimmen und stellt nun acht Abgeordnete im 12. Deut¬ schen Bundestag. Im September 1991 konstitutierte sich das B. ’90 als gesamtdeut¬ sche Partei. Bündnisfall ist für die Mitgliedstaaten der t NATO gegeben, wenn gegen einen oder mehrere von ihnen ein bewaffneter Angriff erfolgt (Art. 5 NATO-Vertrag). In einem solchen Fall tritt Art. 51 der UNSatzung in Anwendung, der eine individu¬ elle oder kollektive Selbstverteidigung er¬ laubt. Jeder Mitgliedstaat kann dabei über die Maßnahmen, mit denen er zur Wieder¬ herstellung der Sicherheit des NATO-Gebietes beitragen will, selbst entscheiden, bündnisfreie Staaten I blockfreie Staa¬ ten. Bürger: Seit dem Mittelalter Bezeich¬ nung für den Einwohner einer Stadt mit vollem Bürgerrecht. Das Bürgerrecht stand ursprünglich nur städtischen Grund¬ besitzern zu und berechtigte zur Ausübung eines städtischen Gewerbes, des Handels und politischer Funktionen in der Ge¬ meinde. Aus dieser ursprünglichen Bedeu¬ tung entwickelten sich die Bezeichnung für eine (ökonomisch definierte) t Klasse (bourgeois) und der moderne Begriff des Staatsbürgers (citoyen). Bürgerbeauftragter: In RheinlandPfalz seit 1974 und seit 1988 auch in Schleswig-Holstein als Hilfsorgan des Landtags zur Untersuchung von Mißstän¬ den in der Verwaltung tätig. Jeder Bürger kann sich mit Beschwerden an ihn wenden (t auch Ombudsman). Bürgerbegehren: In Baden-Württem¬ berg eine Volksabstimmung, durch die ent¬ weder eine Gemeindevertretung (Gemein¬ de- oder Stadtrat) zur Behandlung einer Frage gezwungen oder diese einem t Bür¬ gerentscheid zugeführt wird. In Hessen ist

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Bürgerentscheid

B. die Bezeichnung für Anträge an eine Gemeindevertretung, über eine bestimmte kommunalpolitische Frage zu beraten und zu entscheiden. In den fünf neuen Bundes¬ ländern machte das Kommunalverfas¬ sungsgesetz vom 17. Mai 1990 B. ebenso möglich wie Bürgeranträge und Bürger¬ entscheide. Bürgerentscheid: Eine verbindliche Entscheidung durch Volksabstimmung auf Gemeindeebene, z. B. in Baden-Württem¬ berg. Der B. hat die Wirkung eines endgül¬ tigen Beschlusses des Gemeinderats. t auch Bürgerbegehren. Bürgerinitiativen sind die seit Anfang der 1970er Jahre verstärkt auftretenden, relativ locker gefügten Organisationen, in denen sich Bürger spontan zusammen¬ schließen, um aufgrund von konkreten An¬ lässen in ihrer politischen und sozialen Umwelt Selbsthilfe zu organisieren und/ oder auf kommunaler oder überörtlicher Ebene Einfluß auf die öffentliche Mei¬ nung, kommunale und staatliche Einrich¬ tungen, Parteien und andere gesellschaftli¬ che Gruppierungen auszuüben. Die mei¬ sten B. setzen sich für bessere Umweltbe¬ dingungen ein, gefolgt von B. für Kinder¬ gärten und Spielplätze, Aktionen gegen Verkehrsplanungen und für ein besseres Bildungswesen. Da sich die meisten der auf 3 000-5 000 geschätzten B. auf sach¬ lich und sozial eng begrenzte Probleme konzentrieren, werden sie auch als sog. »Ein-Punkt-Organisationen« bezeichnet. Dadurch unterscheiden sie sich von Partei¬ en, die mit einem breiten politischen Pro¬ gramm über Wahlen direkt politische Macht erobern wollen, und von Interes¬ senverbänden, die mit Hilfe eines organi¬ satorischen Unterbaus kontinuierlich die Interessen einer relativ klar abgegrenzten sozialen Gruppe vertreten. Verschiedenen B. ist es gelungen, sich eine stabilere Orga¬ nisationsform zu geben, z. B. der 1972 ge¬ gründete »Bundesverband der Bürger¬ initiativen Umweltschutz - BBU«, so daß sie in dieser Hinsicht interessenverbands¬ ähnlich geworden sind. Im BBU sind 350 B. offiziell Mitglieder. Etwa 1000 B. wer¬ den durch ihn betreut. Die Gründe für das Entstehen dieses »drit¬ ten Systems der Bedürfnis- und Interessen¬ äußerung« neben den Verbänden und Par¬

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teien sind vielfältig. Einerseits sind es die Probleme des wirtschaftlichen Wachstums mit seinen Umweltbelastungen, die bisher von den Interessenverbänden kaum aufge¬ griffen wurden, andererseits sind sie auch auf ein Versagen von politischen Planern in Parteien und Verwaltungen zurückzu¬ führen. In den Augen vieler Bürger lassen diese Planer sich zu stark von scheinbar technologischen Sachzwängen leiten und vernachlässigen dabei bestimmte Bedürf¬ nisse der Bevölkerung. Darüber hinaus spiegelt sich in vielen B. das Gefühl der Ohnmacht wider, das die Betroffenen auf¬ grund der in der Stille der Amtsstuben vor¬ bereiteten Planungen empfinden. Sicher hat auch die t außerparlamentarische Op¬ position (APO) eine stärkere Bereitschaft erzeugt, als Bürger aktiv zu sein. Die B. bieten in der repräsentativen Demokratie eine breite Möglichkeit für Bürger, an den sie betreffenden Entscheidungen z. B. der Stadt- und Verkehrsplanung teilzunehmen (»Betroffenenpartizipation«). Bürgerkrieg: Bewaffnete Auseinander¬ setzung verschiedener Gruppen innerhalb eines Staates mit dem Ziel, die Regierungs¬ gewalt in diesem Staat zu erringen, bürgerliche Gesellschaft: Ursprüng¬ lich Bezeichnung für die in einem politi¬ schen Gemeinwesen zusammengefaßte Gesellschaft (»societas civilis« von latei¬ nisch civis, »der Bürger«), Seit dem ausge¬ henden 18. Jahrhundert meint b. G. die staatsfreie (wirtschaftliche und kulturelle) Sphäre (»Gesellschaft« im Gegensatz zum »Staat«) und wird damit zum Ausdruck für das Streben des t Bürgertums nach Be¬ freiung von staatlicher Bevormundung. Die neue b. G. beruht auf Rechtsgleichheit und persönlicher Freiheit aller Staatsbür¬ ger (citoyens). In der Theorie des t Marxismus ist die b. G. eine historische Gesellschaftsform der Herrschaft des Bürgertums (der t Bourgeoisie), die die feudale Gesellschaft (Herrschaft des Adels) ablöste und die selbst durch eine sozialistische Gesell¬ schaft überwunden wird. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Das seit dem 1. Januar 1900 in Deutschland geltende Gesetzeswerk, in dem der größte Teil des allgemeinen Privatrechts geregelt ist. Das BGB gliedert sich in 5 Bücher: 1.

Bürokratie

Der allgemeine Teil enthält die grundsätz¬ lichen, für alle privatrechtlichen Rechts¬ verhältnisse geltenden Regeln (z. B. Rechts- und Geschäftsfähigkeit, Verträge, Vertretung, Verjährung). 2. Das Recht der Schuldverhältnisse regelt die Rechtsbezie¬ hungen zwischen Gläubigern und Schuld¬ nern, und zwar in allgemeinen und beson¬ deren Vorschriften, die sich mit einzelnen Arten von Schuldverhältnissen wie Kauf, Miete, Gesellschaft befassen. 3. Das Sa¬ chenrecht behandelt Besitz, Eigentum und andere Rechte an Sachen. 4. Das Fami¬ lienrecht ordnet die persönlichen und ver¬ mögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern und Ver¬ wandten sowie das Vormundschaftsrecht. 5. Das Erbrecht schließlich regelt den Ver¬ mögensübergang im Todesfall. In seiner ursprünglichen Version spiegelt das BGB die geistigen, sozialen und politischen Ver¬ hältnisse des 19. Jahrhunderts wider; es war geprägt vom Leitbild eines liberalen Unternehmertums, bewahrte daneben aber auch konservative, patriarchalische und autoritäre Züge, so im früheren Fami¬ lienrecht. Elemente eines sozialen Aus¬ gleichs waren ursprünglich nur vereinzelt anzutreffen, konnten aber über die Gene¬ ralklauseln (z. B. von Treu und Glauben und den guten Sitten) in die spätere Rechtspraxis eingehen. Wichtige Teile z. B. des t Mietrechts sind heute außerhalb des BGB geregelt. Bürgermeister: Vorsitzender des Gemeinde-(Stadt-)rats oder Magistrats. In Baden-Württemberg und Bayern ist er zu¬ gleich Leiter der Gemeindeverwaltung. In den Stadtstaaten Berlin (Regierender B ), Hamburg (Erster B.) und Bremen ent¬ spricht seine Stellung der eines 1 Minister¬ präsidenten in den anderen Bundeslän¬ dern. Bürgerrechte sind im Unterschied zu den t Menschenrechten die Rechte, die dem einzelnen als Angehörigen einer Ge¬ meinde oder eines Staates zustehen und die meist verfassungsmäßig festgelegt sind (z. B. f Versammlungs-, t Berufsfreiheit, t Freizügigkeit, Nichtausbürgerung und -auslieferung, staatlicher Schutz im In- und Ausland, t aktives und f passives Wahl¬ recht). Die B. sind an die t Staatsangehö¬ rigkeit gebunden.

Bürgerschaft:

0 Gesamtheit aller Bürger eines politi¬ schen Gemeinwesens. 0 Bezeichnung für die Parlamente der Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Bürgschaft: Durch einen Bürgschafts¬ vertrag verpflichtet sich der Bürge gegen¬ über dem Gläubiger eines Dritten (Haupt¬ schuldner), für die Erfüllung der Verbind¬ lichkeit des Dritten einzustehen. Bürokratie [von französisch bureau »Schreibtisch, Amtszimmer«]: In wörtli¬ cher Bedeutung »Schreibstubenherr¬ schaft«; ein Verwaltungstyp, der sich in Europa seit Beginn der Neuzeit entwickelt hat. Die staatliche t Verwaltung wird seit¬ dem einem besonderen (zum Teil an Uni¬ versitäten und Akademien vorgebildeten) Personal anvertraut, das eine zunächst be¬ fristete, später in der Regel lebenslängliche Anstellung erhält und ein bestimmtes öf¬ fentliches Amt mit fest umrissener t Kom¬ petenz (Zuständigkeit) versieht (sog. t Be¬ amte). Die Ausübung dieses Amtes erfolgt mit Hilfe einer modernen (Büro-)Technik, d. h. im wesentlichen schriftlich unter An¬ legung von Akten und Registraturen vom »Büro« aus und unter klarer Trennung der (öffentlichen) Amtssphäre von der Privat¬ sphäre des Beamten. Die Amtsausübung unterliegt bestimmten Regeln (Verordnun¬ gen, Gesetzen, Richtlinien), die dem »Bü¬ rokraten« vorgegeben sind und nach de¬ nen er sich zu richten und zu entscheiden hat. In dieser Regelhaftigkeit des Verfah¬ rens ist die moderne Rationalität der B. be¬ gründet; staatliche Handlungen werden auf diese Weise gleichförmig und bere¬ chenbar sowie - die Einsichtigkeit und sachliche Angemessenheit der Regeln und Richtlinien vorausgesetzt - »vernünftig«. Typisch für die B. ist ihr durchgängiger, streng hierarchischer Aufbau in einzelnen Verwaltungszweigen, Behörden und Ab¬ teilungen. Dabei wird ein Gesamtbereich nach geographischen oder sachlichen Ge¬ sichtspunkten aufgegliedert und in kleine¬ re Einheiten so unterteilt, daß der Leiter der jeweils größeren Einheit Vorgesetzter der Sachbearbeiter der kleineren Einhei¬ ten ist und diese seinen Weisungen unter¬ worfen sind (f Hierarchie). Auf diese Wei¬ se entsteht eine Befehlspyramide, die ein einheitliches Vorgehen auch innerhalb um-

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Bürokratisierung

fangreicher Bürokratien gewährleistet, zu¬ mal dem Befehlsverhältnis auch ein Auf¬ sichtsverhältnis entspricht, das sich der von den Maßnahmen der B. betroffene Bürger zunutze machen kann, indem er beim Vorgesetzten f Beschwerde einlegt. Innerhalb dieses vertikal und horizontal gegliederten Gefüges gibt es t Laufbah¬ nen, in denen sich der einzelne »Bürokrat« nach Dienstalter oder Leistung eine höhe¬ re (und besser bezahlte) Position erdienen kann. Während früher viele Positionen in der B. kollegial besetzt waren, wie es heute noch viele Spruchkörper bei den Gerich¬ ten sind (Kollegialprinzip), setzte sich im 19. Jahrhundert das monokratische Prinzip durch, wonach jede Position nur von einer Person besetzt wird und jeder Untergebe¬ ne nur einen Vorgesetzten hat. - t auch Verwaltungsaufbau. Eingeführt wurde dieses System straff ge¬ regelter Staatstätigkeit v. a. von den abso¬ lutistischen Herrschern der frühen Neu¬ zeit, die zur Durchsetzung ihres Willens und der von ihren Räten verfaßten Ord¬ nungen (Polizeiverordnungen, Steuerver¬ ordnungen u. a.) gegenüber den Unterta¬ nen einen zuverlässig arbeitenden und ih¬ nen ergebenen Apparat benötigten. Die er¬ sten bürokratischen Apparate entstanden im Bereich der Finanzverwaltung, die für den Unterhalt der neuen stehenden Heere zu sorgen hatte. Das Ende des Absolutis¬ mus beeinträchtigte die Entwicklung der B. nicht. Zwar wurde nun die Rechtspre¬ chung aus der übrigen Staatsverwaltung herausgenommen und der Richter von Weisungen befreit (Unabhängigkeit der Richter), auch wurden - insbesondere auf der kommunalen Ebene - Ansätze einer Bürgerselbstverwaltung geschaffen, doch im Ganzen gesehen nahm infolge der stän¬ dig anwachsenden Staatsaufgaben in der Industriegesellschaft die B. in beträchtli¬ chem Umfang zu. Neue Fachbürokratien entstanden (z. B. Gesundheits- und Sozial¬ verwaltung). Neben der staatlichen B. bau¬ ten auch andere Großorganisationen (Unternehmen, Verbände, Parteien) eige¬ ne bürokratische Apparate auf. Der Staatsbürokratie mit ihren Beamten (seit Ende des 19. Jahrhunderts in vermehrtem Maße auch Angestellte des t öffentlichen Dienstes) traten vielfältige Privatbürokra¬

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tien mit ihren Funktionären zur Seite. Die¬ se allgemeine Bürokratisierung des öffent¬ lichen Lebens wurde von den verschieden¬ sten politischen Richtungen als eine die Freiheit des einzelnen gefährdende Ent¬ wicklung bekämpft. Es wurden der B. mangelnde Flexibilität und Wirtschaftlich¬ keit, Formalismus und Förderung des Un¬ tertanengeistes vorgeworfen, ohne daß es jedoch gelang, den bürokratischen Appa¬ rat durch eine neue Form der Verwaltung zu ersetzen. Die Auswechslung des Ge¬ setzgebers (demokratisch gewählte Parla¬ mente statt des absoluten Monarchen) hat¬ te zwar zur Folge, daß die B. einen neuen »Herrn« erhielt und neue Regeln, nach de¬ nen sie zu arbeiten hat. Auf ihren Sachver¬ stand sowohl bei der Ausführung der Ge¬ setze als auch bei deren Formulierung und inhaltlichen Gestaltung konnte jedoch bis¬ her nicht verzichtet werden. Auch politi¬ sche Richtungen, die in entschiedener Weise gegen »Staat« und »Bürokratie« als Herrschaftsinstrumente auftraten, wie z. B. der t Kommunismus, haben dort wo sie selbst zur Macht gekommen sind, die B. nicht beseitigt, sondern sie aufgrund der Erfordernisse der staatlichen Planwirt¬ schaft (t Zentralverwaltungswirtschaft) im t Sozialismus in einem ungeahnten Um¬ fang neu aufgebaut und erweitert. Bürokratisierung: Der historische Vor¬ gang der Durchsetzung der t Bürokratie als Organisationsform im politischen und privaten Bereich (Unternehmen, Verbän¬ de) ; auch die konkrete Einführung der Bü¬ rokratie zur Regelung von Arbeitsabläu¬ fen in Organisationen. Bußgeld ist das Mittel zur Ahndung ei¬ ner t Ordnungswidrigkeit, wenn t Verwar¬ nung nicht genügt. Den Bußgeldbescheid erläßt die Verwaltungsbehörde. Ein t Ein¬ spruch dagegen führt zum Gerichtsverfah¬ ren. Das bei Verkehrsverstößen im Regel¬ fall fällig werdende B. ist in der Bußgeldka¬ talog-Verordnung vom 4. Juli 1989 (Fas¬ sung vom 20. Okt. 1991) aufgelistet.

Christlich-Demokratische Union

c Camp-David-Abkommen: Nach dem 4. arabisch-israelischen Krieg von 1973 (Yom-Kippur-Krieg) war der Besuch des ägyptischen Staatschefs Anwar As Sadat in Israel Auftakt zu israelisch-ägyptischen Verhandlungen, die, unter Einschaltung der USA, am 26. März 1979 mit einem Friedensvertrag abgeschlossen wurden. Is¬ rael zog sich danach aus der seit 1967 be¬ setzten Sinaihalbinsel zurück. Der ent¬ scheidende Durchbruch bei den Verhand¬ lungen wurde auf dem Landsitz des ameri¬ kanischen Präsidenten in Camp David (Maryland) erzielt. CDU t Christlich-Demokratische Union. CENTO [Abk. für englisch Central Treaty Organization »Zentrale Vertragsorganisa¬ tion«] : Bezeichnung für das 1955 zwischen dem Irak, Iran, Pakistan, der Türkei und Großbritannien unter dem Namen Bag¬ dadpakt geschlossene Militär- und Wirt¬ schaftsbündnis, das nach dem Austritt des Irak 1959 in CENTO umbenannt wurde. Das Bündnis diente als Bindeglied zwi¬ schen t NATO und t SEATO. Nach dem Umsturz im Iran löste sich das Bündnis im September 1979 auf. Chancengleichheit: Weitgehend glei¬ che Ausgangsbedingungen und Möglich¬ keiten für alle Menschen beim Zugang zu den vorhandenen Bildungseinrichtungen und bei Bewerbungen um Berufspositio¬ nen. Bei allgemeinen Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden gehört die Ch. der Parteien und Einzelbewerber zu den wichtigen Voraussetzungen im t Wahl¬ kampf. - t auch Gleichheit. Charta: Im t Völkerrecht urkundlich fest¬ gehaltene Vereinbarung zwischen mehre¬ ren Staaten, durch die die Grundlage einer künftigen Ordnung gelegt wird (z. B. At¬ lantikcharta von 1941). Chauvinismus [französisch]: Bezeich¬ nung für extremen und blinden Nationalis¬ mus. Benannt nach dem prahlerischen Re¬ kruten Chauvin in dem Lustspiel »La cocarde tricolore« der Brüder Cogniard.

Charta 77: Am 1. Januar 1977 in der CSSR gegründete Bürgerrechtsgruppe, die sich für die Respektierung der Men¬ schenrechte in ihrem Land und in aller Welt einsetzte. Eine wichtige Rolle inner¬ halb der Ch. 77 spielte der ehemalige Dis¬ sident, Schriftsteller und jetzige Präsident der CSFR, Vaclav Havel. Charta von Paris: Mit der durch die 34 Teilnehmerstaaten der KSZE in Paris am 21. November 1990 Unterzeichneten Char¬ ta soll eine neue europäische Friedensord¬ nung geschaffen werden; die europäische Teilung wurde für beendet erklärt. Alle Unterzeichnerstaaten - die europäischen Länder sowie die USA und Kanada - be¬ kennen sich zu den Menschenrechten und den Grundfreiheiten, zu einer auf regelmä¬ ßigen, freien und gerechten Wahlen basie¬ renden demokratischen Regierung, zu Rechtsstaatlichkeit, politischem Pluralis¬ mus und zur Marktwirtschaft. Die Herstel¬ lung der staatlichen Einheit Deutschlands wird als ein »bedeutsamer Beitrag zu einer dauerhaften und gerechten Friedensord¬ nung für ein geeintes demokratisches Eu¬ ropa« gewürdigt. Mit der Ch. v. P. wurde zugleich der KSZE-Prozeß durch die Ein¬ richtung eines Rates der Außenminister, eines Ausschusses Hoher Beamter und ei¬ nes Sekretariats in Prag institutionalisiert. Christlich-Demokratische

Union

(CDU): Nach dem 2. Weltkrieg als Samm¬ lungsbewegung ehemaliger Politiker des Zentrums, nationalkonservativer Parteien und christlicher Gewerkschafter entstan¬ dene Partei. Das Ahlener Programm der CDU vom Februar 1947 stellte soziale Fragen in den Vordergrund und forderte die Vergesellschaftung von Schlüsselindu¬ strien. Nachdem die CDU 1947 die Füh¬ rung im Wirtschaftsrat der Bizone gewon¬ nen hatte, setzte sich unter K. Adenauer und unter dem Einfluß L. Erhards eine Po¬ litik der Wiederbelebung der privaten Wirtschaft in einem mit den westlichen Siegermächten verbundenen unabhängi¬ gen deutschen Staat durch. Nachdem die ersten Bundestagswahlen 1949 die CDU zusammen mit der CSU zur stärksten poli¬ tischen Kraft hatten werden lassen (31%; in der Bundestagswahl 1957 sogar absolu¬ te Mehrheit mit 50,2 % der abgegebenen Stimmen), regierte die CDU/CSU als ge-

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christliche Soziallehre

meinsame Fraktion ununterbrochen von 1949 bis 1969 in der Koalition mit kleine¬ ren Parteien (FDP, DP bzw. seit 1966 mit der SPD) unter den Kanzlern K. Adenau¬ er, L. Erhard und K. G. Kiesinger. In der Regierungszeit Adenauers vollzog sich auf außenpolitischem Gebiet die Aussöhnung mit Frankreich, die Wiedererlangung der Souveränität (t Deutschlandvertrag) und der Eintritt in das westliche Verteidigungs¬ bündnis der t NATO. Wirtschaftspolitisch machte die t soziale Marktwirtschaft die BR Deutschland zu einem der mächtigsten Wirtschaftsstaaten der Welt mit einem ho¬ hen Lebensstandard der Bevölkerung. Nach der Ablösung der CDU von der Re¬ gierungsverantwortung begann innenpoli¬ tisch eine stärkere Auseinandersetzung um die zukünftige soziale und wirtschaftliche Gestaltung der BR Deutschland. Im Zei¬ chen der Kritik am »Wirtschaftswunder¬ staat« und den etablierten Machtstruktu¬ ren wurde die CDU von einem Teil der Be¬ völkerung als konservative Partei abge¬ lehnt, die den Forderungen nach stärkerer sozialer Gleichheit, nach Demokratisie¬ rung und Mitbestimmung in allen Berei¬ chen der Gesellschaft entgegenstehe. Demgegenüber befürchtete die CDU eine Entwicklung zu einem sozialen Wohl¬ fahrtsstaat, bei dem ein staatliches Vertei¬ lungssystem an Stelle einer individuellen, auf freie Entfaltung angelegten Bewäh¬ rung des einzelnen tritt. Sie trat daher wei¬ terhin ein für den Wettbewerb als entschei¬ dendes Lenkungsinstrument, für den Mit¬ telstand und die Vermögensbildung der Arbeitnehmer, die jedem gleiche Zugangs¬ chancen zum Privateigentum eröffnen soll. Festgehalten wird auch an Ehe und Familie als unantastbaren Prinzipien jeder innerstaatlichen Ordnung. In der Deutsch¬ landpolitik wandte sich die CDU gegen ei¬ ne Aufwertung der DDR durch Abschluß des f Grundlagenvertrags, weil nicht zu¬ gleich eine Garantie für menschliche Er¬ leichterungen innerhalb der DDR zu er¬ halten war. Die CDU war der Auffassung, daß die seit Mitte der 1970er Jahre zu be¬ obachtende Arbeitslosigkeit und Inflation vorwiegend durch die Wirtschaftspolitik der seit 1969 regierenden sozialliberalen Koalition verursacht wurde. Seit 1982 teilt sie unter Bundeskanzler H. Kohl wieder

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die Regierungsverantwortung mit CSU und FDP (sog. »Wende«). Nach dem Zu¬ sammenschluß mit der CDU-Ost der ehe¬ maligen DDR (1990), besitzt die CDU zur Zeit über 800000 Mitglieder, christliche Soziallehre: Durch Aufklä¬ rung, Säkularisierung und Industrialisie¬ rung (t soziale Frage) herausgefordert, be¬ mühten sich die christlichen Kirchen ver¬ stärkt, mit einer eigenen Lehre von der Gesellschaft und ihren »Institutionen« wie Familie, Staat und Wirtschaft hervorzutre¬ ten. In Auseinandersetzung mit den Vor¬ stellungen des t Liberalismus, t Konserva¬ tivismus und t Sozialismus paßten die christlichen Kirchen ihre Theorie und Pra¬ xis des sozialen Handelns der veränderten Situation an. Die katholische S. erhielt in der Enzyklika Leos XIII. »Rerum novarum« (1891) eine erste verbindliche Grundlage und wurde durch die katholische Sozialethik, die En¬ zyklika Pius’ XI. »Quadragesimo anno« (1931) und die lehramtlichen Darlegungen Pius’ XII. fortentwickelt. Wurde bis dahin unter Betonung der sozialen Verantwor¬ tung des Christen die Grundfrage des Ei¬ gentums und der Güterverteilung mit »Ge¬ rechtigkeit« und »Privateigentum« beant¬ wortet, so bereitete sich unter Johannes XXIII. und seinen Enzykliken »Mater et Magistra« (1961) und »Pacem in terris« (1963) eine Veränderung vor, die im Zwei¬ ten Vatikanischen Konzil offen zutage trat. Heute versteht man unter sozialer Ge¬ rechtigkeit eine soziale Gleichheit und nimmt unter Berufung auf Thomas von Aquin naturrechtliche Begründungen in die katholische S. auf. Vorstellungen von Sozialpflichtigkeit des Privateigentums, Umverteilung von Einkommen und Ver¬ mögen, Mitbestimmung und anderen so¬ zialen Veränderungen am kapitalistischen Gesellschaftssystem sind damit in die ka¬ tholische S. ebenso eingegangen wie die ei¬ ner Korrektur an der ungerechten Vertei¬ lung des Reichtums zwischen Industrieund Entwicklungsländern. Weil den evangelischen Kirchen eine ver¬ gleichbare allgemeinverbindliche Organi¬ sation, Ethik und Dogmatik fehlen, beste¬ hen in der evangelischen S. seit dem 19. Jahrhundert unterschiedliche Tenden¬ zen. Die Überwindung geschichtlich be-

Commonwealth dingter Anschauungen, die im lutheri¬ schen Patriarchalismus und im Landeskirchentum begründet waren, und die Anpas¬ sung der evangelischen S. an die Verhält¬ nisse des industriellen Zeitalters zeigen sich in einer modernen Interpretation der im Evangelium (v. a. der Bergpredigt) ent¬ haltenen sozialen Aussagen. In Fragen der sozialen Praxis bestehen weitgehende Übereinstimmungen mit der katholischen Soziallehre. Allerdings ist man aufgrund der unterschiedlichen Erlösungslehre und der evangelischen These, daß Christus nur Erlöser und nicht Gesetzgeber sei, mit der Aufnahme naturrechtlichen Gedanken¬ guts und damit einer verbindlichen Theo¬ rie der diesseitigen Gesellschaft vorsichti¬ ger. Christlich-Soziale Union (CSU): Als christliche Partei 1945/46 in Bayern ge¬ gründet, bildet die CSÜ seit dem Zusam¬ mentritt des ersten Deutschen Bundestags eine Fraktion mit der CDU. Innen- und außenpolitisch besteht eine weitgehende Übereinstimmung mit den Grundsätzen der CDU. Das Grundsatzprogramm der CSU betont jedoch stärker als das der CDU christliche und konservative Züge. Das politische Handeln der CSU geht von der Grundlage der christlichen Bestim¬ mung und Deutung des Menschen aus. Hervorgehoben wird die Notwendigkeit menschenwürdiger Lebensbedingungen und die Bindung an sittliche und religiöse Werte in einem immer programmierbarer werdenden Leben. Eine totale Technisie¬ rung des Lebens, die auf den einzelnen und seine Freiheit keine Rücksicht nimmt, wird abgelehnt. Die CSU versteht sich als Partei, die die Rechte und Interessen des einzelnen und der sozialen Gruppen in ei¬ nem Prozeß der Veränderung wirksam zur Geltung bringen will. Wirtschaftspolitisch fördert die CSU den gewerblichen Mittel¬ stand und die Landwirtschaft auf der Basis der t sozialen Marktwirtschaft. Trotz ihres weitgespannten politischen Auftrags, der in »Bayern, Deutschland und Europa« zu erfüllen ist, hat sich die CSU bisher auf Bayern beschränkt. Mit einer Ausnahme hat die CSU, teilweise mit einem Stimmen¬ anteil von über 60 %, die bayerische Regie¬ rung gestellt. Die besondere Verbindung mit Bayern schlägt sich auch in der Be¬

rücksichtigung bayerischer Belange unter Betonung des föderativen Aufbaus der BR Deutschland und der Eigenständigkeit Bayerns nieder, die einer Tendenz zum Zentralismus entgegengestellt werden. Im Anschluß an die Bundestagswahl 1976, bei der es der CDU/CSU nicht gelang, die Mehrheit der sozialliberalen Koalition zu brechen, wuchs in der CSU die Neigung, sich als bundesweite vierte Partei zu orga¬ nisieren (Beschlüsse von Kreuth) und poli¬ tisch eine stärkere Abgrenzung zur CDU vorzunehmen. Bei der Bundestagswahl 1980 stellte sie mit Franz Josef Strauß ei¬ nen eigenen Kanzlerkandidaten; seit 1982 nimmt sie wieder an der Regierung in Bonn teil. 1990 hatte die CSU über 180000 Mitglieder. CIA (Abk. für Central Intelligence Agen¬ cy): Zentralamt des amerikanischen Ge¬ heim- und Nachrichtendienstes; 1947 ge¬ gründet. COMECON t Rat für gegenseitige Wirt¬ schaftshilfe. Common Law [englisch »gemeines Recht«]: Das in England entwickelte und später in vielen Ländern aufgenommene gemeine Recht im Unterschied zum Civil Law, d. h. den aus dem römischen Recht abgeleiteten Rechtsordnungen auf dem eu¬ ropäischen Kontinent. Außerdem Be¬ zeichnung für das von den Gerichten ge¬ schaffene Fallrecht (Case Law) im Gegen¬ satz zum Gesetzesrecht. Im weiteren Sinne versteht man darunter das gesamte engli¬ sche Recht. Commonwealth [englisch »öffentliches Wohl, Gemeinwesen«]: Englische Be¬ zeichnung für eine Staatengemeinschaft. Die Reichskonferenz von 1926 schuf das »British Commonwealth of Nations«, wo¬ bei Lord Balfour die klassische Formel für den neuen Zustand fand, demzufolge die t Dominions Irland, Kanada, Neufund¬ land, Australien, Südafrikanische Union und Neuseeland »autonome Gemeinschaf¬ ten innerhalb des britischen Empire, gleich im Status, in keiner Weise einander in in¬ neren und äußeren Angelegenheiten unter¬ geordnet, obwohl durch eine gemeinsame Bindung an die Krone vereinigt und als Mitglieder des British Commonwealth of Nations frei assoziiert« seien. Das eigentli¬ che C. umfaßt heute noch neben Großbri-

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Computer

tannien und Nordirland über 40 selbstän¬ dige Mitglieder, die zum Teil die britische Königin als Oberhaupt anerkennen. Ei¬ genständige Hoheitsorgane besitzt das C. nicht mehr; die nach Bedarf zusammentre¬ tenden Commonwealth-Konferenzen der Regierungschefs der Mitgliedsstaaten oder ihrer Vertreter unter Vorsitz des britischen Premierministers dienen der Beratung, dem Meinungsaustausch und gemeinsa¬ men Beschlüssen. Innerhalb der Weltge¬ gensätze von heute stellt das C. keinen maßgebenden Machtfaktor mehr dar; die verhältnismäßig lose Gemeinschaft ver¬ steht sich mehr als moralische Größe, de¬ ren ausgleichende Funktion allerdings noch beachtlich ist. Computer t elektronische Datenverar¬ beitung. CSU t Christlich-Soziale Union.

D DAG: Abk. für Deutsche Angestelltenge¬ werkschaft, 1 Gewerkschaften. Daseinsvorsorge: Von dem Staats¬ rechtler E. Forsthoff geprägter Begriff, mit dem bestimmte öffentliche Verwal¬ tungsausgaben erfaßt werden, ausgehend von der Überlegung, daß die Existenz des einzelnen in immer stärkerem Maße von staatlichen Leistungen abhängig wird. Der D. werden alle Leistungen der Verwaltung an die Bürger zugerechnet, wobei es kei¬ nen Unterschied macht, ob diese Leistun¬ gen lebensnotwendig sind oder nicht. So ist der Bürger einerseits auf bestimmte Lei¬ stungen wie Wasser, Gas, Strom und Ver¬ kehrsmittel angewiesen, wobei ihm zu¬ meist keine Wahl bleibt, ob er sie anneh¬ men will oder nicht. Andererseits steht es in seinem Belieben, ob er das Stadttheater, Volksbildungsinstitute u. a. benutzen will. Die Aufgaben kommunaler D. werden in öffentlich-rechtlicher oder privat-rechtli¬ cher Form durch rechtlich unselbständige (t Regiebetriebe) oder selbständige Anstal¬ ten (AG oder GmbH) durchgeführt. Datenbank: Einrichtung zur zentralen Speicherung großer Datenbestände auf

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Computerbasis (t elektronische Datenver¬ arbeitung — EDV). Datenschutz: Das aus dem Schutz der Persönlichkeit folgende Verbot, gespei¬ cherte personenbezogene Daten - d. h. Einzelangaben über persönliche und sach¬ liche Verhältnisse - zu mißbrauchen. Die Möglichkeiten der Erfassung, Auswertung und Weitergabe von f Informationen durch moderne 1 Datenbanken erfordern technische, organisatorische und rechtli¬ che Datenschutzmethoden zum Schutz der t Privatsphäre (Art. 1 und 2 GG). Der Grundsatz der Zweckbindung der ermit¬ telten Angaben sowie die Möglichkeit, In¬ formationsansprüche abzuwehren, muß gewährleistet sein. Dementgegen steht die Notwendigkeit für Verwaltungen, Daten zu sammeln (z. B. im medizinischen Be¬ reich, bei der Verbrechensbekämpfung). Seit 1. Januar 1978 gibt das Bundesgesetz für D. dem Bürger das Recht, seine Daten bei Behörden und Privaten einzusehen, bei Fehlerhaftigkeit korrigieren, bei Zweifeln an ihrer Richtigkeit sperren und bei unzu¬ lässiger oder nicht notwendiger Speiche¬ rung löschen zu lassen. Grundlegend ist hierfür das Urteil des Bundesverfassungs¬ gerichts vom 15. Dezember 1983 zur t Volkszählung: Freie Entfaltung der Per¬ sönlichkeit setzt unter modernen Bedin¬ gungen der Datenverarbeitung den Schutz des einzelnen gegen unbegrenzte Erhe¬ bung, Speicherung, Verwendung und Wei¬ tergabe seiner persönlichen Daten voraus. Durch die Grundrechte ist die Befugnis des einzelnen gewährleistet, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persön¬ lichen Daten zu bestimmen. Dieses »infor¬ melle Selbstbestimmungsrecht« ist aller¬ dings nicht schrankenlos; im Rahmen der sozialen Gemeinschaft sind bestimmte Da¬ ten nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet, auch wenn sie personen¬ bezogen sind. Datenschutzbeauftragter: Die Durch¬ führung und Beachtung des 1 Datenschut¬ zes nach dem Bundesdatenschutzgesetz vom 2. Januar 1977 überwacht bei den Bundesbehörden der D., der - wie der t Wehrbeauftragte - dem Bundestag jähr¬ lich Bericht zu erstatten hat. Jeder Bürger kann den D. anrufen, wenn er befürchtet, daß persönliche Daten unzulässigerweise

Dementi

über ihn gesammelt oder weitergegeben werden. Im nichtöffentlichen Bereich, d. h. in allen Betrieben, die z. B. persönli¬ che Daten ihrer Mitarbeiter automatisch verwerten und dafür fünf bzw. 20 Fach¬ kräfte beschäftigen, muß jeweils ein eige¬ ner D. eingestellt werden, der darüber wa¬ chen soll, daß mit den Daten kein Mi߬ brauch getrieben wird. Die Bundesländer haben eigene D. nach den entsprechenden Landesgesetzen. DDR t Deutsche Demokratische Repu¬ blik. de facto [lateinisch]: den gegebenen Tat¬ sachen entsprechend; meist als Gegensatz zum rechtlich (t de jure) Geforderten ver¬ standen. Defensive [von lateinisch defendere »abwehren, verteidigen«]: Abwartendes Ver¬ halten einer Seite, das sich an den Angrif¬ fen der Gegenseite orientiert und darauf reagiert (im Gegensatz zur Offensive). Im militärischen Bereich bezeichnet die D. die Abwehr eines gegnerischen Angriffs. Defensivstrategie ist eine Form der politischen und militärischen Auseinan¬ dersetzung, deren Prinzip die Abwehr von Aktionen des politischen oder militäri¬ schen Gegners ist. - t auch Defensive. Defizit [von lateinisch deficit »es fehlt«] bezeichnet allgemein einen Fehlbetrag in der Kassenführung und im staatlichen Haushaltsplan die Tatsache, daß den Aus¬ gaben keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstehen. Deflation [von lateinisch deflare »ab-, wegblasen«]: Sinken des Preisniveaus auf¬ grund eines Anwachsens der Gütermenge über die Nachfrage hinaus (Gegensatz t Inflation). Folgen der D. sind Geldwert¬ steigerung, Produktionsrückgang und Un¬ terbeschäftigung. de jure [lateinisch]: dem Rechte nach, der Rechtslage entsprechend; möglicher Ge¬ gensatz t de facto. Dekolonisation t Entkolonisation. Delegation [von lateinisch delegare »übertragen«]: 0 Im zwischenstaatlichen Verkehr Be¬ zeichnung für eine Gruppe von diplomati¬ schen, wirtschaftlichen u. a. Unterhänd¬ lern oder Bevollmächtigten (= Delegier¬ te); allgemein Bezeichnung für die Vertre¬ ter eines Gremiums, z. B. einer Partei.

0 Übertragung von Zuständigkeiten eines Staatsorgans auf,ein anderes (oft nachge¬ ordnetes) Organ. Dekontamination ist die Beseitigung oder Verringerung radioaktiver Verunrei¬ nigungen ; auch Entseuchungsmaßnahmen für durch t ABC-Waffen verseuchtes Ge¬ lände oder Objekte. Delikt ist eine unerlaubte, gesetzlich ver¬ botene Handlung, an das die Rechtsord¬ nung verschiedene Rechtsfolgen knüpft. Im t Privatrecht führt die Begehung eines D. zur Entstehung eines Schadensersatz¬ anspruchs des Verletzten gegen den Ver¬ letzer. Im t Strafrecht zieht die Begehung eines D. (t Straftat) die Bestrafung nach sich. Die Verletzung von t Völkerrecht durch ein t Völkerrechtssubjekt (in der Re¬ gel einen Staat) wird als völkerrechtliches D. bezeichnet. Rechtsfolge dafür ist die Wiedergutmachungsverpflichtung. Deliktsfähigkeit ist die zivilrechtliche bzw. strafrechtliche Verantwortlichkeit (t Strafmündigkeit) für ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten (vom 7. Lebens¬ jahr an beschränkte, vom 18. an volle De¬ liktsfähigkeit). -1 auch Rechtsfähigkeit. Demagogie [griechisch »Volksfüh¬ rung«]: In Griechenland wird noch bei Aristoteles der Demagoge ohne Abwer¬ tung als Volksführer charakterisiert, der durch Worte, Taten, Geschenke u. a. den Willen des Volkes zu lenken versteht. Heu¬ te hat der Begriff D. negative Bedeutung und wird als Volksverführung verstanden, die Unkenntnis, Gefühle und Vorurteile verantwortungslos zur Herrschaftserrin¬ gung bzw. -behauptung ausnützt. Der Demagoge verwendet dabei sowohl rheto¬ rische (z. B. Abwertung des Feindes, Auf¬ wertung des eigenen Standpunkts) wie auch eindeutig manipulierende Mittel (z. B. Lügen, Phrasen oder Hetze). In den Dienst der D. gestellte Medien verstärken die Wirkung. Demarche [französisch »Schritt«] be¬ zeichnet einen diplomatischen Protest, den ein Staat bei einem anderen in mündlicher oder schriftlicher Form gegen ein be¬ stimmtes Tun erhebt. Dementi [französisch dementir »ver¬ leugnen, in Abrede stellen«]: Im politi¬ schen und diplomatischen Bereich eine amtliche Erklärung, durch die eine von

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Demission anderer Seite abgegebene oder jemandem zugeschriebene Erklärung als unrichtig bezeichnet wird. Demission bezeichnet den freiwilligen oder erzwungenen Rücktritt einer Regie¬ rung, eines Ministers oder anderer hoher Staatsbeamten. Die D. ist bei dem Staats¬ organ, das die Ernennung ausgesprochen hat, einzureichen und bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Annahme durch dieses Organ. Demographie (auch: Bevölkerungswis¬ senschaft) erfaßt empirisch, meist mittels amtlicher Statistik, die Bevölkerungsgrö¬ ße, Alters- und Geschlechtsverteilung, t Migration, Geburten und Sterbefalle ei¬ ner Gesellschaft und versucht mit ihrer Analyse, Bevölkerungsstruktur und -entwicklung zu erklären. Demokratie [griechisch »Volksherr¬ schaft«] bedeutete im Altertum die direkte Teilnahme an politischen Beratungen und Beschlußfassungen im Stadtstaat (polis) durch das »Volk«, im Gegensatz zur Olig¬ archie (= Herrschaft weniger) und Mon¬ archie (= Herrschaft eines einzelnen). Da hierzu nur selbständige Bürger, nicht Frauen, Sklaven und bloße Mitbewohner des t Staatsgebietes zugelassen waren, schätzt man die Zahl der an den Staatsge¬ schäften Teilnehmenden auf etwa 10 % der Gesamtbevölkerung. Die direkte D. galt wegen der Vorausset¬ zung der unmittelbaren Teilhabe an den Staatsgeschäften lange Zeit als eine nur in kleinen politischen Einheiten (z. B. Schweizer Landsgemeinden) mögliche Re¬ gierungsform. Erst im 19. Jahrhundert wurde D. auch in Großstaaten mit einer Millionenbevölkerung durch ihre Verbin¬ dung mit dem 1 Repräsentativsystem mög¬ lich. In der repräsentativen oder mittelba¬ ren D. beratschlagt und entscheidet das »Volk« nicht mehr selbst, sondern es wählt lediglich seine »Repräsentanten«, die an¬ stelle der Wähler Beschlüsse fassen (t auch Repräsentation). Den Abgeordneten wird dabei ein freier Verhandlungs- und Ent¬ scheidungsspielraum zugestanden, der sie in die Lage setzen soll, unter Berücksichti¬ gung des Wählerwillens, aber ohne Bin¬ dung an bestimmte Aufträge und wech¬ selnde Wählerstimmungen, selbstverant¬ wortlich Entscheidungen zu fällen, Kom¬

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promisse auszuhandeln und eine auf länge¬ re Dauer (Wahlperiode) stetige Politik zu verfolgen (t freies Mandat). Die moderne D. beruht auf dem allgemei¬ nen und gleichen Wahlrecht aller stimmfä¬ higen Bürger (»one man, one vote«). Ent¬ weder wird nur das t Parlament gewählt (t parlamentarisches Regierungssystem) oder auch der Regierungschef oder Staats¬ präsident (f Präsidialsystem). Die Verbin¬ dung mehrerer Millionen Wähler mit eini¬ gen hundert Abgeordneten im Parlament und mit der Regierung wird in der Regel über t Parteien hergestellt (Parteiendemo¬ kratie). Die D. ist daher mit dem Wettbe¬ werb mehrerer Parteien um die Wähler¬ stimmen verknüpft (Parteienkonkurrenz, f Pluralismus). In den Staaten des Ost¬ blocks galt das Prinzip der Führerschaft ei¬ ner Partei (1 Volksdemokratie), soweit dort nicht das Einparteiensystem herrsch¬ te. Repräsentativprinzip und Parteiendemo¬ kratie können zur Entfremdung zwischen den Wählern und ihren Abgeordneten so¬ wie der Regierung führen. Aus diesem Grunde wird die repräsentative D. viel¬ fach durch plebiszitäre Elemente ergänzt, d. h. bestimmte Fragen werden zur t Volksabstimmung (Plebiszit) gestellt (t Volksbegehren, f Volksentscheid; auch Volkswahl der Bürgermeister in einzelnen Ländern der BR Deutschland, t Gemein¬ deverfassung). Das Problem des Plebiszi¬ tes liegt darin, daß auf diese Weise nur ein¬ fache Entscheidungen (Zustimmung oder Ablehnung) gefällt werden können. Die notwendige Vereinfachung komplizierter Entscheidungslagen kann leicht zur t Ma¬ nipulation und Emotionalisierung der Ab¬ stimmenden mißbraucht werden. Andere Überlegungen, den Abstand zwischen Wählern und Repräsentanten zu überwin¬ den, zielen auf eine stärkere Bindung der Abgeordneten an Aufträge (imperatives Mandat) und ihre (jederzeitige) Abberufbarkeit (t Recall) oder ihren Austausch (1 Rotation). Hier werden die Abgeordne¬ ten entweder den Schwankungen des Wäh¬ lerwillens ausgesetzt oder der Herrschaft ihrer Partei unterworfen, ohne daß dabei der Abstand zwischen Partei und Wähler¬ schaft überwunden ist. In ihrer Konse¬ quenz führen derartige Überlegungen zu

Demonstrationsrecht einer Abschaffung der repräsentativ-parla¬ mentarischen Parteiendemokratie (t Räte¬ demokratie). Die D. beruht auf dem Prinzip freier t Meinungsbildung (t Freiheitsrechte, t Pressefreiheit) und der Verbindlichkeit der Mehrheitsentscheidung. Beides macht den Schutz der individuellen Freiheits¬ sphäre und der (überstimmten) Minder¬ heit notwendig. D. ist daher mit den Grundsätzen des t Rechtstaats und der t Toleranz gegenüber Andersdenkenden verbunden (rechtsstaatliche D.). Über¬ stimmte Minderheiten sollen die Möglich¬ keit behalten, selbst zur Mehrheit zu wer¬ den. Diese Vorstellungen sind im t Grund¬ gesetz der BR Deutschland v. a. im Begriff der t freiheitlichen demokratischen Grund¬ ordnung zusammengefaßt worden. Frei¬ heit im Sinne des Grundgesetzes bedeutet aber nicht die Ermächtigung zur Abschaf¬ fung der D. auf »demokratische« Weise, sondern auch Schutz gegen Gegner der D., wie z. B. gegen Parteien oder Einzel¬ personen, die gegen die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundord¬ nung verstoßen (»streitbare D.«, Art. 18, 21 Abs. 2 GG). - t auch Basisdemokratie. Demokratischer Aufbruch (DA): Im Juni 1989 in Ost-Berlin gebildete Gruppe, vornehmlich aus oppositionellen kirchli¬ chen Kreisen, die eine grundlegende Re¬ form der DDR anstrebte. Nach der Ab¬ spaltung eines linken Flügels wurde der DA Mitstreiter in der »Allianz für Deutschland«. Durch Beschuldigungen gegen den Vorsitzenden W. Schnur, für die t Stasi gearbeitet zu haben, in Mißkre¬ dit geraten, erreichte der DA bei den Volkskammerwahlen im März 1990 ledig¬ lich 0,9 % der Stimmen und vier Mandate. Im Sommer 1990 löste er sich wieder auf. Die meisten Mitglieder traten der CDU bei. demokratischer Sozialismus: Der Begriff entstand 1919 nach Gründung der kommunistischen »Dritten Internationa¬ len« (Komintern) und betont - im Unter¬ schied zum revolutionären kommunisti¬ schen t Sozialismus - den demokratischen Weg zum Sozialismus und dessen freiheit¬ liche Ausgestaltung. Der d. S. wurde Leit¬ begriff des f Godesberger Grundsatzpro¬ gramms (1959) der SPD. Er verbindet die

Vorstellung vom Sozialismus mit dem Be¬ kenntnis zur parlamentarischen t Demo¬ kratie, mit der Ablehnung des t Kommu¬ nismus und des t Totalitarismus sowie mit der Verpflichtung zu t Freiheit, t Gerech¬ tigkeit und t Solidarität. Gegenüber dem t Marxismus wird auf die Wurzeln des d. S. in christlicher Ethik und Humanismus verwiesen. demokratischer Zentralismus war das verbindliche Organisationsprinzip für alle kommunistischen Parteien seit seiner Aufnahme in das Parteistatut der KPdSU 1917 und der Annahme durch den 2. Kon¬ greß der Kommunistischen Internationale (Komintern) 1920. Das demokratische Element des Prinzips beinhaltete die Wähl¬ barkeit aller leitenden Organe von unten nach oben und deren periodische Rechen¬ schaftspflicht vor ihren Organisationen. Das zentralistische Element zeigte sich in der Verpflichtung aller Parteimitglieder zu strengster Parteidisziplin, in der unbeding¬ ten Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit und der absoluten Verbind¬ lichkeit der Beschlüsse der höheren für die unteren Parteiorgane. - In der ehemaligen DDR war der d. Z. das Prinzip, nach dem jegliche öffentliche Verwaltung von der herrschenden Partei zentral gesteuert wur¬ de. Demokratisierung: Erstreckung der Grundsätze der t Selbstbestimmung und Mehrheitsentscheidung auch auf Teile der Verwaltung (t Selbstverwaltung) und ge¬ sellschaftliche Bereiche (z. B. t innerpar¬ teiliche Demokratie). Häufig wird unter D. auch nur t Partizipation (= Mitbestim¬ mung nach einem bestimmten Stimmver¬ teilungsschlüssel) verstanden (t Mitbestim¬ mung in der Wirtschaft). Demonstrationsrecht: Die Befugnis, seine Meinung durch eine Veranstaltung (Versammlung, Kundgebung, Umzug) un¬ ter freiem Himmel kundzutun; es betrifft v. a. die Kundgabe politischer Ansichten. Als liberales t Grundrecht ist das D. seit den ersten Kodifikationen der t Men¬ schen- und t Bürgerrechte in den Verfas¬ sungen zahlreicher Staaten enthalten; es ist auch Bestandteil der Menschenrechts¬ deklaration der t UN. In der BR Deutsch¬ land gibt Art. 8 Abs. 1 GG allen Deut¬ schen das Grundrecht, sich ohne Anmel-

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Demoskopie

düng oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Das GG stellt da¬ mit die öffentlichen und privaten Zusam¬ menkünfte von mindestens drei Staatsbür¬ gern zum Zwecke der Information, Dis¬ kussion und Propaganda, d. h. der Meinungs- und Willensbildung, unter den be¬ sonderen Schutz vor Verboten, Behinde¬ rungen oder Auflösungen durch Träger t öffentlicher Gewalt. Das D. wird ver¬ wirkt, wenn es zum Kampf gegen die t freiheitliche demokratische Grundord¬ nung mißbraucht wird (Art. 18 GG). Demoskopie t Meinungsforschung. Denkmalschutz: Die Abwehr von Be¬ schädigungen und Gefahren für ein Kul¬ turdenkmal ; im weiteren Sinne der Denk¬ malpflege alle der Erhaltung bzw. Wieder¬ herstellung eines Denkmals dienenden Maßnahmen. Gesetzliche Regelungen zum Schutz und zur Pflege von Kultur¬ denkmälern werden in der BR Deutsch¬ land von den Bundesländern getroffen. Der D. hat an Bedeutung gewonnen, da viele Kunstwerke in den letzten Jahrzehn¬ ten einer zunehmenden Gefährdung durch städtebauliche Sanierungen, Industrialisie¬ rung und Umweltverschmutzung ausge¬ setzt sind. Der Schutzanspruch kann sich sowohl gegen den Staat richten als auch gegen den einzelnen, z. B. als Erhaltungs¬ und Veränderungsgebot gegenüber einem privaten Eigentümer. Auch durch Um¬ orientierung der t Stadtentwicklungspoli¬ tik hat der D. eine beträchtliche Aufwer¬ tung erfahren. Erhaltung und Umnutzung von Baudenkmälern für öffentliche Zwekke sind Teile einer erhaltenden Stadter¬ neuerung, Wohnumfeldverbesserung so¬ wie umfassenden Standortaufwertung in den einzelnen Gemeinden geworden. Dependencia: In Auseinandersetzung mit der f Modernisierungstheorie entstan¬ dene Theorierichtung in der Entwicklungs¬ länderforschung, die in den 1960er Jahren - teilweise vom t Marxismus inspiriert v.a. von lateinamerikanischen Autoren entwickelt wurde. Die weltweite Expan¬ sion des 1 Kapitalismus hat nach Auffas¬ sung der D.-Theorie zu einer Unterent¬ wicklung der Länder geführt, die sich in ei¬ ner strukturellen Abhängigkeit (t Dependenz) von den Industrieländern befinden; diese läßt sich v. a. auf direkte und indirek¬

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te Ausbeutung der Entwicklungsländer so¬ wie strukturelle Verflechtungen der Volks¬ wirtschaften der Industrie- und Entwick¬ lungsländer zurückführen. Unterentwick¬ lung ist nach der Ansicht der D.-Theorie daher auch als ein Ergebnis der internatio¬ nalen Verflechtung der Entwicklungslän¬ der mit den Industrieländern zu verstehen. Dependenz bezeichnet die politische, wirtschaftliche, militärische oder kulturelle Abhängigkeit eines Landes von anderen Ländern. Deponie: Ablagerungsstätte für Abfäl¬ le. - t auch Entsorgung. Deportation [von lateinisch deportare »wegbringen«]: Strafweise Verbannung von politischen Gegnern oder von Verbre¬ chern durch ihren eigenen Staat oder eine Besatzungsmacht in entfernt gelegene Ge¬ biete im Machtbereich des deportierenden Staates. Als ordnungsmäßige Kriminal¬ strafe ist die D. völkerrechtlich zulässig. Willkürliche D. sind durch die Menschen¬ rechtskonvention der UN verboten. Depression: In der Wirtschaft bezeich¬ net D. eine Phase der t Konjunktur, in der Produktion, Umsatz, Investitionen, Be¬ schäftigungszahl und Einkommen stark zurückgehen. Deregulierung ist der Abbau staatlicher Einflußnahme auf bestimmte Wirtschafts¬ sektoren z. B. durch Liberalisierung oder Privatisierung. Gefahren der D. liegen im Abbau sozialer Leistungen (z. B. niedrige Mieten) oder dem Zurückführen von Si¬ cherheitsstandards (z. B. bei der Flugsiche¬ rung). designieren [von lateinisch designare »bezeichnen«] heißt eine Person für ein Amt schon dann bestimmen, wenn die Amtsdauer des Vorgängers noch nicht ab¬ gelaufen ist (z. B. designierter Bundesprä¬ sident). Despotie [griechisch »Gewalt-, Willkür¬ herrschaft«]: Regierungsform, in der al¬ lein der persönliche, unumschränkte Wil¬ len des Machthabers entscheidet. Deutsche(r) nach dem Wortlaut des Art. 116 Abs. 1 GG sind alle diejenigen, die (1949) die deutsche Staatsangehörig¬ keit besaßen oder als Flüchtling oder Ver¬ triebener deutscher Volkszugehörigkeit (auch Ehegatten und Abkömmlinge) im t Deutschen Reich nach den Grenzen von

Deutsche Demokratische Republik 1937 Aufnahme gefunden haben. Diese Formulierung wurde 1949 gewählt, weil man bei Gründung der BR Deutschland deutschen Staatsangehörigen auch z. B. in der DDR und deutschen Volkszugehöri¬ gen, die infolge der Ereignisse des 2. Welt¬ kriegs aus Osteuropa nach Deutschland verschlagen wurden, den staatlichen Schutz durch die BR Deutschland nicht entziehen wollte. Das t Grundgesetz geht insbesondere bei der Gewährung von t Grundrechten, aber auch z. B. beim Wahlrecht (§ 12 Bundeswahlgesetz) davon aus, daß diese Rechte, soweit es sich nicht überhaupt um t Menschenrechte handelt, allen Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zustehen. - t auch Staatsange¬ hörigkeit. Deutsche Angestelltengewerk¬ schaft t Gewerkschaften. Deutsche Bundesbank: Die D. B.

wurde 1957 als Nachfolgerin der Bank Deutscher Länder in Frankfurt errichtet. Die Organe der D. B. sind: der t Zentral¬ bankrat, das Direktorium und die Vorstän¬ de der Landeszentralbanken. Sie ist von der Bundesregierung unabhängig, aber verpflichtet, deren Wirtschaftspolitik zu unterstützen. Ihre Aufgabe ist, durch Re¬ gelung des Geldumlaufs (alleiniges Recht, Banknoten auszugeben) und Kreditversor¬ gung die Stabilität der Währung zu sichern und für den Zahlungsverkehr in In- und

Ausland zu sorgen. Diese Ziele werden mit verschiedenen kreditpolitischen Maßnah¬ men angestrebt (t auch Diskontsatz, t Lombardsatz, t Mindestreserven, t Of¬ fenmarktpolitik). Die Wirksamkeit der sta¬ bilitätspolitischen Instrumente wird v. a. durch die außenwirtschaftliche Verflech¬ tung erschwert. Deutsche Demokratische Republik

(DDR): Die DDR war ein auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone am 7. Oktober 1949 gegründeter deutscher Teilstaat. Die Gründung erfolgte als Ant¬ wort auf die Entstehung der t Bundesrepu¬ blik Deutschland. Sie war das Ergebnis der Auseinandersetzungen zwischen den Alli¬ ierten der Anti-Hitler-Koalition, die bis da¬ hin alle Hoheitsrechte auf dem Gebiet des ehemaligen t Deutschen Reiches ausüb¬ ten. Die DDR umfaßte eine Fläche von 108 333 km2 mit (1989) 16,4 Mill. Einwoh¬ nern (152 E/km2). Verwaltungsmäßig war sie in 15 Bezirke aufgeteilt, die 38 Stadtund 189 Landkreise mit insgesamt 7565 Gemeinden umfaßten. Hauptstadt war Berlin (Ost). Nach Art. 1 der am 8. April 1968 in Kraft getretenen zweiten Verfassung war die DDR ein »Sozialistischer Staat deutscher Nation« und als solcher »die politische Or¬ ganisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der

Funktionen: ■ Bank des Staates - Bank der Banken

Währungspolitische Befugnisse . Diskontpolitik . Kreditpolitik

Zentralbankrat Direktorium - Vorstände der Landeszentralbanken

Aufgaben:

Notenausgabe Sicherung der Währung

. Offenmarktpolitik . Einlagenpolitik . Mindestreservenpolitik

Deutsche Bundesbank. Ihre Organe, Aufgaben und Funktionen 83

Deutsche Jungdemokraten

X

Lebensjahre I Schuljahre

Erwachsenen¬ qualifizierung Volkshochschulen Betriebsakademien und Dorfakademien

—»

Fachschule

19 13 Berufsausbildung SpezialschulenKlassen

Universität und Hochschule

AbiturKlassen

Berufsausbildung 3 Jahre und Weiterführung der Allgemeinbildung

Erweiterte Oberschule

Oberstufe Mittelstufe

Unterstufe

Zehnklassige, allgemeinbildende 'polytechnische Oberschule

Kindergarten Kinderkrippe Weg zur Fachschule Weg zur Hochschule

Weg ins Berufsleben Weg zum Studium/Weiterbildung

Deutsche Demokratische Republik. Bildungswege in der Deutschen Demokratischen Republik Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leni¬ nistischen Partei den Sozialismus verwirk¬ lichen«. Die Verfassung- und gesetzgeben¬ de Kompetenz lag bei der Volkskammer. Die Wahlen zur Volkskammer erfolgten aufgrund einer t Einheitsliste der Nationa¬ len Front, in der alle Parteien und Massen¬ organisationen (wie z. B. die Gewerkschaf¬ ten) zusammengeschlossen waren, die sich dem Führungsanspruch der SED unterge¬ ordnet hatten und die Ziele einer sozialisti¬ schen Gesellschaft vertraten. Die Wahlen besaßen nur eine deklamatorische, keine Auswahlfunktion. Die tatsächliche Regie¬ rungsgewalt lag bei der t SED, deren Übergewicht in den Staatsorganen durch deren Zusammensetzung gesichert war. Innenpolitisch erreichte es die SED, in der DDR einen bürokratischen Überwa¬ chungsstaat (t Stasi) mit sozialistischer Planwirtschaft durchzusetzen. Außenpoli¬

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tisch kämpfte sie jahrzehntelang um ihre Anerkennung. In den 1970er Jahren ge¬ lang es der DDR, diplomatische Beziehun¬ gen zu fast allen Ländern der Welt aufzu¬ nehmen und Mitglied in den f UN und an¬ deren internationalen Organisationen zu werden. Die politischen Umwälzungen in Mittel- und Osteuropa lösten 1989 eine Flucht- und Demonstrationswelle aus, die zum Zusammenbruch des kommunisti¬ schen Regimes, zu freien demokratischen Wahlen (18. März 1990), schließlich zur Auflösung der DDR am 2. Oktober und zur t Wiedervereinigung der Deutschen am 3. Oktober 1990 führten. Deutsche Jungdemokraten (DJD): Selbständiger liberaler Jugendverband, der punktuell mit der FDP zusammenar¬ beitet. Deutsche

Kommunistische

Partei

(DKP): 1968 gegründet, um die politische

Deutschland

Tradition der 1956 verbotenen t KPD fortzuführen. Sie blieb stets eine Splitter¬ partei, die bei den Bundestagswahlen 1980 und 1983 nur jeweils 0,2% der Stimmen erhielt. Der Zusammenbruch des kommu¬ nistischen Systems in der DDR, von dem sie finanziell und ideologisch abhängig war, beraubte sie der für ihre Existenz not¬ wendigen Unterstützung. 1987 und 1990 trat sie zu den Bundestagswahlen nicht mehr an. Deutscher

Bauernverband

e. V.:

1947 durch freiwilligen Zusammenschluß gegründeter, regional und fachlich geglie¬ derter Spitzenverband der Bauern. Deutscher Bildungsrat: 1965 bis 1975 von Bund und Ländern eingesetztes Bera¬ tungsgremium für Bildungsfragen, das aus einer Regierungskommission (vier Vertre¬ ter der Bundesregierung, elf der Landesre¬ gierungen und drei der kommunalen Spit¬ zenverbände) und einer Büdungskommission mit 18 Sachverständigen bestand. Der D. B. verabschiedete 1970 den »Struktur¬ plan für das Bildungswesen«, auf dem seit¬ dem die t Bildungsplanung aufbaut. Deutscher

Entwicklungsdienst

(DED): Am 24. Juni 1963 in Bonn ge¬ gründete gemeinnützige GmbH mit Sitz in Berlin, deren Gesellschafter die BR Deutschland und der Arbeitskreis »Ler¬ nen und Helfen in Übersee« sind. Der DED entsendet im Auftrag und mit Mit¬ teln der Bundesregierung freiwillige Ent¬ wicklungshelfer in die t Entwicklungslän¬ der; Ende 1989 waren 1 585 Entwicklungs¬ helfer in der dritten Welt tätig; der Dienst als Entwicklungshelfer kann an die Stelle des Wehr- und Zivildienstes treten. Rechte und Pflichten der vom DED entsendeten Entwicklungshelfer sind im Entwicklungs¬ hilfegesetz von 1969 geregelt. Deutscher

Gewerkschaftsbund

(DGB) t Gewerkschaften. Deutscher Industrie- und Handels¬

Dachorganisation der t Industrieund Handelskammern. Aufgaben: Förde¬ rung der Zusammenarbeit der Kammern und Interessenvertretung der gewerbli¬ chen Wirtschaft. Deutsche Soziale Union (DSU): Am 20. Januar 1990 in Leipzig durch Zusam¬ menschluß verschiedener liberal-konserva¬ tiver und christlicher Gruppierungen ge¬ tag:

gründete Partei. Die DSU sieht sich als Schwesterpartei „der CSU. Sie hat ihre Hochburgen vornehmlich im Süden der ehemaligen DDR. Für die Volkskammer¬ wahlen vom 18. März 1990 ging sie ein Wahlbündnis mit der CDU und dem t De¬ mokratischen Aufbruch ein und erzielte 6,3% der Stimmen. Bei der Bundestags¬ wahl vom 2. Dezember 1990 wählten je¬ doch nur noch 0,2 % der Wahlberechtigten die Partei. 1990 zählte die DSU ungefähr 12000 Mitglieder. Deutsches Gemeinschaftswerk »Aufschwung Ost«: 1991 von der deut¬

schen Bundesregierung beschlossenes wirtschaftliches Aufbauprogramm für die neuen Bundesländer, mit dem Investitio¬ nen und Schaffung von Arbeitsplätzen ge¬ fördert werden sollen. Auf zwei Jahre be¬ fristet, sieht das Gemeinschaftswerk Geld¬ mittel in Höhe von 24 Mrd. DM vor, die je zur Hälfte vom Bund und den 11 alten Bundesländern und Gemeinden getragen werden. Gezielt gefördert werden sollen v.a. der Ausbau des ostdeutschen Ver¬ kehrswesens, kommunale Investitionen, der Wohnungs- und Städtebau sowie Ar¬ beitsbeschaffungsmaßnahmen. Deutsches Reich: Bezeichnung des 1871 aus den selbständigen deutschen Staaten mit Ausnahme Österreichs ge¬ gründeten Staatswesens, das am Ende des 2. Weltkriegs unter t Besatzungsherrschaft geriet. Nach der von der DDR vertretenen Auffassung war das D. R. untergegangen, und es hatten sich auf seinem Boden zwei neue Staaten gebildet (Zwei-Staaten-Theorie). Nach der in der BR Deutschland herr¬ schenden Auffassung ist die BR Deutsch¬ land juristisch mit dem D. R. identisch, wenngleich ihr Hoheitsgebiet auf das Bun¬ desgebiet beschränkt ist. Heute nach der t Wiedervereinigung dürfte es unstrittig sein, daß die BR Deutschland das D. R. fortsetzt. - Abb. S. 86. Deutschland: Bezeichnung für eine mit¬ teleuropäische Region und politisch-histo¬ rische Einheit, die v. a. von einer deutsch sprechenden Bevölkerung gebildet wurde. Politisch entstand D. aus einer Auflösung des fränkischen Reichs und dem Zusam¬ menschluß deutschsprachiger Stämme zu einem »regnum teutonicum« im 9. und 10. Jahrhundert. Dieses Reich bedeckte

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Deutschland

Deutsches Reich. Die vier Besatzungszonen (1945) aber erst im Laufe seiner Geschichte das später D. genannte Gebiet. Zunächst stark nach Westen ausgedehnt unter Einschluß der Niederlande, Belgiens, Oberlothrin¬ gens und des Elsaß, verlor es diese Gebiete allmählich an Frankreich bzw. durch Se¬ zession (Niederlande, Schweiz); dagegen erstreckte es seinen Hoheitsbereich im Zu¬ ge der Ostkolonisation im Mittelalter weit über die ursprünglichen Grenzen an Elbe, Saale und Enns unter weitgehender Ein¬ deutschung der dortigen Bevölkerung nach Osten hinaus. Seit dem 10. und 11. Jahrhundert mit Burgund und Italien unter einem deutschen König und Römi¬ schen Kaiser zu einer politischen Einheit verbunden (Imperium Romanum), macht sich schon seit Beginn der Neuzeit eine Konzentration dieses Reiches auf das deutsche Kerngebiet bemerkbar (»Heili¬ ges Römisches Reich Deutscher Nation«), Im Gegensatz zu Frankreich führte hier al¬

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lerdings die politische Entwicklung nicht zu einer Zentralisierung der politischen Macht und zu einem nationalen Einheits¬ staat, sondern zu einer Aufsplitterung in viele kleine und größere Territorien (Für¬ stentümer), deren zunächst noch weiterbe¬ stehende Verbindung unter einem Kaiser mit der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. 1806 aufgehoben wurde. An seiner Stelle bildete sich in der Folge der Befreiungskriege 1815 der »Deutsche Bund«, ein f Staatenbund der deutschen souveränen Fürsten. Weitere Bestrebun¬ gen der Wiederbegründung einer staatli¬ chen und zugleich nationalen Einheit (Revolution von 1848) scheiterten zu¬ nächst an der Frage »kleindeutsch« (unter Führung Preußens) oder »großdeutsch« (unter Einbeziehung Österreichs). Die Reichsgründung von 1871 prägte den noch heute gebräuchlichen Begriff von D. als politischer und geographischer Einheit.

dialektischer Materialismus Deutschlandvertrag: Durch den Ver¬ trag über die Beziehungen zwischen der BR Deutschland und den drei Besatzungs¬ mächten USA, Großbritannien und Frankreich vom 26. Mai 1952 wurde die rechtliche Grundlage für die Beendigung der t Besatzungsherrschaft und die Wie¬ dererlangung der t Souveränität der BR Deutschland über ihre inneren und äuße¬ ren Angelegenheiten am 5. Mai 1955 ge¬ legt. Die drei Mächte behielten sich jedoch im Vertrag ihre bisherigen »Rechte und Verantwortlichkeiten in bezug auf t Berlin und auf Deutschland als Ganzes, ein¬ schließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertragli¬ chen Regelung« vor. Diese Rechte sind erst durch den t Zwei-plus-vier-Vertrag aufgehoben worden. Devisen sind t Zahlungsmittel in auslän¬ discher Währung einschließlich der von Inländern bei ausländischen Banken unter¬ haltenen, auf ausländische Währung lau¬ tenden Guthaben. Ausländische Münzen und Banknoten in Händen von Inländern sind Teil der D. und werden als Sorten be¬ zeichnet. Dezentralisation: Verteilung von Auf¬ gaben auf von einer Zentrale unabhängig arbeitende und selbständig entscheidende Einheiten, in der Staatsverwaltung z. B. auf Träger der t Selbstverwaltung (z. B. t Gemeinden). Die D. dient der größeren Flexibilität bei der Aufgabenerledigung. Der Zentrale bleiben meist beschränkte Aufsichtsrechte Vorbehalten (t Staatsauf¬ sicht). DFF-Länderkette (Deutscher Fernseh Funk): Aus den ehemaligen Fernsehsen¬ dern DDR 1 und DDR 2 im Dezember 1990 entstandene ostdeutsche Rundfunk¬ kette. Stellte am 31. 12. 1991 den Sendebe¬ trieb ein, nachdem Rundfunkanstalten in Brandenburg (Ostdeutscher Rundfunk, ODR), Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thü¬ ringen (Mitteldeutscher Rundfunk, MDR) gegründet worden waren und sich Meck¬ lenburg-Vorpommern dem Norddeut¬ schen Rundfunk (NDR) angeschlossen hatte. DGB t Gewerkschaften. d'Hondtsches

Höchstzahlverfah¬

ren: Die Stimmauszählung bei der Ver¬

hältniswahl kann auf verschiedene Weise

vorgenommen werden. Vielfach wird die Auszählmethode*des belgischen Mathema¬ tikers Victor d’Hondt (1841-1901) ange¬ wandt. Danach werden die auf eine Partei (Liste) im Wahlgebiet entfallenden Stim¬ men zur Ermittlung der ihr zukommenden Sitze im Parlament fortlaufend durch 1, 2, 3 usw. geteilt. Jede Partei erhält soviel Sit¬ ze, wie sie höhere Höchstzahlen (Quotien¬ ten) als ihre Konkurrenten aufweist. Das Verfahren begünstigt Parteien mit größe¬ ren Stimmgewinnen. - t auch Wahlen, t Hare-Niemeyer. Dialektik [von griechisch »Kunst der Ge¬ sprächsführung«] : 0 In der Rhetorik bezeichnet D. die bis ins 16. Jahrhundert geübte Kunst eines knapp und scharf geführten Streitgesprächs, das u. a. durch formale Logik über Wahrheit und Falschheit einer Meinung entscheiden sollte. 0 In der Erkenntnisphilosophie bezeichnet D. die Möglichkeit, scheinbar Wider¬ sprüchliches als dennoch wahr zu behaup¬ ten. G. W. F. Hegel sieht dabei in jedem Begriff (»Thesis«) einen entgegengesetz¬ ten, die »Antithesis«, enthalten. Die »Syn¬ thesis« (t Synthese) als höhere Form des Erkennens nimmt die Widersprüche in sich auf und erweist sie so als »wahr«. K. Marx und F. Engels übernehmen He¬ gels D., indem sie die Wechselwirkung von gesellschaftlichem »Sein« (= den Produk¬ tionsverhältnissen) und »Bewußtsein« (= dem Verständnis der Gesellschaft von sich selbst) als dialektisch bezeichnen. En¬ gels erweitert die »subjektive D.« des Be¬ greifens zu einer »objektiven D.« der Din¬ ge selbst (t dialektischer Materialismus), dialektischer Materialismus (Diamat): In seiner materialistischen Grund¬ these geht der d. M. davon aus, daß sich die vom Menschen unabhängige materiel¬ le Wirklichkeit im Bewußtsein der Men¬ schen widerspiegele. Sie lasse sich in ihrer Totalität mittels dialektischer Methode er¬ kennen, die man sich als ständige Bewe¬ gung von quantitativer zu qualitativer Ver¬ änderung vorstellen müsse. Jeder neue Zu¬ stand sei im Kampf der Gegensätze ent¬ standen und vereinige diese in einer neuen Totalität. Als verbindliche Grundlehre des t Marxismus-Leninismus stützt sich der d. M. auf eine Verallgemeinerung des von

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Diäten F. Engels und K. Marx entwickelten t hi¬ storischen Materialismus und der erkennt¬ nistheoretischen t Dialektik. Diäten: Finanzielle Entschädigung der t Abgeordneten, die ursprünglich in Form von Tagegeldern ausgezahlt wurde. D. die¬ nen als Ersatz für entgangene andere Ver¬ dienstmöglichkeiten und sollen die politi¬ sche Unabhängigkeit der Abgeordneten si¬ chern. Sie werden heute als eine Art Ein¬ kommen der Abgeordneten betrachtet und sind steuerpflichtig. In der BR Deutsch¬ land ist der Anspruch der Abgeordneten auf D. gesetzlich geregelt. Didaktik [von griechisch didaskein »leh¬ ren«] ist die Wissenschaft vom Unterricht, seinen Voraussetzungen, Zielen, Inhalten, Verfahrensweisen und Ergebnissen. Man unterscheidet zwischen allgemeiner D. und der Fachdidaktik, die den Fachberei¬ chen zugeordnet wird. Diebstahl begeht derjenige, der eine fremde bewegliche Sache wegnimmt, um sie sich rechtswidrig anzueignen. Eine für die t Industriegesellschaft typische Form des D. ist der Kaufhaus- und Ladendieb¬ stahl. Als schwerer D. gilt z. B. Einbruch¬ diebstahl. Diensteid: Die Treuepflicht des t Beam¬ ten wird bekräftigt durch den D. mit fol¬ gendem Wortlaut: »Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepu¬ blik geltenden Gesetze zu wahren und mei¬ ne Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.« Die religiöse Be¬ teuerung kann weggelassen werden. Der Eid kann von Angehörigen einer Reli¬ gionsgemeinschaft, die eine Eidesleistung verbietet, auch durch eine andere Beteue¬ rungsformel ersetzt werden. Bei Eidesver¬ weigerung ist der Beamte zu entlassen. Dienstleistungen sind Tätigkeiten, die die Nutzung bereits erstellter t Produkte gewährleisten (materielle D.) oder unmit¬ telbar zur Befriedigung menschlicher Be¬ dürfnisse dienen (persönliche D.). Mate¬ rielle D. sind z. B. Transportleistungen, In¬ standhaltungen, das Kreditwesen; persön¬ liche D. sind z. B. die Tätigkeit des Arztes, des Friseurs, der Hausfrau. D. werden im Rahmen der t volkswirtschaftlichen Ge¬ samtrechnung dem tertiären Sektor (t Wirtschaftsstruktur) zugerechnet.

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(auch: nachindustrielle Gesellschaft) bezeichnet eine gesellschaftliche Entwicklungsstufe, in der der tertiäre Sektor (t Wirtschafts¬ struktur) innerhalb der Wirtschaft vor¬ herrscht. Die Arbeitskräfte sind nicht mehr überwiegend in der Landwirtschaft oder in der industriellen Produktion tätig, sondern im Handel, im Bereich der Finan¬ zen, des Transports, Gesundheitswesens, der Erholung, Forschung, Bildung und Verwaltung. Von allen bestehenden Ge¬ sellschaften entsprechen die USA am ehe¬ sten dem Idealtypus einer Dienstleistungs¬ gesellschaft. Dort sind heute mehr als 60 % der Beschäftigten im tertiären Sektor tätig. In der BR Deutschland betrug dieser An¬ teil im Jahre 1989 55%. Dienstvertrag ist ein Vertrag, in dem sich der eine Teil zur Leistung der verspro¬ chenen Dienste, der andere Teil zur Zah¬ lung der vereinbarten Vergütung verpflich¬ tet (§ 611 BGB). Wichtigster Fall ist der t Arbeitsvertrag, der weitgehend Sonder¬ regeln folgt (t Arbeitsrecht). Diktatur: Im republikanischen Rom un¬ beschränkte, aber befristete Herrschaft ei¬ ner Einzelperson (Diktator) zur Überwin¬ dung außerordentlicher Notsituationen. Diese Vorstellung von D. schwingt auch heute noch mit, wenn in Verfassungsstaa¬ ten einer Regierung diktatorische Voll¬ machten (die nicht notwendig völlig unbe¬ schränkt sind) zur Beseitigung einer Notla¬ ge (z. B. im Krieg) übertragen werden (t Ausnahmezustand). Anders die moder¬ ne D.: Bei ihr handelt es sich um die grundsätzlich unbeschränkte Herrschaft eines einzelnen oder einer Partei auf Dau¬ er. Sie ist oft mit dem Ziel einer völligen Umgestaltung der gesellschaftlichen Ver¬ hältnisse und der Anschauungen der Bür¬ ger verbunden (t Erziehungsdiktatur) und kennt keine Vorkehrungen gegen den Mißbrauch staatlicher Gewalt wie t Ge¬ waltenteilung oder Parteienkonkurrenz. Diktatur des Proletariats ist nach der Lehre des t Marxismus-Leninismus die Herrschaft der organisierten t Arbeiter¬ klasse in der Übergangsphase zur t klas¬ senlosen Gesellschaft. Diplomatie: Allgemein die Bezeichnung für t internationale Beziehungen oder die Außenpolitik; im engeren Sinn alle TätigDienstleistungsgesellschaft

Diversifikation keiten, die der Vorbereitung außenpoliti¬ scher Entscheidungen und ihrer Durch¬ führung auf friedlichem Wege v. a. durch Vertretung in und Verhandlung mit ande¬ ren Staaten oder internationalen Organisa¬ tionen dienen. Bereits in der griechischen und römischen Antike entwickelte sich ein ausgedehntes Gesandtschaftswesen, im byzantinischen Reich ein spezieller diplo¬ matischer Dienst mit ausgefeiltem 1 Proto¬ koll. Italienische Stadtstaaten (z. B. Vene¬ dig) schufen im 15. Jahrhundert ständige diplomatische Vertretungen als eine der wesentlichen Voraussetzungen der moder¬ nen Diplomatie. Die D. hat im Zuge der Entwicklung der modernen Verkehrs- und Kommunikationsmittel sowie in Verbin¬ dung mit der Ausbreitung demokratischer und revolutionärer Ideen (USA, UdSSR) im 20. Jahrhundert gegenüber dem Zeital¬ ter der klassischen D. des 17. bis 19. Jahr¬ hunderts an Gewicht verloren. Verhand¬ lungen werden heute zumeist unmittelbar zwischen den beteiligten Regierungen ge¬ führt, so daß den Botschaftern häufig nur noch eine »Briefträgerfunktion« zufällt, direkte Demokratie t Demokratie. Direktmandat: Ein D. erhält z.B. bei der t Bundestagswahl ein Kandidat, der die meisten (Erst-)Stimmen in einem Wahlkreis auf sich vereinigt. -1 auch Wah¬ len. Dirigismus: Systematischer Eingriff des Staates in die Wirtschaft v. a. mit nicht¬ marktkonformen Lenkungsmitteln, z. B. Lohn- und Preisstopp oder Devisenbewirt¬ schaftung. Diskontsatz: Zinssatz, den die f Deut¬ sche Bundesbank beim Ankauf von Wech¬ seln von der Wechselsumme abzieht. Der D. ist auch Richtschnur für den Zinssatz, den die Kreditinstitute ihren Kunden in Rechnung stellen. Diskriminierung [von lateinisch discriminare »trennen, absondern«]: Unter¬ scheidung, meist im negativen Sinne von Verächtlichmachung, Herabwürdigung ge¬ braucht. D. ist eine feindselige Einstellung und Verhaltensweise gegenüber einzelnen oder Gruppen (häufig gesellschaftliche Minderheiten). Wird ein Mensch wegen seiner Rasse diskriminiert, spricht man von rassischer Diskriminierung. Für die D. eines Menschen in seiner Umwelt kön¬

nen unterschiedliche Besonderheiten ent¬ scheidend sein, 1-. B. Religion, politische Einstellung, wirtschaftliche Lage, Abstam¬ mung. Häufig werden den diskriminierten Personen Eigenschaften und Verhaltens¬ weisen zugeschrieben, die sie in Wirklich¬ keit nicht besitzen. D. hängt eng zusam¬ men mit t Vorurteilen. Dissens ist die mangelnde Einigung bei Verhandlungspartnern, entweder »offen« (den Partnern bekannt) oder »versteckt«, d. h., die Partner glauben irrtümlich, eine Einigung erzielt zu haben. Dissident [von lateinisch dissidere »ge¬ trennt sein«]: Ursprünglich Bezeichnung für Personen, die zu keiner staatlich aner¬ kannten Kirchengemeinschaft gehören; heute bezeichnet man mit dem Begriff D. auch jemanden, der von der offiziellen po¬ litischen Doktrin abweicht. Distribution [von lateinisch distributio »Verteilung«]: Verteilung von t Gütern, t Einkommen und t Vermögen unter den Mitgliedern einer Gesellschaft. Disziplin [von lateinisch disciplina »Schu¬ le, schulische Zucht«]: 0 Äußere Ordnung, Einordnung und Un¬ terordnung. Zur Einhaltung der D. dienen oft sog. Disziplinierungstechniken, z. B. t Strafen, t Sanktionen. 0 Wissenschaftszweig. Disziplinarverfahren dienen der Ahn¬ dung von Dienstvergehen (z. B. Geheim¬ nisverrat) von Beamten, Richtern und Sol¬ daten durch Dienstvorgesetzte und beson¬ dere Disziplinargerichte. Das D. soll Inte¬ grität, Ansehen und Funktionsfähigkeit des t öffentlichen Dienstes wahren. Diszi¬ plinarmaßnahmen sind u. a.: Verweis, Ge¬ haltskürzung, Entfernung aus dem öffent¬ lichen Dienst. Stellt ein Dienstvergehen zugleich eine strafbare Handlung dar, so kann gegen den Täter auch ein t Strafpro¬ zeß mit anschließender Verhängung einer öffentlichen t Strafe stattfmden. Eine ver¬ botene Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) liegt in diesem Fall nicht vor, da Dis¬ ziplinarmaßnahmen keine Strafen im Sin¬ ne des t Strafrechts sind. Diversifikation: Aufnahme neuer Pro¬ dukte für neue Märkte in das bestehende Sortiment. Die Produktstreuung dient der Sicherung des Wachstums und dem Risi¬ koausgleich eines Unternehmens.

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Dividende Dividende: Anteil am ausgeschütteten

Reingewinn einer t Aktiengesellschaft, der auf die einzelne t Aktie entfallt. Die D. wird aufgrund des Jahresabschlusses von der Hauptversammlung beschlossen. DKP t Deutsche Kommunistische Partei. Dogma [griech. »Meinung«, »Lehr¬ satz«] : allgemein gesprochen jeder unge¬ prüft hingenommene, geglaubte und evtl, hartnäckig verteidigte Grundsatz. In der Lehre der katholischen Kirche die als ver¬ bindlich erachtete Glaubensaussage, insbe¬ sondere der von der Kirche ausdrücklich als von Gott geoffenbart bekundete Glau¬ benssatz. Dogmatismus: Im Bereich philoso¬ phisch-religiöser Einstellungen ein System von nicht weiter begründeten Behauptun¬ gen, im ideologischen Bereich eine an Dogmen orientierte Haltung, die ihre Aus¬ sagen nicht an der Realität überprüft. Im kommunistischen Sprachgebrauch diente der D. als ein ideologischer Kampfbegriff, mit dem die KPdSU Abweichungen vom sowjetischen t Marxismus-Leninismus als Beibehaltung überholter Lehren ohne Be¬ rücksichtigung der Dynamik der kommu¬ nistischen Welt aburteilte. Doktrin [von lateinisch doctrina »Leh¬ re«]: Lehrsatz, Lehrmeinung; im engeren Sinn politische Grundsatzerklärung (z. B. Monroe-Doktrin, t Breschnew-Doktrin). Dominion [von lateinisch dominium »Herrschaft«]: Bezeichnung für die briti¬ schen Kolonien mit autonomer Selbstre¬ gierung. Seit 1947 sind die Dominions Mitglieder des British Commonwealth of Nations. Doppelbeschluß: Beschluß der NATO von 1979, angesichts der Aufstellung neu¬ er Mittelstreckenraketen (SS 20) durch die Sowjetunion in Mittel- und Osteuropa ih¬ rerseits amerikanische Raketen (Per¬ shing 2) in Westeuropa zu stationieren und gleichzeitig, gestützt auf die Stationie¬ rungsdrohung, über einen Abbau der Mit¬ telstreckenraketen zu verhandeln. Doppelstrategie:

0 Bezeichnung des politischen Vorgehens der I Jungsozialisten, das auf eine Durch¬ setzung gesellschaftlicher Reformen einer¬ seits über die Partei (SPD), andererseits durch eine Mobilisierung der Bevölkerung zielt.

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0 Charakteristikum der sowjetischen Au¬ ßenpolitik, die ihre Ziele sowohl auf tradi¬ tionelle Weise durch die Pflege bilateraler und multilateraler Beziehungen als auch mit Hilfe und durch Einflußnahme der je¬ weiligen nationalen kommunistischen Par¬ teien auf die Innenpolitik des Fremdstaa¬ tes zu erreichen versuchte (t auch fünfte Kolonne). Dorf: Eine dauerhafte, meist ländliche Gruppensiedlung, deren Menschen vor¬ wiegend von Ackerbau, Viehzucht oder Fi¬ scherei leben und die sich von einer Streu¬ siedlung durch ihre Geschlossenheit ab¬ hebt. Gegenüber der Stadt unterscheidet sich das D. durch Größe, Struktur und Funktion. Die Abgrenzung ist schwer zu ziehen und von Region zu Region ver¬ schieden. Besonders häufig kommen unter Dörfern Siedlungen mit weniger als 150 Wohnstätten vor. Nicht alle Bewohner sind dort in der Urproduktion tätig, son¬ dern auch in Gewerbe, Schule oder Kir¬ che. In den Industriegesellschaften nimmt die Dorfbevölkerung ab bzw. ihre Er¬ werbsstruktur wandelt sich; viele Dorfbe¬ wohner pendeln in Industriebetriebe aus. Besonders in der BR Deutschland verlo¬ ren die Dörfer mehr und mehr ihren alten Charakter, der das Land von der Stadt un¬ terschied. Vor der Gemeindereform Ende der 1960er Jahre lebte ein knappes Viertel der westdeutschen Bevölkerung in Ge¬ meinden unter 2 000 Einwohnern. Seither bilden sich »Stadtdörfer« (z. B. im Südwe¬ sten Deutschlands mit kleinbäuerlichem Kern oder in Industriegebieten als ausge¬ sprochene Industriearbeitersiedlung). Die Soziologie beschäftigte sich früh mit dem D., in dem man ursprünglich den Idealtyp einer Gemeinschaft sah, in der enge soziale Kontakte, Überschaubarkeit, Nachbarschaftshilfe und geringe Schich¬ tung im Gegensatz zur Stadt vorherrschen. Heutzutage hebt man besonders die stär¬ kere soziale t Kontrolle hervor, die im D. gegenüber der Stadt herrscht. Downing Street: Straße in London, in der sich der Amtssitz des britischen Pre¬ mierministers (Nr. 10), das Schatzamt und das Foreign Office (Auswärtige Amt) be¬ finden. Doyen: Derjenige diplomatische Vertre¬ ter, der als Dienstältester bei offiziellen

Durchsuchungen Gelegenheiten das diplomatische Korps gegenüber dem Empfangsstaat vertritt (traditionell ist der Vertreter des Heiligen Stuhls der Doyen). dritte Welt: Sammelbezeichnung für die wirtschaftlich unterentwickelten Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Ne¬ ben der ersten Welt, d. h. den Industrielän¬ dern mit kapitalistischem Wirtschaftssy¬ stem, und der zweiten Welt, den bisher nach dem Prinzip der Planwirtschaft orga¬ nisierten östlichen Ländern, signalisiert der Begriff d. W. das Eintreten einer drit¬ ten politischen Kraft und die Überlage¬ rung des Ost-West-Gegensatzes durch das sog. Nord-Süd-Gefalle, nämlich die stän¬ dig größer werdende Kluft zwischen Indu¬ strie- und t Entwicklungsländern (t auch Nord-Süd-Konflikt). Gemeinsam sind den Ländern der d. W. ein hoher Grad an wirt¬ schaftlicher und sozialer Unterentwick¬ lung und ein hoher Anteil von Analphabe¬ ten an der Gesamtbevölkerung. Die Län¬ der der d. W. gehören zum großen Teil den f blockfreien Staaten an. Drittwirkung der Grundrechte: Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die t Grundrech¬ te als unmittelbar geltendes Recht die Ge¬ setzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Das t Grundgesetz schweigt jedoch zu der Frage, ob die Grundrechte darüber hinaus auch für Rechtsbeziehungen zwischen Privaten gel¬ ten und ihnen daher eine »Drittwirkung« zukommt (nur bei der t Koalitionsfreiheit ist die Drittwirkung ausdrücklich vorgese¬ hen, d. h. sie wird auch gegen Beeinträchti¬ gungen durch private Dritte geschützt). Im Privatrechtsverkehr wird die unmittelbare Anwendbarkeit der Grundrechte überwie¬ gend verneint, weil sie die Privatautono¬ mie beseitigen würde. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kommt aber den Grundrechten der Charakter einer ob¬ jektiven Wertordnung zu, die als verfas¬ sungsrechtliche Grundentscheidung bei der Auslegung und Anwendung der Pri¬ vatrechtsnormen durch den Richter zu be¬ achten sind (sog. mittelbare D. d. G.). Be¬ deutsame Konsequenzen ergeben sich aus der D. d. G. für das t Arbeitsrecht, z. B. das Gebot der gleichen Entlohnung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 GG) oder das Verbot der Kündigung bei einer

Eheschließung (Art. 6 GG), wie sie früher die »Zölibatsklaqsel« z. B. bei Stewardes¬ sen vorsah. Drogenabhängigkeit t Sucht. Drop-outs [von englisch]: Aus der Gesellschaft »Herausgefallene«; ange¬ wandt v. a. auf Lernende, die ihre Ausbil¬ dung abbrechen. DSU 1 Deutsche Soziale Union, duales System:

Ot berufliche Bildung. 0 Die »Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen« vom 12. Juni 1991 (Verpackungsverordnung) verpflich¬ tet Hersteller oder Vertreiber von Pro¬ dukten zur Rücknahme von (Transport-, Verbrauchs- und sog. Um-)Verpackungen. Von der Rücknahme können sich Herstel¬ ler und Handel im d. S. durch die flächen¬ deckende Aufstellung von Wertstoff¬ tonnen - neben der herkömmlichen Ab¬ falltonne - freistellen. Die Wertstofftonne dient der Rücknahme der Verpackungsabfälle beim Verbraucher. Die in Frage kom¬ menden Verpackungen werden mit einem »grünen Punkt« ausgezeichnet, was bedeu¬ tet, daß der Hersteller eine entsprechende Abgabe an die eigens dafür gegründete Gesellschaft »Duales System Deutsch¬ land« gezahlt hat. Kritiker bezweifeln, daß durch die stufenweise Einführung des d. S. ab dem 1.12.1991 die in der Verpakkungsverordnung formulierten Ziele der Abfallvermeidung oder -reduzierung, des Schutzes von Mehrweg- gegenüber Ein¬ wegsystemen und der Herstellung von Verpackungen aus umweltverträglichen, die stoffliche Verwertung nicht belasten¬ den Materialien erreicht werden. Für eini¬ ge Verpackungsstoffe wie Kunststoff oder Verbundstoffe ist bisher noch kein mehrfa¬ cher Verwertungskreislauf (f Recycling) gesichert. Dunkelziffer: Als D. wird die Differenz zwischen der Zahl der wirklich begange¬ nen und der Zahl der statistisch erfaßten t Straftaten bezeichnet. Beispiele für Straf¬ taten mit hoher D. sind Abtreibung und Rauschgiftdelikte. Durchsuchungen von Sachen oder Per¬ sonen (Leibesvisitation) ist nur in besonde¬ ren Fällen erlaubt, da sie die Grundrechte der Freiheit der Person und des Eigentums einschränkt. Gesetzliche Erlaubnisse gibt

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ECU

es z. B. bei Verdacht einer Straftat, insbe¬ sondere eines Zollvergehens (D. eines Kraftfahrzeugs), aber auch für den Ge¬ richtsvollzieher bei der Pfändung von Sa¬ chen des Schuldners. Die Durchsuchung kann zur Beschlagnahme (Sicherstellung) der gesuchten Sachen führen. - t auch Hausdurchsuchung.

E ECU ist die Kurzform für »European Cur¬

rency Unit« (Europäische Währungsein¬ heit), die auf den Währungen der EG-Mitgliedstaaten aufbaut und einen Umtausch¬ kurs von etwas über 2 DM hat. Obwohl der ECU die maßgebliche europäische Rechnungseinheit ist und auch als Zah¬ lungsmittel eingesetzt werden kann, stellt er keine eigenständige europäische Wäh¬ rung dar. - t Europäisches Währungssy¬ stem. EDV t elektronische Datenverarbeitung. EFTA [Abk. für englisch European Free Trade Association »Europäische Freihan¬ delsassoziation«] : Europäische Freihan¬ delszone, die 1960 in Stockholm von sieben westeuropäischen Ländern zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen gegen¬ über der t Europäischen Gemeinschaft ge¬ gründet wurde. Unterzeichner des »Stock¬ holmer Abkommens« waren Großbritan¬ nien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Österreich, die Schweiz und Portugal. 1961 schlossen sich Finnland als assoziiertes Mitglied (seit 1986 Vollmitglied) und Is¬ land als Vollmitglied an; 1991 kam Liech¬ tenstein hinzu. Das Ziel des EFTA-Vertrags, die Zölle auf Industrieerzeugnisse völlig abzuschaffen, wurde bis Ende 1969 erreicht, 1977 wurde der Freihandel mit In¬ dustrieprodukten auf die Mitgliedstaaten der EG ausgeweitet. Seitdem die EFTAMitglieder Dänemark und Großbritannien 1973 Mitglied der Europäischen Gemein¬ schaft wurden, gibt es Bestrebungen zur Zusammenarbeit mit ihr. Sie sind der »Er¬ klärung von Luxemburg« im Jahre 1984 nochmals intensiviert worden. Wesentlich enger wird die handelspolitische Verflech¬

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tung zwischen EFTA und EG durch die Gründung des t Europäischen Wirtschafts¬ raums (EWR) im Februar 1992. Wichtig¬ stes Entscheidungsorgan der EFTA ist der EFTA-Rat, der aus den Regierungsvertre¬ tern mit gleichem Stimmrecht besteht und Beschlüsse nur auf der Grundlage von Ein¬ stimmigkeit fassen kann. Diese Beschlüsse sind für die Mitgliedstaaten rechtlich je¬ doch nicht verbindlich. Das EFTA-Sekretariat in Genf berät und koordiniert die vom Rat gebildeten Spezialausschüsse. EG t Europäische Gemeinschaft. Ehe: Eine durch rechtliche, religiöse und soziale f Normen geregelte Lebensgemein¬ schaft zwischen Mann und Frau. Die rechtlichen Normen regeln Fragen u.a. der Ehemündigkeit (in der Regel ab 18 Jahren), der Ehescheidung und des Erb¬ rechts; die religiösen Normen nehmen Einfluß auf das sexuelle Verhalten, auf die Einstellung zur Ehescheidung oder auf die Kinderzahl (z. B. das Verbot empfängnis¬ verhütender Mittel durch die katholische Kirche); die sozialen Normen spiegeln sich wider in der Wahl des Partners, der häufig derselben sozialen Schicht ange¬ hört. In Europa steht die E. in Form der Einehe (t Monogamie) bis heute wesentlich unter dem Prinzip der Unauflösbarkeit. In der BR Deutschland ist jedoch im Rahmen ei¬ ner Reform des Eherechts 1977 die Schei¬ dung der E. erleichtert worden. Eine zer¬ rüttete E. kann geschieden werden, ohne daß die Frage nach der Schuld gestellt wird (Zerrüttungsprinzip statt Schuldprin¬ zip). Trotz der Veränderung der Ehesitten (Doppelverdienen, Hausmann) und vieler Angriffe auf diese Institution zeigen neue¬ re Statistiken, daß die meisten jungen Menschen immer noch eine stabile Zwei¬ erbeziehung wünschen, die in eine E. mün¬ det; von einer Ehemüdigkeit kann also nicht gesprochen werden. - t auch Eheund Familienrecht. Ehe- und Familienrecht regelt 1. die persönlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten untereinan¬ der, 2. das Verhältnis Eltern-Kinder, 3. die Rechte und Pflichten sonstiger Verwand¬ ter zueinander und darüber hinaus auch die t Vormundschaft. Die (von Art. 6 GG geschützte) t Ehe wird

Eigentum

persönlich bei gleichzeitiger Anwesenheit der in der Regel volljährigen Heiratswilli¬ gen vor dem Standesbeamten am Wohnoder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Mannes oder der Frau geschlossen. Ein vorher bestelltes Aufgebot dient der Klä¬ rung möglicher Ehehindernisse. Die Wir¬ kungen der Heirat sind mit Durchsetzung der von Art. 3 Abs. 2 GG geforderten Gleichberechtigung 1957 und 1976 neu ge¬ regelt worden. Die Wahl des Namens der Ehepartner ist seit 1991 der freien Ent¬ scheidung von Mann und Frau überlassen. Das Gesetz weist keinem Ehegatten mehr eine bestimmte Funktion in der Ehe - Er¬ werbstätigkeit, Haushaltsführung, Kinder¬ betreuung - zu, sondern überläßt auch die¬ se Regelung ihrer Entscheidung. Beide müssen - z. B. durch Erwerbstätigkeit oder Haushaltsführung - die Familie ange¬ messen unterhalten. Sein Vermögen ver¬ waltet jeder selbst (anders z. B. bei verein¬ barter Gütergemeinschaft); ein in der Ehe erwirtschafteter Zugewinn wird bei Auflö¬ sung der Ehe ausgeglichen (Gütertrennung mit Zugewinnausgleich). Eine Ehe kann bei ihrem Scheitern ge¬ schieden, in besonderen Fällen auch für nichtig erklärt oder aufgehoben werden. Für die Scheidung genügt es, daß die Ehe zerrüttet war, die Frage nach der Schuld eines Ehepartners muß nicht mehr gestellt werden (Zerrüttungs- statt Schuldprinzip). Das Scheitern der Ehe wird bei längerem Getrenntleben (nach einem, in der Regel drei, in Härtefällen nach fünf Jahren) ver¬ mutet. Neben dem Zugewinn werden bei Scheidung auch die in der Ehe erworbenen Rentenansprüche geteilt (Versorgungsaus¬ gleich). -1 auch Unterhaltspflicht. Das eheliche Kind steht bis zur t Volljäh¬ rigkeit unter der elterlichen Gewalt. Die Eltern haben aufgrund ihres t Elternrechts (Art. 6 Abs. 2 GG) die Verpflichtung, für Person und Vermögen des Kindes zu sor¬ gen (Unterhaltspflicht). Bei Verletzung dieser Pflichten oder bei Meinungsver¬ schiedenheiten der Eltern kann das Vor¬ mundschaftsgericht tätig werden. Bei Scheidung oder längerem Getrenntleben regelt das Familiengericht die Ausübung der elterlichen Gewalt. Ehrenamt: Unbezahltes und nebenberuf¬ liches Amt, meist in einer Gemeinde, öf¬

fentlichen Einrichtung oder einem Verein. Die Übernahm^ eines E. kann freiwillig (z. B. Stadtrat) oder Pflicht (z. B. Schöffe) sein. Bei öffentlichen Ehrenämtern wer¬ den Auslagen und Verdienstausfall ersetzt. Ehrengerichte sind Sondergerichte für die Angehörigen bestimmter Berufe. Sie haben ihren Ursprung in der Standesge¬ richtsbarkeit des Mittelalters. E. bestehen v. a. für Rechts- und Patentanwälte, Wirt¬ schaftsprüfer, Steuerberater, Ärzte, Apo¬ theker und - in einigen Bundesländern für Architekten. Aufgabe der E. ist es, Ver¬ stöße gegen die Berufspflichten zu ahnden. E. ersetzen aber nicht die Strafgerichtsbar¬ keit, wenn z. B. ein Verstoß gegen eine Be¬ rufspflicht zugleich eine t Straftat darstellt. Eid ist die Versicherung der Wahrheit in feierlicher, meist religiöser Form. Aussa¬ gen von Zeugen u. a. Personen unter Eid haben in der Regel erhöhten Beweiswert. t auch Meineid. Eigentum ist das umfassendste Herr¬ schaftsrecht über eine Sache. Es ist durch Art. 14 GG geschützt. E. im Sinne des Art. 14 GG sind alle Vermögenswerten pri¬ vaten Rechte, also nicht nur Sacheigentum wie Grundstücke, Fahrzeuge und Waren, sondern auch Ansprüche aus Arbeits-, Miet-, Bauspar-, Lebensversicherungsver¬ trägen und Renten sowie Mitgliedschafts¬ rechte und Beteiligungen an Gesellschaf¬ ten. Öffentlich-rechtliche Vermögenswerte Rechtspositionen werden durch Art. 14 GG ebenfalls geschützt, wenn sie dem In¬ haber eine der Eigentumsposition entspre¬ chende Rechtsstellung verschaffen. Eigen¬ tumsähnlich ist eine Position, die durch Einsatz eigenen Kapitals und eigener Lei¬ stung erworben wurde (z. B. Zulassung als Kassenarzt, Besoldungsansprüche). Nicht geschützt ist dagegen das Vermögen als solches. Die Garantie des E. gewährleistet das Pri¬ vateigentum als Rechtseinrichtung und gibt dem Eigentümer einen Abwehr- und Schutzanspruch gegen den Staat. E. ver¬ pflichtet aber auch. Sein Gebrauch soll zu¬ gleich dem Wohle der Allgemeinheit die¬ nen (Sozialbindung). Der Gesetzgeber darf Inhalt und Schranken des E. durch Gesetze bestimmen. Darüber hinaus läßt Art. 14 Abs. 3 GG zum Wohle der Allge¬ meinheit gegen Entschädigung auch eine

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Eigentumspolitik t Enteignung zu. Die Abgrenzung zwi¬ schen einer hinzunehmenden Sozialbin¬ dung des E. und der entschädigungspflich¬ tigen Enteignung kann im Einzelfall schwierig sein. Eine Enteignung ist anzu¬ nehmen, wenn ein hoheitlicher Eingriff in Eigentum erfolgt, der den Betroffenen im Vergleich zu anderen ungleich trifft und ihm ein besonderes, den übrigen nicht zu¬ gemutetes Opfer für die Allgemeinheit auf¬ erlegt. Es gibt verschiedene Arten des E. neben dem Alleineigentum: das Miteigentum nach Bruchteilen, das Gesamthandseigen¬ tum, das Sicherungseigentum, das vorbe¬ haltene Eigentum und Wohnungseigen¬ tum. Auch das sog. öffentliche E., d. h. das E. einer dem Staat, einer Gemeinde oder einer sonstigen öffentlichen Körperschaft gehörenden Sache, ist grundsätzlich wie das privatrechtliche E. zu behandeln. Es unterliegt jedoch, soweit es Verwaltungs¬ zwecken dient, Beschränkungen, die sich aus der jeweiligen Zweckbestimmung er¬ geben. Welche Rechte dem privatrechtli¬ chen Eigentümer aufgrund seines E. zuste¬ hen und wie er sein E. übertragen, belasten oder aufgeben kann, ist im t Bürgerlichen Gesetzbuch im Sachenrecht geregelt. Eigentumspolitik t Vermögenspolitik. Eigentumsvorbehalt: Bei einem Kauf kann vereinbart werden, daß das Eigen¬ tum an der Kaufsache erst nach der voll¬ ständigen Zahlung des Kaufpreises über¬ gehen soll. Häufig wird ein solcher E. beim Abzahlungskauf vereinbart, da der Ver¬ käufer so lange sein Eigentum behalten will, wie der Käufer den Kaufpreis noch nicht voll bezahlt hat, auch wenn der Käu¬ fer schon vorher den Besitz an der Kaufsa¬ che erlangt hat. Einfuhr t Import. Eingriffsverwaltung ist neben der t Leistungsverwaltung eine der Grundfor¬ men der öffentlichen t Verwaltung. Die E. nimmt mit Mitteln hoheitlichen Zwanges Eingriffe in t Freiheit und t Eigentum der Bürger vor. Sie ist die typische Ver¬ waltungsform des bürgerlich-liberalen t Rechtsstaates, der die Befugnisse der Verwaltung auf die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erforderlichen Maßnahmen zu beschränken sucht. Dem¬ entsprechend sind Polizei-, Gewerbe- und

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Steuerverwaltung die klassischen Bereiche der Eingriffsverwaltung. Ihr Handeln un¬ terliegt dem Grundsatz der t Gesetzmäßig¬ keit der Verwaltung. Ihre typische Hand¬ lungsform ist der Verwaltungsakt, durch den gesetzliche Anordnungen im Einzel¬ fall angewandt werden (z. B. Steuergesetze durch den Steuerbescheid). Einheitsliste: Die bei allgemeinen Wah¬ len in t Volksdemokratien übliche einzige Kandidatenliste, auf der nach festgesetz¬ tem Schlüssel Kandidaten aller zugelasse¬ nen Parteien zu einer Wahl ohne Auswahl¬ möglichkeit aufgestellt werden. Einheitsstaat: Im Gegensatz zum t Bundesstaat oder t Staatenbund, in de¬ nen es mehrere Staaten mit selbständiger Staatsgewalt gibt (t Föderalismus), verfügt der E. nur über eine staatliche Organisa¬ tion (ein Parlament, eine Regierung). Der E. ist entweder zentral organisiert (t Zen¬ tralisation), oder es sind die Staatsaufga¬ ben zum Teil auf Organe der t Selbstver¬ waltung (z. B. Bezirke, Gemeinden) über¬ tragen, die sie selbständig unter einer be¬ schränkten t Staatsaufsicht erledigen (de¬ zentralisierter E., t Dezentralisation). Einigungsstelle t Betriebsverfassungs¬ gesetz. Einigungsvertrag: Kurzbezeichnung für den Vertrag zwischen der BR Deutsch¬ land und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands, unterzeichnet am 31. August 1990, dem zufolge die da¬ malige DDR gemäß Art. 23 GG der BR Deutschland beitritt. In Kapitel I werden Brandenburg, Mecklenburg-V orpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thü¬ ringen als neue Bundesländer aufgeführt und die Neubildung des Landes Berlin be¬ stimmt. Art. 2 benennt Berlin als Haupt¬ stadt Deutschlands, läßt aber die Frage des Parlaments- und Regierungssitzes offen. Kapitel II legt die Änderungen des GG fest und regelt die Finanzverfassung für das neue Bundesgebiet. Art. 7 Abs. 5 be¬ stimmt die Verwendung des Fonds »Deut¬ sche Einheit«. Kapitel III und IV beschäf¬ tigen sich mit der Rechtsangleichung und den völkerrechtlichen Verträgen. Kapi¬ tel V regelt den Übergang der öffentlichen Verwaltung und Rechtspflege und legt u. a. fest, daß für die Rehabilitierung der Opfer der SED-Herrschaft eine gesetzliche

Einstellungen

Grundlage zu schaffen ist. Kapitel VI wid¬ met sich dem öffentlichen Vermögen und den Schulden und legt fest, daß die t Treu¬ handanstalt die ehemaligen volkseigenen Betriebe privatisiert. Kapitel VII be¬ stimmt, daß die Sozialgesetzgebung ange¬ glichen wird und bis 31. Dezember 1992 eine Regelung über den Schutz des vorge¬ burtlichen Lebens getroffen sein muß (Art. 31 Abs. 4). Kapitel VIII regelt die Verhältnisse bei Rundfunk und Fernse¬ hen, die Anerkennung von Berufsab¬ schlüssen, die begrenzte Weiterführung von Forschungseinrichtungen und das Sportwesen. Kapitel IX enthält die Über¬ gangs- und Schlußbestimmungen. In drei Anlagen (zwei Protokolle, eine Erklärung) werden noch nähere Bestimmungen zu einzelnen Artikeln des E. getroffen. Anla¬ ge III ist eine Erklärung der beiden deut¬ schen Regierungen zur Regelung noch of¬ fener Vermögensfragen und legt u. a. fest, daß Enteignungen auf dem Gebiet der DDR zwischen 1945 und 1949 nicht mehr rückgängig zu machen sind. Ein besonde¬ res Problem, v. a. im Hinblick auf neue In¬ vestitionen, stellt die Bestimmung des E. dar, daß bei den seit 1949 erfolgten Enteig¬ nungen in der ehemaligen DDR grund¬ sätzlich eine Rückgabe anstelle einer Ent¬ schädigung erfolgen soll. Eine Denkschrift zum E. gibt weitere Er¬ läuterungen und geht auf den KSZE-Prozeß sowie die Zweiplus-vier-Verhandlungen ein. Einkommen sind Einzelpersonen oder Gruppen der Gesellschaft zufließende Geldbeträge. Prinzipiell lassen sich nach ihrer Entstehung vier Einkommensarten unterscheiden: E. aus unselbständiger Ar¬ beit (Löhne, Gehälter); E. aus Unterneh¬ mertätigkeit (Gewinne); E. aus Vermögen (Zinsen, Dividenden); E. ohne gleichzeitig stattfindende Gegenleistung (sog. 1 Trans¬ fereinkommen wie z. B. Renten, Pensio¬ nen). Die Analyse der Einkommensvertei¬ lung in einer t Volkswirtschaft basiert häu¬ fig auf der Angabe der Lohnquote, d. h. des Anteils der Summe aller E. aus unselb¬ ständiger Arbeit am t Volkseinkommen bzw. der Entwicklung dieser Größe im Zeitablauf. Will man das einer einzelnen Person zu¬ fließende E. ermitteln, so ist es sinnvoll,

zwischen dem Bruttoeinkommen und dem nach Abzug der* Steuern und Sozialabga¬ ben verbleibenden Nettoeinkommen zu un¬ terscheiden. Darüber hinaus sind Preisstei¬ gerungen (die Inflationsrate) während ei¬ nes Betrachtungszeitraums zu berücksich¬ tigen, wenn man anstatt des Nominaleim kommens das Realeinkommen ermitteln will. Die Bedeutung des Faktors E. für eine Volkswirtschaft ist von deren t Wirt¬ schaftsordnung abhängig. In einer markt¬ wirtschaftlichen Ordnung bestimmt die Erzielung eines möglichst hohen individu¬ ellen E. (Einkommensmaximierung) die meisten in der Wirtschaft getroffenen Ent¬ scheidungen (t ökonomisches Prinzip) und stellt somit in weitaus stärkerem Maße als in anderen Wirtschaftsordnungen die Triebfeder des Wirtschaftssystems dar. Gerade deswegen kommt der Einkom¬ mensverteilung in der Marktwirtschaft ei¬ ne hohe Bedeutung zu. Um eine gerechte Einkommensverteilung wird ständig ge¬ rungen. - t auch Arbeitskampf. Einkommensteuer wird auf regelmäßi¬ ge Einkünfte nach einem progressiven Ta¬ rif (t Progression) erhoben. - t auch Steu¬ ern. Einnahmen t öffentliche Einnahmen. Einspruch ist, wie der Widerspruch, ein Rechtsbehelf gegen die Verfügung oder den Bescheid einer Behörde oder eines Gerichts (z. B. gegen einen Strafbefehl oder Steuerbescheid). Einspruchsgesetze nennt man die Ge¬ setze des t Bundestages, gegen die der t Bundesrat ein suspensives (= aufschie¬ bendes) t Veto einlegen kann. Dieser Ein¬ spruch kann aber vom Bundestag zurück¬ gewiesen werden (Art. 77 Abs. 3 und 4 GG). - t auch Gesetzgebung. Einstellungen (Attitüden): In der So¬ zialpsychologie Bezeichnung für länger an¬ haltende stabile Meinungen und Beurtei¬ lungen. Aufgrund seiner E. ist ein Mensch geneigt, z. B. gegenüber einer Person, ei¬ nem Gegenstand, einem Ereignis oder ei¬ ner Idee mit positiven oder negativen Ge¬ fühlen, Vorstellungen und Verhaltenswei¬ sen zu reagieren. E. werden erlernt (t So¬ zialisation) und sind abhängig von der so¬ zialen Umwelt. Die Einstellungsforschung untersucht E. in der Regel mit Hilfe von

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Einstimmigkeitsprinzip Fragebogenaktionen. Ihr geht es u. a. um den Einfluß der Massenmedien und der Werbung auf die Entstehung von Einstel¬ lungen. -1 auch Vorurteile. Einstimmigkeitsprinzip: Im Gegen¬ satz zum Mehrheitsprinzip (t Mehrheit) Grundsatz der Zustimmung aller Beteilig¬ ten bei einer Abstimmung. Das E. gilt ins¬ besondere im t Völkerrecht als Ausdruck der t Souveränität der Staaten, ist aber in verschiedenen t internationalen Organisa¬ tionen durch das Mehrheitsprinzip ersetzt worden. einstweilige Verfügung ist eine vor¬ läufige Anordnung des Gerichts, die der Sicherung eines Anspruchs oder des Rechtsfriedens dient. Durch die e. V. sol¬ len drohende Rechtsnachteile verhindert werden, die dadurch eintreten könnten, daß der normale Rechtsschutz durch ein sehr lange dauerndes Gerichtsverfahren zu spät käme. Einwanderung bezeichnet den Zuzug aus einem t Staatsgebiet in ein anderes zum Zwecke der ständigen Niederlassung, gewöhnlich mit der Absicht der Einbürge¬ rung. - t auch Migration. Einwohner: Bewohner eines Gebietes (Gemeinde, Kreis, Land), der dort seinen ständigen Wohnsitz hat. Einzelhandel t Handel. EKD t evangelische Kirchen, elektronische Datenverarbeitung (EDV): Mit Hilfe der EDV werden große Massen von Daten und Informationen schnell und wirtschaftlich erfaßt, gespei¬ chert, aufbereitet und ausgewertet. Sie dient auch der Rationalisierung betriebli¬ cher Arbeitsabläufe. Die EDV ist ein In¬ strument, das heute in nahezu allen Berei¬ chen die für Entscheidungen notwendigen Informationen liefert. In zunehmendem Maße wird die EDV zur Steuerung kom¬ plizierter Prozesse in Energiewirtschaft und Industrie eingesetzt. Auch im wissen¬ schaftlichen Bereich, z. B. in der Welt¬ raumforschung, der medizinischen Dia¬ gnose und der Wetteranalyse, wird EDV verwendet. Darüber hinaus findet sie für die Nachbildung komplexer technischer, ökonomischer, politischer und sozialer Sy¬ steme und Prozesse Anwendung. Durch mathematische Modelle und Simulation werden Prognosen aufgestellt und alterna¬

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tive Entwicklungsmöglichkeiten durchge¬ spielt (z. B. Weltmodelle des Club of Rome). - f auch Datenbank, t Daten¬ schutz. Elite [von lateinisch eligere »auslesen, aus¬ wählen«] bezeichnet v. a. die Personen in einer Gesellschaft oder in einem Staat, die Spitzenpositionen einnehmen, d. h. die po¬ litische und kulturelle Führungsschicht. Zur E. kann jemand gehören z. B. wegen seiner Herkunft, seines Geldes, seiner Machtstellung oder wegen besonderer Lei¬ stung. Man unterscheidet Geburtseliten (z. B. Erbadel), Machteliten (Inhaber von Machtpositionen), Werteliten (Menschen mit besonderen Eignungsmerkmalen und persönlichen Qualitäten) und Funktionseli¬ ten (Personen in bestimmten gesellschaftli¬ chen Spitzenpositionen). Die Kennzei¬ chen, die für die Zugehörigkeit zur E. not¬ wendig sind, unterliegen dem Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen. Ältere Elitetheorien gehen vom sog. quali¬ tativen Elitebegriff aus: Danach entschei¬ den »natürliche« Merkmale wie t Bega¬ bung oder Geburt über die Zugehörigkeit zu einer Elite. Gefordert wird die Herr¬ schaft der Besten (t Aristokratie). Ein sol¬ cher Elitebegriff ist äußerst fragwürdig: Die Herrschaft von Menschen über ande¬ re wird hier als naturgegeben betrachtet wie auch die Tatsache, daß es Bevorzugte (Privilegierte) und Benachteiligte (Unter¬ privilegierte) in einer Gesellschaft gibt. Gesellschaftliche Unterschiede werden nicht als historisch entstandene, sondern als von Natur aus bestehende Unterschie¬ de begriffen und somit als unveränderbar hingestellt. Neuere Elitetheorien stellen diesem wertbestimmten Elitebegriff einen wertneutralen gegenüber; besondere Be¬ achtung wird dabei den Funktionseliten geschenkt. Solche Eliten sind auch in einer Demokratie notwendig, da in jeder Gesell¬ schaft bestimmte herausragende Funktio¬ nen wahrgenommen werden müssen. Die¬ se E. muß jedoch kontrolliert werden und auch personell austauschbar sein (Elitezir¬ kulation). elterliche Gewalt t Eltern. Eltern [eigentlich: die Älteren]: Vater und Mutter, denen die Fürsorge ihrer leibli¬ chen oder angenommenen (adoptierten) Kinder obliegt. Nach Art. 6 Abs. 2 GG

Emanzipation

sind Pflege und Erziehung das natürliche Recht der Eltern. Damit schützt das 1 Grundgesetz den privaten Raum der f Familie vor Eingriffen des Staates (t El¬ ternrecht). Es wird allerdings der staatli¬ chen Gemeinschaft das Recht eingeräumt, die elterliche Tätigkeit zu überwachen. Staatliche Eingriffe sind aber nur dann er¬ laubt, wenn die E. ihren Pflichten nicht nachkommen bzw. nicht nachkommen können (t Jugendhilfe). Das Recht der E. auf die Erziehung ihrer Kinder umfaßt hauptsächlich den außerschulischen Be¬ reich. Aber auch in der Schule ist den E. ein Mitspracherecht eingeräumt (t Eltern¬ vertretungen). Ferner haben die E. das Recht, bis zur Religionsmündigkeit des Kindes über dessen Teilnahme am Reli¬ gionsunterricht zu bestimmen (t Kindesal¬ ter). Ebenso bleibt die Wahl der Schule bzw. des Schultyps unter Mitsprache des Kindes den E. überlassen. Der Begriff der elterlichen Gewalt umfaßte lange Zeit einerseits die Fürsorgepflicht für die Kinder, andererseits auch das Recht, sie zu strafen. In neuerer Zeit wur¬ de besonders von der t antiautoritären Be¬ wegung Kritik an den herkömmlichen Er¬ ziehungsmethoden geübt und ein Kinder¬ recht gefordert, das dem Kind auch gegen den Willen der E. größtmögliche Entwick¬ lungschancen, z. B. die Wahl einer besse¬ ren Ausbildung, garantiert. Der Begriff der elterlichen Gewalt wurde 1978 gesetz¬ lich durch den der elterlichen Fürsorge er¬ setzt. Elternrecht: Art. 6 Abs. 2 GG garantiert das Recht (und die Pflicht) der Eltern zur Pflege und Erziehung der Kinder, bestellt aber zugleich die staatliche Gemeinschaft zum Wächter darüber. Das so umgrenzte E. ist ein f Grundrecht; es gewährt den El¬ tern ein Abwehrrecht gegen staatliche Ein¬ griffe. Das E. kann nur gemeinsam und einvernehmlich von den Eltern ausgeübt werden, sofern vom Vormundschaftsge¬ richt nicht anders entschieden worden ist. Schwierigkeiten kann es im Verhältnis des E. zum staatlichen Erziehungsauftrag der f Schule geben, von dem Art. 7 Abs. 1 GG ausgeht. Beide Verfassungsregelungen sind gleichrangig; Konflikte zwischen E. und staatlich-schulischem Erziehungsrecht sind so zu lösen, daß der Staat in der Schu¬ 4 SD Politik

le die Verantwortung der Eltern für den Gesamtplan der' Erziehung ihrer Kinder achten und für die Vielfalt der Anschauun¬ gen in Erziehungsfragen soweit offen sein muß, wie es sich mit einem geordneten staatlichen Schulsystem verträgt. - t auch Eltern. Elternvertretungen: Die gemeinsame Verantwortung gegenüber den Jugendli¬ chen erfordert eine vertrauensvolle Zu¬ sammenarbeit von f Eltern und t Schule. Die Befugnisse der E. sind in den Schul¬ gesetzen der Länder unterschiedlich gere¬ gelt. Es gibt verschiedene Gremien, z. B. Klassenpflegschaft, Elternbeirat, Schul¬ konferenz, Landeselternbeirat, die zum Teil beratende oder mitbestimmende Funktion haben. E. gibt es auch auf Kreis-, Landes- und Bundesebene. Die E. beraten u. a. die Lehrer in Erziehungs- und das Kultusministerium in Bil¬ dungsfragen und haben ein Mitsprache¬ recht bei der Gestaltung von Lehrplänen und bei der Genehmigung von Schulbü¬ chern. Emanzipation [von lateinisch emancipare »in die Selbständigkeit entlassen«]: Be¬ freiung aus einem rechtlichen, sozialen oder politischen Abhängigkeitsverhältnis bei gleichzeitiger Erlangung von Mündig¬ keit und Selbstbestimmung. Ursprünglich verstand man unter E. die Entlassung aus einem rechtlichen Gewalt¬ verhältnis, so z. B. im römischen Recht, wo die Ehefrau und die Kinder unter der Gewalt des Hausherrn standen, der sie, da sie selbst als vermögensunfähig galten, rechtlich vertrat und für sie haftete. Zu Lebzeiten des Vaters konnten die Söhne in der Regel nur durch eine Erklärung des Vaters vor einer Behörde Selbständigkeit erlangen (formelle E.). Ähnlich konnten im mittelalterlichen deutschen Recht die Söhne nur durch den Tod des Vaters oder durch Erlangung wirtschaftlicher Selbstän¬ digkeit aus der väterlichen Gewalt entlas¬ sen werden. In der Neuzeit erlangt der Be¬ griff v. a. durch die Entstehung eines ge¬ gen die überkommene Ordnung der Stän¬ de (t Feudalismus, t Stand) und den Abso¬ lutismus aufbegehrenden Bürgertums und der diese Bewegung ideologisch absichern¬ den t Aufklärung eine erweiterte politisch¬ soziale Bedeutung. Die Forderung der

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Embargo

Französischen Revolution nach E. aus ständischen Bindungen und nach Gleich¬ heit aller Bürger vor dem Gesetz wurde bald ausgedehnt auf die politische und so¬ ziale Gleichstellung und Aufhebung der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Arbei¬ terklasse sowie anderer benachteiligter Gruppen (z. B. Judenemanzipation, Frauenemanzipation). - t auch Frauenbe¬ wegung. Heute wird unter E. verstanden: 1. der in¬ dividuelle Prozeß des Heranwachsens und Selbständigwerdens von Kindern und Ju¬ gendlichen, 2. das Selbständigkeitsstreben von (benachteiligten) Gruppen (z. B. rassi¬ sche Minderheiten), Schichten oder Klas¬ sen sowie 3. die Gesamtheit dieser Prozes¬ se mit dem Ziel, Macht und Herrschaft in einer Gesellschaft weitmöglichst zu be¬ schränken, um die t Selbstbestimmung al¬ ler Individuen zu ermöglichen. Embargo [von spanisch embargar »in Be¬ schlag nehmen«]: Völkerrechtliche t Sank¬ tion (z. B. die Unterbindung des Handels) gegen einen anderen Staat, um diesen zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Emigration [von lateinisch emigrare »ausziehen, auswandern«]: Freiwillige oder zwangsweise Auswanderung aus dem Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund von politischer, rassischer oder religiöser t Diskriminierung. Im Ge¬ gensatz zu dieser sog. äußeren E. spricht man auch von innerer E., wenn Menschen, z. B. weil sie mit dem politischen System nicht einverstanden sind oder die herr¬ schende Gesinnung nicht teilen, zwar im Land verbleiben, aber nicht mehr am ge¬ sellschaftlichen Leben teilnehmen. Die größte Emigrationswelle im 20. Jahrhun¬ dert wurde in Deutschland zur Zeit des t Nationalsozialismus erreicht. Bis 1941 mußten über 500 000 Juden das Land ver¬ lassen, weil sie verfolgt wurden und ihnen die nationalsozialistische Gesetzgebung das Verbleiben im Heimatland unmöglich machte. - t auch Judenverfolgung. Emission [von lateinisch emittere »her¬ ausgehen lassen«]: 0 Ausgabe von neuen t Aktien oder ande¬ ren Wertpapieren zur Kapitalbeschaffung. Die E. wird in der Regel von Großbanken durchgeführt. 0 Ausströmen luftverunreinigender Stoffe

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in die Außenluft. - t auch Immissions¬ schutz. Empirie: Erfahrung im Gegensatz zur t Theorie. Empirische Wissenschaft ist die Beschäftigung nur mit beobachtbaren und meßbaren Ereignissen. - t auch empiri¬ sche Sozialforschung, empirische Sozialforschung: Im Ge¬ gensatz zur Theoriebildung in den t Sozial¬ wissenschaften beschäftigt sich die e. S. mit der systematischen Untersuchung der sozialen Realität und der experimentellen Überprüfung von Theorien. Dabei bedient sich die e. S. verschiedener Methoden wie der systematischen Beobachtung, der Be¬ fragung, Inhaltsanalyse, des Experiments oder Tests. Die Auswertung der gewonne¬ nen Daten geschieht mit Hilfe statistisch¬ mathematischer Verfahren. Endlagerung t Entsorgung. Energiepolitik: Gesamtheit der Ma߬ nahmen, mit denen ein Staat Einfluß so¬ wohl auf den Umfang des inländischen Energiebedarfs als auch auf die Form der Energieversorgung durch die in- und aus¬ ländische Energiewirtschaft nimmt, um angesichts der natürlichen Begrenztheit des Angebots an Energieträgern (v. a. Kohle, Erdöl, Erdgas, Uran, Wasser) den Energiebedarf zu sichern. Entgegen den Prognosen der 1960er und 1970er Jahre stieg der Energieverbrauch trotz erhebli¬ chen Wirtschaftswachstums kaum an. E. ist ein Teil der allgemeinen f Wirt¬ schaftspolitik und v. a. seit der Energiekri¬ se 1973 auch stark mit der Außenpolitik verzahnt; gleichzeitig bestehen engere Be¬ ziehungen zur Umwelt-, Forschungs- und Sozialpolitik. Wegen der Besonderheit der Produktion (hohe Kapitalintensität, Lang¬ fristigkeit in der Erstellung der Produk¬ tionsanlagen) sowie der besonderen Be¬ deutung der t Energiewirtschaft für einen reibungslosen Wirtschaftsablauf ist eine unbeschränkte Konkurrenzwirtschaft in diesem Bereich nicht möglich; der Staat muß deshalb auch in marktwirtschaftlich orientierten Ländern in den Energiemarkt eingreifen, wo zum Teil auch weite Berei¬ che der Energiewirtschaft verstaatlicht sind. Widerstreitende Ziele können v. a. t Wirtschaftlichkeit, saubere Umwelt ei¬ nerseits und ein möglichst hoher Selbstver¬ sorgungsgrad andererseits sein.

Energiepolitik Basisjahr

Energiepolitik. Entwickung der C02-Emissionen in der BR Deutschland (ohne die fünf neuen Bundesländer) für 1987 und das Jahr 2005 in drei Reduktionsszenarien In der BR Deutschland mußten aufgrund der wachsenden Konkurrenz des billigeren Erdöls und der Importkohle die Kohleför¬ derung eingeschränkt und unwirtschaftlich gewordene Zechen geschlossen werden. Trotz hoher Subventionierung der Kohle¬ förderung ist der Kohleabbau aus der Kri¬ se nicht herausgekommen. Der Versuch arabischer Erdölförderländer (1 OPEC), 1973 mit Embargos und preispolitischen Maßnahmen Einfluß auf den israelisch¬ arabischen Krieg zu nehmen, schwächte die Konjunktur in den auf Erdölimporte angewiesenen Ländern erheblich und stürzte sie in Wirtschaftskrisen. Die betrof¬ fenen Abnahmeländer versuchen seither, sich mit Sparmaßnahmen und mit alterna¬ tiven Energien (v. a. t Kernenergie) aus ih¬ rer Abhängigkeit von den OPEC-Ländern zu lösen und mit Hilfe staatlich geförderter Energieforschung andere, wirtschaftliche¬ re und gegenüber der Kernenergie unpro¬ blematischere Energiequellen (z. B. Son¬ nen- und Windenergie) nutzbar zu ma¬ chen. Eine weitere, über einzelstaatliche Ma߬

nahmen hinausgehende Folge war der Versuch einer gemeinsamen Energiepoli¬ tik der Abnahmeländer gegenüber den Erdölländern. So kam es zur Bildung eines Stützungsfonds der t OECD für besonders betroffene Länder, zur Gründung einer In¬ ternationalen Energie-Agentur, zu Erdöl¬ sparprogrammen und der Anlage von Erd¬ ölreserven. In der BR Deutschland trat 1975 das Energiesicherungsgesetz in Kraft, das die Deckung des notwendigen Energiebedarfs gewährleisten soll und dem Staat Eingriffsmöglichkeiten eröff¬ net. Aber auch wegen des t Treibhauseffektes, der v. a. durch fossile Energieträger wie Kohle hervorgerufen wird, erscheint eine Neuorientierung der E. notwendig. Heute ist Energieeinsparung zu einer der wichtig¬ sten »Energiequellen« geworden: Energie kann durch eine rationelle bzw. effiziente Energieerzeugung eingespart werden. Ver¬ wendet man die bei der Stromerzeugung oder der industriellen Produktion anfallen¬ de Abwärme zur Heizung von Gebäuden im Nahbereich von Kraftwerken, läßt sich

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Energiewirtschaft

durch diese Form der »Kraft-WärmeKopplung« der energetische Wirkungsgrad der Kraftwerke von 35% auf rund 85% steigern. Darüber hinaus gibt es ein erheb¬ liches Einsparpotential durch verbesserte Wärmedämmung der Gebäude. Schlie߬ lich wird auch ein verstärkter Ausbau der nicht erschöpflichen, regenerativen Ener¬ gieträger angestrebt. Die Solarenergie eig¬ net sich v. a. zur Erzeugung von Warm¬ wasser, Heizwärme und Strom direkt beim Nutzer. Für den künftigen Energiever¬ brauch werden auch im Bereich der rege¬ nerativen Energien die Wasserkraft und die Windenergie eine erhebliche Rolle spielen. Wie weit auf die Kernenergie zu¬ rückgegriffen werden kann, ist v. a. auch wegen des Problems der Entsorgung um¬ stritten. Energiewirtschaft: Im weiteren Sinne alle Bereiche, die der Deckung des Ener¬ giebedarfs dienen, im engeren Sinn die Produktion, Verarbeitung und Verteilung von Energie (Elektrizität, Gas, Erdöl). Die E. gehört zu den t Grundstoffindustrien, die für eine industrielle Gesellschaft unab¬ dingbar sind. Das Hauptproblem der E. liegt im beschränkten Vorhandensein von Primärenergie und dem weltweit rasch an¬ steigenden Energieverbrauch. Daneben bereiten v. a. die Standortgebundenheit, die hohen Kosten für Produktionsanlagen, die Verteilung und die Belastung der Um¬ welt Schwierigkeiten, so daß in vielen Län¬ dern die E. verstaatlicht wurde. In der BR Deutschland besteht die E. aus privaten, gemischtwirtschaftlichen und öffentlichen Energieversorgungsunternehmen, die ge¬ mäß dem Energiewirtschaftsgesetz von 1935 unabhängig von ihrer Rechtsform staatlicher Aufsicht unterstehen. Gegen¬ über dem Verbraucher haben diese Unter¬ nehmen eine Anschluß- und Versorgungs¬ pflicht. Problematisch ist die Monopolstel¬ lung vieler Versorgungsbetriebe, die sich hemmend auf die Bemühungen um eine dezentralisierte E. auswirken. Enklave bzw. Exklave ist das Gebiet in¬ nerhalb eines Staates, das zu einem ande¬ ren Staat gehört, ohne mit ihm territorial verbunden zu sein, z. B. das vom Schwei¬ zer Kanton Schaffhausen umgebene deut¬ sche Dorf Büsingen: Es ist aus Schweizer Sicht eine Enklave, da es innerhalb des

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Schweizer Staatsgebietes, von der BR Deutschland aus gesehen eine Exklave, da es außerhalb des Bundesgebietes liegt. Enquete-Kommission [von französisch enquete »Untersuchung«]: Im Unter¬ schied zu den v. a. Mißstände oder poli¬ tisch umstrittene Sachverhalte aufklären¬ den t Untersuchungsausschüssen ist die E.-K. ein von politischer Seite, z. B. vom f Bundestag berufenes Gremium, das nicht nur aus Abgeordneten bestehen muß und das schwierige und umfassende The¬ men (z. B. auswärtige Kulturpolitik, Fra¬ gen der Verfassungsreform, Frau und Ge¬ sellschaft) untersucht, um Vorschläge und Material für künftige Entscheidungen und Lösungen zu erarbeiten. Das Recht, En¬ quete-Kommissionen einzuberufen, wurde durch die kleine Parlamentsreform 1969 in die t Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eingeführt. Eine E.-K. muß einberufen werden, wenn ein Viertel der Mitglieder des Bundestages es beantragt. Enteignung: Der Gebrauch des privaten t Eigentums durch den einzelnen soll zu¬ gleich auch dem Wohle der Allgemeinheit dienen (Sozialbindung). Der Gesetzgeber darf daher Inhalt und Schranken des Ei¬ gentums durch Gesetz bestimmen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies erfordert, das Eigentum gegen Entschädigung zu entzie¬ hen (Art. 14 Abs. 3 GG). Wird das Eigen¬ tum z. B. an einem Grundstück ganz ent¬ zogen, handelt es sich um eine Vollenteig¬ nung. Eine Beschränkung des Eigentums¬ gebrauchs kann dagegen eine entschädi¬ gungslos hinzunehmende Sozialbindung oder aber eine Teilenteignung darstellen; die Abgrenzung ist im Einzelfall oft schwierig. Der Verlust des Zuganges zu ei¬ nem Grundstück z. B. stellt eine E. dar, ei¬ ne Erschwerung des Zuganges jedoch nicht. Ein besonderer Fall ist der rechts¬ widrige Eingriff der t öffentlichen Gewalt in Vermögensrechte, der im Falle seiner Rechtmäßigkeit die Merkmale der E. er¬ füllen würde. Dieser sogenannte enteig¬ nungsgleiche Eingriff verpflichtet ebenfalls zur Entschädigung. Besondere Probleme bieten die in der DDR vorgenommenen Enteignungen. Sie sind nach bundesrepublikanischer Auffas¬ sung häufig rechtswidrig gewesen und sol-

Entkolonisation

len daher wieder rückgängig bzw. in be¬ stimmten Fällen durch eine Entschädi¬ gung wiedergutgemacht werden. Entflechtung ist die Auflösung von Unternehmenszusammenschlüssen; damit soll eine übermäßige I Konzentration wirt¬ schaftlicher Macht, bei der stets die Ge¬ fahr des Mißbrauchs besteht, verhindert werden. - f auch Verflechtung. Entfremdung: Zentraler, allerdings viel¬ deutiger philosophisch-anthropologischer Begriff bei verschiedenen Theoretikern der modernen Gesellschaft, der sich auf gesellschaftliche Prozesse wie psychische Zustände bezieht. In der wohl einflu߬ reichsten Fassung des Begriffs, den Früh¬ schriften (1844) von K. Marx, wird E. als notwendige Folge des t Kapitalismus gese¬ hen. Die Arbeit verliert hier ihren Charak¬ ter, eine wesentliche Ausdrucksform des

Menschen zu sein; sie ist keine unmittelba¬ re Lebensäußerüng und Befriedigung ei¬ nes menschlichen Bedürfnisses mehr; die durch Arbeit geschaffenen Güter treten den Produzenten als eine fremde Waren¬ welt gegenüber, die nicht mehr als selbstgeschaffen begriffen wird. - t auch Arbeit, t Arbeitsteilung. Entkolonisation: Die einvernehmliche oder durch Revolution erfolgende Aufhe¬ bung der Kolonialherrschaft zur Erlan¬ gung der Freiheit für die Einwohner der Kolonialgebiete. E. ist auch die Übergabe der Macht an die vom Kolonialregime ge¬ bildeten einheimischen Kader. Grundlage der E. ist die Frage nach der Rechtmäßig¬ keit der t Annexion überseeischer Gebiete sowie die Überlegung, daß es Aufgabe der Mutterländer sei, die Kolonien zur Selb¬ ständigkeit zu führen. Der zwischen den

Enteignung. Öffentlich-rechtliche Entschädigung und Ersatzleistung bei Eingriffen in das Eigentum

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Entmilitarisierung

beiden Weltkriegen nur langsam einset¬ zende Prozeß der E. mündete in den 1950er Jahren in eine Welle von Unabhän¬ gigkeitserklärungen. Grund und Veranlas¬ sung zur E. waren die Schwäche und der Prestigeverlust vieler europäischer Mächte durch Krieg und Besetzung sowie der wachsende Druck der öffentlichen Mei¬ nung und das steigende Selbstbewußtsein der Kolonialvölker selbst. - t auch Impe¬ rialismus, t Kolonialismus. Entmilitarisierung ist im t Völkerrecht die vertragliche Verpflichtung, in einem bestimmten Gebiet keine militärischen Kräfte, Anlagen und Waffen zu unterhal¬ ten. Sie wird aufgrund gegenseitiger Ab¬ machungen vorgenommen oder dem Ver¬ lierer eines Krieges vom Sieger aufge¬ zwungen (z. B. die E. des Rheinlandes im Versailler Vertrag). Eine entmilitarisierte Zone liegt meist in einem Grenzgebiet und dient als Pufferzone. Auch die Bildung ei¬ ner kernwaffenfreien Zone ist eine Form der Entmilitarisierung. Entschädigung f Enteignung. Entsorgung bezeichnet allgemein die t Abfallentsorgung. Im engeren Sinne meint E. die schadlose Verwertung bzw. geordnete Beseitigung radioaktiver Rest¬ stoffe, die beim Betrieb von t Kernreakto¬ ren anfallen. Nach dem Entsorgungskon¬ zept des Bundes sollten die abgebrannten Brennelemente der Reaktoren zunächst in einem mit Wasser gefüllten Becken zwi¬ schengelagert, in einer Wiederaufberei¬ tungsanlage das noch enthaltene Uran und das neu entstandene Plutonium von den radioaktiven Abfallprodukten getrennt und daraus neue Brennelemente gefertigt werden. Die radioaktiven Abfälle sollen ei¬ ner Behandlung (Konditionierung) mit dem Ziel unterzogen werden, sie zu kon¬ zentrieren und in ein stabiles, endlage¬ rungsfähiges Produkt zu überführen, das in tiefen geologischen Salzformationen endgelagert werden soll. Nachdem sich der Bau der Wiederaufbereitungsanlage im bayrischen Wackersdorf jedoch nicht hat durchsetzen lassen und auch bisher nicht absehbar ist, daß die geplante Endla¬ gerung im niedersächsischen Gorleben po¬ litisch realisiert werden kann, fehlt der in der BR Deutschland vom Atomgesetz ge¬ forderte Nachweis einer Entsorgungsmög¬

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lichkeit, was die Nutzung der Kernenergie problematisch macht. Entspannungspolitik zielt allgemein auf einen Abbau von politischen und mili¬ tärischen Spannungen zwischen Staaten oder Machtblöcken, seit den 1960er Jah¬ ren insbesondere auf eine Verminderung der Spannungen zwischen Ost und West (f kalter Krieg) und die Errichtung einer stabileren Friedensordnung. Der Höhe¬ punkt der E. wurde 1975 durch die Unter¬ zeichnung der Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (t KSZE) in Helsinki erreicht. Die Entspannung darf nicht mit dem Ende der Gegensätze zwischen Ost und West ver¬ wechselt werden. Sie zielte in erster Linie auf die Vermeidung von Konfrontationen und auf Rüstungskontrolle zwischen den Supermächten, um den Frieden sicherer zu machen, nicht auf innenpolitische Wandlungen. Doch sollte auf der Grundla¬ ge eines umfassenden Gewaltverzichts die politische und wirtschaftliche Zusammen¬ arbeit zwischen den Staaten der t NATO und des t Warschauer Pakts ausgeweitet werden und so über den t Status quo in Europa hinausweisen. Seit dem Ende der 1970er Jahre verstärkte sich die Kritik an der Entspannungspoli¬ tik. Gegen sie wurde eingewandt, daß sich die UdSSR, besonders durch ihre unver¬ minderte Rüstung während der Zeit der E., einseitige Vorteile gegenüber dem We¬ sten verschafft habe. Dennoch kam die E., jedenfalls in Europa, weiter voran. Dies lag v. a. an dem Wandel, den die mittelund osteuropäischen Staaten in der zwei¬ ten Hälfte der 1980er Jahre durchmach¬ ten. Nach dem Zusammenbruch der kom¬ munistischen Systeme und, damit verbun¬ den, dem Wegfall des Ost-West-Gegensatzes, erklärten die europäischen Staaten in der t Charta von Paris vom 21. November 1990 die Teilung Europas für überwun¬ den. Mittel der E. sind: 1. Rüstungskontrolle (arms control): Sie zielt auf eine Stabilisierung des Rüstungs¬ gleichgewichts und damit auf eine Be¬ schränkung des Rüstungswettlaufs und sieht in der Existenz eines stabilen militäri¬ schen Gleichgewichts die Voraussetzung für den Frieden. Ergebnisse der verschie¬ denen Verhandlungen sind das f Atomtest-

Entwicklungshilfe Stoppabkommen, der t Atomwaffensperr¬ vertrag, der »Weltraumvertrag« von 1967 (der den Weltraum kernwaffenfrei hält), dem 1971 der »Meeresbodenvertrag« folgte. Ab 1969 fanden zwischen den USA und der UdSSR die t SALT (Strategie Arms Limitation Talks)-Gespräche statt, die 1972 zum Abschluß des SALT-I-Vertrages führten, der eine Begrenzung der Anti-Raketen-Flugkörper-Systeme sowie der strategischen offensiven Nuklearwaf¬ fen enthielt. 1979 wurden im Rahmen der Verhandlungen über (den später nicht rati¬ fizierten) SALT-II-Vertrag die sog. t START-Verhandlungen geführt und ab 1985 bei den Genfer Abrüstungsverhand¬ lungen über die Begrenzung der gleichen Waffentypen gesprochen. Über die Redu¬ zierung der konventionellen Rüstung in Europa wird seit 1973 in Wien bei den t MBFR-Gesprächen verhandelt. Zu we¬ sentlichen Abrüstungserfolgen führten die Verhandlungen über die Mittelstreckenra¬ keten (t INF) und über die konventionel¬ len Streitkräfte in Europa (t VKSE) seit den Veränderungen in der Sowjetunion und den Ostblockstaaten in den Jahren 1989/90. - t auch Abrüstung. 2. Krisenmanagement: Es soll Konflikte noch vor dem Ausbruch der militärischen Feindseligkeiten verhindern oder steuern, z. B. durch »heiße Drähte«, Krisenstäbe, internationale Organisationen. 3. Wirtschaftliche und technische Zusam¬ menarbeit: Sie dient dazu, die wirtschaftli¬ chen Interessen beider Seiten zu fördern, den Handelsaustausch zu vergrößern und ein Netz wirtschaftlicher und technischer Abhängigkeiten zu knüpfen, um die Ge¬ biete der Zusammenarbeit möglichst aus¬ zuweiten. 4. Kultureller Austausch und menschliche Erleichterungen: Hierbei sollen das gegen¬ seitige Verständnis für die jeweiligen kultu¬ rellen Besonderheiten gefördert, Mißtrau¬ en abgebaut und die menschlichen Kon¬ takte verbessert werden. Entwicklung bezeichnet einen Prozeß der Veränderung über einen bestimmten Zeitraum hinweg. 0 Mit der psychischen (seelischen) E. eines Menschen im Laufe seines Lebens befaßt sich die Entwicklungspsychologie, wobei auf der einen Seite biologische Reifungs¬

prozesse (körperliche und seelische Verän¬ derungen) Gegenstand der Forschung sind, andererseits Veränderungen, die auf Umwelteinflüsse zurückgehen, z. B. auf Lernvorgänge (t auch Anpassung, t Sozia¬ lisation). Angelernte Verhaltensweisen, z. B. Reinlichkeit des Kleinkindes oder Spracherwerb, setzen voraus, daß be¬ stimmte körperliche Entwicklungen zuvor erfolgreich abgeschlossen sind (Funktions¬ reifung). Zumeist geht man in der Ent¬ wicklungspsychologie davon aus, daß sich die menschliche E. in der Aufeinanderfol¬ ge verschiedener Entwicklungsphasen vollzieht. Die einzelnen Phasen werden je¬ doch von verschiedenen Theoretikern un¬ terschiedlich festgesetzt und bezeichnet. Von besonderer Bedeutung sind u. a. frü¬ he Kindheit, t Pubertät und das Jugendal¬ ter. Lebensalter und Entwicklungsphasen müssen sich nicht unbedingt entsprechen, da sich die E. von Mensch zu Mensch un¬ terschiedlich vollzieht. Auch dürfen die Entwicklungsphasen nicht als starre, zeit¬ lich fixierbare Schemata aufgefaßt werden. 0 In den Sozialwissenschaften spielt das Begriffspaar Entwicklung/Unterent¬ wicklung eine bedeutsame Rolle. Hierbei handelt es sich um die historische E. von Gesellschaften, wobei vielfach von der An¬ nahme ausgegangen wird, daß die gesell¬ schaftlichen Verhältnisse westlicher De¬ mokratien als allgemeiner Maßstab für E. dienen können. Aus dieser Sicht befinden sich die sog. t Entwicklungsländer in ei¬ nem Zustand der Unterentwicklung, und es erhebt sich die Frage, wie diese Unter¬ entwicklung in der t dritten Welt überwun¬ den werden kann (t Entwicklungshilfe). Davon abgesehen bleibt es eine grundsätz¬ liche Frage, ob die E. der westlichen Staa¬ ten und Gesellschaften eine allgemeingülti¬ ge ist, die auch die Entwicklungsländer durchmachen sollten und nach der sich demzufolge auch die Entwicklungshilfe auszurichten hat, oder ob es so etwas wie eine eigenständige E. dieser Länder geben kann. Entwicklungshilfe: Bezeichnung für al¬ le Maßnahmen privater und öffentlicher, nationaler und internationaler Organisa¬ tionen zur Unterstützung und Förderung der t Entwicklungsländer. 1989 flössen ca. 51,3 Mrd. Dollar öffentlicher Entwick-

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Entwicklungshilfe

Entwicklungshilfe. Öffentliche Entwicklungshilfe westlicher Industrieländer in % des Bruttosozialprodukts (1989) lungshilfeleistungen wie z. B. zinsverbillig¬ te Kredite, nichtrückzahlbare Zuschüsse und technische Hilfsmaßnahmen an die Entwicklungsländer. Der Anteil der E. der westlichen Industrieländer ist jedoch im¬ mer noch verhältnismäßig gering: Für den gesamten Zeitraum der 1980er Jahre ga¬ ben sie durchschnittlich 0,35% ihres t Bruttosozialprodukts für die E. aus; in der BR Deutschland betrug dieser Anteil 1989 0,41%. Die Aufgaben auf dem Gebiet der E. wer¬ den in der BR Deutschland vom Bundes¬ ministerium für wirtschaftliche Zusam¬ menarbeit (BMZ) wahrgenommen; das BMZ führt allerdings selbst keine Projekte und Programme der E. - heute ist auch der Begriff Entwicklungszusammenarbeit gebräuchlich - durch, sondern ist v. a. für Planung, Abstimmung und Verhandlun¬ gen mit den Entwicklungsländern, die Fi¬ nanzierung, Steuerung und Koordinie¬

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rung mit nichtstaatlichen Organisationen sowie die Kontrolle der Verwendung der Mittel zuständig. Neben der bilateralen E. existiert auch eine multilaterale E., wie sie u. a. von der t EG, regionalen Entwick¬ lungsbanken und den t UN betrieben wird. Wesentliche Bereiche der E. sind Landwirtschaft (Ernährungssicherung aus eigener Kraft), Nahrungsmittelhilfe, Was¬ serversorgung und Sanitärwesen, Energie, Bildung, Gesundheitswesen, Bevölke¬ rungspolitik und Familienplanung. Eine besondere Bedeutung hat in den letzten Jahren der Umwelt- und Ressourcen¬ schutz gewonnen, so etwa die Eindäm¬ mung des Raubbaus in den Tropenwäl¬ dern. Trotzdem sind Sinn und Effektivität der E. nicht nur positiv einzuschätzen. Bereits in den 1970er Jahren wurde Kritik an der Praxis der E. laut, die sich angesichts der t Schuldenkrise und der t Hungerkatastro-

Entwicklungsländer phe in den Entwicklungsländern sowie der Vergrößerung des t Nord-Süd-Gefälles noch verschärft hat und heute vielfach in die Forderung nach einer neuen Weltwirt¬ schaftsordnung mündet. In der kritischen Auseinandersetzung mit westlichen Ent¬ wicklungsstrategien wurde das Konzept der sog. Self-reliance entworfen, das auf das eigene Potential der Entwicklungslän¬ der und auf einen für jedes Land individu¬ ellen, den jeweiligen Traditionen angepa߬ ten Entwicklungsweg setzt. Eine Erweite¬ rung dieses Konzepts ist die sog. Collective Self-reliance, die eine stärkere Zusammen¬ arbeit der Entwicklungsländer untereinan¬ der, den Aufbau einer stärkeren (Verhandlungs-)Macht gegenüber den Industrielän¬ dern und eine teilweise Abkoppelung vom Weltmarkt fordert. E. wurde auch als Instrument des f kalten Krieges eingesetzt und diente der Siche¬ rung von Einflußsphären, der Rohstoff¬ versorgung und Exportförderung bzw. Markterschließung der Industrieländer. Daher wurde auch mit Rüstungslieferun¬ gen E. betrieben, was das Konfliktpotenti¬ al in den Entwicklungsländern und den entsprechenden Weltregionen zum Scha¬ den für die ganze Welt in erschreckendem Maße erhöht hat. - auch t Deutscher Ent¬ wicklungsdienst, t Entwicklungspolitik. Entwicklungsländer: Eine einheitliche Definition des Begriffs E. gibt es nicht. Dies liegt an der Vielzahl der Faktoren, die zur Unterentwicklung eines Landes beitragen. Die Bezeichnung E. umfaßt große und kleine, rohstoffarme und roh¬ stoffreiche, in ihrer Innen- und Außenpoli¬ tik unterschiedlich orientierte Staaten, die in ihrem Entwicklungsgrad stark differie¬ ren und - oft unzureichend - mit dem Be¬ griff t dritte Welt umschrieben werden. Aufgrund der geographischen Lage dieser dritten Welt (Afrika, Lateinamerika, Vor¬ der- und Südostasien, Ferner Osten und Pazifikregion) hat man ihr spannungsrei¬ ches Verhältnis zu den reichen und hochentwickelten Industrieländern, die abgese¬ hen von Australien, Neuseeland und Süd¬ afrika auf der nördlichen Hemisphäre lie¬ gen, als t Nord-Süd-Konflikt bezeichnet. Meistens vereinen die E. eine Mehrzahl der folgenden Charakteristika für Unter¬ entwicklung in mehr oder weniger stark

ausgeprägter Form: 1. ungenügende Ver¬ sorgung mit Nahrungsmitteln; 2. niedriger Lebensstandard bei oft extrem ungleicher Verteilung der vorhandenen Güter und Dienstleistungen; 3. hohe offene und ver¬ steckte Arbeitslosigkeit; 4. wenig Bil¬ dungsmöglichkeiten und großer Mangel an qualifizierten Arbeits- und Führungs¬ kräften; 5. unzureichende Faktorausstat¬ tung (Mangel an Rohstoffen und wirt¬ schaftlich nutzbarem Land, ungünstige ökologische Voraussetzungen wie nachtei¬ lige Klimabedingungen, Wassermangel u. a.); 6. niedriges Pro-Kopf-Einkommen; 7. geringe Sparfähigkeit und niedrige Investi¬ tionsquoten; 8. niedrige Kapitalausstat¬ tung und Arbeitsproduktivität; 9. geringe t Diversifikation der Produktionsstruktur, oftmals Monokulturbildung im Exportsek¬ tor und deshalb außenwirtschaftliche Labi¬ lität bei Nachfrage- und Preisschwankun¬ gen ; 10. starke Abhängigkeit der gesamten Wirtschaft (Exporterlöse, Staatseinnah¬ men und Löhne) von der Weltwirtschaft; 11. hohe Agrarquote (Beschäftigung des größten Teils der Bevölkerung in der Land¬ wirtschaft); 12. hohe Konsumquote (d.h. hoher Verbrauchanteil von Nahrungsmit¬ teln und einfachen Konsumgütern); 13. un¬ genügende Infrastruktur; 14. unzureichen¬ de medizinische Versorgung. Die t UN unterscheiden zwischen den sog. LDC (Less Developed Countries) und den LLDC (Least Developed Countries), die inzwischen auch als t vierte Welt bezeich¬ net werden. Die mit Abstand größte Grup¬ pe der vom Wirtschafts- und Sozialrat der UN als LLDC eingestuften Länder liegt in Afrika. Die Weltbank, der wichtigste Kre¬ ditgeber für die E., differenziert zwischen sog. L/C (Low-/ncome Countries) und MIC (Mddle-Zncome Countries), unter¬ scheidet damit nach dem Pro-Kopf-Ein¬ kommen eines Landes. Dieses Kriterium hat jedoch große Schwächen, denn Län¬ der mit ähnlich hohem Pro-Kopf-Einkom¬ men haben nicht ohne weiteres das gleiche Entwicklungsniveau. Dies zeigt sich be¬ sonders bei den t OPEC-Staaten, die auf¬ grund ihres Erdölreichtums teilweise das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt aufweisen, trotzdem aber nur mangelhaft in der Lage sind, sich durch eigenständige Entfaltung der Produktivkräfte mit lebens-

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Entwicklungsländer wichtigen materiellen Gütern und Dienst¬ leistungen zu versorgen. Ähnliches gilt z. T. für die sog. t Schwellenländer oder

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ren Einstufung ebenfalls problematisch ist. Die Situation der E. hat sich in den letzten

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