Perspektiven einer kritischen Kunstwissenschaft / Perspectives in Critical Art History [1 ed.] 9783737014465, 9783847114468

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Perspektiven einer kritischen Kunstwissenschaft / Perspectives in Critical Art History [1 ed.]
 9783737014465, 9783847114468

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Kunst und Politik Band 23/2021

KUNST UND POLITIK JAHRBUCH DER GUERNICA-GESELLSCHAFT Begründet von Jutta Held Herausgegeben von Andrew Hemingway und Martin Papenbrock

Wissenschaftlicher Beirat Christoph Bertsch, Innsbruck Carol Duncan, New York Anna Greve, Bremen Annegret Jürgens-Kirchhoff, Tübingen Barbara McCloskey, Pittsburgh Frances Pohl, Claremont/California Ernst Seidl, Tübingen Ellen Spickernagel, Gießen Peter Weibel, Karlsruhe

KUNST UND POLITIK JAHRBUCH DER GUERNICA-GESELLSCHAFT Kunst und Politik Band 23/2021 Schwerpunkt: Perspektiven einer kritischen Kunstwissenschaft / Perspectives in Critical Art History Herausgeber dieses Bandes: Andrew Hemingway Martin Papenbrock

V&R unipress

Redaktion:

Alexandra Axtmann, Britta Borger, Anna Greve, Barbara Martin, Martin Papenbrock, Elke Wüst-Kralowetz

Redaktionsadresse:

Guernica-Gesellschaft, Klauprechtstraße 19, 76137 Karlsruhe, Tel. 07 21/3 52 93 79

Erscheinungsweise:

Jährlich

Abonnement:

Der Preis für ein einzelnes Jahrbuch beträgt EUR 22,50 im Abonnement EUR 19,50

Gedruckt mit Unterstützung der Stiftung Kritische Kunst- und Kulturwissenschaft

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. 1. Aufl. 2021 © 2021 Brill | V&R unipress, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Einbandgestaltung: Tevfik Göktepe Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 1439-0205 ISBN 978-3-7370-1446-5

Inhalt

PERSPEKTIVEN EINER KRITISCHEN KUNSTWISSENSCHAFT / PERSPECTIVES IN CRITICAL ART HISTORY Vorwort.............................................................................................................................7 Martin Papenbrock Zur Einführung: Jutta Held und die Kunstgeschichte nach 1968 .....................................9 Frances Pohl Jutta Held: Art History and the Left in Germany ...........................................................23 Ellen Spickernagel Jutta Helds feministische Kunstgeschichte .....................................................................33 Anna Greve »Allgemeine Menschenbildung« mit der Fokussierung auf »historische Bedingtheit« – Was ist aus dem Anspruch der kritischen Museumswissenschaft der 1970er-Jahre geworden? .........................................................................................41 Chryssoula Kambas Die dritte Sache. Erinnerungen an Jutta Held und Norbert Schneider ..........................49 Alexandra Axtmann Geschichte ästhetischer Praxis, Kunsttheorie und Sozialgeschichte der Malerei – Norbert Schneiders Hochschullehre ........................................................65 Klaus Garber Trauerrede auf Norbert Schneider vom 30. November 2019..........................................81 Andrew Hemingway »Sachlichkeit is in the Air«? Neue Sachlichkeit and Precisionism Compared ...............89 Barbara McCloskey White Supremacy and the Art of Anti-Fascism in the United States and Germany between the World Wars ........................................................................ 101 Angela Miller Kenneth Burke in the 1930s: The Complete Propagandist ........................................... 111

Martin Papenbrock Der verschwiegene Widerstand. Carl Baumanns Rote Kapelle Berlin (1941) ............ 121 Alex Potts In Memory of Jutta Held – Figures of Resistance ........................................................ 133 Gisela Schirmer Picassos Koreabild im Osten. Das Beispiel Willi Sitte ................................................ 143 Elke Wüst-Kralowetz The Yes Men, SUPERFLEX, Forensic Architecture: neue Formen politischer Kunst .......................................................................................................... 153

BESPRECHUNGEN Jody Patterson, Modernism for the Masses: Painters, Politics, and Public Murals in 1930s New York, New Haven/London 2020 (John P. Murphy) ................... 163 Christian Philipsen, Thomas Bauer-Friedrich, Paul Kaiser: Sittes Welt. Willi Sitte: Die Retrospektive. Leipzig 2021 (Gisela Schirmer) ................................... 171

ANHANG Autorinnen und Autoren............................................................................................... 177 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. 181

Vorwort

Der vorliegende Band von Kunst und Politik ist Jutta Held (1933–2007), der Gründerin der Guernica-Gesellschaft und des Jahrbuchs, und Norbert Schneider (1945–2019), der die Arbeit seiner Frau in ihrem Sinne fortgeführt hat, gewidmet. Beide gehörten zur Generation der kritischen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker, die in den 1970er Jahren die akademische Bühne betraten. Politisiert durch die Studentenbewegung, setzten sie sich für eine neue Kunstgeschichte ein, die nach den gesellschaftlichen Bedingungen der Produktion und Rezeption von Kunst fragte. Bei den Formierungsprozessen der Neuen Linken in der westdeutschen Kunstgeschichte spielten beide seit den 1970er Jahren eine wichtige Rolle. Neben ihrer Tätigkeit als Hochschullehrerin und Hochschullehrer engagierten sie sich im Ulmer Verein, im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und im Berliner Instutut für Kritische Theorie. Sie schrieben für Zeitschriften, die sich als Sprachrohre der Neuen Linken verstanden, unter anderem für die Kritischen Berichte, das Forum Wissenschaften, die Tendenzen und das Argument. Sie arbeiteten mit am Historisch-Kritischen Wörterbuch des Marxismus, gründeten 1985 die Guernica-Gesellschaft und zehn Jahre später die Stiftung Kritische Kunstund Kulturwissenschaften. Und sie gaben über viele Jahre das Jahrbuch Kunst und Politik heraus. Die Summe ihrer Forschungen und ihres wissenschaftlichen Selbstverständnisses ist in den gemeinsam verfassten Grundlagenwerken Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert (1993 ff.) und Grundzüge der Kunstwissenschaft (2007) enthalten. Jutta Held und Norbert Schneider repräsentieren das Konzept einer kritischen Wissenschaft, das in den letzten Jahren zunehmend in Frage gestellt wurde, sowohl durch den sich verändernden Mainstream in unserem Fach als insbesondere auch durch Veränderungen der staatlichen Bildungs- und Hochschulpolitik, die vor allem die Geisteswissenschaften mit einem mehr und mehr utilitaristischen, auf ökonomische Verwertbarkeit zielenden Wissenschaftsbegriff unter Druck setzt. Der vorliegende Band versammelt Beiträge von Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schülern, die – inspiriert von Jutta Held und Norbert Schneider, von ihren Schriften und dem Andenken an die beiden – nach den Perspektiven einer kritischen Kunstwissenschaft fragen. Das Feld der Beiträge ist heterogen: Persönliche Erinnerungen stehen neben Aufsätzen zur politischen Kunst und Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Unausgesprochen geht es dabei auch um die Zukunft des Jahrbuchs Kunst und Politik, um die Fortsetzung der Arbeit im Sinne der Gründerin, um das Sich-Vergewissern gemeinsamer Grundlagen und Orientierungen, aber auch um die Erweiterung und Aktualisierung des thematischen Spektrums von Kunst und Politik um postkoloniale und antirassistische Schwerpunktsetzungen und Gender-Themen, um neue Formen und Formate politischer Kunst und Medienkultur und um den interdisziplinären Austausch.

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In Zeiten einer globalen Ökonomie, der Zunahme wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hegemonien, des Wiedererstarkens autoritärer Politikformen und eines vielerorts drohenden Demokratieverlusts, nicht zuletzt aber auch unter dem Eindruck des Krieges und seiner verheerenden Folgen sollte sich eine kritische, sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusste Fachwissenschaft wie die Kunstgeschichte auch in Zukunft dem von Jutta Held formulierten Anspruch stellen: »Das Ganze begreifen und verändern«. Andrew Hemingway Martin Papenbrock

Martin Papenbrock Zur Einführung: Jutta Held und die Kunstgeschichte nach 19681

Über die Veränderungen unseres Faches im Zuge der Studentenbewegung ist schon einiges geschrieben worden, über die Politisierung der Kunstgeschichte an den Hochschulen in der Folge von 1968, über neue Themenfelder und neue Perspektiven auf die Kunst und ihre Vermittlung.2 Im Fokus standen dabei oft die Strukturen und die Inhalte des Faches, seltener die Akteure, die bis vor kurzem noch eher Subjekte als Objekte der fachgeschichtlichen Forschung waren. Den Anlass der Preisverleihung möchte ich dazu nutzen, von den bisherigen Konventionen abzurücken und den Blick exemplarisch auf eine einzelne Biografie zu werfen, auf den Werdegang von Jutta Held, die in der Mitte der 1950er Jahre ihr Studium der Kunstgeschichte begonnen hat, die politisiert wurde im Zuge der Studentenbewegung und in der Mitte der 1970er Jahre als eine der ersten Kunsthistorikerinnen ihrer Generation eine Professur erhielt. Jutta Held war nicht der Prototyp einer 68erin, sie stand nicht an der Spitze der Bewegung und der Veränderungen in ihrem Fach, aber ihr beruflicher Weg und ihr wissenschaftliches Werk, vor allem aber auch ihre außeruniversitären Aktivitäten sind doch in gewisser Weise signifikant für eine in der Folge von 1968 sich zunehmend als politisch verstehenden Kunstgeschichte. Anders als vielleicht erwartet wird, möchte ich ihr Profil und ihr wissenschaftliches Selbstverständnis nicht in erster Linie aus ihren Schriften heraus entwickeln (obwohl die genügend Stoff böten), sondern eher aus ihren über das geschriebene Wort hinausreichenden Aktivitäten, die eine Art Paratext zu ihrem wissenschaftlichen Werk bilden. Mein Vortrag ist also keine Aneinanderreihung von Kurzusammenfassungen und Kurzkommentaren ihrer wichtigsten Schriften, sondern versucht, kursorisch einen Blick auf das »Drumherum« zu werfen, auf all das an Aktivität und Engagement, das man in einem weiten Sinne als »politisch motiviert« bezeichnen könnte, in dem sich über das hinaus, was den Schriften zu entnehmen ist, eine bestimmte Haltung, ein bestimmtes Selbstverständnis und eine bestimmte Auffassung von Wissenschaft ausdrückt. Nun muss ich vorausschicken, dass ich in diesem Fall alles andere als ein distanzierter oder gar kritischer Beobachter bin. Ich kannte Jutta Held sehr gut, ich habe bei ihr studiert, sie war meine Doktormutter und ich habe viele Jahre mit ihr zusammengearbeitet, unter anderem in der von ihr gegründeten Guernica-Gesellschaft. Ich hatte nicht nur zu ihr, sondern auch zu ihrem Mann, Norbert Schneider, der ja ebenfalls ein bekannter Kunsthistoriker war (und in diesem Vortrag ebenfalls eine Rolle spielen wird), eine enge fachliche und persönliche Beziehung. Insofern sind meine nun folgenden Ausführungen keine wissenschaftsbiografische und fachgeschichtliche Studie im engeren Sinne, sondern zumindest in Teilen auch eine persönliche, freundschaftliche Erinnerung, verbun-

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den mit Reflexionen darüber, wie Kunstgeschichte war und wie sie vielleicht sein könnte. Es soll aber eben auch etwas mehr als eine persönliche Erinnerung sein, weil auch politische und sozialgeschichtliche Aspekte der Kunst- und Wissenschaftsgeschichte zum Tragen kommen werden. Was ich Ihnen über den Werdegang von Jutta Held, auch über den gemeinsamen Weg mit Norbert Schneider erzähle, soll immer auch mit der Frage verbunden sein, wie sie sich als Kunsthistorikerin und Kunsthistoriker in ihrer Zeit begriffen haben, welche Aufgaben sie sich gestellt, in welchen Bereichen sie sich engagiert, wie sie die politische und gesellschaftliche Relevanz ihrer Tätigkeit eingeschätzt und danach gelebt und gehandelt haben. Beide, Jutta Held und Norbert Schneider, hatten eine ausgeprägte berufliche und politische Ethik, die ihr Handeln bestimmt hat – in einer Weise, die man heute nur noch selten findet. Das betrifft zum einen ihre Produktivität, die auf enormem Arbeitsfleiß und protestantischer Disziplin gründete, und zum anderen ihr politisches und wissenschaftspolitisches Engagement, immer angetrieben vom Anspruch, es anders und besser zu machen als die Generation ihrer Eltern und Lehrer, die von autoritärem Denken geprägt und mit dem Nationalsozialismus verstrickt war. Jutta Held wurde 1933 geboren, der Vater war Arzt, und sie und ihre beiden Brüder, die später ebenfalls Ärzte wurden, wuchsen in gutsituierten, bürgerlichen Verhältnissen auf. Seit Mitte der 1950er Jahre studierte Jutta Held Kunstgeschichte, Germanistik, Philosophie und Archäologie in Tübingen, Freiburg, Münster und Hamburg. Das Studium der Kunstgeschichte bot Frauen in dieser Zeit kaum eine berufliche Perspektive.3 Auf dem Arbeitsmarkt hatten Frauen als Kunsthistorikerinnen nur geringe Chancen auf qualifizierte Stellen. Frauen studierten in der Regel Kunstgeschichte, um in bürgerlichen Kreisen eine gute Partie abzugeben. Jutta Held war eine sehr gute Studentin. Werner Hager, seinerzeit Lehrstuhlinhaber der Kunstgeschichte in Münster, schrieb ihr in einem Kommentar zu einer ihrer Hausarbeiten über »Die Gestaltung des Raumes in Architektur und Malerei des Klassizismus«, einem durchaus anspruchsvollen Thema: »Liebes Fräulein Held, anliegend sende ich Ihnen den gewünschten Seminarschein, d.h. eine Bestätigung über Ihre Teilnahme und Angabe der Beurteilung Ihres schriftlichen Referates. / Diese Arbeit hat mir grosse Freude gemacht. Sie ist systematisch klar, gut durchdacht und mit auffallend gewandten sprachlichen Ausdrucksmitteln dargelegt. Ich habe sachlich kaum etwas einzuwenden oder zu bemerken. Dass Sie auch in der Formulierung so erfolgreich sind, erwähne ich deswegen eigens, weil es leider heutzutage durchaus nicht erwartet werden kann. Sie haben manche glückliche Wendung gefunden, die die Sache entsprechend hervorbringt. / Sie wissen vielleicht, dass ich jungen Damen meistens davon abrate, unser Fach als Hauptfach zu studieren, weil die beruflichen Aussichten für Damen gar zu unsicher sind. Ihnen würde ich aber auf Grund dieser Leistung gern raten, sich mit der Kunstgeschichte eingehend zu befassen, sei es haupt- oder nebenfächlich, denn es scheint, dass Sie das Zeug dazu haben. / Das Exemplar Ihres Mscr. dürfen wir wohl behalten. […] Mit vielen guten Wünschen und freundlichen Grüssen, Ihr Hager«.

Jutta Held beendete ihr Studium an der Universität Hamburg mit einer Dissertation über »Farbe und Licht in Goyas Malerei«.4 Nicht viele dürften die Mittel gehabt haben, um ihre Dissertation in einem gebundenen Buch zu veröffentlichen. Es ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Eltern doch eine berufliche Perspektive für die Tochter sahen und den Druck der Arbeit unterstützt haben. Eine Doktorarbeit über ein Thema des

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19. Jahrhunderts war zu Beginn der 1960er Jahre außergewöhnlich modern. Methodisch war Jutta Held noch sehr an der Arbeitsweise ihres Doktorvaters, Wolfgang Schöne, orientiert, der in den 50er Jahren ein Buch über das »Licht in der Malerei« geschrieben hatte.5 Schöne, ein früherer SA-Mann, der sich in der NS-Zeit habilitiert hatte und nach dem 2. Weltkrieg auf den früheren Lehrstuhl von Erwin Panofsky berufen wurde, wurde in den 1960er Jahren zum hochschulpolitischen Hardliner, der alles daran setzte, Reformen zu verhindern und die alte Ordinarienuniversität zu erhalten.6 Es ging ihm darum, zu verhindern, dass die Generation der 68er, zu der auch Jutta Held bald gehörte, an den Universitäten Fuß fassen konnte – und damit Mitbestimmung und eine Auflösung der alten Hierarchien Einzug hielten. Schon in den 1950er Jahren hatte Schöne für öffentliches Aufsehen gesorgt, weil er Richard Hiepe, damals Student der Kunstgeschichte in Hamburg (noch bevor Jutta Held dort auftauchte), Hausverbot am Kunsthistorischen Seminar erteilt hatte.7 Hiepe hatte sich auf Nachfrage dazu bekannt, Kommunist zu sein. Er ging einige Jahre später als Stipendiat der Hansestadt Hamburg ans ZI nach München, wo er kurz darauf die Tendenzen und die Neue Münchner Galerie gründete. Als er in den 1970er Jahren eine akademische Karriere einzuschlagen versuchte und zu einem der prominentesten Opfer des Radikalerlasses wurde,8 versorgte ihn Jutta Held mit Lehraufträgen an der Universität Osnabrück. Wolfgang Schöne exponierte sich 1970, als er Martin Warnke nach seiner Organisation der Reformsektion »Das Kunstwerk zwischen Wissenschaft und Weltanschauung« auf dem Kölner Kunsthistorikertag auf das Heftigste attackierte und im Anschluss daran versuchte, durch publizistische Aktivitäten und einen Rundbrief an die Ordinarien der Kunstgeschichte, vor einer Berufung Warnkes zu warnen, allerdings vergeblich. 9 Nach einem Intermezzo in Marburg wurde Warnke sein Nachfolger in Hamburg. Nur wenige Jahre nach den Attacken auf Warnke rühmte sich Schöne, von Hamburg aus die Habilitation seiner früheren Schülerin Jutta Held in Münster verhindert zu haben, auch dies nur mit mäßigem Erfolg. Die Habilitation blieb ihr zwar verwehrt, sie hatte zu diesem Zeitpunkt (1974) aber bereits einen Ruf an die junge Reformuniversität Osnabrück auf eine Professur für »Theorie der Ästhetik und Kommunikation«, wie die Denomination zunächst lautete, erhalten und brauchte sich nicht mehr zu habilitieren. Aber ich greife vor. Es gibt im Nachlass von Jutta Held einen frühen, undatierten Lebenslauf, vermutlich aus der Mitte der 1960er Jahre, der ihre Ausbildungs- und Qualifikationszeit zusammenfasst:10 Darin verweist sie auf die durchaus beeindruckende Liste ihrer akademischen Lehrer und stellt vor allem Kurt Bauch und Wolfgang Schöne heraus: »Ich besuchte Vorlesungen und Übungen bei den Herren Professoren und Dozenten Bauch, Baumann, Beck, Beissner, Gosebruch, Hager, Halbach, Heselhaus, Isermeyer, Jantzen, Oertel, Rehm, Scheja, Schöne, Schrade, Schuchardt. Besonders danke ich für mein Studium Herrn Professor Dr. Kurt Bauch und Herrn Professor Dr. Wolfgang Schöne.«

Ich kann nicht genau sagen, wann Jutta Held politisiert wurde, aber ich denke, dass es in der Mitte der 1960er Jahre gewesen sein muss, im Anschluss an ihre Dissertation, als sie nach einem Volontariat an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ein Stipendium der DFG erhielt, um in Madrid und in Paris zum Thema der spanischen Genremalerei im

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18. Jahrhundert forschen zu können (Abb. 1). In München stand sie in Kontakt zu Ernst Strauss, den sie auch in ihrem Lebenslauf erwähnt und als einen wichtigen Einfluss hervorhebt, einem ehemaligen Emigranten, dem aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1933 die Lehrbefugnis entzogen worden war, der zunächst nach Italien und später dann in die USA emigriert war, 1949 nach Deutschland zurückkehrte und seit den frühen 1950er Jahren als apl. Professor am kunsthistorischen Institut tätig war.11 In Madrid saß sie in einem Büro mit dem zwei Jahre jüngeren Alfonso Perez Sanchez, dem späteren Direktor des Prado, dem nachgesagt wurde, während der Franco-Zeit verdecktes Mitglied der PCE, der kommunistischen Partei Spaniens, gewesen zu sein. Nach einer kurzen Zeit am Frankfurter Städel und einem ThyssenStipendium am Essener FolkwangMuseum ging Jutta Held 1969 als AssisAbb. 1: Jutta Held, Madrid, 1960er Jahre tentin (Associate Professor) an die Queens´s University nach Kingston/Ontario (Abb. 2). Die Zeit in Kanada zog ein verstärktes Interesse an der amerikanischen Kunst und Kultur der Gegenwart, aber auch an der angloamerikanischen Kunstgeschichte nach sich, mit der sie sich nach und nach immer stärker vernetzte. Die frühesten Kontakte bestanden zu deutschen Kunst- und Kulturhistorikern in den USA wie Otto Karl Werckmeister und Jost Hermand, später kamen enge Verbindungen zu Alex Potts und Andrew Hemingway hinzu, besonders aber zu amerikanischen Kunsthistorikerinnen wie Carol Duncan, Ruth Capelle und Frances Pohl oder zu Kulturwissenschaftlerinnen wie Natalie Davis. Aber ich greife wieder vor. 1971, zurück in Deutschland, wollte sich Jutta Held wie erwähnt in Münster habilitieren. Das beschauliche Münster war in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren so etwas wie der Nukleus einer neuen, kritischen Kunstgeschichte in Deutschland. Klaus Herding wurde hier 1968 promoviert, Berthold Hinz 1969, Martin Warnke, der in der Mitte der 1960er Jahre für die Stuttgarter Zeitung über die Auschwitz-Prozesse berichtet hatte, hat sich 1970 in Münster habilitiert, Ellen Spickernagel und Norbert Schneider wurden hier 1971 promoviert, um nur einige der bekannteren Namen zu nennen. Dabei war es nicht das Kunsthistorische Seminar, sondern das Seminar für mittellateinische Philologie, das damals von dem jungen Peter von Moos geleitet wurde, wo sich der kritische Nachwuchs traf. In Münster trafen sich auch Jutta Held und Norbert Schneider, die 1974 heirateten (Abb. 3).

Zur Einführung: Jutta Held und die Kunstgeschichte nach 1968

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Abb. 2: Jutta Held, Kingston, 1971

Kritisch bedeutete damals: in Orientierung an der Kritischen Theorie, die nach der gesellschaftlichen Funktion von Kunst und Kultur fragte. Vor allem aber bedeutete es in den frühen Jahren: Ideologiekritik, das heißt die Vorstellung, dass Kunstwerke nicht in ihrer Ästhetik allein aufgehen, sondern Ausdruck von Ideologien, von Denkmustern, Wertvorstellungen und insbesondere Ausdruck von gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen ihrer Zeit sind. Jutta Held wurde Mitglied im Ulmer Verein, engagierte sich in den 1970er Jahren in entsprechenden Arbeitsgruppen und schrieb für die Kritischen Berichte, das Organ des Vereins. Im Gründungsheft der Kritischen Berichte von 1973 findet sich eine von Berthold Hinz und Horst Bredekamp initiierte Unterschriftenaktion, in der sich Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker mit dem vom Berufsverbot bedrohten Richard Hiepe, von dem bereits die Rede war, solidarisierten. Die mehr als 100 Unterschriften, die in den folgenden Monaten zusammenkamen, geben ein ziemlich genaues Bild der Gruppe der kritischen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker der frühen 1970er Jahre wieder. 12 Für die Kritischen Berichte schrieb Jutta Held in der Mitte der 70er Jahre in ideologiekritischer Perspektive über den amerikanischen Fotorealismus und über Pop Art und Werbung in den USA.13 Mit der kritischen Perspektive öffnete sich also zugleich auch ihr Blick für die Kunst des 20. Jahrhunderts bis zur unmittelbaren Gegenwart. Die frühe Neuzeit verlor sie aber nicht aus dem Blick, und insbesondere ihre Arbeiten über Goya blieben eine Konstante in ihren publizistischen Aktivitäten. Neben den Kritischen Berichten veröffentlichte sie seit den späten 1970er Jahren auch in den von Richard Hiepe

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herausgegebenen Tendenzen und schrieb für das von Wolfgang Haug herausgegebene Argument, zwei ausgesprochen linkspolitische Zeitschriften. Ihr größter publizistischer Erfolg wurde ihr Goya-Band in der Reihe der rororo-Bildmonographien, der 1980 erschien.14 Leben und Werk Goyas werden aus der Kultur und Geschichte Spaniens heraus entwickelt. Ihr methodisches Konzept stellt Jutta Held dem Band nicht programmatisch voran, sondern erläutert es quasi im Nachgang in der Zusammenfassung am Schluss des Bandes, die eine Art methodologisches Nachwort ist. Hier entfaltet sie ihre Vorstellung einer kritischen, das heißt künstlerische Phänomene konsequent historisierenden und in den Kontext gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen stellenden Kunstgeschichte. Dieses Nachwort ist in seiner RadikaliAbb. 3: Jutta Held und Norbert Schneider, tät ungewöhnlich für eine rororoOsnabrück, 1974 Monographie. Als Einleitung hätte der Text die meisten Leser vermutlich abgeschreckt, aber er ist auch nach mehr als 40 Jahren noch lesenswert und hat nichts von seiner Radikalität und Aktualität verloren. Nach ihrer Vorstellung »müßte es Aufgabe einer den Geschichtsprozeß wie die durch ihn geprägte Individualitätsform erhellende Biographie sein, Eigenschaften, Wesen, Fähigkeiten und Bedürfnisse des einzelnen als gesellschaftlich geworden zu begreifen. […]. Die Genialität Goyas, seine besonderen Fähigkeiten, werden in den vielen Biographien über ihn als naturgegeben vorausgesetzt und damit letztlich biologistisch begründet, während es gerade gälte, sie historisch, das heißt als gesellschaftlich ermöglichte Formen der Selbstverwirklichung zu erklären.«15 In der Zeit, als Jutta Held die Goya-Biographie fertigstellte, in den Jahren 1979/80 (Abb. 4), nahmen sie und Norbert Schneider den aus der DDR ausgereisten, damals prominenten marxistischen Intellektuellen Wolfgang Harich bei sich auf, der in der Folge des Ungarn-Aufstandes und seiner Kritik der SED viele Jahre im Zuchthaus gesessen hatte.16 Harich wohnte ein halbes Jahr bei Jutta Held und Norbert Schneider in Osnabrück und warb in dieser Zeit (im Frühjahr 1980) in einem Brief an Willy Brand und einem Treffen mit Egon Bahr um ein rot-grünes Bündnis, damals seiner Zeit voraus und ohne Erfolg. In diesem Zusammenhang entwickelte Harich auch seine friedenspolitischen Thesen. Im Anschluss an die Zeit mit Harich begann Jutta Held, zaghafte Kontakte in die DDR aufzubauen, insbesondere zu solchen Künstlern und Kunsthistorikern, bei denen sie ein kritisches intellektuelles Potenzial und einen Anspruch auf Modernisierung sah.

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Dazu gehörten etwa der Grafiker Herbert Sandberg, der 1976 gegen die Ausbürgerung Biermanns protestiert hatte, für den sie 1981 in Osnabrück und Bremen eine Ausstellung organisierte,17 oder die Kollegen Peter H. Feist und Harald Olbrich. Insbesondere Feists Fundus-Bändchen Künstler, Kunstwerk und Gesellschaft. Studien zur Kunstgeschichte und zur Methodologie der Kunstwissenschaft von 1978 wurde damals auch unter den kritischen Kunsthistorikern im Westen stark rezipiert.18 Ich selbst habe mein Studium der Kunstgeschichte 1983 an der Universität Osnabrück aufgenommen. Es war ein sehr kleiner Studiengang, der zunächst noch »Kommunikation und Ästhetik« hieß. Die frühen 1980er Jahre waren die Zeit der AntiAtomkraft-Bewegung, des NatoDoppelbeschlusses und der Anfänge der ökologischen Bewegung und der Friedensbewegung. Gleich zu Beginn meines Studiums kursierte unter den Studienanfängern die Nachricht, dass Jutta Held an den sogenannten Prominenten-Protesten im September 1983 in Mutlangen gegen die Stationierung der Pershings teilgenommen hatte, was mich damals ziemlich beeindruckt und mir das Gefühl vermittelt hat, am richtigen Ort gelandet zu sein. Im Laufe der 1980er Jahre, als viele Abb. 4: Jutta Held, Osnabrück, 1980 der früheren 68er den Weg an die Universitäten fanden, sich dort etablierten und politisch zurückhaltender wurden, baute Jutta Held ihre politischen Aktivitäten aus. Sie engagierte sich verstärkt in der Redaktion des Argument, aber auch für den BDWI (Bund demokratischer Wissenschaftler). Für das Argument schrieb sie 1985 den Beitrag »Wie kommen politische Wirkungen von Bildern zustande?«,19 der einige Jahre später in englischer Übersetzung auch im Oxford Art Journal erschien.20 Der Artikel ist durchaus von programmatischer Natur und war so etwas wie ein Gründungsmanifest der Guernica-Gesellschaft (Abb. 5), eines Vereins zur Erforschung und Förderung antifaschistischer Kunst und Antikriegskunst, den Jutta Held 1986 ins Leben gerufen hat und der ein Jahr später mit dem internationalen Kongress Der spanische Bürgerkrieg und die

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Abb. 5: Gründung der Guernica-Gesellschaft am 3. Juli 1985 in Osnabrück

bildenden Künste erstmals öffentlich in Erscheinung trat.21 Als Marxistin hat sie sich vor allem im Kontext des BDWI zu erkennen gegeben, insbesondere in einem sehr kurzen, persönlichen Beitrag über »Marxismus und Kunstgeschichte«, der 1988 in Forum Wissenschaft erschien.22 In der Frankfurter Rundschau veröffentlichte sie 1989 in der von Habermas initiierten Reihe »Forum Humanwissenschaften« den Beitrag »Der mainstream, die Linke und Panofsky«,23 in dem sie sich vehement dem in den Jahren des Pictorial Turn verbreiteten Panofsky-Bashing widersetzte. Wie viele linke bzw. an soziologischen Fragen interessierte Intellektuelle, unter anderem auch Pierre Bourdieu, verehrte sie Panofsky. Bei allem politischen Anspruch blieb die methodische Basis ihrer kunstgeschichtlichen Forschungen immer die Ikonologie. In der Mitte der 1980er Jahre, man könnte sagen: mit einiger Verspätung, erweiterte sie ihr Repertoire um feministische Fragestellungen. Den Anstoß gaben – soweit sich das rekonstruieren lässt – weniger die sich bereits formierende feministische Kunstgeschichte in Deutschland, sondern befreundete Kolleginnen aus den USA, insbesondere Frances Pohl.24 Die feministischen Arbeiten von Jutta Held fanden in der feministischen Kunstgeschichte in Deutschland nicht nur ungeteilte Zustimmung, sondern wurden gelegentlich heftig kritisiert, weil sie im Mutterbild, vor allem in den Mariendarstellungen der frühen Neuzeit, durchaus ein emanzipatorisches Potenzial erkannte.25 Innerhalb des feministischen Diskurses der 1980er Jahre wurde das als kontraproduktiv wahrgenommen.

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Das Beeindruckende war (aus der Sicht des Schülers und späteren Kollegen), dass die politischen Aktivitäten, insbesondere die wissenschafts- und die friedenspolitischen Aktivitäten auch ihrem Naturell und ihrer Lebenseinstellung entsprachen. Das galt auch für Norbert Schneider. Beide handelten auch im universitären Alltag danach. Sie haben grundsätzlich Assistenten und Hilfskräfte nicht für sich arbeiten lassen. Die Assistenten und Mitarbeiter hatten neben ihren Lehraufgaben alle Zeit für die eigene Weiterqualifikation, sie waren Kollegen, keine Untergebenen, anders als sie es selbst noch kennengelernt haben. Die Hilfskräfte wurden nur für Aufgaben des Instituts eingesetzt, nicht zur Unterstützung der eigenen Arbeiten. Es war kein Zufall, dass beide ästhetisch eher eine Vorliebe für das Subtile und Beiläufige hatten und weniger für das Kraftstrotzende oder Plakative. Als Titelblatt für die erste Auflage ihrer gemeinsam verfassten Sozialgeschichte der Malerei von 1993, in der auch die Gedanken zu den Marienbildern der frühen Neuzeit entwickelt werden, wählten sie eine Darstellung von Venus und Anchises aus einem Fresko von Annibale Carracci in der Galleria Farnese in Rom von 1597.26 Es geht um die Liebe zwischen der Göttin und dem Menschen, aus der bekanntlich Aeneas hervorgegangen ist. Ausdruck ihrer Liebe ist in der Darstellung Carraccis neben der Amor-Figur zu Füßen der Venus die Geste des Mannes (Anchises), der der Frau beim Ausziehen ihrer Schuhe behilflich ist, keine erobernde, sondern eine sanfte, zuvorkommende Geste. In der Sozialgeschichte der Malerei entwickeln bzw. konkretisieren und modifizieren beide noch einmal ihren methodischen Ansatz, den sie nicht mehr (wie Jutta Held in ihrer Goya-Biographie) am Schluss, sondern in der Einleitung erläutern. Da heißt es: »Unser Interesse gilt vor allem der historischen Funktion der ikonografischen Motive. Dabei konnte es nicht darum gehen, soziale Implikationen lediglich eines isolierten ikonographischen Typs analysieren zu wollen. Nicht das auf Grundmuster reduzierte Motiv ist aussagekräftig, sondern die Abweichung, die historische Variante. […] Wir gehen nicht von der Vorstellung sozial determinierter Stile, künstlerischer Bedeutungen und Formen aus, quasi von einer Ontologie der künstlerischen Medien. Es lassen sich nicht, wie Frederick Antal versucht hat, eindeutig klassenspezifische und klassengebundene Formen, etwa bürgerliche und aristokratische Stilmerkmale, aus der Geschichte destillieren. Statt dessen gehen wir, wie gesagt, von einem funktionalen Verständnis der künstlerischen Bedeutungen und Formen aus. Wir versuchen also, historische Konstellationen zu rekonstruieren, in denen künstlerische Motive und Formen eingesetzt wurden, mit denen um die kulturelle ›Definitionsmacht‹ gerungen wurde.«27

Beide hatten einen ausgeprägten Sinn nicht nur für sozial-, mentalitäts- und gendergeschichtliche Aspekte, sondern auch für den politischen Anspielungsreichtum in Werken der Kunst. Zu den Lieblingsbildern von Jutta Held etwa gehörte der Kartenhausbauer von Chardin aus den 1730er Jahren, ein Bild des Ancien Régime, in dem sich der gesellschaftliche Veränderungswille in den Jahrzehnten vor der Revolution in Frankreich dokumentiert:28 Das Kartenhaus, das der Spieler baut, ist als Sinnbild für den Entwurf einer neuen Gesellschaft zu verstehen (wie Architektur in der frühneuzeitlichen Malerei und Grafik sehr häufig als Sinnbild der Gesellschaft fungiert). Das Haus ist noch nicht fertig, es ist sehr fragil (gleiches gilt für den Plan einer neuen Gesellschaft), aber entscheidend ist, dass der König (bzw. die entsprechende Karte) unter den Tisch fällt, er

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also offenbar nicht mehr Teil der neuen Gesellschaft sein soll. Für das Jahr 1730, also noch im Zeitalter des Absolutismus, war das eine bemerkenswerte politische Aussage. Ich habe auf meinem bisherigen Weg einige wirklich bedeutende Fachkolleginnen und Fachkollegen kennenlernen dürfen und festgestellt, dass es oft sehr zurückhaltende und bescheidene Menschen sind. Das galt auch für Jutta Held. Sie erzählte niemals über sich selbst, über ihre eigenen Projekte und Erfolge, sondern fragte immer das Gegenüber (egal ob es sich um Kollegen oder Studierende handelte) nach dessen aktuellen Arbeiten, Vorhaben und Plänen, war interessiert und bereit, sich auf dessen Themen einzulassen. Diese Eigenschaft, sich nicht selbst in den Mittelpunkt zu stellen, sondern den anderen gut aussehen zu lassen, habe ich wirklich bewundert. Das prädestinierte sie natürlich für bestimmte Aufgaben. Als 1996 dem schon erwähnten französischen Soziologen und politischen Aktivisten Pierre Abb. 6: Jutta Held, Osnabrück, 2000 Bourdieu die Ehrendoktorwürde der Universität Frankfurt verliehen wurde, hielt die Kunsthistorikerin Jutta Held die Laudatio.29 Das war eine große Sache – und sicherlich auch nach ihrem Geschmack, denn Bourdieu stand nicht nur für eine enge Verbindung zwischen Soziologie, Kunstgeschichte, Kulturtheorie und Bildungspolitik, sondern war bekanntermaßen auch der Mitbegründer von Attac. Jutta Held wurde im Jahr 2000 emeritiert (Abb. 6), ihre Abschiedsvorlesung hielt sie über Picassos Koreabild.30 Sie und Norbert Schneider (Abb. 7) verlegten anschließend (2002) ihren Lebensmittelpunkt nach Karlsruhe. Mit den beiden gingen auch die Guernica-Gesellschaft und die Stiftung Kritische Kunst- und Kulturwissenschaften nach Karlsruhe. Die Stiftung hatten die beiden in den 1990er Jahren gegründet, um ihre Art von Kunstgeschichte, das heißt eine kritische, sozialgeschichtliche und feministische Kunstgeschichte mit friedenspolitischem Akzenten zu fördern. Die Stiftung unterstützt entsprechende Projekte, vergibt Preise und Stipendien, jetzt erstmals in Kooperation mit dem ZI in München den Jutta-Held-Preis. 2007 starb Jutta Held im Alter von 73 Jahren, kurz vor dem Erscheinen der gemeinsam mit Norbert Schneider verfassten Grundzüge der Kunstwissenschaft, einer ambitionierten Einführung in die »Gegenstandsbereiche, Institutionen [und] Problemfelder« unseres Faches, wie es im Untertitel des Bandes heißt.31 Ein Grundprinzip des Bandes

Zur Einführung: Jutta Held und die Kunstgeschichte nach 1968

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Abb. 7: Jutta Held und Norbert Schneider, Florenz, 2004

(und das lässt sich auch für die Lehrveranstaltungen der beiden sagen) war es, die Studierenden nicht zu unterfordern. Ein weiteres Prinzip war es, nicht nur die Gegenstandsbereiche, Institutionen und Problemfelder der Kunstgeschichte zu historisieren, sondern auch das eigene wissenschaftliche Handeln, die Geschichte der kritischen Kunstgeschichte nach 1968 zu reflektieren, die sie als Teil der New Art History begriffen. Mit einem Zitat vom Anfang ihres Bandes, der sich wie ein Fazit der eigenen Geschichte und der Verdienste einer neuen, kritischen Kunstgeschichte liest, möchte ich meinen Vortrag beenden: »Mit dem neuen Niveau der Verwissenschaftlichung, das gleichermaßen die Begrifflichkeit, die Theorien und die methodischen Zugriffsweisen sowie den Kanon der zur Kunstgeschichte gehörigen Gegenstände betraf, setzte die New Art History zugleich den Anspruch einer permanenten Selbstreflexion der Disziplin. Diese Standards zu unterschreiten, können sich heute weder die einzelnen VertreterInnen der Disziplin noch deren Repräsentanzebene insgesamt leisten, wollen sie innerhalb der vielfältigen Konkurrenzen im wissenschaftlichen und intellektuellen Feld der Gegenwart bestehen.«32

1 Dieser Beitrag ist die leicht bearbeitete und um einige Fußnoten ergänzte Fassung eines Vor-

trags, der am 1. Dezember 2021 anlässlich der Verleihung des Jutta-Held-Preises an Jo Ziebritzki am Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München gehalten wurde. Er erscheint in gekürzter Form auch in der Kunstchronik. 2 Vgl. Norbert Schneider (Hg.): Zwanzig Jahre danach – Kritische Kunstwissenschaft heute. Marburg 1990 (= Kritische Berichte, 18/1990, H. 3); Martin Papenbrock, Norbert Schneider (Hg.): Kunstgeschichte nach 1968. Göttingen 2010 (= Kunst und Politik, 12/2010).

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3 Vgl. Irene Below: »Die Unterprivilegierung der Frauen in den kunstwissenschaftlichen Institu-

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tionen« In: Norbert Schneider (Hg.): Kunst und Kultur um 1968. Göttingen 2018 (= Kunst und Politik, 20/2018), S. 149–157; dies.: »›betrifft die Emanzipations-Geschichte‹. Kunsthistorikerinnen im Aufbruch« In: ebd., S. 159–168. Jutta Held: Farbe und Licht in Goyas Malerei. Berlin 1964. Wolfgang Schöne: Über das Licht in der Malerei. Berlin 1954. Vgl. Wolfgang Schöne: Kampf um die deutsche Universität. Streitschrift anlässlich der am 14. Mai 1966 verabschiedeten Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Neuordnung des Studiums an den wissenschaftlichen Hochschulen. Hamburg 1966. Vgl. Martin Papenbrock: »Humanismus, Realismus, Nonkonformismus. Richard Hiepe, die Tendenzen und die Neue Münchner Galerie von 1958 bis 1968« In: Schneider 2018 (wie Anm. 3), S. 69–86, hier S. 70–71. Vgl. Martin Papenbrock: »Berufsverbote. Der Radikalenerlass und die Kunstgeschichte« In: Papenbrock/Schneider 2010 (wie Anm. 2), S. 63–75. Vgl. Norbert Schneider: »Hinter den Kulissen. Die Akte ›Warnke‹« In: Papenbrock/Schneider 2010 (wie Anm. 2), S. 53–61. Der Nachlass von Jutta Held und Norbert Schneider befindet sich seit 2020 im Deutschen Kunstarchiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Die etwa 15.000 Bände umfassende Bibliothek der beiden wurde vom ZKM in Karlsruhe übernommen. Zu Ernst Strauss vgl. Christian Fuhrmeister: »Kontinuität und Blockade« In: Nikola Doll, Ruth Heftrig, Olaf Peters, Ulrich Rehm (Hg.): Kunstgeschichte nach 1945. Kontinuität und Neubeginn in Deutschland. Köln 2006, S. 21–38. Vgl. Berthold Hinz, Horst Bredekamp: »München« In: Kritische Berichte, 1/1973, H. 1, S. 42–45; »Fall Richard Hiepe« In: Kritische Berichte, 1/1973, H. 2, S. 26–27; H. 4, S. 35. Vgl. Jutta Held: »Visualisierter Agnostizismus. Zum amerikanischen Fotorealismus« In: Kritische Berichte, 3/1975, H. 5/6, S. 63-78; Jutta Held: »Pop Art und Werbung in den USA. Über das dialektische Verhältnis zwischen freier und angewandter Kunst« In: Kritische Berichte, 4/1976, H. 5/6, S. 27–44. Jutta Held: Francisco Goya. Reinbek 1980. Ebd., S. 144. Vgl. Siegfried Prokop: Ich bin zu früh geboren. Auf den Spuren Wolfgang Harichs. Berlin 1997, S. 150. Vgl. Jutta Held: Herbert Sandberg. Politische Grafik. Ausst.Kat. Osnabrück 1981 (Abendgalerie). Peter H. Feist: Künstler, Kunstwerk und Gesellschaft. Studien zur Kunstgeschichte und zur Methodologie der Kunstwissenschaft. Dresden 1978; vgl. dazu auch: Norbert Schneider: »Kunst und Gesellschaft. Der sozialgeschichtliche Ansatz« In: Hans Belting u.a. (Hg.): Kunstgeschichte. Eine Einführung. 3. Auflage Berlin 1988, S. 305–331, hier S. 316. Jutta Held: »Wie kommen politische Wirkungen von Bildern zustande? Das Beispiel von Picassos ›Guernica‹« In: Das Argument, 1985, Nr. 153, S. 701–710. Jutta Held: »How Do the Political Effects of Pictures Come About? The Case of Picassoʼs Guernica« In: Oxford Art Journal, 11/1988, No. 1, S. 33–39. Vgl. dazu auch den Beitrag von Alex Potts in diesem Band. Vgl. Jutta Held (Hg.): Der spanische Bürgerkrieg und die bildenden Künste. Berlin 1989. Jutta Held: »Das Ganze begreifen und verändern. Marxismus und Kunstgeschichte« In: Forum Wissenschaft, 4/1988, S. 48–49.

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23 Jutta Held: »Der mainstream, die Linke und Panofsky« In: Frankfurter Rundschau,

15.08.1989, Nr. 187, S. 9. 24 Jutta Held, Frances Pohl: »Feministische Kunst und Kunstgeschichte in den USA. Ein Be-

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richt« In: Kritische Berichte, 12/1984, H. 4, S. 5–25; vgl. auch den Wiederabdruck des Interviews, das Frances Pohl 1996 mit Jutta Held geführt hat, in diesem Band. Vgl. Jutta Held: »Marienbild und Volksfrömmigkeit. Zur Funktion der Marienverehrung im Hoch- und Spätmittelalter« In: Ilsebil Barta u.a. (Hg.): Frauen, Bilder, Männer, Mythen. Berlin 1987, S. 35-68; vgl. dazu auch den Beitrag von Ellen Spickernagel in diesem Band. Jutta Held, Norbert Schneider: Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Köln 1993. Ebd., S. 10–11. Abgebildet auf dem Umschlag der ihr gewidmeten Festschrift: Martin Papenbrock, Gisela Schirmer, Anette Sohn, Rosemarie Sprute (Hg.): Kunst und Sozialgeschichte. Festschrift für Jutta Held. Pfaffenweiler 1995. Vgl. Klaus Herding: »Stille Souveränität – analytische Tiefe. Zum Lebenswerk von Jutta Held« In: Kritische Berichte, 2007, H. 2, S. 85–93, hier S. 88. Vgl. auch: Jutta Held: »Zu Pierre Bourdieus Analyse der Künste und Kultur« In: dies. (Hg.): Mitte des Jahrhunderts. 1950 – Geschichte und Mythos. Osnabrück 2000 (= Kunst und Politik, 2/2000), S. 197–204; dies.: »Gegenfeuer entfachen« In: Kritische Berichte, 34/2006, H. 3 (Thema: Was ist links? – What is left?), S. 31–33. Vgl. Klaus Garber, Ute Széll (Hg.): Frühe Neuzeit und Moderne. Jutta Held zum Abschied. Münster 2004. Jutta Held, Norbert Schneider: Grundzüge der Kunstwissenschaft. Gegenstandsbereiche – Institutionen – Problemfelder. Köln 2007. Ebd., S. 13-14.

Frances Pohl Jutta Held: Art History and the Left in Germany1

I first met Jutta Held in the fall of 1982, when I was a graduate student in art history at the University of California, Los Angeles (UCLA) and she was a visiting professor. Her permanent appointment was at the University of Osnabrück, where she had been teaching art history since 1975. She was already well-known for her work on Francisco Goya and for her contributions to the growing field of Marxist art history.2 It was during her visit to UCLA that Jutta Held first became seriously interested in feminist art history. We had numerous conversations on the topic, and she suggested that we work together on an article on feminist art and art history in the U.S. The article appeared two years later in the German leftist journal Kritische Berichte.3 After she returned to Germany we maintained contact, exchanging publications and letters detailing our concerns about developments within art history and world politics. Over the course of the next ten years, Jutta Held became increasingly involved in feminist research and in organizing conferences and special issues of journals, which included, or focused specifically on, feminist issues. For example, in 1985 she organized a conference entitled »Art and the Culture of Women« at the Evangelist Academy at Loccum, featuring speakers from the fields of art history, history, literature, journalism, music, film, education, and the visual arts.4 In 1989 she edited a special issue of the leftist philosophy journal Argument on women in France in the eighteenth century.5 The interdisciplinary nature of these endeavors is evidence of her commitment to a broader, more inclusive understanding of cultural phenomena. In addition, as a leftist, her concern with questions of gender is always accompanied by a concern with class. Women on the Left were, in fact, the first to voice an interest in establishing an organized feminist presence in the German art history community in the early 1980s. The first large feminist conference was held in Marburg in 1982 as part of the meeting of the Ulmer Verein for Art and Art Theory, a leftist art historical organization. The 1982 conference was the beginning of a series of conferences that functioned as important gathering places for feminist art historians and that resulted in significant publications. The Marburg meeting was organized as a symposium on women, art, society, and critical theory. The women in attendance focused on three main issues: 1) the employment situation for women in academia; 2) the identification of women in the history of art (as artists, patrons, and critics); and 3) the resistance to a male-centered art historical methodology.6 As was the case in the U.S. a decade earlier,7 German women were motivated to organize, in part, by serious economic concerns. The employment prospects for women in academia in Germany were, and still are, much more limited than those for men in Germany and for women in the U.S. When I first met Jutta Held,

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she was one of only a handful of full-time female full professors in art history in all of Germany; the situation has not improved much since then. The women who wrote the introduction to the collection of essays that emerged from the third conference, held in Vienna in 1986 (the second was in Zurich in 1984 but did not have an accompanying publication), noted that the widespread integration of a feminist approach into the spectrum of more traditional methodologies indicated that feminism had made significant inroads into traditional art history. Yet they also warned that such inclusion was often only a token recognition, with feminist art history simply listed as one methodology among many and presented as »proof« of the pluralism of contemporary art history. Identified as one among many liberating and emancipatory movements, feminist criticism of patriarchy was denied its particularity. Thus, feminists needed to be wary of the terms under which they and their work were incorporated into art historical institutions.8 Such wariness appeared in the essays in this volume, which focused on critical considerations of the term »gender« as a historical-social category and on the unraveling of historical and modern myths of both masculinity and femininity. The authors of the introduction to the volume of essays that emerged from the fourth conference in Berlin in 1988 pointed out that feminist art history in Germany had now gone beyond the practice of just adding women to an already existing art historical hierarchy or of simply deconstructing the portrayal of »woman« in works by both male and female artists. This conference focused on how power and structures of domination are established through images and art historical institutions, how everything that is notmale becomes subordinate and marginalized. In asking to what extent the construction of the artist is part of the reproduction of dominant social structures, feminist art historians issued a challenge to art history itself as a discipline. Such a broad disciplinary challenge also called into question the institutionalized liberal-pluralist view of feminism as simply one among many theoretical approaches, one applicable only to the study of women. 9 In 1991 I visited Jutta Held in Osnabrück to continue our conversations about feminist art history in Germany. We spoke at length about the abovementioned conferences, about recent publications, and about the effect of the unification of East and West Germany on scholarship in general. A desire to share this information with a broader U.S. audience prompted me, two years later, in 1993, to send her a series of questions related to our earlier discussions, the answers to which appear below. 10 Why did you become interested in feminism? I must say that it was through the adoption of Marxist thinking, Marxist theory and basic Marxist assumptions about critical scientific work that I first gained a solid basis and meaningful perspective about my academic work. The decisive thing I learned for my art historical research was to think relationally, to keep society as a whole in perspective, even when I was considering detailed art historical questions. The question of the historical function of artistic and cultural appearances, the reasons for artistic innovations or artistic affiliations, became answerable in principle. Marxist perspectives and questions »freed« the »1968 generation«11 from a feeling of helplessness in the face of a need to construct theory and evaluate facts, and from the extensive bias and subjectivity of the construction of art historical categories to which we were exposed during our studies, which were dominated – at best – by a blind posi-

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tivism. Through »self-study« I achieved, like many women scholars of my generation, a certain scholarly independence. In other words, I felt myself intellectually able and ready to consider, for the first time, the social, political and cultural events of the present and the past. Since this Marxist orientation was new to me, I was not initially attracted to other theoretical and practical demands. Marxism offered a universal, »centralized« theory, a structure within which all phenomenon had their systematic location. Only after the discrediting of Marxist thinking in public, which was the result of the collapse of socialist states, did Marxists give up, or at least lessen, the global pretensions of their theories. This is how I explain to myself the reason that feminist politics and theory appeared on my horizon relatively late, at least measured by American standards, although not so late according to German developments. I thought I had found in Marxism a general use and viable theory and, accordingly, analytic tools. However, I never thought that other scientific approaches, such as structuralism, had nothing to offer in terms of knowledge and were thus incompatible with Marxist positions, which is what most Marxists in the GDR [the old East Germany] assumed.12 But the problems to which feminists drew attention appeared at first to me to be particularized and subordinate. Yet I always tended toward intellectual curiosity and a certain restlessness, without which I would not have been interested in Marxism in the first place. The first time I exposed myself to feminist questions was when I was working with you in the United States on an essay about feminist art and art history. I began at that point to take into consideration feminist work, not just in art history and not only, of course, those articles that appeared in Argument. The feminist interest in the constitution of subjectivity, which many women scholars had been drawn to as a way to understand their own biographical histories, was an important incentive, since all women are faced with certain traumas to work through in their own lives. I had been attracted to the university under the assumption that I could do as well as my male colleagues and I completed my studies under the impression that there was equality between the sexes; the masculine character of mainstream scholarship and its institutions did not become clear to me during this time. Feminism sensitized me to the »gender difference« that affected my own life and which I had ignored earlier in life rather than accepting it. Within art history I have seldom participated in the many studies which prove the disadvantages and the many forms of oppression of women and women artists. Instead, I am interested in the evidence of »womenʼs power« in history and art history, even in those representations which were produced by men with vindictive or oppressive intentions, such as representations of witches, Adam and Eve, and Judith.13 In all of these representations I am interested, above all, in that aspect that shows traces of the active participation of women in societal life, and not so much in their role as victim. I see my work on »womenʼs power«, until my essay on the »feminization« of the avant-garde, in this way.14 How has feminism affected your Marxism? At first I participated in the discussion as to whether gender or class difference was more fundamental. This was the »classic« question that divided Marxists and feminists. This question led to whether feminists must subordinate themselves to Marxist models or not

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(I canʼt remember whether feminists also required subordination; for them it was more about simply the recognition of the equal importance of the gender questions posed by them, and questions of class). Although I did not write about this question, it occupied me. Today it has become, in my opinion, irrelevant. In historical research it is much more important to analyze how the demands for power by the patriarchy are fused with those of the dominant classes, the ways they are mutually strengthened and legitimized. There are also historical phases during which it appears that »male domination« is forfeited, or at least limited. I have tried to show this, for example, in Watteauʼs representations of love.15 In the first phase of the French revolution one can also see egalitarian designs.16 It is likely that, as a rule, this happens during historical periods in which the class structure of society has become unstable or needs revision. Also, in periods in which there is a breakdown of the social order, the conquered social groups, classes or strata tend to choose female symbols. The rise of Marian devotion in the Middle Ages appears to me to rest, in part, on the association of woman with social weakness, as I tried to show in my article on Marian devotion.17 It is also not coincidental that when the French resistance was forced to engage in subversive activities during World War Il, they chose female symbols, which was the complete opposite of what the Communist Party did in Germany in the 1920s. My ability to discern the often hidden issues in social conflicts and their representation widened and differentiated itself through a feminist perspective. Many phenomena in art history that I did not recognize before became clear to me. For example, I realized how fundamental gender relations have been in social representations in royal court art since the early modern period, in which dynastic thinking about the role of women gained a highly valued position. Many representations that appear in the context of the court, for example the mythological scenes in Fontainebleau and Versailles, I only recognize now in their multifariousness and double determination. In The Social History of Painting that I just finished with Norbert Schneider I try to connect the two perspectives, questions about relations between the sexes and the classes, as well as the complicated question about how these relationships are visually – this means ideologically and aesthetically – woven together so that social models can be exemplified through them.18 So I see that the reach of Marxist theory is limited through feminist theories, and I have decided in the meantime that his mutual limitation is a good thing, that it can be productive. Seamless theoretical syntheses belong in all likelihood to the past. They do not speak to the complex and multifarious determinations of phenomena that they were meant to explain. How does feminist art history relate to historical and political developments in Germany since the 1970s? There were hardly any signs of feminism in Germany before approximately 1975. The book by Renate Berger was a first attempt,19 the 1982 conference in Marburg the second. I think it took place in 1983. I had suggested it, others acted on it. I myself could not participate because I was going to Los Angeles at the time. During this time I was still unclear about feminism. An important »womenʼs issue« gaining explosive political force was the question of discrimination against women in the work force, or the institution of quotas to rectify

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this discrimination. It was mostly women in academic professions or in politics who were affected, or that is at least where the quota issue was discussed the most fiercely. The »Greens« [Green Party] were the first to adopt a quota politics and forced all other parties and institutions to follow their example. Feminists succeeded in creating a climate in which there was no academic discipline that did not have to face the quota issue. Other leading positions in the church, state and business world were now, in principle, accessible to women as well. I am sure the U.S. model promoted this process considerably. The second political issue affecting women, especially women from the lower social strata, was abortion which, in the past few decades, has become an extremely explosive political subject, as it was during the Weimar Republic of the 1920s. This has been especially true since German unification, which made it necessary for abortion laws to be standardized. As in other areas, GDR practice, having been much more liberal, was defeated. Feminist circles, and many other groups as well, were involved in this debate. Art historians were not very interested in this issue. However, the Guernica Society did propose to the Lower Saxony Womenʼs Department an exhibition devoted to paragraph 218 (about abortion), similar to the one shown in many cities in the early 1930s, with many well-known male and female artists. But, regrettably and typically, this exhibition did not come about. An important political movement in the early 1980s with considerable popularity was the peace movement, and the womenʼs movement was active in it. Here all leftist groups – extending far into the bourgeois camp – and the womenʼs movement worked together. When they could not overcome political differences between the different groups, they were able to exclude such differences during political actions. For the first time, all protesting groups were able to participate as equals without one group wanting to claim leadership. Demonstrations were organized, as well as large academic conferences. The issues of war and peace in history, peace utopias, and the possibilities of non-violent political actions opened new academic perspectives for historical research as well, which joined up with Marxist and feminist perspectives. At that time people were also debating whether or not women should serve in the Bundeswehr (German army). A minority among the womenʼs movement answered in the affirmative on the basis of equal rights. Within the peace movement, every group sought to link its own political issues with the demand for disarmament and peace politics. For the Greens, it was the danger of an environmental catastrophe (arising not only from the use of weapons, but also from their storage, as we keep hearing again and again these days) that linked their main political issue of ecology with the peace movement. As far as women were concerned, it was shown that women are always among the losers, not only of wars but also of militarized societies. This was confirmed by historical research. In history, literature and art history this linkage between women and peace was approached from an historical perspective. I, myself, was investigating peace utopias and the peace-keeping function accorded to women since the Renaissance, using the example of mythological and allegorical representations, for example, the connection between Mars and Venus, which, depending on the social viewpoint, was interpreted very differently. Feminists, represented in all political groups and especially in the Greens, contributed significantly to the formation of network-type associations rather than the centralistic

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ones Marxists tended to favor. Members of the Left, who rejected all weapons systems and deployment in East and West alike, were able to participate in activities equally and together with those accepting deployment in the weaker countries, those of the Eastern Bloc. The peace movement marked and generated a new understanding of politics, which involved different oppositional groups dealing with social and political problems without denying their own identity or the specific focus of their opposition, or having to submit to a common point of view. Rejection of nuclear arms under various points of view was agreed upon, without trying to agree on the other ideological and political issues. This was something new and gave feminists an important position in the leftist spectrum. What do you see as the future of feminism and art history? Are younger feminists more or less leftist? The dominant scientific paradigm in all the humanities is currently the poststructuralist model, or at least most of the disciplines are strongly influenced by poststructuralism. These poststructuralist axioms are leveled against leftist and Marxist analyses quite aggressively at times, and especially by feminists. In Germany this applies more to the study of literature than art history, where there was no breakdown of communication between poststructuralists and Marxists. Younger female art historians tend, in part, to be poststructuralists. Although I, myself, am, letʼs say, reserved towards poststructuralist models, I have to admit they allow for new insights, such as a sensitivity with respect to decentralized power and structural violence, to which women are especially exposed, an emphasis on unconscious processes influencing the formation of identity, and an awareness of »inconsistencies« in definitions of the subject, especially for women. Male theoreticians tend to equate the transcendental subject, consciousness, with the empirical individual and be blind to the actual processes of living, which counteract rigorous and abstract postulates. In this context, the poststructuralist approaches caused a change in thinking or articulated this change in thinking, although, on the other hand this change involves the problematic tendency to negate or ignore any »Sollwerte« (fundamental values), as Jürgen Habermas says. In art history and literature, poststructuralists pointed out contradictory structures of texts and images, places where the author contradicts her/himself and where the author allows tendencies unconscious to her/himself. These observations are insightful for intellectual history, which in turn is especially relevant for art history. In general I have observed a decline in interest in grasping historical connections, a strong point of the Left. Instead, what is preferred today is the »spotlight« view of history. Nobody pays much attention to communicative processes in order to communicate; little attention is paid to what others are doing in art history and what results other methods and perspectives are yielding. A synthesis is hardly the goal any more. This could lead to a disintegration of the discipline. In younger female, as well as male, students I am observing that they give a lot of importance to their subjective view, as opposed to recognition of facts and insights opposing or restricting this view. Very often they donʼt seem to even be interested in un-

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derstanding the structure of an authorʼs argument in the first place. This seems to me to be some kind of scientific solipsism, associated with radical Western individualism. Political engagement is reduced to expressing opinions which can be presented very resolutely. This probably has to do with social disintegration processes, the individualization of life blueprints, and phenomena of dissolution in institutions and associations, political groups, parties, etc. We have to wait and see whether this trend will intensify or whether new, opposing tendencies will arise. What effect has the unification of East and West Germany had on art history and on feminist art history in particular? The German unification led to the devaluation and discrediting, even criminalization, of all areas of life and values of the former GDR (East Germany); it is not only the case in politics but also in culture. Also, the art and artists of the GDR, who were highly regarded in the FRG (West Germany), have been degraded and humiliated through media campaigns that attacked artists and intellectuals for their political views. Artists of the GDR who were successful before unification are now devalued as »regime artists«. The dominant political system wants to erase the GDR completely and tries to discredit any social and cultural claims that originated there and could be generalized. Many university teachers from the GDR lost their positions. Art history was likewise affected. The well-known art historians have been removed from their positions. Women, especially, suffer from the high rate of unemployment that now dominates the former GDR. The compatibility of job and family that was guaranteed in the old GDR is not as easily granted any more. Women with children learn for the first time about the »normal« difficulties of women in capitalist countries. Equality for women in the work force was taken more for granted in the GDR than in the FRG, although it was also not common for women to reach high positions in the GDR and patriarchal structures remained in place in everyday family life. Women in the GDR thus had fewer reasons to develop feminist positions before unification. Also, the pressure towards integrative thinking, which women accepted, prevented them from articulating themselves in feminist terms. Although female colleagues had been interested in feminist art history before the disappearance of the GDR, only now have they become determined in that interest. But the majority of them reject particularistic tendencies in feminism. Here their training in Marxist thinking shows through. At art colloquiums and conferences I have noticed the different style of discussion of the academics from the former GDR. It is less determined by vanities and egocentrisms and puts less emphasis on divergences than on common grounds. Altogether, their style of discussion has more nuances and is less exclusive. Competition has been less important in the GDR, which explains this difference. My male and female colleagues from the GDR could convey a sense of a different culture if they were not silenced all the time and if their scholarly insights were not a priori regarded as subordinate, just as their country was subordinated to the FRG.

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1 This interview was first published in Womenʼs Studies: An Interdisciplinary Journal, V. 25

(April 1996): 293–304. 2 Jutta Heldʼs work on Goya includes: Francisco de Goya: in Selbstzeugnissen u. Bilddokumen-

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ten (Francisco Goya: Autobiographical Writings and Documents) (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1980); Farbe und Licht in Goyas Malerei (Color and Light in Goyaʼs Painting) (Berlin: W. de Gruyter, 1964); and Die Genrebilder der Madrider Teppichmanufaktur und die Anfänge Goyas (the Genre Paintings of Madrid Tapestry Manufacturers and Early Goya) (Berlin: Mann, 1971). In 1991 she organized a Goya symposium at Osnabrück which resulted in the publication Goya: Neue Forschungen: das Internationale Symposium 1991 in Osnabrück (Goya: New Research: The International Symposium of 1991 in Osnabrück) (Berlin: Gebr. Mann, 1994). She was also a regular contributor from the 1970s onward to the leftist art history journal Kritische Berichte on topics ranging from art historical pedagogy to U.S. photorealist painting and in 1981 published Kunst und Kunstpolitik 1945–49: Kulturaufbau in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg (Art and Art Politics 1945–49: The Restoration of Culture in Gennany After the Second World War) (Berlin: Verlag für Ausbildung un Studium in der Elefanten Press, 1981). In 1995 a collection of essays was published in her honor entitled Kunst und Sozialgeschichte (Art and Social History) (Pfaffenweiler: CantaurusVerlagsgesellschaft). Jutta Held and Frances Pohl: »Feministische Kunst und Kunstgeschichle in den USA« (»Feminist Art and Art History in the USA«) In: Kritische Berichte, 12/1984, No. 4, pp. 5–25. Jutta Held, ed.: Kunst und Kultur von Frauen. Weiblicher Alltag, Weibliche Ästhetik in Geschichte und Gegenwart (Art and the Culture of Women. Female Everyday Life, Female Aesthetic in History and the Present). Special issue of Loccumer Protokolle (January 1985). See footnote 15. Jutta Heldʼs essay »Was bedeutet ›Weibliche Ästhetik‹ in der Kunst der Moderne?« (»What does ›Female Aesthetic‹ Mean in Modern Art?«) was also included in a special feminist issue of Kritische Berichte published in August 1985. Cordula Bischoff, Brigitte Dinger, Irene Ewinkel and Ulla Merle, eds.: Frauen/Kunst/Geschichte: Zur Korrektur des herrschenden Blicks (Women/Art/History: On the Correction of the Dominant Point of View) (Giessen: Anabas-Verlag, 1984), pp. 7–12. The Womenʼs Caucus for Art was founded in 1972 at the annual meeting of the College Art Association. Ilsebill Barta, Zita Breu, Daniela Hammer-Tugendhat, Ulrike Jenni, Irene Nierhaus, Judith Schobel, eds.: Frauen – Bilder – Männer – Mythen: Kunsthistorische Beiträge (Women – Images – Men – Myths: Art Histoncal Contributions) (Berlin: Dietrich Reimer Verlag, 1987), pp. 7–10. Ines Lindner, Sigrid Schade, Silke Wenk, Gabriele Werner, eds.: Blick-Wechsel: Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Kunst und Kunstgeschichte (Change of View: Constructions of Masculinity and Femininity in Art and Art History) (Berlin: Dietrich Reimer Verlag, 1989), pp. 11–13. The fifth conference took place in Hamburg in the summer of 1991. I would like to thank my research assistant Kristine Kuramitsu for her many hours in the library, and Angelika Czekay and Sylvia Bock for their help in translating material from German into English. In Germany, as in the U.S., 1968 was a year of massive political demonstrations that rallied the Left against established centrist governments and that produced a certain optimism about the possibility of radical political change. By the early 1970s, these challenges to established government authority had been diffused and the optimism of the Left had seriously diminished. Many scholars today argue that the focus of poststructuralist theories at this point in

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time on the more subtle forms of power – e.g. power exerted at the ideological level – was the result of the incorporation of the challenges of the Left by the institutions of the dominant culture. After World War Il, Germany was divided into two sections, the Federal Republic of West Germany (FRG) and the German Democratic Republic (GDR). This division came to an end in 1989 with the tearing down of the Berlin wall. Jutta Held: »Die ›Weibermacht‹ in Bildern der Kunst von der frühen Neuzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts« (»›Female Power‹ in Artistic Representations from the Early Modern Times to the Beginning of the 20th Century«) In: Tendenzen, no. 152 (October/ December 1985). Jutta Held: »Die ›Feminisierung‹ der Avantgarde. Zur Kunst der Résistance: Eduard und Henri Laurens« (»The ›Feminization‹ of the Avantgarde. On the Art of Resistance: Eluard and Henri Laurens«) In: Kritische Berichte, 18/1990, No. 1, pp. 21–38. Jutta Held: Antoine Watteau, Einschiffung nach Kythera: Versöhnung von Leidenschaft und Vernunft (Antoine Watteau, Embarkation From Cythera: Reconciliation of Passion and Reason) (Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag, 1985). Jutta Held: »Auf dem Wege zur Emanzipation? Frauen des 18. Jahrhunderts in Frankreich« (»On the Way to Emancipation? Women in the Eighteenth Century in France«) In: Frauen im Frankreich des 18. Jahrhunderts: Amazonen, Mütter, Revolutionärinnen (Women in France in the Eighteenth Century: Amazons, Mothers, Revolutionaries), a special issue of Argument (1989), pp. 4–18, edited by Jutta Held. Jutta Held: »Marienbild und Volksfrömmigkeit – Zur Funktion der Marienverehrung im Hoch- und Spätmittelalter« (»Images of Mary and Popular Piety: On the Function of Marian Devotion in the High and Late Middle Ages«) In: Barta et al, eds., Frauen – Bilder – Männer – Mythen, pp. 35–68. Jutta Held and Norbert Schneider: Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert (Social History of Painting from the Late Middle Ages to the twentieth Century) (Köln: Dumont Buchverlag, 1993). Three years earlier Held published Monument und Volk: Vorrevolutionäre Wahrnehmung in Bildem des ausgehenden Ancien Régime (Monument and the People: Prerevolutionary Perceptions in Painting at the End of the Ancien Régime) (Köln: Böhlau Verlag, 1990). Renate Berger: Malerinnen auf dem Weg ins 20. Jahrhundert – Kunstgeschichte als Sozialgeschichte (Women Artists at the Turn of the Century: Art History as Social History) (Köln: Dumont Buchverlag, 1982). See also Renate Berger, ed.: »Und ich sehe nichts, nichts als die Malerei«: Autobiographische Texte von Künstlerinnen des 18. –20. Jahrhunderts (»And I See Nothing, Nothing Except Painting«: Autobiographical Texts by Women Artists from the 18th to the 20th Centuries) (Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1987) and Renate Berger and Daniela Hammer-Tugendhaft, eds.: Der Garten der Lüste – Zur Deutung des Erotischen und Sexuellen bei Künstlern und ihren Interpreten (The Garden of Lust: On the Meaning of the Erotic and Sexual Among Artists and Their Interpreters) (Köln: DuMont Buchverlag, 1985).

Ellen Spickernagel Jutta Helds feministische Kunstgeschichte

Seit meinen Studienjahren kannte ich Jutta Held. Im Lauf der Jahrzehnte las ich zahlreiche ihrer Schriften, nahm an ihren Tagungen teil, hörte Vorträge und lernte vor allem in der Guernica-Gesellschaft und in den Vorbereitungen zum Jahrbuch Kunst und Politik ihr fachpolitisches Denken und Handeln näher kennen. Nicht zuletzt motivieren mich die Gespräche im Lauf vieler Jahre zu dieser Rückschau. Die Erinnerungen allein genügen nicht – belebt und verändert werden sie durch die Re-Lektüre ihrer Schriften. Aus der Fülle ihrer Arbeiten greife ich den Bereich heraus, der mich besonders interessiert: die feministische Kunstgeschichte. Die Auswahl ist subjektiv, ich frage jeweils nach Jutta Helds feministischer Lesart und versuche zugleich, die Leitideen, welche die vielfältigen Forschungen unterschwellig koordinieren, darzustellen. Wieder erfahre ich, dass sie ohne die gängigen Stichworte des Diskurses auskommt – Unterdrückung und Marginalisierung der Frau, Patriarchat, Begriff des Geschlechts etc. – und ihn ungemein erweitert. I. Wer eine Festschrift erhält, liest mit erhöhter Aufmerksamkeit jeden einzelnen Beitrag. So ging es mir mit Jutta Helds Aufsatz »Androgynie in Chagalls Frühwerk«. Im Mittelpunkt steht das Gemälde Adam und Eva (Hommage à Apollinaire) (Abb. 1).1 Mit dem ersten Menschenpaar im Paradies wählte sie ein in der feministischen Kunstgeschichte prominentes Thema. Denn der Mythos, der im Hinblick auf das geschlechtliche Machtverhältnis gedeutet wurde, ließ sich noch in neuzeitlichen Ehe- und Familienbildern wiedererkennen. Held übergeht dieses Muster der Kritik an historischer und gegenwärtiger Ungleichheit und betrachtet das Paar als androgyne Gestalt in ihrer Verbindung zu sich und Apollinaire. Eingehend beschreibt sie anhand von Zeichnungen und Aquarellen die Wandlung der beiden Akte bis zur endgültigen Lösung einer Kompositfigur, die in ein System abstrahierter Elemente, gleichsam in kosmische Kreise, eingefügt ist. Die androgyne Figuration überwindet die sexuelle Polarität und kehrt zu mythischer Ungeschiedenheit zurück. Die Hommage verweist auf Apollinaires Orientierung am Mythos – z. B. im Fall des Sehers Tereisias – die Chagall mit dem Dichterfreund teilte. Der Maler sah ihn und sich selbst im Zeichen der Androgynie, die für ihn mit der Dimension des Schöpferischen verbunden war. Androgynie inkorporiert das Weibliche und macht so die Überwindung der Geschlechterpolarität zur Bedingung künstlerischer Produktion.

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Abb. 1: Marc Chagall, Adam und Eva (Hommage à Apollinaire), 1912

II. Ein unter dem Titel »Frauen – Bilder – Männer – Mythen« erschienener Band dokumentiert das breite Spektrum der Themen und methodischen Wege der feministischen Kunstgeschichte der 80er Jahre.2 Die Erforschung christlicher Kunst war ein Desiderat. Umso erstaunlicher ist es, dass Jutta Held diese wählt, um in einem grundlegenden Aufsatz eine zentrale Frage von Kunsthistorikerinnnen zu verhandeln: Ist die Durchsetzung des Familienmodells als Eingrenzung und Unterjochung der Frauen zu verstehen? Jutta Held kennzeichnet den Wandel des Marienbilds und der Marienverehrung im Kontext der sozialen Umwälzungen im Hoch- und Spätmittelalter umso überzeugender,

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Abb. 2: Lucas Cranach, Heilige Sippe, 1509

als ihr kunstwissenschaftliches Verfahren auf umfassenden geschichtswissenschaftlichen Kenntnissen basiert, ohne dass die Kunstwerke auf die Funktion historischer Quellen reduziert werden. Wie viele ihrer Untersuchungen zielt auch diese auf eine Einsicht in historische Prozesse, die zu zukunftsorientierten Perspektiven führt. Zunächst werden Frauen als Akteurinnen in fortschrittlichen sozialen Bewegungen sichtbar. In den einflussreichen religiösen Strömungen der Häretiker im 12. und 13. Jahrhundert spielten Frauen der unteren Sozialschichten – wie auch Orden, z.B. der Franziskaner – eine große Rolle. Diese Gruppen, die sich der kirchlichen Herrschaft durch einen subjektiv orientierten Glauben und eine durch Armut, Gleichheit und Liebe geprägte Praxis entzogen, fanden in Maria eine Identifikationsfigur. Als Repräsentantinnen der Machtlosigkeit traten Frauen symbolisch so stark wie vielleicht nie wieder hervor, schreibt Jutta Held. In Darstellungen der Anna selbdritt und der zunächst auf weibliche Heilige konzentrierten Heiligen Sippe werden weibliche Autonomie und matrilineares System evident. Andere Bildtypen aber betonen Marias Abstammung von dem Ehepaar Anna und Joachim. Das hier formulierte bilineare System prägt auch die späteren heiligen Sippen, wie etwa Lucas Cranachs Triptychon: In die zunächst rein weiblichen Räume werden die Ehemänner der heiligen Frauen aufgenommen (Abb. 2). Von hier aus führt die Untersuchung zum Modell der bürgerlichen, städtischen Familie, in der die Hauswirtschaft zu einem gemeinsamen Tätigkeitsbereich von Frau und Mann wird, der Liebe und Solidarität erfordert. Diese familiäre Struktur verbesserte die Lebensbedingungen von Frauen und erweiterte ihr Aktionsfeld. Anders als in den 80er Jahren zu erwarten, erbringt Held nicht den Nachweis der Unterdrückung der Frau in der

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Ehe, sondern zeigt die Dynamik einer Entwicklung auf, die auf die Emanzipation in der Moderne vorausweist. Dieses Forschungsergebnis wurde heftig kritisiert, berichtet die Autorin. Eindrucksvoll ist ihre Reaktion. In einer umfangreichen Anmerkung greift sie den Einwand auf, dass der Fortschritt im Mittelalter und früher Neuzeit nur die Männer begünstigt, die subjektive Handlungsfreiheit der Frauen aber gehemmt habe. Sie lehnt es ab, die Kritik an den gegenwärtigen Verhältnissen ohne weiteres auf die Vergangenheit zu projizieren und insistiert darauf, die komplexen sozialen Umbrüche nicht eindeutig zu Lasten der Frauen auszulegen, sondern ihre Bedeutung für Frauen und Männer gleichermaßen zu erforschen. Die Kunstwissenschaft, so ihre Forderung, habe gegen den Hauptstrom der Geschlechtergeschichte Differenzen aufzuzeigen. Übertroffen wird dieses Zeugnis einer nur selten anzutreffenden Debattenkultur durch den grundlegenden Aufsatz »Paradigmen der feministischen Kunstgeschichte«.3 Held referiert und analysiert die unterschiedlichen Methoden ebenso anerkennend wie kritisch distanziert und stellt ihre eigenen inhaltlichen Präferenzen, ihre Ziele sowie ihre methodischen und theoretischen Grundlagen zur Diskussion. III. Der Aufsatz zum Marienbild richtete sich an Fachkolleginnen, dagegen spricht die zusammen mit Norbert Schneider verfasste Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert ein breiteres Publikum an.4 Zwar behandelt Held wiederum Mariendarstellungen unter dem Aspekt Familie und Ehe, aber das Format der an Laien adressierten Gesamtdarstellung verändert ihren Zugriff. Wie geht sie auf die Leserschaft ein? Bekannt war ja, dass im Umgang mit ›Hoher Kunst‹ vor allem die Meistererzählungen und die kanonischen Werke interessierten. Einige ihrer Ausführungen über Leonardo, Michelangelo und Raffael verdeutlichen, welche ihrer künstlerischen Qualitäten sie akzentuiert, um die eingeschliffenen populären Vorstellungen zu unterlaufen. Die Beschreibung der inhaltlichen und formalästhetischen Mittel spitzt sie auf die neue Beweglichkeit und Lebendigkeit zu, die Bilder wie Leonardos Anna selbdritt, Raffaels Madonna Doni und die Hl. Familie aus dem Hause Canigiani auszeichnen. Dem Wunsch der Gläubigen nach Verankerung der Familie im irdischen Leben und dem Fortbestand der Sippe verleiht die menschliche Natur des Kindes Nachdruck. Die Vermenschlichung der Heiligen lag im Interesse der Laien in dieser Epoche – sie widersetzten sich der lebensfernen kirchlichen Auffassung, indem sie das irdische Dasein ins Spiel brachten. So verlagert sie den Rang der ›Hohen Kunst‹ auf den Ausdruck des Weltlichen und Lebendigen und stellt diesen zugleich auf den Boden historischer Realität: Josef in Raffaels Hl. Familie, der die beiden Frauen und Kinder überragt, verweist auf die Familienpolitik in den Städten des 16. Jahrhunderts, welche die Unterordnung der Ehefrau vorsah. IV. Antoine Watteaus »Einschiffung nach Kythera« widmet Jutta Held eine Bildmonografie.5 Sie vermittelt beispielhaft das Potential der Kunst, nicht eingelöste gesellschaftliche Möglichkeiten darzustellen.

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Abb. 3: Jean-Antoine Watteau, Einschiffung nach Kythera, Berliner Fassung, um 1719

Watteau hat die Pilgerfahrt zu der sagenhaften Liebesinsel in drei Fassungen gestaltet (Frankfurt, Paris, Berlin). Held vergleicht die einzelnen Phasen von seiner frühen Orientierung am Theater und der allmählichen Loslösung von den zeremoniellen und kontrollierten Bewegungen der Figuren in der höfischen Kunst bis hin zu der natürlicheren Körpersprache und den Figurenketten in arabesker Manier. Ihre Beschreibungskunst öffnet den Blick für das vibrierende Fluidum einer Waldlandschaft, in die Äußerungen wie die verhaltene Gestik der Figuren, ihre wechselnden Konstellationen, die feinen Verschiebungen von Nähe und Distanz bei den einzelnen Paaren eingebettet sind. Sie stellt fest, dass Watteau auf »ästhetisch einmalige Weise die Liebe zwischen den Geschlechtern dargestellt habe«. Es sind die Frauen, die die Regeln der Liebesbezeugung bestimmen, und das Verhalten der Männer signalisiert, dass sie zum Verzicht auf ihre Machtprivilegien bereit sind. Die Paare vereinzeln sich nicht, um ein persönliches, intimes Zweierverhältnis zu beginnen. Die neue Qualität der Liebe liegt darin, dass sie in der Gemeinschaft der Pilgerinnen und Pilger, die zur Insel Kythera drängen, aufgehoben ist – eine Utopie der Liebe, die Watteau, wie Held betont, gemäß der Möglichkeiten der oppositionellen Kultur der Régence entwarf. V. »Weibliche Ästhetik kategorial bestimmen zu wollen, ist sicher ein zum Scheitern verurteiltes Bemühen«, stellt Held in einem Themenheft der kritischen berichte zu feministischen Ansätzen in der Kunstgeschichte klar.6 Sie hebt in ihrem Beitrag diesen damals

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zentralen Begriff aus den Angeln und definiert ihn neu mit der Absicht, ihn in der Kunstgeschichte zu verankern. Gegen die von vielen Kunsthistorikerinnen verteidigte Annahme eines authentisch weiblichen Wesens, das sich in Formen und Motiven der von Frauen geschaffenen Kunstwerke ausdrücke, fordert Held, historisch und biografisch zu klären, mit welcher Intention sich Frauen ein vorfindliches Bildrepertoire aneigneten und veränderten und auf welche Weise klassenspezifische Perspektiven in ihre ästhetischen Strategien eingegangen sind. An zahlreichen Beispielen veranschaulicht sie ihren Begriff. Für Käthe Kollwitz ist es entscheidend, dass sie sich von der bürgerlichen Tradition trennte und mit der Arbeiterbewegung verband. Während die Arbeits- und Lebensbedingungen der Proletarier ihre künstlerische Praxis bestimmten, verzichtete Nuria Quevedo in den 70er Jahren auf die Darstellung sozialistischer Lebens- und Arbeitsverhältnisse und leistete auf diese Weise Widerstand gegen die Normen der DDR- Kunst. Es geht der Autorin aber keineswegs darum, Künstlerinnen auf der Skala mehr oder weniger fortschrittlichen Schaffens einzuordnen, vielmehr untersucht sie die Bedingungen für die individuellen künstlerischen Lösungen. So lässt sich Paula Moderson-Beckers Darstellung von Mutterschaft nicht auf eine genuin weibliche Erfahrung zurückführen, ausschlaggebend waren herrschende kulturelle Normen, die als männliche Erwartung an Frauen herangetragen wurden. Durchgängig sind die subtilen Interpretationen der ausgewählten Bilder so weit offen, dass die Betrachterinnen und Betrachter die jeweilige künstlerische Gestaltung auf ihre Weise lesen und ihr Potential aufrufen können. VI. Dass eine, wie die über das Marienbild geführte, wissenschaftliche Kommunikation innerhalb des Fachs nicht genügte, war in der Zeit der politischen Frauenbewegung und der damit erforderlichen wissenschaftlichen Grenzüberschreitungen selbstverständlich. Ich erlebte in der Akademie Loccum eine der von Jutta Held initiierten, damals noch seltenen interdisziplinären Tagungen.7 Referentinnen der Geschichts- Musik- Literaturund Kunstwissenschaft erläuterten die jeweiligen feministischen Perspektiven und das Desiderat einer fächerübergreifenden Begrifflichkeit. Anschaulich wurde das Vorhaben, Kunstgeschichte zur Kunstpraxis hin zu öffnen, in studentischen Arbeiten mit textilem Material. Sie animierten zu weitergehenden Reflexionen, z. B. über die Diskriminierung weiblicher Arbeit am Beispiel der sog. »weiblichen Künste«. Außer Frage stand die Notwendigkeit der Fach- und Institutionenkritik. Um den viel diskutierten gesellschaftlichen Auftrag der Kunstgeschichte in den verschiedenen Feldern zu realisieren, forcierte Jutta Held in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftler:innen Reformen, die u. a. den Kunstunterricht in der Verbindung von Kunstwissenschaft und Praxis und die Bildungsarbeit der Museen betrafen. 8 Vor allem widmete sie ihre Kraft der Wendung hin zu kritischen Kunst- und Kulturwissenschaften in den Universitäten. Dass dazu auch die Wahrnehmung und professionelle Unterrichtung unterschiedlicher sozialer Adressaten, die Vernetzung mit fortschrittlichen Interessensgruppen und eine ausgeprägte Debattenkultur gehören, haben mir meine Erinnerungen und mein erneutes Lesen nochmals nachdrücklich klar gemacht.

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1 Jutta Held : »Androgynie in Chagalls Frühwerk. Hommage à Apollinaire« In: Christiane

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Keim, Ulla Merle, Christina Threuter (Hg.): Visuelle Repräsentanz und soziale Wirklichkeit. Bild, Geschlecht und Raum in der Kunstgeschichte. Festschrift für Ellen Spickernagel. Herbolsheim 2001, S.111–119. Jutta Held: »Marienbild und Volksfrömmigkeit. Zur Funktion der Marienverehrung im Hochund Spätmittelalter« In: Ilsebill Barta u. a. (Hg.): Frauen. Bilder. Männer. Mythen. Berlin 1987, S.35–68. Jutta Held: »Paradigmen einer feministischen Kunstgeschichte« In: Wolfgang Kersten (Hg.): Radical Art History. Internationale Anthologie. Subject: O. K. Werckmeister. Zürich 1997, S. 178–192. Jutta Held, Norbert Schneider: Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Köln 1993. Jutta Held: Antoine Watteau, Einschiffung nach Kithera. Versöhnung von Leidenschaft und Vernunft. Frankfurt 1985. Jutta Held: »Was bedeutet ›weibliche Ästhetik‹ in der Kunst der Moderne?« In: Kritische Berichte 1985, H 3, S.29–41. Evangelische Akademie Loccum (Hg.): Kunst und Kultur von Frauen. Weiblicher Alltag, weibliche Ästhetik in Geschichte und Gegenwart. Rehburg-Loccum 1985. Vgl. Kritische Berichte 1974, H.3/4, 5/6; 1977, H. 6, Argument-Sonderband 1978 u.a.

Anna Greve »Allgemeine Menschenbildung« mit der Fokussierung auf »historische Bedingtheit« – Was ist aus dem Anspruch der kritischen Museumswissenschaft der 1970er-Jahre geworden?

»Wissenschaftliches Arbeiten am Museum orientiert sich an der Aufgabe, Erkenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, durch die die Bürger in den Stand gesetzt werden, aktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft hin zu einem humanen Gemeinwesen mitzuarbeiten.«1

Dieser in meinem Geburtsjahr 1973 von jungen Museumsvertreter:innen formulierte Anspruch für einen Hessischen Museumsentwicklungsplan spiegelt den damaligen Geist der sich formierenden kritischen Kunstgeschichte wider. Von ihm war auch Jutta Held inspiriert. Ihr Ziel war eine radikale Umwälzung des Ausbildungs- und Berufsverständnisses an Universität und Museum. 1974 formulierte sie ihre Vision, die sie als Gründungsprofessorin an der Universität Osnabrück konsequent umsetzte. In den folgenden Jahrzehnten veränderte sich bundesweit viel. Aus der Idee, Wissen zu demokratisieren, wurden die aktuellen Schlagworte Diversität und Partizipation. Im Vergleich zum Anfang wirken sie merkwürdig weichgewaschen. Es wird viel über »Mitmachen« geredet, weniger über »Mitgestalten«. Der gesellschaftspolitische Anspruch ging auf dem Weg verloren. Wie konnte es dazu kommen? Zum theoretischen Anspruch Im 18. Jahrhundert war in Europa die Beschäftigung mit Kunst und Philosophie Teil der Emanzipation des Individuums in der bürgerlichen Gesellschaft. Mit der Egalisierung des bürgerlichen Staates verlor die Bildung ihre emanzipatorische Funktion, wie Jutta Held 1974 ausführt.2 Mit der Etablierung des kulturellen Sektors innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft wurde es zur Aufgabe der Kunstgeschichte, den Besitzstand zu wahren und das eigene System zu reproduzieren. Hier setzte der Weckruf der 1968erGeneration an: die Abkehr vom Kunstbegriff im Sinne des L’art pour l’art-Prinzips und die Kritik am Erwerb von Stilkennerschaft zur Befriedigung von Anforderungen des (kapitalistischen) Kunstmarktes. Das ganz auf die Ästhetik konzentrierte, herrschende Spezialwissen – verschiedene ›Hände voneinander zu scheiden‹ – wurde als ungenügend bis vernachlässigbar qualifiziert. Vielmehr müsse es künftig darum gehen, die sozialgeschichtlichen Aspekte der künstlerischen Produktion, Distribution und Rezeption in den Blick zu nehmen. Das »Ende der Kunst«3 wurde proklamiert bzw. die Entlarvung der »Kunst als Herrschaftsdienerin«4 betrieben. In ihrem Aufsatz Curriculumsrevision be-

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mängelt Jutta Held, dass im Zuge der Ideologiekritik an kunsthistorischen Methoden bisher keine Neubestimmung von Inhalten und Zielen des Faches erfolgt sei. Dies wurde nun nachgeholt, insbesondere in den neu gegründeten kritischen berichten, durch Statements, statistische Erhebungen sowie durch Vorschläge zur Neujustierung der Ausbildungsinhalte und zum Anspruch an das wissenschaftliche Museumspersonal. Ziel war es, die Kunstgeschichte von einer »Luxuswissenschaft« zu einer mit breiter Gesellschaftswirkung zu machen. Aufgabe der Museumswissenschaftler:innen sei es, in diesem Sinne an der »Schaffung demokratischer Museen« im »Interesse der Mehrheit der Bevölkerung« mitzuwirken.5 Aus heutiger Sicht ist bemerkenswert, dass Jutta Held ihre Vision ohne jegliche Moralisierung oder die in der Zeit übliche Überheblichkeit gegenüber der Vorgängergeneration formulierte. Den gesellschaftspolitischen Anspruch an ihren Berufsstand sah sie durchaus von Anfang an mit Fallstricken verbunden, die ein Transformationsprozess mit sich bringen könnte: »Die Allianz zwischen technokratischem Positivismus und ontologisierender Geisteswissenschaft liegt näher als konservative bürgerliche Humanisten wahrhaben möchten.«6 Eine Didaktisierung und stärkere Verbindung von Museum und Schule berge die Gefahr einer »Enthistorisierung des Faches«.7 Zur praktischen Umsetzung Um das oben beschriebene Ziel zu erreichen, erschien es Jutta Held und Gleichgesinnten von entscheidender Bedeutung, universitäre Theorie und museale Praxis enger zu verknüpfen. Die neuen Studiengänge Kunstgeschichte/Kunstwissenschaft der 1970er-Jahre, etwa in Osnabrück (Jutta Held), Oldenburg und Bremen (Norbert Schneider), legten den Schwerpunkt auf die Sozialgeschichte.8 Die gesellschaftsanalytischen Möglichkeiten des Faches wurden durch die Lehre der historischen Bedingtheit von Entstehung, Verbreitung und Bewertung europäischer Kunst entlang der Epochen vom Mittelalter bis in die Gegenwart in Verbindung mit neuen Ansätzen wie Marxismus und Feminismus ausgelotet.9 Das kleine Fach war durch Orientierungsphasen, Studium Generale und Kooperationsprojekte interdisziplinär in den Geisteswissenschaften verankert. Einblicke in die Berufspraxis gewährten Seminare von Institutsleiter:innen oder Lehrbeauftragten aus den Bereichen Archiv, Museum und Denkmalpflege. Ziel war es, nicht mehr nur promovierten Wissenschaftsnachwuchs auszubilden, sondern eine größere Anzahl an Studierenden mit einem Masterabschluss für weitere Berufsfelder zu qualifizieren. Wiederholt wurde die Forderung formuliert, das Volontariat als praktische Ausbildung im Anschluss an das Studium abzuschaffen und stattdessen beide Schritte ineinander zu integrieren. Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Zusammenhang, dass dies – und die Klage über das niedrige Volontärsgehalt von DM 774 brutto/550 netto – von den jungen Berufsanfänger:innen selber vorgebracht wurde.10 Der Enthusiasmus für die eigenen Visionen ging mit dem Selbstbild einher, eine besondere Gesellschaftsrelevanz zu haben. Die eigenen Ideen sollten »aufklärend und informierend innerhalb einer kritischen Pädagogik der Erwachsenen und Jugendbildung«11 wirken. Durch die Tradition des Sammelns sei in Museen die Möglichkeit gegeben, für die arbeitenden Menschen bildend zu wirken, »wenn an ihnen [den Objekten, A.G.] auch die gesellschaftliche Organisation der Arbeit und die Formen politischer Machtausübung, unter denen sie entstanden, ersichtlich sind«.12 Ellen Spickernagel formulierte, die Wissenschaft-

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ler:innen müssten »den Rezipienten und seine sozialen Bedingungen zur Grundlage der Objekt-Forschung und ihrer Vermittlung machen«.13 Annegret Peschow-Kondermann befand, »Ein Museum, das dieses Ziel anstrebe, müsse seinen Bestand einschließlich des Magazins auf seine gesellschaftlichen Aufgaben im beschriebenen Sinn überprüfen und ggf. verändern«.14 Man ging davon aus, dass eine demokratischere Struktur im Museumswesen eine derartige Haltung des Personals befördern würde. Für Hessen wurde die Gründung eines Museumsrates vorgeschlagen, in dem Vertreter:innen des Museumsverbandes, des Kultusministeriums und verschiedener Museumssparten »gemeinsame Lernziele«15 formulieren sollten. In den Häusern selber sollten die Museumswissenschaftler:innen aus ihrem Kreis für einen begrenzten Zeitraum eine/n geschäftsführende/n Direktor/in wählen. Das Museumskollegium habe gemeinsam über Grundsatzfragen, Wissenschaft, Bildungsarbeit und Personalentwicklung zu entscheiden. Wie bei den fachlichen Inhalten sah Jutta Held auch bei den Strukturfragen mögliche Fehlentwicklungen voraus. 1977 diagnostizierte sie: »Da keine realistische Aussicht besteht, die Zahl der Arbeitslosen zu dämmen, werden […] die Jugendlichen auf Ausbildungsplätze [gemeint sind Studienplätze, A.G.] verwiesen, da Arbeitsplätze nicht geschaffen werden.«16 Da viele Studierende in Massenfächern keinen Platz mehr fänden, flöhen sie in die so genannten kleinen Fächer. »Die Folge ist, dass im Verhältnis zu ihren traditionellen Berufsfeldern diese Fächer viel zu hohe Studienzahlen aufweisen.«17 Damit werde »eine Reservearmee an Intellektuellen geschaffen, die geeignet ist, Ökonomisierungs- und Disziplinierungstendenzen am Arbeitsplatz zu ermöglichen«.18 Zur Bilanz aus Schülerin-Sicht Das Studium der Politikwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Osnabrück nahm ich 1993 auf. Gerade war Die Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart von Jutta Held und Norbert Schneider erschienen.19 Unter den älteren Studierenden wurde diskutiert: Ist das wirklich innovativ oder die Vernichtung der seit ihren Anfängen ästhetisch geprägten Kunstgeschichte? Diese Fragestellung verstand ich nicht. Drei Jahre zuvor war ich aus Kolumbien nach Deutschland eingewandert, hatte keinen Bezug zu Kunst und Museen, aber großes Interesse an Gesellschaftspolitik. Ich kaufte mir das im Verhältnis zu meinem Einkommen ziemlich teure Buch. Nach der Lektüre kam ich zu dem Schluss: ›Kunst ist Ausdruck von Gesellschaftsverhältnissen‹. Damit hatte ich mein Hauptfach gefunden, die Politikwissenschaft degradierte ich zum Zweitfach. Jutta Helds Einführungsseminar konnte mich nicht mehr vom Weg abbringen. Sie legte dar, dass das Studium der Kunstgeschichte perspektivisch eher eine ›brotlose Kunst‹ sei, es sehr schwer würde, davon zu leben. Sie war eine strenge Lehrerin, die harte Kritik äußerte und damit diejenigen voranbrachte, die wirklich kämpfen wollten. Nach meiner Zwischenprüfung hatte sie einen kurzen Moment, in dem die akademische ›Mutter‹ durchschimmerte: Sie riet mir, etwas weniger verbissen an die Themen heranzugehen und auch mal ein Eis in der Sonne zu essen. Ob sie das jemals selber getan hat? Ich konnte es mir damals nicht vorstellen! Immer noch besitze ich ihre handschriftliche Stellungnahme zum ersten Entwurf meines Promotionsvorhabens. Zwei eng beschriebene Seiten, die mich verzweifeln ließen. Ein-

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zig der letzte Satz tröstete mich: »Ich würde mir nicht so viel Mühe machen, wenn ich nicht wüsste, dass Sie es besser können.« Jutta Held befürwortete die neue Didaktisierungstendenz mit Gegenwartsbezug und warnte zugleich vor deren Fehlentwicklungen. Sie sah die Entfremdung des Individuums von gesellschaftlichen Prozessen, den Niedergang des Solidaritätswertes und die Entwertung von Bildung als kritischer Analyse von Verhältnissen kommen: »Die Lebenssituation als Kategorie wie als einziger Orientierungspunkt ist jedoch problematisch und sollte gerade von den historischen Wissenschaften geprüft werden.«20 Eine derartige Didaktik, die sich auf die eigene Lage konzentriere, das Hier und Jetzt zum Mittelpunkt mache und sich auf die Entwicklung adäquater Verhaltensweisen beschränke, offenbare die »Perspektivlosigkeit der spätkapitalistischen Gesellschaft und ihr ungeschichtliches Verständnis von Arbeit«.21 Ziellosigkeit werde zum Lernziel. Der Anspruch, berufsnäher und gesellschaftsorientiert auszubilden, wurde aber eingelöst. Jutta Held hatte die Analysen Pierre Bourdieus aufgegriffen, herausgekehrt, dass Arbeiter:innen und Museumsbesucher:innen der unteren Mittelschicht dankbar für ein neues »Lernmuseum« seien. Die Oberschicht wiederum reklamiere für sich eine »natürliche Begabung künstlerischen Sehens« und lehne deshalb ausführliche Beschriftungen, Hinweisschilder, Führungen und Hilfsmittel ab.22 Nicht alleine – aber auch – trug diese Erkenntnis zu einer Ausweitung des Vermittlungsprogramms an den Museen bei. Kaum ein Haus hatte in den 1970er-Jahren museumspädagogisches Personal. Rosemarie PohlWeber war eine der ersten Direktorinnen, die diesen Bereich förderte – am FockeMuseum, dem Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte. Sie veranlasste die Räumung des als Herrenclub edel ausgestatteten Raumes des Tabakkollegiums und gab den Raum für Seminare frei. Ziel dieser Generation war es, zur »Politisierung im Sinne der Solidarisierung der Studierenden mit den Unterprivilegierten beizutragen«.23 Eine fortschrittliche Kunstgeschichte sollte derart funktionieren, dass »die Werke der Vergangenheit der Aufklärung darüber, was fortzuentwickeln ist, dienen und andererseits selbst vom entwickelten Standpunkt der Gegenwart aus untersucht und angeeignet werden«.24 Kommen wir zu der eingangs gestellten Frage zurück: Obwohl die 1968er-Generation Ausbildung und Arbeitsstruktur an Universitäten und Museen radikal erneuerte, kam es mehrheitlich sowohl zu einer Enthistorisierung des Faches Kunstgeschichte als auch zu einer Entpolitisierung der Kunsthistoriker:innen. Was waren die Ursachen dafür? Sicherlich haben verschiedenste Gesellschaftsentwicklungen dazu beigetragen. Explizit auf das Fach Kunstgeschichte bezogen sehe ich zwei zentrale Aspekte: 1. Die Aufgabe, immer mehr Studierende für einen nicht im gleichen Maße wachsenden Arbeitsmarkt auszubilden, führte bei diesen wiederum zu einem starken Konkurrenzdenken. Politische Neutralität und Anpassungsfähigkeit schienen der neuen Generation opportun. 2. Der implizite missionarische Anspruch des Erneuerungsvorhabens der 1968erGeneration führte zu seinem eigenen Scheitern: Man ging davon aus, dass Studierte den Arbeitern etwas voraus, ihnen etwas beizubringen hätten. Bei der Arbeitsteilung zwischen der neuen Berufsgruppe der Vermittler:innen – deren Daseinsberechtigung genau diese Annahme war – und den alten wissenschaftlichen Kurator:innen – die also ihr Berufsverständnis gar nicht grundlegend verändern mussten – wurde das Naheliegende versäumt: die Menschen als Nutzer:innen des

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Museums ins Zentrum zu stellen, sie zu fragen, was sie brauchen und zu überlegen, wie man als Wissenschaftlerin zur Befriedigung dieser Bedürfnisse dienen könne. In diese Lücke sprangen die so genannten Edutainment-Einrichtungen. Sie boten Unterhaltung und Entspannung in der Freizeit, mit der Möglichkeit, nebenbei etwas zu lernen. To-dos für die Zukunft Meine aktuelle Aufgabe ist es, mit dem Team des Bremer Landesmuseums das Haus neu aufzustellen. Unsere Vision: eine neuartige Kultureinrichtung, die die Ideen Museum und Bürgerforum konsequent unter einem Dach vereint. Wir möchten neue Formate entwickeln, Veranstaltungen und temporäre Projekte mit Sammlungsinhalten verbinden. Bremer:innen wollen wir neugierig auf Geschichte machen, sie motivieren, über gegenwärtige Gesellschaftsprobleme zu diskutieren, ihnen Mut machen, das Zusammenleben im kleinsten Bundesland aktiv zu gestalten. Dafür arbeiten wir mit dem Ansatz des Design Thinking: Nutzer:innen-zentriert, multiperspektivisch und permanent selbst lernend. Was würde Jutta Held dazu sagen? »Vorsicht mit dem Modischen!«25 Ich würde mich beeilen, ihr zu erklären, dass diese Begriffe an ihre Visionen anknüpfen. Es soll ein Ort zur gesellschaftspolitischen Positionierung des Individuums im Gemeinwesen geschaffen werden. Allerdings glaube ich nicht (mehr) an das linke Ideal der Verbindung zwischen Intellektuellen und Arbeiterschaft zur Überwindung des (kapitalistischen) Status quo für mehr ökonomische Gerechtigkeit. Vielleicht bin ich Opfer der von Jutta Held vorausgesehenen Entwicklung des kulturellen Sektors hin zu einer »systemkonformen Entschädigung« geworden, die »mit den obersten demokratischen Leitzielen wie Chancengleichheit und Mitbestimmung legitimiert« wird.26 Es hat sich m. E. als Illusion erwiesen, dass eine Bevölkerungsmehrheit ein Interesse an einem solidarischeren, gerechteren System hätte. Anknüpfen möchte ich vielmehr an Hegels Korrelation von Marktwirtschaft und Freiheit: »Die Individuen müssen sich einbringen in Prozesse, in denen die Bedürfnisse anderer ihnen vorgeben, woran sie zu arbeiten haben.«27 Hegel war für Jutta Held eine wichtige Bezugsgröße, allerdings mit seinen ästhetischen Schriften. Aus ihnen lässt sich die Rolle von Kunst und Museum in der bürgerlichen Gesellschaft herauslesen, von der sich die Sozialgeschichte von Jutta Held und Norbert Schneider abgrenzte.28 Auch Hegels Bildungsbegriff sei in Erinnerung gerufen. Gemeint war damit nicht das bloße Vermitteln von Inhalten, sondern die Fähigkeit, von der eigenen Perspektive zu abstrahieren und die Emotionen der anderen zu reflektieren. 29 Unsere Rolle als Wissenschaftler:innen sehe ich heute darin, uns in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Wir werden von Steuer- und Eintrittsgeldern bezahlt. Also muss es unsere erste Frage sein, was wir zurückgeben können. Welche Bedürfnisse haben die Menschen? Wie können wir zu deren Befriedigung durch unsere Sammlung und unser Wissen beitragen? Das können wir nur in Erfahrung bringen, wenn wir möglichst viele von ihnen in unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen fragen und uns als Moderator:innen zwischen Gegenwart und Vergangenheit begreifen. Aus ihren Lebenssituationen können wir unsere Lernziele formulieren. Das ist »allgemeine Menschenbildung« mit der Fokussierung auf »historische Bedingtheit«. Wir sind ein »Lernmuseum«, das von den Bremer:innen gestaltet wird. Unser Auftrag ist es, im Jahr 2021 – genauso wie 1973 – an einem ›humanen Gemeinwesen‹ mitzuarbeiten. Jutta Held macht mir Mut,

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Anna Greve

dies (wieder) als gesellschaftspolitische Aufgabe zu begreifen. Wobei es nicht gilt, einen breiten Konsens herzustellen, sondern Raum für Widersprüche und Kontroversen zu öffnen. Sie war Jahrgang 1933 und am Ende des 2. Weltkrieges 12 Jahre alt. Ein Alter, das ich selber als besonders prägend erlebte. Als Tochter eines Arztes und als Kunsthistorikerin mit den Nebenfächern Archäologie, Germanistik und Philosophie war sie klassisch ausgebildet. Sie verstand sich als Wissenschaftlerin im Dienst der Gesellschaft und verlangte von ihren Studierenden ebenfalls eine gesellschaftspolitische Haltung. Zugleich legte sie großen Wert auf genaueste Beobachtung und Analyse sowie gründliches Quellenstudium. Für ihre Laufbahn profitierte sie von der Wirtschaftsentwicklung und den Universitätsneugründungen in der vergleichsweise noch jungen Bundesrepublik. Sie gab der Gesellschaft Wissen und Methoden zur Kritik zurück. In meinem Studium kam sie mir theoretisch und lebensfern vor. Heute weiß ich, dass ich meine Leidenschaft für die Verbindung von Theorie und Praxis ihrem konsequenten Handeln als Wissenschaftlerin verdanke.

1 Mitglieder der Ulmer Verein-Regionalgruppe Frankfurt und der GEW-Fachgruppe Erwachse-

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nenbildung des Landesverbandes: »Entwurf zu einem Museumsentwicklungsplan des Landes Hessen« In: kritische berichte 1.1973, H. 3, S. 19–23, hier S. 22. Jutta Held: »Curriculumsrevision. Zu den Voraussetzungen von Kunstwissenschaft und visueller Kommunikation und ihrer intendierten Synthese« In: kritische berichte 2/1974, H. 3/4, 159–191, hier S. 162. Das Diktum vom »Ende der Kunst« ist eine verkürzende Komprimierung eines Begründungsganges, der der Kunst als Ganzem das Siegeel der Vergangenheit aufdrückt. Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: »Vorlesungen über die Ästhetik I« In: Werke [1832–1845], hrsg. von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Bd. 13, Frankfurt/M. 2013, 12. Aufl., S. 25–26. Curriculumsrevision (wie Anm. 2), S. 159. Jutta Held: »Zur Ausbildung von Museumswissenschaftlern« In: kritische berichte 2/1974, H. 5/6, S. 51–55, hier S. 51. Curriculumsrevision (wie Anm. 2), S. 160. Jutta Held, Reinhard Kirchner, Norbert Radermacher, Horst Scholz, Karl Stamm: »›Kunstwissenschaft‹. Zu einem geplanten Schulfach in Nordrhein-Westfalen« In: kritische berichte 2.1974, Heft 3/4, S. 192–201, hier S. 199. Ausbildung (wie Anm. 5), S. 53. Jutta Held und Norbert Schneider: Grundzüge der Kunstwissenschaft. Gegenstandsbereiche – Institutionen – Problemfelder, Köln u.a. 2007. – Dieser in ihrem Todesjahr erschienene Band fasst ihr methodisches Wirken zusammen. Die sich damals im deutschsprachigen Raum noch in den Anfängen befindlichen Bildwissenschaften und Theorien des Postkolonialismus fanden ebenfalls Berücksichtigung. Es war mir eine besondere Ehre, das letztere Kapitel Korrektur lesen zu dürfen, hatte ich doch gerade mit meiner Arbeit an der Kritischen Weißseinsforschung begonnen. Vgl. Anna Greve: Farbe – Macht – Körper. Kritische Weißseinforschung in der europäischen Kunstgeschichte, Karlsruhe 2013. Resolution der Frankfurter Regionalversammlung des Ulmer Vereins: »Zur Situation der Volontäre« In: kritische berichte 1/1973, H. 2, 13. – Nimmt man Tabellen zur Umrechnung der Kaufkraft zu Rate, ergibt sich, dass dies meinem Volontärsgehalt bei den Staatlichen

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Kunstsammlungen Dresden zwischen 2003 und 2005 entsprach. Erst danach hat sich der aus den 1970er Jahren stammende Vorschlag durchgesetzt, Volontäre nach BAT IIa/2 (damals) bzw. E 13/2 (heute) zu bezahlen. Vgl. https://fredriks.de/hvv/kaufkraft.php, 28.12.2020. Entwurf (wie Anm. 1), S. 19. Ebd. Ellen Spickernagel: »Die hessischen Museumsentwicklungspläne« In: kritische berichte 2/1974, H. 3/4, S. 129. Annegret Peschlow-Kondermann: »Über die Notwendigkeit schichtenspezifischer Programme für Museumspädagogik. Beispiel eines Projektes mit Unterschichtenkindern« In: kritische berichte 2/1974, H. 1, S. 35–69, hier S. 39. Entwurf 1973 (wie Anm. 1), S. 21. Jutta Held: »Situation und Perspektiven der Kunstgeschichte an den Hochschulen der BRD» In: kritische berichte 5/1977, H. 6, S. 29–41, hier S. 31. Ebd. Ebd., S. 30. Jutta Held und Norbert Schneider: Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Köln 1993. Curriculumsrevision (wie Anm. 2), S. 171. Ebd., S. 174. Ausbildung (wie Anm. 5), S. 51. Curriculumsrevision (wie Anm. 2), S. 177. Ebd., S. 179. Klaus Herding charakterisierte sie treffend als sachorientiert, parteiisch für die Sache. Sie forderte Gelehrsamkeit, Analyse und Arbeit mit Quellen, jenseits des Modischen. Klaus Herding: »Stille Souveränität – analytische Tiefe. Zum Lebenswerk von Jutta Held» In: kritische berichte, 35.2007, H. 2, S. 85–93. Curriculumsrevision (wie Anm. 2), S. 167. Lisa Herzog: »Hegel als Denker des Marktes« In: G. W. F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, hrsg. v. Ludwig Siep, Berlin 2017, S. 209–224, hier S. 210. Jutta Held: »Kunst als Manifestation des absoluten Geistes bei Hegel« In: Grundzüge (wie Anm. 8), S. 41–43; Bernadette Collenberg-Plotnikov: »Kunstrezeption in der Krise. Hegels Überlegungen zum Streit der Kenner und Emphatiker« In: dies.: Musealisierung und Reflexion: Gedächtnis – Erinnerung – Geschichte, München 2011, S. 205–224. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts [1821], Auf der Grundlage der Werke von 1832–1845, neu ediert von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt/M. 1986, 16. Aufl.. 2019, § 187, Zusatz.

Chryssoula Kambas Die dritte Sache. Erinnerungen an Jutta Held und Norbert Schneider

»Ihr war interpretativ das kleinste, unscheinbarste Detail in Form und Semantik von Werken genauso wichtig wie der makroskopische Blick auf die Kontexte und Systeme«,1 schrieb Norbert Schneider über die besondere Methodenverpflichtung im Fach Kunstgeschichte, wie es seine Lebens- und Weggefährtin Jutta Held vertreten und mit einer Fülle von Schriften geprägt hat. Bereits am Beginn ihrer Lehrtätigkeit in Münster, nach der in den USA und Kanada, habe sie ihren »Anspruch auf größtmögliche Interdisziplinarität« in einem gemeinsam mit einem Soziologen geleiteten Seminar realisiert. Die größte Aufbauleistung hat Jutta Held bekanntlich ab 1974 für die Universität Osnabrück geleistet. Als Literaturwissenschaftlerin dort, seit 1991, habe ich Glück und Gewinn einer Zusammenarbeit mit ihr erfahren und konnte dabei auch mein Fach interdisziplinär erkunden. Die Reihe unserer gemeinsamen Seminare haben wir weniger wegen theoretischer Methodenvergewisserung aufgenommen, sondern gegenstandsgebunden, um jeweils einen Themenkreis aus dem Blickwinkel beider Fächer zu erarbeiten. Jutta ebenso wie Norbert hatten auch Germanistik studiert, ich jedoch keine Kunstgeschichte, was ich rückblickend sehr bedaure. Ich konnte nur mein vehementes Interesse an den bildenden Künsten in die Waagschale werfen. So verdanke ich ihnen beiden viele unerwartete Horizonteröffnungen über die Künste und verschiedene Aspekte der Kunstgeschichte, vor allem auch der jüngsten Fachgeschichte. Mit den folgenden Erinnerungen, hauptsächlich an die gemeinsam mit Jutta veranstalteten Seminare, ist mir sehr bewusst geworden, dass ich nur einen Ausschnitt aus ihrem viel breiteren Themenspektrum einbeziehen kann. Doch dieser Ausschnitt war tragend für unsere Zusammenarbeit und baldige Freundschaft, auch grundlegend für die Fortdauer der Freundschaft zu Norbert bis zu seinem gleichfalls frühen Tod. Der Ausschnitt aus dieser Perspektive kann dennoch von einem allgemeineren Interesse sein. Er vermag etwas von fortlebenden humboldtschen Grundsätzen an deutschen Universitäten, vor allem noch während der 1990er Jahre, zu vermitteln. Über gut ein Jahrzehnt hinweg sind in den Veranstaltungsverzeichnissen der Universität Osnabrück sechs interdisziplinäre Hauptseminare Held/Kambas ausgewiesen: Dada – Bilder und Texte (SoSe 1993); Dada und Surrealismus (WS 1993/94); Das Exil der 30er Jahre (SoSe 1996); Politisierung der Künste und Literatur: Vorgeschichte von 1968 (SoSe 1999); Don Quijote und Lazarillo. Zur Wirkungsgeschichte in Kunst und Literatur (WS 2001/02); Klassik in Literatur, Architektur und Kunst. Italienische Reisen von Moritz und Goethe (SoSe 2004).2 Die Themen konnten in der Abschlussphase des Magisters, vor Bologna also, in den Fächern Germanistik, Kunstgeschichte und Europä-

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ische Studien Kulturwissenschaft3 belegt werden. Die Erwartung von künftigen Deutsch-Lehrer:innen, Kurator:innen oder auch Politikberater:innen (Europäische Studien), sich mit Kunst wie mit poetisch literarischen Werken auseinanderzusetzen, war seinerzeit auch mit der Erwartung verbunden, zu kanonischen Werken und dem sie erschließenden ›Handwerkszeug‹ geführt zu werden. Unseren eigenen darüber hinausgehenden Interessen zum Trotz wollten wir sie nicht enttäuschen. Dies wird der Themenübersicht anzumerken sein. An der Linie dieser Themen fällt der Auftakt mit dem Gewicht auf den historischen Avantgarden auf, am Schluss dann zwei Themenkreise von kulturgeschichtlich europäisch vergleichender Relevanz, zunächst der hispanistische Schwerpunkt, von dem Juttas kunsthistorische Forschungen ihren Ausgang genommen hatten; dann die Goethezeit, stets noch ein Kerngebiet der Germanistik. Die Themen der ersten vier Seminare verraten einiges darüber, wo sich unsere Forschungsinteressen überschnitten und im Jahr 2000 zudem in einen gemeinsamen Projektantrag eingingen. Kennengelernt hatte ich Jutta bereits zehn Jahre vor 1993, im tropisch heißen Hochsommer 1983. Von Amsterdam her reiste ich erstmals in das nicht allzu weite Osnabrück, seinerzeit als Kleinstadt eher noch ohne deutliche Spuren universitären Lebens. Anlass war eine Einladung im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum deutschen Exil unter dem Titel Woche der verbrannten Bücher.4 Das Thema des Gastvortrags kam aus dem Bereich meiner Dissertation – sie stand kurz vor dem Erscheinen – Walter Benjamin im Exil. In ihr geht es um Benjamins literaturpolitische Ausrichtung in seinen Schriften um 1935 auf das deutsche Exil und gleicherweise auf die französischen Intellektuellen, was an einzelnen Argumentationsweisen und Schritten des Autors sowie personell aufgewiesen ist. Trotz der bereits seinerzeit umfangreichen Benjamin-Literatur waren diese Bezüge unbeachtet geblieben, speziell das Spektrum zwischen dem Pariser Volksfront-Kongress der Schriftsteller 1935 und den Kritik-Positionen an ihm auf der Linken.5 Jutta hörte den Vortrag, und es schloss sich über den ganzen weiteren Nachmittag hin ein für mich unvergessen gebliebenes Gespräch an. Ich habe die Erinnerung an ein sehr herzliches, fast vertrautes »Willkommen«, das vor allem von Juttas Persönlichkeit ausging. Es war eine Zuwendung ohne jedes Zuviel, voller Konzentration und Nachfrage, immer gezielt sachbezogen. Ich merkte, wie sie selbst dem Thema noch einmal völlig neue, für mich unerwartete Perspektiven hinzugewann. Juttas gleichbleibend wache Aufmerksamkeit für den anderen, die Hintanstellung ihrer eigenen Person riefen in mir große Sympathie hervor; vielleicht war das ein wechselweise geschehender Vorgang. Sie selbst musste eben von ihrer Gastprofessur an der University of California (1982/83) zurückgekehrt gewesen sein – ich rekonstruiere dies im Rückblick. Nie hätte sie einer jungen Doktorin ihre eigenen, viel weiter reichenden internationalen Erfahrungen mit der Wissenschaftswelt irgendwie aufgedrängt. Es ging nicht um etwas Persönliches, sondern um die Sache, um interessierte Erkenntnis. Jutta hat sich in den achtziger Jahren intensiv vor allem mit der französischen Kunstund Literaturszene zwischen dem Schriftsteller-Kongress 1935 und der Résistance befaßt.6 Eluards Gedichtproduktion in Verbindung mit den Zeichnungen von Henri Laurens7 erörterte sie vor dem Hintergrund der intellektuellen Kritik von links am Parti Communiste Française (PCF), wie sie in den Zeitschriften Minotaure und Acéphale von Georges Bataille und Roger Caillois maßgeblich ausgearbeitet war. Benjamin ist hier in personaler Nähe, bei deutlich intellektueller Distanz in der Faschismus-Auffassung, wie

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Jutta natürlich betont, zu sehen.8 Sie verfolgte die Zerstreuung der französischen Intellektuellen und den Niedergang der Linken in Exil und seit der Défaite im Lande selbst, ihre dann diversifizierte Regeneration in der Résistance. Das von ihr auf differenzierteste Weise erarbeitete Panorama der Literaten dient der Bilderkenntnis und gleicherweise der ästhetischen und politischen Einschätzung des Malers Henri Laurens. Sie fragt nach seiner Einbindung in die Intellektuellengeschichte des Antifaschismus und erschließt so vermittelt die Semantik der Bilder, insbesondere die deutungsbedürftigen abstrakten. Auch André Masson ist ihr, neben Laurens, ein wichtiger Künstler. Sie ermisst die Distanz zum stets noch weisunggebenden André Breton und dessen dogmatisiertem Unbewussten, indem sie zeigt, wie Laurens archaischere Bewusstseinsschichten visualisiert, brutalste Instinkte und die grauenhaftesten Exzesse, freigesetzt in den Kriegshandlungen des 20. Jahrhunderts: »Er entwickelt den abstrakten Expressionismus aus seinen Konfliktbildern, den Tierkämpfen, Opferszenen und Massakern.«9 Es ist ein transnationales intellektuelles Feld, romanistisch und überhaupt literaturwissenschaftlich kenntnisreich erschlossen, das für Juttas Bilddeutung wichtig war. Mit Dada – Bilder und Texte ließ sich Analoges erarbeiten: transnationale Literaturund Kunstprozesse, beide intermedial, wie man später sagen wird, verstanden. Der für die historische Avantgarde wesentliche Überführungsanspruch von »Kunst in Leben« (Peter Bürger), in seiner ganzen sozialen Breite verstanden, nicht nur für die Kunstszene selbst, blieb für uns wichtig. Bei den Angaben über die Seminare muss ich mich ganz auf das Gedächtnis verlassen, Unterlagen habe ich nicht mehr zur Hand. Wir dürften vom vorangehenden Futurismus, dessen Manifesten und weiteren Publikationen im Almanach Cabaret Voltaire ausgegangen sein.10 Entsprechend der historischen Folge standen im zweiten Teil Manifeste bzw. Prosa und Kunstpraxis des Surrealismus zentral. Selbstverständlich stellten wir für »Dada Zürich«, Hans Richter folgend, die Anti-KunstAmbition wie die Verbindung der Künste – Poesie und Vortrag, Musik, Tanz, vor allem das Variété, das Cabaret Voltaire mit seinen erschöpfenden Simultanaktionen – heraus, wobei Jutta wiederum Gegenläufiges wichtig blieb, darunter die konstruktive Kunstpraxis der Frauen (siehe weiter unten). Die literarischen Zeugnisse zentrierten wir um die Autorschaft von Hugo Ball (Flametti, Flucht aus der Zeit; sog. Lautpoesie), ohne die seiner Frau Emmy Hennings zu vernachlässigen, die eher eine gewisse Zurücknahme, die ex post von ihr dann betont wurde, der ästhetischen Dekompositionspraxis bekunden. Zweierlei tritt mir von der Akzentsetzung, die Jutta vornahm, vor Augen: Sie brachte die malerischen Simultandarstellungen (Giacomo Ballas Hund; Boccionis La rue entre dans la maison) mit der transkontinentalen Komponente von Marcel Duchamp in Verbindung, seinem Akt, die Treppe herabsteigend (1912), dem Readymade von 1914 und L.H.O.O.Q , 1919. Das eröffnete eine unerwartete Vorstellung im Vergleich zur üblichen literatur- und performanzgeschichtlichen Gründungsnarration von »Dada Zürich«, erweiterte die Antikunst-Techniken. Jutta verdeutlichte die Vorbilder, das System (Kunstmarkt), die Techniken »Dada«. Unerwartet war für mich das Gewicht, das sie Sophie Taeuber und auch Hans Arp zumaß. Jene, seinerzeit der Laban-Tanzschule verbunden, darf in der Tat genuin für den Übergang »Dada Zürich-Berlin« stehen. Jutta erfasste das Kunst- und Werkverständnis ihrer Einsätze. Sie zeigte die Fotografie, auf der sich Taeuber das bemalte Dada-Kopf-Oval (Porträt Hans Arp) als Maske halb vor das Gesicht hält, ein Modell für Raoul Hausmanns Mechanischen Kopf (Berlin, 1920).

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Die Masken, die von ihr entworfenen und genähten Kostüme, ihre weiteren Textilarbeiten sah Jutta als eine ›weibliche Ästhetik‹ an, die das überlieferte Rollenverständnis unterläuft und Handarbeit selbstbewusst zu Handwerk führt, eine Neubewertung tradierter Material-Technik-Relation herausfordert, bis hin zur Infragestellung der Grenze zwischen Kunsthandwerk und freier Kunst. Jutta hob dabei den besonderen Habitus der Künstlerin hervor: Zurückhaltung, Kooperation, Tanz statt Herausposaunen von Programmen, konzentriertes Tun, selbstbewusst, doch ohne fortwährendes Wegweisergehabe. Trotz Gruppenaktion das Unterlaufen von provozierendem Gebaren, dafür handwerkliche Authentizität im Dada-Alltag. An den Sophie-Taeuber-Ausstellungen des letzten Jahrzehnts11 hätte sie gewiss Freude gehabt. Hans Arps plastische Abstraktionen zog sie gleichfalls heran, selbst wenn seine »biomorphen« Plastiken und Bilder in der Dada-Rezeption nur marginal gelten. Es war ihr wichtig, Pluralität und Individualität in der Dada-Bewegung deutlich zu machen. Mit den kaum destruktiv zu nennenden versöhnlich stimmenden, hellen, ungeometrischen Formen war Arp für Jutta ein wichtiger Maler und Bildhauer. Für das Künstlerpaar gewichtete sie auch die Kontinuität des jeweiligen Werkprofils. Das folgende gemeinsame Seminar »Dada und Surrealismus« wählte den klassischliteraturwissenschaftlichen Zugang mit Schwerpunkt auf der ersten Gruppe um Breton, den man sich von der »automatischen Schreibweise« der Champs magnétiques (Breton/Soupault, 1919) erschließen kann; weiter die beiden Manifeste, Bretons Erstes Manifest und seine Nadja, dann das im Gestus konkurrierende Manifest von Louis Aragon Une vague de rêve. Dessen besondere Rhetorik, Hegel, Freud und das Wunderbare zu verbinden, ließen sich weiter an Le paysan de Paris erörtern. Wir hatten aus Berlin Karlheinz Barck zu einem Vortrag über die Politik des Surrealismus in den zwanziger Jahren eingeladen.12 Jutta setzte ihrerseits einen der kunstgeschichtlichen Schwerpunkte auf Max Ernst. Sie zog auch de Chirico und den frühen Dalí heran – die Fülle lässt sich hier nur andeuten. Und im Übrigen stand nie nur ein Werk für einen Künstler, Jutta demonstrierte stets Genese und Verwandlung der Motive, was überraschend neue Einsichten in die Formensprache des Surrealismus eröffnete. Sie entwickelte eindrucksvoll Ernsts Anfänge in der Kölner Szene, seine Ankunft im frühen Surrealismus, stellte die Histoire naturelle-Serie vor, aus der sie Einzelbilder (Vogelmenschen; Eve la seule qui nous reste) nach ihren Herstellungstechniken (grattage, frottage) anschaulich erläuterte. Eine ganze Sitzung war den »Horden« vorbehalten: Dass ›Horde‹, ›Barbar‹ und ›neuer Mensch‹ in den zwanziger Jahren, vermittelt über den Primitivismus, einen zivilisationskritischen Neubeginn gegenüber dem Individualismus signalisierten und semantisch kulturrevolutionäre Umcodierungen darstellten, lässt sich vielfach belegen. Die surrealistische Kritik des Rationalismus nahm, dies variierend, aus der Völkerpsychologie Vorstellungen auf und »lokalisierte (...) die Barbaren – vage genug – im Osten, in Asien, in Russland oder in der Sowjetunion, wo sie die ›unterirdischen Kräfte‹ verkörperten, die man in der asiatischen Metaphysik, aber auch in der russischen Revolution wirksam sah und von denen man die Zerstörung des ›logischen‹ Europas erwartete.«13 Doch irgendwann in den dreißiger Jahren kippt die Semantik bei Ernst, meint wieder (wie bereits zur Zeit um 1872 in Frankreich) kriegerische Einfälle aus dem Osten, wieder einmal das Deutsche Reich. Soweit etwa hatte Jutta den Zusammenhang bereits im Seminar, auch mit Verweis auf Le Bon und Freuds Massenpsychologie eingefangen.

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Später hat sie in ihrem Buch Avantgarde und Politik in Frankreich die philosophiegeschichtlichen Wurzeln (Nietzsche, Schopenhauer) der Pariser Debatten (Georges Sorel-Rezeption um 1930; Christian Zervos; Contre-Attaque) erneut durchdacht. Ernsts La horde de barbares (1935) erscheint hier vor dem Hintergrund von Bretons und Batailles »surfascisme«. Das Aggressionspotential der Massen soll gegen die militärische Aggression ›von Osten her‹ freiheitlich (»souverän «) aufgerufen werden: »Auf welcher politischen Seite Max Ernst diese tobenden Ungeheuer sah, bleibt ungewiss. [...] Es gibt Indizien, die darauf hinweisen, dass [er] bereits um 1935 die euphorische Bewertung des Barbarentums aufgab und Freuds Skepsis näher war als Bretons politischem Kraftakt. [...] 1936 beendete Ernst die Bildserie der Horden und Barbaren, um 1937 noch einmal auf das Thema zurückzukommen: Neben zwei Barbarenbildern malte er – ganz im Stil der Hordenbilder – die Opferung Isaaks durch Abraham. Mit diesem Bild thematisiert er den von Freud erläuterten Stammeskampf über die Führerschaft, die hier zugunsten des Vaters geregelt wird. Nicht die Söhne morden den Vater, sondern der Vater zeigt sich bereit, seinen Sohn zu töten. [...] Dieses Bild kann als Vorstufe zu dem berühmt gewordenen L’Ange du foyer angesehen werden. Vergleichbar ist die Konfrontation des ›führenden‹ Ungeheuers mit einem kleineren Wesen, dessen es sich zu entledigen sucht. Wir können davon ausgehen, dass auch hier eine familiäre Konstellation zugrunde liegt, wie so oft bei den zoomorphen oder hybriden Wesen, die Max Ernst zu mehreren gruppiert.«14

Mit den Serien der dreißiger Jahre sieht sie noch Ernsts Zugehörigkeit zum »surrealistischen Experiment«, die damit gleichzeitig abschließt. Unter dem Titel Exil der dreißiger Jahre, so unser Seminar 1996, waren politisch vorgegebene Bedingungen der Verfolgung von Schriftstellern und Künstlern – von sehr unterschiedlicher Auswirkung auf die jeweiligen Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten von beiden – in Deutschland und dann in den Aufnahmeländern zu erörtern (Bücherverbrennung, Reichsschrifttums-Kammer, Ausstellung Entartete Kunst 1937, Pariser Weltausstellung und Deutscher Pavillon u.v.a.). Literaturwissenschaftlich stand Anna Seghers und ihr Roman Transit (verfasst 1941; dt. 1947) im Fokus, in dem die Hoffnungslosigkeit der Verfolgten in der ›Falle Marseille‹ 1940 nicht ohne Hoffnung modern lapidar, ja humorvoll bisweilen und übermütig jugendlich erzählt ist. Jutta stellte Max Beckmann und die Mytheninszenierungen seiner Triptychen der Exilzeit (ab 1937) in den Mittelpunkt: Akrobaten (Amsterdam, 1939) und Versuchung (1936/37). Letzteres hatte der Maler während der Londoner Ausstellung Twentieth Century German Art, die als Gegenausstellung zur Münchener Propagandaschau Entartete Kunst angelegt war, selbst so kommentiert: »Malerei ist eine schwere Sache und fordert den Menschen mit Haut und Haaren. So bin ich vielleicht blind an vielen Dingen des realen und politischen Lebens vorbeigegangen.«15 Juttas Deutung von Beckmanns Mythos-Motiven befragte gleichzeitig seine Selbstsicht als Vertriebener. Ein 2004 von ihr veröffentlichter Aufsatz geht auf Beckmann 1950 ein. Bei der Untersuchung einer Illustration der EuphorionFigur (Faust II) des Malers gibt sie Einblick in seine Schicksalsergebenheit der späten Jahren, die sie in »Einklang mit der existentialistischen Anthropologie der Nachkriegszeit«16 sieht. Sie schreibt über die eigenartige Beklemmung, die von Beckmanns scheinbar vitalen, bunten Figuren auch auf den erwähnten Triptychen ausgeht: »So erdenfest seine Körper zu sein scheinen, so fehlt es in Beckmanns Bildern nicht an destabilsierenden Momenten, die diese Kompaktheit dekonstruieren. Dazu gehört nicht nur die soziale

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Unsicherheit der Milieus seiner Historien, die schiefen Leitlinien in den Interieurs, der aperspektivische, verunsichernde Blick auf die Objekte in den gedrängten Wohn- und Dachstuben [...], sondern auch die optische Fragmentierung der Körper, die harten Brüche und Überschneidungen. [...] Die auf dem Kopf stehende Frau ist keine kunstfertige Akrobatin, sondern steht gefesselt und gefangen neben einem befrackten, zur Seite blickenden Mann.«17 Juttas nüchterne, das Detail erfassende Sprache konnte den Sehprozess der zu Schulenden erkenntnisfördernd steuern. So – und dazu gehört auch das erläuternde Zitat aus Texten der Künstler – lenkte sie ikonographisch den Blick vom Detail hin zur Erfassung des Gesamtbildes; ein nicht-deterministischer Erkenntnisweg, der bei genauer Aussage Polysemantik und Polyvalenz eines Werks zum Sprechen bringt. Das Seminar Klassik in Literatur, Architektur und Kunst. Italienische Reisen von Moritz und Goethe fand vier Jahre nach Juttas Emeritierung statt, es war unser letztes. Sie nahm das Thema als mit Goethe vertraute Leserin auf. Wir hatten, zusammen mit Norbert, Peter Steins Gesamtinszenierung Faust I und II über drei Aufführungssequenzen hin auf der Expo2000 in Hannover verfolgt und waren von dieser, dem Mainstream zeitgenössischen Regietheaters zuwiderlaufenden Inszenierung sehr angetan. Jutta verfasste eine konstruktiv wertende Aufführungs-Besprechung, die unveröffentlicht blieb. Dem Seminar kam es auf den Typus »Bildungsreise« ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit ihrer Bedeutung der Winckelmannschen Kunsteinsichten und die konkreten, von ihr ausgehenden Impulse für die Gestaltung vor allem der Weimarer Stadtarchitektur an, ebenso auf die Unterschiede zwischen Moritz (1756–1793) und seinem bereits 1792 erschienenen Bericht und Goethes erst Jahrzehnte nach der Reise verfassten Buch von 1814; letzteres wird konstant als ›antiromantisches Manifest‹ gewertet. In Italien selbst waren beide 1786/87 zeitweise Gefährten: »[...] er ist wie ein jüngerer Bruder von mir [...], nur da vom Schicksal [...] beschädigt, wo ich begünstigt und vorgezogen bin.«18 Jutta nahm den Verona-Abschnitt Goethes, der hauptsächlich von der Villa Rotonda in Vicenza handelt, zum Ausgangspunkt, die Grundsätze von Vitruv in Palladios Zeichnung der Villa herauszuarbeiten. Bei dem Weimarer Architekten Clemens Wenzeslaus Coudray und bei Goethes Berater in Fragen der Anlage der eigenen und der herzoglichen Kunst-Sammlung, Johann Heinrich Meyer, machte sie auf analoge wiederkehrende Anschauungen aufmerksam. So zu Coudrays Häuserzeile in der Weimarer Marienstraße, so in Meyers Einflussnahme auf die Gestaltung des Römischen Hauses. Winckelmanns Ästhetik war natürlich einbezogen und Fragen wie »Goethes und Moritz’ Rezeption der römischen Monumente: Apoll von Belvedere, Laokoon-Gruppe« wurde nachgegangen. Dieser Komplex führt u.a. zur besonderen hellenistisch-renaissanceverhafteten Vorstellungswelt deutscher Klassik und ihrem, wie man glaubte, ›wahren‹ Griechenbild. Politisierung der Künste und Literatur: Vorgeschichte von 1968 konzentrierte sich literaturwissenschaftlich auf drei deutschsprachige Autoren: Günter Anders, von Hause aus als Philosoph Schüler Heideggers, nach Hiroshima als Kritiker der »ApokalypseBlindheit« bekannt geworden; Wolfgang Koeppens Roman Der Tod in Rom (1954), eine abgründig komische Satire auf das Fortleben des Nationalsozialismus in der frühen Bundesrepublik; schließlich Peter Weiss, Die Ermittlung (1965), das erschütternde Theater-Oratorium, das aus Protokoll-Material des Frankfurter Auschwitz-Prozesses verdichtet gearbeitet ist. Die drei Werkkomplexe, die für sich schon mehr als ein Semi-

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nar ausfüllen können, fragten nach der Verantwortung des Einzelnen in der großen Katastrophe des 20. Jahrhunderts, nach ästhetischer Aufgabe und intellektuellem Mandat von Künstlern und Schriftstellern darin. Jutta fasste die humanistisch-nonkonformistischen Positionen, die nicht mehr den Typus Engagement wie die »klassische Arbeiterbewegung«19 zeigten, unter den um 1960 gebräuchlichen Begriff des »dritten Wegs«. Beispielhaft untersuchte sie Picassos Koreabild und den frühen Antoni Tàpies. »Dritter Weg« meint oft ein Bekenntnis zur Verzweiflung anstelle der Entscheidung für eine der Parteien des Kalten Kriegs. Jutta gab dem Begriff die Bedeutung eines nonkonformistischen Humanismus, in diesem Sinne einer anthropologisch sich verantwortenden Ethik. Beispielhaft waren ihr zunächst Picasso und dann die Abgrenzung der jüngeren Malergeneration von ihm. Eine ganze Sitzung lang befassten wir uns mit seinem Bild Massaker in Korea (1951). Sie hat es in ihrer bald darauf gehaltenen Abschiedsvorlesung in einen größeren Rahmen gestellt. Aus dem dichotomischen Aufbau – Opfer sind ausschließlich Frauen und Kinder, nackt und bloß, sie stehen auf der linken Seite; rechts sieht man schussbereite Männer, bestehend aus Maschinenelementen – des Bildes schließt sie: »Picasso hat es also vermieden, wie Goya und Manet die politische Zugehörigkeit der Täter unmissverständlich zu klären. Es geht ihm offenbar um eine weitere semantische Ebene, die nicht in der politischen Konfrontation aufgeht und durch deren Eindeutigkeit verdeckt würde. Picasso versucht das Problem der kriegerischen Gewalt zu anthropologisieren und konnotiert daher den Geschlechterkampf.«20

Es ist dabei zugleich das archetypische wie für das 20. Jahrhundert signifikante Kriegsverbrechen. Die »physische Vernichtung, von den Künstlern wahrgenommen als motivlose, grundlose Gewalttätigkeit«,21 ruft mit der Darstellung von der bei Kriegshandlungen freigesetzten Brutalität die für es Verantwortlichen vor ein moralisches Gericht. In einer weiteren Absetzbewegung, so Jutta, überschreiten die jüngeren Maler (Jorn, Tàpies, Borduas, Jeff Wall) die von Picasso schon an eine Grenze getriebene Polarisierung und damit auch das »bewusstseinszentrierte humanistische Menschenbild« (50). Für dieses Überschreiten steht ihr Asgar Jorns Bild Stalingrad (1957) und dessen Darstellung einer »Gewaltstruktur unterhalb des politischen Konflikts«. (48) Semantische Klärung seitens des Künstlers wird unabdingbar: »The magnitude of such an act of destruction transcends the human scale.«22 Jorns und seiner Generation Ablehnung einer Parteioption alten Typs geschehe aus der »Überzeugung, den Zugang zu anderen Aspekten der politischen Konflikte ihrer Zeit«, etwa in der »Rolle eines kulturellen Vermittlers [...] in den durch Multikulturalismus gekennzeichneten Großstädten«23 finden zu müssen. Dieser »dritte Weg«, d. h. die intellektuelle, aber auch praktisch gewendete Komponente des abstrakten Bildes, so scheint es mir, sind für Jutta alternativ zum 1992 laut herbeigerufenen ›Ende der Geschichte‹ (Fukuyama) aktuell. Dem seinerzeit verkündeten Dauer-Sieg des Neoliberalismus zum Trotz erschließt die Interpretin aus immanenten Konflikten der Bildsprache »Mittlerhandlungen«24 von Künstlern auf eine »soziale Transgression« hin, jenseits der Systemimmanenz. Don Quijote und Lazarillo war ein hartes – zugleich amüsantes – Lektüre-Seminar, zumindest der Cervantes-Teil. Lazarillo de Tormes (anonym, erste überlieferte Ausgabe 1554), der pícaro, machte weniger Mühe. Und wie ich lesend heute feststelle, gehört er

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– als Vorläufer der Mayos und Mayas – zum Stoff der Grundlagenarbeit, die Jutta, empirisch und methodisch, für die Erschließung von Goyas frühen Bildern und die Entstehung seines Stils insgesamt geleistet hat.25 Anlass zum ›spanischen Thema‹ war, zumindest meinerseits, der Wunsch nach Lektüre-Vertiefungen nach einer Reise nach Madrid. Jutta und Norbert hatten mich eingeladen, im Semester vor Juttas Emeritierung, mich ihnen anzuschließen, was ich liebend gern tat. Nicht sie als Hispanistin, sondern Norbert war von der Fundación amigos del Museo del Prado zu einem Vortrag mit dem Titel »Die Anfänge des Flamingo-Stillebens – soziale und kulturelle Aspekte« eingeladen.26 Der Vortrag fand Mitte November 1999 statt, in einem repräsentativen Saal, holzausgekleidet und mit amphitheatralisch aufsteigendem Hörerrund. Die Simultanübersetzung erreichte ein kundiges, mit Spannung den Worten des Vortragenden folgendes, großes Publikum. Die Tage davor verbrachten wir in den Museen, wovon mir diese Aufzeichnung geblieben ist: »Die ersten beiden Tage völlig verregnet, sodass wir uns jeweils den ganzen Tag im Prado und im Thyssen Bornemisza-Museum aufhielten.« Auch für das CARS (Centro de Arte Reina Sofia) regnete es noch genug. Zweifellos, bei Sonnenschein hätte unser Programm kaum anders ausgesehen. Am Tag des Ausflugs nach Toledo aber änderte sich das Wetter. Eine leere Straße in der Mittagshitze des November, inmitten des alten Zentrums der Stadt ist mir in Erinnerung geblieben; weiter die seitlich über ihr thronende Kathedrale, die im Innern von doppelten Seitenschiffen beidseitig gegliedert aus einem riesigen, unübersichtlichen Gewölbe zu bestehen scheint; schließlich die Santo Tomé-Kirche. El Greco war in ihrer Gemeinde Mitglied gewesen und hatte den Auftrag erhalten, dem Wohltäter der Stadtgemeinde, dem Grundherrn des nahegelegenen Städtchen Orgaz, im Auftrag wiederum von dessen Erben das repräsentative Begräbnisbild zu erstellen. Dieses Begräbnis des Grafen von Orgaz (1588), El Grecos letztes Bild seiner Toledo-Jahre, das viel über das Verhältnis von Stadt und Kirche als Auftraggeber und der intellektuell-klerikalen-mönchischen Elite des frühneuzeitlichen Spaniens preisgibt, durften wir ungestört durch weitere Besucher in der mittäglichen Stille der Kapelle eingehend betrachten. Eine gemeinsame Erkundung Madrids im seinerzeit futuristisch anmutenden Straßen- und Gebäudekomplex rund um die Plaza de Castilla, Stadtteil Chamartin, mit den beiden einander sich zuneigenden Bürotürmen war Ziel einer der letzten Exkursionen. Die Schnellstraßen durch Büro- und Wohnbezirke künden weiter vom Autofortschrittsglauben und der von ihm bestimmten Stadtentwicklung. Jutta und Norbert hatten ein feines Sensorium für den heutigen Urbanismus.27 Es mag müßig sein, etwas vom Eindruck des Prado übermitteln zu wollen, in Begleitung zweier Kunsthistoriker. Die kaum schnell zu erschließenden Säle waren wenig besucht. Traf man dennoch einmal eine Menschengruppe beisammen, waren es, so mein Eindruck, Bewohner der Stadt, auch Paare, einzelne Frauen, manchmal Kinder im verständigen Alter dabei. Der Prado war für sie eine achtungsvoll begangene Straße. Ich erfuhr so die innige Familiarität der Madrider mit der Malerei des eigenen Landes und der königlichen Sammlung. Wir hatten untereinander verabredet, dass jeder sich den eigenen Weg durch die Bildfluchten sucht, und es war wohl während des kurzen MittagImbiss und erneuten Aufbruchs zu weiteren Erkundungen, dass Jutta einen Vorschlag zum Treffunkt am späteren Nachmittag machte. Als wir dann dort neu zusammentrafen, ich zumindest bereits recht erschöpft, stellte sie uns wie nebenbei und mit einem Anflug zurückhaltender Höflichkeit eine Frage: »Was meint ihr? Hättet ihr noch Kraft und Lust,

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etwas zu Goyas Caprichios hören zu wollen? Sie sind gleich nebenan in diesem kleinen Cabinet.« Die Frage kam unerwartet. Nicht einmal Norbert hätte eine entsprechende Bitte zu stellen gewagt. Nach kurzer innerer Sammlung stellte sich Jutta zum Vortrag ihrem kleinen Publikum gegenüber auf und sprach wohl eine gute halbe Stunde lang, die kleinformatigen RötelZeichnungen, Entwürfe zu den späteren Drucken, im Rücken. Gerade die Caprichos haben eine Flut von unqualifizierten Kommentaren über sich ergehen lassen müssen. Die folgende Zitatencollage gibt wenige einführende Einsichten Juttas wieder: »Goya hat allen Darstellungen kommentierende Unterschriften gegeben. Zum Teil tragen bereits die Vorzeichnungen [...] Titel, deren Bedeutung oder auch Wortlaut mit denen der Drucke übereinstimmt.«28 »Als Tendenz der Rezeption der Caprichos läßt sich [...] erkennen, daß man versuchte, sie als direkte Gesellschaftssatire zu verstehen und den prickelnden Vermutungen nachzugehen, welche Personen aus den oberen Gesellschaftsschichten oder der Demimonde Goya habe kritisieren wollen. Der Anlaß zu Goyas eigenem Kommentar mag gewesen sein, solche Versuche [...] abzuwehren.« (47/48) »Nicht von ungefähr nehmen den größten Teil von Goyas Caprichos Szenen ein, in denen die Leidenschaften par excellence, das heißt die Beziehungen zwischen Mann und Frau thematisiert sind. Ein galanter Liebhaber nähert sich seiner Dame mit der Gebärde tiefster Ergebenheit, er versucht, sich von der vorteilhaftesten Seite zu zeigen (Nr. 27), und er verstellt ihr den Weg. Die Dame, nur halb ihm zugewandt, schreitet mit unbewegtem Gesicht vorbei (Nr. 5) oder aber scheint mit ihm zu handeln (Nr. 7). Ebenso raffiniert wie er taxiert sie ihre Chancen, überdenkt ihren Vorteil. Diese Szenen rückt Goya folgerichtig in die Nähe der Prostitution. [...] Ein Kommentar weist darauf hin, daß der Galan prahlt, aber nicht zahlungskräftig ist. […] Die Leidenschaften, ungezügelt durch den Balance garantierenden Verstand, verleiten zu Zerstörung und Selbstvernichtung.« (48/49) Sie hat den Maler der Jahre 1797 in einem Kreis der französischen Aufklärung zuneigenden Intellektuellen situiert, der vom höfischen und kirchlichen Machtsystem profitierte und zugleich davon eingeengt war. Folgerichtig wurde er zeit der napoleonischen Besatzung ein »liberaler Kollaborateur« (91). 1814 hatte er sich dafür dem wieder inthronisierten spanischen Hof gegenüber zu rechtfertigen. Das berühmte Erschießungsbild der Aufständischen 3. Mai 1808, nach Abzug der Franzosen gemalt, signalisiert im Freiheitswillen, so Juttas Folgerung zur Haltung des Malers, die erneute nationale Option, auch für das eigene höfische Amt. Der Zufall wollte es, an einem Abend konnten wir auch den eben gestarteten Film Goya en Burdeos (Goya in Bordeaux, dt. Titel: Goya) von Carlos Saura sehen. Es geht darin um die letzten Lebensjahre des kranken Künstlers, sein Leben im Rückblick angesichts bevorstehenden Todes. Wiewohl die zu Filmbildern verwandelten Bildwerke Goyas zwecks historischer Illustrierung uns insgesamt ansprachen, so ließ doch die filmisch dramatisierende Nutzung seiner gemalten Schreckensvisionen als Bebilderung eines ›Albtraums des alten Malers‹ einige Zweifel zurück, als habe er Untaten des eigenen Lebens gemalt, Bilder, die ihn nun auch noch quälten. Osnabrücker Pflichten riefen auch in Madrid, trotz des dichten Kunst-Programms. Wenn wir in einer der durchweg vollbesetzten Restaurant-Bars im Zentrum einen Platz erobert hatten, brachte Jutta das Gespräch auf unser bereits seit einiger Zeit in Arbeit befindliches Projektthema Transgression, als »Schlüsselbegriff« verstanden. Norbert

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hörte aufmerksam zu, brachte aber manchmal seinerseits das Reizwort aufmunternd ein, ging es doch um baldige Ausarbeitung und Abgabe.29 In Batailles Souveränitätsbegriff eingeordnet, betrifft er die Dynamik des künstlerischen Werkprozesses, welchen der Autor subversiv zu jedem Herrschaftsverhältnis unterstellt. Er enthält eine nichtaffirmative Bejahung, und somit ein konstruktives Element der Externalisierung ästhetischer Kräfte. In Juttas angeführten Betrachtungen über das im Bild anthropologisch nicht weiter Auflösbare erfüllt er die Rolle eines Übergangs zu Gesellschaftlichem. »Transgression« ist auch ein Modell im Kontext des Feminismus. So sollte sie auf zwei Ebenen untersucht werden: a) als Relation zwischen, um 2000, gegenwärtigem Avantgarde-Selbstverständnis in einzelnen Kunstformen, neben den bildenden Künsten auch Theater und Prosa, zu den historischen Avantgarden; b) als Frage nach im Feminismus wirkender Herrschaftskritik, d.h. Überschreitung patriarchaler Strukturen. Im Vergleich zu seinerzeit reüssierenden poststrukturalistischen Gender-Diskursen30 schien uns die Rückbesinnung auf »Frauen« in Anbetracht der weitgehend erreichten Rechtsgleichheit, bei weiterhin beträchtlichen Asymmetrien in gesellschaftlicher Wirklichkeit, klärender als Identitäts-Politiken um Geschlechter-Differenzen, denen es um weitere juristische Kodifikationen geht. Ich zitiere aus von Jutta verfassten Abschnitten des gemeinsamen Papiers, zunächst zum Modellcharakter der Avantgarden: »Unser Projekt geht von der Hypothese aus, daß die künstlerische Produktion heute dort besonders kreativ ist, wo sie [...] innerästhetische Grenzen überschreitet und Semantiken adaptiert, die in anderen sozialen Bereichen entwickelt wurden. Die Kunst ist dort am eindrucksvollsten, wo sie Kunstgrenzen transgrediert. In New York werden z. B. Künstler ernsthaft als Künstler diskutiert, die de facto als streetworkers Sozialarbeit leisten. Diese Akzentverlagerung versuchen wir mit unserem Schlüsselbegriff Transgression zu erfassen, der in den Geisteswissenschaften spätestens seit der Postkolonialismus-Debatte eine zunehmende Rolle spielt.« (S. 1) – »Kunst, Betriebe, Informationstechnik: Die Kontakte zwischen Kunst und Industrie (Technik) werden zur Zeit von beiden Seiten gesucht. Künstler erproben die neuen, technisierten Medien und arbeiten in Betrieben [...] Die Betriebe passen sich den neuen künstlerischen Entwicklungen an, indem sie den kommunikativen Kunstbegriff akzeptieren.« (S. 2, Vorentwurf) Wie schon historische Avantgardekunst ohne ein künstlerisches Endprodukt auskommt, gebe es zugunsten einer betrieblichen Stimulation eine Zulassung kulturellexperimenteller Prozesse im Ablauf. Man setze auf Außenwirkung und innerbetriebliche Kreativsteigerung, somit eine langfristige Optimierung. Transgression bedeutet hier einbindende Instrumentalisierung, Abmilderung entfremdeter Vorgänge bei Durchdringung »privater und beruflicher Sphäre«, »als ein neues Leit- oder Idealbild der Eliten [...], denen kreative, innovative Arbeitsleistungen abverlangt werden«. (S. 19) Denkt man an die heutige Debatte um ein ›Recht auf Home-Office‹ und seine Grenzen, zeigt sich die antizipatorische Qualität dieses Denkmodells. Der Schwerpunkt »Paare« bildet einen Unterpunkt zur historischen Avantgarde und will Transgression als feministisches Thema konkretisieren, als Frage nach »den konkreten Arbeitsverhältnissen. Hier scheint es uns Ansätze einer Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Künstlerinnen (in der Regel auf der Grundlage von Liebes- oder Ehebeziehungen) zu geben, die Schrittmacherfunktion für gegenwärtige, qualifizierte Arbeitsverhältnisse hatten, in denen heute eine (wenn auch oft nur scheinbare) Egalisierung der

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Geschlechter-Verhältnisse bereits vorausgesetzt wird. Darüber hinaus geht es uns auch um eine Bestandsaufnahme heutiger künstlerisch-literarischer Arbeitsformen, die sich als avantgardistisch dokumentieren und die die Egalität beider Arbeitsanteile demonstrieren, gelegentlich die Höherschätzung der Arbeit der Frau.« (S. 18/19) »In welchen Phasen der Avantgarde waren diese Transgressionen traditioneller Geschlechterverhältnisse möglich? Wie sahen die Arbeitsteilungen realiter und genau betrachtet aus, wie waren künstlerisches Prestige, tatsächliche Leistung und materieller Gewinn zwischen den Geschlechtern verteilt? Gab es verschwiegene Hierarchien [...]?« (S. 19) Als Beispiel dachten wir u.a. an das Paar Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp. Die »Transgression«, so der Kerngedanke, geschieht über Arbeits- und Bewusstseinsanteile hin zu einer Subjektvorstellung »Androgyynie«, »Konstitution von Subjektivität«31, in der sich beide Geschlechter kommunizierend wiederfinden und die in das Werk eingeht. In seiner Konzentration auf die Wertschätzung von genderkonnotierbaren Anteilen jeweiliger – künstlerischer, intellektueller, praktischer – Arbeit unterläuft die vorgestellte Modellhaftigkeit der Künstler-Paare die Fallen der sozial normativen Lebensauffassung der Kleinfamilie (das die sogenannte Patchworkfamilie bestens reproduziert). Derartige Überschreitungen und Übergänge der Geschlechtergrenzen hatte Jutta bereits bei Henri Laurens und in der späten Poesie von Eluard herausgearbeitet. Auch nachdem wir im Projektrahmen den Entwurf ad acta gelegt hatten, sprachen wir in den Jahren danach wiederholt davon, in den Archiven von Silkeborg (Jorn) und Rolandseck (Arp) uns Anregungen für eine kleinere Ausarbeitung der Paare-Idee zu holen. Eine Mail, die letzte und leider einzige von sehr vielen, hat sich bei mir erhalten. Jutta hat sie kurz nach Ostern 2005 geschickt. Sie wohnte nun bereits seit vier Jahren in Karlsruhe. Hier spielt schon die Arbeit an ihrem letzten großen Buch, das sie zusammen mit Norbert verfasste, Grundzüge der Kunstwissenschaft (2007), hinein. »Liebe Chryssoula, irgendwie haben wir die Möglichkeit, gemeinsam ein paar Tage Urlaub zu machen, nicht weiter verfolgt. Wir [J.H. und N.S.] waren nun über Ostern wieder in Ottobeuren, es war erholsam und schön, auch wenn es zuweilen regnete. Schreib mir mal, wenn es in Osnabrück etwas Besonderes gibt, dann würde ich schon kommen. Wir waren lediglich ein Wochenende nach dem Kunsthistorikerkongress in Bonn nach OS weitergefahren, da ich auch noch Betreuungen dort habe. Dieses SS habe ich keine Lehrveranstaltung angeboten, weil wir ja mit unserem Buchprojekt reichlich zu tun haben. Dummerweise habe ich auch noch für 2 Tagungen Beiträge zugesagt. Trotzdem will ich mich nicht verrückt machen lassen und mal den Frühling geniessen. Wie wäre es mit Malta, das möchte ich lange schon kennenlernen?! Herzlichen Gruss! Jutta

Beginn und Ende dieses Schreibens spielen auf den Plan einer weiteren gemeinsamen Reise an, diesmal nach Malta. Allzu gern hätte Jutta Caravaggios Enthauptung Johannes des Täufers (1608)32 in der Ko-Kathedrale Vallettas gesehen und dabei die Stadt der von Rhodos hergesiedelten Johanniter erkundet. Auch dazu ist es – mit unendlichem Bedauern halte ich es fest – nicht gekommen. In diesem Rückblick ist die Erinnerung an Norbert zum Teil ungerechtfertigt stark in Juttas Schatten geraten. Zum einen liegt das, wie eingangs gesagt, am für diese Erinnerungen gewählten Schwerpunkt Interdisziplinarität. Aber auch daran, dass Norbert den Part des Pendlers bis zu Juttas Emeritierung auf sich genommen hatte und wochentags meist von Osnabrück abwesend war. Doch die häufigen Gespräche im gastfreundlichen

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Haus Held-Schneider führten wir zu einem großen Teil zu dritt, oftmals mit weiteren Gästen und Freunden. Mit dem Umzug beider nach Karlsruhe um 2001 hatte Norbert endlich eine bessere Arbeitssituation. Es wäre über spätere zahlreiche Briefe von Norbert zu berichten, von Gesprächen über die Distanz Osnabrück-Karlsruhe hinweg, über Erkundungen, die wir vor allem im Osnabrücker-Münsteraner Raum starteten, wenn Norbert regelmäßig mehrmals im Jahr in »die alte Heimat« kam. Von meinen eigenen Voraussetzungen her darf ich es kaum wagen, Norberts enorme Produktivität vor allem des letzten Jahrzehnts in ihrer Bedeutung für die Kunstgeschichte als Disziplin zu umreißen. Und er hatte eine sehr streng disziplinäre Auffassung von seinem Fach. Ich denke dennoch, er hat darin ein ganz eigenes Format erworben, auch im Vergleich zum von Jutta gelegten Fundament. Dieses Unterschieds war er sich übrigens, trotz beider Doppelautorschaft der beiden Bücher, die das Fach nahezu in seiner Ganzheit erfassen,33 sehr bewusst, und er hat oft über ihn gesprochen. Zugleich hat er die von Jutta initiierten Einrichtungen – Guernica-Gesellschaft, »Kunst und Politik«, Stiftung – das ihm nach ihrem frühen Tod zugefallene, ihn verpflichtende Erbe, fortgeführt, dies gleichfalls sehr bewusst neben den eigenen, die Epochen übergreifenden Buchprojekten, die er nach Eintritt in den dankbar angenommenen Ruhestand in großer Zahl aufnahm und in kürzester Zeit jeweils abschloss. In dem Zusammenhang ist auch die schöne außerkommerzielle Reihe zu erwähnen, die als Erscheinungsort das Institut für Kunstgeschichte am KIT trägt und die er, von einer Ausnahme abgesehen, 34 auch selbst verfasste. Statt einer ISBN-Nummer tragen die an die zwanzig Büchlein den Verweis: »Die Publikation ist ausschließlich für den wissenschaftlichen Austausch bestimmt«. Über die ihn erschöpfende Kraftanstrengung für die sich nirgends wiederholenden Schriften, sprach man ihn darauf an, lächelte Norbert höchstens kurz müde. Sein Ideenreichtum ließ ihn erst gar nicht in nur zu verständliche Ermattung zurückfallen. In seinem Karlsruher Freundeskreis fand er stärkende Regeneration, natürlich auch wieder Anregung. Er lebte in der weiteren Entwicklung des Faches und litt stark darunter, dass die Gründergeneration »Ulm« im letzten Jahrzehnt so viele herausragende Vertreter z.T. auf tragische Weise verloren hat. Den meisten hatte er sich tief verbunden gefühlt, seine Nachrufe zeugen davon. Wichtig war es ihm zugleich, sich von Moden oder selbstgefällig in »Größe« – eigener oder anderer – Bespiegelnden klar und begründet abzugrenzen, meist öffentlich. Seinen wissenschaftlichen Darstellungsstil, konzise und sachgebunden, kennzeichnet theorie- und ideengeschichtlich subtile Unterscheidungskraft. Neben dem ungeheuer genauen Gedächtnis – des Bildlichen wie von Denk-Positionen – war seine Gabe zu Distinktion und gleichzeitiger Selbstpositionierung bewundernswert. Ein feiner Humor kommt darin durchgehend zur Geltung, wie auch das Alltagsgespräch mit Norbert nahezu durchgehend davon getragen war. Die Bemerkung einer mit ihm befreundeten Malerin, die ihn »einen milden Menschen« nannte, trifft ins Wesen. Selbst die Karikaturen – an Kunstrichtungen, an politischen Figuren –, die er als talentierter Zeichner blitzartig aufs Papier bringen konnte und die treffsicher Schwächen seines Sujets erfassten, enthalten nichts an Bösartigkeit. Es wäre eine eigene Aufgabe, über Norbert Schneider und seine Begabung als Künstler, vor allem Zeichner, zu schreiben. Die Ausübung nahm er spät auf, erst nach den Jahren der Berufstätigkeit. Doch innerhalb der mehr als zehn Jahre entstanden doch beachtlich viele Bilder und Zeichnungen,

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geradezu nebenbei – und zur Entspannung von den Schreibtischarbeit, doch fortwährend parallel zu ihr. Trotz der Krankheit, die ihn jahrzehntelang – für Freunde und Schüler unbemerkt – begleitet hat, schrieb Norbert gerade im letzten Lebensjahrzehnt die umfassend gelehrten Theoriegeschichten zur Ästhetik und Metaphysik, die hier abschließend zumindest Erwähnung finden müssen.35 Sie haben hoch wertschätzende publizistische und fachliche Resonanz erfahren. Seine Geschichte der Metaphysik vor allem fand die ihr gebührende Aufnahme in fachphilosophischen Kreisen. Die gemeinsamen Schriften von Jutta und Norbert werden gewiss weitere Wirkung entfalten, und die von jedem individuell gesetzten Schwerpunkte werden zweifelsohne weiteren Generationen, neben der fundierten Sachkenntnis, eine je kritisch verfahrende Orientierung bieten. 1 Norbert Schneider: »Nachwort« In: Jutta Held: Amerikanische Kunst nach 1960. Minimal Art

– Pop Art – Fotorealismus. Karlsruhe 2013, S. 109. 2 Für die genauen Nachweise aus dem Universitätsarchiv – unter den Bedingungen ›Corona‹ –

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danke ich Herrn Dr. Thorsten Unger. (SoSe 1993: NLA OS Dep 103 Akz. 2018/67 Nr. 51; WS 1993-94: NLA OS Dep 103 Akz. 2018/67 Nr. 52; SoSe 1996: NLA OS Dep 103 Akz. 2018/67 Nr. 57; SoSe 1999: NLA OS Dep 103 Akz. 2018/67 Nr. 63; WS 2001-2002: NLA OS Dep 103 Akz. 2018/67 Nr. 68; SoSe 2004: NLA OS Dep 103 Akz. 2018/67 Nr. 72) Einige Unterlagen Jutta Helds sind im Universitätsarchiv des Nds. Landesarchivs, Standort Osnabrück, aufbewahrt. Im Vergleich zum Nachlassteil in Nürnberg ist der Osnabrücker kleiner und direkter universitätsgebunden. Chryssoula Kambas: »›Europäische Studien‹ in Europa. Zu kulturwissenschaftlichen Studiengangsmodellen« In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache. Intercultural German Studies, Bd. 25/1999. München 1999, S. 233–246. Jutta Held hielt im Rahmen der universitären Ringvorlesung einen Vortrag Künste im Exil. Für die Organisation von diversen, parallel laufenden Initiativen von Stadt und Universität wirkte seinerzeit Wolfgang Motzkau-Valeton. International bekannt wurde die Podiumsdiskussion mit u.a. W. Abendroth, U. Langkau-Alex (Amsterdam), H. Müssener (Stockholm). Ein Ausstellungskatalog hat sich von dem Unternehmen erhalten: Wissenschaft und Kunst im Exil. Eine Dokumentation. Münster: WURF Verlag 1984. Chryssoula Kambas: Walter Benjamin im Exil. Zum Verhältnis von Literaturpolitik und Ästhetik. Tübingen 1983; Dies.: »Positionierung des Linksintellektuellen im Exil« In: Burkhard Lindner (Hg.): Benjamin Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart 2006, S. 420–436. Bereits während des von ihr organisierten Kongresses Der spanische Bürgerkrieg und die bildenden Künste (8.-10.5.1987) zeigt sich die Auseinandersetzung mit Literatur und Kunst des späten Surrealismus. Jutta Held: »Faschismus und Krieg. Positionen der Avantgarde in den dreißiger Jahren« In: Dies. (Hg.), Der spanische Bürgerkrieg und die bildenden Künste (= Schriften der Guernica-Gesellschaft, 1), Berlin 1989, S. 53–75. Jutta Held: »Die ›Feminisierung‹ der Avantgarde. Zur Kunst der Résistance: Eluard und Henri Laurens« In: Kritische Berichte, 1990, H. 1, S. 21–38. Held 1989 (Anm. 6), S. 65–69. Ebd., S .61. Neu und erweitert Jutta Held: »Revolution, Krieg und Faschismus. Die künstlerischen Positionen der 30er Jahre« In: Dies.: Avantgarde und Politik in Frankreich. Berlin 2005, S.41–44.

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10 Cabaret Voltaire. Reprint Jean Michel Place, Paris 1981, S. 19–53. Mit Texten von Marinetti,

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Jacob van Hoddis, Tristan Tzara, Emmy Hennings u.a.; Abb. von Werken von H. Arp, O. van Rees, E. Hennings, M. Janco u.a. Siehe Medea Hoch: »Sophie Taeuber-Arps interdisziplinäres Werk im Ordnungssystem der Kunstgeschichte« In: Sophie Taeuber-Arp – Heute ist Morgen. Ausst.-Kat. Argau/Bielefeld 2014/15, S. 213–216. Karlheinz Barck (Hg.): Surrealismus in Paris 1919-1939. Ein Lesebuch. Leipzig 1990. Die bis heute an Vielseitigkeit unübertroffene Anthologie surrealistischer Kurztexte, von Lyrikern ins Deutsche übersetzt, ist aus Barcks Tätigkeit an der Akademie der Wissenschaften, Berlin, hervorgegangen. Jutta Held: »Horden und Barbaren« In: Held 2005 (Anm. 9), S. 156. Vgl. auch dies.: »Widerstand der bildenden Künstler gegen den Faschismus« In: Exil. Forschung, Erkenntnisse, Ergebnisse, Jg. 1985, S. 52. Held 2005 (Anm. 9), S. 165–166. Max Beckmann, »Meine Malerei« (1938), zit. nach Lynette Roth: »Max Beckmanns Triptychen als Bühnenbilder«, in: Ausst.-Kat. Max Beckmann. Welttheater. Hg. von der Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen und dem Museum Barberini, Potsdam. München u.a. 2017, S. 70. Das Interesse Juttas an den seit dem späten Exil verstärkt auftretenden Mythenadaptionen ging auch in die Konzeption des zweiten Heftes von Kunst und Politik ein, »Mythos in der Mitte des Jahrhunderts«. Ernesto Grassi, der Gründer der Reihe rde, blieb ihr für das Denken im Mythos nach 1945 repräsentativ. Kontinuierliche derartige Kommunikation lässt sich bei den am ›geheimen Deutschland‹ orientierten Exil-Gruppen wie dem Amsterdamer Castrum Peregrini feststellen. Auf Beckmanns Bild Künstler mit Gemüse (1943) erscheint nicht zufällig der dort zu verortende Dichter Wolfgang Frommel. Jutta Held: »Stürzende« In: Unruhe und Engagement. Blicköffnungen für das Andere (Festschrift für Walter Fähnders). Hg. von Wolfgang Asholt u.a. Bielefeld 2004, S. 276–277. Goethe an Frau von Stein, Brief vom 14.12.1786, zit. in Johann Wolfgang von Goethe, Hamburger Ausgabe, Bd. 11, Autobiographische Schriften III. München 1998, S. 626/627. Jutta Held: »Revolution, Krieg und Faschismus. Die künstlerischen Positionen der 30er Jahre« In: Held 2005 (wie Anm. 9; neu verfasster Beitrag), S. 19. Jutta Held: »Picassos Koreabild und die avantgardistische Historienmalerei« In: Frühe Neuzeit und Moderne. Jutta Held zum Abschied. Hg. von Klaus Garber und Ute Széll. Münster 2004, S. 28–53, hier S. 43. Auch in Held 2005 (Anm. 9), S. 223–249. Held 2004 (Anm. 20), S. 47. Angaben im lfd. Text nach diesem Druck. Held 2004 (Anm. 20) S. 47, zit. Fn 40. Im Gegensatz zu Guernica, der noch existierenden Stadt, sagt Jorn über Stalingrad: »It became a ›non-lieu‹, a ›non place‹.« Jutta Held: »Die bösen Sieger. Erschießungsbilder, Historie und Avantgarde« In: FAZ, Nr. 245, 21.10.2000, Wochenendbeilage Literatur, S. VI. Held 2004 (Anm. 20), S. 51. Zu Transgression vgl. w.u. Jutta Held: Die Genrebilder der Madrider Teppichmanufaktur und die Anfänge Goyas. Berlin 1971, S. 64. Norbert Schneider: »Los inicios del bodegón flamenco: aspectos sociales y culturales« In: El bodegón. Colaboraciones de John Berger u.a. Madrid 2000, S. 175–188. Zuvor war sein grundlegendes Stilleben-Buch erschienen (Köln, London u.a. 1999). Wie engagiert sie die kulturelle Aushöhlung der u.a. europäischen Stadt mittels Kulturpolitik verfolgte (und am liebsten abstellen wollte), dazu Jutta Held: »Kunst und Kulturpolitik der

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90er Jahre in den Zentren der Welt – Zur Einführung« In: Dies. (Hg.): Metropolenkultur (Schriften der Guernica-Gesellschaft, Bd. 12), Weimar 2000, S. 9–19. Jutta Held: Francisco de Goya. Reinbek 1980, S. 47. Verweise im lfd. Text aus dieser Ausgabe. Zusammen mit zwei weiteren Kollegen als Antragsteller sind die Überlegungen schließlich unter dem Titel »Avantgarde und Transgression« Anfang 2000 als Papier abgeschlossen und eingereicht worden, doch blieb es dann auf Veranlassung der Stiftung bei einem Vorantrag. Juttas sorgfältig angelegten, die Sache komplett dokumentierenden Ordner habe ich unerwartet bei ihren Papieren gefunden. Jutta Held: »Paradigmen einer feministischen Kunstgeschichte« In: Radical Art History. International Anthologie. Subject O.K. Werckmeister. Hg. von Wolfgang Kersten. Zürich 1997, S. 178–192; insbes. S. 185 ff. Held 1997 (wie Anm. 30). Zu Johannes dem Täufer und dem Enthauptungsmotiv: Jutta Held: Caravaggio. Berlin 1996, S. 142–147 und 184/85. Neben Jutta Held, Norbert Schneider: Grundzüge der Kunstwissenschaft. Köln u.a. 2007: Dies., Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis in 20. Jahrhundert. Köln 1993. Vgl. Anm. 1. Norbert Schneider: Geschichte der Kunsttheorie. Von der Antike bis zum 18. Jahrhundert. Köln u.a. 2011; ders.: Theorien moderner Kunst. Vom Klassizismus bis zur Concept Art. Köln u.a. 2014; ders.: Grundriss Geschichte der Metaphysik. Von den Vorsokratikern bis Sartre. Hamburg 2018. Diese Bücher bilden die Fortsetzung der bei Reclam erschienenen Überblicke Erkenntnistheorie im 20. Jahrhundert: klassische Positionen (1998); Geschichte der Ästhetik von der Aufklärung bis zur Postmoderne: eine paradigmatische Einführung (1996).

Alexandra Axtmann Geschichte ästhetischer Praxis, Kunsttheorie und Sozialgeschichte der Malerei – Norbert Schneiders Hochschullehre

Im Zuge der Diskussionen über die Zukunft der Kunstgeschichte als Fachdisziplin, neuer methodischer Ansätze und Turns, Professurdenominationen und Studiengangreformen im Wettstreit mit naturwissenschaftlicher Exzellenzforschung setzte in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse an der Erforschung der Geschichte der Kunstgeschichte unter wissenschafts-, biografie- und medienhistorischer Perspektive ein. Zusätzlicher Anlass waren in vielen Fällen Jubiläen kunsthistorischer Institute bzw. Professuren wie beispielsweise an der Technischen Universität Wien (seit 1867)1 oder Darmstadt (seit 1869)2, in deren Zusammenhang man sich der eigenen Historizität bewusst wurde und diese zu untersuchen begann. Fokus war und ist hierbei neben der oftmals gut beforschbaren Geschichte der Hochschullehrer nach 1900 oder nach 1945 die noch in vielen Teilen aufgrund mangelnder Quellen oder deren Bearbeitung im Dunkeln befindliche Frühzeit der Fachgeschichte nicht nur an Universitäten, sondern auch an polytechnischen Hochschulen, an welchen die Kunstgeschichte deutlich früher als an Universitäten für die Ausbildung von Architekten institutionalisiert worden war. Schon in jener Etablierungsphase wurde vielfach – wie Forschungen zur Karlsruher Fachgeschichte und auch eine Tagung an der TU Wien zu diesem Thema im Januar 2019 belegen3 – über die Rolle des Faches Kunstgeschichte und deren Vertreter diskutiert, ebenso wie über die zu vermittelnden Inhalte, welche vor allem in heutigen StudienkommissionsSitzungen zur Disposition stehen. Während seit der Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen in den Modulhandbüchern Lerninhalte und -ziele sowie die jeweils adressierten studentischen Zielgruppen umfangreich und kleinteilig definiert werden müssen, so war dies in Zeiten vor der Einführung eigener Studiengänge nicht oder nur rudimentär erforderlich. Die Fragen »Was und für wen lehr(t)en die Kunsthistoriker an den jeweiligen Institutionen und welche Funktion wird bzw. wurde dem Fach jeweils beigemessen?« erscheinen jedoch nicht nur relevant für eine Geschichte der Kunstgeschichte, sondern auch für die jeweilige Vermittlung und didaktische Aufbereitung von Fachwissen in der Lehre und die Bewertung der in bzw. aus diesem Kontext entstandenen Publikationen. Gibt es doch aufgrund der unterschiedlichen Zuhörerschaft, wie schon frühe Fachvertreter wie der Architekt und Kunsthistoriker Adolf von Oechelhäuser (1852–1923) formulierten, »prinzipielle Abweichungen im kunstgeschichtlichen Unterricht zwischen Universität und Technischer Hochschule«.4 Die Kunsthistoriker an Hochschulen seien, so führte er in seiner Karlsruher Rektoratsrede von 1902 weiter aus, »daher in der schwierigen Lage, ihre persönlichen wissenschaftlichen Interessen den pädagogischen Forderungen unterordnen, d. h. ihre Vorträge populär und doch wissen-

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schaftlich, auszugsweise und doch nach gewissen Richtungen erschöpfend gestalten zu müssen.«5 Daran anknüpfend wäre daher vielfach eine Untersuchung des Einflusses der Lehre auf die Publikationstätigkeit der Hochschullehrer:innen oder umgekehrt lohnenswert, bietet es sich doch ganz offensichtlich an, entweder das bereits Erforschte und Publizierte für die unterschiedlichen Lehrformate anzuwenden bzw. zu übertragen oder das in diesen Erprobte und mehrfach Diskutierte später in eine dauerhafte, nachnutzbare Textform in Lehrbuchformat zu überführen. In meinen Forschungen zu dem frühen kunsthistorischen Hochschullehrer und publizistisch nicht nur fach-, sondern auch populärwissenschaftlich sehr produktiven Wilhelm Lübke (1826–1893) und dessen Lehrtätigkeit an den Polytechnika in Zürich, Stuttgart und Karlsruhe habe ich diese Fragen exemplarisch untersucht.6 Anhand der in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe aufbewahrten Vorlesungsmanuskripte im Vergleich mit seinen Publikationen konnte beispielsweise die Übertragung seines Handbuchs Geschichte der Architektur7 für seine ersten architekturhistorischen Überblicksvorlesungen 1857 an der Berliner Bauakademie beobachtet werden, wobei Lübke sein ursprüngliches Manuskript über die Jahrzehnte seiner vorrangig an Architekturstudierende gerichteten Lehrtätigkeit immer weiter ergänzte.8 Und zum anderen wird an Lübkes unzähligen Publikationen deutlich, wie sehr sich Sprachstil und wissenschaftskommunikative Strategien je nach Zielgruppe – Architekturstudierende versus interessierte Laien – unterscheiden, wie in den Aufsätzen für das Feuilleton im Gegensatz zu den Fachzeitschriften, oder auch teilweise überschneiden, wie in den Handbüchern, die für alle Leser:innen Orientierung und breiten Überblick statt Detailwissen bieten sollten.9 Norbert Schneider begleitete diese Forschungen als sehr interessierter und beratender Gesprächspartner, der bei unseren Treffen das Thema Fachgeschichte durch persönliche Berichte aus seinen akademischen Lehrzeiten aktualisierte. Nach seiner Emeritierung publizierte er mit retrospektivem Blick einige Studienbücher, die er in den aktiven Jahren der Lehrtätigkeit und akademischen Selbstverwaltung nicht hatte realisieren können. Und noch im Frühjahr 2019 hatten wir beide in unserem gemeinsamen Interesse an mittelalterlicher Kunst und deren Vermittlung an Studierende ein neues MittelalterStudienbuch angedacht, das er als »Kunst des Mittelalters. Grundkurs in 12 Sitzungen« zu betiteln vorschlug und als eine um Architektur und Bauplastik, Buch-, Glas- und Wandmalerei, Mosaike und liturgische Geräte sowie einen umfangreichen lexikografischen Anhang erweiterte Version seiner knappen Geschichte der mittelalterlichen Plastik aus dem Jahr 200410 angelegt war und sich in der didaktischen und visuellen Aufbereitung mit Grafiken, Karten und Plänen an Gardners Art through the Ages11 orientierten sollte. In dem vorliegenden Beitrag soll nun die eingangs skizzierte Fragestellung auf Norbert Schneider übertragen und punktuell beleuchtet werden, wie sich bei ihm Wissenschaft und Didaktik, Lehre und Publikationstätigkeit gegenseitig verhalten und beeinflusst haben. Die von Martin Papenbrock und Klaus Garber bereits in der Festschrift zu seinem 60. Geburtstag konstatierten didaktischen Fähigkeiten, Schneiders Bemühen um umfassende und enzyklopädische Überblicke und die Vermittlung horizonterweiterter Zusammenhänge12 könnten zwar auf Basis des als Studentin und wissenschaftliche Hilfskraft in Karlsruhe eigens Erlebten dargelegt werden. Da jedoch für den stets quellenbasiert arbeitenden Norbert Schneider bei allem Interesse an Oral History immer eine objektive Betrachtung das Ziel seiner publizierten Untersuchungen war, stütze auch ich

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meine Ausführungen, vergleichenden Analysen und Auswertungen ausschließlich auf publizierte Quellen und Bücher: seine Publikationen und die Vorlesungsverzeichnisse der Universität Münster, der Technischen Universität Dortmund und der Universität Karlsruhe (TH). Die Auswahl ist in erster Linie der schlechten (digitalen) Zugänglichkeit an den beiden anderen Lehrorten geschuldet. Briefe, Vorlesungsmanuskripte oder dergleichen, die gerade in der Forschung zur frühen Fachgeschichte die spannendsten und ergiebigsten Quellen sind, liegen nicht vor.13 Kunsttheorie und Geschichte ästhetischer Praxis – vorrangig für KunstpädagogikStudierende Nach drei Jahren Dozententätigkeit von 1973 bis 1976 an der Hochschule für Gestaltung Bremen für Theorie und Geschichte ästhetischer Praxis erhielt Norbert Schneider 1976 seinen ersten Ruf auf die Professur für Kunstgeschichte und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe, Abteilung Münster. 1980 wurde diese Abteilung wie auch jene in Bielefeld im Zuge des im Dezember 1978 verabschiedeten Zusammenführungsgesetzes aufgelöst und in die jeweilige Universität integriert.14 Nordrhein-Westfalen schloss sich damit der Entwicklung zu einer Vereinigung aller Lehramtsstudiengänge an, die in vielen Bundesländern von Seiten der Landesregierungen in den 1970er und 1980er Jahren forciert wurde. 15 1980 bis 1993 war Schneider dann mit gleicher Denomination Professor für Kunstgeschichte am Institut für Kunstpädagogik im Fachbereich 21 Deutsche Sprache und Literatur, Künste und deren Didaktik der Universität Münster. Seine Lehre richtete sich anfangs also in erster Linie an Lehramts-Studierende. Dies blieb auch an den sich anschließenden Lehrorten der Fall: 1993 bis 1995 an der neu eingerichteten Professur für Geschichte der visuellen Kultur an der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Universität Bielefeld und 1995 bis 1998 am Institut Kunst und ihre Didaktik im Fachbereich Musik, Kunst, Textilgestaltung, Sport und Geographie der Technischen Universität Dortmund. Erst an seiner letzten Station am Institut für Kunstgeschichte an der Universität Karlsruhe (TH) von 1998 bis zu seiner Emeritierung 2009 änderte sich seine Zielgruppe und bestand aus Studierenden der Kunstgeschichte im Haupt- und Nebenfach sowie Architekturstudierenden. Der seit seiner Gründung 1868 an der Fakultät für Architektur beheimatete Lehrstuhl war zu jener Zeit zudem an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften angegliedert. Kontakte zu angehenden Kunstlehrer:innen, wie er zu Beginn bei den Professoren des damaligen Polytechnikums über viele Jahrzehnte durch die gleichzeitige Beschäftigung an der Großherzoglichen Akademie der Künste für die geschichtlichen Überblicksvorlesungen bestand, gab es nur durch vereinzelte Studierende, die via Kooperationsvertrag ab und zu an den Vorlesungen oder an einzelnen Seminaren teilnahmen. In Summe unterrichtete Schneider also in seiner gesamten Hochschul-Laufbahn die längste Zeit Kunstpädagogik-Studierende.16 Diese Feststellung ist insofern von Bedeutung, als die gewählten Vorlesungs- und Seminarthemen sowie etliche Publikationen – wie zu sehen sein wird – wenn nicht ausschließlich auf diese Zielgruppe hin konzipiert, so doch mitbedacht wurden. Zudem ist zu erwähnen, dass Schneiders Lehrtätigkeit zu einer Zeit begann, als zum einen ab den 1960er Jahren eine kritische Kunstgeschichte sich zu formieren begann17 und zum anderen ab Mitte der 1970er Jahre zwischen Kunstpädagog:innen, Kunstdidaktiker:innen wie auch Vertreter:innen der Kunstwissen-

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schaft oder Pädagogik verstärkt Diskussionen um die Inhalte des Faches Kunstgeschichte und ihre Vermittlung im außerschulischen und schulischen Bereich geführt wurden, an denen Schneider sich beteiligte.18 Auf der Arbeitstagung des Ulmer Vereins zu Kunstpädagogik und Kunstgeschichte am 4. Mai 1975 in Osnabrück hielt er ein Referat zu Überlegungen zu einer Neubestimmung des Sensibilitätsbegriffs in der Kunstpädagogik, das zusammen mit den Referaten von Irene Below und Wolfgang Kemp unmittelbar im Anschluss in den kritischen berichten veröffentlicht wurde.19 Hierin hegte Schneider Kritik an dem Sensibilitäts- und Kreativitätskonzept für den Kunstunterricht der späten 1960er und frühen 1970er Jahre, der stark auf die Aktivierung durch Sinnesreize und motorische Reproduktion im ästhetischen Gestalten setzte.20 Der Meinung experimentalpsychologischer Farbtheorien, wonach nur auf Basis von Gefühlsregungen Handlungen entstehen würden, hielt er wie Kemp entgegen, dass Sinnlichkeit und Wahrnehmung nicht unabhängig vom »gesellschaftlichen Lebensprozeß«21 und der künstlerischen Praxis der Künstler:innen entstehen würden und es daher notwendig sei, diese Grundlagen und deren Entwicklung zu rekonstruieren22: »Es stellt sich weiterhin die Frage nach den gesellschaftlichen Verhältnissen, die sie [die Künstler] interpretierten – sowohl ästhetische reproduzierend als auch moralisch bewertend. Auf diese Weise lernt man auch die Rolle der Phantasie im künstlerischen Prozeß verstehen, nämlich als eine Form der Auseinandersetzung mit der natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt, gegen deren bestehende Macht ein Gegenentwurf gesetzt wird. Indem derart historisch die Komplexität sinnlicher Praxis des Menschen am Beispiel künstlerischer Aktivität analysiert wird, wird zugleich auch ein nicht unerheblicher Beitrag geleistet zur Selbsterfahrung und zur Entdeckung der Möglichkeiten, in der gegenwärtigen Wirklichkeit selbst schöpferisch tätig zu werden.«23

Ausführlicher ging er auf die Funktion der Kunstgeschichte im Studium von angehenden Pädagogen bzw. die Relevanz des Faches für die Schulpraxis in einem 1977 verschriftlichten Beitrag mit dem Titel Zur Begründung der Notwendigkeit einer Didaktik der Kunstgeschichte ein.24 Wegen der von Seiten der Schulpraxis festzustellenden »Abwehrhaltung gegenüber der Kunstgeschichte«25, welche als vermeintlich objektivistisch, elitär und als nicht kindgerecht dem subjektiv-intuitiven Ideal kunstpädagogischer Lernziele entgegenstünde,26 legte er nach einer Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Kunstpädagogik die Vorteile und den Nutzen der Kunstgeschichte dar und forderte, diese als »integrale[n] Bestandteil des Kunsterzieherstudiums und als Curriculumelement in der Schulpraxis«27 einzuführen. Denn die Kunstpädagogik betreibe zwar der eigenen Meinung nach unter dem Label »Kunstbetrachtung« selbst Kunstgeschichte,28 diese stelle sich jedoch als reine Kunstbetrachtungstheorie oft theorielos oder als reine Stilkunde mit Fokussierung chronologischer Abfolgen und Biografien ohne Historisierung dar.29 In der Vermittlung künstlerischer Techniken und Formgestaltung seit der Kunsterzieherbewegung sei bis heute oft jeglicher Bezug zur Außenwelt und Theorie zugunsten des inneren Erlebens, Einfühlens und Abstrahierens vernachlässigt worden.30 Und auch wenn mit dem Konzept der Visuellen Kommunikation als Gegenposition zur Kunstpädagogik ab Ende der 1960er Jahre neue Gegenstandsbereiche wie Massenmedien in die Vermittlung eingeführt worden waren, so sei auch diese laut Schneider zu sehr subjekt- und erfahrungskonzentriert, ignoriere die klassischen Gegenstandsbereiche der Kunst historischer Epochen und die notwendige Darstellung des Funktions- und Bedeu-

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tungswandels von Motiven, welche in der Kunstgeschichte nicht mehr nur als positivistische Motivgeschichte zu verstehen sei und die Visuelle Kommunikation gewissermaßen weiterführe.31 Am Beispiel der Perspektive zeigte er auf, was er unter kunsthistorischer Fundierung einer allgemeinen Ästhetik verstand, nämlich eine Historisierung und Darlegung der Geschichtlichkeit von Wahrnehmung, da der Wahrnehmungsprozess ebenfalls sozial und politisch ideologisch determiniert sei.32 Es bedürfe folglich einem größeren fachwissenschaftlichen Anteil in der Kunstpädagogik und im Ausbildungsbereich für freischaffende Künstler:innen,33 sprich einer »kulturwissenschaftlich orientierte[n] Geschichte der Kunst und ästhetischen Theorie [, die] die (Vor-)Geschichte der Modellierung unserer Wirklichkeitswahrnehmung und ästhetischen Gefühle«34 untersuche und fähig sei, »das Objektive im subjektiv Beabsichtigten zu erkennen, d. h. zu sehen, welche Momente der gesellschaftlichen Wirklichkeit sich ins visuelle Artefakt ›einschreiben‹, und sei dies noch so esoterisch gestaltet. Das bedeutet aber auch umgekehrt: feststellen, wie das Subjekt (z. B. der Künstler) auf die Wirklichkeit und ihre antagonistische Struktur reagiert, wie er sie kommentiert, in sie einzugreifen, sie zu verändern sucht.«35

Wie eine tabellarische Übersicht zeigt (siehe Ende des Beitrags), waren in Norbert Schneiders gesamter Lehrtätigkeit Ästhetik, Kunsttheorie sowie Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Kunstwerken wiederholt Themen seiner Seminare, zur besseren Verständlichkeit und anwendungsbezogenen Vermittlung zumeist mit dem Fokus auf einzelnen Epochen. Hierbei gab es oft sich ergänzende Seminardoppel, die er als Verbindung eines Überblicksseminars zu künstlerischen Stilen und Epochen mit einem Seminar zur entsprechenden Theorie konzipierte, wie z. B. für die Renaissance (SoS 1981), den Beginn der Moderne (WS 1981/82), das 17. und 18. Jahrhundert (WS 1983/84) oder zum Realismus (WS 1986/87; siehe auch tabellarische Übersicht der Lehrveranstaltungen).36 Unter Probleme der Ästhetik hielt er im SoS 1978 und WS 1978/79 an der Pädagogischen Hochschule in Münster zwei Vorlesungen,37 und eine Geschichte der Ästhetik gab es namentlich in Münster im WS 1991/9238 und in Dortmund mit Fokus auf das 20. Jahrhundert im SoS 1996.39 Im selben Jahr 1996 kam bei Reclam seine Geschichte der Ästhetik von der Aufklärung bis zur Postmoderne heraus (2021 in siebter Auflage erschienen), deren Untertitel »Eine paradigmatische Einführung« die Konzeption verdeutlicht, die für viele spätere Bücher eine sehr ähnliche wurde.40 Nach einer knappen und konzisen Einleitung, in der er wegen der seit den 1960er Jahren unscharfen Verwendung des Begriffs »Ästhetik« eine begriffliche Definition vorlegt,41 folgen 27 lexikalische Darstellungen ausgewählter wichtiger Kunst- und Wahrnehmungstheoretiker, begonnen mit Alexander Gottlieb Baumgarten bis Jacques Derrida. Auch wenn das Büchlein nicht explizit als solches tituliert wurde, so kann es als eines von Schneiders ersten Studienbüchern betrachtet werden, das sich aus den Lehrerfahrungen ergeben hatte und künftigen Studierenden als Einstieg dienen sollte. Entstanden im Kontext der Lehre für Kunstpädagog:innen erfüllt es seine bereits dargelegte Forderung nach dem notwendigen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Kunstpraxis bzw. einer »empirische[n], wahrnehmungsfundierte[n] Begründung künstlerischer Prinzipien«42, die eine adäquate Kunstreflexion der eigenen wie schulisch vermittelten Kunstproduktion erst ermögliche. Die Verbin-

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dung von Praxis und Theorie spielte bei ihm selbst bis zu seinem Tod eine wichtige Rolle – er war unter anderem ein treffender Zeichner. In den letzten drei Semestern in Münster (SoS 1992 bis SoS 1993) konnte er seine Fähigkeiten sogar in eigenen praktischen Seminaren (Sachzeichnen: Stilleben, Raum-Situation, Porträt) einbringen.43 In der Karlsruher Zeit verfolgte er dies nicht mehr, ebenso wenig wie die bereits erwähnte Seminarkombinationen von historischer künstlerischer Praxis und Theorie. Für den größeren kulturgeschichtlichen und ästhetischen Kontext hielt er eine ganze Reihe von interdisziplinären Lehrveranstaltungen: in Münster mit dem Althistoriker und klassischen Archäologen Dieter Metzler (geb. 1939) zur Didaktik der Kulturgeschichte (SoS 1981, WS 1981/82) und zur Geschichte des Porträts (SoS 1987),44 mit dem Germanisten Josef Billen (1933–2018) zu Kunstproduktion und Kunstreflexion im Expressionismus (WS 1981/82), Natur und Landschaft in Dichtung und Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts (SoS 1984, WS 1984/85), Kunstproduktion und Kunstreflexion in der deutschen Romantik (SoS 1986, WS 1992/93) und Paradiesvorstellungen in Literatur und bildender Kunst (SoS 1989, WS 1989/90).45 Und in Dortmund gab er mit dem Musikwissenschaftler Martin Geck (1936–2019) im SoS 1997 das Seminar Das Erhabene als ästhetische Kategorie in Musik und Kunst.46 Auch solche spannenden Seminare blieben in Karlsruhe aus. Das folgende, 1998 ebenfalls bei Reclam publizierte Studienbuch Erkenntnistheorie im 20. Jahrhundert. Klassische Positionen47 (2. Aufl. 2006), legte dann in gewisser Weise die inhaltliche Basis für seine späteren Seminare zur Kunsttheorie, die er in seiner Karlsruher Zeit ab dem Wintersemester 1997/1998 bis 2009 hielt. Diese waren nicht mehr auf Didaktik und künstlerische Praxis ausgerichtet, sondern hatten vorrangig die Vermittlung theoretischen Wissens zum Ziel. Die Vorlesungen lauteten dort Kunst- und Schönheitstheorien der Vormoderne (WS 1997/98), Kunst- und Schönheitstheorien von der Antike bis zur Renaissance (WS 2001/02, SoS 2006), Positionen der Ästhetik und Kunsttheorie von der Antike bis zur Frühen Neuzeit (WS 2004/05), und Kunst- und Kulturtheorie im 20. Jahrhundert.48 Nach seiner Emeritierung 2009 verfolgte Schneider neben zahlreichen Spezialstudien, die er wegen Zeitmangels bis dahin immer wieder zur Seite hatte legen müssen, die Weiterführung seiner kunsttheoretischen Studien und Schriften sowie Relektüren für ihn wichtiger Autoren. Das publizistische Ergebnis war 2011 die Geschichte der Kunsttheorie. Von der Antike bis zum 18. Jahrhundert, die er als ein zusammenführendes, jedoch ergänztes und erweitertes Studienbuch bezeichnete, welches »aus Vorlesungen hervorgegangen [ist], die ich an den Universitäten Münster, Bielefeld, Dortmund und Karlsruhe in immer wieder leicht veränderten Versionen gehalten habe«49. Der vorhergehende Blick auf die Lehrveranstaltungen kann dies nun belegen. 2014 folgte schließlich als Fortführung das Buch Theorien moderner Kunst. Vom Klassizismus bis zur Concept Art50, das jedoch mit 500 Seiten vielmehr ein umfangreiches Handbuch denn ein einführendes Studienbuch darstellt. Sozialgeschichte der Malerei – nach Gattungen, Epochen, Kunstregionen und künstlerischen Stilen In Norbert Schneiders umfangreicher Publikationsliste ist nahezu zu jeder Malereigattung ein einführendes Überblickswerk zu finden: Stillleben (1989) 51, Porträt- (1992)52,

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Landschafts- (1999)53, Genre- (2004)54 und Historienmalerei (2010)55 sowie Atelierbilder (2018)56. Auch wenn sich die Publikationen je nach Thema im Umfang der historischen Hinführungen und den Kontextualisierungen unterscheiden, so ist ihnen ihre Intention wie Gesamtanlage gemein, dass nämlich neben einer allgemeinen und definitorischen Einführung die spezifischen ästhetischen Intentionen der Künstler, die ikonologischen ebenso wie kultur- und sozialgeschichtlichen Hintergründe über exemplarische, repräsentative Analysen dargelegt werden. Was methodisch unter einer »Sozialgeschichte der Malerei« zu verstehen sei, legte er zusammen mit Jutta Held 1993 in der gleichnamigen Publikation57 dar, in die sicherlich auch etwas aus den beiden Seminaren eingeflossen sein mag, die Schneider im SoS 1985 und SoS 1989 in Münster zu diesem Thema gehalten hatte.58 Man könnte die genannte Reihe der Gattungen nun einfach Schneiders großem enzyklopädischem Interesse zuschreiben, das sich über die Jahre hinweg entwickelte und deren Vervollständigung er später in Form kleiner Hefte im Selbstdruck59 zu noch nicht behandelten Gattungen oder Untergattungen einzelner Epochen, vor allem der Frühen Neuzeit, verfolgte, wie zur Tiermalerei (2011)60, Bildern der Kindheit (2012)61 und Niederländischen Bildnissen (2013)62. Stellt man jedoch die Vorlesungs- und Seminartitel aus Münster, Dortmund und Karlsruhe daneben, so kann man feststellen, dass bis auf die Gattungen Stillleben und Historienmalerei allen genannten Publikationen entsprechende Lehrveranstaltungen vorausgingen (Anzahl in Klammern): Porträtmalerei (2), Genremalerei (4) und Landschaftsmalerei (5; vielleicht wären die fehlenden durch die Verzeichnisse der Pädagogischen Hochschule Münster und Universität Bielefeld noch zu vervollständigen).63 In Karlsruhe war bis auf die Genremalerei im WS 2000/01 keine Gattung mehr als eigenständige Veranstaltung im Lehrplan zu finden.64 Hier standen vor allem epochen- und themenspezifische Seminare im Vordergrund, die, dem Studienplan der Kunsthistoriker:innen, aber auch der Architekturstudierenden folgend, die sechsteilige Überblicksvorlesungen Geschichte der Kunst vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert begleiteten und ergänzten. Die selbstredend für KunstpädagogikStudierende vorrangig relevanten und in großem Umfang in den Lehrplänen vermittelten Malereigattungen interessierten Schneider selbst vor allen anderen Gattungen; danach kam die Plastik mit Fokus auf Mittelalter und Frühe Neuzeit; Architektur-Seminare hielt er nur wenige. Auch Schneiders Publikationen nach Epochen und Kunstregionen gingen zumeist Seminare voraus, wie der Geschichte der mittelalterlichen Plastik65 (2, zwei folgten), der Venezianischen Malerei der Frührenaissance66 (3) oder der Malerei des Manierismus in Italien67 (1). Im erstellten Verzeichnis der Lehrveranstaltungen sind insgesamt acht Seminare zur Renaissance zu finden, die von ihm jedoch erst 2017 in einem retrospektiven zweibändigen Studienbuch Kunst der Frührenaissance in Italien68 verarbeitet wurden, um wieder Studierenden, Lehrenden und auch interessierten Laien als »Einführung für Lehr- und Studienzwecke«69 zu dienen. Auch eines seiner häufigsten Seminarthemen, die niederländische Malerei von den Anfängen mit Jan van Eyck bis Bosch und Bruegel (7), wurde in Teilen erst im Nachhinein 2015 unter dem Titel Von Bosch zu Bruegel. Niederländische Malerei im Zeitalter von Humanismus und Reformation zusammengestellt.70 Die Betrachtung von Künstlerpersönlichkeiten und deren Stilen ergänzte sein Lehrprogramm, wobei die Liste in den 33 Jahren der Lehre nicht sehr lang ist, da einige der

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für ihn malerisch, ikonologisch und sozialgeschichtlich besonders interessanten immer wieder behandelt wurden (mit Anzahl in Klammern): Caravaggio und Nachfolger (6), Tizian (4), Velázquez (3), Vermeer (2), Rubens (2), Rembrandt (1), Chardin (1), Dürer (1), Bernini (1), Raffael (1). Größere Publikationen hierzu verfolgte er nicht, einzig zu Vermeer legte er 1993 eine Publikation im Taschenverlag vor 71 – ein Künstler, der ihn seitdem immer wieder in seinen Studien beschäftigte und dem er dann auch seine Abschiedsvorlesung am 19. Mai 2010 unter dem Titel Vermeers »Atelier«-Bild in Wien. Versuch einer Neudeutung widmete.72 Schlusswort Abschließend lässt sich festhalten, dass sich Norbert Schneiders Hochschullehre sehr deutlich in seinen Monografien wiederspiegelt. Lägen seine Vorlesungsmanuskripte oder dergleichen vor, wäre dies vermutlich auch im Vergleich noch konkreter darzulegen. Seine einführenden Studienbücher verfolgten stets einen allgemeinen Rundumblick, die großen Entwicklungslinien mit relevanten (Künstler-)Persönlichkeiten bei gleichzeitiger Einbettung in den sozialgeschichtlichen wie ästhetisch-theoretischen Kontext von Produktion und Rezeption. Detail- und Spezialstudien und theoretische Vertiefungen finden sich hingegen in zahlreichen Aufsätzen und Beiträgen. Im Kontext der vorrangigen Lehre für angehende Kunstpädagog:innen entstanden, bei denen ebenso wie später bei den Architekturstudierenden eine generalistische Kunstgeschichte im Vordergrund der Studienpläne stand, adressieren seine monografischen Publikationen dadurch gleichzeitig ein breites interessiertes Publikum. Damit steht er, wie Martin Papenbrock 2006 formulierte,73 durchaus in der Tradition der frühen Karlsruher Fachvertreter wie Wilhelm Lübke, wobei jenem allerdings Norbert Schneiders methodischer wie theoretischer Tiefgang fehlte. Tabellarische Übersicht der Lehrveranstaltungen von Norbert Schneider74 Universität Münster, Institut für Kunstpädagogik WS 1980/81

SoS 1981 WS 1981/82

SoS 1982 WS 1982/83

(Seminare oder Übungen, keine Vorlesungen, daher nicht gesondert gekennzeichnet) Frühniederländische Malerei von van Eyck bis Bosch (mit Exkursion nach Berlin-Dahlem, Staatl. Museen); Kunst der Spätgotik in Deutschland (mit Exk. wie oben); Theoretische Grundlagen der Kultursoziologen (Diskussion ausgewählter Texte) Einführung in die Kunst des 20. Jahrhunderts; Übungen zur Didaktik der Kulturgeschichte (mit D. Metzler); Kunst der Frührenaissance in Italien; Kunsttheorie der Renaissance Einführung in die Kunst des 20. Jahrhunderts; Kunstproduktion und Kunstreflexion im Expressionismus (mit J. Billen), Übungen zur Didaktik der Kulturgeschichte (mit D. Metzler); Alltagskultur der frühen Neuzeit im Spiegel der Druckgraphik (Übungen zur Didaktik der Kunstgeschichte, mit A. Jürgens-Kirchhoff) Zur Kulturgeschichte des Bilderbogens und des Papiertheaters; Anfänge der Genremalerei (16. u. 17. Jh.) Einführung in die Methode der Bildanalyse (Kunstwiss. Propädeutik); Pro-

Geschichte ästhetischer Praxis, Kunsttheorie und Sozialgeschichte der Malerei

SoS 1983 WS 1983/84 SoS 1984

WS 1984/85 SoS 1985 WS 1985/86 SoS 1986

WS 1986/87 SoS 1987

WS 1987/88

SoS 1988 WS 1988/89 SoS 1989

WS 1989/90 SoS 1990 WS 1990/91 SoS 1991 WS 1991/92

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jekt Einführung in das Fachstudium; Niederländische Malerei; Vorbereitung einer Exkursion Einführung in die Kunst des 20. Jahrhunderts; Süddeutscher Barock; Seminar zum Tagespraktikum Süddeutscher Barock; Kunsttheorie des 17. und 18. Jahrhunderts; Capriccio und freie Assoziation. Zur Geschichte der phantastischen und grotesken Kunst (mit W. Knapp, K.-J. Pazzini) Van Eyck und die Anfänge der niederländischen Malerei des 15. Jahrhunderts; Übungen zur Kunstgeschichte; Natur- und Landschaft in Dichtung und Malerei des 18. und 19. Jahrhunderts (mit J. Billen); Kunst – Religion – Mythos. Diskussion ausgewählter theoretischer Texte (mit Bildbeispielen) Einführung in die Kunstwissenschaft; Capriccio II; Florenz, Vorbereitung Exkursion; Natur und Landschaft II (mit J. Billen) Einführung in die Methoden der Bildanalyse; Sozialgeschichte der europäischen Malerei Keine Lehrveranstaltungen abgehalten Interpretationen ausgewählter Kunstwerke (Einführung in die Kunst des 20. Jahrhunderts); Geschichte der europäischen Genremalerei; Kunstproduktion und Kunstreflexion in der deutschen Romantik (mit J. Billen); Jan Vermeer van Delft Einführung in die Kunstwissenschaft; Realistische Malerei des 17. Jahrhunderts (Caravaggismus in Europa); Realismustheorien; Kunstproduktion und Reflexion II Einführung in die Methode der Bildanalyse (Interpretation ausgewählter Kunstwerke); Kunst und Geschichte (Zur Geschichte des Porträts, mit D. Metzler); Diskussion neuerer kunstwissenschaftlicher und kunsttheoretischer Literatur; Realistische Malerei des 17. Jahrhunderts in der Nachfolge Caravaggios Einführung in die Kunstwissenschaft; Frühniederländische Malerei von Jan van Eyck bis Hieronymus Bosch; Florentinische Malerei des 15. Jahrhunderts; Postmoderne und Poststrukturalismus. Zu aktuellen Tendenzen in Kunst und Kunstwissenschaft Einführung in die Bildanalyse; Papiertheater. Display, Assemblage; Postmoderne und Strukturalismus Tizian; Kunst des 20. Jahrhunderts (Klassische Moderne); Zitat, Kontrafaktur, Verfremdung, reflektierte Aneignung von Kunstwerken in eigener Praxis; Theoretische Grundlagen der Kultursoziologie Interpretationen ausgewählter Kunstwerke (Einführung in die Motivanalyse); Tintoretto und Veronese; Paradiesvorstellungen in Literatur und bildender Kunst (mit J. Billen); Sozialgeschichte der Malerei. Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart Einführung in die Kunstwissenschaft; Paradiesvorstellungen II; Kunstgeschichtliche Übungen vor Originalen (Exkursion); Studien zur Geschichte des Bildnisses Keine Lehrveranstaltungen abgehalten Rembrandt als Maler; Frühniederländische Malerei; Übungen vor Originalen (Exkursion); Kunst und Mythos (Diskussion theoretischer Texte) Landschaftsmalerei vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart; Interpretationen ausgewählter Kunstwerke; Kunst des 20. Jahrhunderts; Moderne und Postmoderne (Diskussion theoretischer Texte) Geschichte der Ästhetik; Interpretationen ausgewählter Kunstwerke; Übun-

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SoS 1992 WS 1992/93 SoS 1993

Alexandra Axtmann

gen vor Originalen (Exkursion nach Berlin) Vermeer; Theorien und Methoden der Kunstwissenschaft; Sachzeichnen Interpretationen ausgewählter Kunstwerke; Naturdarstellungen in der Literatur und bildenden Kunst des 18. Jahrhunderts (mit J. Billen); Porträt- und Sachzeichnen Geschichte der Architektur von der frühchristlichen Antike bis zur Gegenwart; Caravaggio; Sachzeichnen (Stilleben und Raum-Situation)

Technische Universität Dortmund, Institut Kunst und ihre Didaktik SoS 1995 WS 1995/96 SoS 1996 WS 1996/97 SoS 1997

nicht aufgeführt (N.N.) nicht aufgeführt, nicht alle Lehrveranstaltungen abgedruckt V Geschichte der Kunst II: Renaissance (Epochen der Kunst) S Caravaggio; Interpretationen von Werken der klassischen Moderne V/S Geschichte der Ästhetik II: Das 20. Jahrhundert V Geschichte der Landschaftsmalerei S Grundlagen der Kunstwissenschaft; Tizians mythologische Gemälde; Kunsttheorien der Vormoderne (Antike, Mittelalter, Renaissance) V Geschichte der Kunst III: Das 17. und 18. Jahrhundert S Velázquez; Übung vor Originalen; Das Erhabene als ästhetische Kategorie in Musik und Kunst Seminar (mit M. Geck)

Universität Karlsruhe (TH), Institut für Kunstgeschichte WS 1997/98 SoS 1998 WS 1998/99 SoS 1999 WS 1999/00 SoS 2000 WS 2000/01

SoS 2001 WS 2001/02 SoS 2002 WS 2002/03 SoS 2003

V Geschichte der Kunst II: Die Renaissance S Kunst- und Schönheitstheorien der Vormoderne; Caravaggio V Geschichte der Kunst III: Das 17. und 18. Jahrhundert S Frühniederländische Malerei von Jan van Eyck bis Hieronymus Bosch; Velazquez V Grundlagen der Kunstwissenschaft S Stil- und Epochenprobleme in der Kunstgeschichte und angrenzenden Disziplinen; Venezianische Malerei des 15. Jahrhunderts V Geschichte der Kunst IV: Vom Spätbarock bis zum Klassizismus S Kunst – Religion – Mythos; Chardin Keine Lehrveranstaltungen abgehalten Keine Lehrveranstaltungen abgehalten V Genremalerei. Die Entdeckung des Alltags in der Kunst der Frühen Neuzeit S Grundlagen der Kunstwissenschaft; Alltagsmotive in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts V Geschichte der Kunst V: Das 19. Jahrhundert S Grundlagen der Kunstwissenschaft; Die Druckgraphik Albrecht Dürers V Venezianische Malerei der Frührenaissance S Europäische Plastik des Früh- und Hochmittelalters; Kunst- und Schönheitstheorien von der Antike bis zur Renaissance V Geschichte der Kunst VI: Das 20. Jahrhundert Malerei der klassischen Avantgarde; Bernini als Bildhauer V Geschichte der Kunst I: Das Mittelalter S Plastik des Spätmittelalters; Vom Formalismus zum Poststrukturalismus. Konzeptionen der Kunst- und Kulturtheorie im 20. Jahrhundert V Geschichte der Kunst II: Die Renaissance S Venezianische Malerei des 15. Jahrhunderts; Tizians mythologische Ge-

Geschichte ästhetischer Praxis, Kunsttheorie und Sozialgeschichte der Malerei

WS 2003/04 SoS 2004 WS 2004/05 SoS 2005 WS 2005/06 SoS 2006 WS 2006/07 SoS 2007 WS 2007/08 SoS 2008 WS 2008/09 SoS 2009

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mälde V Geschichte der Kunst III: Das 17. Jahrhundert S Grundlagen der Kunstwissenschaft; Rubens V Geschichte der Kunst IV: Das 18. Jahrhundert S Kunst der klassischen Avantgarde; Architektur des süddeutschen Barock V Geschichte der Kunst V: Das 19. Jahrhundert S Positionen der Ästhetik und Kunsttheorie von der Antike bis zur Frühen Neuzeit; Jan van Eyck und die frühniederländische Malerei V Geschichte der Kunst V: Das 19. Jahrhundert S Frühniederländische Malerei von Jan van Eyck bis Hieronymus Bosch; Kunst und Mythos V Geschichte der Kunst V: Das 20. Jahrhundert S Plastik des Mittelalters; Caravaggio V Geschichte der Kunst I: Das Mittelalter S Mittelalterliche Plastik II: Hoch- und Spätgotik; Kunst- und Schönheitstheorien von der Antike bis zur Renaissance V Geschichte der Kunst II: Spätmittelalter und Renaissance S Malerei und Skulptur des Quattrocento; Raffael V Kunstgeschichtliche Vorlesung (ohne Titel) S Malerei und Plastik des Manierismus; Velázquez V Geschichte der Kunst III: Das 17. Jahrhundert S Malerei der klassischen Avantgarde; Rubens V Geschichte der Kunst IV: Das 18. Jahrhundert S Deutsche Malerei der Spätgotik; Probleme der Kunstsoziologie V Geschichte der Kunst V: Das 19. Jahrhundert S Französische Malerei von David bis Delacroix; Tizians mythologische Gemälde V Geschichte der Kunst VI: Das 20. Jahrhundert S Michelangelo als Bildhauer; Amerikanische Kunst nach 1945

1 Vgl. Robert Stalla: »Vorwort« In: ders. (Hg.): Kunstgeschichte an Polytechnischen Instituten,

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Technischen Hochschulen, Technischen Universitäten. Geschichte – Positionen – Perspektive. Wien 2021, S. 9–135. Vgl. Christiane Salge: »Das Fach Kunstgeschichte an der Technischen Hochschule in Darmstadt von 1869 bis 1945« In: Stalla 2021 (wie Anm. 1), S. 59–80; siehe auch Projekt-Website zum Forschungsprojekt Geschichte der Kunstgeschichte an der TU Darmstadt https:// www.architektur.tu-darmstadt.de/150-jahre-kunstgeschichte/projekt_150jkg/index.de.jsp [aufgerufen am 3.11.2021]. Vgl. Stalla 2021 (wie Anm. 1); Alexandra Axtmann: »Die Etablierung der Kunstgeschichte am Karlsruher Polytechnikum« In: Stalla 2021 (wie Anm. 1), S. 115–135. Adolf von Oechelhäuser: Der kunstgeschichtliche Unterricht an den deutschen Hochschulen. Festrede bei dem feierlichen Akte des Rektorats-Wechsels an der Grossherzoglichen Technischen Hochschule zu Karlsruhe am 15. November 1902, gehalten von dem Rektor des Jahres 1902/03. Karlsruhe 1902, S. 15–21, hier S. 21. Oechelhäuser 1902 (wie Anm. 4), S. 18.

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Alexandra Axtmann

6 Vgl. Alexandra Axtmann, Ulrike Gawlik: »Aspekte der Biografie Wilhelm Lübkes und seines

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wissenschaftlichen Werdegangs« In: dies. (Hg.): Wilhelm Lübke (1826–1893). Aspekte seines Lebens und Werkes. Karlsruhe 2019 (= Materialien der Bauforschung, Bd. 25); auch als EBook: https://doi.org/10.5445/KSP/1000086913, S. 7–44. Wilhelm Lübke: Geschichte der Architektur von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1855. Im Druck: Alexandra Axtmann: »Wilhelm Lübkes kunstgeschichtliche Vorlesungen« In: Hubert Locher, Maria Männig (Hg.): Lehrmedien der Kunstgeschichte. Geschichte und Perspektiven kunsthistorischer Medienpraxis. Berlin/München (voraussichtlich Sommer 2022). Die Vorlesungsmanuskripte sind als Digitalisate auf der Website der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe verfügbar unter: https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:31-73611 [aufgerufen am 3.11.2021]. Alexandra Axtmann: »Wilhelm Lübke – Art History for Feuilletons« In: Jesús Muñoz Morcillo, Caroline Y. Robertson-von Trotha (Hg.): Genealogy of Popular Science. Bielefeld 2020, S. 391–405. Norbert Schneider: Geschichte der mittelalterlichen Plastik. Von der frühchristlichen Antike bis zur Spätgotik. Ein historischer Überblick mit 43 Werkanalysen. Köln 2004. Fred S. Steiner: Gardners Art through the Ages. A Global History. 15. Auflage Andover 2016. Martin Papenbrock: »Der Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Karlsruhe. Ein Rückblick« In: Katharina Büttner, Martin Papenbrock (Hg.): Kunst und Architektur in Karlsruhe. Festschrift für Norbert Schneider. Karlsruhe 2006, S. 179–191, hier S. 182; Klaus Garber: »Laudatio auf Norbert Schneider« In: Katharina Büttner, Martin Papenbrock (Hg.): Kunst und Architektur in Karlsruhe, Festschrift für Norbert Schneider, Karlsruhe 2006, S. 11–22, S. 13; vgl. auch Martin Papenbrock: »Nachruf auf Norbert Schneider« In: April Eismann, Gisela Schirmer (Hg.): Schwerpunkt: Kunst in der DDR – 30 Jahre danach. Göttingen 2020, S. 147–151 (= Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft 22/2020). Einige Vorlesungsmanuskripte und Dokumente von Norbert Schneider wurden zusammen mit dem Nachlass von Jutta Held ins Deutsche Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg überführt, sind dort aber noch nicht einsehbar. Unterlagen zu Schneiders Lehrveranstaltungen sind darin jedoch nicht erhalten. Die Abteilungen Siegerland und Paderborn wurden bereits 1972 aus der Pädagogischen Hochschule aus- und in die neuen Gesamthochschulen Siegen und Paderborn eingegliedert. Vgl. Martin Rothland: Disziplingeschichte im Kontext. Erziehungswissenschaft an der Universität Münster nach 1945. Bad Heilbrunn 2008, S. 228–285, S. 243, S. 265. Rothland 2008 (wie Anm. 14), S. 228–235. Vgl. auch Papenbrock 2020 (wie Anm. 12), S. 147. Vgl. Thorsten Schneider: »Kritische Kunstgeschichte als produktive Sicht. Für Norbert Schneider (1945–2019)«, in: kritische berichte, Jg. 48, 2020, H. 1, S. 19–26. Sidonie Engels: Kunstbetrachtung in der Schule. Theoretische Grundlagen der Kunstpädagogik im »Handbuch der Kunst- und Werkerziehung« (1953–1979). Bielefeld 2015, S. 14, 23. Wolfgang Kemp: »Resumé des Referats: Kunstpädagogik und Kunstgeschichte im historischen Zusammenhang. Kunstpädagogik und Kunstgeschichte. Bericht der Osnabrücker Arbeitstagung des Ulmer Vereins – Verband für Kunst- und Kulturwissenschaften (4.5.1975)« In: kritische berichte, Jg. 3, 1973, H. 4, S. 46–48; Irene Below: »Thesen zur Situation der Kunstpädagogik. Überlegungen zum Verhältnis von allgemeiner zu studien- bzw. berufsbezogener Ausbildung« In: kritische berichte, Jg. 3, 1973, H. 4, S. 48–52; Norbert Schneider:

Geschichte ästhetischer Praxis, Kunsttheorie und Sozialgeschichte der Malerei

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»Überlegungen zu einer Neubestimmung des Sensibilitätsbegriffs in der Kunstpädagogik« In: kritische berichte, Jg. 3, 1975, H. 5/6, S. 5–12. Schneider 1975 (wie Anm. 19), S. 5. Ebd., S. 6. Ebd., S. 10; vgl. Kemp (wie Anm. 19), S. 47. Schneider (wie Anm. 19), S. 10. Norbert Schneider: »Zur Begründung der Notwendigkeit einer Didaktik der Kunstgeschichte« In: Gunther Keusen u. a.: Vortragsreihe Kunstpädagogik. Senderhorst 1977, S. 67–85. Ebd., S. 68. Ebd., S. 67. Ebd., S. 77. Ebd., S. 68. Ebd., S. 69–70. Ebd., S. 70 ff. Ebd., S. 75–78. Ebd., S. 81 f. Vgl. Inge Buck u. a.: »Abschlußbericht der Fachkommission VI, Kommunikation/Ästhetik« In: Senat für Wissenschaft und Kunst/ Vorstand der Gründungskonferenz Gesamthochschule Bremen (Hg.): Modellversuch. Integrierte Studiengänge für die Gesamthochschule Bremen. Berichte der Fachkommissionen. Bremen 1976, S. 323–346, S. 344 (Inhalte von Norbert Schneider). Schneider 1977 (wie Anm. 24), S. 78. Ebd. Westfälische Wilhelm-Universität Münster, Personal- und Vorlesungsverzeichnis: SoS 1981, S. 709; WS 1981/82, S. 693–694; WS 1983/84, S. 714; WS 1986/87, S. 672; verfügbar unter: https://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/hd/periodical/titleinfo/546271 [aufgerufen am 03.11. 2021]. Vgl. Norbert Schneider: Probleme der Ästhetik. Vorlesung, gehalten im Sommersemester 1978 und im Wintersemester 1978/79 an der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe, Abteilung Münster. Münster 1979 Der Text stellt das Skript der Vorlesung dar. 1994 erfolgte ein Neudruck (Osnabrück) mit geringfügigen Korrekturen; laut Vorwort hatte er diese Vorlesung auch im Rahmen einer Gastprofessur an der Philipps-Universität Marburg im Wintersemester 1979/80 gehalten. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Personal- und Vorlesungsverzeichnis: WS 1991/92, S. 707. Universität Dortmund, Veranstaltungsverzeichnis Sommersemester 1996, S. 347. Norbert Schneider: Geschichte der Ästhetik von der Aufklärung bis zur Postmoderne, Stuttgart 1996; ab der 5. Aufl. 2010 bibliografisch ergänzt. Schneider 1996 (wie Anm. 40), S. 19. Ebd., S. 12. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Personal- und Vorlesungsverzeichnis: SoS 1992, S. 710; WS 1992/92, S. 735; SoS 1993, S. 721. Ebd.: SoS 1981, S. 670–671; WS 1981/82, S. 693–694; SoS 1987, S. 688–690. Ebd.: WS 1981/82, S. 693–697; SoS 1984, S. 708; WS 1984/85, S. 717–718; SoS 1986, S. 673–674; WS 1992/93, S. 734–735; SoS 1989, S. 692, S. 695; WS 1989/90, S. 687–688. Universität Dortmund, Veranstaltungsverzeichnis Sommersemester 1997, S. 362.

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Alexandra Axtmann

47 Norbert Schneider: Erkenntnistheorie im 20. Jahrhundert. Klassische Positionen, Stuttgart

1998; 2. Aufl. 2006. 48 Vorlesungsverzeichnis Universität Fridericiana zu Karlsruhe: WS 1997/98, S. 66; WS

2001/02, S. 91; SoS 2006, S. 94; WS 2004/05, S. 75. 49 Norbert Schneider: Geschichte der Kunsttheorie. Von der Antike bis zum 18. Jahrhundert.

Köln 2011, S. 7. 50 Norbert Schneider: Theorien moderner Kunst. Vom Klassizismus bis zur Concept Art. Köln

2014. 51 Norbert Schneider: Stilleben. Realität und Symbolik der Dinge. Die Stillebenmalerei der

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frühen Neuzeit. Köln 1989; bis 2009 mehrfach nachgedruckt, Übersetzungen ins Englische, Französische, Spanische, Italienische, Portugiesische, Dänische, Niederländische. Norbert Schneider: Porträtmalerei. Hauptwerke europäischer Bildniskunst, 1420–1670. Köln 1992; Übersetzungen ins Englische, Französische, Spanische, Portugiesische, Italienische, Niederländische. Norbert Schneider: Geschichte der Landschaftsmalerei. Vom Spätmittelalter bis zur Romantik. Darmstadt 1999; 2. Auflage 2009. Norbert Schneider: Genremalerei. Die Entdeckung des Alltags in der Kunst der Frühen Neuzeit. Berlin 2004. Norbert Schneider: Historienmalerei. Vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Köln 2010. Norbert Schneider: Atelierbilder. Visuelle Reflexionen zum Status der Malerei vom Spätmittelalter bis zum Beginn der Moderne. Münster 2018. Jutta Held, Norbert Schneider: Sozialgeschichte der Malerei. Vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Köln 1993. Westfälische Wilhelm-Universität Münster, Personal- und Vorlesungsverzeichnis: SoS 1985, S. 708–709; SoS 1989, S. 695. Alle Eigendruck Institut für Kunst- und Baugeschichte, Fachgebiet Kunstgeschichte, Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Norbert Schneider: Tiermalerei der Frühen Neuzeit. Eine Skizze. 2011. Norbert Schneider: Bilder der Kindheit. Ein ikonologischer Streifzug durch die Kunst der Frühen Neuzeit. 2012. Norbert Schneider: Status und Selbstbewusstsein. Niederländische Bildnisse des frühen 16. Jahrhunderts. 2013. Siehe auch tabellarische Übersicht. Vorlesungsverzeichnis Universität Fridericiana zu Karlsruhe: WS 2000/01, S. 74. Norbert Schneider: Geschichte der mittelalterlichen Platik. Von der frühchristlichen Antike bis zur Spätgotik. Ein historischer Überblick mit 43 Werkanalysen. Köln 2004. Norbert Schneider: Venezianische Malerei der Frührenaissance. Von Jacobello del Fiore bis Carpaccio. Darmstadt 2002. Norbert Schneider: Die antiklassische Kunst. Malerei des Manierismus in Italien. Berlin 2012. Norbert Schneider: Kunst der Frührenaissance in Italien. Exemparische Interpretationen. Band 1: Skulptur. Münster 2017; ders.: Kunst der Frührenaissance in Italien. Exemplarische Interpretationen. Band 2: Malerei. Münster 2017 (= Karlsruher Schriften zur Kunstgeschichte Bde. 12 und 13). Ebd., Bd. 1, S. 7. Norbert Schneider: Von Bosch zu Bruegel. Niederländische Malerei im Zeitalter von Humanismus und Reformation. Münster 2015. Zu van Eycks Genter Altar hatte er bereits 1986 ei-

Geschichte ästhetischer Praxis, Kunsttheorie und Sozialgeschichte der Malerei

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nen Band in der Reihe fischer Kunststück veröffentlicht: ders.: Jan van Eyck. Der Genter Altar. Vorschläge zu einer Reform der Kirche. Frankfurt 1986; Übersetzungen ins Spanische und Japanische. Norbert Schneider: Jan Vermeer 1632–1675. Verhüllung der Gefühle. Köln 1993; Übersetzungen ins Englische, Französische, Spanische, Portugiesische, Italienische, Niederländische, Japanische, Chinesische, Ungarische, Griechische, Polnische, Russische. Norbert Schneider: »Vermeers Frauenbilder« In: Wolfgang Kersten (Hg.): Radical Art History. Internationale Anthologie. Subject: O. K. Werckmeister. Zürich 1997, S. 412–429. Martin Papenbrock: »Der Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Karlsruhe. Ein Rückblick« In: Katharina Büttner, Martin Papenbrock (Hg.): Kunst und Architektur in Karlsruhe. Festschrift für Norbert Schneider. Karlsruhe 2006, S. 179–191, hier S. 182. Erstellt ausschließlich anhand der gedruckten Vorlesungsverzeichnisse. Es kann durchaus sein, dass ggf. hierin aufgeführte Veranstaltungen nicht gehalten wurden; eine umfassende Nachprüfung aller bedürfte einer intensiven Recherche und wäre vermutlich auch nicht vollständig möglich. Abkürzungen: V = Vorlesung, S = Seminar.

Klaus Garber Trauerrede auf Norbert Schneider vom 30. November 2019

Verehrte liebe Trauergemeinschaft, wir sind zusammengekommen, um Abschied zu nehmen von Norbert Schneider. Es ist schon geraume Zeit her, dass Norbert mich bat, die Trauerrede zu halten. Er wußte – oder ahnte – wohl schon zu diesem Zeitpunkt, dass es zu Ende gehen würde. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass ich dieser Bitte nachkommen würde, bedurfte also keines Moments der Überlegung, um ihm das zuzusagen. Nun ergab sich die denkwürdige Situation, dass wir noch eine ganze Reihe von Malen hernach sprachen, die ergangene Bitte natürlich stets gegenwärtig blieb, das Gespräch jedoch unter keinen Umständen bestimmen oder auch nur berühren durfte. Es war dies eine erstmalige Erfahrung. In anderen Fällen war die Anfrage nach dem Tode eines nahestehenden Menschen von den Angehörigen erfolgt. Es wird manche unter uns Trauernden geben, die genauso wie ich an dieser Stelle stehen könnten. Ich würde gerne versuchen, für uns alle zu sprechen, und das, obgleich meine Worte sehr persönlich gehalten sein werden, wie Norbert dies gewiss auch erwartete. Es ist fast fünfzehn Jahre her, daß ich – noch im Beisein seiner lieben Frau Jutta – zu seinem 60. Geburtstag sprach. Nun erzählte er, dass er während Stunden, da er von Sorgen erfüllt war, mit Vergnügen wieder in dieser Laudatio geblättert habe, was mich bei der Vorbereitung jetzt ermutigte. Das eine oder andere wird wieder anklingen, wie sollte es anders sein? Doch nun ist eine ganz andere Situation zu beobachten. Noch einmal: Ich hoffe, für uns alle die rechten Worte gefunden zu haben. Ich setze ein mit einem Blick zurück auf den Sommer dieses Jahres. Norbert war nach dem Tod seiner Frau ganz regelmäßig in Osnabrück gewesen. Dann hörten meine Frau und ich längere Zeit nicht mehr von ihm, bevor uns erste Nachrichten erreichten, dass er sich in regelmäßige ärztliche Konsultation begeben habe, an die sich ein Krankenhaus-Aufenthalt anschloss. Ich muss gestehen, durchaus nicht beunruhigt gewesen zu sein, man wusste um seine gesundheitlichen Probleme, wie sie auch schon ein Jahr früher wieder manifest geworden waren. Der Choque stellte sich ein, als nach einem kurzen häuslichen Interim eine Rückkehr in das Krankenhaus notwendig wurde. Wir telefonierten miteinander, und der ganze Ernst der eingetretenen Lage war sofort gegenwärtig. Eine innere Umstellung setzte ein; die Gedanken fanden einen neuen Haftpunkt in Karlsruhe. Ein Aufbruch aus Osnabrück war fällig. Ich trenne mich äußerst schwer vom Schreibtisch und bin im Nachhinein überglücklich, nicht gezögert und den Schritt getan zu haben. Norbert lag noch nicht auf der Palliativ-Station. Gleichwohl, wäre ich einen Tag früher gekommen, so sagte er, hätte er mich schwerlich empfangen können, er wäre zu schwach gewesen. Es war ein unerwarteter Besuch, und Norbert seinerseits war über-

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Klaus Garber

glücklich. Den Kopf dem Eintretenden zugewandt, sah ich sogleich die tiefen Ränder unter seinen Augen, die sich nun ohne die gewohnte Brille darboten. Auf eine schwer zu beschreibende Weise war sein Gesicht noch intensiver vergeistigt. Es wird mich, so viel ist gewiss, in dieser Prägung bis zum eigenen Ende begleiten. Das Nachdenken setzte hernach ein und ging fort nach einem jeden Telefonat, das wir so gut wie täglich führten bis kurz vor seinem Tod. Was mag Norbert gedacht und gefühlt haben seit dem Zeitpunkt, da die Ärztin ihm erklärt hatte, dass die Mediziner mit ihrer Heilkunst am Ende seien? Ich habe verschiedene Phasen miterlebt. Zunächst klang durchaus Bitterkeit, ja womöglich auch eine Spur von Auflehnung an. Norbert war durchaus nicht bereit, dem Todesengel Macht über sich einzuräumen. Ich konnte nicht anders als zurückzuschauen, und zwar sehr präzise auf das Todesjahr seiner Frau. Damals haben gewiss manche der ihm Nahestehenden um ihn gefürchtet. Die Trauer um seine geliebte Jutta war übermäßig und hielt an. Ihr Grab hier in Karlsruhe war der Platz, zu dem es ihn so gut wie täglich zog. Der Wunsch wird nicht fern gewesen sein, zu ihr herabzusinken, um auf andere Weise weiterhin bei ihr zu sein. Es war eine überglückliche Ehe, und wir haben über Jahrzehnte mehr oder weniger aus der Nähe an ihr teilnehmen dürfen. Jetzt, ein Dutzend Jahre später, war alles anders. Jutta war weiterhin selbstverständlich gegenwärtig, und das in so gut wie jedem Gespräch. Der Gedanke aber, nunmehr selbst aus dem Leben scheiden zu müssen, hielt, wenn wir irgend recht gehört haben, keinen Trost bereit. Norbert, das wird gesagt werden dürfen, hätte gerne weitergelebt und äußerte dies auch. Er hatte in das Leben zurückgefunden. Die Freunde und Freundinnen, die er um sich hatte, werden zu diesem Wunsch nicht weniger beigetragen haben als die Freude an seiner Arbeit, der er sich mit großer Intensität widmete und über die noch ein Wort verlauten soll. Die letzten Tage jedoch war die Erschöpfung, war die Schwäche übermächtig geworden und begleitet von heftigem Schmerz, wie die getreu um ihn Gebliebenen bezeugen werden. Der Wunsch, von dieser Qual erlöst zu werden, fand Ausdruck. Und mit tiefer Dankbarkeit dürfen wir doch wohl sagen, dass er friedlich herüberschlief. Von Chyrssoula Kambas hörte ich, daß im Gesicht des Toten, so wie es ausschaute, ein Lächeln spielte. Wie tröstlich dieser Gedanke und wie unvergesslich auch diese Geste. Unsere Familie hat Norbert in den vergangenen Jahren noch einmal neu kennenlernen und in seinem Wesen erfahren dürfen. Nun kam die lange familiäre Freundschaft auf andere Weise zum Tragen. In Osnabrück hatte er die weitaus längste Zeit mit Jutta zusammengelebt; in Karlsruhe verblieben den beiden nur wenige gemeinsame Jahre. Die Hoffnung, in der Rede zum 60. Geburtstag am Schluss zum Ausdruck gebracht, dass dem Paar noch viele glückliche Jahre an der neuen Wirkungsstätte beschieden sein mögen, hatte sich nicht erfüllt. Und das mit Folgen. Auf eine berührende Weise blieb Osnabrück für Norbert eine gefühlte Heimat, und das zuallererst im Gedenken an Jutta. Im Jahr 1974 hatte die neu gegründete Universität Osnabrück ihre Arbeit aufgenommen. Jutta und ich gehörten zu den Gründungsmitgliedern, und das, bei verschiedenen Fächern, im gleichen Fachbereich. Die erste Sitzung im Fachbereichsrat reichte hin, um zu bemerken, dass wir die gleiche Sprache sprachen. Wir freundeten uns sogleich an, und Norbert war selbstverständlich vom ersten Moment an in diese Freundschaft einbezogen. Die Garbersche Familie – Ehefrau, der sechsjährige Sohn und die vierjährige Tochter – kam drei Jahre später von Göttingen nach Osnabrück hinzu. Nie werde ich

Trauerrede auf Norbert Schneider vom 30. November 2019

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vergessen, wie Jutta sich geradezu enthusiastisch nach der ersten Begegnung mit meiner Frau äußerte, auch da stimmte die Wellenlänge restlos, und im Blick auf Norbert galt das nämliche. Und nun hatten die Eltern Garber die ganz große Freude zu erleben, wie das kinderlose Paar Held/Schneider unsere Kinder in ihre Herzen schloss. Sie hatten ungemein viel Spaß miteinander, und vielerlei Worte der beiden über die Kinder sind in Erinnerung geblieben, darunter sehr treffende über ihre Begabungen und ihren möglichen weiteren Lebensweg. Unsere Tochter äußerte vor ein paar Tagen am Telefon, dass am Abend, wenn der Vater mit der verehrten Kollegin mal wieder nicht aus der Fachsimpelei herauskam, Norbert bei den beiden im Kinderzimmer erschien, mit ihnen spielte und mit ihnen Spaß machte, worin er schlechterdings unerschöpflich war. Doch warum diese Erinnerung? Als Jutta nicht mehr da war, fand Norbert – ich denke, das darf gesagt werden – in unserer Familie nochmals eine familiäre Heimat. Wenn er nach Osnabrück reiste, kam er stets auch zu uns, und als die Kinder dann aus dem Haus waren, zu meiner Frau und mir. Wir gingen des Mittags zum nahegelegenen Italiener, und nie ließ Norbert es zu, dass wir ihn daselbst einluden. Aber auch die Kinder verloren ihn nicht aus den Augen, und umgekehrt ebensowenig Norbert sie. Wann immer unser Sohn durch Karlsruhe kam, traf er dort mit Norbert zusammen und die beiden hatten sich stets viel zu erzählen. Unsere Tochter lebt seit einigen Jahren in Tutzing, der Heimat von Juttas Eltern. Norbert kam natürlich auch deshalb gerne von Karlsruhe bzw. München herüber, erinnerte sich zum Beispiel ganz genau an Juttas Zimmer, arbeitete gern in der Tutzinger Evangelischen Akademie und wurde dahin als geschätzter Referent gebeten. Nun begegnete er auch hier in dem ihm besonders vertrauten Milieu den Garbers, nämlich unserer Tochter, ihrem Mann und ihren beiden kleinen Töchtern. Und tatsächlich wollte es die Glücksgöttin, dass Norbert, schon sehr geschwächt, im Sommer dieses Jahres nochmals für eine Weile in Tutzing weilte. Dort traf er am See mit Mutter und Töchtern zusammen, lud wie immer generös zum Essen ein, spielte mit den Kindern und zeichnete am See sitzend, was die Kleinen gezeichnet sehen wollten. Die Kinder waren unheimlich erfreut und fassten es zugleich nicht, was er da in größter Geschicklichkeit scheinbar mühelos auf dem Papier hinzauberte: Vögel, schwatzende Kinder im Wasser, die Arme erhoben etc. Wir nahmen daran aus der Ferne über das Handy teil. Die beiden Enkelinnen haben seither nicht aufgehört, von Norbert begeistert zu sprechen. Sie werden eben in dieser Stunde mit ihren Eltern in der Kirche zu Tutzing eine Kerze für Norbert anzünden und für ihn beten. Unsere Tochter aber ist sich sicher, dass auch die Kinder diesen großartigen Norbert bis an ihr Lebensende nicht wieder vergessen werden, zu tief hat er sich ihnen eingeprägt. Und das gilt auf andere Weise auch für unser ältestes Enkelkind, den zwölfjährigen Sohn unseres Sohnes. Was das aber unter memorialem Aspekt bedeutet, wissen wir. Die Schwelle der Erinnerung hat sich um eine Generation verschoben. Norbert lebt in zwei Generationen weiter. Die Krise der lebendigen Erinnerung hebt erst an, wenn auch die jüngste Generation nicht mehr am Leben ist. Danach setzt das Gedenken auf andere Weise ein und wird der Bruch, so stets die Hoffnung, überwunden durch Erzählung, Bild und Schrift. Auch in Tutzing ist wie gewiss auch anderwärts wahrlich in letzter Minute für Jahrzehnte lebendige Erinnerung gestiftet worden.

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Vielleicht eine Woche, vielleicht zehn Tage lang war es, wie gesagt, möglich, mit Norbert jeweils des Nachmittags telefonisch zu plaudern. Und das geschah nun auch schon im Blick darauf, dass zu sprechen sein werde, wenn die Stunde denn eingetreten sei. Eine noch nie erlebte Situation war zu meistern. Der Plauderton sollte bewahrt sein, und doch erhob sich im Rücken bereits die Gestalt des Todes. Wir wussten beide darum und haben es gleichwohl vermocht, wie gewohnt fortzufahren in unserem Gespräch, und ich bin zutiefst dankbar für Vielerlei, was ich tatsächlich erst jetzt erstmals erfuhr. Dass ich Norbert viel fragte all die Jahre über, war er gewohnt. Er war eine ungemein vielseitig informierte Persönlichkeit, bewandert in den verschiedensten Gebieten, die Versuchung, bei ihm Rat oder schlicht Information zu holen, daher entsprechend groß. Diese seine so bewundernswerte intellektuelle Ausstattung war seiner Persönlichkeit geschuldet, gewiss, sie hatte sich aber auch herausgeformt in seinem Bildungsweg. Norbert hatte das Gymnasium in seiner westfälischen Heimat in Hamm besucht. Dies Gymnasium Academicum Hammonense war ein Gymnasium Illustre, wie er mir erzählte, war die Hohe Schule der Grafschaft Mark. Illustre Gymnasien waren die Vorbereitungsstätten für die Universität. Und mehr als das. Sie hatten in der Frühen Neuzeit vielfach den Rang und den Nimbus von Universitäten inne. Dieser Status verlor sich zumeist im 19. Jahrhundert, aber die Erinnerung an eine große Vergangenheit blieb lebendig und bekundete sich vor allem in der Verpflichtung, die klassischen Humaniora zu pflegen und zu bewahren, und das hieß in erster Linie, für eine gediegene Ausbildung im Griechischen und im Lateinischen Sorge zu tragen. Hier hat Norbert beide Sprachen gründlichst gelernt und davon ein Leben lang gezehrt. Für die neueren Sprachen vor allem der Romania war seine Frau zuständig, auch sie phantastisch bewandert zumal im Spanischen und Französischen, die Sprachen jener Länder, in die es sie neben Italien immer wieder zog. Das antike Revier beherrschte Norbert souverän, und das unter Einschluss all jener Überlieferungen in Mythos und Bildenden Künsten, Philosophie und Literatur etc., die an ihnen haften. Trat man als Amateur in der Antike und im Mittelalter an ihn heran, war von vornherein klar, dass er eine Antwort nicht schuldig blieb. Und mehr als das, fast immer waren Empfehlungen für wissenschaftliche Werke zur Hand, die er im Kopf hatte und die er einem mit auf den Weg gab. In einer ungemein glücklichen Fügung hat diese in der Jugend erfahrene Schulung und Prägung in seinem späteren Leben zumal über das Studium, dann aber auch über seine berufliche Tätigkeit eine Fortführung erfahren. Eine wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang die Universität Münster. Und das nicht nur, weil er daselbst seine spätere Frau kennenlernte, in deren wunderschöne Augen er sich nach eigenem Bekunden stante pede verliebte. In klassischer Manier, in jedem zweiten petrarkistischen Liebesgedicht besungen, war über die Augen der Blitzschlag erfolgt, der ein Leben ummodeln und zu einem erfüllten erheben sollte. Das Paar Jutta Held und Norbert Schneider wandelte in dieser Hinsicht also auf literarisch geprägten Pfaden. In den Seminaren begegneten sie sich. Jutta, die ältere, war aus Kanada herübergekommen, brachte ein anglo- und frankophiles theoretisches Design mit, der fachliche Austausch setzte sogleich ein und hielt, wie wir alle wissen, ein Leben lang an. Norbert, um bei ihm zu bleiben, gelangte in das Münsteraner Mittelalter-Zentrum. Dieses stand zu jener Zeit einzig da in Deutschland, auch im Blick auf München, an das man allenfalls noch denken konnte. Hier wirkten, um nur zwei Namen zu nennen, Hen-

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ning Brinkmann, der Verfasser von klassischen Werken über den Minnesang und über die mittelalterliche Hermeneutik, sowie Friedrich Ohly, der Verfasser einer gleichfalls klassischen Abhandlung über den geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter. Im Mittelalter aber konnte man nur etwas werden, wenn man sich im Mittellateinischen auskannte. Das beherrschte Norbert schlechterdings phänomenal. Und so war es eben auch kein Zufall, dass er als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl von Brinkmann zeitweilig ein Unterkommen fand, wohin es übrigens auch Jutta für einige Monate verschlug. Hier aber wirkte, schon der nachfolgenden Generation angehörig, Peter von Moos, Schüler Wolframs von den Steinen und Verfasser einer bahnbrechenden zweibändigen Untersuchung über die ›consolatio‹, die Trost-Topik. Mit ihm freundeten Jutta und Norbert sich an und diese Freundschaft wurde eine das gesamte Leben über währende. Von Moos bot u.a. Seminare zum eben erst aus Frankreich nach Deutschland herüberschwappenden Strukturalismus und – seinerzeit geradezu revolutionär – zum Neo-Marxismus an. Jutta und Norbert waren dabei, beteiligten sich lebhaft und alsbald auch publizistisch. Münster war persönlich wie akademisch folglich eine entscheidende Station. Eine andere gehört nun schon in seine Karriere als akademischer Lehrer. Angefangen hat er ja als Dozent an der Hochschule für Gestaltung in Bremen, einem Ableger der berühmten gleichnamigen Hochschule in Ulm, von der wir selbst von unserem Deutschund Kunstlehrer auf der Alstertal-Schule in Hamburg hörten, weil dort die Pflege der praktischen Kunstfertigkeit im Mittelpunkt stand, wie Norbert sie selbst so eindrucksvoll beherrschte. 18 Stunden hatte er dort wöchentlich zu geben, ein immenses Pensum. Dann kam 1976 der Ruf an die seinerzeitige Pädagogische Hochschule wiederum in Münster, die wenige Jahre später der Universität integriert wurde und wo Norbert, eben breit ausgewiesen, Sozialisation, Dialektik und Psychologie unterrichtete. Ungemein erfreut aber war er, als ihn 1993 ein Ruf an die Universität Bielefeld erreichte. Und das in die sagenumwobene Fakultät für Geschichtswissenschaft mit HansUlrich Wehler und Reinhart Koselleck an der Spitze. Das Studium der Geschichte war hier aufgefächert über acht Lehrstühle. Norbert hatte die Geschichte der visuellen Kultur zu vertreten. Nichts war ihm näher. Nun konnte er die Geschichte der bildenden Kunst im Kontext der Geschichte betreiben, das Gebiet der Sozialgeschichte der Kunst ausbauen, an dem er sein Leben lang zusammen mit seiner Frau festhielt, und das stets in genuinem theoretischem Rahmen, dabei – wie wenige sonst – auf die Entzifferung der historischen, der semantischen Gehalte der Werke bedacht, worin sie beide schlechterdings Meister waren. Ja, und nach einer Zwischenstation in Dortmund folgte dann die Professur in Karlsruhe nach, worüber man hier am Ort bestens informiert ist. Norbert hat von dem akademischen Umfeld nochmals sehr profitiert, hat sich in den Gesprächskreisen gerne bewegt, hat sich fachlich und menschlich hier zunehmend zu Hause gefühlt, und das beste Zeugnis dafür ist seine immense Produktion, die er in Karlsruhe entfalten konnte, und das schon während seiner Zeit als akademischer Lehrer und dann insbesondere nach seiner Entpflichtung. Daß er nach dem Tod seiner Frau hier dann auch vor allem von Martin Papenbrock Hilfe für sein Wirken in der Guernica-Gesellschaft erhielt, sei gleichfalls dankbar hinzugefügt. Zu seinem 60. Geburtstag war Gelegenheit, sein Werk zu würdigen. Wie immens aber hat es sich seither noch einmal vermehrt. Und das auf den verschiedensten Gebie-

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ten. Ich wüsste tatsächlich keinen Kollegen und keine Kollegin, bei denen eine derartige Breite in vergleichbarer Form zu gewahren wäre. Norbert selbst war der aufrichtigste und glänzendste Laudator. Wie häufig hörte man Worte aus seinem Mund, die einen hätten beschämen können, wenn sie nicht von einem wundervollen Freund hergerührt hätten. Er liebte das Hergekommene, mit Tradition Behaftete, die alte und mit Blick auf die Geisteswissenschaften sozusagen die alte deutsche Schule vielfach noch aus der Vorkriegszeit, die er bei dem Freund wahrnahm und hochhielt. Wie viel mehr Berechtigung aber hätte er dazu im Blick auf das eigene Werk gehabt, von dem er stets nur in äußerster Bescheidenheit sprach. Früher fühlte und wusste er sich ohnehin gänzlich im Schatten von Jutta. Er war auch, solange sie lebte, in unseren Gesprächen nicht eigentlich als Autor präsent. Das änderte sich erst nach ihrem Tod. Und erst ganz am Schluss wagte er dann tatsächlich auch einmal die Vermutung, dass in diesem oder jenem Buch von ihm doch wohl manches stünde, was vordem so noch nicht zu lesen gewesen war. Und dabei hatte er etwa einem selbst doch so eklatant voraus, dass ihm die methodische Entwicklung auf dem Gebiet der Kunsttheorie, ja der Ästhetik in allen Formen bis in die jüngste Zeit hinein präsent war. Theorie und Geschichte gingen bei ihm fugenlos zusammen – ein Zweiklang, der nur den wenigsten gelingt. Und dann eben die Titel selbst, allein der letzten Jahre: eine Geschichte der Kunsttheorie von der Antike bis zum 18. Jahrhundert, eine zu den Theorien moderner Kunst vom Klassizismus bis zur concept art, eine Geschichte der Historienmalerei, zur Malerei der Frühen Neuzeit, zur Kunst der Frührenaissance in Italien, zur Niederländischen Malerei im Zeitalter von Humanismus und Reformation, eine wunderbare Studie zu Vermeer und eine höchst originelle zu Atelierbildern und damit zu visuellen Reflexionen inmitten der Malerei selbst. Und so – als sei es damit noch nicht genug – in jüngster Zeit ein weit ausholender Grundriss zur Geschichte der Metaphysik, schließlich die reiche monographische Reihe kleiner Schriften aus dem Karlsruher Institut für Kunst- und Baugeschichte, alle reich bebildert. Abschließend aber und unter keinen Umständen zu vergessen, die Neuauflagen älterer Werke, vielfach geschrieben zusammen mit Jutta, darunter die beiden klassischen Monographien zur Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert und die Grundzüge der Kunstwissenschaft. Es war Norbert ein Anliegen, wo immer möglich für ein breiteres Publikum zu schreiben und dieses zu erreichen. Das ist ihm in der Tat gelungen. Wie häufig stehen – zumal in Museums-Shops – Bücher von ihm, genauso wie von Jutta. Und damit ja nicht genug. Auf der letzten Reise zu ihm machte ich für wenige Stunden auf der Frankfurter Buchmesse Station. Ich kam beim Felix Meiner-Verlag vorbei, der ersten Adresse für Philosophie. Dort stand in einer Glasvitrine am Eingang zu dem Verlagsstand ein einzelnes herausgehobenes Werk, dasjenige Norberts zur Metaphysik, und ich bin sehr, sehr froh, dass ich ihm dies noch an seinem Krankenlager erzählen konnte. Mit Norbert ist auch einer der großen Kunstwissenschaftler der jüngsten Zeit dahingegangen, und man kann nur die Hoffnung hegen, dass aus dem Fach ein gehöriges Echo ertönt, im Blick auf sein Werk und nun im Blick auf seinen Tod. Möge ihm ein reiches Nachleben beschieden sein. Im Übrigen hatte er schon vor einiger Zeit verlauten lassen, dass er seine Schriftstellerei im wesentlich doch als abgeschlossen betrachtete und nicht vorhätte, noch ein weiteres größeres Buch zu schultern. »Du Glücklicher«, konnte man ihm da nur zurufen, selbst weit entfernt davon, Ähnliches äußern zu können, immer noch mit Dingen be-

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schäftigt, die vor mehr als einem halben Jahrhundert begonnen wurden. Wir Garbers aber – und gewiß manche hier unter uns – sind überglücklich, das Werk von Norbert wie das von Jutta komplett in unserer großen Bibliothek zu bewahren, stets ausgestattet mit persönlichen Widmungen und zusätzlich einer brieflichen Beilage. Das alles geht ein in eine ›Stiftungsbibliothek Irmhild und Klaus Garber‹ und wird auch auf diese Weise geschlossen überliefert werden. Und dazu gehören selbstverständlich auch, wie es sich für ein museales Interieur gehört, die herrlichen Bilder, die wir von Norbert besitzen und – sofern Platz vorhanden – unsere Wände schmücken. Wir sind überreich von Norbert Beschenkte. Sodann aber war in den Abschiedsgesprächen auch von seiner großen Familie ausführlicher die Rede. Sie werden es wissen: Sieben Brüder hatte er aus zwei Ehen seines Vaters. Den zweiten dieser Brüder, 1924 geboren, hatte er schon gar nicht mehr kennengelernt; er war 1944 noch im Krieg gestorben, und an den Ältesten von ihnen, 1921 geboren, konnte er selbstverständlich keine Erinnerung haben, denn er starb 1947. Von den fünf weiteren Brüdern lebt keiner mehr. Norbert, der Jüngstgeborene und Nachzügler, hat sie alle überlebt. Erst jetzt erfuhr ich, dass sein Vater Studienrat war, und das für Mathematik und Physik sowie für Philosophie. Über den Vater und über dessen Bibliothek wurde Norbert an das späte 19. und das frühe 20. Jahrhundert herangeführt, und damit zu Größen wie Georg Simmel und Wilhelm Windelband, die der Vater womöglich selbst noch gehört hatte. Dessen Lehrer in Halle hatte u.a. ein philosophisches Lehrbuch herausgegeben, das der Sohn Norbert gerne schon als Kind benutzte. Norbert hat seine Eltern vergleichsweise frühzeitig verloren. Es muss ein Glück für ihn gewesen sein, mit Neffen und Nichten Verbindung halten zu können. Mit tiefem Respekt habe ich aus der Ferne wahrgenommen, wie Sie sich, lieber Herr Schneider, zusammen mit Frau Kambas und Herrn Papenbrock bis zur letzten Stunde bei Norbert aufgehalten und die allfälligen Dinge für ihn in Ihre Obhut genommen haben. Es war dies für ihn eine große Beruhigung. Und ein letztes Wort. Norbert bekannte sich, wie er gelegentlich und auch noch in den letzten Tagen zumeist mit einem leisen und zuweilen verschmitzten Lächeln andeutete, als Atheist. Das war womöglich auch seiner sozialistischen, ja man wird sagen dürfen, seiner marxistischen Überzeugung geschuldet. Das eine vertrug sich nicht mit dem anderen. Erst jetzt meldet sich ein Bedauern, dass wir darüber niemals eingehender gesprochen haben. Norbert war der liebenswürdigste, aufmerksamste, fürsorglichste Mensch, den man sich vorstellen kann. Es war ein Humanum, zu dem er sich ohne große Worte bekannt hätte, und dessen Pflege bedurfte keiner religiösen Stütze. Wie weit er sich darin mit seiner geliebten Frau traf, vermag ich nicht zu sagen. Als Aufklärer, ja als dem Zeitalter der Aufklärung durch und durch zugetan, verstand sich Norbert. Kant war ihm selbstverständlich bestens vertraut. Bei dem hatte ein jeder an der Philosophie Interessierte gelernt, dass man Wissen, dass man Erkenntnis nur auf der Basis von Erfahrung in Raum und Zeit besitzen könne. Alles darüber hinaus Weisende fiel in den Bereich des nicht Wissbaren. Das galt auch und vielleicht in besonderer Weise für die Religion, deren Möglichkeiten und deren Grenzen Kant eine grandiose Schrift widmete, die momentan angesichts der Wiederkehr von Fundamentalismen ungemeine Aktualität gewonnen hat und im Jahr 2024 anläßlich von Kants 300. Geburtstag gehörig zu würdigen sein wird. Das moralische Gesetz in uns und der gestirnte Himmel über uns, Sie wissen es alle, sind die Richtschnur im Bereich der Ethik nicht anders als

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in dem der Metaphysik und der Religion. Eine mündlich oder schriftlich, prophetisch oder offenbarend oder gar institutionell verbürgte Wahrheit gibt es in den Dingen des Glaubens nicht – die große, die unverlierbare Botschaft Kants und der Aufklärung. Damit aber entfällt auch ein Wissen über eine wie auch immer geartete Zukunft nach dem Tode. Sie ist dem Glauben oder auch dem Nichtglauben anheim gestellt. Hier und heute, in dieser Stunde, soll im Gedenken an den Toten doch wohl in seinem Sinne der offene Kantische, der offene aufgeklärte Horizont gewahrt werden. Wir bekennen ein, als menschliche Wesen ein letztes Wissen nicht zu besitzen. Aber wir können und dürfen wünschen und wir können und dürfen hoffen. Und so lautet das letzte Wort am Sarg unseres Freundes, dass er an der Seite seiner lieben Frau in Frieden ruhen möge, und dies verbunden mit dem Gelöbnis, dass er, dass sie beide in unserem Leben in großer Dankbarkeit gegenwärtig bleiben werden, solange wie das eigene Leben währt.

Andrew Hemingway »Sachlichkeit is in the Air«?1 Neue Sachlichkeit and Precisionism Compared

In 1923 when Gustav Hartlaub chose »Die Neue Sachlichkeit« for the title of a projected exhibition of »Post-Expressionist« art he picked a term of enormous resonance and semantic complexity.2 In his fundamental book Neue Saclichkeit 1924-1932. Studien zur Literatur des »Weissen Sozialismus«, Helmut Lethen argues that »Neue Sachlichkeit« denotes the dominant ideological category of the Stabilization period and traces its usage across philosophy, politics, sociology, poetry, the novel and popular song lyrics. 3 By the 1920s the noun »Sachlichkeit« without the qualifier had become associated with an unconditional subjection to the dominant tendency of industrial rationalization that seemed to threaten the sovereignty of the state. Carl Schmidt saw the state reduced to a large firm with an unholy alliance of American financiers, industrial technologists, Marxist socialists and anarcho-syndicalist revolutionaries all demanding that the »unsachlich« rule of the political over the sheer »Sachlichkeit« of economic life come to an end.4 Sachlichkeit even penetrated relations between the sexes. In 1927 the prominent Social Democrat Paul Levi dismissed the translation of Anita Loos’s 1925 best seller Gentlemen Prefer Blondes as »calendar Sachlichkeit« (i.e., pinup Sachlichkeit).5 Yet we also find more positive usages as in Thomas Mann’s essay »Erziehung der Sprache« of 1920, where he associates Sachlichkeit with an ideal Germanness: »Sachlichkeit is the concept, from which the pedagogue who wishes to educate the youth of an unrhetorical people towards beautiful expression sets out«.6 The dominant ethos of Weimar Sachlichkeit was intimately associated with the phenomena of »Amerikanismus«; its key symbol was Henry Ford.7 In November 1923 Ford’s autobiography, My Life and Work, appeared in German translation and it became a bestseller of the late 1920s. Ford claimed that the free unfolding of capitalism’s latent powers would resolve class conflict and guarantee the harmony of all interests; no state intervention was needed to secure this happy outcome. For Ford the political sphere fell into the category of waste; the state was a parasitic entity, an obsolete relic. Left to themselves, the centers of production needed only a trifling number of professional mediators to handle questions of politics and ideology. To Liberals, Ford’s factories represented conflict-free spaces that had neither oppressive discipline nor political division. Ford dismissed complaints of the deleterious effects of Taylorization on workers as an obsession of dilletantes. In his 1926 book Fordismus. Über Industrie und technische Vernunft, the National Economist Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld described the Ford worker as a component in a »Gesamtwerk« in which Ford was »the mighty forger who hammers the plant into shape«.8

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From the other side, Ford’s capitalist utopia appeared to promise social democracy that it could dispense with the trauma of revolution and dependence on the spontaneous energies of the workers. Ford’s vehement anti-unionism was apparently overlooked. In Ford German labor unions found what seemed a perfect recipe for a meliorative politics. Union bureaucracies – which tended to be reformist anyway – were seduced by Ford’s high wage promises. The Social Democrat trade union leader Fritz Tarnow described Ford as »the greatest revolutionary of the century«, while the Marxist theorist Rudolf Hilferding saw German steel magnates through the prism of the Ford myth as »Marxists of the fact«.9 The application of Fordist principles would lead to the de-feudalization of German capitalism, finally bringing the social and economic into alignment.10 Technological reason would end the fierce class struggles of 1919–23. Amerikanismus was premised on a purified image of American capitalism as a contradiction-free order of pure capitalist reason.11 It painted America as the land of the future in which technology stood not in the service of the arms industry but of consumer plenty. The standardization of life in America was seen not as a technique of domination that repressed social contradictions but only as a bewitching sign of cultural otherness. The apparent transparency of American society had as its counter-image »the murky organic totality of the Old World«.12 But in contrast to the inspiration National Economists, engineers, labor union bureaucrats, and metropolitan salaried employees found in this vision, older bourgeois groups saw in Amerikanismus a threat to traditional mores of societal discipline and the special status of culture.13 Hartlaub’s 1925 exhibition at the Mannheim Kunsthalle – Die neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus – cemented what many commentators identified as the most significant new tendencies in postwar German painting with a term that already had some currency in art criticism, marginalizing other descriptors such as »ein neuer Naturalismus«, »Nach-Expressionismus« or »Magischer Realismus«.14 Although Franz Roh in his influential book Nach-Expressionismus of the same year avoided the term and sought to situate German Post-Expressionism within a larger European style shift,15 the idea that Neue Sachlichkeit denoted the products of a specific German sensibility stuck. There was some awareness of contemporary American art that found its themes in the skyscraper and industrial technology, but although this came slightly earlier than equivalent German experiments there seems to have been no interplay between them. In 1921 Hildebrand Gurlitt reported in Der Cicerone on a short trip to the United States, where he made a tour of the progressive New York galleries. Overall, he saw in American art no more than a modest contribution to the Western tradition, lacking in distinctive features. In contrast to the harshness and cruelty of New York life, the taste of its citizens was for the pretty and melodious – an art that was almost feminine by contrast with coarse and plain German preferences. Although he illustrated works by some of the main artists that would be labeled retrospectively as »Precisionists« – Charles Sheeler, Charles Demuth, Preston Dickinson (Fig. 1), and Niles Spencer – Gurlitt remarked no connection between their aestheticization of the Machine Age world and claims for the Americanization of German economic and social life.16 (The obvious similarities between some of the works Gurlitt illustrated and the tendencies encompassed by »Nach-Expressionismus« seem to have escaped Franz Roh too, for the only American artist he mentioned was the Russian American Louis

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Lozowick, who had spent time in Berlin in 1922–23.17 Lozowick – who was a prolific writer on art as well as a painter and printmaker – published a judicious review of Roh’s book in 1927, but did not align himself with what he saw as a movement of »synthetic eclecticism«. While he noted that »quite a few« American artists would seem to belong to the tendency, he did not name any).18 Gurlitt devoted more lines to Sheeler’s work than that of any other American artist and knew enough to observe the connection between his style and his taste for Early American furniture.19 In 1929 when he visited Germany to coincide with the Deutscher Werkbund’s Film und Foto exhibition in Stuttgart where he was among the American exhibitors Sheeler Fig. 1: Preston Dickinson, Industry, 1921 or wrote to his friend and patron Walter earlier Arensberg: »Germany is the land of our 20 adoption. It feels good to be there …« Sheeler might seem the American artist closest to the spirit of Amerikanismus as this was manifested in the Ford cult. A successful fashion photographer as well as a painter and printmaker, in 1927 he was commissioned by Ford’s advertising agency, N.W. Ayer and Sons, to make a series of photographs of Ford’s new River Rouge plant in Detroit in connection with the launch of the »Model A« at the end of that year. Sheeler made 32 photographs in all, some of which were reproduced in Ford News and also in avantgarde magazines such as Hound and Horn and transition.21 When the photograph CrissCrossed Conveyors appeared in Vanity Fair in 1928, the accompanying caption described the Ford factories in Detroit as »the most significant public monument in America« and Ford himself as »the present-day Colossus of Business, an almost divine MasterMind« to millions of Americans.22 In selecting his motifs Sheeler was permitted to roam freely throughout the vast plant, which he pictured as virtually unpeopled despite its huge workforce. He subsequently produced several works in oil, gouache, and conte crayon based on his photographs. 23 One of the oils, Classic Landscape (1931; collection of Barney A. Ebsworth; Fig. 2) was bought by Ford’s son Edsel. The focus on colossal structures rather than the labor process probably matched what N.W. Ayer and Sons’ wanted, but it also accorded with Sheeler’s aesthetic. When the poet Dudley Poore reviewed a display of Sheeler’s at the expatriate J.B. Neumann’s Print Room in New York24 he observed: »Charles Sheeler’s is a cool cerebral art, all steely perfection, crystalline impersonality and purity of style.« Whatever his theme, »All is sure, conscious, calculated. The forms, beautiful in themselves, are without associations, without literary content. A picture by Sheeler has the clear, sharp, cold beauty of one of our modern machines, the severe impersonality of a

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Fig. 2: Charles Sheeler, Classic Landscape, 1931

mechanical drawing One suspects that he has striven to express, in his manner no less than in his subjects, the tone and character of our mechanical civilization«.25 In the following year, another reviewer would claim that Sheeler painted with »the cool and calculated precision of a scientist«; his work suggested there was »no antagonism between modern science and contemporary art«.26 Yet if Sheeler shared a grounding commitment to »precision« with modern day engineers and scientists his works also elevated »the sympathetic spectator into a region cooler, quieter, and far removed from the arena of contemporaneity. Never do they reflect the passing show; they remain aloof; they are always outside, always beyond and far above the field of actuality. So they acquire a certain quality of timelessness, just, perhaps, as the axioms of geometry are timeless. They suggest Plato’s ›World of Ideas‹«.27 This is almost certainly an echo of ideas Sheeler himself had articulated in an article on Greek art of the year before. 28 The Neue Sachlichkeit artist who offers the closest parallel with Sheeler in terms of an interest in the aesthetic potential of Fordism was Carl Grossberg, who was neither included in Hartlaub’s 1925 Mannheim exhibition nor mentioned in Roh’s NachExpressionismus, despite the fact that his simplified faux-naïve urban and industrial views seem perfect instances of what Roh called Magic Realism. Further, Grossberg did not belong to any of the regional groupings centered in different cities.29 Although he

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traveled widely in Germany and visited Holland, France, and Italy, he spent most of his artistic career in the small Bavarian town of Sommerhausen near Würzburg, where he settled in 1921.30 His work began to attract attention in 1926 as the result of solo exhibitions in Berlin and Stuttgart.31 In that year the gifted young art historian and curator Justus Bier hailed Grossberg as one of the few Neue Sachlichkeit artists of consequence.32 In the early 1920s Grossberg’s style was cognate with that of the German American Lyonel Feininger, with whom he studied at the Bauhaus 1919–21. But like other artists associated with the Bauhaus, by the mid-1920s he had shifted to a more machine-age style of hard-edge naturalistic representational structures that emulates Cubist angulariFig. 3: Carl Grossberg, Traumbild Rotor, ty and also used Cubist devices of 1927 strong shadows and overlaid lines to disrupt the perspective box. Most scenes are unpeopled and there are no effects of atmosphere beyond suggestions of harsh sunlight. Grossberg was a complex and prolific artist whose works fall into a number of distinct but interrelated iconographic categories that can be characterized as German and Dutch townscapes, views of factories and machinery, and what he called Traumbildern (Fig. 3) – collage compositions of perspectivally contradictory spaces modeled on the Scuola Metafisica with pieces of static machinery and incongruous motifs taken from biological illustrations.33 The paintings by Grossberg in which technology appears to be represented in the most fetishized and purely affirmative forms date from 1933–34, when the artist conceived a plan to represent a »cross-section« of German industry in a cycle of 20 to 25 paintings between 100 x 100 cm and 100 x 140 cm in size (Fig. 4). The paintings have almost glacially smooth surfaces and some may have been based on photographs, although Grossberg made numerous detailed on the spot studies of industrial plant in pencil and watercolor and there does not seem to be the same relationship between painting and photography in his practice that there is in Sheeler’s work.34 Grossberg planned for the cycle to be shown in all the larger German cities and hoped thereby to make »the formworld of technology« accessible to painting – a more didactic project than Sheeler’s River Rouge works. Lack of support made the project unrealizable, although some of the pictures were shown at an exhibition in the Kunstverein of Rhineland and Westphalia in 1934.35 Writing to his friend and patron the Swedish Konsul August Brinckman at the end of that year Grossberg lamented that many people disliked his art and did not understand that the »gigantic riches of new forms in the world of technology had also essentially altered the themes of art«.36

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Chronologically speaking Grossberg’s »Industrieplan« does not belong to the Stabilization Period but to the first years of the Nazi dictatorship. Moreover, in 1934 Grossberg produced a large mural of a panoramic industrial landscape for an exhibition in Berlin on the theme of »Deutsches Volk – Deutsche Arbeit« organized by the Propaganda Ministry.37 In 1937 the magazine Westermanns Monatshefte carried an article »Schreib- und Büromaschinen, Wertarbeit deutscher Industrie« that was illustrated by five Grossberg pictures of men at work and which were possibly the first depictions of assembly line production powered by conveyor belt to be produced in Germany.38 However, we should not infer from these projects an ideological congruence with fascism. Grossberg was Fig. 4: Carl Grossberg, Weiße Tanks (Harcertainly no Nazi sympathizer and had burger Ölwerke), 1933 several Jewish friends such as Bier and the art-dealer Oskar Laredo.39 In a letter to the dealer Karl Nierendorf in 1934 he described his underlying mood as one of »bottomless pessimism .40 My surmise is that Grossberg saw industrial technology as politically neutral. He certainly cultivated connections with industrial magnates and seems to have established a particularly close relationship with Brinckman, who was co-owner of the Harburg Oil Works, which processed linseed and cottonseed oil (Fig. 4).41 Through Brinckman Grossberg knew the German soprano Claire Dux, who married the Chicago meatpacking magnate Charles H. Swift. In 1933 Grossberg wrote to her asking if she would help him get permission to paint two pictures of the Swift plant.42 Such a commission, he explained, would provide the possibility for him to realize a plan that he had cherished for a long time, namely, to make twenty large paintings depicting a cross section of the standard operations of American industry, which would be exhibited in the larger cities of the United States. He was convinced that a unified collection of pictures on this theme would find the greatest interest in America.43 Despite a common interest in the aesthetics of industrial technology the differences between Sheeler and Grossberg are considerable. In 1925, Poor had referred to Sheeler’s forms as »without associations, without literary content«. This was before Sheeler’s experience of the River Rouge plant, but those six weeks in Detroit do not seem to have altered his perspective. Consciously, at least, he intended no comment through his images on the social arrangements of the workforce or their psychological adaptation to Ford’s brutal labor regime.44 If there is a statement on values in Sheeler’s work it lay separated off from his motifs of modern industry in his numerous depictions of pre-industrial artefacts and barns, which find no parallel in Grossberg’s work. Gross-

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berg’s art was not framed by a discourse of aestheticism and classicism. Although Roh saw forms of neo-classicism as one strand in Nach-Expressionismus, this finds no echo in Bier’s careful formal and iconographic analysis of Grossberg’s pictures. Rather than emphasizing the internal relations of forms as Parker did with Sheeler, Bier took a line of interpretation developed by Roh to distinguish Magic Realism and presented the formal achievement of Grossberg’s art as lying in his »extraordinary power of presenting bodies in space, of letting the world face the beholder in a plastic and clear manner«. 45 The flower still-lives that are a significant component in Sheeler’s output have elements of instability and oddness, but provide nothing like the cognitive jolt of Grossberg’s Traumbildern. But most fundamentally the difference lies in this. As I said at the outset, Amerikanismus stood for an embrace of the Fordist model of mass-production capitalism and Ford’s mythologized vision of the social and political order that accompanied it. German commentators may have been unaware of the campaign by the National Association of Manufacturers and related organizations to extirpate independent labor unions under the banners of »100% Americanism« and »the American Plan«, but in any case, this was not the Americanism the Precisionists subscribed to. Neither did they embrace contemporary machinolatory. In the 1920s, artists such as Sheeler who were trying to forge a native cultural expression that was modern in spirit but had some claim to build on a national tradition took their cue from the progressive cultural nationalism initially formulated by the grouping around the Seven Arts magazine. This was skeptical about the cult of the machine but did not see itself as the product of a society in a condition of profound political and cultural crisis like Weimar Germany.46 Most American artists associated with the Precisionist label seem to have had at least a romantic suspicion of the triumphalism of 1920s American business civilization. But they lived in an environment where after the defeat of the great 1919 steel strike organized labor was relatively quiescent and the socialist and communist parties were small and ineffectual. Moreover, U.S. losses in World War One were relatively small by comparison with Germany and its involvement as a belligerent was much briefer. In the aftermath, it experienced no radical change in the political order, its economic power was greatly enhanced, and it was not saddled with reparations and the odium of war guilt. No American artist experienced the years of frontline trench warfare that Grossberg, Dix, Hubbuch, Radziwill, Scholz, and numerous others underwent. This helps explain – along with other factors – why there was no American equivalent to the Verism Roh and Hartlaub found so difficult to accommodate but could not omit from NachExpressionismus.47 It is striking, I think, that the works of American literature that come closest to the spirit of »Sachlichkeit« were written by one who observed the trenches first-hand, even if as an ambulance driver rather than a combatant, namely John Dos Passos. Significantly, Dos Passos’ disenchanted anti-war novel Three Soldiers of 1921 was published in German translation by Wieland Herzefelde’s Malik Verlag, with a cover by John Heartfield, in the following year.48 His collective urban novel Manhattan Transfer was published by Fischer Verlag in 1927 two years after its first English edition.49 If the peculiar structure of feeling that was named Neue Sachlichkeit appeared in the United States it would come as an import, not just of artistic forms but also of an accompanying ideology, as is the case with the young German American artist Stefan

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Fig. 5: Stefan Hirsch, Mill Town, c. 1926

Hirsch, who emigrated from Europe in 1919. Hirsch was a childhood friend of Justus Bier and became a friend of Grossberg, probably in the wake of Bier’s article on the artist in Der Cicerone. Already in 1921–22 Hirsch was making pictures of American urban and industrial motifs that could be classified in the emergent category of Neue Sachlichkeit. Perhaps the first of these was a work titled Landscape, New York – probably New York, Lower Manhattan (1921; The Phillips Collection, Washington, DC) – that Hirsch showed in the Annual Exhibition of Modern Art at the Bourgeois Galleries at 668 Fifth Avenue in May 1922. The gallery’s German proprietor, Stephan Bourgeois, had an art business on the Rue de Rivoli in Paris until his property was sequestrated by the French authorities in 1914.50 In that year he moved to New York, where he had already established a gallery in 1911 that increasingly promoted modernism and framed it with a distinct ideology. Bourgeois’ aesthetic was loosely Expressionist in that he argued modern art represented a reassertion of intuition in the face of a materialist civilization and found models for this in the art of children and non-European peoples. His ideal modern painter was the Douanier Rousseau – an artist enjoying a vogue in Germany at this time and for Roh the epitome of »Magischer Realismus«. Bourgeois was particularly committed to promoting non-professional contemporary American artists who he felt were in touch with a kind of native American spirit, that had been present in the craft traditions

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of the early settlers but was lost under the accretion of routine skills once the arts became professionalized.51 In the catalog essay he wrote for Hirsch’s first solo exhibition in 1927, Bourgeois observed of Milltown (c. 1925; The Phillips Collection, Washington, DC; Fig. 5): »Whoever has gone during a Sunday through a factory at a standstill knows this state of mind. Although there is an actual standstill, the latent energy of rapid activity is in the air…« But this effect held true for all of Hirsch’s subjects. Hirsch had observed – Bourgeois reported – that »tension into the future« was one of the main characteristics of America and he supported Hirsch’s claim by invoking Das Reisetagebuch eines Philosophen by Count Hermann Keyserling – a widely-read romantic critique of modernity originally published in 1919 and in its eighth U.S. printing in 1928 52 – which counterpoised the »old world« concept of »Being« to the restless American tendency to »Becoming«. Hirsch expressed »an essential American viewpoint« and he did it in »a characteristically American way, – that is with a minimum of effort«. His pictures appeared to have a kind of effortless perfection that made them an »undisguised statement of psychological facts«. In effect, as a consequence of their formation in German culture, Hirsch and Bourgeois could see »Amerikanismus« where their American contemporaries could only see some variety of »Americanism«. Finally, if all the complex differences of social structure, politics, culture and ideology that shape experience within the various nation states help explain why no equivalent of Neue Sachlichkeit discourse emerged in 1920s America this was partly because of the absence of any conceptual equivalent to »Sachlichkeit« in linguistic currency. In his great satirical novel of 1914 Der Untertan, Heinrich Mann has his eponymous provincial bourgeois say, »to be sachlich means to be German«.53 I am not suggesting that some essential Germanness is concentrated in the word but rather arguing for the determinative effects of language structures. »Sachlichkeit« was not just a catchy term but a complex structure of feeling whose meaning was fought over by different social groups and which once attached to a particular style and iconographic choices helped determine their ideological resonance. 1920s American English had no equivalent. As was recognized at the time, Precisionist artists produced pictorial signs that within a certain compass were no less visually compelling than their Neue Sachlichkeit equivalents. But there was no term of comparable resonance that reached deep within the social and political struggles of the time to which to attach them. Precisionism is in the end merely a post hoc descriptor for a set of formal attributes. Neue Sachlichkeit was the name of a whole ideological ensemble. 1 From the title of a 1928 foxtrot: »Es liegt in der Luft eine Sachlichkeit«. 2 Fritz Schmalenbach: »The Term Neue Sachlichkeit« In: Art Bulletin 22, no. 3. September

1940, p. 161, n.3. 3 Helmut Lethen: Neue Sachlichkeit 1924–1932. Studien zur Literatur des »Weissen Sozialis-

mus«, Stuttgart, 1970, pp. 8–18. Jost Hermand has remarked on the word’s »perplexing variety of meanings«. See Hermand: »Unity within Diversity? The History of the Concept ›Neue

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Sachlichkeit‹« In: Keith Bullivant (ed.): Culture and Society in the Weimar Republic, Manchester 1977, pp.166–82. Lethen 1970 (see note 3), p. 13. Lethen 1970 (see note 3), p. 33. On women and Sachlichkeit more generally, see pp. 32–45. Quoted in Fritz Schmalenbach: Die Malerei der »Neuen Sachlichkeit«, 1973, p. 33. Lethen 1970 (as note 3), pp. 19-57. Cf. Anton Kaes, Martin Jay, and Edward Dimendberg: The Weimar Republic Sourcebook, Berkeley, 1994, part 15. Lethen 1970 (as note 3), p. 21; Kaes, Jay, and Dimendberg 1994 (as note 7), p. 401. Lethen 1970 (as note 3), p. 22. Lethen 1970 (as note 3), pp. 24, 29. Lethen 1970 (as note 3), p. 25. Lethen 1970 (as note 3), p. 26. Lethen 1970 (as note 3), p. 30. Schmalenbach observed »the astonishing speed« with which the term was taken up – Schmalenbach 1940 (see note 2), p. 162. Franz Roh: Nach-Expressionismus – Magischer Realismus. Probleme der neuesten europäischen Malerei, Leipzig, 1925. Hildebrand Gurlitt: »Junge Kunst in New York« In: Der Cicerone, 18, 15, 1921, pp. 505–11. For Precisionism as a movement, see Precisionism in America, 1915–1941: Reordering Reality, Montclair, NJ: Montclair Art Museum, 1995; Andrew Hemingway: The Mysticism of Money: Precisionist Painting and Machine Age America, Pittsburgh, 2013, pp. 1–5. The only American work to provoke by its radical novelty was Robert Cody’s magazine The Soil. See P.W. [Paul Westheim]: »Ein amerikanische Kunstzeitschrift« In: Das Kunstblatt, 4, 2, (1920), pp. 59–60. Roh 1925 (as note 15), p.134. For Lozowick and German modernism, see Hemingway 2013 (as note 16), chapter 3. Louis Lozowick, review of Franz Roh’s Nach-Expressionismus In: The Arts, 12, 2, August 1927, pp. 115, 116. Gurlitt 1921 (as note 16), p. 506. Charles Sheeler to Walter Arensberg, 14 August 1929, in Theodore E. Stebbins, Jr., and Norman Keyes, Jr.: Charles Sheeler: The Photographs, Museum of Fine Arts, Boston, 1987, p. 38. Stebbins and Keyes 1987 (as note 20), pp. 25–34. »By Their Works Ye Shall Know Them« In: Vanity Fair, 29, 6, February 1928, p. 62. Carol Troyen and Erica E. Hirshler: Charles Sheeler: Paintings and Drawings, Museum of Fine Arts, Boston, 1987, pp. 17–20; catalog numbers: 36, 37, 38, 39, 46. For Neumann in New York, see Gurlitt 1921 (as note 16), p. 506. According to Penny Bealle, Neumann moved to New York in 1923: »J.B. Neumann and the Introduction of Modern German Art to New York, 1923-1933« In: Archives of American Art Journal, 29, 1–2, 1989, p. 4. Although Neumann promoted Dix, Grosz, and Beckmann, his perspective seems more Expressionist than that of Neue Sachlichkeit. Dudley Poore: »Current Exhibitions« In: The Arts, 7, 2, February 1925, p. 115. Robert Allerton Parker: »The Classical Vision of Charles Sheeler« In: International Studio, 84, 348, May 1926, pp. 68, 69. Parker 1926 (as note 26), p. 72. Charles Sheeler: »Notes on an Exhibition of Greek Art« In: The Arts, 7, 3, March 1925, p. 53.

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29 For Grossberg’s social circle, see Eva Grossberg: »Was bleibt ist sein Werk« In: Sabine

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Fehlemann, ed., Carl Grossberg. Retrospektive zum 100 Geburtstag, Cologne, 1994, pp. 12–19. For the Würzburg art scene, see Tradition und Aufbruch. Würzburg und die Kunst der 1920er Jahre, ed. Bettina Keß und Beata Reese, Museum im Kulturspeicher Würzburg, 2003. See »Verzeichnis der Ausstellungen« in Fehlemann, ed., 1994 (as note 29), pp. 157–8. Justus Bier: »Carl Großberg« In: Der Cicerone, 18, 17, 1926, p. 561. Bier would arrange numerous commissions for Grossberg – Fehlemann, ed., 1994 (as note 28), p. 17. Bier gives a more detailed breakdown of Grossberg’s iconography in Bier 1926 (as note 32), p. 561. Hans M. Schmidt mentions photographs in the Grossberg Nachlaß but says the relationship between photography and his practice remains to be determined. See Hans M. Schmidt: »Carl Grossberg und sein technisches Zeitalter« In: Carl Grossberg: Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafik, 1914–1940, Hessisches Landesmuseum, Darmstadt, 1976, p. 12. Schmidt 1976 (as note 34), pp. 16, 22 n.24. Nierendorf planned an exhibition in 1934 devoted entirely to Grossberg’s Maschinebilder – see Fehlemann, ed. 1994, (as note 29), p. 23. Carl Grossberg to August Brinckman, 17 December 1934, quoted in Schmidt 1976 (as note 32), p. 12. See same page for reference to critical press responses to his 1934 Düsseldorf exhibition. Schmidt 1976 (as note 34), p. 16. Destroyed. A study is reproduced in Fehlemann (ed.) 1994 (as note 28), p. 76. Peter Schirmbeck: »Zu einem Bilderzyklus Carl Grossbergs aus dem Jahre 1937. Die erste Fliessband-Arbeitsdarstellung in Deutscher Malerei«. In: Kritische Berichte, 9, 1/2, 1981, pp. 51–59. He also had friends who became Nazis such as Arno Brecker (who he had known since their schooldays) and the Würzburg modernist architect Peter Feile. See Fehlemann, ed., 1994 (as note 28), p. 15. Quoted in Schmidt 1976 (as note 34), p. 12. In 1931 he wrote to Bier that his hair stood on end when he thought about the German and European future (ibid., p. 10). Thomas H. Norton: »Crushing Cotton Seed Oil in Europe« In: National Provisioner, 4 September 1915; Carl Schmidt-Reitz: Harburger Oelwerke Brinckman und Mergell, Hamburg, 1956. For other industrial patrons, see Fehlemann, ed., (as note 29), pp. 19, 25, 26. Fehlemann, ed., 1994 (as note 28), p. 17–18. According to the artist’s daughter, Eva Grossberg: »Das Ziel meines Vaters war immer Amerika«. Fehlemann, ed., 1994 (see note 29), p. 27. Troyen and Hirschler 1987 (as note 23), pp. 20, 23. For a later (1954) statement by Sheeler on his aversion to »social comment« in art, see ibid., p. 142. Bier 1926 (as note 32), p. 565. Casey Nelson Blake: Beloved Community: The Cultural Criticism of Randolph Bourne, Van Wyck Brooks, Waldo Frank, and Lewis Mumford, Chapel Hill 1990. Andrew Hemingway: »Franz Roh’s Nach-Expressionismus and the Weltanschauung of the Weimar Republic« In: German Studies Review, 40, 2, 2017, pp. 280–81. John Dos Passos; Drei Soldaten, tr. Julien Gumperz, Berlin, 1922. John Dos Passos: Manhattan Transfer, tr. Paul Baudisch, Berlin, 1927. For Bourgeois, see Hemingway 2013 (as note 16), pp. 64–69. Gurlitt reports his views in Gurlitt 1921 (as note 16), pp. 506, 511.

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52 Keyserling, Hermann, Graf von: Travel Diary of a Philosopher, New York 1925. For more on

Hirsch and Neue Sachlichkeit, see Hemingway 2013 (as note 16), pp. 84–95. 53 Lethen 1970 (as note 3), p.11.

Barbara McCloskey White Supremacy and the Art of Anti-Fascism in the United States and Germany between the World Wars

In 1932, Berlin’s Ernst Rowohlt Verlag released Die Stadt Oklahoma: Roman einer Kleinstadt. The volume’s short stories were written by the obscure American writer, George Milburn; rendered in German by prolific author and translator Hermynia Zur Mühlen; and provided with a cover design by George Grosz, Weimar Germany’s most notorious satiric illustrator (Fig. 1). The book featured tales of Oklahoma types – shopkeepers, bootleggers, Holy Rollers – in small town settings dotted with corner drug stores and saloons. Unforgiving satire outweighs moments of gentle humor as Milburn roots his eccentric Oklahomans in a milieu of ignorance and lawlessness. Die Stadt Oklahoma thus provided its readers with a Wild West view of American life enjoyed by German consumers of popular culture from the late nineteenth century onward. Grosz’s cover illustration obliged these fantasies with vignettes reminiscent of the many images of bawdy frontier figures he produced during and after World War I. Die Stadt Oklahoma included all thirty-six stories contained in the volume’s American edition, which appeared the previous year with Harcourt, Brace & Company in New York under the title Oklahoma Town. Rowohlt’s translation, however, was augmented by eight additional tales whose »publication was forbidden by censorship« in the United States.1 Distinct within this banned group of stories were those that featured scenes of depraved racial violence and reference to events of the now infamous Tulsa Race Massacre of 1921. Nearly a century has passed since the German publication of Milburn’s book. So too have decades of silence about white Tulsa’s murder and destruction of its Black community. Since 2020, however, Oklahoma’s racist history has risen to international attention once again.2 Several recent publications expose the white supremacist order that entwined the United States and Germany in a shared and egregious legacy of race hatred from the nineteenth century onward.3 That legacy stoked the ascendency of the Ku Klux Klan (KKK) in the United States and Nazism in Germany, both reaching new heights of violence and political power in the 1920s. These are the circumstances in which the American and German editions of Milburn’s book came into being. They also frame this essay as I delve into an unexplored exchange between American and German artists and intellectuals who used their work to assail racism as a key feature of the fascism growing in both countries.4 Beyond rendering Milburn’s English language text into German, other translations were necessary as these same artists and intellectuals adapted their understandings of white supremacy and racism to their markedly different national histories and political contexts. As adherents of the socialist and communist »cultural« international of this period, they also grappled with growing divisions within the left over the

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Fig. 1: George Grosz, cover illustration for George Milburn, Die Stadt Oklahoma: Roman einer Kleinstadt. Berlin: Rowohlt Verlag, 1932

place of race in revolution and in demands for class justice.5 The following account locates Milburn’s tales of Oklahoma in this complex of political and artistic exchanges, adaptations, and divisions as they unfolded in a time imperiled by economic crisis, impending war, and the menacing growth of white power. A native of Oklahoma, George Milburn emerged on the American literary scene in the New Regionalist movement of the later 1920s. New Regionalist authors explored the lives of ordinary »folk« in towns resistant to the pressures of modernization. Often using regional dialects, they sought to provide authentic glimpses of lifeways distant from those of the metropolitan readers who consumed their stories in literary magazines, popular journals, and book publications of the period. New Regionalism accommodated a range of populist impulses, furthered by collectors of folklore and the white supremacist nostalgia of the Southern Agrarian writers. It also included a »proletarian« avantgarde to which Milburn belonged.6 Milburn’s Oklahoma Town paints a vivid picture of the region around Tulsa, its rise to prominence as the »oil capital of the world« shortly after the turn of the century, and the area’s population explosion.7 His tales are peopled with those who flooded into Tulsa from the late 19th century onward, including Italians, French, Germans, and Greeks. Memories of World War I linger on in these stories, including the emboldened ethnic hatred that emerged during the war. Anglo-Saxon whites in Oklahoma and else-

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where around the country fueled this hatred by launching »100% Americanism« campaigns to rid cities and towns of recent and unwanted European immigrants. 8 As part of the Great Migration, Blacks too followed the Oklahoma oil boom. Many settled in the Greenwood section of Tulsa. It was dubbed »The Black Wallstreet« in 1913 for its reputation as the wealthiest and fastest growing Black community in the United States.9 Black veterans returning from the war were confronted with the Red Scare of 1919 and the country’s slide into a recession. They also faced an explosion of racist attacks against them aided by resurgence of the Ku Klux Klan. During this period, race massacres took place in a dozen American cities. This included Tulsa, where the »deadliest outbreak of white terrorist violence against a black community in American history« took place between May 31st and June 1st of 1921.10 Silence quickly enshrouded the Tulsa atrocity due to persistent and brutal enforcement of Jim Crow. Milburn’s tales referencing this history of anti-Black violence were omitted from the New York release of his book. Oklahoma Town thus did little to alter the pattern of repression and disavowal that descended over the Tulsa Race Massacre from the 1920s onward. Rowohlt’s Die Stadt Oklahoma gave Oklahoma Town’s quirky folksiness a decidedly different cast, however. By including the eight banned tales, the volume confronted German readers instead with an Oklahoma mired in salaciousness, hypocrisy, and extreme racial violence. Grosz’s illustration for the cover of Die Stadt Oklahoma portrays figures traceable to the banned chapters of the book (Fig. 1). He places them in a town evocative of Tulsa’s prosperity, crowded with telephone wires, a hotel front porch, multistory structures, and a barber pole. A delusional urban cowboy from the tale Der letzte Bösewicht (The Last Villain) appears on both the front and back covers. The same is true of a fashionable woman and a cigar-smoking man seated in a rocking chair on a hotel porch, both of whom appear in Die Schuhe des Reisenden (The Shoes of the Traveler). The tale features a house maid who augments her salary by turning tricks at the local hotel. Grosz uses the front and back covers to unfold a narrative of encounter between the maid and a travelling salesman. The front cover portrays her approach and flirtatious eye contact with a traveler seated on the hotel porch, while the back cover presents the traveler’s gaze at the maid’s shapely figure as she walks on. Also appearing on the front and back covers of the volume are preachers clutching bibles closely to their chests. The hunched and dyspeptic cleric on the back cover holds his right hand to his heart, referencing the thieving Baptist preacher of Die Falle (The Trap) who is hospitalized after stealing bonbons spiked with a near lethal dose of croton oil purgative. While these cowboy, preacher, maid, and travelling salesman characters populate both front and back covers, a Black figure appears only once, on Die Stadt Oklahoma’s front cover. We see him from the back with his face turned in profile toward the scowling preacher who confronts him in front of the hotel. Grosz renders the Black figure wearing a distinctively detailed hat decorated with a striped band and small feather. He also places the figure’s head immediately above Milburn’s name and the title of the book. Like the author and we as viewer-readers, he assumes the position of an outsider looking into Oklahoma Town’s less-than-inviting milieu. This Black figure evokes the themes of the two most provocative of the banned stories featured in the Rowohlt edition of Milburn’s tales. They portray Black resistance to Jim Crow and unveil the regime of brutal white supremacy reigning in Oklahoma after

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World War I. The tale Pete Williams features a »most servile Negro« (knechtseligster Neger) who works as a coachman and proudly wears an elaborate silk hat given to him by a local doctor. One day a drunken townsman steals the hat from Pete’s head and tauntingly kicks it down the street to the amusement of the white townspeople. A »Negerpogrom« (Negro pogrom) breaks out shortly thereafter. Hiding behind a barricade, Pete retaliates for this humiliation by spraying the street with gunfire, killing six whites. The tale ends with the drunken townsman decapitating Pete and then maliciously kicking Pete’s head down the street.11 Milburn’s Jeff Binkley features a protagonist obsessed with reading about murders and imagining grisly executions. He recounts at length the story of a white woman allegedly raped by a Black shoe-shine boy in pointed reference to the events of the Tulsa Race Massacre.12 As punishment, Binkley suggests slitting open the accused Black man’s stomach, nailing the end of his entrails to a tree, and forcing him to walk around the trunk until his guts unspool from his body. Then, Binkley adds, »the Niggers would remember who the white women are for«. Binkley continues his rant by denouncing Clarence Darrow for his role in the Scopes »Monkey Trial« of 1925. The trial challenged Tennessee law forbidding the teaching of evolution in state funded schools. Binkley also grumbles that execution of the »dagos« Sacco and Vanzetti in 1927 after their 1920 conviction was seven years overdue.13 By including the incendiary Pete Williams and Jeff Binkley stories, Rowohlt Verlag presented Milburn’s German readers with a litany of incidents decried by the communist left throughout the 1920s. Those incidents served as examples of the irrationality and brutality of the American capitalist system, including its racial violence, religious fundamentalism, xenophobia, and suppression of dissent. Zur Mühlen, translator of Oklahoma Town, was a key and largely overlooked figure in additionally raising the German left’s awareness of white supremacy in the United States and its implications for the German context. As the German translator for the American socialist writer Upton Sinclair, she is also likely the one who brought Milburn’s work to the attention of Rowohlt Verlag.14 Zur Mühlen joined the German Communist Party (Kommunistische Partei Deutschlands or KPD) in 1918/19. Soon thereafter, she committed her Sinclair translations to Malik-Verlag to help launch Wieland Herzfelde’s radical publishing house. This collaboration began in 1921 with Malik’s release of Sinclair’s 100 Prozent: Roman eines Patrioten (100%: Story of an American Patriot) translated by Zur Mühlen. Set during World War I, 100% tells the story of violence perpetrated by »100% Americans« against »foreigners« and »Reds«, namely adherents of the I.W.W. (Independent Workers of the World or Wobblies). The narrative takes place in a fictional »American City« dominated by an exploiter class of industrialists and merchants.15 Grosz’s illustrations for the volume include scenes of »lynch justice« as these 100% Americans resort to whippings, hangings, and castration to suppress the »Red« threat. Though Sinclair’s novel makes no mention of the Klan, Heartfield’s covers for Malik-Verlag’s new editions of 100% made a direct connection between the capitalist thuggery of the novel’s American City and the thuggery of the KKK. His cover montage for the 1924 edition juxtaposes a photo of a Klan meeting of 1923 with one of an American metropolis; for the 1928 edition, Heartfield used the same Klan photo for the back cover while the front features a policeman arresting an American worker.16 For the Malik

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circle and others of the Communist left, the KKK epitomized the irrational brutality of American capitalism and forwarded their indictment of the latter’s dominant role in Germany’s economic recovery of the mid-1920s. Some voices on the German left drew different conclusions about the significance of the Klan, however. For them, the »thuggery and murder« of the KKK served more pressingly as a model for rising right-wing violence aimed at defending »Germandom« against the Jews.17 Zur Mühlen was among those who began to examine the issue of racism in class struggle. In 1925, she published An den Ufern des Hudson (On the Banks of the Hudson), one of the earliest novels in German to feature the Klan. 18 The book’s protagonist, Henry Word, is a thinly disguised stand-in for the American industrialist and anti-Semite Henry Ford. He holds ritual KKK meetings at his grand estate and invokes eugenics to dispense with hated »others«. Using a sanatorium on the banks of the Hudson River, Word ensures that all Jews, Blacks, Catholics, I.W.W members, and foreigners committed to the sanatorium for alleged illnesses never reemerge alive. Zur Mühlen concludes her crime novel with an assault on patriotic »America for Americans« rhetoric and paeans to »the land of the free« as deceitful tools of big capitalists like Word/Ford. An den Ufern des Hudson indicts capitalism as an international phenomenon bent on dividing workers along racial, religious, political, and ethnic lines to ensure the »unfreedom« of the laboring masses. In this and other writings, Zur Mühlen deviated little from a class-based analysis of capitalism. But her attention to the white supremacist right and its racist threat increasingly departed from the imperatives of the KPD. This was especially true as the Party began to see greater threat to its program from the left than from the right, culminating in its declaration of war on the »social fascism« of the Social Democratic Party (Sozialdemokratische Partei Deutschlands or SPD) in 1928. By then, Zur Mühlen had come under attack by KPD cultural functionary Johannes R. Becher for her »lack of militancy« and increasingly independent political outlook.19 Rowohlt Verlag’s German edition of Milburn’s Die Stadt Oklahoma appeared in 1932, connecting Zur Mühlen as translator and Grosz as illustrator again for the first time since Zur Mühlen’s departure from Malik-Verlag in 1927. Its release also corresponded in time with Comintern involvement in the Scottsboro Boys case in the U.S. This included Comintern sponsorship of Ada Wright, mother of two of the accused, who travelled throughout Europe and the Soviet Union visiting some sixteen countries over a period of six months in 1932 to bring international attention to the cause. 20 Under the circumstances, Die Stadt Oklahoma and its depiction of racial violence supported a Communist left perspective that equated such violence with American capitalism. Rowohlt Verlag may have had other motivations for its decision to publish Milburn’s stories at this time, however. When Die Stadt Oklahoma appeared, the publishing house had just emerged from a court battle over what became known as the »Third Reich Controversy«. The case involved the press’s attempt to »discredit the Nazi movement« and subvert the efforts of neoconservative publishers wishing to capitalize on it.21 Given Nazism’s flagrant anti-Semitism, increasing brutalization of its opponents, and undisguised genocidal ambitions, Milburn’s stories accorded at the same time with Rowohlt’s efforts to draw attention to the nature of the right-wing brutality emerging within Germany itself.

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With Hitler’s rise to power in 1933, members of the Malik circle dispersed into exile. Herzfelde and Heartfield fled to Prague where they continued their anti-fascist publishing. Zur Mühlen departed for Austria with her partner Steven Klein where she continued to produce novels critical of Nazi racism. She and Klein eventually made their way to England, where Zur Mühlen died in obscurity in 1951. In 1932, Grosz emerged from a three-year court battle on charges of blasphemy. The trial suggested to him the growing peril to his life and career that led to his departure for New York days before Hitler became German Chancellor. Though he retreated from political engagement in exile, Grosz nonetheless arrived in time to witness the infighting between the revolutionary CPUSA (Communist Party of the United States of America) and the reformist NAACP (National Association for the AdvanceFig. 2: Hyman Warsager, The Law, 1934 ment of Colored People) over federal anti-lynching legislation introduced in 1934.22 In the midst of debates spawned by the legislation, the New Masses ran Hyman Warsager’s illustration titled »The Law« in its January 1934 issue (Fig. 2). Warsager’s work offers insights that few, if any of the artists and intellectuals treated in this essay were able to perceive with similar clarity.23 His image depicts a Black man hung from the branch of a malignant tree. The trunk and roots of the tree are supported by a tower and the nurturing shelter of a U.S. Court building emblazoned with a swastika on its triangular pediment. The Black man’s bound and lynched body casts a swaying shadow over the structure, indicting U.S. racism and Germany’s Nazism as one and the same white supremacist villainy permeating their respective political, legal, and social structures. This history of the entwinement of leftist discourses in Germany and the United States on the question of white supremacy thus leaves occlusions on both sides of the exchange. Certain voices within the German context, including that of Zur Mühlen and Rowohlt Verlag, distinguish themselves from an increasingly militant Communist left in this history for advancing largely overlooked connections between white supremacy and unfolding events in Germany. Those events culminated in the elevation of race hatred and eugenics to the level of industrialized extermination that took the lives of six million European Jews and five million others, including the physically and mentally challenged.

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In the United States, Milburn’s publications continued to indict bigotry and racism in his native Oklahoma. But the incidents to which his stories referred, especially the Tulsa Race Massacre of 1921, were not seriously investigated until the late 1990s. In February 2020, nearly one hundred years after the fact, schools in Oklahoma decided to include discussion of the Tulsa Race Massacre in their curricula. But this commitment has already been overturned. Oklahoma recently enacted a »memory law« that rejects the premise of President Biden’s Tulsa speech of June 2021 and Black Lives Matter demands for historical reckoning and racial justice. Several other states have passed similar laws intended to drive America’s history of racism underground once again. 24 As Susan Neiman observes in Learning from the Germans, the U.S has enshrined the Holocaust on its national mall in Washington D.C. but has no equivalent to help the country confront the history that Milburn’s writings and their publication in Germany brought to light. In a quasi-psychoanalytic reading, she suggests that American »focus on Auschwitz is a form of displacement for what we don’t want to know about our own national crimes«.25 This brief excursion into the history of the cultural international of the 1920s and 30s brings to light another displacement, in this case one occasioned by persistent tendencies to see left radicalism of the time and since as divided between matters of class and race. This displacement has obscured the realities of racial capitalism and antifascist resistance to it that is only now coming more fully into view.

1 George Milburn: Die Stadt Oklahoma: Roman einer Kleinstadt. Berlin 1932, contents page. 2 Donald Trump courted his bigoted electoral base by planning a 2020 presidential rally in

Tulsa on June 19th, or Juneteenth, a day of celebration honoring the emancipation of enslaved African Americans (public outcry prompted moving the rally to the following day). A year later, newly elected U.S. President Joe Biden countered Trump’s undisguised appeal to race hatred by delivering a speech in Tulsa commemorating the 100th anniversary of the city’s Race Massacre. In his address, Biden also called out white supremacy as the greatest threat to the nation. See the White House website: »Remarks by President Biden Commemorating the 100th Anniversary of the Tulsa Race Massacre« (2 June 2021), https://www.white-house.gov/brief ing-room/speeches-remarks/2021/06/02/remarks-by-president-biden-commemo-rating-the100th-anniversary-of-the-tulsa-race-massacre/ (accessed 7 July 2021). 3 Foremost among them is James Q. Whitman: Hitler’s American Model: The United States and the Making of Nazi Race Law. Princeton 2017. 4 I use the word fascism deliberately in this context. Recognizing important distinctions between Germany and the United States, I nonetheless use the term to underscore similarities of intent if not means when it came to white supremacist efforts in both countries to exploit and eliminate »others«. In both countries this included suspension of political rights and personal liberty, terrorism, genocide, state-sponsored killing, and »primitive accumulation« (in the Marxian sense) of capital through enslavement. Because of ongoing efforts to suppress the vote, continued state violence against Blacks and people of color, and other forms of right-wing extremism, leaders across the political spectrum have revived the word »fascism« to describe current assaults on democratic processes in the United States and elsewhere around the globe. I therefore also use the term fascism to suggest important continuities between the racial capitalism of the 1920s and 1930s and that of today. Much has been written in recent years on racial capitalism; for a founding text, see Cedric J. Robinson: Black Marxism: The Making of the

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Barbara McCloskey

Black Radical Tradition, with foreword by Robin D. G. Kelley. Chapel Hill, North Carolina 2000. First published in 1983. This notion of a »cultural« international comes from Michael Denning: Culture in the Age of Three Worlds. London 2004, 51–72. Denning roots the origins of a cultural international in a post-World War I international of writers and intellectuals who drew inspiration from a Communist movement that both elevated an economism emphasizing class and nurtured anticolonial struggles and demands for race justice around the world. Biographical information on Milburn is limited. The most comprehensive account is Steven Turner: George Milburn. Austin, Texas 1970. Randy Krehbiel: Tulsa 1921: Reporting a Massacre. Norman, Oklahoma 2019, p. 5. Lawrence R. Samuel: Pledging Allegiance: American Identity and the Bond Drive of World War II. Washington DC 1997, p. 6. Krehbiel 2019 (as note 7), p. 6. Krehbiel 2019 (as note 7), p. xi. Milburn 1932 (as note 1), pp. 13–14. The rumor that touched off the Tulsa Race Massacre involved a young African American bootblack, or »shoeshine boy«. He allegedly attempted to violate a white female elevator operator in downtown Tulsa. Talk of his imminent lynching erupted in armed clashes between whites and Blacks, followed by wholesale destruction of Tulsa’s Greenwood section. Milburn 1932 (as note 1), pp. 156–159. Zur Mühlen frequently asked Sinclair to send her leftist journals and titles of socialist literature for translation. See, for example, Zur Mühlen to Sinclair (9 July 1919). In: Upton Sinclair, Wieland Herzfelde, and Hermynia Zur Mühlen: Werter Genosse, die Maliks haben beschlossen…, Briefe 1919–1950. Bonn 2001, p. 14. Zur Mühlen continued to translate Milburn’s work into German after the publication of Die Stadt Oklahoma. Upton Sinclair: 100%: The Story of a Patriot appeared in English in 1920. Sinclair selfpublished to avoid censorship of his works. The Getty Images website states the full caption: »Swearing allegiance to the Ku Klux Klan. Ceremony near Baltimore, Maryland in which the Thomas Dixon Klan Number 1 and other Klans participated.« See: https://www.gettyimages.ie/detail/news-photo/swearing-allegianceto-the-ku-klux-klan-ceremony-near-news-photo/515383512 (accessed 3 May 2021). Richard E. Frankel: »Klansmen in the Fatherland: A Transnational Episode in the History of Weimar Germany’s Right-Wing Political Culture« In Journal for the Study of Radicalism vol. 7, no. 1 (Spring 2013), pp. 61–78. Lawrence H. Desberry (Hermynia Zur Mühlen’s nom de plume): An den Ufern des Hudson. Jena 1925. For more on Zur Mühlen and this novel, see Ailsa Wallace: Hermynia Zur Mühlen: The Guises of Socialist Fiction. Oxford 1997, pp. 58–59. Wallace 1997 (as note 18), p. 78. James A. Miller, Susan D. Pennybacker, and Eve Rosenhaft: »Mother Ada Wright and the International Campaign to Free the Scottsboro Boys, 1931-1934« In: The American Historical Review vol. 106, no. 2 (April 2001), pp. 387–430. Gary D. Stark: Entrepreneurs of Ideology: Neoconservative Publishers in Germany, 18901933. Chapel Hill, North Carolina 1981, pp. 225–27. On the conflict between the NAACP and the CPUSA and its impact on their politically divergent anti-lynching exhibitions staged in 1935, see Helen Lange: »Two Antilynching Art Exhibitions: Politicized Viewpoints, Racial Perspectives, Gendered Constraints« In: American Art (Spring 1999), pp. 11–39.

White Supremacy and the Art of Anti-Fascism in the United States and Germany

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23 As Marlene Park observes, Warsager’s Jewish ethnicity likely shaped his insights on the rela-

tionship between racisms in Germany and the U.S. at this time. See Marlene Park: »Lynching and Anti-Lynching: Art and Politics in the 1930s« In: Alejandro Anreus, Diana L. Linden, and Jonathan Weinberg (eds.): The Social and the Real: Political Art of the 1930s in the Western Hemisphere. University Park, Pennsylvania 2006, p. 177. 24 Timothy Snyder: »Forced Forgetting« In: The New York Times Magazine (4 July 2021), pp. 38–43. 25 Susan Neiman: Learning from the Germans: Race and the Memory of Evil. New York 2019, p. 31.

Angela Miller Kenneth Burke in the 1930s: The complete propagandist 1

»… Marxist propaganda lacks any opposite land to myth, any transformation of mythical beginnings into real ones, of Dionysian dreams into revolutionary ones…«2

In 1942, Kenneth Burke – literary critic, essayist, fellow traveler, and speaker at the First American Writers’ Congress of 1935 – shared a dream with his lifelong friend and literary colleague Malcolm Cowley, in which Hitler appears as a beautiful and mysterious but sadomasochistic young girl, a »Führerin«. A rude intrusion from Burke’s days as an apprentice writer in the 1920s, toying with aestheticism and decadence – Burke refers to her as a »Belle Dame Sans Merci« – the young girl Hitler is torturing Burke as he hangs upside down, occasionally fondling her breasts. Cowley’s response to this dream is unrecorded. Burke’s self-revealing description of the young girl Hitler was preceded by a discussion of his own work on A Grammar of Motives (1945), the work that would culminate his intellectual project of the previous decade, involving »the ways in which motives move us and deceive us, and what kind of knowledge the nature of motives demands of us, if we are not to goad one another endlessly to the cult of powers that can bring no genuine humaneness to the world«.3 Burke’s darkly humorous description of his dream was entirely consistent with the manner in which – during his waking hours – he scrambled the polite separation of public and private worlds, upending and inverting the established hierarchies of political determination by allowing the psychosexual to enter the realm of the urgently political.4 Elsewhere Burke responded to Cowley’s request for personal reminiscences about the 1930s by writing that he was »never merely handling a political issue – that, whenever I was trying overtly to patch something up on the political plane, I was covertly making symbolic passes designed to patch up personal problems totally not-political«. He added parenthetically that »It has always been my conviction that all political symbolism is of this sort – which is both the very basis of my analysis of literary action and the fundamental reason why the officialdom always felt there was something phony about my approach.« By officialdom, Burke was referring to the CPUSA, which held fast to what Burke called a »naïve kind of realism«, a realism he distrusted »as a statement about human motivation«.5 Earlier in the decade, in 1934, Burke had pondered how language had the ability to deflect class alignments and to substitute racial categories in their place: »How could ›Aryans‹ distinguish themselves from ›Jews‹ so accurately that they would rather be

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swindled by fellow Aryans than make an alignment with Jews as badly off as themselves? […] How […] can Poor Whites maintain a tremendously important line between their interests and the interests of Negroes, while upholding an equally flimsy classification that throws Poor Whites and Propertied Whites together?«6 Language had the power, in other words, to reorganize the very nature of social perception and commandeer social meaning. Racial categories became, by their very rhetorical dominance in the public language of the powerful, the means through which class affinities that threatened financial and political elites could be disguised, overlooked, suppressed. Burke’s focus on language took a newly urgent turn from theory into practice as he observed how the symbolic language of culture was being commandeered by a range of social voices and forces – from political and corporate interests in the U.S. to fascist and Nazi leaders in Europe. With Hitler’s ascendency, the power of language to disguise its own underlying sources became even more pronounced, demonstrating how rhetoric could shape and misdirect human motivation, from the rise of fascism to the persuasive language of advertising and mass media. As an antidote, he called for what we would term today a form of media literacy: »nothing less than very thorough training in the discounting of rhetorical persuasiveness« in order to preserve democracy and free its citizens from becoming vassals of fascism and capitalism, subject to new forms of social engineering.7 Burke’s call for media literacy may be extrapolated to the rhetoric of visual images: not only the overtly suasive powers of advertising, but the more seamless processes of naturalization by which the eminently social was made to appear a part of the order of nature. Burke’s analysis of political rhetoric over the decade of the 1930s built on his understanding of what happened to language as it became divorced from experience – the rich psychological and social soil that kept language supple and multivalent. Categories and metaphors could become hardened and brittle over time, but one of many strategies for keeping them supple and responsive to changing historical, social, and personal conditions was by renewing language itself – »unbinding« and »divorcing« it from fixed meanings so as to open it to other modes of understanding that broke from »the needs of salesmanship, political landslides, wars, and Hitlerite »sanitation«.8 Without such ongoing renewal of language, it would become rigidified against the impact of life experience and historical change. Losing its power to express experience over time, language was more easily commandeered by malevolent political forces, and invested with meanings and ideas that served entrenched cultural authority. But language also had the power to break apart and reconstitute the known by disassembling, fragmenting, and reorganizing the elements of reality. Burke had learned this much from his earlier apprenticeship to the pre-war and wartime European avant-garde of dada, which presaged a literal return to linguistic origins. Under the pretense of play, dada speech abandoned grammar and logic. Such self-reflexive aesthetics of rupture prepared the way for remaking meanings, offering an invaluable tool of resistance. As Burke wrote to Cowley in 1927, »[…] art is not literally rebellion. But art is the thought that precedes an act, and as such it is per se protest. It would be serving its purpose merely to engender a brand of skepticism, of distrust, which could be an equipment for testing the slogans slung out when interests are endangered.«9 Michael Denning has located Burke as one of the »western Marxists« of the 1930s, those who gave a peculiar stamp to American communism by their pragmatic emphasis

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on the tools of myth, symbol, and rhetoric in building a united left.10 Setting Burke at odds with the hardliners of the CPUSA was his understanding of myth not as ideological obfuscation but as »the basic psychological terms for working together […] the social tool for welding the sense of interrelationship by which the carpenter and the mechanic, though differently occupied, can work together for common social ends«. »They [myths] are not« he continued, »›illusions‹, since they perform a very real and necessary social function in the organizing of the mind.«11 Unlike others who took the plunge into the mythic and the transhistorical in the years ahead, Burke always stayed focused on the pragmatic function of myths as tools of human and social formation. Burke’s dream of the sadomasochistic young girl Hitler exposed the mixed Fig. 1: Kenneth Burke, 1932 motives that in his view complicated the 1930s’ quest for political transformation by drawing it down into the turbulent waters of the psyche. Underlying Burke’s emphasis on motivational economies was his broader aspiration to bring together Marx and Freud. Writing to Cowley about his book Permanence and Change in 1936, he stated his belief that »[…] P & C offers a completely adequate account of the devices whereby Marxian and psychoanalytic fields can be brought together […]«12 His dream exposed one appeal of fascism as the desire to be dominated and punished, and it did so with characteristically absurdist humor. Burke’s insights into the imbrications of psychic and political motives would lead to a strategically effective new deployment of propaganda: one that shifted the rhetorical appeal of political messages from the narrowly ideological to the expansively social and associative. The complex weave of political, social, and personal motives for Burke underlined the need for democratic process; »[…] democracy comes nearest to being the institutionalized equivalent of dialectical processes.« Burke’s ambivalent attitude toward the Communist Party might be traced back to what he felt was its unforgiving attitude toward the tangled motives with which most people approached politics. Official Marxism also posited a conclusive end to history, and by implication, an end to the interpretive process itself, a finality Burke would have resisted.13 In 1939, Burke famously analyzed Hitler’s rhetoric in Mein Kampf, in ways that anticipated his dreamwork three years later in 1942.14 By then, the threat of fascism had outgrown the strategy of ridicule used by Charlie Chaplin in The Great Dictator (1940). »The Rhetoric of Hitler’s Battle« drew on Burke’s insight into the psychosexual energies

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through which Hitler established his sway. But it also brilliantly deconstructed how language itself could become a political and social force through its power to obfuscate underlying motives. Referring to Hitler as a »medicine man«, who wielded a »crude magic, but effective«, Burke analyzed how der Führer used language to manipulate the collective anxieties of Germans. A dominating male wooing and winning over the feminized masses, Hitler also played on the fears of disease and infection – of »blood poisoning« – which he directed against Jews.15 Burke moved into the heart of Hitler’s rhetorical appeal by uncannily mirroring back to the reader Hitler’s own »medicine«. Hitler had ridden to power precisely by demonizing parliamentary democracy at a time when Germans were buffeted by the instabilities of modern democratic forms. Burke’s choice of words to characterize Hitler’s attack is revealing, for Hitler employed the language of modern homelessness and exile – »disruption«, »discordancy«, and »vocal diaspora« – a displacement of the voice from its grounding in the nation – as well as »disintegration«, and »fragments«. All these forms of modern homelessness would come to symbolize for Hitler everything that was wrong with the prevailing order. Hitler’s rhetoric offered a cure for the disease of cosmopolitanism, an »integrative core« that would once again rebind the »conflicting voices« of »a tottering Habsburg Empire« into a new unity under his leadership.16 He used language to extend to his audiences a deceptive haven from homelessness. Perhaps most profoundly, Burke identified how Hitler’s rhetoric addressed the deeply human quest for fulfillment and connection. »Did not much of his lure derive, once more, from the bad filling of a good need?«17 By projecting internal conflict between groups and classes onto the figure of the outsider – the externalized enemy embodied in the figure of the Jew – Hitler answered the collective »yearning for unity«. For a population lacking any stable world view or explanatory frame, thrown upon the »planless« workings of the free market, Hitler’s success in winning people over seemed entirely comprehensible to Burke, as he turned his critique of national socialism toward an even more encompassing attack on capitalism itself. Hitler blamed the lack of a sense of belonging not on capitalism – its real underlying source – but on the externalized enemy, the ›rootless‹ Jew. The corrective to Hitler’s bad medicine – his rhetorical slippages and »emotional trickeries« – was to lay bare his metaphors – to trace them back to their motivational core – and then to address these in ways that served to advance the politics of the left.18 Delivered at the Third American Writers’ Congress in 1939, »The Rhetoric of Hitler’s Battle« drew admiring commentary, not least from the young African American writer Ralph Ellison: »My real debt lies to you in the many things I’ve learned (and continue to learn) from your work. […] That is a debt I shall never stop paying back and it begins back in the thirties when you read the rhetoric of »Hitler’s Battle« before the League of American Writers, at the New School (I believe you were the only speaker out of the whole group who was concerned with writing and politics, rather than writing as an excuse for politics – and that in a superficial manner).« Ellison’s distinction between writing as a substitute for politics, and writing as a form of politics, captured Burke’s ambitions as a rhetorician, and also the reasons for his dismissal of critical writing that engaged in what he associated with a form of cultural vandalism: giving audiences what they wanted rather than what they needed.19 What they needed were the analytic tools with which to combat the effects of rhetoric itself. 20 The only counter to

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the persuasive powers of rhetoric was the demystifying power of rhetorical analysis. Or, as we’ll see, a better form of rhetoric, which Burke explicitly linked to propaganda. For Burke did more than isolate the terms of Hitler’s rhetoric; he also identified its fundamental strategy of »associative merger« by which one set of characteristics – the conflict-laden »babel« of a highly contested public sphere – became a »Babylon« of poverty, prostitution, immorality, […] incest, democracy.« All these lay behind Hitler’s »sinister powers of persuasion«, a gripping example of how rhetoric worked to elide and ultimately bond together different orders of experience: the social and the sexual; the political and the moral.21 Burke had already taken the measure of this powerful ›medicine‹ by 1935, when he turned the strategy of ›associative merger‹ toward a different and benign form of propaganda, in his first speech to the American Writers’ Congress. That speech – »Revolutionary Symbolism in America« – inverted the conventional understanding of propaganda in ways that anticipated the more capacious political reach of the Popular Front. »Revolutionary Symbolism« however provoked an angry backlash from his comrades, including the communist writers Mike Gold and Joseph Freeman.22 »The question arises« Burke asked, »Is the symbol of the worker accurately attuned to us, as so conditioned by the reactionary forces in control of our main educational channels? I tentatively suggest that it is not.« Burke went on to make the case – before an audience of communists and fellow travelers – that a different symbol – that of »the people« – would better serve as an »ideal incentive« to winning over a middle-class public. »The people« was a summons to unity far more effective than the divisive rhetoric of class conflict. As a term, it hailed into being a possible classless future, not yet realized; it rang with nationalistic fervor while at the same time distancing itself from those who »would hide their class prerogative behind a communal ideology«.23 And »the people« drew upon a rich democratic vernacular immunized against the defensive reaction that so many Americans had in the face of political speech. Elsewhere, Burke would call it »boring from within«, a strategy directed at addressing political subjects through the logic of everyday ethics and commonsense realities.24 Unexperienced in public speaking, and not entirely confident about his political bona fides among his Communist cohort, Burke anticipated objections. He acknowledged the false claims to unity that misuse of such a general term as »the people« could license, the ways in which unity is »misused by nationalists to mask the conditions of disunity«.25 But what is most remarkable about Burke’s 1935 speech was the manner in which it transvalued the meaning of propaganda itself, revealing that it was not propaganda as such that represented a danger to democratic values, but its misappropriation by those who would play on the deepest desires and needs of his audience in order to misdirect them toward scapegoats on which to fasten their resentments. As his 1939 essay on Hitler’s Mein Kampf made clear, the value of rhetoric was its power to tap into those deeper layers of experience that gave flesh and life to ideological pronouncements. The ›complete propagandist‹ was able to meld together the inarticulate longings of ordinary people with a summons to possible and brighter futures in ways that spoke directly to their own lived experience. Burke’s work as an agent and strategist of mass mobilization was »to plead with the unconvinced«, which required him to use »their vocabulary, their values, their symbols, insofar as this is possible«.26 Burke understood the power of propaganda and the power

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of symbols as »device[s] for spreading the areas of allegiance«. New symbols should be able to summon unity and shared values, through whatever means – cajoling, wheedling, ingratiating – »[P]ropaganda by inclusion«, as he called it. Burke thus redefined propaganda by endowing it with precisely that which it conventionally lacked – experiential dimensionality – surrounding its bald appeals »with as full a cultural texture as he can manage, thinking of propaganda not as an oversimplified, literal, explicit writing of lawyer’s briefs but as a process of broadly and generally associating his political alignment with cultural awareness in the large«.27 Burke’s proposal to pivot the rhetoric of revolution from »the worker« to » the people« was precisely the move dictated by the Comintern at its Seventh International Congress in August 1935, in the call for a »Popular Front«.28 All the same, Burke’s delight in paradox, his pragmatic flexibility in the face of human shortcomings, and his humor, did not endear him to the ideologues of the CP. A reviewer for the New Masses – with an image idiosyncratic enough to be Burke’s own – remarked that his attitude toward Marxism was that of »a dog gingerly flirting with a porcupine«. As Daniel Aaron pointed out, Burke’s approach was always geared toward the tactical requirements of movement-building rather than toward ideological fixities.29 The ensuing debate between Burke and »the Party’s demonic orators«, as he called them, was not fundamentally ideological – both sides believed in a class-based theory of historical change – but instead a difference over tactics.30 But others accused him of manipulating symbols in a manner befitting Hitler himself.31 Burke’s Grammar of Motives – which came out of this moment – traced the motivational matrix which shaped the reception of social and political language and its translation into action in ways the wielder of this language could not always control. Burke would argue that meaning was conditional on an expanded understanding of context; for instance, the context of class affiliation might include not simply the immediate social landscape – in which elements were linked together metonymically (the factory floor, the boss, and capitalist oppression) – but also a range of other factors that conditioned how certain symbols were processed and understood. »When an average compatriot expresses his allegiance to capitalism, he is not considering merely the things that make it different from other economic systems. The symbol also includes for him such notions as family, friendship, neighborliness, education, medicine, golf, tools, sunlight, future and endless other such sundries. When the orator shouts »Down with capitalism!« the auditor often resists because he is countering in secret, »I love the memory of the river bank where I lolled in the sun as a boy.«32 Opening up political speech to this expanded arena of associations transformed propaganda in its narrowest sense into »complete propaganda«, drawing on cultural depth rather than on mere social adjacency. Once again – in 1937 – Burke diagnosed the psychic and memory-laden origins of political events in his admiring essay on his friend Peter Blume’s anti-fascist painting of that year, Eternal City (Fig. 2). Calling it »the painting of a surrealist, turned social propagandist«, he noted how »the propagandist element merely takes its place as one function in a broad texture of consciousness […]«33 transforming a »purely utilitarian act« of selling a policy into the expression of »a total personality«. The communist Isidore Schneider sounded a related note in a second admiring essay on the work: »[Blume’s] are symbols that comprehend reality, and his realities are presented with such adroit understanding that they immediately flower into the symbol.«34 If the central

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Fig. 2: Peter Blume, The Eternal City, 1934–37

motif of Eternal City was the livid green jack-in-the-box head of Mussolini – with its painted red lips and bulging eyes – his cartoon-like element was situated within a landscape drawing on a depth of symbolic and historical interest, and spanning a range of social actors, from the Catholic Church to the colluding figures of capitalist and gangster, and from the misguided devotions of those in thrall to the church to the brownshirts pillaging the rich historical legacy of Italy for their own ends. The oversized head of Mussolini represents an absurdist eruption from the depths of childhood terror, a surreal intrusion into a landscape in which history, culture, politics, ethics, and religion are integrally related; and in which »irony, indignation, misery, pathos, heroism« are organically webbed together as collective responses. Against this backdrop, the propaganda element – the grotesque caricature of Mussolini – realized its fullest promise, grounding politics in the layerings of childhood memory, and in the deeper lessons of history that lay buried in the contrast between the catacomb-like chambers of early Christian persecution and the corruptions of the institutionalized church in the present. The deeper logic of Eternal City rests in how a fragmented past in literal ruin is related to a present in which old women are beggared, citizens beaten, and the grand promises of enlightenment betrayed by the forces of barbarism. Burke was drawn to Blume’s painting for how it realized his expanded understanding of propaganda: as a form of expression that could situate directly political speech within a landscape of complex human motives.

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As we enter an era defined by a new global turn toward fascism – from the U.S. to Brazil, India, Hungary, and beyond, and fueled by emotional appeals to ethnic and national belonging – our mobilizing energies might well turn toward a deeper understanding of the underlying motives that right-wing leaders have so skillfully engaged, only to turn these toward false and misleading mergers with more proximate targets: targets that divide working people from one another along lines of ethnic and racialized difference; and around fables of purity and origin, that express longings unsatisfied by life under capitalism. To counter such facile slippages – to ›bore from within‹ as Burke would call it – means living deeply inside a culture, confronting its contradictions and conflicting motives, and its ›non-contemporaneous‹ elements that harbor within them the promise of renascence.35 1 The phrase »complete propagandist« is from Burke’s speech »Revolutionary Symbolism« in

Henry Hart, ed.: American Writers’ Congress. New York, 1936, p. 90. 2 Ernst Bloch: Heritage of Our Time. Cambridge, UK, 1991, p. 60; first published in 1935. 3 Burke to Cowley, January 27, 1942. In: Paul Jay, ed.: The Selected Correspondence of Ken-

neth Burke and Malcolm Cowley, 1915-1981. New York, 1988, pp. 250 and 249. 4 The published correspondence with Cowley separates the two passages in the 1942 letter with

an ellipsis; I was unable to see the original. 5 Burke, letter to Cowley, Dec. 21, 1940. In: Burke/Cowley 1988 (as in note 3), p. 236. 6 »The Meaning of C. K. Ogden« In: The New Republic, vol. 78, May 2, 1934, p. 330. See also

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»Character of Our Culture« In: The Southern Review, vol. 6, Winter/Spring 1941, pp. 675– 694, where Burke targeted the use of racial terms of analysis for their role in »deflecting our understanding away from »problems of temporal power and authority« and from »economic criticism,« p. 685. See here Burke’s colleague James Rorty – one of the founding editors of the New Masses – who employed similar techniques of unmasking in Our Master’s Voice: Advertising. New York, 1934. See also Don M. Burks: »Kenneth Burke: The Agro-Bohemian »Marxoid« In: Communication Studies, vol. 42, no. 3, Fall 1991, p. 228. »The Meaning of C. K. Ogden« (as note 6), p. 331. Burke, letter to Cowley, February 22, 1927. In Burke/Cowley 1988 (as note 3), p. 179. On Burke, see Michael Denning: The Cultural Front: The Laboring of American Culture in the Twentieth Century. London and New York, 1996, pp. 135 and 434–445. Denning connects Burke’s understanding of myth indirectly to the emergence of the »myth and symbol« current of critical American Studies scholarship in the 1950s, which he in turn traces back to the »cultural front« of the 1930s. See also Denning: »The Special American Conditions: Marxism and American Studies« In: American Quarterly, vol. 38, no. 3, 1986, pp. 356–80. »Revolutionary Symbolism« (as note 1), p. 88. Burke, letter to Cowley, Feb. 27, 1936. In: Burke/Cowley 1988 (as note 3), p. 210. See Burks 1991 (as note 7), p. 225. The essay was originally published as »The Rhetoric of Hitler’s Battle«. In: The Southern Review, vol. 5, Summer 1939, pp. 1–21, after being presented at the Third American Writer’s Congress. It was subsequently published in revised form in Burke’s book of essays The Philosophy of Literary Form: Studies in Symbolic Action. Baton Rouge, 1941, pp. 191–220. Citations will be from this latter source. Burke 1939 (as note 14), pp.192 and 195.

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Burke 1939, p. 200. Burke 1939, p. 218. Burke 1939, p. 218 and 220. Burke 1939, p. 191. Ellison is quoted in Garth Pauley: »Criticism in Context: The Rhetoric of Hitler’s Battle,« in KB Journal of the Kenneth Burke Society, vol. 6, issue 1, Fall 2009. Pauley’s article also includes the complex publishing history of the essay, and its reception. https://www.kbjournal.org/content/criticism-context-kenneth-burkes-rhetoric-hitlers-battle. Burke 1941, pp. 200 and 211. On the American Writers’ Congress of 1935 see Andrew Hemingway: Artists on the Left: American Artists and the Communist Movement, 1926-1956. New Haven and London, 2002, p. 23 and passim. Burke 1936 (as note 1), p. 90. »Boring from »Within« In: The New Republic, Feb. 4, 1931. Burke 1936, p. 90. Burke 1936, p. 92. Burke 1936, p. 93. Cowley, cited in »Thirty Years Later: Memories of the First American Writers’ Congress« In: American Scholar, vol. 35, no. 3, Summer 1966, pp. 495–516, quote on pp. 507. See Daniel Aaron: Writers on the Left: Episodes in American Literary Communism. New York, 1961, p. 290. Thirty years later, Malcolm Cowley could joke that he pleaded with those giving speeches at the 1935 Writers’ Congress to please »make their pronouncements in English […] they all wanted to speak in international Communist jargon.« Cowley, cited in »Thirty Years Later« (as in note 28), pp. 495. Burke later identified this attack on him as coming from the German émigré Fredrich Wolf at the Writers’ Congress. Burke reported feeling »slain, slaughtered«, Burke’s account of the incident is characteristically quite funny. »Thirty Years Later«, p. 506. Kenneth Burke: »Maxims and Anecdotes« In: New Republic, Feb. 23, 1938, p. 69. Kenneth Burke: »Growth Among the Ruins« In: New Republic, vol. 93, no. 1202, December 15, 1937, pp. 165-66; reprinted in The Philosophy of Literary Form (as in note 13), pp. 435– 38. See also Sergio Cortesini, »Battling over the Eternal City« In: Robert Cozzolino, ed., Peter Blume: Nature and Metamorphosis. Philadelphia, 2014, pp. 58–83. Isidore Schneider: »A Notable Anti-Fascist Painting« In: International Literature, no. 1, January 1938, pp. 100–02. The term »non-contemporaneity« comes from Bloch 1935/1991 (as in note 2), pp. 2 and throughout. My thanks to Andrew Hemingway for drawing the connections between Bloch and Burke.

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»Wie kommen politische Wirkungen von Bildern zustande?«, fragte Jutta Held 1985 in einem Artikel für Das Argument.1 Am Beispiel von Picassos Guernica hob sie vor allem die Rezeptionsbedingungen hervor, die ein Werk politisch wirksam werden lassen: das Vorhandensein einer politischen Kultur, in der das Werk den Status eines politischen Symbols gewinnen kann, eine kulturelle Kompetenz, die nicht nur politische Bedeutungen im engeren Sinne, sondern auch die politischen Aspekte kulturgeschichtlicher Semantiken erkennt, und schließlich ein politisch diskursives Klima, in dem die Bedeutung von Werken nicht in Stein gemeißelt, sondern umstritten ist, infrage gestellt wird, sich verändert und deshalb immer wieder neu thematisiert, diskutiert, begründet und aktualisiert wird. Den Bildern ihre politische Bedeutung und Wirkung zu erhalten, sah sie insbesondere als Aufgabe der Wissenschaft. Der Artikel liest sich wie ein Gründungsmanifest der Guernica-Gesellschaft, die sie 1986 ins Leben gerufen hat und die ein Jahr später mit dem internationalen Kongress Der spanische Bürgerkrieg und die bildenden Künste erstmals öffentlich in Erscheinung trat.2 Man könnte nun einwenden, dass die Bedingungen, um politische Wirkung entfalten zu können, für kaum ein Kunstwerk jemals so ›günstig‹ waren wie für Picassos Guernica, und fragen, wie es sich mit jenen Werken der Kunst verhält, die ohne die öffentliche Aufmerksamkeit auskommen mussten, die Guernica von 1937 bis heute auf sich zieht? Diese Frage soll im Folgenden am Beispiel von Carl Baumanns Rote Kapelle Berlin (Abb. 1) diskutiert werden,3 einem Werk aus dem Jahr 1941, das bis 1991, als es vom Westfälischen Landesmuseum in Münster erworben und in die ständige Sammlung aufgenommen wurde, kaum jemand kannte.4 Widerstand an den Vereinigten Staatsschulen in Berlin Carl Baumann, 1912 in Hagen in Westfalen geboren, Meisterschüler an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin und seit 1940 als Soldat im Krieg, malte es 1941 während eines Studienurlaubs in Berlin.5 Die Informationen über das Bild, die 1991 von Siegfried Kessemeier vom Westfälischen Landesmuseum veröffentlicht wurden,6 gehen offenbar auf den Künstler selbst zurück. Danach handelt es sich bei den drei Männern, die in Halbfigur vor der Kulisse einer großen Brückenbaustelle dargestellt sind, um Mitglieder der als Rote Kapelle bekannt gewordenen Widerstandsgruppe Schulze-Boysen/Harnack, bei der Figur am rechten Bildrand, die sich nach den drei Männern umsieht, um ein Selbstbildnis Baumanns. Baumann war seit 1936 Student an den Vereinigten Staatsschulen, zunächst in der Bildhauer-Klasse des Expressionisten Ludwig Gies, dann beim neusachlichen

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Abb. 1: Carl Baumann, Rote Kapelle Berlin, 1941

Landschafts- und Stilllebenmaler Franz Lenk. Beide wurden 1938 zur Aufgabe ihrer Lehrtätigkeit gezwungen: Gies, nachdem er mit seinem expressionistischen Kruzifix aus dem Lübecker Dom im Jahr zuvor in der Münchner Ausstellung »Entartete Kunst« an den Pranger gestellt worden war,7 und Lenk, der erst 1933 den Ruf erhalten und noch im selben Jahr Mitglied im Präsidialrat für bildende Kunst in der Reichskulturkammer geworden war, nach seiner Weigerung, an der ersten »Großen Deutschen Kunstausstellung« 1937 in München teilzunehmen.8 Direkten Kontakt zur Roten Kapelle hatten an den Vereinigten Staatsschulen Kurt Schumacher, Meisterschüler bei Gies, und Fritz Cremer, Meisterschüler bei Wilhelm Gerstel, die sich ein Atelier teilten, das als illegaler Briefkasten der Widerstandsgruppe fungierte.9 Die beiden waren zugleich Mitglieder in einem Kreis antifaschistischer Studenten, der sich in der Praxis der Ärztin Elfriede Paul traf, der Lebensgefährtin des Schriftstellers und Journalisten Walter Küchenmeister, eines weiteren Mitglieds der Roten Kapelle.10 Zu diesem Kreis gehörte auch Carl Baumann, der als Student der Klasse von Gies in engem Kontakt zu Kurt Schumacher stand.11 Im Sommer 1942, ein Jahr, nachdem Baumann die Rote Kapelle Berlin gemalt hatte, tauchte die SA in seinem Atelier auf, ohne allerdings das Bild und dessen politische

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Bedeutung zu bemerken. Zur selben Zeit setzte eine Verhaftungswelle gegen die Mitglieder der Roten Kapelle ein, von der zunächst Harro Schulze-Boysen und dann auch Arvid Harnack, Kurt und Elisabeth Schumacher, Walter Küchenmeister und Elfriede Paul und am 19. September 1942 auch Carl Baumann betroffen waren. Während Baumann nach zwei Monaten Haft entlassen und zur ›Bewährung‹ an die Ostfront abkommandiert wurde, wurden Schulze-Boysen, Harnack, Schumacher, Küchenmeister und viele andere wegen Hochverrat zum Tode verurteilt und noch Ende 1942 bzw. Anfang 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.12 Baumann erlitt 1944 bei Warschau eine Kriegsverletzung, erlebte das Kriegsende in einem Gefangenenlager, kam im Juli 1945 frei, fand sein Bild Rote Kapelle Berlin unversehrt im Berliner Atelier vor und nahm es mit, als er 1947 in seine Heimatstadt Hagen zurückkehrte.13 Realismus als Tarnung Bei den drei Männern auf dem Bild soll es sich von links nach rechts um Harro SchulzeBoysen, Walter Küchenmeister und Kurt Schumacher handeln, so führt es Kessemeier (1991) in seinem Beitrag aus.14 Im Vergleich mit den Fotos des Gestapo-Albums zur Roten Kapelle15 zeigt sich die deutlichste Porträtähnlichkeit in der Darstellung Walter Küchenmeisters in der Bildmitte. Kurt Schumacher ist weniger durch seine keineswegs unauffällige Physiognomie zu identifizieren, als vielmehr durch seinen weißen Künstlerkittel und die unmittelbare Nähe zu Baumann rechts hinten, der ihn mit seinem Pinsel leicht zu berühren scheint. Ebenso gut, vielleicht sogar noch eher, könnte es sich um ein Porträt von Arvid Harnack handeln. Kaum zu identifizieren ist Harro Schulze-Boysen auf der linken Seite. Die dargestellte Person hat eher eine gewisse Ähnlichkeit mit Günther Weisenborn, einem weiteren Mitglied der Roten Kapelle in Berlin und einem der frühen Chronisten des antifaschistischen Widerstands.16 Ihm fehlte allerdings die Brille, die Kurt Schumacher auf der anderen Seite nicht tragen dürfte (Harnack dagegen schon). Ein identifizierbares Porträt von Schulze-Boysen hätte für Baumann gefährlich werden können. Dies mag ein Grund dafür gewesen zu sein, den Bildncharakter an ssich zu betonen, die Ähnlichkeiten mit den Porträtierten aber nicht zu deutlich werden zu lassen.17 Die auffällige Modellierung der Gesichter weicht vom Stil der nationalsozialistischen, d. h. der vom Nationalsozialismus geförderten Kunst ab und ist eher an der neusachlichen Malerei, genauer gesagt am Verismus der zwanziger Jahre orientiert, insbesondere an der Dresdner Malerei der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre, 18 ohne dass allerdings die Physis so stark verfremdet wäre, dass es als Stilmittel der Weimarer Zeit hätte wahrgenommen werden können. Dezente Anklänge an die politische Malerei der späten zwanziger Jahre, die der Arbeiterbewegung nahestand, sind auch in den auffällig gekrümmten Händen der dargestellten Figuren zu erkennen, die in ihrer Anordnung nicht nur die Verbindung der Porträtierten untereinander symbolisieren, sondern sich auch zu Fäusten zu ballen scheinen.19 Dem ikonografischen Fundus der Arbeiterbewegung ist zudem das Motiv der Brücke entnommen, das die Figurengruppe hinterfängt. In früheren Bildern von Oskar Nerlinger und Illustrationen von Victor Theodor Slama (Abb. 2) wurde es als Symbol der Arbeiterbewegung eingesetzt.20 Ebenso wie die gekrümmten, aber noch nicht zu Fäusten geballten Hände markiert die noch im Bau befindliche, vom Gerüst umgebene Brücke ein Anfangsstadium, eine

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Phase der Vorbereitung bzw. der Entstehung eines gemeinsamen Werkes. Und ebenso wie die Hände steht die Brücke für etwas Verbindendes, in diesem Fall nicht nur zwischen zwei Orten, sondern im übertragenen Sinne auch zwischen der jüngeren Vergangenheit und der näheren Zukunft. In den gekrümmten Händen deutet sich ein Aufbegehren an, die Brücke ist Sinnbild einer Utopie. Die Sinnbildhaftigkeit der Szene wird auch in der Art und Weise deutlich, in der das Bauwerk auf die Figuren im Vordergrund bezogen ist. Die drei Bögen der Brücke wirken hinter den Widerstandskämpfern wie ein Triumphbogen. Der Maler am rechten Bildrand wird dagegen von einer der BrückensäuAbb. 2: Victor Theodor Slama, Die Brücke, len hinterfangen. Er sieht seine bildliche 1929 Dokumentation des Widerstands offenbar als Basis für dessen spätere Würdigung, um im Bild zu bleiben. Signifikant ist in diesem Zusammenhang auch der Kontrast zwischen der Massivität des Bauwerks und dem feinen Pinsel des Malers, sicher aber auch die formale Parallele zwischen dem Pinsel und dem Baugerüst. Dazu passt, dass der Künstler sein Monogramm und die Datierung auf einem Brückenschild (»19KB41«)21 in der Bildmitte hinterlassen hat: Es markiert gleichzeitig die Entstehungzeit des Bildes und das Datum der Fertigstellung der Brücke, in diesem Fall der Saaletalbrücke in Jena-Göschwitz,22 deren Bau 1938 begonnen und 1941 abgeschlossen wurde. Ikonografisch und symbolisch bleibt die Szene ambivalent. Es fällt nicht schwer, auch Bezüge zur christlichen Ikonografie auszumachen, insbesondere zur GolgathaSzene, die hier in abgewandelter Form anklingt. Die Figur in der Mitte könnte man mit etwas Fantasie als Arbeiter-Christus interpretieren, der in seiner dunklen Kleidung in einen auffälligen Kontrast zu den ihn flankierenden ›geistigen‹ Arbeitern gestellt wird, das Brückengerüst im Hintergrund als Kreuzigungsstätte. Die überfangenden Brückenbögen erzeugen Nimben, insbesondere über der zentralen Figur, das Baugerüst mit den Diagonalverstrebungen hinter dem Kopf von Küchenmeister lässt Assoziationen an eine Dornenkrone zu, das Brückenschild könnte als Hinweis auf die Kreuzestafel zu verstehen sein. Das Zusammendenken von Utopie und Passion, auch das angedeutete Märtyrerthema, schlagen die Verbindung zwischen der biblischen Geschichte und der Realität des antifaschistischen Widerstandskampfes. Ähnliche Semantiken und Bezüge finden sich zur selben Zeit auch in der nationalsozialistischen Kunst. In Hans Schmitz-Wiedenbrücks Triptychon Arbeiter, Bauern und Soldaten von 1941 etwa mutiert der Arbeiter zum Bestandteil einer militärischen ›Dreifaltigkeit‹.23 Was den architektonischen Hintergrund betrifft, so werden heroische Baustellenbilder und ›dampfende‹ Industrielandschaften in den späten dreißiger und

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frühen vierziger Jahren im nationalsozialistischen Deutschland zu einer bevorzugten Bildgattung. An Brückenbildern, denen mit Blick auf den Autobahnbau eine besondere ideologische Funktion zukam,24 sind vergleichend vor allem Erich Merckers Autobahnbrücke Teufelstal (Abb. 3) und Carl Theodor Protzens Bau der Autobahnbrücke Limburg zu nennen, die 1938 bzw. 1939 in der »Großen Deutschen Kunstausstellung« in München gezeigt wurden.25 Mercker hat die Teufelstalbrücke bei Jena gemalt, die zwischen 1936 und 1938 geAbb. 3: Erich Mercker, Autobahnbrücke Teubaut wurde, Baumann in seiner Roten felstal, Große Deutsche Kunstausstellung, Kapelle Berlin quasi das direkte AnMünchen 1938 schlussprojekt. Anders als die Industrielandschaften und Brückenbilder der Neuen Sachlichkeit, in deren Tradition Carl Baumann arbeitete, münden die vergleichbaren Bilder der NS-Kunst – wie Adam C. Oellers (1978) es formuliert hat – »in eine den Arbeiter aussparende Verherrlichung industrieller Produktion«.26 Darin liegt der ideologisch und sozialgeschichtlich signifikante, entscheidende Unterschied. Baumann hat mit seinem Bild des Widerstands einen Weg gefunden, einerseits an die linkspolitische Kunst der späten zwanziger Jahre anzuknüpfen, andererseits aber auch Elemente der aktuellen NS-Malerei aufzugreifen (die ihrerseits auf Motive der Arbeiterkultur zurückgriff), die den politischen Inhalt des Bildes tarnten. ›Eingeweihte‹ hätten die politische Distinktion, die er mit den Figuren ins Bild brachte, vermutlich verstanden, auch wenn sie die Personen nicht hätten identifizieren können. Für zeitgenössische Betrachter:innen, die nicht dem linken künstlerischen und intellektuellen Milieu angehörten, dürfte der politische und ikonografische Anspielungsreichtum, insbesondere die dezente, aber ausgeklügelte Symbolik, dagegen nur schwer zu dechiffrieren gewesen sein. Von der Ästhetik des Widerstands, wie sie in der oppositionellen Malerei der dreißiger Jahre in Deutschland und im Exil verbreitet war, unterscheidet sich Baumanns Bild deutlich. Die Widerstandsbilder der dreißiger Jahre zeigen zumeist inhaftierte und misshandelte Oppositionelle, oft in dramatischen Posen als Gefesselte oder als Opfer physischer und psychischer Gewalt. Darstellungen des Widerstands waren die Ausnahme. Zu den seltenen Beispielen zählt Gerd Arntzʼ 1934 entstandener Holzschnitt Das dritte Reich, in dem ein Arbeiter in der Rüstungsindustrie seinem Kollegen ein Buch zur politischen Aufklärung reicht.27 Häufiger wurden Haft- und Folterszenen ins Bild gesetzt, zum Beispiel in Hanns Kraliks Holzschnittzyklus Trotz alledem (1934–35), Karl Schwesigs Schlegelkeller-Zeichnungen (1935/36), George Groszʼ Serie Interregnum (1936), Carl Mefferts Zyklus Nacht über Deutschland (1937/38) oder Hans Grundigs Radierfolge Tiere und Menschen (1934–38).28 Diese Bilder gingen auf die erste Welle politischer Verhaftungen im Jahr 1933 zurück, von der vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten betroffen waren, die man

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in Arbeitslagern zu disziplinieren versuchte. Von dem Pathos und der Wut, die aus diesen frühen Bildern des Widerstands sprechen, die später auch in Picassos Guernica oder nach dem Krieg in Ossip Zadkines Rotterdamer Mahnmal Die zerstörte Stadt den Grundton bilden, ist Baumanns Rote Kapelle Berlin weit entfernt. Sein Bild hat nicht die Emotionalität, die Rhetorik und die Verve einer Kunst, die in die Öffentlichkeit drängt und sie aufzurütteln versucht, sondern ist leise und verschwiegen, wie die Handlung, die ins Bild gesetzt wird.29 Auch das dürfte dazu beigetragen haben, dass die Rote Kapelle Berlin im Zweifelsfall nicht als Bild des Widerstands wahrgenommen worden wäre. Baumanns Darstellung ist eher vergleichbar mit Bildern geheimer, konspirativer, aber thematisch und politisch indifferenter Treffen, wie sie in Abb. 4: Fritz Cremer, Walter Husemann, 1939 den späten dreißiger und frühen vierziger Jahren im Exil gemalt wurden, etwa mit Felix Nussbaums Das Geheimnis von 1939 oder Max Beckmanns Les Artistes mit Gemüse aus dem Jahr 1943.30 Dass Baumann sich offenbar als künstlerischen Chronisten des Widerstands verstand, macht die Rote Kapelle Berlin vergleichbar mit den Porträts von Widerstandskämpfern, wie wir sie von Hans und Lea Grundig oder von Johannes Wüsten kennen,31 vielleicht auch mit Porträts von Exilierten, wie sie Arthur Kaufmann 1938 in Arts and Sciences Finding Refuge in the USA gemalt hat,32 oder aber naheliegend – wenn auch gattungsverschieden – mit Fritz Cremers Porträt Walter Husemanns von 1939 (Abb. 4),33 einem Mitglied der Roten Kapelle, das 1943 hingerichtet wurde.34 Auch Cremer ›tarnt‹ sein Porträt durch Anleihen an die NS-Ästhetik. Baumanns Rote Kapelle Berlin ist sicherlich nicht – wie gelegentlich behauptet wird – das einzige Bild des antifaschistischen Widerstands, aber es ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand eines der wenigen Bilder, die den geheimen, operativen Widerstand der späten dreißiger und frühen vierziger Jahre thematisiert und dabei eine andere, subtilere, in gewisser Hinsicht ›verborgene‹, noch zu entschlüsselnde Ästhetik des Widerstands eingesetzt haben. Das Bild der Roten Kapelle im Westen Nachdem die Widerstandsarbeit der Roten Kapelle unmittelbar nach Kriegsende zunächst allgemeine Anerkennung gefunden hatte, setzte sich in der öffentlichen Wahrnehmung mit Beginn des Kalten Krieges ein Bild durch, das die Gruppe vor allem als einen von Moskau gesteuerten Spionagering darstellte. Das diffamierende Narrativ der

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»Landesverräter« ging auf Gestapo-Quellen zurück, insbesondere auf Aussagen von Manfred Roeder, der 1942 als Ankläger in den Prozessen gegen die Mitglieder der Roten Kapelle für die Ermordung von Widerstandskämpfern mitverantwortlich war und nach dem Krieg zu seiner Rechtfertigung vorbrachte, er habe Spione ihrer gerechten Strafe zugeführt, und damit einer Verurteilung entging..35 Der westdeutschen Justiz und Politik, die selbst nicht unbelastet und überdies in den fünfziger Jahren von starken antikommunistischen Ressentiments geprägt waren, spielte das von Roeder in die Welt gesetzte Bild in die Karten. Prominente westdeutsche Historiker wie Gerhard Ritter bestätigten dann im weiteren Verlauf des Jahrzehnts die negative Einschätzung und Bewertung der Roten Kapelle.36 Stimmen wie jene des Schweizer Theologen Karl Barth, der 1954 in einer Rede zum Volkstrauertag die Widerstandsleistung der Roten Kapelle würdigte, gehörten in dieser Zeit zu den Ausnahmen.37 In der DDR erfuhr die Rote Kapelle eine hohe Wertschätzung, allerdings pflegte man auch dort das Bild des Agentenrings, weil sich damit die eigene Spionagetätigkeit und die Kooperation mit der Sowjetunion in eine antifaschistische Tradition stellen ließen. Eine von Heinz Höhne konzipierte Spiegel-Serie mit dem Titel »ptx ruft moskau«,38 die sich auf zweifelhafte Quellen stützte, schrieb das Bild 1968 im Westen fort, ein DEFAFilm von Horst E. Brandt mit dem ähnlich lautenden Titel »KLK an PTX – Die Rote Kapelle« bestätigte es drei Jahre später in der DDR.39 Als Peter Weiss der Gruppe zwischen 1975 und 1981 mit seiner dreibändigen Ästhetik des Widerstands ein literarisches Denkmals setzte und sich dabei vor allem von dem historischen Volksfrontgedanken leiten ließ, den er seinem Roman unterlegte, stieß das zwar im linksintellektuellen Milieu auf ein starkes Interesse, veränderte aber nicht das Bild der Roten Kapelle in der westdeutschen Öffentlichkeit.40 Erst als nach 1990 Dokumente in sowjetischen Archiven eingesehen werden konnten, wendete sich das Blatt.41 Jüngere Arbeiten, etwa von Stefan Roloff (2002) und Anne Nelson (2009), gehen inzwischen davon aus, dass sich der Widerstand und die Aufklärungsarbeit der Roten Kapelle, insbesondere der Berliner Gruppe um Schulze-Boysen und Harnack, vor allem nach innen richtete und sich nicht als Agentendienst verstand.42 Als Carl Baumann seine Rote Kapelle Berlin 1989 erstmals in einer Ausstellung zeigte43 und sich 1990 von Kessemeier zu einem Verkauf des Bildes an das Westfälische Landesmuseum überreden ließ, deutete sich die politische Neubewertung der Roten Kapelle zwar schon an, nicht zuletzt, weil auch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand ihr seit dieser Zeit einen neuen Platz in ihrer ständigen Ausstellung einräumte, war aber in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht vollzogen. Das Faltblatt, in dem Kessemeier die Rote Kapelle Berlin den Museumsbesuchern vorstellt, argumentiert noch deutlich aus der Defensive. Kessemeier führt die Rote Kapelle als »ein weltweit verzweigtes, konspiratives Netz von NS-Gegnern ein, die ihre Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion setzten«, in dem sich »Widerstandsaktionen und Spionagetätigkeit« verbänden,44 und betont in auffälliger Weise die Distanz des Künstlers zu dieser Gruppe (»kannte nicht den Hintergrund, war nicht eingeweiht, aber er ahnte etwas«)45. Später im Text differenziert und ergänzt er: »Zu der Gruppe […] gehörten nicht nur Kommunisten, sondern NS-Gegner verschiedener Richtungen, auch zahlreiche Künstler, Schriftsteller, Journalisten und Akademiker. Nur ein kleiner Kreis wußte um die Spionagetätigkeit. Die meisten engagierten sich für die Herstellung und Verbreitung illegaler Schriften, verschiedener Flugblätter oder der Untergrundzeitung ›Die innere Front‹, die sich in fremd-

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sprachigen Ausgaben auch an ausländische Zwangsarbeiter wandte. Unter anderem wurden im Sommer 1941 die Galen-Predigten verbreitet.«46 Gerade mit der letzten Bemerkung versuchte Kessemeier, das Publikum in Münster zu gewinnen. Er war sich darüber im Klaren, dass sich die historische und politische Bewertung der Roten Kapelle im Wandel befand, wie insbesondere die letzten Abschnitte in seinem Text bezeugen, wusste aber auch, dass dieser Prozess noch nicht abgeschlossen war und weiterer Vermittlungsarbeit bedurfte.47 Zur politischen Wirkung musealisierter Kunst Kessemeiers Text spiegelt die Rezeptionsbedingungen wider, unter denen die Rote Kapelle Berlin 1991 zu einem Museumsbild wurde. Dass Carl Baumann so lange gewartet hat, um mit seinem Bild an die Öffentlichkeit zu gehen, und sich offenbar auch 1991 noch nicht sicher war, den richtigen Schritt getan zu haben,48 wundert vor dem Hintergrund der politisch und ideologisch geprägten Rezeptionsgeschichte der Roten Kapelle nicht. Vermutlich hat er das Werk nicht zuletzt aus Selbstschutz lange zurückgehalten. Anknüpfend an die Ausgangsfrage und die Überlegungen von Jutta Held (»Wie kommen politische Wirkungen von Bildern zustande?«), ließe sich die These aufstellen, dass die Rezeptionsbedingungen für Carl Baumanns Rote Kapelle Berlin lange Zeit so ungünstig waren, dass der Künstler politische Diffamierungen hätte befürchten müssen, hätte er das Bild öffentlich gezeigt. Anders als die offen antifaschistischen Bilder der dreißiger Jahre, die – meist im Medium der Druckgrafik – die Öffentlichkeit suchten, war Baumanns Bild vom Widerstand im Verborgenen nicht auf eine aktuelle, sondern auf eine spätere, historische Rezeption angelegt. Durch die historische Distanz verblasst allerdings in der Regel die politische Wirkung. Die Musealisierung des Bildes, die immer auch eine Dekontextualisierung ist, tut ein Übriges. Das Museum kann aber als bewahrende Institution für Kunstwerke, die ihre Funktion nicht in der direkten politischen Wirkung, sondern in der Dokumentation und Erinnerung politischer Inhalte haben, durchaus der richtige Ort sein. Es ist sogar vorstellbar, dass das Museum die Funktion eines Schutzraums für politische Kunst annimmt. Das Manko einer verpassten oder verhinderten politischen Wirkung eines Kunstwerks kann das Museum aus strukturellen Gründen nicht ausgleichen. Im Verbund mit der ihr zuarbeitenden Wissenschaft ist es aber in der Lage, die Bedingungen für ein ›Nachleben‹ politischer Kunst mitzugestalten und dazu beizutragen, dass historische und politische Semantiken nicht verloren gehen, sondern erforscht und aktualisiert werden und in der Diskussion bleiben. Die Notwendigkeit politischer Veränderungen, das zeigt die Geschichte des antifaschistischen Widerstands und seiner Rezeption, endet nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern besteht weiter.

1 Jutta Held: »Wie kommen politische Wirkungen von Bildern zustande? Das Beispiel von

Picassos ›Guernica‹«. In: Das Argument, 153/1985, S. 701–710. Wiederabgedruckt in: Jutta Held: Avantgarde und Politik in Frankreich. Berlin 2005, S. 170–187. Engl.: Jutta Held:

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»How Do the Political Effects of Pictures Come About? The Case of Picasso´s Guernica« In: Oxford Art Journal, 11/1988, H. 1, S. 33–39. Vgl. Jutta Held (Hg.): Der Spanische Bürgerkrieg und die bildenden Künste. Hamburg 1988 (= Schriften der Guernica-Gesellschaft 1). Carl Baumann: Rote Kapelle Berlin, 1941, Tempera auf Nessel, 79 x 99 cm, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Inv.-Nr. 1967 LM. In den älteren einschlägigen Publikationen zur Kunst im Widerstand werden weder der Künstler noch das Werk erwähnt. Vgl. u. a. Richard Hiepe: Gewissen und Gestaltung. Deutsche Kunst im Widerstand. Frankfurt/Main 1960; Erhard Frommhold (Hg.): Kunst im Widerstand. Malerei, Graphik, Plastik 1922 bis 1945. Dresden 1968; Ausst.Kat. Widerstand statt Anpassung. Deutsche Kunst im Widerstand gegen den Faschismus 1933–1945. Karlsruhe 1980 (Badischer Kunstverein). Auch in den entsprechenden Publikationen der Guernica-Gesellschaft ist der Künstler nicht erfasst. Vgl. Martin Papenbrock: »Entartete Kunst«, Exilkunst, Widerstandskunst in westdeutschen Ausstellungen nach 1945. Eine kommentierte Bibliographie. Weimar 1996; Martin Papenbrock, Gabriele Saure (Hg.): Kunst des frühen 20. Jahrhunderts in deutschen Ausstellungen. Teil 2: Antifaschistische Künstler/Innen in Ausstellungen der SBZ und der DDR. Eine kommentierte Bibliographie. Weimar 2000. Zum künstlerischen Werdegang von Carl Baumann vgl. ausführlich: Randi Crott: »Erlebtes, Erlittenes, Erfahrenes – Wahrnehmung eines Künstlerlebens« In: Randi Crott, Klaus Martens (Hg.): Carl Baumann wahr nehmen. Hagen 2010, S. 5–48; Vgl. auch die informative und materialreiche Webseite: www.carlbaumann.de [Aufruf 25.07.2021]. Vgl. Siegfried Kessemeier: Carl Baumann, Rote Kapelle Berlin, 1941, Faltblatt, Münster 1991 (= Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Das Kunstwerk des Monats, Juli 1991). Kessemeier war Referent für Landesgeschichte am Westfälischen Landesmuseum. Der Erwerb des Bildes geht auf seine Initiative zurück. Für entsprechende Informationen danke ich Eline van Dijk und Klaus Martens. Vgl. Christine Fischer-Defoy: Kunst Macht Politik. Die Nazifizierung der Kunst- und Musikhochschulen in Berlin. Berlin 1988, S. 84; Katrin Engelhardt: »Ans Kreuz geschlagen. Die Verhöhnung des ›Kruzifixus‹ von Ludwig Gies in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus« In: Uwe Fleckner (Hg.): Das verfemte Meisterwerk. Schicksalswege moderner Kunst im »Dritten Reich«. Berlin 2009, S. 29–47. Vgl. Fischer-Defoy 1988 (wie Anm. 7), S. 98. Vgl. Fischer-Defoy 1988 (wie Anm. 7), S. 180. Vgl. dagegen Brüne (2015), der die Verbindung Cremers zum Widerstand deutlich zurückhaltender bewertet: Gerd Brüne: »Zwischen künstlerischer Professionalisierung und Zeitgenossenschaft. Der Bildhauer Fritz Cremer in der Zeit des Nationalsozialismus« In: Wolfgang Ruppert (Hg.): Künstler im Nationalsozialismus. Die »Deutsche Kunst«, die Kunstpolitik und die Berliner Kunsthochschule. Köln/Weimar/ Wien 2015, S. 305–324, hier S. 305 f. Vgl. Fischer-Defoy 1988 (wie Anm. 7), S. 182. Vgl. Elfriede Paul: Ein Sprechzimmer der Roten Kapelle. Berlin/DDR 1981, S. 165 ff. Zit. nach Fischer-Defoy 1988 (wie Anm. 7), S. 182. Zu Baumanns Situation an den Vereinigten Staatsschulen vgl. ausführlich auch Crott 2010 (wie Anm. 5), S. 9–30. Vgl. Regina Griebel, Marlies Coburger, Heinrich Scheel (Hg.): Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle. Eine Foto-Dokumentation. Halle 1992, S. 335–355. Vgl. Kessemeier 1991 (wie Anm. 6), o. S. [2]; Crott 2010 (wie Anm. 5), S. 31. Vgl. Kessemeier 1991 (wie Anm. 6), o. S. [2]. Vgl. Griebel/Coburger/Scheel 1992 (wie Anm. 12).

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16 Vgl. Günther Weisenborn: Der lautlose Aufstand. Bericht über die Widerstandsbewegung des

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deutschen Volkes 1933-1945. Hamburg 1953, hier zit. nach der Ausgabe Frankfurt/Main 1979, insbesondere das Kapitel »Die Wahrheit über die ›Rote Kapelle«, S. 242–259. Auch Griebel, Coburger und Scheel (1992) legen sich bei den dargestellten Personen nicht fest und sprechen nur vom »Freundeskreis des Malers mit Walter Küchenmeister (Mitte) und einem Selbstporträt (rechts im Hintergrund)«. Griebel/Coburger/Scheel 1992 (wie Anm. 12), S. 114. Vgl. etwa die Arbeiten von Otto Dix, Otto Griebel oder Curt Querner aus dieser Zeit. Hier macht sich offenbar der Einfluss von Franz Lenk bemerkbar, der in Dresden studiert hatte. Zur Dresdner Malerei der zwanziger Jahre vgl. Ausst.Kat Kunst im Aufbruch. Dresden 1918–1933. Dresden 1980 (Staatliche Kunstsammlungen); Birgit Dalbajewa (Hg.): Neue Sachlichkeit in Dresden. Ausst.-Kat. Dresden 2011 (Staatliche Kunstsammlungen). Vgl. etwa Curt Querner: Demonstration, 1930, Öl auf Leinwand, 87 x 68 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Inv.-Nr. A IV 78. Abb. in: Dalbajewa 2011 (wie Anm. 18), S. 284. Vgl. Oskar Nerlinger: Die Straßen der Arbeit, 1930, Spritztechnik, Temepera, oder An die Arbeit, 1930, Spritztechnik, Kasein, Tempera. Abb. in: Ausst.Kat. Oskar Nerlinger 1893– 1969. Pforzheim 1993 (Reuchlinhaus), Abb. S. 147, 153; Victor Theodor Slama: Die Brücke, Holzschnitt, 1929. Aus: Arbeiter-Jahrbuch 1929. Bodenbach/Böhmen 1929. Zit. nach: Klaus Türk: Bilder der Arbeit. Eine ikonografische Anthologie. Wiesbaden 2000, S. 84, Abb. 308. Baumann schrieb seinen Vornamen in dieser Zeit noch mit »K«. Vgl. Crott 2010 (wie Anm. 5), S. 18. Hans Schmitz-Wiedenbrück: Arbeiter, Bauern und Soldaten, 1941, Öl auf Leinwand. Seitentafeln: je 195 x 98 cm, Deutsches Historisches Museum Berlin, Inv.-Nr. I. 98/516 und I. 98/517. Mitteltafel: 210 x 251 cm, U.S. Army Center of Military History Washington D.C. Abb. (Mitteltafel) in: Ausst.Kat Große Deutsche Kunstausstellung 1941. München 1941 (Haus der Deutschen Kunst), Abb. 15. Vgl. auch: Berthold Hinz: Die Malerei im deutschen Faschismus. Kunst und Konterrevolution. Frankfurt/Main 1977 (urspr. München 1974), S. 77–83, Abb. 130; Hans- Jörg Czech: o. T. In: Hans-Jörg Czech, Nikola Doll (Hg.): Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945. Ausst.Kat. Berlin. 2007 (Deutsches Historisches Museum), S. 339–340 (Abb.). Vgl. Christina Uslular-Thiele: »Autobahnen« In: Ausst.Kat. Kunst im 3. Reich. Dokumente der Unterwerfung. Frankfurt/Main 1974 (Frankfurter Kunstverein), S. 68–85, insbesondere der Abschnitt »Der Brückenbau«, S. 76–78. Abb. in: Ausst.Kat. Große Deutsche Kunstausstellung 1938. München 1938 (Haus der Deutschen Kunst), Abb. 39 (Mercker) und Ausst.Kat. Große Deutsche Kunstausstellung 1939. München 1939 (Haus der Deutschen Kunst), Abb. 45 (Protzen). Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von neusachlicher Malerei und der Malerei im Nationalsozialismus, insbesondere im Hinblick auf Industriedarstellungen, vgl. Adam C. Oellers: »Zur Frage der Kontinuität von Neuer Sachlichkeit und Nationalsozialistischer Kunst« In: Kritische Berichte, 6/1978, H. 6, S. 42–54, hier S. 45. Gerd Arntz: Das dritte Reich, 1934, Holzschnitt, 64 x 48 cm. Abb. in: Widerstand statt Anpassung (wie Anm. 4), S. 210. Hanns Kralik: Grafik. Ausst.-Kat. Düsseldorf. Neuss 1980, S. 58; Karl Schwesig: Schlegelkeller. Mit einem Vorwort von Heinrich Mann. Düsseldorf 1983; George Grosz: Interregnum. New York 1936 (ND Frankfurt/Main/Berlin 1976); Clément Moreau [Carl Meffert]: Nacht über Deutschland. »Mein Kampf « – zweiter Teil. 107 Linolschnitte aus den Jahren 1937–

Der verschwiegene Widerstand. Carl Baumanns Rote Kapelle Berlin (1941)

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1938. München 1976; Hans Grundig: Tiere und Menschen. Radierungen der Dreißiger Jahre aus der Sammlung Maria Heiner, Dresden. Ausst.-Kat. Galerie Mitte Dresden. Dresden 2021. Weisenborn sprach vom »lautlosen Aufstand«. Vgl. Weisenborn 1953 (wie Anm. 16). Vgl. auch Crott 2010 (wie Anm. 5), insbesondere das Kapitel »Schweigen über die Vergangenheit« (S. 44–46). Vgl. Felix Nussbaum: Das Geheimnis, 1939, Öl auf Leinwand, 61 x 74,5 cm, Privatbesitz. Abb. in: Rosamunde Neugebauer (Hg.): Zeit im Blick. Felix Nussbaum und die Moderne. Ausst.Kat. Osnabrück 2004 (Felix-Nussbaum-Haus), S. 110; Max Beckmann: Les Artistes mit Gemüse, 1943, Öl auf Leinwand, 150 x 115,5 cm, Washington University Gallery of Art St. Louis. Abb. in: Carla Schulz-Hoffmann, Judith C. Weiss (Hg.): Max Beckmann Retrospektive. Ausst.Kat. München 1984 (Haus der Kunst), S. 287. Vgl. Hans Grundig: Bildnis Helen Ernst, 1934, Öl/Leinwand, Kunstmuseum Moritzburg Halle, Abb. in: Günter Feist: Hans Grundig. Dresden 1979, Abb. 75; Lea Grundig: Christel Beham, 1936, Kaltnadelradierung, und Christel Beham (Blatt 15 der Folge Unterm Hakenkreuz), 1936, Kaltnadelradierung, Abb. in: Gerd Brüne: »Von Dresden nach Tel Aviv. Zu Themen und Motiven in den Werken der 1930er und 1940er Jahre« In: Ausst.Kat. Lea Grundig. Jüdin, Kommunistin, Graphikerin. Berlin 1996 (Ladengalerie), S. 16–55, hier S. 31–33; Johannes Wüsten: Carl von Ossietzky, 1934, Tuschezeichnung, und Erich Mühsam, 1935, Tuschezeichnung, Abb. in: Johannes Wüsten: Pseudonym Peter Nikl. Antifaschistische Texte und Grafik aus dem Exil. Berlin/DDR 1987, S. 162, 203. Vgl. Martin Papenbrock: »Die Künste, die Wissenschaften und die ›refugee crisis‹. Arthur Kaufmanns Triptychon Arts and Sciences Finding Refuge in the USA (1938/1964)« In: Kunst und Politik, 3/2001, S. 69–83. Fritz Cremer: Walter Husemann, 1939, Gips, 36 cm. Abb. in: Frommhold 1968 (wie Anm. 4), Abb. 507. Vgl. Griebel/Coburger/Scheel 1992 (wie Anm. 12), S. 240 f. Vgl. Stefan Roloff mit Mario Vigl: Die Rote Kapelle. Die Widerstandsgruppe im Dritten Reich und die Geschichte Helmut Roloffs. München 2002, S. 324–338; Crott 2010 (wie Anm. 5), S. 45. Vgl. Gerhard Ritter: Carl Friedrich Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung. 3. Auflage, Stuttgart 1956, S. 107 f.: »Was auch immer die Motive waren: praktisch haben sie sich bedingungslos dem Landesfeind als höchst gefährliche Werkzeuge zur Verfügung gestellt. […] Erst im August 1942 gelang es der Kriminalpolizei, die Hauptanstifter zu fassen und das ganze Komplott aufzudecken. Der Prozeß vor dem Reichskriegsgericht, in einwandfreier Form durchgeführt, konnte nicht anders als mit einer Massenhinrichtung enden. […] mit ›deutschem Widerstand‹ hatte diese Gruppe offenbar nichts zu tun; man sollte darüber keinen Zweifel lassen. Sie stand ganz eindeutig im Dienst des feindlichen Auslandes. […] Wer dazu als Deutscher imstande ist, mitten im Kampf auf Leben und Tod, hat sich von der Sache seines Vaterlandes losgelöst, er ist Landesverräter – nicht nur nach den Buchstaben des Gesetzes. […] Die ›Rote Kapelle‹ wollte Russlands Sieg, um mit russischer Hilfe in Deutschland einen kommunistischen Staat nach sowjetischen Muster zu errichten […].« Vgl. Karl Barth: Der Götze wackelt. Zeitkritische Aufsätze, Reden und Briefe von 1930 bis 1960. Berlin 1961, S. 169. »PTX ruft Moskau«. Serie von zehn Artikeln. In: Der Spiegel, 1968, Nr. 21–30. Horst E. Brandt: KLK an PTX – Die Rote Kapelle. Spielfilm. DDR 1971. 178 min. Vgl. Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands. 3 Bde. Frankfurt/Main 1975–1981.

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41 Vgl. Boris Chawkin, Hans Coppi, Juri Zorja: »Russische Quellen zur Roten Kapelle« In: Hans

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Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel (Hg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Berlin 1994, S. 104–144. Alexander Boroznjak: »Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Spiegel der sowjetischen und russischen Geschichtswissenschaft« In: Gerd R. Ueberschär (Hg.): Der deutsche Widerstand gegen Hitler. Wahrnehmung und Wertung in Europa und den USA. Darmstadt 2002, S. 137–149, hier S. 145 f. Vgl. Roloff/Vigl 2002 (wie Anm. 35), S. 12; Anne Nelson: Red Orchestra. The Story of the Berlin Underground and the Circle of Friends Who Resisted Hitler. New York 2009 (dt.: Die Rote Kapelle. Die Geschichte der legendären Widerstandsgruppe. München 2010), S. 19. Ausst.Kat. Carl Baumann. Zeichnungen und Gemälde. Hagen 1989 (Karl-Ernst-OsthausMuseum). Kessemeier 1991 (wie Anm. 6), o. S. [2]. Ebd. Einen ähnlichen ›Eiertanz‹ hatte 1967 ein Fernsehbericht des WDR aufgeführt, der Baumann als einen Maler vorstellte, der »im Verborgenen« arbeite, der »Mitglied eines kulturellen Zirkels«, einer »sonderbaren Widerstandsbewegung« gewesen sei. Das Bild Rote Kapelle Berlin zeige »die drei Hauptfiguren der Roten Kapelle«. Dass der Maler sich selbst in der Nähe der drei Figuren ins Bild gesetzt hat, wurde nicht erwähnt. Ausschnitte des Videos auf https://www.carlbaumann.de/videos/carl-baumann/ [Aufruf 28.07.2021]. Auch der Katalog der Hagener Baumann-Ausstellung von 1989 zierte sich beim Thema Rote Kapelle. Baumann sei »ahnungslos in Kontakt geraten mit Angehörigen der Geheim-Organisation ›Rote Kapelle‹, die mehr aus kommunistischen als aus konservativen Quellen gespeist wurde.« Korst Kniese: »Kunst gegen den Trend« In: Ausst.-Kat. Hagen 1989 (wie Anm. 43), S. 9–10, hier S. 9. Die Porträtierten wurden nicht benannt, der Katalog spricht nur von einer »Porträtgruppe ›Rote Kapelle‹ mit Selbstbildnis« Ebd., S. 12. Zur Mitgliedschaft Baumanns in der Roten Kapelle vgl. Griebel/Coburger/Scheel 1992 (wie Anm. 12), S. 114 f., die seine Zugehörigkeit zur Gruppe auf der Basis des Gestapo-Materials dokumentieren. Kessemeier 1991 (wie Anm. 6), o. S. [3, 4]. Jüngere Arbeiten zu Baumann thematisieren inzwischen kritisch die problematische Rezeption der Roten Kapelle (vgl. Crott 2010 [wie Anm. 5], S. 44–46) bzw. verzichten auf das GestapoNarrativ des Agentenrings (vgl. Petra Holtmann: »Carl Baumann [1912–1996]« In: Klaus Kösters [Hg.]: Anpassung, Überleben, Widerstand. Künstler im Nationalsozialismus. Ausst.Kat. Stadtmuseum Münster. Münster 2012, S. 43–52, hier S. 48–49). Vgl. Crott 2010 (wie Anm. 5), S. 46.

Alex Potts In Memory of Jutta Held – Figures of Resistance

Jutta’s Avant-Garde and Politics in France. Revolution, War and Fascism in the Arts’ Field of Vision (2004)1 takes as its point of departure the conjunctural nature of the political import and political meaning acquired by works of art. The issue was one she had addressed at length in an article, »How Do the Political Effects of Pictures Come about? The Case of Picasso’s ›Guernica‹«, first published in 1985 (Fig. 1).2 By insisting that radical artistic style could not of itself determine a work’s political efficacy, she was arguing against a widespread modernist (and postmodernist) assumption that the political cogency of works of art derives largely from their formal and conceptual radicalism, rather than any evident political content they might have. For her, the relation between artistic radicalism and political radicalism was much more complex, and dependent on particularities of context both political and artistic. Still, she was far from advocating a value free, historicizing perspective. She stood by the view that a modern art that exploited the capacities of traditional figuration had greater potential for conveying a radical politics of socialist or communist persuasion than the anti-figurative alternatives that gained ascendancy in the twentieth century. At issue is much more than a simple reprise of Lukács’ defense of realism and critique of the modernist dissolution of figurative and representational form, though she does share something of his political perspective. Bringing to bear as she does a rich understanding of modern artistic experimentation, as well as a rather different, firmly grounded political commitment, her assessment of the capacity of modern visual art to register and productively reflect on the political deserves serious consideration in its own right. As well as considering the case she made for modern reworkings of the figurative forms and broader ambitions of traditional narrative history painting, this essay examines her critique of postwar vanguardist attempts to create a radically different, largely non-figurative, form of politically engaged art. This comes to the fore in the extended comparison she draws between Asger Jorn’s Stalingrad (Fig. 3), a largely abstract field of painterly gesturing and effacement on which he worked intermittently between 1956 and 1972, and Picasso’s earlier Guernica (Fig. 1) with its ongoing exploitation of the resources of pictorial figuration.3 At the same time, the politics of this comparison is complicated by her insistence on the political failure of a number of notable modern works that, in contrast to Jorn’s, but like Picasso’s Guernica, continued to grant a certain self-possession and autonomy, however threatened and precarious, to the human figure. Amongst these she included Picasso’s 1951 Massacre in Korea and Chagall’s allegorical history painting, The Revolution (Fig. 2).4 The latter, she notes, conceived in Paris in the same year as Picasso’s Guernica, in contrast to its counterpart, failed to make any impact at the time. She indeed goes to some length to explain how

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Fig. 1: Pablo Picasso, Guernica, 1937

and why this work’s complex tribute to and meditation on the Bolshevik Revolution and its legacy has remained largely unrecognized, then as now, despite the work’s apparent timeliness and the evident significance of its political content.5 Her examination of politically compelling modern painting extends beyond the mid-century, most notably perhaps in the intriguing discussion of the contemplative figure based world views fashioned in the 1970s by the erstwhile East German artist and member of the Communist Party, Wolfgang Mattheuer (Fig. 4), which rounds out her and Norbert’s Social History of Painting.6 My encounter with Jutta’s work on the politics of modern art was to some degree personal as well as professional. She invited me to teach for a term at the University of Osnabrück in 1984. This period of close engagement during which I also got to know Norbert, led to my translating her article on Picasso’s Guernica into English for the Oxford Art Journal, and to my participation in a conference organised by the GuernicaGesellschaft in 1987 on art and the Spanish Civil War. It also gave me greater insight into the new work being done in the history of art by the German intellectual left at the time, and was my introduction, via Jutta, to the figurative painting being produced then in East Germany. One of the most lasting effects of these encounters was a lingering awareness that my education in Marxist art history and theory was incomplete without coming to terms with Peter Weiss’s The Aesthetics of Resistance,7 a publication that enjoyed almost cult status amongst cultural theorists of the German left in the early and mid-1980s. The project took a number of years to mature, 8 and probably informs my current take on the political investments guiding Jutta’s stance on how a genuinely politically engaged modern art needed to register a resistance that was more than gestural, amounted to more than well-meaning and theoretically informed critique. Debate about the political efficacy of the diverse, conflicting forms taken by painting as an art over the course of the past century has circulated around issues of abstraction and realism and the ongoing status and value of figurative representation. How far an abstracting of visual language can be pursued, how much conventional representational

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Fig. 2: Marc Chagall, The Revolution, 1937

norms can be thrown into disarray, while still conveying a substantive content and sense of a larger reality, are issues that have been widely contested. On the one hand there have been calls for retaining a naturalistic mode of depiction as best capable of conveying a concrete content, on the other hand avant-garde contentions that representational conventions have become so bankrupt, so inadequate to conveying anything of the inner realities of the modern world, that they must be abandoned for newly invented artistic forms.9 Jutta’s position refuses such ready-made dualities. These tended to shape discussion of the relative legitimacy of realism and abstraction/ modernism through much of the last century, not just in the classic realist debate that came to a head on the left in the 1930s.10 They linger on in the stance taken against a supposedly bankrupt representational or figurative inheritance by the postwar neo-avant-garde and even in later postmodern and poststructuralist recasting of modernist arguments for a nonrepresentational abstraction. At the same time, she insists on political rather than formal grounds that a political painting with any real activist potential is hard to conceive once a modernist or avant-garde dissolution of conventional pictorial space and integrity of bodily form has been taken beyond a certain point. For her this limit was reached with the postwar neo-avant-garde merging of figure and ground in gestural paint work. What is important is not where she drew the limit – this is inevitably to some degree contingent on historical context – but the fact that she did so, and as such remained committed to the underlying logic and representational potential of an art in which figurative bodily form stood out as an actively engaged presence. It is hardly surprising then that the idea of a modern history painting became a major preoccupation for her – history painting here being taken in the broad sense of multifigure compositions of an event or scene of action whose import, unlike the scenes depicted in genre painting, had some larger public significance.11 Modern is crucial here, because the political painting that engaged Jutta’s attention, as well as her generation of left art historians, inverted the class hierarchies of traditional history painting. It was an

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art in which the oppressed and the subaltern, or the lower classes, took centre stage in their struggles against and resistance to the established order. Left and progressive minded art historians had traced a well-established lineage that ran from key postRevolutionary works of the earlier nineteenth century – Goya’s Third of May, Gericault’s Raft of the Medusa and Delacroix’s Liberty Leading the People over the Barricades – through to Picasso’s Guernica.12 The imprint of this is evident in the art works singled out in Norbert’s and Jutta’s Social History of Painting,13 as well as Jutta’s concluding commentary on modern history painting in Avantgarde and Politics in France. Nineteenth- and twentieth-century painting that sought to engage with the social and political realities of its times and throw into question the class hierarchies implicit in traditional conceptions of the visual arts can be seen as taking two different forms. On the one hand there is the narrative history painting-like work picturing major events and actions. On the other, there is the non-narrative realist work featuring everyday situations or scenes of ordinary or lower-class life in which larger political or social forces are at most implicit rather than explicitly dramatized. A broader politics of resistance, such as that articulated in Peter Weiss’s political and aesthetic testament, The Aesthetics of Resistance, applies to both modes.14 In the former it is a matter of picturing figures engaged in active struggle against forces of reaction and oppression and militarized terror, of resistance coming to a head in events of open conflict and uprising. In the latter, resistance becomes manifest, not in scenes of active struggle, but in ones where the figures manifest a certain capacity to persist and assert a degree of autonomy in difficult or relatively impoverished and sometimes overwhelming circumstances.15 In the former, where there is an activist politics, it is embodied within the painting. In the latter, a picturing is offered up whose political significance is much more contingent on the mind-set the viewer brings to assessing and reflecting on the scene depicted. This does not make such Realism apolitical. For one thing, taking the measure of situations in this way is integral to any realistic political activism. While Jutta’s favouring of the former mode bears traces of Lukács’s case for a critical realism which opens up rather than closing down the possibility of human agency and resistance to a modern social and cultural order dominated by the impersonal and fragmenting operations of the capitalist market,16 the case she makes gives new substance to his arguments. It also resituates the issues involved, which Lukács derived almost exclusively from an analysis of literary production, specifically in the ambit of the visual arts and their distinctive representational possibilities. She offers a particularly explicit framing of her case in Avant-garde and politics in France when she pauses to consider the later political fate of the oppositional experimental strategies developed by the early avant-garde. The nub of her analysis comes where she juxtaposes Picasso’s prewar Guernica (Fig. 1) with Asger Jorn’s postwar Stalingrad (Fig. 3),17 each exceptionally ambitious modern history paintings seeking in their different ways to realize a compelling pictorial embodiment of a world historical event. In the former, such an event is in the making, in the latter it is located in the past, but nevertheless redolent of underlying political concerns of the present (in this case the threat of nuclear annihilation). Her critique operates at several levels. There is the more purely formal level, the dissolution of the figure in the gestural abstraction of Jorn’s generation of postwar neoavantgarde artists. »On the level of form they sought to integrate the human form so

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fully into the picture plane field that these no longer stood out as self-sufficient bodies or a separate structure from the painterly field, that is as figures that appear to move freely in space, as is still the case in Picasso’s paintings.« At a semantic level, the result was a kind of painting in which »subjectivity was nowhere to be located other than in the destruction and annihilation of the classical human image.« »As a result on both levels, the formal and semantic, individuals’ capacity for action was denied. Their contours were lost in the levelling structure of the painting and only their annihilation and status as victims was thematised.«18 Underlying this was a political frame of mind conditioned by recollections of the Holocaust and threats of nuclear annihilation, »experiences of powerlessness and the extinction of individuality and physical extermination, apprehended by the artists as motiveless groundless violence.«19 Such pictorial configurations, in Jutta’s view, also precluded representation of active political confrontation or resistance of the kind that the event-like structure and figurative conventions of traditional history painting made possible. This meant that these artists »sought out the traces of history in anonymous individuals, not in the confrontation of politically representative figures. They did not have in mind an image of political action or capacity for such action. They shifted the level of their pictorial enquiry from the political stage to the everyday, where history was no longer decided but where it left its powerful traces and threatened subjectivity with extinction. … The bipolar, political form of the history painting, the confrontation of two opponents, was no longer appropriate for the historical state of affairs they sought to illuminate.«20 When seen in the context of the broader arguments of Avantgarde and Politics in France, Jutta’s diagnosis of how formal issues play out against issues of political content and engagement in the postwar neo-avantgarde painting takes on further complexity. She is not making the case for an art that directly serves a political cause. Rather, she examines instances where the artistic avant-garde’s radical questioning of established artistic norms, its gestures of resistance to the conventions of high bourgeois culture, came momentarily into alignment with the larger political oppositional thrust of Communist and other broadly left-wing mass movements.21 The situation that emerged in the postwar period, as she envisages it, was one where such alignment ceased to be a realistic prospect. Artists saw themselves as being in a situation where they had no viable political movement or political cause with which they could identify. There also no longer existed a clear-cut division and open conflict between forces of revolutionary and progressive aspiration and those of reaction, as had been the case in the interwar period of struggle against fascism, or at the time of the Communist Revolution in Russia and its immediate aftermath. Their artistic radicalism and commitment were destined to operate in isolation from any grounding in a larger political movement. Added to this a further argument operated at a more formal level – namely that the new artistic language that emerged in this context, particularly the negations of subjective autonomy implicit in its dissolution of figurative integrity, precluded any potential for such work to ally itself with an activist politics. While this is a stance whose particularities might be subject to question, it remains integral to her larger intervention into debates regarding the possible political significance of modern forms of art. This was not the end of the story as far as Jutta was concerned. She went on to argue that the experimental artistic forms that emerged in the postwar period, while effectively precluding figuration of a radicalised oppositional politics, had certain noteworthy polit-

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Fig. 3: Asger Jorn, Stalingrad, no man’s land or the mad laughter of courage, 1957–60

ical functions and effects. As compared with the earlier avantgarde, the artists involved »laid claim to a less pretentious, hence more flexible, many-sided role, which enabled them to mediate between the artistically and culturally ineffective political parties and get beyond the limits they imposed. They strove for an artistic politics of the Third Way, which at that time met with little understanding. The function they had in mind for the artist was that of cultural mediator, a political function that today has developed into possibly one of the most productive artistic positions in [our] multiculturally orientated metropolises.«22 How this might pan out for socially and politically engaged figurative painting in the later twentieth century is adumbrated in the concluding section of her and Norbert’s Social History of Painting. There the work of the erstwhile East German painter Wolfgang Mattheuer is singled out for special mention as representative of a group of painters who worked out a kind of »problem picture that posed questions without offering quick solutions.«23 In one key work (Fig. 4), the figure of the artist looms up against a landscape centred on a broad motorway representative of the onward rush of modern life and its superficial values, which he both overviews and from which he turns away.24 The work projects a scene, and the embodiment of a subjective stance towards it, that is both reflective and critical. The meditation on the state of the world and the contemplative resistance the work invites form the viewer is partly projected within it, by way of a figure whose stance and implied attitude of mind channels the viewer’s response. In Jorn’s Stalingrad (Fig. 3), there is no such figurative embodiment of a response to the scene represented. Rather the viewer faces a painterly field caught up in a neverending process of forming and obliterating itself, suggestive of the annihilating destruction brought about by the single most brutal conflict of the Second World War. A few

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Fig. 4: Walter Mattheuer, Osterspaziergang II, 1971

bare traces of bombed out buildings and suggestions of fragmented human presences emerge here and there buried in the paint work or, as Jorn put it, in the »anonymous battlefield with snow« the work seeks to embody. The viewer is invited to reflect on the conditions of human extremity that any survivors of or witnesses to the battle’s environmental and human devastation might have experienced, rather than the active engagement between contending forces which featured in conventional battle painting and which formed the basis of a conventional history painting’s representation of a significance event. If the scene is one where the conditions of physical extremity have more or less annihilated the subjective capacities of the anonymous figures caught up in it, what state of mind does it invite from the viewer? Certainly, the viewer might be impelled to linger on the human and environment catastrophe, to see in it, as Jutta suggests, a world in which any resistance to forces of annihilation has become impossible. But if there is nothing in the internal configuring of the painting to prompt the viewer to move beyond this position, the title and the context of its reception might suggest otherwise. While Jorn was painting it, the Battle of Stalingrad carried a huge political significance as a watershed in the course of the Second World War, when for the first time the advance of Fascist forces across Europe was halted and clear indication given that Soviet Russia was able to mobilize the human and material resources needed to resist their onslaught. Memories of the battle gave rise to one of the very greatest novels of the postwar period, Vasili Grossman’s Life and Fate, written in the later 1950s when Jorn embarked on the painting of his Stalingrad. The work had a further political life when it was shown in Havana in 1967 carrying the politically charged title, »an unfinished utopia of a city that

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no longer exits«, and was honoured with a commemorative stamp issued by the Castro regime at the time.25 Further to the ideological associations that the Battle of Stalingrad painting might have for a viewer (ones that were not necessarily pro-Communist and certainly not in tune with the postwar Soviet heroizing of the battle and its whole war effort), the title prompts some complex reflection on the scene of total destruction it presents. The »no man’s land« being evoked is not entirely devoid of human presence. There is also »the mad laughter of courage« – signs of survival, stirrings of »mad« resistance in the face of overwhelming odds. Jutta’s interpretation of the work as embodying an incommensurable situation of total destruction in which active subjective engagement is effectively obliterated is a serious one. It raises important questions about the possible political effects of a modern painting whose artistic means and language are largely non-figurative. At the same time, it is not the only possible interpretation. An alternative one, which sees the work as opening up to some degree of human subjective engagement and embattled resistance, is not necessarily at odds with the historically grounded approach and attention to historical contingency informing Jutta’s exemplary analyses of art works and political debates surrounding them in Avantgarde and Politics in France. The key larger issue she raises in her diagnosis of the political and cultural conditions informing the conception of Jorn’s Stalingrad is more immediately politically consequential than any such methodological point however. She poses a question that is a crucial for anyone genuinely concerned with the political significance that a modern work of art might have: to what extent does a genuinely politically engaged painting rely on some degree of explicit figurative embodiment in order to guide the viewer to a politically reflective, or better, actively political response? Put another way, Jutta is prompting us to think about the possible formations of a radical art that, if the occasion arose, could align itself with and convey solidarity with a radical political movement that was gaining wide public support – as Communism did with intermittent success over the course of the earlier part of the twentieth century. Linked to this is another issue implicit in the position that Jutta staked out, which is perhaps even more pertinent today than it was when she was writing. Among progressive and even leftist intellectuals and cultural analysts, one now sees an increasingly outright rejection of the humanist Communism and its artistic correlative that took shape in the postwar period, and that informed the thinking of Jutta, and other notable figures such as Peter Weiss, and their ongoing often very critical engagement with East European Communism. Her work makes one question the unreflecting closures imposed on the legacy of Soviet Communism by a current postructuralist, anti-totalizing intellectual orthodoxy, which parallels the more naked anti-Communism not only of today’s right but also of its liberal establishment. 1 Jutta Held: Avantgarde und Politik in Frankreich. Revolution, Krieg und Faschismus im

Blickfeld der Künste. Berlin 2005. This monograph developed out of studies Jutta had been adumbrating over the previous decade and a half.

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2 Jutta Held: »Wie kommen politische Wirkungen von Bildern zustande? Das Beispiel von

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Picasso’s Guernica« In: Das Argument, 153, Sept./Oct. 1985, pp. 701–710 (republished in Held 2015 [as note 11], pp. 170–187); »How do the Political Effects of Pictures Come About? The Case of Picassoʼs Guernica« In: Oxford Art Journal, Vol. 11, No. 1, 1988, pp. 33–9. Asger Jorn, Stalingrad, no man’s land or the mad laughter of courage, 1957–60. 1967. 1972, oil on canvas, 296 x 492 cm, Museum Jorn, Silkeborg, Denmark. Pablo Picasso, Guernica, 349.3 × 776.6 cm, Museo Reina Sophia, Madrid. Held 2005 (as note 1), pp. 223–250, 68-108. She offers a particularly illuminating analysis of Chagall’s largely neglected political painting. The year 1937 was marked by celebrations of the Bolshevik Revolution’s twentieth anniversary as well as public solidarity between the French Popular Front’s radical left and Soviet Russia. Jutta examines, not just the work’s rich political content but also the factors, relating both to internal conception and external circumstance, that help explain its failure to make a significant political impact (Held [as in note 1], pp. 98–100), starting with its uninviting display when first shown in Paris in 1940. Its subsequent fate lowered its profile even further. The work only exists in a reduced version, while the larger canvas was eventually cut into pieces, serving as the basis for a later triptych of Christian themed paintings in Chagall’s more familiar poetic mode. Jutta Held and Norbert Schneider: Sozialgeschichte der Malerei. Köln 1998 and 2006 reprint, pp. 419–20. Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands. Roman. Vols. I, II and III, Frankfurt am Main 1975–8; The Aesthetics of Resistance. A Novel. Vols. I and II, Durham and London, 2005– 2020. Vol. III has not yet been translated into English. Alex Potts: »Aesthetics and Politics of Pictorial Realism in Peter Weiss« In: New German Critique, 2022. Alex Potts: Experiments in Modern Realism.World Making, Politics and the Everyday in Postwar European and American Art. New Haven and London, 2013, pp. 48–60. On these debates see Ronald Taylor (ed.): Aesthetics and Politics (London, 1977) and Held (as note 1), pp. 25–8. Held (as note 1), pp. 223–249. It pervasiveness is manifest in Weiss’s adoption of it for several of the major ekphrastic passages in his Aesthetics of Resistance (as note 8), I, pp. 292–308, II, pp. 12–14, 17–18, 22–8. Held and Schneider (as note 5), pp. 356-8, 362-3, 409-10. The pathos charged rendering of the actions of victims and perpetrators alike in Goya’s Third of May features there (p. 374) as a counterweight to the negation of the characteristic effects of actively engaged history painting in Manet’s affectless The Execution of Emperor Maximilian (1867). Delacroix’s Liberty is given pride of place as the book’s cover image. For a fuller elaboration of this argument, for which I am partly indebted to the distinction Frederic Jameson makes between the competing imperatives of story telling and scenic elaboration in the nineteenth-century realist novel (Antinomies of Realism. London and New York, 2013, pp. 22–6), see Potts (as note 8). Whether the figures in a non-narrative Realist work such Courbet’s The Stonebreakers (Held and Schneider [as note 6, pp. 366–7]) represent powerless victims of oppressively impoverished material circumstances, or register a measure of resistance to these circumstances through a certain self-sustaining autonomy of presence, is often not immediately evident in the configuring of the scene. Such judgments are necessarily to a degree contingent on the historical knowledge and political and mental outlook of those viewing it.

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Alex Potts

16 The internationally most influential elaboration of Georg Lukács’s argument is probably that in

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his postwar book Wider den missverstandenen Realismus (Hamburg, 1958). An English translation came out a few years later under the somewhat misleading title The Meaning of Contemporary Realism (London, 1963). Held (as note 1), pp. 241–7. Held (as note 1), p. 244. Held (as note 1), p. 244. Held (as note 1), p. 244–5. Held (as note1`), p. 13. Held (as note 1), p. 248. Held and Schneider (as note 5), p. 419–20. Asger Jorn, Stalingrad, no man’s land or the mad laughter of courage, 1957–60. 67. 1972, oil on canvas, 296 x 492 cm, Museum Jorn, Silkeborg, Denmark. Alex Potts:»Asger Jorn: Stalingrad, no man’s land or the mad laughter of courage« In: Andrew Hemingway and Norbert Schneider (eds.), Icons of 20th – Century Political Art, special issue of Kunst und Politik: Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft , Vol. 18, 2016, p. 90. Unfortunately it was only after writing this article that I became aware of Jutta’s telling diagnosis of Jorn’s Stalingrad.

Gisela Schirmer Picassos Koreabild im Osten. Das Beispiel Willi Sitte

Als es meine Familie in den 80er Jahren nach Osnabrück verschlug, öffnete mir die hier durch Jutta Held und Norbert Schneider praktizierte Kunstgeschichte eine völlig neue Orientierung. In meinem Studium in München und Freiburg, das ich mit dem Magisterexamen bei Kurt Bauch abschloss, hatten Stilkritik und Formanalyse im Zentrum kunstwissenschaftlicher Erkenntnis gestanden, die ich zwar in der subtilen Annäherung an das ›Eigentliche‹ eines Kunstwerks bewunderte, aber in ihrem elitären Anspruch auch als sehr einengend empfand. Wie befreiend erlebte ich dagegen die in Osnabrück entwickelte sozialgeschichtliche Methode mit ihrer breitgefächerten Ausrichtung kunsthistorischer Arbeitsweisen und grenzüberschreitenden Verfahren. Hinzu kam der mich überzeugende feministische Forschungsansatz Jutta Helds, und so entschloss ich mich zur Promotion bei ihr. Seitdem begleiten ihre weitgespannten Fragestellungen und ihre unvoreingenommene Herangehensweise an alle politischen und sozialen Erscheinungen von Kunst herausfordernd meine Studien, die ich ab 1998 schwerpunktmäßig ostdeutscher Kunst widmete. Dass Jutta Held nach der sogenannten Wende nicht in den Chor der Abwertungen einstimmte,1 unterstützte mein eigenes Verständnis. Ihre Abschiedsvorlesung über Picassos Koreabild und die avantgardistische Historienmalerei,2 die sie im Jahr 2000 an der Universität Osnabrück hielt, veranlasste mich zu einer konkreten Bezugnahme. Hatte sie ein pessimistisches Geschichtsverständnis der Avantgarde nach der Französischen Revolution herausgestellt, wollte ich untersuchen, welche Möglichkeiten sich in einer Gesellschaft entwickeln konnten, die zu einer teleologisch optimistischen Sicht auf die Geschichte verpflichtet wurde. Als Beispiel bot sich Willi Sittes Werk Lidice (Abb. 1) an, für das sich der Künstler in einer Reihe von Studien mit Picassos Massaker in Korea auseinandergesetzt hatte. Meine Nachforschungen verselbständigten sich bald und führten schnell über den eigentlichen Anlass hinaus.3 Es entstand eine Geschichte mit offenem Ende. Das lag an den äußeren Gegebenheiten: Das fast zwölf Quadratmeter große Dreitafelwerk war aus für mich nicht zu klärenden Gründen spurlos verschwunden. Hier will ich die Entstehungsgeschichte im Hinblick auf Picasso nochmals genauer befragen. Jutta Held hatte Picassos Koreabild, in dem sich Täter und Opfer gleichgewichtig gegenüberstehen, in Zusammenhang mit ebenfalls bipolar angelegten Erschießungsbildern von Goya und Manet analysiert. Sie folgerte, dass alle drei Künstler das moderne Historienbild als Erschießungsbild definierten, »als eine destruktive Verknüpfung von Geschichte und Gegenwart«4. Picassos Lösungen seien für eine Gruppe jüngerer Künstler in der Nachkriegszeit nicht mehr »zeitgerecht oder zukunftsfähig« gewesen. Sie reagierten auf Krieg und Faschismus »in Bildern der Zerstörung des klassischen Menschenbildes«. Sowohl auf der formalen wie auf der semantischen Ebene »wird die

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Abb. 1: Willi Sitte, Lidice, 1959 (verschollen)

Handlungsfähigkeit der Individuen bestritten […], thematisiert werden nur ihre Verletzungen und ihr Opferstatus.«5 Ganz anders war die Haltung In Ostdeutschland. Hier fand Picasso eine Wertschätzung wie kein anderer westlicher Künstler.6 In den ersten Nachkriegsjahren war sein Wirken unhinterfragt präsent. Als er mit dem Beginn der sogenannten Formalismusdebatte als dekadent ins Zentrum der kulturpolitischen Kritik geriet, änderte das nichts an der Faszination, die er gerade auf Künstler ausübte, die den Aufbau eines neuen Deutschland mit ihrer Kunst unterstützen wollten, aber nicht im Sinne der Kulturpolitik nach sowjetischem Vorbild. 1957 wurde in der Einleitung des Katalogs der Sonderausstellung Von Menzel bis Picasso festgestellt, dass die Künstler der jüngeren Generation

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»fast alle, mehr oder minder bewusst, unter der mächtigen Einwirkung Picassos stehen«. Als erster wird Willi Sitte genannt.7 Sitte hatte sich schon 1944 mit einem Totentanz, dem Zyklus Danza funebre del Terzo Reich, zur Zeitgeschichte geäußert – damals noch ganz im akademischen Duktus, den er sich seit seiner Kindheit autodidaktisch angeeignet hatte. Erst nach dem Krieg lernte er Picassos Kunst kennen, und das habe »zu einem Erdrutsch in seinen Kunstvorstellungen geführt«8: Picasso wurde als »Kämpfer, Künstler und Mensch« sein großes Vorbild.9 Er hätte sich mit seinen Fähigkeiten als Zeichner zum Naturalismus steigern können, äußerte er in einem Interview 1971, »mir ging es aber um die Gestaltung all der großen gesellschaftlichen Konflikte, die der Krieg hinterlassen hatte, der Probleme, die der neuen Zeit gestellt waren. In Picasso fand ich diese Art politischen Künstler.«10 Als eine Delegation des Verbandes Bildender Künstler ihn bei einem Besuch in seinem Atelier 1953 aufforderte, er solle erst einmal richtig zeichnen lernen, ehe er diesen Quatsch nach Picasso mache, schlug er vor, an einem schwierigen Thema, nämlich der Völkerschlacht bei Leipzig, zu zeigen, was Zeichnen heißt.11 Er nahm die Aufgabe ernst und bewies in vielen Entwürfen und Studien zu diesem Historienbild sein Können.12 Doch gleichzeitig bekannte er sich in einem Artikel in der Tageszeitung Freiheit zu Picassos Historienbildern.13 Dieser Text liest sich wie ein Plädoyer für die »untrennbare Einheit« von Inhalt und Form. Er beginnt mit einem Zitat aus dem Rechenschaftsbericht des IV. Parteitages, in dem »die Gestaltung von bedeutenden Ereignissen in der deutschen Geschichte und von humanistischen Kämpfen gegen Militarismus und Krieg« gefordert wird. Eine Reihe von Künstlern, die »hervorragende Kunstwerke« geschaffen haben, lässt Sitte mit Giotto beginnen und mit Picasso enden. Historienmaler des späten 19. Jahrhunderts hätten dagegen »dem historischen Stoff, dem Thema, dem Gegenstand auf Kosten der künstlerischen Gestaltungsmittel« gehuldigt, und umgekehrt hätten Künstler am Anfang des 20. Jahrhunderts die Gestaltungsmittel losgelöst vom Inhalt verabsolutiert. Beides habe in eine Sackgasse geführt. Diese Gefahr sieht er in der aktuellen Forderung nach dem Historienbild. Die richtige Einstellung zum Thema sei die Voraussetzung, aber es müsse auch eine künstlerische Aufgabe gelöst werden. »Das können wir nur dann, wenn wir uns ganz systematisch um die Beherrschung der künstlerischen Gestaltungselemente bemühen, und zwar entsprechend den Beispielen des klassischen Erbes.« Dass er am Schluss die Unterstützung der Partei anspricht, kann verschiedene Gründe haben, beispielsweise finanzielle. Die belehrenden sogenannten Hilfen hat er für sich stets energisch abgelehnt. So sind die Einsichten, die er während der Arbeit an der Völkerschlacht gewonnen hatte, nicht im Sinne der Partei: In dem Gemälde Untergang der napoleonischen Armee in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 ist das Thema nicht mehr wie in den Vorarbeiten die Kampfhandlung, sondern die verheerende Wirkung auf die Unterlegenen. Auch wenn die inhaltlichen Gegebenheiten nicht vergleichbar sind, ist diese Verweigerung, die Sieger herauszustellen, von der Haltung der jungen westlichen Künstler nicht weit entfernt, die künstlerische Verarbeitung ist es jedoch grundlegend. Willi Sitte war von Hause aus Kommunist, er befürwortete die Politik der DDR und auch den sozialistischen Realismus, allerdings in eigenverantwortlicher Weise. Das Gemälde wurde zwar angekauft, aber nicht durch besondere Hängung gewürdigt. Zum 140. Jubiläum der Befreiungskriege waren der »erstrangige Anteil der Volksmassen an der Befreiung Deutschlands« und die Unterstützung durch

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Abb. 2: Willi Sitte, Studie zu Lidice, 1956

die russischen Truppen betont worden.14 Sittes Darstellung passte nicht in das gewünschte Geschichtskonzept. Hatte er mit dem Völkerschlachtthema seine akademische Kunstfertigkeit beweisen wollen, gestaltete er mit einem dreiteiligen Werk zum Spanischen Bürgerkrieg eine neuartige Form des Historienbildes. Kampf der Thälmannbrigade in Spanien ist seine erste Simultan- oder Komplexdarstellung, in der zeitlich und räumlich auseinanderliegende Ereignisse in einem Bild vereint sind. Schon das Thema legt die Auseinandersetzung mit Picassos Guernica nahe.15 Zwar ging es Sitte darum, diesem eine eigene Sicht entgegenzusetzen, doch nicht nur der flächenbetonende Wandbildcharakter erinnert an Guernica, auch das Detail des gefallenen Kriegers mit dem zerbrochenen Schwert in der Faust hatte Sitte angeregt. Er gibt dem Toten einen Stift in die Hand, mit dem dieser auf einen Zettel eine Losung aus dem Bürgerkrieg geschrieben hatte.16 Auch dieses Werk fand keine öffentliche Wertschätzung. Sitte hatte die Toten durch perspektivische Verkürzungen, die den Flächencharakter der Gesamtanlage durchbrechen, hervorgehoben. Aber die »Wahrheit hätte erfordert, die internationale Solidarität und den heldenhaften Kampf mittels einer überzeugenden Formensprache auszudrücken«, hieß es 1959 in der Zeitschrift des Künstlerverbandes Bildende Kunst.17 Für das Foyer der Militärakademie in Dresden bestimmt, ist es dort nie angekommen, sondern verschwand spurlos, nachdem es auf der IV. Deutschen Kunstausstellung in Dresden ausgestellt war. 1976 wurde

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es, vom Regen völlig durchnässt, in einem Fahrradschuppen in der Artilleriekaserne in Halle gefunden und restauriert. Die Zeiten hatten sich geändert. Noch während Sitte an der Thälmannbrigade arbeitete, entstanden Skizzen für sein nächstes Historienbild: Lidice18. Mit seiner tschechischen Heimat verbunden, hatte ihn das nationalsozialistische Verbrechen an dem Bergarbeiterdorf lange und intensiv beschäftigt. Die Vernichtungsaktion war als Vergeltung für eine angebliche Beteiligung des Ortes an dem Attentat auf Reinhard Heydrich angegeben worden. In einem Befehl aus Berlin wurde angeordnet, alle Männer zu erschießen, die Frauen in ein Konzentrationslager zu transportieren, die Kinder, »soweit eindeutschungsfähig, in SS-Familien im Reich zu geben« und »die Ortschaft niederzubrennen und dem Erdboden gleichzumachen«.19 Zunächst befasste sich Sitte in vielen Skizzen, großformatigen Zeichnungen und Aquarellen mit dem Motiv der Erschießung. In ihnen finden seine zu Völkerschlacht und Thälmannbrigade angestellten bildlichen Überlegungen, die ihn die Gegenüberstellung von Opfern und Tätern vermeiden ließen, eine neue Ausrichtung in Auseinandersetzung mit Picassos Koreabild. Dieses war 1955 in der Zeitschrift Bildende Kunst einem Artikel vorangestellt worden, mit dem Heinz Lüdecke in dieser Zeitschrift eine breit gefächerte und leidenschaftlich geführte Kontroverse zu Picasso eröffnet hatte.20 Auffallend ist, dass sich bei Sitte Männer und Frauen in der Opfergruppe befinden. Offensichtlich kannte er den genauen Wortlaut des Befehls nicht: »Alle männlichen Erwachsenen sind zu erschießen.« So hatte er auf der Rückseite einer Tuschzeichnung notiert: »Alle Männer und Frauen über 13 Jahre […].« In seinem Skizzenbuch von 1956 lässt sich verfolgen, wie er im Dialog mit Picasso eine eigene Position suchte, indem er in kleinen Kompositonsstudien verschiedene Möglichkeiten ausprobierte. Auf der ersten Skizze sind die Soldaten von hinten gesehen, in den folgenden wie im Koreabild von der Seite, aber während sie dort die rechte Bildhälfte einnehmen, platziert Sitte sie mal an den rechten, mal an den linken Bildrand. Meist werden die Soldaten zu einer dunklen Masse zusammengefasst, aus der ihre Gewehre waagrecht übereinander angeordnet ragen. Auch in seinen großen, differenziert ausgearbeiteten Zeichnungen meidet er den streng bipolaren Bildaufbau, der bei Picasso die Täter den Opfern kompositorisch gleichgewichtig gegenüberstellt. Sitte drängt die Akteure fast immer dicht zusammen an den Bildrand, so dass für die Darstellung der Opfer viel Platz bleibt; diese sind es, die ihn vor allem interessieren. Auch übernimmt er nicht die Aggression, die bei Picasso von den roboterartigen Maschinenmännern ausgeht. Es sind bei ihm Soldaten, erkennbar durch Uniform und Stahlhelm, aber ein Gesicht gibt er ihnen nicht. Da er sich in dieser Zeit bemühte, mit Hilfe von Picasso eine individuelle Bildsprache zu entwickeln, experimentierte er in vielen seiner großformatigen Studien in sehr unterschiedlicher Weise. Auf einem Blatt probiert er fast abstrakte Formen aus, im nächsten eine genaue Gegenständlichkeit, mal betont er die Fläche, ein andermal öffnet er sie perspektivisch. Alle diese Zeichnungen waren nicht als bloß vorbereitende Studien gedacht, immer strebte Sitte eine ästhetisch und inhaltlich eigenständige Lösung an, mit der er sich in die aktuelle Kunstdiskussion einmischte und Grenzen erweiterte.21 Gegenüber diesen vielfältigen Variationen des Erschießungsmotivs fallen drei Studien auf – eine Bleistiftzeichnung und zwei Aquarelle – die in ihrer Anlage weitgehend übereinstimmen (Abb. 2). Hier ist der Bezug zu Massaker in Korea und auch zu Guernica besonders deutlich, nicht in den Formen, aber in den Motiven. Deutlich ist aber

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ebenso Sittes Widerspruch. Auch hier räumt er der dichtgedrängten Soldatengruppe am rechten Bildrand nur wenig Platz ein, umso mehr den Opfern, die er vor die brennende Ortschaft platziert. In ihrer Mitte bäumt sich ein übergroßes Rind auf, das an das sterbende Pferd in Guernica gemahnt.22 Die sich aus dem Fenster eines brennenden Hauses beugende Frau zitiert die Lichtträgerin, und Picassos Mutter mit totem Kind findet sich abgewandelt in der am Boden kauernden Frau, die versucht, ihr Kind mit ihrem Körper zu schützen. Dass die Opfer vor allem weiblich sind, erinnert an das Koreabild, in dem deutlicher als in Guernica neben der politischen Bedeutung auch der Geschlechterkampf thematisiert ist.23 Wehrlos sind dort die nackten Frauen der destruktiven männlichen Gewalt ausgesetzt. Sitte übernimmt jedoch die fast apathische Ergebenheit der Frauen nicht. Anstelle der nebeneinander aufgereihten Gestalten setzt er eine sich auf die Soldaten zubewegende Szene. Zwei Frauen sind wie bei Picasso nackt, aber gerade in dieser Übereinstimmung wird Sittes Einspruch erkennbar, denn diese Nackten stellen sich den Angreifern herausfordernd entgegen. Eine der beiden richtet sich vom Boden aus gegen die Soldaten auf, die andere hält ihnen aufrechtstehend ihr Kind entgegen, eine Geste, die bei Picasso undenkbar ist. Die Frage stellt sich, was Sitte zu dieser Geste veranlasste und was sie zu bedeuten hat. Als ich mich mit Lidice beschäftigte, war ich unter dem Eindruck von Jutta Helds Abschiedsvorlesung so sehr auf Picasso als Vorbild für Sittes Lidice-Studien fixiert, dass ich nicht bedachte, welche Bedeutung andere Künstlerpersönlichkeiten für ihn hatten, als es nach dem Krieg für ihn darum ging, sich völlig neu zu orientieren. In dieser Situation war ihm noch vor Picassos Kunst die Graphik von Käthe Kollwitz richtungsweisend geworden. Ihn beeindruckte nicht nur die künstlerische Seite, sondern ebenso wichtig war ihm, dass Kollwitz sich mit Inhalten beschäftigt hatte, die auch ihn bewegten. »Ich brannte darauf,« berichtete er, »meine Erlebnisse und meine Haltung, die ich als ungeheuer revolutionär begriff, auch nach außen transportieren zu können. Meine Kunst sollte an der Bewusstseinsveränderung des deutschen Volkes in der Sowjetischen Besatzungszone mitwirken. Einen Weg dazu sah ich bei Käthe Kollwitz. Sie verhalf mir als hervorragende Zeichnerin, aber auch durch ihr engagiert gelebtes Leben zu einem ersten Schritt in eine neue Richtung.«24 Ihr wird er das Motiv der Frau, die ihr Kind darbietet, verdanken. Kollwitz hatte das Motiv in dem Holzschnitt Das Opfer der Folge Krieg von 1922/23 vorangestellt. Für sie ist es mit der Opferidee verbunden, die im 1. Weltkrieg eine große Rolle gespielt und die auch sie zunächst verinnerlicht hatte. So unterstützte sie ihren Sohn, vom Vater die Einwilligung zu erhalten, sich als Freiwilliger zu stellen. Nach nur wenigen Kriegstagen wurde er getötet. Der Holzschnitt steht am Ende eines schmerzvollen Lernprozesses, über den ihre Tagebuchaufzeichnungen und Briefe Aufschluss geben und der ihre künstlerischen Arbeiten bestimmte. Lange hält sie an dem Gedanken fest, dass der Opfertod des Sohnes einen Sinn hatte. Das war für sie nur möglich »aus der Überzeugtheit von Deutschlands Recht und der Verteidigungspflicht«, wie sie notierte.25 Nachdem sie die Sinnlosigkeit akzeptieren musste, versuchte sie, ihre Haltung zum Krieg und damit auch zur Opferidee in einem Graphikzyklus darzustellen. Doch erst in den frühen 20er Jahren gelang ihr eine Lösung, die sie befriedigte. Obwohl häufig anders interpretiert, kann nicht daran gezweifelt werden, dass Kollwitz in dem Blatt Das Opfer die Inszenierung einer als verhängnisvoll erkannten Idee vornimmt, die ein Bekenntnis zur Mitschuld einschließt. Neben ihren Tagebucheintragungen sprechen die

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Formen der Überhöhung – die dunkle Blütenkelchform und die Lichtaureole – sowie die Nacktheit der Frau, die sie zu einer allegorischen Figur machen und sie aus dem realen Lebensbezug herauslösen, dafür.26 »Man hat tief umgelernt in diesen vier Jahren«, hatte sie am 30. Oktober 1918 in einer Entgegnung zu einem Aufruf Richard Dehmels geschrieben, der im Vorwärts alle kriegstauglichen Männer aufgefordert hatte, sich freiwillig zu stellen, da nur Opfermut jetzt noch den Ausschlag geben könne.27 Sitte werden diese Hintergründe kaum bekannt gewesen sein. Vermutlich benutzte er das Motiv vor allem als Zitat für eine selbstbewusste weibliche Haltung. Die klagenden Frauen Picassos interessierten ihn nicht. Nachdem er 1957 nach Lidice gereist war und die genaueren Umstände des Verbrechens kennengelernt hatte, gab er die Erschießungsszene auf. Die Begegnung mit den nach Lidice zurückgekehrten Frauen, die voller Mut und Energie dort ein neues Leben aufbauten, bestimmen nun viele seiner Vorarbeiten. Das Ölbild Rufende Frauen nähert sich in den Formen Picasso an, geht aber in dem Selbstbewusstsein, mit dem die Frauen das Unrecht der Nazis in die Welt hinausschreien, andere Wege. Trotzdem wirken Picassos Historienbilder in seinen künstlerischen Überlegungen zu Lidice weiter. So bestimmen Frauen als Opfer das Bild Massaker II, aber nicht mehr als Lebende in der Gegenüberstellung. Die Tat ist bereits vollbracht und die Soldaten lassen sich bei einer Zigarettenpause mit ihren Mordopfern fotografieren. Sitte verbindet hier eine ihn traumatisch belastende Szene, deren Zeuge er während des Russlandfeldzugs geworden war,28 mit Filmaufnahmen, die er in Lidice gesehen hatte. Auch hier gibt er die Soldaten ohne Gesicht wieder. »Im Film habe ich ihre Gesichter gesehen, wie sie lachen und sich brüsten. Obwohl ich es probierte, konnte ich das nicht wiedergeben. Es war mir unfassbar, dass Menschen, die eine derartige Tat begehen, in irgendeinem Denk-oder Gefühlsprozess verwickelt sein könnten. So malte ich ihre in Stahlhelmen steckenden Köpfe gesichtslos.«29 Die Maschinenmänner Picassos sind da nicht weit entfernt. In der endgültigen Form des Dreitafelbildes Lidice (Abb. 1) gibt es keine weiblichen Opfer mehr. Auf der Predella erscheinen die männlichen Erschossenen, während sich ihre rauchenden Mörder auf der rechten Tafel des Diptychons vor der brennenden Ortschaft mit ihrer Tat brüsten. Die linke Tafel ist im Gegensatz zu früheren Überlegungen, die unter anderem den Abtransport der Frauen vorsahen, nun einer Sitzenden gewidmet, die in ihrer Monumentalität bildbestimmend ist. Stellvertretend für die nach Lidice zurückgekehrten Frauen, wird durch ihre Gegenwart die Vergangenheit, vertreten durch das Plakat hinter ihr mit den Fotos der ermordeten Männer und Kinder, mit der Zukunft zusammengeführt, auf die der Plan, den sie in ihrer Linken hält, verweist. Er zeigt die Gedenkstätte, die bei Sittes Besuch noch nicht ausgeführt war. Sitte hatte »die Allgemeinheit der Picassoschen Symbole« nicht mehr ausgereicht, bekannte er später. Es sei notwendig geworden, neue »konkrete bildkünstlerische Symbole zu entwickeln«.30 Nicht nur inhaltlich hat er sich mit dieser selbstbewussten Frau von Picasso abgewendet, auch im Formalen beginnt er, sich von dem großen Vorbild zu lösen. Nur die »erschreckend deformierten« Hände, wie es in einer Besprechung heißt,31 lassen sich noch wie eine Verneigung vor Picasso lesen, vielleicht auch wie ein Abschied von dem Glauben, »mit den Mitteln Picassos alle neuen Probleme gestalten zu können«.32 Wie schon die Bilder zur Völkerschlacht und zur Thälmannbrigade fand auch Lidice zu wenig offizielle Zustimmung, um an den vorgesehenen Ort zu gelangen. Auf Empfehlung von Künstlerkollegen aus Prag sollte es der Gemeinde Lidice als Geschenk der

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DDR übergeben werden. Der damals höchste Kulturfunktionär Alfred Kurella kritisierte jedoch in einem Brief nach Prag im Dezember 1959 die »starken Einflüsse des Kubismus, die zu einer Entstellung des Menschenbildes geführt haben«. Da er »selbstverständlich« daran interessiert sei, »dass die politische und ästhetische Aussage des Bildes den Prinzipien unserer Kunstpolitik entspricht«, schlug er eine Diskussion Sittes mit den Frauen in Lidice vor. Er meinte, ihr Urteil könnte ihn zu Veränderungen veranlassen. Falls das nicht ratsam sei, »werden wir den Hallenser Künstler zu überzeugen suchen, dass er den einen Teil seines Bildwerkes von sich aus nochmals überarbeitet.«33 Offensichtlich für diese Überzeugungsarbeit erschien im April 1960 in der FDJ-Zeitschrift Junge Kunst ein Artikel, in dem Lidice abgebildet und ausführlich besprochen wurde. Sittes gute Absichten wurden betont, doch sei es ihm nicht gelungen, »seinen gedanklichen Vorwurf ästhetisch umzusetzen […]. Es scheint, dass Willi Sitte das künstlerische Verallgemeinern mit spekulativer Abstraktion verwechselt.«34 Willi Sitte war in den 50er Jahren von der Kritik besonders hart vorgenommen worden. Trotzdem konnte er ihr im Nachhinein auch etwas Gutes abgewinnen: »Die Auseinandersetzung, die wir durchgestanden haben, hat zwar Narben hinterlassen, aber in bestimmter Hinsicht war die Reibung, der wir ausgesetzt waren, auch nicht ganz unproduktiv für die künstlerische Arbeit und für das Zu-sich-selbst-finden.«35 Auch Jutta Held sah den Dogmatismus der DDR-Kunstkritik nicht nur negativ. Neben präziser Beobachtungsfähigkeit und solidem handwerklichen Können seien die Künstler zu einer kognitiven Einstellung zu ihrer Kunst angehalten worden, »die sie nicht nur unter subjektiven, sondern auch gesellschaftlichen Gesichtspunkten einschätzen lernten. Das waren Voraussetzungen für die Entwicklung einer intelligenten und sensiblen Kunst, die in den folgenden Jahrzehnten in der DDR gelang.«36

1 Vgl. z. B. Jutta Held: »Wolfgang Mattheuer im Gespräch« In: Ingrid Mössinger, Kerstin

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Drechsel (Hg.): Wolfgang Mattheuer. Retrospektive Gemälde, Zeichnungen Skulpturen. Ausst.-Kat. Kunstsammlungen Chemnitz. Leipzig 2002, S. 25–40. Veröffentlicht u.a. in: Jutta Held: Avantgarde und Politik in Frankreich. Revolution, Krieg und Faschismus im Blickfeld der Künste. Berlin 2005, S. 223–250. Gisela Schirmer: Willi Sitte – Lidice. Historienbild und Kunstpolitik in der DDR. Berlin 2011. Held 2005 (wie Anm. 2), S. 225. Ebd., S. 242 f. Held nennt als Beispiel u.a. die Serie Otages von Jean Fautrier, die sich auf Geiselerschießungen wie Oradour beziehen. Vgl. u.a. Martin Schieder: Im Blick des Anderen. Die deutsch-französischen Kunstbeziehungen 1945–1959. Berlin 2005, S. 354–363. Elisabeth Speer: »Einführung« In: Von Menzel bis Picasso. Handzeichnungen und Graphik des 20. Jahrhunderts aus eigenen Beständen. Ausst.-Kat. Staatliche Galerie Moritzburg Halle. Halle 1957, S.3–34, hier S. 34. Sabine Weißler: »Interview mit Willi Sitte am 5. August 1982« In: Willi Sitte. 1945–1982. Ausst.-Kat. Staatliche Kunsthalle Berlin. Berlin/West 1982, S. 122 f. R. K. (Rolf Kiy): »Das Porträt der Woche. Willi Sitte« In: Freiheit 2.12.1950.

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10 Reinhard Grahl, Peter Pachnike: »Was bedeutet Ihnen Picasso? Zum neunzigsten Geburtstag

von Pablo Picasso. Ein Gespräch mit Willi Sitte« In: Sonntag, 7.11.1971. 11 Schirmer 2011 (wie Anm. 3), S. 23. 12 Vgl. Abbildungen dieser Studien sowie die der anderen in vorliegendem Beitrag genannten

Arbeiten Willi Sittes in Schirmer 2011 (wie Anm. 3). 13 Willi Sitte: »Über einige Fragen des Historienbildes« In: Freiheit 25.6.1954. 14 Leipzig 1813. Die Völkerschlacht im nationalen Befreiungskampf des Deutschen Volkes. VEB

Bibliographisches Institut Leipzig, S. 153. 15 Vgl. Schirmer 2011 (wie Anm. 3), S. 35–38. 16 Ebd., S. 35. 17 Lothar Lang: »Um die historische Wahrheit« In: Bildende Kunst 2/1959, S. 75 ff., hier

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S. 76 f. Ähnlich urteilte Eberhard Bartke: »Hauptstraße der Kunst« In: Junge Kunst 6/1959, S. 49 ff., hier S. 53. Vgl. dazu Schirmer 2011 (wie Anm. 3), S. 105 ff. Zit. nach Johann Wolfgang Brügel: Tschechen und Deutsche 1939–1946. München 1974, S. 202. Heinz Lüdecke: »Phänomen und Problem Picasso« In: Bildende Kunst, 5/1955, S. 339 ff. Sitte hatte, schon bevor er Picassos Koreabild kannte, ein kleines Bild mit dem Titel Mörder von Koye gemalt, das sich auf Massaker in dem Gefangenlager auf der Insel Koje bezieht. Es gehört formal zu einer Gruppe von Bildern, die das Motiv von Lanzenmännern variiert. Sitte sagte mir, dass ihn Giottos Gefangennahme Christi zu diesem Motiv angeregt habe. Picassos Bild sei ihm damals noch nicht bekannt gewesen. Doch der Koreakrieg habe bei der Wahl des Motivs sicher eine Rolle gespielt. Vgl. Gisela Schirmer: Willi Sitte. Farben und Folgen. Eine Autobiographie. Leipzig 2021 (2. Aufl.), S. 60. Vgl. Schirmer 2011 (wie Anm. 3), S. 106–114. In der Literatur wird das Rind mit Hinweis auf Picasso meist als Pferd beschrieben, u. a. von Schieder 2005 (wie Anm. 6), S. 360 f. Vgl. Held 2005 (wie Anm. 2), S. 240. Zit. nach Schirmer 2021 (wie Anm. 20), S. 39. Käthe Kollwitz: Die Tagebücher. Hg. Von Jutta Bohnke-Kollwitz. Berlin 1989, S. 359. Vgl. dazu Gisela Schirmer: »Geschichte in der Verantwortung der Mütter. Von der Opferideologie zum Pazifismus« In: Jutta Hülsewig-Johnen (Hg.): Käthe Kollwitz: Das Bild der Frau. Ausst.-Kat. Kunsthalle Bielefeld. Bielefeld 1999, S. 111–121. Vgl. auch Martin Papenbrock: »Käthe Kollwitz: Die Überlebenden – Krieg dem Kriege! (1923/24)« In: Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft, 18/2016, S.11–23. Kollwitz 1989 (wie Anm. 25), S. 839 f. Schirmer 2021 (wie Anm. 24), S. 19. Ebd., S. 76 f. Zit. nach Grahl, Pachnike 1971 (wie Anm. 10). Zwar betrifft diese Aussage das im Anschluss an Lidice entstandene Arbeitertriptychon, aber die Lösung von Picasso beginnt bereits hier. Geholfen hätten ihm nicht nur Künstler wie Kollwitz, Grundig und Siqueiros, sondern auch Guttuso »in seiner Art, wie er Picasso bewältigte«. Ebd. Jutta Schmidt: »Auf dem Weg zum sozialistischen Realismus. Zu den ›Triptychen‹ von Willi Sitte« In: Bildende Kunst 1/1962, S. 7–12, hier S. 8. Zit. nach Grahl, Pachnike 1971 (wie Anm. 10). Alfred Kurella an Bruno Köhler, 16.12.1959. SAPMO BArch, DY 30/IV 2/2026/58, Bl. 380.

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34 Ohne Autor, Vier Maler zwischen Gestern und Morgen. S. 17–32. War Alfred Kurella der

Autor? Es ist nicht auszuschließen, dass Kurella das Bild verschwinden ließ, weil es ihm nicht gelungen war, Sitte zu Änderungen daran zu bewegen. 35 Weißler 1982 (wie Anm. 8), S. 122. 36 Jutta Held: »›Irgendwas machen, das nützlich ist, das man abliefern kann‹. Zu Herbert Sandbergs politischer und künstlerischer Arbeit« In: Herbert Sandberg. Politische Grafik. Ausst.Kat. Osnabrück 1981, S. 6–14, hier S. 8.

Elke Wüst-Kralowetz The Yes Men, SUPERFLEX, Forensic Architecture: neue Formen politischer Kunst

I. Im Sommer 2016 erklärte Norbert Schneider auf einer Vorstandssitzung der GuernicaGesellschaft zum Tagesordnungspunkt: Jahrbuch 2016, Bd. 18, dass er eine Rezension zu Claudia Meschs Buch: Art and Politics. A Small History of Art for Social Change since 1945 (London u. a. 2013)1 für das Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft beifügen werde. Das interessierte mich, und ich fragte nach, wo Norbert Schneider auf dieses Buch gestoßen sei. Dies hatte seinen Grund darin, dass ich mit diesem Buch ein kleines persönliches Experiment/Projekt durchführte. Das Buch hatte ich Anfang des Jahres 2014 anlässlich meiner Masterarbeit über die Yes Men in der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ausgeliehen. Seit diesem Zeitpunkt befindet es sich, juristisch gesprochen, zwar nicht in meinem Eigentum, aber in meinem permanenten Besitz. Ich hatte die Leihfrist ständig ohne jegliche Beschränkung durch eine Vormerkung verlängern können. Dies ist insofern bemerkenswert, als es im Bibliotheksportal Karlsruhe, welches die wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken in Karlsruhe umfasst, nur dieses eine Exemplar gibt, somit niemand bisher dieses Buch ausgeliehen hat. Bis zum jetzigen Zeitpunkt (Februar 2022) hat sich daran nichts geändert. Norbert Schneider war auf das Buch in der Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte (ZI) in München im Rahmen einer Recherche nach Kunst und Politik bzw. Art and Politics aufmerksam geworden und hatte sich dort für seine Rezension umfänglich damit befasst. II. Kurz auf seine Rezension2 eingehend und über sie hinausgehend, soll der Blick im Sinne der Perspektiven kritischer Kunst- und Kulturwissenschaften auf neue, aktuelle Formen einer kritischen Kunst gerichtet werden. Claudia Meschs Übersichtsdarstellung zu Kunst und Politik seit 1945 ist ein Desiderat, welches eine Lücke in der Lehrbuchliteratur füllt, wie Norbert Schneider zu Recht feststellt.3 Mesch orientiert sich bei der Strukturierung der vielfältigen politischkünstlerischen Äußerungen nach 1945 an politischen Bewegungen in ihrer geschichtlichen Abfolge mit den Kapiteln State-Sponsored Art During the Cold War, PostColonial Identity and the Civil-Rights Movement, The Anti-War and Peace Movements, Feminism, Gay Identity/Queer Art, Environmental Art, Anti-Globalization. Im Epilog

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widmet sie sich der protestAR: #OPCCUPYWALLSTREET and #arOCCUPYWALLSTREET. Norbert Schneider geht in seiner Rezension ausführlicher auf das erste Kapitel, die politische Kunst der Nachkriegszeit, geprägt vom Gegensatz Abstraktion/(Sozialistischer) Realismus ein, in welchem Mesch die Staatskunst der Sowjetunion sowie die politische bzw. parteinahe Kunst aus dem Umfeld moskautreuer kommunistischer Parteien (Fougeron, Guttuso, Mucchi) sowie die westlichen politischen Künstler:innen – insbesondere die amerikanischen Künstler:innen mit den Auswirkungen des McCarthyismus − behandelt, aber auch Künstler wie Vostell, Beuys, Staeck, Immendorf, Polke, Palermo und Schönebeck anführt.4 Norbert Schneider kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die politische Kunst der BRD und DDR hier – außer über die erwähnten etablierten Künstler – nicht weitergehend vorkommt, und verweist auf Künstler wie Duwe, Grzimek, Waller, Heisig, Cremer, Gille, Rink, Stelzmann sowie Quevedo. Gerade diese politisch engagierte Kunstszene der Zeit nach 1945, die durchaus auch miteinander interagierte, sollte, wenn es um Kunst und Politik nach 1945 geht, nicht aus dem Blickfeld geraten. Dies umfasst auch eine differenzierte Betrachtung und Analyse der Kunst der DDR dahingehend, inwieweit nicht nur staatstreu bzw. nach staatlichen Vorgaben künstlerisch gearbeitet wurde, sondern auch unter den Bedingungen eines kontrollierenden Staates ein »social change« zu erkennen ist, worauf Norbert Schneider durch Bezugnahme auf Mattheuer, insbesondere die Varianten des Jahrhundertschritts, hinweist.5 Kritisch setzt sich Norbert Schneider auch mit der »Global Post-Colonial Art« auseinander, insbesondere auch der − oft gut gemeinten − Absicht, dieser bzw. den jeweiligen Künstlern durch Einbeziehung in die westliche Kunstszene und daraus folgend den westlichen Kunstmarkt zu »Sichtbarkeit« zu verhelfen. Er verweist im Zusammenhang mit dem Postkolonialismus zum einen darauf, dass verinnerlichte Herrschaftsstrukturen mental keineswegs ganz ausgeräumt sind, zum anderen am Beispiel des Künstlers Frédéric Bruly Bouabré von der Elfenbeinküste auf das Vereinnahmungsdilemma, welches bei der Präsentation der Künstler:innen im westlichen Kunstbetrieb mit dessen kapitalistischen (Markt-)Strukturen und dessen kanonischen Festlegungen bzw. dessen Definitionsmacht einhergeht.6 In seiner Rezension geht Norbert Schneider nicht auf die Kunst ein, die im Zusammenhang mit den Anti-Globalization-Bewegungen (Kapitel 7) steht, welche neue Formen politisch-aktivistischer Kunst hervorgebracht haben. Diese sowie weitere Formen kritischer Kunst sollen im Folgenden anhand von drei Beispielen aufgezeigt werden. III. In ihrem letzten Kapitel Anti-Globalization beschreibt Mesch künstlerische Arbeiten, die sich mit der sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion aufgrund weltweit verstärkender Mobilität sowie der Verbreitung des Internets entwickelnden Globalisierung und deren − insbesondere wirtschaftlichen – Mechanismen auseinandersetzen. Hier stellt Mesch im Rahmen der kritischen Medienkunst die US-amerikanische Künstlergruppe The Yes Men vor.7 The Yes Men um Igor Vamos alias Mike Bonnano und Jacques Servin alias Andy Bichlbaum agieren im Bereich der aktivistischen Medienkunst mit ihren Fälschungen

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Abb. 1: The Yes Men, Dow Chemical, 2004

von Webseiten internationaler Organisationen bzw. Unternehmen (z. B. WHO8, Dow Chemical9), welche sie mit kritischen bzw. übertriebenen Inhalten versehen, sowie ihren gefakten Performances auf Konferenzen bzw. bei Interviews sowohl digital wie analog an der Schnittstelle zwischen Kunst und politischer Aktion. Eine ihrer bekanntesten und effektivsten Aktionen ist die gegen Dow Chemical aus dem Jahr 2004 (Abb. 1).10 Den Hintergrund dieser Aktion bildete der 20. Jahrestag einer der schlimmsten Chemieunfälle im indischen Bhopal. Dabei waren 1984 in einem Werk des US-Chemiekonzerns Union Carbide Corp. (UCC) Schädlingsbekämpfungsmittel ausgetreten, die bis zu 20.000 Tote, viele Verletzte und chronisch Kranke gefordert hatten. Die Dow Chemical Comp. hatte UCC im Jahr 2001 übernommen und jede Verantwortung für die Katastrophe abgelehnt. Die Yes Men hatten bereits im Jahr 2002 die Webseite Dowethics.com installiert, welche der Webseite von Dow Chemical täuschend echt nachgebildet war, allerdings mit kritischem Inhalt. Im Glauben, dass es sich um eine von Dow autorisierte Webseite handelt, lud die Fernsehgesellschaft BBC World TV anlässlich des 20. Jahrestages des Unfalls von Bhopal die Yes Men als mutmaßliche Repräsentanten von Dow Chemical zu einem Interview ein. Jacques Servin alias Andy Bichlbaum nahm dabei unter dem weiteren Pseudonym Jude Finisterra performativ die Rolle eines Sprechers von Dow Chemical ein und gab bei diesem Interview eine radikal neue Ausrichtung von Dow Chemical bekannt. Diese zielte darauf ab, die vollständige Verantwortung für Bhopal zu übernehmen, alle Schäden zu beseitigen und die Opfer zu entschädigen. Die Sendung wurde zweimal ausgestrahlt, bevor Dow Chemical mit einem Dementi reagierte. Inzwischen hatten auch die Yes Men ein gefaktes Dementi an die Presse herausgegeben, in dem sie alle Zahlungen zurückwiesen und sich nur ihren Aktionären verantwortlich fühlten, was dem Dementi von Dow Chemical entsprach. In den beiden

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Abb. 2: SUPERFLEX, SUPERGAS, 1997/1998

Stunden nach dem Interview stellte die Nachricht die Topmeldung in den google-News news.google.com dar. Während des ganzen Tages waren die Nachrichten über Bhopal und die Dow Chemical Company sowie die Dementis Hauptmeldungen insbesondere in den amerikanischen Medien. Zur negativen Publizität kam für die Dow-Chemical-Aktie aufgrund der Meldungen kurzfristig ein Wertverlust von zwei Milliarden Dollar an der Frankfurter Börse hinzu. Schließlich dementierte auch die BBC den Bericht. Die Yes Men manipulieren die Medien im Sinne einer subversiven Affirmation. Ermöglicht wird dies durch den freien Zugang zu online-Medien, deren Anonymität sowie der Möglichkeit der freien Verbreitung falscher Informationen (Fake). Ihre Methoden sind die der Kommunikationsguerilla und des culture jamming. Mit ihrem Vorgehen, digital wie analog, erzeugen sie durch die (Zweck-)Entfremdung bestehender Zeichen Irritationen und erreichen dadurch ihre Ziele: identity correction ihrer Gegner, d. h. Entlarvung bzw. das Zeigen des »wahren Gesichts«, sowie das Generieren von Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit für das ihrem Vorgehen zugrunde liegende Anliegen. IV. Interventionistisch agiert auch die seit 1993 bestehende dänische Künstlergruppe SUPERFLEX um die Künstler Jakob Fenger, Rasmus Nielsen und Bjornstjerne Christiansen. Von einem klassischen Werkbegriff Abstand nehmend, verbinden sie Kunst mit ökonomischen, sozialen und politischen Handlungen und lösen damit die zwischen den beiden Bereichen bestehenden Grenzen auf. Es geht SUPERFLEX um eine sozial engangierte Kunst. Mit ihrer Kunst soll konkret und unmittelbar auf gesellschaftliche Zusammenhänge eingewirkt werden.11 Die Gruppe erklärte Ende der 1998: »We want our art to have clear social relevance […]. We are enganged in an operation which we hope will be concretely relevant to an individual or a group of people.«12 Kunst, die soziale Relevanz haben soll, verwirklichten sie in Arbeiten wie SUPERGAS von 1997/1998 (Abb. 2), bei welcher sie in Tansania in Zusammenarbeit mit dem dänischen Ingenieur Jan Mallan und örtlichen NGOs einen einfachen, tragbaren Biogasbehälter entwickelten und produzierten, welcher den Bedürfnissen einer afrikanischen Familie für Essen und Stromversorgung genügte. Diese kleine orangefarbene Biogasanlage arbeitet mit organischem Material (menschlichen und tierischen Exkrementen) und erlaubt der afrikanischen Familie die Selbstversorgung mit Energie, ohne auf Ressourcen wie Holz oder die Verwertung fossiler Brennstoffe angewiesen zu sein.13

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Abb. 3: SUPERFLEX, GUARANA POWER, 2004

Im Jahr 2004 verwirklichte die Künstlergruppe das Projekt GUARANA POWER. (Abb. 3) In Zusammenarbeit mit Guarana-Farmerkollektiven aus Maués im brasilianischen Amazonasgebiet wurde ein Softdrink auf Guarana-Basis hergestellt. Ziel war es, im Sinne einer counter-economic strategy das Kartell multinationaler Firmen beim Rohstofferwerb und das daraus folgende Preisdiktat mit Dumpingpreisen zu unterlaufen sowie durch kulturelle Intervention die Selbstorganisation zu fördern. Das Etikett zeigte das Original-Logo des Marktführers Guarana Antarctica, allerdings verdeckt durch einen schwarzen Balken mit dem weißen Schriftzug GUARANA POWER von SUPERFLEX. Mit Hilfe von SUPERFLEX wurde dieses Getränk in der Kunstwelt promoted. Unter anderem wurde der Stand Guarana Power Factory auf der 50. Biennale 2003 in Venedig installiert.14 Die Präsentation auf der Biennale 2006 in Sao Paulo wurde jedoch verboten. Die Einladung der Kuratoren wurde mit der Begründung zurückgezogen, es handele sich um ein Produkt und nicht um ein Kunstwerk. Wegen möglicher Verletzung von Interessen Dritter wurde darüber hinaus die Verwendung des Begriffs »Guarana« untersagt.15 Daraufhin zensierten sich SUPERFLEX selbst, indem sie schwarze Balken über alle Textbereiche legten. Außerdem verbreiteten sie das Getränk außerhalb der Ausstellung.16 SUPERFLEX nennt ihre Projekte »tools«17, Werkzeuge, nicht Werk oder Arbeit; ihre künstlerische Strategie nennen sie »sozial-ökonomische Integration«. Sie begreifen Kunst als kulturelle Intervention mit dem Ziel, alternative Ökonomien, demokratische Produktionsbedingungen und Selbstorganisation zu fördern.18

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V. Aktivistische Forschung als künstlerische Intervention betreibt das Kollektiv Forensic Architecture der Goldsmiths, University of London. Unter der Leitung des Architekten Eyal Weizman arbeiten Architekt:innen, Künstler:innen, Filmemacher:innen, SoftwareEntwickler:innen, Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und Jurist:innen (multidisziplinär) zusammen.19 Ausgehend von einem Konzept von Architektur als investigativer Praxis20 rekonstruieren und visualisieren sie Ereignisse, die vergangen sind, deren Hergang jedoch nicht vollständig aufgeklärt bzw. unklar geblieben ist. In ihrer Arbeit 77sqm_9:26min (Abb. 4), gezeigt auf der documenta 14 im Rahmen weiterer Arbeiten von The Friends of Halit Yozgat und für den Turner Prize 2018 nominiert21, beschäftigt sich Forensic Architecture mit der Ermordung des 21-jährigen Halit Yozgat in dem von seiner Familie betriebenen Internetcafé in Kassel am 6. April 2006 durch Mitglieder des sogenannten NSU (Nationalsozialistischer Untergrund), einer terroristischen Neo-NaziOrganisation, welche für die Ermordung von neun Menschen mit Migrationshintergrund sowie einer Polizistin verantwortlich ist. Von der Documenta, dem Haus der Kulturen der Welt, der Initiative 6. April sowie von dem Aktionsbündnis NSU-Komplex auflösen beauftragt, überprüft sie durch minutiöse Rekonstruktion die Aussage des hessischen Verfassungsschützers Andreas Temme, trotz Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit von der Tat weder akustisch noch visuell etwas bemerkt zu haben. In einer Video-Nachstellung des Geschehens mit Temme war dies so dargestellt worden. Dieses Video sowie PolizeiMaterial zum Tatgeschehen (Berichte, Zeugenaussagen, Fotos, Login-Protokolle von Computer- und Telefon), welches Ende 2015 ins Internet geleakt worden war, standen Forensic Architecture zur Verfügung. Forensic Architecture rekonstruierte den Ablauf der 9:26 Minuten sowohl digital wie analog. Methodisch errichteten sie ein 1:1 Modell des Internetcafés (77 qm), in welchem sie das Bewegungsprofil Temmes in einem Reenactment des Reenactments performativ nachstellte, sowie digital 3-D-Modelle und zog Experten der Ballistik-, Akustik- sowie Fluiddynamik (Ausbreitung des Schießpulvergeruchs) hinzu, um die Situation in ihrem Ablauf nachzuvollziehen. Forensic Architecture konnte in ihrer exakten Rekonstruktion, unterlegt mit einer Zeitschiene, nachweisen, dass die Aussage Temmes falsch war; dass es nicht möglich war, dass die Tat sich erst nach seinem Verlassen des Internetcafés abgespielt haben konnte.22 Dieses Ergebnis ihrer Gegen-Untersuchung präsentierte Forensic Architecture in der 3-Kanal-Videoinstallation 77sqm_9:26 min sowie in einem diese Video-Arbeit ergänzenden Bericht.23 Die Praxis von Forensic Architecture ist investigativ. Sie wertet ihnen vorliegendes Material bzw. Spuren mit neuesten Untersuchungsmethoden aus. Ihre Ergebnisse (bzw. Beweise) präsentiert sie multimedial in Bildern, Videos, Modellen und schriftlichen Berichten. Ihre unabhängigen Forschungen bzw. Analysen versteht sie als Gegenpol zur seit dem 19. Jahrhundert bestehenden Monopolisierung forensischer Praxis durch die Staatsgewalt.24 Bei unklarer Sachlage bzw. Faktenlage soll Aufklärung betrieben, politisches Versagen aufgedeckt sowie politische Verantwortung hergestellt werden. Die präsentierten Ergebnisse wurden im zum damaligen Zeitpunkt noch laufenden NSU-Gerichtsverfahren vor dem OLG München (2013−2018), trotz anfänglichen Interesses der Bundesanwaltschaft, nicht verwertet.25 Vor dem Untersuchungsausschuss des Landes Hessen wurden trotz des Versuchs der CDU, das Material mit dem Argument, es

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Abb. 4: Forensic Architecture, 77sqm_9:26min, 2017

handele sich um Kunst und nicht um wissenschaftliches Beweismaterial, auszuschließen, in Teilen zugelassen und Temme am 15. August 2017 dazu befragt.26 Eyal Weizman wird anlässlich eines Vortrags im Rahmen der Ausstellung NSU kontextualisieren – Installationen von Forensic Architecture und spot the silence im Haus der Kunst in München 2018 wie folgt zitiert: »Es gibt Fakten in einer Ära des Post-Truth, und wenn die Polizei und der Staat nicht auf drängende Fragen antworten, ist es Zeit für uns, die Ermittlungen zu übernehmen, mit dem Werkzeug der zeitgenössischen Kultur.«27

VI. Ziel des vorstehenden Textes war es, über Norbert Schneiders Rezension zu Claudia Meschs Art and Politics. A Small History of Art for Social Change since 1945 hinausgehend auf neue Formen einer kritisch-aktivistischen Kunst zu verweisen. Gerade diese neuen Kunstformen können Perspektiven für eine kritische Kunst- und Kulturwissenschaft eröffnen. 1 Claudia Mesch: Art and Politics. A Small History of Art for Social Change since 1945. Lon-

don u. a. 2013.

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2 Norbert Schneider: Rezension von: Claudia Mesch: Art and Politics. A Small History of Art

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for Social Change since 1945. London u. a. 2013, in: Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft, Bd. 18 (2016), S. 189–192. Ebd., S. 189. Wobei Norbert Schneider das »Politische« bei Polke und Palermo durchaus hinterfragt. Vgl. ebd., S. 190. Vgl. ebd., S. 190. Vgl. ebd., S. 191. Vgl. Mesch 2013 (wie Anm. 1), S. 192–195. Vgl. Andy Bichlbaum/Mike Bonnano/Bob Spunkmeyer: The Yes Men. The True Story of the End of the World Trade Organization. New York 2004. Vgl. The Yes Men: »Dow just says ›yes‹ to Bhopal« In: Tom Corby (Hg.): Network Art: Practices and Positions. London 2006, S. 173–183. Ebda., vgl. auch: Elke Wüst-Kralowetz: »The Yes Men: zeitgenössische politische Kunst der subversiven Affirmation und des Fake« In: Kunst und Politik, Jahrbuch der GuernicaGesellschaft, Bd. 17 (2015), S. 179–192. Vgl. Anna Spohn: »SUPERFLEX. Aktivismus als Konzept« In: Kunstforum International, Bd. 232 (2015), S. 95–101, hier S. 95. Zitiert nach ebd., S. 95. Vgl. http://www.supergas.dk (17.08.2021); »SUPERGAS« In: Barbara Steiner, Galerie für zeitgenössische Kunst Leipzig, SUPERDESIGN (Hg.): SUPERFLEX. TOOLS BOOK. Köln 2003, S. 11–37. Vgl. https://superflex.net/works/guarana_power (17.08.2021); »SUPERFLEX. Guarana Power 2004« In: Nato Thompson (Hg.): Living as Form: Socially Engaged Art. New York/Cambridge 2012, S. 226–227. Vgl. James Trainor: »27th Sao Paulo Biennal« In: frieze (January-February 2007), Nr. 104, S. 157; https://superflex.net/works/guarana_power (17.08.2021); Stellungnahme der Leitung der Sao Paulo-Biennale: abgedruckt in: SUPERFLEX: We are all in the same Boat. Ausst.Kat., Museum of Art and Design at Miami Dade College, Miami, Fla., Berlin 2019, o. S. Vgl. Trainor 2007 (wie Anm. 15), S. 157. Vgl. Steiner 2003 (wie Anm. 13), S. 5. Vgl. »SUPERFLEX« In: Hans Belting, Andrea Buddensieg, Peter Weibel (Hg.): The Global Contemporary and the Rise of New Art Worlds. Karlsruhe 2013, S. 429. Vgl. https://forensic-architecture.org (17.08.2021). Vgl. Eyal Weizman: Forensic Architecture. Violence at the Threshold of Detectability. New York 2018, Preface, S. 10–11; S. 58. Vgl. https://forensic-architecture.org/investigation/the-murder-of-halit-yozgat (17.08.2021); https://forensic-architecture.org/programme/exhibitions/77sqm_926min-documenta-14 (17.08. 2021). Vgl. Bericht, S. 31. Bericht und Video abrufbar über https://forensic-architecture.org/investigation/the-murder-of-halit-yozgat (17.08.2021). Installiert hinter einem Vorhang in einem abgedunkelten, garagenähnlichen Raum. Vgl. Katja Müller-Helle: »Forensic Architecture« In: Julia Höner, Kerstin Schankweiler (Hg.): Affect Me. Social Media Images in Art. Leipzig 2017, S. 122–129, hier S. 125. Abgerufen über: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2019/6060 (17.08.2021).

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25 Vgl. Ayse Gülec: The Society of Friends of Halit. Migrantisch situiertes Wissen und affirmati-

ve Sabotage. Oktober 2018, S. 1–11, hier S. 8. https://documenta-studien.de/media/1/documenta-studien_1-Ayse_Gülec_DE-1.pdf (17.08.2021). 26 Ebda., S. 8. 27 Vgl. https://haus der kunst.de/veranstaltungen/eyalweizman (17.08.2021).

BESPRECHUNGEN

Jody Patterson, Modernism for the Masses: Painters, Politics, and Public Murals in 1930s New York, New Haven and London: Yale University Press 2020. 256 pp., 115 ills. ISBN 978 0 300 24139 6 Jody Patterson’s superb Modernism for the Masses joins a growing historiography that reassesses the terms, stakes, and long-term significance of the art of the 1930s in the United States. The story goes that the postwar triumph of Greenbergian formalism and abstract expressionism consigned the activist art of the 1930s to the margins of twentieth-century art history, treating it as an interlude between the Stieglitz Circle and the New York School. At this point, however, enough scholars have recovered the complexities of art and culture in the 1930s that the straw man of Greenberg must be well and truly blown over. In fact, Greenberg himself invited a reappraisal (at least one that would affirm his own conclusions) in 1961: »Some day it will have to be told«, he wrote, »how ›anti-Stalinism‹, which started out more or less as ›Trotskyism‹, turned into art for art’s sake, and thereby cleared the way, heroically, for what was to come.«1 Building on the foundational work of Patricia Hills, Virginia Marquardt, Gerald Monroe, and Cecile Whiting, studies that have taken up Greenberg’s challenge (while rejecting or reframing his assumptions) include Anthony W. Lee’s Painting on the Left: Diego Rivera, Radical Politics, and San Franciscoʼs Public Murals (1999); Susan Noyes Platt’s Art and Politics in the 1930s: Modernism, Marxism, Americanism: A History of Cultural Activism During the Depression Years (1999); Andrew Hemingway’s Artists on the Left: American Artists and the Communist Movement, 1926-1956 (2002); Helen Langa’s Radical Art: Printmaking and the Left in 1930s New York (2004); A. Joan Saab’s For the Millions: American Art and Culture Between the Wars (2004); and Anna Indych-López’s Muralism without Walls: Rivera, Orozco, and Siqueiros in the United States, 1927-1940 (2009). What these studies have in common is an overarching concern with the decade’s convergence of art and politics – what Otto Werckmeister calls the »political confrontation of the arts« – when the regimes of communism, fascism, and capitalism vied for global supremacy in the cultural as well as military-industrial spheres. There was no guarantee that the United States would emerge victorious from this contest; in the early 1930s the Five-Year Plan in Soviet Russia seemed to eclipse the achievements of a country reeling from the stock market crash. This hegemonic crisis, in Gramscian terms, exposed the structural failings of capitalism and opened up opportunities for systemic shifts in the economic and social bases of art in the US. In response to calamitous unemployment, the Roosevelt administration enacted ambitious government programs to prop up the labor force, including the arts sector. Like other government programs, the Federal Art Project (FAP; 1935-43) – preceded by the short-lived Public Works of Art Program (PWAP; 1933-34) – was a work-relief program, part of a pragmatic series of ad hoc initiatives designed to put artists to work (and keep them off the dole). The image of artists during the Great Depression as grateful recipients of government largesse is a false one. In 1934 artists formed the first Artists’ Union– an outgrowth of the Unemployed Artists Group established by communists the year prior– which encouraged soli-

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darity with other workers and militant advocacy for better working conditions, higher pay, and freedom from censorship, while lobbying to make the FAP a permanent program. More broadly, the FAP generated heated discussions across the public sphere – Congress, unions, clubs, community centers, organizations, galleries, museums, arts journals and newspapers – about a country’s self-representation, the role of the artist in a democratic society, the role of the state in patronizing the arts, and the changing face of the public for art. Patterson’s lucid, essential study focuses on New Deal murals in New York executed by artists committed to modernism. Although much of the work produced under the auspices of New Deal art programs aligned with generic American Scene painting – landscapes, city views, ennobling depictions of rural and urban labor – in New York a certain stylistic pluralism and latitude allowed modernism to gain traction. Patterson’s concern is with the particularly vexed relationship between activism and abstraction at a moment of »unprecedented opportunity for the development of large-scale abstract painting in the United States« (17). Her dramatis personae (namely Stuart Davis, Arshile Gorky, John Graham, Jean Hélion, and Fernand Léger, with brief appearances by Willem de Kooning, Lee Krasner, and a smattering of lesser-known artists of the period) combined leftist politics, to varying degrees, with a fidelity to modernism, whether Paris School Cubism or non-objective »pure« abstraction. »One of the most salient questions to be addressed in this study«, Patterson writes, »is how artists understood the relationship between their commitments to modernist practices on the one hand and their desire to create a socially and politically engaged public art on the other« (14). She deploys sophisticated formal and iconographic analysis (enlivened by the generous reproductions of artworks and archival photographs), along with fine-grained historical reconstructions of the intellectual and social-political contexts, to demonstrate how New Deal murals were »contested sites for competing exegetical claims« (14) about modernism, realism, public art and cultural democracy. In tapping this rich vein, Patterson has not only made an important contribution to the history of New Deal art, her arguments have wider-reaching implications for parsing the politics of modernism. Following Gorky and Davis, she interprets modernism as more than a narrow set of formal principles, but rather as an »optimistic belief in progress, both artistically and socially« which allows her to consider the »politics of modernism and its ambivalent relation to radical social change« (11). The key word is ambivalent; as the case of the Italian Futurists or the English Vorticists bore out, modernist principles did not translate obviously or inevitably into progressive politics. For the abstract artist in the US, Patterson writes, the challenge »was to find ways of engaging historical processes and conditions without reliance on the literary or the depictive« (12). In five engaging chapters, she takes up a series of roughly chronological episodes in which artists tried to meet this challenge through the public medium of murals. The first chapter considers the Museum of Modern Art’s controversial 1932 exhibition, Murals by American Painters and Photographers, which featured anti-capitalist provocations by Hugo Gellert and William Gropper. Chapter Two summarizes and examines the theories and debates about abstraction within the framework of the PWAP and the 1935 Whitney Museum exhibition, Abstract Painting in America. Chapter Three reconstructs Arshile Gorky’s FAP-funded mural cycle (1936-37) for the Newark Airport Administration Building. Chapter Four examines the murals commissioned by the FAP for the

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Williamsburg Housing Project in Brooklyn (1936-38). The fifth chapter rounds out the decade with the New York World’s Fair of 1939, when abstract murals were enlisted to help fashion »fantasies of a modern future« (177). In pursuing the neglected strain of socially engaged modernism on display in New Deal abstract murals, Patterson admirably achieves her goal of complicating the »habitual divide between realism and modernism common within histories of American art« (9). (Challenging this divide has a venerable hisFig. 1: Artists’ Union protest march to city tory; Meyer Schapiro’s 1937 essay on hall with Arshile Gorky’s abstract tower con»The Nature of Abstract Art« refused a struction at center, New York, October 1934 simplistic opposition between realistic and abstract art, insisting that »all renderings of objects, no matter how exact they seem, even photographs, proceed from values, methods and viewpoints which somehow shape the image and often determine its contents.«2) Gorky’s Newark Airport murals, the subject of the third chapter, set the modernism-realism debate in relief. The ten oil-on-canvas panels (first installed in the terminal’s second-floor foyer, then lost in the 1940s; two panels are now housed at the Newark Museum) explored the Evolution of Forms Under Aerodynamic Limitations. Gorky deployed an architectonic style he considered appropriate to the theme: abstracted forms that suggested topographical maps, aeronautical parts and instruments. Patterson situates Gorky’s murals in a context that included MoMA’s 1934 exhibition Machine Art and Fernand Léger’s lecture, »The New Realism«, delivered to accompany his 1935 MoMA solo show, both of which aligned modernism with a machine aesthetic. For Patterson, Léger articulated a »compelling and well-theorized rationale for the realism of abstract aesthetics« (113) that influenced Davis and Gorky, both of whom hoped the FAP would commission a mural from the French artist. This view held that socialist realism could not accommodate the speed and dynamism of modern industrial society, and that it was an »insult« to the masses to »pronounce them incapable of rising to the level of that new realism that is their age« (quoted 114). Furthermore, the freedoms and experiments afforded by modern art, especially in a mural format, could bring about a »psychological« revolution, helping »to transform individuals and to alter their way of life« (quoted 114). Similarly, Gorky hoped his Newark murals, with their debt to Léger’s synthetic cubism, would »impress upon the spectator the miraculous new vision of our time« (quoted 124). Gorky, admittedly, makes a complicated protagonist for a study of New Deal art, which he later dismissed as »poor art for poor people« (although Patterson nuances this notorious quote by reminding her readers of Gorky’s leftist credentials). Stuart Davis, by contrast, was a sophisticated theorist and practitioner of modern art (the subject of a major retrospective at the Whitney Museum in 2016) whose leftist bona fides were

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Fig. 2: Arshile Gorky, Mechanics of Flying, 1936–37

impeccable: a member of the communist-front organization, the John Reed Club; first President of the New York Artists’ Union; and National Secretary of the American Artists’ Congress. As the editor of Art Front, the organ of the Artists’ Union, he championed both the working-class and the avant-garde artist, and spurned as reactionary the work of regionalists such as Thomas Hart Benton and John Steuart Curry. A tireless organizer, Davis nonetheless refused aesthetic proscriptions of the Stalinist variety and charted his own course. His bold compositions and bright primary colors fused the international modernism of Matisse and Picasso with the jazzy dynamism of American commercial culture. Similar to Léger (whom he called »the most American painter painting today«), Davis believed that modernist forms could cultivate a radical consciousness among workers by manifesting a »new attitude toward reality« (quoted p. 17) instead of passively illustrating (as the socialist realists did) the prevailing social and economic conditions. Strategies of distortion, fragmentation, non-naturalistic forms and colors – on view, for example, in Davis’s New York Mural of 1932, which graces the book’s cover – could work to denaturalize the current order of things and invite the viewer’s active reconstruction of an artwork’s affect and meaning. Some of the most fascinating passages in the book concern what Patterson calls »dialectical abstraction«, a concept she clarifies through period debates about a Marxist

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Fig. 3: Stuart Davis, Study for Swing Landscape, 1936

theory of art. Key texts include John Graham’s System and Dialectics of Art (1937), Mikhail Lifshitz’s Philosophy of Art of Karl Marx (1938), and the journal Dialectics (1937–1939). Davis read and took copious notes on Georgi Plekhanov and M. Shirokov’s Textbook of Marxist Philosophy (1937), which tarred modern art with the brush of bourgeois values. Davis acknowledged that modern art was a product of bourgeois society, but did not believe this nullified its revolutionary potential. »Modern art«, he wrote, »is part of the high accomplishment of bourgeois society which will not be negated but used and developed by the proletariat« (quoted 84). If abstraction represented the most advanced development in art and culture – a form that »celebrates the scientific viewpoint«, according to Davis, and »seeks to advance humanity through objective understanding and control of nature and society« – then it could be appropriated as part of the revolution just as the proletariat would expropriate the machinery, mills, bridges, and railroads of industrial capitalism. The revolution, dialectically, would absorb advanced bourgeois art and raise it to a higher plane under egalitarian conditions. (The fate of avant-garde art in the Soviet Union, of course, dealt this dream a crushing blow.)

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Leftist politics and modern art converge in the chapter on abstract murals commissioned for the Williamsburg Housing Project, which »realized the ambition of many modernists to introduce abstraction to viewers who would not otherwise encounter advanced developments in twentieth-century art« (135). Built with government funding for working-class families, the affordable housing project proved a valuable testing ground for abstraction’s putative accessibility, and a rare opportunity for leftists like Davis to press their modernism in the service of non-elite audiences – although, as Patterson notes, in an ethnically diverse neighborhood only white tenants were admitted. The New York Mural Division of the WPA commissioned murals from modernists such as Ilya Bolotowsky, Francis Criss, Davis, Balcomb Greene, and Lee Krasner (whose brief cameo is a reminder of how relatively few women had the opportunity to work on largescale FAP mural commissions). Davis’s Swing Landscape (1938) – now in the collection of the Sidney and Lois Eskenazi Museum of Art, at Indiana University Bloomington – remains one of the undisputed masterpieces of the period, as well as a monument to his identification of modern art with social progress. Yet the fact that it was never installed – and that the rest of the murals are now on display in the Brooklyn Museum rather than in an affordable housing project – elicits something of T.J. Clark’s melancholic »farewell to an idea«: the sense that a moment was missed, the possibilities opened by the New Deal quickly foreclosed. While Patterson’s claims for the political efficacy of abstraction are calibrated and largely convincing, they remain necessarily speculative. Is there evidence that any working-class viewers received these abstract works in the spirit Davis, Gorky, or Léger intended? Did abstract murals actually cultivate the »new attitude toward reality« Davis hoped? This was a source of fierce debate at the time: socialist realists accused modernists of being »idealist« because their work lacked overtly political content (so unencumbered they could float freely from the walls of an affordable housing project to those of a Rockefeller mansion). The second chapter on MoMA’s 1932 Murals by American Painters and Photographers is a reminder that overtly political art, however crude or unsophisticated, could generate real world effects. Organized by Lincoln Kirstein, the exhibition was meant to showcase the scale and ambition of American public art, but a trio of works – Hugo Gellert’s The Last Defenses of Capitalism, William Gropper’s Class Struggle in America Since the War and Ben Shahn’s The Passion of Sacco and Vanzetti – so affronted MoMA trustees that the museum’s director Alfred Barr scrambled to have them dropped from the show. Artists rallied to the defense of the censored artists by forming a protest committee and threatening collectively to boycott the exhibition. This episode set the stage for later controversies generated by New Deal murals: Victor Arnautoff’s City Life painted for the Coit Tower in San Francisco, Anton Refregier’s History of San Francisco on the walls of San Francisco’s Rincon Annex, or Edward Millman and Mitchell Siporin’s murals for the St. Louis post office. The 2019 controversy over Arnautoff’s 1936 murals for George Washington High School in San Francisco – a subversion of hagiographical treatments of Washington informed by Arnautoff’s communist convictions – turned on the question of representation: how the Native American and African American figures in the mural were depicted. (Beyond the scope of Patterson’s study is the question of how Black FAP artists like Charles White or Jacob Lawrence navigated the modernist-realist divide in their efforts to interpolate African Americans into visual culture and historical narratives.)

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What Patterson so expertly recovers in Modernism for the Masses is the sense of possibility, however tenuous, that the New Deal might emancipate abstract art from its reliance on ruling-class patronage. Muralist Louis Guglielmi hoped that the FAP would do away with the private ownership of art altogether: »The private gallery is an obsolete and withered institution«, he wrote. »The Project has cleared the path toward a sounder and brighter future.«3 While Patterson’s focus is on the emancipatory potential of modernism, her study also suggests the new horizons opened by collective art practice: the camaraderie of the WPA, the activism of the Artists’ Union, the robust debates in Art Front. Other examples come to mind: artist-members of the New York chapter of the John Reed Club collaborating on a mural and signing it collectively. In St. Louis radical artist Joe Jones set up an art school for the unemployed in a disused courthouse building; he charged no tuition and enlisted his students to work together on a public mural. 4 The Experimental Workshop established by David Alfaro Siqueiros in 1936 involved artists (including a young Jackson Pollock) making posters and floats for May Day parades and antifascist rallies. For politically committed artists, the labor of being an artist suddenly meant much more than painting or sculpting; it meant distributing pamphlets, publishing manifestos, teaching the working class and disadvantaged, contributing to relief funds for refugees, protesting censorship, boycotting museums and exhibitions, and joining the picket lines of fellow workers. In the conclusion to his classic Culture & Society (1958), Raymond Williams observed: »Working-class culture, in the stage through which it has been passing, is primarily social (in that it has created institutions) rather than individual (in particular intellectual or imaginative work). When it is considered in context, it can be seen as a very remarkable creative achievement.«5 Following Williams, it may prove that the signal achievement of the »Art Front« in the 1930s was social more than aesthetic; the cumulative force of the organizations and collectives, the debates and exhibitions, the boycotts and protests that marked a pronounced shift from the bourgeois conception of individual intellectual or imaginative achievement towards a more active and collective form of social and cultural agency. John P. Murphy 1 Clement Greenberg: »The Late Thirties in New York (1961)« In: Art and Culture: Critical

Essays. Boston 1989, p. 230. 2 Meyer Schapiro: »The Nature of Abstract Art (1937)« In: Modern Art: 19th and 20th Centuries.

New York 1978, pp. 195–96. 3 Quoted in Patricia Hills: Social and Urban Realism: American Painting of the 1930s. Boston

1983, p. 53. 4 This project may have been sponsored by the PWAP; see Andrew Hemingway: Artists on the

Left: American Artists and the Communist Movement, 1926-1956. New Haven and London, 2002, pp. 98, note 106. 5 Raymond Williams: Culture & Society:1780-1950 (1958). New York 1983, p. 327.

Christian Philipsen, Thomas Bauer-Friedrich, Paul Kaiser: Sittes Welt. Willi Sitte: Die Retrospektive. Leipzig 2021, 536 S., ISBN 978-3-86502-467-1 Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle/Saale zeigte vom 3. Oktober 2021 bis zum 6. Februar 2022 Werke von Willi Sitte in einer umfassenden und hervorragend kuratierten Ausstellung. Sie wird von einem schwergewichtigen Katalog begleitet, der viele Abbildungen sowie Texte unterschiedlicher Autoren enthält.1 Den weitaus größten Teil der Beiträge liefern die beiden Kuratoren Thomas Bauer-Friedrich und Paul Kaiser, die auch noch eine zusätzliche Publikation herausgeben.2 Warum sie das tun, erklärt ein »Kurzer Nachsatz« im Katalog auf Seite 113: »Es ist hier nicht der Platz, die erheblichen Differenzen zwischen Mythos und Wirklichkeit in der (Auto)-Biografie Willi Sittes detailliert darzustellen – eine Legendenbildung, die längst nicht nur seine behauptete Zeit als Partisan betrifft.« Die beiden Verfasser versichern, in dem neuen Buch eine »umfassende Rekonstruktion vor(zulegen), unter Einbeziehung bislang unbekannter, auch italienischer Quellen. Es kann an dieser Stelle aber bereits klargestellt werden, dass die Verfälschung biografischer Fakten Willi Sitte nicht nur zum elaborierten Status eines antifaschistischen Widerstandskämpfers verhalf, sondern ihn auch bei der Etablierung seiner künstlerischen und kulturpolitischen Karriere in eine komfortable Ausgangslage versetzte.« Das heißt, Willi Sitte habe sein Leben als Künstler und Kunstpolitiker in der DDR auf einer Lüge aufgebaut. Mit ihrer wiederholten Behauptung, neue Quellen gefunden zu haben, die der von mir anhand von aufgenommenen Gesprächen mit Willi Sitte verfassten Autobiografie3 widersprechen, ist ihnen eine weite Verbreitung durch die Presse gelungen. So konnte man beispielsweise in der Süddeutschen Zeitung lesen, dass Willi Sitte »schlicht log, wenn er behauptete, sich in Italien schon 1944 den Partisanen angeschlossen zu haben. Eine keineswegs harmlose Lüge, denn sie trug maßgeblich zu seiner Position im Arbeiter- und Bauernstaat bei.«4 Der Hinweis auf neue Aktenfunde prägt die ostdeutsche Kunstgeschichte seit den 1990er Jahren und hat sie nicht selten, besonders Willi Sitte betreffend, in die Irre geführt.5 Deshalb halte ich es für geboten, am Beispiel der von Willi Sitte beschriebenen Zusammenarbeit mit den Partisanen die »Beweisführung« der beiden Autoren genau zu untersuchen, um festzustellen, ob ihr Satz »Es sind auch die Akten, die eine andere Wahrheit verkünden«6 seine Richtigkeit hat. Zunächst in Kürze, was Willi Sitte über seine Zeit im Krieg in Italien erzählt:7 Er sei in ein Marschbataillon eingegliedert worden, welches in Italien herumzog. »Wozu wir eigentlich da waren, ist mir nicht klargeworden. Wir sind nie an die Front gekommen, sondern scheinbar ziellos mal hierhin, mal dorthin marschiert. […] Welche Aufgaben wir hatten, weiß ich nicht. Es war für mich völlig undurchsichtig, was da eigentlich lief.« Den Begriff »Geisterbataillon«, den ihm Bauer-Friedrich und Kaiser in den Mund legen, benutzte er nicht, seine Darstellung macht dagegen deutlich, dass er die Situation nicht durchschaute. So vermutete er, dass Beteiligte am 20. Juli in dem Bataillon versteckt worden seien und nennt Walter zu Putlitz. Längere Aufenthalte an einem Ort nutzte Sitte, um italienisch zu lernen, und freundete sich mit den Bewohnern an. Bei einem Daueraufenthalt in Montecchio Maggiore knüpfte er Kontakte zu Studenten, die ihm, nachdem sie ihn als Antifaschisten kennengelernt hatten, erzählten, dass sie Partisanen waren. »Wir haben uns täglich getroffen und Informationen ausgetauscht. Da ich in

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meinem Bataillon für die Post zuständig war – über mich gingen auch Geheimbefehle –, konnte ich bei vielen Gelegenheiten behilflich sein. Zum Beispiel gab ich weiter, wenn die Faschisten vorhatten, sämtliche Fahrräder oder Handwagen zu requirieren. Die wurden dann rechtzeitig versteckt.« Eine gefährliche Situation habe sich ergeben, als er den Partisanen half, sich mit Waffen zu versorgen und es zum tödlichen Schusswechsel kam. An eine andere Geschichte, in der ein deutscher Unteroffizier von einem Partisanen getötet wurde, worauf zehn unschuldige Italiener erschossen werden sollten, erinnerte sich Willi Sitte etwas anders, als es in Montecchio überliefert ist und von dem italienischen Historiker Paolo Emilio Petrillo erzählt wird.8 Übereinstimmend ist, dass Sitte sich als Dolmetscher und Sprecher zusammen mit Honoratioren des Ortes dafür einsetzte, den mit der Strafaktion beauftragten Oberleutnant der Wehrmacht davon zu überzeugen, dass der Verlobte einer Krankenschwester den deutschen Soldaten aus Eifersucht erschossen hatte. Damit wurde die Exekution verhindert. Laut Willi Sitte habe sich herausgestellt, »dass das wirklich keine politische Geschichte war, sondern ein rein privater Racheakt aus Eifersucht«. Vielleicht hatte man ihm damals genau das erzählt. Überliefert ist, dass zwei Partisanen einen Kranken aus dem Krankenhaus befreien wollten.9 Als seine Partisanenfreunde eines Tages gefangengenommen wurden, beriet er sich mit dem Bürgermeister und dem Pfarrer, wie man zu ihnen Kontakt aufnehmen könnte. »Es wurde beschlossen, dass ich in Wehrmachtsuniform in das Gefängnis gelangen sollte, indem ich vorgab, die Gefangenen verhören zu müssen.« Das flog auf, und die Folge war, dass Sitte sofort an die Front geschickt wurde. »So musste ich Hals über Kopf weg und wurde in eine entsprechende Einheit gesteckt. Bei Bologna konnte ich fliehen und mich nach Norditalien zu den Partisanen durchschlagen. Die Bevölkerung der Poebene hat mir geholfen, die Flucht zu überleben. […] Durch eine Unachtsamkeit erwischte mich später die Feldgendarmerie der Deutschen.« Auf dem Transport nach Brescia gelang es ihm erneut zu fliehen, und »auf abenteuerliche Weise« habe er Montecchio Maggiore erreicht.10 Bauer-Friedrich und Kaiser nehmen Anstoß daran, dass Willi Sitte und ich völlig offenließen, »um welche Truppenteile es sich konkret handelte, in denen er seinen Dienst verrichtete, und vor allem, wann und wo genau die geschilderten Szenen spielten. Dadurch musste der suggestive Eindruck entstehen, dass die von Willi Sitte an anderer Stelle gemachten Zeitangaben zu seiner Wehrmachtszeit in Italien mit diesen nachgereichten Schilderungen korrespondierten. Somit schien durch das authentische Zeugnis des Künstlers belegt, dass Willi Sitte bereits im Sommer/Herbst 1944 zu den Partisanen kam. […] Nicht nur der renommierte italienische Historiker Carlo Gentile findet Sittes Darstellung der Kriegszeit ›recht nebulös‹. Es sind auch die Akten, die eine andere Wahrheit verkünden. Dies betrifft zum ersten die Verortung des Geisterbataillons. Nach Auskunft des Bundesarchivs handelte es sich dabei um das Feldersatzbataillon 190, indem [sic!] Sitte als Stabszeichner oder Kartograph zuerst in der 3. Kompagnie und ab 9. September 1944 in der Versorgungskompagnie fungierte. Zum Zweiten findet sich in der Literatur keinerlei Hinweis darauf, dass Sittes Kamerad, Walter zu Putlitz, zum Umfeld des Widerstands vom 20. Juli gehörte, was der von Sitte genährten Version, einer offiziell gar nicht existierenden Einheit zum Schutze von Sympathisanten des Hitler-Attentats anzugehören, entschieden widerspricht.«11 Die Frage stellt sich, welcher Erkenntniswert sich daraus ergibt, allenfalls wird Sittes Ahnungslosigkeit bestätigt. Petrillo, der in Montecchio Maggiore recherchiert hatte, schreibt immerhin, dass die von

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Sitte beschriebenen Umstände »tatsächlich der Anwesenheit des Barons Walter zu Putlitz zu verdanken (waren). Er war damals als Gefreiter direkter Vorgesetzter von Willi Sitte.«12 Die »entscheidende Differenz zwischen Willi Sittes Aussagen und der verifizierten Aktenlage« ist für BauerFriedrich und Kaiser der Zeitpunkt der Desertion, den sie nun anhand verschiedener Quellen genau bestimmen können. »Danach desertierte Willi Sitte nicht, wie von ihm behauptet, im Herbst 1944, sondern erst viel später, nämlich am 11. April 1945 […].«13 Als Quelle nennen sie den seit langem bekannten Passierschein des CLN (Comitato di Liberazione Nazionale) vom 18.5. 1945.14 Außerdem weisen sie auf einen Lebenslauf Sittes vom 15.5.1946 hin, in dem Sitte selbst April 1945 als ZeitAbb. 1: Passierschein des CLN vom punkt seiner Desertion nennt. Aus bei18.05.1945 den Angaben ziehen sie den Trugschluss, dass seine aktive Partisanenzeit »gerade einmal vierzehn Tage (hätte) dauern können«.15 In Willi Sittes Autobiografie ist klar beschrieben, dass er, lange bevor er desertierte, als Wehrmachtssoldat die Partisanen unterstützt hatte.16 Doch die beiden Autoren melden »erhebliche Zweifel« an einer aktiven Partisanenzeit Willi Sittes an. Um das zu belegen, zitieren sie von Petrillo veröffentlichte Aussagen zweier Zeitzeuginnen, die sie leicht abwandeln.17 Sie geben an, Lucia Muraro, die Tochter des CLN-Chefs von Montecchio Maggiore, habe ausgesagt, »dass die Partisanen, die in und um ihren Heimatort 1944/45 operierten, überhaupt kein Interesse an Überläufern aus der Wehrmacht zeigten.« In dem Zitat bei Petrillo handelte es sich aber um Partisanen in den Bergen, zu denen deutsche Soldaten aus Montecchio überlaufen wollten.18 Das zweite Zitat stammt von Luisa Giuliari, der Tochter des Bürgermeisters. Sie berichtet, dass ihr Vater die Deutschen, die die italienische Widerstandsbewegung unterstützt hatten, darunter Sitte, schützte und versteckte, da diese »für einige Partisanen, die hitzköpfigsten, Sündenböcke darstellten, so dass sie, wie fanatische Faschisten, am liebsten im Dorf öffentliche Exekutionen veranstaltet hätten.«19 Für Bauer-Friedrich und Kaiser waren es nicht »einige Partisanen, die hitzköpfigsten«, sondern die Partisanen. Der Unterschied scheint klein, ist aber entscheidend, denn es gab sehr unterschiedliche Partisanengruppen.20 Den Kontext, in dem die beiden fehlerhaft wiedergegebenen Aussagen stehen, nennen die Autoren nicht, denn Petrillo untermauert damit Willi Sittes Zusammenarbeit mit den Partisanen. Er hatte nicht nur mit Sitte darüber gesprochen, sondern auch in Montecchio Maggiore nachgeforscht, und er bestätigt erweiternd den in der Autobiografie erzählten Sachverhalt. Bauer-Friedrich und Kaiser stellen dagegen die

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Frage: »War Willi Sitte überhaupt ein Partisan oder eher ein vor den Partisanen flüchtender Überläufer?«21 Ihre Leichtfertigkeit im Umgang mit der Forschung des italienischen Historikers wird noch übertroffen durch die Beurteilung des Passierscheins vom 18.5.1945. Bereits am 12.5.1945 war Willi Sitte ebenfalls vom CLN ein Passierschein ausgestellt worden, in dem seine Desertion ohne Zeitangabe bescheinigt worden war.22 In dem sechs Tage später erstellten Schein wird nicht nur die Desertion mit Datum 11. April 1945 angegeben, sondern auch seine Unterstützung der Partisanen bestätigt: »Seit Oktober 1944 stand Willi Sitte in Verbindung mit diesem Befreiungskomitee und arbeitete mit ihm zusammen für die Befreiung Italiens von den Nazifaschisten, indem er half, Waffen und militärische Nachrichten zu besorgen, und auch Hilfsgüter an die einheimischen Partisanen zu liefern, die von der SS gefangengenommen worden waren. Hiermit wird bestätigt, dass dies die ganze Wahrheit ist.«23 Obwohl Bauer-Friedrich und Kaiser den Wortlaut des zweiten Passierscheins in Deutsch zitieren, akzeptieren sie nur das Datum der Desertion. Für die anderen Angaben, die sich mit dem Inhalt der Autobiografie decken, wollen sie glauben machen, dafür hätte letztlich »auf Respekt gegründete(r) Sympathie, verstärkt noch durch die Anerkennung des künstlerischen Talents des jungen Mannes«, den Ausschlag gegeben.24 Der zweite Passierschein sei für Willi Sitte entscheidend gewesen, da für eine Anerkennung als Verfolgter des Naziregimes seine Desertion zwei Wochen vor Kriegsende nicht ausgereicht hätte.25 Um es deutlich zu sagen: Sie unterstellen, dass Sitte kurz nach Kriegsende bereits seine Karriere in Ostdeutschland geplant und sich den Passierschein ergaunert habe. Oder, wie Peter Arlt es ausdrückt: »Als hätte Willi Sitte sein Agieren mit solch einer Bürokratenseele vorgenommen.«26 Aber für Bauer-Friedrich und Kaiser plante Willi Sitte seine Karriere nicht nur durch »Verfälschung biografischer Fakten«, sondern auch mit seiner Kunst. Neben dem Status eines antifaschistischen Widerstandskämpfers habe die richtige Herkunft, also die Abstammung von einer proletarischen oder bäuerlichen Familie in der DDR an vorderster Stelle gestanden.27 Seinen vier Elternbildnissen wohne ein »starkes inszenatorisches Potential inne. Es entfaltet sich, wenn man die gesamte Serie betrachtet, als ein genealogisches Projekt im Sinne der Verdeutlichung einer kommunistischen Musterbiografie des Malers.«28 So rügen sie Sitte, dass er die Schattenseiten der Vertreibung und Umsiedlung seiner Eltern (16 Jahre danach!) »in seiner Idylle konsequent verschweigt«.29 Wenigstens »eine symbolische Andeutung der verschatteten Verhältnisse« hätte er nach ihrem Verständnis malen sollen. »Aber es war wohl der Realitätssinn des Malers, der – wie so oft in seinen späteren Jahren – über die Tugendzwänge einer historischen Wahrhaftigkeit obsiegte.«30 Was für ein Satz! Willi Sitte war stolz, dass seine Mutter »noch mit siebzig Jahren den Facharbeiter für Hühnerzucht machte«. Er wollte die Lebensweise der Eltern festhalten, die er bewunderte.31 Aber das ist offensichtlich eine zu simple Erklärung! Merkwürdig ist auch die Beweisführung, mit der Bauer-Friedrich und Kaiser Willi Sitte als handelnde Person als »unauflösbar widersprüchlich, ja zwiespältig« erscheinen lassen.32 Sie sprechen von einem »programmatischem Doppelzüngler« und »janusköpfiger Doppelrolle«, wofür sie unterschiedliche Quellen zitieren, einschließlich solchen aus dem MfS. Auch ein Aufsatz von Wolfgang Hütt mit dem Titel »Die Einheit des Widersprüchlichen zur Anschauung gebracht« dient ihnen als Beleg. Es stört sie nicht, dass

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Hütt die Einheit des Künstlers als Zeichner und Maler meinte, wenn sie ihn maßregeln: »Wolfgang Hütts Diagnose einer gelingenden Symbiose des lange Zeit Unvereinbaren, verschweigt allerdings die Folgekosten dieses Schrittes – für das eigene Werk wie für andere Künstler. Denn die eingehegte Widersprüchlichkeit konnte nicht die Macht der Extreme verdecken, mit denen Willi Sitte ab Mitte der 70er Jahre bis zum Ende seines Staates 1989/90 zu einem Mann wurde, bei dem der Versuch einer Versöhnung der Gegensätze zwischen Kunst und Macht zu einem Anachronismus geriet, der für andere Künstler bedrohliche Auswirkungen haben konnte.«33 Mit dieser absurden Zusammenstellung soll wohl einmal mehr vermittelt werden, dass Sitte Künstlern geschadet habe, ohne konkrete Angaben zu machen, um was es sich handeln könnte. Weitere Hinweise dieser Art und zahlreiche Unstimmigkeiten finden sich in beiden Veröffentlichungen. Es ist zu hoffen, dass die wunderbare Ausstellung, die in krassem Gegensatz zu vielen schriftlichen Äußerungen der beiden Kuratoren steht, eine solide Forschung zu Willi Sittes Leben und Werk anregen wird.34 Gisela Schirmer 1 Christian Philipsen, Thomas Bauer-Friedrich, Paul Kaiser: Sittes Welt. Willi Sitte: Die Retro-

spektive. Leipzig 2021. 2 Thomas Bauer-Friedrich, Paul Kaiser: Willi Sitte. Künstler und Funktionär – Eine biografi-

sche Recherche. Dresden, Halle (Saale) 2021. 3 Gisela Schirmer: Willi Sitte. Farben und Folgen. Eine Autobiographie. Leipzig 2021

(2. Aufl.). 4 Burkhard Müller: »Muss man nicht lieben. Das Museum Moritzburg zeigt eine Retrospektive

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zum 100. Geburtstag des ›DDR-Staatskünstlers‹ Willi Sitte« In: Süddeutsche Zeitung, 10.11.2021. Ein eindrucksvolles Beispiel bot Paul Kaiser auf dem Sitte-Symposion 2001 in Nürnberg in seinem Vortrag »Suggestion und Recherche. Eine quellenkritische Fallstudie zur Aktenlage um Willi Sitte«. Kaiser belastete Sitte mit Zitaten aus Stasi-Akten, die Manfred Kastner betreffen. In der Presse hieß es dazu: »Wie interessegeleitet Forschung sein kann, zeigt sich bspw. darin, wie von Kaiser unter anderen ein angebliches Zitat Sittes aus einer ›Operativen Information‹ der Stasi als authentisch angesehen wird, obwohl es am wortgetreuen stenografischen Protokoll in seltener Weise nachgeprüft werden kann. Der Dissens in Sprache und Inhalt ist deutlich. So konnte Schirmer nachweisen, dass Sittes Gesinntheit gegenüber Manfred Kastner keine feindlich taktische, sondern eine wohlgewogene war.« In: Thüringer Allgemeine, 25.6.2001, Peter Arlt: »Hornberger Schießen. Kunst und Politik: Anmerkungen zum SitteSymposion in Nürnberg«. In den Veröffentlichungen von Kaisers Vortrag ist der Fall Kastner nicht mehr enthalten. Bauer-Friedrich, Kaiser 2021 (wie Anm. 2), S. 33. Schirmer, Sitte 2021 (wie Anm. 3), S. 24 ff. Vgl. dazu Paolo Emilio Petrillo: Der Riss. 1915–1043. Die ungelösten Verflechtungen zwischen Italien und Deutschland. Meran 2016, S. 321 ff. Ebd. Da ihm die Bevölkerung der Poebene auf seiner Flucht geholfen hatte zu überleben, erschütterte ihn die Hochwasserkatastrophe von 1951 stark. Die Entstehung des Werkes Hochwasserkatastrophe am Po mit seinen vielen Vorarbeiten ist dadurch wesentlich bestimmt, vgl. Schir-

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mer, Sitte 2021 (wie Anm. 3), S. 61. Im Katalogbeitrag von Dorit Litt ist davon nicht die Rede. Bauer-Friedrich, Kaiser 2021 (wie Anm. 2), S. 33 f. Petrillo 2016 (wie Anm. 8), S. 320, Anm. 297. Bauer-Friedrich, Kaiser 2021 (wie Anm. 2), S. 34. Der Passierschein ist abgebildet in Ausst.-Kat.: Il corpo, la passione, il tormento. La grande pittura di Willi Sitte. Trient 2003, S. 56. Bauer-Friedrich, Kaiser 2021 (wie Anm. 2), S. 34. Schirmer, Sitte 2021 (wie Anm. 3), S. 28. Bauer-Friedrich, Kaiser 2021 (wie Anm. 2), S. 34. Petrillo 2016 (wie Anm. 8), S. 322, Anm. 299. Ebd., S. 317. Zu den unterschiedlichen Partisanengruppen vgl. Schirmer, Sitte 2021 (wie Anm. 3), S. 28. Im Ausst.-Kat. Trient 2003 (wie Anm. 14) auf S. 57 heißt es, dass Sitte 1944 Kontakt zur Brigade Garibaldi aufgenommen habe. Bauer-Friedrich, Kaiser 2021 (wie Anm. 2), S. 35. Abgebildet in Ausst.-Kat. Trient 2003 (wie Anm. 14), S. 62. Übersetzung aus: Petrillo 2016 (wie Anm. 8), S. 316. Bauer-Friedrich, Kaiser 2021 (wie Anm. 2), S. 36. Ebd., S. 38. Peter Arlt: »Sittes Welt. Der Umgang mit dem Maler zeigt, wie sehr heute Visionen in Kunst und Gesellschaft fehlen« In: Neues Deutschland, 22.11.2021. Philipsen u.a. 2021 (wie Anm. 1), S. 103. Ebd., 106 f. Ebd., 107. Willi Sitte beschreibt die Umsiedlung seiner Familie aus der Tschechoslowakei in die sowjetische Besatzungszone in: Schirmer, Sitte 2021 (wie Anm. 3), S. 33 f. Seine Familie wurde nicht vertrieben, wie Bauer-Friedrich und Kaiser meinen, sondern haben ihre Heimat freiwillig verlassen. Philipsen u.a. 2021 (wie Anm. 1), S. 107. Schirmer, Sitte 2021 (wie Anm. 3), S. 107. Willi Sitte malte vier Elternbildnisse, das erste 1962, das letzte 1974. In den drei ersten ist mit einem Eierkorb und/oder einem Huhn die Tätigkeit der Mutter betont. Bauer-Friedrich, Kaiser 2021 (wie Anm. 2), S. 9. Ebd., S. 10. Im Katalog finden sich auch vorurteilslose Beiträge, beispielsweise einige von Dorit Litt, sowie von Studentinnen und Studenten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

ANHANG Autorinnen und Autoren ALEXANDRA AXTMANN, Dr. phil., studierte Kunstgeschichte an der Universität Karlsruhe (TH) und Musikwissenschaft an der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe. 2012 Promotion am Karlsruher Institut für Technologie (KIT, bei Norbert Schneider) mit einer Arbeit über den sozialkritischen Maler Harald Duwe (erschienen als Studien zum Werk Harald Duwes, Münster 2013). 2012 bis 2018 Akademische Mitarbeiterin am Institut für Kunst- und Baugeschichte, Fachgebiet Kunstgeschichte am KIT. Seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Forschungsdienste der KIT-Bibliothek und Lehraufträge an Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft (ZAK) am KIT. Aktuelle Forschungsschwerpunkte und Publikationen: Geschichte und Theorie des Papierschnitts, Kleine Andachtsbildchen vom 17. bis 19. Jahrhundert, Wissenschaftsgeschichte der Kunstgeschichte und Netzwerke der frühen Fachgeschichte (hierzu Wilhelm Lübke [1826–1893]. Aspekte seines Lebens und Werkes, hg. mit Ulrike Gawlik, Karlsruhe 2019). KLAUS GARBER, Prof. emer. Dr. phil. Drs h.c., 1975–2004 Lehrstuhl für Literaturtheorie und Geschichte der Neueren Literatur an der Universität Osnabrück. GründungsDirektor des Interdisziplinären Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück. Fellow am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, des Rosenzweig-Zentrums in Jerusalem, des Instituts für Aufklärungsforschung in Potsdam, Mitglied der Historischen Kommissionen des alten deutschen Sprachraums im Osten Europas, Ehrendoktor der Universitäten Hamburg und Riga, Gastprofessuren an den Universitäten Wien und Basel, Träger des Bundesverdienstkreuzes. Publikationen u. a. zur europäischen Arkadien-Utopie, zum Buch- und Bibliothekswesen im alten Europa, zur Kulturgeschichte und zu Autoren der Frühen Neuzeit, zu Kant, Hegel und Marx und zu Walter Benjamin. ANNA GREVE, Prof. Dr., seit 2020 Direktorin des Focke-Museums. Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte. Zudem ist sie Honorarprofessorin an der Universität Bremen. Zuvor war sie seit 2016 zunächst Museumsreferentin, dann Leiterin des Referats »Museen, Staatsarchiv Bremen, Landesarchäologie Bremen, Landesamt für Denkmalpflege, Obere Denkmalschutzbehörde, Kulturgutschutz« beim Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen. Sie hat Kunstgeschichte und Politikwissenschaft studiert. Ihre Forschungsschwerpunkte: Museologie, postkoloniale Theorie, Kulturpolitik. Aktuellste Publikation: Koloniales Erbe in Museen. Kritische Weißseinsforschung in der praktischen Museumsarbeit (Bielefeld: transcript 2019). ANDREW HEMINGWAY, is Professor Emeritus in History of Art at University College London, where he taught from 1987-2010. He has written extensively on 19th-century British landscape painting and on American art of the interwar period. Recent publications include The Mysticism of Money: Precisionist Painting and Machine Age America (2013), Landscape Between Ideology and the Aesthetic (2017), and, edited with Malcolm Baker, the Festschrift in honor of Alex Potts, Art as Worldmaking: Critical

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Essays on Realism and Naturalism (2018). He was a co-organizer of the international conference »Marxism and the Visual Arts Now«, held at University College London in 2002. CHRYSSOULA KAMBAS, geb. in München, war von 1991 bis 2017 Professorin für »Neuere deutsche Literatur« an der Universität Osnabrück. Publikationsschwerpunkte: zu Walter Benjamin (1981 ff.); Monographie zu Lu Märten (1988) und weitere Herausgaben; Literatur- und Kulturtransfer im europäischen Kontext; Herausgeberin der Reihe »Griechenland in Europa« im Böhlau-Verlag (zusammen mit Marilisa Mitsou); derzeit Edition von Bd. 5 der historisch-kritischen Gesamtausgabe Walter Benjamin, Werke und Nachlaß. BARBARA MCCLOSKEY, is Professor of Art History at the University of Pittsburgh. She is author of George Grosz and the Communist Party: Art and Radicalism in Crisis (1997); Artists of World War II (2005); The Exile of George Grosz: Modernism, America, and the One World Order (2015); and co-editor of The Art of War, German Visual Culture Series (2017). Her articles, catalogue essays, and other publications address the relationship between art and politics in 20th century German culture. ANGELA MILLER, teaches U.S. arts and cultural history at Washington University in St. Louis. She is author of the prizewinning Empire of the Eye (1993); and lead author with three others of American Encounters, an intercultural survey of the arts from preconquest through the establishment of the U.S. and up the present. She has published widely on 19th and 20th century cultural politics and national self-representation; on Kenneth Burke and the interwar aesthetics of rupture; and most recently, on transatlantic queer artists and writers around World War II. She published »Beyond the National Self« in Kunst und Politik in 2008. JOHN P. MURPHY, is the Philip and Lynn Straus Curator of Prints and Drawings at The Frances Lehman Loeb Art Center, Vassar College. He co-curated the exhibition The Left Front: Radical Art in the »Red Decade«, 1929–1940 at the Mary and Leigh Block Museum of Art at Northwestern University. Recent research on Charles White has appeared in Print Quarterly, American Communist History, and Nka: Journal of Contemporary African Art. MARTIN PAPENBROCK, apl. Professor am Institut für Kunst- und Baugeschichte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Promotion 1991 an der Universität Osnabrück (bei Jutta Held) mit einer Dissertation über Funktionen christlicher Ikonographie in der Kunst der frühen Nachkriegszeit (1945–49), Habilitation 1999 mit einer Arbeit über die Kunst der niederländischen Glaubensflüchtlinge im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert (erschienen als Landschaften des Exils. Gillis van Coninxloo und die Frankenthaler Maler, Köln 2001). Forschungsschwerpunkte: Niederländische Malerei der frühen Neuzeit, Kunst und Politik im 20. Jahrhundert (Nationalsozialismus, Exil, Studentenbewegung), Urban Art (Graffiti, Kreative Interventionen, Aktivismus), Theorie- und Fachgeschichte der neueren Kunstwissenschaft, Digitale Kunstgeschichte. Aktuelle Projekte: Informationssystem Graffiti in Deutschland (INGRID), zusammen mit

Anhang

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Doris Tophinke (Universität Paderborn); Nachlass Myra Warhaftig. Emanzipatorisches Wohnen und Architektur im Exil. FRANCES POHL, is Professor of Art History, emeritus at Pomona College. She is the author of the textbook Framing America: A Social History of American Art (Thames and Hudson, 2002; 2008; 2012; 2017), two books on the American artist Ben Shahn [Ben Shahn: New Deal Artist in a Cold War Climate, 1947–1954 (University of Texas Press, 1985) and Ben Shahn (Pomegranate Press, 1993)], and In the Eye of the Storm: An Art of Conscience, 1930-1970 (Pomegranate Press, 1995. She has published articles and catalogue essays on Shahn, Judith F. Baca, Rockwell Kent, Allan Sekula, Mirella Bentivoglio and Sarah Diamond, among others. Her current research projects focus on working class culture and the visual arts. ALEX POTTS, is the author of Flesh and the Ideal. Winckelmann and the Origins of Art History (1994 and 2000), The Sculptural Imagination. Figurative, Modernist, Minimalist (2000), and most recently Experiments in Modern Realism: World Making, Politics and the Everyday in Postwar European and American Art (2013). Currently he is writing a book on labour and the picturing of the social in nineteenth-century art. He taught at the University of Michigan, Ann Arbor where he was Max Loehr Collegiate Professor in the History of Art. GISELA SCHIRMER, Dr. phil., Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie in Freiburg und München, 1966 Magister bei Kurt Bauch. Nach Tätigkeiten für die Denkmalpflege, für das Bibliographische Institut Mannheim und für die Volkshochschule Osnabrück 1996 Promotion bei Jutta Held in Osnabrück. Ab 1998 Studien zur Kunst in der DDR. Buchveröffentlichungen u. a. Willi Sitte. Farben und Folgen, Leipzig 2003; DDR und documenta. Kunst im deutsch-deutschen Widerspruch, Berlin 2005; Willi Sitte – Lidice. Historienbild und Kunstpolitik in der DDR, Berlin 2011. ELLEN SPICKERNAGEL, Promotion in Kunstgeschichte. Kustodin am Städelschen Kunstinstitut Frankfurt, Akademische Rätin am Oberstufenkolleg der Universität Bielefeld, Professur für Kunstgeschichte am Institut für Kunstpädagogik der JustusLiebig-Universität Gießen (1995–2006). Arbeitsschwerpunkte: Museumsgeschichte, Ausstellungskritik, Kunst und Kultur 18.–20. Jahrhundert, besonders aus feministischer Perspektive, Tierstudien, u. a.: Der Fortgang der Tiere. Darstellungen in Menagerien und in der Kunst des 17.–19. Jahrhunderts, Köln 2010; »Rembrandt Bugattis Zootiere« In: Tierstudien 17/2020. ELKE WÜST-KRALOWETZ, 1979–1985 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Augsburg, 1986-1987 an der University of Pittsburgh School of Law. Tätigkeit als Rechtsanwältin. Von 2007–2014 Studium der Kunstgeschichte und der angewandten Kulturwissenschaften an der Universität Karlsruhe (TH) bzw. dem KIT. Masterabschluss mit einem Thema zu den Yes Men. Ab 2016 Akademische Mitarbeiterin am Institut für Kunst- und Baugeschichte des KIT im Rahmen des von der DFG geförderten Forschungsprojektes INGRID (Informationssystem Graffiti in Deutschland) bei Prof.

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Doris Tophinke (Universität Paderborn)/Prof. Martin Papenbrock (KIT). Promotion zum Thema der Preisvergabe auf der Biennale di Venezia.

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Anhang

Abbildungsverzeichnis und -nachweis Beitrag Martin Papenbrock: Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7:

Jutta Held, Madrid, 1960er Jahre. Foto: Privat Jutta Held, Kingston, 1971. Foto: Privat Jutta Held und Norbert Schneider, Osnabrück, 1974. Foto: Privat Jutta Held, Osnabrück, 1980. Foto: Privat Gründung der Guernica-Gesellschaft am 3. Juli 1985 in Osnabrück. Foto: Privat Jutta Held, Osnabrück, 2000. Foto: Privat Jutta Held und Norbert Schneider, Florenz, 2004. Foto: Privat

Beitrag Ellen Spickernagel: Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3:

Marc Chagall, Adam und Eva (Hommage à Apollinaire), 1912, Öl/Lw., 200,4 x 189,5 cm, Eindhoven, Van Abbemuseum Lucas Cranach, Heilige Sippe, 1509, Mischtechnik auf Lindenholz, 121 x 200 cm, Frankfurt, Städel Antoine Watteau, Einschiffung nach Kythera, 1718, Öl/Lw., 130 x 192 cm, Berlin, Schloss Charlottenburg

Beitrag Andrew Hemingway: Figure 1:

Figure 2:

Figure 3: Figure 4: Figure 5:

Preston Dickinson, Industry, 1921 or earlier, oil on canvas, 76.2 x 61cm, Whitney Museum of American Art, New York, Gift of Gertrude Vanderbilt Whitney. Illustrated in: Hildebrand Gurlitt: »Junge Kunst in New York«, Der Cicerone, 18, 15, 1921 Charles Sheeler, Classic Landscape, 1931, oil on canvas, 63.5 x 81.9 cm, National Gallery of Art, Washington, DC, Collection of Barney A. Ebsworth, 2000.19.2 Carl Grossberg, Traumbild Rotor, 1927, oil on canvas, 90.5 x 70.5 cm, private collection Carl Grossberg, Weiße Tanks (Harburger Ölwerke), 1933, oil on canvas, 90.0 x 70 cm, Collection Vittorio Olcese Stefan Hirsch, Mill Town, c. 1926, oil on canvas, 76.2 x 101.6 cm, The Phillips Collection, Washington, DC. Acquired 1926.

Beitrag Barbara McCloskey: Figure 1: Figure 2:

George Grosz, cover illustration for George Milburn, Die Stadt Oklahoma: Roman einer Kleinstadt. Berlin: Rowohlt Verlag, 1932 Hyman Warsager, The Law. From: New Masses (9 January 1934), 7

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Beitrag Angela Miller: Figure 1:

Figure 2:

George Platt Lynes, Kenneth Burke, 1932, printed 1959, gelatin silver print, 16.6 x 11.8 cm, Art Institute of Chicago, Photography Expense Fund Peter Blume, The Eternal City, 1934–37 (dated on painting 1937), oil on board, 86.4 x 121.6 cm, Museum of Modern Art, New York, Mrs. Simon Guggenheim Fund

Beitrag Martin Papenbrock: Abbildung 1:

Abbildung 2:

Abbildung 3:

Abbildung 4:

Carl Baumann, Rote Kapelle Berlin, 1941, Tempera auf Nessel, 79 x 99 cm, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Inv.-Nr. 1967 LM, © Randi Crott, Klaus Martens Victor Theodor Slama, Die Brücke, 1929, aus: Klaus Türk: Bilder der Arbeit. Eine ikonografische Anthologie. Wiesbaden 2000, S. 84, Abb. 308 Erich Mercker, Autobahnbrücke Teufelstal, aus: Ausst.Kat. Große Deutsche Kunstausstellung 1938. München 1938 (Haus der Deutschen Kunst), Abb. 39 Fritz Cremer, Walter Husemann, 1939, aus: Erhard Frommhold (Hg.): Kunst im Widerstand. Malerei, Graphik, Plastik 1922 bis 1945. Dresden 1968, Abb. 507

Beitrag Alex Potts: Figure 1:

Figure 2:

Figure 3:

Figure 4:

Pablo Picasso, Guernica, oil on canvas, 349,3 x 776,6 cm, Museo Reina Sophia, Madrid, https://www.museoreinasofia.es/en/collection/ artwork/guernica Marc Chagall, The Revolution, sketch (larger exhibited version dismembered and overpainted), 1937, 49,7 x 100,2 cm, oil on canvas, Centre Georges Pompidou, Paris, https://www.researchgate.net/figure/ Marc-Chagall-Esquisse-pour-La-Revolution-1937-Collection-CentrePompidou-dist-RMN_fig3_271296298 Asger Jorn, Stalingrad, no man’s land or the mad laughter of courage, 1957-60. 67. 1972, oil on canvas, 296 x 492 cm., Museum Jorn, Silkeborg, Denmark, https://www.spikeartmagazine.com/?q= articles/pilgrimage-stalingrad Walter Mattheuer, Osterspaziergang II, oil on fiberboard, 1971, 58 x 88 cm, Österreichische Ludwig-Stiftung, on loan from the Austrian Ludwig Foundation, Oberhausen

Beitrag Gisela Schirmer: Abbildung 1:

Willi Sitte, Lidice, 1959, Öl auf Hartfaser, rechte und linke Tafel je 241 x 157 cm, Predella 119 x 342 cm, verschollen. Aus: Gisela Schirmer: Willi Sitte – Lidice. Historienbild und Kunstpolitik in der DDR. Berlin 2011, S. 41

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Abbildung 2:

Willi Sitte, Studie zu Lidice, 1956, Aquarell, 62,5 x 80 cm. Willi-SitteStiftung. Aus: ebd.

Beitrag Elke Wüst-Kralowetz: Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4:

The Yes Men, Dow Chemical, 2004. https://theyesmen.org/project/ dowbbc/photos SUPERFLEX, SUPERGAS, 1997/1998. www.supergas.dk/ development/ SUPERFLEX, GUARANA POWER, 2004. https://superflex.net/ works/guarana_power Forensic Architecture, 77sqm_9:26min, 2017. https://forensicarchitecture.org/programme/exhibition/77sqm_926min-documenta-14

Beitrag John P. Murphy: Figure 1:

Figure 2:

Figure 3:

Artists’ Union protest march to city hall with Arshile Gorky’s abstract tower construction at center, New York, October 1934. From Art Front, November, 1934. Archives of American Art, Smithsonian Institution, Washington, D.C. Arshile Gorky, Mechanics of Flying, 1936-37, from Aviation: Evolution of Forms under Aerodynamic Limitations (Newark Airport Murals), 1936-37. Oil on canvas, 281.94 x 345.44 cm. Newark Museum, Newark, New Jersey, on extended loan from the collection of the Port Authority of New York and New Jersey Stuart Davis, Study for Swing Landscape, 1936. Gouache and traces of graphite on paper, 49.53 x 55.56 cm. Sheldon Museum of Art, University of Nebraska-Lincoln. Allocation of the U.S. Government, Federal Art Project of the Works Progress Administration Fine Arts Collection, WPA-101.1943

Beitrag Gisela Schirmer: Abbildung 1:

Passierschein des CLN vom 18.05.1945. Aus: Ausst.-Kat. Il corpo, la passione, il tormento. La grande pittura di Willi Sitte. Trient 2003, S. 56

Themenschwerpunkt des nächsten Bandes: Politisches Graffiti