Physikalisches über Raum und Zeit [4. Aufl.] 978-3-663-15280-4;978-3-663-15848-6

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Physikalisches über Raum und Zeit [4. Aufl.]
 978-3-663-15280-4;978-3-663-15848-6

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Front Matter ....Pages ii-4
Physikalisches über Raum und Zeit (Emil Cohn)....Pages 5-26
Back Matter ....Pages 27-33

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Abhandlungen und Vortrltge aus dem Oebiete der

Mathematik, Naturwissenschaft und Technik 1. Heft. Die Oeh. M. 1,-

neue Mechanik.

Von H. Poincar6. 3. AuBage.

Dle Jllelne Sdlrlft behandelt dle durda ElnfObrung der relatlvlstlsdlen AnldlauunI' bedlngte grDndlegende Umwandluul' der pbysJkallldleu BegriHe Kraft und Malse und beleudltet dle daraus sldI eraebenden Polgerungeu nadl vleleu Selten bln, Insbesondere fOr BBtronomlsdle Prageu. Dle ungemeln Idare, aUe GruudIredanken sdlarf hervorhebende DarsteUung ermGglldlt audl dem Pcmerslehenden eln leldltes Elndrillgen In den so sdlwlerlgen Ston.

2. Heft. Physikalisches ilber Raum Dr. E. Cohn. 4. AuBage. Oeh. M. 1.60

und Zeit.

Vdn Prof.

In I'emelnverstllndlidler Welse wlrd dargelegt, weIdle wlssensdlaftlldlen EJfahrungen zur Aufstellung der ReIatlvltlllstheorie gefOhrt habeu r und weldle Bedeutung dleses nene Prlnzlp lOr unsere physlkallsdle AuHaslung von Rau m und Z e It bat. Dle vorllegende Sdlrlft lzt'atllJidlg bemOht, sdlarf hervorlreten zu lassen, was beohadltbare TatsBdle, wu wtIIkOrUdle Pestsetzung und was notwendlge Polgerung Ist.

3. Heft. Das Relativita.tsprinzip. Bine BinfOhrung in dieTheorie. Von Prof. Dr. A. Brill. 3. AuBage. Oeh. M. 2.Das BUchle,n belchrlnkt alch hauptsllchllch auf den TeU der Theorle, der den Wlderspruch zwlschen der MazweU-Herlzschen Llchttheorle und der EJfahrung zu Qberbrtldlen berulen Ilt. Dle Grunclgieichungen der Theorle eJfahren elne elngehende Behandlung, uud el wlrd an lhueu abgeleltet, wle an Stelle der dreldimensionalen Bewegungsglelchuugeu der kIasslschen Mechanlk dle vlerdlmeuaJonale Impuls-Energleglelchung trltt, und welche Behaudluug damlt der BegrHI "Malse" eJfllhrl. Auch dle neuerdlngs von A. Einstein aufgestellte Tlleorle der Gravitation wlrd In Illngerer Besprechung gewUrdlgt.

Der Hohennersche Prilzisionsdistanzmesser und seine Verbindung mit einem Theodolit (D.R.P. No.277000).

4. Heft.

EinrichtuDg und Oebraudl des Instrumentes fOr die verschiedenen Zwedte der Tadlymetrie; mit Zahlenbeispielen sowie Oenauigkeitsversuchen. Von Prof. Dr.-Ing. H. Hohenner. Mit 7 Abbildungen im Text und 1 Tafel. Oeh. M. 3.20 Dle Abllandlung elbt dle Beschrelbung eines neuen optlscllen EuHemuugsmea.ers, der lm GegenIBtz zu der langwlerlgen und wenlg genauen Messuugsmethode mit Latte uud Band und mit den blsherlgen DistaDzmeslem eln Ichnellea und unl'emeln prlizllea Arbelten ermGgllcht. Nacll theoretllcher Behandlung del Instrumenta wlrd lelne praktlsche Verwendungsmllgllchkelt fOr dle verschledenen Zwedte der Tachymetrle erGrlerl und der Grad der mit d&m Prllzlslonadlstanzmelser errelchbaren GeDluIgkeit an Hand zahirelcher Versuclle abgeleitet. Auf sRmtliche Prelae TeueruuglzuschlRge des Veriagei uud der Buchllandlungen.

Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

PHYSIKALISCHES OBER RAUM UND ZEIT VON

EMIL COHN

VIERTE AUFLAGE

Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1920

NACH EINEM IM NATURWISSENSCHAFTLlCH·MEDIZINISCHEN VEREIN ZU STRASSBURG AM ] 1. FEBRUAR 19]0 GEHALTENEN VORTRAO

ISBN 978-3-663-15280-4 DOI 10.1007/978-3-663-15848-6

ISBN 978-3-663-15848-6 (eBook)

SCHUTZI'ORMEL POR OIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA

© Springer Fachmedien Wiesbaden 1920 Urspriinglich erschienen bei B. G. Teubner in Leipzig 1920

ALLE RECHTE, BINSCHLIESSLICH DES OBERSBTZUNOSRECHTS, VORBBHALTBN

DEM ANDENKEN

ERNST MACHS

Aus der Vorbemerkung zur dritten Auflage. Seit dem Erscheinen der zweiten Auflage hat Einstein seine "allgem e i n e Relativitătstheorie" entwickelt. Ich muBte mich mit einem kurzen Hinweis auf diese Theorie begnOgen. Dem Leser, der weitere Auskunft sucht, sei vor allem die Schrift von Moritz Schlick "Raum und Zeit in der gegenwărtigen Physik" empfohlen. StraBburg i. E., Ostern 1918.

E. Cohn.

Vorbemerkung zur vierten Auflage. Die Aufforderung des Verlags, den Text fOr die vierte Auflage bereitzustellen, trifft mich in dem Moment, wo die Einsteinsche allgemeine Relativităts- und Gravitationstheorie Ihre glănzendste Bestătigung gefunden hat. Von neuem tritt damit die Frage an mich heran, ob ich den Inhalt dieser Schrifl Ober die spezielle Relativitătstheorie hinaus ausdehneR soli. Dieser Teil der Theorie war das Ganze, als die Schrift zum erstenmal erschien. Er bildet heute nur ein Grenzgebiet des unabsehbaren Neulands, das uns erOffnet wurde. Aber er ist der zugănglichste Bezirk geblieben, - und der einzige, der allseitig scharfe Grenzen besitzt. Eine GrenzOberschreitung wOrde nicht mOgIich sein, ohne die Einheitlichkeit der Darstellung zu zerstOren. So habe ich fOr das kleine Werk den ursprOnglichen Rahmen beibehalten. Dem unverănderlen Abdruck der dritten Auflage wurden nur wenige Zeilen angefOgt, die durch Datierung kenntlich gemacht sind. Rostock, Neujahr 1920.

E. Cohn.

Wlssenschaftlich Physik treiben, heiBt: in den Naturvorglingen quantitative Beziehungen auffinden und diese auf den einfachsten Ausdruck bringen. Das eine ist das Werk des Experimentators, das andere das Werk des Theoretîkers. Alle Vorgange verlaufen im Raum und in der Zeit. W i e sie in Raum und Zeit verlaufen, wie die GrOfien, durch die wir sie beschreiben, nach Ort und Zeit ihre Werte ăndern, das haben wir zu untersuchen. Ort und Zeit sind die "unabhlIngigen Verllnderlichen", alle anderen suchen wir darzustellen als Funktionen von diesen. Wenn also Physik als Wissenschaft m5glich sein soU, so ist die erste Bedingung, dafi wir Raum und Zeit selbst quantitativ erfassen Mnnen. Dafi dies ausfuhrbar sei, - daB man jeder Strecke einen bestimmten Wert in Metern. jedem Zeitintervall einen bestimmten Wert in Sekunden eindeutig zuschreiben kOnne, - erscheint selbstverstllndlich. Wir haben lernen mtlssen, dafi dem nicht so ist, und mit dieser Erkenntnis hat unser Raum- und Zeitbegriff sich gewandeIt. Diese Wandlung mOchte ich darlegen.

1. Das Relativitătsprinzip der Mechanik. (Galilei-Newton.) Eine Rugel rotit auf dem Schiffsdeck. Welches ist ihre Geschwindigkeit? Die gegen das Schiff? Das Schiff bewegt sich ia selbstl AIso die gegen die Erde? Aber auch die Erde bewegt sichl AIso die gegen die Sonne? ~ gegen die Fixsterne? - gegen ein x, gegen das die Fixsterne selbst sich bewegen und von dem wir keine Runde haben? Diese Geschwindigkeit hat keinen Sinn, jede der Ubrigen hat einen bestimmten Sinn. "Die Geschwindigkeit der Rugel" ist etwas Bestimmtes, sobald wir festgelegt haben, auf welches System wir sie beziehen wolIen. Ist nun ein "Bezugssystem" und damit eine bestimmte Geschwindigkeit ausgezeichnet? Das ist eine Frage an die Erfahrung. Die Erfahrung antwortet: nicht ein System, sondern eine ganze Gruppe von Systemen. Einen kreisfOrmigen MessingbOgel setzen wir in Rotation um seinell Durchmesser: er plattet sich ab. Ein System von zwei Holzscheiben, die durch eine vertikale SpiraIfeder verbunden sind, lassen wir fallen: die Feder zieht sich zusammen. Wir wiederholen den letzten Versuch, sorgen aber durch Reibung und ein passendes Gegengewicht dafOr, daB sich das System mit tnerklich gleichf5rmiger Geschwindigkeit abwllrts bewegt. Jetzt bleibt die Feder gespannt, wie in der Ruhe. Den beiden ersten FlIllen ist gemeinsam, dafi die Geschwindigkeit verllnderlich war, das eine Mal der Richtung nach, das andere Mal der Gr5fie nachi die Bewegung war "beschleunigt". Bei dem letzlen Versuch hingegen war

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E. Cohn:

die Geschwindigkeit ko.nstant, so.wo.hl der Richtung wie der Grl)Be nach j die Bewegung war "gleichfl)rmig". Das Ergebnis der drei Versuche kOnnen wir o.ffenbar so. aussprechen: der elastische KOrper hat die gleiche Fo.rm, o.b er nun ruht gegenOber der Erde, o.der o.b er ruht gegenuber einem Bezugssystem, das selbst eine gleichfl)rmige Bewegung gegen die Erde besitzt; er hat aber eine andere Fo.rm, wenn er ruht gegenOber einem Bezugssystem, das selbst sich in beschleunigter Bewegung gegen die Erde befindet. In anderer Fassung: ein Beo.bachter, der mit dem Versuchskl)rper zusammen in eine HOlle eingeschlo.ssen ist, wird vo.n der gleichMrmigen Bewegung nichts wahrnehmen, wo.hl aber vo.n der beschleuniglen. Das gleiche gilt vo.n den Wahrnehmungen, die er an sich selbst macht: er spOrt die Bewegung im Karussel, er spUrt das Anfahren und das Anhalten des Fahrstuhls, aber er bemerkt nichls vo.n der gleichfl)rmigen Bewegung des Fahrstuhls. Es gilt ganz allgemein: denken Sie einen Beo.bach1er,der -in seiner irgendwie begrenzlen Welt beliebig viele mechanische Erfahrungen sammelt. Er soli einschlafen, seine "Welt", die bisher ruhte gegen eine gewisse weitere Umgebung, so.l1 in Bewegung gesetzt werden, und er so.lI aufwachen, nachdem die Bewegung gleichfl)rmig gewo.rden isi: Seine neuen Erfahrungen werden den alten gleichen, er wird vo.n dem, was ihm im Schlaf geschehen isi, nie elwas wissen kl)nnen. Ist er aber in beschleunigle Bewegung, elwa in Ro.tatio.n, verselzt wo.rden, so. merkt er, daB eine Verănderung vo.rgegangen ist. Geben wir ihm den Blick frei auf die AuBenwell, so. wird er seine Erfahrungen dahin zusammenfassen, daB die Physik seiner eigenen Welt die gleiche isi fOr alle Bewegungszusllinde, die sich nur durch eine ko.nstante geradlinige, im Obrigen willkurliche Geschwindigkeit gegen die AuBenwel1 vo.neinander unlerscheiden, daB sie aber verschieden ausflillt bei verschieden beschleunigten Bewegungen, insbesondere bei verschiedenen Ro.tatio.nsgeschwindigkeiten gegen die AuBenwelt. Auch hier wird er nicht enlscheiden kOnnen, o.b seine Well sich dreht gegen die ruhende AuBenwelt, o.der ob die AuBenwelt in entgegengesetztem Sinne um die seine kreist. Diese Frage hat keine Anlwo.rt, weil sie keinen Sinn hat. Aber seine Beo.bachtungen werden sich verschieden aussprechen, je nachdem er die eine o.der die andere Welt als das Ruhende betrachtet, und es kann sehr wo.hl sein, daB eine bestimmte Vorstellung ausgezeichnet isi durch die Einfachheit, welche sie dem zusammenfassenden Ausdruck der Erfahrungen, den physikalischen"Gesetzen" verleiht. In d ies e m Sinne kl)nne!l wir "absolute" Drehbewegung definieren. Diesen Sinn hat es, wenn wir den Fixslernhimmel als ruhend und die Erde als gleichfOrmig um ihre Achse ro.tierend betrachten: nur dieser Ansalz gibl uns eine praktisch durchfohrbare Mechanik. Abso.lute gleichfOrmige Translatio.nsbewegung

Physikalisches ilber Raum und Zeit

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aber kOnnen wir in keiner Weise definieren. Zwei sicb gleichfOrmig gegeneinander bewegende Bezugssysteme sind mechanisch voUkommen !quivalent: es sind Aussagen von vollkommen gleichem InhaU, wenn wir einmal A als ruhend, B als bewegt ansprechen, ein andermal B als ruhend, A als bewegt. Im besonderen also: mechanisch ausgezeichnet ist nicht das Pixsternsystem fOr sich aUein, sondern mit ihm die ganze Oruppe aller der Systeme, welche gegen die Pixsterne eine gleichfOrmige Bewegung besitzen, die ganze Pixsterngruppe, wie wir sie nennen woUen. Hiermit ist das "Relativitlltsprinzip" der Mechanik ausgesprochen, das auf Galilei und Newton zurOckgeht.

2.

Das RelattviUitsprinzip der Elektrodynamik. (Lorentz -Einstein.)

Von allen Teilen der Physik ist zuerst die Mechanik ausgebaut worden; es sind Bewegungsvorgllnge, an denen zuerst umfassende Oesetzmll6igkeiten erkannt wurden. Die Prinzipien aber, die sich hier ergeben haUen, erwiesen sich als zuverl:tssige Wegweiser weit ober das Oebiet der Mechanik hinaus. So hat man sich gewOhnt, mechanische Begriffe als Orundbegriffe, mechanische Oesetze als al1gemeine Oesetze der Physik zu betrachten. Da ist es nun auff:tllig, dan sich das Relativitlltsprinzip der Mechanik bei der Strahlung nicht bewllhrt, - bei der Strahlung und somit in der Elektrodynamik; denn dan die Ausbreitung der Strahlung ein eleklrischer Vorgang ist, dOrfen wir seit Heinrich Herlz als sicher begrOndete Erfahrung anseben. Der entscheidende Versuch, den Pizeau zuerst angestellt hat, ist dieser: In einer mit gleichfOrmiger Oeschwindigkeit strOmenden FIOssigkeit mOge sich Licht fortpllanzen in der Richtung der StrOmung. Nach dem Relativillltsprinzip mo6te ein im Strom treibender Beobachter die gleiche Fortpflanzungsgeschwindigkeit wahrnehmen, wie wenn die Flnssigkeit ruhte. Der au6enstehende Beobachter mu6te also die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts um die voile Oeschwindigkeit der Flossigkeit vermehrt finden. (Man denke an die Kugel, die auf dem Schiffsdeck rollt.) Das aber ist nicht der Fali: es kommt nur ein bestimmter Bruchteil derStrOmungsgeschwindigkeit hinzu. Dieser Bruchteil Mngt vom Brechungsexponenten der FIUssigkeit ab. Den Extremfali, mit dem wir uns im folgenden aUein eingehender beschllftigen woUen, haben wir, wenn es sich um ein Oas handelt, das sich vom leeren Raum optisch kaum unterscheidet: da kommt gar nichls hinzu: der au6enstehende Beobachter stellt fest, da6 sich fOr i h n das Licht genau so fortpf1anzt, wie wenn das Gas ruhte. Oder genauer, im engeren Anschlu6 an das Experiment: es pflanzt sich fOr ihn genau so schnell fort in der Richtung der GasstrOmung wie in der entgegengesetzten.

E. Cohn:

Er mufi aIso schliefien, dan fOr einen ge d ach ten Beobachter, der die Bewegung des Gases teilt, die Geschwindigkeit des Lichts sich um den voIlen Betrag seiner eigenen Geschwindigkeit vermindert, wenn beide_ __ _ _ _~~ r, li chi gleichgerichtet sind, und um den gleichen Betrag vermehrf, wenn sie ein~=':'::-=..:=-=~::~=-=.:--=.=~....:-===.::=:==.::-=-=~~ -,,-~ Fl. ander enfgegengerichtet sind. (Fig. 1.) In dem Fali dieses hier nur gedachten mitbewegFig. 1. ten Beobachters im bewegten Luftmeer sind wir nun aber andauernd. Die Erde bewegt sich im Jahreslauf um die Sonne mit einer Geschwindigkeif, die wir in jedem Moment als gleichmrmig betrachten dOrfen, und die ziemlich genau ein Zehntausendstel der Lichtgeschwindigkeit betrl1gt. Also mofiten wir an optischen (allgemein an elektrischen) Vorgl1ngen, die sich an der Erdoberfll1che abspielen, die Bewegung der Erde erkennen kOnnen. Denken A' A" B' Sie (Fig. 2) einen Lichtstrahl, der in der 1 -+ ---:0-. Richtung der Erdbewegung von A nach B Inuft: er durchll1uft im Weltraum einen ,, > Hlngeren Weg und braucht entspreFig. 2. chend mehr Zeit. Er werde in B gespiegelt und kehre nach A zurOck. Jetzt ist der Weg kOrzer als BA; aber der Gesamtweg ist, wie eine einfache Rechnung zeigt, durch die Erdbewegung verll1ngert. Ein zweiter Strahllaufe (Fig. 3), senkrecht zur Erdbewegung, von A nach C und werde ebenfalls nach A reflektiert. Auch sein Weg ist vertl1ngert, aber, wie aus der Rechnung folgt, weniger als der Strahl ABA. Im ganzen also: wenn die Strahlen nach B und C gleichzeitig von A ausgehen, und wenn A B und AC genau gleich lang sind, so kommt doch der erste Strahl spnter nach A zurock als der zweite. Jetzt werde der ganze Apparat um 90 Grad gedreht, so dan nun der Arm A C in der Richtung der Erdbewegung liegt, A B senkrecht dazu. Nun ist der Strahl A C in der Ankunft verspl1tet. c Die Drehung moHte also eine Vernnderung der be9bachteten Erscheinung (des Interferenzbildes) hervorrufen (F.ig.4).1) Der Versuch ist zum erstenmal ausgefohrt worden von Michelson. II In den neuesten Versuchen waren die Ungen so bemessen, dafi die Drehung ebenso wirken

---

1) Bei A befindet sich eine Olasplatte, die den ankommenden Strahl nach B und C teilt und die refiektierten Strahlen wieder vereinlgt.

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A"

rhysikalisches ilber Raum und Zeit

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muBte wie eine Verll1ngerung des einen Lichtwegs um rund ein tausendstel MiIlimeter. Oemessen werden konnten mit aller Sicherheit Verll1ngerungen um ein Hundertstel dieses Betrages; aber auch dieses Hundertstel war nicht vorhanden. - Nach dieC sem sind noch eine Reihe anderer optischer und elektriseher Versuche angestelIt worden, die an irdischen Vorgl1ngen einen Einf1uB der Translationsbewegung der Erde naehweisen sollten. Ausnahmslos war das Ergebnis negativ, obgleich der zu erwartende B Effekt der Beobaehtungnicht hl1lte entgehen kOnnen. Alle diese Verfig . 4. suche verliefen also so, als ob das II Relativitlltsprinzip der Meehanik aueh in der Elektrodynamik gl1lte, wl1hrend es nach dem Fizeausehen Versueh ni e h t gilt. Hier liegt ein Widerspruch vor, der unlOsbar seheint. Die LOsung, welche gegenwl1rtig die herrsehende Arbeitshypothese der Physiker bildet 1), lautet: Das Relativitl1tsprinzip gilt tatsl1chlich auch optisch-elektrisch. Der mitbewegte Beobachter kann in keiner Weise seine gleiehfOrmige Bewegung feststellen. Auch optiseh-elektrisch also existiert kein ausgezeichnetes Bezugssystem, miltels dessen "absolute Bewegung" und "absolute Ruhe'4 definierbar wll.re. Wenn der ni c h tmitbewegte Beobachter einen EinfluB der Bewegung far den mitbeweg~ ten Beobachter festzustellen vermeint, den dieser selbst ni c h t wahrnimmt~ so liegt das daran, daB beide Beobachter mit verschiedenem MaB messen, daB es verschiedene Dinge sind, die sie als identische Zeiten, gleiehe Zeitintervalle und gleiche Ungen ansprechen. Dieses Relati v itl1tsprinzip der Elektrodynamik, das als "Lorentz-Einsteinsches" bezeichnet wird, wollen wir jetzt entwickeln. Aus der unendlichen FOlie der Erscheinungen heben wir zunl1chst diejenigen heraus, die sich im leeren Raum abspielen. Hier kennen wir nur einen elektrodynarnisehen Vorgang,.- eben den, dem unsere letzten Betrachtungen gaIten: die Ausbreitung der Strahlung. Sie soll- so verlangt das Prinzip - fUr den einen wie fUr den andern Beobaehter gleichfOrmig nach allen Riehtungen erfolgen und far beide Beobachter mit derselben Geschwindigkeil. Da erhebt sich zunl1chst die Frage: wie messen wir denn eine Gesehwindigkeit? wie messen wir die Zeitdauer 1) Eine kurze Besprechung anderer denkbarer LOsungen s. S. 201.

10

Il. Cohn:

eines Vorganges, der sich ober ein auch râumlich ausgedehntes Oebiet erstreckt? Ein SchOtze mOge etwa die Zeit zu beslimmen haben zwischen dem Abfeuern und dem Einschlagen des Oeschosses. Beurteilt er das Einschlagen nach dem OehOr, so muB er die Zeit berOcksichtigen, die der Schall braucht; andernfalls wOrde er einen vollstândig falschen Wert fOr die Flugdauer seines Geschosses erhalten. Das Ideal wâre ein zeitloses, unendlich schnell sich fortpflanzendes Signal. Aber das existiert nicht. Die schnellslen Signale, die wir kennen, sind Lichtsignale im leeren Raum, - prakt.sch gleich auch in der Luft. Und so haben wir denn auch kein genaueres Verfahren, Zeitwerte von Ort zu Ort mitzuteilen, als Lichtsignale. In der Regel dOrfen wir bei physikalischen Messungen die Ausbreitung des Lichts als zeitlos behandeln, durchlâuft es doch 300000 Kilometer in der Sekunde. Aber das isi offenbar nicht mehr zulâssig, wenn die zu beobachtende Erscheinung mit âhnlicher Oeschwindigkeit fortschreilel, also vorerst nicht bei der Untersuchung der Lichtausbreitung selbsi. Hier, scheint es, geraten wir in einen bedenklichen Zirkel: wir mOssen die Obertragungszeit eines Lichtsignals kennen, um die Lichlgeschwindigkeit messen zu kOnnen. Oanz so schlimm steht es nicht. Die Lichtgeschwindigkeit wird auf der Erde 1) so bestimmt: Ein Lichtsignal wird von A nach B gesandt, in B gespiegelt und nach A zurOckgesandt; die Gesamtzeit wird in A beobachtet und in die doppelte Entfernung AB dividiert. Es sind al50 Zeiten nur an ei ne mOrt zu beobachten. Auf solche Weise konnte - das wurde soeben besprochen -- mit âuBerster Genauigkeit festgeslellt werden, dafi die Zeit fUr Hin- und Ruckweg, oder mit andern Worten die mittlere Geschwindigkeit fOr Hin- und ROckweg unabhângig ist von der Richlung der durcblaufenen Strecke. Und allgemeiner: unter den zahllosen Beobachtungen, die auf d:e~em Gebiet ang€stellt sind, isi keine einzige, die uns zu der Annar.me nOt:gte, die Lichtzeit fOr einen beliebigen Weg, der von A ausgehend nach A zurOckfohrt, hinge aufler von der Lânge auch noch von der Oestalt des Weges ab. AJso allgemein: for jede geschlossene Bahn dOrfen wir erfahrungsmllfiig die mittlere Oeschwindigkeit als konstant ansehen. - Wenn wir aber etwas aussagen wollen ober die Oeschwir.digkeit auf dem Wege AB, so mOssen wir eine Voraussetzung machen: daB das Licht sich mit der gleichen Oeschwindigkeit von A nach B und von B nach A forlpilanzl. Diese Voraus1) Nur die "terrestrischen" Methoden kommen hier in Betracht; die "astroIlomischen" Methoden kOnnen erst verstanden werden, wenn wir die Prinzipien, die hier entwickelt werdt:n sollen, bereits besitzen. Das gleiche gitt von dem Verfahren, das zuniichst als das prinzipiell eillfachste erscheinen mag: Herstellung zweier absolut gleicher Uhren von idealer Ablesungsgenauigkeit und Oberfullrung uerselben auf die zwei Beobachtungsstationen.

Physikalisches iiber Raum und Zeit

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selzung machen wir nun latsâchlich stels, ohne sie der Erwâhnung wert zu halten: wir nehmen ganz allgemein an, das Licht pflanze sich nach allen Richlungen gleichfOrmig fort. Sobald wir das tun, haben wir aber auch sofort eine Melhode von grOBter Genauigkeit, um Zeiten an verschiedenen Orlen aufeinander zu beziehen: Der Synchronismus einer StraBburger und einer Kehler Uhr, die vorher aut gleichen Gang geprllft seien, kann und soli so hergestellt werden. Stral3burg sendet zur Zeit O ein Lichtsignal nach Kehl, das dort gespiegelt wird; es sei zur Zeit 2 nach StraBburg zurOckgekehrt. Die Uhr in Kehl geht dan n richtig, wenn sie im Moment der Signalankunft die Zeit 1 zeigte, und ist andernfalls um die Differenz zu korrigieren. Wenn wir so, wie hier mit der Kehler Uhr, mit allen mOglichen Uhren auf der Erde verfahren, so is t nun die Lichtausbreitung gleichfOrmig far den Bewohner der Erde. 1) Denken wir uns nun aber ein Wesen mit menschlichem Intellekl auf der Sonne, - oder, allgemeiner gesprochen, ein Wesen, welches die Bewegung der Erde nicht mitmachl, sondern seine Lage gegen die Sonne unverândert beibehâlt. Diesem "Sonnenmenschen" kann nichls năher liegen, als die Lichtausbreitung als gleichfOrmig anzusehen f il r si ch. d. h. gegen die S o n n e. Er findet sie latsâchlich gleichfOrmig, sobald er sich nach demselben Prinzip wie der Erdenmensch, aber gemăIl seinen eigenen Beobachlungen einen Salz "synchron laufender" Uhren hergestellt hal. Aber er findet dann notwendig, wenn er sich neben eine seiner Uhren stellt und nacheinander die vorbeieilenden irdischen Uhren betrachtet, daU diese verschiedene Differenz gegen seine Uhr zeigen, und daU sie folglich ni c h t synchron sind. Und das gleiche nimml der Erdenmensch an den Uhren des Sonnenmenschen wahr. Genauer: die Erde bewege sich in der Richlung A'B' (Fig. 2); ein Lichlslrahl gehe von dem Punkt Ader Erde aus, wenn A miI A' zusammenfălit; er erreiche den Punkt B der Erde, wenn B mit B' zusammenfăIII; er werde hier nach A reflektiert und erreiche diesen seinen Ausgangspunkt, wenn er mit A" zusammenflillt. Dann isi der Weg bis zum Spiegel die Hă/fte des ganzen Weges fOr den Erdenmenschen, aber mehr als die Hălfte far den Sonnenmenschen. Geselzt also, die Sonnenuhr in A' und die irdische in A stimmlen oberein; dann muB die Sonnenuhr in B' vorgehen gegen die irdische Uhr in B, wenn beide aneinander vorbeigleiten. Lassen wir aber den Lichtstrahl senkrecht zur Bewegungsrichtung nach C gehen (Fig. 3) und ebenfaIls reflektiert werden, dann beschreibt er gegen die Erde den Weg ACA, gegen die Sonne den Weg A'C'A". Der eine Weg wird in C, der andere in C' halbiert. Die 1) Nach Konstruktion filr das Zentrum Stra6burg und nach den besprochenen dann tatsachlich filr jelles Zentrum.

Erfahrung:.sătzen

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E. Cohn:

Uhren in C und in C' stimmen also oberein, wenn die Uhren in A und in A' es tun. Das zieht eine weitere Differenz als Folge nach sich: Wir bewegen uns mit einem Melerstab, den wir in der Richtung der Bewegung halten. Miltels dieses Stabes sollen wjr auf einem gegen die Sonne ruhenden Stab ein Meler abgrenzen. Dazu mOssen wir von den Enden unseres Slabes aus gleichzeitig Marken einschneiden. Machen wir etwa die Marke am vorderen Ende spater als am hinteren Ende, so grenzen wir me h r als ein Meter ab. Wir begehen nun diesen Fehler tatsachlich nach dem Urteil des Sonnenmenschen, wenn wir nach unserem Urteil ober gleiche Zeiten richtig verfahren. Diese Diskrepanz bestehl ni c h t, wenn der Stab senkrecht zur Bewegungsrichtung gehalten wird. Nehmen wir gleichzeitig zwei gekreuzle Meterslabe: die Figur im Sonnensystem, die wir far kongruent mit diesem gleicharmigen 'Kreuz erklaren, findet derSonnenmensch ni c h taIs gleicharmig; der Arm in der Bewegungsrichtung ist nach seinem Urteil langer. Oder umgekehrt: was, mit der Sonne verbunden und von der Sonne aus vermessen, sich als Kugel ergibt, das ist fOr unsere Beobachtung ein in der Richtung der Erdbewegung abgeplalteter KOrper. Wir sind noch nicht am Ende. Betrachten wir nochmals die Fig. 3. De r s e I b e Vorgang stellt sich fOr den Erdenmenschen als Lichtausbreitung ober den Weg ACA, fOr den Sonnenmenschen als Lichtausbreitung aber den der Figur nach 111ngeren Weg A' C' A" dar. Es sollen aber - so haben wir gefordert - der Er.denmensch und der Sonnenmensch d ies e I ben Erfahrungen machen; beide sollen also auch den gleichen Wert der Lichtgeschwindigkeit finden. AIso mOssen beide schliefilich auch noch verschiedenes Zeitmafi haben; ihre Uhren mOssen verschiedenen Gang besitzen. Wir haben bisher, und zwar lediglich qualitativ, gezeigt, zu welcher Art von Konsequenzen das Relativitl1tsprinzip uns zwingt. Wir haben nicht gezeigt, dafi sich alle Forderungen, die bezaglich der Lichtausbreitung im Vakuum aus dem Prinzip fliefien, auch streng befriedigefl' lassen. Das is t der Fali, und es ist nur auf eine Weise mOglich. Zunl1chst noch einmal das Postulal: "For jedes der beiden Systeme ist dieLichtausbreitung im leeren Raum der gleich e Vorgang; mit gleicher Geschwindigkeit und jedesmal gleichfOrmig nach allen Richtungen. Keines der beiden Systeme ist vor dem andern ausgezeichnet." Dieses Postulat la6t sich mathematisch sehr einfach formulieren. Die LOsung bildet eineGruppe einfacher Beziehungen zwischen den Koordinaten und Zeiten der beiden Systeme. Diese sind im Anhang gegeben. Was dort die Gleichungen aussagen, das wollen wir uns hier am Modell klarmachen (Fig. 5).

Physikalisches liber Raum und Zeit

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Hine aber zwei Rollen laufende endlose Schnur, die wir in Bewegung set!en werden, soli uns durch die FortfUhrung einer auf den einen odet anderen Tei! der Schnur aufgesetzten Marke (L) die Fortpflanzung eines Liehtsignals in der einen oder andern Richtung darslelIen. Das Zimmer und die in ihm fesl aufgeslellten zwei Uhren SI und Si gehOren dem "ruhenden'~ System der Sonne an. Der auf Schienen laufende Wagen mit seinen zwei Uhren El und E2 bilde das "bewegle" System der Hrde. AUe Bewegungen: die des Lichtsignals, des Wagens, der Zeiger der

L

zweierlei Uhren, werden von derselben Achse aus getrieben; ihre Oeschwindigkeiten stehen in fest gegebenen Verhăltnissen. Nur auf diese Verhâltnisse kommt es an: daB wir die ungeheure Lichtgeschwindigkeil durch eine Oeschwindigkeil von nur wenigen Zentimetern in der Sekunde ersetat haben, isi unwesentlich; wesentlich aber isi, daB hier die Erdgeschwindigkeit gleich % der Lichtgesehwindigkeil gemaeht isi, wâhrend das Verhâltnis in Wirklichkeit nur 1/ 10000 belrâgt. Wir wollen, lediglieh der bequemen Verslândigung wegen, die Umlaufszeil einer Uhr ,,12 Stunden" nennen und Gementspreehend von 1 Uhr, 2 Uhr spreehen. Bezuglich der Llingen bleiben wir beim Spraehgebraueh. Wir konstatieren dann, daB irgendeine Marke an unserm Wagen die 60 em lange Streeke zwischen den beiden himmlisehen Uhren in 10' /~ Siunden zurUeklegt. Diesalso ist an unserm Modell und in unserer Spraehe die Oesehwindigkeit der Erde gegen die Sonne. Wir sind gegenUber diesem Modell in der Welt des "Sonnenmensehen". Wir kOnnten daher von den zwei Uhren des Sonnensystems eine entbehren, denn was in unserer Welt idenlisehe Zei ten an verschiedenen Orten sind, erkennen wir unmitlelbar vermOge der wirklichen Lichlsignale. Aber um die Erfahrungen des Sonnenmenschen und nu r diese zu machen, mUssen und wollen WiF von dieser Fâhigkeil abstrahieren; eine grOBere Signalgeschwindigkeit als die der Marke auf der Schnur existiert ja fUr ihn niehl. DaB also die beiden Uhren des Sonnensystems synehron sind, das wird fur uns nichl durch den gleiehzeitigen Blick auf ihre beiden Zeiger, sondern vielmehr dadurch bewiesen, daB die Liehtmarke die gleiche Zeit brauchl,

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E. Cohn:

um von der ersten zur zweiten Uhr vorzulaufen, wie zum RQekweg VOR der zweiten zur ersten Uhr. Das ist nun tatslichlich der FaU: die Lichtmarke verll1fit die erste Uhr, wenn diese 12b zeigt, erreicht die zweite, wenn diese 7b 40m zeigt, und ist, l;ofort zur Umkehr veranla6t, wieder bei der ersten Uhr angelangt, wenn diese 3h 20m zeigt. Sie hat also den Weg von 60 cm jedesmal in der gleichen Zeit von 7% StuntJen zurOckgelegt. Was Ihnen nun beim ersten Blick auffallen wird, das ist, da6 die beiden Uhren des irdischen Systems n ich t gleiche Zeit zeigen: die

rig.6

zweite Uhr - die vordere im Sinne der Bewegung - geht um 5' /4 Stunden nach gegen die ersteOl) Das ist so fOr unl;ern Blick und worde sich auch so ergeben fOr den Sonnenmenschen: eine bei Teilstrich 40 des Sonnenmafistabes gedachte Uhr Ss mofite ja in der dargestellten Lage der beiden Systeme auch 12 h zeigen; beim VorObergehen wOrde also EI mit Slt aber nicht E2 mit Ss Obereinstimmen, obwohl SI und S3 gleiche Zeit zeigen. Aber 50 ist der Synchronismus der beiden irdischen Uhren ia nicht verstanden. Sie sol\en synchron sein fOr den irdischen Beobachter, der sich mit einer ganz bestimmten Geschwindigkeit - S;~ der Lichtgeschwindigkeit - gegendas Sonnensystem bewegt. Und fOr ihn sind sie tats:tchlich synchron. Der Beweis liegt in folgendem (Pig. 6):2) Die Lichtmarke verlăfit die erste Uhr, wenn diese 12h zeigt; sie hoit die :zweite Uhr ein in dem Moment, wo diese 7b 40m zeigt, und sie begegnet zurOckkehrend der ersten, wenn diese 3h 20 m zeigt. Die Zeiten fOr Hinund Rockgang sind also wiederum einander gleich, nl1mlich wiederum je 7% Stunden. Der Mafistah des irdischen Systems ergibt ferner wiederum 60 cm als Abstand der beiden Uhren, und somit ist die Geschwindigkeit des Lichts im irdischen System wieder die gleiche wie im Sonnensystem: 60 cm in 7% Stunden. Aber ist denn unser irdischer Mafistab rich tig? Der unmiUelbare Augenschein sag!: Nein, er ist verkOrzt; die angeblichen ,,60 cm" decken nur 40 cm des danebenliegenden Sonnenmafistabes. Dieses Urteil besUltigt sich, Wenn wir, auf unsere "obermenschlichen" Pl1higkeiten verzichtend, uns der Messungsmethode bedienen, die dem Sonnenmenschen 1) Die Zahlen sind ein wenlg abgerundet. 2) In den Figuren 6 bis 10 sind jedesmal nur die lOr den betreflenden Versuch wesent1ichen Teile des Modells stark gezeichnetj daneben sind andere Teile schwach angedeutet, um die Orientierung :zu erleichtern.

Physikalische$ iiber Raum ulld Zeit

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allein zur VerfOgung stehtj er mu6 von zwei Stellen aus Marken auf dem vorUbergleitenden Erdenma6stab eirisehlagen, und zwar g le i e h zei t i g, d. h. in Momenten, wo zwei dort befindliehe Sonnenuhren gleiehe ZeU zeigen (Fig. 7). Was er so von den Stellen der zwei festen Uhren aus abtrl1gt, das deklariert der irdisehe Ma6stab als ,,90 cm", wl1hrend die beiden Sonnenuhren doeh laut Sonnenma6stab nur um 60 em voneinander abstehen. Aiso wie oben: der irdische Ma6stab ist gegen den himmlisehen verkorzt im Verhl1ltnis 2 zu 3. Es seheint also, wir 10 110 2,0 3,0 4,0 6,0 6,0 7,0 8,0 9/0 haben einen wunderlichen Konstruktionsril:. 7. ErdenrnaBs'ab. fehler begangen, um ein dann nieht mehr verwunderliehes Resultat zu bekommen. So steht es nieht. Wir Mnnen mit genau dem gleiehen Reeht behaupten, der himmlisehe Ma6stab sei gegen den irdisehen im Verhl1ltnis 2 zu 3 verkOrzt. Wir erhalten dieses Resultat, wenn wir die Messung dureh den irdisehen Beobaehter vornehmen lassen (Fig. 8). Oieser hat von zwei Stellen aus, wo er in unserem Modell Uhren besitzt, Marken auf dem vorUbergleitenden himmlisehen Ma6stab einzusehlagen zu Momenten, wo diese seine Uhren eine und dieselbe Zei!

I

SonnenmaBslab.

Ilo

o

2,0

J

o

2 ,0

30 4

310

4,0

0,0

6,0

o Fig. 8.

zeigen, sagen wir 12h• Ilie erste Uhr passiert in diesem Moment gerade den Nullpunkt des Himmelsma6stabesj wenn die zweite Uhr ebenfalls 12h zeigt, ist sie bei Teilstrieh ,,90 em" angelangt. Die beiden irdisehen Uhren stehen aber laut Erdenma6stab nur 60 em voneinander ab. Diese Entfernung hat also der Erdenbewohner obertragen, wahrend der himmIisehe Ma6stab sie als 90 em deklariert. AIso: dem Sonnenmensehen erseheinen die irdisehen, dem Erdenmensehen die himmlisehen Ma6stl1be in der Bewegungsrichtung verkllrzt im Verhl1ltnis 2 zu 3, iedesmal gegenober den Wertungen, welche diese Ma6stl1be in ihrer eigenen Welt erfahren.

E. Cohn:

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Aber weiler: haben denn unsere Uhren richligen Gang? Bin Blick zeigt uns, da8 die irdischen Uhren langsamer laufen als die himmlischen. Und so wird auch der Sonnenmensch aussagen, der mit uns in der gleichen Welt lebl, aber unsern schnellen Blick entbehren muS. Br beObachtet den Stand einer irdischen Uhr zu zwei verschiedenen Zeiten, - - - - --- - -' -----,

Ii

'--'-_-'-_'--_.L.~

II

_

Fig. 9.

d. h. er vergleicht ihn mit dem Stand seiner beiden Uhren, wahrend sie an diesen vorQbergeht. Br findet so (Fig. 9): Der Zeiger der irdisehen Uhr isi, wahrend sie von der erslen bis zur zweiten himmlischen Uhr - durch 60 em - sich bewegt, um 7 Stunden vorgerQcktj die An~ gaben der beiden himmlischen Uhren in den 81 92 MomenlenderVorObergl1nge aber differieren um 10 1/ 2 Stunden. Br schliel3t also: ein Breignis, das sich in einem bestimmlen Punkl der Erdenwelt abspielt und dessen Dauer dori mit Fig, 10.

O

7 Stunden gewerlel wird, das hal E.l "In Wirklichkeit" lOII! Stunden gedauert. Und wiederum: wie die irdischen Uhren zu langsam gehen naeh dem Urteil des Sonnenmenschen, so gehen die Sonnenuhren zu langsam im gleichen Verhaltnis 2 zu 3 nach dem Urteil des Brdenmenschen. Denn er beobachlet folgendes (Fig. 10): Bine himmlische Uhr (die zweite im Model\) gleitet an den beiden irdischen Uhren vorbei, die f Qr i h n synchron sindj wahrend dieser Bewegung lauft die himmlische Uhr nur um 1/. soviel fort wie im vorigen Versuch, namlich um 7 Stundenj die beiden lrdischen Uhren aber differieren in den Momenten der VorQbergange um 10 1/, Stunden. Also: dem Sonnenmensehen erscheinen die irdischen, dem Brden-

Physikalisches iiber Raum und Zeit

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menschen die himmlischen Vorgllnge in ihrem Ablauf verlangsamt im Verhllltnis 2 zu 3. Wir fassen zusammen. Was wir an unserm Modell gezeigt ha ben, ist dies: Wir k On n e n die Uhren und Mafistllbe in zwei gleichfOrmig gegeneinander bewegten Systemen S und S' so einrichten, dafi, an ihnen gemessen, eine bestimmte Geschwindigkeit den gleichen Wert zeigt fUr den Beobachter B in S wie far den Beobachter B' in S', mag nun diese Geschwindigkeit mit der Bewegungsrichtung von S' zusammenfallen oder ihr entgegengerichtet sein; und dafi ferner B an den Mefiinstrumenten in S' die gleichen Beobachtungen macht, wie B' an den Instrumenten in S. Es mOgen nun ferner alle Uhren in S', die in einer zur Bewegungsrichtung senkrech ten Ebene Iiegen, die gleich e Differenz gegen die entsprechenden Uhren in S erhalten, und alle Mafistllbe in einer solchen Ebene in S' gleich beziffert werden wie die MaBstabe in S, mit denen sie zur Deckung kommen. Dann gilt das Gesagte allgemein: fUr jede Richtung der Geschwindigkeit und fUr bel i e b i g gelegene Uhren und MaBstllbe. Also bei geeigneter Einrichlung von Uhren und MaBstaben gilt: "Ein Vorgang, der von S aus als gleichfOrmige Ausbreitung irgendeines Zustandes nach allen Richtungen mit der bestimmten Geschwindigkeit c erscheint, erscheint genau ebenso von S' aus; - und keines der beiden Systeme ist dem andern gegenuber bezUglich seiner Raumund Zeitmessung ausgezeichnet." (Satz 1.) Das Vorstehende ist ein rein mathematischer Satz; er wird bewiesen durch die im Anhang mitgeteilten Formeln oder durch un ser Modell. Physikalischen Inhalt erhlilt er durch die folgenden Satze, in die wir nunmehr das Seite 9 ausgesprochene Lorentz-Einsteinsche Relativitlltsprinzip der Elektrodynamik auflOsen kOnnen: "Es gibt ein System - das der Erde -, fUr welches die Lichtausbreitung im leeren Raum erfahrungsmaBig gleichfOrmig ist, sobald mall t1ur identische Zei ten an verschiedenen Orten in geeigneter Weise definiert. Nach Satz I kOnnen wir fordern und erzwingen, daB der gleiche Vorgang auch in jedem andern System der Fixsterngruppe als gleichfOrmige Ausbreitung mit der gleichen Geschwindigkeit c erscheint. Das kann aber nur so geschehen, dafi Zeiten und Langen in den verschiedenen Systemen verschiedenes Mafi haben, dafi Gleichzeitigkeit und gleiche Ungen in einem System nicht auch Gleichzeitigkeit und gleiche Lllngen in den anderen S}'stemen bedeuten. Die Beziehungen zwischen den Zei ten und Ungen aller Systeme sind durch die Forderung vOllig festgelegt. Und sofern nun jeder Beobachter mit den Uhren und Mafistaben selnes Systems mifit, verlaufen alle elektrischen - und. im besonderen also alle optischen - Vorgllnge (;0 h II, Physikalisches flber Raum Ulld ZeII. 4. Aufl.

2

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E. Cohn:

so, da6 kein Unterschied zwischen den verschiedenen Systemen merkbar wird." (Satz 11.) Die PrOfung dieser Behauptung gestaltet sich folgenderma6en: Alle unsere Erfahrungen beruhen auf Beobachtungen, die von einem bestimmten System der Fixsterngruppe aus gemacht sind, - von der Erde. Zu diesem System geMren unsere Ma6sUlbe, unsere Uhren. Mit diesen Ma6sUlben und Uhren legen wir zunachst fest, wie optischelektrische Erscheinungen in gegen die Erde ruhenden KOrpern quantitativ beschaffen sind. Unser Prinzip nun behauptet: genau dieselbefl' Gesetze findet der Bewohner eines anderen Systems far die Erscheinungen in seinem System, sofern er mit seinen Mal3staben und Uhren wertet. und es gibt uns zugleich an, wie wir umzuwerten haben, um zu erfahren r wie uns diese ErsGheinungen entgegentreten mOssen. Ein Beispiel: Wir wissen, da6 das Licht von einer (gegen uns) ruhenden, im Vakuum befindlichen Lichtquelle sich nach allen Richtungen gleichfOrmig mit der Geschwindigkeit c = 300000 km/sec fortpflanzt. Genau so mu6 also die Lichtausbreitung von einem Fixstern vor sico gehen far einen Bewohner des Fixsterns. Dann ergibt die Umwertung nach dem oben Gesagten: auch far uns erfolgt sie gleichfOrmig mit der Geschwindigkeit c. Aber sie ergibt weiter: die Richtung der Strahlung~ die zu uns gelangt, falIt nicht in die Verbindungslinie Stern-Erde. Der Fixstern erscheint uns also nicht an seinem wahren Ort, sondern seitlich verschoben, und zwar gerade in der Richtung und in dem Betrage r wiees die sogenannte Aberration uns tatsachlich zeigt. 1) Ein zweites BeispieI: Wir wissen, wie das Licht sich in ruhendem (for uns ruhendem) Wasser fortpflanzt: gleichma6ig nach allen Richtungen, und mit einer Geschwindigkeit q, die der Quotient aus der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum und dem Brechungsexponenten n des Wassers ist. Wie pflanzt es sich nun in einer Wassersaule fort, die (gegen uns) die Geschwindigkeit w hat? Far denjenigen, der im Wasser treibt, genau ebenso. MOge nun etwa speziell die Fortpflanzung in der Richtung der StrOmung staUfinden. Dann kOnnten wir die Umwertung. far unsere Wahrnehmung miUels unseres ModelIs ausfOhren, indem wir der Lichtmarke die Geschwindigkeit q (staU wie bisher c) gegen das bewegte System erteilten und dann nachsahen, welche Geschwindigkeit ihr im ruhenden System zukommt. Es wQrde sich zeigen, da6 dies nicht q ist, aber auch nicht die Summe aus q und der StrOmungsgeschwindigkeit w, sondern ein gewisser miUlerer Wert, namlich gerade der, den Fizeau experimentell gefunden hat. 2) 1) Die Ausrechnung siehe im Anhang. 2) Die Ausrechnung siehe im Anhang.

Physikalisches iiber Raum und leit

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Wie in diesen Beispielen, so steht es aUgemein: es gibt keinen optisch-elektrischen Vorgang, der mit dem Relativitătsprinzip in Widerspruch sUlnde. Eine andere Frage aber ist, wie weit das Prinzip durch unsere Erfahrungen bewiesen ist. Da ist zu bemerken: die Umwertung enthăIt zwei SChritte, erstens die von Punkt zu Punkt wechselnde Vers c h i e bun g der Zeitskalen, zweitens die Verănderung der Z e it i n te rvalle und MaBstâbe. Aber diese beiden SchriUe wirken in sehr verschiedenem MaB zum Resultat mit. Das hăngt so zusammen: Das Verhăltnis der KOrpergeschwindigkeit w zur Lichtgeschwindigkeit c ist stets ein sehr kleiner Bruch - etwa 1/10000 im FaU der Aberration, und weniger als 30

M-:rIOnen im FaU des stromenden Wassers. I

Mit diesem Bruch ver-

gleichbar - "von dieser GrOBenordnung" - sind die verhăltnismăBigen Abweichungen, die die Zeitverschiebung hervorruft; sie sind mit den feinsten optischen HilfsmiUeln noch meBbar. Die Intervall- und MaBsta b s anderungen aber haben nur Abweichungen von der Ordnung (W/C)2, also 100 Mi:!iOnen bzw. 900

Bi~IiOnen

zur Folge, und diese entziehen sich

jeder Wahrnehmung. Das gleiche gilt von allen Beobachtungen an KOrpern, die sich relativ zur Erde bewegen; bei Bewegungen, die wir nach unserm Willen hervorrufen, bleibt stets die Geschwindigkeit zu klein; bei den Bewegungen der HimmelskOrper aber wird der Erfolg dadurch ausgeschlossen, daB wÎr hier nur beobachten, nicht experimentieren kOnnen. Alle diese Beobachtungen wăren also auch vertrăglich mit einer Elektrodynamik, welche das Relativitatsprinzip nicht in vollem Umfang enthielte. Die Versuche, welche zur Aufstellung des Prinzips gefOhrt haben, beziehen sich auf die Ausbreitung des Lichts relativ zur E rd e. Die Geschwindigkeit der Erde gegen die Sonne betragt, wie schon erwahnt, '/10000 der Lichtgeschwindigkeit, und es ist Michelson und seinen Nachfolgern gelungen, nachzuweisen, daB Ănderungen der Lichtausbreitung durch diese Bewegung ni c h t hervorgerufen werden, nicht im Betrage von 100 Mi~lionen ihres Wertes, ja auch nicht um einen kleinen Bruchteil dieses Bruches. Also: "Trotz der Bewegung der Erde ist fOr irdische Vorgange die Lichtausbreitung mit aller Genauigkeit gleichfOrmig fOr den Bewohner der Erde," Oder, wie wir sagen wollen: "FOr irdische Vorgange ist die Erde ein ausgezeichnetes Bezugssystem," (Satz III.) Dieses ist die Tatsache. Alles Weitere ergibt sich erst, sobald wir folgenden Satz zugeben mUssen: "Dieselbe Lichtausbreitung im Vakuum, die gleichfOrmig relativ zur 2'

E. Cohn:

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Erde ist, ist auch gleichfOrmig relativ zu den Fixsternen." Oder allgemeiner: "Jede Lichtausbreitung im Vakuum, gleichgultig, welches ihre Quelle ist, ist gleichfOrmig relativ zu j e d e m System der Fixsterngruppe." (Satz IV.) MUssen wir ihn zugeben? - Wenn es auf irgendeine Weise mOglich ist, werden wir vielmehr d ies e n Satz aufrechterhalten: "Es gibt in jedem bestimmten Fali ein bestimm tes ausgezeichnetes Bezugssystem S, dem gegenliber die Lichtausbreitung im Vakuum gleichiOrmig ist. Wie sie einem Beobachter im System S' erscheint, das ergibt sich dann durch eine geometrische Oberlegung, bei der - wie wir es gewohnt waren - Gleichzeitigkeit und gleiche Ungen in S auch Gleichzeitigkeit und gleiche Lăngen in S' bedeuten." - Erstens. Man konnte etwa behaupten: Die Erde ist ganz allgemein das ausgezeichnete System; durch den ganzen Weltraum, und welches auch die Quelle sein mag, breitet sich das Licht gleichfOrmig relativ zur Erde aus. Dann wlirden wir jeden Stern an dem Ort sehen, an dem er sich zur Zeit der Lichtaussendung tatsăchlich befand. Die sogenannte Aberration wlirde also bedeuten, daB die Fixsterne ei ne Kreisbewegung wirklich ausflihren. Alle diese Kreisbahnen mliBten in Ebenen parallel zur Ebene der Erdbahn Iiegen und in einem irdischen Jahr durchlaufen werden; ihre Durchmesser und der Rhythmus der UmIăufe mliBten, je nach ihrer Entfernung von der Erde, so geregelt sein, daB sie uns alle gleich groB und in gleichem Rhythmus durchlaufen erschienen. Eine solche Annahme machen, hieBe: auf das Verstăndnis der Aberration verzichten. Die gedachte Behauptung ist niemals aufgestellt worden. - Zweitens. Man kann annehmen: Die Fixsterne bilden ganz allgemein das ausgezeichnete Bezugssystem; was Michelson beobachtet hat, widerspricht dem nichtj denn er maB die Lichtausbreitung in Luft, also in einem KOrper, der die Bewegung der Erde teiltj im vollkommenen Vakuum wUrde der Versuch ein anderes, positives Resultat ergeben. 1) Einer solchen Annahme steht entgegen, daB sich flir alle direkten Beobachtungen die optisch-elektrischen Eigenschaften der Luft von derien des. Vakuums kaum merklich unterscheiden. - DriUens. Man kann annehmen: Das ausgezeichnete Bezugssystem bildet ganz allgemein ein Medium - man hat es Ăther genannt -, das al\e KOrper durchdringt, und das auch im sogenannten ieeren Raum vorhanden isf. Dieser Ăther macht in der Năhe jedes Weltkorpers sehr nahezu dessen Bewegungen mit und bewegt sich in den Zwischenraumen so, daB sich die beobachtete Aberration ergibt. 2) Einem solchen Medium mliBte man, wie eine eingehendere Betrachtung zeigt, sehr unwahrscheinliche physikalische Eigenschaften zuschreiben. - Viertens. Man kOnnte denken: Aus1) Ansatz des Verfassers. -

2) Ansatz von Stokes.

Physikalisches iiber Raum ulld Zeit

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gezeichnet ist jedesmal das Bezugssystem, in dem die Li e h t q u e Il e und alle etwa sonst beteiligten KOrper ruhen. Beim Miehelsonsehen Versuch ist also die Lichtausbreitung gleichfOrmig relativ zur Erde; das Fixsternlicht aber breitet sich gleichfOrmig gegen die Fixsterne aus (Aberration).1) Das hieBe fUr den 8eobachter auf der Erde: die Lichtgeschwindigkeit ist grofier, wenn der Fixstern sich nlihert; kleiner, wenn er sich entfernt, -oder nach dem Dopplerschen Prinzip: grOfier., wenn die Schwingungszahl vergrOfiert, die Farbe nach Violett verschoben ist; kleiner, wenn die Schwingungszahl verkleinert, die Parbe nach Rot verschoben ist. Dem widerspricht, daB die Doppelsterne in g leic hen Zeitintervallen ihre Spektrallinien von Rot zu VioleU und von Violett zu Rot verschieben. 2) Die in der Physik herrschende Ansehauung gesteht keiner der hier erwlihnten Annahmen Berechtigung zu. Dann aber bleibt kein Ausweg, als den Satz IV als richtig anzuerkennen. Aus ihm aber folgt alles das, was wir an unserem Modell erlâutert habenj und es folgt weiter als die allein mOgliche Art, unsere optisch-elektrischen Erfahrungen einheitlich darzustellen, das Lorentz-Einsteinsche RelativiUUsprinzip so, wie wir es in Satz II formuliert haben.

3. Das Lorentz-Einsteinsche Relativitatsprinzip als all-

gemeines Prinzip der Physik.

Wir haben bisher aussehIieBIieh von optiseh-elektrischen Beobaehtungen gesprochen. Um dlese Beobachtungen ausfuhren zu kOnnen, brauehen wir MaBstâbe und Uhren. DaB diese MeBinstrumente richtig sind und in ieder Lage, an iedem Ort, zu ieder Zeit richtig bie i ben, haben wir vorausgesetzt. Im einzelnen:. Erstens: Wir drehen einen MaBstab; er solI seine Lllnge behalten. Wir drehen ei ne Kugel; sie solI eine Kugel bleiben. Der MaBstab, die Kugel gelangen ohne unser Zutun im Lauf des Tages in verschiedene Orientierung gegen die Sonnej auch dabei sollen sie sich nicht lindern. Zweitens: Eine Uhr, die in einem bestimmten Moment sich am vorderen Rand der Erde befindet, ist nach zwOIf Stunden an den hinteren Rand gelangtj sie solI nach wie vor richtige Zeit zeigen. DriUens: Durch das Zusammenwirken der Bewegung der Erde um die Sonne und der Bewegung des Sonnensystems gegen die Fixsterne entstehen wechselnde Werle fUr die Geschwindigkeit der Erde gegen die Fixsternej auch durch diese Gesehwindigkeitsânderungen soli die Lllnge unserer MaBstâbe nicht gelindert werden und ebensowenig der Gang unserer Uhren. - Alles das erseheint selbstverstlindIieh. Aber naeh unserem Prinzip ist es so wenig selbstverstlindIich, dafi es nieht 1) Ansatz von Ritz. -

2) Vgl. de Sitter, Physikalische Zeitschrift. Band 14, 1913.

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E. Cohn:

einmal allgemein wahr istj ja, da6 die Behauptung, es sei wahr schlechthin, gar keinen Sinn hat. Was wir meinen, ist, da6 alles Oesagte zutreffend ist fOr uns irdische Beobachter. Dann aber ist es nicht zutreffend fOr den Beobachter auf einem Fixstern: dann ândert fOr ihn fortwâhrend der Ma3stab seine Lânge, die Uhr ihren Oang. Und es ist tatsăchlich zutreffend fOr uns: Da3 ein Ma3stab - im Experiment die Form eiller Steinkonsole - fOr uns sich nicht ăndert, wenn seine Orientierung gegen die Erdbewegung geândert wird, das hat Michelson bewiesen. Er behâlt fOr uns seine Unge, d. h. das Licht braucht fOr uns stets die gleiche Zeit, um seine Lânge zu durchlaufen. Dann ândert sich aber notwendig diese Zeit fOr den Sonnenmenschen, dann ăndert sich also fOr ihn die Unge des Ma3stabes. - Der zweiten Behauptung ist gleichwertig die folgende: Bine horizontale Achse werde dauernd in gleichfOrmiger Rotation erhalten j zwei Scheiben mit geteilten Răndern, die sie an ihren Enden trâgt, sollen als Uhren dienenj sie sind synchron, wenn zwei bestimmte gleichbezeichnete Marken an ihren Rândern gleichzeitig durch die hOchste Lage gehen. Behauptet wird, da3 diese beiden Scheiben dauernd synchron bleiben, wenn auch die Scheibe, die zunăchst bei der Erdbewegung voranging, nach zwOlf Sfunden hinter die andere gerOckt ist. Wâre dem nicht so, so hie6e das, da3 die Achse sich inzwischen in bestimmtem Sinn gedrillt hăUe. Wir sehen keinen Orund hierfOr j aber freilich, wenn wir behaupten, da3 fOr uns keine Drillung staUgefunden hat, so liegt darin, da6 fOr den Beobachter auf der Sonne die Achse gedrillt wurdej denn fOr ihn ging zuerst die eine, dann die andere Uhr vor. Eine Beobachtung dieser Art ist nie gemacht worden, - und ebensowenig ist direkt lestgestellt worden, da3 der O ang unserer Uhren von der Erdbewegung unabhăngig ist. Beide Versuche wăren wohl auch aussichtslosj aber wir kOnnen indirekt schlie6en, da3 sie so, wie behauptet, ausfallen wOrdenj haben wir doch gesehen, da6 alle diese Behauptungen auf das engste miteinander verknopft sind. Was so aus dem Michelsonschen Versuch tOr die Erde folgt, das folgt nach dem Relativitătsprinzip allgemein: in iedem gegen die Fixsterne gleichfOrmig bewegten System bleiben Ma6stăbe und Uhren unbeeinflu6t von der Bewegung - fOr einen Beobachter, der dem gleichen System angehOrt. Damit sind dann sofort die Verănderungen gegeben, welche der Bewohner eines anderen Systems der Fixsterngruppe, speziell der Erde, wahrnimmt. UnmiUelbar beobachtet ist von solchen Verlinderungen nichts. Das ist nicht zu verwundern: Oesetzt, wir kOnnten einem KOrper die Oeschwindigkeit gegen uns erteilen, welche dte Erde gegen die Sonne hat, dann wOrde eine in der Bewegungsrichtung liegende Strecke sich fOr uns um 200 Mi1llionen ihrer

Lănge verkOrzen,

und

Physikalisches iiber Raum und Zeit

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um ebensoviel wUrde sich fOr uns der Gang der auf ihm befindlichen Uhren prozenlisch andern. Und geselzl ferner, dieser Kl)rper besilze die GrM~e der Erde, dann wOrde fOr uns die grl)file Differenz zweier zuvor synchroner Uhren 4 millionslel Sekunden belragen. Aber im Prinzip sind alte diese Verânderungen der experimenlellen PrOfung zugânglich, und zwar genau nach den gleichen Melhoden, nach welchen wir in unserem Modell den Erdenmenschen die Welt des Sonnenmenschen ausmessen lie6en. In den vorslehenden Enlwicklungen lritt deutlich zutage, da6 das Lorenlz-Einsleinsche Prinzip, obwohl hervorgegangen aus den BedOrfnissen der Eleklrodynamik, doch nicht auf diese beschrânkt werden kann; es enlhâlt in sich bereits Aussagen mechanischer Natur. Sind diese nun verlrâglich mit den uns bekannten Grundsâtzen der Mechanik? Wir haben im Anfang das Relativilâtsprinzip der Mechanik besprochen; wir wollen es jelzl noch einmal anfuhren: "Unler allen Syslemen, die gegeneinander eine gleichWrmige Geschwindigkeil besitzen, isi keines vor den andern ausgezeichnet; in bezug auf jedes Syslem einer solchen Gruppe spielen sich alle Vorgânge in genau der gleichen Weise ab. Unter allen Gruppen aber ist die Fixsterngruppe ausgezeichnel; nur wenn wir ein Syslem dieser Gruppe als ruhend betrachlen, erhalten wir eine einfache Darstellung der Tatsachen; welches Syslem der Gruppe wir aber wâhlen, ist vollslândig gleichgOltig." - Oder nochmals in anschaulicher Fassung des erslen Salzes: "Die ganze Eigenwelt eines Beobachters erhalte, wâhrend er schlâft, ei ne gleichWrmige Geschwindigkeil gegen die Au6enwelt. Der Beobachter wird nie erfahren, was wâhrend seines Schlafes vorgegangen ist, solange seine Beobachlungen auf seine eigene Welt beschrankt bleiben." (Salz A.) Diese Aussagen stimmen in jedem Wort mit dem Lorentz-Einsteinschen Prinzip nberein. Der Unlerschied Iritt ersl hervor, wenn wir fragen, wie denn ein in der ruhenden Au6enwelt zurUckgebliebener Beobachler die Vorgânge in der in Bewegung geratenen Welt beurteilt. Diese Frage isi in der bisherigen Mechanik nie geslellt worden, weil die Anlwort selbslverslandlich schien: "Er urleilt (indem er naturlich der gegenseitigen Verschiebung Rechnung trâgt) ebenso wie der bewegte Beobachter, vorausgeselzl, da6 er richtige Instrumente benutzt. Richlig oder unrichtig aber sind Instrumente schlechlhin; also darf und wird er die Instrumente zur Messung wâhlen, mit denen er seine eigene, die Au13enwelt, vermessen hat." (Satz B.) Das Lorenlz-Einsleinsche Prinzip aber anlwortet: "Mit ebendiesen Instrumenlen werlel er die bewegte Welt falsch aus - oder vielmehr anders als der bewegte Beobachler. Die Un gen- und

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E. Cohn:

Zeitangaben dieser Instrumente mOssen erst in der oben besprochenen Weise umgewertet werdenj erst dann ergibt sich Gleichheit der Urteile.'· (Satz C.) KOnnen wir nun trotz dieses Gegensatzes hoffen, ein einheitliches Prinzip fOr die gesamte Physik zu finden? Den Satz B auf die E1ektrodynamik anzuwenden, geht nicht an; denn angesichts der fOr beideBeobachter gleichfOrmigen Lichtausbreitung im Vakuum schlie13en A und B sich gegenseitig aus. Aiso bleibt nur Obrig, dem Satz C ganz allgemeine GOltigkeit zuzuschreiben. Da13 ihm keine mechanische Erfahrung widerspricht, haben wir soeben gesehen. Wohl aber 10st er alle mechanischen Grundbegriffe auf. Raum- und ZeitgrOBen kOnnen nicht mehr eindeutig und nicht mehr unabhlingig voneinander definiert werden. Der Begriff des starren KOrpers wird relativj er Mngt vom Beobachter ab. Aber weiter: auch die Masse eines KOrpers ist nichts Konstantes, sie Mngt ab von der Bewegung des KOrpers gegen den Beobachter. Darauf wollen wir noch kurz eingehen. Das Newtonsche Bewegungsgesetz fOr einen freien Massenpunkt lautet: "Kraft = Masse x Beschleunigung." Es ist geprOft fOr kleine Geschwindigkeiten (klein gegen die Lichtgeschwindigkeit). Es mOge also streng gelten fOr irgendeinen Beobachter, wenn der Massenpunkt aus der Ruhe gegen den Beobachter in Bewegung Qbergeht. Der Punkt habe nun eine gewisse Geschwindigkeit v erlangt; dann ruht er in diesem Moment gegen ein anderes Bezugssystem, nllmlich gegen dasjenige, welches ebendiese Geschwindigkeit v gegen den Beobachter besitzt. In diesem Bezugssystem gitt nun nach dem Relativitatsprinzip unverlindert das alte Gesetz. FOr den B e o bac h t e r aber gitt es ni c h t mehr in der alten Form: fOr ihn drOcken sich die Ungen und Zeiten und folglich auch die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen anders aus. Diese verllnderten Werte kOnnen wir genau angeben. Auch die Krăfte werden fOr ihn einen andern Ausdruck haben. Aber den kOnnen wir im allgemeinen nicht angeben; den soli uns erst die neue Mechanik lehren. Nur in einem Fali kOnnen wir es: wenn es sich um elektrische Krlifte handelt; denn hier steht der Ausdruck fOr die Krllfte im engsten Zusa:nmenhang mit den Gleichungen, aus denen die Ausbreitung des Lichts folgt. Dann kennen wir all>o in der Newtonschen G1eichung sowohl "Beschleunigung" wie "Kraft" in ihrer Abblingigkeit von der Geschwindigkeit des Massenpunkts gegen den Beobachter, und folglich auch "Masse". Es ergibt sich, daR die Masse wllchst mit der Geschwindigkeit. Die Zunahme ist verschwindend klein selbst noch fOr die Geschwindigkeit der Erde in ihrer Bahn um die Sonne. Denken wir uns aber eine llhn1iche Bewegung des Punktes. die mit % der Lichtgeschwindigkeit erfolgt, so ist seine Masse bereits. das I 1/2fache derjenigen, die er in der Ruhe besitzt.

Physikalisches iiber Raum und Zeit

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Solche Geschwindigkeiten stehen uns bei ausgedehnten, unmiltelbar sinnlich wahrnehmbaren K/}rpern nicht zur VerfOgung. Doch will es das G1uck, da6 wir ein Etwas kennen, das diese und noch gr/}l3ere Geschwindigkeiten erhalten kann, und das sich bewegt unter dem Einllu6 elekIrischer KrlHte. Es sind dies die sogenannlen Elektronen, negativ elektrisch geladene, kleinste TeiIchen, die wir zuerst in den Kathodenstrahlen kennen gelernt haben, und die sich dann u. a. auch wiedergefunden haben in der Strahlung der radioaktiven KOrper. In diesen beiden Erscheinungsformen sind sie auf die Verănderlichkeit ihrer Masse hin untersucht worden. Die genauesten Versuche sind die von Bucherer: sie beziehen sich auf Radiumstrahlen - , und die von Hupka: sie beziehen sich auf Kathodenstrahlen. Beide haben wesentlich verschiedene Un!ersuchungsmethoden angewandtj beide gelangen zu dem gleichen Schlu6: Die Masse ilnder! sich, und zwar genau so, wie es das Relativililtsprinzip verIangt. Also: der ers!e Versuch, das Lorentz- Eins!einsche Prinzip auf die Mechanik auszudehnen, ha! vollen Erfolg gehabt. Die weitere Entwicklung der Relativitătstheorie wird beherrscht durch ihr Verhilltnis zur allgemeinen Gravitation. Nach Newtons Gesetz wird jede Masse angezogen von jeder ander&n Masse mit einer Kraft, die, zeitlos den Raum Uberspringend, nur von der augenblicklichen Entfernung der beiden Massen abhângt. Dieses Gesetz haUe sich durch zwei Jahrhunderte an den beobachteten Bewegungen der Himmelskorper bewilhrt; es hatte in den gleichlautenden Coulombschen Gesetzen fUr die Krilfte zwischen elektrischen und magnetischen Mengen Nachfolger gefunden; es war zum Range des VorbiIdes aHer denkbaren Naturkrilfte aufgestiegen: Im Jahre 1847 erklilrle Helmholtz es als die Aufgabe der Physik, alle Naturerscheinungen auf Krâfte gleicher Art zurUckzufUhren, und er bezeichnete die L/}sbarkeit dieser Aufgabe geradezu als die Bedingung der vollstăndigen Begreiflichkeit der Natur. - Ais 40 Jahre spilter Heinrich Hertz nachgewiesen haite, dal3 elektrische und magnetische Krilfte sich nich t zeitlos, sondern mit Lichtgeschwindigkeit durch den Raum ausbreiten, da sprach er aus, dal3 die Gravitation, die einzige nunmehr Ubriggebliebene Fernkraft, schon durch das Gesetz, nach dem sie wirke, verdilchtig sei. GiIt aber das Relativitiltsprinzip, dann ist sie nicht nur verdilchtig, sondern verurteiIt: eine Kraft, die durch die gleichzeitigen Lagen zweier entfernter Punkte v/}lIig bestimmt ist, ist dann unmOglichj denn diese Gleichzeitigkeit ist ja selbst nichts eindeutig Bestimmtes. Welches aber ist nun die Form des Gravitationsgesetzes, die zugleich der Erfahrung und dem Relativitiltsprinzip genOgt? Eine Antwort auf diese Frage hat Einstein gegeben. Aber in seiner L/}sung giIt ein Relativitiltsprinzip, von dem das im vorstehenden behandelte nur ein

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E. Cohn:

-spezieller FaU ist. Das "alIgemeine Relativitătsprinzip" fordert die physikalische Gleichwertigkeit nicht nur aHer gleichfOrmig gegeneinander bewegten, sondern aHer denkbaren Bezugssysteme. Es fordert also beispielsweise, daG die gleichen Gesetze gelten auf einem KOrper, der gegen die Erde ruht, und auf einem solchen, der gegen sie rotiert. Das scheint in unIOsbarem Wide rspruch zu stehen zu den wohlbekannten Erscheinungen der Zentrifugalkrăfte. Und in der Tat: der Forderung lăGt sich nur genugen, indem man die Grundlagen unserer Geometrie preisgibt. Mehr als das: in dieser allgemeinen Relativitătstheorie sind Ungen und Zeiten nicht mehr Dinge, die allgemein mit MaGst!iben und Uhren ausgewertet werden kOnnen. Raum und Zeit haben sich zu mathematischen Begriffen verflOchtigt, an denen nichts mehr ihre Herkunft von Sinneswahrnehmungen verrăt.

Das ist eine harte Zumutung fOr den naiven Sinnenmenschen, - eine Genllgtuung fOr den Mathematiker, dem seine schon bereitliegenden Formen unverhofft sich mit lebendigem InhaU falIen, - eine Wohltat far den Philosophen, der von dem Gespenst des absoluten Raumes erlOst wird. Dem ersten ist zu sagen, daG die Zumutung auf den gleichen Weg der Abstraktion weist, den die Physik bei der Aufdeckung jedes umfassenden Gesetzes gehen muGtei daG dieser Weg auch diesmal beschriUen werden muG, wenn es sich als notwendig erweist. Auf der anderen Seite aber: Das Schicksal einer physikalischen Theorie wird endgaltig nicht durch ihre mathematische Eleganz bestimmt und nicht durch die Befriedigung, die sie unserem Trieb, die Natur zu "begreifen", gewăhrt. DaG die Bewertung nicht nur der formalen ScMnheit, sondern auch des Erkenntnisgehalts einer Theorie dem Wechsel unterworfen ist, lehrt eindringlich die Geschichte der Newtonschen Fernkrâfte. Wie aber diese, so wird auch aber die allgemeine und aber die auf diesen BlâUern behandelte spezielle Relativitâtstheorie die Erfahrung das letzte, entscheidende Wort sprechen. Neujahr 1920. Die vorstehenden Sâtze wurden Ostern 1918 geschrieben. Seither hat die Erfahrung gesprochen. Was damals noch die aufreizen'de Behauptung der Einsteinschen Theorie war - die Ablenkung der Lichtstrahlen durch schwere Massen - , das ist uns seit einigen Wochen als Ergebnis der Beobachtung bekannt. Wie immer nun die Entwicklung weiter verlaufen mOge, - wir dOrfen sicher sein, da6 sie nie mehr zur alten Physik zurackbiegen wird. So stehen die beiden Daten hier als Meilenzeiger ei nes Weges, der vorwârts und aufwârts fahrt.

Physikalisches iiber Raum und Zeit

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Anhang. 1) Das Lorentz - Einsteinsche Relativitlltsprinzip fordert bezoglich der Lichtausbreitung im leeren Raum: 1. da6 diese Ausbreitung der gleiche Vorgang sei, - nămlich eine Ausbreitung in Kugelwellen mit der bestimmten Geschwindigkeit c = 300000 km/sek, - fOr alle Systeme der Fixsterngruppe. 2. da6 unter allen Systemen der Fixsterngr..uppe keines ausgezeichnet .sei, dafi man also mit vOllig gleichem Recht einerseits das System S' betrachten dOrfe als mit der Geschwindigkeit v gegen das System S in bestimmter Richtung bewegt, - andrerseits das System S als mit de.r Geschwindigkeit v gegen das System S' in der entgegengesetzten Richtung bewegt. Die mathematische Formulierung lautet: wenn txyz Zeit und Ko()rdinaten im System S, (x' y'z' Zeit und Koordinaten im System S' bedeuten, und S' gegen S dieGeschwindigkeit v in der Richtung der wachsenden x und x' besitzt, wobei diey-Achse zur y' - Achse, die z-Achse zur z' - Achse parallel sein soli, dann muB 1. die Gleichung x 2 y2 Z2 = c2 t 2 identisch sein mit der Gleichung 2 X'2 y'2 Z'2 = C (2, und es mOssen 2. die Gleichungen, welche t'x'y'z' durch txyz ausdrocken, sich verwandeln in die Gleichungen, welche txy z durch (x' y' z' ausdrocken, sobald v mit - v vertauscht wird. Die LOsung dieser Aufgabe, die leicht zu verifizieren ist, lautet:

+ +

+ +

(a)

t' = k

(t - 2x)

(c)x'=k(x-vt)

(d)x=k(x'+vt')

,

,

z =z

y =y

c' k 2 =---.

wo

c'-v'

In diesen Gleichungen ist dell

t = k (t' + 2x')

(b)

*

zunăchst

erlăutert haben. Im Modellist

runden Zahlen = ~ tische, t'x'y'z' auf das Wir zeigten: diese nach + x und nach -

c=

alles enthalten, was wir am Mo-

6~~: und S

v=

61~~~' folglich in 2

und k =~. Es mOgen sich txyz auf das himmirdische System beziehen. Geschwindigkeit c gilt fUr die Lichtf-ortpflanzung x im himmlischen, nach + x' und nach - x' im

1) Zum folgenden siehe vor allem A. Einstein, Jahrbuch der Radioak tivitâ! und Elektronlk, Band. 4, 1907.

E. Cohn:

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irdisehen System. - Wir bemerkten ferner, da6 die irdisehen Uhren El und E 2 fOr den Sonnenmensehen nieht synehron gehen, fOr ihn vielmehr E2 gegen El um 5 3/ 4 Stunden zurOek ist. Das hei6t: wl1hrend fi = t~ ist, ist = 5 {h. Nun zeigt aber die Gleichung (b): wenn 1, = t2• so ist

t; - t;

oder

t I, - t 2,

60 cm 3 2h 3h = -c'v (x'2 - x 1') = -Cv . c- = -4 . 7-3 = 5-4 .

Wir zeigten weiter, da6 der Sonnenmenseh, der zu gleiehen Zeiten t seine Marken von den Punkten "O" und ,,60 em" des Sonnenma6stabs ubertrl1gt, auf dem irdischen Mafistab 90 em abgrenzt. Nun folgt aus der Gleichung (c): fUr tl = t 2 ist x; - x; = k (x 2

-

Xl)

= ~. 60 cm =

90 cm.

Umgekehrl: der Erdenmensch, der zu gleichen Zeiten t' seine Marken von den Punkten "O" und ,,60 cmu des irdischen Ma6stabes ubertrl1gt, grenzt aui dem himmlischen Mafistab 90 cm ab. Aus der Gleichung (d) folgt aber fur =

t; :

t;

x2

. - XI

=

k ( x 2'

')

-

XI

3 60 cm = 90 cm. ="2'

Wir zeigten: einem Vorgang, der an einem bestimmten Punkt der Erde, also bei einem bestimmten x'·Wert sich abspielt und dort 7 Stunden dauert, schreibt der Sonnenmensch eine Dauer von 10% Stunden zu. Nun folgt aus der Gleichung (b): fOr = isi

x; x;

t2

-

ti = k

(t~ - t~) = ~ . 7h = 10~h.

Wir zeigten endlich: genau so urteilt der Erdenmensch Ober einen Vorgang in einem bestimmten Punkt der Sonne, der sich also bei einem bestimmten x- Wert abspielt, und der do rt 7- Stunden dauert. Aus der Gleiehung (a) folgl: fOr XI = X 2 ist

t~

-

t; = k (/

2 -

ti)

= ~ . 7h = 10~h.

So weit das Modell und die Lichtausbreitung im Vakuum. Das RelativitlHsprinzip fordert nun allgemein: Ein physikalisch bestimmter Vorgang zwisehen KOrpern, die în S ruhen, droel