Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle: Unter besonderer Berücksichtigung des Ehrenschutzes [1 ed.] 9783428516377, 9783428116379

"Missachtung von Persönlichkeitsrechten - Der Deutsche Presserat spricht insgesamt fünf Rügen aus" - angesicht

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Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle: Unter besonderer Berücksichtigung des Ehrenschutzes [1 ed.]
 9783428516377, 9783428116379

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Schriften zu Kommunikationsfragen Band 39

Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle Unter besonderer Berücksichtigung des Ehrenschutzes

Von

Angelika Schwetzler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ANGELIKA SCHWETZLER

Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle

Schriften zu Kommunikationsfragen Band 39

Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle Unter besonderer Berücksichtigung des Ehrenschutzes

Von

Angelika Schwetzler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4239 ISBN 3-428-11637-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Passau im Sommersemester 2004 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis Anfang März 2004 berücksichtigt. Es war daher nicht mehr möglich, die im März 2004 vom Deutschen Presserat verwirklichten Reformen (Erhöhung der Mitgliederzahl des Plenums auf 28 Personen sowie die Aufteilung des allgemeinen Beschwerdeausschusses in zwei Kammern mit je sechs Mitgliedern) in die Darstellung einzubeziehen. Teilweise werden diese Änderungen aberbei der Diskussion über die Reformmöglichkeiten angesprochen (siehe Teil 6 D. III. sowie Teil 7 B. III. 3). Für die Betreuung der Arbeit möchte ich Herrn Professor Dr. Herbert Bethge herzlich danken. Er hat mich bei der Erstellung der Arbeit stets unterstützt und gefördert. Herrn Professor Dr. Michael Schweitzer danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Sehr dankbar bin ich schließlich meinen Eltern für ihre große Hilfe beim abschließenden Korrekturlesen. Ich widme diese Schrift meinen Eltern, die mich nicht nur während der Entstehungszeit dieser Arbeit, sondern während meiner gesamten Ausbildung in jeder nur erdenklichen Weise unterstützt haben. München, im Juli 2004

Angelika Schwetzler

Inhaltsübersicht Teil 1 Einleitung

37

A. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

Teil 2 Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

40

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

B. Der Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

C. Der Anspruch auf Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . .

45

D. Der Beseitigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

E. Der Gegendarstellungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

F. Der Ersatz materieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

G. Der Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

H. Angemaßte Eigengeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

I. Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

J. Zusammenfassung zu Teil 2 und Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Teil 3 Verfassungsrechtlicher Rahmen für den Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle

71

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

B. Die Kommunikationsfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

8

Inhaltsübersicht

C. Relevanz der Grundrechte für die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten . . . . . . . . . . . 107 D. Die Auflösung der Grundrechtskollision zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit im Rahmen der einfachgesetzlichen Normen des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 E. Schlußfolgerungen aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Persönlichkeitsschutz durch Selbstkontrolleinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 F. Zusammenfassung zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Teil 4 Begriff und Erscheinungsformen der Selbstkontrolle

145

A. Ursachen für die zunehmende Bedeutung der Selbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 B. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 C. Abgrenzung zu anderen rechtlichen Phänomenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 D. Vor- und Nachteile selbstregulativer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 E. Definition der Selbstkontrolle für die vorliegende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Teil 5 Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

154

A. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 B. Historische Entwicklung der Presseselbstkontrolle in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 C. Die Aufgaben des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 D. Das Selbstverständnis des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 E. Organisation und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 F. Das Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 G. Die Einordnung des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins als Selbstkontrolleinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 H. Rechtliche Würdigung des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Zusammenfassung der Ergebnisse zu Teil 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

Inhaltsübersicht

9

Teil 6 Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Deutschen Presserat und die Beschwerdeausschüsse

266

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) und die Richtlinien für die publizistische Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . 324 D. Der Beitrag von Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle zum Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 E. Fazit zu Teil 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

Teil 7 Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle – insbesondere mit dem Ziel der Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes

387

A. Die Bandbreite der Reformvorschläge zur Presse(selbst)kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 B. Lösung der Probleme der Presseselbstkontrolle durch systemimmanente Reformen 397 C. Fazit zu Teil 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424

Teil 8 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Anhang I:

425

Verzeichnis der vom Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein herausgegebenen in der Arbeit verwendeten Materialien (in chronologischer Reihenfolge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430

Anhang II: Verzeichnis der bei der empirischen Untersuchung herangezogenen, die Ziffer 9 Pressekodex betreffenden Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432

Anhang III: Änderungen der Trägervereinssatzung und Geschäftsordnung im Jahr 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung

37

A. Einführung in die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

Teil 2 Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

40

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

B. Der Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

I. Voraussetzungen und Inhalt des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

II. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

C. Der Anspruch auf Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . .

45

I. Anspruchsvoraussetzungen und -folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

D. Der Beseitigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

I. Der Beseitigungsanspruch im allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

II. Insbesondere: Der Widerrufsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

III. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

E. Der Gegendarstellungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

I. Voraussetzungen und Inhalt des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

F. Der Ersatz materieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

I. Anspruchsvoraussetzungen und -folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

II. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

12

Inhaltsverzeichnis

G. Der Ersatz immaterieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

I. Entwicklung und Grundlagen des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

II. Funktionen der Geldentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

III. Voraussetzungen und Durchsetzung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

IV. Bemessungskriterien für die Höhe der Geldentschädigung und Entschädigungssummen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

V. Verhältnis zum Anspruch auf Ersatz materieller Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

VI. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

H. Angemaßte Eigengeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

I. Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

I. Anspruchsvoraussetzungen und -folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

II. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

J. Zusammenfassung zu Teil 2 und Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Teil 3 Verfassungsrechtlicher Rahmen für den Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle

71

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

I. Entwicklung, Grundlagen und Konkurrenzen zu anderen Grundrechten . . . . . . . .

72

II. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

1. Der sachliche Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

a) Der Schutz des privaten Lebensbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

b) Das Recht an der Darstellung der eigenen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

aa) Der Selbstdarstellungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

bb) Das Recht auf Schutz der persönlichen Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

cc) Das Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

dd) Das Recht am eigenen Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

ee) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

ff) Der Schutz vor Unwahrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

c) Der Schutz der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung . . . . . . . .

80

aa) Der Entwicklungsschutz von Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . .

81

bb) Das Recht auf Resozialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

Inhaltsverzeichnis

13

cc) Die Unschuldsvermutung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

dd) Schutz vor Diskriminierung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

2. Der persönliche Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

III. Die Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

1. Die Schranken im allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

2. Besonderheiten bei Eingriffen in den privaten Lebensbereich . . . . . . . . . . . . . . .

86

3. Spezifika beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . .

88

B. Die Kommunikationsfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

I. Die für die Untersuchung relevanten Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 GG . .

90

1. Die Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

a) Relevanz und Funktionen der Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

b) Der sachliche Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

aa) Meinungen und Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

bb) Die rechtliche Behandlung von Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

cc) Gewährleistungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

c) Grundrechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

2. Die Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

a) Bedeutung und Funktionen der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

b) Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

aa) Der Pressebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

bb) Gewährleistungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

c) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

d) Verhältnis zur Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

II. Die Schranken der Kommunikationsfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Verhältnis der Schranken zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Der Begriff der „allgemeinen Gesetze“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Die Wechselwirkungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Das Recht der persönlichen Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Verfassungsimmanente Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Die Bedeutung des Zensurverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

14

Inhaltsverzeichnis

C. Relevanz der Grundrechte für die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten . . . . . . . . . . . 107 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Begründungsansätze für den Einfluß der Grundrechte auf das Privatrecht . . . . . . 108 1. Die etatistische Konvergenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Grundlagen der etatistischen Konvergenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Begründung und Inhalt der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Struktur und Inhalt der grundrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Schutzpflichttatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (a) Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (b) Schutzpflichtniveau und rechtliche Anforderungen an die Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Subjektives Recht auf Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 dd) Justitiabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Verhältnis zur Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte . . 118 4. Zusammenfassung zu Punkt II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 III. Maßstäbe für die Feststellung und Auflösung von Grundrechtskollisionen . . . . . 119 1. Voraussetzungen einer Grundrechtskollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Auflösung von Grundrechtskollisionen im allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Schlußfolgerungen zu Abschnitt C. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 D. Die Auflösung der Grundrechtskollision zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit im Rahmen der einfachgesetzlichen Normen des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Normebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 II. Normanwendungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Das Recht auf Schutz der persönlichen Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Der Ehrenschutz in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Sinnebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Normauslegungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Inhaltsverzeichnis

15

cc) Abwägung der kollidierenden Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kriterien für die rechtliche Beurteilung von Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Maßstäbe für die rechtliche Zulässigkeit von Meinungsäußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Vermutungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Besonderheiten bei Äußerungen in der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . .

126

127 129 129

b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wechselwirkungslehre und das Recht der persönlichen Ehre . . . . . . . bb) Vermutungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kompetenzüberschreitung durch das Bundesverfassungsgericht? . .

130 130 131 131

126

c) Fazit zu Punkt 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Der Schutz des privaten Lebensbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Der Selbstdarstellungsschutz im allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Das Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Maßstäbe für die rechtliche Beurteilung der Herstellung von Bildnissen 135 b) Kriterien für die Zulässigkeit der Verbreitung von Bildnissen . . . . . . . . . . . 135 aa) Die einwilligungsfreie Publikation nach § 23 Abs. 1 KUG . . . . . . . . . 135 bb) Grenzen der einwilligungsfreien Veröffentlichung, § 23 Abs. 2 KUG 136 5. Das Recht am eigenen Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 7. Der Schutz vor Unwahrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 8. Der Entwicklungsschutz von Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 9. Das Recht auf Resozialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 10. Die Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 III. Zusammenfassung zu Abschnitt D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 E. Schlußfolgerungen aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Persönlichkeitsschutz durch Selbstkontrolleinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 F. Zusammenfassung zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Teil 4 Begriff und Erscheinungsformen der Selbstkontrolle

145

A. Ursachen für die zunehmende Bedeutung der Selbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 B. Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Gesellschaftliche Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

16

Inhaltsverzeichnis II. Hoheitliche Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Hoheitlich regulierte gesellschaftliche Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

C. Abgrenzung zu anderen rechtlichen Phänomenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Verwaltungsprivatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Beleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 D. Vor- und Nachteile selbstregulativer Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 E. Definition der Selbstkontrolle für die vorliegende Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Teil 5 Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

154

A. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 B. Historische Entwicklung der Presseselbstkontrolle in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Das Deutsche Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Die Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 III. Die Zeit des Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 IV. Die Nachkriegszeit bis zur Gründung des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . 160 V. Die Geschichte des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Von der Gründung bis zur Krise im Jahr 1981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Von der Behebung der Krise 1985 bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 C. Die Aufgaben des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 D. Das Selbstverständnis des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 E. Organisation und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 I. Der Trägerverein des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 II. Das Gremium Deutscher Presserat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 III. Die Beschwerdeausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Der allgemeine Beschwerdeausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Der Beschwerdeausschuß für den Redaktionsdatenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Inhaltsverzeichnis

17

IV. Die Geschäftsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 V. Die Finanzierung der Presseselbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 VI. Zusammenfassung zu Abschnitt E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 F. Das Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I. Verfahrensbeteiligte und Verfahrensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Beschwerdeführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Beschwerdegegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Beschwerdegegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Das Vorprüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Das förmliche Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. Das Sanktionssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Die Sanktionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Wirkung der Sanktionen und der Rügenabdruckverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Rechtsverbindlichkeit aufgrund verbandsrechtlicher Beziehungen? . . . . . . 186 b) Rechtliche Bindungswirkung durch Individualvereinbarungen . . . . . . . . . . . aa) Verbindliche Vereinbarungen zwischen dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein und den Verlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Korrespondierende Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtsbindungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umfang der Rechtsverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anspruchsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Erfüllung der aus den Vereinbarungen resultierenden Verpflichtungen ee) Gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188 188 188 189 191 193 193 195 195 196 196

c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 V. Zusammenfassung zu Abschnitt F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 G. Die Einordnung des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins als Selbstkontrolleinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I. Der Deutsche Presserat als Selbstkontrollinstitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Der Deutsche Presserat zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und regulierter Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Die allgemeine Beschwerdearbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Der Tätigkeitsbereich Redaktionsdatenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 III. Zusammenfassung zu Abschnitt G. und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2 Schwetzler

18

Inhaltsverzeichnis

H. Rechtliche Würdigung des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Der Deutsche Presserat bzw. sein Trägerverein und Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Dem Trägerverein des Deutschen Presserats zustehende Grundrechte . . . . . . . 203 a) Art. 9 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Die Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Die Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Sonstige Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Fazit zu Punkt 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Organisation des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Tätigkeit vor 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Etwaiger Verstoß gegen Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundrechtseingriff durch die Gründung des Deutschen Presserats? bb) Grundrechtseingriff durch die Selbstkontrolltätigkeit des Deutschen Presserats und des allgemeinen Beschwerdeausschusses? . . . . . . . . . . . cc) Mögliche Verletzung des Zensurverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Auslösung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Aktivierung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten der Presse oder der Rezipienten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207 208 209 212 212 213

b) Mögliche Verletzung des Rechtsprechungsmonopols oder der verfassungsrechtlichen Grenzen der privaten Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Zusammenfassung zu Punkt 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Organisation des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Tätigkeit nach der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Einleitung: Rechtsnatur der Absprache zwischen dem Bundesinnenminister und dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein sowie den vier Trägerorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 b) Verfassungsrechtliche Würdigung der Übernahme und Realisierung der Aufgabe Redaktionsdatenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verbandskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Organkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit mit den Grundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Mögliche Grundrechtsverletzung durch die Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundrechtsverletzung des Trägervereins des Deutschen Presserats? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

216 216 216 217 218 218 219 219 219

Inhaltsverzeichnis

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(2) Grundrechtsverletzung der Mitglieder des Deutschen Presserats und seines Trägervereins? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (3) Grundrechtsverletzung der Mitglieder der Trägerverbände und der ihnen angehörenden Mitglieder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (b) Etwaige Grundrechtsverletzung durch die Beschwerdearbeit im Bereich des redaktionellen Datenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (c) Verstoß gegen das Zensurverbot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (d) Aktivierung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (e) Auslösung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten der Presse oder der Rezipienten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 cc) Wahrung des Gesetzesvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (a) Rechtsstaatlicher Eingriffsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (b) Demokratischer Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 dd) Vereinbarkeit mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 ee) Wahrung des Transparenz- und Publizitätsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 ff) Weitere Grenzen aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip? . . . . 229 gg) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 c) Verfassungsrechtliche Beurteilung der Auswirkungen der informalen Absprache und ihrer Umsetzung auf die allgemeine Beschwerdearbeit . . . . . . 230 4. Zusammenfassung zu Punkt I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 II. Vereinbarkeit der Presseselbstkontrolle mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Zulässigkeit von Organisation und Tätigkeit des Trägervereins des Deutschen Presserats vor 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa) Die Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (a) Mögliche Verletzung durch den Trägerverein des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (b) Etwaige Verletzung durch die Bundesrepublik Deutschland . . . . . 234 bb) Die Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Wahrung der kartellrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 aa) Verhältnis der Art. 81 EG und Art. 82 EG zum nationalen Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Der Tatbestand des Art. 81 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Verletzung von Sekundärrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2*

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Inhaltsverzeichnis d) Etwaiger Verstoß gegen Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Die Gemeinschaftsgrundrechte als ungeschriebene Rechtsgrundsätze 239 (a) Quellen der Gemeinschaftsgrundrechte und Verhältnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (b) Verletzung der Gemeinschaftsgrundrechte durch die Organe der Europäischen Gemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (c) Verstoß gegen die Gemeinschaftsgrundrechte durch die Bundesrepublik Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (d) Verletzung durch den Trägerverein des Deutschen Presserats? . . 241 e) Ergebnis zu Punkt 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3. Europarechtliche Zulässigkeit von Organisation und Tätigkeit des Trägervereins des Deutschen Presserats nach der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Wahrung der kartellrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Etwaige Verletzung von Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 aa) Die Anforderungen des Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie . . . . . . . . . . . . 243 bb) Die Umsetzung in das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 cc) Vereinbarkeit des deutschen Systems der regulierten Selbstregulierung mit Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (a) Allgemeine Anforderungen an die Richtlinienumsetzung in nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (b) Richtlinienkonformität des deutschen Modells der regulierten Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 d) Möglicher Verstoß gegen Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Verletzung der Gemeinschaftsgrundrechte durch die Organe der Europäischen Gemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb) Verstoß gegen die Gemeinschaftsgrundrechte durch die Bundesrepublik Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 e) Zusammenfassung zu Punkt 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4. Fazit zu Punkt II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 III. Presseselbstkontrolle und einfaches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Vereinbarkeit mit den Landespressegesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Verletzung vereinsrechtlicher Vorschriften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Mögliche Verletzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . 251 a) Das Kartellverbot, § 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Kartellrechtlich relevantes Verhalten des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (a) Die normvertretende und -vorbereitende Absprache mit dem Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

Inhaltsverzeichnis (b) Rügenabdruckverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Satzungserlaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Beschlüsse des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Verhaltenskoordinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bezweckte oder bewirkte spürbare Wettbewerbsbeschränkung . . . . . .

21 252 253 253 254 255

b) Das Empfehlungsverbot, § 22 Abs. 1 S. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c) Die unerlaubte Anwendung von Druck- und Lockmitteln, § 21 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 d) Zulässigkeit der Wettbewerbsbeschränkung im Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . 257 e) Fazit zu Punkt 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 4. Vereinbarkeit mit dem Bundesdatenschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 5. Verletzung sonstiger einfachrechtlicher Vorschriften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Etwaige Ansprüche wegen Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Weitere mögliche zivilrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 c) Zusammenfassung zu Punkt 5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 6. Fazit zu Punkt III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 I. Zusammenfassung der Ergebnisse zu Teil 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Teil 6 Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Deutschen Presserat und die Beschwerdeausschüsse

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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) und die Richtlinien für die publizistische Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 I. Pressekodex und Richtlinien als standesethisches Regelwerk der Presse . . . . . . . . 268 1. Rechtsnatur von Pressekodex und Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Verhältnis zwischen ethischen und rechtlichen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3. Inhalte und Regelungstechnik von Pressekodex und Richtlinien . . . . . . . . . . . . . 271 4. Pressekodex und Richtlinien als Prüfungsmaßstab im Beschwerdeverfahren 272 II. Persönlichkeitsschützende Vorschriften in Pressekodex und Richtlinien im Vergleich mit der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Ziffer 1 Pressekodex: Wahrheitsgebot und Schutz der Menschenwürde . . . . . . 273 a) Persönlichkeitsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 b) Auslegung und Vergleich mit der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

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Inhaltsverzeichnis 2. Ziffer 2 Pressekodex: Sorgfaltsgebot, Verfälschungsverbot und Symbolfotos 275 a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 b) Interpretation und Abgleich mit den rechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . 277 aa) Pflicht zur wahrhaftigen Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 bb) Schutz vor Verfälschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 cc) Kenntlichmachung unbestätigter Meldungen, Gerüchte und Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 dd) Autorisierung von Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 ee) Symbolfotos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 3. Ziffer 3 Pressekodex: Richtigstellung, Dokumentierung und Auskunft . . . . . . 281 a) Persönlichkeitsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Auslegung und Vergleich mit den rechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 aa) Richtigstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 bb) Folgeberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 cc) Dokumentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 dd) Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 4. Ziffer 4 Pressekodex: Verbot unlauterer Recherchemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Interpretation und Abgleich mit der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 aa) Verbot unlauterer Materialbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 bb) Verdeckte Recherchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 cc) Recherche bei schutzbedürftigen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 dd) Sperrung oder Löschung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 5. Ziffern 5 bis 7 Pressekodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 6. Ziffer 8 Pressekodex: Schutz des privaten Lebensbereichs und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Persönlichkeitsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Auslegung und Abgleich mit den rechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 aa) Schutz des Privatlebens und der Intimsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 bb) Nennung von Namen / Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (a) Namensnennung und Abbildung von Tätern und Opfern von Unglücksfällen und Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (1) Die Relevanz von Sensationsbedürfnissen für die Zulässigkeit der Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

Inhaltsverzeichnis

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(2) Namensnennung und Abbildung von Opfern von Unglücksfällen und Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (3) Namensnennung und Abbildung von Beschuldigten in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (b) Namensnennung und Abbildung von Familienangehörigen und sonstigen mittelbar Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (c) Namensnennung und Abbildung Vermißter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 (d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 cc) Schutz des Aufenthaltsortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 dd) Resozialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 ee) Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 ff) Opposition und Fluchtvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 gg) Jubiläumsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 hh) Recht auf informationelle Selbstbestimmung, redaktioneller Datenschutz und Datenübermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 7. Ziffer 9 Pressekodex: Schutz vor unbegründeten Behauptungen und Beschuldigungen, insbesondere solchen ehrverletzender Art . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 b) Interpretation und Vergleich mit der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 8. Ziffer 10 Pressekodex: Schutz des sittlichen oder religiösen Empfindens von Personengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Persönlichkeitsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 b) Auslegung und Vergleich mit der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 9. Ziffer 11 Pressekodex: Schutz vor unangemessen sensationeller Darstellung von Gewalt und Brutalität, Jugendschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Auslegung und Abgleich mit den rechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 aa) Unangemessen sensationelle Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 bb) Jugendschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 cc) Berichterstattung über Gewalttaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 dd) Unglücksfälle und Katastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 ee) Abgestimmtes Verhalten mit Behörden / Nachrichtensperre . . . . . . . . 313 ff) Verbrecher-Memoiren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 10. Ziffer 12 Pressekodex: Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 a) Persönlichkeitsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

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Inhaltsverzeichnis b) Interpretation und Vergleich mit der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 aa) Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 bb) Berichterstattung über Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 11. Ziffer 13 Pressekodex: Vorverurteilungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 b) Auslegung und Abgleich mit den rechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 aa) Vorverurteilungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Inhalt des Vorverurteilungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorzeitige Berichterstattung über Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . (a) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . (b) Verstoß gegen §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 353d Nr. 3 StGB . . . . . cc) Straftaten Jugendlicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317 317 317 318 319 320 320 321

c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 12. Ziffern 14 und 15 Pressekodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 III. Zusammenfassung zu Abschnitt B. und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . 324 I. Einleitung zur empirischen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 1. Zweck der Analyse und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 2. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 3. Vorgehensweise und Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 II. Analyse der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex und Abgleich mit der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 1. Der Kreis der Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 a) Die Ehrverletzung von Individuen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 b) Die Ehrverletzung von Vereinigungen und Personengesamtheiten . . . . . . 329 c) Die Ehrverletzung unter einer Kollektivbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 d) Zusammenfassung zu Punkt 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 2. Maßstäbe bzw. Beurteilungskriterien für eine Ehrverletzung nach Ziffer 9 Pressekodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 a) Die Bedeutung der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 aa) Die Auslegungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 bb) Interpretationskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 cc) Das Problem der mehrdeutigen Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 dd) Fazit zu Punkt a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Inhaltsverzeichnis

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b) Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen . . . . . 335 aa) Grundlagen der Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (a) Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 (b) Rechtliche Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 (c) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 bb) Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (a) Mischäußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 (b) Absichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 (c) Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 cc) Zusammenfassung zu Punkt b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 c) Beurteilungskriterien bei Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 aa) Behauptung einer falschen Tatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (a) Beurteilungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (b) Die Relevanz der Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (c) Die Bedeutung der Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 bb) Behauptung einer nicht erwiesen wahren Tatsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 cc) Fazit zu Punkt c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 d) Prüfungsmaßstäbe bei Werturteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 bb) Absolute Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 (a) Schmähkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 (b) Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 cc) Kriterien für die Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 (a) Mitteilung der Tatsachenbasis und „fair comment“ . . . . . . . . . . . . . . 351 (b) Relevanz von Sorgfaltspflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 (c) Weitere Beurteilungskriterien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 dd) Zusammenfassung zu Punkt d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 e) Besondere Fallgruppen und Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 aa) Verdachtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 bb) Satire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 cc) Vermutungsformel und Wechselwirkungslehre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 dd) Die Bedeutung der Einwilligung des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (a) Die Einwilligung im presseethischen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (b) Die Einwilligung auf rechtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 (c) Abgleich zwischen presseethischen und rechtlichen Vorgaben . . 361 ee) Die Relevanz von Verhalten und Stellung des Betroffenen . . . . . . . . . . . 362 ff) Die Bedeutung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 gg) Der Einfluß bzw. die Vorbildfunktion von Gerichtsentscheidungen . . 364 hh) Fazit zu Punkt e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364

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Inhaltsverzeichnis 3. Kundgabe und Zurechnung der Ehrverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 a) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 b) Kundgabe im allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 c) Haftung für Äußerungen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 aa) Wiedergabe von Aussagen Dritter im allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 bb) Insbesondere: Zitate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 (a) Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 (b) Rechtliche Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 (c) Abgleich und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 d) Zusammenfassung zu Punkt 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 4. Konkurrenzen zu anderen Kodexziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 III. Zusammenfassung zu Abschnitt C. und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

D. Der Beitrag von Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle zum Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 I. Beschwerdeverfahren und Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Die Gremienbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Der Ablauf des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 a) Vorzüge des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 b) Probleme des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 3. Die Entscheidungen des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 II. Sanktionen und Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 1. Die Sanktionen der Presseselbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 a) Folgen eines Verstoßes gegen Pressekodex und Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . 378 b) Die Auswahl der Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 c) Insbesondere: Die Wiedergutmachung und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 2. Der Abdruck öffentlicher Rügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 a) Ratio des Rügenabdrucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 b) Inhalt und Form des Rügenabdrucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 c) Erfüllung der Abdruckverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 d) Fazit zu Punkt 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 III. Zusammenfassung zu Abschnitt D. und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 E. Fazit zu Teil 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

Inhaltsverzeichnis

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Teil 7 Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle – insbesondere mit dem Ziel der Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes

387

A. Die Bandbreite der Reformvorschläge zur Presse(selbst)kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 I. Änderungen des existierenden Systems der Presseselbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . 388 1. Gesetzliche Verankerung der Pflicht zum Rügenabdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 2. Allgemeinverbindlicherklärung der vom Deutschen Presserat aufgestellten Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 3. Schlichtungsverfahren (Mediation) vor dem Deutschen Presserat . . . . . . . . . . . 390 II. Unternehmensinterne Konzepte der Presseselbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 III. Externe Reformmodelle außerhalb der bestehenden Selbstkontrollstrukturen . . . 392 1. Externer Ombudsmann bzw. Pressebeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 2. Kontrolle durch mit gesellschaftlich relevanten Kräften besetzte Gremien . . . 393 3. Errichtung von Presse- bzw. Journalistenkammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 4. Kollektivrechtliche Verbandskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 5. Berufsständische Kontrolle durch eine Vereins- oder Verbandsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 6. Etablierung eines gemeinsamen Medienrates für sämtliche Medienbranchen

396

IV. Zusammenfassung zu Abschnitt A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 B. Lösung der Probleme der Presseselbstkontrolle durch systemimmanente Reformen 397 I. Verbesserungen an Pressekodex und Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 1. Erweiterung des Anwendungsbereichs auf rechtlich nicht zu beanstandende, aber mißbilligenswerte Verhaltensweisen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 2. Punktuelle Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 a) Erhöhung des Bekanntheitsgrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 b) Steigerung der Regelungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 II. Änderungen in der Spruchpraxis des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 III. Reform des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 1. Die Gremienbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 a) Aufnahme fachfremder Persönlichkeiten in die Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 b) Bewertung des Reformvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

28

Inhaltsverzeichnis 2. Verfahrensausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 a) Das Problem der begrenzten Recherchemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 b) Steigerung der Transparenz des Beschwerdeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 3. Die Entscheidungen der Selbstkontrollgremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 IV. Optimierung des Sanktionssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 1. Die Sanktionen der Presseselbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 a) Anzahl der Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 b) Auswahl der Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 c) Die Wiedergutmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 2. Der Rügenabdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 a) Inhalt und Form des Rügenabdrucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufnahme der Vorgaben in die Rügenabdruckvereinbarung . . . . . . . . . bb) Konkretisierung der inhaltlichen und formalen Anforderungen . . . . . . cc) Insbesondere: Der „Redaktionsschwanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

407 408 408 409

b) Erweiterung der Gruppe der Anspruchsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Festlegung des Kreises der Anspruchsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte? . . . . . (b) Möglicher Anspruch aus einem Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . .

410 410 411 411 411

(c) Anspruch aus einer Vereinbarung zwischen dem in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen und dem Beschwerdegegner . . . . . . cc) Erfüllung der aus der Vereinbarung resultierenden Verpflichtung . . . . dd) Gerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Klage und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

412 414 415 415 415

c) Das Problem der mangelnden Reichweite öffentlicher Rügen . . . . . . . . . . . . 416 d) Die Defizite bei der Beteiligung an den Rügenabdruckvereinbarungen . . 417 V. Rechtliche Zulässigkeit der Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 1. Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 a) Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 b) Die Reform von Pressekodex, Richtlinien und Spruchpraxis . . . . . . . . . . . . . 418 c) Die Änderungsvorschläge zum Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 d) Die Neugestaltung des Sanktionssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 e) Fazit zu Punkt 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 2. Europarechtskonformität der Reformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 3. Vereinbarkeit mit dem einfachen Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 a) Landespressegesetze und Bundesdatenschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

Inhaltsverzeichnis

29

b) Vereinsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 c) Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 4. Ergebnis zu Punkt V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 VI. Zusammenfassung zu Abschnitt B. und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 C. Fazit zu Teil 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424

Teil 8 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Anhang I:

425

Verzeichnis der vom Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein herausgegebenen in der Arbeit verwendeten Materialien (in chronologischer Reihenfolge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430

Anhang II: Verzeichnis der bei der empirischen Untersuchung herangezogenen, die Ziffer 9 Pressekodex betreffenden Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432

Anhang III: Änderungen der Trägervereinssatzung und Geschäftsordnung im Jahr 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

Abkürzungsverzeichnis a.A.

andere(r) Ansicht

a. a. O.

am angegebenen Ort

ABl.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

Abs.

Absatz; Absätze

AC

The Law Reports, Appeal Cases

AcP

Archiv für die civilistische Praxis

a.F.

alte Fassung

AfP

Archiv für Presserecht

AgrarR

Agrarrecht

AK-GG

Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare

Alt.

Alternative

a.M.

andere(r) Meinung; am Main

Anh

Anhang

Anm.

Anmerkung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

AP

Arbeitsrechtliche Praxis

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAGE

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BayPrG

Bayerisches Pressegesetz

BayRG

Bayerisches Rundfunkgesetz

BB

Der Betriebs-Berater

BbgPG

Pressegesetz des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Landespressegesetz)

Bd.

Band

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BDZV

Bund Deutscher Zeitungsverleger e.V.

Bearb.

Bearbeitung

BerlPrG

Berliner Pressegesetz

Beschl.

Beschluß

Abkürzungsverzeichnis BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BKartA

Bundeskartellamt

Bl.

Blatt; Blätter

BO

Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats

BremPrG

Gesetz über die Presse (Pressegesetz [Bremen])

BT

Besonderer Teil

BTag-Drs.

Bundestags-Drucksache

BVDA

Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter e.V.

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

Co.

Company

CR

Computer und Recht

DGHS

Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben e.V.

d. h.

das heißt

DJT

Deutscher Juristentag

dju

Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union

DJV

Deutscher Journalisten-Verband e.V.

DM

Deutsche Mark

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DRiG

Deutsches Richtergesetz

31

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DT-Control

Interessengemeinschaft Selbstkontrolle elektronischer Datenträger im Pressevertrieb

DuD

Datenschutz und Datensicherheit

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt

DVP

Deutsche Verwaltungspraxis

EG

Europäische Gemeinschaft; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

32

Abkürzungsverzeichnis

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EGZPO

Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung

Einf

Einführung

Einl

Einleitung

EMRK

[Europäische] Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

etc.

et cetera

EU

Europäische Union; Vertrag über die Europäische Union

EuG

Europäisches Gericht erster Instanz

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EUV

Vertrag über die Europäische Union

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

e.V.

eingetragener Verein

f., ff.

folgende (Seite); folgende (Seiten)

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

FG

Freundesgabe

Film u. R.

Film und Recht

Fn.

Fußnote(n)

FS

Festschrift

FSF

Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.

gem.

gemeinsame

GG

Grundgesetz

GGK

Grundgesetz-Kommentar

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GO

Geschäftsordnung des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

GV.NW

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen

GVOBl. f. d. Land Hessen

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Hamb.Ges.VOBl.

Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt

HbDStR

Handbuch des Deutschen Staatsrechts

HbStR

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland

h.M.

herrschende Meinung

HmbPrG

Hamburgisches Pressegesetz

Abkürzungsverzeichnis

33

HPresseG

Hessisches Gesetz über Freiheit und Recht der Presse – Hessisches Pressegesetz

Hrsg.

Herausgeber

HS.

Halbsatz

i.E.

im Ergebnis

IG

Industriegewerkschaft

i.V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

Jb.J.ZivRWiss.

Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler

JGG

Jugendgerichtsgesetz

JMStV

Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag)

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

KB

The Law Reports, King’s Bench Division

KG

Kammergericht

KritV

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

KUG

Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie [Kunsturhebergesetz]

LAG

Landesarbeitsgericht

LG

Landgericht

lit.

Litera / Buchstabe

LM

Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier / Möhring

LPrG [BW]

Gesetz über die Presse (Landespressegesetz [Baden-Württemberg])

LPrG M-V

Landespressegesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern

LPrG NRW

Landespressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespressegesetz NRW)

Ltd.

Limited

MDStV

Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag)

M&K

Medien und Kommunikationswissenschaft

m. N.

mit Nachweisen

M&R

Medien und Recht

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

3 Schwetzler

34

Abkürzungsverzeichnis

NdsPrG

Niedersächsisches Pressegesetz

n.F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungs-Report Zivilrecht

N.N.

nomen nescio / Name unbekannt

Nr.

Nummer(n)

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NuR

Natur und Recht

n.v.

nicht veröffentlicht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

o.ä.

oder ähnliche(s, m)

OGH

Oberster Gerichtshof [Österreich]

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

PCC

Press Complaints Commission

PrG

Gesetz über die Presse [Reichspreßgesetz]

QB

The Law Reports, Queen’s Bench Division

RAG

Reichsarbeitsgemeinschaft der deutschen Presse

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RhPfPrG

Landesgesetz über die Presse (Landespressegesetz [Rheinland-Pfalz])

RiStBV

Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren

Rl.

Richtlinie(n)

Rn.

Randnummer(n)

Rs.

Rechtssache(n)

RuF

Rundfunk und Fernsehen

RVDP

Reichsverband der Deutschen Presse e.V.

S.

Satz; Sätze; Seite(n)

SachsAnhPrG

Pressegesetz für das Land Sachsen-Anhalt (Landespressegesetz)

SächsPresseG

Sächsisches Gesetz über die Presse

SchrlG

Schriftleitergesetz

SdI

Selbstkontrolle der Illustrierten

SHPrG

Gesetz über die Presse (Landespressegesetz [Schleswig-Holstein])

SIZ

Selbstkontrolle Illustrierter Zeitschriften

Slg.

Sammlung

SMG

Saarländisches Mediengesetz

sog.

sogenannte

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Abkürzungsverzeichnis st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

StandesR

Standesrecht

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozeßordnung

str.

streitig

SWJV

Südwestdeutscher Journalistenverband

Tb.

Teilband

TB

Tätigkeitsbericht

TPG

Thüringer Pressegesetz

TVG

Tarifvertragsgesetz

u. a.

unter anderem; und andere

Überbl

Überblick

UFITA

Archiv für Urheber- und Medienrecht

UrhG

Urheberrechtsgesetz

usw.

und so weiter

u.U.

unter Umständen

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v.

von; vom; versus

v.a.

vor allem

VDZ

Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V.

verb.

verbundene

ver.di

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

VereinsG

Vereinsgesetz

VerfGH NW

Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen

VerwA

Verwaltungsarchiv

vgl.

vergleiche

Vorb.

Vorbemerkung

Vorbem.

Vorbemerkung

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

WDR-Gesetz

Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk Köln

WiR

Wirtschaftsrecht

WLR

Weekly Law Reports

WM

Wertpapier-Mitteilungen

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis

WRV

Weimarer Reichsverfassung

z. B.

zum Beispiel

ZDF

Zweites Deutsches Fernsehen

ZDF-StV

ZDF-Staatsvertrag

3*

35

36

Abkürzungsverzeichnis

ZEuP

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht

ZG

Zeitschrift für Gesetzgebung

Ziff.

Ziffer

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

ZUM

Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

Im übrigen wird verwiesen auf Kirchner / Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl. 2003 sowie Dudenredaktion (Hrsg.), Duden, Die deutsche Rechtschreibung: Auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibregeln, Band 1, 22. Aufl. 2000.

Teil 1

Einleitung A. Einführung in die Problematik „Konflikt zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechten stand im Vordergrund – Deutscher Presserat spricht insgesamt elf Rügen aus“,1 „Presserat missbilligt regelwidrigen Umgang mit Personendaten – Medien dürfen Menschen nicht ohne Einwilligung Rolle in Inszenierungen zuweisen“,2 „Missachtung von Persönlichkeitsrechten – Der Deutsche Presserat spricht insgesamt fünf Rügen aus“,3 „Das Privatleben ist geschützt – Presserat verteilt vier Rügen wegen Persönlichkeitsverletzungen“4 – so oder ähnlich lautet ein Großteil der vom Deutschen Presserat, einer Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse, herausgegebenen Pressemitteilungen. Sie offenbaren einen seit Jahren währenden Grundkonflikt zwischen der Freiheit der Presseberichterstattung einerseits und dem Schutz der Persönlichkeit andererseits. In letzter Zeit hat sich der Konflikt allerdings noch verschärft. Ursache hierfür sind insbesondere die veränderten Rahmenbedingungen im Bereich der Medienbranche und damit auch der Presse. Der sich zunehmend verschärfende Wettbewerb zwischen den Presseunternehmen um Anzeigen und Leser mit seinem Aktualitätsdruck und dem Zwang, durch spektakuläre Veröffentlichungen die Rezipienten an sich zu binden, führt zu einer immer häufigeren Mißachtung der Interessen der von der Berichterstattung Betroffenen.5 Je mehr allerdings Pressepublikationen die Persönlichkeitsinteressen einzelner beeinträchtigen, desto stärker bemüht man sich auch um deren Schutz. Rechtlich erfolgt dies heutzutage in erster Linie über das Zivilrecht.6 Die Rechtsprechung hat 1 Pressemitteilung des Deutschen Presserats vom 18. September 2001, siehe unter http: // www.presserat.de / site / doku / presse / mitteil2001.shtml (Stand: 10. September 2003). 2 Pressemitteilung des Deutschen Presserats vom 20. Juni 2002, siehe unter http: // www.presserat.de / site / doku / presse / mitteil2002.shtml (Stand: 10. September 2003). 3 Pressemitteilung des Deutschen Presserats vom 27. November 2002, siehe unter http: // www.presserat.de / site / doku / presse / mitteil2002.shtml (Stand: 10. September 2003). 4 Pressemitteilung des Deutschen Presserats vom 19. Februar 2003, siehe unter http: // www.presserat.de / site / doku / presse / mitteil2003.shtml (Stand: 5. Februar 2004). 5 Prinz, NJW 1996, 953; Teichert, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 129 ff.; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 97. 6 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 291.

38

Teil 1: Einleitung

zu diesem Zweck das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit seinen verschiedenen Ausprägungen, wie dem Recht am eigenen Wort und dem Schutz der persönlichen Ehre, entwickelt. Der Ausgleich zwischen der Freiheit der Presseberichterstattung und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, die beide auch verfassungsrechtlichen Schutz genießen, erfolgt damit momentan vornehmlich durch die Gerichte. Pressespezifische normative Regelungen existieren mit Ausnahme weniger Vorschriften in den Landespressegesetzen dagegen kaum. Eine externe staatliche Presseaufsicht gibt es nicht.7 Sie wäre verfassungswidrig.8 Aber auch auf ethischer Ebene, also außerhalb der Rechtsordnung, bemüht man sich um eine Lösung des Konflikts zwischen der Freiheit der Presseberichterstattung einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht andererseits. Namentlich der Deutsche Presserat ahndet Verstöße gegen die Presseethik und beschäftigt sich infolgedessen unter anderem mit der Verletzung von presseethisch verankerten Persönlichkeitsinteressen durch Zeitungen und Zeitschriften. Die Arbeit dieser Selbstkontrollinstitution der deutschen Presse hat in den letzten Jahren, insbesondere aufgrund der Übernahme neuer Aufgaben, verstärkt an Bedeutung gewonnen. Das legt die Frage nahe, ob die Presseselbstkontrolle den rechtlichen Persönlichkeitsschutz nicht zumindest teilweise zu ergänzen oder sogar zu ersetzen vermag, insbesondere auch deshalb, weil der Schutz der Persönlichkeit durch die Rechtsordnung häufig als defizitär kritisiert wird.9

B. Gang der Untersuchung Um die aufgeworfene Frage nach dem Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle zu beantworten, wird im der Einleitung folgenden zweiten Abschnitt der vorliegenden Arbeit zunächst eine Bestandsaufnahme und Bewertung der wichtigsten zivilrechtlichen Ansprüche bei Persönlichkeitsverletzungen vorgenommen. Denn nur dann, wenn sich die Kritik am rechtlichen Persönlichkeitsschutz als zutreffend erweist, erscheint es überhaupt sinnvoll, über eine Ergänzung oder einen Ersatz durch ein Modell der Selbstkontrolle zu diskutieren. Daran schließt sich in einem dritten Kapitel eine Erörterung der für den Untersuchungsgegenstand relevanten verfassungsrechtlichen Grundlagen an. Nach einer Darstellung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der Meinungs- und Pressefreiheit wird auf die Wirkung der Grundrechte in den privatrechtlichen Beziehungen zwischen Presse und den von der Presseberichterstattung Betroffenen eingegangen und dargelegt, wie die gefundenen Ergebnisse für den Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle nutzbar gemacht werden können. 7 Zu den Ordnungsstrukturen der Presse vgl. Gounalakis, 64. DJT, Bd. 1, 2002, S. C 63 f. sowie Stürner, AfP 2002, 284 f. 8 Siehe dazu Teil 3 B I 2 a) sowie Teil 7 A III. 9 Vgl. den Überblick über die wesentlichen Kritikpunkte bei Barton, AfP 1995, 454 f.

B. Gang der Untersuchung

39

Begriff und Erscheinungsformen der Selbstkontrolle sind dann Gegenstand des vierten Teils der Untersuchung. Im fünften Abschnitt folgt eine Analyse des Deutschen Presserats als wichtigster Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse. Nach einem geschichtlichen Überblick werden Aufgaben, Selbstverständnis und Organisation des Deutschen Presserats vorgestellt. Das Beschwerdeverfahren, das es jedermann erlaubt, gegen Verletzungen der Presseethik vorzugehen, wird erläutert und eine umfassende rechtliche Würdigung der Presseselbstkontrollinstitution vorgenommen. Der anschließende sechste Teil beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit das zuvor untersuchte System der Presseselbstkontrolle zum Schutz des Persönlichkeitsrechts beizutragen vermag. Zur Klärung des Problems werden die vom Deutschen Presserat „kodifizierten“ presseethischen Grundsätze, der Pressekodex und die Richtlinien für die publizistische Arbeit, die Spruchpraxis des Deutschen Presserats sowie Beschwerdeverfahren und Sanktionen auf ihre persönlichkeitsschützende Wirkung untersucht. Die Absicherung des Persönlichkeitsrechts durch die Rechtsordnung wird dabei als Voraussetzung für die Bewertung der Effektivität der Presseselbstkontrolle stets im Blick behalten, insbesondere durch einen Vergleich zwischen den rechtlichen und ethischen Schutzstandards. Das siebte und letzte Kapitel behandelt schließlich verschiedene Ansätze zur Reform der Presse(selbst)kontrolle und endet mit der Vorstellung eines eigens im Hinblick auf die Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes entwickelten systemimmanenten Lösungskonzepts.

Teil 2

Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen A. Einleitung Auch wenn der Persönlichkeitsschutz1 durch Presseselbstkontrolle den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet, ist damit die Frage nach dem rechtlichen Schutz der Persönlichkeit nicht obsolet. Denn die Notwendigkeit und Effektivität einer Selbstkontrolleinrichtung kann nicht ohne den rechtlichen Hintergrund beurteilt werden, vor dem sie ihre Aufgabe erfüllen soll.2 Schließlich lassen vor allem Schwächen des rechtlichen Schutzes die Frage nach einer Ergänzung durch Selbstkontrollmechanismen immer stärker in den Vordergrund treten. Daher wird im ersten Abschnitt zunächst eine Bestandsaufnahme des rechtlichen Schutzinstrumentariums vorgenommen. Da heute unumstritten das Zivilrecht im Mittelpunkt des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes steht,3 konzentrieren sich die folgenden Erörterungen auf die zivilrechtlichen Ansprüche.4 Sie sind im wesentlichen durch die Rechtsprechung geprägt, wenn nicht sogar entwickelt worden. Es gab zwar mehrere Versuche, das Verhältnis von Persönlichkeitsrecht und Medien zumindest teilweise zu kodifizieren. Doch sind bisher alle Entwürfe gescheitert,5 so daß weiterhin das Richterrecht dominiert. Daher soll im Mittelpunkt der folgenden Erörterungen auch die gerichtliche Praxis stehen, insbesondere die Bewertung ihrer Effektivität. Dogmatische Grundlagen und Streitfragen werden allenfalls am Rande erwähnt. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf das Problem von Persönlichkeitsverletzungen lebender Personen durch redaktionelle Berichterstattung. Ausgeklammert sind damit der postmortale Persönlichkeitsschutz sowie Persönlichkeitsverletzungen durch kommerzielle Ausbeutung in Gestalt von Werbung. Denn beide Bereiche weisen in 1 Zum Schutz des Unternehmens, insbesondere durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und seines Verhältnisses zum Persönlichkeitsrecht vgl. Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 187 ff., insbesondere 193. 2 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 22. 3 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 291. 4 Zu persönlichkeitsschützenden Regelungen in anderen Rechtsgebieten bzw. Gesetzen vgl. Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 302 ff.; Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 20 ff.; Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 20 ff. 5 Vgl. dazu Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 61 f.

B. Der Unterlassungsanspruch

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Grundlagen und Rechtsfolgen Besonderheiten gegenüber dem Untersuchungsgegenstand auf, deren Erörterung den Rahmen der Arbeit sprengen würde.6 Ebenfalls ausgespart wird an dieser Stelle noch eine ausführliche Darstellung der die Ansprüche begründenden Tatbestände bzw. Voraussetzungen. Sie erfolgt an späterer Stelle.7 Dieses Vorgehen beruht zum einen auf der Überlegung, daß der tatbestandliche Schutz ins Leere läuft, wenn die Rechtsordnung keine effektiven Mittel zu seiner Durchsetzung zur Verfügung stellt, wenn also bereits Mängel in diesem Bereich auf Schwächen im rechtlichen Persönlichkeitsschutz hindeuten, die eine Ergänzung durch Presseselbstkontrolle nahelegen. Zum anderen ist auf dem Gebiet des Persönlichkeitsrechts der enge Konnex zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht zu beachten, der vor der Erörterung der anspruchsauslösenden Tatbestände eine Untersuchung der verfassungsrechtlichen Grundlagen und ihrer Einflüsse auf das einfache Recht geboten erscheinen läßt.

B. Der Unterlassungsanspruch I. Voraussetzungen und Inhalt des Anspruchs Mit dem Anspruch auf Unterlassung einer Äußerung will der Betroffene zukünftige Störungen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts abwehren, d. h. hier besteht das Ziel nicht in Kompensation, sondern in Prävention.8 Soweit nicht Spezialvorschriften9 eingreifen, wird dieser sogenannte quasi-negatorische Anspruch10 auf eine analoge Anwendung der §§ 12 S. 2, 862 Abs. 1 S. 2, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V. m. der jeweiligen Schutznorm gestützt.11 Als Schutznormen kommen vor 6 Vgl. zum Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts auf verfassungsrechtlicher Ebene BVerfGE 30, 173 (194); BVerfG NJW 2001, 594 (594); siehe im Zivilrecht BGHZ 107, 384 (391); BGHZ 143, 214 (223 f.); OLG München ZUM 2002, 744 (745 ff.); Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 147. Zum Persönlichkeitsschutz durch kommerzielle Ausbeutung, v.a. im Bereich der Werbung, vgl. BGH NJW 2002, 2317 (2318 f.); OLG München ZUM 2003, 139 (140 f.); OLG München ZUM 2003, 787 (787 ff.); Beuthien / Hieke, AfP 2001, 353 ff.; Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 113 ff.; Lober / Weber, ZUM 2003, 658 ff. Allerdings werden im folgenden auch Urteile betreffend den Schutz vor kommerzieller Ausbeutung der Persönlichkeit zitiert, wenn die Inhalte auf den Persönlichkeitsschutz durch redaktionelle Berichterstattung übertragbar sind. 7 Siehe Teil 3 A II, III und D sowie Teil 6 B, C. 8 Seyfarth, NJW 1999, 1288. Das Bundesverfassungsgericht hat gegen den Anspruch keine prinzipiellen verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben, BVerfGE 99, 185 (194 ff.). 9 Z. B. §§ 12 S. 2 BGB; 97 Abs. 1 S. 1 UrhG. 10 Auch ein Schadensersatzanspruch nach §§ 823 ff. BGB kann einen Anspruch auf Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen gewähren, setzt aber Verschulden voraus, Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 303. 11 Seyfarth, NJW 1999, 1288. Teilweise wird auch nur § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB genannt, siehe z. B. BGH NJW 1994, 124 (125).

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

allem §§ 823 Abs. 1 BGB; 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 185 ff. StGB, 201 ff. StGB, 22 f. KUG; 824 BGB und 826 BGB in Betracht. Der Anspruch besteht bei jeder drohenden rechtswidrigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, d. h. sowohl gegenüber sprachlichen Persönlichkeitsverletzungen in Gestalt von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen12 als auch gegenüber nichtsprachlichen Störungen wie Abbildungen13. Allerdings entfällt der Anspruch, wenn die Beeinträchtigung durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen, § 193 StGB,14 oder sonstige Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt ist. Ein Verschulden wird nicht verlangt.15 Voraussetzung ist aber, daß der Eingriff in das geschützte Rechtsgut mit einer hinreichend großen und konkreten Wahrscheinlichkeit droht. Die künftige Rechtsverletzung kann dabei sowohl in einer erstmaligen Begehung als auch in der Wiederholung der beanstandeten Aussage oder Handlung liegen. Im ersten Fall spricht man von Erstbegehungsgefahr, im zweiten Fall von Wiederholungsgefahr.16 Für die Erstbegehungsgefahr obliegt grundsätzlich dem Kläger die Darlegungs- und Beweislast; für die Wiederholungsgefahr streitet eine Vermutung.17 Die Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich nur durch eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt werden.18 12 BGHZ 99, 133 (135); BGH NJW 1994, 2614 (2616); OLG Köln AfP 2003, 335 (337); Hager, Jura 1995, 572. 13 Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 24. 14 Nach überwiegender Ansicht handelt es sich dabei um einen Rechtfertigungsgrund, BGH NJW 1993, 525 (527); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 95 m. w. N. auch zur Gegenansicht. § 193 StGB konkretisiert auf einfachgesetzlicher Ebene den Rahmen des Art. 5 Abs. 1, 2 GG. Der Anwendungsbereich der Norm ist von der Rechtsprechung auf die gesamte Rechtsordnung ausgedehnt worden, vgl. z. B. BGH NJW 1987, 1403 (1404); BGHZ 139, 95 (105); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 496 ff., insbesondere 499; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 713; Hager, AcP Bd. 196 (1996), S. 173. Teilweise wird jedoch bei § 823 Abs. 1 BGB auf die Heranziehung des § 193 StGB verzichtet. Nach verbreiteter Ansicht bedarf es dort keines besonderen Rechtfertigungsgrundes, da es sich beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht um ein sogenanntes Rahmenrecht handelt, dessen rechtswidrige Beeinträchtigung positiv festgestellt werden muß, sich also erst aus einer Interessenabwägung der tangierten Positionen ergibt, Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 254 m. w. N.; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 15.3. Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Teils wird § 193 StGB genannt, BGH NJW 1987, 1621 (1622); BGHZ 132, 13 (23). Teils unterbleibt eine Nennung der Norm, doch zumindest wird dann regelmäßig auf Art. 5 Abs. 1, 2 GG Bezug genommen, BGH NJW 2000, 3421 (3422); OLG Karlsruhe AfP 2002, 42 (43). 15 Vgl. schon RGZ 60, 6 (7); Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 24. 16 Seyfarth, NJW 1999, 1288. 17 BGH NJW 1994, 1281 (1283); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 714. 18 BGH NJW 1994, 1281 (1283); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 715; vgl. dazu ausführlich Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 576 ff.

B. Der Unterlassungsanspruch

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Erweist sich die erste Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts als nicht rechtswidrig, geht es aber nicht um die Wiederholungs-, sondern um die Erstbegehungsgefahr.19 Inhaltlich ist der Anspruch auf die Unterlassung der Störung gerichtet. Der Umfang richtet sich nach dem Ausmaß der Rechtswidrigkeit.20 Der Anspruch kann daher von der Untersagung einer Äußerung bzw. ihrer Verbreitung bis hin zum Verbot der Auslieferung von Presseprodukten reichen.21 Allerdings wird die Reichweite des Anspruchs durch das Übermaßverbot begrenzt, so daß im Einzelfall z. B. eine Aufbrauchfrist zuzubilligen ist.22 Als Anspruchsberechtigter kommt allein der von der Rechtsverletzung unmittelbar bedrohte Rechtsträger in Betracht, vorausgesetzt, er ist zumindest für einen Teil des Adressatenkreises identifizierbar.23 Anspruchsverpflichtet ist der sogenannte Störer, also derjenige, der die Persönlichkeitsverletzung herbeizuführen droht. Das kann insbesondere bei Pressepublikationen eine Vielzahl von Personen sein, z. B. der Verfasser der Veröffentlichung, der verantwortliche Redakteur im Sinne der Landespressegesetze,24 der Herausgeber oder der Verleger.25 Die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsbegehrens ist nicht nur im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens möglich. Auch vorläufiger Rechtsschutz in Gestalt einer einstweiligen Verfügung, §§ 935 ff. ZPO, kann gewährt werden.26 Die Vollstreckung richtet sich nach § 890 ZPO.27 Die Darlegungs- und Beweislast für die (drohende) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts obliegt vor Gericht prinzipiell dem Kläger.28 Das gilt grundsätzlich auch bei ehrenrührigen Äußerungen. Zwar trifft hier die Beweislast zuerst den Beklagten, vgl. §§ 823 BGH NJW 1987, 2225 (2227); Hager, Jura 1995, 572. BGH 1980, 2801 (2804); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 263. 21 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 263; vgl. z. B. BGH NJW 1976, 799 (800). 22 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 717; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 12.99 ff.; siehe z. B. OLG München AfP 1974, 631 (632). 23 BGH NJW 1992, 1312 (1313); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 719. 24 § 9 LPrG [BW]; Art. 5 BayPrG; § 8 BerlPrG; § 10 BbgPG; § 9 BremPrG; § 9 HmbPrG; § 7 HPresseG; § 8 LPrG M-V; § 9 NdsPrG; § 9 LPrG NRW; § 9 RhPfPrG; § 9 SMG; § 7 SächsPresseG; § 8 SachsAnhPrG; § 9 SHPrG; § 9 TPG. 25 BGHZ 99, 133 (136); BGH NJW 2004, 762 (765); Hager, Jura 1995, 570; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 720. 26 Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 359 ff. 27 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 282. 28 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 721. Die folgenden Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast gelten prinzipiell auch für die anschließend erörterten äußerungsrechtlichen Ansprüche. 19 20

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

Abs. 2 BGB i.V.m. 186 StGB. Kann sich dieser jedoch auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen, § 193 StGB, berufen, so wird die Beweislast auf den Angegriffenen verlagert.29

II. Kritik Der Unterlassungsanspruch ist insofern positiv einzustufen, als der Betroffene die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht abwarten muß, sondern bereits im Vorfeld dagegen vorgehen kann. Insbesondere ermöglicht es ihm das Verfahren der einstweiligen Verfügung, raschen gerichtlichen Schutz zu erlangen.30 Zudem greift der Unterlassungsanspruch nicht nur bei Tatsachenbehauptungen, sondern auch bei Werturteilen ein, d. h. sein Anwendungsbereich reicht weiter als bei den sogleich zu erörternden Ansprüchen auf Widerruf und Gegendarstellung,31 die allein auf Tatsachenbehauptungen beschränkt sind.32 Trotz dieser unbestreitbaren Vorzüge erweist sich der Unterlassungsanspruch jedoch in seiner praktischen Anwendung nur als bedingt für den Persönlichkeitsschutz tauglich.33 So erfaßt die Bindungswirkung des Unterlassungstenors zwar nicht nur die konkrete Verletzungsform, sondern auch die Handlungen und Behauptungen, die mit den im Tenor beschriebenen Verhaltensweisen und Aussagen im Kern übereinstimmen.34 Dennoch besteht eine erhebliche Umgehungsgefahr. Denn während der Betroffene die beanstandete Handlung oder Äußerung so genau wie möglich benennen muß, um dem Vorwurf der Unbestimmtheit des Antrags zu entgehen, kann das Presseorgan auf der Grundlage des Tenors versuchen, die betreffende Information derart zu präsentieren, daß sie nicht mehr von der Verbotswirkung umfaßt ist.35 Ein weiteres Problem besteht darin, daß der Betroffene, wenn er eine erstmalige Veröffentlichung verhindern will, Kenntnis von der bevorstehenden Rechtsverletzung erlangen muß. Das wird in der Praxis aber nur selten der Fall sein, namentlich bei redaktionellen Indiskretionen.36 Die meisten Unter29 BGH NJW 1985, 1621 (1622); BGHZ 132, 13 (23 f.); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 265. Zu weiteren Besonderheiten im Bereich des Ehrenschutzes siehe BVerfGE 99, 185 (199 f.); BGHZ 132, 13 (23); Seyfarth, NJW 1999, 1291 f.; Teil 6 C 2 c) aa) (a) und bb). 30 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 292. 31 Siehe Teil 2 D II, III und E. 32 Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 52. 33 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 292. 34 OLG München AfP 2003, 76 (76); Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 289; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 263; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 44 Rn. 6. Sog. „Kerntheorie“, die ursprünglich für den gewerblichen Rechtsschutz entwickelt wurde, Gounalakis, AfP 1998, 23; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 12.158. 35 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 293. 36 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 30.12.

C. Der Anspruch auf Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtung

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lassungsansprüche betreffen daher auch Berichte und Abbildungen, deren erneute Veröffentlichung verhindert werden soll. An einer wiederholten Publikation besteht jedoch seitens der Verlage meist nur ein geringes Interesse, so daß der Unterlassungsanspruch auch insoweit häufig ins Leere läuft.37 Insgesamt ist die faktische Wirksamkeit des Unterlassungsanspruchs daher als nicht allzu hoch einzuschätzen.

C. Der Anspruch auf Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtung I. Anspruchsvoraussetzungen und -folgen Wenn zugunsten des Betroffenen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben oder ein Unterlassungsurteil verkündet wurde, kann er zum Zwecke der Beseitigung der Störung, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog i.V. m. der jeweiligen Schutznorm, und der Wiedergutmachung des Schadens, §§ 823 ff. BGB, deren Veröffentlichung verlangen.38 Obwohl der Anspruch damit zwingend eine Unterlassungserklärung oder ein Unterlassungsurteil voraussetzt, bildet er nicht die automatische Folge. Er besitzt vielmehr eigene Voraussetzungen, die gesondert zu prüfen sind.39 So erstreckt sich die Anwendbarkeit des Anspruchs sowohl auf Tatsachenbehauptungen als auch auf Werturteile.40 Allerdings greift er nur ein, wenn die Gefahr einer wiederholten Beeinträchtigung, also nicht bloß eine Erstbegehungsgefahr besteht. Denn nur dann liegt bereits eine Störung vor, deren Folgen durch die Veröffentlichung beseitigt bzw. wiedergutgemacht werden können.41 Ferner darf die Veröffentlichung nicht ausschließlich zur Genugtuung des Betroffenen verlangt werden. Sie muß vielmehr zur Beseitigung der noch andauernden Störung und zur Wiedergutmachung erforderlich sein und darf den Anspruchs37 Prinz, NJW 1995, 821; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 294. 38 BGHZ 99, 133 (136 f., 140); OLG Köln AfP 1985, 223 (225); LG Bückeburg NJW-RR 1999, 319 (320); Wasserburg, Der Schutz der Persönlichkeit im Recht der Medien, 1988, S. 288; Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 440. Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 299 leitet den Anspruch aus einer Analogie zu §§ 23 Abs. 2 UWG, 200 StGB ab. Teilweise wird auch bei Widerrufs- und Schadensersatzurteilen ein Anspruch auf Veröffentlichung bejaht, BGH NJW 1984, 1102 (1104); OLG Köln AfP 1980, 227 (231 f.); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 351. 39 BGHZ 99, 133 (140); Flechsig / Hertel / Vahrenhold, NJW 1994, 2443. 40 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 269. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob der Anspruch auch bei Tatsachenbehauptungen eingreift, ausdrücklich offen gelassen, BGHZ 99, 133 (139). Ablehnend Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 603. 41 Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 44 f.

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

gegner nicht unzumutbar belasten. Diese strengen Anforderungen werden regelmäßig nur erfüllt sein, wenn die beanstandete Äußerung in einem Presseorgan publiziert wurde.42

II. Bewertung Die maßgebliche Bedeutung des Unterlassungs-Veröffentlichungsanspruchs liegt nach Prinz / Peters darin, daß der Betroffene „in demselben Publikationsorgan, in dem die Verletzung erfolgte, der Öffentlichkeit mitteilen kann, daß sich der Verletzte mit Erfolg vor Gericht gegen die Äußerung des Verletzers zur Wehr gesetzt hat. Mit anderen Worten: daß man sich nicht ohne rechtliche Konsequenzen so über ihn äußern darf“.43 Da der Anspruch im Gegensatz zum Widerrufsanspruch44 auch Meinungsäußerungen erfaßt, schließt er eine bislang „offene Flanke“ des Persönlichkeitsschutzes.45 Allerdings darf der Anspruch nicht zu einer Demütigung bzw. „öffentlichen Unterwerfung“ des Verletzers führen. Daher handhaben die Gerichte ihn sehr restriktiv.46 Auch erscheint er zum Persönlichkeitsschutz nicht besonders tauglich, da seine Durchsetzung, also die Veröffentlichung der Unterlassungserklärung oder des Tenors, den Betroffenen erneut in das Zentrum des öffentlichen Interesses rückt, obwohl er sich gerade dagegen mit seinem Unterlassungsbegehren gewehrt hat. Die Bedeutung des Unterlassungs-Veröffentlichungsanspruchs für den Persönlichkeitsschutz ist daher insgesamt als gering zu veranschlagen.47

D. Der Beseitigungsanspruch I. Der Beseitigungsanspruch im allgemeinen Der Beseitigungsanspruch ist auf die Beseitigung einer gegenwärtigen, noch andauernden Beeinträchtigung der Schutz- und Interessensphäre des Betroffenen gerichtet und daher zukunftsgewandt. Der Unterschied zum Unterlassungsanspruch besteht darin, daß hier eine gegenwärtige Beeinträchtigung in Rede steht, während es beim Unterlassungsanspruch um künftige, gegebenenfalls erneute 42 BGHZ 99, 133 (139 f.); OLG Köln AfP 1985, 223 (225 f.); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 440. 43 Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 440. 44 Siehe Teil 2 D II. 45 Reichold, NJW 1987, 1402. 46 BGHZ 99, 133 (140); Reichold, NJW 1987, 1402; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 301. 47 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 301 f.

D. Der Beseitigungsanspruch

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Störungen geht.48 Als Anspruchsgrundlage dient heute, sieht man von Spezialvorschriften49 ab, meist eine Analogie zu den §§ 12 S. 1, 862 Abs. 1 S. 1, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i.V. m. der jeweiligen Schutznorm.50 Zwar ist es auch möglich, die Beseitigung einer Beeinträchtigung auf schadensersatzrechtlicher Grundlage nach den §§ 823 ff. BGB zu verlangen. Doch muß dann anders als beim quasinegatorischen Beseitigungsanspruch der Verletzer schuldhaft gehandelt haben.51 Bei Persönlichkeitsverletzungen ist im Rahmen des Beseitigungsanspruchs zu differenzieren zwischen Beeinträchtigungen durch Äußerungen und sonstigen Störungen. Für erstere hat die Rechtsprechung den Widerrufsanspruch als eine besondere Form des Beseitigungsanspruchs entwickelt, der im folgenden Abschnitt erörtert wird.52 Hier geht es zunächst allein um den „allgemeinen“ Beseitigungsanspruch. Er setzt lediglich das Fortdauern einer rechtswidrigen Persönlichkeitsbeeinträchtigung voraus53 und richtet sich inhaltlich auf die Vernichtung der aufgrund der Persönlichkeitsverletzung erlangten Unterlagen, gespeicherten Daten etc.54 Die Herausgabe kann hingegen nicht gefordert werden, da das Eigentum nicht dem Anspruchsinhaber zusteht.55 Muß der Anspruchsgegner die Störung beseitigen, darf der Betroffene auch selbst handeln und die Aufwendungen dem Verletzer in Rechnung stellen.56

Seyfarth, NJW 1999, 1293. Z. B. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG oder § 37 Abs. 1 S. 2 KUG. Der Vernichtungsanspruch nach § 37 KUG stellt nach zutreffender Ansicht keinen Hilfsanspruch zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs dar, sondern dient der Beseitigung der Persönlichkeitsverletzung, Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 270 m. N. zur Gegenansicht. Statt der Vernichtung kann der Verletzte auch die Übernahme gegen eine angemessene, höchstens dem Betrag der Herstellungskosten gleichkommende Vergütung verlangen, § 38 KUG. 50 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 183. Teilweise wird auch nur § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB genannt, siehe z. B. BGHZ 37, 187 (189). 51 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 270; Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 617, 621. 52 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 741. 53 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 741. 54 BGHZ 27, 284 (290 f.); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 270. 55 Larenz / Canaris, Schuldrecht BT II / 2, 13. Aufl. 1994, § 80 II 4g. 56 BGHZ 66, 182 (191); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 270. 48 49

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

II. Insbesondere: Der Widerrufsanspruch Der Widerrufsanspruch kann als „Schadensbeseitigungsanspruch“ oder als „Folgenbeseitigungsanspruch“ in Erscheinung treten.57 Er beinhaltet keine eigene Erklärung des Betroffenen, sondern die des Anspruchsgegners, also des Presseorgans, daß die veröffentlichte Behauptung unwahr ist.58 Der Widerrufsanspruch wird nur gegen persönlichkeitsverletzende Tatsachenbehauptungen gewährt,59 wobei die Unwahrheit der Aussage grundsätzlich feststehen muß.60 Meinungsäußerungen sind hingegen nicht widerrufsfähig. Art. 5 Abs. 1 GG verbietet es, mit staatlichen Mitteln die Aufgabe eines Werturteils zu fordern und durchzusetzen.61 Allerdings greift der Widerrufsanspruch nur dann durch, wenn die Beeinträchtigung sich als rechtswidrig erweist. Davon ist aber auch auszugehen, wenn der Anspruchsgegner zum Zeitpunkt der Äußerung in Wahrnehmung berechtigter Interessen, also rechtmäßig gehandelt hat und sich die Unwahrheit erst später herausstellt. Der Rechtsprechung zufolge wird die Äußerung dann nachträglich rechtswidrig.62 Ferner ist Voraussetzung des Widerrufsanspruchs, daß die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts noch fortbesteht. Für Medienveröffentlichungen wird das Andauern der Störung aber im allgemeinen unterstellt.63 Eine Wiederholungsgefahr ist hingegen nicht notwendig. Verlangt wird jedoch, daß der Widerruf sich als erforderlich erweist, d. h. er darf in Inhalt und Form nicht über das hinausgehen, was zur Beseitigung der bestehenden Beeinträchtigung unerläßlich ist. Insbesondere darf er dem Verletzten keine Genugtuung verschaffen und nicht zu einer Demütigung des Störers führen.64 57 Siehe schon Teil 2 D I; Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 608; vgl. zur prinzipiellen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Widerrufsanspruchs BVerfGE 97, 125 (148 ff.). 58 Prinz, NJW 1995, 820. 59 BVerfGE 97, 125 (149); BGHZ 128, 1 (6); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 273 m. w. N.; a.A. Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 744. 60 BGHZ 37, 187 (189); BGHZ 69, 181 (182 f.); OLG Karlsruhe AfP 2003, 338 (342); Seyfarth, NJW 1999, 1293. Eine Lockerung dieser Voraussetzung findet sich in BGH NJW 1984, 1102 (1103). 61 BGH NJW 1982, 2246 (2246); Seyfarth, NJW 1999, 1293; Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 70. 62 BGH NJW 1958, 1043 (1043). Vom Bundesverfassungsgericht wurde diese Rechtsprechung nicht beanstandet, vgl. BVerfGE 97, 125 (149); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 745; kritisch Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 31.4. 63 BGH NJW 1968, 644 (645); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 637. 64 BGH NJW 1958, 1043 (1044); BGH NJW 1977, 1681 (1682); BGHZ 68, 331 (337); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 746 f.; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 31.8.

D. Der Beseitigungsanspruch

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Inhaltlich muß sich der Widerruf möglichst exakt auf die fortwirkende Äußerung beziehen. Er darf den Effekt der verletzenden Aussage keinesfalls verstärken.65 Die Ausgestaltung des Widerrufs richtet sich im übrigen danach, inwieweit bzw. wann es möglich ist, die Unwahrheit zu beweisen:66 Ein sogenannter uneingeschränkter Widerruf kann nur verlangt werden, wenn die Unwahrheit der Äußerung nachgewiesen oder unstreitig ist.67 Wenn eine Aussage sich dagegen bloß teilweise als unwahr herausstellt, ist lediglich eine sogenannte Richtigstellung möglich.68 Erweist sich eine in Wahrnehmung berechtigter Interessen aufgestellte Tatsachenbehauptung erst im Nachhinein als unwahr oder können ernsthafte Anhaltspunkte für die Wahrheit nicht festgestellt werden, kommt nur ein eingeschränkter Widerruf des Inhalts in Frage, daß (nach Klärung des Sachverhalts bzw. mangels Beweisen) die Behauptung nicht aufrechterhalten werden kann.69 Vermittelt die Aussage hingegen einen unzutreffenden Eindruck, etwa weil sie unvollständig oder mißverständlich ist, kann eine Klarstellung oder Ergänzung verlangt werden.70 Besteht die Mitwirkung des Presseorgans schließlich lediglich in der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen, kommt nur ein Abrücken in Betracht.71 Von derartigen Berichtigungsansprüchen ist wiederum der sogenannte Anspruch auf Folgeberichterstattung zu unterscheiden. Ihn erkennt die Rechtsprechung bloß ausnahmsweise an:72 Nur wenn über ein Strafverfahren berichtet wurde, dieses aber schließlich mit einem rechtskräftigen Freispruch endet, erachten die Gerichte einen Folgebericht als geboten.73 Allerdings kann der Betroffene keine Erklärung des Publikationsorgans verlangen, sondern lediglich die Veröffentlichung einer von ihm selbst verfaßten Mitteilung.74 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 751. Die Terminologie orientiert sich hier an Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 752 ff. Zu abweichenden Kategorisierungen vgl. Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 609 ff. 67 BGHZ 69, 181 (182); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 31.12; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 752. 68 BGH NJW 1984, 1102 (1103 f.); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 662. 69 BGH NJW 1960, 672 (672); BGHZ 69, 181 (182 f.); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 31.14; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 754. 70 BGHZ 31, 308 (318); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 661; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 755. 71 BGHZ 66, 182 (189); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 755. 72 Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2478. 73 BVerfG NJW 1997, 2589 (2589); BGHZ 57, 325 (326 ff.); Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2478. 74 BGHZ 57, 325 (334); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 294. 65 66

4 Schwetzler

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Für die Art und Weise der Widerrufserklärung, insbesondere für ihre Positionierung und Aufmachung, gilt wie im Gegendarstellungsrecht75 der Grundsatz der Waffengleichheit. Daher müssen Widerrufe an gleicher Stelle und mit dem gleichen Aufmerksamkeitswert veröffentlicht werden wie die Erstmitteilung, unter Umständen sogar auf der Titelseite der Zeitung oder Zeitschrift.76 Hinsichtlich des Kreises der Anspruchsberechtigten und -verpflichteten kann auf die Ausführungen zum Unterlassungsanspruch verwiesen werden.77 Die gerichtliche Geltendmachung des Widerrufsanspruchs ist nach überwiegender Ansicht nur im Wege der Hauptsacheklage möglich. Vorläufiger Rechtsschutz in Gestalt einer einstweiligen Verfügung, §§ 935 ff. ZPO, wird prinzipiell nicht gewährt. Denn bei Widerrufsansprüchen muß die Unwahrheit der Behauptung feststehen. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung kann der Beweis jedoch nicht mit Sicherheit geführt werden. Zudem würde damit die Hauptsache vorweggenommen.78 Die Beweislast liegt stets beim Betroffenen, d. h. die Beweislastumkehr nach §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 186 StGB greift beim Widerrufsanspruch nicht ein.79 Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach § 888 Abs. 1 ZPO.80

III. Kritik Der Widerruf stellt eine eigene Erklärung des Verletzers dar, durch die die Erstmitteilung inhaltlich aufgehoben wird. Er erweist sich daher im Vergleich mit der Gegendarstellung als effektiver, da letztere lediglich eine Erklärung des Betroffenen selbst ist, mit der er den Behauptungen eines Presseorgans entgegentritt.81 Aber auch wenn sich der Widerrufsanspruch insoweit positiv vom Gegendarstellungsanspruch abhebt, weist er zahlreiche Nachteile auf, die seine Effektivität einschränken. So können nur unwahre Tatsachenbehauptungen widerrufen werden. Gegen Meinungsäußerungen sowie wahre, aber unzulässige Fotoveröffentlichungen oder Informationen aus der Intimsphäre bietet der Anspruch keinen Schutz.82 Daneben wirkt sich auch die Voraussetzung der Erforderlichkeit, insbesondere Siehe dazu sogleich Teil 2 E I. BGHZ 128, 1 (8 ff.); Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2478. 77 Siehe Teil 2 B I; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 758. 78 OLG Köln AfP 1981, 358 (358); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 666; Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 707 m. N. zur Gegenansicht. 79 BGHZ 69, 181 (182 f.); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 677, 679. 80 BGHZ 37, 187 (190); offen gelassen in BGHZ 68, 331 (336); vgl. auch Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 91 ff. m. N. zur Gegenansicht, die § 894 ZPO heranzieht. 81 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 297 f. 82 Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 97; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 298. 75 76

E. Der Gegendarstellungsanspruch

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das Verbot der Demütigung des Verletzers, negativ für den Betroffenen aus. Denn die Rechtsprechung erlaubt dem Störer aus diesem Grund, im Widerruf zu erklären, daß er ihn in Erfüllung eines Urteils abgibt.83 Damit kann der Verpflichtete aber mittelbar zum Ausdruck bringen, daß er an der Richtigkeit der ursprünglichen Behauptung festhält, was den restitutiven Effekt des Widerrufs erheblich mindert.84 Ferner erweist es sich als unmöglich, durch den Widerruf den Zustand wiederherzustellen, wie er vor der Persönlichkeitsverletzung bestanden hat: Es können weder alle erreicht werden, die von der ursprünglichen Tatsachenbehauptung Kenntnis erlangt haben, noch vermag der negative Eindruck, der durch die Äußerung entstanden ist, wieder vollständig ausgeräumt zu werden. Im Gegenteil, lenkt der Widerruf unter Umständen erst die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die zugrundeliegenden Aussagen.85 Hinzu kommt schließlich, daß auch die prozessuale Ausgestaltung die Wirksamkeit des Anspruchs mindert. So liegt die Beweislast für die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung beim Betroffenen.86 Zudem wird kein einstweiliger Rechtsschutz gewährt. Bis zu einem Urteil im Hauptsacheverfahren in zweiter oder dritter Instanz können aber zwei bis drei Jahre vergehen. Die Beeinträchtigung dauert für diese Zeit fort und ein schließlich eventuell erreichter Widerruf wird nach diesem Zeitraum nahezu wirkungslos „verpuffen“.87 Insgesamt erweist sich damit auch der Beseitigungsanspruch, insbesondere in seiner Ausprägung als Widerrufsanspruch, nur als bedingt tauglich für den Persönlichkeitsschutz.

E. Der Gegendarstellungsanspruch I. Voraussetzungen und Inhalt des Anspruchs Die gesetzliche Gewährleistung des Gegendarstellungsanspruchs entspringt einer aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, fließenden Verpflichtung des Staates, die Waffengleichheit des von einer Berichterstattung in den Medien Betroffenen im Meinungskampf zu garantieren.88 Er muß die rechtlich gesicherte Möglichkeit haben, Publikationen mit seiner eigenen Darstellung entgegenzutreten. Andernfalls würde er „zum bloßen Objekt 83 BVerfGE 28, 1 (9 f.); BGHZ 68, 331 (338); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 753. 84 Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 69. 85 Fechner, Medienrecht, 4. Aufl. 2003, Rn. 281. 86 Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 97. 87 Hoppe, Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, 2001, S. 42; Prinz, NJW 1995, 820. 88 Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2476; BVerfGE 63, 131 (142 f.); BVerfGE 73, 118 (201).

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öffentlicher Erörterung herabgewürdigt“.89 Der Gegendarstellungsanspruch basiert damit auf dem Gedanken des „audiatur et altera pars“.90 Er wird als zivilrechtlicher Anspruch eingeordnet,91 auch wenn man ihn als ein „spezifisches Rechtsinstitut des Presserechts“92 bezeichnet. Für die Presse ist der Anspruch in den Landespressegesetzen93 normiert. Die dort verankerten Gegendarstellungsvorschriften entsprechen sich im wesentlichen. Inhaltlich verpflichtet der Anspruch den Adressaten, eine Gegendarstellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung94 betroffen ist. Die Gegendarstellung muß grundsätzlich die (Original-)Unterschrift des Betroffenen aufweisen, kurz sein, darf also keinen unangemessenen Umfang haben; sie muß sich auf Tatsachen beschränken und ist dem Verlag unverzüglich nach Kenntnisnahme95 von der beanstandungswürdigen Publikation mit einem Abdruckverlangen zuzuleiten.96 Auf die Wahrheit oder Unwahrheit der Erstmitteilung und Entgegnung kommt es dagegen grundsätzlich nicht an.97 Allerdings hat der Betroffene kein „Recht zur Lüge“. Sein Begehren ist daher abzulehnen, wenn die Entgegnung evident unwahre Aussagen enthält.98 Die gerichtliche Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs erfolgt in den meisten Bundesländern im Rahmen eines landesgesetzlich geregelten Verfahrens, das die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über einstweilige Verfügungen, §§ 935 ff. ZPO, für entsprechend anwendbar erklärt.99 Hat ein Presseorgan eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, verlangt der sogenannte Grundsatz der Waffengleichheit, daß die Gegendarstellung so positioniert BVerfGE 63, 131 (142 f.). Barton, AfP 1995, 457. 91 Petersen, Medienrecht, 2003, Rn. 177. 92 BGH NJW 1965, 1230 (1230). 93 Vgl. § 11 LPrG [BW]; Art. 10 BayPrG; § 10 BerlPrG; § 12 BbgPG; § 11 BremPrG; § 11 HmbPrG; § 10 HPresseG; § 10 LPrG M-V; § 11 NdsPrG; § 11 LPrG NRW; § 11 RhPfPrG; § 10 SMG; § 10 SächsPresseG; § 10 SachsAnhPrG; § 11 SHPrG; § 11 TPG. 94 Die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen ist im gesamten Äußerungsrecht, also auch bei Gegendarstellungsansprüchen, nach den gleichen Kriterien vorzunehmen, Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 486. 95 Dazu Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 129 f. 96 Prinz, NJW 1995, 817. 97 Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 243 f. 98 BVerfG NJW 2002, 356 (357); OLG München NJW-RR 1999, 386 (387); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 29.20a. 99 Vgl. die Übersicht bei Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 567 f. Die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Nur die Landespressegesetze von Bayern, Hessen und Sachsen lassen neben dem Verfahren der einstweiligen Verfügung auch ein Hauptsacheverfahren zu. Doch spielt letzteres in der Praxis keine Rolle, Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 571 ff.; Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 585. 89 90

E. Der Gegendarstellungsanspruch

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wird, daß sie alle Leser der Erstmitteilung erreichen kann.100 Wenn sich die Gegendarstellung daher gegen eine Mitteilung auf der Titelseite einer Zeitung oder Zeitschrift wendet, muß sie ebenfalls dort publiziert werden.101 Allerdings ist es dem betroffenen Presseorgan erlaubt, den Abdruck mit redaktionellen Anmerkungen (sogenannte Glossierung oder Redaktionsschwanz) zu versehen, solange sie die Gegendarstellung nicht „entwerten“.102

II. Bewertung Positiv am Gegendarstellungsanspruch ist, daß seine Geltendmachung nicht den Nachweis der Unwahrheit der Erstmitteilung erfordert. Zudem ermöglicht das zur Verfügung stehende gerichtliche Verfahren entsprechend den §§ 935 ff. ZPO eine rasche Durchsetzung.103 Der Betroffene hat damit die Möglichkeit, eine publizierte Behauptung zu bestreiten oder richtig zu stellen, während diese noch diskutiert wird und sich die Öffentlichkeit dazu noch keine abschließende Meinung gebildet hat.104 Doch trotz dieser Vorzüge gleicht der Gegendarstellungsanspruch „eher der Steinschleuder Davids gegen den Mediengoliath als einer tauglichen Waffe der Chancengleichheit“. 105 So ist eine Gegendarstellung nur bei Tatsachenbehauptungen möglich, d. h. gegen Meinungsäußerungen bietet sie keinen Schutz.106 Ferner haben die Vielfalt landesrechtlicher Regelungen und die Herausbildung einer „prozessualen Subkultur“107 in den einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken aufgrund fehlender revisionsgerichtlicher Kontrolle108 zur Entwicklung einer Vielzahl 100 Prinz, NJW 1995, 819. Vgl. auch § 11 Abs. 3 S. 1 LPrG [BW]; Art. 10 Abs. 2 S. 1 BayPrG; § 10 Abs. 3 S. 1 BerlPrG; § 12 Abs. 3 S. 1 BbgPG; § 11 Abs. 3 S. 1 BremPrG; § 11 Abs. 3 S. 1 HmbPrG; § 10 Abs. 3 S. 1 HPresseG; § 10 Abs. 3 S. 1 LPrG M-V; § 11 Abs. 3 S. 1 NdsPrG; § 11 Abs. 3 S. 1 LPrG NRW; § 11 Abs. 3 S. 1 RhPfPrG; § 10 Abs. 2 S. 1 SMG; § 10 Abs. 4 S. 1 SächsPresseG; § 10 Abs. 3 S. 1 SachsAnhPrG; § 11 Abs. 3 S. 1 SHPrG; § 11 Abs. 3 S. 1 TPG. Diese Normen schreiben vor, daß die Gegendarstellung im gleichen bzw. demselben Teil des Druckwerks mit der gleichen bzw. derselben Schrift veröffentlicht werden muß wie die Erstmitteilung. 101 BVerfG NJW 1998, 1381 (1382 f.); Prinz, NJW 1995, 819. 102 Siehe dazu ausführlich Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 435 ff. Der Sonderweg, den der saarländische Gesetzgeber im Bereich des Gegendarstellungsrechts beschritten hatte, wurde im Jahr 2000 durch die Novellierung des damals noch geltenden Landespressegesetzes beendet, Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2478. Im Jahr 2002 hat das Saarländische Mediengesetz das Saarländische Pressegesetz abgelöst. 103 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 295. 104 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 295. 105 Stürner, AfP 1998, 6. 106 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 296. 107 Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 95. 108 Vgl. § 545 Abs. 2 ZPO a.F. (= § 542 Abs. 2 ZPO n.F.) und BGH NJW 1965, 1230 (1230); Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 156.

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

diffiziler materieller und formeller Voraussetzungen geführt, die ohne einen Anwalt kaum zu erfüllen sind.109 Nachteilig wirkt sich für den Betroffenen auch das sogenannte „Alles-oder-Nichts-Prinzip“110 bzw. der Grundsatz „Ganz oder gar nicht“111 aus: Streitgegenstand des Gegendarstellungsverfahrens ist danach nur die konkrete Fassung der Gegendarstellung. Daher bleibt dem Betroffenen bei Bedenken des Gerichts in der Regel nur die Möglichkeit, die Gegendarstellung umzuformulieren und das Verfahren von neuem zu beginnen.112 Da das gesamte Procedere damit sehr zeitaufwendig ist und der Betroffene für die ersten „Anläufe“ zu seiner Gegendarstellung finanziell selbst aufkommen muß, besteht die Gefahr, daß das Gegendarstellungsrecht zu einem „Sonderrecht für wohlhabende Parteien“ wird.113 Auch wenn der Betroffene schließlich seinen Anspruch durchsetzt, bleibt dessen Effektivität begrenzt. Denn häufig ist die Gegendarstellung schwer verständlich. Leicht zu verstehen ist allein der Redaktionsschwanz, der üblicherweise besagt, daß das Presseorgan die Gegendarstellung nach dem Gesetz ohne Rücksicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit abdrucken muß.114 Zudem reaktualisiert die Gegendarstellung den beanstandeten Sachverhalt und verstärkt so unter Umständen noch das öffentliche Interesse an der Erstmitteilung. 115 Insgesamt erweist sich das Schutzpotential der Gegendarstellung damit als gering. Ein präventiver Effekt116 ist kaum feststellbar. Auch kommt ihr prinzipiell keine störungsbeseitigende oder schadenswiederherstellende Wirkung zu.117 Sie vermag lediglich einen gewissen neutralisierenden Effekt auf den in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck auszuüben.118

Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 297. OLG Karlsruhe AfP 2003, 314 (315); Prinz, NJW 1995, 817. 111 OLG München AfP 2003, 70 (71); OLG Karlsruhe AfP 2003, 314 (314). 112 Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2477. Zwar versuchen einzelne Gerichte dem Bedürfnis der Anspruchsinhaber nach verstärkter Flexibilität entgegenzukommen, doch weist die Rechtsprechung mangelnde Einheitlichkeit sowie erhebliche regionale Unterschiede auf, Soehring / Seelmann-Eggebert, a. a. O., 2477 m. N. zur Rechtsprechung. 113 Prinz, NJW 1995, 818; Wenzel, 58. DJT, Bd. 2, 1990, S. K 25. 114 Wenzel, 58. DJT, Bd. 2, 1990, S. K 25; Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 436. 115 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 296. 116 Dazu Di Fabio, AfP 1999, 129. 117 Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 136. 118 Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 137 f. 109 110

F. Der Ersatz materieller Schäden

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F. Der Ersatz materieller Schäden I. Anspruchsvoraussetzungen und -folgen Außer den bereits erörterten Ansprüchen steht dem in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen auch ein Anspruch auf Ersatz seiner materiellen Schäden zu. Als Anspruchsgrundlagen kommen insbesondere §§ 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V. m. einer Schutznorm, 824 BGB und 826 BGB in Betracht. Die Bejahung des Anspruchs erfordert neben der rechtswidrigen Verletzung der genannten Normen zusätzlich die Verantwortlichkeit des Anspruchsgegners, vgl. § 276 BGB, sowie einen zurechenbaren Schaden. Für das Verschulden reicht bereits die fahrlässige Nichtbeachtung der in den Landespressegesetzen normierten Sorgfaltspflichten,119 da die presserechtlichen Sorgfaltspflichten – soweit ihre Normierung durch die Landespressegesetze reicht – mit den zivilrechtlichen Sorgfaltsanforderungen nach § 276 Abs. 2 BGB deckungsgleich sind.120 Art und Umfang des Ersatzanspruchs richten sich nach den §§ 249 ff. BGB.121 In Anlehnung an den Schutz von Immaterialgüterrechten hat die Rechtsprechung anerkannt, daß der Verletzte seinen Schaden auf dreierlei Weise begründen kann: Er kann 1. den konkreten Schaden liquidieren; 2. eine angemessene Lizenzgebühr verlangen;122 oder 3. die Herausgabe des Verletzergewinns123 fordern.124 Die Frage, welche Persönlichkeitsrechte dieser Art der Schadensberechnung, insbesondere der Lizenzanalogie, zugänglich sind, ist derzeit jedoch noch nicht geklärt.125 Zugelassen wurde die Lizenzanalogie bisher nur für sogenannte besondere Persönlichkeitsrechte,126 nämlich für das Recht am eigenen Bild, §§ 22, 23 KUG,127 und das Namensrecht, vgl. §§ 12 BGB bzw. 823 Abs. 1 BGB128; dies mit 119 Ricker, NJW 1990, 2098; § 6 LPrG [BW]; Art. 3 Abs. 2 BayPrG; § 3 Abs. 2 BerlPrG; § 6 BbgPG; § 6 BremPrG; § 6 HmbPrG; § 5 LPrG M-V; § 6 NdsPrG; § 6 LPrG NRW; § 6 RhPfPrG; § 6 Abs. 2 SMG; § 5 SächsPresseG; § 5 SachsAnhPrG; § 6 SHPrG; § 5 TPG. Hessen hat auf eine Normierung verzichtet, Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 2. 120 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 12, 15. 121 Vgl. Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 732 ff. 122 Sogenannte entgangene Lizenzgebühr, BGHZ 20, 345 (353). 123 BGHZ 143, 214 (232). 124 BGHZ 143, 214 (232); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 794. Sprau, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 823 Rn. 125. Die beiden letztgenannten Varianten firmieren auch unter dem Begriff der abstrakten Schadensberechnung, Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 323. 125 Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 199. 126 Zu den besonderen Persönlichkeitsrechten und ihrem Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht vgl. Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, 1991, S. 27 ff. 127 BGHZ 20, 345 (353); BGHZ 26, 349 (355). 128 BGHZ 30, 7 (16 f.); BGHZ 60, 206 (209).

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

der Begründung, daß diese Rechte vermögenswerte Ausschließlichkeitsrechte seien, da ihre Nutzung üblicherweise gegen Entgelt gestattet werde.129 Der Bundesgerichtshof hat zwar nun im Marlene-Dietrich-Urteil ausgesprochen, daß neben den besonderen Persönlichkeitsrechten auch das „allgemeine Persönlichkeitsrecht ( . . . ) dem Schutz nicht nur ideeller, sondern auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit (dient)“.130 Das Gericht bekennt sich also in dieser Entscheidung in Anlehnung an das Urheberrecht zur Trennung von ideellen und vermögenswerten Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts131 und hat durch die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Vermögensrecht die Entschädigungsfrage dem für andere Immaterialgüter geltenden Schutzsystem eingegliedert132. Welchen konkreten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das wegen seiner generalklauselartigen Weite durch eine Reihe von Fallgruppen präzisiert wird,133 ein Vermögensgehalt zukommt, ist damit aber immer noch nicht beantwortet.134 Das Marlene-Dietrich-Urteil und die seither ergangenen Entscheidungen135 betrafen die kommerzielle Ausbeutung des Rechts am eigenen Bild sowie des Namensrechts, d. h. die Ausnutzung des wirtschaftlichen Wertes besonderer Persönlichkeitsrechte vor allem zu Werbezwecken.136 Inwieweit diese Rechtsprechung auf andere Ausschnitte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und über die kommerzielle Ausbeutung hinaus auf den Bereich der publizistischen Berichterstattung ausgedehnt werden kann, wird erst die weitere Entwicklung zeigen. Das Meinungsspektrum reicht momentan von völliger Ablehnung unter Berufung auf die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts137, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht, namentlich der Privatsphärenschutz, nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet sei,138 bis hin zu einer nahezu uneingeschränkten Befürwortung139. 129 BGHZ 20, 345 (353); Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 324. 130 BGHZ 143, 214 (214); vgl. nun auch BGH NJW 2002, 2317 (2318). 131 Ullmann, WRP 2000, 1051. A. Staudinger / Schmidt, Jura 2001, 245 sprechen von einer janusköpfigen Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zustimmend zu dieser Rechtsprechung Frommeyer, JuS 2002, 16 f. Kritisch zur Trennung zwischen ideellen und nicht-ideellen Bestandteilen Beuthien, NJW 2003, 1222. 132 Wagner, GRUR 2000, 718. 133 Siehe dazu ausführlich Teil 3 A II 1. 134 Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 199. 135 BGHZ 143, 214 ff.; BGH NJW 2000, 2201 f.; BGH NJW 2002, 2317 ff.; LG Hamburg ZUM 2003, 689 ff. 136 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 532 f.; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 32.9. 137 BVerfGE 101, 361 (385). 138 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 32.9; Soehring, AfP 2000, 234; wohl auch Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 207. 139 Vgl. Ullmann, WRP 2000, 1052 f.; Wagner, GRUR 2000, 720; Frommeyer, JuS 2002, 16 f.; A. Staudinger / Schmidt, Jura 2001, 248 f.

F. Der Ersatz materieller Schäden

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Soweit ein Ausschnitt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aber einem materiellen Schadensersatzanspruch zugänglich ist, wird der Schaden regelmäßig im Wege der Lizenzanalogie berechnet. Allerdings scheidet die Anwendung dieser Berechnungsmethode aus, wenn der Betroffene nicht in die Verwertung eingewilligt hätte oder nicht wirksam hätte einwilligen können.140 Die Verpflichtung zum Ersatz materieller Schäden schließt grundsätzlich auch die Ausgaben ein, die der Betroffene tätigen muß, um die Folgen eines Schadenseintritts zu verhindern oder wenigstens zu mildern, vgl. § 254 Abs. 2 BGB.141 Dazu zählen insbesondere die Kosten für die Rechtsverfolgung und für eigene Abwehrmaßnahmen.142 Anspruchsberechtigt ist prinzipiell nur derjenige, der in seinem Persönlichkeitsrecht unmittelbar betroffen ist und einen materiellen Schaden erlitten hat.143 Als Anspruchsgegner kommen alle Personen in Betracht, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht schuldhaft verletzt und dadurch adäquat kausal einen Schaden verursacht haben, sowie diejenigen, die für das rechtswidrige Verhalten anderer nach § 31 BGB oder § 831 BGB einzustehen haben.144 Bei Pressepublikationen können dies z. B. sein der Informant, der Autor, der Drucker, der Redakteur, der nach den Landespressegesetzen „verantwortliche Redakteur“,145 der Herausgeber sowie der Verleger.146 Der materielle Schadensersatzanspruch ist wie die zuvor erörterten Ansprüche vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Die Beweislast trägt grundsätzlich der Betroffene. Die in §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 186 StGB verankerte Beweislastumkehr gilt nur bezüglich des Vorliegens des Verletzungstatbestandes, jedoch nicht für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität.147

140 BGHZ 26, 349 (353); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 32.9a; Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 207. A.A. Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 795; Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 320. A. Staudinger / Schmidt, Jura 2001, 247 gehen davon aus, daß die fehlenden Ausführungen zur Lizenzbereitschaft im MarleneDietrich-Urteil darauf hindeuten, daß es auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs künftig nicht mehr auf die Lizenzbereitschaft ankommt. 141 Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 693. 142 Wasserburg, Der Schutz der Persönlichkeit im Recht der Medien, 1988, S. 198, 200 ff.; BGHZ 66, 182 (191 ff.). 143 Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 705. 144 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 836 ff. 145 Siehe Fn. 24. 146 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 836. 147 Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2479.

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

II. Kritik Angesichts der Probleme, bei Persönlichkeitsverletzungen einen konkret eingetretenen Schaden zu beweisen, ist es zu begrüßen, daß die Rechtsprechung auch bei vermögenswerten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die abstrakte Schadensberechnung zuläßt.148 Negativ zu bewerten ist jedoch der bisher eng begrenzte Anwendungsbereich des materiellen Schadensersatzanspruchs. Denn der Anspruch wird häufig daran scheitern, daß kein vermögenswerter Ausschnitt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist bzw. der Verletzte der Veröffentlichung nicht zugestimmt hätte oder nicht wirksam hätte zustimmen können.149 Zudem trägt der Betroffene grundsätzlich die Beweislast. Regelmäßig wird ihm aber der Nachweis der Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Schaden, etwa in Form finanzieller Rückschläge oder beruflicher Nachteile, nicht gelingen.150 Der Anspruch auf Ersatz materieller Schäden greift daher bislang eher selten ein, d. h. seine Bedeutung für den Persönlichkeitsschutz ist begrenzt.

G. Der Ersatz immaterieller Schäden I. Entwicklung und Grundlagen des Anspruchs151 Der Bundesgerichtshof 152 lehnte ebenso wie das Reichsgericht 153 zunächst einen Ersatzanspruch für immaterielle Schäden wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab. Der in § 253 BGB a.F.154 zum Ausdruck kommende Wille des historischen Gesetzgebers wurde zunächst noch akzeptiert.155 In der Leserbrief-Entscheidung 156 erkannte die Rechtsprechung zwar dann im Jahr 1954 das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB an. Doch erst im sogenannten Herrenreiter-Urteil157 von 1958 geNeben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 324. Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 331. 150 Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2479; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 331. 151 Vgl. dazu Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 335 ff. 152 BGHZ 20, 345 (352 f.). 153 RGZ 69, 401 (403). 154 § 253 Abs. 1 BGB n.F. seit den Reformen durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002, BGBl. I, S. 2674. 155 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 336 f. 156 BGHZ 13, 334 (337 ff.). 157 BGHZ 26, 349 (352 ff.). 148 149

G. Der Ersatz immaterieller Schäden

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währte der Bundesgerichtshof einem bekannten Turnierreiter Schadensersatz dafür, daß sein Bild ungenehmigt in einer Werbung für ein Potenzmittel verwendet wurde. Das Gericht stützte seine Entscheidung damals auf eine Analogie zu § 847 BGB a.F.158 und begründete sie damit, daß es sich bei der Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechts des Klägers um eine „Freiheitsberaubung“ im Geistigen handele, die wie die in § 847 BGB a.F. erfaßte körperliche Freiheitsberaubung zu sanktionieren sei. Der entgegenstehende § 253 BGB a.F. wurde ignoriert. Im GinsengUrteil159, in dem der Bundesgerichtshof einem Professor für Völker- und Kirchenrecht dafür immateriellen Schadensersatz zusprach, daß er in einer Werbung der Beklagten als Gewährsmann für die potenzfördernde Wirkung der Ginseng-Wurzel genannt worden war, verzichtete das Gericht hingegen auf eine Analogie zu § 847 BGB a.F. und stützte den Anspruch auf § 823 Abs. 1 BGB. Es bekannte sich ausdrücklich zur Durchbrechung des § 253 BGB a.F. und legitimierte sein Vorgehen mit der wertsetzenden Bedeutung der Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG: „Die unter dem Einfluß der Wertentscheidung des Grundgesetzes erfolgte Ausbildung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes wäre ( . . . ) lückenhaft und unzureichend, wenn eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts keine adäquate Sanktion auslösen würde. ( . . . ) Die Ausschaltung des immateriellen Schadensersatzes im Persönlichkeitsschutz würde bedeuten, daß Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen ohne eine Sanktion der Zivilrechtsordnung blieben“.160

Inzwischen stützt die Rechtsprechung die Gewährung des nun als „Geldentschädigung“ bezeichneten Schadensersatzes auf § 823 Abs. 1 BGB i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG.161 Der Anspruch hat sich damit zu einem „aus dem Schutzauftrag der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG abgeleiteten verfassungsprivatrechtlichen Anspruch eigener Art“ entwickelt.162 Er ist mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts in der Soraya-Entscheidung163 zu einem neben dem Schmerzensgeld bestehenden richterrechtlich geprägten Rechtsinstitut mit eigenen Voraussetzungen und Bemessungskategorien geworden,164 das die jüngsten Reformen des Gesetzgebers, nämlich das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften165 sowie das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts166, kaum tangiert haben.167 158 Durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, siehe Fn. 154, wurde § 847 BGB gestrichen und der Inhalt der Vorschrift nahezu unverändert in § 253 Abs. 2 BGB n.F. überführt. 159 BGHZ 35, 363 (365 ff.). 160 BGHZ 35, 363 (367 f.); Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 100; Gounalakis, AfP 1998, 13. 161 BGHZ 128, 1 (15); BGH NJW 1995, 984 (985). 162 Gounalakis, AfP 1998, 13. 163 BVerfGE 34, 269 (280 f.). 164 Steffen, NJW 1997, 10. 165 Siehe Fn. 154. 166 Vom 26. November 2001, BGBl. I, S. 3138.

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

II. Funktionen der Geldentschädigung Dem Anspruch auf Geldentschädigung kommt wie dem Schmerzensgeldanspruch168 Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zu. Allerdings steht bei der Geldentschädigung – anders als beim Schmerzensgeld – regelmäßig der Aspekt der Genugtuung im Vordergrund.169 Daneben dient der Anspruch auf immateriellen Schadensersatz wegen Persönlichkeitsverletzung auch der Prävention. Dieser erstmals in der Caroline-I-Entscheidung explizit erwähnte Gesichtspunkt wurde neben die beiden anderen Funktionen gestellt.170 Als Begründung führte die Rechtsprechung an, daß der erzielte Gewinn in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung einbezogen werden müsse, wenn ein Persönlichkeitsrecht vorsätzlich oder grob fahrlässig171 von den Medien172 als Mittel zur Auflagensteigerung und damit zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen verletzt werde. Das heiße zwar nicht, daß in solchen Fällen rücksichtsloser Kommerzialisierung eine „Gewinnabschöpfung“ vorzunehmen sei. Doch habe von der Höhe der Geldentschädigung ein „echter Hemmungseffekt“ auch für solche Vermarktung der Persönlichkeit auszugehen.173

III. Voraussetzungen und Durchsetzung des Anspruchs Erforderlich für die Gewährung einer Geldentschädigung ist zunächst eine schwere Persönlichkeitsverletzung. Der Tatbestand der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nämlich viel unbestimmter als derjenige der Verletzung 167 Vgl. zu den Folgen des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften Wagner, NJW 2002, 2053, 2056 f. und zu den Auswirkungen der Schuldrechtsreform Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 272. 168 BGHZ 18, 149 (154). 169 BGH NJW 1995, 984 (985); BGH NJW 1997, 1148 (1150). 170 BGHZ 128, 1 (15 f.); Gounalakis, AfP 1998, 14; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 347. 171 BGH NJW 1995, 984 (984 f.); LG Ansbach NJW-RR 1997, 978 (979); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 728. 172 BVerfG NJW 2000, 2187 (2187 f.); Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 204. 173 BGHZ 128, 1 (15 f.). Teilweise wird in dieser Rechtsprechungsentwicklung ein Trend hin zum im amerikanischen Recht existierenden Institut der punitive damages gesehen, Gounalakis, AfP 1998, 14. Nach zutreffender Ansicht ist damit aber kein nach der deutschen Rechtsordnung unzulässiger „Strafschadenersatz“, siehe dazu BGHZ 118, 312 (334 ff.), geschaffen worden, Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 801, 804. Zur Verfassungskonformität des Anspruchs auf Geldentschädigung vgl. Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 355 ff. In BVerfG NJW 2000, 2187 (2188) hat das Bundesverfassungsgericht die vom Bundesgerichtshof herangezogene Präventivfunktion gebilligt.

G. Der Ersatz immaterieller Schäden

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der explizit in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter. Es treten daher häufiger Grenzfälle auf, bei denen sich die Rechtswidrigkeit nur schwer feststellen läßt. Um zu verhindern, „daß unbedeutende Beeinträchtigungen in unangemessener Weise ausgenutzt werden, um zu verdienen“, wird für geringfügige Verletzungen daher kein Geldersatz gewährt.174 Ob eine derart schwere rechtswidrige Persönlichkeitsbeeinträchtigung vorliegt, daß sie einen Ersatzanspruch rechtfertigt, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab, insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens175.176 Ausreichend ist sogar eine wiederholte und hartnäckige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, selbst wenn die einzelne rechtswidrige Beeinträchtigung für sich gesehen nicht die erforderliche Intensität erreicht.177 Ferner erfordert die Gewährung einer Geldentschädigung, daß die Verletzung nicht in anderer Weise, z. B. durch einen Widerruf,178 befriedigend ausgeglichen werden kann (sogenannter Subsidiaritätsgrundsatz).179 Der Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden soll schließlich nur eine Lücke im Persönlichkeitsschutz schließen und weder den Störer bestrafen noch sich zu einer Quelle leicht zu verdienenden zusätzlichen Geldes entwickeln.180 Als dritte Voraussetzung wird schließlich teilweise noch ein unabwendbares Bedürfnis für die Gewährung des Geldersatzes genannt.181 In der neueren Rechtsprechung findet sich diese Anforderung aber nicht mehr.182 Es ist daher anzunehmen, daß das Kriterium in den anderen beiden Voraussetzungen aufgeht.183 Anspruchsteller können beim Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nur natürliche Personen sein, die in ihrem Persönlichkeitsrecht unmittelbar betroffen wurden. Zwar ist es auch Personenvereinigungen und juristischen Personen mög174 BGHZ 35, 363 (368); BGHZ 128, 1 (12); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 719. 175 In früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stellte das schwere Verschulden dagegen wohl eine eigenständige Anspruchsvoraussetzung dar, vgl. BGHZ 35, 363 (369 f.); so auch Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 808. 176 BGHZ 128, 1 (12). 177 BGH NJW 1996, 985 (986). 178 Allerdings greift der Subsidiaritätsgrundsatz nicht mehr ein, wenn sich der Angriff gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richtet oder der Verletzte den Widerruf in einem Rechtsstreit durch mehrere Instanzen erkämpfen muß, BGHZ 128, 1 (13). 179 BGHZ 128, 1 (13); OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 477 (479); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 811 f. 180 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 811; Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 731. 181 Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 713 ff. 182 BGHZ 128, 1 (12); vgl. auch Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 744. 183 Ähnlich Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 352.

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

lich, sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu berufen.184 Da die Genugtuungsfunktion aber ausschließlich bei natürlichen Personen eingreift, können nur sie Ansprüche auf Geldentschädigung geltend machen.185 Als Anspruchsgegner kommt wie beim materiellen Schadensersatzanspruch dagegen jeder in Betracht, der das allgemeine Persönlichkeitsrecht schuldhaft verletzt und dadurch adäquat kausal einen Schaden verursacht hat, sowie diejenigen Personen, die für das rechtswidrige Verhalten anderer nach § 31 BGB oder § 831 BGB einzustehen haben.186 Der Anspruch auf immateriellen Schadensersatz ist vor den Zivilgerichten durchzusetzen. Bei der Klageschrift wird hier ausnahmsweise, vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, ein unbezifferter Klageantrag insoweit für zulässig erachtet, als über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung vom Gericht entschieden werden kann, § 287 Abs. 1 ZPO. Dennoch muß der Kläger auch bei seinem Antrag auf angemessene Geldentschädigung einen Mindestbetrag nennen.187

IV. Bemessungskriterien für die Höhe der Geldentschädigung und Entschädigungssummen Für die Höhe der Geldentschädigung sind insbesondere die folgenden Kriterien maßgeblich: die Art und Intensität des Eingriffs und damit der Persönlichkeitsverletzung, die Erforderlichkeit für die Erfüllung der Genugtuungsfunktion sowie die Notwendigkeit einer präventiven Wirkung.188 Die Geldentschädigung darf allerdings nicht so bemessen werden, daß sie in die Pressefreiheit unverhältnismäßig eingreift.189 Aber auch wenn der Höhe des immateriellen Schadensersatzes mit der letztgenannten Einschränkung gewisse Grenzen gesetzt wurden, ist in den letzten Jahren, insbesondere seit der expliziten Berücksichtigung des Präventionsgedankens, eine deutliche Steigerung der Entschädigungssummen erkennbar.190 So hat das OLG Hamburg, das nach der Caroline-I-Entscheidung des Bundesgerichtshofs in eben diesem Fall über die Höhe der Geldentschädigung zu entscheiden hatte, 184 BGHZ 98, 94 (97 f.); BGHZ 78, 24 (25 f.); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 296 ff. 185 BGH NJW 1980, 2807 (2810); OLG München AfP 2003, 359 (360); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 748. 186 Siehe Teil 2 F I; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 836 ff. 187 Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 758; Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 280 f.; vgl. auch BGH NJW 1970, 281 (281 f.) und OLG München NJW-RR 2001, 629 (630 f.). 188 BGHZ 128, 1 (15 f.); BGH NJW 1996, 984 (985); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 764. 189 BGHZ 128, 1 (15). 190 Vgl. die Übersicht bei Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2479 f. und Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 821 ff.

G. Der Ersatz immaterieller Schäden

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der Klägerin 180.000 DM zugesprochen, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß es laut Sachverhalt um drei verschiedene Verletzungshandlungen ging.191 Auch das LG Hamburg hat jüngst für die Veröffentlichung mehrerer Fotos die Summe von 150.000 DM zugesprochen.192

V. Verhältnis zum Anspruch auf Ersatz materieller Schäden Die Rechtsprechung äußert sich regelmäßig nicht explizit zur Beziehung zwischen dem Anspruch auf materiellen und immateriellen Schadensersatz.193 Das Verhältnis scheint meist auf der unausgesprochen bleibenden Prämisse zu basieren, daß sich materieller und immaterieller Schadensersatz gegenseitig ausschließen, also ein Alternativverhältnis zwischen beiden besteht. Als Zuordnungskriterium fungiert dabei die Vermarktungsbereitschaft des Betroffenen.194 Erkennt man aber wie nun auch der Bundesgerichtshof 195 die Janusköpfigkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an, muß man ebenfalls akzeptieren, daß beide, also ideelle und vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die gleiche Handlung beeinträchtigt werden können und daß daher die Verletzungshandlung zugleich eine Ersatzpflicht für materielle wie auch immaterielle Schäden auszulösen vermag.196

VI. Bewertung Durch die Entwicklung des Anspruchs auf Geldentschädigung wurde eine bedeutende Lücke im für Persönlichkeitsverletzungen zur Verfügung stehenden rechtlichen Schutzinstrumentarium geschlossen. Denn nur der immaterielle Schadensersatz kann in vielen Fällen dem Betroffenen Genugtuung verschaffen und den Verletzer zur Verhaltensbesserung anhalten. Zudem ist der Anspruch sehr flexibel gestaltet und er vermag daher ein „Höchstmaß an Einzelfallgerechtigkeit“ zu verwirklichen.197 191 OLG Hamburg NJW 1996, 2870 (2871, 2874); Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2079 f. 192 LG Hamburg ZUM 2002, 68 (69 f.). 193 Ausnahmen finden sich u. a. in BGHZ 30, 7 (18); OLG München ZUM 1996, 160 (162). 194 BGHZ 26, 349 (353); BGHZ 35, 363 (366); Beuthien / Hieke, AfP 2001, 361; Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 197, 206; Wagner, ZEuP 2000, 221 f. 195 BGHZ 143, 214 (214); BGH NJW 2002, 2317 (2318). 196 Beuthien / Hieke, AfP 2001, 361; Hoppe, Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, 2001, S. 98 ff.; Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 206; Wagner, ZEuP 2000, 222 ff. 197 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 376.

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Für Irritationen sorgen allerdings teilweise die im Vergleich zu den Schmerzensgeldbeträgen wesentlich höheren Entschädigungssummen, die insbesondere prominenten Berichterstattungsopfern zugute kommen.198 Es ist von „Prinzenrecht“199 und „Prominenzjudikatur“ 200 die Rede. Doch darf nicht übersehen werden, daß Schmerzensgeld und der Anspruch auf Geldentschädigung auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen und daß beim Schmerzensgeld der Gesichtspunkt der Prävention nicht herangezogen wird.201 Zudem sind, um den Medien die Grenzen ihrer Berichterstattung aufzuzeigen, derart hohe Summen unvermeidbar. Denn die größten Gewinne lassen sich nun einmal mit Beiträgen über Prominente erreichen, so daß hier ein besonderer Bedarf nach einem präventiv wirkenden hohen Entschädigungsbetrag besteht.202 Das Problem liegt bei diesem Anspruch daher nicht so sehr bei der Schieflage zwischen den für materielle und immaterielle Schäden gewährten Entschädigungssummen, sondern neben den sehr strengen und damit schwer zu erfüllenden Voraussetzungen vielmehr darin, daß der Anspruch nur einen Ausgleich im Innenverhältnis zwischen dem Betroffenen und dem Presseorgan schafft. Der eigentliche Schadensgehalt, der Gesichtsverlust in der Öffentlichkeit, wird nicht erfaßt.203 Zudem bestehen erhebliche Defizite im Hinblick auf den Präventionseffekt. Denn eine Gewinnabschöpfung hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich abgelehnt.204 Solange die Medienunternehmen aber trotz der von ihnen zu zahlenden Geldentschädigung Gewinne mit persönlichkeitsverletzenden Publikationen machen, kann es keinen „echten Hemmungseffekt“ geben.205 Ingesamt trägt daher der Anspruch auf Geldentschädigung zwar zur Stärkung des Persönlichkeitsschutzes bei. Allerdings ist seine Wirksamkeit im Hinblick auf die Ausgleichs- und Präventionsfunktion begrenzt.

H. Angemaßte Eigengeschäftsführung Der Anspruch aus §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB richtet sich auf die Herausgabe des aus der angemaßten Eigengeschäftsführung Erlangten. In Fällen der Ver198 Medicus, NJW 2000, 2923. Inzwischen steigen allerdings auch die Schmerzensgeldbeträge; vgl. LG München NJW-RR 2001, 1246 (1246 ff.). 199 Gounalakis, AfP 1998, 18. 200 Esser / Schmidt, Schuldrecht AT I / 2, 8. Aufl. 2000, S. 170. 201 BVerfG NJW 2000, 2187 (2187 f.); Medicus, NJW 2000, 2923. 202 Siebrecht, JuS 2001, 341; vgl. auch Wagner, ZEuP 2000, 208 f. 203 Wiedemann, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 17. 204 BGHZ 128, 1 (16). 205 Hoppe, Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, 2001, S. 127; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 376 ff.

I. Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung

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letzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts könnte damit der vom Anspruchsgegner erzielte Gewinn abgeschöpft werden. Dies würde eine Verschärfung gegenüber dem Anspruch auf Schadensersatz, der den Verletzergewinn nur in Sonderfällen erfaßt, bedeuten.206 Voraussetzung für die Bejahung des Anspruchs ist das Führen eines objektiv fremden Geschäfts.207 Die das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigende Medienberichterstattung ließe sich zwar noch unter „Geschäft“ im Sinne des § 687 Abs. 2 BGB subsumieren, da darunter nicht nur rechtsgeschäftliche Handlungen, sondern nahezu jegliche Art von Tätigkeiten zu verstehen ist.208 Allerdings fehlt es nach der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur an der objektiven Fremdheit des Geschäfts:209 Es sei allein dem Träger des Persönlichkeitsrechts entsprechend seinem Selbstbestimmungsrecht vorbehalten, zu entscheiden, ob Teilaspekte seiner Persönlichkeit Gegenstand kommerzieller Verwertung sein sollen. Die Zeitungen und Zeitschriften, die trotz entgegenstehenden Willens des Betroffenen über ihn berichteten, führten daher kein fremdes, sondern ein eigenes Geschäft. Einem Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung ist daher nach überwiegender Ansicht gegenwärtig der Erfolg versagt. Eine Bewertung erübrigt sich damit.210

I. Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung I. Anspruchsvoraussetzungen und -folgen Schließlich ist noch an einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu denken. Richtige Anspruchsgrundlage ist hier § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB, die sogenannte Nichtleistungskondiktion in ihrer Ausprägung als Eingriffskondiktion. Denn es geht vorliegend um die Frage, ob eine ungerechtfertigte Bereicherung, die außerhalb nichtiger Vertragsverhältnisse durch einen Eingriff in den Zuweisungs206 Medicus, Bürgerliches Recht, 19. Aufl. 2002, Rn. 418; siehe Teil 2 F I sowie G II und IV. 207 Medicus, Bürgerliches Recht, 19. Aufl. 2002, Rn. 409. 208 Sprau, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 677 Rn. 2 und § 662 Rn. 6. 209 OLG Hamburg NJW-RR 1994, 990 (991); Gounalakis, AfP 1998, 19; Westermann, in: Koller u. a. (Hrsg.), Symposion zu Ehren von C.-W. Canaris, 1998, S. 144; Democh, AfP 2002, 382. Der Bundesgerichtshof hat sich in BGHZ 128, 1 ff. ebenfalls nicht auf einen Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung gestützt, obwohl er den Vorsatz der Beklagten teilweise bejaht hatte. Daraus läßt sich folgern, daß auch dieses Gericht nicht von einem objektiv fremden Geschäft ausgeht, Hoppe, Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, 2001, S. 91. A.A. Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 227; v. Caemmerer, in: Esser / Thieme (Hrsg.), FS v. Hippel, 1967, S. 40; Schlechtriem, in: Fischer u. a. (Hrsg.), FS Hefermehl, 1976, S. 463; Dünnwald, ZUM 2000, 951. 210 Siehe dazu Gounalakis, AfP 1998, 19.

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gehalt eines fremden Rechts erlangt wurde, abgeschöpft werden kann.211 Für das Recht am eigenen Bild212 und das Namensrecht213 ist der Zuweisungsgehalt und damit die prinzipielle Möglichkeit eines Bereicherungsanspruchs bereits seit langem anerkannt. Eine Ausdehnung des Anspruchs aus Eingriffskondiktion auf weitere214 oder sogar auf alle Ausprägungen des Persönlichkeitsrechts215 wird in der Literatur überwiegend befürwortet.216 Die Rechtsprechung hat sich dazu noch nicht ausdrücklich geäußert. Die Tendenz geht aber dahin, den hierfür erforderlichen Zuweisungsgehalt zu verneinen, wenn sich die Wirkung des Persönlichkeitsrechts allein im Schutzaspekt erschöpft. Dann prüfen die Gerichte nämlich nur den Anspruch auf Geldentschädigung.217 Angesichts der Anerkennung der Janusköpfigkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts218 wird man aber zumindest für diejenigen Ausprägungen des Persönlichkeitsrechts, die nun einem materiellen Schadensersatz zugänglich sind, auch den Zuweisungsgehalt und damit prinzipiell den Anspruch aus Eingriffskondiktion bejahen müssen.219 Allerdings kommt der Anspruch nur in Betracht, wenn der Betroffene wenigstens grundsätzlich zu einer Vermarktung seines Persönlichkeitsrechts bzw. einer Ausprägung davon bereit war, wenn also das Persönlichkeitsrecht sich zumindest dem Charakter eines Immaterialgüterrechts annähert.220 Der Betroffene muß zwar nicht nachweisen, daß er das Recht wirtschaftlich hätte verwerten können.221 Fehlt es aber gänzlich an einem Kommerzialisierungswillen des Persönlichkeitsrechtsinhabers, bleibt die Annahme eines Vermögenswertes versagt.222 Daneben schließt 211 212

Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 248. BGHZ 20, 345 (354 f.); BGH NJW 1979, 2205 (2206); OLG Hamburg AfP 1983, 282

(283). BGHZ 81, 75 (81 f.). Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 216; Schlechtriem, in: Fischer u. a. (Hrsg.), FS Hefermehl, 1976, S. 452 ff. 215 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 773; Hager, Jura 1995, 570. 216 Gänzlich ablehnend aber Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 32.37. 217 BGHZ 128, 1 (12 ff.); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 249; Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 216. 218 Siehe Teil 2 F I. 219 Vgl. Wagner, GRUR 2000, 718; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 14.7 ff. 220 BGHZ 26, 349 (353 f.); Gounalakis, AfP 1998, 19; Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 765; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 32.38. 221 BGH NJW 1979, 2205 (2206); Steffen, NJW 1997, 13. 222 Gounalakis, AfP 1998, 19. Nach a.A. beansprucht diese Rechtsprechung keine Gültigkeit mehr, d. h. die prinzipielle Verwertungsbereitschaft stellt keine Voraussetzung des Bereicherungsanspruchs mehr dar, BGHZ 81, 75 (82); OLG München ZUM 1996, 160 (162); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 900; Ullmann, AfP 1999, 212. 213 214

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auch die Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit einer Verwertung den Bereicherungsanspruch aus, und zwar selbst dann, wenn der Betroffene mit der wirtschaftlichen Nutzung einverstanden gewesen wäre.223 Liegen alle Voraussetzungen der Eingriffskondiktion vor, muß der Verletzer das „Erlangte“ herausgeben. „Erlangt“ wird in derartigen Fällen nach zutreffender Ansicht nicht das ersparte Honorar, das dem Betroffenen für die Erlaubniserteilung gezahlt worden wäre,224 sondern der Gebrauchsvorteil.225 Da letzterer nicht in Natur herausgegeben werden kann, ist Wertersatz zu leisten, § 818 Abs. 2 BGB, und zwar durch Zahlung einer angemessenen Vergütung („Lizenzgebühr“).226 Der Verletzergewinn kann dagegen nicht verlangt werden, da der „mit den Fähigkeiten oder Betriebseinrichtungen des Verletzers erzielte Gewinn ( . . . ) der Nutzung des Persönlichkeitsrechts nicht immanent“ ist.227 Der Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB bleibt dem Anspruchsgegner versagt. Er muß sich vielmehr an der Sachlage festhalten lassen, die er selbst herbeigeführt hat, und darf nicht besser stehen, als er bei Einholung der Erlaubnis des Verletzten gestanden hätte. Es ist daher irrelevant, ob der Verletzer bereit gewesen wäre, eine angemessene Vergütung zu bezahlen.228 Dogmatisch handelt es sich dabei um einen Fall des Rechtsmißbrauchseinwands, § 242 BGB, gegenüber dem Eingreifen des § 818 Abs. 3 BGB.229 Anspruchsteller kann nur der in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzte sein, Anspruchsgegner derjenige, der in den Zuweisungsgehalt des fremden Rechts eingegriffen hat.230 Die gerichtliche Geltendmachung unterliegt im Vergleich mit den Ansprüchen auf Schadensersatz keinen nennenswerten Besonderheiten.231

223 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 333 f. unter Berufung auf BGHZ 26, 349 ff.; Schlechtriem, in: Fischer u. a. (Hrsg.), FS Hefermehl, 1976, S. 464; a.A. Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 772. 224 So aber BGHZ 20, 345 (355); BGH NJW 1979, 2205 (2206). 225 OLG München ZUM 1996, 160 (162); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 252 m. w. N. 226 BGH NJW 1992, 2084 (2085); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 901; Beuthien / Hieke, AfP 2001, 362. 227 Ullmann, AfP 1999, 212 Fn. 45; Beuthien / Hieke, AfP 2001, 362. 228 BGHZ 20, 345 (354 f.); BGHZ 81, 75 (82); Hager, Jura 1995, 571. 229 Larenz / Canaris, Schuldrecht BT II / 2, 13. Aufl. 1994, § 73 I 5 i; Hager, Jura 1995, 571. 230 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 251. 231 Vgl. dazu Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 276 ff.

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

II. Kritik Vorteilhaft am Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ist, daß er anders als die Schadensersatzansprüche kein Verschulden erfordert. Doch fällt es wie beim Anspruch auf materiellen Schadensersatz negativ ins Gewicht, daß der Anwendungsbereich des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB bisher begrenzt ist. Denn der Anspruch aus Eingriffskondiktion wird häufig daran scheitern, daß kein vermögenswerter Ausschnitt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist bzw. der Verletzte der Veröffentlichung nicht zugestimmt hätte oder nicht wirksam hätte zustimmen können.232 Zudem wird der Anspruch kaum präventive Wirkung entfalten, da er keine Abschöpfung des Verletzergewinns zuläßt.233 Der Bereicherungsanspruch erweist sich daher insgesamt nur als bedingt tauglich für den Schutz des Persönlichkeitsrechts.

J. Zusammenfassung zu Teil 2 und Schlußfolgerungen Die Untersuchung der wichtigsten zivilrechtlichen Ansprüche zum Schutz des Persönlichkeitsrechts234 hat gewisse Defizite aufgezeigt. Zwar erscheint Schwerdtners Kritik, daß das bestehende Anspruchssystem „noch weit entfernt von einem effektiven zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz“ ist,235 überzogen. Doch sind Mängel materiellrechtlicher und prozessualer Art, die einen angemessenen Ausgleich sowie eine ausreichende Genugtuung und Prävention verhindern, nicht zu verkennen. So wird die Wirksamkeit des Unterlassungsanspruchs vor allem dadurch beeinträchtigt, daß Unterlassungsurteile vom Verletzer relativ leicht zu umgehen sind. Der Anspruch auf Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtung unterliegt wiederum sehr strengen Voraussetzungen. Das trifft auch auf die Ansprüche auf Widerruf und Gegendarstellung zu. Zudem ist, selbst wenn der Betroffene diese Rechte trotz zahlreicher Hindernisse durchsetzt, deren Effekt begrenzt. Aber auch das monetäre Schutzinstrumentarium weist Schwächen auf. Der Anspruch auf materiellen Schadensersatz, bei dem bereits die Beweislastverteilung für den Betroffenen ungünstig ist, scheitert wie der Anspruch aus Eingriffskondiktion häufig am engen Anwendungsbereich. Auch vermag der BereicherungsNeben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 333 f. Siehe Teil 2 G II und IV. 234 Zu den Hilfsansprüchen, wie dem Anspruch auf Auskunft, der nur eingreift, wenn der Hauptanspruch dem Grunde nach besteht, siehe Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 346 ff. und Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 774 ff. 235 Schwerdtner, JZ 1990, 770. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 161 sieht hingegen keine Rechtsschutzlücken, die geschlossen werden müßten. 232 233

J. Zusammenfassung zu Teil 2 und Schlußfolgerungen

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anspruch ebensowenig wie der Anspruch auf immateriellen Schadensersatz eine ausreichende präventive Wirkung zu entfalten. Die Geldentschädigung für erlittene immaterielle Schäden kann zudem den Gesichtsverlust in der Öffentlichkeit nicht hinreichend kompensieren. Darüber hinaus führen die meisten der erörterten Ansprüche zu einer Reaktualisierung des Geschehenen und damit unter Umständen sogar zu einer Verstärkung der Persönlichkeitsverletzung. Daher verzichten die Betroffenen, selbst wenn sie die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, oftmals auf eine Geltendmachung ihrer Rechte.236 Um diesen Defiziten abzuhelfen, existiert selbstverständlich eine Vielzahl von Lösungsvorschlägen. Teilweise wird dabei eine systemimmanente Optimierung angestrebt, teilweise werden neue Instrumente bzw. dogmatische Konstruktionen vorgeschlagen. Als Beispiel für letzteres mag zum einen das Konzept einer persönlichkeitsrechtlichen Feststellungsklage dienen, die auf die Feststellung der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder der Rechtswidrigkeit einer Persönlichkeitsbeeinträchtigung gerichtet sein soll.237 Zum anderen kann der Ansatz Beuthiens genannt werden, der zwischen der Persönlichkeit und dem Persönlichkeitsbild im Sinne des Image, das die Person sozial genießt, differenzieren will. Während seiner Ansicht nach die Persönlichkeit als ideelles Phänomen keinen Vermögenswert besitzt, soll dem Betroffenen im Hinblick auf das Persönlichkeitsbild ein Vermögensrecht in Gestalt eines Persönlichkeitsgüterrechts zustehen.238 Bei den systemimmanenten Verbesserungsvorschlägen wird vornehmlich für eine Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung des pressespezifischen Rechtsfolgeninstrumentariums plädiert. Empfohlen wird unter anderem, im Gegendarstellungsrecht das Alles-oder-Nichts-Prinzip zurückzudrängen und bei Unterlassungsansprüchen den Unterlassungstenor in Anlehnung an die aus dem gewerblichen Rechtsschutz bekannte „Kerntheorie“ erweiternd auszulegen.239 Zumindest die letztgenannte Anregung scheint sich inzwischen auch durchzusetzen.240 Andere wiederum befürworten eine Anhebung der Geldentschädigung241 oder eine Weiterentwicklung der Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und auf Schadensersatz.242 Natürlich mögen alle diese Reformvorschläge durchaus geeignet sein, für einen effektiveren Persönlichkeitsschutz zu sorgen. Zu monieren ist aber, daß sie ein236 Eberle, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 50. 237 Klass, Reformansätze im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz, 1998, S. 225 ff.; ablehnend aber BGHZ 68, 331 (334 ff.). 238 Beuthien, in: Beuthien (Hrsg.), Persönlichkeitsgüterschutz vor und nach dem Tode, 2002, S. 75 ff.; Beuthien, NJW 2003, 1222. 239 Gounalakis, AfP 1998, 19 ff. 240 Siehe Teil 2 B II. 241 Prinz, NJW 1996, 956 f., der zugleich ein eigenes Berechnungsmodell für die Höhe der Geldentschädigung entwickelt hat; Dünnwald, ZUM 2000, 950 f.; ablehnend OLG Hamburg NJW 1996, 2870 (2872). 242 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 389 ff.

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Teil 2: Zivilrechtliche Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen

seitig auf das staatliche Rechtsschutzinstrumentarium fixiert sind. Selbstkontrollstrukturen werden bei der Suche nach Schließungsmöglichkeiten für Schutzlücken im System meist einfach ignoriert.243 Gerade beim Konflikt zwischen Persönlichkeitsschutz und Medienfreiheit kommt der Selbstkontrolle aber besondere Bedeutung zu. Wie Steffen zutreffend anmerkt, wird letztlich „das Recht nicht die Medienfreiheit ( . . . ) davor bewahren, daß die Medien diese Freiheiten mißbrauchen. Korrekturen können ( . . . ) nur aus dem Kreis derjenigen herauskommen, die mit diesen Freiheiten umgehen; das sind natürlich auch die Leser ( . . . ), aber sie können nur sehr begrenzt hier ihre Proteste anbringen. Um so wichtiger ist die Selbstkontrolle durch solche Institutionen wie den Deutschen Presserat. Es geht doch stets um Haltungen, um Klima, für die das Recht kaum Vorschriften machen kann.“244 Gegenstand dieser Arbeit wird es daher im weiteren sein, zu untersuchen, inwieweit Selbstkontrolleinrichtungen alternative Mechanismen für den Persönlichkeitsschutz zur Verfügung stellen können, insbesondere inwieweit sie das erwiesenermaßen defizitäre rechtliche Schutzinstrumentarium zu ergänzen oder zu ersetzen vermögen. Dies soll nach einer Erörterung der verfassungsrechtlichen Grundlagen exemplarisch für den Bereich der Presseberichterstattung eruiert werden.

243 So auch die Klage von Ruess, Jb.J.ZivRWiss. 2002, S. 227 f. im Hinblick auf das Recht der Werbung zwischen Staats- und Selbstkontrolle. Seltene Ausnahmen bilden jüngst bezüglich der Presseselbstkontrolle die Untersuchungen von Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002; C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999. 244 Steffen, Diskussionsbeitrag in: Lorenz (Hrsg.), Schutz der Persönlichkeit, Karlsruher Forum 1996, 1997, S. 54.

Teil 3

Verfassungsrechtlicher Rahmen für den Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle Im folgenden Abschnitt werden die verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Untersuchungsgegenstand des Persönlichkeitsschutzes durch Presseselbstkontrolle erörtert. Am Anfang steht die Vorstellung der betroffenen Grundrechte, einerseits des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, andererseits der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1, 2 GG. Zwischen diesen beiden Grundrechten kommt es regelmäßig zu Kollisionen, da die von der Presseberichterstattung Betroffenen (weitere) Beeinträchtigungen seitens der Presse verhindern wollen, die Presse hingegen zum Zwecke der Berichterstattung oftmals gerade in den vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützten Bereich eindringen muß. Zusätzlich erschwert wird die Problematik dadurch, daß sich hier Privatrechtssubjekte gegenüberstehen, die keine Grundrechtsadressaten sind, vgl. Art. 1 Abs. 3 GG, daß es also nicht um das Verhältnis Bürger – Staat geht. Wie die Grundrechte hier wirken und wie in diesem Rahmen die bestehenden Grundrechtskollisionen aufzulösen sind, gilt es im Anschluß an die Darstellung der relevanten Grundrechte zu prüfen. Schließlich wird noch dargelegt, wie die gefundenen Ergebnisse für den Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle nutzbar gemacht werden können. Dabei erfolgt auch eine Erörterung, inwieweit es für den Staat möglich ist, sich aus dem grundrechtlichen Konfliktfeld zurückzuziehen, inwieweit er also die Selbstregulierung den Printmedien überlassen kann.

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Der Schutz des einzelnen vor unzulässiger Medienberichterstattung findet seine verfassungsrechtliche Verankerung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die bisherigen Vorschläge zu dessen Strukturierung sind jedoch fast ebenso zahlreich wie die einfachgesetzlichen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Persönlichkeitsverletzungen.1 Eine einheitliche Struktur läßt sich nicht erkennen. Es würde den Rahmen 1 Vgl. u. a. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 2 Rn. 30 ff.; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 68 ff.; Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

der Arbeit jedoch sprengen, dieses Problem ebenfalls eingehend zu erörtern. Im folgenden wird daher nur insoweit auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingegangen, als es für die Behandlung des Themas relevant ist.

I. Entwicklung, Grundlagen und Konkurrenzen zu anderen Grundrechten Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im Grundrechtskatalog nicht explizit erwähnt. Daraus läßt sich zwar nicht folgern, daß das Grundgesetz bis zur Etablierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keinen Schutz vor Persönlichkeitsverletzungen gewährte. Doch beschränkte es sich auf bestimmte Aspekte der Persönlichkeit wie das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Art. 10 GG, oder die Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG.2 Aufgrund des technischen Fortschritts und des Funktionswandels der Information zum Handelsgut trat die Lückenhaftigkeit des grundgesetzlichen Persönlichkeitsschutzes jedoch immer deutlicher zutage.3 Das Bundesverfassungsgericht reagierte darauf mit der Entwicklung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als unbenanntes Freiheitsrecht4.5 Den Anstoß dazu gab die zivilrechtliche Judikatur, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht seit der Leserbrief-Entscheidung 6 im Jahr 1954 als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkennt.7 Für die Verfassungsrechtslehre wurde die Rechtsfigur erstmals von Dürig aufgegriffen, der mit seinen theoretischen Erörterungen die Grundlagen für die spätere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schuf.8 Das grundgesetzlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht darf aber trotz vieler Parallelen nicht mit seinem privatrechtlichen Pendant gleichgesetzt werden. Zwischen dem verfassungsrechtlichen und dem einfachgesetzlichen allgemeinen Persönlichkeitsrecht besteht keine Identität.9 Allerdings existieren sie auch Abs. 1 Rn. 147 ff.; Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 32 ff.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 2 I Rn. 50 ff.; Degenhart, JuS 1992, 363 ff. 2 Schmitt Glaeser, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR VI, 2. Aufl. 2001, § 129 Rn. 3. 3 Schmitt Glaeser, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR VI, 2. Aufl. 2001, § 129 Rn. 5 f. 4 Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 64. Zu den unbenannten Freiheitsrechten grundlegend W. Schmidt, AöR Bd. 91 (1966), S. 71 ff. 5 Explizit wurde das allgemeine Persönlichkeitsrecht erstmals in der Eppler-Entscheidung, BVerfGE 54, 148 (153 f.), als eigenständiges Grundrecht genannt. Doch ist es schon seit BVerfGE 27, 1 (6) vom Bundesverfassungsgericht anerkannt, Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 2 I Rn. 50 Fn. 179. 6 BGHZ 13, 334 (338). 7 Siehe Teil 2 G I. 8 Dürig, AöR Bd. 81 (1956), S. 129 f.; v. Arnauld, ZUM 1996, 287. 9 Jarass, NJW 1989, 858; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 2 Rn. 28; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 67; Pieroth / Schlink, Grundrechte,

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

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nicht beziehungslos nebeneinander. So sind insbesondere die Zivilgerichte gehalten, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen privatrechtlichen Vorschriften das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht zu beachten,10 welches heute als eigenständiges Grundrecht mit abwehrrechtlichen und objektivrechtlichen Gehalten11 angesehen wird und sich auf Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG stützt.12 Die Zitierweise darf allerdings nicht zu dem Fehlschluß führen, es handele sich um die kumulative Anwendung zweier Grundrechte. Vielmehr steht hier „ein“ Grundrecht in Rede, das primär auf Art. 2 Abs. 1 GG basiert und durch Art. 1 Abs. 1 GG beeinflußt und verstärkt wird.13 Würde man Art. 1 Abs. 1 GG als Ausgangspunkt wählen, wäre eine Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Gesetz nicht möglich, da Art. 1 Abs. 1 GG nicht einschränkbar ist.14 Zur allgemeinen Handlungsfreiheit, die ebenfalls in Art. 2 Abs. 1 GG verankert ist, verhält sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht wie ein Spezialgrundrecht.15 Es ist insoweit mit den anderen speziellen Freiheitsrechten vergleichbar.16 Andererseits finden sich in den anderen Freiheitsrechten besondere Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die diesem wiederum als leges speciales vorgehen. Dazu gehören insbesondere Art. 10 GG, Art. 13 GG und Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.17

II. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Aufgabe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist es, „im Sinne des obersten Konstitutionsprinzips der ,Würde des Menschen‘ (Art. 1 Abs. 1 GG) die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen“.18 Die tatbestandlichen Voraussetzungen des allgemeiStaatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 378; Ehmann, in: Erman, BGB, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 91 f.; kritisch Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 4 ff. 10 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 138; siehe dazu ausführlich Teil 3 C II 3 und D. 11 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 2 I Rn. 57 ff., 62 ff. 12 BVerfGE 54, 148 (153); BVerfGE 101, 361 (379); Jarass, NJW 1989, 857. 13 Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 62 f.; Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 30; a.A. v. Arnauld, ZUM 1996, 287 f., der das allgemeine Persönlichkeitsrecht zwar auch auf diese beiden Vorschriften stützt, aber Art. 1 Abs. 1 GG als primäre Basis ansieht. 14 Jarass, NJW 1989, 857. 15 Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 64. 16 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 2 Rn. 29. 17 BVerfGE 32, 54 (69 ff.); BVerfGE 67, 157 (171 ff.); Schmitt Glaeser, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR VI, 2. Aufl. 2001, § 129 Rn. 3. 18 BVerfGE 54, 148 (153).

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

nen Persönlichkeitsrechts sind aufgrund des Einflusses des Art. 1 Abs. 1 GG zwar enger gezogen als diejenigen der allgemeinen Handlungsfreiheit.19 Doch erfordert es die eben umrissene Aufgabe, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht stets offen und anpassungsfähig bleibt, um weiteren Entwicklungen und neuen Gefahren adäquat begegnen zu können.20 Dementsprechend wird gemeinhin auf eine abschließende Umschreibung des Inhalts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verzichtet. Statt dessen werden seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet. 21

1. Der sachliche Schutzbereich Um dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht trotz der kasuistischen Entwicklung eine gewisse Struktur zu verleihen, wurden Fallgruppen entwickelt. Allerdings kann man diese nicht streng voneinander abgrenzen. Oftmals sind die Übergänge fließend und es kommt zu Überschneidungen.22

a) Der Schutz des privaten Lebensbereichs Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt im Ausgangspunkt den privaten Lebensbereich als Handlungssphäre, d. h. es verbürgt das Recht, eine Sphäre der Intimität zu begründen und diese vor dem Einblick Dritter zu bewahren.23 Es geht hier also um den Schutz vor Indiskretionen und das Recht auf Anonymität. Dem einzelnen muß zur Persönlichkeitsentfaltung ein Innenraum verbleiben, in dem er „sich selbst besitzt“ und in den er sich vor der Umwelt zurückziehen kann.24 Der Gewährleistungsumfang des privaten Lebensbereichs bestimmt sich dabei nach räumlichen und thematischen Aspekten.25 Zum einen werden Angelegenheiten erfaßt, die aufgrund ihres Inhalts als „privat“ einzuordnen sind, da ihre öffentliche Diskussion negative Reaktionen der Umwelt hervorruft oder als unschicklich bzw. peinlich empfunden wird,26 wie das Thema Sexualität27 oder Informationen über den Gesundheitszustand einer Person28. Zum anderen umfaßt der Schutz einen BVerfGE 54, 148 (153). Schmitt Glaeser, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR VI, 2. Aufl. 2001, § 129 Rn. 28. 21 BVerfGE 54, 148 (153 f.); Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 31. 22 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Rn. 148. Die folgende Einteilung orientiert sich an Di Fabio, a. a. O., Art. 2 Rn. 147 ff. 23 Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 32. 24 BVerfGE 27, 1 (6); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 149. 25 BVerfGE 101, 361 (382). 26 Zusammenfassend BVerfGE 101, 361 (382) m. w. N.; BVerfG NJW 2000, 2193 (2193). 27 BVerfGE 47, 46 (73 f.). 28 BVerfGE 32, 373 (379 f.); BVerfGE 89, 69 (83 f.). 19 20

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

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räumlichen Bereich, in dem das Individuum zu sich kommen oder auch ausspannen bzw. sich gehen lassen kann. Ohne derartige Refugien würde der einzelne psychisch überfordert, da er aufgrund der öffentlichen Beobachtung sich stets zur Selbstkontrolle gezwungen sähe.29 Die räumlichen Grenzen der Privatsphäre lassen sich nicht generell-abstrakt festlegen. Neben dem häuslichen Bereich sind alle Lokalitäten erfaßt, an denen der einzelne erkennbar davon ausgehen kann, nicht der Beobachtung durch die Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein.30 An dieser Voraussetzung fehlt es von vornherein, wenn sich der Betroffene unter vielen Leuten befindet. An einem solchen Ort kann man auch nicht durch ein entsprechendes „privates“ Verhalten selbst eine räumliche Schutzsphäre definieren.31 Modifizierungen erfährt die Gewährleistung des privaten Lebensbereichs, soweit es um den familiären Umgang zwischen Eltern und Kindern geht. Die Persönlichkeitsentfaltung von Kindern kann durch die Medienberichterstattung stärker beeinträchtigt werden als die von Erwachsenen. Daher muß der Bereich, in dem sie sich frei von der Observation durch Dritte fühlen und entfalten dürfen, umfassender gewährleistet sein.32 Das führt zu einem erhöhten Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Kinder.33 Doch auch der Schutz der Eltern nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG wird in Situationen, in denen sie sich ihren Kindern zuwenden, durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verstärkt.34 Der Gewährleistungsumfang in dieser Fallgruppe reicht also je nach Situation unterschiedlich weit, was bei der Rechtfertigung von Eingriffen Bedeutung erlangt.35

b) Das Recht an der Darstellung der eigenen Person Das Recht an der Darstellung der eigenen Person bildet eine eigenständige Kategorie neben dem Schutz des privaten Lebensbereichs, wenn auch oftmals Überschneidungen vorkommen.36 Es ist in mehrere Untergruppen gegliedert.

aa) Der Selbstdarstellungsschutz Dem Gedanken der Selbstbestimmung zufolge soll der einzelne „grundsätzlich selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber BVerfGE 101, 361 (382 f.); BVerfG NJW 2000, 2193 (2193). BVerfGE 101, 361 (384); BGH NJW 2004, 762 (763). 31 BVerfGE 101, 361 (384 f.); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 149. 32 BVerfGE 101, 361 (385 f.). 33 Siehe dazu sogleich Teil 3 A II 1 c) aa). 34 BVerfGE 101, 361 (386); Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 69; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 2 Rn. 37. 35 BVerfG NJW 2000, 2191 (2191); BVerfG NJW 2000, 2191 (2192); siehe Teil 3 A III 2. 36 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 166 f. 29 30

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

darstellen will, ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann“37. Die Fallgruppe schützt also das Selbstbestimmungsrecht über die Darstellung des Lebens- und Charakterbildes.38 Diese Aussagen dürfen allerdings nicht dahin mißverstanden werden, daß dem einzelnen ein umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person zusteht; er hat also kein Anrecht darauf, allein so dargestellt zu werden, wie es seinem Selbstverständnis entspricht.39 Schutz wird nur insoweit gewährleistet, als durch die Berichterstattung das Persönlichkeitsbild des einzelnen verfälscht oder entstellt wird bzw. seine Persönlichkeitsentfaltung eine erhebliche Beeinträchtigung erfährt.40 Daher hat jedermann das Recht, daß ihm nicht Äußerungen untergeschoben werden, die er nicht getan hat und die seinen sozialen Geltungsanspruch tangieren.41 Weitere Ausprägungen, die sich im Laufe der Jahre herauskristallisiert haben und die nun als eigenständige Unterfallgruppen behandelt werden42, sind der Schutz der persönlichen Ehre, das Recht am eigenen Wort, das Recht am eigenen Bild und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ob auch der isolierte Schutz vor Unwahrheiten eine eigene Kategorie bildet, gilt es am Schluß zu klären.

bb) Das Recht auf Schutz der persönlichen Ehre Der Umfang des Ehrenschutzes hängt maßgeblich davon ab, wie der Terminus der persönlichen Ehre zu verstehen ist, der sich als offen und konkretisierungsbedürftig erweist.43 Die wichtigsten Definitionen, die zur näheren Bestimmung der Ehre entwickelt wurden, sind der faktische Ehrbegriff,44 der normative Ehrbegriff45 und der normativ-faktische Ehrbegriff. Heute wird überwiegend der letztBVerfGE 54, 148 (155); vgl. auch schon BVerfGE 35, 202 (220). Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 166. 39 BVerfGE 97, 391 (403); BVerfGE 101, 360 (380); BVerfG NJW 2000, 1859 (1860). 40 BVerfGE 97, 391 (403); BVerfG NJW 2000, 1859 (1860) mit Anm. Dörr, JuS 2001, 75. 41 BVerfGE 54, 148 (155); BVerfGE 54, 208 (217). Im Gegensatz zu Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 199 sieht das Bundesverfassungsgericht diese Konstellation nicht als zum Recht am eigenen Wort gehörig an, BVerfGE 54, 148 (154 f.); anders aber in BVerfG NJW 1992, 815 (815). 42 Nach Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 65 lassen sich diese Ausprägungen teilweise ihrerseits als besondere unbenannte Freiheitsrechte verstehen. 43 Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 66. 44 Der faktische Ehrbegriff erfaßt allein die gesellschaftliche Achtung, die ein Mensch genießt, Bockelmann, JR 1954, 329; wohl auch Kübler, NJW 1999, 1283. Er läßt damit aber die Frage nach der Schutzwürdigkeit von nicht verdienter Anerkennung unbeantwortet, Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 66. 45 Der normative Ehrbegriff gewährleistet die sogenannte innere Ehre als Ausprägung der sittlichen Integrität, Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 66; Tenckhoff, JuS 1988, 202 f. Dieser Ehrbegriff läßt aber offen, wie die Ehre, die nach diesem Verständnis nicht mit dem Anspruch auf Achtung gleichgesetzt wird, durch verbale Äußerungen überhaupt beeinträchtigt werden kann, Wolff, ZStW Bd. 81 (1969), S. 889 f. 37 38

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

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genannte dualistische Ansatz vertreten, nach dem die Ehre aus einer inneren und äußeren Komponente besteht:46 Die innere Ehre als der jedem einzelnen wegen seiner Würde und seines Menschseins zukommende Geltungswert wird vorrangig durch Art. 1 Abs. 1 GG verbürgt. Die äußere Ehre wird schwerpunktmäßig auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt. Sie erfaßt den sozialen Achtungsanspruch, der aufgrund eigenen Verhaltens erworben wurde, also den „guten Ruf“ innerhalb der Gemeinschaft. Der Ehrenschutz ist mithin vollständig in Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankert, was eine zusätzliche Berufung auf Art. 5 Abs. 2 GG47 entbehrlich macht.48 Die so definierte Ehre kann auf verschiedene Art und Weise tangiert werden. Zum einen durch die Behauptung unwahrer Tatsachen,49 zum anderen durch herabsetzende wertende Aussagen,50 Darstellungen51 und Verhaltensweisen.52 Wahre Tatsachen können die Ehre hingegen grundsätzlich nicht beeinträchtigen, da kein Mensch mehr Achtung verlangen kann, als er verdient.53

cc) Das Recht am eigenen Bild Das Recht am eigenen Bild gewährleistet dem einzelnen Einfluß- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es sich um die Herstellung von zeichnerischen, fotographischen oder filmischen Abbildungen seiner Person handelt sowie um deren Darstellung, Verbreitung oder ähnliche Nutzungen durch Dritte.54 Ein Schutzbedürfnis wird in dieser Fallgruppe nicht nur bei manipulierten Aufnahmen anerkannt, sondern auch wenn bestimmte Fotos gemacht und der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden.55 Dabei ist es grundsätzlich irrelevant, ob die Bilder den ein46 Auf verfassungsrechtlicher Ebene vgl. Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 66; Mackeprang, Ehrenschutz im Verfassungsstaat, 1990, S. 181. Für das Strafrecht siehe BGHSt 11, 67 (70 f.); Tröndle / Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, Vor § 185 Rn. 4. Im Zivilrecht vgl. Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 89; Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 61. 47 So Stark, Ehrenschutz in Deutschland, 1996, S. 32 ff. m. w. N. 48 Isensee, in: Ziemske u. a. (Hrsg.), FS Kriele, 1997, S. 10 Fn. 20; kritisch zur Verortung der inneren Ehre in Art. 1 Abs. 1 GG und der äußeren Ehre in Art. 2 Abs. 1 GG Mackeprang, Ehrenschutz im Verfassungsstaat, 1990, S. 181 f. 49 BVerfGE 99, 185 (193 f.). 50 BVerfGE 82, 272 (282). 51 BVerfGE 75, 369 (378 f.). 52 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 170. 53 Ehmann, in: Erman, BGB, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 230. 54 BVerfGE 35, 202 (220); BVerfGE 101, 361 (381); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 193; Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 35. 55 BVerfGE 101, 361 (382); BVerfG NJW 2001, 1921 (1924).

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

zelnen in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen zeigen,56 d. h. der Schutzbereich ist auch dann eröffnet, wenn Situationen abgebildet werden, wie sie auch ein Anwesender hätte beobachten können.57 Denn mit Hilfe der Reproduktionstechnik ist es möglich, die überschaubare Öffentlichkeit, in der sich der einzelne normalerweise bewegt, zur breiten Medienöffentlichkeit zu erweitern.58 Das Bestimmungsrecht darüber, inwieweit man in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, soll aber gerade auch dem Betroffenen vorbehalten bleiben.

dd) Das Recht am eigenen Wort Das Recht an der Darstellung der eigenen Person erfaßt als einen Teilaspekt auch das Recht am eigenen Wort.59 Dieses gewährleistet die Befugnis, selbst zu bestimmen, wem außer dem Kommunikationspartner die Gesprächsinhalte zugänglich sein sollen.60 Insbesondere kann der einzelne selbst festlegen, ob seine Worte auf einen Tonträger aufgenommen werden, sowie ob und vor wem sie abgespielt werden dürfen.61 Der Schutz hängt dabei nicht davon ab, ob die Inhalte personaler Natur sind oder ob bei Gesprächen besondere Vertraulichkeit vereinbart wurde. Denn das Recht am eigenen Wort ist nicht identisch mit dem Schutz des privaten Lebensbereichs.62 Hier geht es vielmehr generell um die Gewährleistung der Unbefangenheit der zwischenmenschlichen Kommunikation, wie spontane Äußerungen oder vorläufige Stellungnahmen. Sie würde erheblich beeinträchtigt, wenn der einzelne stets damit rechnen müßte, daß ohne oder gegen seinen Willen Dritte über sein nicht öffentlich gesprochenes Wort verfügen können.63 Daher muß auch in diesem Bereich das Selbstbestimmungsrecht des Individuums gewährleistet sein.

BVerfGE 101, 361 (381). Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 195. 58 BVerfGE 101, 361 (381). Wenn die Bilder zusätzlich die Privatsphäre beeinträchtigen, ergibt sich daraus eine eigenständige zusätzliche Betroffenheit, BVerfGE 101, 361 (382 ff.); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 195. 59 Neben dem Recht am eigenen Wort kann auch der Schutz des privaten Lebensbereichs tangiert sein, BVerfGE 34, 238 (245 f.). Zwischen den beiden Fallgruppen herrscht keine Identität, BVerfGE 106, 28 (41). 60 BVerfGE 106, 28 (39); BVerfG NJW 1992, 815 (815); BGH NJW 2003, 1727 (1728); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 196. 61 BVerfGE 34, 238 (246); Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 2 Abs. 1 Rn. 88, 161. 62 BVerfGE 106, 28 (41). 63 BVerfGE 34, 238 (246 f.). 56 57

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

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ee) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat sich zwar begrifflich verselbständigt,64 doch wird es immer noch zum Recht an der Darstellung der eigenen Person gerechnet.65 Das Bundesverfassungsgericht umschreibt diese Gewährleistung als die „aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Sachverhalte offenbart werden“66. Denn wer nicht mit hinreichender Sicherheit zu überblicken vermag, welche ihn betreffenden Informationen von welcher Einrichtung gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird möglicherweise in seinen individuellen Entfaltungschancen behindert und verzichtet unter Umständen sogar auf eine Ausübung seiner Grundrechte. Damit würde auch das Gemeinwohl beeinträchtigt, weil Selbstbestimmung eine grundlegende Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.67 Aufgrund dessen kann der einzelne grundsätzlich selbst über die Offenbarung und Verwendung seiner persönlichen Daten entscheiden.68 Geschützt werden sämtliche Daten unabhängig von ihrer Qualität. Denn infolge moderner Informationstechnologien können durch die Auswertung sämtlicher verfügbarer Daten Persönlichkeitsprofile erstellt werden, so daß es im Zeitalter der automatischen Datenverarbeitung kein „belangloses“ Datum mehr gibt.69 Doch ist der Schutz nicht auf die automatische Datenverarbeitung oder den Anwendungsbereich der Datenschutzgesetze des Bundes oder der Länder beschränkt.70 Auch die Persönlichkeitsausforschung im Wege der Auswertung von Aktenmaterial oder persönlicher Aufzeichnungen wird vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfaßt.71 ff) Der Schutz vor Unwahrheiten Während die bisher erörterten Fallgruppen gemeinhin anerkannt sind, bedarf es noch der Klärung, ob auch der isolierte Schutz vor Unwahrheiten eine eigenständiKunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 38. Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 166. Schmitt Glaeser, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR VI, 2. Aufl. 2001, § 129 Rn. 77; a.A. Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 38. 66 BVerfGE 65, 1 (42); vgl. auch BVerfGE 67, 100 (142 f.); BGH NJW 2004, 762 (763). 67 BVerfGE 65, 1 (43). 68 BVerfGE 65, 1 (43); BVerfGE 78, 77 (84). 69 BVerfGE 65, 1 (45); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 174. 70 BVerfGE 78, 77 (84); Kloepfer, 62. DJT, Bd. 1, 1998, S. D 48. 71 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 175 Fn. 3. Ob Bild- und Tonaufnahmen vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfaßt werden, ist noch nicht abschließend geklärt; bejahend Jarass, NJW 1989, 858; dagegen Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 2 Abs. 1 Rn. 108. 64 65

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

ge Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt. Teilweise wird angenommen, die Verbreitung oder Behauptung unwahrer Tatsachen tangiere nur dann das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn eine der zuvor genannten Kategorien, z. B. der Ehrenschutz, betroffen ist. Im übrigen liege nur eine wertneutrale Falschdarstellung vor.72 Auch die Rechtsprechung hat bisher den Schutz vor Unwahrheiten nicht als eigene Ausprägung des Persönlichkeitsrechts anerkannt, sondern stets einen Eingriff in die bereits etablierten Fallgruppen angenommen.73 Diese Ansicht wird aber dem Schutz des einzelnen vor unwahren Tatsachenbehauptungen nicht gerecht. Sie verkennt, daß es hier allein darum geht, den Umfang des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts generell zu bestimmen. Dieser wird aber nach der obigen Definition des Selbstdarstellungsschutzes74 durch unwahre Tatsachenbehauptungen tangiert, da sie zu einem von außen definierten falschen Bild des Betroffenen führen, unabhängig davon, ob sie positiv oder negativ, wichtig oder belanglos sind. Eine eventuell erforderliche Einschränkung des Schutzes durch die konfligierenden Rechte der Kommunikatoren wird erst bei der später vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung relevant.75 Daher ist auch der isolierte Schutz vor Unwahrheiten als selbständige Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzuerkennen.76 c) Der Schutz der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung77 Beim Schutz der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung geht es um die gegenwärtige und künftige Sicherung der persönlichen Belange, die die ungestörte Entwicklung der Individualität des einzelnen bedingen.78 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt jedem Menschen eine autonome Sphäre privater Lebensgestaltung, in welcher er seine Individualität entwickeln und wahren Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 18.3 ff.; Soehring, GRUR 1986, 520 f. BGHZ 13, 334 (338 f.); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 128; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 5.75 m. w. N. zur Rechtsprechung. Allerdings weisen manche Aussagen des Bundesverfassungsgerichts auf eine mögliche Anerkennung eines isolierten Wahrheitsschutzes hin, BVerfG NJW 2000, 1859 (1860); Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 164. 74 Siehe Teil 3 A II 1 b) aa). 75 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 165. Es ist auch denkbar, bei unwesentlichen Beeinträchtigungen schon den Eingriff zu verneinen, Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 248; Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 66; dagegen Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 94. 76 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 165; Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 128 f.; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 5.76 ff.; Wenzel, AfP 1979, 283; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 64, 124. 77 So die Bezeichnung bei Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 2 I Rn. 50, 54. 78 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 207. 72 73

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

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kann.79 Es werden also neben der Selbstentfaltung des einzelnen auch die dafür konstitutiven Voraussetzungen geschützt.80 Diese Fallgruppe erfaßt sehr unterschiedliche Konstellationen. Sie reicht vom Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung81 bis hin zum Schutz der sprachlichen Integrität82. Für den Persönlichkeitsschutz vor Beeinträchtigungen durch die Medienberichterstattung sind der Entwicklungsschutz von Kindern und Jugendlichen und das Recht auf Resozialisierung relevant. Im Hinblick auf die in den Medien häufig vorkommenden Vorverurteilungen von potentiellen Straftätern ist zudem zu erörtern, ob die Unschuldsvermutung ebenfalls als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgefaßt werden kann. Die gleiche Frage stellt sich auch in bezug auf das Diskriminierungsverbot wegen Presseberichten, die nach unzulässigen Kriterien, wie Geschlecht, Rasse etc., differenzieren, vgl. Art. 3 Abs. 3 GG.

aa) Der Entwicklungsschutz von Kindern und Jugendlichen Der Entwicklungsschutz von Kindern und Jugendlichen, also das Recht auf „Person-Werden“83, wird in der Verfassung nicht nur über das elterliche Erziehungsrecht, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, gewährleistet, sondern folgt auch aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.84 Kinder und Jugendliche sind besonders schutzbedürftig, weil sie sich erst zu eigenverantwortlichen Personen entwickeln müssen. Sie können daher durch die Medienberichterstattung in Wort und Bild in höherem Maße beeinträchtigt werden als Erwachsene. Der Bereich, in dem sie sich frei von der Observation durch Dritte fühlen und entfalten dürfen, muß aus diesem Grund umfassender gewährleistet sein.85 Er erfaßt nicht nur die Privatsphäre, sondern auch die kindgemäße Entfaltung in öffentlichen Räumen.86 Die Berichterstattung über diese Personengruppe unterliegt folglich stärkeren Beschränkungen als diejenige über Erwachsene.

BVerfGE 35, 202 (220); BVerfGE 79, 256 (268). BVerfGE 79, 256 (268); Jarass, NJW 1989, 859. 81 BVerfGE 79, 256 (269). 82 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 219 f. 83 Engels, AöR Bd. 122 (1997), S. 219; BVerfG NJW 2000, 2191 (2191). 84 BVerfGE 83, 130 (140); BVerfGE 101, 360 (385 f.); BVerfG NJW 2000, 2191 (2191); BVerfG NJW 2000, 2191 (2192). 85 Es geht hier also nicht um den Schutz von Kindern und Jugendlichen als Medienkonsumenten, vgl. dazu z. B. Dörr / Cole, Jugendschutz in den elektronischen Medien, 2001, sondern allein darum, inwieweit Kinder und Jugendliche als „Objekt“ der Wort- und Bildberichterstattung stärker schutzbedürftig sind als Erwachsene; vgl. dazu BVerfG NJW 2000, 2191 (2191); BVerfG NJW 2000, 2191 (2192); BVerfG NJW 2003, 3262 (3263). 86 BVerfG NJW 2000, 2191 (2191); BVerfG NJW 2000, 2191 (2192). 79 80

6 Schwetzler

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

bb) Das Recht auf Resozialisierung Der Schutz der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung beinhaltet auch das Recht, in einem adäquaten Zeitraum nach der Begehung von Fehlern die Möglichkeit eines Neuanfangs zu erhalten.87 Dazu ist insbesondere das Recht von Straftätern auf Resozialisierung zu rechnen. Ihnen muß die Chance gegeben werden, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern, wenn sie ihre Haftstrafe verbüßt haben.88 Die soziale Reintegration kann durch die Medienberichterstattung über Tat und Täter jedoch erheblich beeinträchtigt werden. Zwar hat ein Straftäter keinen Anspruch darauf, öffentlich nie mehr mit seiner Tat konfrontiert zu werden. Die Verbüßung der Strafe genügt allein dem staatlichen Strafanspruch, berührt aber nicht die Beziehung des Täters zu anderen, z. B. den Medien.89 Dennoch müssen der Medienberichterstattung Grenzen gesetzt werden, wenn sie die Resozialisierung nach der Haftentlassung zu gefährden droht.

cc) Die Unschuldsvermutung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Unschuldsvermutung besagt, daß „bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld“ vermutet wird, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.90 Sie stellt eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, Art. 20 Abs. 3 GG, dar und hat daher Verfassungsrang. Daneben ist sie kraft des transformierten91 Art. 6 Abs. 2 EMRK auch Bestandteil des einfachen Bundesrechts. Adressat der so umrissenen Unschuldsvermutung ist aber allein die öffentliche Gewalt.92 Doch auch die Medienberichterstattung über Ermittlungsverfahren und Gerichtsverhandlungen kann eine stark präjudizierende Wirkung haben und damit die Persönlichkeit der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.93 Das gibt Anlaß zur Prüfung, ob die Unschuldsvermutung nicht möglicherweise auch als ein Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen ist. Im Lebach-Urteil des Bundesverfassungsgerichts94 wurde das Recht auf Resozialisierung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt. Um einen lückenlosen Persönlichkeitsschutz zu gewährleisten, muß dies a fortiori auch für die UnschuldsvermuJarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 2 Rn. 38. BVerfGE 35, 202 (235 f.); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 216. 89 BVerfG NJW 2000, 1859 (1860). 90 Vgl. BVerfGE 35, 311 (320); BVerfGE 74, 358 (370 f.) unter Berufung auf Art. 6 Abs. 2 EMRK. 91 Vgl. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG und das Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952, BGBl. II, S. 685, 953; Schweitzer, Staatsrecht III, Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht, 7. Aufl. 2000, Rn. 446 f., 709. 92 BVerfGE 74, 358 (370 f.); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 20 Rn. 100. 93 Siehe auch Teil 3 A II 1 c) bb). 94 BVerfGE 35, 202 (235 f.). 87 88

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

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tung gelten: Ein Schutz des Persönlichkeitsrechts des Täters ist schließlich nicht nur nach der Rechtskraft des Urteils bzw. nach der Verbüßung der Strafe erforderlich, sondern erst recht schon ab der Phase des bloßen Verdachts. In diesem Stadium ist die Beteiligung an der Tat noch nicht einmal erwiesen. Daher muß die Rechtsposition eines Tatverdächtigen mit der eines entlassenen oder kurz vor der Haftentlassung stehenden Straftäters wenigstens gleichgesetzt werden.95 Die Unschuldsvermutung ist infolgedessen ebenfalls Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.96 dd) Schutz vor Diskriminierung durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht? Teilweise wird angenommen, daß in der unzulässigen Diskriminierung nach Geschlecht bzw. nach den anderen in Art. 3 Abs. 3 GG angeführten Differenzierungskriterien zugleich eine Persönlichkeitsverletzung zu sehen ist.97 So argumentiert das Bundesarbeitsgericht, daß geschlechtsbezogene Diskriminierungen das Recht des einzelnen mißachteten, nach sachangemessenen Maßstäben beurteilt zu werden. Damit würden die Entfaltungsmöglichkeiten der Betroffenen beeinträchtigt und ihre beruflichen Fähigkeiten herabgewürdigt, mithin ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt.98 Die ungerechtfertigte Diskriminierung im Sinne eines Entfaltungsschutzes als eine eigenständige Fallgruppe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu behandeln, ist jedoch abzulehnen.99 Damit würde der Unterschied zwischen Freiheits- und 95 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 59; vgl. auch Bornkamm, Pressefreiheit und Fairneß des Strafverfahrens, 1980, S. 254 ff.; Bornkamm, NStZ 1983, 104 f. 96 Für das Verfassungsrecht siehe C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 59; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 591; Stürner, JZ 1980, 3. Das Bundesverfassungsgericht hält Verfassungsbeschwerden zwar auch bei einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung für zulässig, stützt sie aber auf Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, BVerfG NJW 2002, 3231 (3231). Für das Zivilrecht siehe OLG Braunschweig AfP 1981, 292 (292); OLG Köln AfP 1985, 293 (295); OLG Köln NJW 1987, 2682 (2683 f.); OLG Brandenburg AfP 1995, 520 (522); Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 46; Branahl, Medienrecht, 4. Aufl. 2002, S. 187; dagegen aber Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.33. 97 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 3 Rn. 81; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 239. 98 BAG NJW 1990, 65 (65); BAG NJW 1996, 2529 (2533); vgl. auch BVerfG NJW 1994, 647 (648). Zugleich wird darin eine Verletzung der in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG enthaltenen „Würde als Person“ gesehen, BAG NJW 1990, 65 (65). Doch führt das zu weit. Der Menschenwürdekern wird durch eine bloße Diskriminierung noch nicht tangiert. Hier mangelt es regelmäßig an der erforderlichen Schwere des Eingriffs. 99 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 669 f.; Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 122.

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Gleichheitsrechten eingeebnet. Zudem bestünde die Gefahr einer Aushöhlung der Privatautonomie, da diese Ansicht aufgrund des (mittelbaren) Grundrechtseinflusses im Zivilrecht100 letztlich zu einem Zwang Privater führen würde, ausnahmslos bzw. stets nach sachangemessenen Maßstäben zu urteilen.101 Die unzulässige Diskriminierung bildet daher lediglich einen Abwägungsfaktor bei der Frage der Verletzung anderer Persönlichkeitsbelange, wie dem Recht der persönlichen Ehre.102 Schutzlücken ergeben sich daraus nicht. Denn auch mit der hier vertretenen Ansicht lassen sich die Fälle zufriedenstellend lösen, die als Beispiele für einen selbständigen Diskriminierungsschutz genannt werden:103 So liegt in der diskriminierenden Weigerung, einen Gast in einem Lokal wegen seiner Hautfarbe zu bedienen, eine Beeinträchtigung seines personalen Achtungsanspruchs und damit seiner Ehre.

2. Der persönliche Schutzbereich Das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht allen natürlichen Personen zu, unabhängig von Lebensalter, Geisteszustand und Nationalität.104 Ob sich neben natürlichen Personen auch inländische juristische Personen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen können, richtet sich nach Art. 19 Abs. 3 GG, also danach, ob das Grundrecht wesensmäßig auf sie anwendbar ist. Der Bundesgerichtshof läßt schon seit längerer Zeit juristischen Personen unter gewissen Voraussetzungen den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zukommen.105 Doch hilft das bei der Problemlösung nicht weiter, da das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht nicht mit dem verfassungsrechtlichen identisch sein muß.106 Gegen die Anerkennung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts für juristische Personen wird insbesondere die (Mit-)Prägung dieses Rechts durch die in Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Menschenwürde angeführt, die juristischen Personen nicht Siehe dazu sogleich ausführlich Teil 3 C II. Ähnlich Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 122 für das privatrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht und Scholz, Gem. Anm. zu BAG AP § 611a BGB Nr. 5 und Nr. 6, Bl. 1123 f. 102 Vgl. BVerfGE 93, 266 (304). So im Ergebnis auch Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 670; Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 61, 122. Die Rechtsprechung sollte daher, sofern man ihr überhaupt folgt, zumindest nicht ausgedehnt werden. 103 Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 243; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 239. 104 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 2 I Rn. 55; Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 15. Der postmortale Persönlichkeitsschutz, der sich verfassungsrechtlich allein auf Art. 1 Abs. 1 GG stützt, BVerfGE 30, 173 (194, 196), ist nicht Gegenstand der Untersuchung, siehe Teil 2 A. 105 BGHZ 98, 94 (97 f.); BGHZ 78, 24 (25 f.). 106 Jarass, NJW 1989, 860. 100 101

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zukomme.107 Dieser Ansicht ist zuzugeben, daß eine pauschale Anwendung aller Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf juristische Personen wegen des Menschenwürdebezugs ausgeschlossen ist.108 Doch lassen sich gewisse Inhalte wie der soziale Achtungsanspruch sinnvoll auf sie übertragen.109 Daher ist in engen Grenzen auch ein allgemeines Persönlichkeitsrecht juristischer Personen anzuerkennen, solange dafür allein Art. 2 Abs. 1 GG herangezogen wird.110

III. Die Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 1. Die Schranken im allgemeinen Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht absolut geschützt. Als gemeinschaftsbezogenes und gemeinschaftsgebundenes Wesen muß der Mensch vielmehr Einschränkungen dieses Rechts unter bestimmten, im folgenden zu erörternden Voraussetzungen hinnehmen.111 Das Bundesverfassungsgericht griff zur näheren Bestimmung der Schranken zunächst auf die Prinzipien zurück, die es zur Rechtfertigung von Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit auf der Grundlage des Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG entwickelt hatte.112 Heute beruft es sich dagegen auf die in der Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Schranken der „verfassungsmäßigen Ordnung“ im Sinne der verfassungsmäßigen Rechtsordnung oder auf die „Rechte anderer“.113 Im Vergleich mit der allgemeinen Handlungsfreiheit sind die Rechtfertigungsanforderungen aufgrund des Einflusses des Art. 1 Abs. 1 GG jedoch erhöht:114 Es ist eine gesetzliche Grundlage mit einem relativ hohen Bestimmtheitsgrad erforderlich,115 und der Eingriff muß prinzipiell unter strikter 107 Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 39; Jarass, NJW 1989, 860. 108 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 2 I Rn. 56. 109 BVerwGE 82, 76 (78) für Personenvereinigungen mit ideeller Zielsetzung; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 77. 110 So nun auch das Bundesverfassungsgericht für das Recht am eigenen Wort. Allerdings betont das Gericht ausdrücklich, daß damit keine abschließende und umfassende Klärung des Problems verbunden ist, BVerfGE 106, 28 (42 ff.). Vgl. dazu auch Sachs, JuS 2003, 393. Aus der Literatur siehe Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 77; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 2 I Rn. 56; Degenhart, JuS 1992, 368; Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 224; i.E. auch Bethge, UFITA Bd. 95 (1983), S. 267. 111 BVerfGE 27, 344 (351). 112 BVerfGE 27, 344 (351); BVerfGE 32, 373 (379); v. Arnauld, ZUM 1996, 288. 113 BVerfGE 78, 77 (85); BVerfGE 97, 228 (269); BVerfG NJW 2003, 1856 (1856). 114 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 2 Rn. 46; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 2 I Rn. 59. 115 Doch muß es sich nicht notwendig um ein förmliches Gesetz handeln, BVerfG NJW 2001, 879 (880). A.A. Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 42.

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Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgen.116 In zwei Bereichen sind zusätzlich gewisse Modifikationen zu beachten, nämlich bei Eingriffen in den privaten Lebensbereich und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

2. Besonderheiten bei Eingriffen in den privaten Lebensbereich Der schützenswerte private Lebensbereich kann wegen der Doppelnatur des Menschen als Intim- und Sozialperson nicht allein statisch im Hinblick auf den Betroffenen erfaßt werden, sondern ist dynamisch in bezug auf Dritte zu bestimmen.117 Das Schutzbedürfnis variiert daher je nach dem Lebenssachverhalt, in den eingegriffen wird. Um dem Rechnung zu tragen, wurde die sogenannte Sphärentheorie118 entwickelt. Sie differenziert zwischen verschiedenen Sphären der Persönlichkeitsentfaltung, die unterschiedlich hohe Rechtfertigungsanforderungen an Eingriffe stellen.119 Irrelevant für die Anwendbarkeit der Sphärentheorie ist, ob neben dem Schutz des privaten Lebensbereichs noch andere Aspekte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts tangiert sind. Es wird also auch darauf zurückgegriffen, wenn z. B. zusätzlich das Recht am eigenen Wort betroffen ist.120 In der Regel erfolgt eine Unterteilung in Sozialsphäre, Privatsphäre und Intimsphäre:121 Die Sozialsphäre erfaßt das Individuum, soweit es in Beziehung zur Außenwelt tritt. Dazu zählt ganz allgemein das öffentliche Wirken des einzelnen, z. B. im Beruf.122 In diesem Öffentlichkeitsbereich kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht allenfalls geringfügig beeinträchtigt werden; unter Umständen ist nicht einmal der Schutzbereich tangiert. Aufgrund der geringen Eingriffsintensität bestehen hier im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die geringsten Anforderungen.123 Die Privatsphäre umschreibt den Bereich des Privatlebens des einzelnen, in den die Öffentlichkeit nicht unmittelbar Einblick nehmen kann, und betrifft damit vor 116 BVerfGE 78, 77 (85); BVerfGE 84, 239 (279 f.); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 2 Rn. 45 f. 117 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 30. 118 Die Sphärentheorie geht zurück auf Hubmann, JZ 1957, 524 ff.; vgl. auch Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 1967, S. 268 ff. 119 Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 104. 120 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 167, 198. 121 Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 64. Terminologie und Sphärenbildung werden jedoch nicht einheitlich gehandhabt, vgl. z. B. die Einteilung bei Degenhart, JuS 1992, 363 f. Zur Sphärentheorie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. BVerfGE 27, 344 (350); BVerfGE 34, 238 (245 f.); BVerfGE 54, 148 (154); BVerfG NJW 2002, 3767 (3768); BVerfG NJW 2003, 1109 (1110); Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 41. 122 BVerfG NJW 2003, 1109 (1110); Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 64. 123 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 160. Nach Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 104 gelten hier die gleichen Rechtfertigungskriterien wie für Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit.

A. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

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allem das familiäre Umfeld.124 Ein Eingriff ist hier nur unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig, d. h. das Geheimhaltungsinteresse tritt regelmäßig nur bei überwiegenden Belangen des Gemeinwohls zurück.125 Die dritte Sphäre, die sogenannte Intimsphäre, stellt den letzten, unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung dar.126 Sie erfaßt vor allem die innere Gedanken- und Gefühlswelt127 und ist als Kernbereich der Persönlichkeit absolut geschützt, d. h. Eingriffe in diese Sphäre sind unter keinen Umständen zu rechtfertigen.128 Dies resultiert einerseits aus der Wesensgehaltsgarantie, Art. 19 Abs. 2 GG, zum anderen daraus, daß der Persönlichkeitskern durch die unantastbare Menschenwürde gewährleistet wird.129 Allerdings führt eine strikte Auslegung dazu, daß Sachverhalte selten dieser Sphäre zugeordnet werden. Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Abgrenzung zwischen absolut geschützter Intimsphäre und relativ geschützter Privatsphäre nicht allein nach formellen, sondern auch nach materiellen Kriterien vor, unter anderem danach, ob es sich um Inhalte höchstpersönlichen Charakters handelt und von welcher Art und Intensität die sozialen Bezüge sind. Zudem kann ein fehlender Geheimhaltungswille des Betroffenen die Berührung des Kernbereichs ausschließen.130 Daher fallen nicht einmal Informationen über den Gesundheitszustand und Tagebuchaufzeichnungen prinzipiell in die Intimsphäre.131 Die eben dargelegte Differenzierung zwischen Sozial-, Privat- und Intimsphäre wird von der Rechtsprechung jedoch nicht immer herangezogen.132 Insbesondere in jüngerer Zeit ist die Anwendung einer flexiblen „je-desto“-Formel zu beobachten: „Der Schutz ist um so intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen, die als unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung gegenüber aller staatlicher Gewalt Achtung und Schutz beansprucht“.133 Damit nähert sich das Bundesverfassungsgericht einer Ansicht in der Literatur an, die außerhalb des absolut geschützten Persönlichkeitskerns eine stufenlose Überprüfung des konkreten Falles nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz befürwortet, da die UnterScholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 64 f. BVerfGE 80, 367 (375); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 159; Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 41. 126 BVerfGE 34, 238 (245); BVerfGE 80, 367 (373); Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 41. 127 Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 65. 128 BVerfGE 34, 238 (245); BVerfGE 80, 367 (373); a.A. v. Arnauld, ZUM 1996, 291. 129 BVerfGE 80, 367 (373 f.). 130 BVerfGE 80, 367 (374); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 161. Kritisch dazu Degenhart, JuS 1992, 363, da der Kernbereich durch die wertende Abwägung an Kontur verliere. 131 BVerfGE 32, 373 (379); BVerfGE 80, 367 (374 f.); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 158. 132 Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 65. 133 BVerfGE 89, 69 (82 f.); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 2 I Rn. 60. 124 125

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teilung in Sphären wegen der Unmöglichkeit einer eindeutigen Abgrenzung unsinnig sei.134 Daran ist zutreffend, daß insbesondere in Grenzfällen erhebliche Abgrenzungsprobleme bestehen. Doch ist das im Recht nichts Ungewöhnliches.135 Im Regelfall liefern die Sphären jedoch zutreffende Anhaltspunkte für die rechtliche Beurteilung und tragen damit zur Berechenbarkeit gerichtlicher Entscheidungen bei – und das in höherem Maße, als wenn allein auf einen von der Stärke des Eingriffs abhängigen stufenlosen Schutz verwiesen wird.136 Natürlich darf man die Kategorisierungen nicht verabsolutieren. Wenn die Zuordnung zu einer Sphäre aber allein als Orientierungshilfe dient und die eigentliche Beurteilung anhand der Umstände des Einzelfalles erfolgt, ist gegen die Sphärentheorie nichts einzuwenden.137

3. Spezifika beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung Soweit es um den Schutz personenbezogener Informationen geht, also das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen ist, hat das Bundesverfassungsgericht sich von der Sphärentheorie distanziert.138 Es ist demzufolge irrelevant, aus welcher Sphäre die zu schützenden Informationen stammen. Denn ein für sich gesehen unbedeutsames Datum kann aufgrund des Verwendungszwecks und der Möglichkeiten der Datenverarbeitung und -verknüpfung einen neuen Stellenwert erhalten, so daß es im Ergebnis „kein ,belangloses‘ Datum“ mehr gibt.139 Daher werden an Informationseingriffe strenge Anforderungen gestellt.140 So muß der den Eingriff legitimierende Zweck hinreichend gesetzlich bestimmt sein, wobei sich die Anforderungen mit der Schwere der Beeinträchtigung erhöhen.141 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dann zu prüfen, ob der Eingriff im überwiegenden Allgemeininteresse hingenommen werden muß.142 Der Kernbereich der Persönlichkeit ist dabei auch hier absolut geschützt.143

134 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 2 Rn. 46 f.; Kunig, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 2 Rn. 41, 43. 135 v. Arnauld, ZUM 1996, 291. 136 Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 65; v. Arnauld, ZUM 1996, 291. 137 v. Arnauld, ZUM 1996, 291. 138 BVerfGE 65, 1 (45); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 377; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 106. 139 BVerfGE 65, 1 (45). 140 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 181; vgl. dazu ausführlich Schmitt Glaeser, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR VI, 2. Aufl. 2001, § 129 Rn. 102 ff. 141 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 182; vgl. z. B. BVerfGE 92, 191 (197 f.). 142 BVerfG NJW 2001, 879 (880); Kloepfer, 62. DJT, Bd. 1, 1998, S. D 49. 143 BVerfG NJW 2001, 879 (880).

B. Die Kommunikationsfreiheiten

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B. Die Kommunikationsfreiheiten144 Die in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Freiheitsrechte erfassen den gesamten Kommunikationsprozeß, reichen also von der Äußerung bestimmter Kommunikationsinhalte bis zu deren Empfang, wobei die Medien als Mittler und Faktor der Meinungsbildung fungieren.145 Sie gewährleisten die freie Meinungsbildung und -äußerung inklusive deren Voraussetzungen und sind daher für die freiheitlichdemokratische Grundordnung des Grundgesetzes schlechthin konstituierend.146 Doch darf das nicht zu einer Entsubjektivierung der in Art. 5 Abs. 1 GG enthaltenen Gewährleistungen führen.147 Dies würde schon der systematischen Stellung im ersten Abschnitt des Grundgesetzes, der die Grundrechte enthält, zuwiderlaufen.148 Ebensowenig ist wegen des Demokratiebezugs der Verbürgungen eine rein abwehrrechtliche Deutung geboten.149 Den Kommunikationsfreiheiten kommt also eine Doppelfunktion zu, die heute auch nicht mehr angezweifelt wird. Man geht davon aus, daß die subjektivrechtlichen und objektivrechtlichen Elemente sich gegenseitig bedingen und stützen, daß also keine der beiden Dimensionen die alleinige Geltung für sich reklamieren kann.150

144 Nicht näher eingegangen wird im folgenden auf die in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verbürgte Kunstfreiheit. Publikationen in der Presse, z. B. Karikaturen, können zwar durchaus auch dem verfassungsrechtlichen Kunstbegriff unterfallen, BVerfGE 75, 369 (377). Die Kunstfreiheit geht dann regelmäßig als lex specialis vor. Idealkonkurrenz kommt allenfalls bei satirischen Äußerungen in Betracht, Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 194. Doch auch wenn allein die Kunstfreiheit einschlägig ist, wird bei der hier in Frage stehenden Konstellation regelmäßig die Lösung ebenso lauten, als hätte man die Meinungs- oder Pressefreiheit mit den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG herangezogen. Denn die Kunstfreiheit ist zwar vorbehaltlos gewährleistet, unterliegt aber verfassungsimmanenten Schranken, zu denen auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, gehört, BVerfGE 30, 173 (193); BVerfGE 75, 369 (379); vgl. auch Henschel, NJW 1990, 1941 und Isensee, AfP 1993, 625 ff., insbesondere 628. 145 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 17 f. 146 BVerfGE 7, 198 (208) für die Meinungsfreiheit; BVerfGE 27, 71 (81 f.) für die Informationsfreiheit; BVerfGE 10, 118 (121) und BVerfG AfP 2003, 138 (146) für die Pressefreiheit; BVerfGE 35, 202 (221) und BVerfG AfP 2003, 138 (146) für die Rundfunkfreiheit. 147 So aber für die „öffentliche Meinungsfreiheit“ Ridder, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. 2, 2. Aufl. 1968, S. 249 ff., 269 ff.; wie hier auch Streinz, AfP 1997, 863. 148 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 6 f. 149 So noch Forsthoff, Der Verfassungsschutz der Zeitungspresse, 1969, S. 17 f.; dagegen Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 5 ff. 150 BVerfGE 7, 198 (204 f.); BVerfGE 57, 295 (320); Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 105 f.

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

I. Die für die Untersuchung relevanten Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 GG 1. Die Meinungsfreiheit a) Relevanz und Funktionen der Meinungsfreiheit Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, verkörpert als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, da es erst die ständige geistige Auseinandersetzung, also den Kampf der Meinungen, möglich macht. Es ist gewissermaßen die Basis jeder Freiheit.151 Entsprechend dieser Wertung wird die Meinungsfreiheit in einem doppelten Sinn verstanden, nämlich als subjektives Abwehrrecht und als objektives Prinzip der Gesamtrechtsordnung.152

b) Der sachliche Schutzbereich aa) Meinungen und Tatsachen Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG schützt nicht jede Art von Äußerungen, sondern nach seinem Wortlaut allein Meinungen. Es ist daher im folgenden zu prüfen, was unter den Meinungsbegriff im Sinne dieser Grundrechtsnorm fällt. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge sind Meinungen durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung geprägt.153 Charakteristisch für Meinungsäußerungen bzw. Werturteile ist die subjektive Beziehung zwischen dem einzelnen und dem Äußerungsgegenstand.154 Auf den Wert der Aussage, ihre Richtigkeit oder Vernünftigkeit kommt es nicht an.155 Bei Tatsachenbehauptungen steht hingegen die objektive Beziehung zwischen der Aussage und der Realität im Vordergrund. Sie sind anders als Meinungsäußerungen daher dem Beweis zugänglich.156 Angesichts des Wortlauts des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und der Unterscheidbarkeit von Tatsachen und Meinungsäußerungen könnte man daran zweifeln, daß Tatsachenbehauptungen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG fallen. Doch hat schon die Entscheidung über Ort, Zeit BVerfGE 7, 198 (208); vgl. auch Bethge, DVBl. 1983, 369. Ossenbühl, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 75 f.; siehe die Einleitung zu Teil 3 B. 153 BVerfGE 61, 1 (8); Grimm, NJW 1995, 1968. 154 BVerfGE 90, 241 (247). 155 BVerfGE 61, 1 (8). Daher verbietet sich auch eine Differenzierung zwischen Meinungsäußerungen zu ideellen und kommerziellen Zwecken, so daß auch Wirtschaftswerbung erfaßt ist, wenn sie der Meinungsbildung dient, BVerfGE 102, 347 (359); Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 84. 156 BVerfGE 90, 241 (247); Ossenbühl, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 81. 151 152

B. Die Kommunikationsfreiheiten

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sowie Art und Weise einer Tatsachenäußerung wertende Qualität.157 Daher kann ihnen der Schutz durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht vollständig verwehrt werden. Teilweise wird aufgrund der mit den Tatsachenbehauptungen einhergehenden Wertungen eine Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen sogar für gänzlich unmöglich gehalten, d. h. auch die Mitteilung und Weitergabe von Nachrichten werden als von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt angesehen.158 Doch ist die Unterscheidung sowohl im Schutzbereich als auch auf der Schrankenebene aufrechtzuerhalten, da beiden ein unterschiedliches Gefährdungspotential innewohnt: Bei Werturteilen erkennt der Rezipient, daß sie die persönliche Ansicht des Äußernden wiedergeben. Tatsachenbehauptungen hingegen treten mit dem Anspruch auf objektive Wahrheit auf, so daß der Empfänger in eine Akzeptanzsituation gerät, die ihm die kritische Distanz zur Äußerung erschwert.159 Tatsachenbehauptungen nehmen daher zwar am Schutz der Meinungsfreiheit teil, allerdings nur insoweit, als sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind.160 Das gilt allerdings grundsätzlich nicht für unwahre Tatsachenbehauptungen, da diese die Meinungsbildung fehlleiten.161 Ein gänzlicher Ausschluß vom Schutzbereich würde jedoch zu weit führen,162 denn im Kommunikationsprozeß stellen sich Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsachenäußerung häufig erst später heraus. Irrtümer sind oft nicht vermeidbar.163 Daher fallen allein bewußt oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen nicht mehr in den Schutzbereich. Im übrigen wird der Wahrheitsgehalt erst bei der Abwägung relevant.164 Da die Differenzierung zwischen Tatsachen und Werturteilen nach den gerade erfolgten Darlegungen nicht aufgegeben werden darf, stellt sich jedoch die Frage der Grenzziehung, insbesondere bei Mischäußerungen, also wenn sich wertende und tatsächliche Elemente vermengen. Sofern eine derartige Aussage durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird man sie als Meinungsäußerung einstufen und schützen müssen. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Bestandteile den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als maßgeblich angesehen, so würde der grundrechtliche Schutz Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 553. Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 51, 55. 159 Grimm, NJW 1995, 1702; Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 85. 160 BVerfGE 61, 1 (8); Grimm, NJW 1995, 1699; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 27. 161 Schmitt Glaeser, JZ 1983, 97; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 5 I, II Rn. 47; a.A. Schmidt-Jortzig, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR VI, 2. Aufl. 2001, § 141 Rn. 20. 162 So aber Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 86, 108 f.; Schmitt Glaeser, JZ 1983, 97. 163 Grimm, NJW 1995, 1699. 164 BVerfGE 61, 1 (8); BVerfGE 99, 185 (197); BVerfG NJW-RR 2000, 1209 (1210). 157 158

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der Meinungsfreiheit unter Umständen wesentlich verkürzt.165 Auch in Zweifelsfällen ist im Hinblick auf die Bedeutung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG von einem Werturteil auszugehen.166 bb) Die rechtliche Behandlung von Fragen Echte Fragen zielen auf Antworten und können daher selbst weder wahr oder unwahr noch richtig oder falsch sein. Sie sind also keine Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen, sondern bilden eine eigene semantische Kategorie.167 Dennoch fallen echte Fragen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Denn sie lenken die Aufmerksamkeit auf Probleme und rufen Antworten hervor, womit sie einen bedeutenden Beitrag zur Meinungsbildung leisten.168 Rhetorische Fragen sind im Gegensatz dazu nicht auf eine Antwort gerichtet. Sie enthalten selbst Aussagen, also Tatsachenbehauptungen oder Werturteile, die lediglich in einen Fragesatz gekleidet sind, und müssen entsprechend rechtlich behandelt werden.169 Falls eine Abgrenzung zwischen rhetorischen und echten Fragen erforderlich wird, ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes bei Zweifelsfällen von einem weiten Fragenbegriff auszugehen.170 cc) Gewährleistungsumfang171 Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet die Äußerung und Verbreitung von Meinungen in Wort, Schrift und Bild, also jede Art der Artikulation und Übermittlung von 165 BVerfGE 85, 1 (15 f.); BVerfGE 90, 241 (248); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 29. Ein Beispiel für die Trennbarkeit von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen findet sich in BVerfG NJW 2003, 1109 (1109). Im Zivilrecht wird die Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen anhand stärker ausdifferenzierter Abgrenzungskriterien vorgenommen, vgl. z. B. Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 4.42 ff.; Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 443 ff. Die Begrifflichkeiten werden aber i.E. dennoch identisch ausgelegt, vgl. Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 73. 166 Heselhaus, NVwZ 1992, 742 unter Berufung auf BVerfGE 61, 1 (9); Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2468 unter Berufung auf BVerfG NJW 1992, 1439 (1440); einschränkend Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 115, nach dem die Zweifelsregelung nur im Fall politischer Auseinandersetzungen eingreift; so wohl auch OVG Münster NJW 1983, 2402 (2403); kritisch Ladeur, Publizistik Bd. 45 (2000), S. 453 f. 167 BVerfGE 85, 23 (31 f.); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 247; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 30. 168 BVerfGE 85, 23 (31); Grimm, NJW 1995, 1700. 169 BVerfGE 85, 23 (32); Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 90. 170 BVerfG NJW 2003, 660 (661). 171 Im folgenden wird nur die positive Meinungsfreiheit behandelt. Die negative Meinungsfreiheit spielt für das Thema keine Rolle, so daß sich Ausführungen hierzu erübrigen.

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Ansichten.172 Diese Aufzählung ist allerdings nur beispielhaft zu verstehen, d. h. andere Modalitäten, insbesondere neue Kommunikationsformen, sind vom Schutz nicht ausgeschlossen.173 Als unerläßliche Voraussetzung der Äußerungsfreiheit wird zudem die Meinungsbildungsfreiheit verbürgt, sofern sie sich nicht allein im forum internum abspielt.174 Zudem erstreckt sich der Gewährleistungsumfang der Meinungsfreiheit auf den Empfang der Aussage durch den Adressaten. Allerdings gilt dies nur für den Kommunikator; für den Rezipienten ist allein die Informationsfreiheit, die ebenfalls von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG verbürgt wird, einschlägig.175 Der Grundrechtsschutz bezieht sich dabei nicht nur auf den Inhalt von Aussagen, sondern auch auf ihre Form, d. h. polemische und verletzende Formulierungen werden ebenso erfaßt wie abgewogene Äußerungen.176 Andernfalls würde man der öffentlichen Gewalt eine Definitionskompetenz einräumen und damit die Macht, unerwünschte Ansichten und Äußerungsformen von vornherein aus dem Schutzbereich auszunehmen.177 Der Betroffene soll außerdem Zeit und Ort seiner Äußerung frei bestimmen können. Das gibt ihm die Möglichkeit, diejenigen Bedingungen für seine Meinungskundgabe zu wählen, die seiner Ansicht nach den größten Effekt versprechen.178 Hingegen werden außerargumentative Druckmittel, z. B. Gewalt oder Boykottaufrufe, die mit wirtschaftlichen Pressionen verbunden sind, nicht mehr vom Schutzbereich erfaßt.179 Die Anwendung derartiger Mittel schafft nämlich keine Kommunikation, sondern verhindert sie.180 Ebensowenig greift Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ein, wenn eine Meinungsäußerung durch Dritte verfälscht wird oder wenn dem Betroffenen Aussagen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat. In diesen Fällen ist allein das allgemeine Persönlichkeitsrecht tangiert.181

Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 44 f. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 7; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 45. 174 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 37. 175 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 558. 176 BVerfGE 54, 129 (138 f.); BVerfGE 60, 234 (242); anders noch BVerfGE 42, 143 (149 f.). 177 Grimm, NJW 1995, 1698. 178 BVerfGE 93, 266 (289). 179 BVerfGE 25, 256 (265); Grimm, NJW 1995, 1699; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 33; a.A. für den unzulässigen Boykottaufruf Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 38. 180 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 34. 181 BVerfGE 54, 148 (152 f.). 172 173

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c) Grundrechtsträger Auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG können sich sowohl natürliche als auch juristische Personen berufen, letztere jedoch allein, wenn die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 3 GG erfüllt sind.182 2. Die Pressefreiheit a) Bedeutung und Funktionen der Pressefreiheit Zur Bedeutung und Funktion der Presse hat das Bundesverfassungsgericht folgendes ausgeführt: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion im Gang ( . . . ). In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung.“183

Dieser Funktionsbeschreibung der Presse korrespondiert ihre verfassungsrechtliche Stellung: Die Pressefreiheit gewährleistet nicht nur ein subjektives Abwehrrecht, sondern besitzt auch eine objektivrechtliche Komponente. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert das Institut „Freie Presse“, das eine Vielzahl von Strukturprinzipien verbürgt.184 Dazu gehören unter anderem die privatwirtschaftliche und privatrechtliche Ausrichtung der Presse,185 die Staatsfreiheit186 und der Tendenzschutz187. 182 Vgl. dazu Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 164 ff. Ausländische juristische Personen können sich wegen Art. 19 Abs. 3 GG an sich nicht auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Für EG-ausländische juristische Personen des Privatrechts sind allerdings das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG sowie die besonderen Diskriminierungsverbote der Grundfreiheiten zu beachten. Diese Vorschriften gebieten eine Gleichstellung mit deutschen juristischen Personen. Daher wird teilweise vertreten, daß auch EG-ausländische juristische Personen sich auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen können, Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 78. Nach anderer Ansicht ist in einem solchen Fall Art. 2 Abs. 1 GG dahingehend auszulegen, daß er EG-Ausländern einen gleichwertigen Schutz verbürgt, Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 117; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Vorb. Rn. 75. 183 BVerfGE 20, 162 (174 f.). 184 BVerfGE 20, 162 (175); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 71 f.; Bethge, in: Horn (Hrsg.), FS Schmitt Glaeser, 2003, S. 473; a.A. Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 72. 185 BVerfGE 20, 162 (175). 186 BVerfGE 12, 205 (260); BVerfGE 80, 124 (133 f.); E. Klein, DÖV 1999, 758. 187 BVerfGE 52, 283 (296).

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Allerdings darf man die Institutsgarantie nicht dazu nutzen, einer Systemänderung das Wort zu reden. Die Entwicklung eines Pressemodells, das die privatwirtschaftliche und privatrechtliche Struktur der Printmedien zur Disposition stellt und bei Verfehlung der gesetzlichen Zielvorgaben eine Ausgestaltungsordnung wie beim Rundfunk vorsieht,188 kann nicht auf die Institutsgarantie gestützt werden.189 Der Gesetzgeber hat zwar die Funktionsbedingungen eines freien Pressewesens zu gewährleisten. Ihm obliegt also insoweit eine Schutzpflicht.190 Doch stellen sich entsprechende Maßnahmen nicht als Ausgestaltungsregelungen,191 sondern als Eingriffe dar, die sich an den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen müssen.192 Ähnliche Probleme stellen sich, wenn von der „öffentlichen Aufgabe“193 der Presse die Rede ist. Aus dem Begriff können keine Sonderrechte und -pflichten der Printmedien hergeleitet werden,194 da dies eine Quelle nicht berechenbarer Freiheitsbeschränkungen bedeuten würde.195 Der Ausdruck stellt allein ein „Gemisch aus Realitätsbeschreibung und ethischen Forderungen bezogen auf die Funktionsfähigkeit der Demokratie“196 dar. Ebenfalls abzulehnen ist die Bezeichnung der Presse als „vierte Gewalt“197. Der Presse kommt zwar eine politische Funktion zu, doch läßt sich die durch die Institutsgarantie verbürgte Privattätigkeit nicht mit einer Stellung als vierte Staatsgewalt vereinbaren.198

So Hoffmann-Riem, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 175. Bullinger, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR VI, 2. Aufl. 2001, § 142 Rn. 66. 190 BVerfGE 80, 124 (133). 191 So im Bereich des Tendenzschutzes aber BVerfGE 52, 283 (299); BVerfG NJW 2000, 1711 (1712). 192 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 73; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 86; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 388 f., 395. 193 BVerfGE 20, 162 (175). Vgl. auch die einschlägigen Vorschriften in den Landespressegesetzen: § 3 LPrG [BW]; Art. 3 Abs. 1 BayPrG; § 3 Abs. 1 BerlPrG; § 3 BbgPG; § 3 BremPrG; § 3 HmbPrG; § 3 LPrG M-V; § 3 NdsPrG; § 3 LPrG NRW; § 3 RhPfPrG; § 4 SMG; § 3 SächsPresseG; § 3 SachsAnhPrG; § 3 SHPrG; § 3 TPG. Im HPresseG fehlt eine entsprechende Bestimmung. 194 So aber Bullinger, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 3 Rn. 21 ff. 195 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 73; Streinz, AfP 1997, 863 f.; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 122; vgl. auch Bethge, DVBl. 1983, 371. 196 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 74. 197 So aber Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 3 Rn. 25, allerdings betonend, daß es sich dabei nur um eine faktische politische Funktion der Presse handle. 198 Streinz, AfP 1997, 869; Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 62 f.; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 67. 188 189

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b) Sachlicher Schutzbereich aa) Der Pressebegriff Unter Presse versteht man alle zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckwerke und Informationsträger, die nicht unter den Film- und Rundfunkbegriff fallen.199 Der Begriff ist weit und formal auszulegen,200 denn ein Abstellen auf inhaltliche Gesichtspunkte, wie Seriosität oder Qualität eines Presseprodukts, liefe auf eine Zensur hinaus.201 Wie schon die Ableitung des Pressebegriffs vom Wort pressen (= drucken) ergibt, ist allein die Herstellungs- und Vervielfältigungsmethode für die Einordnung maßgebend.202 Es kommt also weder auf Form, Anzahl noch auf Erscheinungsmodalitäten an.203 Das bedeutet allerdings keine Begrenzung auf Produkte, die mittels drucktechnischer Vervielfältigung hergestellt werden. Angesichts der zunehmenden Ersetzung von „klassischen“ Presseprodukten durch Datenträger ist der Pressebegriff entwicklungsoffen dahingehend auszulegen, daß auch andere Vervielfältigungstechniken dem Pressebegriff genügen, wenn die zu verbreitenden, vervielfältigten Informationen eine stoffliche Verkörperung erhalten.204 Daher werden neben Periodika z. B. auch CD-ROMs, Videokassetten205 oder Disketten als Presseerzeugnisse angesehen.206 Schwierige Abgrenzungsfragen wirft die Einordnung der neuen Massenkommunikationstechniken auf. Teilweise wird dafür plädiert, Online-Angebote, die in Funktion und Struktur der herkömmlichen Presse nahekommen, dem Pressebegriff 199 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 59. 200 BVerfGE 66, 116 (134). Die Definition von Druckwerken in den Landespressegesetzen wird der Weite des verfassungsrechtlichen Pressebegriffs im wesentlichen gerecht, Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 59. So sind nach Art. 6 Abs. 1 BayPrG Druckwerke „alle mittels der Buchdruckerpresse oder eines sonstigen Vervielfältigungsverfahrens hergestellten und zur Verbreitung in der Öffentlichkeit bestimmten Schriften, bildlichen Darstellungen mit und ohne Schrift und Musikalien mit Text oder Erläuterungen.“ 201 BVerfGE 66, 116 (134); Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 60; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 128. 202 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 59; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 401. 203 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 132. 204 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 401 f. 205 Ob die Film- oder die Pressefreiheit einschlägig ist, richtet sich danach, ob ein chemisch-optischer oder digitaler Bild- und Tonträger in Filmtheatern o.ä. für die Öffentlichkeit abgespielt wird oder ob es sich um privat abgespielte Filme handelt. Während der erste Fall von der Filmfreiheit erfaßt wird, fällt der zweite unter die Pressefreiheit, Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 153; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 118. 206 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 68.

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zuzuordnen. Wegen der immer stärker voranschreitenden Konvergenz207 der Übertragungswege sei eine Abgrenzung der Medien anhand des Verbreitungswegs heute überholt.208 Diese funktionale Deutung des Pressebegriffs führt aber zu kaum überwindbaren Abgrenzungsproblemen, da in Online-Angeboten Texte, Töne und bewegte Bilder immer mehr miteinander verbunden werden.209 Daher sollte an dem klaren Differenzierungskriterium der stofflichen Verkörperung im Prinzip festgehalten werden. Wenn eine materiale Verfestigung der Informationen vorliegt, ist folglich die Pressefreiheit einschlägig. Dagegen greift die Rundfunkfreiheit ein, wenn eine Übertragung von Informationen mittels elektromagnetischer Schwingungen an die Allgemeinheit 210 erfolgt.211 Aus der Tatsache, daß die sogenannte „elektronische Presse“ nicht unter den Pressebegriff des Grundgesetzes fällt, läßt sich aber noch nicht folgern, daß sie nicht vom Schutzbereich der Pressefreiheit erfaßt werden kann. So fallen Programmzeitschriften öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten trotz der Erfüllung des Pressebegriffs nicht unter die Pressefreiheit, sondern als Hilfstätigkeiten unter die Rundfunkfreiheit.212 Entsprechend wird man akzessorische Online-Dienste von Presseunternehmen als ergänzenden Vertriebsweg der Pressefreiheit zuordnen müssen, obwohl sie den Rundfunkbegriff erfüllen.213

Zu diesem Begriff ausführlich Gounalakis, 64. DJT, Bd. 1, 2002, S. C 12 ff. Bullinger, in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, 2001, S. 202 f. Teilweise wird angesichts der zunehmenden Konvergenz der Medien noch weitergehend gefordert, die Differenzierung zwischen Presse, Rundfunk und Film in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vollständig aufzugeben und statt dessen ein einheitliches Grundrecht der Medienfreiheit anzunehmen, Hoffmann-Riem, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 138 f.; Fechner, Medienrecht, 4. Aufl. 2003, Rn. 146. Das Grundgesetz geht allerdings in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG von einer Funktionsteilung aus. Zudem unterscheiden sich die Strukturen der Medienfreiheiten. Daher dürfen die einzelnen Gewährleistungen nicht zugunsten einer diffusen allgemeinen Medienfreiheit aufgegeben werden, Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 118; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 20. 209 Gounalakis, 64. DJT, Bd. 1, 2002, S. C 60. 210 Wenn die Übermittlung nicht an die Allgemeinheit gerichtet ist, handelt es sich um Individualkommunikation, die von der allgemeinen Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, erfaßt wird, Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 410 f. 211 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 73a; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 410; Jarass, AfP 1998, 136 f.; SchulzeFielitz, AfP 1998, 452; Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 S. 2 GG, 2002, S. 60. 212 BVerfGE 83, 238 (312 f.); vgl. dazu auch Bethge, DVBl. 1986, 868. 213 Schulze-Fielitz, AfP 1998, 453; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 415; Eberle, CR 1996, 196 f.; a.M. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 88 mit Fn. 273 und Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 S. 2 GG, 2002, S. 242 ff.; kritisch auch Gounalakis, ZUM 2003, 181 f. 207 208

7 Schwetzler

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

bb) Gewährleistungsumfang Die Pressefreiheit schützt alle mit der Pressearbeit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten von der Beschaffung der Informationen214 bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen.215 Sie gewährleistet die redaktionelle Arbeit, zu der unter anderem das Redaktionsgeheimnis216 zählt, die Entscheidung über den Inhalt des Produkts, die Gewichtung von Nachrichten und Kommentar sowie das Recht, Pressearchive anzulegen und zu nutzen.217 Daneben fallen auch funktionswichtige Hilfstätigkeiten in den Schutzbereich, wenn sie einen ausreichenden Inhaltsbezug aufweisen. Für presseinterne Hilfstätigkeiten ist dies wegen der organisatorischen Eingliederung in das Unternehmen regelmäßig zu bejahen, während presseexterne Hilfstätigkeiten grundsätzlich allein durch andere Grundrechte geschützt werden.218 Hinsichtlich der Verbreitung unwahrer Nachrichten kann auf die Ausführungen zur Meinungsfreiheit verwiesen werden: Sie fallen nicht in den Schutzbereich, wenn es sich um erwiesen oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptungen handelt.219 Ebensowenig ist die rechtswidrige Informationsbeschaffung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG erfaßt, d. h. Journalisten genießen insofern keine besonderen Rechte im Verhältnis zum Normalbürger.220 Die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen fällt hingegen in den Schutzbereich, da andernfalls die Kontrollaufgabe der Presse und der freie Informationsfluß beeinträchtigt würden. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Verbreitung im konkreten Fall erfolgt hier erst auf der Schrankenebene.221 214 Soweit es um die Beschaffung von Informationen geht, ist allein die Presse- bzw. die Rundfunkfreiheit einschlägig. Sie verdrängt die Informationsfreiheit, BVerfGE 91, 124 (134 f.); BVerfGE 97, 228 (267); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 63. Denn es liegt näher, die Informationsbeschaffung durch die Presse insgesamt dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zuzuordnen, als danach zu differenzieren, ob die Beschaffung unter Einsatz medienspezifischer Möglichkeiten wie Aufnahmegeräten erfolgt oder nicht und nur im erstgenannten Fall die Medienfreiheiten als einschlägig anzusehen, Hain, DÖV 2001, 590 f.; so nun aber BVerfGE 103, 44 (59 f.) und BVerfG NJW 2003, 500 (500); vgl. dazu auch Gostomzyk, JuS 2001, 228 f. 215 BVerfGE 10, 118 (121); BVerfGE 20, 162 (176); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 27. 216 BVerfGE 66, 116 (134). 217 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 84; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 64, 80; Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1987, S. 227. 218 BVerfGE 77, 346 (354); Streinz, AfP 1997, 860. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine selbständig ausgeübte, nicht die Produktion von Presseerzeugnissen betreffende Hilfstätigkeit typischerweise pressebezogen ist, in enger organisatorischer Bindung an die Presse erfolgt, für das Funktionieren einer freien Presse erforderlich ist und wenn sich die staatliche Regulierung dieser Tätigkeit zugleich einschränkend auf die Meinungsverbreitung auswirkt, z. B. im Falle des Presse-Grosso, BVerfGE 77, 346 (354). 219 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 66 f.; vgl. dazu auch ausführlich Franke, UFITA 2001 / II, S. 412 f. 220 BVerfGE 66, 116 (137); Streinz, AfP 1997, 859. 221 BVerfGE 66, 116 (137 f.); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 86.

B. Die Kommunikationsfreiheiten

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c) Persönlicher Schutzbereich Grundrechtsträger sind alle im Pressewesen tätigen natürlichen und juristischen Personen, letztere allerdings nur, wenn sie die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 3 GG erfüllen.222 Zum Kreis der Grundrechtsträger zählen z. B. Verleger, Journalisten, Redakteure, Drucker, Presse-Grossisten223 und Verlage224.225

d) Verhältnis zur Meinungsfreiheit226 Die Pressefreiheit ist mehr als nur ein Unterfall der Meinungsfreiheit, da sie die institutionelle Eigenständigkeit der Presse umfassend gewährleistet.227 Wenn Meinungsäußerungen pressespezifisch in Erscheinung treten, ist daher davon auszugehen, daß die Meinungsfreiheit regelmäßig von der Pressefreiheit konsumiert wird.228 Die beiden Grundrechte stehen insofern zueinander wie zwei sich überschneidende Kreise.229 Das Bundesverfassungsgericht nimmt heute jedoch an, daß Meinungsäußerungen, auch wenn sie in Presseerzeugnissen enthalten sind, allein unter Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG fallen. Die Pressefreiheit betreffe die einzelne Meinungsäußerungen übersteigende Bedeutung der Presse für die freie und öffentliche Meinungsbildung. Daher beziehe sich der Schutz von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vor allem auf die Anforderungen, die erfüllt sein müßten, damit die Presse ihre Aufgabe im Kommunikationsprozeß erfüllen könne. Der Schutzbereich der Pressefreiheit sei daher berührt, wenn es um die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion, um ein Presseerzeugnis selbst, um seine institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie um die Institution einer freien Presse überhaupt gehe. Handle es sich dagegen um die Frage, ob eine bestimmte Äußerung erlaubt gewesen sei oder nicht, insbesondere ob ein Dritter eine für ihn

Vgl. auch BVerfGE 20, 162 (175). BVerfGE 77, 346 (355). 224 BVerfGE 20, 162 (171). 225 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 570. 226 Hinsichtlich des Verhältnisses zur Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG, siehe Fn. 144 . Zu Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 und 2 GG besteht regelmäßig Idealkonkurrenz, Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 141 ff. mit Fn. 4; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 24; a.A. Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 940 f. 227 BVerfGE 10, 118 (121). 228 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 89; Streinz, AfP 1997, 859; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 111 Fn. 58; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 154; Lücke, Die „allgemeinen“ Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), 1998, S. 6 Fn. 33; Schmitt Glaeser, AöR Bd. 113 (1988), S. 58. 229 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 154. 222 223

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

nachteilige Äußerung hinzunehmen habe, sei ungeachtet des Verbreitungsmediums Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG einschlägig.230 Doch ist der erstgenannten Ansicht der Vorzug zu geben. Die Pressefreiheit wird durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG umfassend gewährleistet und verdrängt daher die Meinungsfreiheit, soweit sich die Schutzbereiche überschneiden.231 Nur bei Personen, die sich in der Presse äußern wollen, ohne selbst Presseangehörige zu sein, z. B. Leserbriefschreibern, ist auch nach der hier vertretenen Ansicht hinsichtlich des Grundrechtsschutzes zu differenzieren: Während die Verfasser derartiger Äußerungen die Meinungsfreiheit für sich beanspruchen können, ist für den Verleger die Pressefreiheit einschlägig.232

II. Die Schranken der Kommunikationsfreiheiten 1. Die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG a) Verhältnis der Schranken zueinander Die wichtigsten Schranken der in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Freiheiten finden sich in Art. 5 Abs. 2 GG. Es sind die Vorschriften der allgemeinen Gesetze, die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend233 und das Recht der persönlichen Ehre. Diese Schranken lassen sich nicht strikt voneinander trennen. Vielmehr muß man sie sich als drei überschneidende Kreise vorstellen, d. h. sie sind nebeneinander anwendbar.234

BVerfGE 85, 1 (12 f.); BVerfGE 86, 122 (128). Selbst wenn man der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts folgt, werden sich die Ergebnisse gleichen, da die Schranken- und Eingriffssituation in beiden Fällen identisch ist, Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 154a. 232 BVerfGE 102, 347 (359); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 24. 233 Auf die Schranke der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend wird im folgenden nicht näher eingegangen, da sie in erster Linie den Schutz Jugendlicher vor jugendgefährdenden Einflüssen bezweckt, also den Schutz Jugendlicher in ihrer Position als Medienkonsumenten betrifft, BVerfGE 30, 336 (347); Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 187. 234 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 244. Von den Schrankengesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zu unterscheiden sind die Regelungen zur Ausgestaltung eines Grundrechts, die insbesondere im Bereich der Rundfunkfreiheit relevant werden, Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 154. Sie stellen keinen Eingriff dar und sind daher nicht an Art. 5 Abs. 2 GG zu messen, wenn die Ausgestaltung zulässig erfolgt ist, Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Vorb. vor Art. 1 Rn. 34 und Art. 5 Rn. 44a. Da nach hier vertretener Ansicht eine Ausgestaltungsordnung im Rahmen der Pressefreiheit abzulehnen ist, siehe Teil 3 B I 2 a), wird diesbezüglich auf weitere Erörterungen verzichtet. 230 231

B. Die Kommunikationsfreiheiten

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b) Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze aa) Der Begriff der „allgemeinen Gesetze“ Wie die allgemeinen Gesetze zu definieren sind, war schon bei Art. 118 Abs. 1 S. 1 WRV, der Vorgängervorschrift des Art. 5 Abs. 2 GG, umstritten und hat bis heute noch keine abschließende Klärung gefunden.235 Einigkeit herrscht allein darüber, daß unter allgemeinen Gesetzen nicht generell-abstrakt formulierte Vorschriften zu verstehen sind. Denn bei dieser Interpretation hätte die Bestimmung keine eigenständige Bedeutung, da an eine Einzelperson zur Regelung eines Einzelfalles gerichtete Gesetze bereits durch Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG verboten sind. Zudem wären bei dieser Auslegung die beiden weiteren in Art. 5 Abs. 2 GG genannten Schranken überflüssig.236 Allgemeine Gesetze müssen daher eine bestimmte inhaltliche Qualität aufweisen.237 Nach einer Ansicht ist für allgemeine Gesetze charakteristisch, daß sie „nicht eine Meinung als solche verbieten, ( . . . ) sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten.“238 Sie normieren also kein „Sonderrecht gegen die Meinungsfreiheit“, indem sie nicht eine „an sich erlaubte Handlung allein wegen ihrer geistigen Zielrichtung und der dadurch hervorgerufenen schädlichen geistigen Wirkung verbieten oder beschränken.“239 Sie sind kommunikationsneutral.240 Dieser mit formalen Kriterien argumentierenden Sonderrechtslehre steht die eher auf materiale Gesichtspunkte abstellende Abwägungslehre gegenüber.241 Sie stuft Gesetze als allgemein ein, wenn das „von ihnen geschützte gesellschaftliche Gut wichtiger ist als die Meinungsfreiheit“.242 Das Bundesverfassungsgericht kombiniert seit dem Lüth-Urteil beide Ansätze, so daß nach seiner Definition solche Gesetze als allgemein anzusehen sind, die sich „,nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten‘, die vielmehr ,dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen‘, dem Schutz eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat“.243 Für die Pressefreiheit hat das Bundesverfassungsgericht die Formulierung dahingehend modifiziert, daß als allgemein diejenigen Gesetze gelten, „die sich nicht speziell gegen Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 142. Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 252 ff.; Franke, UFITA 2001 / II, S. 399. 237 Streinz, AfP 1997, 866. 238 Anschütz, VVDStRL 4 (1928), S. 75. 239 Häntzschel, in: Anschütz / Thoma (Hrsg.), HbDStR II, 1932, S. 659 f. Eine Variante der Sonderrechtslehre findet sich bei Rothenbücher, VVDStRL 4 (1928), S. 18 ff. 240 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 66. 241 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 5 I, II Rn. 108 ff. 242 Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 52; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), S. 81. 243 BVerfGE 7, 198 (209 f.). 235 236

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

die Presse, insbesondere nicht gegen die Beschaffung einer Information oder die Äußerung einer Meinung als solche richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Information oder Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen, eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Pressefreiheit den Vorrang genießt.“244 In neueren Entscheidungen fällt allerdings auf, daß das Bundesverfassungsgericht teilweise nur noch davon spricht, daß das Erfordernis der Allgemeinheit Sonderrecht gegen den Prozeß freier Meinungsbildung ausschließen soll245 und daß es die Abwägung erst im Rahmen der Schranken-Schranken vornimmt.246 Das Kriterium der Allgemeinheit in Art. 5 Abs. 2 GG als Verbot von Sonderrecht auszulegen, ist vorzugswürdig. Nur dann haben die Schranken der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre eine eigenständige Funktion, denn sie erlauben es, eben solches Sonderrecht gegen die in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Freiheiten zu erlassen.247 Zudem entspricht diese Auslegung eher der Systematik der Grundrechtsprüfung. Denn die Abwägung wird regelmäßig erst relevant, wenn es um die Zulässigkeit einer Regelung geht, die bereits den Anforderungen des Begrenzungsvorbehalts entspricht.248 Daher sind nach der hier vertretenen Ansicht formelle und materielle Gesetze249, die sich gegen bestimmte Kommunikationsinhalte richten, grundsätzlich nicht mehr als allgemein einzustufen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Bestimmungen das Rechtsgut auch gegen entsprechende Handlungen schützen, insbesondere indem sie das Verhalten unter Strafe stellen. Denn dann muß es auch zulässig sein, die Aufforderung, solche (strafbaren) Handlungen vorzunehmen, oder die verbale Billigung derartiger Handlungen zu sanktionieren.250 Soweit nicht die Meinungsfreiheit, sondern die Pressefreiheit einschlägig ist, hat das Gesetz zusätzlich zur sachlichen Allgemeinheit auch in persönlicher Hinsicht allgemein zu sein. Es darf sich daher auch nicht gegen bestimmte Presseunternehmen richten und kein Sonderrecht gegen die Presse enthalten.251 Problematisch ist BVerfGE 50, 234 (240 f.). BVerfGE 71, 206 (214); BVerfGE 93, 266 (291); BVerfGE 95, 220 (235 f.); anders aber in BVerfGE 97, 125 (146). 246 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 72; Lücke, Die „allgemeinen“ Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), 1998, S. 22 f.; Mackeprang, Ehrenschutz im Verfassungsstaat, 1990, S. 125 f.; Schmitt Glaeser, AöR Bd. 113 (1988), S. 90. 247 Streinz, AfP 1997, 866; B. Hoppe, JuS 1991, 736. 248 Schmidt-Jortzig, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR VI, 2. Aufl. 2001, § 141 Rn. 41. 249 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 5 I, II Rn. 106. 250 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 56; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 182 f., 186. 251 BVerfGE 21, 271 (280); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 144; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 559. Nach a.A. ist die personelle Allgemeinheit nicht von Art. 5 Abs. 2 GG erfaßt, Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 181. 244 245

B. Die Kommunikationsfreiheiten

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in diesem Zusammenhang die Einordnung des Gegendarstellungsanspruchs als allgemeinem Gesetz, da es sich eigentlich um „medienspezifisches Sonderrecht par excellence“ handelt.252 Dennoch sind die Gegendarstellungsvorschriften ebenfalls als allgemeine Gesetze einzustufen. Denn allgemeine Gesetze liegen auch dann vor, wenn sie durch die allgemeine Rechtsordnung begründete Pflichten auf die Presse übertragen, gegebenenfalls unter Anpassungen an die Besonderheiten des Pressewesens.253 Da die Gegendarstellungsvorschriften dem Schutz des jedem zukommenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber Beeinträchtigungen dienen, die durch die besonderen Wirkungsmöglichkeiten der Presse bedingt sind, fallen sie daher ebenfalls unter die allgemeinen Gesetze.254

bb) Die Wechselwirkungslehre Als allgemein qualifizierte Gesetze können allerdings die in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Gewährleistungen nicht beliebig einschränken. Sie müssen vielmehr „ihrerseits im Licht dieser Grundrechte gesehen werden“. Sie sind „aus der Erkenntnis der Bedeutung der Freiheit der Meinungsäußerung, der Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so in ihrer diese Grundrechte beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken“.255 Nach dieser sogenannten Wechselwirkungslehre bedarf es einer verfassungsmäßigen Zuordnung der durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheiten und der durch die allgemeinen Gesetze geschützten Rechtsgüter. Die Einschränkung der Kommunikationsfreiheiten muß geeignet und erforderlich sein, den Zielen des einschränkenden Gesetzes Rechnung zu tragen. Die erreichte Wirkung muß in angemessenem Verhältnis zu den Einbußen stehen, welche die Beschränkung für die in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Rechte bedeutet.256 Der Wechselwirkung ist auf normativer Ebene sowie auf der Ebene der Normanwendung Rechnung zu tragen.257 Sie stellt im Ergebnis nichts anderes als eine Spielart des Übermaßverbots dar258 und führt zu einem Ausgleich der kollidierenBethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 144. Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 560. 254 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 560; i.E. ebenso Kübler, AfP 1995, 629; Kübler, AfP 2002, 280; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 208; vgl. auch BVerfGE 63, 131 (142 ff.); BVerfGE 97, 125 (146 ff.); BVerfG AfP 1998, 500 (501); BVerfG NJW 2002, 356 (357); kritisch Lücke, Die „allgemeinen“ Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG), 1998, S. 10. 255 BVerfGE 71, 206 (214); vgl. auch BVerfGE 7, 198 (208); BVerfGE 66, 116 (150); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 57. 256 BVerfGE 59, 231 (265); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 145. 257 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 70, 173. 258 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 146. Nach a.A. kommt der Wechselwirkungslehre die gleiche Bedeutung zu wie dem Prinzip der verfassungskonformen Auslegung, Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 595. 252 253

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

den Rechtsgüter im Sinne praktischer Konkordanz, da keine der konfligierenden Positionen, auch nicht die Rechte aus Art. 5 Abs. 1 GG, Priorität genießt.259 Da diese Lehre auf der Normanwendungsebene eine Abwägung anhand der Umstände des Einzelfalles erfordert, ist sie teilweise scharfer Kritik ausgesetzt. Gegen sie werden insbesondere die Gesichtspunkte der mangelnden Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit staatlicher, insbesondere auch (verfassungs-)gerichtlicher Entscheidungen angeführt.260 Eine allgemeingültige Rangskala der geschützten Güter im Verhältnis zu den Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG existiert aber nicht.261 Daher ist eine Einzelfallabwägung weiterhin unverzichtbar.

c) Das Recht der persönlichen Ehre Dem Ehrenschutz kommt als Teilaspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Verfassungsrang zu.262 Die zusätzliche Nennung der Schranke neben den allgemeinen Gesetzen ermöglicht es, Sonderrecht gegen die Kommunikationsfreiheiten zu erlassen. Daher stellt das Recht der persönlichen Ehre keinen bloßen Unterfall der allgemeinen Gesetze dar.263 Eine Einschränkung der in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Gewährleistungen auf der Basis des Rechts der persönlichen Ehre bedarf jedoch trotz des Wortlauts und dem Vergleich mit den beiden anderen Schranken („allgemeine Gesetze“, „gesetzliche Bestimmungen“) einer gesetzlichen Normierung.264 Denn eine Grundrechtseinschränkung ohne normative Grundlage verletzt den Gesetzesvorbehalt und würde zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen.265 Die demzufolge erforderlichen gesetzlichen Konkretisierungen finden sich insbesondere in den Ehrenschutzvorschriften des Zivilrechts, vor allem den §§ 823 ff. BGB, und des Strafrechts, §§ 185 ff. StGB.266 Doch können diese Normen die Rechte des Art. 5 Abs. 1 GG nicht beliebig einschränken. Vielmehr ist auch hier die Wechselwirkungslehre zu beachten.267 259 Grimm, NJW 1995, 1702; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 68 ff. Nach a.A. ist die Wechselwirkungslehre nicht mit dem Prinzip der praktischen Konkordanz zu vereinbaren, Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 95. 260 Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5 Abs. I, II Rn. 260. 261 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 5 I, II Rn. 128; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 147b. 262 Siehe Teil 3 A II 1 b) bb). 263 Franke, UFITA 2001 / II, S. 408 m. w. N. 264 BVerfGE 33, 1 (16 f.); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 62; a.A. Franke, UFITA 2001 / II, S. 409. 265 Wendt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 5 Rn. 82. 266 Diese Vorschriften werden regelmäßig zugleich als allgemeine Gesetze eingeordnet, Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 162; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 168. 267 BVerfGE 42, 143 (150); Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 96.

B. Die Kommunikationsfreiheiten

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2. Verfassungsimmanente Schranken Zusätzliche Einschränkungsmöglichkeiten der in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechte ergeben sich aus kollidierendem Verfassungsrecht, also aus Grundrechten Dritter und sonstigen mit Verfassungsrang ausgestatteten Werten, wie Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 21 Abs. 2 GG.268 Dagegen wird teilweise eingewendet, daß bei schrankenbewehrten Freiheitsrechten die Kollisionsgefahren gesehen und entsprechende Eingriffsmöglichkeiten geschaffen worden seien, so daß für Überlegungen über kollidierendes Verfassungsrecht kein Anlaß bestehe.269 Dies würde aber dazu führen, daß vorbehaltlose Grundrechte stärker einschränkbar wären als die mit Vorbehalt gewährten Grundrechte.270 Daher sind immanente Schranken auch bei den Kommunikationsfreiheiten anzuerkennen, wenn sie gesetzlich konkretisiert wurden.271

III. Die Bedeutung des Zensurverbots Das in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG verankerte Zensurverbot bezieht sich auf sämtliche Gewährleistungen in Art. 5 Abs. 1 GG mit Ausnahme der Informationsfreiheit.272 Es ist kein eigenständiges Grundrecht, sondern stellt eine zusätzliche Schranken-Schranke dar. Nur so läßt sich die fehlende Einschränkbarkeit auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 2 GG, also seine absolute Wirkung begründen.273 Unter Zensur im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG versteht man jede einschränkende Maßnahme „vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt)“.274 Das Verbot derartiger Akte soll eine Lähmung des Geisteslebens verhindern.275 Dieser Zweck rechtfertigt es auch, 268 BVerfGE 66, 116 (136); BVerfGE 25, 44 (57); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Vorb. vor Art. 1 Rn. 45 ff., Art. 5 Rn. 65. 269 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 331; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 176 f. 270 Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 97; Lerche, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 122 Rn. 14. 271 Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 65. 272 BVerfGE 27, 88 (102); Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 157. 273 Franke, UFITA 2002 / I, S. 98 f. 274 BVerfGE 33, 52 (72). Sogenannter formeller Zensurbegriff im Gegensatz zum v.a. früher vertretenen materiellen Zensurbegriff, vgl. dazu Noltenius, Die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und das Zensurverbot des Grundgesetzes, 1958, S. 106 ff. sowie v. Hartlieb, in: Löffler (Hrsg.), Selbstkontrolle von Presse, Funk und Film, 1960, S. 14 ff. Gegen den materiellen Zensurbegriff die heute h.M., u. a. Bullinger, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 1 Rn. 130; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 918; Franke, UFITA 2002 / I, S. 93 f. m. w. N. 275 BVerfGE 33, 52 (72).

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

faktische Wirkungen, die einer Zensur gleichkommen, unter Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG zu fassen.276 Wie die eben genannte Definition zeigt, betrifft Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG allein die Vorzensur.277 Zwar kann eine sofort einsetzende Nachzensur in ihren Wirkungen einer Vorzensur gleichkommen,278 insbesondere, wenn man die heutigen technologischen Gegebenheiten berücksichtigt.279 Dennoch ist die Einbeziehung der Nachzensur in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG abzulehnen, da andernfalls die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG überflüssig würden.280 Den genannten Gefahren kann dadurch begegnet werden, daß die behördlichen Handlungs- und Sanktionsmöglichkeiten im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 GG entsprechend begrenzt werden.281 Adressat des Zensurverbots ist die öffentliche Gewalt, d. h. nichtstaatliche Maßnahmen und Akte von Trägern öffentlicher Gewalt, die vom Staat unabhängig sind, z. B. den Landesmedienanstalten, werden nicht erfaßt.282 Auch präventiv wirkende einstweilige Verfügungen in Pressesachen stellen keine Zensur dar. Sie werden zwar von einer staatlichen Stelle, einem Richter, erlassen, doch erfolgt dies auf Antrag von Privaten zur Sicherung ihrer Rechte.283 Teilweise wird diese restriktive Auslegung des Zensurverbots zwar kritisiert, da auch die Tätigkeit Privater zensurgleiche Wirkungen haben könne.284 Private Filterinstanzen stellen nach dieser Ansicht für die freie Kommunikation eine nahezu ebenso große Gefahr dar wie staatliche Maßnahmen.285 Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte286 und damit auch ihrer Schranken-Schranken ist aber abzulehnen.287 Gegen sie spricht schon der Wortlaut des Grundgesetzes. Denn Art. 1

276 BVerfGE 87, 209 (232 f.); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 605; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 135b. 277 BVerfGE 33, 52 (71 f.); ausführlich Franke, UFITA 2002 / I, S. 104 ff. m. w. N. 278 Meyding, Film u. R. 1982, 414. 279 Hoffmann-Riem, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 93. 280 BVerfGE 33, 52 (72); BVerfGE 73, 118 (166); Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 916; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 5 Rn. 63; a.A. Hoffmann-Riem, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 93; Suffert, Recht- und Verfassungsmäßigkeit freiwilliger Selbstkontrolle, 2002, S. 95 ff. 281 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 916; Hopf, ZUM 2000, 741. 282 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 161; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 133, 134b. 283 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 135a; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 161; Groß, DVP 1998, 139. 284 Noltenius, Die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und das Zensurverbot des Grundgesetzes, 1958, S. 131 f.; OLG Frankfurt NJW 1963, 112 (112). 285 Hoffmann-Riem, M&K 2002, 193 f.; Suffert, Recht- und Verfassungsmäßigkeit freiwilliger Selbstkontrolle, 2002, S. 90 f., 93 f. 286 So noch Nipperdey, DVBl. 1958, 447 f. und in jüngster Zeit Hager, JZ 1994, 383.

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Abs. 3 GG statuiert allein eine Grundrechtsbindung der Legislative, der Exekutive und der Judikative, nicht aber der Privatrechtssubjekte.288 Es bleibt daher bei der öffentlichen Gewalt als alleinigem Adressaten des Zensurverbots.

C. Relevanz der Grundrechte für die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten I. Problemstellung Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.289 Diese „klassische Grundrechtsfunktion“290 greift aber nicht ein, wenn sich zwei Privatrechtssubjekte als Grundrechtsträger gegenüberstehen, wie es auch in der vorliegend näher zu untersuchenden Konstellation der Fall ist: Auf der einen Seite befinden sich die von der Presseberichterstattung Betroffenen, die sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen können, und auf der anderen Seite stehen die Printmedien, die durch die Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, geschützt werden. Beiden Seiten ist es hier verwehrt, die ihnen zustehenden Grundrechte direkt gegeneinander geltend zu machen. Denn eine unmittelbare Drittwirkung291 der Grundrechte, nach der auch Private Grundrechtsadressaten sind,292 ist abzulehnen.293 Gegen sie spricht schon der Wortlaut des Grundgesetzes. Art. 1 Abs. 3 GG statuiert nämlich allein eine Grundrechtsbindung der Legislative, der Exekutive und der Judikative, nicht aber der Privatrechtssubjekte. 294 Zudem ordnet die Verfassung nur an wenigen Stellen eine unmittelbare Drittwirkung an, z. B. in Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, was im Gegenschluß nahelegt, daß die übrigen Bestimmungen des Grundgesetzes keine derartige Wirkung entfalten sollen.295 Auch eine Beschränkung der unmittelbaren Dritt287 BVerfGE 73, 261 (269); in BVerfGE 7, 198 (204 f.) noch offen gelassen; Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1553 ff.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 1 Rn. 24; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. C 23; Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 203 ff. jeweils m. w. N. 288 Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 204. 289 BVerfGE 7, 198 (204). 290 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 21. 291 Der Begriff wurde geprägt von H.-P. Ipsen, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. 2, 2. Aufl. 1968, S. 143, um die Problematik von der unstreitig im Staat-Bürger-Verhältnis bestehenden Geltung der Grundrechte abzugrenzen, Erichsen, Jura 1996, 528. 292 Nipperdey, DVBl. 1958, 447 f. Anfänglich so auch das Bundesarbeitsgericht, vgl. z. B. BAGE 1, 185 (193 f.); BAGE 4, 240 (243); in jüngster Zeit noch Hager, JZ 1994, 383. 293 Siehe bereits Teil 3 B III. 294 Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 204. 295 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 175.

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wirkung auf „soziale Gewalten“296 überzeugt nicht, da auch diese Kollektive selbst Grundrechtsträger sind.297 Doch selbst wenn eine unmittelbare Drittwirkung aus den genannten Gründen nicht angenommen werden kann, ist nicht zu bestreiten, daß die Grundrechte das Privatrecht wesentlich beeinflussen. Über das „Wie“, also die Art und Weise der Beeinflussung, herrscht jedoch keine Einigkeit.298 Die nachfolgende Untersuchung konzentriert sich daher zunächst auf die neben der abzulehnenden Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung existierenden Ansichten zur Wirkungsweise der Grundrechte in Gleichordnungsverhältnissen.299 Im Anschluß daran wird erörtert, unter welchen Voraussetzungen es zu Grundrechtskollisionen kommen kann und wie diese Konflikte aufzulösen sind.

II. Begründungsansätze für den Einfluß der Grundrechte auf das Privatrecht 1. Die etatistische Konvergenztheorie300 a) Grundlagen der etatistischen Konvergenztheorie Die etatistische Konvergenztheorie301 will die sogenannten Drittwirkungsfälle einer abwehrrechtlichen Lösung zuführen, indem sie Eingriffe302 Privater in grundrechtlich geschützte Positionen letztlich dem Staat als eigene Eingriffe zurechnet. Der Staat wirke durch Gesetze, gerichtliche Entscheidungen und vollstreckende Maßnahmen stets an der Beeinträchtigung mit. Wenn die öffentliche Gewalt private Eingriffe nicht verbiete, seien sie erlaubt und daher hinzunehmen. Eine handgreifliche Abwehr von Beeinträchtigungen durch den Betroffenen könne sogar bestraft werden. Der Staat ordne im Ergebnis eine Duldungspflicht des Betroffenen gegen private Eingriffe an und greife damit selbst in dessen Grundrechte ein.303 Daher So Gamillscheg, AcP Bd. 164 (1964), S. 407 ff. Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1595. 298 Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1530. 299 Das Lösungskonzept von Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 485 ff. wird allerdings nicht näher behandelt, da er die im folgenden erörterten Auffassungen kombiniert und daher relevante Unterschiede, die einer näheren Diskussion bedürfen, kaum ersichtlich sind, Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1559. 300 Bezeichnung nach Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 118. 301 Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 213 ff.; Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, 1971, S. 16 ff., 154 ff.; ähnlich Murswiek, NVwZ 1986, 611 f. 302 Der Terminus „Eingriff“ ist untechnisch zu verstehen, soweit es um Übergriffe Privater in Grundrechte Dritter geht. 303 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 118. 296 297

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würden die Grundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte aktiviert, so daß es eines Rückgriffs auf die Drittwirkungslehren nicht bedürfe.304 Die grundrechtlichen Schutzpflichten sind damit bei diesem Ansatz zwar nicht vollständig hinfällig, doch werden sie nur noch in den Fällen relevant, die nicht von der eben geschilderten abwehrrechtlichen Konstruktion erfaßt werden.305 b) Kritik Die etatistische Konvergenztheorie gründet auf der Prämisse, daß die grundrechtlichen Freiheiten nicht dem Staat als existent vorgegeben sind, sondern auf seiner Delegation basieren.306 Der Staat ist aber nicht der Schöpfer dieser Freiheit, sondern gestaltet sie lediglich aus.307 Andernfalls würde sich der Mensch in einem vollständig durchorganisierten hoheitlichen Regelungswerk wiederfinden und damit zu einer „Marionette“ der öffentlichen Gewalt werden.308 Der Mensch ist aber kraft seines Personseins und seiner Würde frei,309 so daß menschliche Verhaltensweisen außerhalb rechtlicher Regelung existieren müssen.310 Die Annahme einer alles umfassenden Rechtsordnung ignoriert den Unterschied zwischen dem staatlichen Verantwortungsbereich und dem des Individuums und verkennt damit die Bedeutung der Privatautonomie.311 Daher ist der etatistischen Konvergenztheorie nicht zu folgen. 2. Die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte a) Begründung und Inhalt der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte Die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte bezweckt „die Erhaltung der privatrechtlichen Eigenständigkeit durch die Bewahrung des Privatrechts vor Übernahme von Verfassungsrechtssätzen mit zwingender, nicht erst vom Privatrecht nach eigenen Sachgesetzen mediatisierter Wirkung.“312 Nach Vorarbeiten von Dürig313 hat das Bundesverfassungsgericht diesen Gedanken im LüthStern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1549. Siehe die Beispiele bei Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 219 f. 306 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 119. 307 Erichsen, Jura 1996, 529; Ipsen, JZ 1997, 476. 308 Erichsen, Jura 1996, 529. 309 Erichsen, Jura 1996, 529. 310 E. Klein, NJW 1989, 1639. 311 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 119 mit Fn. 296; Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 218 f. 312 Dürig, in: Maunz (Hrsg.), FS Nawiasky, 1956, S. 183. 313 Dürig, in: Maunz (Hrsg.), FS Nawiasky, 1956, S. 176 ff.; Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. III Rn. 131 [Stand: Oktober 2002]. 304 305

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Urteil314 aufgegriffen und in weiteren Entscheidungen315 fortentwickelt. Dem Gericht zufolge beinhaltet das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt nicht nur Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, sondern auch eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Rechtsgebiete316 gilt. Im Privatrecht entfalte sich dieser objektive Normgehalt durch das Medium der dort unmittelbar geltenden Vorschriften, wobei sich insbesondere317 die Generalklauseln, wie §§ 138, 242, 826 BGB, zur Verwirklichung der Ausstrahlungswirkung anböten.318 Doch läßt dieser Ansatz nicht den Schluß zu, daß im Privatrecht die Grundrechte generell nur mittelbare Wirkung entfalten. So ist der Gesetzgeber beim Erlaß privatrechtlicher Normen nicht nur mittelbar, sondern unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Das ergibt sich schon aus Art. 1 Abs. 3 GG, der bezüglich der Grundrechtsbindung keine Differenzierungen trifft.319 Auch die Rechtsprechung unterliegt nach Art. 1 Abs. 3 GG der unmittelbaren Grundrechtsbindung. Das legt den Schluß nahe, den Grundrechten auch bei der Entscheidung in der Sache unmittelbare Wirkung zuzuerkennen.320 Aus der Grundrechtsbindung der Gerichte gegenüber den Parteien ergibt sich aber nicht ohne weiteres eine Verpflichtung der rechtsprechenden Gewalt, Drittwirkung zu realisieren. Auf eine prägnante Formel gebracht hat das Gericht „die Grundrechte zu beachten, soweit sie gelten; nicht etwa gelten sie, weil ein Gericht entscheidet.“321 Maßgeblich ist also allein das zwi314 BVerfGE 7, 198 (204 ff.). In diesem Urteil wurde die Frage der Drittwirkung zwar ausdrücklich noch nicht abschließend entschieden, doch beendete die Entscheidung den Streit der Drittwirkungslehren zugunsten der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1532 f. 315 U.a. in BVerfGE 35, 202 (218 f.); BVerfGE 42, 143 (148); BVerfGE 54, 148 (151 ff.); BVerfGE 61, 1 (6). 316 Die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte beschränkt sich nicht auf das Privatrecht, sondern erstreckt sich auch auf das öffentliche Recht. Allerdings wird sie dort oft von der Abwehrfunktion verdrängt, Jarass, AöR Bd. 110 (1985), S. 378. 317 Teilweise wird eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte allein bei Generalklauseln oder unbestimmten (Rechts-)Begriffen angenommen, Hesse, Verfassungsrecht, 20. Aufl. 1995, Rn. 356. 318 Sie werden deshalb auch „Einbruchstellen“ der Grundrechte in das Privatrecht genannt, BVerfGE 7, 198 (204 f.); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 181. Diesem Ansatz ist nach anfänglichem Zögern auch der Bundesgerichtshof gefolgt, BGHZ 33, 145 (149 f.); BGHZ 45, 296 (307 f.); Classen, AöR Bd. 122 (1997), S. 68. Für eine unmittelbare Drittwirkung wohl noch BGHZ 13, 334 (338). 319 Vgl. u. a. BVerfGE 75, 201 (217 f.); Hager, JZ 1994, 374; Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 212 f.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Vorb. vor Art. 1 Rn. 14. Zu den Besonderheiten bei dispositiven Normen vgl. Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 178 und Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 213 ff. A.A. wohl Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Abs. I Rn. 506; dagegen wiederum Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 212; Hager, JZ 1994, 375. 320 So Hager, JZ 1994, 376 f. und die etatistische Konvergenztheorie; vgl. Schwabe, NJW 1973, 230. 321 Doehring, Das Staatsrecht der BRD, 3. Aufl. 1984, S. 209.

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schen den Parteien bestehende materielle Rechtsverhältnis.322 Demgemäß hat der Richter bei zivilrechtlichen Streitigkeiten ausschließlich die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte zu beachten, welche sich insbesondere durch die verfassungskonforme Auslegung aktualisiert.323 Läßt er in seiner Entscheidung den grundrechtlichen Einfluß außer acht, dann verletzt er nicht nur objektives Verfassungsrecht, sondern zugleich das Grundrecht, auf dessen Beachtung auch durch die rechtsprechende Gewalt der einzelne einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat.324 Trotz der Ableitung aus dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechtsnormen verleiht die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung also subjektive Wirkung. Darin liegt aber kein Widerspruch, denn der objektivrechtliche Gehalt bezweckt gerade eine Sicherung und Verstärkung der subjektiven Dimension.325

b) Bewertung Die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte will sowohl dem Privatrecht als auch den Grundrechten Rechnung tragen. Sie hält daher die Trennung zwischen Gesellschaft und Staat prinzipiell aufrecht, stellt beide aber nicht beziehungslos nebeneinander, sondern läßt gewisse Verbindungen zu.326 Doch greift der Ansatz zu kurz, da sich die Grundrechtswirkung im Privatrecht nicht in der bloßen Ausstrahlungswirkung erschöpft.327 Zudem übersehen die Anhänger dieser Lehre teilweise, daß nicht nur unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte zugänglich sind,328 sondern daß diese so lange möglich bleibt, wie eine Norm auslegungsfähig ist.329 Schließlich darf die Gefahr nicht ignoriert werden, daß die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung das Problem der Grundrechtskollision überlagert, da sie das vertikale Verhältnis zwischen Grundrechtsträgern und Staat aus den Augen verliert.330 Die Ansicht, die den Grundrechten im Privatrecht eine mittelbare Drittwirkung zuschreibt, ist daher ergänzungsbedürftig.

322 Hesse, Verfassungsrecht, 20. Aufl. 1995, Rn. 353; Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1551. 323 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 180 f. 324 BVerfGE 7, 198 (206 f.); BVerfGE 89, 214 (229 f.); kritisch Bethge, KritV 1990, S. 23 f. 325 Erichsen, Jura 1996, 532; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 185. 326 Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1556. 327 Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1557 f. 328 Siehe Fn. 317. 329 Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 222 f.; Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1557 f. 330 Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 18 f., 396; kritisch auch Bethge, Der Staat Bd. 24 (1985), S. 366 f.; Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 18 f.

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3. Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten331 a) Grundlagen Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten basiert nicht auf der abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte, sondern stellt eine Emanation des status positivus dar.332 Sie greift ein bei Verletzungen oder Gefährdungen grundrechtlich geschützter Güter durch Dritte und gebietet dem Staat, zu deren Schutz tätig zu werden.333 Für die Ableitung der Schutzpflichten existieren unterschiedliche Begründungen. Teilweise wird auf den objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte verwiesen.334 Andere beziehen sich auf Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, der die staatliche Gewalt verpflichtet, die Würde des Menschen „zu achten und zu schützen“. Das Gebot des Achtens wird als Ausdruck des Abwehrrechts, das des Schützens als Ausdruck der Schutzpflicht interpretiert.335 Was für die Menschenwürde gelte, müsse auch auf die nachfolgenden Freiheitsrechte als „spezifische Ausprägungen der Fundamentalnorm des Art. 1 Abs. 1 GG“ zutreffen.336 Schließlich wird als Basis der Schutzpflicht noch die „Staatsaufgabe Sicherheit“ genannt.337 Doch unabhängig davon, welcher Begründung für die Existenz der Schutzpflichten man den Vorzug gibt, sie sind jedenfalls heute in Rechtsprechung338 und Literatur339 grundsätzlich anerkannt.

331 Ob man den Terminus grundrechtliche oder staatliche Schutzpflicht verwendet, kommt auf die Perspektive an. Der erste Begriff stellt auf das Schutzobjekt ab, die zweite Bezeichnung auf den Adressaten der Schutzpflicht, Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn 3. 332 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 60. 333 E. Klein, NJW 1989, 1633. Da es hier um die Beziehungen des Grundrechtsträgers zu Dritten geht und nicht um das Staat-Bürger-Verhältnis, ist die Schutzpflicht streng von der Funktion der Grundrechte als Leistungs- und Teilhaberechte zu unterscheiden, Jarass, AöR Bd. 120 (1995), S. 351. 334 BVerfGE 96, 56 (64); Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1572, 1575 m. w. N. 335 Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 226. 336 Rupp, AöR Bd. 101 (1976), S. 166; Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 226; vgl. auch BVerfGE 39, 1 (41). 337 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 83 ff.; E. Klein, NJW 1989, 1635 f.; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 37. 338 BVerfGE 39, 1 (41 f.); BVerfGE 56, 54 (80); BVerfGE 88, 203 (252); zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht vgl. BVerfGE 73, 118 (201); BVerfGE 96, 56 (64); BVerfGE 97, 125 (146); BVerfGE 99, 185 (194 f.); vgl. zu den übrigen Grundrechten und zur Rechtsprechung der anderen Gerichte Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 103 ff. und 239 ff. 339 Vgl. u. a. Hesse, Verfassungsrecht, 20. Aufl. 1995, Rn. 350 ff.; Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 77 ff.; E. Klein, NJW 1989, 1633 ff.; H.H. Klein, DVBl. 1994, 489 ff.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 84 ff., insbesondere 94 ff.; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 35 ff.; Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 244 ff. m. w. N.

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b) Struktur und Inhalt der grundrechtlichen Schutzpflichten Die Besonderheit im Bereich der grundrechtlichen Schutzpflichten besteht darin, daß sich nicht nur ein Grundrechtsberechtigter und der Staat gegenüberstehen, sondern daß eine Dreieckskonstellation vorliegt: Diese umfaßt (1) den privaten Störer,340 d. h. den (potentiellen) Verletzer von Grundrechten eines anderen, (2) das Opfer, also den vom Übergriff Betroffenen, und (3) den Staat, der den Betroffenen vor dem Übergriff schützen soll.341 Trifft die öffentliche Gewalt Maßnahmen zum Schutz des Opfers, führt dies häufig zu Eingriffen in Grundrechte des Störers oder sogar unbeteiligter Dritter.342 Das staatliche Handeln erweist sich daher im „Grundrechtsdreieck Staat – Opfer – Störer“ als ambivalent: Das Opfer hat einen grundrechtlichen Anspruch auf Schutz (status positivus), der Störer kann sich hingegen regelmäßig auf die Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Funktion berufen (status negativus).343 Wegen dieser strukturellen Besonderheiten bei den grundrechtlichen Schutzpflichten unterscheidet sich die dogmatische Struktur von derjenigen der „reinen“ Abwehrkonstellation. Die Prüfung erfolgt daher nach einem eigenen Schema: Zuerst ist zu untersuchen, ob eine Schutzpflicht besteht (Schutzpflichttatbestand), und anschließend, ob die staatliche Gewalt diese hinreichend erfüllt hat.344 aa) Schutzpflichttatbestand Grundrechtliche Schutzpflichten werden ausgelöst durch den rechtswidrigen Eingriff (Übergriff) eines Privaten in ein grundrechtliches Schutzgut oder durch die Gefahr eines derartigen Übergriffs.345 Als Schutzobjekt kommt jedes durch die Freiheitsrechte geschützte Gut in Frage.346 Der Eingriff ist zu bejahen, wenn das Schutzgut gegen den Willen des Grundrechtsträgers nicht unerheblich beeinträchtigt wird.347 Die Prinzipien zum Grundrechtsverzicht können auch hier herangezo340 Ob neben Privaten weitere „Dritte“ anzuerkennen sind, ist umstritten. Am engsten Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 112 ff. und 120 ff., nach dem nur Eingriffe anderer Grundrechtsträger Schutzpflichten aktivieren können. Nach der Gegenansicht vermögen auch andere Staaten, Naturgewalten und Selbstgefährdungen grundrechtliche Schutzpflichten auszulösen, H.H. Klein, DVBl. 1994, 490; Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 276 ff. 341 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 5; H.H. Klein, DVBl. 1994, 490 mit Fn. 26. 342 Wahl / Masing, JZ 1990, 553 sprechen daher auch von „Schutz durch Eingriff“. 343 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 5. 344 Möstl, DÖV 1998, 1035. 345 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 89. 346 Gleichheitsrechte sind wegen des Schutzes der Privatautonomie ausgeschlossen, Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 96; a.A. Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 338 ff. 347 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 89.

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

gen werden,348 d. h. bei einer freiwilligen Einwilligung in die konkrete Beeinträchtigung fehlt es regelmäßig an einem Eingriff. Ausgeschlossen ist aber ein genereller Verzicht. Die Einwilligung bezieht sich grundsätzlich nur auf einen bestimmten Zweck, an den der Empfänger gebunden ist.349 Der Umfang der Zustimmung ist mittels Auslegung zu eruieren. An einer wirksamen Einwilligung fehlt es jedoch, wenn der Betroffene aufgrund einer Zwangslage keine echte Wahlfreiheit hat oder wenn er die Tragweite des Verzichts nicht zu überblicken vermag.350 Ob der Eingriff schließlich auch rechtswidrig ist, ergibt sich unmittelbar aus der Verfassung, wobei das Gewaltverbot und das Schädigungsverbot als Maßstab dienen.351

bb) Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflichten (a) Adressat Die grundrechtlichen Schutzpflichten richten sich an jede staatliche Gewalt, Art. 1 Abs. 3 GG, also Legislative, Exekutive und Judikative.352 Primär ist allerdings der Gesetzgeber angesprochen. Denn zum einen muß der Eingriff in den Rechtskreis des Störers oder eines Dritten rechtsstaatlich legitimiert werden, zum anderen bleibt noch zu entscheiden, wie die Handlungspflicht konkret umgesetzt werden soll.353 Dem Gesetzgeber steht folglich beim Erlaß von Schutzgesetzen ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu,354 der eine Umsetzung durch öffentlich-rechtliche, zivilrechtliche und strafrechtliche Normen erlaubt355. Nur in besonders schwerwiegenden Fällen kann sich der Schutzauftrag auf eine bestimmte Maßnahme verengen.356 Im hier interessierenden Privatrecht besteht die legislative Hauptaufgabe darin, die widerstreitenden Grundrechtssphären gegeneinander abzugrenzen.357 Als In348 Jarass, NJW 1989, 862; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Vorb. vor Art. 1 Rn. 33, 36; Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 229. 349 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 229. 350 BVerfG NJW 1982, 375 (375); OLG Frankfurt NJW 1987, 1087 (1087); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 229. 351 Die einfachen Gesetze können die Rechtswidrigkeit nicht mit verfassungsrechtlicher Konsequenz begründen, sondern diese lediglich umsetzen und näher bestimmen, Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 100 ff.; a.A. Brüning, JuS 2000, 956. 352 BVerfGE 96, 56 (64); Isensee, in: Hübner / Ebke (Hrsg.), FS Großfeld, 1999, S. 497. 353 BVerfGE 39, 1 (51); Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 8; Bethge, Jura 2003, 332. 354 Z. B. BVerfGE 77, 381 (405); BVerfGE 96, 56 (64). 355 Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 366 ff.; E. Klein, NJW 1989, 1637 f. 356 BVerfGE 77, 170 (215). 357 Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1579; H.H. Klein, DVBl. 1994, 492.

C. Relevanz der Grundrechte für die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten

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strumente stehen dafür sowohl das materielle Recht, z. B. das Deliktsrecht,358 als auch das Verfahrensrecht359 zur Verfügung. Erst wenn der abschließende Ausgleich nicht durch den Gesetzgeber vorgenommen wurde oder unzureichend erfolgt ist, liegt es an den Gerichten, eine Lösung zu finden, die den Grundrechten beider Parteien gerecht wird.360 Die grundrechtliche Schutzfunktion entfaltet sich hier als objektivrechtliches Prinzip, d. h. der Richter verwirklicht die Grundrechte mediatisiert durch das einfache Recht, insbesondere durch die verfassungskonforme Auslegung.361 Insofern kann man auch von einer Ausstrahlungswirkung der Grundrechte sprechen.362 Erforderlichenfalls kann der Richter auch lückenschließend tätig werden, wobei ihm allein durch die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung Schranken gezogen sind.363 (b) Schutzpflichtniveau und rechtliche Anforderungen an die Schutzmaßnahmen Um die Reichweite der Schutzpflicht zu bestimmen, muß man sich zuerst nochmals vergegenwärtigen, daß die Beeinträchtigung der Grundrechte hier in einem privaten Gleichordnungsverhältnis geschieht. (1) Daraus wird teilweise gefolgert, daß grundrechtliche Schutzpflichten in ihrer Wirkung nicht so weit reichen wie Abwehrrechte,364 da andernfalls im Ergebnis den Grundrechten eine unmittelbare Drittwirkung zukomme.365 Diese Differenzierung überzeugt aber nicht. Es trifft zwar zu, daß Grundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte ein bestimmtes staatliches Verhalten fordern, während bei der Realisierung der Schutzpflichten ein Spielraum besteht.366 Doch auch wenn dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten zur Erfüllung der Schutzpflicht zur Verfügung stehen, ist das ohne Einfluß auf die Intensität des Schutzes.367 Im Dreiecksverhältnis zwischen Staat, Opfer und Störer kann der gleiche Sachverhalt sowohl unter dem Aspekt des Eingriffs als auch der Schutzpflicht betrachtet werden.368 358 Ob die Schutzpflichten auch im rechtsgeschäftlichen Bereich Wirkung entfalten sollen, ist streitig. Ablehnend Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 128 ff.; bejahend BVerfGE 81, 242 (254 ff.); Classen, AöR Bd. 122 (1997), S. 75 ff. 359 BVerfGE 63, 131 (142 f.). 360 Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1576; Bethge, KritV 1990, S. 31. 361 Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1582 f., 1586. 362 Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 227 f. 363 BVerfGE 34, 269 (286 ff.); BVerfGE 96, 56 (64); Classen, AöR Bd. 122 (1997), S. 86; Möstl, DÖV 1998, 1036. 364 Möstl, DÖV 1998, 1036; v. Coelln, ZUM 2001, 482; Jarass, AöR Bd. 110 (1985), S. 378. 365 v. Coelln, ZUM 2001, 482. 366 BVerfGE 96, 56 (64). 367 Hager, JZ 1994, 381. 368 Hager, JZ 1994, 381.

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

Hier darf der Staat nicht unterschiedlichen Bindungen unterliegen, je nachdem, ob das Opfer Schutz begehrt oder der Störer sich gegen den staatlichen (Schutz-)Eingriff wehrt.369 Eine Differenzierung hinsichtlich der Reichweite der Grundrechtswirkung, je nachdem ob die Abwehrfunktion oder die Schutzfunktion eingreift, ist daher nicht geboten.370 (2) Das Schutzpflichtniveau bzw. die Frage, ob die öffentliche Gewalt ihre Schutzpflichten hinlänglich erfüllt hat, richtet sich nach dem sogenannten Untermaßverbot.371 Dieses besagt, daß der Staat zur Erfüllung der Schutzpflicht ausreichende Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art treffen muß, die dazu führen, daß ein – unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter – angemessener und als solcher wirksamer Schutz erreicht wird.372 Maßgeblich ist also die Effektivität des Schutzes.373 Aber auch wenn der Staat gehalten ist, einen effektiven Schutz zu gewährleisten, verleiht ihm die Schutzpflicht keine zusätzlichen Kompetenzen und Eingriffsbefugnisse. Die eingesetzten Mittel müssen vielmehr der bestehenden Kompetenzordnung und den übrigen verfassungsrechtlichen Anforderungen, wie dem Gesetzesvorbehalt,374 genügen.375 Weitere Grenzen des staatlichen Handelns ergeben sich aus dem Vorbehalt des faktisch Möglichen.376 Teilweise wird zudem vertreten, daß der Subsidiaritätsgrundsatz bzw. das Verhältnismäßigkeitsprinzip dem staatlichen Handeln Grenzen setzt, und zwar dergestalt, daß gesellschaftlicher Selbstkontrolle der Vorzug vor imperativen Handlungsformen zu geben sei.377 Das vermag aber in dieser Allgemeinheit nicht zu überzeugen. Die genaue Reichweite der Schutzpflichten und ihre effektive Erfüllung lassen sich erst durch eine Abwägung im Einzelfall feststellen. Außerdem würde der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu weitgehend eingeschränkt. Daher ist ein genereller Vorrang abzulehnen.378 Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß grundrechtliche Schutzpflichten auch durch Private erfüllt werden können.379 Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 329. Hager, JZ 1994, 381; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 204; H.H. Klein, DVBl. 1994, 496. 371 Der Terminus wurde erstmals verwendet von Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 228. 372 BVerfGE 88, 203 (254); BVerfG NJW 1995, 2343 (2343). 373 E. Klein, NJW 1989, 1637; H.H. Klein, DVBl. 1994, 495; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 33. 374 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 151 f.; Wahl / Masing, JZ 1990, 562; Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 50 f. Für einen Verzicht auf den Gesetzesvorbehalt in besonderen Fällen Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1572 sowie Bethge, Jura 2003, 332. 375 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 148 ff. 376 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 144 ff. 377 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 171, 213; Becker, DÖV 1985, 1007; Kaiser, NJW 1971, 588. 378 Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 375 ff.; Brohm, DÖV 1992, 1033; ablehnend auch Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 261 f. und Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 69. 369 370

C. Relevanz der Grundrechte für die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten

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cc) Subjektives Recht auf Schutz Auch wenn sich nach den eben herausgearbeiteten Voraussetzungen eine objektive Schutzpflicht des Staates bejahen läßt, folgt daraus nicht automatisch ein genauso weitreichendes subjektives Recht auf Schutz. So wird teilweise ein Anspruch auf staatliches Tätigwerden nur bei evidenter Verletzung der Schutzpflicht bejaht.380 Doch besteht der Zweck der Schutzpflichtenlehre darin, die freie Entfaltung des einzelnen zu sichern. Dem wird am besten durch die Anerkennung eines umfassenden subjektiven Rechts auf Erfüllung der Schutzpflicht Rechnung getragen. Es besteht also eine Kongruenz von Schutzpflicht und subjektivem Recht auf Schutz.381 Wenn der zuständigen staatlichen Stelle ein Ermessen zusteht, richtet sich der Anspruch allein auf dessen sachgemäße Ausübung. Nur wenn das Ermessen auf Null reduziert ist, besteht ein subjektives Recht auf eine bestimmte Maßnahme.382 dd) Justitiabilität Da der gesamten öffentlichen Gewalt, also Legislative,383 Exekutive384 und Judikative385, bezüglich der Erfüllung der Schutzpflichten ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zusteht, ist die Justitiabilität begrenzt. Im Verhältnis zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung wirkt sich der Spielraum als Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsprärogative aus.386 Daraus läßt sich aber nicht folgern, daß Handlungs- und Kontrollnorm auseinanderfallen.387 Denn der Beurteilungsspielraum wird vom subjektiven Anspruch auf Schutz nicht eingeschränkt388 und stellt auch kein Spezifikum der Überprüfung von Schutzpflichten dar389. Daher entspricht „die ,Dichte‘ der verfassungsgerichtlichen Kontrolle derjenigen der verfassungsrechtlichen Maßstabsnorm“.390 Es wird zwar regelmäßig BVerfGE 88, 203 (259); BVerwGE 95, 188 (196 f.). Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. C 22; Ipsen, Staatsrecht II, Grundrechte, 6. Aufl. 2003, Rn. 97. 381 E. Klein, NJW 1989, 1637; vgl. auch BVerfGE 77, 170 (214); BVerfGE 79, 174 (201 f.). 382 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 90, 184. 383 BVerfGE 77, 170 (214). 384 BVerfGE 77, 170 (214). 385 BVerfGE 96, 56 (64). 386 Brüning, JuS 2000, 958. 387 So aber Hesse, in: Däubler-Gmelin u. a. (Hrsg.), FS Mahrenholz, 1994, S. 557; Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 162; Pietzcker, in: Maurer (Hrsg.), FS Dürig, 1990, S. 360; Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 353 ff. m. w. N. 388 H.H. Klein, DVBl. 1994, 495. 389 BVerfGE 53, 135 (145); BVerfG NJW 1999, 1853 (1854); Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 228 f. 390 H.H. Klein, DVBl. 1994, 495; Brüning, JuS 2000, 958; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 36; so wohl auch BVerfGE 77, 170 (214 f.). 379 380

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

eine Schutzpflichtverletzung erst bejaht werden können, wenn die öffentliche Gewalt „Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Regelungen und Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter zurückbleiben“.391 Doch kommen je nach Fallgestaltung auch strengere Kriterien wie eine Vertretbarkeitskontrolle in Betracht.392

c) Verhältnis zur Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten läßt sich auf den ersten Blick klar von der Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte unterscheiden. Adressat der grundrechtlichen Schutzpflichten ist der Staat, während die Drittwirkung den Einfluß der Grundrechte auf Rechtsbeziehungen zwischen Privaten betrifft.393 Trotz dieser unterschiedlichen Ansätze dürfen aber die Überschneidungen nicht übersehen werden. Beide Lehren thematisieren die Abwehr privater Eingriffe auf grundrechtlich geschützte Güter.394 Damit ist nach Isensee die Gemeinsamkeit auch erschöpft.395 Dies greift aber zu kurz. Die grundrechtliche Schutzpflicht richtet sich zwar primär an den Gesetzgeber, doch sind auch die Zivilgerichte dazu berufen, die aus den Grundrechten fließenden Schutzpflichten zu erfüllen. Daher erweist sich nach heute überwiegender Ansicht die Drittwirkungsproblematik als Unterfall des Fragenkreises grundrechtlicher Schutzpflichten im Bereich des Privatrechts.396 Die Schutzfunktion der Grundrechte stellt das „missing link“ dar, das die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung auf eine bessere theoretische Grundlage stellt.397

4. Zusammenfassung zu Punkt II. Die Grundrechte sind in privatrechtlichen Beziehungen nicht unmittelbar anwendbar. Ebensowenig kann eine Zurechnung privater Eingriffe an den Staat erfolBVerfGE 77, 170 (215); BVerfGE 92, 26 (46). BVerfGE 50, 290 (332 f.); BVerfGE 88, 203 (262 f.); H.H. Klein, DVBl. 1994, 495 f. mit Fn. 93. 393 E. Klein, NJW 1989, 1639. 394 E. Klein, NJW 1989, 1639. 395 Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 134. 396 BVerfGE 97, 169 (175 ff.); BVerfGE 99, 185 (194 f., 198); Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1560, 1575; Badura, Staatsrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. C 22; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 32; H.H. Klein, DVBl. 1994, 492; Jarass, AöR Bd. 120 (1995), S. 353; Canaris, AcP Bd. 184 (1984), S. 228; Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 248 ff. m. N. zur Gegenansicht. 397 Canaris, JuS 1989, 163. 391 392

C. Relevanz der Grundrechte für die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten

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gen, wie es die etatistische Konvergenztheorie fordert, da damit die Privatautonomie des einzelnen mißachtet wird. Die grundrechtliche Schutzfunktion bedingt aber – unter anderem – eine Wirkung der Grundrechte über das Medium der einfachen Gesetze. Ob man diese Ausstrahlungswirkung noch als mittelbare Drittwirkung bezeichnen will, ist allein eine terminologische Frage.398 Dem einzelnen steht jedenfalls ein justitiables, aus den Grundrechten fließendes subjektives Recht auf Schutz zu, wenn ein Privater rechtswidrig in seine Grundrechte übergreift. Adressat der Schutzpflicht ist der Staat. Die Reichweite des Schutzes richtet sich nach dem Untermaßverbot und entspricht derjenigen, die den Grundrechten in ihrer Abwehrfunktion zukommt.

III. Maßstäbe für die Feststellung und Auflösung von Grundrechtskollisionen Der vorangehende Abschnitt hat sich allgemein mit der Frage beschäftigt, wie Grundrechte im Privatrecht wirken und mit der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten eine adäquate Antwort gefunden. Damit wurden die Grundlagen geschaffen, um die Frage zu klären, wie es zu Grundrechtskonflikten zwischen Privaten kommen kann und wie diese Kollisionen aufzulösen sind.

1. Voraussetzungen einer Grundrechtskollision Grundrechtskollisionen stellen eine typische Erscheinung einer der Sozialverträglichkeit verpflichteten Gegenseitigkeits(rechts)ordnung dar.399 Doch sind sie nicht automatisch zu bejahen, wenn ein Privater in die Grundrechte eines anderen übergreift. Es muß vielmehr im Einzelfall festgestellt werden, ob sich der Störer seinerseits auf Grundrechte berufen kann, d. h. die Untersuchung konzentriert sich hier auf eine andere Seite des Rechtsdreiecks Staat – Opfer – Störer, den Status des Störers. Nur wenn dem eingreifenden Privaten ebenfalls Grundrechtsschutz zusteht, liegt eine „Inanspruchnahme gleicher oder verschiedener Grundrechte durch verschiedene Grundrechtsträger mit der Folge gegenseitiger Freiheitsbeeinträchtigung“ und damit eine Grundrechtskollision vor.400

398 399 400

Stern, Staatsrecht III / 1, 1988, S. 1560; Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 257. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 321. Bethge, Zur Problematik von Grundrechtskollisionen, 1977, S. 1 f.

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

2. Auflösung von Grundrechtskollisionen im allgemeinen Kommt es nach den eben401 genannten Voraussetzungen zu einem Grundrechtskonflikt, greift das Handeln des Staates zugunsten des vom Übergriff Betroffenen in die grundrechtlich geschützte Freiheitsbetätigung des Störers ein. Dieser Eingriff muß dann seinerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, um eine zulässige Schutzmaßnahme darzustellen.402 Das für die Rechtfertigung der Grundrechtsbeeinträchtigung besonders relevante Verhältnismäßigkeitsprinzip 403 beinhaltet in diesem Fall die Aufgabe einer Optimierung. Wo Grundrechte konfligieren, darf nicht in einer übereilten Güterabwägung eines auf Kosten des anderen verwirklicht werden. Die Grenze zwischen beiden Gütern ist vielmehr so zu ziehen, daß beide zu optimaler Wirkung gelangen können.404 Hesse spricht insofern von der Herstellung praktischer Konkordanz,405 Lerche vom Prinzip des möglichst schonenden Ausgleichs.406 Das Übermaßverbot bildet damit letztlich die Obergrenze für die verfassungsgemäße Erfüllung der Schutzpflicht.407 Im Bereich des ambivalenten Schutzeingriffs korrespondiert dem Untermaßverbot auf Seiten der Schutzpflicht damit das Übermaßverbot auf Seiten des Abwehrrechts, d. h. diese gegenläufigen Regulative müssen zum Ausgleich gebracht werden.408 Mit dem Austarieren der gegenläufigen Positionen des effektiven Schutzes und der geringst möglichen Eingriffsintensität gehen zwar gewisse rechtliche Unsicherheiten einher, da der Ausgleich den Gerichten aufgegeben ist.409 Doch sind die Grundrechte in erster Linie der Einzelfallgerechtigkeit verpflichtet.410 Gegen die Entscheidung des konkreten Einzelfalles durch den Richter bestehen daher keine Bedenken.411 Siehe Teil 3 C III 1. Siehe Teil 3 C II 3 b) bb) (b); Brüning, JuS 2000, 958. 403 Z. B. BVerfGE 77, 308 (332 ff.); BVerwG AfP 2002, 257 (262 f.); Classen, AöR Bd. 122 (1997), S. 98 f. Teilweise wird keine Verhältnismäßigkeitsprüfung, sondern eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles vorgenommen, BVerfGE 84, 192 (195). 404 Die bei Grundrechtskollisionen anzuwendenden Prinzipien gelten nicht nur im hier relevanten Privatrecht, sondern auch im öffentlichen Recht, einschließlich des Strafrechts, Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 1 Abs. 3 Rn. 27. 405 Hesse, Verfassungsrecht, 20. Aufl. 1995, Rn. 72. 406 Lerche, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 122 Rn. 5. I.E. ist ein Unterschied zwischen dem Ansatz Lerches und Hesses kaum feststellbar, Martins, Die Grundrechtskollision, 2001, S. 110. 407 Brüning, JuS 2000, 958. 408 Isensee, in: Ziemske u. a. (Hrsg.), FS Kriele, 1997, S. 32, 34; Isensee, in: Hübner / Ebke (Hrsg.), FS Großfeld, 1999, S. 497; Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 165. Dem Untermaßverbot kommt also auch bei Grundrechtskollisionen eine eigenständige Bedeutung zu. A.A. Hain, DVBl. 1993, 983; Hain, ZG 1996, 80. Dagegen wiederum J. Dietlein, ZG 1995, 136, 138; Möstl, DÖV 1998, 1038; Brüning, JuS 2000, 958. 409 Kritisch Ossenbühl, JZ 1995, 640, der von gefährlicher Situationsjurisprudenz spricht. 410 v. Coelln, ZUM 2001, 485. 411 Vgl. zum Ganzen auch Bethge, UFITA Bd. 95 (1983), S. 264 f. 401 402

D. Die Auflösung der Grundrechtskollision

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IV. Schlußfolgerungen zu Abschnitt C. Im Ergebnis läßt sich feststellen, daß die Grundrechtsprüfung im Bereich der grundrechtlichen Schutzpflichten von der Perspektive abhängt.412 Wenn das Opfer eines privaten Übergriffs eine Grundrechtsverletzung geltend macht, greift die Schutzfunktion ein. Es muß also geprüft werden, ob eine Schutzpflicht des Staates besteht und eine Verletzung derselben vorliegt, was sich insbesondere nach dem Untermaßverbot bestimmt. Falls der Staat zum Schutz des Grundrechts Schritte eingeleitet hat, die zugleich mit einem Eingriff in die Abwehrrechte des Störers verbunden sind, müssen diese Maßnahmen zudem dem Schrankenregime der betroffenen Grundrechte genügen. Insbesondere ist ein angemessener Ausgleich zwischen den kollidierenden Grundrechten herzustellen. Wenn hingegen der Störer eine Grundrechtsverletzung geltend macht, da eine Schutzmaßnahme in seine Grundrechte eingreift, wird die Abwehrfunktion der Grundrechte aktiviert. Der Eingriff muß sich auf der Schrankenebene rechtfertigen lassen, insbesondere verhältnismäßig sein. Im Rahmen der Herstellung der praktischen Konkordanz ist dabei auch das gebotene Schutzminimum zu berücksichtigen. Der ambivalente Schutzeingriff bedingt also einen Rechtfertigungszwang des Staates von zwei Seiten: vom Schutzbedürftigen, wenn er ihm keinen (ausreichenden) Schutz gewährt, und vom Störer, wenn er in seine Grundrechte eingreift.413 Damit wurde die Problematik der grundrechtlichen Schutzpflichten und der Grundrechtskollisionen abstrakt geklärt. Im folgenden Abschnitt wird nun geprüft, wie sich die gefundenen Grundsätze und Vorgaben auf das Spannungsverhältnis zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit auf einfachgesetzlicher Ebene auswirken, wobei sich die Untersuchung wie bereits im zweiten Teil414 auf das Zivilrecht konzentriert.

D. Die Auflösung der Grundrechtskollision zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit im Rahmen der einfachgesetzlichen Normen des Privatrechts Nach den eben dargelegten Grundsätzen obliegt der öffentlichen Gewalt hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Schutzpflicht.415 Wenn der Staat in Erfüllung dieser Pflicht Maßnahmen trifft, die die Presse tangieren, führt dies regelmäßig zugleich zu Eingriffen in die Pressefreiheit. Es kommt zum für 412 413 414 415

So auch Jarass, in: Badura / Dreier (Hrsg.), FS 50 Jahre BVerfG II, 2001, S. 41 ff. Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 165. Siehe Teil 2, insbesondere A. Siehe insbesondere Fn. 338.

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

den Bereich der grundrechtlichen Schutzpflichten charakteristischen ambivalenten Handeln des Staates (Schutz durch Eingriff)416 und damit zu einer Grundrechtskollision zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit.417 Dieser Konflikt zwischen Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG muß durch die Herstellung praktischer Konkordanz unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre gelöst werden.418 Dabei ist auf Seiten des zu schützenden Grundrechts das Untermaßverbot, auf Seiten des eingegriffenen Grundrechts das Übermaßverbot zu beachten.419 Da die Auflösung dieser Kollisionslage nicht allein eine Aufgabe des Gesetzgebers darstellt, sondern auch der Exekutive und insbesondere der Judikative überantwortet ist, wird im folgenden zwischen der Normebene und Normanwendungsebene differenziert.

I. Normebene Der Gesetzgeber ist seiner Schutzpflicht mit der Schaffung der „klassischen“ privatrechtlichen Ansprüche, §§ 823 ff., 1004 Abs. 1 BGB, 22, 23 KUG,420 der strafrechtlichen Vorschriften, die über § 823 Abs. 2 BGB auch im Zivilrecht von Bedeutung sind, vor allem §§ 185 ff. StGB,421 und der Einführung des Gegendarstellungsanspruchs prinzipiell ausreichend nachgekommen.422 Zugleich stellen diese Normen auch Schranken im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG dar: Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Kunsturhebergesetzes werden überwiegend als allgemeine Gesetze anerkannt.423 Wenn sie im Rahmen des Ehrenschutzes zur Anwendung kommen, fallen sie zusätzlich unter das Wahl / Masing, JZ 1990, 553. Vgl. Bethge, UFITA Bd. 95 (1983), S. 257 f. 418 So die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, z. B. in BVerfGE 71, 206 (214), nach einer Analyse von Schmitt Glaeser, AöR Bd. 113 (1988), S. 91; gegen eine Gleichstellung von praktischer Konkordanz und Wechselwirkungslehre Stark, Ehrenschutz in Deutschland, 1996, S. 103 ff.; siehe bereits Fn. 259. 419 Siehe Teil 3 C III 2 und IV; Isensee, in: Ziemske u. a. (Hrsg.), FS Kriele, 1997, S. 34. 420 Siehe Teil 2. Die §§ 22, 23 KUG wurden vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten Lebach-Urteil für verfassungsgemäß erklärt, BVerfGE 35, 202 (224 f.): Nach § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden. Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis gelten u. a. für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Doch erstreckt sich die Befugnis nach § 23 Abs. 2 KUG nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Damit bieten die Normen des Kunsturhebergesetzes nach Ansicht des Gerichts ein abgestuftes Schutzkonzept, das für die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bei der Auslegung genügend Raum läßt. 421 Zu deren Verfassungsmäßigkeit vgl. Stark, Ehrenschutz in Deutschland, 1996, S. 135 ff. 422 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 135; vgl. auch Degenhart, DVBl. 1990, 914. 423 BVerfGE 34, 269 (282); BVerfGE 35, 202 (224); BVerfGE 66, 116 (138); SchulzeFielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 1996, Art. 5 I, II Rn. 115. m. w. N. 416 417

D. Die Auflösung der Grundrechtskollision

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Recht der persönlichen Ehre. Die Gegendarstellungsvorschriften sind ebenfalls als allgemeine Gesetze einzuordnen.424 Auch die für den Persönlichkeitsschutz relevanten Bestimmungen des Strafgesetzbuches stuft man regelmäßig als allgemeine Gesetze ein.425 Dem kann jedoch nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Die §§ 185 ff. StGB knüpfen nämlich – mit Ausnahme der Formalbeleidigung in § 192 StGB – an den Inhalt der Äußerung an. Sie sind mithin keine kommunikationsneutralen Vorschriften und daher keine allgemeinen Gesetze. Dennoch bleibt es möglich, sie unter die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG zu subsumieren, da sie Ausdruck des Rechts der persönlichen Ehre sind.426

II. Normanwendungsebene Auf der Ebene der Gesetzesanwendung ist die Bedeutung der Grundrechte im Rahmen der tatsächlichen Deutung der Äußerung, der Auslegung der Norm und der Abwägung Rechnung zu tragen.427 Das Bundesverfassungsgericht hat zu diesem Zweck Regeln und Vermutungen entwickelt,428 welche im folgenden aufgezeigt werden. Die Darstellung konzentriert sich dabei auf die Grundzüge der Abgrenzung zwischen Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit, die das Bundesverfassungsgericht inzwischen prinzipiell geklärt hat.429 Weitergehende Details werden erst im Rahmen des konkreten Vergleichs zwischen Pressekodex und Spruchpraxis des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse einerseits und der Rechtslage andererseits erörtert.430 Doch auch wenn der Schwerpunkt in diesem Abschnitt auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt, bleiben die Entscheidungen der Fachgerichte nicht unberücksichtigt. Schließlich sind Siehe Teil 3 B II 1 b) aa). Wendt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 5 Rn. 74; Mackeprang, Ehrenschutz im Verfassungsstaat, 1990, S. 129; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 168; zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. Fn. 426. 426 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 178; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 232; v. der Dekken, NJW 1983, 1402; Gornig, JuS 1988, 277, 279; Bettermann, JZ 1964, 608 f. mit Fn. 92. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist insofern nicht einheitlich. Teilweise werden die strafrechtlichen Ehrenschutzvorschriften allein unter das Recht der persönlichen Ehre subsumiert, vgl. BVerfGE 19, 73 (74); BVerfGE 93, 266 (290), teilweise aber auch unter die allgemeinen Gesetze, vgl. BVerfG NJW 2001, 3613 (3614); BVerfG NJW 2002, 3315 (3316). 427 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 173. Eine davon leicht abweichende Einteilung und Terminologie findet sich bei Grimm, NJW 1995, 1700 f. 428 Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 32. 429 BVerfG NJW 2000, 2189 (2189); BVerfG NJW 2000, 2193 (2193); BVerfG NJW 2003, 660 (661); BVerfG NJW 2003, 961 (962); so auch BGH NJW 2003, 2011 (2011). 430 Siehe Teil 6 B und C. 424 425

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

in erster Linie sie zur Auflösung der Kollision zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit berufen431 und haben sie zudem die Bindungswirkung von bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen nach § 31 Abs. 1 BVerfGG zu beachten432. Konzepte der Literatur zum Ausgleich der Grundrechtskollision werden dagegen nur herangezogen, soweit die Rechtsprechung Lücken aufweist. Denn im folgenden geht es in erster Linie um eine Bestandsaufnahme des praktischen Persönlichkeitsschutzes als Ausgangsbasis für die Prüfung, inwieweit Selbstkontrolle diesen ergänzen bzw. ersetzen kann. Am Beginn der Ausführungen steht eine differenzierte Würdigung des Ehrenschutzes, da die dazu ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – anders als die übrige Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht – heftige Kontroversen ausgelöst und auch in der Literatur starke Kritik erfahren haben.433 Im übrigen werden sich die Erörterungen hinsichtlich Reihenfolge und Einteilung an den zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entwickelten Fallgruppen orientieren.434

1. Das Recht auf Schutz der persönlichen Ehre a) Der Ehrenschutz in der Rechtsprechung Um dem Ehrenschutz adäquat Rechnung zu tragen, muß die Bedeutung des Art. 5 Abs. 1 GG435 auf den folgenden drei Ebenen berücksichtigt werden: beim Verständnis der Äußerung, bei der Interpretation der betroffenen Norm sowie bei der Abwägung der kollidierenden Grundrechte.436 aa) Sinnebene Bereits Fehler bei der Ermittlung der Bedeutung einer Äußerung können zu unzulässigen Grundrechtsbeschränkungen führen. Daher muß schon diese Vorstufe der Rechtsanwendung dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG Rechnung tragen und diesbezüglich eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht möglich sein.437 Bethge, UFITA Bd. 95 (1983), S. 259 f.; Degenhart, JuS 1992, 362. Vgl. Lechner / Zuck, BVerfGG, 4. Aufl. 1996, § 31 Rn. 30 ff. 433 Siehe insbesondere die „Soldaten sind Mörder“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 93, 266 ff., und die Reaktionen in der Literatur, z. B. Kiesel, NVwZ 1992, 1129 ff.; Kriele, NJW 1994, 1897 ff. Vgl. jüngst auch Seitz, NJW 2003, 3523 ff. 434 Siehe Teil 3 A II 1. 435 Ob man wie die Rechtsprechung auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG rekurriert oder der hier vertretenen Ansicht folgt und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG heranzieht, spielt insoweit keine Rolle, vgl. Teil 3 B I 2 d). 436 Grimm, NJW 1995, 1700. 437 BVerfGE 43, 130 (136 f.); Grimm, NJW 1995, 1700. 431 432

D. Die Auflösung der Grundrechtskollision

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Die Deutung der beanstandeten Äußerungen richtet sich dabei nach bestimmten Grundsätzen: Es muß der objektive Sinn der Aussage ermittelt werden, d. h. das subjektive Verständnis des Kommunikators und des Betroffenen sind irrelevant. Vielmehr kommt es auf das unparteiische und verständige Publikum an.438 Den Ausgangspunkt für die Interpretation bildet der Wortlaut. Dessen isolierte Auslegung reicht aber regelmäßig nicht aus. Zusätzlich sind der sprachliche Kontext und die für den Rezipienten erkennbaren und dem Kommunikator zurechenbaren Begleitumstände zu berücksichtigen.439 Im Falle mehrdeutiger Aussagen darf eine für den Kommunikator nachteilige Deutung zudem nur gewählt werden, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten mit überzeugenden,440 tragfähigen441 bzw. nachvollziehbaren442 Gründen ausgeschlossen wurden.443 bb) Normauslegungsebene Sowohl auf dieser als auch auf der nachfolgenden Stufe ist zwischen der Pressefreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eine Abwägung vorzunehmen, die jeweils eine verhältnismäßige Zuordnung der kollidierenden Rechtsgüter unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen den Grundrechten bezweckt. Der Unterschied zwischen den Ebenen besteht allein darin, daß die Normauslegungsebene eine regelbezogene Abwägung erfordert und es auf dieser Stufe vor allem darum geht, zu verhindern, daß überhöhte Anforderungen in die Gesetze hineingelesen werden.444 Hingegen findet auf der sich anschließenden Ebene, die normalerweise den Prüfungsschwerpunkt bildet, eine fallbezogene Abwägung statt.445 Exemplarisch läßt sich der Grundrechtseinfluß auf der Normauslegungsebene anhand von § 823 Abs. 1 BGB und § 193 StGB aufzeigen. So interpretiert man das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht heute als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Es wird als sogenanntes Rahmenrecht eingestuft. Im Falle der Erfüllung des Tatbestandes ist die Rechtswidrigkeit daher nicht indiziert, sondern durch eine umfassende Abwägung festzustellen, bei der die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte, insbesondere des Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und des Art. 5 Abs. 1 GG berücksichtigt werden muß.446 § 193 StGB BVerfGE 93, 266 (295); BGHZ 139, 95 (102). BVerfGE 82, 43 (52); BVerfGE 93, 266 (295); BGHZ 132, 13 (20); OLG Karlsruhe NJW 2003, 2029 (2030). 440 BVerfGE 82, 272 (281); BVerfG NJW 2003, 961 (962). 441 BVerfGE 94, 1 (9). 442 BVerfG NJW 2001, 3613 (3614); BVerfG NJW 2002, 3767 (3767). 443 Vgl. auch BGHZ 139, 95 (104); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 71. 444 Grimm, NJW 1995, 1701. 445 Grimm, NJW 1995, 1701. 446 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 17 f.; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 189. 438 439

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wiederum läßt die Rechtswidrigkeit entfallen, wenn mit einer Äußerung berechtigte Interessen wahrgenommen werden. Bei den Printmedien deutet man die Vorschrift dahingehend, daß die Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die Presse unter Verweis auf ihre Funktion im demokratischen Staat stets als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 StGB gilt.447 Im übrigen verlangt auch diese Vorschrift eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung der betroffenen Grundrechte.

cc) Abwägung der kollidierenden Grundrechte Auf der letzten Prüfungsstufe erfolgt im Rahmen der anzuwendenden Gesetze schließlich die fallbezogene Abwägung zwischen den kollidierenden Grundrechten. Keine der Gewährleistungen ist dabei von vornherein als vorrangig einzustufen, sondern zwischen ihnen muß unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre ein angemessener Ausgleich hergestellt werden.448 Insbesondere für die Abwägung auf dieser Ebene haben sich Regeln und Vermutungen herausgebildet, die im folgenden dargelegt werden.449 Dabei ist zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen zu differenzieren. (a) Kriterien für die rechtliche Beurteilung von Tatsachenbehauptungen Der Ehrenschutz betrifft nur unwahre Tatsachenbehauptungen. 450 Für deren Verbreitung gibt es, wenn sie überhaupt in den Schutzbereich der Pressefreiheit fallen, regelmäßig keinen rechtfertigenden Grund.451 Kleinere Ungenauigkeiten sind allerdings nicht relevant, soweit die Gesamtaussage zutrifft.452 Probleme treten auf, wenn eine Tatsachenbehauptung sich erst im nachhinein als unwahr erweist. Dann existiert kein legitimes Interesse mehr, an der Behauptung festzuhalten.453 Allerdings kommt eine Sanktionierung der Äußerung nicht in Betracht, wenn die Presse die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten, die sogenannte „pressemäßige“ bzw. „publizistische“ Sorgfalt454 beachtet hat. Denn damit ist die Äußerung im Zeitpunkt der Verbreitung als rechtmäßig anzusehen.455 Der SorgBVerfGE 12, 113 (125 f.); BGHZ 31, 308 (312). Grimm, NJW 1995, 1702. 449 Vgl. BVerfGE 99, 185 (196); BVerfG NJW-RR 2001, 411 (411). 450 Siehe Teil 3 A II 1 b) bb). 451 BVerfGE 99, 185 (197). 452 BVerfGE 60, 234 (242); BGH NJW 1985, 1621 (1622). 453 BVerfGE 97, 125 (149); BVerfGE 99, 185 (198). 454 Dieser Begriff erschien in der Judikatur, soweit ersichtlich, erstmals 1963, OLG Köln NJW 1963, 1634 (1635); Peters, NJW 1997, 1335. 455 BVerfGE 99, 185 (198); Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2471. 447 448

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faltsmaßstab wird dabei variabel gehandhabt. Er richtet sich unter anderem nach der Intensität des Eingriffs und den Aufklärungsmöglichkeiten.456 Daher unterliegen die Printmedien wegen der besseren Recherchemöglichkeiten und ihrer Breitenwirkung einer strengeren Sorgfaltspflicht als Private.457 Allerdings dürfen die Anforderungen auch nicht überspannt werden, d. h. sie müssen so bemessen sein, daß die Presse noch ihrer Aufgabe gerecht werden kann.458 Sollte sich die Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung nicht feststellen lassen, greifen die Darlegungs- und Beweislastregeln ein.459 Der Umfang der Darlegungslast richtet sich nach den materiellrechtlichen Sorgfaltsregeln und reicht daher für die Presse wiederum weiter als für Privatpersonen.460 Demjenigen, der nachteilige Behauptungen über Dritte aufstellt, wird von den Zivilgerichten mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts eine erweiterte Darlegungslast auferlegt, die ihn zwingt, seine Aussagen zu substantiieren.461 Wenn der Äußernde seiner erweiterten Darlegungslast nachgekommen ist, wird die Klage allerdings nicht notwendig abgewiesen. Denn dem Angegriffenen darf nicht das Recht genommen werden, seinerseits die Unwahrheit einer Behauptung substantiiert darzulegen und zu beweisen.462 (b) Maßstäbe für die rechtliche Zulässigkeit von Meinungsäußerungen Die Zulässigkeit von Meinungsäußerungen ist grundsätzlich im Rahmen einer Abwägung festzustellen.463 Doch existieren Ausnahmen, in denen die Meinungsfreiheit stets zurücktreten muß. Das ist zum einen der Fall, wenn die Menschenwürde beeinträchtigt wird, da diese nicht mit anderen Grundrechten abgewogen werden kann.464 Zum anderen geht der Persönlichkeitsschutz vor, wenn die Äußerung eine Formalbeleidigung oder eine Schmähung darstellt.465 Wegen der die Meinungs- bzw. Pressefreiheit einschränkenden Wirkung hat das Bundesverfassungsgericht diese Begriffe aber eng definiert. So liegt eine Schmähung noch nicht bei ausfälliger oder überzogener Kritik vor. Sie ist nur bei Werturteilen zu beja456 457 458

BVerfGE 99, 185 (198); Seyfarth, NJW 1999, 1291. BVerfGE 99, 185 (198); BVerfG NJW 2003, 1855 (1856); Seyfarth, NJW 1999, 1291. BVerfGE 99, 185 (197); BVerfG NJW-RR 2000, 1209 (1210); Peters, NJW 1997,

1335. Grimm, NJW 1995, 1702. BVerfGE 85, 1 (21 f.); Seyfarth, NJW 1999, 1291. 461 BVerfGE 85, 1 (21); BVerfGE 99, 185 (198 f.); BGH NJW 1974, 1710 (1711); Grimm, NJW 1995, 1702. 462 BVerfGE 99, 185 (199); vgl. zu den Fragen der Darlegungs- und Beweislast bei Tatsachenbehauptungen ausführlich Seyfarth, NJW 1999, 1290 ff. 463 Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 112. 464 BVerfGE 75, 369 (380); BVerfGE 93, 266 (293); BGH AfP 2003, 326 (328); Grimm, NJW 1995, 1703. 465 BVerfGE 93, 266 (294); BGHZ 45, 296 (310). 459 460

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hen,466 und dort auch erst dann, wenn in einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.467 In einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage wird sie daher bloß selten bejaht werden können und sich eher auf die sogenannte Privatfehde beschränken.468 Formalbeleidigungen wiederum sind dadurch charakterisiert, daß sich die Kränkung schon aus der Form der Äußerung ohne Rücksicht auf die Inhalte ergibt.469 Liegt keiner der genannten Ausnahmefälle vor, kommt es zur eben erwähnten Abwägung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls. Insbesondere ist dabei der Kommunikationszusammenhang zu beachten. Nach dem „Gegenschlagsprinzip“ muß daher derjenige, der „im öffentlichen Meinungskampf zu einem herabsetzenden Urteil Anlaß gegeben hat, eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert“.470 Wer sich freiwillig den Bedingungen des Meinungskampfes unterwirft, hat also mehr zu dulden als Menschen, die ohne ihr Wollen hineingezerrt werden.471 Weitere Abwägungskriterien stellen das Ausmaß der Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit472 dar und bei tatsachenhaltigen Werturteilen der Wahrheitsgehalt der faktischen Bestandteile473. Auf die Richtigkeit des Werturteils kommt es hingegen nicht an.474 Ferner hält das Bundesverfassungsgericht „angesichts der heutigen Reizüberflutung aller Art einprägsame, auch starke Formulierungen“ für zulässig475 und stellt die Spontaneität der freien Rede unter besonderen Schutz476. Schärfen und Übersteigerungen müssen daher eher hingenommen werden, wenn sie „in der Hitze des Gefechts“ geäußert wurden, als wenn überlegte Aussagen in Rede stehen.477

466 467

BVerfG NJW 2003, 1109 (1109). BVerfGE 61, 1 (12); BVerfGE 82, 272 (284); vgl. z. B. OLG Karlsruhe AfP 2001, 336

(337). BVerfGE 93, 266 (294). BVerfG NJW 1994, 2413; BGHZ 39, 124 (127). 470 BVerfGE 66, 116 (150); vgl. auch BVerfGE 12, 113 (131 f.); BVerfGE 42, 143 (153); BGHZ 45, 296 (308 f.); Grimm, NJW 1995, 1703. 471 BVerfGE 12, 113 (128 ff.); BVerfGE 54, 129 (138); BGH NJW 1994, 124 (126); Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 113. 472 BVerfGE 42, 143 (149 f.). 473 BVerfGE 90, 241 (253); BVerfG NJW 2003, 1856 (1857); BVerfG AfP 2003, 535 (536). 474 BVerfGE 68, 226 (232); Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 112. 475 BVerfGE 24, 278 (286); BGH NJW 1994, 124 (126); BGH NJW 2000, 3421 (3422). 476 BVerfGE 54, 129 (139). 477 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 186. 468 469

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(c) Die Vermutungsformel Sowohl bei Tatsachenbehauptungen als auch bei Meinungsäußerungen spielt dem Bundesverfassungsgericht zufolge zusätzlich zu den jeweils erwähnten Kriterien eine Rolle, ob von der Meinungs- bzw. Pressefreiheit im Zusammenhang mit einer privaten Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen Gebrauch gemacht wird oder im Rahmen einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage. Im letzteren Fall nimmt man an, daß eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede spricht,478 wenn auch für Tatsachenbehauptungen nur in eingeschränkter Form.479 Die Meinungs- bzw. Pressefreiheit genießt damit aber keinen absoluten Vorrang. Es werden lediglich die Kriterien für die Zulässigkeit von Äußerungen so formuliert, daß sich keine nachteiligen Auswirkungen auf das demokratische Prinzip ergeben, es also zu keinem „chilling effect“480 bzw. zu einer „einschüchternden Wirkung“481 auf den Kommunikationsprozeß kommt.482 Ein Ergebnis, das die Meinungs- bzw. Pressefreiheit im Rahmen der Abwägung zurücktreten läßt, bleibt bei erhöhtem Begründungsaufwand also möglich.483 (d) Besonderheiten bei Äußerungen in der Presse Abgesehen von den bereits geschilderten Abwägungskriterien sind für die Zulässigkeit der Presseberichterstattung im Bereich des Ehrenschutzes und auch bei den folgenden Fallgruppen noch weitere Aspekte zu berücksichtigen. So gehören auf Seiten des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die Meinungsbildungsfunktion der Presse und die ihr obliegenden erhöhten Sorgfaltspflichten bei der Wahrheitsermittlung in die Abwägung einbezogen.484 Zudem kommt es auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an, welches regelmäßig eher gering zu gewichten ist, wenn es um sogenannte Sensationsberichterstattung geht.485 Auf Seiten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts spielt insbesondere die Intensität der Beeinträchtigung eine Rolle, welche durch die Breitenwirkung der Presse erheblich gesteigert wird. Auch kommt es auf die Aktualität des Themas an und 478 BVerfGE 7, 198 (208, 212); BVerfGE 61, 1 (7, 11); BVerfGE 93, 266 (294); BGHZ 45, 296 (308); BGH NJW 1994, 124 (126); Grimm, NJW 1995, 1703. 479 BVerfGE 61, 1 (8). In Wahlkampfzeiten gipfelt der Grundsatz sogar in einer „SuperVermutungsformel“, Schmitt Glaeser, JZ 1983, 98. Art. 21 Abs. 1 GG verstärkt dem Bundesverfassungsgericht zufolge bei Auseinandersetzungen im Wahlkampf die Vermutung zugunsten der Zulässigkeit freier Rede mit der Konsequenz, daß gegen Meinungsäußerungen nur in äußersten Fällen vorgegangen werden darf, BVerfGE 61, 1 (11 f.). 480 So der Terminus in der amerikanischen Diskussion, G. Nolte, EuGRZ 1988, 253. 481 BVerfGE 43, 130 (136). 482 Grimm, NJW 1995, 1703. 483 BVerfGE 93, 266 (295); Grimm, NJW 1995, 1704. 484 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 594. 485 BVerfGE 34, 269 (283).

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die Frage, inwieweit der Betroffene selbst die Nähe zur Presse sucht oder sich von ihr abschottet486.487 b) Kritik Die komplizierte Dogmatik des Ehrenschutzes, die das Bundesverfassungsgericht entwickelt hat, sieht sich jedoch insbesondere seit der Entscheidung zum Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“488 scharfer Kritik ausgesetzt. Da die Arbeit in diesem Bereich einen Schwerpunkt setzt, sollen die wesentlichen Kritikpunkte im folgenden kurz erörtert werden.

aa) Wechselwirkungslehre und das Recht der persönlichen Ehre Ein Aspekt, der beanstandet wird, ist die Erstreckung der Wechselwirkungslehre auf das Recht der persönlichen Ehre. Damit komme das Bundesverfassungsgericht dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutzauftrag zugunsten der Ehre nicht ausreichend nach. Zweck der Wechselwirkungslehre sei es schließlich, die in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Kommunikationsgrundrechte vor einer Aushöhlung durch einfaches Recht zu schützen. Da das Recht der persönlichen Ehre aber Verfassungsrang besitze, bestehe hier keine Gefahr, daß die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG durch einfache Gesetze relativiert werden.489 An dieser Kritik ist zutreffend, daß man nicht übersehen darf, daß das Recht der persönlichen Ehre als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Verfassungsrang genießt. Auf der Ebene des Grundgesetzes wurde die Grundrechtskollision zwischen Ehre und Kommunikationsfreiheiten aber noch nicht aufgelöst, d. h. es bedarf dazu ebenfalls der Konkretisierung durch einfache Gesetze. Diese müssen dann aber im Lichte des beschränkten Grundrechts interpretiert und angewendet werden, um dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Ebene der Normanwendung zu wahren.490 Daher ist die Anwendung der Wechselwirkungslehre auf die Schranke des Rechts der persönlichen Ehre nicht zu beanstanden.

BVerfGE 7, 198 (228); Degenhart, DVBl. 1990, 913. Rehm, AfP 1999, 418 f.; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 596. 488 BVerfGE 93, 266 (280 ff.). Zu den weiteren Sachverhalten, die diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren zugrunde lagen vgl. BVerfGE 93, 266 (268 ff.). 489 Stark, Ehrenschutz in Deutschland, 1996, S. 108 f.; Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 97. 490 Grimm, NJW 1995, 1702. 486 487

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bb) Vermutungsformel Ferner unterliegt die Vermutungsformel scharfer Kritik: Im Wortlaut des Grundgesetzes finde sie keinerlei Erwähnung. Die Bezugnahme auf die Öffentlichkeit wesentlich berührende Fragen sei zu unbestimmt und könne keine Orientierung bieten.491 Zudem drohe eine Verrohung des Meinungskampfes.492 Doch muß öffentlich beanspruchte Geltung dem freien Zugriff der öffentlichen Kritik offenstehen.493 Dies wird durch die Vermutungsformel gewährleistet. Um nicht den Kommunikationsprozeß aufgrund verstärkter repressiver Maßnahmen zugunsten des Ehrenschutzes zu lähmen, sind daher scharfe Formulierungen, wie sie diese Formel zuläßt, prinzipiell hinzunehmen.494

cc) Kompetenzüberschreitung durch das Bundesverfassungsgericht? Der schwerwiegendste Vorwurf, der dem Bundesverfassungsgericht aber gemacht wird, ist, daß es seine Kompetenzen überschreitet. Zivilgerichtliche Entscheidungen können wie andere Akte öffentlicher Gewalt Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, Art. 1 Abs. 3 GG. Um nicht zu einer Superrevisionsinstanz zu werden, prüft das Bundesverfassungsgericht jedoch grundsätzlich nur, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt wurde,495 und damit, ob die Gerichte dem Grundrechtseinfluß ausreichend Rechnung getragen haben oder nicht.496 Im Bereich des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG werden die Prüfungsbefugnisse aber weiter gezogen und zusätzlich auch die Deutungs- bzw. Sinnebene untersucht. Dabei prüfte das Bundesverfassungsgericht lange Zeit insbesondere, ob die Fachgerichte bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Deutung nur gewählt haben, wenn andere Interpretationsmöglichkeiten mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen wurden.497 Diese Erweiterung des Prüfprogramms durch das Bundesverfassungsgericht ist nach Ansicht vieler nicht mehr kompetenzgemäß, da damit in den den Fachgerichten vorbehaltenen Aufgabenbereich übergegriffen werde.498 Auch führe das BundesOssenbühl, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 80. Schmitt Glaeser, JZ 1983, 99. 493 Kübler, NJW 1999, 1285; ähnlich Barton, AfP 1995, 455. 494 Grimm, NJW 1995, 1704; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 108. 495 BVerfGE 18, 85 (92 f.); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 1174 f. 496 BVerfGE 101, 361 (388). 497 BVerfGE 82, 272 (281); BVerfG NJW 2003, 961 (962). 498 Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 76 ff. m. w. N.; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 200; Ossenbühl, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 86; Isensee, JZ 1996, 1090. 491 492

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

verfassungsgericht Deutungen der beanstandeten Aussagen ein, die bislang keiner auch nur in Erwägung gezogen habe, weder die Fachgerichte, noch der Äußernde oder andere Beteiligte. 499 Gegen diese Kritik ist jedoch anzuführen, daß die Regel, daß das Bundesverfassungsgericht an die Tatsachenfeststellungen der Instanzgerichte gebunden ist, durchaus seine Gültigkeit behält. Sie ist nur nicht auf die Deutung anwendbar, die die Äußerung als Ergebnis der gerichtlichen Auslegung erhält.500 Im Grundsatz ist also die Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht auch die Sinnebene bei der Prüfung des Art. 5 Abs. 1 GG berücksichtigt, nicht zu beanstanden. Soweit allerdings von den Fachgerichten verlangt wird, auch abwegige Interpretationen in Betracht zu ziehen und sie mit überzeugenden Gründen auszuschließen, führt die Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts zu weit. Ein unparteiischer und verständiger Betrachter, wie ihn das Bundesverfassungsgericht postuliert, würde so weit von der „gewöhnlichen Auslegung“ entfernte Deutungen nicht ernsthaft in Betracht ziehen. Hier ist daher eine Wende erforderlich und mit der DGHS-Entscheidung501 wohl auch eingeleitet worden.502 Denn seit diesem Beschluß hält es das Bundesverfassungsgericht meist für ausreichend, andere Interpretationsmöglichkeiten mit „tragfähigen“ bzw. „nachvollziehbare(n)“ Gründen auszuschließen.503

c) Fazit zu Punkt 1 Der Ausgleich zwischen den Medienfreiheiten und dem Ehrenschutz in seiner Prägung durch das Bundesverfassungsgericht ist also grundsätzlich nicht zu beanstanden. Nur auf der Deutungsebene sollte das Bundesverfassungsgericht zurückhaltender agieren.

2. Der Schutz des privaten Lebensbereichs Wenn wahre Tatsachen über eine Person verbreitet werden, hat deren Persönlichkeitsrecht in der Regel hinter den Kommunikationsfreiheiten zurückzutreten.504 Doch gibt es von diesem Grundsatz Ausnahmen. So überwiegt der Persönlichkeitsschutz, wenn die Behauptungen die geschützten Persönlichkeitssphären 499 Isensee, in: Ziemske u. a. (Hrsg.), FS Kriele, 1997, S. 43; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 200. 500 Grimm, NJW 1995, 1700. 501 BVerfGE 94, 1 ff. 502 Seitz, NJW 1996, 1519; Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 75. 503 Siehe Fn. 441 und 442 . Allerdings ist die seither ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ganz einheitlich. Zwar wird überwiegend von nachvollziehbaren oder tragfähigen Gründen gesprochen, doch gibt es auch Entscheidungen, in denen weiterhin überzeugende Gründe gefordert werden, z. B. BVerfG NJW 2003, 961 (962). 504 BVerfGE 97, 391 (403).

D. Die Auflösung der Grundrechtskollision

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betreffen und sich nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen.505 In erster Linie entscheidet über die Zulässigkeit von Veröffentlichungen folglich, aus welcher Sphäre die betroffene Information stammt. Während die Intimsphäre absolut geschützt ist, also ein berechtigtes Informationsinteresse nie bejaht werden kann, hängt bei Nachrichten aus der Privatoder Sozialsphäre die Rechtmäßigkeit der Publikation von einer umfassenden Abwägung ab. So kommt es unter anderem darauf an, ob Themen, die die Öffentlichkeit angehen, ernsthaft und sachbezogen erörtert werden, oder ob es sich bloß um die Publikation privater Angelegenheiten handelt, die allein der Befriedigung der Neugier bestimmter mehr oder weniger breiter Leserschichten dient.506 Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit der Betroffene selbst durch sein Verhalten das Interesse der Öffentlichkeit geweckt, sich also selbst exponiert hat.507 Auch die gesellschaftliche Stellung des Betroffenen spielt eine Rolle.508 Wie in der Fallgruppe des Rechts am eigenen Bild509 wird hier die Figur der „Person der Zeitgeschichte“ herangezogen und Personen, die als solche eingestuft wurden, ein geringerer Schutz gewährt als Menschen, die nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen.510 Auf Seiten des Betroffenen spielt ferner die Intensität der Beeinträchtigung eine Rolle. Sie ist bei der Medienberichterstattung aufgrund der Breitenwirkung besonders hoch einzustufen. Auch das Verhalten der Medien selbst bleibt nicht ohne Einfluß auf die Abwägung.511 Insbesondere die Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen verstärkt die Zuordnung zur Privatsphäre und wird daher nur bei überwiegenden Interessen der Allgemeinheit für zulässig erachtet.512 Insgesamt läßt sich damit festhalten, daß im Rahmen der Abwägung, wie Di Fabio zutreffend anmerkt, „die sachliche Schutzweite des Persönlichkeitsrechts ( . . . ) umgekehrt proportional mit dem Interesse der Öffentlichkeit an der betroffenen Person (korreliert)“.513

505 BVerfGE 99, 185 (196 f.); BVerfG NJW 2000, 2190 (2190); BGHZ 73, 120 (124), auch zum folgenden. 506 BVerfGE 34, 269 (283); BVerfGE 101, 361 (391). 507 BVerfGE 54, 129 (138); BGH NJW 2004, 766 (767); OLG Köln AfP 1982, 181 (182 f.); Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 243. 508 Degenhart, JuS 1992, 364; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 245 f. 509 Siehe dazu Teil 3 D II 4 b). 510 BVerfG AfP 1998, 50 (51 f.). In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß man laut Bundesverfassungsgericht nicht davon ausgehen kann, die Wortberichterstattung sei bei vergleichbaren Themen prinzipiell in weitergehendem Umfang zulässig als die Bildberichterstattung. Denn ein Bericht kann viele Details aufweisen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht stärker beeinträchtigen als eine Abbildung, BVerfG NJW 2000, 2194 (2195). 511 Siehe Teil 3 D II 1 a) cc) (d). 512 BVerfGE 66, 116 (139); BGHZ 73, 120 (127 f.); Degenhart, JuS 1992, 364 f. 513 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 240.

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3. Der Selbstdarstellungsschutz im allgemeinen Soweit das Persönlichkeitsbild des Betroffenen durch falsche Tatsachenbehauptungen, Zitate oder untergeschobene Äußerungen verfälscht wird, ist prinzipiell von der Unzulässigkeit der Publikation auszugehen. Entweder kann sich die Presse schon nicht auf Art. 5 Abs. 1 S. 1, 2 GG berufen,514 oder dem Persönlichkeitsschutz wird im Rahmen der Abwägung der Vorrang eingeräumt. Nur wenn die Printmedien bei der Publikation falscher Tatsachenbehauptungen ihre Sorgfaltspflichten eingehalten haben, kann man wie beim Ehrenschutz eine Persönlichkeitsverletzung verneinen.515 Die Veröffentlichung wahrer Tatsachenbehauptungen ist hingegen grundsätzlich erlaubt, es sei denn, die Abwägung der Persönlichkeitsbelange mit der Pressefreiheit führt zu einem anderen Ergebnis.516 Als Kriterien dienen hier die Stellung und das Verhalten des Betroffenen in der Öffentlichkeit sowie, wenn die geschützten Persönlichkeitssphären betroffen sind, die dort relevanten Zulässigkeitsgesichtspunkte.517 Auch die Frage, ob die Informationsbeschaffung rechtmäßig erfolgte oder nicht, spielt eine Rolle.518 Insgesamt bleibt festzuhalten, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang genießt, wenn die Publikation der Tatsachenbehauptungen in einem Schaden zu resultieren droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht.519

4. Das Recht am eigenen Bild Der Schutz des Rechts am eigenen Bild ist einfachgesetzlich gespalten. Soweit es um die Herstellung von Bildnissen geht, greift § 823 Abs. 1 BGB ein.520 Die Publikation von Abbildungen wird hingegen durch §§ 22, 23 KUG geschützt.

BVerfGE 34, 269 (283 f.); BVerfGE 54, 208 (219 f.). Siehe Teil 3 D II 1 a) cc) (a). 516 BVerfGE 97, 391 (403 f.); BVerfGE 99, 185 (197). 517 Degenhart, JuS 1992, 365; Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 167; siehe Teil 3 D II 2. 518 BVerfGE 66, 116 (137 f.). 519 BVerfGE 97, 391 (403 f.); BVerfGE 99, 185 (197). 520 BGHZ 24, 200 (208). Vgl. zu den jüngsten Bemühungen um einen stärkeren gesetzlichen Schutz vor der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen den Entwurf des § 201a StGB vom 10. Februar 2004, BTag-Drs. 15 / 2466, S. 1. 514 515

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a) Maßstäbe für die rechtliche Beurteilung der Herstellung von Bildnissen Bereits die Herstellung von Bildnissen führt zu einer Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts,521 deren Zulässigkeit im Rahmen einer Abwägung geprüft werden muß. Maßgeblich ist dabei zunächst der Zweck der Abbildung. Wenn die Aufnahme mit dem Ziel rechtmäßiger Veröffentlichung, z. B. nach § 23 KUG, erfolgt, besteht grundsätzlich kein Anlaß zur Beanstandung.522 Bei Verletzungen der Privat- oder Intimsphäre ist hingegen von der Unzulässigkeit der Aufnahmen auszugehen.523 Insoweit überschneidet sich der Bildnisschutz mit dem Schutz des privaten Lebensbereichs, so daß die dort geltenden Maßstäbe in die Abwägung einzubeziehen sind. Auch heimliche und überrumpelnde Aufnahmen lassen auf die Unzulässigkeit der Bildnisherstellung schließen. Doch reicht das isolierte Vorliegen der letztgenannten Aspekte wohl nicht aus, um eine Persönlichkeitsverletzung zu begründen, sondern es müssen noch weitere Umstände hinzukommen.524 b) Kriterien für die Zulässigkeit der Verbreitung von Bildnissen Die Zulässigkeit der Bildnisverbreitung richtet sich nach §§ 22, 23 KUG.525 Ihre Auslegung durch die Fachgerichte wurde vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gebilligt.526 aa) Die einwilligungsfreie Publikation nach § 23 Abs. 1 KUG Das Bundesverfassungsgericht hält die Bestimmung der Tatbestandsmerkmale des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG unter Berücksichtigung des Informationsinteresses der Allgemeinheit für ebenso unbedenklich wie die Verwendung der Figuren der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte 527.528 Die Begriffe finden sich zwar weder im Kunsturhebergesetz noch in der Verfassung. Doch ist die Bezeichnung „absolute Person der Zeitgeschichte“ als abkürzende Ausdrucksweise für Menschen, die unabhängig von einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis wegen Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 158. Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 608 f. 523 Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 815. 524 Kritisch BVerfGE 101, 361 (394 f.) zu der insoweit strikteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, BGHZ 24, 200 (208); BGHZ 131, 332 (340 f.). 525 Siehe Fn. 420. 526 BVerfGE 101, 361 (391 ff.); BVerfG NJW 2001, 1921 (1922 f.). 527 Dazu grundlegend Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114 ff.; vgl. auch BGHZ 20, 345 (369 f.); BGHZ 131, 332 (336 f.); kritisch Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 212 ff. m. w. N. 528 BVerfGE 101, 361 (391 ff.); BVerfG NJW 2001, 1921 (1922 f.). 521 522

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ihrer Stellung und ihrer Bedeutung öffentliche Aufmerksamkeit wecken (z. B. Angehörige des Hochadels, Politiker, Sportler)529, verfassungsrechtlich unbedenklich, solange eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den berechtigten Belangen des Abgebildeten nicht entfällt.530 Ebensowenig bestehen Einwände gegen die Figur der „relativen Person der Zeitgeschichte“, bei der ein öffentliches Informationsinteresse nicht generell, sondern nur im Zusammenhang mit einem bestimmten zeitgeschichtlichen Vorgang besteht (z. B. Angehörige und die vertraute Begleitung von absoluten Personen der Zeitgeschichte, wenn sie sich mit dieser oder an ihrer statt in der Öffentlichkeit zeigen)531, solange weiterhin eine Interessenabwägung erfolgt.532 Die einwilligungsfreie Bildveröffentlichung beschränkt sich dabei nicht auf Abbildungen, die die Personen der Zeitgeschichte in Ausübung ihrer Funktionen zeigen. Denn damit würde das öffentliche Informationsinteresse nur unzureichend berücksichtigt. Es sind vielmehr auch kontextneutrale Fotos zulässig, da den Schutzanforderungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausreichend über § 23 Abs. 2 KUG Rechnung getragen werden kann.533

bb) Grenzen der einwilligungsfreien Veröffentlichung, § 23 Abs. 2 KUG Einer an sich zulässigen Veröffentlichung nach § 23 Abs. 1 KUG stehen jedoch möglicherweise berechtigte Interessen des Abgebildeten entgegen, § 23 Abs. 2 KUG. Ob dies der Fall ist, muß im Rahmen einer Abwägung festgestellt werden, die die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte zu berücksichtigen hat. Dabei gilt es einerseits das Recht der Presse zu beachten, Inhalt und Form ihrer Publikation frei zu bestimmen, wozu auch die Entscheidung über die Art und Weise der Bebilderung gehört.534 Ebenso spielt eine Rolle, ob es sich um Beiträge mit einem besonderen Bezug zum demokratischen Prozeß handelt oder um ausschließlich unterhaltende Artikel, bei denen die Personalisierung die Aufmerksamkeit der Leser erregen soll.535 Zudem fließt die Methode der Informationsgewinnung in die Abwägung ein.536 Petersen, Medienrecht, 2003, Rn. 69. BVerfGE 101, 361 (392); BVerfG NJW 2001, 1921 (1922). 531 BVerfG NJW 2001, 1921 (1923); vgl. auch BVerfG NJW 2000, 2191 (2191). Damit hat das Bundesverfassungsgericht die sogenannte Begleiterrechtsprechung der Fachgerichte ausdrücklich gebilligt, vgl. OLG Hamburg ZUM 1990, 244 (245); OLG Hamburg ZUM 1995, 494 (495). 532 BVerfG NJW 2001, 1921 (1922 f.). 533 BVerfGE 101, 361 (392 f.); BVerfG NJW 2001, 1921 (1923 ff.). 534 BVerfGE 101, 361 (389). 535 BVerfG NJW 2001, 1921 (1923). 536 BGHZ 24, 200 (208); Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 225. 529 530

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Andererseits wird die Intimsphäre von Personen der Zeitgeschichte ebenfalls absolut geschützt.537 Desgleichen können sie den Schutz der thematischen und räumlichen Privatsphäre für sich beanspruchen, wenn auch in abgeschwächter Form.538 Hier spielt insbesondere das eigene Verhalten der Betroffenen eine Rolle.539 Daher fließen Gefahren für ihre körperliche Unversehrtheit und Freiheit nur in die Abwägung ein, wenn sie ihr Verhalten an der Gefährdungslage ausgerichtet haben.540 Ferner spricht es gegen die Zulässigkeit von Abbildungen, wenn sie den Betroffenen in einer besonders unglücklichen Situation darstellen, die Aufnahmen herabsetzend oder ehrenrührig sind, oder durch den Wechsel des Kontexts der Sinngehalt der Bilder verzerrt wird.541 Andere Grundrechte können außerdem den Schutz, den das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet, verstärken. Dies wird seit kurzem hinsichtlich Art. 6 Abs. 1, 2 GG angenommen, wenn es um die elterliche Hinwendung von Prominenten zu ihren Kindern geht.542

5. Das Recht am eigenen Wort Es wurde bereits festgestellt, daß das Recht am eigenen Wort nicht identisch ist mit dem Schutz des privaten Lebensbereichs, sondern daß es die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen gewährleistet.543 Dementsprechend richtet sich die erforderliche Abwägung544 grundsätzlich nach den Kriterien, die für den Schutz der Selbstdarstellung im allgemeinen entwickelt wurden.545 Soweit allerdings zugleich der private Lebensbereich tangiert ist, kann für die Abwägung auch auf die dort relevanten Gesichtspunkte zurückgegriffen werden.546

BVerfG NJW 2001, 1921 (1924). Vgl. Zentai, ZUM 2003, 365 f. m. w. N. Nach a.A. wird dieser Aspekt schon bei § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG geprüft, Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 43 Rn. 16. 539 BVerfGE 101, 361 (393 f.); Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 181, 601. 540 BVerfG NJW 2000, 2194 (2194). 541 BVerfG NJW 2001, 1921 (1924); BVerfG NJW 2000, 2192 (2193). 542 BVerfGE 101, 361 (385 f.); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 237. 543 BVerfGE 106, 28 (41); BGH NJW 2003, 1727 (1728); siehe Teil 3 A II 1 b) dd). 544 Vgl. BVerfGE 106, 28 (49); BGH NJW 2003, 1727 (1728). 545 Siehe Teil 3 D II 3. 546 BGHZ 73, 120 (124 ff.); OLG Karlsruhe ZUM 2003, 504 (505); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 196, 198; siehe Teil 3 D II 2. 537 538

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6. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Die Kollisionslage im Bereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beruht darauf, daß einerseits die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch Pressevertreter unter die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit fällt und andererseits die Betroffenen sich auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen können, das auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten ausstrahlt547.548 Der zum Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen berufene Gesetzgeber ist seiner Pflicht vornehmlich durch Erlaß des § 41 Abs. 1 BDSG nachgekommen, der Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse vom Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes ausnimmt, wenn sie personenbezogene Daten ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken heranziehen.549 Wegen dieser als Medien- bzw. Presseprivileg bezeichneten Rahmenvorschrift und den sie umsetzenden landesrechtlichen Normen550 können von der Presseberichterstattung Betroffene weitgehend nicht auf die in den Datenschutzgesetzen verankerten Rechte zurückgreifen. Doch verbleiben ihnen die aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährten zivilrechtlichen Ansprüche.551 Denn das Medienprivileg entbindet die Presseschaffenden nicht von ihren Sorgfaltspflichten im Umgang mit personenbezogenen Daten.552 Werden Ansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend gemacht, ist daher zu prüfen, ob die Beeinträchtigung „von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls getragen (wird) und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist“.553 Kriterien sind unter anderem die Sensibilität der 547 BVerfGE 84, 192 (194 f.); BGH NJW 2004, 762 (763); BGH JZ 1995, 253 (254); BGH NJW 1991, 1532 (1533); Kloepfer, 62. DJT, Bd. 1, 1998, S. D 80. 548 Gola / Schomerus, BDSG, 7. Aufl. 2002, § 41 Rn. 4. 549 Vgl. zu dieser Norm ausführlich Gola / Schomerus, BDSG, 7. Aufl. 2002, § 41 Rn. 1 ff. und Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 41 ff.; teilweise kritisch zur Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 1 BDSG Kloepfer, AfP 2000, 522 f. und Michel, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 118 ff. 550 Siehe dazu ausführlich später Teil 5 B V 2. 551 Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 29; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 42 Rn. 42 und Kap. 54 Rn. 38. Soweit die Landespressegesetze in Ausfüllung der Rahmenvorschrift des § 41 Abs. 1 BDSG Schadensersatzregelungen vorsehen, ist § 823 Abs. 1 BGB daneben anwendbar, vgl. Simitis, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 7 Rn. 57 zur Schadensersatzregelung im BDSG. 552 Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 42 Rn. 42. 553 BGH NJW 1991, 1532 (1533) unter Berufung auf BVerfGE 65, 1 (43 ff.) und BVerfGE 78, 77 (85 ff.); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 124. Die Rechtsprechung ist allerdings nicht einheitlich. Teilweise wird weiterhin der Sphärengedanke herangezogen, BVerfGE 80, 367 (373 f.); Wanckel, Persönlichkeitsschutz in der Informationsgesellschaft, 1999, S. 113, 115.

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Daten554, die Breitenwirkung der Publikation555 und eine eventuelle Prangerwirkung556. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich hier beide Seiten auf Grundrechte berufen können, so daß die verfassungsrechtlichen Anforderungen im Vergleich zu denen an die staatliche Datenverarbeitung nicht gleichartig, sondern allenfalls gleichwertig sein können.557 Überschneidungen mit anderen Fallgruppen des Persönlichkeitsrechts sind auch hier möglich.558

7. Der Schutz vor Unwahrheiten Die Frage der (Un-)Zulässigkeit unwahrer Tatsachenbehauptungen wurde bereits im Rahmen des Ehrenschutzes erörtert, so daß auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.559

8. Der Entwicklungsschutz von Kindern und Jugendlichen Dem Staat obliegt die Pflicht, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu gewährleisten.560 Diese Schutzpflicht wirkt sich im Rahmen des Persönlichkeitsschutzes vor unzulässiger Medienberichterstattung regelmäßig dahingehend aus, daß andere betroffene Persönlichkeitsbelange, wie die Gewährleistung des privaten Lebensbereichs, eine Verstärkung erfahren.561 Doch kann der Entwicklungsschutz auch eine eigenständige Bedeutung erlangen, da das Recht auf „Person werden“ auch die kindgemäße Entfaltung in der Öffentlichkeit erfaßt.562 Hier wird die Abwägung regelmäßig zugunsten des Persönlichkeitsschutzes ausgehen, wenn die Kinder sich bei alltäglichen Vorgängen wie Einkaufen im öffentlichen Raum bewegen und nicht allein oder zusammen mit den Eltern bewußt der Öffentlichkeit zuwenden. Keinen Einfluß auf das Ergebnis hat insoweit, ob die Eltern die Kinder begleiten, auch wenn es sich um Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung handelt.563

BGH NJW 1991, 1532 (1533). BVerfG NJW 2000, 2413 (2415) zu BGH JZ 1995, 253 ff. 556 BGH JZ 1995, 253 (254). 557 Kloepfer, AfP 2000, 523; Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 2 Rn. 122. 558 BGH JZ 1995, 253 (253 f.); Trute, JZ 1995, 256. 559 Siehe Teil 3 D II 1 a) cc) (a). 560 Engels, AöR Bd. 122 (1997), S. 231. 561 BVerfG NJW 2000, 2191 (2192). Anders als in BVerfGE 101, 361 (385 f.) ist in diesem Beschluß das Kind selbst der Anspruchsteller und nicht die Mutter. 562 BVerfG NJW 2000, 2191 (2191). 563 BVerfG NJW 2000, 2191 (2191). 554 555

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9. Das Recht auf Resozialisierung Das Recht auf Resozialisierung gibt Straftätern die Chance, sich nach Verbüßung ihrer Haftstrafe wieder in die Gesellschaft einzugliedern.564 Eine Befassung der Medien mit Täter und Tat über die aktuelle Berichterstattung hinaus beeinträchtigt dieses Recht möglicherweise erheblich, denn es kann zur Stigmatisierung und sozialen Isolation des Betroffenen führen und damit die Wiedereingliederung erschweren.565 Ob eine derartige Gefährdung der Resozialisierung zu erwarten ist, muß im Rahmen einer Abwägung unter Berücksichtigung insbesondere der folgenden Kriterien entschieden werden: Auf Seiten des Betroffenen kommt es maßgeblich darauf an, ob man ihn vor allem durch Namensnennung und Abbildung identifizieren kann.566 Ferner ist die Breitenwirkung und Form der Medienberichterstattung von Bedeutung für die Intensität des Eingriffs.567 Schließlich spielt auch die zeitliche Nähe zur Haftentlassung eine Rolle.568 Doch kann in Abhängigkeit von der Schwere der Tat die Berichterstattung auch unabhängig von diesem Zeitpunkt eine anprangernde Wirkung haben, selbst wenn das Geschehen lange zurückliegt.569 Auf der anderen Seite gilt es die einschlägigen Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten. Sie gewährleisten den Medien insbesondere Freiheit bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Produkte.570 Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wiegt hingegen weniger schwer, da es sich nicht um eine aktuelle Berichterstattung handelt.571 Allerdings hat der Straftäter keinen Anspruch darauf, öffentlich nie mehr mit seiner Tat konfrontiert zu werden.572

BVerfGE 35, 202 (235 f.). BVerfGE 35, 202 (233); BVerfG NJW 2000, 1859 (1860). 566 BVerfGE 35, 202 (226, 230); BVerfG NJW 2000, 1859 (1860); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 218. 567 BVerfGE 35, 202 (226 ff.). 568 BVerfGE 35, 202 (238). 569 BVerfG NJW 2000, 1859 (1860); Cole, NJW 2001, 796. 570 In den Lebach-Entscheidungen, BVerfGE 35, 202 (230 ff.) und BVerfG NJW 2000, 1859 (1861), war Prüfungsmaßstab die Rundfunkfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Doch gelten die dazu gemachten Ausführungen natürlich auch für die Pressefreiheit, siehe Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 64. 571 BVerfGE 35, 202 (233 f.). In BVerfG NJW 2000, 1859 (1860 f.) wird dieser Gesichtspunkt nicht mehr erwähnt. Nach v. Coelln, ZUM 2001, 485 beeinflußt der Aspekt allein die Intensität des Eingriffs in die Rundfunkfreiheit bzw. in andere Medienfreiheiten, ist aber per se nicht konstitutiv für einen schwerwiegenden Eingriff. 572 BVerfG NJW 2000, 1859 (1860). 564 565

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10. Die Unschuldsvermutung Die im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankerte Unschuldsvermutung verbietet grundsätzlich eine vorverurteilende Berichterstattung in Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren.573 Sie gilt in zeitlicher Hinsicht vom Beginn eines Ermittlungsverfahrens bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung574 und stellt in diesem Zeitraum hohe Sorgfaltsanforderungen an die Presse. Zwar wird demjenigen, der tatsächlich eine Straftat begangen hat, im Rahmen der Abwägung mit kollidierenden Grundrechten nur noch ein verminderter Schutz eingeräumt.575 Doch kann das nicht für Verdächtige gelten, da ihre Schuld im Strafverfahren erst noch zu klären ist.576 Die Berichterstattung hat demzufolge zurückhaltend und ausgewogen zu sein,577 wenn auch der Zwang zur „pressegerechten“ Präsentation der Nachrichten oder die Verfolgung besonders dringender Anliegen die Sorgfaltspflichten der Presse unter Umständen begrenzt.578 Tatverdächtige dürfen jedenfalls prinzipiell nicht als Schuldige bezeichnet werden.579 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz greift allerdings ab der erstinstanzlichen Verurteilung ein. Ab diesem Zeitpunkt sind schuldzuweisende Formulierungen regelmäßig möglich, da die Täterschaft hinreichend feststeht und daher der Persönlichkeitsschutz zurücktreten muß.580

III. Zusammenfassung zu Abschnitt D. Die Auflösung der Grundrechtskollision zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit im Rahmen der einfachgesetzlichen Tatbestände ist grundsätzlich durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung charakterisiert. Je nach betroffener Fallgruppe sind dabei unterschiedliche Leitlinien und Abwägungsgesichtspunkte zu beachten, die vorstehend herausgearbeitet wurden. Nur bei Eingriffen in den Kernbereich der Persönlichkeit muß die Pressefreiheit stets zurücktreten.

C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 70 ff. C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 78 f.; OLG Köln NJW 1987, 2682 (2684). 575 Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 241. 576 Bornkamm, NStZ 1983, 105. 577 BVerfGE 35, 202 (232). 578 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 591; OLG Köln, NJW 1987, 2682 (2684). 579 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 591. 580 Bornkamm, NStZ 1983, 107; Lampe, NJW 1973, 220; enger C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 77, 79. 573 574

142

Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

E. Schlußfolgerungen aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Persönlichkeitsschutz durch Selbstkontrolleinrichtungen In den vorstehenden Abschnitten wurden Schutzumfang und Grenzen der für den Konflikt zwischen Medien und Berichterstattungsopfern relevanten Grundrechte, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit, erörtert, ihre Wirkungsweise im Privatrecht untersucht und Leitlinien für die Auflösung des Spannungsverhältnisses aufgezeigt. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben wirken sich auch auf die Errichtung und Tätigkeit von Selbstkontrolleinrichtungen aus: Die Gründung von Selbstkontrollinstitutionen verfolgt meist den Zweck, staatliche Aktivitäten zu verhindern oder den Staat zum „Rückzug“ aus einem Bereich, also zur Deregulierung, zu bewegen. Ein solches privates, das staatliche Handeln substituierende Tätigwerden ist zwar grundsätzlich nicht verboten.581 Allerdings unterliegt es im Hinblick auf die staatlichen Schutzpflichten gewissen Grenzen. Die durch die verminderte staatliche Aktivität verringerte Bedeutung der Abwehrfunktion der Grundrechte muß hier durch eine verstärkte Aktivierung der grundrechtlichen Schutzfunktion ausgeglichen werden.582 Das bedeutet einerseits, daß der Staat sich seinen Schutzpflichten für das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht gänzlich dadurch entziehen kann, daß er eine Aufgabe gesellschaftlichen Einrichtungen überträgt. Er muß vielmehr weiterhin einen angemessenen Persönlichkeitsschutz gewährleisten. Andererseits obliegen der öffentlichen Gewalt aber auch Schutzpflichten gegenüber der Presse. So hat der Staat dafür Sorge zu tragen, daß die freie Kommunikation nicht durch den Aufbau einer privaten Zensurmacht, zu der sich Selbstkontrolleinrichtungen unter Umständen entwickeln können, behindert wird.583 Die Errichtung von Selbstkontrolleinrichtungen im Medienbereich unterliegt folglich von zwei Seiten her verfassungsrechtlichen Grenzen: den Schutzpflichten des Staates zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einerseits und der Pressefreiheit andererseits. Diese Grenzen gelten auch für die Tätigkeit der Selbstkontrolleinrichtungen. Dort spielen sie insbesondere eine Rolle beim Verfahren und bei den Maßstäben für den Ausgleich zwischen Pressefreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht. Denn ein zu starkes Abweichen von den verfassungsrechtlichen Vorgaben könnte Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 37. Hoffmann-Riem, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 95. 583 Hoffmann-Riem, M&K 2002, 194; Hoffmann-Riem, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AKGG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 95. Dabei sollte aber als Grundlage der Schutzpflicht nicht isoliert auf das Zensurverbot zurückgegriffen werden, das lediglich eine Schranken-Schranke bildet. Vorzuziehen ist es, Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG als Verstärkung des im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährten Schutzes zu berücksichtigen, Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 925; a.A. wohl Hoffmann-Riem, M&K 2002, 192, 194. 581 582

F. Zusammenfassung zu Teil 3

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die staatlichen Schutzpflichten zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. der Pressefreiheit aktivieren. Wenn die Selbstkontrolle eine zulässige und attraktive Alternative zum Rechtsschutz darstellen soll, bietet sich daher eine Orientierung an den für den Kollisionsfall aufgestellten rechtlichen Abwägungsgesichtspunkten an. Dafür spricht auch, daß Entscheidungen von Selbstkontrolleinrichtungen regelmäßig gerichtlich angreifbar sind.584 Bei einer Ausrichtung an den rechtlichen Maßstäben mindert sich die Gefahr einer Haftung der Selbstkontrolleinrichtung erheblich. Zudem müssen auch die Presseunternehmen sowie die Betroffenen die Selbstkontrollinstanz akzeptieren. Das wird aber bei den erstgenannten nur der Fall sein, wenn die Beurteilungskriterien nicht zu weit über die rechtlichen Vorgaben hinausgehen, und bei den letztgenannten nur zutreffen, wenn das Schutzniveau dem rechtlichen zumindest vergleichbar ist.

F. Zusammenfassung zu Teil 3 Für den Persönlichkeitsschutz durch Presseselbstkontrolle spielen folgende Grundrechte eine Rolle: Auf der einen Seite steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht insbesondere mit der Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung, Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, auf das sich der von der Medienberichterstattung Betroffene stützen kann. Es umfaßt den Schutz des privaten Lebensbereichs, das Recht an der Darstellung der eigenen Person sowie den Schutz der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung. Die Presse, auf der anderen Seite, kann sich auf das Grundrecht der Pressefreiheit mit den Schranken der allgemeinen Gesetze und des Rechts der persönlichen Ehre, Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG, berufen, das nach hier vertretener Ansicht die Meinungsfreiheit verdrängt, soweit sich die Schutzbereiche überschneiden. Allerdings ist es dem von der Presseberichterstattung Betroffenen und der Presse nicht möglich, die Grundrechte gegeneinander geltend zu machen, da die Grundrechte keine unmittelbare Drittwirkung in privatrechtlichen Beziehungen entfalten. Ebensowenig kann eine Zurechnung privater Eingriffe an den Staat erfolgen, wie es die etatistische Konvergenztheorie vertritt. Doch bedingt die grundrechtliche Schutzfunktion – unter anderem – eine Wirkung der Grundrechte im Privatrecht über das Medium der einfachen Gesetze. Ob man diese Ausstrahlungswirkung noch als mittelbare Drittwirkung bezeichnen will oder nicht, ist allein eine terminologische Frage. Dem einzelnen steht jedenfalls nach der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten ein aus den Grundrechten fließendes subjektives Recht auf Schutz zu, wenn ein Privater rechtswidrig in seine Grundrechte übergreift. Wenn der Staat in Erfüllung der an ihn adressierten Schutzpflichten tätig wird, greift er aber regelmäßig zugleich in die Grundrechte des Störers ein. Der ambiva584 Löffler, in: Löffler / Hébarre (Hrsg.), Form und Funktion der Presse-Selbstkontrolle in weltweiter Sicht, 1968, S. 63; Paschke, Medienrecht, 2. Aufl. 2001, Rn. 447.

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Teil 3: Verfassungsrechtlicher Rahmen

lente Schutzeingriff führt daher zu einem Rechtfertigungszwang der öffentlichen Gewalt von zwei Seiten: vom Schutzbedürftigen, dem sie einen ausreichenden Schutz gewährleisten muß, und vom Störer, dessen Grundrechte sie beeinträchtigt. Dem als Maßstab dienenden Untermaßverbot auf Seiten der Schutzpflicht korreliert damit das Übermaßverbot auf Seiten des Abwehrrechts, d. h. diese gegenläufigen Regulative müssen zum Ausgleich gebracht werden. Für den Konflikt zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit bedeutet dies, daß eine Auflösung der Grundrechtskollision im Rahmen der einfachgesetzlichen Tatbestände durch Herstellung praktischer Konkordanz unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre herbeigeführt werden muß. Zu diesem Zweck findet regelmäßig eine umfassende Güter- und Interessenabwägung statt, bei der je nach betroffener Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterschiedliche Leitlinien und Abwägungsgesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Nur bei Eingriffen in den Kernbereich der Persönlichkeit hat die Pressefreiheit stets zurückzutreten. Diese aus dem Grundgesetz abgeleiteten Vorgaben wirken sich schließlich auch auf die Errichtung und Tätigkeit von Selbstkontrolleinrichtungen aus. Denn sie setzen derartigen Institutionen und ihren Aktivitäten von zwei Seiten her verfassungsrechtliche Grenzen, nämlich durch die Schutzpflichten des Staates zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einerseits und zugunsten der Pressefreiheit andererseits. Soll die Selbstkontrolle eine zulässige und attraktive Alternative zum Rechtsschutz darstellen, bietet sich daher eine Orientierung an den für den Kollisionsfall zwischen Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG aufgestellten rechtlichen Abwägungskriterien an.

Teil 4

Begriff und Erscheinungsformen der Selbstkontrolle Die hoheitliche Regulierung, also die staatliche Lenkung mit Befehl und Zwang, tritt zunehmend zugunsten anderer Formen staatlicher Steuerung, die unter dem Begriff „regulierte Selbstregulierung“ firmieren, bzw. zugunsten der rein gesellschaftlichen Selbstregulierung in den Hintergrund. Um die Presseselbstkontrolle richtig einordnen zu können, werden im folgenden Abschnitt im Anschluß an eine Erläuterung der Ursachen für die wachsende Bedeutung der Selbstkontrolle die relevanten Begriffe definiert und von anderen rechtlichen Phänomenen abgegrenzt. Am Ende des Kapitels wird schließlich nach einer Erörterung der Vor- und Nachteile selbstregulativer Systeme eine Definition der Presseselbstkontrolle für diese Arbeit entwickelt.

A. Ursachen für die zunehmende Bedeutung der Selbstkontrolle1 Das traditionelle staatliche Steuerungskonzept ist die hoheitliche Regulierung.2 Doch wird dieses Modell im Zuge der fortschreitenden gesellschaftlichen und technischen Entwicklung zunehmend in Frage gestellt. Zwar nimmt der Steuerungsbedarf und damit die staatliche Verantwortung aufgrund der wachsenden Komplexität der Gesellschaft zu. Doch unterliegen die neuen Aufgaben oftmals nur einem beschränkten Einfluß des Staates.3 Grenzen ergeben sich unter anderem daraus, daß die öffentliche Gewalt vielfach nicht über die erforderlichen Informationen verfügt, um Voraussetzungen und Wirkungen hoheitlicher Regulierung abschätzen zu können.4 Auch die Grundrechte stehen staatlicher Lenkung in bestimmten Bereichen entgegen. Das gilt insbesondere für den Mediensektor aufgrund der besonderen Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG.5 Ferner ist zu 1 Vgl. dazu zusammenfassend Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-8 m. w. N. 2 Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 48. 3 Calliess, AfP 2002, 465. 4 Trute, DVBl. 1996, 950. 5 Calliess, AfP 2002, 465.

10 Schwetzler

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Teil 4: Begriff und Erscheinungsformen der Selbstkontrolle

beachten, daß hoheitliche Regulierung häufig die Interessen der Steuerungsadressaten ignoriert und daher oftmals mehr Widerstand als Bereitschaft zur Zusammenarbeit bewirkt.6 Und schließlich gilt es noch die zunehmende internationale Verflechtung zu berücksichtigen, die es den Steuerungsadressaten ermöglicht, nationalen Regulierungen auszuweichen.7 Ziel staatlicher Steuerung kann es daher in vielen Bereichen wie dem Umweltrecht8 oder dem Medienrecht9 oftmals nicht mehr sein, bestimmte wünschenswerte Resultate selbst herbeizuführen. Der Staat übernimmt insoweit also keine Erfüllungsverantwortung mehr. Er nimmt statt dessen nur noch eine Gewährleistungsverantwortung wahr, d. h. er stellt den rechtlichen Rahmen für adäquate gesellschaftliche Problemlösungen bereit, oder zieht sich auf eine Auffangverantwortung zurück, die sich aktualisiert, wenn Steuerungsdefizite im Bereich des privaten Handelns evident werden.10

B. Begrifflichkeiten Die soeben11 aufgezählten Steuerungsdefizite des Staates haben dazu geführt, daß neben der hoheitlichen Regulierung alternative Regulierungsmodelle ausgearbeitet bzw. fortentwickelt wurden. Heute unterscheidet man zumeist drei Formen der Regulierung, die gesellschaftliche Selbstregulierung, die hoheitliche respektive imperative Regulierung und die hoheitlich regulierte gesellschaftliche Selbstregulierung (kurz: regulierte Selbstregulierung).12

I. Gesellschaftliche Selbstregulierung Von gesellschaftlicher Selbstregulierung spricht man, wenn sich die betroffenen Akteure über ihr Handeln unbeeinflußt vom Staat mit Blick auf die relevanten Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-8. Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-8. 8 Siehe dazu Brandt, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 123 ff. 9 Vgl. dazu Holznagel, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 81 ff. 10 Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 441 f.; Calliess, AfP 2002, 467. 11 Siehe Teil 4 A. 12 Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 48 ff.; Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-3 f. Die Terminologie wird allerdings noch nicht einheitlich gehandhabt, vgl. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 162 f. Fn. 3 m. w. N.; Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-2. Zum Versuch der dogmatischen Verortung der (regulierten) Selbstregulierung vgl. Calliess, AfP 2002, 469 ff. 6 7

B. Begrifflichkeiten

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Ziele verständigen.13 Privatinteressen werden hier unter Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten individuell oder kollektiv zum legitimen Eigennutz verfolgt.14 Dabei spricht man von Marktregulierung, wenn dies wirtschaftlich über Angebot und Nachfrage erfolgt.15 Doch ist Selbstregulierung auch dann zu bejahen, wenn Regelungen auf andere Weise geschaffen werden, z. B. indem sich die Akteure ausdrücklich auf bestimmte Selbstverpflichtungen (Kodizes bzw. Codes of Conduct) verständigen.16 Letzteres wird teilweise auch als Selbstkontrolle bezeichnet.17

II. Hoheitliche Regulierung Unter hoheitlicher Regulierung versteht man Formen der Steuerung, bei denen der Staat selbst Ge- oder Verbote setzt, die die Normadressaten befolgen müssen, um die Regulierungsziele zu erreichen.18 Diese staatliche Gestaltung der Lebensverhältnisse als die traditionelle Form imperativer Steuerung19 spielt im Kommunikationsbereich aber nur eine untergeordnete Rolle.20

III. Hoheitlich regulierte gesellschaftliche Selbstregulierung Die hoheitlich regulierte gesellschaftliche Selbstregulierung21 bzw. regulierte22 oder gesteuerte23 Selbstregulierung24 steht zwischen den beiden Polen der gesellschaftlichen Selbstregulierung und der imperativen Steuerung, d. h. es erfolgt eine Kombination beider Konzepte.25 Ausgangspunkt ist ein System der SelbstregulieHoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 50. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 162 f. 15 Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 50. 16 Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 50; Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-3. 17 Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 50. 18 Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 48. 19 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 163 f.; Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 48. 20 Siehe Teil 4 A. 21 Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 50. 22 Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-4 f. 23 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 165. 24 Sehr kritisch zu diesen Begrifflichkeiten Bethge, in: Horn (Hrsg.), FS Schmitt Glaeser, 2003, S. 466. 25 Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-3; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 165. 13 14

10*

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Teil 4: Begriff und Erscheinungsformen der Selbstkontrolle

rung. Der Staat beschränkt seine Tätigkeit darauf, einen Ordnungsrahmen für die Selbstregulierung zu schaffen und erforderlichenfalls einzugreifen, wenn und soweit die Gefahr besteht, daß die Regulierungsziele verfehlt werden, oder wenn sich unerwünschte Nebeneffekte einstellen.26 Regulierte Selbstregulierung dient somit als Chiffre für Modelle, in denen hoheitliche Steuerung sich auf die mehr oder weniger intensive Überformung gesellschaftlicher Selbstregulierung beschränkt,27 bzw. für Regelungsstrukturen, bei denen der Staat „freiwillige private Initiative und Aktivität als Beitrag zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben induziert“.28 Kurz gesagt ist regulierte Selbstregulierung eine Form der Selbstregulierung, „die in einen staatlich gesetzten Rahmen eingepaßt ist bzw. auf rechtlicher Grundlage erfolgt“.29 Staat und Private wirken hier also zusammen, allerdings nicht mit identischen Rollen: Während der Staat auf das öffentliche Interesse verpflichtet ist, bleibt das private Handeln auf die legale Verfolgung eigennütziger Zwecke ausgerichtet.30 Die Verantwortung Privater bedeutet in diesem Zusammenhang keine rechtliche Verpflichtung, sondern eine selbst auferlegte Bindung oder allenfalls eine Obliegenheit.31 Die Reichweite des Konzepts der regulierten Selbstregulierung und die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit sind allerdings noch nicht abschließend geklärt. Im einzelnen wird darauf bei der späteren Untersuchung des Deutschen Presserats eingegangen.32

C. Abgrenzung zu anderen rechtlichen Phänomenen (Regulierte) Selbstregulierung ist von anderen rechtlichen Erscheinungen zu unterscheiden:

I. Verwaltungsprivatrecht Wenn der Staat sich privatrechtlicher Handlungsformen bedient, um öffentlichrechtliche Aufgaben zu erfüllen, dominieren die öffentlichen Zwecke, so daß schon aus diesem Grund nicht von Selbstregulierung gesprochen werden kann.33 Allerdings sind gewisse Ähnlichkeiten mit dem Verwaltungsprivatrecht in den Fällen Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 50. Eifert, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 137. 28 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 165. 29 Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-5. Kritisch zu diesem Konzept Ruess, Jb.J.ZivRWiss. 2002, S. 225 ff. 30 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 166. 31 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 166 f. 32 Siehe Teil 5 H I 3 b). 33 Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 281. 26 27

C. Abgrenzung zu anderen rechtlichen Phänomenen

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nicht zu bestreiten, in denen die staatliche Gewalt private Organisationen ermöglicht bzw. fördert, um öffentliche Aufgaben zu verwirklichen. Die im Verwaltungsprivatrecht als notwendig angesehene Einwirkungspflicht erfordert jedoch die Möglichkeit der Einwirkung und eine formelle Beherrschungssituation.34 Eine derart sichere Zurechnung auf die hoheitliche Gewalt ist in den meisten Fällen der (regulierten) Selbstregulierung aber gerade nicht möglich.35

II. Beleihung Bei der Beleihung hat sich ein enges Verständnis durchgesetzt, d. h. sie liegt nur vor, wenn Private mit der selbständigen hoheitlichen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen staatlich ermächtigt werden.36 Gerade an diesen Voraussetzungen fehlt es aber, wenn Private zum legitimen Eigennutz im Rahmen der gesteuerten Selbstregulierung handeln.37

III. Selbstverwaltung Von Selbstverwaltung spricht man, wenn hoheitliche Aufgaben zur Erledigung innerhalb der staatlichen Strukturen in begrenztem Umfang ausgelagert werden,38 d. h. die Verwaltungsaufgaben von Trägern der mittelbaren Staatsverwaltung selbständig wahrgenommen werden39. Sie ist von den verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstregulierung streng zu unterscheiden. Zwar bestehen gewisse Gemeinsamkeiten. Ziel beider Modelle ist die Staatsentlastung, d. h. Selbstverwaltung und Selbstregulierung können als eine Art staatlicher (Selbst-)Beschränkung angesehen werden.40 Doch gilt bei allen Übereinstimmungen weiterhin: „Selbstverwaltung ist Staat, Selbstregulierung bleibt Gesellschaft“.41 Die Selbstverwaltungsträger gehören anders als Einrichtungen der (regulierten) Selbstregulierung zur organisierten Staatlichkeit, auch wenn sie weitgehend unabhängig, also ohne staatliche Einflußnahme agieren können.42 Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 270 f. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 270. 36 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, § 23 Rn. 56; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 167 Fn. 18; Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 271. 37 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 167 Fn. 18; Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 260 f., 265. 38 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 163 Fn. 6. 39 Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 24. 40 Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 24. 41 Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 270. 42 Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 25 f. mit Fn. 65. 34 35

150

Teil 4: Begriff und Erscheinungsformen der Selbstkontrolle

D. Vor- und Nachteile selbstregulativer Systeme43 Die zunehmende Bedeutung der (regulierten) Selbstregulierung legt nahe, daß mit diesem Konzept Vorteile verbunden sind, die sich mit dem herkömmlichen Modell der hoheitlichen Regulierung nicht oder nur schwer erreichen lassen. Einer der positiven Aspekte besteht darin, daß der verstärkte Einsatz von Selbstregulierungsmechanismen zu einer Entlastung des Staates in finanzieller und organisatorischer Hinsicht führt.44 Auch die Flexibilität derartiger Einrichtungen, die es ihnen ermöglicht, Anpassungen rascher als in förmlichen Rechtssetzungsverfahren vorzunehmen, muß hervorgehoben werden.45 Da in den Selbstregulierungsinstitutionen regelmäßig Branchenangehörige mitwirken, ist auch die Praktikabilität der Regelungen und ihre Akzeptanz in hohem Maße gewährleistet.46 Im Bereich der Massenmedien kommt noch hinzu, daß durch effektive Selbstregulierung ein hoheitliches Eingreifen in die Medienfreiheiten vermieden werden kann. Das Argument, der Staat müsse die Gesellschaft und den einzelnen vor einem Mißbrauch der Massenmedien schützen, greift dann nicht durch.47 Zudem können Einrichtungen der (regulierten) Selbstregulierung im Medienbereich auch Inhalte prüfen, ohne die Grenzen des Art. 5 Abs. 2 GG oder Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG beachten zu müssen.48 Doch stehen den genannten Vorteilen auch gewichtige Nachteile gegenüber. So besteht die Gefahr, daß diese Institutionen, die geschaffen wurden, um Mißbräuche und damit staatliches Eingreifen zu verhindern, sich irgendwann selbst gegen die Freiheit richten.49 In engem Zusammenhang mit diesem Problem steht die mangelnde Transparenz der Selbstregulierungseinrichtungen. Es existiert ein Informationsproblem, und zwar nicht nur für außenstehende Private im Hinblick auf die Grundlagen und Maßstäbe der Selbstregulierung,50 sondern auch für den Staat, dem durch die Delegation von Aufgaben an Private das erforderliche Steuerungswissen verloren geht.51 Die Basis und Maßstäbe der Selbstregulierungsgremien stehen außerdem insofern in der Kritik, als sie die Interessen der Betroffenen teil43 Vgl. dazu umfassend Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 12 ff. 44 Baudenbacher, JZ 1988, 693; Schuppert, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 229. 45 Brohm, DÖV 1992, 1026; Schuppert, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 229; Fechner, JZ 2003, 225. 46 Baudenbacher, JZ 1988, 692; Schuppert, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 229. 47 Löffler, AfP 1971, 17; Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 13. 48 Ronneberger, in: Schiwy / Schütz (Hrsg.), Medienrecht, 3. Aufl. 1994, S. 378; Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 14. 49 Cron, in: Löffler (Hrsg.), Selbstkontrolle von Presse, Funk und Film, 1960, S. 9. 50 Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 17. 51 Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 263.

E. Definition der Selbstkontrolle für die vorliegende Untersuchung

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weise nur selektiv berücksichtigen und häufig nur das Ergebnis eines unzulänglichen Kompromisses, also des kleinsten gemeinsamen Nenners sind.52 Im Rahmen der regulierten Selbstregulierung kommt zu den eben für die Selbstregulierung im allgemeinen aufgezählten Problemen noch ein demokratisches Defizit hinzu: Es wird beanstandet, daß die Beteiligten nicht durchweg Teil der staatlichen Legitimationskette sind und daß die verfassungsrechtlich vorgesehenen Entscheidungsorgane und -verfahren entwertet werden.53 Auch besteht bei dieser Kooperationsform zwischen Staat und Privaten die Gefahr, daß Bindungen entstehen, die zwar lediglich faktischer Natur sein mögen, von denen sich der Staat aus Vertrauensschutzgesichtspunkten aber nur schwer lösen kann.54 Insgesamt erweisen sich die reine Selbstregulierung und die regulierte Selbstregulierung damit als hochumstrittene Steuerungsmodelle. Allerdings sind die Vorund Nachteile je nach Erscheinungsform mehr oder weniger stark ausgeprägt. Inwieweit die genannten Punkte auf die Presseselbstkontrolle zutreffen, wird daher im Laufe der folgenden Untersuchung noch zu klären sein.55

E. Definition der Selbstkontrolle für die vorliegende Untersuchung Für die Untersuchung von Selbstregulierungsinstitutionen im Pressebereich ist zu berücksichtigen, daß die drei vorgestellten Regulierungsmodelle Idealtypen darstellen, auf die sich die Realität aber nicht reduzieren läßt.56 Daher wird nun eine eigene Präzisierung des Begriffs der Presseselbstkontrolle vorgenommen, um eine taugliche Arbeitsgrundlage für die folgende Untersuchung zu gewinnen. Unter Selbstkontrolle ist nach hier vertretener Ansicht eine besondere Erscheinungsform des Konzepts der Selbstregulierung bzw. der regulierten Selbstregulierung zu verstehen, d. h. beide Regulierungsformen können dem Begriff der Selbstkontrolle unterfallen. Der Terminus umschreibt die Kontrollaktivität bestimmter organisatorischer Einheiten, die diese ausüben, um ein Fehlverhalten in dem Binnenbereich, aus dem sie hervorgehen, zu verhindern (präventives Tätigwerden) oder zu unterbinden (repressive Maßnahmen).57 Die Regeln, anhand derer die Überprüfung erfolgt, werden dabei auf andere Weise als durch Marktregulierung gewonnen.58 52 53 54 55 56 57 58

Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 16. Grimm, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 18; Fechner, JZ 2003, 225. Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung, Beiheft 4 (2001), S. 263. Siehe dazu insbesondere Teil 5 G III. Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 51. Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 21. Vgl. Teil 4 B I.

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Teil 4: Begriff und Erscheinungsformen der Selbstkontrolle

Charakteristisch ist nach dieser Umschreibung neben der Art der Regelaufstellung die Identität von Kontrolleur und Kontrolliertem.59 Das bedeutet allerdings nicht, daß sich der Kreis exklusiv aus Pressevertretern und den Printmedien nahestehenden Persönlichkeiten zusammensetzen muß.60 Auch bei Mitwirkung branchenunabhängiger Dritter liegt regelmäßig Selbstkontrolle vor, solange und soweit gewisse Bereiche stets der Selbstorganisation der beteiligten Branchen vorbehalten sind und die Fachnähe durch die Mitwirkung von Pressevertretern erhalten bleibt.61 Maßgeblich ist also allein, ob noch eine repräsentative Vertretung durch Branchenangehörige gewährleistet ist, d. h. es genügt insofern die Teilidentität von Kontrolleur und Kontrolliertem.62 Ebensowenig wie das Kontrollgremium exklusiv aus Pressevertretern bestehen muß, ist es notwendig, daß die Selbstkontrollinstitution die Presse umfassend vertritt, also sowohl Verleger als auch Journalisten in ihrer Gesamtheit erfaßt.63 Dieses Erfordernis wäre zu eng und würde sich in Widerspruch zu der eben erwähnten Annahme setzen, daß es allein auf die Teilidentität von Kontrolleur und Kontrolliertem ankommt. Es genügt also eine Kontrolle von Teilbereichen der Presse durch Teile der Presse.64 Sie kann sowohl intern, also innerhalb der Unternehmen, erfolgen, als auch extern, d. h. unternehmensübergreifend.65 Um als Selbstkontrolleinrichtung anerkannt zu werden, muß allerdings die Aufsicht bzw. Überwachung faktisch einen wesentlichen Teil der Aktivitäten ausmachen. Organisationen, deren Aufgabe allein darin besteht, berufsständische Interessen nach außen zu vertreten, bzw. die sich realiter nur mit der Vertretung von Mitgliederinteressen beschäftigen, fallen nicht unter die Definition.66 Natürlich können Selbstkontrollinstitutionen auch Presseanliegen nach außen vertreten. Doch gehört diese Aufgabe nicht zu den definitorischen Voraussetzungen der Selbstkontrolle.67 Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 22. So aber wohl Theisen, nach Löffler, Film u. R. 1981, 52. 61 Ulmer / Niemeier, AfP 1975, 834; Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 70. 62 Weitergehend Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 22, die Selbstkontrolleinrichtungen trotz fehlender Repräsentativität der Mitglieder anerkennen will, wenn sie als Selbstkontrollinstitutionen akzeptiert werden. 63 So aber Löffler, in: Löffler / Hébarre (Hrsg.), Form und Funktion der Presse-Selbstkontrolle in weltweiter Sicht, 1968, S. 10 f. 64 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 20 ff. Dies war z. B. der Fall bei der Selbstkontrolle der Illustrierten (SdI) bzw. ihrer Nachfolgeorganisation, der Selbstkontrolle Illustrierter Zeitschriften (SIZ), in der sich von 1957 bis 1971 große Massenillustrierte unter Mitwirkung von Vertretern der Öffentlichkeit vornehmlich mit der Aufgabe beschäftigten, jugendgefährdende Darstellungen in Zeitschriften zu vermeiden, Löffler, in: Löffler / Hébarre (Hrsg.), Form und Funktion der Presse-Selbstkontrolle in weltweiter Sicht, 1968, S. 64 f.; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 202 Fn. 6. 65 Vgl. Bröhmer / Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 221. 66 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 23. 59 60

E. Definition der Selbstkontrolle für die vorliegende Untersuchung

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Unerheblich für die Einordnung als Selbstkontrolleinrichtung ist schließlich die Ursache ihrer Gründung. Es kommt also nicht darauf an, ob sie ohne staatliche Veranlassung freiwillig gegründet wurde, ob sie eingerichtet wurde, um staatliche Maßnahmen zu verhindern, oder ob sie das Resultat eines verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen Gründungsauftrages ist.68 Das Präfix „Selbst-“ steht insofern nicht für Freiwilligkeit und Autonomie,69 sondern nur für die (Teil-)Identität von Kontrolleur und Kontrolliertem.70 Daher wird hier auch allein der Terminus „Selbstkontrolle“ und nicht „Freiwillige Selbstkontrolle“ verwendet. Insgesamt ist der folgenden Untersuchung damit eine weite Definition zugrunde zu legen, um auch Zweifelsfälle und Mischformen zu erfassen. Presseselbstkontrolle wird daher verstanden als die interne oder externe präventive und / oder repressive Kontrolle der Presse oder eines Teils der Presse anhand eines selbst erstellten Verhaltenskodex durch eine organisatorische Einheit, die zumindest schwerpunktmäßig aus Pressevertretern (Verleger und / oder Journalisten) besteht.71

67 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 21 f., 95; a.A. Löffler, in: Löffler / Hébarre (Hrsg.), Form und Funktion der Presse-Selbstkontrolle in weltweiter Sicht, 1968, S. 11; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 166. 68 Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 23. 69 So aber Di Fabio, JZ 1997, 970. 70 Ebenso Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 165. 71 Vgl. auch Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 23.

Teil 5

Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung1 der deutschen Presse2 A. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Die schlechthin konstituierende Bedeutung der Pressefreiheit für die freiheitlich demokratische Grundordnung und ihre umfassende Absicherung in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fordern als Korrelat eine entsprechende Verantwortung der Presse.3 Der Grundsatz der Staatsfreiheit der Presse untersagt es aber, die Presse unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu lenken.4 Genau an dieser Stelle setzt die Presseselbstkontrolle an: Sie will der Verantwortung der Printmedien durch geeignete staatsunabhängige Kontrollmechanismen Rechnung tragen.5 Inwieweit sie diesen Ansprüchen gerecht wird, vor allem im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz, ist in den folgenden Kapiteln zu prüfen. Doch bedarf der Untersuchungsgegenstand noch einer weiteren Präzisierung. Die folgenden Ausführungen werden allein die Selbstkontrolle im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung behandeln, d. h. die Selbstkontrolle im Bereich der Werbung, die vom Deutschen Werberat6 wahrgenommen wird, bleibt außer Betracht. Auch auf die Selbstkontrolle Pressegrosso und DT-Control (Interessengemeinschaft Selbstkontrolle elektronischer Datenträger im Pressevertrieb) wird 1 Der Nachweis, daß es sich beim Deutschen Presserat um eine Selbstkontrolleinrichtung handelt, wird erst in Teil 5 G erbracht, wenn Organisation und Verfahren untersucht sind und damit ein Abgleich mit der vorher aufgestellten Definition möglich ist. Allerdings wird der Terminus Selbstkontrolle aufgrund seiner Geläufigkeit bei Erörterungen über den Deutschen Presserat bereits vorher im untechnischen Sinn verwendet. 2 Zu den außerhalb der Printmedien existierenden Selbstkontrollinstitutionen im Medienbereich vgl. Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 166 ff. 3 v. Mauchenheim, in: Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit (Hrsg.), FS Löffler, 1980, S. 253; Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 339. 4 BVerfGE 12, 205 (260); BVerfGE 80, 124 (133 f.). 5 Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 338 f. 6 Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 195 ff.

A. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

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nicht näher eingegangen.7 Beide arbeiten rein präventiv8 und sind aufgrund ihrer begrenzten Zielsetzung nur bedingt geeignet, die vorher aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Erstere bezweckt, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der bei den einzelnen Pressegroßhändlern funktionell zuständigen Personen wegen Verbreitung bestimmter, vor allem pornographischer Druckerzeugnisse zu verhindern.9 Letztere verfolgt das Ziel, für den Vertriebsweg im Zeitungs- und Zeitschriftenhandel das Warenangebot neuer Datenträger (CD-Rom, Disketten etc.) vor der Offerte am Markt auf die Vereinbarkeit mit Jugendschutzvorschriften und sonstigen strafrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen und den gesetzlich zulässigen Vertriebsweg zu empfehlen.10 Auch die Möglichkeiten der Selbstkontrolle durch verbandsinterne Verfahren und Sanktionen in den einzelnen Journalisten-11 und Verlegervereinigungen12 bleiben mangels praktischer Relevanz13 außer Betracht.14 Im Zentrum der nachfolgenden Untersuchung steht damit allein der Deutsche Presserat als die Presseselbstkontrolleinrichtung mit dem umfassendsten Aufgabenbereich15. Zunächst wird ein Überblick über seine geschichtliche Entwicklung, Aufgaben, Selbstverständnis, Organisation und Finanzierung gegeben. Auch das Beschwerdeverfahren und die Sanktionen werden erläutert, um schließlich den Deutschen Presserat als Selbstkontrolleinrichtung im Sinne der vorher entwickelten Definition einordnen zu können. Daran schließt sich eine Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit an. Denn nur wenn Organisation und Beschwerdeverfahren den rechtlichen Anforderungen entsprechen, kann die Arbeit dieser Selbstkontrollinstitution den Persönlichkeitsschutz durch die Rechtsordnung sinnvoll ergänzen.

7 Vgl. dazu Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 163 ff. 8 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 122 Fn. 24. 9 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 167. 10 Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 165. 11 Für die Untersuchung von Bedeutung sind der Deutsche Journalistenverband e.V. (DJV) und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) / Fachbereich Medien (dju), siehe Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 34 ff., 40 ff. 12 Als relevant zu nennen sind der Bund Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDVZ) und der Verein Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ), vgl. Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 29 ff., 32 ff. 13 Gerschel, AfP 1993, 714; C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 122. Vgl. zu den Nachteilen dieses Systems Bührke, DRiZ 1964, 75. 14 Dazu ausführlich Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 64 ff. unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses des Deutschen Presserats auf die verbandsinternen Verfahren. 15 Vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 und § 9 der Satzung für den Trägerverein des Deutschen Presserats e.V., beschlossen am 25. Februar 1985, in der Fassung vom 14. Februar 2001, in: Ring (Hrsg.), Medienrecht, J-III 1.100, im folgenden zitiert als „Trägervereinssatzung“; zu den jüngsten Satzungsänderungen siehe Anhang II.

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

B. Historische Entwicklung der Presseselbstkontrolle in Deutschland I. Das Deutsche Reich Während dem Deutschen Bund noch keine Gesetzgebungskompetenz für die Presse zustand, zog das Deutsche Reich in Art. 4 Nr. 16 der Reichsverfassung von 1871 dieses Recht an sich.16 Drei Jahre später trat das Gesetz über die Presse17 in Kraft, das in § 1 PrG die Freiheit der Presse nur denjenigen Beschränkungen unterstellte, die durch das gegenwärtige Gesetz vorgeschrieben oder zugelassen waren. Mit dieser Bestimmung hatte der Staat erstmals den Begriff der Pressefreiheit als gegebenes Faktum vorausgesetzt und nicht versucht, ihn aus Sinn und Inhalt der erlassenen Vorschriften heraus zu definieren.18 Allerdings konnte diese einfachgesetzliche Bestimmung den Normgeber nicht daran hindern, die Pressefreiheit in späteren Reichsgesetzen wieder einzuschränken, z. B. durch das gegen die sozialdemokratische Presse gerichtete sogenannte Sozialistengesetz19.20 Erwähnenswert ist das Gesetz, da in § 7 PrG erstmals Ansätze einer Selbstkontrolle erkennbar waren.21 Durch diese Norm wurde der sogenannte „verantwortliche Redakteur“ etabliert, dem man die Aufgabe übertrug, jede Ausgabe einer periodischen Druckschrift (bzw. einen Teil davon) auf strafbare Inhalte zu prüfen und strafbaren Stoff von der Veröffentlichung auszuschließen.22 Damit wurde die amtliche Zensur von einer privaten, von der Presse selbst verantworteten Kontrolle abgelöst, die anders als die staatliche Überwachung nicht die Unterdrückung der Pressefreiheit bezweckte, sondern als eine unabhängige Einrichtung der Strafrechtspflege dienen sollte.23

Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 11. Vom 7. Mai 1874, RGBl., S. 65, auch bezeichnet als „Reichspreßgesetz“. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert, 1966, S. 243 f. 18 Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 12. 19 Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878, RGBl., S. 351. 20 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 6; Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 12, 14 f. 21 Fischer / Breuer / Wolter, Die Presseräte der Welt, 1976, S. 106; Gerschel, AfP 1993, 713. 22 Zu den strafrechtlichen Folgen im Falle des Verstoßes gegen § 7 PrG vgl. §§ 20 f. PrG. 23 Gerschel, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 41. 16 17

B. Historische Entwicklung der Presseselbstkontrolle in Deutschland

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II. Die Weimarer Republik In der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 wurde erstmals auf gesamtstaatlicher Ebene ein Grundrechtskatalog eingeführt,24 der in Art. 118 WRV die Freiheit der Meinungsäußerung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze gewährleistete. Die Pressefreiheit war in dieser Bestimmung jedoch nicht ausdrücklich erwähnt. Geschützt wurden Presseerzeugnisse nur insoweit, als sie gedruckte oder bildhafte Meinungsäußerungen darstellten, d. h. wichtige Aspekte der journalistischen Arbeit, wie reine Tatsachenmitteilungen oder Recherchevorgänge, waren von Art. 118 WRV nicht erfaßt.25 Für den Schutz der Presse als Ganzes verblieb allein § 1 PrG.26 Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Weimarer Zeit hatten eine zunehmende Verwilderung und Radikalisierung der Presse zur Folge. Das führte bis 1933 zu zahlreichen legislativen Maßnahmen im Rahmen der Republikschutzgesetzgebung und des Notverordnungsrechts, Art. 48 WRV, die die Pressefreiheit einschränkten.27 Die Presse versuchte diesen Tendenzen mehrmals entgegenzusteuern. So wurde der Reichsregierung im Jahr 1924 vom Reichsverband der Deutschen Presse e.V. (RVDP), der Berufsorganisation der deutschen Journalisten,28 der Entwurf eines Journalistengesetzes unterbreitet, der auch die Presseselbstkontrolle betreffende Regelungen enthielt.29 Der Vorschlag sah vor, bei jedem Oberlandesgericht Pressekammern zu bilden, die paritätisch mit Journalisten und Verlegern zu besetzen waren sowie mit zwei vom Oberlandesgerichtspräsidenten ernannten Richtern als Obmann und dessen Stellvertreter.30 Den Kammern sollten weitreichende disziplinarische Befugnisse bis hin zur Verhängung von Berufsverboten gegen Redakteure zustehen.31 Noch im gleichen Jahr wurde von der Regierung ein überarbeiteter Entwurf vorgelegt, der hinsichtlich der Bestimmungen über die Presseselbstkontrolle wesentSachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 7. Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 6 f. 26 Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 17. 27 Ausführlich dazu Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 19 ff. 28 Auf Verlegerseite standen dem RVDP der Arbeitgeberverband für das deutsche Zeitungsgewerbe e.V. und der Verein Deutscher Zeitungs-Verleger e.V. gegenüber. Seit 1924 war bei Mitgliedschaft in einem der beiden Vereine der Beitritt zur anderen Vereinigung obligatorisch, Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 36 f.; R. Stöber, Pressefreiheit und Verbandsinteresse, 1992, S. 21 ff. 29 Ein erster Entwurf des RVDP von 1918 wurde wegen der ausbrechenden Revolution nicht weiter behandelt, Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 7. 30 Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 47. 31 Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 47. 24 25

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

liche Änderungen vorsah:32 So waren darin eine Reichspressekammer mit untergeordneten Landespressekammern sowie eine Reichsschriftleiterkammer mit untergeordneten Landesschriftleiterkammern vorgesehen, die eine öffentlichrechtliche Rechtsform besitzen und der Rechtsaufsicht des Reichsinnenministers bzw. der Länderinnenminister unterstehen sollten. Es war geplant, die Pressekammern paritätisch mit Vertretern des Verleger- und Schriftleiterstandes sowie einem Richter als Vorsitzenden zu besetzen, die Schriftleiterkammern mit dem Vorsitzenden der Pressekammer und den dort vertretenen Angehörigen des Schriftleiterberufs. Die Schriftleiterkammern sollten nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Pflicht haben, ein Verfahren einzuleiten, wenn der Verdacht bestand, daß ein Schriftleiter gegen die in dem Gesetz fixierten beruflichen Pflichten verstoßen hatte. Der vorgesehene Sanktionskatalog gegen Journalisten reichte von Warnungen über Geldstrafen bis hin zu Berufsverboten. Verleger, die als unwürdig erklärte Schriftleiter beschäftigten, sollten das aktive und passive Wahlrecht zur Pressekammer verlieren. Der Entwurf wurde jedoch nie Gesetz.33 Er scheiterte am Widerstand der Verleger.34 Statt dessen nahm der RVDP im Jahr 1927 nach mehrjährigen Verhandlungen eine Ehrengerichtsordnung an, in der als Sanktionen Warnung, Verweis, strenger Verweis und Ausschluß aus dem Verband vorgesehen waren.35 Doch wurden die Nachteile dieser Einrichtung bald sichtbar: Da die Mitgliedschaft im RVDP und damit die Unterwerfung unter die Ehrengerichtsbarkeit auf Freiwilligkeit beruhten, die extremistische Presse aber nicht in diesem Verband organisiert war und folglich nicht der Ehrengerichtsbarkeit unterlag, war eine effektive Selbstkontrolle von Anfang an zum Scheitern verurteilt.36 Anfang der 30er Jahre gab es nochmals Bemühungen, Pressekammern als Selbstkontrolleinrichtungen zu schaffen, doch wurden die Vorschläge bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten nicht mehr umgesetzt.37

32 Vgl. zum folgenden Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 50 f. und Gerschel, AfP 1993, 714. 33 Gerschel, AfP 1993, 714. 34 R. Stöber, Pressefreiheit und Verbandsinteresse, 1992, S. 59. 35 Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 40. 36 Gerschel, AfP 1993, 714; Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 262. 37 Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 61 ff. Die Reichsarbeitsgemeinschaft der deutschen Presse (RAG), ein Zusammenschluß des Arbeitgeberverbandes für das deutsche Zeitungsgewerbe e.V. (siehe Fn. 28) und des RVDP blieb in der Weimarer Zeit daher die einzige Selbstverwaltungskörperschaft. Sie war vornehmlich mit sozialpolitischen Fragen beschäftigt, Fischer / Breuer / Wolter, Die Presseräte der Welt, 1976, S. 106, 108. Teilweise wird sie als „Vorläufer“ des Deutschen Presserats bezeichnet, so Emil Dovifat, zitiert nach Fischer / Breuer / Wolter, a. a. O., S. 106.

B. Historische Entwicklung der Presseselbstkontrolle in Deutschland

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III. Die Zeit des Nationalsozialismus In der Zeit von 1933 bis 1945 wurde die Presse vollständig der staatlichen Kontrolle unterstellt. Die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes38 schränkte die Pressefreiheit ein, bis schließlich durch die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat39 die Grundrechte fast vollständig außer Kraft gesetzt wurden. Im Herbst 1933 schuf man eine Reichspressekammer40 in Form einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die mit anderen Kammern zur Reichskulturkammer vereinigt wurde.41 Außerdem wurde das Schriftleitergesetz42 erlassen, durch das der RVDP in den Stand einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erhoben wurde, der jeder Schriftleiter kraft Eintragung in die Berufsliste angehörte, § 23 SchrlG. Die journalistische Tätigkeit wurde als öffentliche Aufgabe deklariert, § 1 SchrlG, und von der Eintragung in eine Berufsliste abhängig gemacht, § 8 SchrlG. Zum „Schutze“43 des Schriftleiterberufs bildete man Berufsgerichte, die bei Verstößen gegen § 14 SchrlG, der neben Beleidigungen insbesondere Publikationen gegen deutsche Interessen verbot, Sanktionen verhängen konnten, § 27 Abs. 1 SchrlG.44 Der Katalog reichte von Verwarnungen über Ordnungsstrafen bis hin zur Löschung in der Berufsliste, also zu einem Berufsverbot, § 31 SchrlG. Letzteres konnte auch der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda verhängen, wenn er es „aus dringenden Gründen des öffentlichen Wohls“ für erforderlich hielt, § 35 SchrlG, also insbesondere, wenn die politische Zuverlässigkeit nicht gewährleistet war. Durch diese staatlich gelenkte berufsständische „Selbstverwaltung“ gelang es den Nationalsozialisten, die Presse gleichzuschalten und eine regimekonforme Berichterstattung sicherzustellen.45 Doch hatte dies nicht im entferntesten etwas mit einer Selbstkontrolle der Presse im Sinne der oben entwickelten Definition gemein.46 Vom 4. Februar 1933, RGBl. I, S. 35. Vom 28. Februar 1933, RGBl. I, S. 83, auch bekannt unter dem Namen Reichstagsbrandverordnung. 40 Es handelte sich dabei um die ehemalige, nun umbenannte RAG, vgl. Fn. 28 , Gilles, Der Deutsche Presserat und seine Bewertung durch deutsche Illustriertenjournalisten, 1989, S. 11. 41 Reichskulturkammergesetz vom 22. September 1933, RGBl. I, S. 661 und die Erste Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1. November 1933, RGBl. I, S. 797. 42 Vom 4. Oktober 1933, RGBl. I, S. 713. 43 Schutz bedeutete hier im wesentlichen Schutz vor den „unlauteren Elementen in den eigenen Reihen“, also nach damaliger Auffassung vor allem die Sorge für die „Reinhaltung des Schriftleiterberufs“, Schmidt-Leonhardt / Gast, Das Schriftleitergesetz, 1934, § 27 Ziff. 1. 44 Gerschel, AfP 1993, 714. 45 Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 262; Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 83 f. 38 39

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

IV. Die Nachkriegszeit bis zur Gründung des Deutschen Presserats Die Situation der Presse in den westlichen Besatzungszonen war in der Zeit von 1945 bis 1949 durch ein stark begrenztes Lizenzierungssystem gekennzeichnet.47 Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 wurde schließlich in Art. 5 Abs. 1 GG neben der Meinungsfreiheit auch die Pressefreiheit als solche verfassungsrechtlich verankert. In der Anfangszeit der Bundesrepublik Deutschland erließen einige Bundesländer relativ rasch Pressegesetze, wobei es sich teils um Vollregelungen,48 teils um partielle Regelungen49 handelte.50 In den Ländern, die keine Pressegesetze oder lediglich Teilkodifikationen eingeführt hatten, galt das Reichspreßgesetz von 1874 als partielles Landesrecht weiter.51 Angesichts dieser Rechtszersplitterung – auch in Fragen der rechtlichen Ausgestaltung der Selbstkontrolle der Printmedien52 – und beunruhigender Fehlentwicklungen im Pressewesen53 wurde von Seiten der Verleger und insbesondere der Journalisten der Ruf nach einer bundes46 Gerschel, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 43. 47 Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 254 f.; Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 9 f. Zur Lage und Entwicklung des Pressewesens in der Ostzone und in der Deutschen Demokratischen Republik vgl. Mast (Hrsg.), ABC des Journalismus, 9. Aufl. 2000, S. 75 ff. und Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 2 Rn. 32. 48 So z. B. in Bayern, Gesetz über die Presse vom 3. Oktober 1949, Bayerisches GVBl., S. 243, und Hessen, Hessisches Gesetz über Freiheit und Recht der Presse vom 23. Juni 1949, GVOBl. f. d. Land Hessen, S. 75. 49 U.a. in Hamburg, Gesetz über die Selbstverwaltung der Presse vom 3. Oktober 1949, Hamb.Ges.VOBl., S. 245, und Nordrhein-Westfalen, Gesetz über die Berufsausübung von Verlegern, Verlagsleitern und Redakteuren vom 17. November 1949, GV.NW, S. 293. 50 Sämtliche Pressegesetze aus dieser Zeit sind abgedruckt in Lüders (Hrsg.), Presse- und Rundfunkrecht, 1952. 51 BVerfGE 7, 29 (36 ff.). Erst mit der Schaffung der modernen Landespressegesetze in den Jahren 1964 bis 1966 trat das Reichspreßgesetz vollständig außer Kraft, Bullinger, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, Einl Rn. 84 und 89. 52 So waren in Bayern von Anfang an Berufsorganisationen mit Zwangsmitgliedschaft und staatlichen Machtbefugnissen und eine Standesgerichtsbarkeit der Presse verboten, § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Presse vom 3. Oktober 1949, Bayerisches GVBl., S. 243. Ähnliche Regelungen gab es u. a. in Hessen, § 2 Abs. 3 Hessisches Gesetz über Freiheit und Recht der Presse vom 23. Juni 1949, GVOBl. f. d. Land Hessen, S. 75. Dagegen nahmen andere Länder Vorschriften über die Einrichtung von Selbstkontrollinstitutionen, meist sogenannten Beratenden Ausschüssen, in die Pressegesetze auf, z. B. Hamburg, §§ 5, 6 Gesetz über die Selbstverwaltung der Presse vom 3. Oktober 1949, Hamb.Ges.VOBl., S. 245, und Nordrhein-Westfalen, § 5 Gesetz über die Berufsausübung von Verlegern, Verlagsleitern und Redakteuren vom 17. November 1949, GV.NW, S. 293. 53 Vgl. auch die Begründung zum Entwurf des Gesetzes über das Pressewesen (Bundespressegesetz), in: Lüders (Hrsg.), Presse- und Rundfunkrecht, 1952, S. 302.

B. Historische Entwicklung der Presseselbstkontrolle in Deutschland

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einheitlichen Regelung laut.54 In dem geforderten Bundespressegesetz sollte auch die Selbstverwaltung der Presse geordnet werden.55 Im Jahr 1952 legte das Bundesinnenministerium daraufhin einen ausdrücklich als „Vorentwurf“ titulierten Vorschlag für ein Bundespressegesetz56 vor.57 Darin waren in den §§ 36 bis 41 Landespresseausschüsse mit disziplinarischen Befugnissen und ein Bundespresseausschuß vorgesehen. Es war geplant, diese Gremien mit zwei Richtern zu besetzen, von denen der eine als Vorsitzender, der andere als sein Stellvertreter fungieren sollte, sowie mit acht Mitgliedern, die paritätisch dem Journalisten- und Verlegerstand angehören mußten. Die Ernennung sollte durch den Staat erfolgen, wenn auch im Falle der nicht richterlichen Mitglieder auf Vorschlag der jeweiligen Berufsverbände. Nach massiven Protesten der Presse, die auch eine derartige indirekte staatliche Mitwirkung angesichts der Erfahrungen mit der „Selbstkontrolle“ im Dritten Reich strikt ablehnte, wurde die Vorlage jedoch zurückgezogen.58 Allerdings führte der Gesetzentwurf bei den Presseschaffenden zu der Einsicht, daß die schon seit einiger Zeit diskutierte freiwillige und staatsunabhängige Selbstordnung der Presse nun bald Gestalt annehmen mußte, wenn man weiteren Versuchen einer hoheitlichen Regelung zuvorkommen wollte.59 Als Vorbild für die Schaffung einer derartigen Institution diente der Britische Presserat, General Council of the Press, der 1953 gegründet worden war.60

54 Heinrichsbauer, Die Presseselbstkontrolle, 1954, S. 99, 106; Fischer / Breuer / Wolter, Die Presseräte der Welt, 1976, S. 108. 55 Fischer / Breuer / Wolter, Die Presseräte der Welt, 1976, S. 108. 56 Gesetz über das Pressewesen (Bundespressegesetz). Text und Begründung der Vorlage finden sich in Lüders (Hrsg.), Presse- und Rundfunkrecht, 1952, S. 266 ff. Der Gesetzesvorschlag wurde auch nach seinem Autor als Lüders-Entwurf bezeichnet, Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 169. 57 Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 86. 58 Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 90 f.; Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 10 f. 59 v. Mauchenheim, in: Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit (Hrsg.), FS Löffler, 1980, S. 254. 60 Maruhn, in: Fischer (Hrsg.), FS Oppenberg, 1987, S. 175. Zur Geschichte der Presseselbstkontrolle in England vgl. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 186 ff.

11 Schwetzler

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

V. Die Geschichte des Deutschen Presserats61 1. Von der Gründung bis zur Krise im Jahr 1981 Am 20. November 1956 wurde in Bonn der Deutsche Presserat gegründet.62 Er bestand anfangs aus zehn Mitgliedern, je fünf des Deutschen JournalistenVerbandes e.V. (DJV) und des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV). Ein Kommuniqué über die Konstituierung des Deutschen Presserats legte folgende grundsätzliche Aufgaben fest: „a) Schutz der Pressefreiheit, Sicherung des unbehinderten Zugangs zu den Nachrichtenquellen; b) Feststellen und Beseitigen von Mißständen im Pressewesen; c) Beobachtung der strukturellen Entwicklung der deutschen Presse und Abwehr von freiheitsgefährdenden Konzern- und Monopolbildungen; d) Vertretung der deutschen Presse gegenüber Regierung, Parlament und Öffentlichkeit und bei Gesetzesvorlagen, die Leben und Aufgaben der Presse angehen.“63

Im Herbst 1957 wurden, um im Namen der gesamten Presse handeln zu können, Angehörige des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ) aufgenommen, mit der Konsequenz, daß sich die Zahl der Mitglieder auf 20 erhöhte. Der BDZV und der VDZ entsandten je fünf, der DJV zehn Vertreter.64 Die erste Geschäftsordnung (zugleich Satzung)65 des Deutschen Presserats trat am 1. Januar 1959 in Kraft.66 Im Jahr 1960 erklärte sich auch noch die Industriegewerkschaft Druck und Papier / Deutsche Journalisten-Union67 zur Mitarbeit im Deutschen Presserat bereit, doch führte dies zu keiner Erhöhung der Mitgliederzahl.68 In den ersten Jahren seiner Tätigkeit beschäftigte sich der Deutsche Presserat vornehmlich mit der Gesetzgebung des Bundes und der Länder, insbesondere da61 Vgl. auch die Chronik des Deutschen Presserats 1956 bis 2002, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 363 ff. 62 v. Mauchenheim, in: Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit (Hrsg.), FS Löffler, 1980, S. 256. 63 Kommuniqué über die Konstituierung des Deutschen Presserates am 20. November 1956, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1956 – 1959, S. 28. 64 v. Mauchenheim, in: Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit (Hrsg.), FS Löffler, 1980, S. 256 f. 65 So in Löffler (Hrsg.), Selbstkontrolle von Presse, Funk und Film, 1960, S. 68. 66 1956 bis 1958 hatte der Presserat auf der Grundlage wechselnder Satzungen gearbeitet, Fischer / Breuer / Wolter, Die Presseräte der Welt, 1976, S. 115. Ein Abdruck der Geschäftsordnung findet sich in Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1956 – 1959, S. 25 ff. 67 Später IG Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst / Fachgruppe Journalismus (dju / SWJV), heute Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) / Fachbereich Medien (dju); siehe ausführlich Fn. 136. 68 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 170.

B. Historische Entwicklung der Presseselbstkontrolle in Deutschland

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mit, Beeinträchtigungen der Pressefreiheit abzuwehren.69 So wandte sich die Vereinigung mit Erfolg gegen eine Verschärfung des strafrechtlichen Ehrenschutzes zugunsten ausländischer Staatsoberhäupter.70 Zudem wirkte sie maßgeblich am Zustandekommen der Landespressegesetze mit, um eine zu starke inhaltliche Divergenz zu verhindern.71 Daneben befaßte sich der Deutsche Presserat auch mit Fragen der Pressestruktur und Pressekonzentration.72 Die Feststellung und Beseitigung von Mißständen im Pressewesen73 spielte hingegen bis zum Beginn der 70er Jahre nur eine untergeordnete Rolle.74 Erst 1970 richtete man eine Beschwerdekommission ein, um die immer zahlreicher eingehenden Beschwerden vorzuberaten und damit das Plenum zu entlasten.75 Schließlich entschied der Deutsche Presserat 1972, die Beschwerdekommission in einen Beschwerdeausschuß mit anfänglich sieben und später zehn Mitgliedern76 umzuwandeln und Regeln für die Behandlung von Beschwerden aufzustellen.77 Dieser Beschluß wurde durch die Verabschiedung einer Verfahrens-78 und Beschwerdeordnung79 umgesetzt. Um ein zügigeres Verfahren zu gewährleisten, war der Ausschuß nicht mehr nur wie die Kommission vorberatend tätig, sondern verfügte über eigene Entscheidungsbefugnisse. Er sollte von nun an alle Eingaben weitgehend selbständig behandeln.80 Als Basis für die Beschwerdearbeit wurden 1973 die „Publizistischen Grundsätze (Pressekodex)“ gebilligt und veröffentlicht.81 Die dort niedergelegten journa69 Maruhn, in: Fischer (Hrsg.), FS Oppenberg, 1987, S. 179; C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 123 f. 70 Der Entwurf wurde als „Lex Soraya“ bekannt, Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 163 ff.; dazu und zu weiteren Beispielen ausführlich Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 112 ff. 71 v. Mauchenheim, in: Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit (Hrsg.), FS Löffler, 1980, S. 258 f.; Giessler, Zehn Jahre Deutscher Presserat, 1966, S. 4. 72 Gilles, Der Deutsche Presserat und seine Bewertung durch deutsche Illustriertenjournalisten, 1989, S. 33 f. 73 Nr. 1 b der Geschäftsordnung des Deutschen Presserats vom 1. Januar 1959, in: Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1956 – 1959, S. 25. 74 Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 171. 75 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 124. 76 Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1972, S. 3, 19. Die Erhöhung auf zehn Mitglieder erfolgte im Jahr 1976, Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1975 / 76, S. 53. 77 v. Mauchenheim, in: Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit (Hrsg.), FS Löffler, 1980, S. 260. 78 Verfahrensordnung für den Beschwerde-Ausschuß des Deutschen Presserates vom 16. März 1972, in: Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1972, S. 111 ff. 79 Beschwerde-Ordnung des Deutschen Presserates vom 18. September 1972, in: Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1972, S. 109 f. 80 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 124; Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 193. 81 Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1973, S. 90 ff.

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listischen Verhaltensstandards hatte man auf der Grundlage der seinerzeit bereits entschiedenen Fälle,82 der verabschiedeten Resolutionen, Richtlinien und Empfehlungen83 sowie unter Berücksichtigung ausländischer Vorbilder84 entwickelt. Konkretisiert wird der Kodex zudem seit seinem Bestehen durch die „Richtlinien für die publizistische Arbeit nach Empfehlungen des Deutschen Presserats“.85 Sie dienen als Hilfestellung bei der praktischen Anwendung des Pressekodex und werden wie dieser laufend ergänzt.86 Doch auch wenn die Zahl der behandelten Beschwerden im Laufe der Jahre stark anstieg, wurden in den 70er Jahren nur selten öffentliche Rügen, die schärfste Sanktion des Presserats,87 ausgesprochen: In der Zeit von 1972 bis 1981 standen 668 registrierten Beschwerden 39 öffentliche Rügen gegenüber.88 Davon druckten die Adressaten, also die gerügten Verlagsunternehmen, wiederum lediglich sieben ab, obwohl es nach Ziffer 16 Pressekodex fairer Berichterstattung entspricht, vom Deutschen Presserat ausgesprochene öffentliche Rügen zu publizieren,89 und obwohl 1974 die Trägerverbände BDZV, VDZ, DJV und IG Druck und Papier (dju) vereinbart hatten, auf die Veröffentlichung durch die betroffenen Publikationsorgane hinzuwirken.90 Diese weitgehende Ablehnung der Verlage, öffentliche Rügen abzudrucken, stellte einen ständigen Streitpunkt zwischen Journalisten und Verlegern dar91 und führte 1981 zum Eklat. Zwar hatte die Krise des Deutschen Presserats schon vorher begonnen, unter anderem damit, daß die Tarifauseinandersetzungen der 70er Jahre in den Deutschen Presserat hineingetragen wurden.92 Daneben sorgte das Buch von Günter Wallraff über die Arbeitsmethoden der Bild-Zeitung für Konfliktstoff.93 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 124. Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 206. 84 v. Mauchenheim, in: Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit (Hrsg.), FS Löffler, 1980, S. 261 f. 85 Diese wurden erstmals 1971 vom Deutschen Presserat herausgegeben, Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1972, S. 26, und blieben auch nach Verabschiedung des Pressekodex bestehen, zumindest soweit sie nicht in den Publizistischen Grundsätzen aufgegangen sind, Die Geschichte des Pressekodex, siehe unter http: // www.presserat.de / site /pressekod / chronik / index.shtml (Stand: 10. September 2003). 86 Die Geschichte des Pressekodex, siehe unter http: // www.presserat.de / site / pressekod / chronik / index.shtml (Stand: 10. September 2003). 87 Siehe dazu ausführlich Teil 5 F IV 1. 88 Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 217. 89 Siehe dazu ausführlich Teil 5 F IV 1. 90 Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1974, S. 5. 91 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 171. 92 Hierzu ausführlich Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 243 ff. 93 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 172 f. 82 83

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Im Jahr 1981 hatte sich das Klima aber schließlich derart verschlechtert, daß die Journalisten die Weigerung einer Boulevardzeitung des damaligen Präsidenten des BDZV, eine öffentliche Rüge zu publizieren, zum Anlaß nahmen, ihre Mandate ruhen zu lassen. Obwohl der Abdruck nach ihren massiven Protesten doch noch erfolgte, waren sie der Ansicht, daß angesichts dieses Verhaltens Maßnahmen des Presserats keine Wirkung besäßen und die Arbeit des Gremiums sinnlos wäre.94 Ab Dezember 1981 stellte der handlungsunfähige Deutsche Presserat daher seine offizielle Tätigkeit vorübergehend ein.95

2. Von der Behebung der Krise 1985 bis heute Vier Jahre lang führten die Trägerverbände schwierige Verhandlungen, wobei die Frage der Verpflichtung der Printmedien zum Abdruck öffentlicher Rügen im Zentrum stand.96 Nur bei Abgabe einer entsprechenden Verpflichtungserklärung zum Rügenabdruck waren die Journalisten wieder zur Mitwirkung im Deutschen Presserat bereit.97 Der Großteil der Verlage kam dieser Forderung der Journalisten schließlich nach, wenn auch zögernd und zum Teil zunächst nur für eine Probephase von zwei Jahren.98 Der Neukonstituierung des Deutschen Presserats standen damit jedenfalls keine Hindernisse mehr entgegen. Sie erfolgte am 18. Dezember 1985.99 Um den gemachten Erfahrungen Rechnung zu tragen, wurde die Neugründung der Vereinigung mit organisatorischen und inhaltlichen Änderungen verbunden:100 War der Deutsche Presserat bis 1976 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und danach ein eingetragener Verein,101 stellt er nunmehr lediglich ein Gremium des Trägervereins des Deutschen Presserats e.V. dar.102 Auch eine neue Geschäftsordnung des Deutschen Presserats und seines Beschwerdeausschusses103 sowie eine revidierte Beschwerdeordnung104 wurden verabschiedet. In den 90er Jahren kam es ebenfalls zu einigen Änderungen. Am 3. Oktober 1990 weitete der Deutsche Presserat seine Zuständigkeit auf die neuen Bundeslän94 Gerschel, AfP 1993, 715; Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 288 ff. 95 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 125. 96 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 14. 97 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 175. 98 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 176. 99 Dazu ausführlich Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 335 ff. 100 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 14. 101 Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1975 / 76, S. 23 und 92. 102 § 7 Abs. 1 S. 1 Satzung für den Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. vom 25. Februar 1985, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1986, S. 67 ff. 103 Vom 25. Februar 1985, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1986, S. 73 ff. 104 Vom 25. Februar 1985, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1986, S. 77 ff.

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der aus.105 Ferner wurden 1994 eine Reihe struktureller Reformen vorgenommen, um die Arbeit der Gremien effizienter zu gestalten und eine stärkere Präsenz des Deutschen Presserats in der Öffentlichkeit zu erreichen.106 Im Jahr 1996 beschloß man eine Neufassung des Pressekodex und dehnte die publizistische Selbstkontrolle auf den Bereich der Online-Medien aus.107 Die jüngste Reform fand 2001 statt. Ursache hierfür war der Entwurf für ein novelliertes Bundesdatenschutzgesetz im Jahr 1999, der die EG-Datenschutzrichtlinie108 in deutsches Recht umsetzen sollte. Dieser Entwurf sah im Rahmen der Umsetzung des Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie vor, das sogenannte Medienprivileg in § 41 BDSG a.F., das in Abs. 1 S. 1 unter anderem die Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse fast vollständig vom Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes ausnahm, in erheblichem Maße einzuschränken.109 Der Deutsche Presserat protestierte massiv gegen die Novellierungsvorschläge, durch die er die Pressefreiheit bedroht sah.110 Daraufhin wurde der Entwurf vom Bundesinnenministerium zurückgezogen, und beide Seiten einigten sich auf ein zweisäuliges Modell: Zum einen sollte das reformierte Bundesdatenschutzgesetz die Standards bezüglich des technischen Datenschutzes sowie eine Verpflichtung zum Schadensersatz bei Verletzung dieser Maßstäbe vorgeben. Zum anderen sollte der Datenschutz in den Redaktionen in das Selbstkontrollsystem des Deutschen Presserats eingegliedert werden.111 Die Umsetzung durch die Organe und Gremien des Trägervereins des Deutschen Presserats e.V. mittels Aktualisierung von Satzung, Geschäftsordnung, Beschwerdeordnung, Pressekodex und Richtlinien erfolgte im Laufe des Jahres 2001.112 Die Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes 113 ist mit einer reformierten Rahmenvorschrift zum Medienprivileg in § 41 Abs. 1 BDSG inzwischen in Kraft getreten, und auch der neu eingerichtete Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz hat sich im Frühjahr 2002 konstituiert und seine Arbeit aufgenommen114. Deutscher Presserat, Jahrbuch 1990, S. 19. Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 24. 107 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1996, S. 30 f., 38. 108 Richtlinie 95 / 46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. 1995 Nr. L 281, S. 31. 109 Siehe dazu ausführlich Kloepfer, AfP 2000, 513. 110 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 24 ff. 111 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 19 f., 28 ff.; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 442; Kloepfer, AfP 2000, 513 f. 112 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 47 ff.; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 18; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 60 ff. Siehe dazu auch Duhr u. a., DuD 2003, 24. 113 Vom 18. Mai 2001, BGBl. I, S. 904. 114 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 18 f.; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 369. Inzwischen haben auch alle Bundesländer bis auf Schleswig-Holstein (geplant ist dort § 10 SHPrG) die zur Ausfüllung der Rahmenvorschrift erforderlichen landesrechtlichen Vor105 106

C. Die Aufgaben des Deutschen Presserats

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C. Die Aufgaben des Deutschen Presserats Die heutigen Aufgaben des Deutschen Presserats sind in § 9 Trägervereinssatzung in sechs Nummern niedergelegt. Nach dieser Aufzählung hat der Presserat den Auftrag, Mißstände im Pressewesen festzustellen und auf deren Beseitigung hinzuwirken (Nr. 1). Er soll Beschwerden über einzelne Zeitungen, Zeitschriften oder Pressedienste prüfen und in begründeten Fälle Mißbilligungen und Rügen aussprechen (Nr. 2) sowie Empfehlungen und Richtlinien für die publizistische Arbeit geben (Nr. 3). Zudem ist ihm die Aufgabe übertragen worden, für den unbehinderten Zugang zu den Nachrichtenquellen einzutreten (Nr. 4) und im Einvernehmen mit den Trägerorganisationen Entwicklungen entgegenzutreten, die die freie Information und Meinungsbildung des Bürgers gefährden könnten (Nr. 5). Neu hinzugekommen ist seit 2001 die Organisation der Selbstregulierung im Bereich des Redaktionsdatenschutzes (Nr. 6),115 die den präventiven Datenschutz, also die Einhaltung der Datensicherheit sowie die Anlaßaufsicht, d. h. die Prüfung von Beschwerden zum Redaktionsdatenschutz umfaßt.116 Mit zwei Themenkomplexen beschäftigt sich der Deutsche Presserat ausdrücklich nicht: zum einen mit der Verhandlung und Entscheidung von Tarifkonflikten,117 zum anderen mit pressespezifischen wirtschafts- und wettbewerbspolitischen Fragen.118 Die spezielle Zuständigkeit für den an zweiter Stelle genannten Bereich ist seit 1985 entfallen.119 Ebensowenig wird heute noch explizit die Aufgabe genannt, in Presseangelegenheiten gegenüber Gesetzgeber, Regierung und Öffentlichkeit Vorschläge zu machen und Stellung zu nehmen, wo es der Presserat für erforderlich hält.120 Zumindest für letzteres muß man aber wohl § 9 Nr. 5 Trägervereinssatzung als eine Art Auffangtatbestand betrachten.121 schriften erlassen, vgl. § 12 LPrG [BW]; Art. 10a BayPrG; § 22a BerlPrG; § 16a BbgPG; § 5 BremPrG; § 11a HmbPrG; § 10a HPresseG; § 18a LPrG M-V; § 19 NdsPrG; § 12 LPrG NRW; § 5 RhPfPrG; § 11 Abs. 1 SMG; § 11a SächsPresseG; § 10a SachsAnhPrG; § 11a TPG. Die meisten Bundesländer haben sich dabei auf einen Verweis auf § 41 Abs. 1 BDSG beschränkt, was eine bundesweit nahezu einheitliche Handhabung gewährleistet, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 67 f.; Deutscher Presserat, Datenschutz in Redaktionen, 2003, S. 54 f. Eine Schadensersatzpflicht für die Verletzung datenschutzbezogener Verhaltensregeln, vgl. §§ 7, 38a BDSG bzw. die landesrechtlichen Normen zum Presseprivileg, zu denen der Deutsche Presserat auch den Pressekodex rechnet, Deutscher Presserat, Datenschutz in Redaktionen, 2003, S. 23, wurde in den landesrechtlichen Vorschriften zum Presseprivileg aber nicht verankert. 115 Siehe Teil 5 B V 2. 116 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 46. 117 Fußnote zu § 9 Nr. 5 Trägervereinssatzung. 118 Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 265. 119 Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 265. 120 § 1f der Satzung des Deutschen Presserates vom 9. April 1975, abgedruckt in Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1974, S. 51 ff. 121 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 126 f.

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D. Das Selbstverständnis des Deutschen Presserats Wie der Aufgabenkatalog zeigt, will die Presseselbstkontrolle der Verantwortung der Presse im demokratischen Staat, die sich auch im Begriff „öffentliche Aufgabe der Presse“ widerspiegelt, gerecht werden.122 Aus dieser sogenannten „öffentlichen Aufgabe“ lassen sich aber keine rechtlichen Sonderpflichten der Printmedien ableiten. Sie ist ein „Gemisch aus Realitätsbeschreibung und ethischen Forderungen bezogen auf die Funktionsfähigkeit der Demokratie“123 und verweist damit auf berufsethische Pflichtenstandards.124 Dementsprechend sieht sich der Deutsche Presserat als moralische Instanz,125 die nicht auf hoheitliche Gewalt, sondern auf die Überzeugungskraft ihrer Arbeit setzt.126 Statt Zwang stehen also Dialog- und Lernbereitschaft im Vordergrund.127 Der Presserat will nicht als Richter fungieren, sondern als kollegialer Ratgeber, d. h. Kritik wird von Praktikern an Praktikern geübt, mit dem Zweck, eine übergreifende journalistische Berufsethik zu etablieren.128 Daher soll die Spruchpraxis auch nicht Pranger sein, sondern das Bewußtsein für fairen Journalismus wecken und schärfen.129 Der Einfluß des soeben erläuterten Selbstverständnisses erstreckt sich nicht nur auf den Pressekodex, in dem sich die laufend aktualisierten journalistischen Verhaltensstandards finden,130 sondern auch auf Organisation und Verfahren der Presseselbstkontrolleinrichtung.

E. Organisation und Finanzierung Die heutige organisatorische Struktur, die Zuständigkeiten und die Verfahrensregelungen der Presseselbstkontrolle sind der Satzung für den Trägerverein des Deutschen Presserats e.V.,131 der Geschäftsordnung des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse132 sowie der Beschwerdeordnung des DeutSiehe Teil 5 A. Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 74. Siehe auch Teil 3 B I 2 a). 124 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 188 f. 125 Cron, in: Löffler (Hrsg.), Selbstkontrolle von Presse, Funk und Film, 1960, S. 3. 126 Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 107. 127 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 264. 128 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 217; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 285; vgl. auch Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1962, S. 16. 129 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 86. 130 Siehe Teil 5 B V 1. 131 Siehe Fn. 15. 132 Beschlossen am 25. Februar 1985, in der Fassung vom 14. Februar 2001, in: Ring (Hrsg.), Medienrecht, J III 1.302, im folgenden zitiert als „Geschäftsordnung“ bzw. nach Normen „GO“; zu den jüngsten Änderungen siehe Anhang II. 122 123

E. Organisation und Finanzierung

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schen Presserats133 zu entnehmen. Diesbezügliche gesetzliche Regelungen existieren nicht.

I. Der Trägerverein des Deutschen Presserats Der Trägerverein des Deutschen Presserats ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 Trägervereinssatzung ein „Zusammenschluß der in § 2 genannten Organisationen und Personen mit dem Zweck, für die Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland einzutreten und das Ansehen der deutschen Presse zu wahren“, wobei unter Presse im Sinne dieser Satzung auch die elektronische Presse zu verstehen ist.134 Es handelt sich um einen eingetragenen nichtwirtschaftlichen135 Verein, also eine juristische Person des Privatrechts, mit Sitz in Bonn, § 1 Abs. 2, 3 und 5 Trägervereinssatzung. Nach § 2 Abs. 1 Trägervereinssatzung gehören dem Trägerverein nur acht Mitglieder an: der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV), der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ), der Deutsche JournalistenVerband e.V. (DJV) und die Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst / Fachgruppe Journalismus (dju / SWJV), heute Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) / Fachbereich Medien (dju).136 Die ersten beiden Organisationen repräsentieren die Verlegerseite, die zwei letztgenannten Vereinigungen die Journalisten. Zusätzlich ernennt jeder Trägerverband noch eine natürliche Person, um die nach § 56 BGB für einen eingetragenen Verein erforderliche Mindestmitgliederzahl von sieben zu erreichen.137 Organe des Vereins sind gemäß § 3 Abs. 1 Trägervereinssatzung die Mitgliederversammlung, vgl. dazu §§ 4, 5 Trägervereinssatzung, und der Vorstand, der aus 133 Beschlossen am 25. Februar 1985, in der Fassung vom 11. September 2002, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 317 ff., im folgenden zitiert als „Beschwerdeordnung“ bzw. nach Normen „BO“. 134 Fußnote zu § 1 Abs. 1 S. 1 Trägervereinssatzung. 135 Hier ist nach sämtlichen Definitionen zur Nichtwirtschaftlichkeit ein derartiger Verein gegeben, Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 23; vgl. auch § 1 Abs. 5 Trägervereinssatzung. 136 Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) entstand aus der Verschmelzung der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, der Deutschen Postgewerkschaft, der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, der Industriegewerkschaft Medien und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr. Sie wurde am 2. Juli 2001 ins Vereinsregister eingetragen und ist die Rechtsnachfolgerin der fünf Gründungsorganisationen, siehe unter http: // www.verdi.de / vd_internet / organisation (Stand: 10. September 2003); a.A. hinsichtlich der Nachfolge in die Mitgliedschaft beim Trägerverein des Deutschen Presserats aber Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 25 ff. Die Fachgruppe Journalismus – Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) ist eine Untergliederung des Fachbereichs 8 – Medien, Kunst und Kultur, Druck und Papier, industrielle Dienste und Produktion, vgl. http: // www.verdi.de / 0x0ac80f2b_0x0000e5e1 (Stand: 10. September 2003). 137 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 204 Fn. 57.

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dem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter besteht, § 6 Abs. 1 S. 1 Trägervereinssatzung. Daneben kann die Mitgliederversammlung zur Erledigung bestimmter Aufgaben die Einrichtung von Ausschüssen beschließen, § 3 Abs. 2 Trägervereinssatzung. Der Trägerverein kümmert sich vornehmlich um administrative und finanzielle Fragen,138 um das Gremium Deutscher Presserat und die Beschwerdeausschüsse von diesen Themen zu entlasten. Sie können sich damit auf die in § 9 Trägervereinssatzung fixierten Aufgaben, insbesondere auf die Beschwerdearbeit, konzentrieren.139

II. Das Gremium Deutscher Presserat140 Der „eigentliche“ Deutsche Presserat stellt seit der Neukonstituierung im Jahr 1985 nurmehr ein Gremium des Trägervereins dar, § 7 Abs. 1 S. 1 Trägervereinssatzung. Seine 20 nicht an Weisungen gebundenen141, ehrenamtlichen Mitglieder werden von den Trägerorganisationen für zwei Jahre ernannt; eine mehrmalige Entsendung ist zulässig, § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und Abs. 3 Trägervereinssatzung. Die Besetzung erfolgt paritätisch, also jeweils zur Hälfte mit Personen, die verlegerisch bzw. journalistisch tätig sind, § 7 Abs. 1 S. 3 Trägervereinssatzung. In einer Fußnote zu dieser Satzungsbestimmung erfolgen noch genauere Angaben über die Auswahlkriterien, um den Einfluß verbandspolitischer Sonderinteressen zu minimieren und eine höhere Kompetenz bei der Beschwerdearbeit zu gewährleisten.142 So dürfen die Trägerorganisationen nicht ihre Vorsitzenden oder Vorsitzende der ihnen angeschlossenen Berufsorganisationen bzw. hauptamtliche Verbandsmitglieder benennen und die Journalistenvereinigungen keine Rundfunkmitarbeiter. Den Verlegerverbänden ist es nur gestattet, solche Personen zu entsenden, die die grundsätzliche publizistische Konzeption eines Blattes (mit-) bestimmen oder für deren Einhaltung verantwortlich sind. Die Möglichkeit der Kooptation von bis zu fünf weiteren Persönlichkeiten, die mit Pressefragen vertraut sind,143 wurde nach der Neukonstituierung gestrichen.144 Der Deutsche Siehe den Aufgabenkatalog der Mitgliederversammlung, § 5 Trägervereinssatzung. Deutscher Presserat, Jahrbuch 1986, S. 8; Eisermann, Selbstkontrolle in den Medien: Der Deutsche Presserat und seine Möglichkeiten, 1993, S. 5. 140 Man spricht auch vom Plenum des Deutschen Presserats, Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 263. 141 Für die in § 9 Nr. 5 Trägervereinssatzung niedergelegten Aufgaben ist diese Unabhängigkeit jedoch faktisch aufgehoben worden, da die Mitglieder des Deutschen Presserats in diesem Bereich im Einvernehmen mit den Trägerverbänden handeln müssen, Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 182; C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 127. 142 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 129. 143 § 2 Abs. 3 der Satzung des Deutschen Presserats vom 9. April 1975, siehe Fn. 120. 144 Eisermann, Selbstkontrolle in den Medien: Der Deutsche Presserat und seine Möglichkeiten, 1993, S. 11. 138 139

E. Organisation und Finanzierung

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Presserat ist also heute eine „reine“ Selbstkontrolleinrichtung ohne branchenfremde Mitglieder.145 Aus der Mitte des Plenums werden für die Dauer von zwei Jahren der Sprecher des Deutschen Presserats und sein Stellvertreter gewählt. Das Amt des Sprechers soll dabei jede Amtsperiode zwischen den Repräsentanten der Verlegerträgerorganisationen und Journalistenträgervereinigungen wechseln und der Stellvertreter jeweils Angehöriger der anderen Gruppierung sein, § 8 Abs. 1 Trägervereinssatzung. Der Sprecher ist der Repräsentant des Deutschen Presserats gegenüber der Öffentlichkeit, § 8 Abs. 2 S. 2 Trägervereinssatzung. Die gewöhnlich nicht öffentlichen Sitzungen dieses Gremiums finden regelmäßig alle drei Monate statt, § 1 Abs. 1 S. 1 GO und §§ 5, 6 Abs. 2 GO. Bei Abstimmungen im Plenum fordern § 2 Abs. 1 S. 1 GO für die Beschlußfähigkeit eine ordnungsgemäße Ladung sowie die Anwesenheit von mindestens zwölf Mitgliedern und § 2 Abs. 2 GO für Entscheidungen eine Zweidrittelmehrheit der Anwesenden, mindestens aber zehn Stimmen. Der Tätigkeitsbereich des Deutschen Presserats ergibt sich aus § 9 Trägervereinssatzung.146 Gemäß der vorher147 aufgezeigten „Arbeitsteilung“ kann sich das Plenum vollständig auf die in dieser Bestimmung aufgezählten Aufgaben konzentrieren. Dazu gehören unter anderem die Abgabe von Erklärungen aus aktuellen Anlässen148 und die Publikation von Tätigkeitsberichten, § 10 GO. Daneben aktualisiert der Presserat laufend den Pressekodex und die Richtlinien und gibt damit den normativen Rahmen für die Beschwerdeentscheidungen vor, vgl. § 9 Nr. 3 Trägervereinssatzung.149 Zur Entscheidung über Beschwerden gegen konkrete Veröffentlichungen, § 9 Nr. 2 Trägervereinssatzung und neuerdings auch § 9 Nr. 6 Trägervereinssatzung, ist das Plenum dagegen nur ausnahmsweise berufen. Regelmäßig obliegt diese Aufgabe nach § 2 Abs. 1 BO den Beschwerdeausschüssen. § 3 BO sieht eine Zuständigkeit des Plenums allein vor bei Beschwerden von grundsätzlicher Bedeutung (Abs. 1), im Falle der Abgabe an das Plenum auf Verlangen von zwei Mitgliedern des Beschwerdeausschusses (Abs. 2 i.V. m. § 2 Abs. 3 BO) oder wenn das Plenum die Beschwerde an sich zieht (Abs. 3).

Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 263. Siehe Teil 5 C. 147 Siehe Teil 5 E I. 148 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 18; z. B. der Aufruf zu besonnener und kritischer Berichterstattung anläßlich der Terroranschläge in den USA vom 19. September 2001, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 30 f. 149 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 18. 145 146

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

III. Die Beschwerdeausschüsse § 11 Trägervereinssatzung sieht seit 2001 zwei Beschwerdeausschüsse vor. Das Gremium nach § 11 Abs. 1 Trägervereinssatzung ist der „alte“ Beschwerdeausschuß, der bereits vor der Novellierung der Satzung existierte und für die Beschwerden zuständig ist, die schon bisher vom Presserat geprüft wurden, vgl. § 9 Nr. 2 Trägervereinssatzung. Der Beschwerdeausschuß für den Redaktionsdatenschutz, § 11 Abs. 2 Trägervereinssatzung, wurde neu konstituiert und soll die Beschwerden behandeln, die im Rahmen der Anlaßaufsicht im Bereich des Redaktionsdatenschutzes eingehen, vgl. § 9 Nr. 6 Trägervereinssatzung.

1. Der allgemeine Beschwerdeausschuß Der allgemeine Beschwerdeausschuß besteht aus zehn Mitgliedern, von denen fünf verlegerisch und fünf journalistisch tätig sein müssen, § 11 Abs. 1 S. 2 Trägervereinssatzung. Sie werden aus der Mitte des Plenums für zwei Jahre gewählt; eine Wiederwahl ist zulässig, § 7 S. 1, 3, 5 GO. Der Beschwerdeausschuß wiederum ernennt jedes Jahr aus dem Kreis seiner Mitglieder einen Vorsitzenden sowie dessen Stellvertreter, § 8 S. 1 GO. Nach § 8 S. 2 GO soll dieser Posten jährlich zwischen Repräsentanten der Verlegerträgerorganisationen und der Journalistenträgerverbände wechseln. Es entspricht allerdings ständiger Übung, daß ein Journalist dieses arbeitsintensive Amt ausübt, womit ein gewisser Ausgleich für die höhere Finanzierungsbelastung der Verleger geschaffen wird.150 Da es sich bei § 8 S. 2 GO um eine Soll-Vorschrift handelt, liegt in dieser Abweichung kein Verstoß gegen die Geschäftsordnung. Die Möglichkeit der Berufung eines Nichtmitglieds mit Befähigung zum Richteramt als Vorsitzenden151 besteht seit der Neukonstituierung nicht mehr. Der Beschwerdeausschuß tritt vier bis sechs Mal im Jahr zusammen.152 Das Verfahren richtet sich nach der Geschäftsordnung und der Beschwerdeordnung. Beschlußfähig ist das Gremium, wenn es ordnungsgemäß einberufen wurde und mindestens sieben seiner Mitglieder anwesend sind; für Beschlüsse reicht die einfache Mehrheit der Anwesenden, § 9 GO. Wenn begründete Zweifel an der Unparteilichkeit eines Angehörigen des entscheidenden Gremiums bestehen, kann jeder Beteiligte ihn wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen oder das Mitglied kann sich selbst für befangen erklären, § 8 Abs. 1 BO. Ferner dürfen bei der Beratung über Beschwerden Mitglieder des Deutschen Presserats nur anwesend sein, soweit der C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 130. § 6 S. 2 Satzung des Deutschen Presserats vom 9. April 1975, siehe Fn. 120. Auf der Grundlage dieser Vorschrift stand dem Beschwerdeausschuß von 1977 bis 1981 ein unabhängiger Vorsitzender aus hohen Richterkreisen vor, Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 178. 152 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 18 f. 150 151

E. Organisation und Finanzierung

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Gegenstand der Beschwerde nicht sie selbst, ihren Verlag oder ihre Redaktion betrifft, § 11 Abs. 2 S. 1 BO.153 Der allgemeine Beschwerdeausschuß ist grundsätzlich für alle Beschwerden zuständig, außer es liegt ein Fall vor, der in die Kompetenz des Plenums fällt, § 2 Abs. 3 und § 3 BO, bzw. eine Beschwerde wegen der möglichen Verletzung des Rechts auf Datenschutz, die vom Beschwerdeausschuß für den Redaktionsdatenschutz zu behandeln ist, § 2 Abs. 2 BO.

2. Der Beschwerdeausschuß für den Redaktionsdatenschutz Der neu eingerichtete Beschwerdeausschuß für den Redaktionsdatenschutz ist für Beschwerden zuständig, die mögliche Verletzungen des Rechts auf Datenschutz zum Inhalt haben, § 2 Abs. 2 BO. Zudem befaßt er sich mit grundsätzlichen Fragen des redaktionellen Datenschutzes.154 Er setzt sich aus sechs Mitgliedern zusammen, die je zur Hälfte verlegerisch und journalistisch tätig sein müssen und über besondere Kenntnisse des Datenschutzes verfügen sollen, § 11 Abs. 2 S. 1, 3, 6 Trägervereinssatzung. Eine Besonderheit des Gremiums besteht darin, daß nur fünf seiner Mitglieder dem Deutschen Presserat angehören, deren Wahl und Amtsdauer sich grundsätzlich nach § 7 GO richten.155 Der sechste Angehörige wird vom Verband der Anzeigenblattverleger, also dem Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter e.V. (BVDA), benannt, der nicht Mitglied im Trägerverein des Deutschen Presserats ist, § 11 Abs. 2 S. 2 Trägervereinssatzung. Für die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters gilt § 8 GO. Ob sich auch hier die Praxis etablieren wird, daß regelmäßig Journalisten dieses Amt übernehmen, ist noch nicht abzusehen, aber aus den bereits genannten Gründen156 anzunehmen. Die ersten beiden Vorsitzenden sind jedenfalls der Journalistenseite zuzurechnen.157 153 Diese Einschränkung findet sich erst seit 2001 explizit in der Beschwerdeordnung. Doch auch schon vorher entsprach es ständiger Übung, daß Gremienmitglieder dann nicht mitstimmten, wenn ihr Verlag Beschwerdegegner war, C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 132. Die über § 8 BO (früher § 6 BO) hinausgehende Praxis geriet aber in die Kritik, da die Betroffenen bei der Diskussion des Falles noch anwesend sein durften und so die Entscheidung in ihrem Sinne beeinflussen konnten, C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 132. Der Presserat reagierte auf diese Beanstandungen, indem er die bisherige Praxis kodifizierte und dahingehend erweiterte, daß betroffene Gremienangehörige schon bei der Beratung nicht mehr präsent sein dürfen. 154 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 66; siehe dazu ausführlich Deutscher Presserat, Bericht zum Redaktionsdatenschutz, 2004. 155 Vgl. die Überschrift zu dieser Geschäftsordnungsbestimmung („Wahl der Mitglieder der Beschwerdeausschüsse“). Nicht anwendbar ist nach seinem Wortlaut § 7 S. 2 GO, in dem von je fünf verlegerisch bzw. journalistisch tätigen Mitgliedern die Rede ist, während der Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz nur mit je drei Repräsentanten der beiden Gruppierungen besetzt ist. Für die Frage der Stellvertretung kommt es also allein auf § 11 Abs. 2 S. 4, 5 Trägervereinssatzung an. 156 Siehe Teil 5 E III 1. 157 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 337 f., 340.

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

Der Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz ist im ersten Jahr seiner Tätigkeit vier Mal zusammengetreten. 158 Beschlüsse werden nach § 9 Abs. 2 GO mit einfacher Mehrheit der Anwesenden gefaßt. § 9 Abs. 1 GO, der die Beschlußfähigkeit regelt, ist hier nicht anwendbar.159 Denn diese Vorschrift verlangt, daß mindestens sieben Mitglieder präsent sein müssen, der Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz umfaßt aber lediglich sechs Personen. Die Frage der Beschlußfähigkeit ist für diesen Ausschuß also nicht explizit normiert; vielmehr muß die Lücke durch ergänzende Auslegung der Geschäftsordnung geschlossen werden.160 Bei der Ermittlung der Regelung, die die Parteien in Kenntnis der Lücke getroffen hätten, ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß Vereinssatzungen und sie ergänzende Nebenordnungen allein anhand objektiver Kriterien, wie Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck der Regelung, ausgelegt werden dürfen.161 Denn sie enthalten objektives Recht, das sich nicht nur an die Gründungsmitglieder richtet, sondern auch für künftige Mitglieder und für die Rechtsbeziehungen zu Dritten bedeutsam sein kann.162 Gründerwille und -interessen treten daher in den Hintergrund.163 Umstände außerhalb der Satzung bzw. im vorliegenden Fall der Geschäftsordnung dürfen nur berücksichtigt werden, wenn davon ausgegangen werden kann, daß Mitglieder und Organe des Vereins sie kennen.164 Im hier zu erörternden Fall kann die Lücke entweder dadurch geschlossen werden, daß man gar kein Quorum vorsieht oder die Anwesenheit aller Mitglieder verlangt. Für die erste Alternative spricht, daß nach § 9 Abs. 2 GO bei Beschlüssen die einfache Mehrheit der Anwesenden genügt, also nicht die Mehrheit der Mitglieder gefordert wird.165 Außerdem wurde ein Quorum ausdrücklich nur für das Plenum Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 66. So auch Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 19 mit Fn. 116. 160 Vgl. Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 9. Aufl. 2003, Rn. 301 zwar zur Satzungsauslegung, doch sind die dort genannten Grundsätze auf andere von Vereinen aufgestellte Ordnungen etc. übertragbar. Eine teilweise vor der ergänzenden Vertragsauslegung befürwortete Anwendung der dispositiven, vgl. § 40 BGB, vereinsrechtlichen Vorschriften zur Beschlußfähigkeit ist nicht möglich, da diese allein für die Mitgliederversammlung bzw. für den Vorstand gelten, §§ 28 Abs. 1, 32 Abs. 1 S. 3 BGB. 161 Hey, Ergänzende Vertragsauslegung und Geschäftsgrundlagenstörung im Gesellschaftsrecht, 1990, S. 26 f.; Ulmer, in: Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG, Bd. 1, 8. Aufl. 1992, § 2 Rn. 146. Zur Satzungsauslegung im allgemeinen vgl. BGHZ 47, 172 (180); BGHZ 113, 237 (240); Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 9. Aufl. 2003, Rn. 301; Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 23 mit Fn. 6 und S. 48 mit Fn. 4. 162 Sauter / Schweyer / Waldner, Der eingetragene Verein, 17. Aufl. 2001, Rn. 36. Daher wird auch eine Heranziehung der §§ 133, 157 BGB teilweise abgelehnt, Reuter, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 25 Rn. 22 m. w. N. auch zur Gegenansicht. BGH NJW-RR 1990, 226 (227) beruft sich für die ergänzende Vertragsauslegung auf § 157 BGB und § 242 BGB. 163 BGHZ 47, 172 (180). 164 BGHZ 63, 282 (290). 165 Hervorhebung durch die Verfasserin. 158 159

E. Organisation und Finanzierung

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und den allgemeinen Beschwerdeausschuß festgelegt, § 2 Abs. 1 GO und § 9 Abs. 1 GO. Daraus könnte man im Umkehrschluß ableiten, daß es im Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz kein Quorum gibt. Aus dem fehlenden Erfordernis einer Mindestzahl von Anwesenden wäre es aber ebenso möglich zu folgern, daß die Beschlußfähigkeit nur bei Präsenz sämtlicher Mitglieder anzunehmen ist. Auch der Wortlaut des § 9 Abs. 2 GO vermag die erstgenannte Auslegungsmöglichkeit nicht zu stützen. Denn diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 GO zu lesen, der, wie bereits erwähnt, nur beim allgemeinen Beschwerdeausschuß Anwendung findet. Die gesamte Bestimmung ist also an sich allein am allgemeinen Beschwerdeausschuß ausgerichtet, auch wenn § 9 Abs. 2 GO nun auch für den neuen Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz gilt. Es gibt daher keine überzeugenden Argumente für den Verzicht auf jegliches Quorum. Folglich ist davon auszugehen, daß der zweite Lösungsvorschlag eingreift, also die Beschlußfähigkeit im Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz nur gegeben ist, wenn sämtliche Mitglieder bzw. ihre Stellvertreter anwesend sind. Dafür spricht auch, daß die Anzahl der Ersatzleute für beide Ausschüsse gleich hoch ist, obwohl der Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz weniger Mitglieder hat, vgl. § 11 Abs. 1 S. 3, 4 und Abs. 2 S. 4, 5 Trägervereinssatzung. Das deutet darauf hin, daß man dort auf eine vollständige Besetzung gesteigerten Wert legt. Zudem ist zu beachten, daß dieser Ausschuß in einem grundrechtssensiblen Bereich agiert und daher hohe Anforderungen an die Beschlußfassung gestellt werden sollten. Daran scheitert auch eine mögliche analoge Anwendung des § 32 Abs. 1 S. 3 BGB. Denn diese Norm stellt allein auf die erschienenen Mitglieder ab, wobei es nach allgemeiner Meinung ausreicht, daß ein Mitglied anwesend ist.166 Wegen dieser geringen Anforderungen an die Beschlußfassung fehlt es an der für die Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit. Der Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz ist folglich nur beschlußfähig, wenn alle Mitglieder (oder gegebenenfalls Stellvertreter) anwesend sind.

IV. Die Geschäftsstelle Zur Erledigung der laufenden Geschäfte des Trägervereins des Deutschen Presserats, des Deutschen Presserats als Gremium und der Beschwerdeausschüsse wird von der Mitgliederversammlung ein Geschäftsführer berufen, §§ 12 S. 1 i.V. m. 5 Nr. 2 Trägervereinssatzung. Er leitet die Geschäftsstelle, die ihren Sitz in Bonn hat, § 12 S. 2 Trägervereinssatzung. In der Geschäftsstelle sind derzeit neben dem Geschäftsführer drei Referenten (für den Beschwerdeausschuß, die Öffentlichkeitsarbeit und den Redaktionsdatenschutz) sowie zwei Sekretärinnen tätig.167 166 167

Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 32 Rn. 6. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 50.

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

Die Geschäftsstelle fungiert als Ansprechpartner für Leser, Journalisten und Verleger.168 Sie beantwortet Anfragen und organisiert die Öffentlichkeitsarbeit.169 Vor allem ist die Geschäftsstelle aber mit der Bearbeitung von Beschwerden im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beschäftigt. Dort wird unter anderem eine erste Vorprüfung durchgeführt (Sachverhaltsermittlung, Zuständigkeitsprüfung etc.), und nach Beschwerdeausschußsitzungen informiert sie die Beteiligten schriftlich über den Verfahrensausgang.170

V. Die Finanzierung der Presseselbstkontrolle Die Arbeit des Trägervereins, des Gremiums Deutscher Presserat, des allgemeinen Beschwerdeausschusses und der Geschäftsstelle wird aus zwei Quellen finanziert.171 Zum einen entrichten die Trägerverbände Beiträge, § 2 Abs. 3 Trägervereinssatzung.172 Intern ist dabei vorgesehen, daß die Verlegerseite 75 % und die Journalistenseite 25 % der Zahlungen übernimmt.173 Zum anderen wird seit 1976 vom Bund jährlich ein zweckgebundener Zuschuß für die Arbeit des Beschwerdeausschusses gewährt. Grundlage ist das Gesetz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Beschwerdeausschusses.174 Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes betrug dieser Zuschuß ursprünglich 80.000 DM, ist aber nach § 3 an die veränderten allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen und beläuft sich derzeit auf 183.000 Euro.175 Um trotz dieser Teilfinanzierung durch den Bund aber nicht unter staatlichen Einfluß zu gelangen, sieht eine interne Presseratsübereinkunft vor, daß der Bundeszuschuß nicht mehr als 49 % der Gesamteinnahmen des Beschwerdeausschusses ausmachen soll.176 Die Finanzierung der freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz erfolgt vorwiegend über den eben erwähnten Bundeszuschuß und die Zahlungen des Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 299. Vgl. z. B. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 41 ff. 170 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 133; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 41; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 45. 171 Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 264. 172 Vgl. auch § 7 Abs. 2 S. 2 Trägervereinssatzung. 173 Schriftliche Auskunft des Geschäftsführers des Trägervereins des Deutschen Presserats e.V. vom 28. Mai 2002. 174 Vom 18. August 1976, BGBl. I, S. 2215. Zur Vorgeschichte des Gesetzes vgl. Fischer / Breuer / Wolter, Die Presseräte der Welt, 1976, S. 127 ff. 175 Zuvor betrug der Zuschuß noch 123 000 Euro, wurde aber wegen der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz erhöht, schriftliche Auskunft des Geschäftsführers des Trägervereins des Deutschen Presserats vom 28. Mai 2002 und vom 6. Juni 2003. 176 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 180; Ronneberger, in: Schiwy / Schütz (Hrsg.), Medienrecht, 3. Aufl. 1994, S. 384; trotzdem kritisch Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 56. 168 169

F. Das Beschwerdeverfahren

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BDZV und des VDZ. Für die Anzeigenverlage entrichtet der BVDA pauschal einen Beitrag. Von den nicht verbandlich organisierten Presseunternehmen, die sich an der freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz beteiligen, wird ein individuell festgelegter Beitrag erhoben.177

VI. Zusammenfassung zu Abschnitt E. Beim gegenwärtigen Modell der Presseselbstkontrolle bildet der Trägerverein des Deutschen Presserats e.V., dessen wichtigste Mitglieder der BDZV, der VDZ, der DJV und ver.di / dju sind, den organisatorischen „Überbau“. Er nimmt vornehmlich administrative Funktionen wahr. Laufende Geschäfte erledigt allerdings die Geschäftsstelle. Der eigentliche Deutsche Presserat ist nunmehr lediglich noch ein Gremium des Trägervereins. Seine Aufgaben sind in § 9 Trägervereinssatzung niedergelegt. Die beiden Beschwerdeausschüsse, der allgemeine Beschwerdeausschuß und der seit 2001 bestehende Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz, die ebenso wie der Deutsche Presserat paritätisch mit Angehörigen der Verlegerund Journalistenseite besetzt sind, beschäftigen sich hauptsächlich mit der Behandlung von Beschwerden. Finanziert wird das gegenwärtige System durch Beiträge sowie einen Bundeszuschuß.

F. Das Beschwerdeverfahren Das Beschwerdeverfahren gliedert sich in zwei Teile, die Vorprüfung und das förmliche Beschwerdeverfahren, das vor einem der Ausschüsse bzw. ausnahmsweise im Plenum durchgeführt wird.178 Die für das Verfahren relevanten Vorschriften sind der Satzung, der Geschäftsordnung und der Beschwerdeordnung zu entnehmen und gelten grundsätzlich für die Behandlung von Beschwerden vor allen in Frage kommenden Gremien, es sei denn sie sind explizit179 oder nach dem Kontext180 nur partiell anwendbar.

Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 63. Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 184. Eine dreistufige Einteilung in Vorprüfung, Vermittlungsversuch, förmliches Verfahren findet sich bei Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 218. 179 Z. B. § 6 Abs. 3 S. 2 BO. 180 Z. B. § 9 Abs. 1 GO; siehe Teil 5 E III 2. 177 178

12 Schwetzler

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

I. Verfahrensbeteiligte und Verfahrensgegenstand 1. Beschwerdeführer Beschwerdeberechtigt ist vor dem allgemeinen Beschwerdeausschuß nach § 1 Abs. 1 S. 1 BO „jeder“, d. h. nicht nur die von der Presseberichterstattung Betroffenen. Eine „Beschwer“ im rechtlichen Sinne wird also nicht verlangt, es handelt sich mithin um eine „Popularbeschwerde“.181 Beschwerdeführer können dabei nicht nur Privatpersonen sein, sondern z. B. auch Unternehmen, Parteien, Verbände oder Behörden.182 Ebenso stellt sich die Lage dar, wenn wegen Verletzung des Datenschutzes Beschwerde erhoben wird, denn § 1 Abs. 1 S. 2 BO verlangt lediglich, daß das Recht auf Datenschutz als verletzt angesehen wird und nicht sein, also des Beschwerdeführers Recht auf Datenschutz.183 Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 BO erlaubt es dem Deutschen Presserat zudem, auch von sich aus ein Beschwerdeverfahren zu initiieren. Doch wird dieses Selbstbefassungsrecht in der Praxis grundsätzlich nicht in Anspruch genommen.184 Denn um den Vorwurf der Willkür zu vermeiden, müßte systematisch und flächendeckend nach Verstößen gegen den Pressekodex gesucht werden, was sich erstens nicht finanzieren ließe185 und zweitens den Deutschen Presserat in die Nähe einer Überwachungsbehörde rücken würde186.

2. Beschwerdegegner Beschwerdegegner können zunächst einmal alle deutschen Presseorgane sein, wobei es nicht darauf ankommt, ob sie verbandlich organisiert sind.187 Fraglich ist, ob sich Verfahren und Maßnahmen auch gegen einzelne Journalisten richten können. Für ihre Einbeziehung läßt sich anführen, daß die in den Publizistischen Grundsätzen (Pressekodex)188 niedergelegten Verhaltensstandards nicht nur an Verleger und Herausgeber adressiert sind, sondern explizit auch an sie.189 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 137. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 284, 352. Auch Sammelbeschwerden sind möglich, Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 149. 183 Hervorhebung durch die Verfasserin. 184 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 137 f.; Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 267. 185 Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 146. 186 Interview mit M. Protze, damals Vorsitzender des Beschwerdeausschusses, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 68; kritisch zu dieser Selbstbeschränkung Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 219. 187 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 19; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 219. 188 Publizistische Grundsätze (Pressekodex) vom Deutschen Presserat in Zusammenarbeit mit den Presseverbänden beschlossen und Bundespräsident Gustav W. Heinemann am 181 182

F. Das Beschwerdeverfahren

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Dagegen spricht aber § 9 Nr. 2 S. 1 Trägervereinssatzung, der dem Presserat die Aufgabe überträgt, „Beschwerden über einzelne Zeitungen, Zeitschriften oder Pressedienste zu prüfen“ und in begründeten Fällen Sanktionen zu verhängen. Diese Regelung stellt nicht nur klar, daß allein Geschehnisse aus dem Bereich der Printmedien zulässiger Gegenstand einer Presseratsbeschwerde sein können,190 sondern äußert sich auch über die möglichen Beschwerdegegner. Auch § 15 BO steht einer Anerkennung von Journalisten als Beschwerdegegner entgegen. Denn er verlangt, daß Rügen in den betroffenen Publikationsorganen abzudrucken sind, was einem einzelnen Verfasser von Artikeln nicht möglich wäre. Nur diese Auslegung der Statuten berücksichtigt zudem, daß das kodexwidrige Verhalten von Journalisten zumindest teilweise auch auf eine entsprechende Verlagspolitik zurückzuführen ist. Würde man es zulassen, in diesen Fällen gegen einzelne Journalisten vorzugehen, könnten die eigentlichen Entscheidungsträger oftmals ihre Verantwortung auf diese abwälzen.191 Es ist daher davon auszugehen, daß nur Zeitungen, Zeitschriften oder Pressedienste Beschwerdegegner sein können und die an einer beanstandeten Publikation beteiligten Journalisten durch ihr Medium repräsentiert werden.192 So wird es auch in der Praxis gehandhabt, in der sich die zulässigen Beschwerden193 und verhängten Maßnahmen194 bisher allein gegen Presseorgane richteten.195

3. Beschwerdegegenstand Als Beschwerdegegenstand kommen neben einzelnen Publikationen auch sonstige Vorgänge in Betracht, allerdings nur solche in der deutschen Presse, § 1 Abs. 1 S. 1 BO. Für Veröffentlichungen aus dem Ausland ist der Deutsche Presserat nicht zuständig.196 Seit 1996 besteht zudem die Möglichkeit, sich über journa12. Dezember 1973 in Bonn überreicht, in der Fassung vom 20. Juni 2001 mit den Richtlinien für die Publizistische Arbeit nach Empfehlungen des Deutschen Presserats, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 291 ff., im folgenden zitiert als „Pressekodex“ / „Publizistische Grundsätze“ bzw. „Richtlinien“. 189 Vgl. insbesondere Abs. 1 S. 2 Präambel zum Pressekodex. 190 So aber Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 48. 191 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 50. 192 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 60. 193 Vgl. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 286; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 353. Dort sind allerdings auch noch Beschwerdeadressaten angeführt, gegen die der Deutsche Presserat bzw. seine Gremien mangels Zuständigkeit nicht vorgehen können. 194 Vgl. die Übersichten über die vom Deutschen Presserat in den Jahren 2001 und 2002 ausgesprochenen Rügen, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 287 f. und Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 354 f. 195 Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß der Deutsche Presserat auch einmal an einzelne Journalisten herantritt, um sie auf ihr Fehlverhalten anzusprechen. Doch erfolgt dies dann nicht im Rahmen des „offiziellen“ Beschwerdeverfahrens. 196 Zwar wurde 1994 mit Hürriyet erstmals eine fremdsprachige Zeitung gerügt, doch ist das damit zu erklären, daß diese Publikation in Deutschland erscheint und vertrieben 12*

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

listische Beiträge zu beschweren, die von Zeitungs-, Zeitschriftenverlagen oder Pressediensten in digitaler Form verbreitet wurden und zeitungs- oder zeitschriftenidentisch197 sind, § 9 Nr. 2 S. 2 Trägervereinssatzung.198 Der Deutsche Presserat hat also seine Zuständigkeit auf die sogenannte elektronische Presse199 ausgedehnt, allerdings beschränkt auf verlagseigene Online-Dienste.200 Außerdem können nun aufgrund der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz eventuelle Verstöße gegen das Recht auf Datenschutz durch die Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistisch-redaktionellen Zwecken im Rahmen der Recherche oder Veröffentlichung geltend gemacht werden, § 1 Abs. 1 S. 2 BO. Ausgeschlossen von der Kontrolle ist hingegen grundsätzlich201 die nicht periodische Presse, wie sich unter anderem aus § 10 Abs. 1 Trägervereinssatzung ergibt, der sich nur an „die Verlage von periodischen Druckwerken“ wendet.202 Ebensowenig behandelt der Presserat Beschwerden über Rundfunksendungen oder Werbung und Eingaben203 mit rechtlichem Schwerpunkt.204 Anzeigenblätter bilden einen Sonderfall. Während bis 1994 der Deutsche Presserat seine Zuständigkeit generell verneinte,205 werden seither Beschwerden gegen solche Publikationen wird, Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 235; Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 90. 197 Digitale Beiträge sind insbesondere dann zeitungs- oder zeitschriftenidentisch, „wenn sie vollständig oder teilweise Inhalte von Zeitungen oder Zeitschriften wiedergeben bzw. Inhalte von Zeitungen oder Zeitschriften als Vorabmeldungen verbreitet haben“, § 9 Nr. 2 S. 3 Trägervereinssatzung. 198 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1996, S. 38. 199 Vgl. auch die Fußnote zu § 1 Abs. 1 S. 1 Trägervereinssatzung. 200 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1996, S. 38. Damit geht der Pressebegriff der Trägervereinssatzung über den des Grundgesetzes hinaus. Das bedeutet allerdings nicht, daß die Online-Aktivitäten der Verlage nicht der Pressefreiheit unterfallen, siehe Teil 3 B I 2 b) aa). Doch führt es zu weit, den Pressekodex am Übergang zum Medienkodex zu sehen, so aber Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 34. Die Änderung sollte vor allem verhindern, daß Druckerzeugnisse, die den Pressekodex verletzen, als Online-Veröffentlichungen gleichen Inhalts nicht beanstandet werden können, Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 210. 201 Eine Ausnahme findet sich in Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 310. Wenn man wie hier „Veröffentlichungen“ auf die periodische Presse beschränkt, können nicht-periodische Publikationen ausnahmsweise unter „Vorgänge in der deutschen Presse“ fallen, vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 BO. 202 Siehe auch § 9 Nr. 2 S. 1 Trägervereinssatzung, der von „Beschwerden über einzelne Zeitungen, Zeitschriften oder Pressedienste“ spricht; C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 127; einschränkend Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 33. 203 Als „Eingaben“ werden alle eingegangenen Beschwerdeschreiben bezeichnet. „Beschwerde“ werden nur diejenigen genannt, die letztlich in den Beschwerdeausschuß überwiesen werden, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 345 Fn. 1. 204 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 348. 205 Entschließung zu Anzeigenblättern vom 4. / 5. Oktober 1978, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1986, S. 58.

F. Das Beschwerdeverfahren

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in eingeschränktem Umfang behandelt.206 Soweit für eine Eingabe, die Anzeigenblätter betrifft, thematisch später der allgemeine Beschwerdeausschuß zuständig wäre, findet zwar kein förmliches Verfahren vor diesem Gremium statt. Doch führt die Geschäftsstelle eine summarische Vorprüfung durch. Falls diese einen gravierenden Verstoß gegen den Pressekodex ergibt, wird die Beschwerde an das betroffene Anzeigenblatt mit der Bitte um Abhilfe weitergeleitet.207 Vor dem Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz werden hingegen auch Beschwerden gegen Anzeigenblätter behandelt, da die Blätter sich im Bereich des Redaktionsdatenschutzes in das System der freiwilligen Selbstkontrolle eingegliedert haben.208

II. Das Vorprüfverfahren Den Beginn des für die Beteiligten (Beschwerdeführer und Beschwerdegegner, § 7 Abs. 4 S. 1 BO) kostenlosen209 Verfahrens markiert der Eingang einer schriftlichen Beschwerde, die den Beschwerdegrund angeben muß und der ein Original oder eine Kopie des beanstandeten Artikels beigefügt sein soll, § 4 Abs. 1 S. 1, 2, 3 BO. Nicht behandelt werden grundsätzlich Eingaben über Veröffentlichungen oder Vorgänge, die mehr als ein Jahr zurückliegen, § 4 Abs. 2 BO, sowie anonyme Beschwerden, § 4 Abs. 1 S. 4 BO. Nach Eingang des Schreibens findet eine Vorprüfung durch den Geschäftsführer statt, § 5 Abs. 1 S. 1 BO. Er veranlaßt entscheidungsvorbereitende Maßnahmen wie weitere Sachverhaltsermittlungen210 und legt im Einvernehmen mit den Vorsitzenden der Beschwerdeausschüsse fest, welches Gremium im konkreten Fall zuständig ist, § 5 Abs. 1 S. 2, 3 BO. Eine Zuweisung an den Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz erfolgt, wenn der zu behandelnde Fall ein „datenschutz-spezifisches (Über-)Gewicht“ besitzt.211 Eingaben, für die der Deutsche Presserat offensichtlich nicht zuständig ist, werden hingegen bereits in diesem Verfahrensstadium zurückgewiesen, § 5 Abs. 2 BO. Das gleiche gilt für offensichtlich unbegründete Beschwerden sowie für unschlüssige Beschwerden, die nicht innerhalb einer vom Geschäftsführer gesetzten Frist substantiiert werden, § 5 Abs. 3 S. 1, 2 BO.212 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 345. Ausgenommen von der Prüfung sind Verstöße gegen Ziffer 7 Pressekodex, Informationsblatt zur Zuständigkeit des Deutschen Presserats bei Anzeigenblättern vom Januar 2000. 208 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 18; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 63. 209 Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 270. Eigene Auslagen, wie die Beauftragung eines Rechtsanwalts, werden allerdings meist nicht erstattet, C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 138. Zu Ausnahmen vgl. § 7 Abs. 4 S. 2 BO. 210 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 45. 211 Vgl. zur Frage der Zuweisung ausführlich Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 56 f. 212 Nach § 5 Abs. 3 S. 3 BO ist gegen die ablehnende Entscheidung eine weitere Beschwerde möglich, über die dann der Beschwerdeausschuß abschließend entscheidet. 206 207

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Schlüssige und nicht offensichtlich unbegründete Beschwerden werden dem Beschwerdegegner mit der Aufforderung zur Stellungnahme zugeleitet, § 5 Abs. 4 BO. Wenn der Vorsitzende des zuständigen Beschwerdeausschusses nach Vorlage der Stellungnahme die Beschwerde für begründet hält, kann er einen Hinweis aussprechen; wenn er die Beschwerde als unbegründet erachtet, darf er sie zurückweisen, § 5 Abs. 5 S. 1, 2 BO (sogenannte „Bagatell-Klausel“ 213).214 Ansonsten beginnt nun im Rahmen des Vorverfahrens der Vermittlungsversuch, der es dem Beschwerdegegner ermöglicht, innerhalb einer Frist von zwei Wochen selbst zu prüfen, ob eine Verletzung des Pressekodex vorliegt und ob er sie gegebenenfalls215 selbst durch ausreichende Wiedergutmachung in Ordnung gebracht hat, § 6 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BO. Solche Ausgleichsmaßnahmen seitens des Presseorgans setzen grundsätzlich öffentliche Form voraus, es sei denn, eine erneute Publikation über das Ereignis widerspricht den Interessen des Betroffenen, § 6 Abs. 2 S. 2 BO.216 Abgesehen von den Anforderungen in § 6 Abs. 2 BO liegt die Art der Abhilfe aber im Ermessen des Beschwerdegegners.217 Eine Verpflichtung des Publikationsorgans, Stellung zu nehmen, besteht aber nicht. Jedoch hindert die Nichtabgabe nicht den Fortgang des Verfahrens, vgl. § 7 Abs. 7 Nr. 5 BO. Falls keine (ausreichende) Wiedergutmachung erfolgt ist bzw. im Falle der Verletzung des Redaktionsdatenschutzes der Beschwerdeführer sie nicht als ausreichend anerkannt hat, wird das Beschwerdeverfahren fortgesetzt, § 6 Abs. 3 BO, d. h. der gesamte Beschwerdevorgang wird zusammen mit einem Entscheidungsvorschlag an den Vorsitzenden des zuständigen Beschwerdeausschusses weitergeleitet, § 7 Abs. 1 BO.218 Andernfalls erfolgt die Einstellung des Verfahrens.219

Vgl. dazu auch Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 346. Gegen diese Entscheidungen ist wiederum eine weitere Beschwerde an den Beschwerdeausschuß möglich, welcher dann abschließend entscheidet, § 5 Abs. 5 S. 3 BO. 215 Die Formulierung „gegebenenfalls“ besagt, daß es Verstöße gibt, die der Beschwerdegegner nicht wiedergutmachen kann, Deutscher Presserat, Jahrbuch 1986, S. 82. 216 So in Fällen der Namensnennung von Verbrechensopfern, Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 270. 217 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 224. Es kommen u. a. in Betracht eine persönliche Entschuldigung, eine redaktionelle Berichtigung oder der Abdruck eines Leserbriefs, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 161. 218 Empfehlungen und Hinweise, die zu einer Richtigstellung und eventuell zu einer Einigung der Beteiligten führen, bleiben aber weiterhin möglich, § 10 BO. 219 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 21. 213 214

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III. Das förmliche Beschwerdeverfahren Im Falle der Weiterleitung bereitet der Vorsitzende des entscheidenden Beschwerdeausschusses220 die mündliche Beratung vor, § 7 BO: Er setzt einen Termin für die Verhandlung fest und lädt die Mitglieder des zuständigen Gremiums, die Geschäftsführer und Justiziare der Trägerorganisationen sowie nach seinem Ermessen Beteiligte und Zeugen ein.221 In einer nicht öffentlichen Beratung unter Leitung des Vorsitzenden, § 11 Abs. 2 BO, erfolgt dann die Erörterung der Beschwerde; eventuell geladene Zeugen und Beteiligte werden angehört und das gesamte Geschehen wird protokolliert, § 9 BO und § 13 Trägervereinssatzung. Im Anschluß daran fällt das Gremium seine Entscheidung. Dabei urteilt es nach freier Überzeugung und ist an die Anträge der Beteiligten nicht gebunden, § 11 Abs. 3 BO. Für die Beschlüsse reicht eine einfache Mehrheit, § 9 Abs. 2 BO.222 Welche Entscheidungsmöglichkeiten dem Ausschuß zur Verfügung stehen, ergibt sich aus § 12 BO. Danach kann das Beschwerdeverfahren eingestellt werden, soweit der Sachverhalt unaufklärbar ist (Abs. 2). Falls der Ausgang eines anhängigen Ermittlungs- oder Gerichtsverfahrens beeinflußt werden könnte, besteht die Möglichkeit, die Behandlung einer Beschwerde auszusetzen (Abs. 4). Damit will der Presserat verhindern, daß er bzw. seine Ausschüsse in zivilrechtlichen Streitigkeiten quasi in die Funktion eines Gutachters gedrängt werden.223 Bei Fehlen der erforderlichen Voraussetzungen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen (Abs. 1). Letzteres geschieht auch im Falle Zur ausnahmsweisen Zuständigkeit des Plenums vgl. Teil 5 E II. Das Recht eines geladenen Beteiligten, die Zulassung eines Beistandes zu beantragen, fiel im Zuge der letzten Änderungen weg. Fraglich ist nun, ob sich Beschwerdeführer und Beschwerdegegner in der mündlichen Beratung noch eines Beistandes bedienen dürfen. Dagegen spricht die Aufhebung der Bestimmung, Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 21 Fn. 139. Andererseits können sich die Beschwerdeführer bei der Einreichung ihrer Beschwerde von einem Rechtsanwalt vertreten lassen, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 352. Dies sollte auch für die mündliche Beratung gelten, da es den Beschwerdeführern oft an den erforderlichen (Rechts-)Kenntnissen fehlen wird, während die Beschwerdegegner, auch wenn sie nicht von verlagsangehörigen Juristen repräsentiert werden, regelmäßig über mehr Wissen und Erfahrung auf dem Gebiet der (un-)zulässigen Berichterstattung verfügen, so daß die Gefahr eines Ungleichgewichts in der mündlichen Beratung besteht. Man sollte hier also lediglich vom Wegfall einer deklaratorischen Vorschrift ausgehen. Ungenau insofern Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 21 Fn. 139, die unter Hinweis auf § 7 Abs. 5 BO kritisiert, daß die betroffenen Verlagsunternehmen regelmäßig durch ihre Justiziare vertreten werden. § 7 Abs. 5 BO bezieht sich aber auf die Justiziare der Trägerorganisationen. 222 Unter gewissen Voraussetzungen ist auch ein Minderheits-Votum möglich, § 11 Abs. 4 BO. 223 Interview mit M. Protze, damals Vorsitzender des Beschwerdeausschusses, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 67. 220 221

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eines Abstimmungspatts in den Ausschüssen.224 Schließlich, im Falle der Verletzung der Berufsethik, die durch die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) konkretisiert wird,225 erklärt das entscheidende Gremium die Beschwerde für (teilweise) begründet. Nach § 12 Abs. 3 BO können in diesem Fall ein Hinweis, eine Mißbilligung oder eine Rüge ausgesprochen werden. Soweit es sich um die Zurückweisung einer Beschwerde oder um eine Maßnahme nach § 12 Abs. 3 BO handelt, ist diese schriftlich und mit Gründen versehen den Beteiligten zuzusenden, § 12 Abs. 5, 6 BO und § 14 Abs. 1 BO. Damit ist das Beschwerdeverfahren grundsätzlich beendet; nur in Ausnahmefällen ist eine Wiederaufnahme möglich, § 16 BO. Rechtsmittel gegen die Entscheidungen stehen nicht zur Verfügung.226 Allerdings können die „verurteilten“ Beschwerdegegner gerichtlich kontrollieren lassen, ob die Entscheidungen die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung nach §§ 823 ff. BGB erfüllen, also eine mittelbare Kontrolle der Tätigkeit des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse herbeiführen.227

IV. Das Sanktionssystem 1. Die Sanktionsmöglichkeiten Nach § 12 Abs. 3 BO kann eine begründete Beschwerde mit einem Hinweis, einer Mißbilligung oder einer Rüge geahndet werden. Bei der Wahl der Maßnahme hat das entscheidende Gremium unter anderem die Schwere des Verstoßes, seine Konsequenzen für die durch die Publikation Betroffenen sowie etwaige Schritte des Beschwerdegegners zur Abmilderung der Folgen und / oder zur Verhinderung von Wiederholungen zu berücksichtigen, § 13 S. 1 BO. Bei einer Änderung der Spruchpraxis darf nur ein Hinweis erteilt werden, § 13 S. 2 BO. Manchmal wird trotz einer Verletzung der Publizistischen Grundsätze auch von jeglicher Maßnahme abgesehen, obwohl die Beschwerdeordnung dies nicht vorsieht.228 Das ist insbesondere der Fall, wenn das betroffene Publikationsorgan den Verstoß bereits im Sinne des Pressekodex – in der Regel öffentlich – bereinigt hat, z. B. durch Abdruck eines Leserbriefs oder einer redaktionellen Richtigstellung.229 Unter den namentlich genannten Sanktionen bildet der Hinweis das mildeste Mittel. Es folgen die Mißbilligung und schließlich als schärfste Reaktion die Rüge. Bei letzterer 224 Das kommt allerdings nur ganz ausnahmsweise vor, Interview mit M. Protze, damals Vorsitzender des Beschwerdeausschusses, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 66. 225 So Abs. 2 S. 1 Präambel zum Pressekodex. 226 Paschke, Medienrecht, 2. Aufl. 2001, Rn. 447. 227 Löffler, in: Löffler / Hébarre (Hrsg.), Form und Funktion der Presse-Selbstkontrolle in weltweiter Sicht, 1968, S. 63; Paschke, Medienrecht, 2. Aufl. 2001, Rn. 447. 228 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 285. 229 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 303; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 346.

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wird differenziert zwischen öffentlichen Rügen, die den Regelfall bilden, und nicht öffentlichen Rügen, die verhängt werden, wenn es der Schutz eines Betroffenen erfordert, § 15 S. 2 BO.230 Öffentliche Rügen sind in dem betroffenen Publikationsorgan bekanntzumachen, § 15 S. 1 BO und Ziffer 16 Pressekodex.231 Dies soll aktualitätsnah erfolgen, § 10 Abs. 1 S. 2 Trägervereinssatzung, sowie unter Angabe des zugrundeliegenden Sachverhalts und des verletzten publizistischen Grundsatzes, Rl. 16.1. Formelle Vorgaben, z. B. hinsichtlich Plazierung und Aufmachung, bestehen nicht; auch eine Kommentierung ist möglich. Um den Abdruck der Rügen sicherzustellen, hat seit der Neukonstituierung des Deutschen Presserats die Mehrzahl der nationalen Verlagshäuser eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich zum Abdruck gegebenenfalls erteilter Rügen verpflichten232.233 Diese Pflicht betrifft allerdings nicht Presseorgane, die nicht unmittelbar an dem Verstoß beteiligt sind.234 Auch die Trägerorganisationen des Deutschen Presserats haben die öffentlichen Rügen in ihren Verbandsorganen zu publizieren, § 14 Abs. 2 BO. Daneben gibt der Deutsche Presserat die gerügten Blätter in einer Pressemitteilung den Medien bekannt.235 Die sonstigen Maßnahmen, die das Plenum bzw. die Ausschüsse verhängen können, werden hingegen anonymisiert dargestellt.236 Auch in den Jahrbüchern werden die wichtigsten Entscheidungen unter Angabe von Sachverhalt und wesentlichen Entscheidungsgründen veröffentlicht.237 230 Problematisch an nicht öffentlichen Rügen ist, daß von diesem Schutz zugunsten der Betroffenen auch die rücksichtslos vorgehenden Publikationsorgane profitieren, da sie damit einer öffentlichen Rüge und den damit verbundenen Konsequenzen entgehen, Minzberg, BILD-Zeitung und Persönlichkeitsschutz, 1999, S. 126 f. 231 Vgl. auch § 10 Abs. 1 S. 2 Trägervereinssatzung. 232 „Verpflichten“ ist hier (noch) untechnisch gemeint, impliziert also keinen Rechtsbindungswillen. Zur Frage der Verbindlichkeit siehe sogleich Teil 5 F IV 2. 233 Anläßlich der Übernahme der Freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz hat der Deutsche Presserat eine neue Verpflichtungsaktion mit einer deutlich erweiterten Verpflichtungserklärung initiiert. Ihr Inhalt entspricht § 10 Abs. 1 Trägervereinssatzung. Bislang haben ca. 90 % der BDZV-Verlage, etwa 80 % der VDZ-Verlage und 107 nicht verbandlich organisierte Verlage die Verpflichtungserklärung abgegeben, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 63. Bei den Anzeigenblattverlagen wird die Verpflichtungsaktion gerade vorbereitet, allerdings beschränkt auf die Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 63. Die „alte“ Rügenabdruckverpflichtungserklärung hatten etwa 750 Verlagshäuser, entspricht ca. 95 %, unterschrieben, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 217. Sie gilt heute noch für die Verlage, die die neue Erklärung nicht unterzeichnet haben. 234 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 186. 235 Heuer (Hrsg.), Achtung: Pressefreiheit, 2002, S. 83. 236 Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 162. 237 Vgl. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 49 ff. und Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 71 ff., 85 ff. Vor dem Jahrbuch 2002 erfolgte noch eine Veröffentlichung sämtlicher Entscheidungen. Doch ist dies aufgrund des hohen Beschwerdeaufkommens nicht mehr möglich, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 49.

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2. Wirkung der Sanktionen und der Rügenabdruckverpflichtung Im vorangehenden Abschnitt wurde dargelegt, welche Sanktionen der Presserat bzw. seine Ausschüsse verhängen können, und daß im Fall einer öffentlichen Rüge das betroffene Presseorgan gehalten ist, diese zu publizieren. Noch nicht geklärt ist jedoch, inwieweit diese Entscheidungen Rechtsverbindlichkeit beanspruchen können und ob die Erklärung der Verlagshäuser zum Rügenabdruck rechtlich verpflichtend, also gerichtlich durchsetzbar ist. Dies gilt es im folgenden zu eruieren. Rechtsverbindliche Maßnahmen setzen eine entsprechende Kompetenz des Presserats bzw. des Trägervereins voraus. Eine gesetzliche Ermächtigung existiert aber nicht. Daher können allein privatrechtliche Beziehungen zwischen dem Trägerverein des Deutschen Presserats und den Presseorganen rechtliche Verpflichtungen begründen.238 Es kommen verbandsrechtliche Bindungen oder individuelle Vereinbarungen in Betracht.

a) Rechtsverbindlichkeit aufgrund verbandsrechtlicher Beziehungen? Jeder Verein, und damit auch der Trägerverein des Deutschen Presserats, ist berechtigt, Vereinsgerichte einzusetzen, die wegen der Verletzung von Mitgliederpflichten Vereinsstrafen verhängen können. Das folgt aus der Vereinsautonomie, die einfachgesetzlich in § 25 BGB festgeschrieben ist.239 Die Beschränkung auf den Verstoß gegen Mitgliederpflichten bedeutet aber zugleich, daß eine Bestrafung von Nichtmitgliedern grundsätzlich unzulässig ist.240 Ein übergeordneter Verband besitzt daher über die Mitglieder eines ihm angehörenden Verbandsvereins prinzipiell nur Strafgewalt, wenn diese zugleich Mitglieder des Verbandes sind.241 Für Verbände existiert allerdings zusätzlich die Möglichkeit, die Vereinsstrafgewalt auf Angehörige der Mitgliedsvereine, die nicht zugleich Mitglied des Verbandes sind, zu erstrecken, nämlich durch die Verankerung der Strafgewalt sowohl in den Satzungen des Verbandes als auch der ihm angehörenden Vereine.242 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß gegenüber Presseorganen, die keinem Verband angehören, die Sanktionen des Deutschen Presserats keine Verbindlichkeit beanspruchen und daß für sie auch keine verbandsrechtlich be238 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 52; ähnlich Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 40 im Hinblick auf die Verbindlichkeit von Pressekodizes. 239 Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 9. Aufl. 2003, Rn. 1587; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 25 Rn. 1, 7. 240 BGHZ 28, 131 (133); Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 25 Rn. 15. 241 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 25 Rn. 15; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 8. Aufl. 2000, Rn. 673. 242 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 25 Rn. 15; Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 53 f.

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gründete Rügenabdruckverpflichtung besteht. Doch könnten die Mitglieder der Verlegerverbände als Adressaten der Sanktionen der Vereinsstrafgewalt unterfallen, wenn sie entweder selbst dem Trägerverein des Deutschen Presserats angehören oder zumindest über korrespondierende Satzungsbestimmungen seiner Ordnungsgewalt unterworfen sind. Mit dem Beitritt zu einem Verein, der selbst Mitglied in einem Verband ist, wird man aber grundsätzlich nur Mitglied im verbandsangehörigen Verein.243 Der gleichzeitige automatische Erwerb der Mitgliedschaft im Verband ist nur möglich, wenn dies sowohl die Satzung des Vereins als auch die Verbandssatzung vorsehen.244 Im übrigen kann die Verbandsmitgliedschaft nur durch gesonderten Beitritt erworben werden.245 Nach § 2 Abs. 1 Trägervereinssatzung können Mitglieder des Trägervereins aber „nur“ die in dieser Vorschrift Genannten sein. Von den Mitgliedern der Trägerverbände ist dort nicht die Rede.246 Schon mangels entsprechender Vorschriften in der Trägervereinssatzung scheitert also die erste Möglichkeit des Mitgliedschaftserwerbs im Verband. Auch an einem gesonderten Beitritt fehlt es. Es läßt sich daher zusammenfassend feststellen, daß die Mitglieder der Verlegerverbände (und auch der Journalistenverbände) nicht unmittelbar dem Trägerverein des Deutschen Presserats angehören, sondern allenfalls den im Presserat zusammengeschlossenen Vereinigungen.247 Mangels korrespondierender Satzungsbestimmungen sind sie auch nicht der Strafgewalt des Trägervereins unterworfen.248 Ebensowenig können die Satzungen der BDZV- und VDZ-Landesverbände und die vereinsrechtliche Treuepflicht249 als Anknüpfungspunkt für die Begründung von zwangsweise durchsetzbaren Maßnahmen dienen.250 Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 8. Aufl. 2000, Rn. 672. Sogenannte gestufte Mehrfachmitgliedschaft, wobei im Falle von mehr als zweistufigen Verbandsstrukturen auf jeder Ebene korrespondierende Satzungsbestimmungen erforderlich sind, vgl. dazu näher Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 30, 35 ff.; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 9. Aufl. 2003, Rn. 38, 494; BGHZ 28, 131 (134); BGHZ 105, 306 (311 f.). 245 Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 8. Aufl. 2000, Rn. 163. 246 Auch § 2 Abs. 1 Nr. 5 Trägervereinssatzung spricht nur von je einer von den unter Ziffern 1 bis 4 aufgeführten Organisationen benannten natürlichen Person. 247 Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 123. Die organisatorische Struktur der Trägerverbände differiert. Der BDZV ist ein Zusammenschluß von elf Landesverbänden, der VDZ von sieben. Die Verlagshäuser sind jeweils nur Mitglieder der Landesverbände, nicht aber der Dachverbände. Der DJV besteht aus 16 Landesverbänden. Journalisten gehören einem der Landesverbände an und teilweise zugleich der Bundesvereinigung. Die ver.di ist vertikal in mehrere Ebenen gegliedert und horizontal in Fachbereiche unterteilt. Der ver.di beigetretene Journalisten gehören der Fachgruppe Journalismus – Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) an, einer Untergliederung des Fachbereichs 8 – Medien, Kunst und Kultur, Druck und Papier, industrielle Dienste und Produktion. Vgl. dazu ausführlich Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 29 ff. 248 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 53 f. 249 Siehe dazu BGHZ 110, 323 (330); Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 9. Aufl. 2003, Rn. 608 ff. 243 244

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Aus verbandsrechtlichen Beziehungen läßt sich demzufolge weder die Rechtsverbindlichkeit der Sanktionen noch der Pflicht zum Rügenabdruck ableiten.

b) Rechtliche Bindungswirkung durch Individualvereinbarungen aa) Verbindliche Vereinbarungen zwischen dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein und den Verlagen Die Rechtsverbindlichkeit der Maßnahmen des Deutschen Presserats und der Rügenabdruckverpflichtung könnte sich aber aus Vereinbarungen zwischen dem Trägerverein des Deutschen Presserats und den Presseorganen ergeben. Ein Großteil der deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage251 hat vom Deutschen Presserat ein Formular mit folgendem Wortlaut erhalten und unterschrieben zurückgesendet: „Unser Verlagsunternehmen bekennt sich zum Pressekodex und den Grundsätzen zum Redaktionsdatenschutz. Gleichzeitig sind wir bereit, die von den zuständigen Gremien des Deutschen Presserats wegen des Verstoßes gegen den Pressekodex und die Grundsätze zum Redaktionsdatenschutz nach der Beschwerdeordnung ausgesprochenen Sanktionen zu befolgen. Wir verpflichten uns zudem, sicherzustellen, dass Entscheidungen, die unsere Publikationsorgane bzw. Publikationsorgane von Tochterunternehmen betreffen und diesbezüglich derer der Deutsche Presserat auf Veröffentlichung erkannt hat, in dem jeweils betroffenen Medium aktualitätsnah publiziert werden.“252

(a) Korrespondierende Erklärungen Durch diese Korrespondenz könnte ein Vertrag zwischen dem Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. und den jeweiligen Unternehmensträgern geschlossen worden sein. Zwar kann im Zuschicken der Formulare an die Verlage noch nicht der Antrag auf Abschluß eines Vertrages gesehen werden, da darin die Publikationen noch nicht feststehen, für die die Vereinbarung gelten soll. Gegenstand und Inhalt des Vertrags sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht so bestimmt oder bestimmbar, daß die Annahme durch ein einfaches Ja erfolgen kann.253 Erst die Rücksendung des ausgefüllten Formulars durch die Unternehmensträger kann als ein hinreichend präzises Angebot ausgelegt werden, das durch den Trägerverein ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden angenommen wird, § 151 S. 1 BGB.254 Vgl. dazu ausführlich Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 54 ff. Siehe Fn. 233. 252 Deutscher Presserat, Datenschutz in Redaktionen, 2003, S. 56. 253 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 44; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 145 Rn. 1. 254 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 44. 250 251

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(b) Rechtsbindungswille Ein Vertragsschluß setzt allerdings voraus, daß die Erklärungen mit dem erforderlichen Rechtsbindungswillen abgegeben werden. (1) Daran fehlt es bei der bis 2002 verwendeten Erklärung zum Rügenabdruck, nach der sich die Verlage bereit erklärten, öffentliche Rügen des Deutschen Presserats in dem betroffenen Publikationsorgan abzudrucken, aber sich gleichzeitig das Recht vorbehielten, eine abweichende Meinung schon in der gleichen Ausgabe und auch in engem Zusammenhang mit der Rüge zu veröffentlichen.255 Dietrich bejaht zwar auch bei dieser Erklärung das Vorhandensein eines Rechtsbindungswillens.256 Doch führt die Anwendung der allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Vertragsschluß bei der alten Rügenabdruckverpflichtungserklärung zum gegenteiligen Ergebnis. Es ist zwar zutreffend, daß bei empfangsbedürftigen Erklärungen der Inhalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes auszulegen ist, §§ 133, 157 BGB.257 Diese Grundsätze gelten ebenfalls, wenn entschieden werden muß, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt.258 Aus den Umständen, die die Erklärung begleiten,259 ergibt sich hier aber nicht die Rechtserheblichkeit der Äußerung,260 sondern vielmehr ihre Unverbindlichkeit. Wie bereits vorher dargelegt wurde, sieht sich der Deutsche Presserat nach seinem Selbstverständnis als eine moralische Instanz, die nicht auf hoheitliche Gewalt, sondern auf die Überzeugungskraft ihrer Arbeit setzt.261 Er trifft daher keine Entscheidungen mit rechtsverbindlicher Wirkung, sondern stützt sie ausschließlich auf eine berufsethische Legitimation.262 Wenn die Sanktionen aber gemeinhin als rechtlich unverbindlich gelten, ist bei Vereinbarungen, die diese Maßnahmen betreffen, ebenfalls anzunehmen, daß sie ohne Rechtsbindungswillen geschlossen werden, es sei denn, es sprechen Indizien für die gegenteilige Auffassung. Daran fehlt es jedoch bei der alten Erklärung zum Rügenabdruck, da nicht einmal der Wortlaut auf einen Rechtsbindungswillen hinweist. (2) Während die frühere Erklärung zum Rügenabdruck damit keinen rechtsverbindlichen Vertrag zu begründen vermochte, stellt sich die Situation hinsichtlich Der genaue Wortlaut findet sich bei Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 43. Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 43 f. 257 Normative Auslegung, Larenz / Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 28 Rn. 16 ff.; Brox, Allgemeiner Teil des BGB, 27. Aufl. 2003, Rn. 135 f. Eine Interpretation nach dem Empfängerhorizont wird aber nicht vorgenommen, wenn tatsächlich ein übereinstimmender Wille besteht, da der Erklärungsempfänger dann nicht mehr schutzwürdig ist. Es gilt vielmehr die von beiden Seiten der Erklärung zugemessene Bedeutung. Ein solcher tatsächlich bestehender kongruenter Wille ist aber hier nicht feststellbar, so daß die Ausnahme nicht eingreift, Larenz / Wolf, a. a. O., § 28 Rn. 29. 258 Brox, Allgemeiner Teil des BGB, 27. Aufl. 2003, Rn. 137. 259 Larenz / Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl. 1997, § 28 Rn. 60 f. 260 So aber Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 43 f. 261 Siehe Teil 5 D. 262 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 285. 255 256

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

der neuen Erklärung anders dar. Letztere beinhaltet nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, §§ 133, 157 BGB, nicht nur eine generelle Anerkennung der Selbstkontrolltätigkeit,263 sondern eine rechtserhebliche Verpflichtung. Dafür spricht schon der Wortlaut des Schreibens („Wir verpflichten uns . . .“). Es handelt sich dabei nicht um eine sprachliche Ungenauigkeit, wie sie im öffentlich-rechtlichen Bereich bei den rechtlich unverbindlichen „Selbstverpflichtungen“ vorkommt, die Unternehmen abgeben, um eine staatliche Regelung zu vermeiden. Dafür fehlt es schon an der Vergleichbarkeit, da im vorliegenden Fall eine Vereinbarung zwischen Privatrechtssubjekten und nicht das Verhältnis zwischen Staat und Bürger in Rede steht.264 Ausschlaggebend für die Auslegung als rechtsverbindliche Vereinbarung ist aber nicht allein der Wortlaut, sondern ebenso die Übernahme der neuen Aufgabe Redaktionsdatenschutz durch den Deutschen Presserat, die weitergehende legislative Maßnahmen verhindert hat.265 Um auch künftig gesetzgeberisches Handeln in diesem Bereich zu unterbinden, muß der Deutsche Presserat der neuen Aufgabe effektiv nachkommen. Das setzt aber voraus, daß man die Erklärung als rechtsverbindlich ansieht. Denn nur dann kann notfalls auch eine gerichtliche Durchsetzung erfolgen. Doch selbst wenn das letzte Argument allein den Redaktionsdatenschutz betrifft, beschränkt sich die Rechtsverbindlichkeit nicht auf diesen Bereich. In der Erklärung werden nämlich in den Sätzen 1 und 2 sowohl die zum Redaktionsdatenschutz aufgestellten Regeln als auch die übrigen presseethischen Grundsätze genannt, und in Satz 3 wird gar keine Unterscheidung getroffen. Das läßt darauf schließen, daß beiden Gebieten dieselbe Bedeutung und die gleiche rechtliche Behandlung zukommen soll. Die Auslegung der neuen Vereinbarung als rechtsverbindlich bedingt natürlich einen Paradigmenwechsel. Der Presserat ist nicht mehr nur eine moralische Instanz, sondern kann nun notfalls auch mit rechtlichen Mitteln gegen Verletzungen des Pressekodex vorgehen.266 Allerdings wäre es wünschenswert, wenn der Deutsche Presserat diese Änderung vor allem in seinen Publikationen noch stärker hervorhöbe,267 um Mißverständnisse268 zu vermeiden. 263 So noch Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 184 Fn. 1044 zur alten Rügenabdruckverpflichtung. 264 Insoweit zutreffend Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 44. 265 Siehe Teil 5 B V 2; vgl. auch Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 28. 266 Der Deutsche Presserat als moralische Instanz hört damit aber nicht auf zu existieren. Ethische und rechtliche Verpflichtungen können durchaus nebeneinander bestehen, Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 137 f. Allerdings hat der Deutsche Presserat unter der Geltung der aktuellen Vereinbarung noch nicht versucht, seine Rechte gerichtlich durchzusetzen. Das spricht aber nicht gegen die Rechtsverbindlichkeit der Vereinbarung, da mit diesem Verhalten keine Aussage über die Existenz solcher Rechte verbunden ist, vgl. Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 43 f. 267 Bis vor kurzem deutete nur die Presseerklärung vom 9. Mai 2000, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 44 auf die Rechtsverbindlichkeit der neuen Vereinbarungen hin. Erst in Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 62 erfolgte noch einmal ein ausdrücklicher Hinweis in einer Publikation des Deutschen Presserats. Allerdings findet sich die Stelle in den

F. Das Beschwerdeverfahren

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bb) Umfang der Rechtsverbindlichkeit Wurde nun prinzipiell ein Rechtsbindungswille festgestellt, bleibt noch zu prüfen, auf welche Teile der Erklärung er sich erstreckt. Die Verpflichtung zum aktualitätsnahen Rügenabdruck ist schon ausweislich ihres Wortlauts verbindlich. Hingegen können das Bekenntnis zum Pressekodex und zu den Grundsätzen zum Redaktionsdatenschutz sowie die Bereitschaft zur Befolgung der ausgesprochenen Sanktionen nicht eindeutig als rechtlich verbindlich oder unverbindlich eingeordnet werden, so daß insoweit der Text ausgelegt werden muß, §§ 133, 157 BGB. Für die Verbindlichkeit der gesamten Erklärung, also auch des ersten Teils, läßt sich anführen, daß es für die rechtliche Verpflichtung zum Rügenabdruck genügt hätte, lediglich Formulare mit dem zweiten Absatz den Verlagen zukommen zu lassen. Die zusätzliche Aufnahme des ersten Absatzes deutet darauf hin, daß dieser Abschnitt ebenfalls rechtliche Relevanz besitzen soll. Zugunsten dieser Interpretation spricht auch, daß das Bekenntnis zum Pressekodex und zu den Grundsätzen zum Redaktionsdatenschutz, weiter die Bereitschaft zur Befolgung von Sanktionen, die wegen Verstoßes gegen den Pressekodex verhängt wurden, und schließlich die Verpflichtung zum Abdruck der schärfsten Sanktion, der Rüge, inhaltlich eng miteinander verknüpft sind. Zudem streitet die Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz für dieses Auslegungsergebnis. Denn wenn der Kodex und die Sanktionen ebenfalls rechtlich verbindlich sind, also ihre Einhaltung notfalls gerichtlich durchgesetzt werden kann, ist eine hinreichend effektive Selbstregulierung gewährleistet, die gesetzgeberisches Tätigwerden verhindert.269 Doch auch wenn es überzeugende Argumente für die Verbindlichkeit der gesamten Erklärung gibt, wird hier davon ausgegangen, daß allein der Verpflichtung zum Rügenabdruck rechtliche Relevanz zukommt. Schon der Wortlaut der Schreibens, nach dem sich die Unternehmen lediglich zum Pressekodex und den Grundsätzen Ausführungen zum Redaktionsdatenschutz „versteckt“, obwohl die Verbindlichkeit für sämtliche öffentliche Rügen gilt und nicht nur für solche des Beschwerdeausschusses Redaktionsdatenschutz. 268 So existieren nach Calliess, AfP 2002, 467 weiterhin allein ethische Bindungen zwischen den Verlagen und dem Deutschen Presserat. Wenn Verlage die Erklärung ohne Rechtsbindungswillen unterschrieben haben sollten, schließt dies nach der Auslegung nach dem Empfängerhorizont die Rechtsverbindlichkeit der Äußerung nicht aus, Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 44. Denn die Verlage hätten bei gehöriger Sorgfalt zumindest erkennen können, daß ihr Verhalten vom Erklärungsempfänger als Willenserklärung aufgefaßt wird und hätten eine solche Deutung durch ein entsprechendes Verhalten verhindern können, vgl. BGHZ 109, 171 (177); Kramer, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 119 Rn. 96. Allerdings können die Verlage die Vereinbarung wegen des fehlenden Erklärungsbewußtseins anfechten, § 119 Abs. 1 Alt. 2 analog, Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, Einf v § 116 Rn. 17. 269 Vgl. auch die Presseerklärung vom 9. Mai 2000, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 44 und Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 63.

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zum Redaktionsdatenschutz bekennen und zur Befolgung der Sanktionen bereit erklären, impliziert diese Schlußfolgerung.270 Nur eine andere Formulierung hätte ohne weiteres die Annahme zugelassen, daß sich die Rechtsverbindlichkeit auf den ersten Absatz erstreckt (z. B. „Unser Verlagsunternehmen erkennt den Pressekodex und die Grundsätze zum Redaktionsdatenschutz als verbindlich an. Gleichzeitig verpflichten wir uns, ( . . . ) zu befolgen.“). Zudem hat sich im Hinblick auf Kodex und Sanktionen auch das Selbstverständnis des Presserats, wie es für die Verlage aus den Publikationen erkennbar wird, nicht geändert. Auch in den Jahrbüchern 2002 und 2003, also nach Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz, geht der Presserat offensichtlich davon aus, daß Entscheidungen nur ethische Wirkung zukommt, also die Sanktionen (im Gegensatz zur Rügenabdruckverpflichtung) nicht verbindlich sind,271 selbst wenn eine entsprechende Erklärung unterschrieben wurde. Der erste Teil der Erklärung wird durch diese Interpretation auch nicht überflüssig. Er dient dazu, das Einverständnis mit der Presseselbstkontrolle zu bekräftigen und den Kontext, aus dem sich die Verpflichtung zum Rügenabdruck ergibt, nochmals zu verdeutlichen. Auch der neue Tätigkeitsbereich Redaktionsdatenschutz zwingt nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis. Denn die Effektivität der Selbstregulierung kann ebenso gewahrt werden, wenn man den ersten Absatz als unverbindlich ansieht, indem man die Schwelle, ab der Rügen verhängt werden, erforderlichenfalls senkt und damit die Abdruckverpflichtung entsprechend häufiger aktiviert. Es ist also aufgrund der Vereinbarung nach alledem lediglich die Verpflichtung zum Rügenabdruck272 rechtlich verbindlich. Auch künftige bzw. bedingte Forderungen stellen einen tauglichen Vertragsgegenstand dar.273 Die geschuldete Leistung besteht in der Vornahme einer Handlung, der Veröffentlichung der Rüge, vgl. § 241 Abs. 1 BGB. Da es an einer korrespondierenden Verpflichtung der Presseselbstkontrollinstitution im Rahmen der Abmachung fehlt, handelt es sich um einen einseitig verpflichtenden Vertrag.274 Die Vereinbarung ist dabei nicht auf Hervorhebung durch die Verfasserin. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 217; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 285. Hiergegen läßt sich zum einen die bereits erwähnte Presseerklärung vom 9. Mai 2000 anführen, siehe Fn. 267, und zum anderen, daß dieser Text unbesehen aus den Vorjahren übernommen wurde, vgl. z. B. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 367; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 251; Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 247, was zumindest darauf hindeutet, daß einfach übersehen wurde, den Text anzupassen. 272 Darin einen Verzicht auf Unterlassungsansprüche bzw. gerichtliches Vorgehen seitens der Verlage zu sehen, so Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 42, scheitert zwar nicht mehr an der mangelnden Rechtserheblichkeit der Erklärung. Doch sollte es den Presseunternehmen weiterhin möglich bleiben, angeblich unberechtigte Sanktionen vor den ordentlichen Gerichten anzugreifen. 273 Kramer, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 145 Rn. 9. 274 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 44; vgl. allgemein Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, Einf v § 320 Rn. 4 f. 270 271

F. Das Beschwerdeverfahren

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eine einmalige Leistung gerichtet. Der Umfang der Gesamtleistung hängt vielmehr von der Dauer der Rechtsbeziehung ab, da jedes Mal, wenn eine öffentliche Rüge ausgesprochen wird, diese von dem betroffenen Publikationsorgan zu veröffentlichen ist, so daß es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt.275 cc) Anspruchsberechtigung Der Anspruch auf Erfüllung der Rügenabdruckverpflichtung steht dabei allein dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein zu. Aus einem Vertrag entstehen regelmäßig nur Rechte und Pflichten zwischen den an der Vereinbarung Beteiligten, § 311 Abs. 1 BGB.276 Ein eigenes Forderungsrecht Dritter, also von Personen, die nicht Vertragspartei sind, erlaubt das Bürgerliche Gesetzbuch bzw. die Rechtsprechung zwar in gewissen Grenzen. Doch liegt hier kein derartiger Fall vor: Ein sogenannter echter Vertrag zugunsten Dritter, § 328 Abs. 1 BGB,277 wurde nicht vereinbart, weder ausdrücklich noch konkludent. Letzteres ist zwar grundsätzlich möglich, doch lassen sich dafür keine Anhaltspunkte finden, § 328 Abs. 2 BGB. Insbesondere müßte der begünstigte Dritte zumindest bestimmbar sein.278 Daran fehlt es hier aber, da der begünstigte Dritte verschiedenen Gruppen angehören könnte, unter anderem den Beschwerdeführern, den durch die Presseberichterstattung Verletzten oder nur den Verletzten, die Beschwerde eingereicht haben. Auch ein Anspruch von nicht an der Vereinbarung Beteiligten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte scheidet aus, da die Verpflichtung zum Rügenabdruck die vertragliche Hauptleistung darstellt, sich aus dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte aber kein Erfüllungsanspruch ableiten läßt. Er soll nur vor den Folgen der Verletzung vertraglicher Pflichten schützen.279 dd) Erfüllung der aus den Vereinbarungen resultierenden Verpflichtungen Wenn gegen ein Presseorgan eine öffentliche Rüge verhängt wurde, ist dieses, wie eben dargelegt wurde,280 grundsätzlich zum Abdruck der Rüge verpflichtet, 275 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 314 Rn. 2; Gaier, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 2a, 4. Aufl. 2003, § 314 Rn. 5. 276 Gottwald, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 2a, 4. Aufl. 2003, § 328 Rn. 1. 277 Beim unechten Vertrag zugunsten Dritter wird der Schuldner hingegen nur ermächtigt, mit befreiender Wirkung an den Dritten zu leisten, ohne daß dem Dritten ein eigenes Forderungsrecht zusteht, Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, Einf v § 328 Rn. 1. 278 RGZ 106, 120 (126); Gottwald, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 2a, 4. Aufl. 2003, § 328 Rn. 24. 279 Gottwald, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 2a, 4. Aufl. 2003, § 328 Rn. 107 f. 280 Siehe Teil 5 F IV 2 b) aa).

13 Schwetzler

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

falls es via Unterzeichnung der Rügenabdruckverpflichtungserklärung einen Vertrag mit dem Trägerverein des Deutschen Presserats geschlossen hat. Fraglich ist allerdings, ob diese Verpflichtung auch besteht, wenn das Verfahren fehlerhaft durchgeführt wurde. Aus dem Wortlaut der Vereinbarung ergeben sich diesbezüglich keine Einschränkungen. Doch wird im Erklärungsformular selbst („nach der Beschwerdeordnung ausgesprochene Sanktionen“) und im mitgesandten Begleitschreiben vom Deutschen Presserat hinreichend deutlich gemacht, daß das Verfahren auf der Grundlage der Satzung, der Beschwerdeordnung und Geschäftsordnung durchgeführt wird. Damit wird konkludent das Interesse der Verlage an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften anerkannt.281 Die Vereinbarung zum Rügenabdruck kann daher nur so verstanden werden, §§ 133, 157 BGB, daß eine Verpflichtung der Verlage bloß besteht, wenn die Rüge in einem ordnungsgemäßen Verfahren nach den genannten Statuten verhängt wurde.282 Allerdings ist das Procedere ziemlich kompliziert. Daher kann nicht jeder Verstoß gegen die Statuten zum Wegfall der Abdruckverpflichtung führen. Andernfalls würde der eigentliche Gehalt des Vertrags zu stark gefährdet. Die Auslegung würde im Widerspruch zum Vertragszweck und damit zu einer sachgerechten Interpretation stehen.283 Man könnte daran denken, nur bei Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften (im Gegensatz zu bloßen Ordnungsvorschriften) oder bei evidenten Verstößen die Abdruckverpflichtung entfallen zu lassen.284 Gegen die erste Lösung spricht aber, daß es für die Differenzierung zwischen Ordnungsvorschriften und wesentlichen Verfahrensvorschriften an klaren Abgrenzungskriterien mangelt, und gegen den zweiten Vorschlag, daß offenkundige Verstöße bei weniger bedeutsamen Vorschriften noch nicht die Abdruckverpflichtung entfallen lassen sollten. Dietrich schlägt vor, nach der Schutzrichtung der betroffenen Vorschrift zu differenzieren. Ihrer Ansicht nach bringen Verstöße gegen Bestimmungen, die (auch) dem Schutz des Beschwerdegegners dienen, die Abdruckverpflichtung zum Erlöschen.285 Hingegen sei die Verletzung von Vorschriften, die den Schutz anderer Verfahrensteilnehmer bezweckten,286 oder eine rein organisatorische Funktion hätten,287 unbeachtlich.288 Denn der Beschwerdegegner solle nicht die Möglichkeit erhalten, durch eine Abdruckverweigerung für die Einhaltung von Regelungen Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 60 f. Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 61. 283 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 61; Mayer-Maly / Busche, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 133 Rn. 56. 284 Vgl. Nolte / Tams, Jura 2000, 162 zu ähnlichen Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren. 285 Z. B. §§ 5 Abs. 4 BO, 8 Abs. 1 BO und 14 Abs. 1 BO. 286 Z. B. § 15 S. 2 BO. 287 Z. B. § 7 Abs. 3 BO. 288 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 61 ff. 281 282

F. Das Beschwerdeverfahren

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zum Schutz anderer Verfahrensteilnehmer oder von organisatorischen Vorschriften zu streiten.289 Dieser Vorschlag erscheint als die praktikabelste Lösung. Ihm wird daher gefolgt. Allerdings muß der Verstoß auch für die Entscheidung ursächlich gewesen sein, wovon im Zweifel aber auszugehen ist.290 ee) Gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche (a) Klage Falls sich das Publikationsorgan weigert, seiner Abdruckverpflichtung nachzukommen, ist der vertragliche Anspruch vom Trägerverein des Deutschen Presserats vor den Zivilgerichten einzuklagen, §§ 13 GVG, 50 Abs. 1 ZPO, 51 Abs. 1 ZPO, 21 BGB, 26 Abs. 2 BGB. Die Klagbarkeit ist weder gesetzlich noch vertraglich ausgeschlossen.291 Es handelt sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit292 in Gestalt einer Leistungsklage, da der Beklagte zur Vornahme einer Handlung verurteilt werden soll.293 Die Prüfungskompetenz des Gerichts ist dabei nicht unbegrenzt. Denn hier stehen autonome Entscheidungen einer nicht in den Staat eingebundenen Selbstregulierungseinrichtung in Rede. Diese Situation ist vergleichbar mit der gerichtlichen Überprüfung von durch Vereinsgerichte verhängten disziplinären Ordnungsmaßnahmen. Dort wird die gerichtliche Kontrolle zurückgenommen, da die Vereinsautonomie es verbietet, daß ein Gericht seine Wertmaßstäbe ohne weiteres an die Stelle derjenigen des Vereins setzt. Auch wenn es sich bei den Rügen des Deutschen Presserats nicht um vereinsrechtliche Sanktionen handelt,294 sollte sich aufgrund der vergleichbaren Lage der Prüfungsumfang der Presseselbstkontrolle an den gleichen Grundsätzen bzw. Grenzen orientieren, wie sie bei der Verhängung von disziplinären Ordnungsmaßnahmen im Vereinsrecht bestehen295.296 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 62. Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 9. Aufl. 2003, Rn. 1807 zu Verfahrensverstößen bei der Verhängung von sogenannten Vereinsstrafen. 291 Vgl. dazu Reichold, in: Thomas / Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, Vorbem § 253 Rn. 33. 292 Siehe dazu Putzo, in: Thomas / Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, Einl IV Rn. 3 f. 293 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 63. 294 Siehe Teil 5 F IV 2 a). 295 Vgl. dazu BGHZ 87, 337 (343); Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 9. Aufl. 2003, Rn. 1802 ff. Ähnlich Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. E-6 f., die ebenfalls bei der Überprüfung von Einzelentscheidungen von Selbstkontrolleinrichtungen für eine Beschränkung des Prüfungsumfangs plädieren. Doch ziehen sie die Grundsätze für die richterliche Überprüfung von Maßnahmen heran, bei denen der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum zuerkannt wird. Da hier aber nicht vor den Verwaltungsgerichten, sondern vor den Zivilgerichten prozessiert wird, erscheint es vorzugswürdig, die Prinzipien für die gerichtliche Überprüfung von Vereinsstrafen anzuwenden. 296 Zusätzlich ist die eben in Teil 5 F IV 2 b) cc) erwähnte Einschränkung des Prüfungsumfangs auf die Normen zu berücksichtigen, die (auch) den Beschwerdegegner schützen. 289 290

13*

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

(b) Zwangsvollstreckung Eine etwaige Zwangsvollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO, da die Veröffentlichung der Rüge nicht durch Dritte vorgenommen werden kann und es sich somit um eine nicht vertretbare Handlung handelt297. Die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung ist im Bereich der Presseselbstkontrolle nach der momentanen Gesetzeslage auch nicht ausgeschlossen. Eine Analogie zu § 888 Abs. 3 ZPO, die § 888 ZPO unanwendbar machen würde, wird zwar grundsätzlich für zulässig erachtet,298 kommt aber hier nicht in Betracht. Der diesem Absatz zugrundeliegende Rechtsgedanke, daß eine Vollstreckung nicht möglich sein soll, wenn sie mit dem Wesen des titulierten Anspruchs unvereinbar ist bzw. wenn der Verpflichtete im Kernbereich seiner Persönlichkeit verletzt wird,299 greift hier nicht ein. Denn mit dem Zwang zur Veröffentlichung wird das Ziel, nämlich den Verstoß publik zu machen, gerade nicht konterkariert, sondern erreicht. Ebensowenig ist eine Beeinträchtigung des Kernbereichs der Persönlichkeit des Presseorgans ersichtlich, wenn es wegen eines schweren Verstoßes gegen den Pressekodex zum Abdruck einer Rüge verpflichtet wird. (c) Vorläufiger Rechtsschutz Ob die Gerichte auch vorläufigen Rechtsschutz in Gestalt einer einstweiligen Verfügung, §§ 935 ff. ZPO, gewähren können, erscheint dagegen zweifelhaft. Denn wenn das betroffene Presseorgan aufgrund einer einstweiligen Verfügung die öffentliche Rüge abdruckt, ist der Gläubiger bezüglich seines vertraglichen Anspruchs befriedigt, d. h. es werden endgültige Verhältnisse geschaffen. Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache ist aber nur ausnahmsweise zulässig. Ein Verfügungsgrund wird bei diesen sogenannten Leistungsverfügungen300 daher nur bejaht, wenn der Antragsteller dringend der sofortigen Erfüllung seines Anspruchs bedarf, die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, daß die Verwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht mehr möglich erscheint und die dem Antragsteller aus der Nichtleistung drohenden Nachteile schwer wiegen sowie außer Verhältnis zu dem Schaden stehen, den der Antragsgegner erleiden kann.301 Putzo, in: Thomas / Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 888 Rn. 1 f. OLG Bremen, NJW 2000, 963 (963 f.); Putzo, in: Thomas / Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 888 Rn. 4. 299 OLG Bremen NJW 2000, 963 (964). 300 Über die dogmatische Einordnung der Leistungsverfügung besteht keine Einigkeit. Teilweise wird sie als Unterfall der Regelungsverfügung aufgefaßt, so Rosenberg / Gaul / Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. 1997, § 76 II 2e, teilweise als eigenständige dritte Art von einstweiligem Rechtsschutz neben den Sicherungsverfügungen, § 935 ZPO, und Regelungsverfügungen, § 940 ZPO, so M. Huber, in: Musielak (Hrsg.), ZPO, 3. Aufl. 2002, § 935 Rn. 2. Da der Meinungsstreit keine praktischen Auswirkungen hat, M. Huber, in: Musielak (Hrsg.), ZPO, 3. Aufl. 2002, § 940 Rn. 1, wird hier aber nicht weiter auf den Streit eingegangen. 301 M. Huber, in: Musielak (Hrsg.), ZPO, 3. Aufl. 2002, § 940 Rn. 14. 297 298

F. Das Beschwerdeverfahren

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Soweit der Trägerverein des Deutschen Presserats als Antragsteller auftritt, werden diese Voraussetzungen kaum jemals erfüllt sein. Denn die Presseselbstkontrolleinrichtung ist nicht in ihrem eigenen Persönlichkeitsrecht betroffen, so daß für sie die Gefahr einer schwerwiegenden Ruf- oder Vermögensschädigung durch die Verzögerungen, die sich infolge der Durchführung der Hauptsache ergeben,302 nicht besteht. Auf die Interessen des unter Umständen in seinem Persönlichkeitsrecht betroffenen Beschwerdeführers kommt es hingegen nicht an, da er nicht der Antragsteller ist. Sonstige Nachteile, die sich für den Trägerverein aus der Verweigerung einstweiligen Rechtsschutzes ergeben, wie der Vorwurf der Ineffektivität der Presseselbstkontrolle, sind nicht derart gravierend, daß sie gegenüber dem Interesse des Verfahrensgegners überwiegen, für den der Abdruck der öffentlichen Rüge einen erheblichen Eingriff bedeutet, da er in der Freiheit der Gestaltung seines Presseprodukts beeinträchtigt wird.

c) Fazit Nach den vorstehenden Erörterungen hat bei der Presseselbstkontrolle ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Sanktionen303 beanspruchen zwar nach hier vertretener Ansicht weiterhin keine Rechtsverbindlichkeit. Etwas Gegenteiliges läßt sich weder aus den verbandsrechtlichen Beziehungen noch aus Individualvereinbarungen ableiten. Doch ist die Verpflichtung zum Rügenabdruck nun rechtlich bindend, wenn zwischen den Verlagen und dem Trägerverein des Deutschen Presserats ein Vertrag mittels Rücksendung der Erklärung zum Rügenabdruck geschlossen wurde. Diese Verpflichtung kann vom Trägerverein des Deutschen Presserats gerichtlich durchgesetzt werden, wenn auch nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Damit wurde ein seit langem beim Deutschen Presserat bestehender Kritikpunkt, die fehlende Sanktionierbarkeit im Falle der Verweigerung des Rügenabdrucks,304 behoben. 302 So das OLG Stuttgart NJW 1962, 2066 (2068) zum Verfügungsgrund bei Gegendarstellungen. Heute muß nach den meisten Landespressegesetzen der Verfügungsgrund bei Gegendarstellungen nicht mehr glaubhaft gemacht werden, vgl. die Übersicht sowie die Erläuterungen bei Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 589 und 592 ff. 303 „Sanktionen“ ist hier daher untechnisch zu verstehen und nicht wie in der allgemeinen Rechtslehre als die mit einer rechtlichen Regelung verbundene Rechtsfolge, die jener zur effektiven Geltung verhelfen soll, Creifelds, Rechtswörterbuch, 17. Aufl. 2002, S. 1174. Ein Ausschluß der Zwangsvollstreckung ist allenfalls über eine vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung denkbar, die bisher allerdings nicht vorliegt, Musielak, Grundkurs ZPO, 6. Aufl. 2002, Rn. 650 f. 304 Bührke, DRiZ 1964, 77; Ronneberger, in: Schiwy / Schütz (Hrsg.), Medienrecht, 3. Aufl. 1994, S. 383; Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 90 f.; Löffler, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, BT StandesR Rn. 5. Es ist zwar theoretisch möglich, bei Verweigerung des Rügenabdrucks wegen Verletzung von Ziffer 16 Pressekodex eine weitere Rüge zu erteilen, doch wurde diese Option noch nie wahrgenommen.

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

V. Zusammenfassung zu Abschnitt F. Das Beschwerdeverfahren vor dem Deutschen Presserat bzw. seinen Beschwerdeausschüssen gliedert sich in zwei Teile, das Vorprüfverfahren mit dem Vermittlungsversuch sowie das förmliche Beschwerdeverfahren. Es kann von jedermann eingeleitet werden, theoretisch sogar vom Deutschen Presserat selbst, um Publikationen (auch Online-Veröffentlichungen) oder sonstige Vorgänge in der Deutschen Presse zu beanstanden. Als Beschwerdegegner kommen Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen oder Pressedienste in Betracht. Wird das Beschwerdeverfahren nicht eingestellt, ausgesetzt oder die Beschwerde als unzulässig oder unbegründet verworfen, sondern für begründet erklärt, stehen verschiedene Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Der Deutsche Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse können Mißbilligungen, Hinweise, öffentliche und nicht öffentliche Rügen verhängen oder ausnahmsweise auch von einer Sanktion absehen. Die Sanktionen sind rechtlich nicht verbindlich. Doch zumindest die Pflicht zum Rügenabdruck beansprucht nun rechtliche Bindungswirkung, wenn zwischen den Verlagen und dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein eine Rügenabdruckvereinbarung geschlossen wurde. Sie ist damit notfalls auch gerichtlich durchsetzbar.

G. Die Einordnung des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins als Selbstkontrolleinrichtung I. Der Deutsche Presserat als Selbstkontrollinstitution Es wurde zwar schon davon gesprochen, daß der Deutsche Presserat eine Selbstkontrollinstitution ist. Doch fehlt es noch an einem Abgleich mit der vorher entwickelten Definition der Presseselbstkontrolle. Presseselbstkontrolle wird danach verstanden als die interne oder externe präventive und / oder repressive Kontrolle der Presse oder eines Teils der Presse anhand eines selbst erstellten Verhaltenskodex durch eine organisatorische Einheit, die zumindest schwerpunktmäßig aus Pressevertretern (Verleger und / oder Journalisten) besteht.305 Dieser Vergleich ist nun möglich, da organisatorische Struktur und Verfahren in den vorstehenden Abschnitten vorgestellt wurden. Die Hauptaufgabe des Deutschen Presserats als Gremium und der Beschwerdeausschüsse besteht darin, als organisatorische Einheiten des Trägervereins des Deutschen Presserats e.V. unternehmensübergreifend, also extern, die gesamte deutsche Presse zu kontrollieren, § 9 Nr. 1, 2, 6 Trägervereinssatzung. Die Gremien bestehen nur aus Presseangehörigen, die paritätisch der Verleger- und Journalistenseite zuzurechnen sind. Als Prüfungsmaßstab für die ethische Kontrolle dienen dem Plenum und den Ausschüssen der Pressekodex und die Richtlinien für 305

Siehe Teil 4 E.

G. Die Einordnung des Deutschen Presserats als Selbstkontrolleinrichtung

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die publizistische Arbeit. Die Kontrolle erfolgt schwerpunktmäßig repressiv im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, doch wird der Deutsche Presserat auch präventiv tätig, insbesondere auf dem Gebiet des Redaktionsdatenschutzes.306 Da Organisation und Verfahren des Trägervereins des Deutschen Presserats, des Deutschen Presserats als Gremium und der Beschwerdeausschüsse somit der entwickelten Definition entsprechen, bestätigt sich die schon vorher geäußerte Annahme,307 daß es sich um eine Selbstkontrolleinrichtung der Deutschen Presse handelt. Es ist sogar eine „reine“ Selbstkontrollinstanz, da sie nur aus Presseangehörigen besteht.308

II. Der Deutsche Presserat zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und regulierter Selbstregulierung Die Feststellung, daß der Deutsche Presserat und die Beschwerdeausschüsse als organisatorische Einheiten des Trägervereins Deutscher Presserat der Presseselbstkontrolle dienen, reicht allerdings für die spätere rechtliche Beurteilung nicht aus. Vielmehr ist zusätzlich zu prüfen, ob es sich hier um ein System der reinen Selbstregulierung oder der regulierten Selbstregulierung handelt. Denn die regulierte Selbstregulierung unterliegt aufgrund der Mitwirkung des Staates höheren Zulässigkeitsanforderungen, da auch ein kooperativ handelnder Staat nicht seine rechtlichen Sonderbindungen umgehen kann.309

1. Die allgemeine Beschwerdearbeit Der Deutsche Presserat beschäftigt sich seit seiner Gründung mit der Prüfung von Verstößen gegen die Berufsethik, die grundsätzlich im allgemeinen Beschwerdeausschuß behandelt werden. Diese allgemeine Beschwerdearbeit ist ein klassisches Beispiel reiner Selbstregulierung.310 Zwar wurde der Deutsche Presserat gegründet, um einer hoheitlichen Regulierung der Printmedien zuvorzukommen. Doch konnten sich die Akteure gänzlich unbeeinflußt von staatlicher Seite auf ihre Ziele verständigen und entsprechende Maßnahmen zur Zielerreichung treffen.311 Auch die spätere finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand hat an die306 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 256; vgl. auch § 9 Nr. 1, 2 und 6 Trägervereinssatzung. 307 Siehe u. a. Teil 5 A. 308 Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 263. 309 v. Bonin, Die Kontrolle digitaler Kommunikationsinhalte, 2000, S. 229. 310 Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. A-12 Fn. 9. 311 Vgl. Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000, S. 50.

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

ser Einordnung nichts geändert,312 da sie dem Staat keine Einflußmöglichkeiten auf die Presseselbstkontrolle eröffnet.

2. Der Tätigkeitsbereich Redaktionsdatenschutz Seit 2001 umfaßt der Aufgabenbereich des Deutschen Presserats einen zweiten Tätigkeitsschwerpunkt, den Redaktionsdatenschutz. Dieser Aufgabenbereich wurde aufgrund einer Absprache zwischen dem Bundesinnenminister und dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein sowie den vier Trägerorganisationen313 übernommen. Ziel der Vereinbarung314 war es, im Rahmen der Umsetzung des Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie die Anwendbarkeit datenschutzrechtlicher Vorschriften auf die Presse zu minimieren und zugleich die neuen Inhalte des zu reformierenden § 41 Abs. 1 BDSG, des sogenannten Medienprivilegs, zu klären.315 Da die Vereinbarung den Erlaß einer Norm in ihrer ursprünglich vorgesehenen Reichweite verhindern sollte und darin zugleich der Inhalt der neuen Vorschrift abgesprochen wurde, handelt es sich sowohl um eine normvertretende316 als auch um eine gesetzesvorbereitende317 bzw. norminfluenzierende 318 Absprache. Die darin vereinbarte „Arbeitsteilung“319 wurde seitens des Deutschen Presserats und seines Trägervereins durch die Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz und die damit einhergehenden Reformen autonom umgesetzt. Seitens des Bundesgesetzgebers erfolgte die Umsetzung durch Erlaß des novellierten § 41 Abs. 1 BDSG.320 Auch die Länder haben die zur Ausfüllung der Rahmenvorschrift des § 41 Abs. 1 BDSG erforderlichen Vorschriften inzwischen größtenteils eingeführt.321 Damit entsprechen die neuen Strukturen des Deutschen Presserats und seines Trägervereins nicht mehr dem Modell reiner Selbstregulierung, sondern stellen Ronneberger, in: Schiwy / Schütz (Hrsg.), Medienrecht, 3. Aufl. 1994, S. 384. Vgl. die Presseerklärung vom 2. Dezember 1999, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 29, die Erläuterungen auf S. 31 sowie die Pressemitteilung des Deutschen Presserats vom 6. März 2002, unter http: // www.presserat.de / site / doku / presse / mitteil2002.shtml (Stand: 16. September 2003). 314 Im folgenden wird der Terminus „Vereinbarung“ verwendet, ohne daß dadurch rechtliche Verbindlichkeit impliziert werden soll. 315 Siehe Teil 5 B V 2. 316 Bohne, VerwA Bd. 75 (1984), S. 345. 317 Schorkopf, NVwZ 2000, 1113. 318 Klöck, NuR 2001, 3. 319 Siehe Teil 5 B V 2. 320 Vgl. BTag-Drs. 14 / 4329, S. 46 f.; siehe zum Ganzen auch Heil, DuD 2001, 132 f. 321 Siehe Fn. 114. Besonders hervorzuheben ist § 11a HmbPrG, der in Satz 2 anordnet, daß für Unternehmen, soweit sie nicht der Selbstregulierung durch den Pressekodex und die Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats unterliegen, die Vorschriften von § 41 Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 BDSG entsprechend gelten. Es handelt sich dabei um die einzige Vorschrift, die explizit auf die Selbstkontrolle durch den Deutschen Presserat Bezug nimmt. 312 313

G. Die Einordnung des Deutschen Presserats als Selbstkontrolleinrichtung

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schon einen Fall der regulierten Selbstregulierung dar. So wird bereits letzteres angenommen, wenn der Staat in beratender und vermittelnder Funktion auf private Einigungen hinwirkt.322 Erst recht muß es dann als regulierte Selbstregulierung angesehen werden, wenn der Staat als Partei an einer Vereinbarung beteiligt, also stärker involviert ist, und wenn die Einigung die Einbindung der Presseselbstkontrolle in das für die Medien entwickelte staatliche Datenschutzkonzept zum Inhalt hat.323

III. Zusammenfassung zu Abschnitt G. und Bewertung Der Deutsche Presserat bzw. sein Trägerverein ist eine Selbstkontrolleinrichtung im Sinne der in dieser Arbeit entwickelten Definition. Er agiert teils im Bereich der gesellschaftlichen Selbstregulierung, teils auf dem Gebiet der regulierten Selbstregulierung. Die meisten der für die Konzepte der gesellschaftlichen Selbstregulierung und regulierten Selbstregulierung genannten Vor- und Nachteile sind daher auch der Presseselbstkontrolle – zumindest ansatzweise – immanent: Einerseits ermöglicht die Presseselbstkontrolle in ihrer gegenwärtigen Gestalt ein flexibles Vorgehen bei Verletzungen der journalistischen Ethik. Sie vermag praktikable Ergebnisse zu finden und hoheitliche Regulierung zu verhindern. Zudem kann sie Regeln für Bereiche schaffen, in denen staatlichen Rechtsnormen die durch Art. 5 Abs. 1, 2 GG gesetzten Grenzen entgegenstehen. Nur zur Staatsentlastung trägt die Presseselbstkontrolle kaum etwas bei, da die Presse unter der Geltung des Grundgesetzes bisher nur selten Gegenstand staatlicher Regulierung war. Andererseits ist in dem gegenwärtigen Modell der Presseselbstkontrolle auch ein Teil der mit der (regulierten) Selbstregulierung verbundenen Probleme angelegt. Es fehlt ihr an Transparenz, sie weist ein demokratisches Defizit auf und birgt Risiken für den Staat aufgrund der aus der informalen Absprache resultierenden Bindungswirkung. Zudem besteht die Gefahr, daß die Interessen der Betroffenen bei den Entscheidungen nur selektiv berücksichtigt werden und daß man sich bei den Beurteilungskriterien bloß auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen kann. Inwieweit sich diese – wenigstens ansatzweise – vorhandenen positiven und negativen Aspekte auf die rechtliche Zulässigkeit der Presseselbstkontrolle sowie auf die Effektivität des Persönlichkeitsschutzes auswirken, gilt es im folgenden zu untersuchen.

322 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996, S. 303. 323 So i.E. auch Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. E-12; Tinnefeld, NJW 2001, 3081 und Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 12; dazu positiv Stürner, AfP 2002, 285; eher kritisch Kloepfer, AfP 2000, 522 f.

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H. Rechtliche Würdigung des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Gremien Nachdem in den vorangehenden Abschnitten insbesondere Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins dargestellt wurden, steht im folgenden ihre rechtliche Würdigung im Zentrum. Denn die Presseselbstkontrolle durch den Deutschen Presserat und seine Beschwerdeausschüsse kann nur dann eine taugliche und sinnvolle Ergänzung zum rechtlichen Persönlichkeitsschutz bieten bzw. ihn ersetzen, wenn sowohl Institution als auch Verfahren rechtlich nicht zu beanstanden sind. Daher wird im folgenden die Vereinbarkeit der Organisation und des Procedere mit dem Grundgesetz, mit internationalem Recht und einfachem Recht geprüft, wobei der Schwerpunkt auf der verfassungsrechtlichen Würdigung liegt.324

I. Der Deutsche Presserat bzw. sein Trägerverein und Grundgesetz Bei der Prüfung der Vereinbarkeit von Errichtung und Tätigkeit des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins mit dem Grundgesetz ist zu differenzieren zwischen der Lage, wie sie sich seit 2001 aufgrund der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz darstellt, und der davor bestehenden Situation. Die Anforderungen an die rechtliche Zulässigkeit sind nämlich seither erhöht, da es sich nun bei der Presseselbstkontrolle (zumindest teilweise) um ein System der regulierten Selbstregulierung handelt und nicht mehr allein um eines der rein gesellschaftlichen Selbstregulierung.325 Bevor die Grundgesetzkonformität untersucht wird, ist allerdings noch zu klären, ob und gegebenenfalls auf welche Grundrechte der Trägerverein des Deutschen Presserats sich berufen kann, da für die verfassungsrechtliche Bewertung die Frage der Grundrechtsfähigkeit des Trägervereins von entscheidender Bedeutung ist.

324 Zur Übereinstimmung von Pressekodex, Richtlinien und Spruchpraxis mit den rechtlichen Vorgaben siehe Teil 6 B und C. 325 Siehe Teil 5 G II.

H. Rechtliche Würdigung des Deutschen Presserats und seiner Gremien

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1. Dem Trägerverein des Deutschen Presserats zustehende Grundrechte326 a) Art. 9 Abs. 1 GG Die Errichtung und Existenz des Deutschen Presserats als Gesellschaft bürgerlichen Rechts wie auch die spätere Umwandlung in einen eingetragenen Verein sind durch die Vereinigungsfreiheit, Art. 9 Abs. 1 GG, geschützt.327 Sowohl die ehemalige BGB-Gesellschaft, §§ 705 ff. BGB, als auch der nun existierende Trägerverein, §§ 21 ff. BGB, stellen Zusammenschlüsse dar, zu denen sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen328 für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck329 freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.330 Ein gesetzlich angeordneter Zwangszusammenschluß, der nicht von Art. 9 Abs. 1 GG geschützt wird,331 liegt hier nicht vor. Denn auch wenn mit der Gründung gesetzliche Regelungen verhindert werden sollten, also ein gewisser Druck auf den Gründungsmitgliedern lastete, kann dies noch nicht als unausweichbarer Zwang ausgelegt werden. Der Grundrechtsschutz entfällt auch nicht wegen einer möglichen staatlichen Beherrschung des Trägervereins des Deutschen Presserats.332 Die Unabhängigkeit vom Staat wird weder durch die finanziellen Zuwendungen seitens der öffentlichen Hand beeinträchtigt, da sie nie mehr als 49% der Gesamteinnahmen des Beschwerdeausschusses ausmachen dürfen, noch durch die Vereinbarungen im Rahmen des Redaktionsdatenschutzes, da die Umsetzung der Absprache autonom durch den Presserat und seinen Trägerverein erfolgte.333 Dem Staat ist damit kein beherrschender Einfluß auf den Trägerverein eröffnet.334 326 Die Prüfung wird im folgenden auf die Grundrechte beschränkt, die für die Wahrnehmung der Aufgabe der Presseselbstkontrolle von besonderer Relevanz sind. 327 Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 40 Rn. 20. 328 Gegründet wurde der Deutsche Presserat von 10 Personen, Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 102. Aktuell hat der Trägerverein des Deutschen Presserats 8 Mitglieder, § 2 Abs. 1 Trägervereinssatzung. Auf den Streit über die Mindestmitgliederzahlzahl für eine Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG kommt es daher nicht an, vgl. dazu Kemper, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 9 Abs. 1 Rn. 57 ff. 329 Vgl. das Gründungskommuniqué, siehe Teil 5 B V 1, und Nummer 1 der ursprünglichen Geschäftsordnung, siehe Fn. 73, bzw. nun § 1 Abs. 1 Trägervereinssatzung. 330 Vgl. § 2 Abs. 1 VereinsG, der nach h.M. den Vereinigungsbegriff zutreffend umschreibt, Kemper, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 9 Abs. 1 Rn. 55 m. w. N. 331 BVerfGE 15, 235 (239); BVerfGE 85, 360 (370); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 9 Rn. 3. 332 Vgl. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 19 Rn. 15. 333 Siehe Teil 5 B V 2 und E V. 334 Teilweise wurde früher auch angenommen, daß Art. 9 Abs. 3 GG einschlägig ist, der in Satz 1 das Recht gewährleistet, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschafts-

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Fraglich ist hingegen, inwieweit die Selbstkontrolltätigkeit des Deutschen Presserats als Gremium des Trägervereins335 bzw. die Tätigkeit der Presseratsmitglieder durch die Vereinigungsfreiheit geschützt wird. Ausweislich seinem Wortlaut gewährleistet Art. 9 Abs. 1 GG allein die Bildung von Vereinen und Gesellschaften. Doch erstreckt man den Schutz daneben auch auf die Organisationsfreiheit und die interne Betätigungsfreiheit. 336 Die externe Betätigungsfreiheit als „Recht auf koordiniertes Wirken nach außen“337 zur Realisierung des Vereinszwecks wird hingegen nicht von Art. 9 Abs. 1 GG erfaßt, sondern unterfällt dem Regime der für die jeweilige Aktivität einschlägigen Grundrechte.338 Das bedeutet, daß die Beschwerdearbeit des Deutschen Presserats und seiner Ausschüsse sowie der Redaktionsdatenschutz als externe Betätigungen nicht in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG fallen. b) Art. 5 Abs. 1 GG Möglicherweise greifen neben Art. 9 Abs. 1 GG die Grundrechte der Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, und / oder der Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, zum Schutz des Trägervereins des Deutschen Presserats ein. aa) Die Pressefreiheit Die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verankerte Pressefreiheit schützt in sachlicher Hinsicht alle mit der Pressearbeit im Zusammenhang stehenden Aktivitäten einschließlich der Gründung von Presseorganen.339 Die Gründung und Tätigkeit des bedingungen Vereinigungen zu bilden, so OLG Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 1959, 3 U 141 / 59 n.v.; dazu Löffler, AfP 1960, 152; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 172. Doch ist diese Auffassung abzulehnen. Wie Art. 9 Abs. 3 S. 3 GG, der Arbeitskämpfe betrifft, zeigt, fallen unter Vereinigungen im Sinne dieses Absatzes allein Berufsverbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 3; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 9 Rn. 23a. Da der Presserat keine solche Koalition des Arbeitslebens ist, wird er vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG nicht erfaßt, Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 350 f. 335 Art. 9 Abs. 1 GG umfaßt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowohl die individuelle als auch die kollektive Vereinigungsfreiheit, BVerfGE 13, 174 (175); ablehnend zu dieser Konstruktion eines „Doppelgrundrechts“ Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 731 m. w. N. 336 Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 9 Rn. 16; Rinken, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 9 Rn. 53. 337 Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 9 Rn. 17. 338 Löwer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 9 Rn. 16; Rinken, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 9 Rn. 54; ähnlich Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 9 Rn. 20. In diese Richtung auch das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 70, 1 (25); BVerfG NJW 2000, 1251 (1251), das Vereinigungen nicht durch Art. 9 Abs. 1 GG, sondern durch das betätigungsspezifische Grundrecht als geschützt ansieht, wenn sie wie jedermann im Rechtsverkehr tätig werden. 339 BVerfGE 20, 162 (175 f.); siehe auch Teil 3 B I 2 b) bb).

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Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins dient aber primär der Selbstkontrolle der Presse und nicht der Publikation von Nachrichten und Meinungen. Auch die Veröffentlichung der Jahrbücher und sonstiger Materialien vermag für sich allein nicht die Subsumtion der gesamten Organisation und ihrer Aktivitäten unter die Pressefreiheit zu rechtfertigen, obwohl sie für sich allein gesehen in den Schutzbereich der Pressefreiheit fällt. Denn diese Tätigkeit bildet nicht den Schwerpunkt der Presseratsarbeit, sondern ist lediglich eine Konsequenz der Selbstkontrolltätigkeit und der sonstigen dem Presserat obliegenden Aufgaben. Man kann das Eingreifen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG allenfalls damit begründen, daß das Grundrecht auch die Selbstorganisation der Presse und ihrer Berufsangehörigen schützt.340 Doch besteht zwischen dem Trägerverein des Deutschen Presserats und den Verlagen sowie den sonstigen Presseangehörigen allenfalls eine mittelbare rechtliche Verbundenheit über die Verleger- und Journalistenorganisationen.341 Journalisten und Presseorgane sind nicht selbst Mitglieder im Trägerverein und die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sind den Sanktionen der Presseselbstkontrolle nur unterworfen, wenn sie eine entsprechende Individualvereinbarung abgeschlossen haben. Daher ist es nicht möglich, im Trägerverein des Deutschen Presserats eine unmittelbare Selbstorganisation der Presse und ihrer Berufsangehörigen zu sehen, was allein die Erfassung vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 rechtfertigen würde.342 bb) Die Meinungsfreiheit Zu prüfen bleibt damit, ob zumindest die Meinungsfreiheit einschlägig ist. Für die Gründung des Presserats muß man dies jedoch verneinen. Zwar wird von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG auch die Meinungsbildungsfreiheit erfaßt.343 Doch würde es den Schutzbereich überdehnen, bereits die Gründung einer Organisation, deren Aufgabe später auch darin besteht, Meinungen zu äußern, unter Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu subsumieren. Allerdings fällt die Selbstkontrolltätigkeit des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse in den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfrei340 So Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 351. Teilweise wird weitergehend sogar eine Institutsgarantie zugunsten der Presseselbstkontrolle angenommen, Löffler, Presserecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1983, § 1 Rn. 199. Doch ist schon streitig, ob die freie Presse selbst ein privatrechtliches Institut darstellt oder lediglich einen gesellschaftlichen Befund, Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 72. Auch aus der Tatsache, daß einerseits ein Schutzauftrag der öffentlichen Gewalt zugunsten der durch die Presse gefährdeten Grundrechte und andererseits ein Verbot der staatlichen Steuerung der Presse besteht, ergibt sich nichts anderes. Denn dem Gesetzgeber steht ein weiter Spielraum bei der Erfüllung seiner Schutzpflichten zu und damit auch bei der Frage, ob er (teilweise) Selbstkontrolleinrichtungen heranzieht, Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 68. 341 Siehe Teil 5 F IV 2 a). 342 Vgl. Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 351. 343 Siehe Teil 3 B I 1 b) cc).

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heit.344 Die im Rahmen der Selbstkontrolle veröffentlichten Entscheidungen stellen Meinungsäußerungen dar, da die Beurteilung, ob gegen den Pressekodex verstoßen wurde, eine wertende Betrachtung erfordert.345 Auch die Arbeit in den Gremien wird von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG erfaßt, soweit sie der Meinungsbildung dient und sich nicht allein im forum internum abspielt.346 Ob der persönliche Schutzbereich eröffnet ist, richtet sich nach Art. 19 Abs. 3 GG. Das Gremium Deutscher Presserat und die Beschwerdeausschüsse gehören der Organisation des Trägervereins Deutscher Presserat an, so daß ihre Handlungen dem Trägerverein zuzurechnen sind347 und es damit auf dessen Grundrechtsfähigkeit ankommt. Bei ihm handelt es sich um eine inländische juristische Person des Privatrechts, § 21 BGB und § 1 Abs. 1, 2, 3 Trägervereinssatzung, auf die Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG wesensmäßig anwendbar ist, da Meinungen nach einer internen Willensbildung innerhalb einer Vereinigung einheitlich nach außen geäußert werden können.348 Daher darf sich die Presseselbstkontrolleinrichtung bei ihrer Tätigkeit auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen.

c) Sonstige Grundrechte Eine Berufung auf Art. 12 Abs. 1 GG scheidet für den Trägerverein des Deutschen Presserats schon definitionsgemäß aus. Denn Beruf ist jede Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient.349 Der Trägerverein des Deutschen Presserats verfolgt aber gemeinnützige Ziele, § 1 Abs. 5 Trägervereinssatzung, d. h. seine Aktivitäten dienen nicht den für die Einschlägigkeit der Berufsfreiheit erforderlichen Erwerbszwecken.350 Aber auch wenn Art. 12 Abs. 1 GG nicht eingreift, steht die Selbstkontrolleinrichtung im übrigen nicht schutzlos dar. Tätigkeiten des Presserats bzw. seines Trägervereins, welche nicht unter Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG oder Art. 9 Abs. 1 GG fallen, werden regelmäßig vom Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, erfaßt.351 344 Ulmer / Niemeier, AfP 1975, 836; Hauss, AfP 1980, 179; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 40 Rn. 20; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 183. 345 Soweit Meinungsäußerungen in Presseerzeugnissen veröffentlicht werden, ist allerdings nach hier vertretener Ansicht die Pressefreiheit einschlägig, siehe Teil 3 B I 2 d). 346 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 37. 347 Vgl. insofern für das Zivilrecht Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 24. 348 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 167. 349 BVerfGE 7, 377 (397); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 812. 350 Vgl. Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 12 Abs. 1 Rn. 37, 261; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 12 Rn. 4. 351 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 183.

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d) Fazit zu Punkt 1. Die vorstehenden Erörterungen zeigen, daß der Trägerverein des Deutschen Presserats umfassend durch die Grundrechte geschützt wird. Gründung und interne Betätigungsfreiheit des Trägervereins des Deutschen Presserats sind von Art. 9 Abs. 1 GG erfaßt. Die Beschwerdearbeit fällt unter Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, soweit es um die Bildung und Äußerung von Meinungen geht. Im übrigen greift regelmäßig die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, ein.

2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Organisation des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Tätigkeit vor 2001 Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins in ihrer ursprünglichen Gestalt wird schon lange nicht mehr bezweifelt.352 Allerdings fehlt es oft an einer näheren Begründung.353 Die in diesem Bereich noch bestehenden Lücken sollen im folgenden geschlossen werden. Die hierzu gefundenen Ergebnisse bilden anschließend die Grundlage für die Untersuchung der rechtlichen Zulässigkeit des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins seit den Reformen im Jahr 2001.

a) Etwaiger Verstoß gegen Grundrechte Die Beteiligten, deren Grundrechte unter Umständen tangiert werden bzw. denen rechtliche Grenzen gesetzt werden müssen, sind die Selbstkontrolleinrichtung selbst, die sie tragenden Kräfte und die Teilnehmer an der Presseselbstkon352 Anders noch 1958 / 59, als die Henri Nannen GmbH, der damalige Verlag des Stern, Klage erhob, um dem Deutschen Presserat seine Tätigkeit u. a. mit der Begründung, daß er eine unzulässige Zensur ausübe, zu untersagen und Schadensersatz wegen einer Äußerung des Deutschen Presserats zu verlangen. Das OLG Hamburg wies die Klage in vollem Umfang ab, womit der Deutsche Presserat als Organ der Presseselbstkontrolle gerichtlich anerkannt wurde, vgl. zu OLG Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 1959, 3 U 141 / 59 n.v., Löffler, AfP 1960, 151 f. und Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 115 ff. 353 Löffler, in: Löffler / Hébarre (Hrsg.), Form und Funktion der Presse-Selbstkontrolle in weltweiter Sicht, 1968, S. 63; Ricker, AfP 1976, 160; Hauss, AfP 1980, 179; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 172; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 70; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 40 Rn. 5, 20 f.; Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 122. Detailliertere, wenn auch immer noch recht knappe Ausführungen zur rechtlichen Zulässigkeit des Deutschen Presserats finden sich bei Ulmer / Niemeier, AfP 1975, 836 f.; Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 161 ff.; Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 350 ff. und Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 182 f.

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trolle, also Beschwerdeführer und -gegner. Daneben können auch Dritte betroffen sein, z. B. nicht am Selbstkontrollsystem partizipierende Medienunternehmen. Die Rolle des Staates ist ambivalent: Einerseits führt sein Handeln möglicherweise zu Grundrechtseingriffen, andererseits fällt ihm die Aufgabe zu, die Grundrechte zu schützen. aa) Grundrechtseingriff durch die Gründung des Deutschen Presserats? Durch die Errichtung des Deutschen Presserats könnte in die Grundrechte der Mitglieder des Deutschen Presserats und mittelbar in die Grundrechte der Angehörigen der im Presserat damals engagierten Berufsverbände354 bzw. deren Mitglieder eingegriffen worden sein. Allerdings muß auf die potentiell einschlägigen Grundrechte (Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG; negative Vereinigungsfreiheit, Art. 9 Abs. 1 GG; Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG; Wettbewerbsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG355) nicht näher eingegangen werden, da es an einem eingriffsrelevanten Tatbestand fehlt: Unter einem Grundrechtseingriff im „klassischen“ Sinn versteht man einen „rechtsförmige(n) Vorgang ( . . . ), der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt.“356 Da die Gründung des Deutschen Presserats nicht auf eine verbindliche staatliche Anordnung hin erfolgte, liegt jedenfalls kein derartiger herkömmlicher Eingriff vor. Doch auch nach dem erweiterten Eingriffsverständnis,357 das sich aufgrund der Herausforderungen des modernen informalen Verwaltungsstaats herausgebildet hat,358 kann ein Eingriff nicht bejaht werden. Danach ist eine Grundrechtsbeeinträchtigung „jedes staatliche Handeln, das dem einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht“.359 354 Die Berufsverbände waren damals zwar noch nicht selbst Mitglieder im Deutschen Presserat, wurden aber von ausgewählten Mitgliedern repräsentiert, siehe Teil 5 B V 1. 355 Für Art. 12 Abs. 1 GG BVerfGE 32, 311 (317); Manssen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 12 Abs. 1 Rn. 67; für Art. 2 Abs. 1 GG BVerwGE 17, 306 (309); BVerwGE 30, 191 (198); Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, 9. Aufl. 1999, Art. 2 Rn. 14. 356 BVerfGE 105, 279 (299 f.); Sachs, JuS 1995, 304. 357 Das Bundesverfassungsgericht spricht in seinen jüngsten Urteilen von Beeinträchtigungen, wenn es sich nicht um „klassische“ Grundrechtseingriffe handelt, BVerfGE 105, 252 (268); BVerfGE 105, 279 (299 ff.). Nach Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 207 haben die Begriffe „Eingriff“ und „Beeinträchtigung“ die gleiche Bedeutung. 358 Bethge, Jura 2003, 332. 359 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 240. Kritisch wegen des Konturverlusts des Eingriffsbegriffs Isensee, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR V, 2. Aufl. 2000, § 111 Rn. 64 und Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 40 f.

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Als hinreichend wird es dafür angesehen, daß die Beeinträchtigung final ist.360 Die Errichtung der Presseselbstkontrollinstitution wurde aber nicht staatlich induziert.361 Zwar veranlaßte letztlich ein Gesetzentwurf die Presse, den Deutschen Presserat zu errichten. Es war aber seitens des Gesetzgebers nicht beabsichtigt, die Presseverbände damit zur Gründung einer Selbstkontrolleinrichtung zu veranlassen.362 Doch kann auch bei fehlender Finalität eine Grundrechtsbeeinträchtigung vorliegen.363 Allerdings sind die Kriterien, die alternativ zur Finalität für die Feststellung eines Eingriffs herangezogen werden, ebenfalls nicht erfüllt. Weder war es für den damaligen Gesetzgeber vorhersehbar, daß der Deutsche Presserat nach dieser (letztlich mißlungenen) Gesetzesinitiative gegründet werden würde, noch handelte es sich um eine vom Staat ausgehende Beeinträchtigung von hinreichender Intensität.364 Die Gründung des Deutschen Presserats war folglich nicht mit dem Staat zurechenbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen verbunden.

bb) Grundrechtseingriff durch die Selbstkontrolltätigkeit des Deutschen Presserats und des allgemeinen Beschwerdeausschusses? Auch wenn die Gründung des Deutschen Presserats keine Grundrechtsbeeinträchtigungen zeitigte, führt seither möglicherweise die Beschwerdearbeit, insbesondere die am Ende des Verfahrens stehenden Entscheidungen, zu Grundrechtseingriffen. Darin könnte einerseits ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, liegen, wenn die Beschwerde für unbegründet erachtet wird. Andererseits ist aber auch ein Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdegegners, insbesondere Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Discher, JuS 1993, 465. Vgl. zu diesem Kriterium Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 190 f. mit Fn. 110 m. w. N. 362 Siehe Teil 5 B IV. 363 Vgl. BVerfGE 105, 279 (299 f.). In dieser Entscheidung wird von einer nicht finalen mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ausgegangen. 364 Vgl. zu diesen Kriterien BVerwGE 82, 76 (79); BVerwGE 90, 112 (118 ff.); Discher, JuS 1993, 465 f., allerdings kritisch zum letztgenannten Beurteilungskriterium; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Vorb. vor Art. 1 Rn. 27. Das Bundesverfassungsgericht erwähnt in seinen jüngsten Entscheidungen, BVerfGE 105, 252 ff. und BVerfGE 105, 279 ff., das Kriterium der Intensität nicht. Allerdings folgt daraus nicht automatisch, daß das Merkmal bei der Feststellung von Grundrechtseingriffen künftig außer acht zu lassen ist. Denn die beiden Beschlüsse beziehen sich speziell auf hoheitliches Informationshandeln. Zudem haben in den zwei Entscheidungen die Besonderheiten des jeweiligen Grundrechts die Argumentation stark beeinflußt, Murswiek, NVwZ 2003, 3. Daher lassen sich aus ihnen für die hier vorliegende Konstellation, außer der Tatsache, daß mittelbar-faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen grundsätzlich möglich sind, keine zusätzlichen Erkenntnisse gewinnen. 360 361

14 Schwetzler

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und Art. 12 Abs. 1 GG, denkbar, wenn die Beschwerde für begründet erklärt wird und es daher zu einer Beeinträchtigung der Absatzchancen kommt, und zwar unabhängig davon, ob das betroffene Presseorgan aktiv am Beschwerdeverfahren teilnimmt oder das Selbstkontrollsystem boykottiert.365 Zusätzlich läßt sich auch eine Beeinträchtigung der Grundrechte der an der Selbstkontrolle organisatorisch Beteiligten vorstellen, insbesondere ein Eingriff in ihre negative Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, wenn sie mit den (Mehrheits-)Entscheidungen nicht einverstanden sind. Allerdings ist der Trägerverein des Deutschen Presserats, dem die Beschwerdetätigkeit seiner Gremien zuzurechnen ist, kein Grundrechtsadressat im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG, sondern selbst Grundrechtsträger.366 Ein die Abwehrfunktion der Grundrechte auslösender Eingriff kann also nur bejaht werden, wenn das Handeln der Selbstkontrollinstanz dem Staat zuzurechnen ist. Nach Suhr fehlt es bei der Selbstkontrolle durch den Deutschen Presserat und seine Beschwerdeausschüsse aber stets an einem Grundrechtseingriff, da sie keine zwangsweise durchsetzbaren Sanktionen verhängen könnten. Die Beteiligung am Verfahren und die Einhaltung der Entscheidungen seien de jure und de facto freiwillig.367 Diese Argumentation greift jedoch zu kurz. Es ist zwar zutreffend, daß mangels einer rechtsförmigen, erforderlichenfalls zwangsweise durchsetzbaren Sanktion zumindest bis 2001 ein „klassischer“ Grundrechtseingriff ausscheidet. Doch bleibt zu untersuchen, ob die Beschwerdetätigkeit des Deutschen Presserats und seiner Ausschüsse nicht zu dem Staat zurechenbaren mittelbar-faktischen Grundrechtseingriffen führt. Vor den Reformen von 2001 bestand die einzige Verbindung zwischen Staat und Deutschem Presserat bzw. Trägerverein in der Gewährung eines zweckgebundenen Zuschusses aus öffentlichen Mitteln für die Beschwerdearbeit. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine durch die öffentliche Hand erfolgende finanzielle Förderung eines Vereins, dessen Zweck insbesondere darin besteht, sogenannte Jugendsekten zu bekämpfen, als Eingriff in die Grundrechte einer solchen Gemeinschaft angesehen werden.368 Es reicht also für die Annahme eines Grundrechtseingriffs aus, daß der Staat Dritte mit Mitteln nicht-imperativer Verhaltenssteuerung, wie finanzieller Unterstützung, 365 Art. 14 Abs. 1 GG ist hingegen nicht einschlägig, da eine etwaige Beeinträchtigung der tatsächlichen Absatzmöglichkeiten als Teil der Erwerbstätigkeit nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wird. Zu diesem Ergebnis gelangt man unabhängig davon, ob man den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vom Eigentumsschutz erfaßt sieht oder nicht, was das Bundesverfassungsgericht bisher offen gelassen hat, vgl. jüngst BVerfGE 105, 252 (278). Die negative Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, ist ebenfalls nicht betroffen, da die fremde Urheberschaft der Meinung beim Rügenabdruck regelmäßig kenntlich gemacht wird, vgl. BVerfGE 95, 173 (182); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 559 f. 366 Siehe Teil 5 H I. 367 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 67. 368 BVerwGE 90, 112 (112, 118 ff.).

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zu grundrechtsbeeinträchtigenden Maßnahmen veranlaßt,369 wobei es irrelevant ist, ob dies gezielt erfolgt oder lediglich vorhergesehen und in Kauf genommen wird.370 Denn die öffentliche Hand soll sich ihren Grundrechtsbindungen nicht dadurch entziehen können, daß sie auf Formen der indirekten Verhaltenssteuerung zurückgreift.371 Trotz dieser weiten Auslegung des Eingriffsbegriffs ist die finanzielle Förderung der Presseselbstkontrolle aber kein geeigneter Ansatzpunkt, um einen Grundrechtseingriff zu bejahen. Zwar wird die Unterstützung seit jeher zweckgebunden für die Beschwerdearbeit gezahlt. Doch sind die sich aus der Beschwerdearbeit eventuell ergebenden Grundrechtsbeeinträchtigungen dem Staat nur zurechenbar, wenn er und nicht dazwischengeschaltete Dritte sie maßgeblich verursachen.372 Daran fehlt es aber aus zwei Gründen: Zum einen bemüht sich der Deutsche Presserat bzw. sein Trägerverein, trotz der Teilfinanzierung durch den Bund seine Unabhängigkeit vom Staat zu wahren, indem intern dafür gesorgt wird, daß der Bundeszuschuß nicht mehr als 49 % der Gesamteinnahmen des Beschwerdeausschusses ausmacht.373 Im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hing der Verein hingegen „am Tropf öffentlicher Gelder“, so daß „die zweckgebundene Hingabe von beträchtlichen Finanzmitteln an Private für Informationskampagnen gegen andere Privatrechtssubjekte in die Nähe einer regulativen Ermächtigung Privater (rückte), in die Freiheitsrechte anderer einzugreifen“.374 Zum anderen steht der Zurechnung an den Staat die autonome Entscheidungsbildung in den mit unabhängigen, vgl. § 7 Abs. 2 S. 1 Trägervereinssatzung, Mitgliedern besetzten Gremien des Deutschen Presserats und der Beschwerdeausschüsse entgegen.375 Grundrechtseingriffe scheitern also an der fehlenden Zurechenbarkeit. Auf die Frage eines eventuellen Grundrechtsverzichts kommt es damit nicht mehr an.

Sachs, JuS 1995, 305 f. Zu den Auswirkungen der jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf das zur Feststellung einer Grundrechtsbeeinträchtigung teilweise herangezogene Merkmal der Intensität siehe Fn. 364. 371 Discher, JuS 1993, 465. 372 Bleckmann, DVBl. 1988, 378. 373 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 180; trotzdem kritisch Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 56. 374 Di Fabio, JuS 1997, 2 f. Die eigenen Mittel gingen über 3000 DM jährlich nicht hinaus, während der Bund den Verein jedes Jahr institutionell mit bis zu 176 000 DM und projektbezogen mit bis zu 262 000 DM förderte, BVerwGE 90, 112 (113). 375 Zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs aufgrund der autonomen Entscheidungsbildung eines unabhängigen Privaten vgl. Trute, DVBl. 1996, 958 und Bleckmann, DVBl. 1988, 378. 369 370

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cc) Mögliche Verletzung des Zensurverbots Im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Selbstkontrolleinrichtungen wird auch immer wieder problematisiert, ob darin nicht ein Verstoß gegen das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG liegt.376 Diese Überlegungen sind zwar an sich überflüssig, da man mangels Eingriffs in den Schutzbereich gar nicht zur Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung und damit zur Schranken-Schranke des Zensurverbots gelangt. Doch auch wenn Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG als Prüfungsmaßstab herangezogen wird, führt das nicht zur Unzulässigkeit der Selbstkontrolle. Das Zensurverbot richtet sich nämlich nur gegen Träger öffentlicher Gewalt und untersagt allein die Vorzensur.377 Der Trägerverein des Deutschen Presserats und der Deutsche Presserat als Gremium sind aber keine staatlichen Stellen, und außerdem üben sie mit dem repressiven Beschwerdeverfahren keine Vorzensur aus,378 so daß es an der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG fehlt. Denkbar ist natürlich, daß die Selbstkontrolle zensurähnliche Züge annimmt.379 Dadurch entstehende Grundrechtsbedrohungen sind aber kein Problem des Zensurverbots, sondern eines der aus den einschlägigen Grundrechten abzuleitenden staatlichen Schutzpflichten, die gegebenenfalls durch Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG verstärkt werden.380 dd) Auslösung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts? Wegen der grundrechtlichen Schutzpflichten ist der Staat gehalten, die Grundrechte Privater vor den Übergriffen anderer Privater zu schützen. Wenn die Presse das allgemeine Persönlichkeitsrecht in ihrer Berichterstattung mißachtet und die Presseselbstkontrolle ein derartiges Verhalten nicht ausreichend ahndet, muß daher möglicherweise der Staat tätig werden. Eine ineffektive Selbstkontrolle löst aber nur eine Handlungspflicht seitens der öffentlichen Gewalt aus, wenn die allgemeine Rechtsordnung ebenfalls keinen ausreichenden Schutz gewährleistet. Der einfachrechtliche Persönlichkeitsschutz weist zwar Defizite auf.381 Dennoch führen diese Mängel nicht zu einer Aktivierung der grundrechtlichen Schutzpflichten, da die Normen in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung alle Aspekte des Per376 Siehe u. a. Ulmer / Niemeier, AfP 1975, 836; Hauss, AfP 1980, 179; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 172; Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 67. 377 Siehe Teil 3 B III. 378 Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 82; Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 67. 379 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 67. 380 Siehe Teil 3 E mit Fn. 583. 381 Siehe dazu ausführlich Teil 2.

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sönlichkeitsschutzes umfassen und Möglichkeiten zur gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen bestehen.382 Es kann also keine Rede davon sein, daß die Schutzmaßnahmen „gänzlich ungeeignet“ sind383 bzw. daß keine ausreichenden Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art getroffen wurden, um einen – unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter – angemessenen und als solchen wirksamen Schutz zu erreichen384. ee) Aktivierung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten der Presse oder der Rezipienten? Andererseits könnte sich die Arbeit des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse als zu effektiv erweisen, also im Ergebnis zur Behinderung des Informationsflusses führen und damit eine staatliche Handlungspflicht sowohl zugunsten der Presse als auch zugunsten der Rezipienten auslösen. Rechtliche Grundlage wären im ersten Fall die Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, sowie die Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG respektive Art. 2 Abs. 1 GG, und im letzten Fall die Informationsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. Die Rechtsordnung muß informationsunterdrückenden Regelungen und Abreden nämlich ab einer bestimmten Intensität die Anerkennung verweigern, auch wenn kein Anspruch gegen den Staat auf Informationsbeschaffung besteht und ebensowenig eine umfassende Informationsgewährleistungspflicht der öffentlichen Gewalt existiert.385 Der Staat wäre daher zum Tätigwerden verpflichtet, sobald er bei der Presse derartige Entwicklungen beobachtet.386 Dem Deutschen Presserat wird im Hinblick auf seine Selbstkontrollaktivitäten aber seit jeher eher Ineffektivität vorgeworfen.387 Die Gefahr, daß der Informationsfluß beeinträchtigt wird, da die Presseschaffenden die Sanktionen des Presserats bzw. der Beschwerdeausschüsse fürchten, besteht beim traditionellen Selbstkontrollsystem damit nicht. Eine Handlungspflicht des Staates ist also insoweit zu verneinen. b) Mögliche Verletzung des Rechtsprechungsmonopols oder der verfassungsrechtlichen Grenzen der privaten Gerichtsbarkeit In Art. 92 GG ist das Rechtsprechungsmonopol der staatlichen Richter und Gerichte verankert.388 Es verbietet der Legislative und Exekutive, rechtsprechende Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 135. BVerfGE 77, 170 (215). 384 BVerfGE 88, 203 (254); BVerfG NJW 1995, 2343 (2343). 385 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 360, 363; Wendt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 5 Rn. 28. 386 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 51. 387 Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 90 f.; Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 341. 388 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 92 Rn. 11. 382 383

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Gewalt auszuüben,389 trifft aber keine Aussagen zur Zulässigkeit nichtstaatlicher Gerichte.390 Letztere werden als unbedenklich eingestuft, wenn sie außerhalb des Kernbereichs materieller Rechtsprechungsaufgaben agieren und ihre Entscheidungen vor staatlichen Gerichten ohne Einschränkungen anfechtbar sind.391 Der Presserat als Gremium eines privaten Vereins bewegt sich bei seiner Selbstkontrolltätigkeit nicht im staatlichen Bereich, so daß Art. 92 GG nicht verletzt sein kann.392 Auch im übrigen bestehen gegen die Beschwerdetätigkeit des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse verfassungsrechtlich keine Bedenken, da ihre Entscheidungen gerichtlich nachgeprüft werden können.393

c) Zusammenfassung zu Punkt 2. Verfassungsrechtlich bestehen gegen das bis zur Reform existierende Modell der Selbstkontrolle keine Bedenken. Weder die Errichtung noch die bisherige Tätigkeit führten zu Grundrechtseingriffen. Ebensowenig ist es zu Defiziten gekommen, die grundrechtliche Schutzpflichten des Staates aktivieren. Das Zensurverbot spielte ebenfalls keine Rolle. Auch die Ausübung gerichtsähnlicher Funktionen unterliegt bis dato keinen rechtlichen Zweifeln. Da es sich vor 2001 um ein System der reinen Selbstregulierung handelte, waren auch keine weiteren Anforderungen zu beachten. 3. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Organisation des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Tätigkeit nach der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz a) Einleitung: Rechtsnatur der Absprache zwischen dem Bundesinnenminister und dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein sowie den vier Trägerorganisationen Die rechtliche Beurteilung von Organisation und Tätigkeit des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Gremien ist seit 2001 an strengeren Kriterien zu Meyer, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GGK, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 92 Rn. 3. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 92 Rn. 6. 391 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 2000, Art. 92 Rn. 49 f. 392 Ulmer / Niemeier, AfP 1975, 837 mit Fn. 64; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 40 Rn. 20. 393 Für die Frage der rechtlichen Zulässigkeit spielt es daher keine Rolle, ob der Deutsche Presserat und die Beschwerdeausschüsse überhaupt private Gerichtsbarkeit ausüben, unter der man solche Betätigungen von Privaten versteht, die als Ausübung der rechtsprechenden Gewalt einzuordnen wären, wenn sie von staatlichen Organen vorgenommen würden, Wassermann, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 92 Rn. 51; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 92 Rn. 148. Dagegen sprechen jedenfalls die Argumente von Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 107. 389 390

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messen, da es sich – im Bereich des Redaktionsdatenschutzes – nun um ein System der regulierten Selbstregulierung handelt.394 Vor Beginn der Untersuchung muß aber erst noch die Rechtsnatur der vertikalen Vereinbarung geklärt werden, da dies Auswirkungen auf die Prüfungskriterien hat. Auch wenn ihr Wortlaut nicht bekannt ist, ergibt sich aus den sie begleitenden Umständen, daß es sich nicht um eine rechtsverbindliche Absprache handelt. Den Parteien mangelte es aus der Perspektive des objektiven Beobachters am Rechtsbindungswillen:395 So zeigen die Presseerklärungen zur Vereinbarung, daß der Staat sich eine imperative Regelung offen halten wollte, falls die Selbstkontrolle versagt.396 Das indiziert ebenso einen mangelnden Willen zu verbindlichen Festlegungen wie die Materialien zu § 41 BDSG, in denen es heißt, daß für die Länder nach Auffassung des Bundes keine Veranlassung besteht, über die Vorgaben der Rahmenregelung im Bundesdatenschutzgesetz hinausgehende Regelungen zu schaffen.397 Denn diese Empfehlung müßte der Bund nicht aussprechen, wenn er die Absprache für rechtsverbindlich hielte. Da es im Bereich der normvertretenden und -vorbereitenden Absprachen außerdem noch viele Unsicherheiten über die Voraussetzungen der rechtlichen Zulässigkeit gibt398 und da der öffentlichen Gewalt nicht unterstellt werden kann, daß sie sich der Gefahr verfassungswidrigen Handelns aussetzen will,399 ist folglich anzunehmen, daß der Abrede allein politische Wirkung zukommt.400 Aber auch im Bereich des informalen konsensualen Staatshandelns sind die Bindungen an die Rechtsordnung zu beachten, so daß dennoch zu prüfen bleibt, ob rechtliche Grenzen überschritten wurden.401

Siehe Teil 5 G II 2. Diese Auslegungskriterien sind auch bei Absprachen im öffentlichen Recht anwendbar, Schorkopf, NVwZ 2000, 1112 und Langenfeld, DÖV 2000, 936 mit Fn. 51. 396 Presseerklärung vom 9. Mai 2000, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 44 f.; zu diesem Kriterium vgl. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 136 f. 397 BTag-Drs. 14 / 4329, S. 46 f. 398 Im Bereich der normvertretenden Absprachen wird zwischen echten und unechten Normsetzungsverträgen unterschieden. Erstere enthalten die rechtliche Verpflichtung zum Erlaß, der Änderung oder Aufhebung von Normen und werden daher u. a. wegen Beeinträchtigung der demokratischen Gestaltungsprärogative der Legislative als unzulässig angesehen, Scherer, DÖV 1991, 4; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 218 mit Fn. 219. Unechte Normsetzungsverträge haben hingegen die Beibehaltung bzw. den Nichterlaß einer Regelung zum Gegenstand, Scherer, DÖV 1991, 4. Die Frage ihrer rechtlichen Zulässigkeit ist umstritten; ablehnend Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 218 mit Fn. 219, in gewissen Grenzen bejahend Scherer, DÖV 1991, 4 f. 399 Zu diesem Kriterium Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 141. 400 Auch der sogenannte Atomkonsens wird nur als rechtlich unverbindliche Absprache angesehen, BVerfGE 104, 249 (266); Schorkopf, NVwZ 2000, 1112; Langenfeld, DÖV 2000, 936 f. 401 Langenfeld, DÖV 2000, 937. 394 395

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b) Verfassungsrechtliche Würdigung der Übernahme und Realisierung der Aufgabe Redaktionsdatenschutz Für die Untersuchung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit402 ist zu differenzieren zwischen der vertikalen normvertretenden und -ergänzenden Absprache zwischen dem Bundesinnenminister und dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein und den Trägerorganisationen einerseits und der horizontalen Umsetzung durch den Deutschen Presserat respektive seinen Trägerverein andererseits.403 Da im folgenden die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in Rede steht, wird vornehmlich auf die vertikale Absprache und ihre Auswirkungen eingegangen. Denn sie ist aufgrund ihres Gegenstandes, dem staatlichen Rechtssetzungsermessen, dem öffentlichen Recht zuzuordnen,404 wohingegen sich die Zulässigkeit der Umsetzungsmaßnahmen prinzipiell nach Privatrecht beurteilt, da daran nur Privatrechtssubjekte beteiligt sind.405

aa) Zuständigkeit und Verfahren (a) Verbandskompetenz Auch für informales Staatshandeln gilt die Zuständigkeitsordnung.406 Maßgeblich sind die Legislativkompetenzen, Art. 30 GG, Art. 70 ff. GG, da der Hauptzweck der Vereinbarung in der Normvermeidung und -vorbereitung liegt und dies sinnvoll nur von dem Verband zum Gegenstand einer Vereinbarung gemacht werden kann, der für den Erlaß der Gesetze zuständig ist.407 Die Zuständigkeit für gesetzesvermeidende und -vorbereitende Absprachen bildet insofern einen „Annex“ zur Legislativkompetenz.408 Für die Vereinbarung mit den Presseorganisationen steht dem Bund die Verbandskompetenz zu. Er darf Rahmenvorschriften über die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse erlassen, Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GG, 402 Bedenken gegen das Modell der regulierten Selbstregulierung könnten sich bereits daraus ergeben, daß der Staat möglicherweise seinen „Pflichten“ bzw. Zusagen aus der Vereinbarung nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, indem er eine verfassungswidrige Norm erlassen hat. Aufgrund des Ineinandergreifens von Regulierung und Selbstregulierung bestünden dann auch Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit der seitens der Presseselbstkontrolle zu erfüllenden Zusagen. Allerdings wurden gegen § 41 Abs. 1 BDSG bisher keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben, siehe Teil 3 Fn. 549, so daß darauf nicht weiter eingegangen werden muß. 403 Vgl. Oldiges, WiR 1973, 10. 404 Becker, DÖV 1985, 1009. 405 So die h.M., siehe u. a. v. Zezschwitz, JA 1978, 502; Brohm, DÖV 1992, 1027 f.; Dübbers / Kim, AgrarR 2002, 242; a.A. Bohne, VerwA Bd. 75 (1984), S. 362. 406 Oebbecke, DVBl. 1986, 795; Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 218. 407 Oebbecke, DVBl. 1986, 795; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 173 f. 408 Oebbecke, DVBl. 1986, 795.

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und daher Rahmenvorgaben für das Presseprivileg machen. Auch die Grenzen der Rahmengesetzgebung, vgl. insbesondere Art. 75 Abs. 2 GG, sowie die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG409 sind gewahrt, wenn man ihre Erfüllung im Bereich derartiger Absprachen überhaupt für notwendig erachtet410.411 (b) Organkompetenz Die Vereinbarung wurde seitens des Staates vom Bundesinnenminister getroffen. An seiner Zuständigkeit könnte man zweifeln, da die Frage des Erlasses oder Nichterlasses formeller Gesetze an sich in die Kompetenz des Parlaments fällt. Doch wird durch die Abrede allein die Ausübung des Initiativrechts der Bundesregierung, Art. 76 Abs. 1 GG, politisch gebunden. Die Befugnis anderer Organe im Gesetzgebungsverfahren erfährt dadurch keine Beeinträchtigung, da sie an der Absprache nicht beteiligt sind.412 Zwar mag sich aus der Vereinbarung eine faktische Vorwegbindung im Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren ergeben, doch ist eine politische Einflußnahme im Vorfeld des Verfahrens so lange nicht als Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes und damit als verfassungswidrig einzustufen, wie die verfassungsmäßige Aufgabenverteilung sich nicht grundlegend verschiebt. Das ist im Bereich der normvertretenden und -vorbereitenden Absprachen bisher nicht der Fall.413 Der Bundesinnenminister besaß daher die Organkompetenz zum Abschluß der Vereinbarung. 409 Laut Gesetzesbegründung ist der Erlaß des reformierten Bundesdatenschutzgesetzes erforderlich nach Art. 72 Abs. 2 GG, BTag-Drs. 14 / 4329, S. 27. Da die normvertretende und -ergänzende Absprache in engem Zusammenhang mit dem Bundesdatenschutzgesetz steht, wird man die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG auch für sie nicht bestreiten können. 410 So Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 176 für die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes; anders wohl Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 157 f. 411 Eine Sperrwirkung zu Lasten der Bundesländer ergibt sich aus der Absprache in Kombination mit § 41 Abs. 1 BDSG nicht; i.E. so auch Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 176, allerdings zu Absprachen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Denn zum einen ist die Vereinbarung gerade kein Rahmengesetz, das der Gesetzgebungskompetenz der Länder Grenzen auferlegen könnte, Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 75 Rn. 5. Zum anderen kann zwar auch der bewußte Verzicht auf eine gesetzliche Regelung, wie er sich aus der Verknüpfung von Absprache und § 41 Abs. 1 BDSG ergibt, Sperrwirkung entfalten, BVerfGE 32, 319 (327); Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 157 f. m. w. N. Doch gilt dies nicht bei einer Rahmenvorschrift wie § 41 Abs. 1 BDSG, die gerade auf Ausfüllung durch die Länder angelegt ist, Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 75 Rn. 2. Auch die Parteien der Vereinbarung gehen nicht von einer Sperrwirkung aus, da sie lediglich annehmen, daß für die Länder keine Veranlassung besteht, über die in der Rahmenregelung niedergelegten Vorgaben hinaus weitergehende Vorschriften zu erlassen, BTag-Drs. 14 / 4329, S. 46 f.; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 31. 412 Langenfeld, DÖV 2000, 938. 413 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 178 f.

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(c) Verfahren Inwieweit andere Instanzen neben dem Fachminister an informalen Absprachen zu beteiligen sind, bedarf noch der abschließenden Klärung. Es ist jedenfalls Zurückhaltung geboten, um die Vorteile von informalen Absprachen, wie fehlende Komplexität und kurze Verfahrensdauer, nicht zu konterkarieren.414 Das Verfahren im Bundeskabinett läßt sich mangels Informationen nicht rechtlich bewerten.415 Von größerer Relevanz ist die Frage, ob der Bundesrat zu beteiligen war, was sich aus einer entsprechenden Anwendung der Art. 84 Abs. 1 GG oder Art. 85 Abs. 1 GG ergeben könnte. Doch sind normvertretende Absprachen gerade nicht durch die Länder zu vollziehen,416 so daß ein Beteiligungsrecht höchstens daraus abgeleitet werden kann, daß den Ländern durch die informellen Absprachen Vollzugsaufgaben entzogen werden. Um den Schutz der Länderinteressen zu gewährleisten, ist eine Zustimmungspflicht jedoch nicht erforderlich. Es genügt die Einbeziehung der Länder auf eine aus dem Prinzip der Bundestreue417 fließende Informationspflicht gegenüber dem Bundesrat zu beschränken. Die Bundesländer werden dadurch nicht schutzlos gestellt, da sie über das Recht des Bundesrates zur Gesetzesinitiative die Vollzugskompetenz zurückerlangen können. Zudem wird auf diese Weise eine zu starke Reformalisierung des Verfahrens vermieden.418 Im vorliegenden Fall ist von einer hinreichenden Information des Bundesrates auszugehen. Zwar kann eine eigenständige Benachrichtigung nicht festgestellt werden. Doch hat der Bundesrat spätestens im Gesetzgebungsverfahren zum Bundesdatenschutzgesetz von der Vereinbarung und ihren Folgen für die Länder, z. B. aus den Bundestagsdrucksachen,419 Kenntnis erhalten. Daher bestehen gegen das zur Vereinbarung führende Procedere keine Bedenken. (d) Ergebnis Die Absprache ist im Hinblick auf Kompetenz und Verfahren verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 180. Siehe zu den Anforderungen Bohne, VerwA Bd. 75 (1984), S. 364 einerseits und Brohm, DÖV 1992, 1030 andererseits. 416 Brohm, DÖV 1992, 1030. 417 Vgl. zu dem aus dem Bundesstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG, abgeleiteten Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 20 Rn. 20 ff. 418 Brohm, DÖV 1992, 1030 mit Fn. 34; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 180 ff. 419 BTag-Drs. 14 / 4329, S. 46 f. 414 415

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bb) Vereinbarkeit mit den Grundrechten (a) Mögliche Grundrechtsverletzung durch die Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz Die Gründung des Deutschen Presserats war nicht mit Grundrechtseingriffen verbunden. Hinsichtlich der Übernahme des neuen Tätigkeitsgebiets kann man dies jedoch nicht ohne weiteres unterstellen. Zwar liegt kein klassischer Grundrechtseingriff vor, da die Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz auf einer Vereinbarung und nicht auf Imperativität beruhte. Sie wurde aber durch das Drohpotential des Staates induziert und könnte damit die Grundrechte des Trägervereins des Deutschen Presserats, die Grundrechte der Trägerverbände und der ihnen angehörigen Landesverbände bzw. der diesen zugehörigen Mitglieder beeinträchtigt haben. Pauschal in der Neuverteilung von Verantwortungslasten einen Grundrechtseingriff zu sehen,420 führte aber zu weit. Das wird den differenzierten Erscheinungsformen der regulierten Selbstregulierung421 nicht gerecht. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, inwieweit eine Grundrechtsbeeinträchtigung bejaht werden kann. (1) Grundrechtsverletzung des Trägervereins des Deutschen Presserats? Da die Übernahme des Redaktionsdatenschutzes zu erheblichen Änderungen der Struktur und des Procedere des Trägervereins geführt hat, ist der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG eröffnet. Sieht man zunächst von der Frage des Grundrechtsverzichts ab, liegt auch ein Eingriff in die Vereinigungsfreiheit vor. Denn diese Reformen wurden durch die Absprache staatlich induziert, also final herbeigeführt. Doch könnte es an einer staatlich veranlaßten Grundrechtsbeeinträchtigung 422 bzw. ihrer Zurechenbarkeit423 fehlen, wenn die Voraussetzungen eines wirksamen Grundrechtsverzichts424 vorliegen. Dies erfordert zumindest die Verfügungsbefugnis des Grundrechtsberechtigten, eine unzweideutige Willensäußerung und Freiwilligkeit.425 Mittels der Vereinbarung hat der verfügungsbefugte Trägerverein konkludent auf sein Grundrecht verzichtet. Problematisch ist aber, ob dies freiSo aber Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 258. Vgl. nur die Bestandsaufnahme bei Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 176 ff. 422 BVerfGE 106, 28 (44, 47 f.); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 141. 423 Sachs, JuS 1995, 306 f.; Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 44. 424 Heute ist überwiegend anerkannt, daß ein Grundrechtsverzicht nicht schlechthin unzulässig sein kann. Über Begründung und Voraussetzungen herrscht allerdings keine Einigkeit, vgl. Stern, Staatsrecht III / 2, 1994, S. 893 ff. m. w. N. Davon abzugrenzen ist der bloße Nichtgebrauch von Grundrechten, Robbers, JuS 1985, 925; Pietzcker, Der Staat Bd. 17 (1978), S. 533. 425 Stern, Staatsrecht III / 2, 1994, S. 912 ff. 420 421

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willig erfolgte. Bei informalen Absprachen pauschal die Freiwilligkeit abzulehnen426 oder zu bejahen427, läßt die notwendigen Differenzierungen vermissen. Es kommt immer darauf an, ob im Einzelfall428 der Verzicht mit unzulässigen Mitteln wie Zwang, Täuschung oder Drohung erreicht wurde.429 Da die Abrede im Endeffekt nur dazu diente, eine weitergehende staatliche Regelung zu verhindern, also die Wahl des geringeren Übels darstellte, erscheint die Freiwilligkeit des Verzichts zweifelhaft.430 Doch schließt auch ein gewisser Druck die Freiwilligkeit nicht von vornherein aus,431 insbesondere, wenn Eigeninteressen wahrgenommen werden.432 Andernfalls würde das Eigentümliche der indirekten Steuerung mißachtet.433 Daher ist solange von der Freiwilligkeit des Grundrechtsverzichts auszugehen, als der Druck keinen zwangsgleichen Charakter annimmt.434 Erst dann wird das Selbstbestimmungsrecht vom staatlichen Kausalbeitrag überlagert.435 Hier verblieben dem Trägerverein des Deutschen Presserats aber noch Handlungsspielräume. Denn nachdem der erste Gesetzentwurf aufgrund des vom Deutschen Presserat mobilisierten öffentlichen Drucks zurückgezogen worden war, handelten die Parteien einen Kompromiß aus, der sich im Vergleich zur ursprünglichen Regelung für die Presse deutlich günstiger ausnahm, da er ihre Interessen stärker berücksichtigte. Daher ist von der Freiwilligkeit des Verzichts auszugehen.436 Da dem Grundrechtsverzicht auch keine sonstigen Schranken, wie Art. 19 Abs. 2 GG,437 entgegenstehen, ist er wirksam und folglich eine Grundrechtsbeeinträchtigung des Trägervereins des Deutschen Presserats zu verneinen. Auf die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung438 kommt es damit nicht mehr an.

v. Zezschwitz, JA 1978, 501 und 503. Baudenbacher, JZ 1988, 697. 428 So auch Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 107; Trute, DVBl. 1996, 958. 429 Stern, Staatsrecht III / 2, 1994, S. 914. 430 Brohm, DÖV 1992, 1033. 431 Stern, Staatsrecht III / 2, 1994, S. 914. 432 Pietzcker, Der Staat Bd. 17 (1978), S. 550; Trute, DVBl. 1996, 958. 433 Kritisch dazu Brohm, DÖV 1992, 1032. 434 Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 93; ähnlich Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 107. 435 Sachs, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Vor Art. 1 Rn. 93. 436 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 220 Fn. 227; ähnlich zum Atomkompromiß Langenfeld, DÖV 2000, 941. 437 Dazu ausführlich Robbers, JuS 1985, 928 ff. 438 Vgl. dazu Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 260 f. 426 427

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(2) Grundrechtsverletzung der Mitglieder des Deutschen Presserats und seines Trägervereins? Der staatliche Druck richtete sich auch gegen die Mitglieder des Trägervereins des Deutschen Presserats und die Mitglieder des Gremiums Deutscher Presserat, da nur sie die erforderlichen Reformen in bezug auf Organisation und Verfahren realisieren konnten. Daher liegt auch insoweit – vorbehaltlich eines sogleich zu erörternden möglichen Grundrechtsverzichts – eine finale Beeinträchtigung des Art. 9 Abs. 1 GG (i.V. m. Art. 19 Abs. 3 GG)439 vor. Allerdings haben die Mitglieder spätestens durch die Umsetzung der Reformen konkludent ihren Grundrechtsverzicht geäußert. Mangels jeglichen Widerspruchs gegen die informelle Absprache ist auch von der Freiwilligkeit ihres Verzichts auszugehen,440 so daß es hier ebenfalls an einer Grundrechtsbeeinträchtigung fehlt. Das gilt aus den genannten Gründen auch für andere eventuell einschlägige Grundrechte. (3) Grundrechtsverletzung der Mitglieder der Trägerverbände und der ihnen angehörenden Mitglieder? Da der im Rahmen der Verhandlungen ausgeübte staatliche Druck sich allein gegen die Verhandlungspartner, also den Trägerverein des Deutschen Presserats und seine unmittelbaren Mitglieder bzw. die Angehörigen des Deutschen Presserats richtete, kommt hier allenfalls eine nicht finale, mittelbar-faktische Beeinträchtigung in Frage. Ein Grundrechtseingriff in Art. 9 Abs. 1 GG sowie Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG liegt jedoch hier ebenfalls nicht vor, auch wenn die Umsetzung der Vereinbarung sich auf die Mitglieder der Trägerverbände bzw. deren Angehörige auswirkt(e). Zum einen ist nämlich schon die ausreichende Intensität441 der (voraussehbaren) Beeinträchtigung fraglich, da sich die Betroffenen ohne ernsthafte Nachteile den Folgen entziehen konnten bzw. können, z. B. durch Austritt.442 Selbst wenn man dies noch nicht für ausreichend hält, um einen Grundrechtseingriff abzulehnen, ist zumindest das Verbleiben im Ver439 Wenn sich Vereinigungen zu einer gemeinsamen Vereinigung zusammenschließen, kommt Art. 19 Abs. 3 GG zum Tragen, Scholz, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 9 Rn. 43. 440 Vgl. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 220 Fn. 227. 441 Zu diesem Kriterium bei nicht-finalen Auswirkungen auf an Absprachen nicht unmittelbar beteiligte Dritte siehe BVerwGE 87, 37 (43 f.); Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 114 ff.; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 226 f. Zu den Auswirkungen der jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf das zur Feststellung einer Grundrechtsbeeinträchtigung teilweise herangezogene Merkmal der Intensität siehe Fn. 364. 442 Oebbecke, DVBl. 1986, 798, allerdings bezogen auf die unmittelbar an der Vereinbarung Beteiligten. Doch spricht nichts dagegen, das Kriterium auch bei anderen Konstellationen anzuwenden, Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 220 Fn. 227, auch zum folgenden.

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band als ein freiwilliger konkludenter Grundrechtsverzicht anzusehen, so daß auch hier eine Grundrechtsverletzung ausscheidet. (4) Fazit Die Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz hat weder den Trägerverein des Deutschen Presserats, die Mitglieder des Deutschen Presserats und des Trägervereins noch deren Landesverbände oder deren Mitglieder in ihren Grundrechten verletzt. Da auch die Grundrechte außenstehender Dritter durch die staatlich induzierte Aufgabenerweiterung und die damit verbundenen organisatorischen und prozeduralen Änderungen nicht tangiert wurden, führte die Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz zu keinen Grundrechtsverstößen. (b) Etwaige Grundrechtsverletzung durch die Beschwerdearbeit im Bereich des redaktionellen Datenschutzes Auch für die Beschwerdearbeit gilt, daß sie bei der Organisation selbst und den ihr unmittelbar oder mittelbar verbundenen Mitgliedern zu keinen Grundrechtsverletzungen führt, da es schon an einem Eingriff fehlt bzw. zumindest von einem wirksamen Grundrechtsverzicht aufgrund der freiwilligen Beteiligung auszugehen ist.443 Es bleibt also noch zu prüfen, ob unter Umständen Grundrechte von Beschwerdeführer und Beschwerdegegner444 beeinträchtigt werden. Obwohl der Staat im Vorfeld der Übernahme der Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz stärker involviert war als bei der Gründung des Deutschen Presserats, hat sich an der Kategorisierung des Trägervereins des Deutschen Presserats als eines nicht von der öffentlichen Gewalt beherrschten privatrechtlichen Vereins nichts geändert, so daß er weiterhin nicht als Grundrechtsadressat anzusehen ist. Ein Eingriff wäre daher nur denkbar, wenn die negativen Auswirkungen der Selbstkontrolltätigkeit über eine mehrgliedrige Kausalkette dem Staat zugerechnet werden können.445 Über die finanzielle Förderung ist das nicht möglich,446 auch wenn sie aufgrund der Übernahme der neuen Aufgabe aufgestockt wurde. Denn der prozentuale Anteil des Staates an der Finanzierung und damit sein Einfluß haben sich nicht entscheidend vergrößert. Zudem hat die öffentliche Gewalt zwar durch die Vereinbarung den Trägerverein des Deutschen Presserats und seine Gremien gezielt dazu veranlaßt, die Selbstkontrolle im Bereich des Redaktionsdatenschutzes zu etablieren und auszuüben. Doch steht der Zurechnung auch hier die autonome Entscheidungsbildung in den mit unabhängigen, vgl. § 7 Abs. 2 S. 1 Trä443 444 445 446

Vgl. schon Teil 5 H I 3 b) bb) (a). Siehe zu den eventuell einschlägigen Grundrechten Teil 5 H I 2 a) bb). Vgl. BVerfGE 105, 279 (300); BVerwGE 90, 112 (120). Siehe bereits Teil 5 H I 2 a) bb).

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gervereinssatzung, Mitgliedern besetzten Gremien des Deutschen Presserats und des Beschwerdeausschusses Redaktionsdatenschutz entgegen.447 Daran ändert auch die neu konzipierte Verpflichtung zum Rügenabdruck nichts. Sie beansprucht zwar nun rechtliche Verbindlichkeit. Doch zum einen ist kein Presseorgan gezwungen, die Vereinbarung zu unterschreiben. Zum anderen führt erst die autonome Entscheidung der Gremien, eine öffentliche Rüge zu erteilen, zur Abdruckverpflichtung, so daß jedenfalls aus diesem Grund der für den Grundrechtseingriff erforderliche Zurechnungszusammenhang unterbrochen ist. (c) Verstoß gegen das Zensurverbot? Da der Trägerverein des Deutschen Presserats auch durch die jüngsten Reformen nicht in eine staatliche Einrichtung umgewandelt wurde, fehlt es schon an einem tauglichen Adressaten für das Zensurverbot, so daß ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG ausgeschlossen ist. (d) Aktivierung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts? Die aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Schutzpflicht gebietet es dem Staat, unzulässige Übergriffe der Presse auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter zu unterbinden und zu ahnden. Der Verzicht auf imperative Steuerung ist damit begrenzt.448 Mit der Absprache aus dem Jahr 2000 und ihrer Umsetzung im Laufe des Jahres 2001 wurden der Redaktionsdatenschutz und seine Durchsetzung größtenteils der Presse überlassen. Doch hat sich der Staat damit nicht seiner Verantwortung begeben. Ihm obliegt immer noch eine Auffangverantwortung449, die sich aktualisiert, wenn die (regulierte) Selbstregulierung versagt. Wie die Zugriffsoption für solche Fälle im einzelnen ausgestaltet ist, hängt vom Zuschnitt der regulierten Selbstregulierung ab.450 Hier steht eine normvertretende und -vorbereitende Absprache in einem besonders grundrechtssensiblen Bereich, dem Pressewesen, in Rede. Die „Kontrolle der Kontrolle“451 ist daher stark zurückgenommen. Es gibt keine eigene Instanz zur Überprüfung der Beschwerdearbeit. Jedoch sind die Entscheidungen des Deutschen Presserats und des Beschwerdeausschusses Redaktionsdatenschutz vor den ordentlichen Gerichten angreifbar und kann der Abdruck öffentlicher Rügen gerichtlich durchgesetzt 447 Zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch die autonome Entscheidung eines unabhängigen Privaten vgl. Trute, DVBl. 1996, 958; Bleckmann, DVBl. 1988, 378. 448 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 172. 449 Zum Begriff siehe Teil 4 A. 450 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 174. 451 Zu den Ausgestaltungsmöglichkeiten Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 173 Fn. 38.

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werden.452 Zudem obliegt es dem Staat, die Entwicklung zu beobachten und für den Fall des Scheiterns der in der Vereinbarung vorgesehenen Selbstkontrolle legislativ einzugreifen.453 Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen insoweit nicht entgegen.454 Denn wenn das Selbstkontrollsystem versagt, haben Aktivitäten des Gesetzgebers einen sachlichen Grund, stellen sich also nicht als willkürlich dar.455 Inwieweit die Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz effektiv funktioniert, läßt sich aber angesichts des kurzen Zeitraums ihres Bestehens noch nicht feststellen. Der zuständige Beschwerdeausschuß tagt zumindest regelmäßig und hat bereits erste Sanktionen verhängt.456 Bis weitere Daten über seine Arbeit vorliegen, kann jedenfalls keine Pflicht zum Tätigwerden auf der Basis grundrechtlicher Schutzpflichten bejaht werden. Denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde im Pressebereich schon bisher wegen des Medienprivilegs, § 41 Abs. 1 BDSG a.F., vornehmlich über das Zivil- und Strafrecht und nicht über die datenschutzrechtlichen Vorschriften abgesichert,457 woran sich nichts geändert hat. Eventuelle Anfangsprobleme auf dem Gebiet des Redaktionsdatenschutzes und die Tatsache, daß sich nicht alle Verlage am neuen Selbstkontrollsystem beteiligen, führen daher nicht automatisch zu einer staatlichen Handlungspflicht zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. (e) Auslösung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten der Presse oder der Rezipienten? Die Frage, ob die Arbeit des Deutschen Presserats und seiner Ausschüsse zu einer Hemmung oder Unterdrückung des Informationsflusses führt und damit grundrechtliche Schutzpflichten zugunsten der Presse und Rezipienten aktiviert, hat aufgrund der jüngsten Reformen neue Relevanz erhalten. Denn die Rügenabdruckverpflichtung ist nun rechtlich bindend und gerichtlich durchsetzbar. Die damit verbundenen nachteiligen Folgen, z. B. Ansehensverlust in der Öffentlichkeit, könnten die Presseschaffenden zu übertriebener Vorsicht bei Publikationen veranlassen. Insbesondere wenn die Zulässigkeit einer Veröffentlichung zweifelhaft ist, besteht die Möglichkeit, daß die Verlage lieber auf den Abdruck eines Artikels verzichten, als sich der Gefahr einer Sanktion der Presseselbstkontrolle auszusetzen. Siehe Teil 5 F III und IV 2 b) dd). Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 197. 454 Soweit man im Bereich informaler Absprachen überhaupt einen Vertrauensschutz anerkennt, so Di Fabio, JZ 1997, 971; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 82 ff.; dagegen Becker, DÖV 1985, 1010; Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 161. 455 Di Fabio, JZ 1997, 971. 456 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 66. 457 Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 42 Rn. 42 und Kap. 54 Rn. 38. 452 453

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Allerdings gibt es bisher keine Anhaltspunkte für eine derartige „Vorwirkung“ der Verpflichtung. Denn die Presse muß momentan eine gerichtliche Durchsetzung nicht fürchten, da das bisherige Selbstverständnis des Deutschen Presserats sich nicht gewandelt hat. Er agiert weiterhin zurückhaltend und setzt auf die Überzeugungskraft seiner Arbeit und nicht auf hoheitliche Gewalt.458 Es wurde auch noch nicht versucht, den Rügenabdruck vor Gericht zu erzwingen. Daher ist zumindest gegenwärtig eine Beeinträchtigung des freien Informationsflusses aufgrund der Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz nicht zu befürchten. (f) Zusammenfassung Die Grundrechte werden auch im Rahmen der Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz weder in ihrer Abwehrfunktion verletzt noch in ihrer Schutzfunktion aktiviert. cc) Wahrung des Gesetzesvorbehalts Nach heutiger Lehre gibt es zwei nebeneinanderstehende459 Kategorien von Gesetzesvorbehalten: zum einen den rechtsstaatlich-grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt, nach dem hoheitliche Eingriffe in den Rechtskreis des Bürgers einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen;460 zum anderen den demokratischen Parlamentsvorbehalt, nach dem „der Gesetzgeber verpflichtet ist, – losgelöst vom Merkmal des ,Eingriffs‘ – in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen“461 (sogenannte „Wesentlichkeitstheorie“)462. Im folgenden gilt es allein zu prüfen, ob die vertikale Absprache zwischen dem Bundesinnenminister und dem Trägerverein des Deutschen Presserats sowie den Trägerverbänden den rechtsstaatlichen oder demokratischen Gesetzesvorbehalt verletzt. Die horizontale Umsetzung der Vereinbarung bleibt hingegen außer Betracht, da sie allein dem Privatrecht zuzuordnen ist und sich nur Private daran beteiligen.463 (a) Rechtsstaatlicher Eingriffsvorbehalt Der rechtsstaatliche Eingriffsvorbehalt wird mangels Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht ausgelöst,464 so daß sich die Untersuchung auf die Frage konzen458 459 460 461 462 463 464

Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 107. Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 32. Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR III, 2. Aufl. 1996, § 62 Rn. 33. BVerfGE 49, 89 (126). Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbStR III, 2. Aufl. 1996, § 62 Rn. 38. Oebbecke, DVBl. 1986, 798; siehe auch Teil 5 H I 3 b). Siehe Teil 5 H I 2 a) aa) und bb) sowie 3 b) bb) (a) und (b).

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triert, ob der demokratische Parlamentsvorbehalt eingreift und welche Anforderungen er gegebenenfalls stellt. (b) Demokratischer Parlamentsvorbehalt Teilweise wird bereits die Anwendbarkeit des demokratischen Gesetzes- bzw. Parlamentsvorbehalts abgelehnt. Soweit nur faktische im Gegensatz zu rechtlichen Bindungen bestünden, bleibe die Rechtsposition des Betroffenen unbeeinträchtigt, weil er seine Bindung jederzeit ohne rechtliche Folgen abstreifen könne.465 Damit würde jedoch den Absprachepartnern des Staates die Entscheidung darüber überlassen, ob die Exekutive oder die Legislative handeln darf, da die Aktivierung des rechtsstaatlichen Eingriffsvorbehalts davon abhängt, ob sie in den Grundrechtseingriff einwilligen oder nicht. Die Grenzziehung zwischen den Wirkungsbereichen von Gesetzgebung und Verwaltung darf aber bei wesentlichen staatspolitischen Weichenstellungen nicht von der Willensäußerung einzelner Grundrechtsbetroffener abhängen, sondern muß unabhängig davon dem Parlament vorbehalten bleiben. Der demokratische Gesetzesvorbehalt greift damit auch auf dem Gebiet der normersetzenden und -vorbereitenden Absprachen ein,466 wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Das ist hier der Fall. Zwar hat die Tatsache, daß die Reichweite des neu zu fassenden Medienprivilegs politisch umstritten war,467 keinen Einfluß auf das Problem der Wesentlichkeit.468 Doch handelt es sich bei den Fragen, inwieweit im Rahmen des Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie eine normative Umsetzung erforderlich ist und inwieweit der Staat im Hinblick auf seine grundrechtlichen Schutzpflichten Aufgaben an Selbstkontrolleinrichtungen delegieren kann, um politisch bedeutsame Entscheidungen,469 die das Parlament mit Erlaß des § 41 Abs. 1 BDSG selbst getroffen hat. Dennoch bestehen Zweifel, ob der Parlamentsvorbehalt gewahrt wurde. Denn § 41 Abs. 1 BDSG sichert die Vereinbarung erst nachträglich legislativ ab.470 Das Problem spitzt sich somit auf die Frage zu, ob bzw. inwieweit die Exekutive bei informalen Absprachen im Vorfeld einer gesetzlichen Regelung das Parlament einbinden muß. Einerseits besteht die Gefahr, daß durch derartige Vereinbarungen vollendete Tatsachen geschaffen werden. Andererseits ist das Parlament wegen der Unverbindlichkeit der normvorbereitenden und -vertretenden Absprache und seiner mangelnden Beteiligung an ihrem Zustandekommen nicht an sie gebunden.

465 466 467 468 469 470

Oebbecke, DVBl. 1986, 799; i.E. so auch Baudenbacher, JZ 1988, 697. Brohm, DÖV 1992, 1033. Siehe Teil 5 B V 2. A.A. VerfGH NW NJW 1999, 1243 (1245); dagegen aber Isensee, JZ 1999, 1115. Vgl. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 282. Vgl. Ruffert, DVBl. 2002, 1152 zum Atomkonsens.

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Ebensowenig kann ein von der Regierung aufgrund einer informalen Absprache eingebrachter Gesetzentwurf die Entscheidungsfreiheit der Volksvertretung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens einschränken.471 Der Zweck, wesentliche Entscheidungen durch das Parlament selbst treffen zu lassen, kann daher auch durch eine nachträgliche Befassung mit der informalen Absprache gewahrt werden, wenn sich aus dem Gesetz(-entwurf) die wesentlichen Punkte der Abrede ergeben. Da die Hauptpunkte der Vereinbarung sich durch eine Auslegung des § 41 Abs. 1 BDSG, zumindest unter Zuhilfenahme der Gesetzesbegründung,472 ermitteln lassen, verletzt die erst nachträgliche Beteiligung der Legislative nicht den Parlamentsvorbehalt.473

dd) Vereinbarkeit mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz Ein unzulässiger Übergriff in den Bereich der rechtsprechenden Gewalt wurde bereits verneint.474 An diesem Ergebnis ändern auch die jüngsten Reformen der Presseselbstkontrolle nichts. Es bleibt damit nur noch zu klären, ob die informalen Absprachen den Gewaltenteilungsgrundsatz im Verhältnis Exekutive – Legislative verletzen, vgl. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. Da die Vereinbarung nicht verbindlich ist, müßten allein ihre faktischen Auswirkungen eine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes begründen. Es wurde aber bereits bei den Erörterungen zur Organkompetenz und zum Gesetzesvorbehalt dargelegt,475 daß zwar eine politische Bindung begründet worden sein mag, die rechtlichen Befugnisse des Parlaments im Hinblick auf sein Initiativrecht und das Gesetzgebungsverfahren jedoch keine Einschränkungen erfahren haben. Das Prinzip der Gewaltenteilung wurde daher nicht verletzt.476

Langenfeld, DÖV 2000, 938; Dübbers / Kim, AgrarR 2002, 246. Vgl. BTag-Drs. 14 / 4329, S. 46 f. 473 Denkbar wäre allenfalls, in Parallele zur Informationspflicht gegenüber dem Bundesrat aus dem Prinzip der Verfassungsorgantreue bereits im Stadium der Verhandlungen über eine informale Absprache eine Informationspflicht der Exekutive gegenüber dem Parlament zu bejahen, vgl. zur Verfassungsorgantreue Ruffert, DVBl. 2002, 1153. Aber auch wenn man derartiges annimmt, kann eine rechtliche Bewertung nicht vorgenommen werden, da es an den erforderlichen Sachverhaltsinformationen fehlt. Weitergehend Schorkopf, NVwZ 2000, 1113 für den Atomkonsens, der in der faktischen Bindung des Parlaments einen Verstoß gegen die Verfassungsorgantreue sieht. 474 Siehe Teil 5 H I 2 b). 475 Siehe Teil 5 H I 3 b) aa) (b) und cc). 476 Oebbecke, DVBl. 1986, 796 mit Fn. 58; Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 126 ff. 471 472

15*

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ee) Wahrung des Transparenz- und Publizitätsgebots477 Auch mit dem Transparenz- und Publizitätsgebot, das sich aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ableitet, kollidieren informale Absprachen. Es stellt sich daher die Frage, ob und inwieweit sie veröffentlicht werden müssen. Die Vorschriften zur Verkündung von Normen, wie Art. 82 Abs. 1 GG, können zur Klärung des Problems nichts beitragen, da es an der erforderlichen Vergleichbarkeit fehlt. Denn die Bekanntmachung von generell-abstrakten Normen soll es den Bürgern ermöglichen, zuverlässig Kenntnis von den für sie verbindlichen Vorschriften zu erlangen.478 Hier geht es aber weder um rechtsverbindliche Verhaltenspflichten noch um generell-abstrakte Normen, sondern um unverbindliche bilaterale Absprachen.479 Eine Veröffentlichungspflicht läßt sich aber aus anderen Erwägungen ableiten. Zum einen verlangt der rechtsstaatlich gewährleistete Individualrechtsschutz Publizität, damit (mittelbar) Betroffene die Möglichkeit erhalten, die Auswirkungen der Vereinbarung und die Erfolgsaussichten von Klagen zu bewerten.480 Zum anderen können Parlament und Öffentlichkeit derartige Absprachen nur effektiv kontrollieren, wenn sie deren Inhalte kennen.481 Informale Absprachen müssen daher die Gebote der Transparenz und Publizität wahren. Welche Anforderungen sich daraus für die Veröffentlichung ergeben, wird allerdings kaum erörtert.482 Doch führte es zu weit, nur Bekanntmachungen in amtlichen Publikationsorganen genügen zu lassen.483 Solange der Zweck erreicht wird, also Betroffene, Öffentlichkeit und Parlament von den Inhalten der Vereinbarung Kenntnis erlangen können, sollte man die Form dem Ermessen der Beteiligten überlassen.484 Die informale Absprache zwischen der Bundesregierung, dem Trägerverein des Deutschen Presserats und den vier Trägerorganisationen wurde seitens des Presserats durch Pressemitteilungen485 und Berichte in den Jahrbüchern486 bekannt geSo die Bezeichnung von Trute, DVBl. 1996, 956. BVerfGE 65, 283 (291); Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 187. 479 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 187; Brohm, DÖV 1992, 1031. 480 Brohm, DÖV 1992, 1031. 481 Brohm, DÖV 1992, 1031. 482 Vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 172 f.; Brohm, DÖV 1992, 1031. 483 In diese Richtung Bohne, VerwA Bd. 75 (1984), S. 364 f. 484 Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 139 f. 485 Pressemitteilungen des Deutschen Presserats vom 2. Dezember 1999, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 29, und vom 9. Mai 2000, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 44 f. 486 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 30 f. und Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 42 ff. Weitere Publikationen mit dem Inhalt der Absprache gibt es nach der schriftlichen 477 478

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macht. Auch das Bundesinnenministerium hat eine Pressemitteilung zur Absprache veröffentlicht.487 Zudem ergibt sich der Inhalt aus den Materialien zu § 41 Abs. 1 BDSG,488 wenn dort auch nicht explizit auf die Vereinbarung verwiesen wird. Insgesamt ermöglichen es die genannten Veröffentlichungen aber, von den Inhalten der Absprache ausreichend Kenntnis zu nehmen. Daher bestehen gegen die Vereinbarung im Hinblick auf das Transparenz- und Publizitätsgebot keine Bedenken.

ff) Weitere Grenzen aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip? Wegen der Bindung der öffentlichen Gewalt an Recht und Gesetz, Art. 20 Abs. 3 GG, ist es dem Staat bei informalen Absprachen verboten, für verfassungswidrig gehaltene Gesetze bzw. Gesetzentwürfe als Druckmittel einzusetzen, also den Verzicht auf eine Regelung in Aussicht zu stellen, die gar nicht erlassen werden dürfte.489 Der ursprüngliche Entwurf zum Medienprivileg, der die Proteste des Deutschen Presserats auslöste und aufgrund der Absprache modifiziert verabschiedet wurde, war aber wohl noch mit der Verfassung vereinbar.490 Gewisse verbleibende Unsicherheiten über die Zulässigkeit sind in Anlehnung an § 55 VwVfG jedenfalls hinzunehmen.491 Daher stehen rechtsstaatliche Bedenken der Vereinbarung nicht weiter entgegen. Auch aus dem Demokratieprinzip, Art. 20 Abs. 1, 2 GG, ergeben sich neben den erwähnten Vorgaben des demokratischen Gesetzesvorbehalts und der Publikationspflicht keine zusätzlichen Grenzen, die der Zulässigkeit der Absprache entgegenstehen.492 gg) Fazit Die informale Absprache über den Redaktionsdatenschutz und ihre Umsetzung durch den Trägerverein des Deutschen Presserats und seine Gremien verstoßen nicht gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben, die für normvertretende und normvorbereitende informale Absprachen bestehen. Die kompetentiellen und prozeduralen Anforderungen wurden eingehalten. Die Grundrechte wurden bzw. werden weder in ihrer Abwehrfunktion verletzt noch in ihrer Schutzfunktion aktiviert. Auskunft des Geschäftsführers des Trägervereins des Deutschen Presserats vom 6. Juni 2003 nicht. 487 Vom 9. Mai 2000, unter http: // www.bmi.bund.de / frame / liste /Presse / Pressemitteilungen (Stand: 10. September 2003). 488 BTag-Drs. 14 / 4329, S. 46 f. 489 Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 238 ff. 490 Dazu ausführlich Kloepfer, AfP 2000, 518 ff. 491 Oebbecke, DVBl. 1986, 798; a.A. Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 239 ff. 492 Vgl. Dempfle, Normvertretende Absprachen, 1994, S. 97 ff.; Brohm, DÖV 1992, 1029 ff.

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Eine Verletzung der aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip abgeleiteten Vorgaben (vor allem Gewaltenteilung, Gesetzesvorbehalt, Transparenz und Publizität) liegt ebenfalls nicht vor.

c) Verfassungsrechtliche Beurteilung der Auswirkungen der informalen Absprache und ihrer Umsetzung auf die allgemeine Beschwerdearbeit Die organisatorischen Änderungen infolge der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz tangieren die organisatorische Struktur des bereits etablierten Selbstkontrollsystems nicht wesentlich, so daß dagegen weiterhin keine Bedenken bestehen. Auch bezüglich des Beschwerdeverfahrens hat sich an der Bewertung als verfassungsrechtlich unbedenklich nichts geändert. Zwar ist der Rügenabdruck nun rechtlich verpflichtend, doch wurde diese Neuerung bereits als grundgesetzkonform eingestuft. Organisation und Tätigkeit im Rahmen der allgemeinen Beschwerdearbeit sind also weiterhin als verfassungsrechtlich zulässig anzusehen.

4. Zusammenfassung zu Punkt I. Die verfassungsrechtliche Würdigung der Presseselbstkontrolle hat zu folgenden Ergebnissen geführt: Der Trägerverein des Deutschen Presserats wird umfassend durch die Grundrechte, insbesondere Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, geschützt. Das schon vor 2001 existierende System der reinen Selbstregulierung für „allgemeine Beschwerdefälle“ ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Errichtung der Presseselbstkontrolle griff ebensowenig in Grundrechte ein wie ihre bisherige Tätigkeit. Auch staatliche Schutzpflichten werden bisher nicht aktiviert, weder zugunsten der von der Presseberichterstattung Betroffenen noch zugunsten der Presse oder der Rezipienten. Das Zensurverbot ist nicht verletzt, und die Ausübung gerichtsähnlicher Funktionen unterliegt ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Das seit 2001 für den Redaktionsdatenschutz eingeführte Modell der regulierten Selbstregulierung ist ebenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Weder die informale Absprache noch ihre Umsetzung durch den Trägerverein des Deutschen Presserats und seine Gremien verletzen die Vorgaben des Grundgesetzes. Die kompetentiellen und prozeduralen Anforderungen wurden gewahrt. Grundrechtseingriffe aufgrund der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz und der Arbeit des Beschwerdeausschusses Redaktionsdatenschutz fanden bislang – teilweise auch aufgrund eines Grundrechtsverzichts – nicht statt, so daß sich die Frage ihrer Rechtfertigung nicht stellt. Ebensowenig ist es zu einer Aktivierung der grundrechtlichen Schutzpflichten gekommen. Die aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip fließenden Vorgaben (insbesondere Gesetzesvorbehalt, Gewal-

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tenteilungsgrundsatz, Transparenz und Publizität der Absprache) sind ebenfalls nicht verletzt. Gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Presseselbstkontrolle bestehen daher keine Bedenken.

II. Vereinbarkeit der Presseselbstkontrolle mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht 1. Einleitung Der wachsende Einfluß des Europarechts führt dazu, daß die Betrachtung der Rahmenbedingungen, die die nationale Rechtsordnung der Selbstkontrolle setzt, nicht mehr ausreicht. Die Vorgaben des EG-Rechts können angesichts der wechselseitigen Durchdringung der beiden Rechtsordnungen nicht außer acht gelassen werden.493 Eine ausdrückliche Medienkompetenz der Europäischen Gemeinschaft findet sich im EG-Vertrag zwar nicht. Doch existiert andererseits auch keine Bereichsausnahme, so daß Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das Medienrecht der Mitgliedstaaten nicht ausgeschlossen sind.494 Das EG-Recht ist daher auch bei der Untersuchung der Zulässigkeit von Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins einzubeziehen. 495 Wie bei der Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz wird dazu im folgenden zwischen Struktur und Tätigkeit vor und nach der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz differenziert. Die maßgeblichen Vorgaben des primären Gemeinschafts493 Die Geltung zweier Rechtsordnungen in einem Bereich, in der vorliegenden Situation des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts, kann natürlich zu Kollisionen führen. Für diesen Fall ist es aber seit langem anerkannt, daß das nationale Recht vom EG-Recht verdrängt wird und zwar im Wege des Anwendungsvorrangs, st. Rspr. des Europäischen Gerichtshofs seit EuGH Rs. 6 / 64, Costa / ENEL, Slg. 1964, 1251 (1270); EuGH Rs. 11 / 70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125 (1135) Rn. 3; EuGH Rs. 106 / 77, Simmenthal, Slg. 1978, 629 (644 f.) Rn. 17 ff.; vgl. Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 194 ff. Zum Vorrang des Europäischen Gemeinschaftsrechts aus nationaler Perspektive vgl. Art. 23 GG und BVerfGE 73, 339 ff.; BVerfGE 89, 155 ff. sowie BVerfGE 102, 147 ff. 494 Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 31. Vgl. auch die kulturpolitische Querschnittsklausel des Art. 151 Abs. 4 EG. Diese Vorschrift stellt klar, daß Art. 151 EG andere Bestimmungen des EG-Vertrags unberührt läßt. Kulturelle Sachverhalte sind also dem Regime des Vertrags unterworfen, wenn auch unter der Voraussetzung, daß die Gemeinschaft bei ihren Aktivitäten kulturellen Aspekten Rechnung trägt, Schwarze, ZUM 2000, 795; vgl. zu Art. 151 Abs. 4 EG allgemein Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 59 ff. 495 Zur Selbstkontrolle im Medienbereich und Europäischem Gemeinschaftsrecht allgemein Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 1 ff.

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rechts496 ergeben sich dabei aus den Grundfreiheiten, dem Wettbewerbsrecht sowie aus den Gemeinschaftsgrundrechten. Zudem wird das sekundäre Gemeinschaftsrecht berücksichtigt.

2. Zulässigkeit von Organisation und Tätigkeit des Trägervereins des Deutschen Presserats vor 2001 a) Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten Die unmittelbar geltenden und anwendbaren Grundfreiheiten497 des EG-Vertrags schützen auch wirtschaftliche Betätigungen im Medienbereich. Einschlägig sind hier möglicherweise die Warenverkehrsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit.498 Der kulturelle Bezug steht dem ebensowenig entgegen wie die Grundrechtsrelevanz.499 aa) Die Warenverkehrsfreiheit (a) Mögliche Verletzung durch den Trägerverein des Deutschen Presserats Zunächst ist zu prüfen, ob die Errichtung und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins vor 2001 nicht gegen die Vorschriften zur Warenverkehrsfreiheit, Art. 23 ff. EG, verstoßen haben. Die in Deutschland und den anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft vertriebenen Zeitungen sind Waren im Sinne des Art. 23 Abs. 2 EG, so daß grenzüberschreitende Behinderungen ihres Vertriebs unter Art. 28 EG fallen würden.500 Nach Art. 28 EG sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Der Schutz beschränkt sich dabei nicht auf offene und versteckte Diskriminierungen wegen der Herkunft der Waren; die Norm enthält überdies ein Beschränkungsverbot.501 496 Zum Begriff Schweitzer, Staatsrecht III, Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht, 7. Aufl. 2000, Rn. 322, 397. 497 EuGH Rs. 74 / 76, Ianelli & Volpi / Meroni, Slg. 1977, 557 (576) Rn. 13 (Warenverkehrsfreiheit); EuGH Rs. 2 / 74, Reyners, Slg. 1974, 631 (652) Rn. 24 / 28 (Niederlassungsfreiheit); vgl. im übrigen Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 705 m. w. N. 498 Die Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 ff. EG, wird vom Europäischen Gerichtshof beim Vertrieb von Presseprodukten nicht herangezogen, vgl. EuGH Rs. C-368 / 95, Familiapress, Slg. 1997, I-3689 (3714) Rn. 12. 499 Schwarze, ZUM 2002, 91; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 7. 500 EuGH Rs. C-368 / 95, Familiapress, Slg. 1997, I-3689 (3714) Rn. 12; Rehm, AfP 1999, 422. 501 EuGH Rs. 8 / 74, Dassonville, Slg. 1974, 837 (852) Rn. 5: Eine Maßnahme gleicher Wirkung ist „(j)ede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“; siehe auch Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 667, 700.

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Da der Deutsche Presserat seit jeher inhaltliche Anforderungen an die Printprodukte stellt, also nicht nur Verkaufsmodalitäten regelt,502 könnte Art. 28 EG verletzt worden sein. Unschädlich ist insoweit, daß dem Pressekodex und den Richtlinien bisher keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, da auch faktische Beeinträchtigungen den Maßnahmebegriff erfüllen.503 Doch bestehen in zweierlei Hinsicht Zweifel an der Einschlägigkeit des Art. 28 EG. Zum einen ist fraglich, ob der Trägerverein des Deutschen Presserats ein tauglicher Adressat der Grundfreiheiten ist. Die Grundfreiheiten schützen in erster Linie gegen Maßnahmen der Mitgliedstaaten.504 Die Handlungen des Deutschen Presserats sind der Bundesrepublik Deutschland aber nicht zurechenbar, da der Deutsche Presserat seine Unabhängigkeit gegenüber dem Staat bisher gewahrt hat.505 Im Bereich der Personenverkehrsfreiheiten wird allerdings zusätzlich eine Drittwirkung angenommen.506 Der Europäische Gerichtshof begründet dies unter anderem mit dem Gedanken des „effet utile“ und der Wahrung der einheitlichen Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts.507 Zu erwägen ist, ob unter dem Aspekt des Parallelismus der Grundfreiheiten508 nicht die Drittwirkung auf die Warenverkehrsfreiheit ausgedehnt werden sollte. Der Europäische Gerichtshof lehnt diese Erweiterung aber bisher ab.509 Daran sollte auch weiterhin festgehalten wer502 Verkaufsmodalitäten bzw. vertriebsbezogene Regelungen stellen im Gegensatz zu produktbezogenen Regelungen unter gewissen Voraussetzungen keine Maßnahmen gleicher Wirkung dar, EuGH verb. Rs. C-267 / 91 und C-268 / 91, Keck und Mithouard, Slg. 1993, I-6097 (6131) Rn. 16. 503 Vgl. die Beispiele bei Lux, in: Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag, 2. Aufl. 1999, Art. 28 Rn. 18. 504 Siehe den Wortlaut des Art. 28 EG und Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 706. 505 Siehe Teil 5 E V und H I 2 a) bb) sowie 3 b) bb) (b). 506 EuGH Rs. 36 / 74, Walrave und Koch, Slg. 1974, 1405 (1419 f.) Rn. 16 / 19; EuGH Rs. 13 / 76, Donà / Mantero, Slg. 1976, 1333 (1340 f.) Rn. 17 / 18; EuGH Rs. C-415 / 93, Bosman, Slg. 1995, I-4921 (5065 f.) Rn. 82; EuGH verb. Rs. C-51 / 96 und C-191 / 97, Deliège, Slg. 2000, I-2549 (2614) Rn. 47 f. für kollektive Regelungen im Arbeits- und Dienstleistungsbereich; EuGH Rs. C-281 / 98, Angonese, Slg. 2000, I-4139 (4173) Rn. 36 für von Privatpersonen ergriffene diskriminierende Maßnahmen aufgrund der Staatsangehörigkeit im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit. 507 EuGH Rs. 36 / 74, Walrave und Koch, Slg. 1974, 1405 (1419 f.) Rn. 16 / 19; EuGH Rs. C-415 / 93, Bosman, Slg. 1995, I-4921 (5066) Rn. 83 f.; EuGH Rs. C-281 / 98, Angonese, Slg. 2000, I-4139 (4172) Rn. 32 f.; Streinz / Leible, EuZW 2000, 460. 508 Vgl. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 7a und Deckert / Schroeder, JZ 2001, 89. 509 EuGH Rs. 311 / 85, Vlaamse Reisbureaus, Slg. 1987, 3801 (3830) Rn. 30. Auch die Entscheidung EuGH Rs. C-265 / 95, Kommission / Frankreich, Slg. 1997, I-6959 (6998 ff.) Rn. 24 ff. kann als Ablehnung einer unmittelbaren Drittwirkung interpretiert werden. Denn in diesem Urteil ging der Europäische Gerichtshof auf einen möglichen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit durch Private nicht ein, sondern verurteilte allein Frankreich als Mitgliedstaat, weil es nicht alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen ergriffen hatte, um in seinem Gebiet die Beachtung der Grundfreiheiten sicherzustellen. Vgl. dazu auch Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 709. Anders läßt sich allenfalls das Urteil EuGH Rs. 58 / 80, Dansk Supermarked, Slg. 1981, 181 (195) Rn. 17 auslegen, vgl. dazu Streinz / Leible, EuZW 2000, 460.

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den.510 Denn zum einen liegt die Funktion der Art. 28 EG und Art. 29 EG darin, das Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung durch eine Untersagung nicht-tarifärer (staatlicher) Handelshemmnisse zu ergänzen.511 Zum anderen ist für die effektive Realisierung der Warenverkehrsfreiheit eine Erstreckung auf Private nicht notwendig, da nichtstaatliche Handlungen und Verhaltensweisen durch die speziell auf Private zugeschnittenen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, Art. 81, 82 EG, erfaßt werden.512 Selbst wenn man bezüglich der Tauglichkeit Privater als Adressaten der Warenverkehrsfreiheit eine andere Ansicht vertreten sollte, stellt sich zum anderen aber noch die Frage, ob Maßnahmen des Deutschen Presserats überhaupt zu einer Handelsbeschränkung zwischen den Mitgliedstaaten führen können. Für importierte ausländische Zeitungen gilt der Pressekodex bislang nicht.513 Ihre Publikationen werden nicht im Beschwerdeverfahren behandelt, so daß nicht zu erwarten ist, daß ausländische Printmedien sich behindert fühlen oder sogar ihre Importe wegen der Selbstkontrolle aufgeben. Auch ein Gütesiegel des Deutschen Presserats für in Deutschland produzierte Printprodukte, das Käufer veranlassen könnte, anstelle importierter Zeitungen und Zeitschriften die mit dem Gütezeichen versehenen inländischen Erzeugnisse zu kaufen, gibt es bisher nicht.514 Die Organisation und Tätigkeit der Presseselbstkontrolle wirkten sich daher bis 2001 nicht binnenmarkthemmend aus.515 Eine Verletzung des Art. 28 EG durch Organisation und Tätigkeit des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Gremien vor 2001 scheidet folglich aus. (b) Etwaige Verletzung durch die Bundesrepublik Deutschland 516 Unabhängig davon, ob eine dem Staat zurechenbare aktive Handlung517 vorliegt, fehlt es bisher jedenfalls an einer die Einfuhr von Waren beschränkenden Wir510 So auch Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 708; Epiney, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 28 EG-Vertrag Rn. 46; grundsätzlich auch Becker, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 28 EGV Rn. 89. 511 Epiney, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 28 EG-Vertrag Rn. 46. 512 Epiney, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, 2. Aufl. 2002, Art. 28 EG-Vertrag Rn. 46; Streinz / Leible, EuZW 2000, 464. 513 Siehe Teil 5 F I 3. 514 Vgl. EuGH Rs. C-325 / 00, Kommission / Deutschland, EuZW 2003, 23 (25) Rn. 22 ff. 515 Vgl. auch Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 319. 516 Auch die Europäische Gemeinschaft selbst ist an die Grundfreiheiten gebunden, EuGH, Rs. C-114 / 96, Kieffer und Thill, Slg. 1997, I-3629 (3655) Rn. 27; Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 706. Anhaltspunkte, daß die EG-Organe hier gegen die Grundfreiheiten verstoßen haben, sind aber nicht ersichtlich. Insbesondere ein Handlungsauftrag aus den Grundfreiheiten, vgl. dazu Gersdorf, AöR Bd. 119 (1994), S. 404 ff., zur Harmonisierung auf dem Pressemarkt ist angesichts der mangelnden Bedeutung der Grenzüberschrei-

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kung.518 Auch ein Unterlassen kommt als Anknüpfungspunkt für die Verletzung des Art. 28 EG nicht in Betracht. Es ist zwar inzwischen anerkannt, daß bei einem die Grundfreiheiten beschränkenden Handeln Privater der öffentlichen Gewalt der Vorwurf gemacht werden kann, das Verhalten nicht unterbunden zu haben.519 Doch fehlt es für einen Verstoß gegen Art. 28 EG i.V. m. Art. 10 EG bislang zum einen an einer offenkundigen520 Pflichtverletzung der Bundesrepublik Deutschland und zum anderen an der handelshemmenden Wirkung der Presseselbstkontrolle. Eine Verletzung des Art. 28 EG durch die Bundesrepublik Deutschland scheidet damit ebenfalls aus.521 bb) Die Niederlassungsfreiheit Denkbar wäre aber zumindest eine Verletzung der Art. 43 ff. EG, da in Deutschland erscheinende fremdsprachige Zeitungen der Kontrolle des Deutschen Presserats unterstehen. Ausländische Unternehmen, die sich nach Art. 48 EG ebenfalls auf die Niederlassungsfreiheit berufen können, wurden bzw. werden dadurch möglicherweise abgeschreckt, eine (Zweig-)Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland zu gründen. Die Niederlassungsfreiheit entfaltet unmittelbare Drittwirkung,522 d. h. der Trägerverein des Deutschen Presserats könnte als tauglicher Normadressat gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen haben. Allerdings fehlt es bislang an einer unzulässigen Behinderung der Niederlassungsfreiheit: Der Deutsche Presserat diskriminiert bei in Deutschland erscheinenden Zeitungen seit jeher nicht nach der Nationalität. Auch verdeckte Diskriminierungen sind nicht ersichtlich, so daß allenfalls das Beschränkungsverbot verletzt sein kann. Dieses ist inzwischen auch bei der Niederlassungsfreiheit anerkannt.523 Allerdings greift es nur ein hinsichtlich des tung auf diesem Markt und im Hinblick auf die kulturpolitische Querschnittsklausel in Art. 151 Abs. 4 EG abzulehnen, Schwarze, ZUM 2002, 91 ff.; Müssle / Schmittmann, AfP 2002, 147 f. 517 Hier käme allenfalls die staatliche finanzielle Förderung des Deutschen Presserats in Betracht. Zur Zurechnung an den Staat allgemein EuGH Rs. C-325 / 00, Kommission / Deutschland, EuZW 2003, 23 (24 f.) Rn. 14 ff. 518 Siehe Teil 5 H II 2 a) aa) (a). 519 EuGH Rs. C-265 / 95, Kommission / Frankreich, Slg. 1997, I-6959 (6998 ff.) Rn. 30 ff. Szczekalla, DVBl. 1998, 221 ff. leitet aus diesem Urteil die Existenz grundfreiheitlicher Schutzpflichten ab. 520 EuGH Rs. C-265 / 95, Kommission / Frankreich, Slg. 1997, I-6959 (7002) Rn. 52. 521 Auch eine Verletzung von Art. 29 EG ist ausgeschlossen, da eine spezifische Beschränkung der Ausfuhrströme durch die Arbeit des Deutschen Presserats weder bezweckt noch bewirkt wird, vgl. EuGH Rs. 15 / 79, Groenveld BV / Produktschap voor Vee en Vlees, Slg. 1979, 3409 (3415) Rn. 7. 522 Siehe Fn. 506. 523 EuGH Rs. C-55 / 94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165 (4197 f.) Rn. 37; EuGH Rs. C-19 / 92, Kraus, Slg. 1993, I-1663 (1697) Rn. 32.

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

Marktzugangs im Sinne freier Standortwahl, also bei spezifischen Zugangsbehinderungen; im übrigen gilt grundsätzlich allein das Diskriminierungsverbot.524 Die Presseselbstkontrolle betrifft aber seit ihren Anfängen in erster Linie die Ausübung der journalistischen Tätigkeit. Ihre Auswirkungen auf den Marktzugang erweisen sich bislang als zu ungewiß und zu indirekt,525 als daß sie eine relevante Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bedeuten könnten. Folglich verstießen Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins vor 2001 nicht gegen Art. 43 EG. Mangels relevanter Beschränkungen kommt auch eine Verletzung durch die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 43 EG i.V. m. Art. 10 EG nicht in Betracht. cc) Fazit Eine Verletzung der Grundfreiheiten in der Zeit vor 2001 ist nicht feststellbar. Hinsichtlich der Warenverkehrsfreiheit fehlte es zum einem an einem tauglichen Adressaten, zum anderen an einer zwischenstaatlichen Handelsbeschränkung. Gegen die Niederlassungsfreiheit wurde mangels einer relevanten Beschränkung ebenfalls nicht verstoßen.

b) Wahrung der kartellrechtlichen Vorgaben aa) Verhältnis der Art. 81 EG und Art. 82 EG zum nationalen Kartellrecht Die gemeinschaftsrechtlichen Normen zum Wettbewerbsrecht und die nationalen kartellrechtlichen Vorschriften sind grundsätzlich nebeneinander anwendbar. Im Konfliktfall setzt sich allerdings das EG-Kartellrecht wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts durch.526 bb) Der Tatbestand des Art. 81 EG Nach Art. 81 Abs. 1 EG sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhal524 EuGH Rs. C-19 / 92, Kraus, Slg. 1993, I-1663 (1694 f., 1697) Rn. 18 ff., 32; EuGH Rs. C-255 / 97, Pfeiffer, Slg. 1999, I-2835 (2860 f.) Rn. 19; Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 678 f.; Hatje, Jura 2003, 164; Randelzhofer / Forsthoff, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, Art. 43 EG Rn. 89 ff.; Dörr, AfP 2003, 207. 525 So EuGH Rs. C-69 / 88, Krantz, Slg. 1990, I-583 (597) Rn. 11 zur Warenverkehrsfreiheit und EuGH C-190 / 98, Graf, Slg. 2000, I-493 (523) Rn. 25 zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Wegen des Parallelismus der Grundfreiheiten ist diese Einschränkung aber auch auf die Niederlassungsfreiheit übertragbar, Deckert / Schroeder, JZ 2001, 98 f. 526 Bunte, Kartellrecht, 2003, S. 349; Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 809 f.

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tensweisen verboten, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Die Anwendbarkeit des Art. 81 Abs. 1 EG setzt also zunächst voraus, daß eine Maßnahme geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinflussen. Diese sogenannte Zwischenstaatlichkeitsklausel dient dazu, den sachlichen Anwendungsbereich der EG-Wettbewerbsvorschriften festzulegen, auch im Verhältnis zum nationalen Recht.527 Die Klausel wird weit ausgelegt. Dem Europäischen Gerichtshof zufolge ist es ausreichend, daß eine Maßnahme aufgrund der gesamten Umstände geeignet ist, unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise zu beeinträchtigen, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein kann.528 Wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen, die nur örtlich begrenzte Auswirkungen zeitigen, unterfallen hingegen nicht dem EG-Kartellrecht.529 Allerdings ist damit wettbewerbsbeschränkendes Handeln, das sich auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates beschränkt, nicht automatisch vom Anwendungsbereich des EG-Kartellrechts ausgenommen. Im Gegenteil, derartige Verhaltensweisen erfüllen sogar regelmäßig die Zwischenstaatlichkeitsklausel, da sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte festigen.530 Doch auch unter Berücksichtigung der eben genannten Maßstäbe fehlt es im vorliegenden Fall an der Eignung zur Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Die Presseselbstkontrolle erstreckt sich zwar seit jeher auf das gesamte Bundesgebiet. Importierte ausländische Zeitungen unterfallen der Presseselbstkontrolle aber nicht.531 Auch wird die Aufnahme einer geschäftlichen Tätigkeit durch sie nicht behindert.532 Daher ist eine Auswirkung auf die Handelsströme zwischen den Mitgliedstaaten bislang nicht ersichtlich.533 Art. 81 Abs. 1 EG greift bis dato folglich nicht ein.534 Bunte, Kartellrecht, 2003, S. 370. EuGH Rs. 56 / 65, LTM / Maschinenbau Ulm, Slg. 1966, 281 (303); EuGH verb. Rs. 56 / 64 und 58 / 64, Consten und Grundig, Slg. 1966, 321 (389); Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 Rn. 119. 529 EuGH verb. Rs. 56 / 64 und 58 / 64, Consten und Grundig, Slg. 1966, 321 (389); Grill, in: Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag, 2. Aufl. 1999, Vorbem. Art. 81 – 86, Rn. 13. 530 EuGH Rs. 8 / 72, Cementhandelaren, Slg. 1972, 977 (991) Rn. 28 / 30. 531 Vgl. Teil 5 F I 3. 532 Vgl. auch Teil 5 H II 2 a). Zu diesen bei der Zwischenstaatlichkeitsklausel bedeutsamen Kriterien Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 Rn. 127. 533 Selbst wenn man noch eine Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel bejaht, fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Spürbarkeit. Zum Merkmal der Spürbarkeit EuGH Rs. 5 / 69, Völk, Slg. 1969, 295 (302) Rn. 5; EuGH Rs. 19 / 77, Miller / International, Slg. 1978, 131 (150 f.) Rn. 15. Denn die Kommission hat sogar für nationale Buchpreisbindungssysteme, die den Unternehmen wesentlich stärkere Bindungen auferlegen als die Presse527 528

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c) Verletzung von Sekundärrecht? Speziell auf die Presse bezogenes Sekundärrecht, insbesondere Richtlinien, existieren bisher nicht.535 Allerdings können Regelungen aus anderen Rechtsbereichen das Pressewesen beeinflussen.536 Soweit der „traditionelle“ Aufgabenbereich der Presseselbstkontrolle betroffen ist, stehen der Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins aber bislang keine sekundärgemeinschaftsrechtlichen Schranken entgegen.537

d) Etwaiger Verstoß gegen Gemeinschaftsgrundrechte aa) Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union wurde am 7. Dezember 2000 vom Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission feierlich verkündet.538 Sie enthält erstmals einen umfassenden schriftlichen Katalog der Grund- und Menschenrechte für die Europäische Union, in dem unter anderem die Meinungs- und Medienfreiheit verankert sind, Art. 11 der Charta.539 Eine umfassende Gewährleistung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wie im Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG findet sich hingegen nicht. Doch schützt die Charta gewisse Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, wie die Achtung des Privat- und Familienlebens, Art. 7 der Charta, und den Schutz personenbezogener Daten, Art. 8 der Charta. selbstkontrolle, festgestellt, daß sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht spürbar beeinträchtigen, siehe Nachrichten, AfP 2002, 211. 534 Aufgrund der einheitlichen Auslegung der Zwischenstaatlichkeitsklausel in Art. 81 EG und Art. 82 EG, Jung, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, Art. 82 EG Rn. 261, muß daher auch auf die letztgenannte Vorschrift nicht näher eingegangen werden. 535 Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 40 f. 536 Dörr, AfP 2003, 208. Eine Richtlinie, die auch die Presse betraf, war die Richtlinie 98 / 43 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zu Gunsten von Tabakerzeugnissen vom 6. Juli 1998, ABl. 1998 Nr. L 213, S. 9. Allerdings wurde diese Richtlinie vom Europäischen Gerichtshof für nichtig erklärt, EuGH Rs. C-376 / 98, Deutschland / Parlament und Rat, Slg. 2000, I-8419 (8532) Rn. 118. Mittlerweile wurde eine revidierte Richtlinie verabschiedet, Richtlinie 2003 / 33 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen vom 26. Mai 2003, ABl. 2003 Nr. L 152, S. 16. 537 Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 40. 538 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000, ABl. 2000 Nr. C 364, S. 1. 539 Vgl. zur Auslegung des Art. 11 der Charta Schwarze, AfP 2003, 210 ff.

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Allerdings entfalten diese Gewährleistungen noch keine rechtlichen Wirkungen in dem Sinne, daß sich der einzelne darauf berufen könnte. Denn die Grundrechtscharta wird überwiegend lediglich als politische Deklaration verstanden.540 Selbst wenn man darüber hinausgehend eine Selbstbindung des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Rates annimmt,541 kann dies auf keinen Fall für den Europäischen Gerichtshof im Rahmen seiner Rechtsprechungstätigkeit gelten. Denn damit würde aufgrund der Wirkung seiner Urteile im Ergebnis doch eine Bindung Dritter herbeigeführt.542 Indes enthält die Charta zumindest Hinweise für die Ermittlung der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen und macht die vom Europäischen Gerichtshof hergeleiteten Gemeinschaftsgrundrechte sichtbarer.543 Sie kann also wenigstens zur Bestätigung und Konkretisierung der Gemeinschaftsgrundrechte herangezogen werden.544 Eine unmittelbare Überprüfung anhand der Charta erfolgt bis dato allerdings nicht.

bb) Die Gemeinschaftsgrundrechte als ungeschriebene Rechtsgrundsätze (a) Quellen der Gemeinschaftsgrundrechte und Verhältnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention Die Gemeinschaftsgrundrechte sind Bestandteil der vom Europäischen Gerichtshof entwickelten und zum Primärrecht zählenden allgemeinen Rechtsgrundsätze.545 Zu ihrer Herleitung dienen als Rechtserkenntnisquellen in erster Linie die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und diejenigen völkerrechtlichen Verträge zum Schutz der Menschenrechte, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind, insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention.546 540 Calliess, EuZW 2001, 267; Dörr / Zorn, NJW 2001, 2842; Grabenwarter, DVBl. 2001, 11; Schmitz, JZ 2001, 835. 541 Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rn. 24; Alber, EuGRZ 2001, 350, letzterer allerdings nicht für den Rat. 542 Alber, EuGRZ 2001, 351. 543 Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rn. 27; Alber, EuGRZ 2001, 351; vgl. auch Abs. 4 Präambel der Charta. 544 Cole / Haus, JuS 2003, 765; Dörr / Zorn, NJW 2001, 2842; Grabenwarter, DVBl. 2001, 11. Von den Generalanwälten und dem Gericht erster Instanz wird die Charta inzwischen als Argumentationsstütze herangezogen, vgl. EuG Rs. T-54 / 99, max.mobil, Slg. 2002, II-313 (337) Rn. 57; GA Jacobs Rs. C-377 / 98, Niederlande / Parlament und Rat, Slg. 2001, I-7079 (7140, 7143) Rn. 197, 210; siehe auch Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rn. 25 m. w. N. Der Europäische Gerichtshof hat die Charta in seinen Entscheidungen noch nicht angesprochen, Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rn. 25. 545 Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 354. 546 EuGH Rs. 11 / 70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125 (1135) Rn. 4; EuGH Rs. 4 / 73, Nold, Slg. 1974, 491 (507) Rn. 13; EuGH Rs. 374 / 87, Orkem, Slg. 1989, 3283 (3350 f.) Rn. 30 f. Inzwischen stützt sich der Europäische Gerichtshof teilweise auch

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Teilweise wird auch das „soft law“ der Europäischen Gemeinschaft zum Grundrechtsschutz547 zumindest als Argumentationsstütze herangezogen.548 Bestätigt wurde die Herleitung und Existenz der Grundrechte durch Art. 6 Abs. 2 EU, der auch für die Europäische Gemeinschaft und ihre Organe gilt, vgl. Art. 1 Abs. 3 EU und Art. 46 lit. d EU.549 Eine unmittelbare Bindung an die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Judikate des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besteht hingegen nicht, da die Europäische Union bzw. die Europäische Gemeinschaft der Europäischen Menschenrechtskonvention bisher nicht beigetreten ist.550 (b) Verletzung der Gemeinschaftsgrundrechte durch die Organe der Europäischen Gemeinschaft? Eine Verletzung der Gemeinschaftsgrundrechte durch aktives Handeln scheidet bis dato aus, da die Europäische Gemeinschaft im Bereich der Presseselbstkontrolle noch nicht rechtssetzend tätig geworden ist. Es kommt allenfalls ein Verstoß durch Unterlassen in Frage. Dies würde voraussetzen, daß man aus den Gemeinschaftsgrundrechten Handlungspflichten ableiten kann.551 Selbst wenn man aber Handlungsgebote auf der Grundlage von gemeinschaftsgrundrechtlichen Schutzpflichten bejaht, ist zu beachten, daß diese sich nur aktualisieren, wenn bereits eine Kompetenz der Gemeinschaft besteht,552 und daß die Frage ihrer Verletzung lediglich einer Evidenzkontrolle unterliegt.553 Mangels grenzüberschreitender Bedeutung der deutschen Presseselbstkontrolle und des damit einhergehenden fehlenden Bezugs zum Gemeinschaftsrecht ist hier jedoch wohl bereits eine Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft abzulehnen.554 Zumindest fehlt es aber bislang an auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, siehe EuGH Rs. C-68 / 95, Familiapress, Slg. 1997, I-3689 (3717) Rn. 26. 547 Z. B. die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rats und der Kommission vom 5. April 1977, ABl. 1977 Nr. C 103, S. 1. 548 EuGH Rs. C-222 / 84, Johnston / Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary, Slg. 1986, 1663 (1682) Rn. 18; Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 484. 549 Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 358; Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rn. 2. 550 Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rn. 17; vgl. auch EuGH Gutachten 2 / 94, EMRK, Slg. 1996, I-1759 ff. 551 Bejahend Szczekalla, DVBl. 1998, 221 f.; Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, passim; Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1992, S. 206 f.; Gersdorf, AöR Bd. 119 (1994), S. 417. Ablehnend zu Schutzpflichten der Gemeinschaftsorgane und der Mitgliedstaaten Schilling, EuGRZ 2000, 33, 36. 552 Gersdorf, AöR Bd. 119 (1994), S. 418; Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 601 f. 553 Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 1040 ff. 554 Antwort von Herrn Pinheiro im Namen der Kommission auf die schriftliche Anfrage E-2337 / 93 vom 29. November 1993, ABl. 1994 Nr. C 234, S. 45; Rübenach, Europäisches Presserecht, 2000, S. 197 ff.; Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 126 ff.

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einem evidenten Verstoß, da es bisher keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt, die eine Handlungspflicht z. B. zugunsten der Privatsphäre555 oder zugunsten der Meinungs- bzw. Pressefreiheit556 auslösen könnten. (c) Verstoß gegen die Gemeinschaftsgrundrechte durch die Bundesrepublik Deutschland? Anknüpfungspunkt kann hier ebenfalls nur ein Verstoß gegen Handlungspflichten sein. Doch sind die Mitgliedstaaten lediglich an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden, wenn sie im Anwendungsbereich des EG-Rechts agieren.557 Hier greifen aber bis dato weder die Grundfreiheiten noch das EG-Kartellrecht ein. Ebensowenig war vor 2001 sekundäres Gemeinschaftsrecht umzusetzen. Daher bestand vor 2001 insoweit keine Bindung der Bundesrepublik Deutschland an die Gemeinschaftsgrundrechte. (d) Verletzung durch den Trägerverein des Deutschen Presserats? Um eine Verletzung der Gemeinschaftsgrundrechte durch den Trägerverein des Deutschen Presserats annehmen zu können, müßten die Gemeinschaftsgrundrechte unmittelbare Drittwirkung entfalten. Der Europäische Gerichtshof hat sich hierzu noch nicht ausdrücklich geäußert. Doch spricht gegen eine unmittelbare Drittwirkung, daß dies zu einer übermäßigen Einschränkung der Privatautonomie führen würde.558 Daher kommt eine Verletzung der Gemeinschaftsgrundrechte durch Private, und damit auch durch den Trägerverein des Deutschen Presserats, der selbst Grundrechtsträger ist, nicht in Betracht.

555 EuGH Rs. C-62 / 90, Kommission / Deutschland, Slg. 1992, I-2575 (2609) Rn. 23; EuGH Rs. C-404 / 92 P, X / Kommission, Slg. 1994, I-4737 (4789) Rn. 17; vgl. auch Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rn. 82 ff. 556 EuGH Rs. C-68 / 95, Familiapress, Slg. 1997, I-3689 (3717) Rn. 25 f. Wie in Art. 10 EMRK wird die Pressefreiheit als Teil der Meinungsfreiheit geschützt, Schwarze, ZUM 2002, 91 Fn. 18. Siehe zu Art. 10 EMRK u. a. EGMR EuGRZ 1979, 386 ff. (Sunday-Times) oder EGMR EuGRZ 1991, 216 ff. (Oberschlick). 557 EuGH Rs. 5 / 88, Wachauf, Slg. 1989, 2609 (2639 f.) Rn. 19; EuGH Rs. C-260 / 89, ERT, Slg. 1991, I-2925 (2964) Rn. 43; Cole / Haus, JuS 2003, 761. 558 Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1992, S. 200; Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 367 f.; vgl. auch Art. 51 Abs. 1 der Charta. Allerdings schließt das nicht aus, eine mittelbare Drittwirkung anzunehmen. Diese stellt sich dann aber nur noch als Teilaspekt der gemeinschaftsgrundrechtlichen Schutzpflichten dar, Gersdorf, AöR Bd. 119 (1994), S. 420 f. Borchardt, in: Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag, 2. Aufl. 1999, Art. 220 Rn. 35 hält dagegen eine unmittelbare Drittwirkung für vorstellbar, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen den privaten Parteien nach Gemeinschaftsrecht richtet.

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e) Ergebnis zu Punkt 2. Die Presseselbstkontrolle durch den Deutschen Presserat und seinen Trägerverein verstieß in ihrer bis 2001 bestehenden Gestalt nicht gegen EG-Recht.

3. Europarechtliche Zulässigkeit von Organisation und Tätigkeit des Trägervereins des Deutschen Presserats nach der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz a) Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten Soweit die Grundfreiheiten trotz der EG-Datenschutzrichtlinie von Bedeutung sind,559 scheidet jedenfalls eine Verletzung aus. Denn auch wenn man aufgrund des Drucks seitens der öffentlichen Gewalt, der zur Etablierung der Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz führte, eine staatliche Maßnahme bejahen kann,560 fehlt es zumindest an einer relevanten Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 EG, und der Niederlassungsfreiheit, Art. 43 EG.561

b) Wahrung der kartellrechtlichen Vorgaben Ein möglicher Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG durch den Staat,562 den Trägerverein des Deutschen Presserats oder durch die zwischen dem Trägerverein und den Presseorganen geschlossenen Rügenabdruckvereinbarungen scheitert an der fehlenden Eignung, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinflussen.563

559 So bezieht sich die EG-Datenschutzrichtlinie nur auf natürliche Personen, Art. 1 Abs. 1 EG-Datenschutzrichtlinie, d. h. hinsichtlich juristischer Personen bleibt es auf jeden Fall bei der unmittelbaren Anwendbarkeit der Grundfreiheiten, Brühann, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, A 30, Art. 1 Rn. 6. Aber auch im Anwendungsbereich des Sekundärrechts spielen die Grundfreiheiten eine Rolle. Denn das Sekundärrecht darf nicht gegen das primäre Gemeinschaftsrecht verstoßen. Daher muß die EG-Datenschutzrichtlinie, soweit möglich, so ausgelegt werden, daß sie nicht die Grundfreiheiten verletzt und damit nichtig ist. Bei der Umsetzung in das nationale Recht ist damit die Richtlinie in ihrer primärrechtskonformen, d. h. nicht gegen die Grundfreiheiten verstoßenden Auslegung maßgeblich, vgl. EuGH Rs. C-315 / 92, Clinique, Slg. 1994, I-317 (335) Rn. 12; Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 742, 765. 560 Vgl. Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 263 ff. Ein Verzicht ist nicht möglich, da die Grundfreiheiten nicht allein dem Schutz des einzelnen dienen. 561 Siehe Teil 5 H II 2 a). 562 Vgl. zum Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften durch den Staat Art. 81 Abs. 1 EG i.V.m. Art. 10 EG und Art. 3 lit. g sowie Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, Art. 81 Rn. 14. 563 Siehe Teil 5 H II 2 b) bb).

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c) Etwaige Verletzung von Sekundärrecht aa) Die Anforderungen des Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie Nach Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie sehen die Mitgliedstaaten für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen und Ausnahmen von diesem Kapitel, d. h. Kapitel II, sowie von den Kapiteln IV und VI nur insofern vor, als sich dies als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen. Von den Kapiteln II, IV und VI der Richtlinie dürfen also Ausnahmen vorgesehen werden, allerdings nur, soweit sie notwendig sind, um vor allem das Recht auf Privatsphäre mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu vereinbaren.564 Dies erfordert eine Abwägung der betroffenen Rechte. Dabei dürfen unter anderem bereits bestehende Schutzmöglichkeiten berücksichtigt werden, wie die Rechtsbehelfe, über die der Betroffene verfügt, oder die Existenz eines Verhaltenskodex.565 bb) Die Umsetzung in das deutsche Recht In Deutschland wurde vom Bundesgesetzgeber mit der Rahmenvorschrift des § 41 Abs. 1 BDSG nur das absolute Minimum dessen umgesetzt, was die Richtlinie zwingend vorschreibt. Auch die Länder haben bei Erlaß der erforderlichen landesrechtlichen Normen kaum weitergehende Regelungen getroffen.566 Im übrigen wird von staatlicher Seite auf die vom Deutschen Presserat im Wege der Selbstregulierung zu erlassenden ergänzenden Vorschriften und Maßnahmen verwiesen.567 cc) Vereinbarkeit des deutschen Systems der regulierten Selbstregulierung mit Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie (a) Allgemeine Anforderungen an die Richtlinienumsetzung in nationales Recht Nach Art. 249 Abs. 3 EG ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Die Mitgliedstaaten 564 Vgl. die Erwägungsgründe 17 und 37 zur EG-Datenschutzrichtlinie und die Begründung zu Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie, letztere abgedruckt bei Brühann, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, A 30, Art. 9 bzw. in der Begründung vom 27. November 1992, ABl. 1992 Nr. C 311, S. 19. 565 Begründung zu Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie, siehe Fn. 564; Brühann, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, A 30, Art. 9 Rn. 10. 566 Siehe zu den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen Fn. 114. 567 BTag-Drs. 14 / 4329, S. 46; vgl. auch Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 6.

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müssen aber stets einen eindeutigen gesetzlichen Rahmen schaffen, um die vollständige Anwendung der Richtlinie in rechtlicher und nicht nur tatsächlicher Hinsicht zu gewährleisten.568 Dazu genügt auch ein allgemeiner rechtlicher Rahmen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in so klarer und bestimmter Weise gewährleistet, daß – soweit die Richtlinie dem einzelnen Ansprüche verleihen soll – die Begünstigten in der Lage sind, von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese erforderlichenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.569 Die Einhaltung dieser Vorgaben ist im folgenden zu prüfen, da die EG-Datenschutzrichtlinie individuelle Ansprüche begründen soll, vgl. z. B. Art. 12 EGDatenschutzrichtlinie und Art. 14 EG-Datenschutzrichtlinie, die jedoch aufgrund von Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie ausgeschlossen werden können. (b) Richtlinienkonformität des deutschen Modells der regulierten Selbstregulierung Ausgangspunkt für die Prüfung der Richtlinienkonformität des deutschen Modells ist nicht die umstrittene Frage, inwieweit durch informale Absprachen und Selbstregulierung Richtlinien umgesetzt werden können.570 Der Europäische Gerichtshof schließt diese Möglichkeit zwar nicht von vornherein aus, verlangt aber eine gesetzliche Festlegung der erforderlichen Voraussetzungen.571 Einen derart konkreten gesetzlichen Rahmen bietet § 41 Abs. 1 BDSG aber nicht.572 Betrachtet man Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie nebst Begründung, erkennt man vielmehr, daß es hier nicht um das „Wie“ der Umsetzung geht, sondern darum, inwieweit sich ein Mitgliedstaat bei der Einschätzung des Umsetzungsbedarfs durch die Existenz von Selbstkontrolleinrichtungen beeinflussen lassen darf. Anders gewendet geht es um den erforderlichen Umfang, also das „Ob“ der Richtlinienumsetzung durch den Mitgliedstaat.573 Wenn Abweichungen und Ausnahmen von der 568 EuGH Rs. C-340 / 96, Kommission / Vereinigtes Königreich, Slg. 1999, I-2042 (2051) Rn. 27. 569 EuGH Rs. C-59 / 89, Kommission / Deutschland, Slg. 1991, I-2607 (2631) Rn. 18. 570 Bejahend Becker, DÖV 1985, 1007; ablehnend Bohne, VerwA Bd. 75 (1984), S. 362 f.; differenzierend Kloepfer, AfP 2000, 517; Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 39 f. 571 EuGH Rs. C-340 / 96, Kommission / Vereinigtes Königreich, Slg. 1999, I-2042 (2051) Rn. 32; Geiger, EUV / EGV, 3. Aufl. 2000, Art. 249 EGV Rn. 9; Roßnagel / Pfitzmann / Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts, 2001, S. 154; vgl. aber auch EuGH Rs. C-255 / 93, Kommission / Frankreich, Slg. 1994, I-4949 (4967 ff.) Rn. 20 ff. 572 Zudem fehlt es an einer flächendeckenden Verbindlichkeit der Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz, da nicht alle Verlagsunternehmen eine Rügenabdruckverpflichtung abgegeben haben; siehe zu diesem Kriterium Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 152 f. Das gegenwärtige Modell wäre für die korrekte Umsetzung der EG-Datenschutzrichtlinie daher nicht ausreichend. 573 Mißverständlich daher Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 12.

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Richtlinie vorgenommen werden sollen, verlangt Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie eine Abwägung. Daß diese vom deutschen Gesetzgeber ordnungsgemäß vorgenommen wurde, unterliegt jedoch ernstzunehmenden Zweifeln.574 Zwar ist vom Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein mit der Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz ein für die Abwägung relevantes System der Selbstregulierung eingeführt worden. Auch hat sich der Staat nicht vollständig aus seiner Verantwortung zurückgezogen, da gegen die Entscheidungen des Deutschen Presserats und seiner Gremien gerichtlich vorgegangen werden kann.575 Doch beteiligen sich an der Presseselbstkontrolle nicht alle Verlagsunternehmen,576 was die Bedeutung der Selbstregulierung als Abwägungskriterium stark mindert. Zudem will die Richtlinie die Exemtionen eng gefaßt wissen, so daß die fast vollständige pauschale Herausnahme der Presse aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie bedenklich ist.577 Selbst wenn man eine ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung durch den deutschen Gesetzgeber verneint, folgt daraus aber nicht automatisch die Unzulässigkeit der Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz. § 41 Abs. 1 BDSG verstieße zwar gegen EG-Recht und es bestünde, da auch die Selbstkontrolle für eine korrekte Richtlinienumsetzung nicht ausreicht und damit die gesetzlichen Mängel nicht kompensieren kann, eine Nachbesserungspflicht des Bundes bzw. der Landesgesetzgeber578. Die informale Absprache erwiese sich ebenfalls als rechtswidrig. Denn die seitens des Staates zugesagte Zurückhaltung bei der Gesetzgebung wäre unzulässig.579 Doch ist die Vereinbarkeit der Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz mit dem EG-Recht dadurch nicht berührt. Für den Gesetzgeber stellt sie nämlich allein ein Abwägungskriterium für den Handlungsbedarf bei der Richtlinienumsetzung dar. Mängel des § 41 Abs. 1 BDSG können daher nicht auf die Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz „durchschlagen“. Auch die Rechtswidrigkeit der informalen 574 Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 6; Walz, in: Bizer u. a. (Hrsg.), FG Büllesbach, 2002, S. 306 f.; Kloepfer, AfP 2000, 517 f. 575 Siehe Teil 5 F III. Keine Bedenken werden geäußert in Gola / Schomerus, BDSG, 7. Aufl. 2002, § 41 Rn. 2; vgl. auch Lerche, EG-Datenschutzrichtlinie und Pressefreiheit, 1996, passim. 576 Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 6. 577 Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 6; Brühann, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, A 30, Art. 9 Rn. 9; Kloepfer, AfP 2000, 517; Lazarakos, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg, 2003, S. 120, 132 f. 578 Vgl. zum Vorschlag einer landesrechtlichen Vollregelung zum Presseprivileg jedenfalls insoweit, als der vom Deutschen Presserat eingeführte Redaktionsdatenschutz nicht greift, Walz, in: Bizer u. a. (Hrsg.), FG Büllesbach, 2002, S. 307 f.; § 11a S. 2 HmbPrG. 579 Auf die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hat dies allerdings keine Auswirkungen, da die Vereinbarkeit mit dem EG-Recht einen eigenständigen Prüfungspunkt bei der materiellen Zulässigkeit normvertretender und -vorbereitender Absprachen bildet, Köpp, Normvermeidende Absprachen zwischen Staat und Wirtschaft, 2001, S. 10 f., 242 ff. Aber selbst wenn man die regulierte Selbstregulierung für grundgesetzwidrig hielte, würde damit die Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz durch den Deutschen Presserat nicht unzulässig, da dies aus den schon genannten Gründen den Interessen beider Parteien widersprechen würde. Es würde allein dem Staat obliegen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen.

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Absprache hätte keine Auswirkungen, da die Selbstkontrolle die „Leistung“ der Gegenseite, also der Presse darstellt und daher eine getrennte Beurteilung ihrer Zulässigkeit erfolgen muß. Auch kann bei der Absprache kein Konnex in dem Sinne angenommen werden, daß mit der Rechtswidrigkeit der staatlichen Zusage auch die Zusagen seitens der Presse hinfällig werden. Das widerspräche den Interessen beider Parteien, da dann der Redaktionsdatenschutz bis zur Nachbesserung durch den Gesetzgeber gar nicht mehr gewährleistet wäre und damit unter Umständen Regelungen erforderlich würden, die die Presse noch stärker beeinträchtigen. Selbst wenn die Richtlinienumsetzung durch den deutschen Gesetzgeber also nicht korrekt erfolgt wäre und die informale Absprache gegen Europarecht verstieße, hätte dies keine Auswirkungen auf die europarechtliche Zulässigkeit von Organisation und Tätigkeit der Presseselbstkontrolle im Bereich des Redaktionsdatenschutzes.

d) Möglicher Verstoß gegen Gemeinschaftsgrundrechte aa) Verletzung der Gemeinschaftsgrundrechte durch die Organe der Europäischen Gemeinschaft? Die durch Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie veranlaßte Aufgabenerweiterung beim Deutschen Presserat könnte eine Beeinträchtigung der Vereinigungsfreiheit580 darstellen.581 Aber selbst wenn man bei den Gemeinschaftsgrundrechten das individuelle Grundrechtsinteresse des Betroffenen berücksichtigt,582 ist eine Beeinträchtigung des Trägervereins des Deutschen Presserats hier zu verneinen. Der Europäische Gerichtshof hat sich zur Frage des Grundrechtseingriffs zwar noch nicht umfassend geäußert,583 doch nimmt er bei mittelbaren Auswirkungen regelmäßig keine Beeinträchtigung mehr an.584 Daher ist auch im vorliegenden Fall ein Eingriff zu verneinen. Der Zurechnung dieses Handelns an die Gemeinschaft stehen sowohl die Entscheidung des Mitgliedstaats über die Art und Weise der Umsetzung des Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie als auch die freiwillige Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz durch den Deutschen Presserat und seinen Trägerverein entgegen.585 580 EuGH Rs. C-415 / 93, Bosman, Slg. 1995, I-4921 (5065) Rn. 79; vgl. auch Art. 12 der Charta. 581 Gemeinschaftsgrundrechtliche Bedenken gegen Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie, die zur Nichtigkeit der Vorschrift führen würden, bestehen nicht, da die betroffenen Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit und die Privatsphäre bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, aufgrund des bei der Auslegung der Norm vorhandenen Spielraums zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden können. 582 Dazu Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rn. 121. 583 Cole / Haus, JuS 2003, 762. 584 Z. B. EuGH Rs. 116 / 82, Kommission / Deutschland, Slg. 1986, 2519 (2545) Rn. 27; Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rn. 121.

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Aus den gleichen Gründen lassen sich auch mögliche Grundrechtsbeeinträchtigungen durch die Tätigkeit des Deutschen Presserats im Rahmen des Redaktionsdatenschutzes nicht mehr der Europäischen Gemeinschaft zurechnen. Es kommt also allenfalls eine Grundrechtsbeeinträchtigung durch Unterlassen in Betracht, nämlich dann, wenn das Recht auf Datenschutz respektive auf Privatsphäre offensichtlich nicht mehr ausreichend gewährleistet wäre bzw. wenn die Rechte der Presse und der Rezipienten, insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit, die Informationsfreiheit586 sowie die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit587, durch die Presseselbstkontrolle erkennbar zu stark eingeschränkt würden. Eine derart evidente Schutzpflichtverletzung ist aber nicht ersichtlich.588 Daher scheidet eine Verletzung der Gemeinschaftsgrundrechte durch die Europäische Gemeinschaft aus. bb) Verstoß gegen die Gemeinschaftsgrundrechte durch die Bundesrepublik Deutschland? Die Gemeinschaftsgrundrechte sind nicht nur maßgeblich für die Beurteilung der Gültigkeit und die Interpretation der EG-Datenschutzrichtlinie, sondern auch für die Beurteilung der nationalen Umsetzungsakte.589 Das zeigt auch der Wortlaut des Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie, nach dem das Recht auf Privatsphäre und die Freiheit der Meinungsäußerung bei der Frage zu beachten sind, welche Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie gemacht werden dürfen. Die Bundesrepublik Deutschland hatte daher bei der Umsetzung des Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie, die durch § 41 Abs. 1 BDSG erfolgte, die Gemeinschaftsgrundrechte zu beachten. Allerdings ist hier nicht § 41 Abs. 1 BDSG Gegenstand der Prüfung, sondern die Zulässigkeit der Organisation und Tätigkeit der deutschen Presseselbstkontrolle. 585 Aufgrund der Mittelbarkeit fehlt es demzufolge auch an einer Beeinträchtigung der Mitglieder des Presserats und seines Trägervereins sowie der Angehörigen der Trägerverbände und ihrer Mitglieder. 586 Vgl. auch Art. 11 Abs. 1 der Charta; Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf (Hrsg.), Recht der Europäischen Union, nach Art. 6 EUV Rn. 111. 587 EuGH Rs. 234 / 85, Keller, Slg. 1986, 2897 (2912) Rn. 8; EuGH Rs. 104 / 97 P, Atlanta, Slg. 1999, I-6983 (7019 f.) Rn. 12; vgl. auch Art. 15 und 16 der Charta; Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rn. 107 ff. 588 Vgl. zu den aus dem Grundgesetz abgeleiteten Schutzpflichten Teil 5 H I 3 b) bb) (d) und (e). 589 Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1992, S. 189 f.; Schilling, EuGRZ 2000, 9 zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs; Jürgensen / Schlünder, AöR Bd. 121 (1996), S. 224. Die nationalen Grundrechte bleiben zumindest insofern anwendbar, als der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht einen von der Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum besitzt, BVerfG NJW 1990, 974 (974); zustimmend Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1992, S. 190.

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Soweit es um die durch staatlichen Druck veranlaßte Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz und die damit verbundene Tätigkeit des Deutschen Presserats geht, stellt sich daher schon die Frage, ob überhaupt noch die Gemeinschaftsgrundrechte als Maßstab heranzuziehen sind. Denn hier wird in einem Bereich agiert, der durch den Gesetzgeber gerade vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen wurde. Zumindest fehlt es aber an einer relevanten Beeinträchtigung, sollte man die Gemeinschaftsgrundrechte weiterhin für anwendbar halten.590 In Betracht kommt also nur noch eine Aktivierung gemeinschaftsgrundrechtlicher Schutzpflichten.591 Aber auch wenn man davon ausgeht, daß die Mitgliedstaaten Adressaten gemeinschaftsgrundrechtlicher Schutzpflichten sind,592 ist jedenfalls keine evidente Verletzung feststellbar.593

e) Zusammenfassung zu Punkt 3. Die seit 2001 reformierte Selbstkontrolle durch den Trägerverein des Deutschen Presserats und seine Gremien ist insgesamt mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar.594 Weder der Redaktionsdatenschutz noch die allgemeine Beschwerdearbeit kommen in Konflikt mit dem EG-Recht. Letztere hat zwar 2001 gewisse Änderungen erfahren. Insbesondere ist der Rügenabdruck bei Abschluß Vgl. Teil 5 H II 3 d) aa). Siehe zu den möglicherweise betroffenen Grundrechten Teil 5 H II 3 d) aa). 592 So Szczekalla, Schutzpflichten, 2002, S. 1068. 593 Siehe schon zu den aus dem Grundgesetz abgeleiteten Schutzpflichten Teil 5 H I 3 b) bb) (d) und (e). 594 Zu sonstigen internationalen Ansätzen, insbesondere auf europäischer Ebene, für eine Harmonisierung und Institutionalisierung der Presseselbstkontrolle vgl. Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 74 ff.; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 312 ff.; Rübenach, Europäisches Presserecht, 2000, S. 196 ff. Auch die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische Menschenrechtskonvention) soll nicht unerwähnt bleiben. Sie gilt in Deutschland im Rang eines einfachen Gesetzes, siehe Teil 3 A II 1 c) cc). Doch werden die Normen der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht nur als Interpretationshilfe für einfachgesetzliche Normen, sondern auch für das Grundgesetz herangezogen, sogenannte „völkerrechtskonforme Auslegung“, BVerfGE 74, 358 (370); Schweitzer, Staatsrecht III, Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht, 7. Aufl. 2000, Rn. 710. Die Vorgaben dieses völkerrechtlichen Vertrages können für die Selbstkontrolle im Medienbereich und für das Verhältnis von Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz ebenfalls relevant werden, insbesondere Art. 8 EMRK und Art. 10 EMRK, vgl. Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 95, 113 ff.; Fahrenhorst, ZEuP 1998, 84 ff.; E. Klein, AfP 1994, 16 f. und Holoubek, AfP 2003, 193 ff. Allerdings bieten die Grundrechte und ihre Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht im hier untersuchten Bereich oftmals weitergehende und präzisere Vorgaben. Zudem führt die Prüfung anhand des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention auf diesem Gebiet regelmäßig zu identischen Ergebnissen, E. Klein, AfP 1994, 17. Daher wird auf eine nähere Erörterung der Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention verzichtet. 590 591

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einer entsprechenden Vereinbarung nun rechtlich verpflichtend. Doch wirkt sich dies auf die europarechtliche Beurteilung nicht aus, so daß das bereits für die Organisation und Tätigkeit vor 2001 gewonnene Ergebnis weiterhin Geltung beansprucht. 4. Fazit zu Punkt II. Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins unterliegen keinen europarechtlichen Bedenken. Für die traditionelle Selbstkontrolle mangelt es schon an Berührungspunkten mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft: Bei der Warenverkehrsfreiheit ist bereits die Drittwirkung fraglich. Jedenfalls fehlt es aber bei ihr und bei der Niederlassungsfreiheit an einer relevanten Beschränkung, so daß die Grundfreiheiten weder durch Tun noch Unterlassen seitens des Trägervereins des Deutschen Presserats oder der Bundesrepublik Deutschland verletzt werden konnten bzw. können. Auch Art. 81 Abs. 1 EG greift nicht ein, da es an der Eignung fehlt, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinflussen. Relevantes Sekundärrecht existiert nicht. Die an die Europäische Gemeinschaft und (in begrenztem Umfang) an die Mitgliedstaaten adressierten Gemeinschaftsgrundrechte greifen mangels Berührungspunkten mit dem Gemeinschaftsrecht ebenfalls nicht ein. Die Grundrechtscharta hat aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit keine eigenständige Bedeutung. Auch die 2001 hinzugekommene Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz verletzt das EG-Recht nicht. Für die Grundfreiheiten, soweit sie anwendbar sind, und das Kartellrecht gilt das zur traditionellen Selbstkontrolle Gesagte. Ob die Umsetzung des Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie durch die Bundesrepublik Deutschland korrekt erfolgte, unterliegt zumindest Zweifeln, die sich aber nicht auf die Zulässigkeit der Selbstkontrolle auswirken. Die Gemeinschaftsgrundrechte greifen hier zwar ein, doch werden sie weder von der Europäischen Gemeinschaft noch von der Bundesrepublik Deutschland durch Tun oder Unterlassen verletzt, so daß sich auch insoweit keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Presseselbstkontrolle ergeben.

III. Presseselbstkontrolle und einfaches Recht Nach der Prüfung, ob die Presseselbstkontrolle mit dem Grundgesetz und EGRecht vereinbar ist, gilt es im folgenden Abschnitt noch zu eruieren, ob einfaches Recht verletzt wird.

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1. Vereinbarkeit mit den Landespressegesetzen595 Soweit die Landespressegesetze allein die in der Verfassung verankerten Gewährleistungen der Pressefreiheit wiedergeben,596 bestehen gegen die Zulässigkeit von Organisation und Tätigkeit des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Gremien keine Bedenken, da die Vereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1, 2 GG bereits geklärt wurde.597 Zweifel wecken allein die landesrechtlichen Regelungen, die Berufsorganisationen der Presse mit Zwangsmitgliedschaft und eine mit hoheitlicher Gewalt ausgestattete Standesgerichtsbarkeit der Presse verbieten.598 Zweck der Vorschriften ist es, eine staatlich kontrollierte Selbstkontrolle der Presse in Gestalt öffentlich-rechtlicher Zwangskörperschaften (Pressekammern) zu verhindern.599 Der Deutsche Presserat und sein Trägerverein stellen aber keine Berufskammern im Sinne dieser Normen dar. Denn sie beruhen auf einem freiwilligen Zusammenschluß und üben keine mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Standesgerichtsbarkeit aus.600 Die Presseselbstkontrolle in ihrer gegenwärtigen Form ist folglich mit den Vorgaben in den Landespressegesetzen vereinbar.

2. Verletzung vereinsrechtlicher Vorschriften? Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit vereinsrechtlichen Regelungen ergeben sich daraus, daß der Deutsche Presserat und seine Beschwerdeausschüsse wegen Verstößen gegen den Pressekodex Sanktionen gegen die Beschwerdegegner verhängen. Es fragt sich, ob dies mit den Vorgaben für die Ausübung der Vereinsstrafgewalt im Widerspruch steht. Aus verbandsrechtlichen Beziehungen läßt sich eine Kompetenz des Deutschen Presserats und seiner Gremien zur Verhängung von Vereinsstrafen nicht ableiten. Denn weder sind die Verlage Mitglieder des Trägervereins, noch unterliegen sie 595 Die Vereinbarkeit mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften wird insgesamt an späterer Stelle, Teil 5 H III 4, geprüft, auch wenn alle Bundesländer die Vorgaben des § 41 Abs. 1 BDSG in den Landespressegesetzen umgesetzt haben. 596 Siehe insbesondere § 1 der Landespressegesetze, abgedruckt bei Bullinger, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 1 Rn. 1 ff. 597 Siehe Teil 5 H I 2 a) und 3 b) bb). 598 § 1 Abs. 4 LPrG [BW]; Art. 1 Abs. 3 BayPrG; § 1 Abs. 4 BerlPrG; § 1 Abs. 3 BbgPrG; § 1 Abs. 4 BremPrG; § 1 Abs. 4 HmbPrG; § 1 Abs. 4 LPrG M-V; § 1 Abs. 3 NdsPrG; § 1 Abs. 4 LPrG NRW; § 1 Abs. 4 RhPfPrG; § 3 Abs. 4 SMG; § 1 Abs. 3 SächsPresseG; § 1 Abs. 3 SachsAnhPrG; § 1 Abs. 4 SHPrG; § 1 Abs. 3 TPG. Eine Sonderstellung nimmt in diesem Zusammenhang Hessen ein, in dessen Landespressegesetz ein Verbot von Berufsorganisationen der Presse mit Zwangsmitgliedschaft fehlt. Das Verbot der berufsständischen Gerichtsbarkeit findet sich in § 2 Abs. 3 S. 2 HPresseG. 599 Bullinger, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 1 Rn. 184. 600 So auch Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 182 mit Fn. 1035.

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aufgrund korrespondierender Satzungsbestimmungen seiner Strafgewalt.601 Gegenüber Nichtmitgliedern sind Sanktionen aber grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie haben durch Individualvereinbarung die Strafgewalt des Vereins anerkannt.602 Soweit die Presseorgane Rügenabdruckerklärungen unterschrieben haben, kann man darin die Anerkennung der Sanktionsgewalt des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse sehen. Daher bestehen gegen die Beschwerdearbeit insoweit keine Bedenken. Doch gibt es auch eine Reihe von Verlagen, die sich weigern, am System der Selbstkontrolle teilzunehmen, gegen die aber nichtsdestoweniger Sanktionen verhängt werden.603 Mit Blick auf die vereinsrechtlichen Vorschriften ist aber auch das nicht zu beanstanden. Bedenken bestünden nur, wenn die Maßnahmen rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen würden. Das ist aber nur der Fall, wenn eine Verpflichtung zum Rügenabdruck unterzeichnet wurde. Gerade diese Unterschrift haben die „Verweigerer“ aber nicht geleistet. Daher unterliegt die Beschwerdearbeit zumindest in vereinsrechtlicher Hinsicht keinen rechtlichen Zweifeln, unabhängig davon, ob man die Tätigkeit des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse als Ausübung von Vereinsstrafgewalt einstuft oder nicht. Da auch bezüglich der übrigen vereinsrechtlichen Vorschriften keine Bedenken bestehen, ist die vereinsrechtliche Zulässigkeit von Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins zu bejahen.

3. Mögliche Verletzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Der Deutsche Presserat und sein Trägerverein bemühen sich, das Verhalten der Presseschaffenden zu beeinflussen. Darin könnte ein Verstoß gegen kartellrechtliche Vorschriften liegen. Im folgenden werden zunächst die möglicherweise einschlägigen Tatbestände des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen dargestellt. Anschließend wird erörtert, ob für den Fall, daß man prinzipiell einen der Tatbestände bejaht hat, nicht ausnahmsweise doch von der Zulässigkeit des Handelns auszugehen ist. a) Das Kartellverbot, § 1 GWB § 1 GWB verbietet Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufSiehe Teil 5 F IV 2 b) aa). Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 25 Rn. 15. 603 Vgl. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 310; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 430; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 287 f.; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 354 f. 601 602

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einander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs, kurz eine Wettbewerbsbeschränkung,604 bezwecken oder bewirken.

aa) Kartellrechtlich relevantes Verhalten des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins Wettbewerbsrechtliche Relevanz kann mehreren Handlungen zukommen: (a) Die normvertretende und -vorbereitende Absprache mit dem Staat Zum einen ist die normvertretende und -vorbereitende Absprache mit dem Staat zu untersuchen. Hier fehlt es allerdings an einer Vereinbarung zwischen Unternehmen. Zwar kann auch die öffentliche Hand nach dem im Kartellrecht vorherrschenden funktionalen Unternehmensbegriff, der durch jedwede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr erfüllt wird,605 grundsätzlich unternehmerisch tätig werden, vgl. § 130 Abs. 1 S. 1 GWB. Doch nimmt der Staat, wenn er solche Vereinbarungen trifft, nicht am Geschäftsverkehr teil. Sein Handeln ist vielmehr öffentlich-rechtlicher Natur.606 Mangels Unternehmenseigenschaft der öffentlichen Hand ist § 1 GWB daher insoweit nicht anwendbar. (b) Rügenabdruckverpflichtungen Doch könnten die Rügenabdruckverpflichtungen Vereinbarungen zwischen Unternehmen sein. Es läge dann eine besondere Form von Vereinbarungen vor, sogenannte Sternverträge. Diese sind dadurch charakterisiert, daß nicht ein Vertrag zwischen den Beteiligten geschlossen wird, sondern mehrere Vereinbarungen mit einem anderen, für alle identischen Partner getroffen werden.607 Nach der Neufassung des § 1 GWB608 müssen die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen aber miteinander im (potentiellen) Wettbewerb stehen. Abmachungen zwischen dem Trägerverein des Deutschen Presserats einerseits und den Presseunternehmen andererseits erfüllen diese Voraussetzung aber nicht. Im Wettbewerb stehen nur die Presseunternehmen untereinander. Daher fallen die Rügenabdruckvereinbarungen nicht unter § 1 GWB.609 Bechtold, GWB, 3. Aufl. 2002, § 1 Rn. 30. BGHZ 67, 81 (84). 606 Becker, DÖV 1985, 1009; vgl. auch Bechtold, GWB, 3. Aufl. 2002, § 1 Rn. 5. 607 Bunte, Kartellrecht, 2003, S. 57. 608 In Kraft getreten am 1. Januar 1999, vgl. die Fußnote zur amtlichen Überschrift des Gesetzes. 609 So Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 186, 340. A.A. Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1 Rn. 48 f. 604 605

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(c) Satzungserlaß Allerdings ist der Erlaß der Satzung des Trägervereins eine Vereinbarung, an der unter anderem Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen beteiligt sind.610 Doch stehen der BDZV und der VDZ bzw. die ihnen mittelbar angehörenden Unternehmen nicht miteinander im Wettbewerb, da die Mitglieder des einen Verbandes auf dem Zeitungsmarkt und die des anderen Verbandes auf dem Zeitschriftenmarkt tätig sind, so daß es an dem erforderlichen Wettbewerbsverhältnis611 fehlt. (d) Beschlüsse des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Gremien Die Änderung der Satzung im Zuge der Reformen zum Redaktionsdatenschutz und der Erlaß des Pressekodex und der Richtlinien könnten allerdings als Beschluß einer Unternehmensvereinigung anzusehen sein. Soweit die Beschlüsse zur Umsetzung der normvertretenden Absprache dienen, wird die Anwendbarkeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zwar angezweifelt mit der Begründung, daß bei gesetzlichen Maßnahmen § 1 GWB nicht anwendbar sei und horizontale Absprachen, die staatliche Vorschriften ersetzten, diesen gleichzustellen seien.612 Dagegen spricht jedoch, daß die horizontalen Koordinierungsformen dem Privatrecht unterfallen613 und daher das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen prinzipiell anwendbar bleibt.614 Um den Trägerverein des Deutschen Presserats615 als Unternehmensvereinigung einzuordnen, müßten in ihm zunächst einmal mindestens zwei Unternehmen zusammengeschlossen sein.616 Auch Dachverbände, deren Mitglieder Vereinigun610 § 1 GWB erfaßt auch Verträge unter Beteiligung von Unternehmensvereinigungen, Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 80. Ob der erstmalige Erlaß einer Satzung eine Vereinbarung oder einen Beschluß darstellt, ist streitig, vgl. Huber / Baums, in: Glassen u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 1 GWB a.F. Rn. 122 m. w. N. Doch kann dies dahingestellt bleiben, da § 1 GWB beide Koordinierungsformen gleichstellt. 611 Vgl. Bunte, Kartellrecht, 2003, S. 72. Man könnte noch überlegen, ob es für § 1 GWB in diesem Fall ausreichend ist, daß die Unternehmen der jeweiligen Unternehmensvereinigung miteinander im Wettbewerb stehen. Doch dürfte es vorzugswürdig sein, anstatt den Wortlaut zu überdehnen, dann zu versuchen, auf eine der anderen in § 1 GWB genannten Koordinierungsformen auszuweichen. 612 Brohm, DÖV 1992, 1028; Baudenbacher, JZ 1988, 694; vgl. auch Roßnagel / Pfitzmann / Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts, 2001, S. 168. 613 Siehe Teil 5 H I 3 b). 614 Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 216 Fn. 213; Trute, DVBl. 1996, 960. 615 Der Trägerverein des Deutschen Presserats ist zumindest insofern kein Unternehmen, als sein Gremium Deutscher Presserat die in § 9 Trägervereinssatzung niedergelegten Aufgaben wahrnimmt, da es insoweit am Tätigwerden im geschäftlichen Verkehr fehlt. 616 Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1 Rn. 32.

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gen von Unternehmen sind, fallen unter dieses Tatbestandsmerkmal, da sie ebenfalls die Möglichkeit besitzen, unternehmerisches Verhalten zu beeinflussen.617 Im Trägerverein des Deutschen Presserats sind der BDZV und der VDZ als Unternehmensvereinigungen vertreten. Daß ihm daneben auch Nichtunternehmen bzw. Nichtunternehmensvereinigungen angehören, wird als irrelevant eingestuft,618 um Umgehungen zu verhindern.619 Die zweite Voraussetzung besteht darin, ein solches Maß an gemeinschaftlicher Organisation zu verlangen, daß die Vereinigung durch Beschlüsse das Verhalten der angeschlossenen Unternehmen beeinflussen kann.620 Auch wenn es dabei auf die rechtliche Verbindlichkeit der Beschlüsse nicht ankommt,621 wird man angesichts der Existenz bloß mittelbarer Beziehungen622 nicht annehmen können, daß die Unternehmen durch Beschlüsse des Trägervereins in ihrem Marktverhalten betroffen werden.623 Der Trägerverein des Deutschen Presserats ist daher keine Unternehmensvereinigung im Sinne des § 1 GWB. (e) Verhaltenskoordinierung Zu prüfen bleibt damit noch, ob die dritte Variante des § 1 GWB, aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vorliegen. Darunter fällt jede Form der Koordination zwischen Unternehmen, die bewußt eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle eines mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten läßt.624 Die Unternehmen müssen also zusammenwirken, wozu ein Minimum an gegenseitigem Kontakt erforderlich ist.625 Die Abstimmung kann dabei auch mittelbar über Dritte erfolgen, beispielsweise über einen Verband.626 Der Deutsche Presserat hat den Kodex und die Richtlinien nicht nur aus eigenem Antrieb, sondern auch auf Initiative der Verbände und der ihnen angeschlossenen, zumindest teilweise miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen627 ausgearbeitet. Letztere beachten die Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 79. A.A. Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 123. 619 BGH NJW 1998, 756 (757); Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1 Rn. 32. 620 BGH NJW 1998, 756 (758). 621 Huber / Baums, in: Glassen u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 1 GWB a.F. Rn. 123. 622 Vgl. Teil 5 F IV 2 b) aa). 623 Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 133; Huber / Baums, in: Glassen u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 1 GWB a.F. Rn. 120. 624 Bechtold, GWB, 3. Aufl. 2002, § 1 Rn. 12. 625 Bunte, Kartellrecht, 2003, S. 63. 626 Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 111. 627 Das Tatbestandsmerkmal „zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen“ gilt wegen des Sachzusammenhangs auch bei den Koordinierungsformen der Beschlüsse und abgestimmten Verhaltensweisen, Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1 Rn. 87. 617 618

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Verhaltensvorgaben auch überwiegend. Daher kann man zumindest dieses Tatbestandsmerkmal bejahen.628

bb) Bezweckte oder bewirkte spürbare Wettbewerbsbeschränkung Hält man die Voraussetzung des abgestimmten Verhaltens für erfüllt, bleibt zu prüfen, ob dadurch eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt wird, also die unternehmerische Handlungsfreiheit eingeschränkt wird.629 Nach dem sogenannten Selbständigkeitspostulat soll jedes Unternehmen selbst darüber entscheiden, wie es die Wettbewerbsparameter Qualität, Preis usw. am Markt einsetzt. Wenn diese wettbewerbliche Handlungsfreiheit aufgehoben oder begrenzt wird, liegt eine Wettbewerbsbeschränkung vor.630 Allerdings trifft diese Aussage nur zu, soweit es sich um erlaubten Wettbewerb handelt. Wenn verbotene Handlungen Gegenstand des koordinierten Verhaltens sind, greift § 1 GWB nicht ein.631 Die meisten Zeitungs- und Zeitschriftenverlage befolgen die Vorgaben des Deutschen Presserats, die auch rechtlich erlaubte Verhaltensweisen untersagen.632 Dadurch beschränken sie die ihnen für den Wettbewerb auf dem Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt in Deutschland zur Verfügung stehenden Aktionsparameter. Zwischen den Unternehmen besteht also insoweit kein Wettbewerb mehr, was zu einer spürbaren Beeinflussung der Marktverhältnisse führen kann.633 Diese Wettbewerbsbeschränkung ist auch bezweckt. Das Hauptziel der Koordination besteht zwar darin, das Ansehen der deutschen Presse zu wahren. Dafür ist es aber unabdingbar, daß die Unternehmen die genannten Beschränkungen beachten, so daß diese automatisch mitangestrebt werden.634 Die Voraussetzungen des § 1 GWB sind damit prinzipiell erfüllt.635

Vgl. Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 111. Bechtold, GWB, 3. Aufl. 2002, § 1 Rn. 31, 43 f. 630 Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1 Rn. 128 f. 631 BGHZ 36, 105 (111); Bechtold, GWB, 3. Aufl. 2002, § 1 Rn. 32. 632 Vgl. den hohen Rücklauf der Rügenabdruckverpflichtungserklärungen, Fn. 233. 633 Vgl. Hübner, Außerkartellrechtliche Einschränkungen des Kartellverbotes, 1971, S. 13 zur inzwischen aufgelösten SIZ; Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 263; a.A. aber Hübner, Außerkartellrechtliche Einschränkungen des Kartellverbotes, 1971, S. 20 im Hinblick auf den Deutschen Presserat, mit der unzutreffenden Begründung, siehe insoweit Teil 5 H III 3 a) bb), daß er auf das Wettbewerbsverhalten der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage keinen Einfluß nehme. 634 Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1 Rn. 167. Ob auch eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt wurde, muß daher nicht mehr festgestellt werden, Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 247. 635 So auch Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1968, S. 321 Fn. 353; a.A. Hübner, Außerkartellrechtliche Einschränkungen des Kartellverbotes, 1971, S. 20. 628 629

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b) Das Empfehlungsverbot, § 22 Abs. 1 S. 1 GWB Auch wenn man § 1 GWB mangels koordinierten Verhaltens nicht für anwendbar hält,636 wird nicht im „kartellrechtsfreien Raum“ agiert. Denn § 22 Abs. 1 S. 1 GWB und § 21 Abs. 2 GWB dienen dazu, Umgehungen des § 1 GWB zu verhindern, indem sie auch bestimmte einseitige Einflußnahmen für unzulässig erklären.637 Zudem muß man für Unternehmen, die keine (auch nicht mittelbare) Beziehungen zum Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein unterhalten und damit auf keinen Fall von § 1 GWB erfaßt werden, zumindest auf § 22 Abs. 1 S. 1 GWB eingehen. § 22 Abs. 1 S. 1 GWB verbietet Empfehlungen durch jedermann, die eine Umgehung der im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgesprochenen Verbote durch gleichförmiges Verhalten bezwecken oder bewirken. Der vom Deutschen Presserat erlassene Pressekodex und die Richtlinien richten sich an die gesamte Presse.638 Zu ihrer Befolgung wird ausdrücklich aufgefordert.639 Daher liegt hier eine mit Koordinierungswillen ausgesprochene Empfehlung vor.640 Als umgehungsfähige Vorschrift kommt § 1 GWB in Betracht. Die Mehrheit der Presseunternehmen hat sich zum Pressekodex bekannt. Wenn sie die Publizistischen Grundsätze einhalten, kann das zu einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung führen,641 so daß der Tatbestand des § 1 GWB bis auf das durch die Empfehlung ersetzte koordinierte Verhalten erfüllt ist642. Auch der bezüglich der Umgehung erforderliche Vorsatz643 liegt vor. Um den Hauptzweck der Empfehlung, die Verbreitung und Durchsetzung ethischer Standards zu erreichen, muß nämlich die damit einhergehende Wettbewerbsbeschränkung mitangestrebt werden. Die Unkenntnis des umgangenen Verbots wäre ein vermeidbarer Verbotsirrtum.644 Da zudem keine der in den §§ 22, 23 GWB verankerten Ausnahmen einschlägig ist, greift grundsätzlich auch das Empfehlungsverbot ein.

636 Ulmer / Niemeier, AfP 1975, 837 erwähnen § 1 GWB überhaupt nicht, sondern problematisieren allein, ob durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verbotene einseitige Verhaltensweisen vorliegen. 637 Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 14 f., 99. 638 Siehe die Präambel zum Pressekodex. 639 Vgl. § 10 Abs. 1 S. 1 Trägervereinssatzung. 640 Zum Empfehlungsbegriff und Empfehlungswillen vgl. im einzelnen BGHZ 125, 315 (318 ff.) und Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 22 Rn. 4 ff. 641 Siehe Teil 5 H III 3 a) bb). 642 Vgl. BGH NJW-RR 1988, 50 (50 f.); Sauter, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 22 Rn. 8. 643 Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 22 Rn. 9. 644 Sauter, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 22 Rn. 31.

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c) Die unerlaubte Anwendung von Druck- und Lockmitteln, § 21 Abs. 2 GWB Nach § 21 Abs. 2 GWB645 dürfen Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen anderen Unternehmen keine Nachteile zufügen, um sie zu einem Verhalten zu veranlassen, das nach diesem Gesetz nicht zum Gegenstand einer vertraglichen Bindung gemacht werden darf. Der Trägerverein des Deutschen Presserats ist aber keine Unternehmensvereinigung.646 Daher ist § 21 Abs. 2 GWB nicht einschlägig.

d) Zulässigkeit der Wettbewerbsbeschränkung im Ausnahmefall Der Auffassung, daß das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch bei Selbstkontrollinstitutionen, selbst wenn sie staatlich inspiriert sind, eingreift, stehen auf der anderen Seite eine Vielzahl von Lösungsansätzen gegenüber, die verhindern sollen, daß die Selbstkontrolleinrichtungen dem Verdikt der wettbewerbsrechtlichen Unzulässigkeit unterfallen.647 Teilweise wird vorgeschlagen, den Tatbestand des § 1 GWB aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung einzuschränken.648 Dagegen spricht aber, daß in den §§ 2 – 8 GWB ausdrückliche Ausnahmen zum Kartellverbot verankert sind, die durch diese Lösung unterlaufen würden. Zudem käme es zu kaum noch kontrollierbaren Durchbrechungen des Kartellverbots.649 Auch eine Verneinung der Rechtswidrigkeit650 ist kein tauglicher Ansatzpunkt, da § 1 GWB diese Prüfungsebene nicht enthält.651 Am geeignetsten erscheint nach hier vertretener Ansicht eine teleologische Reduktion des § 1 GWB auf der Grundlage der sogenannten Immanenztheorie.652 Sie besagte ursprünglich, daß in kartellrechtsneutralen Gesellschafts- und Austauschverträgen funktionsnotwendig enthaltene Wettbewerbsbeschränkungen nicht von 645 § 21 Abs. 2 GWB ist neben § 22 Abs. 1 GWB anwendbar, da auch eine Empfehlung mit unzulässigem Druck verbunden sein kann, um empfehlungskonformes Verhalten zu erreichen, Markert, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 21 Rn. 81. 646 Siehe Teil 5 H III 3 a) aa). 647 Vgl. Baudenbacher, JZ 1988, 693. 648 Hübner, Außerkartellrechtliche Einschränkungen des Kartellverbotes, 1971, S. 39 ff. 649 Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 361 f.; Baudenbacher, JZ 1988, 695; Bunte, Kartellrecht, 2003, S. 84 f. 650 So Sandrock, Grundbegriffe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 1968, S. 321 Fn. 353. 651 Hübner, Außerkartellrechtliche Einschränkungen des Kartellverbotes, 1971, S. 34; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 361. 652 Dazu ausführlich Bunte, in: Langen / Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl. 2001, § 1 Rn. 193 ff.

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

§ 1 GWB erfaßt werden.653 Doch ist der Anwendungsbereich heute weiter zu ziehen.654 Auch wenn der Gesetzgeber privatrechtliche kartellrechtsneutrale Einrichtungen erlaubt oder zuläßt, sollen die diesen Institutionen immanenten, also institutionell bedingten Wettbewerbsbeschränkungen vom Kartellverbot ausgenommen sein.655 Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird allerdings nicht schlechthin verdrängt, sondern nur in dem Umfang, in dem die Wettbewerbsbeschränkung objektiv erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit der Institution sicherzustellen.656 Es handelt sich dabei aber nicht um eine Spielart der zuvor abgelehnten Güterabwägung. Zwar erfolgt auch hier eine Tatbestandsrestriktion, doch wird nicht an bestimmte Rechtsgüter angeknüpft, sondern an Einrichtungen, die legislativ erlaubt wurden.657 Der Deutsche Presserat und sein Trägerverein sind als Selbstkontrolleinrichtungen der Presse durch mehrere Normen zugelassen: So erhält der Deutsche Presserat seit 1976 für seine Arbeit eine finanzielle Förderung auf der Grundlage des Gesetzes zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Beschwerdeausschusses658. Die Institution und ihre Arbeit wurden damit gesetzlich anerkannt.659 Auch die neu hinzugekommene Aufgabe Redaktionsdatenschutz ist durch das Bundesdatenschutzgesetz 660 gestattet. Das ergibt sich 653 Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 272. Der Bundesgerichtshof stellt bei Austauschverträgen für die Bejahung des § 1 GWB darauf ab, ob „für die Wettbewerbsbeschränkung bei wertender Betrachtungsweise im Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbs ein anzuerkennendes Interesse nicht besteht“, BGH NJW 1997, 2324 (2325); BGH NJW-RR 1998, 1508 (1509). 654 Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 279. 655 Köhler, BB 1996, 2579; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 363; ähnlich Bechtold, GWB, 3. Aufl. 2002, § 1 Rn. 42; vgl. auch BGH NJW-RR 1999, 1266 (1270). Der Ansatz wird zwar in erster Linie im Zusammenhang mit Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich des Umweltrechts erörtert, doch steht das einer Ausdehnung auf andere Rechtsgebiete nicht entgegen. 656 Köhler, BB 1996, 2579. 657 Köhler, BB 1996, 2579. Ähnlich Schmidt, Standesrecht und Standesmoral, 1993, S. 138 ff. 658 Vom 18. August 1976, BGBl. I, S. 2215. Damit scheitert diesbezüglich auch eine Lösung über die allgemeinen Regeln der Normenkonkurrenz. Denn der Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ kann zugunsten des Deutschen Presserats nicht eingreifen, da die Neufassung des § 1 GWB am 1. Januar 1999 in Kraft getreten ist, also nach dem Gesetz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Beschwerdeausschusses. Köhler, BB 1996, 2579 und Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 357 lehnen eine Lösung über die Normenkonkurrenzregeln generell ab, wenn zwei Vorschriften nicht denselben Gegenstand haben, sondern unterschiedliche gesellschaftspolitische Zielsetzungen verfolgen. 659 Es handelt sich also nicht um eine von Anfang an bestehende gesetzliche Zulassung, doch wird man die nachträgliche Anerkennung gleichstellen müssen. 660 Die in Ausfüllung der Rahmenregelung des § 41 Abs. 1 BDSG erlassenen landesrechtlichen Regelungen spielen hingegen keine Rolle, da sie Einschränkungen einer bundesgesetzlichen Norm nicht zu begründen vermögen.

H. Rechtliche Würdigung des Deutschen Presserats und seiner Gremien

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zum einen aus den Materialien zu § 41 Abs. 1 BDSG.661 Zum anderen zeigt der in § 41 Abs. 1 BDSG enthaltene Verweis auf § 38a BDSG, daß Verhaltensregeln für die Presse, die von Berufsverbänden oder ähnlichen Vereinigungen aufgestellt wurden, im Bereich des Datenschutzes sogar erwünscht sind.662 Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die mit der Organisation und Tätigkeit der Presseselbstkontrolle einhergehenden Wettbewerbsbeschränkungen über das Erforderliche hinausgehen. Sämtliche Maßnahmen dienen allein der Absicherung der Funktionsfähigkeit der Selbstkontrolleinrichtung. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Einschränkung des Tatbestandes des § 1 GWB auf der Grundlage der Immanenztheorie vor, d. h. § 1 GWB greift nicht ein.663 Auch ein etwaiger Verstoß gegen § 22 Abs. 1 S. 1 GWB ist dadurch hinfällig. Denn § 22 Abs. 1 S. 1 GWB setzt im vorliegenden Fall eine bezweckte oder bewirkte Umgehung des in § 1 GWB verankerten Verbots voraus. Wenn der Tatbestand des § 1 GWB wegen teleologischer Reduktion aber nicht eingreift, wäre es widersprüchlich, das Verhalten nach § 22 Abs. 1 S. 1 GWB für unzulässig zu erklären.664 e) Fazit zu Punkt 3. Bestimmte Tatbestände des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind nach hier vertretener Ansicht bei der Presseselbstkontrolle zwar grundsätzlich BTag-Drs. 14 / 4329, S. 46 f. Vgl. dazu Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 27. Nach Ansicht des Deutschen Presserats fallen auch die von ihm aufgestellten Verhaltensregeln zum Redaktionsdatenschutz unter diese Vorschrift, vgl. Deutscher Presserat, Datenschutz in Redaktionen, 2003, S. 28. Eine Schadensersatzpflicht wegen Verletzung der Verhaltensregeln nach § 38a BDSG wurde in den Landespressegesetzen bei der Umsetzung des Presseprivilegs aber nicht normiert, siehe Fn. 114. 663 I.E. so auch Schmidt, Standesrecht und Standesmoral, 1993, S. 143 ff., allerdings allein im Hinblick auf Ziffer 7 Pressekodex. 664 So auch Schmidt, Standesrecht und Standesmoral, 1993, S. 164. Teilweise wird vertreten, daß eine Freistellung von § 1 GWB nur über die §§ 2 – 8 GWB, insbesondere über die in § 8 GWB verankerte Ministererlaubnis erfolgen kann, Oldiges, WiR 1973, 16 f.; v. Zezschwitz, JA 1978, 505; Frenz, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, 2001, S. 368 ff. Diese Vorschriften führen allerdings nicht zu einer automatischen Freistellung vom Kartellverbot, sondern nur zu einer Legalisierungsmöglichkeit, vgl. §§ 9, 10 GWB, die hier aber nicht ergriffen wurde. Daher wird man, wenn man der Immanenztheorie nicht folgt und § 1 GWB oder § 22 Abs. 1 S. 1 GWB für verletzt hält, zumindest verlangen müssen, daß die nun teilweise sogar staatlich inspirierte Selbstkontrolle von den Kartellbehörden geduldet wird, vgl. § 32 GWB und wegen § 81 GWB auch § 47 OWiG, Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 217; Baur, in: Hübner / Ebke (Hrsg.), FS Großfeld, 1999, S. 78. So nun auch im Gegensatz zur früheren Praxis der Güterabwägung das Bundeskartellamt, BKartA TB 1991 / 92, S. 131 ff., abgedruckt in BTag-Drs. 12 / 5200, S. 1. Allerdings hat das keinerlei Einfluß auf die zivilrechtliche Unwirksamkeit der Vereinbarungen und Beschlüsse nach §§ 134 BGB i.V.m. 1 GWB, Zimmer, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 310, 316. 661 662

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

anwendbar.665 Doch resultiert daraus nicht automatisch die Unzulässigkeit des gegenwärtigen Modells. Denn auf der Grundlage der sogenannten Immanenztheorie ist eine Tatbestandsrestriktion vorzunehmen. Sie führt dazu, daß ein Verstoß gegen § 1 GWB und damit auch mittelbar gegen § 22 Abs. 1 S. 1 GWB ausscheidet, falls sich die Wettbewerbsbeschränkung im Rahmen des Erforderlichen hält.

4. Vereinbarkeit mit dem Bundesdatenschutzgesetz Der Trägerverein des Deutschen Presserats unterfällt als Ganzes nicht dem Medienprivileg, da er weder ein Presseunternehmen noch ein Hilfsunternehmen der Presse ist, § 41 Abs. 1 BDSG.666 Daher ist das Bundesdatenschutzgesetz auf ihn anwendbar, soweit er als nicht öffentliche Stelle personenbezogene Daten667 unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeitet, nutzt oder dafür erhebt oder Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeitet, nutzt oder dafür erhebt, § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG. Er muß bei seiner Tätigkeit also die §§ 1 ff., 27 ff. BDSG beachten. Rechtliche Bedenken bestehen diesbezüglich allerdings nicht.

5. Verletzung sonstiger einfachrechtlicher Vorschriften? Von den genannten Rechtsmaterien abgesehen sind keine weiteren einfachgesetzlichen Vorschriften ersichtlich, die die Zulässigkeit der Organisation des Trägervereins des Deutschen Presserats und seiner Gremien in Frage stellen könnten. Allenfalls die Tätigkeit des Deutschen Presserats, insbesondere die Beschwerdearbeit, vermag noch zu Verletzungen des einfachen Rechts führen. Denn die öffentlichen Rügen, die vom Deutschen Presserat und seinen Beschwerdeausschüssen unter voller Namensnennung des betroffenen Presseorgans ausgesprochen werden, sind unter Umständen dem Ansehen abträglich und können zu materiellen Einbußen führen.668 Es wurde bereits festgestellt, daß sich die Verlage gegen öffentliche Rügen gerichtlich wehren können.669 Im folgenden ist nun zu klären, 665 Andere als die hier erörterten Vorschriften kommen nicht in Betracht. Auch die Möglichkeit Wettbewerbsregeln aufzustellen, §§ 24 ff. GWB, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen von der Frage, ob Pressekodex und Richtlinien überhaupt Wettbewerbsregeln darstellen, fehlt es jedenfalls an der Anerkennung und Freistellung nach § 26 Abs. 1, 2 GWB. 666 Etwas anderes gilt u.U. für die Publikation der Jahrbücher, vgl. Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 11. Doch stellt sich hier dann das Problem, daß die personenbezogenen Daten nicht ausschließlich zu journalistisch-redaktionellen Zwecken, so der Wortlaut des § 41 Abs. 1 BDSG, sondern auch für andere Zwecke, nämlich die Beschwerdearbeit genutzt werden. 667 Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, § 3 Abs. 1 BDSG. 668 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 114. 669 Siehe Teil 5 F III.

H. Rechtliche Würdigung des Deutschen Presserats und seiner Gremien

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welche Anspruchgrundlagen ihnen dafür zur Verfügung stehen. Dabei ist zu beachten, daß die nachstehend erörterten einfachgesetzlichen Normen nicht zur Unzulässigkeit der Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins insgesamt führen, sondern allein punktuelle Beanstandungen zur Folge haben. Daher wird hier nur ein knapper Überblick gegeben.

a) Etwaige Ansprüche wegen Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Als zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen kommen § 1 UWG und § 14 UWG in Betracht. Doch setzen beide Normen voraus, daß „zu Zwecken des Wettbewerbs“, also in Wettbewerbsabsicht, gehandelt wird. Diese erfordert in objektiver Hinsicht, daß das Verhalten geeignet ist, den eigenen oder fremden Wettbewerb auf Kosten eines anderen zu fördern. Subjektiv muß die entsprechende Absicht gegeben sein.670 Ihr Vorliegen wird bei Gewerbetreibenden und Fachverbänden im Falle der Erfüllung der objektiven Merkmale vermutet.671 Die Selbstkontrolltätigkeit des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse ist zwar objektiv geeignet, die Wettbewerbsposition der Konkurrenten des gerügten Blattes am Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt zu fördern. Die öffentlichen Rügen können schließlich dazu führen, daß sich Leser und Anzeigenkunden anderen Zeitungen und Zeitschriften zuwenden.672 Doch greift die Vermutung der Wettbewerbsabsicht nicht ein. Denn auch bei der Auslegung des Begriffs Wettbewerbsabsicht muß den Grundrechten der Meinungs- und Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG, hinreichend Rechnung getragen werden.673 Daher wird bei Presseäußerungen die Wettbewerbsabsicht nicht vermutet,674 und auch bei sonstigen Meinungsäußerungen kann eine Abwägung ergeben, daß die Vermutung entfällt.675 Letzteres ist hier der Fall. Der Deutsche Presserat bzw. sein Trägerverein wollen nämlich mit ihrer Tätigkeit ausschließlich für die Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland eintreten und das Ansehen der deutschen Presse wahren, vgl. § 1 Abs. 1 Trägervereinssatzung. Diesem Zweck dient insbesondere die Beschwerdearbeit, die, soweit sie öffentlich erfolgt, unter dem Schutz der Meinungsfreiheit steht.676 670 BGHZ 3, 270 (277); BGH WRP 1996, 1099 (1100); Piper, in: Köhler / Piper, UWG, 3. Aufl. 2002, Einf Rn. 210. 671 BGHZ 3, 270 (277); BGH GRUR 1962, 45 (47); BGH GRUR 1997, 916 (918); Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, Einl UWG Rn. 235, 242; Ulmer / Niemeier, AfP 1975, 839. 672 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 116. 673 Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, Einl UWG Rn. 237. 674 BGH WRP 1986, 547 (548); BGH WRP 1998, 48 (50). 675 Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, Einl UWG Rn. 237. 676 Siehe Teil 5 H I 1 b) bb).

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

Greift die Vermutungsregel damit nicht ein, muß die Förderungsabsicht für jeden Einzelfall konkret festgestellt werden. Der Deutsche Presserat nutzt zwar die negative Wirkung öffentlicher Rügen auf die Wettbewerbsposition des betroffenen Presseorgans gezielt zur Abschreckung.677 Doch dient dies nicht der Förderung anderer Wettbewerber, sondern ideellen Zielsetzungen. Daher wird die für §§ 1, 14 UWG erforderliche Wettbewerbsabsicht regelmäßig fehlen.678

b) Weitere mögliche zivilrechtliche Ansprüche Eine Haftung wegen der öffentlichen Rügen könnte sich noch aus den §§ 823 ff. BGB mit den bereits vorgestellten Rechtsfolgen, insbesondere Unterlassungs-, Widerrufs- und Schadensersatzansprüchen,679 oder – zumindest in einigen Bundesländern – aus den Gegendarstellungsvorschriften680 ergeben. In Betracht kommen die Tatbestände der § 826 BGB (Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung), § 824 BGB (Kreditgefährdung), §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 185 ff. StGB (Beleidigung) und § 823 Abs. 1 BGB (Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb).681 Doch werden Ansprüche regelmäßig nicht gegeben sein, weil die durch den Deutschen Presserat öffentlich geäußerte Kritik eine Meinungsäußerung in einer die Allgemeinheit interessierenden Frage darstellt. Daher fehlt es bei öffentlichen Rügen normalerweise an dem von § 826 BGB vorausgesetzten Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit. Auch wird die Kritik zumeist in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgen, vgl. § 824 Abs. 2 BGB und § 193 StGB,682 so daß auch § 824 BGB und §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 185 ff. StGB nicht durchgreifen. Bei der im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Güter- und Interessenabwägung werden die in der Vorschrift verankerten Rahmenrechte regelmäßig ebenfalls zugunsten der Meinungsfreiheit zurücktreten müssen.683 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 119. So auch das OLG Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 1959, 3 U 141 / 59 n.v., im Rechtsstreit des Stern gegen Angehörige des Presserats, vgl. Löffler, AfP 1960, 152; Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 120. Selbst wenn die Wettbewerbsabsicht bejaht wird, ist noch im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Sittenwidrigkeit in § 1 UWG die Bedeutung des Art. 5 Abs. 1 GG zu beachten, BVerfGE 102, 347 (362 ff.). 679 Siehe Teil 2, insbesondere B, D, F, G. 680 Allerdings gilt das nur, wenn man die Pressemitteilungen des Deutschen Presserats als periodische Druckwerke, wie sie in den meisten landesrechtlichen Gegendarstellungsvorschriften verlangt werden, siehe Teil 2 Fn. 93, ansieht, so Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 141. 681 Dazu ausführlich Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 123 ff. 682 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 127 ff.; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 40 Rn. 20. 683 Ulmer / Niemeier, AfP 1975, 840 ff.; Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 136 f. 677 678

I. Zusammenfassung der Ergebnisse zu Teil 5

263

c) Zusammenfassung zu Punkt 5. Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb oder aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch gegen den Trägerverein des Deutschen Presserats, dem das Handeln seiner Gremien zuzurechnen ist, § 31 BGB,684 sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Insbesondere die §§ 823 ff. BGB können eine Haftung begründen, wenn als Sanktion eine öffentliche Rüge verhängt wurde. Doch wird die Beschwerdearbeit zumeist nicht als rechts- bzw. sittenwidrig einzustufen sein, da bei der Abwägung die im Rahmen der Beschwerdearbeit geäußerten und von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Meinungen meist den Rechten der Presseunternehmen vorgehen werden.685 6. Fazit zu Punkt III. Die Organisation des Deutschen Presserats und seines Trägervereins ist mit den einfachrechtlichen Vorschriften vereinbar. Für eine Verletzung der Landespressegesetze fehlt es an einer Berufsorganisation der Presse mit Zwangsmitgliedschaft bzw. an einer mit hoheitlicher Gewalt ausgestatteten Standesgerichtsbarkeit. Auch im Hinblick auf die vereinsrechtlichen Vorschriften, insbesondere über Vereinsstrafen, gibt es keine Probleme. Denn die Sanktionen des Deutschen Presserats und seiner Gremien sind nur verbindlich, wenn eine Rügenabdruckverpflichtung unterzeichnet wurde. Eine Verletzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen scheidet ebenfalls aus. Zwar sind die Tatbestände der § 1 GWB und § 22 Abs. 1 GWB nach hier vertretener Ansicht an sich einschlägig, doch bleibt die Möglichkeit einer Tatbestandsrestriktion auf der Grundlage der Immanenztheorie. Desgleichen existieren keine Hinweise auf einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Organisation und Selbstkontrolltätigkeit geben daher keinen Anlaß zu Beanstandungen. Im Einzelfall können sich zwar aus der Beschwerdearbeit Ansprüche aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und unter Umständen sogar aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ergeben. Doch wird damit nicht die Selbstkontrolltätigkeit insgesamt in Frage gestellt, sondern es werden lediglich einzelne „Fehlentscheidungen“ beanstandet.

I. Zusammenfassung der Ergebnisse zu Teil 5 Eine Presseselbstkontrolle im heute verstandenen Sinne entwickelte sich in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung des Deutschen Presserats. Die Aufgabe der Presseselbstkontrolle trat allerdings nur allmählich in den Vordergrund. Sie erfuhr 2001 eine Erweiterung um die Selbstkontrolle Redak684 685

Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 24. Ähnlich OGH M&R 2000, 364 ff. zum Österreichischen Presserat.

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Teil 5: Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse

tionsdatenschutz. Damit wurde das Modell der reinen Selbstregulierung im Bereich der allgemeinen Beschwerdearbeit um das Konzept der regulierten Selbstregulierung auf dem Gebiet des Redaktionsdatenschutzes ergänzt. Das erforderte auch organisatorische Anpassungen. Der seit 1985 bestehende Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. mit seinem Gremium Deutscher Presserat und dem allgemeinen Beschwerdeausschuß wurde um den Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz erweitert. Die eigentliche Presseselbstkontrolle erfolgt schwerpunktmäßig im Rahmen eines repressiven Beschwerdeverfahrens, das von jedermann ohne persönliche Betroffenheit wegen Verstoßes gegen den Pressekodex durch in Deutschland erscheinende Presseprodukte eingeleitet werden kann. Das Verfahren gliedert sich in zwei Teile, das Vorprüfverfahren mit dem Vermittlungsversuch und das Hauptverfahren. Als Sanktionen können Hinweise, Mißbilligungen und öffentliche bzw. nicht öffentliche Rügen verhängt werden. Obwohl sich der Deutsche Presserat vorwiegend als moralische Instanz betrachtet, bestehen seit kurzem auch rechtsverbindliche Beziehungen zwischen dem Trägerverein und den Presseunternehmen. Diese basieren nicht auf Verbandsrecht, sondern auf Individualvereinbarungen, den sogenannten Rügenabdruckverpflichtungen. Sie begründen seitens des Trägervereins des Deutschen Presserats einen einklagbaren Anspruch gegen die unterzeichnenden Unternehmen auf den Abdruck öffentlicher Rügen. Insofern hat ein Paradigmenwechsel im Bereich der Presseselbstkontrolle stattgefunden, der bisher aber nur unzureichend gewürdigt wurde. Die schließlich noch vorgenommene rechtliche Beurteilung von Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins umfaßt drei Bereiche, das Grundgesetz, das Europäische Gemeinschaftsrecht und das einfache Gesetzesrecht. Mit Blick auf das Grundgesetz wurde festgestellt, daß der Trägerverein des Deutschen Presserats sich auf Grundrechte, insbesondere die Vereinigungsfreiheit, Art. 9 Abs. 1 GG, und die Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, berufen kann. Die Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Presseselbstkontrolle ergab keine rechtlichen Zweifel. Weder das schon vor 2001 existierende System der reinen Selbstregulierung für „allgemeine Beschwerdefälle“ noch das seitdem hinzugekommene Modell der regulierten Selbstregulierung für den Redaktionsdatenschutz verletzen in ihrer gegenwärtigen Gestalt das Grundgesetz. Auch eine Verletzung des Europäischen Gemeinschaftsrechts war nicht festzustellen. Die „traditionelle“ Selbstregulierung weist schon keine Berührungspunkte mit dem Gemeinschaftsrecht auf. Für die Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz wird zwar wegen Art. 9 EG-Datenschutzrichtlinie das EG-Recht relevant, doch konnte auch hier kein sich auf die Zulässigkeit der Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz auswirkender Verstoß festgestellt werden. Die Vereinbarkeit der Organisation des Deutschen Presserats und seines Trägervereins mit einfachrechtlichen Vorschriften ist ebenfalls zu bejahen. Auch die Selbstkontrolltätigkeit gibt im Hinblick auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Bürgerliche Gesetzbuch in der Regel keinen Anlaß zu Beanstandungen.

I. Zusammenfassung der Ergebnisse zu Teil 5

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Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins sind infolgedessen rechtlich insgesamt nicht zu beanstanden und stellen damit in rechtlicher Hinsicht taugliche Instrumente zum Persönlichkeitsschutz dar. Ihre Effektivität muß sich im folgenden erweisen.

Teil 6

Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Deutschen Presserat und die Beschwerdeausschüsse A. Einleitung Nachdem im vorstehenden Abschnitt Organisation und Verfahren der Presseselbstkontrolle durch den Trägerverein des Deutschen Presserats, den Deutschen Presserat und die Beschwerdeausschüsse vorgestellt wurden, beschäftigt sich das folgende Kapitel mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts1 durch die Presseselbstkontrolle. Der Persönlichkeitsschutz ist zwar in Deutschland durch eine starke Verrechtlichung gekennzeichnet; diese bietet aber aufgrund vieler Unzulänglichkeiten2 noch ausreichend Spielraum für das Eingreifen presseethischer Regeln.3 Dem Deutschen Presserat zufolge steht „außer Zweifel, daß dem Standesrecht der Presse und der daraus ableitbaren publizistischen Berufsethik der Schutz der Persönlichkeitsrechte ( . . . ) immanent ist“.4 Nach dem Selbstverständnis der Presseselbstkontrolleinrichtung wird also der Individual- bzw. Persönlichkeitsschutz „(d)urch die Selbstbindung an den Pressekodex und die Verfolgung dieser Bindung durch den Presserat ( . . . ) – flankiert durch die allgemeinen Gesetze – ( . . . ) ausreichend gewährleistet“.5 Dies gelte nicht nur in repressiver, sondern auch in präventiver Hinsicht.6 Um zu prüfen, inwieweit die Presseselbstkontrolle diesen von ihr behaupteten präventiven und repressiven Persönlichkeitsschutz zu gewähr1 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist zwar ein juristischer Terminus, der aber in die Presseethik Eingang gefunden hat und daher im folgenden sowohl bei den Erörterungen zur Presseethik als auch zur Rechtslage herangezogen wird, vgl. z. B. Rl. 3.3; Ziffer 8 S. 3 Pressekodex und Rl. 8.1 Abs. 1. 2 Zu den Mängeln der bei Persönlichkeitsverletzungen zur Verfügung stehenden zivilrechtlichen Ansprüche vgl. Teil 2. 3 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 200; kritisch zu neuen ethischen Schranken hingegen Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 174. 4 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 258. 5 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 258. 6 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 256; C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 119 f.

A. Einleitung

267

leisten vermag, erfolgt nun zunächst eine Untersuchung von Pressekodex und Richtlinien daraufhin, ob und welche persönlichkeitsschützenden Regelungen sie enthalten. Anschließend wird exemplarisch anhand des Ehrenschutzes geprüft, ob der durch die kodifizierten Regeln gewährleistete Schutz auch in der Spruchpraxis realisiert wird, und schließlich bleibt noch zu klären, inwieweit Beschwerdeverfahren und Sanktionen zum Persönlichkeitsschutz beitragen. Ob der präventive Schutz durch Beeinflussung künftiger Veröffentlichungen der Realität entspricht, kann hier allerdings nur eingeschränkt beantwortet werden. Dies würde insbesondere eine statistische Analyse erfordern, welche jedoch bloß von beschränkter Aussagekraft wäre. Denn die tatsächliche Anzahl der Verstöße gegen die presseethischen Grundsätze ist nicht deckungsgleich mit den Eingaben und stattgebenden Entscheidungen des Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse und läßt daher keine Rückschlüsse auf das Verhalten der Presse in ihrer Gesamtheit zu.7 Daher wird auf statistische Untersuchungen verzichtet. Die Präventivfunktion spielt hier deswegen bloß insofern eine Rolle, als man eine derartige Wirkung wohl nur annehmen kann, wenn Kodex und Spruchpraxis den Presseschaffenden Orientierung zu bieten vermögen. Fehlt es daran, wird man dem präventiven Persönlichkeitsschutz in der Presseselbstkontrolle kaum Bedeutung beimessen können. Auch wenn damit in den folgenden Erörterungen der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die presseethischen Grundsätze im Zentrum steht, wird der Schutz durch die Rechtsordnung nicht aus den Augen verloren. Er wird vielmehr stets im Blick behalten, vor allem durch einen Vergleich zwischen den ethischen und rechtlichen Schutzstandards. Wie in den vorstehenden Kapiteln sind die herangezogenen rechtlichen Maßstäbe dabei auch hier auf die verfassungs- und zivilrechtlichen Vorgaben, wie sie sich insbesondere aus der Rechtsprechung8 ergeben, konzentriert. Denn die Presseselbstkontrolle kann sich nur als zulässige und attraktive Alternative zum Rechtsschutz erweisen, wenn tatbestandlich zumindest eine Annäherung an die Standards der Rechtsordnung erfolgt sowie Verfahren und Sanktionen die auf der „Rechtsfolgenseite“ aufgezeigten Defizite auszugleichen vermögen. Ein zu starkes Abweichen von den verfassungsrechtlichen Vorgaben würde nämlich die staatlichen Schutzpflichten zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. der Pressefreiheit aktivieren. Zudem sind Entscheidungen von Selbstkontrolleinrichtungen gerichtlich angreifbar,9 so daß eine Ausrichtung an den rechtlichen Maßstäben die Haftungsgefahr des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins erheblich mindert. Außerdem müssen die Beteiligten die Selbst7 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 206; C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 148 f. 8 Auf eine ausführliche Erörterung der in der Literatur zur Reichweite und den Maßstäben des Persönlichkeitsschutzes vertretenen Ansichten wird wie in Teil 2 und Teil 3 D II verzichtet. 9 Löffler, in: Löffler / Hébarre (Hrsg.), Form und Funktion der Presse-Selbstkontrolle in weltweiter Sicht, 1968, S. 63; Paschke, Medienrecht, 2. Aufl. 2001, Rn. 447.

268

Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

kontrollinstanz akzeptieren. Das wird aber auf Seiten der Presseunternehmen nur der Fall sein, wenn die Beurteilungskriterien nicht zu weit über die rechtlichen Vorgaben hinausgehen. Auf Seiten der Betroffenen setzt dies voraus, daß das ethische Schutzniveau dem rechtlichen zumindest vergleichbar ist.10

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) und die Richtlinien für die publizistische Arbeit Der folgende Abschnitt befaßt sich allein mit den Publizistischen Grundsätzen (Pressekodex) und den Richtlinien für die publizistische Arbeit. Zunächst erfolgt eine Darstellung der Rechtsnatur der Regeln sowie ihres Verhältnisses zu den rechtlichen Vorschriften. Anschließend wird nach einer kurzen Erörterung von Inhalt und Regelungstechnik des Pressekodex und der Richtlinien sowie ihrer Relevanz im Beschwerdeverfahren geprüft, inwieweit ihnen Bedeutung für den Persönlichkeitsschutz zukommt. Dazu werden die persönlichkeitsrelevanten Regeln identifiziert, interpretiert und ein Vergleich mit den verfassungs- und zivilrechtlichen Vorgaben vorgenommen.

I. Pressekodex und Richtlinien als standesethisches Regelwerk der Presse 1. Rechtsnatur von Pressekodex und Richtlinien Der Pressekodex und die Richtlinien richten sich an alle Pressetätigen, d. h. sie sind auf allgemeine Einhaltung angelegt.11 Dennoch können sie keine Rechtsverbindlichkeit gegenüber der gesamten12 Presse beanspruchen.13 Der Trägerverein des Deutschen Presserats ist nämlich auch nach den 2001 erfolgten Reformen weiterhin lediglich eine privatrechtliche Vereinigung, der die gesetzliche Befugnis fehlt, verbindliches Recht für den gesamten Berufsstand zu setzen. Ebensowenig Siehe bereits Teil 3 E. Vgl. Abs. 1 S. 2 Präambel zum Pressekodex. 12 Hervorhebung durch die Verfasserin. 13 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 40; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 183 f. Vgl. auch die frühere Fassung von Abs. 2 Präambel zum Pressekodex, der zufolge die Publizistischen Grundsätze keine rechtlichen Haftungsgründe darstellen, Publizistische Grundsätze (Pressekodex) in der Fassung vom 23. November 1994, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 195. Seit 1996 ist diese Klarstellung entfallen, ohne daß damit Änderungen verbunden gewesen sind, Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 41 Fn. 165. 10 11

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existiert eine Vorschrift, um die vom Deutschen Presserat aufgestellten Regeln für allgemeinverbindlich erklären zu lassen.14 § 10 Abs. 2 S. 1 Trägervereinssatzung, der besagt, daß der Pressekodex und die Grundsätze zum Redaktionsdatenschutz allein die Mitglieder des Trägervereins des Deutschen Presserats unmittelbar binden, bestätigt diese Aussage. Denn aus der Vorschrift läßt sich im Umkehrschluß folgern, daß es im übrigen an einer unmittelbaren Rechtsverbindlichkeit fehlt. Auch das Selbstverständnis des Deutschen Presserats entspricht diesem Befund: Er will nicht als Richter, sondern als kollegialer Ratgeber fungieren, mit dem Ziel, eine übergreifende journalistische Berufsethik zu etablieren.15 Es handelt sich daher bei Pressekodex und Richtlinien nicht um „klassisches Standesrecht“, da dieses gegenüber dem gesamten Berufsstand rechtsverbindlich und hoheitlich durchsetzbar ist.16 Vielmehr verkörpern die Verhaltensanforderungen Regeln einer Standesethik, d. h. die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) und die Richtlinien für die publizistische Arbeit konkretisieren die Berufsethik der Presse.17 In welchem Verhältnis sie zu Rechtsnormen stehen, gilt es im folgenden zu untersuchen.

2. Verhältnis zwischen ethischen und rechtlichen Regeln Ausgangspunkt zur Klärung der Beziehung zwischen ethischen Standesregeln und rechtlichen Verhaltensstandards ist die Feststellung, daß beide Bereiche prinzipiell zu trennen sind. Sie stehen also nebeneinander, wenn auch nicht völlig bezieVgl. § 5 TVG. Siehe Teil 5 D; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 217; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 285. 16 Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 109; vgl. auch Wiedemann, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 20. Die Terminologie wird allerdings nicht einheitlich gehandhabt. Teilweise werden die unverbindlichen Regeln auch als „Standesrecht“ oder „Standesrecht im engeren Sinn“ bezeichnet, Löffler, AfP 1971, 17; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 40 Rn. 2; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 184. Doch ist es vorzugswürdig, nur von Standesregeln zu sprechen, da der Terminus „Standesrecht“ verbindliche und zwangsweise durchsetzbare Normen impliziert, vgl. Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 109 f.; Groß, Presserecht, 3. Aufl. 1999, Rn. 41. 17 Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 110; Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 134. Welche Ethik-Konzepte existieren und inwiefern der Pressekodex diesen Modellen gerecht wird, soll hier aber nicht weiter untersucht werden. Dies bleibt den dafür zuständigen Wissenschaftsrichtungen, insbesondere der Kommunikationswissenschaft, vorbehalten; vgl. zu den Konzepten einer Medien- bzw. Presseethik Mast (Hrsg.), ABC des Journalismus, 9. Aufl. 2000, S. 85 ff.; Teichert, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 181 ff.; Leschke, Einführung in die Medienethik, 2001, passim; zur Bedeutung des Pressekodex für die publizistische Ethik siehe Gilles, Der Deutsche Presserat und seine Bewertung durch deutsche Illustriertenjournalisten, 1989, S. 80 ff. sowie Leschke, Einführung in die Medienethik, 2001, S. 127 ff. 14 15

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hungslos.18 Denn die im Pressekodex und in den Richtlinien für die publizistische Arbeit niedergelegten Standesregeln entfalten zwar grundsätzlich keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit.19 Dennoch können sie mittelbar rechtlich beachtlich sein.20 Auch hören die Standesregeln nicht auf zu existieren, wenn die Rechtsordnung sie vollständig oder teilweise anerkennt. Verletzungen werden dann vielmehr doppelt, ethisch und rechtlich, sanktioniert.21 Passend ist das Bild, daß ethische Postulate und Rechtsnormen sich zueinander wie zwei teilweise kongruente Schnittmengen verhalten: An den Stellen, an denen sie sich überschneiden, regeln sie die gleichen Sachverhalte, im übrigen erfassen sie unterschiedliche Materien.22 Für die Beziehung zwischen ethischen und rechtlichen Regeln bestehen damit drei Möglichkeiten:23 1. Die Grenze zwischen ethisch zulässigem und unzulässigem Verhalten wird wie im Bereich von Gesetzgebung und Rechtsprechung gezogen.24 2. Die Standesregeln bleiben hinter den rechtlichen Anforderungen zurück, d. h. der Pressekodex schweigt oder erklärt Verhaltensweisen für zulässig, die gesetzlich verboten sind.25 Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 110. Vgl. zu Ausnahmen § 10 Abs. 2 S. 1 Trägervereinssatzung. 20 So vermag ihre Verletzung unter Umständen verbandsinterne Sanktionen der Journalisten- und Verlegervereinigungen nach sich ziehen, vgl. dazu ausführlich Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 64 ff. Schließlich werden Pressekodex und Richtlinien auch bei der Auslegung von Normen, v.a. bei der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs nach § 276 Abs. 2 BGB, herangezogen, BGH NJW 1979, 1041 (1041); OLG Köln AfP 1987, 602 (603); LAG Chemnitz AfP 1999, 392 (393); Löffler, NJW 1981, 909; Peters, NJW 1997, 1335 mit Fn. 20; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 40 Rn. 13. Gegen die Konkretisierung von Normen mittels des Pressekodex und der Richtlinien bestehen keine Bedenken, solange die Gerichte sich nicht automatisch auf die presseethischen Regeln als anderweitig vorgegebene Verhaltensstandards berufen, sondern sie allein als Erkenntnisquelle und Auslegungshilfe dafür nutzen, was nach Standesauffassung als anständiges und übliches Verhalten gilt, Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 99 ff.; ablehnend aber Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 43 ff.; dagegen wiederum Ukrow, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 116 ff.; Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 99 ff. 21 Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 137 f. 22 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 14. 23 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 36, auch zum folgenden. 24 Siehe dazu Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 36 Fn. 137. 25 Laut Abs. 2 Präambel zum Pressekodex darf dieser Fall aber prinzipiell nicht eintreten, da die Berufsethik der Presse „die Pflicht (umfaßt), im Rahmen der Verfassung und der verfassungskonformen Gesetze das Ansehen der Presse zu wahren und für die Freiheit der Presse einzustehen“ (Hervorhebung durch die Verfasserin). Von der Berufsethik der Presse werden also die Rechtsnormen als Grenze einbezogen, d. h. sie sind für die Presse zusätzlich berufsethisch verbindlich, wenn auch nur im Rahmen der Verfassung und der Interpretation der Gesetze durch den Deutschen Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse. Das bedeutet, daß sich der Deutsche Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse nicht an die Rechtsauslegung der Gerichte gebunden fühlen. Sie beziehen sie zwar in die Prüfung mit ein, würdigen sie 18 19

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3. Die ethischen Postulate gehen über die rechtlichen Standards hinaus und verbieten staatlicherseits an sich erlaubte Verhaltensweisen, z. B. aus Gründen des guten Geschmacks. Insbesondere hier ist die Ethik relevant. Sie füllt einen Raum aus, den das Recht nicht (hinreichend) ausschöpft.26

3. Inhalte und Regelungstechnik von Pressekodex und Richtlinien Die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) umfassen als Konkretisierung der Berufsethik der Presse27 16 Ziffern. Sie sprechen ganz verschiedenartige ethische Aspekte an, von den Wahrheits- und Sorgfaltspflichten (Ziffern 1, 2 und 3) und Verhaltensgeboten (Ziffern 4, 5, 6 und 15) über den Trennungsgrundsatz (Ziffer 7) und den Persönlichkeitsbereich (Ziffern 8, 9 und 13) bis hin zur Diskriminierung, dem sittlich / religiösen Empfinden (Ziffern 10 und 12) sowie der Gewalt und Sensation (Ziffern 11 und 14).28 Als Adressaten fungieren allein die im Inland herausgegebenen Zeitungen und Zeitschriften sowie die für sie arbeitenden Pressetätigen ohne Rücksicht auf ihre Verbandszugehörigkeit.29 Auffällig an den Ziffern ist die sehr weite und allgemeine Formulierung.30 Sie macht eine Konkretisierung erforderlich, die insbesondere über die Richtlinien für die publizistische Arbeit nach den Empfehlungen des Deutschen Presserats geschieht.31 Die Befolgenserwartung an die in den Richtlinien enthaltenen ethischen Gebote und Verbote ist dabei genauso groß wie an den Pressekodex. Die eingesetzte Regelungstechnik soll lediglich gewährleisten, daß sich die im Rahmen der Richtlinien ständig erforderlichen Ergänzungen und Modifikationen nicht auf den Pressekodex auswirken.32 Daneben können als Auslegungshilfe noch weitere Maßnahmen, Übungen etc.33 zur Konkretisierung der Publizistischen Grundsätze herangezogen werden. Zu diesen gehören neben der Präambel zum Pressekodex vor allem die Empfehlungen und Resolutionen, die der Deutsche Presserat erlassen hat34 und die teilweise sogar aber nach freier Überzeugung, vgl. § 11 Abs. 3 BO und Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 135 f. 26 Gilles, Der Deutsche Presserat und seine Bewertung durch deutsche Illustriertenjournalisten, 1989, S. 61. 27 Vgl. Abs. 2 S. 1 Präambel zum Pressekodex. 28 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 411. 29 Siehe Teil 5 F I 2. 30 Vgl. z. B. Ziffern 1 und 10 Pressekodex; Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 140. 31 Siehe Teil 5 B V 1; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 284. 32 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 38; C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 133. 33 Vgl. die Aufzählung bei Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 38 ff. 34 Siehe den Überblick in Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 286 ff.

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Eingang in die Richtlinien gefunden haben35. Doch auch normative Regelungen dürfen nicht außer acht gelassen werden. Wo sich der Pressekodex an die gesetzliche Terminologie anlehnt, wie z. B. im Bereich des Redaktionsdatenschutzes an die Terminologie der Datenschutzgesetze, liegt es nahe, die dort geltenden Definitionen bzw. Auslegungen zu übernehmen. Schließlich bleibt noch die Spruchpraxis zu erwähnen. Sie kann ebenfalls Anhaltspunkte für die Interpretation respektive Präzisierung liefern.36

4. Pressekodex und Richtlinien als Prüfungsmaßstab im Beschwerdeverfahren Nachdem die Rechtsnatur des Pressekodex, sein Verhältnis zu den rechtlichen Normen sowie seine Inhalte und Regelungstechnik untersucht wurden, gilt es nun zu klären, welcher Stellenwert ihm im Beschwerdeverfahren vor dem Deutschen Presserat bzw. seinen Beschwerdeausschüssen zukommt. Entscheidungsmaßstab im Beschwerdeverfahren ist die Berufsethik der Presse, d. h. „Beschwerden sind begründet, wenn die Berufsethik verletzt ist“37. Letztere wird wiederum durch die Publizistischen Grundsätze konkretisiert.38 Einer Beschwerde ist daher stattzugeben, wenn Verletzungen des Pressekodex festgestellt wurden. Das gleiche gilt bei Verstößen gegen die Richtlinien für die publizistische Arbeit, da sie nur aus regelungstechnischen Gründen nicht in den Pressekodex selbst eingegliedert wurden und die Befolgenserwartung an sie nicht geringer als an den Pressekodex ist.39 Die Publizistischen Grundsätze sowie die Richtlinien für die publizistische Arbeit bilden damit den entscheidenden Prüfungsmaßstab im Beschwerdeverfahren.40 35 Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 40 Rn. 17; vgl. z. B. die Empfehlung zur Presseberichterstattung über Ermittlungsverfahren und gerichtliche Voruntersuchungen vom 29. September 1966, abgedruckt in Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1974, S. 74 f., und Ziffer 13 des Pressekodex samt Rl. 13.1. 36 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 258; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 211; vgl. auch § 13 S. 2 BO. 37 Abs. 4 S. 2 Präambel zum Pressekodex. 38 Abs. 2 S. 1 Präambel zum Pressekodex. 39 Vgl. z. B. B 28 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 276 f. 40 Offen ist damit noch die Frage, ob auch Verletzungen der Berufsethik, die nicht unter den Pressekodex fallen, im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beanstandet werden können. Dagegen spricht, daß Eingaben ohne Kodexbezug laut Deutschem Presserat nicht behandelt werden, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 348. Andererseits ist laut Abs. 4 S. 2 Präambel zum Pressekodex eine Beschwerde begründet, wenn die Berufsethik verletzt ist. Diese wird durch die Publizistischen Grundsätze zwar konkretisiert, aber offenbar erfolgt keine Gleichsetzung. Das legt die Folgerung nahe, daß der Presserat bzw. seine Ausschüsse auch Verstöße gegen die Berufsethik ahnden können, die (noch) nicht im Kodex fixiert sind, Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 62 Fn. 56. Der Deutsche Presserat hat Fälle ohne Kodexbezug bisher nur sehr zurückhaltend behandelt und es wird auch nicht deutlich, welcher der eben genannten Alternativen er folgt. Für die erste Auslegung würde eine Entscheidung sprechen, in der er eine Beschwerde ohne

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II. Persönlichkeitsschützende Vorschriften in Pressekodex und Richtlinien im Vergleich mit der Rechtslage Während die vorstehenden Erörterungen sich generell mit den kodifizierten presseethischen Regelungen beschäftigt haben, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die persönlichkeitsschützenden Kodexziffern und Richtlinien, die die Presse bei ihrer Arbeit beachten muß.41 Sie werden zunächst ermittelt.42 Die als persönlichkeitsschützend identifizierten Kodexziffern und Richtlinien43 werden sodann interpretiert und mit den verfassungs- und zivilrechtlichen Vorgaben verglichen. Diese Gegenüberstellung ist von großer Bedeutung. Denn die Klärung der Frage, ob die ethischen Postulate sich mit den rechtlichen Maßstäben decken, darüber hinausgehen oder dahinter zurückbleiben, bildet eine wesentliche Voraussetzung für die spätere Beurteilung der Effektivität des Persönlichkeitsschutzes durch Presseselbstkontrolle.

1. Ziffer 1 Pressekodex: Wahrheitsgebot und Schutz der Menschenwürde44 a) Persönlichkeitsrelevanz Ziffer 1 Pressekodex nennt als oberste Gebote der Presse die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Kodexbezug mangels Verstoßes gegen den Pressekodex als unbegründet zurückgewiesen hat, B 115 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 247 f. Andererseits wurden Artikel auch schon ohne Bezugnahme auf den Kodex beanstandet, B 31 / 88, in: Deutscher Presserat, Schwarz-Weiss-Buch, 1990, S. 218 f., bzw. Beschwerden ohne Kodexbezug zwar zurückgewiesen, aber nicht mit der Begründung, daß es an einem Verstoß gegen die Publizistischen Grundsätze mangele, B 142 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 245 f. Die Tendenz scheint also eher dahin zu gehen, die Beanstandung von Fällen ohne Kodexbezug zumindest in gewissen Grenzen für zulässig zu erachten. 41 Ausgenommen ist damit Ziffer 16 Pressekodex, der erst im Beschwerdeverfahren relevant wird, siehe Teil 5 F IV 1 und Teil 6 D II 2. 42 Der Deutsche Presserat hat zwar selbst einige Ziffern als persönlichkeitsschützend eingeordnet, Ziffern 8, 9 und 13 Pressekodex, Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 411, doch erscheint dieser Ansatz als zu eng. Siehe auch die Zuordnung bei Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 192 ff.; Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 274 ff.; Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 111 ff.; Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 256 und jüngst Deutscher Presserat, Datenschutz in Redaktionen, 2003, S. 10 ff. Daher erfolgt hier eine eigenständige Prüfung, welche Ziffern dem Persönlichkeitsschutz dienen. 43 Die Spruchpraxis wird hier noch nicht berücksichtigt, da es zunächst allein um die Frage geht, inwieweit der Pressekodex und die Richtlinien per se persönlichkeitsschützend sind. 44 Die hier verwendeten Überschriften geben die Kernaussagen der Kodexziffern wieder. Sie finden sich nicht im Pressekodex. Nicht berücksichtigt wurde bei ihrer Wahl, daß die Richtlinien teilweise über die Inhalte der Kodexziffern hinausreichen. 18 Schwetzler

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Öffentlichkeit. Die Achtung vor der Wahrheit und die wahrhaftige Information der Allgemeinheit weisen insofern persönlichkeitsrelevante Bezüge auf, als unwahre Berichte das Persönlichkeitsbild des Betroffenen verfälschen und damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht an der Darstellung der eigenen Person beeinträchtigen. 45 Auch die Wahrung der Menschenwürde ist Gegenstand der folgenden Untersuchung, da sie den Inhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mitbestimmt.46 Hingegen spielen die zu Ziffer 1 Pressekodex erlassenen Richtlinien über Exklusivverträge, Rl. 1.1, Wahlkampfveranstaltungen, Rl. 1.2, und Pressemitteilungen, Rl. 1.3, für den Persönlichkeitsschutz keine Rolle und werden daher nicht erörtert.

b) Auslegung und Vergleich mit der Rechtslage Schon ihrem Wortlaut nach sind die in Ziffer 1 Pressekodex verankerten Gebote als oberste Grundsätze der Presseethik anzusehen. Ihre Konkretisierung erfolgt in den sich anschließenden Ziffern. Das Wahrheitsgebot wird insbesondere in den Ziffern 2 und 3 Pressekodex präzisiert.47 Daher ist diesbezüglich auf die Ausführungen zu Ziffern 2 und 3 Pressekodex zu verweisen.48 Die Untersuchung beschränkt sich also an dieser Stelle auf den Schutz der Menschenwürde im rechtlichen und presseethischen Bereich. Verfassungsrechtlich ist der Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG verankert. Die Norm verkörpert ein tragendes Konstitutionsprinzip des Grundgesetzes und verbietet es, „den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen ( . . . ) oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität grundsätzlich in Frage stellt“.49 Sie stellt eine echte Grundrechtsgewährleistung dar, nicht bloß einen objektiven Rechtssatz,50 und unterliegt, wie schon der Wortlaut zeigt („unantastbar“), keinen Beschränkungsmöglichkeiten.51 Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinem Kern Ausfluß der Unantastbarkeit der Menschenwürde ist, gilt, soweit der Persönlichkeitskern reicht, ebenfalls dieser absolute Schutz.52 Auch im Pressekodex nimmt die Achtung der Menschenwürde einen besonderen Rang ein, da ihre Wahrung zu den „oberste(n) Gebote(n) der Presse“ zählt, Ziffer 1 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 193. Siehe Teil 3 A I; vgl. auch Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 114. 47 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 411. 48 Siehe Teil 6 B II 2 und 3. 49 BVerfGE 50, 166 (175); Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, 9. Aufl. 1999, Art. 1 Rn. 1. Die Objektformel geht zurück auf Dürig, AöR Bd. 81 (1956), S. 127. 50 Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 1 Rn. 3 ff. m. w. N.; a.A. Dürig, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 4 [Stand: Oktober 2002]. 51 Höfling, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 1 Rn. 11; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 19. Aufl. 2003, Rn. 365. 52 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 1 Abs. 1 Rn. 100. 45 46

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Pressekodex. Zwar steht sie gleichberechtigt neben den Geboten der Wahrheit und der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit, doch läßt sich daraus nicht automatisch ein niedrigerer Standard als im Grundgesetz folgern. Maßgeblich ist insoweit allein, ob die Menschenwürde nach dem Pressekodex eingeschränkt werden kann und unter welchen Voraussetzungen eine Beeinträchtigung anzunehmen ist. Eingriffe in die Menschenwürde können nach dem Wortlaut von Ziffer 1 Pressekodex nicht gerechtfertigt werden. Die Publizistischen Grundsätze sehen in Ziffer 2 S. 1 Pressekodex zwar Einschränkungsmöglichkeiten für Verletzungen der auch in Ziffer 1 Pressekodex verankerten Wahrheitspflicht vor, nicht aber für die Menschenwürde. Die Menschenwürde ist daher weder nach dem Grundgesetz noch nach dem Pressekodex einschränkbar. Die Frage, wann ein Eingriff in die Menschenwürde vorliegt, kann zudem im presseethischen Bereich wohl ähnlich wie im Grundgesetz beantwortet werden. So klingen in Rl. 11.1 S. 1 Parallelen zur Objektformel des Bundesverfassungsgerichts an, wenn dort eine Darstellung als unangemessen sensationell eingestuft wird, sobald die Presse in der Berichterstattung den Menschen „zum Objekt, zu einem bloßen Mittel (herabwürdigt)“. Da die Objektformel damit im presseethischen Bereich bekannt ist, liegt ihre Übertragung auf Ziffer 1 Pressekodex nahe. Im übrigen deutet Rl. 13.1 S. 4 sogar darauf hin, daß der Pressekodex den Schutz der Menschenwürde umfassender gewährleistet als die Rechtsordnung. Denn ein Verstoß gegen das Vorverurteilungsverbot wird in der Richtlinie als Verletzung der Menschenwürde bezeichnet und nicht nur als Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingestuft.53 c) Fazit Der Vergleich zwischen Pressekodex und Rechtslage ergibt, daß beide die Menschenwürde absolut schützen und daß das Vorliegen eines Eingriffs jeweils mit Hilfe der Objektformel zu klären ist. Der Schutz der Menschenwürde reicht nach dem Pressekodex wohl sogar weiter als nach den rechtlichen Vorgaben. Hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedeutet dies, daß der rechtlich durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitskern im ethischen Bereich mindestens einen gleichwertigen Schutz genießt.

2. Ziffer 2 Pressekodex: Sorgfaltsgebot, Verfälschungsverbot und Symbolfotos a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht Ziffer 2 Pressekodex beschäftigt sich vorwiegend mit den Sorgfaltspflichten bei der Wort- und Bildberichterstattung. Die Vorschrift gebietet die sorgfältige Prüfung 53

18*

Siehe Teil 3 A II 1 c) cc).

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des Wahrheitsgehalts von Nachrichten und Informationen, untersagt die Entstellung bzw. Verfälschung von Mitteilungen und Dokumenten und fordert die Kenntlichmachung von unbestätigten Meldungen, Gerüchten, Vermutungen und Symbolfotos54. Auch die Recherche ist bereits Bestandteil der Sorgfaltspflicht, vgl. Rl. 4.1 S. 1. Diese Vorgaben bezwecken unter anderem, eine Verfälschung des Persönlichkeitsbildes zu verhindern, und dienen daher dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.55 Von den zur Konkretisierung der Ziffer 2 Pressekodex erlassenen Richtlinien sind Rl. 2.2, die die ethischen Grundsätze zu den Symbolfotos näher umschreibt, und Rl. 2.3 über Vorausberichte persönlichkeitsrelevant. Für die letztgenannte Regelung trifft das zumindest insofern zu, als durch Kürzungen und Zusätze berechtigte Interessen Dritter, einschließlich ihres Persönlichkeitsrechts, nicht verletzt werden dürfen (S. 3). Schließlich bleibt noch Rl. 2.4 zu erwähnen, in der sich Regeln für Interviews finden. Unter anderem sollen Interviews vor der Veröffentlichung grundsätzlich autorisiert werden (S. 1, 2). Dem Gesprächspartner wird damit noch eine letzte Möglichkeit eingeräumt, die Publikation von intimen bzw. privaten Informationen zu unterbinden sowie eine fehlerhafte Wiedergabe und damit Verfälschung seiner Aussagen zu verhindern.56 Letzterem, also dem Schutz vor einer verfälschenden Darstellung der Persönlichkeit, dient auch S. 6 der Richtlinie. Die Regelung will den Interviewten davor bewahren, daß bei der Ankündigung eines Interviews in Form einer Kurzfassung durch Entstellungen etc. in seine Persönlichkeitsbelange eingegriffen wird. S. 3 fordert schließlich noch, daß sich Journalisten stets als solche zu erkennen zu geben haben. Damit soll verhindert werden, daß sich Pressetätige unerkannt einschleichen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen ausspionieren können. S. 4, 5 der Richtlinie, die eine Pflicht zur Quellenangabe enthalten, dienen hingegen ausschließlich der Wahrung hier nicht näher zu erörternder urheberrechtlicher Belange.57 Nicht weiter untersucht werden mangels Persönlichkeitsrelevanz auch Rl. 2.1 (Umfrageergebnisse), Rl. 2.5 (Sperrfristen) und Rl. 2.6 (Leserbriefe). Zwar kommt der letztgenannten Regelung durchaus persönlichkeitsschützende Wirkung zu, doch sind Gegenstand der vorliegenden Untersuchung nicht Leserbriefe, sondern allein „eigene“ Publikationen der Presse.

Vgl. dazu die Beispiele in Rl. 2.2 S. 2. Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 111. 56 Heute nutzen Prominente die Autorisierung von Interviews allerdings nicht mehr primär dazu, ihr Persönlichkeitsrecht zu schützen, sondern dazu, ein bestimmtes Image in der Öffentlichkeit zu kreieren und zu steuern. Der Deutsche Presserat spricht insofern von „Hahn auf – Hahn zu“-Methode und dem Erzwingen von „Hofberichterstattung“, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 21 und Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 18 f. 57 Empfehlung zur Quellenangabe bei Nachdruck oder auszugsweiser Wiedergabe von Interviews vom 16. Oktober 1967, in: Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1974, S. 77. 54 55

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b) Interpretation und Abgleich mit den rechtlichen Vorgaben aa) Pflicht zur wahrhaftigen Berichterstattung Im Pressekodex spielt die Wahrheit von Tatsachen eine herausragende Rolle. Ziffer 1 Pressekodex erhebt die Achtung vor der Wahrheit und die wahrhaftige Unterrichtung der Allgemeinheit zu „oberste(n) Gebote(n)“ der Presse und Ziffer 2 S. 1 Pressekodex fordert, Nachrichten und Informationen in Wort und Bild mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Die Presse ist also auch nach dem Pressekodex prinzipiell zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Daraus folgt aber nicht, daß nur Tatsachenmitteilungen veröffentlicht werden dürfen, deren Wahrheit objektiv feststeht. Aus Ziffer 2 S. 1 Pressekodex ergibt sich vielmehr, daß es für die Zulässigkeit einer Mitteilung ausreicht, wenn nach der gebotenen sorgfältigen Überprüfung bzw. Recherche, vgl. Rl. 4.1 S. 1, von ihrem Wahrheitsgehalt auszugehen ist. Es reicht also, wenn die Berichterstattung wahrhaftig ist (sogenannte subjektive Wahrheit).58 Auch in sämtlichen Landespressegesetzen finden sich Vorschriften, die die Sorgfaltspflichten der Presse näher normieren.59 Zivilrechtlich spielt die journalistische Sorgfaltspflicht ebenfalls eine Rolle, und zwar bei der Frage der Rechtswidrigkeit60 einer Persönlichkeitsbeeinträchtigung und beim Verschulden, § 276 Abs. 1 BGB. Soweit die Normierung durch die Landespressegesetze reicht, stimmt dabei das Schutzniveau für beide Rechtsgebiete überein:61 Weder die Landespressegesetze noch das Zivilrecht legen der Presse die Pflicht auf, allein die objektiv erwiesene Wahrheit zu veröffentlichen. Dies würde die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungs- bzw. Pressefreiheit zu stark einschränken.62 Zwar müssen unwahre Tatsachen, anders als regelmäßig wahre Tatsachen, prinzipiell nicht hin58 Zu objektiver Wahrheit und subjektiver Wahrheit (Wahrhaftigkeit) siehe Groß, Presserecht, 3. Aufl. 1999, Rn. 38. 59 Siehe Teil 2 F I mit Fn. 119. 60 Bei der Frage der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts spielt die Einhaltung der Sorgfaltspflicht bereits auf der Stufe der Rechtswidrigkeit eine Rolle. Es wird angenommen, daß ein Eingriff in persönlichkeitsrelevante Belange schon nicht rechtswidrig ist, wenn ein ernsthaftes öffentliches Interesse an der Mitteilung besteht und die journalistische Sorgfaltspflicht gewahrt wurde, Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 42 Rn. 65 ff. Die in den Landespressegesetzen normierten Sorgfaltspflichten sind keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 17; a.A. Groß, Presserecht, 3. Aufl. 1999, Rn. 40. 61 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 12, 15. Mit dem strafrechtlichen Sorgfaltsmaßstab besteht allerdings keine Deckungsgleichheit, da dort nicht ein objektiver, sondern subjektiver Sorgfaltsmaßstab gilt, Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 42 Rn. 68. 62 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 160. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 BayPrG, der den Printmedien die „Pflicht zu wahrheitsgemäßer Berichterstattung“ auferlegt, ist nach Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 160 zumindest mißverständlich, nach Groß, Presserecht, 3. Aufl. 1999, Rn. 38 sogar verfassungswidrig.

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genommen werden.63 Doch wird im Falle einer irrtümlich nicht korrekten Berichterstattung eine Ausnahme anerkannt, wenn die sogenannte „publizistische Sorgfalt“ eingehalten wurde.64 Die rechtlichen und presseethischen Anforderungen an die Wahrhaftigkeit der Berichterstattung stimmen damit generell überein.65 Zu prüfen bleibt, ob dies auch auf die Konkretisierungen in Ziffer 2 S. 2 bis 5 Pressekodex und in den Richtlinien zutrifft.

bb) Schutz vor Verfälschungen Ein Schutz vor Verfälschungen, wie er sich in Ziffer 2 S. 2 und 3 Pressekodex und in den Rl. 2.3 S. 3 sowie Rl. 2.4 S. 6 findet, wird auch durch die Rechtsprechung gewährleistet: Der Presse obliegt zwar rechtlich nicht die Pflicht, umfassend zu berichten.66 Doch wie im Pressekodex ist es auch rechtlich untersagt, wesentliche Teile des Sachverhalts zu unterdrücken oder ein Geschehen im Kern entstellend oder verzerrend zu präsentieren.67 Auch durch die Suggestivkraft einer Schlagzeile68 bzw. durch die Verbindung von Bild und Text69 kann ein Artikel in seiner wesentlichen Aussage unwahr und damit rechtlich wie presseethisch unzulässig werden.70 Für Dokumente und Zitate, z. B. in Interviews, gilt entsprechendes. Bei ihnen ist ebenfalls eine sinnentstellende Veränderung sowohl nach der Rechtsordnung als auch nach dem Pressekodex und den Richtlinien verboten.71

cc) Kenntlichmachung unbestätigter Meldungen, Gerüchte und Vermutungen Soweit unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen in Rede stehen, gebietet Ziffer 2 S. 4 Pressekodex, sie als solche kenntlich zu machen. Angesichts der Gefahr, daß von nicht verbürgten Vorwürfen, selbst wenn sie sich schließlich als unbegründet erweisen, immer „etwas hängenbleibt“, fordert aber auch die BVerfGE 99, 185 (196). Siehe Teil 3 D II 1 a) cc) (a). 65 Rechtlich hängt die Zulässigkeit einer Tatsachenmitteilung allerdings zusätzlich davon ab, ob ein ernsthaftes öffentliches Interesse an der Meldung besteht, Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 42 Rn. 66 f. 66 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 174. 67 BVerfGE 12, 113 (130); BVerfG AfP 2003, 535 (536); BGH NJW 1965, 2395 (2396); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 173. 68 OLG Köln AfP 1985, 295 (296 f.); zur mißverständlichen Formulierung einer Schlagzeile auf dem Titelblatt einer Zeitschrift vgl. BGH NJW 1996, 984 (985). 69 BGH NJW 1971, 1359 (1359 f.); OLG Hamburg AfP 1987, 703 (704). 70 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 173. 71 BVerfGE 54, 208 (217, 219); BGHZ 31, 308 (311 f., 318); OLG Celle AfP 2002, 506 (507); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 424, 427. 63 64

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Rechtsprechung, daß auf die Offenheit der Sachlage bzw. die Fragwürdigkeit eines Gerüchts deutlich hingewiesen wird.72 Pressekodex und Rechtslage stimmen also insoweit überein. Rechtlich sind für die Zulässigkeit derartiger Meldungen allerdings noch zusätzliche Voraussetzungen zu erfüllen.73 Daher sind die rechtlichen Anforderungen strenger als die im Pressekodex verankerten Vorgaben.

dd) Autorisierung von Interviews Bevor auf das Problem der Symbolfotos eingegangen wird, ist zum Komplex der Wortberichterstattung noch Rl. 2.4 zu erörtern. Soweit es um das Problem der Entstellung und Verfälschung von Interviews bzw. ihrer Kurzfassung (S. 6) geht, genügt ein Verweis auf die obigen Ausführungen.74 Die Pflicht zur Offenlegung der journalistischen Tätigkeit (S. 3) wird unter Ziffer 4 Pressekodex behandelt, so daß an dieser Stelle lediglich noch die Frage der Autorisierung von Interviews zu klären ist. Ein Interview ist nach Rl. 2.4 S. 1, 2 prinzipiell nur korrekt, wenn es autorisiert wurde. Ausnahmen gelten lediglich bei besonderem Zeitdruck, wenn dem Befragten bewußt ist, daß seine Aussagen publiziert werden sollen. Rechtlich ist eine Autorisierung hingegen grundsätzlich nicht geboten, es sei denn, es wurde eine entsprechende Vereinbarung getroffen.75 Wenn eine Autorisierung aber vorliegt, verwehrt man es dem Betroffenen sowohl nach rechtlichen als auch presseethischen Gesichtspunkten, zu behaupten, daß ihm Äußerungen untergeschoben worden seien.76 ee) Symbolfotos Abschließend sind im Rahmen von Ziffer 2 Pressekodex und der dazugehörenden Richtlinien noch die Symbolfotos zu behandeln. Darunter fallen nach der weiten Definition in Rl. 2.2 S. 2 nicht nur Ersatz- oder Behelfsillustrationen, sondern auch symbolische Illustrationen und Fotomontagen sowie sonstige Veränderungen. Symbolfotos müssen nach Ziffer 2 S. 5 Pressekodex und Rl. 2.2 S. 1 als solche kenntlich sein bzw. erkennbar gemacht werden, z. B. in der Bildlegende. Ein Vergleich mit der Rechtslage hat sich hier an den §§ 22, 23 KUG zu orientieren. § 22 S. 1 KUG verlangt, daß Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Unter Bildnis versteht man dabei eine Darstellung von Personen, die deren äußere Erschei72 BGHZ 143, 199 (203); BGH NJW 1977, 1288 (1289); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 16.23, 16.24c, 16.28. 73 BGHZ 143, 199 (203 ff.); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 16.24 ff., 16.27 ff. 74 Siehe Teil 6 B II 2 b) bb). 75 Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1987, S. 88; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 7.71 f. 76 Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1987, S. 88.

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nung erkennbar wiedergibt.77 Der Begriff wird weit ausgelegt, so daß auch Symbolfotos unter die Vorschrift fallen.78 Willigt der Betroffene ein, kann sein Bildnis publiziert werden. Auf eine Kennzeichnung als Symbolfoto kommt es hier nicht an. Der Pressekodex ist daher insoweit strenger, da er seinem Wortlaut nach stets eine Kenntlichmachung verlangt, unabhängig davon, ob eine Einwilligung erteilt wurde oder nicht. Fehlt es an einer Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG, kann die Veröffentlichung rechtlich dennoch nach § 23 Abs. 1 KUG zulässig sein. So dürfen nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne die erforderliche Einwilligung verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.79 Im Rahmen dieser Vorschrift wird differenziert zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte. 80 Bei absoluten Personen der Zeitgeschichte hält man eine Abbildung auch dann für zulässig, wenn ein Bezug zum Zeitgeschehen fehlt.81 Ein ausdrücklicher Hinweis auf den Charakter als Symbolfoto wird nicht verlangt. Die ethischen Anforderungen sind also auch insofern strenger. Inwieweit bei relativen Personen der Zeitgeschichte Symbolfotos, z. B. Archivaufnahmen als Ersatzillustrationen, erlaubt sind, war lange Zeit streitig. Doch hat das Bundesverfassungsgericht nun entschieden, daß auch Fotos aus einem anderen Kontext verwendet werden dürfen, wenn dies nicht zu einer (zusätzlichen) Persönlichkeitsverletzung führt.82 Eine Kenntlichmachung ist rechtlich wiederum nicht gefordert, so daß die presseethischen Grundsätze auch für diesen Fall striktere Vorgaben enthalten. Grenzen für nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zulässige Aufnahmen ergeben sich jedoch aus § 23 Abs. 2 KUG, nämlich wenn ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Im Rahmen dieses Absatzes ist eine Abwägung durchzuführen, bei der unter Umständen der Wahrheitsschutz überwiegt und damit zur Rechtswidrigkeit der Abbildung führt, z. B. bei nicht erkennbaren Retuschen.83 BGHZ 26, 349 (351); BGH AfP 2000, 354 (355). v. Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 7.8 und Rn. 7.20; Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 121; Engels / Schulz, AfP 1998, 575. 79 Zu § 23 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 KUG siehe Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 43 Rn. 17 ff. 80 Siehe dazu Teil 3 D II 4 b). 81 BGH NJW 1979, 2203 (2204); BGH NJW 2002, 2317 (2318); Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 43 Rn. 16. 82 BVerfG NJW 2001, 1921 (1924 ff.); zustimmend Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 135 f., 172; vgl. nun auch LG Hamburg AfP 1999, 523 (524); Zentai, ZUM 2003, 368. Noch a.A. LG Hamburg ZUM 1998, 852 (858) und Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 21.5. 83 Vgl. BGHZ 26, 52 (67); LG München AfP 2003, 373 (373 f.); v. Strobl-Albeg, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 8.79; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 233 f. 77 78

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Die Kenntlichmachung als Symbolfoto wird rechtlich also allenfalls als Abwägungsfaktor im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG relevant. Ihr Fehlen führt aber nicht wie bei der Anwendung des Pressekodex stets zur Unzulässigkeit der Bildnisveröffentlichung. c) Zusammenfassung Der Vergleich zwischen Ziffer 2 Pressekodex samt der dazugehörenden Richtlinien und der Rechtslage hat weitgehende Übereinstimmungen aufgezeigt. Beide verlangen wahrhaftige Berichterstattung und untersagen verzerrende Darstellungen. Höhere Anforderungen werden rechtlich bei unbestätigten Meldungen und Gerüchten gestellt. Sie müssen nicht nur wie im Pressekodex als solche kenntlich gemacht werden, sondern noch weitere Anforderungen erfüllen. Hingegen erweist sich der Pressekodex als strenger, wenn er prinzipiell eine Autorisierung von Interviews verlangt und stets die Kenntlichmachung von Symbolfotos fordert.

3. Ziffer 3 Pressekodex: Richtigstellung, Dokumentierung und Auskunft a) Persönlichkeitsrelevanz Ziffer 3 Pressekodex gebietet dem betroffenen Publikationsorgan, veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art,84 die sich nachträglich als falsch erweisen, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen. Die Regelung dient damit schon ausweislich ihres Wortlauts dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Konkretisiert wird die Forderung in Rl. 3.1. Mit diesen Vorgaben soll Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts durch verfälschende Darstellungen abgeholfen werden. Eng damit im Zusammenhang steht Rl. 13.1 S. 7, 8, nach der die Presse über rechtskräftig abschließende Freisprüche, deutliche Minderungen des Strafvorwurfs oder die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens berichten soll, wenn sie zuvor über eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung bzw. die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens berichtet hat und berechtigte Interessen des identifizierbaren Betroffenen nicht entgegenstehen. Auch damit wird bezweckt, Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts zu beseitigen. Die seit 2001 anläßlich der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz eingeführte Rl. 3.2 ist ebenfalls persönlichkeitsschützend. Sie greift ein, wenn die journalistisch-redaktionelle Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten durch die Presse zur Veröffentlichung von Richtigstellungen nach dem Pressekodex, vgl. Ziffer 3 Pressekodex und Rl. 3.1, Widerrufen und Gegendarstellungen oder zu Rügen des Deutschen Presserats geführt hat und verlangt in 84

Hervorhebung durch die Verfasserin.

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diesem Fall von dem betroffenen Publikationsorgan, die Veröffentlichungen zu den gespeicherten Daten zu nehmen und für dieselbe Zeitdauer zu dokumentieren wie die Daten selbst. Diese Dokumentationspflicht soll gewährleisten, daß Persönlichkeitsverletzungen bei der erneuten Verarbeitung oder Nutzung der personenbezogenen Daten verhindert werden. Im Fall von Gegendarstellungen, bei denen die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung nicht nachgewiesen sein muß, wird zumindest auf den zweifelhaften Wahrheitsgehalt der ursprünglichen Veröffentlichung hingewiesen mit der Folge, daß bei erneuter Verwendung erhöhte Sorgfaltspflichten bei der Prüfung des Wahrheitsgehalts bestehen.85 Auch die Einführung der Rl. 3.3 erfolgte im Jahr 2001. Sie enthält einen Auskunftsanspruch für Personen, die durch eine Berichterstattung in der Presse in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wurden.86 Dem Betroffenen wird es so ermöglicht, Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen vorzubereiten.87 Allerdings muß das Publikationsorgan dem Auskunftsantrag des Betroffenen nur entsprechen, wenn nicht eines der in Rl. 3.3 S. 2 verankerten Auskunftsverweigerungsrechte eingreift.

b) Auslegung und Vergleich mit den rechtlichen Vorgaben aa) Richtigstellung An der Pflicht der Presse, sich nachträglich als „falsch“88 herausstellende Meldungen unverzüglich in angemessener Weise richtig zu stellen, Ziffer 3 Pressekodex, Rl. 3.1, ist zunächst bemerkenswert, daß nicht danach differenziert wird, ob tatsächlich eine Persönlichkeitsverletzung vorliegt oder nicht, d. h. dem Wortlaut nach besteht die Pflicht auch bei gerechtfertigten Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ein Antrag auf Richtigstellung ist zudem nicht erforderlich. Die ethische Pflicht besteht also auch dann, wenn der Betroffene keine Kenntnis von der falschen Berichterstattung hat.89 Im übrigen muß aus der Richtigstellung für den Leser erkennbar sein, daß die vorangegangene Meldung zumindest teilweise nicht korrekt war; die Richtigstellung muß daher bei der Wiedergabe des 85 Vgl. auch Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 33 zur ähnlich lautenden Vorschrift des § 41 Abs. 2 BDSG; Seibel-Schwiedernoch, CR 1988, 865; Kloepfer, AfP 2000, 521. 86 Hervorhebung durch die Verfasserin. 87 Sogenannter präparatorischer Auskunftsanspruch; vgl. zur Terminologie und zum präparatorischen Charakter datenschutzrechtlich motivierter Informationsansprüche Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, 1997, S. 173 ff. 88 Eine Richtigstellung ist nur bei unwahren Tatsachenbehauptungen möglich. Die Terminologie des Deutschen Presserats stimmt hier nicht mit derjenigen der Rechtsprechung überein, nach der Tatsachenbehauptungen nur wahr oder unwahr sein können, nicht aber richtig oder falsch, BVerfGE 90, 241 (247); BGH NJW 1982, 2246 (2247). 89 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 193.

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richtigen Sachverhalts auf die Falschmeldung Bezug nehmen. Das gilt auch dann, wenn der Irrtum bereits auf andere Weise öffentlich eingestanden worden ist, Rl. 3.1 S. 3. Durch Anregung und Veröffentlichung eines Leserbriefs kann sich das Publikationsorgan dieser Pflicht folglich nicht entziehen.90 Rechtlich ist eine derartige autonome Berichtigungspflicht der Presseorgane zwar vereinzelt befürwortet worden,91 hat sich aber bisher nicht durchsetzen können.92 Auch ein gesetzlich verankerter datenschutzrechtlicher Berichtigungsanspruch des Betroffenen gegen die Presse existiert nicht.93 Zwar kann auf rechtlicher Ebene, insbesondere durch die Ansprüche auf Gegendarstellung und Widerruf, eine Korrektur der Publikation erreicht werden. Doch muß der Betroffene hier zur Durchsetzung seiner Rechte selbst die Initiative ergreifen. Eine autonome Pflicht zur Richtigstellung gibt es also nur im presseethischen Bereich.94 Ein rechtliches Äquivalent existiert nicht, so daß der Pressekodex insofern weiter reicht.95 bb) Folgeberichterstattung Rl. 13.1 S. 7, 8 betrifft die sogenannte Folgeberichterstattung. Die Regelung legt der Presse ebenfalls eine Veröffentlichungspflicht auf. Sie greift ein, wenn sich im Rahmen eines Strafverfahrens neue Entwicklungen ergeben haben, beispielsweise wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt oder ein Angeklagter rechtskräftig freigesprochen wurde. Der Unterschied zur Richtigstellung nach Ziffer 3 Pressekodex und Rl. 3.1 besteht darin, daß die ursprünglichen Meldungen hier eventuell gar nicht unzutreffend waren, z. B. da deutlich herausgestellt wurde, daß der Betroffene noch nicht rechtskräftig verurteilt ist. Auch der Rechtsprechung ist die Problematik nicht unbekannt. Die Gerichte erkennen einen Anspruch des Betroffenen auf Folgeberichterstattung an, wenn über 90 Richtlinien zur Berichtigungspflicht vom 27. November 1959, in: Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1974, S. 64; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 193. 91 Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 79 f.; Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 179. 92 Siehe nur Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 198; Gamer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 13.1 und Rn. 13.6. 93 Vgl. zu außerhalb des Pressebereichs gegen die Medien existierenden Berichtigungsansprüchen z. B. § 41 Abs. 2 S. 3 BDSG; § 20 Abs. 3 S. 3 MDStV; § 17 Abs. 3 S. 3 ZDFStV; § 49 Abs. 3 S. 3 WDR-Gesetz; Art. 21 Abs. 3 S. 3 BayRG. 94 Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 111. 95 Genügt ein Presseorgan seiner journalistischen Pflicht zur Richtigstellung, kann das jedoch seine Rechtsposition beeinflussen, da so die Durchsetzung rechtlicher Ansprüche verhindert oder zumindest erschwert wird, OLG Hamburg ZUM 1989, 248 (249); OLG Köln AfP 1989, 764 (764); Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 193.

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ein strafrechtliches Verfahren berichtet wurde, dieses aber schließlich mit einem rechtskräftigen Freispruch endete.96 Allerdings kann der Betroffene keine Erklärung des Publikationsorgans verlangen, sondern nur die Veröffentlichung einer von ihm selbst verfaßten Erklärung.97 Wie bei der Richtigstellung reichen die presseethischen Gewährleistungen damit auch bei der Folgeberichterstattung weiter als der rechtlich eingeräumte Schutz: So sollen die Presseorgane nach Rl. 13.1 S. 7, 8 eine eigene Erklärung ohne Initiative des Betroffenen veröffentlichen. Zudem erfaßt Rl. 13.1 S. 7, 8 mehr Fallkonstellationen, z. B. auch die deutliche Minderung des Strafvorwurfs.

cc) Dokumentierung In Rl. 3.2 findet sich daneben die ethische Pflicht zur Dokumentierung. Sie ist ihrem Wortlaut nach auf Richtigstellungen, Widerrufe und Gegendarstellungen sowie Rügen98 des Deutschen Presserats bzw. seiner Beschwerdeausschüsse beschränkt. Nicht erfaßt werden unter anderem Unterlassungsansprüche und bei den presseethischen Sanktionen Mißbilligungen und Hinweise. Die letzten beiden werden wohl deshalb nicht genannt, weil sie im Gegensatz zu den aufgezählten Maßnahmen regelmäßig nicht von den betroffenen Presseorganen publiziert werden,99 die Dokumentationspflicht aber prinzipiell an die Veröffentlichung der Sanktionen anknüpft. Die Richtlinie lehnt sich inhaltlich überwiegend an die die Medien betreffenden datenschutzrechtlichen Dokumentationspflichten an.100 Daher ist der Begriff „personenbezogene Daten“ wie in § 3 Abs. 1 BDSG auszulegen. Ein direkter Vergleich der ethischen mit einer gesetzlichen Regelung ist allerdings nicht möglich, da für die Presse keine entsprechende gesetzliche Vorschrift und damit keine spezifisch datenschutzrechtlich begründete Dokumenta96 BVerfG NJW 1997, 2589 (2589); BGHZ 57, 325 (326 ff.); Soehring / Seelmann-Eggebert, NJW 2000, 2478; teilweise kritisch wegen der engen Anspruchsvoraussetzungen Gamer, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 13.74 ff. 97 BGHZ 57, 325 (334); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 294. 98 Da der Wortlaut nicht zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Rügen differenziert und sich die Voraussetzung der „Veröffentlichung“ in Rl. 3.2 HS. 1 nur auf Richtigstellungen, Widerrufe und Gegendarstellungen bezieht, sind auch nicht öffentliche Rügen von der Dokumentationspflicht erfaßt. Man könnte zwar zu einem anderen Ergebnis kommen, wenn man auf Rl. 3.2 HS. 2 abstellt. Doch spricht für die erstgenannte Auslegung auch das Schutzbedürfnis des Betroffenen, da es sich bei nicht öffentlichen Rügen regelmäßig um besonders schwere Persönlichkeitsbeeinträchtigungen handelt, die erst recht dokumentiert werden müssen, um eine Wiederholung zu verhindern. 99 Hinsichtlich der Unterlassungsansprüche könnte man allerdings zu einem anderen Ergebnis kommen, also die Speicherungspflicht bejahen, da für sie sogar strengere Voraussetzungen als für eine Gegendarstellung gelten, vgl. Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 36 zu § 41 Abs. 2 BDSG. 100 Vgl. z. B. § 41 Abs. 2 BDSG; § 49 Abs. 2 WDR-Gesetz; § 17 Abs. 2 ZDF-StV; § 20 Abs. 2 MDStV; Art. 21 Abs. 2 BayRG.

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tionspflicht existiert,101 auch wenn sie verfassungsrechtlich unbedenklich wäre.102 Der Kodex soll hier vielmehr die gesetzliche Regelung ersetzen.103 dd) Auskunft Schließlich bleibt im Rahmen von Ziffer 3 Pressekodex und den dazugehörenden Richtlinien noch der in Rl. 3.3 verankerte Auskunftsanspruch zu untersuchen, der erst nach erfolgter Berichterstattung in der Presse geltend gemacht werden kann. Er bezieht sich nicht nur auf die tatsächlich verwendeten, sondern auf alle der konkreten Berichterstattung zugrundeliegenden Daten zur Person des Betroffenen.104 Voraussetzung ist, daß derjenige, der den Anspruch geltend macht, durch die Presseberichterstattung in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wurde. Man könnte dies so auslegen, daß die Rechtsverletzung dem Grunde nach bereits feststehen muß.105 Betrachtet man den Wortlaut, ist das Ergebnis allerdings nicht zwingend, denn eine Beeinträchtigung ist nicht automatisch mit einer Verletzung gleichzusetzen. Vorzugswürdig erscheint es vielmehr, den Anspruch schon bei einer hinreichend plausiblen Darlegung einer Persönlichkeitsverletzung zu bejahen, also vernünftige Anhaltspunkte ausreichen zu lassen.106 Der Zweck des Auskunftsanspruchs, den Persönlichkeitsschutz zu erleichtern, würde sonst nämlich nur in engen Grenzen erreicht.107 Allerdings kann der Betroffene nicht uneingeschränkt Auskunft verlangen. Der Anspruch unterliegt vielmehr gewissen Grenzen. So darf die Auskunft verweigert 101 Vgl. § 41 Abs. 1 BDSG und die Vorschriften der Landespressegesetze zum Presseprivileg, siehe Teil 5 Fn. 114; Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 118 f. 102 Kloepfer, AfP 2000, 521. 103 Vgl. die Vereinbarung zwischen dem Bundesinnenminister und dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein sowie den Trägerverbänden, Teil 5 B V 2 und G II 2. Der Aufnahme von Gegendarstellungen etc. in die Pressearchive kommt nach alledem nur eine mittelbare rechtliche Bedeutung zu. Ihre Unterlassung kann bei einer erneuten persönlichkeitsbeeinträchtigenden Veröffentlichung eine Sorgfaltspflichtverletzung begründen, vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 1993, 1392 (1392); Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1987, S. 264 f., der allerdings unter gewissen Voraussetzungen auch aus anderen Gründen eine Pflicht zur Aufnahme von Gegendarstellungen bejaht. 104 Deutscher Presserat, Datenschutz in Redaktionen, 2003, S. 20; vgl. Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 38 zum insoweit gleichlautenden § 41 Abs. 3 S. 1 BDSG. 105 So die überwiegende Ansicht zur Auslegung der die Medien betreffenden datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüche, die ebenfalls von „Beeinträchtigung“ sprechen, wie § 41 Abs. 3 S. 1 BDSG; § 17 Abs. 3 S. 1 ZDF-StV; § 20 Abs. 3 S. 1 MDStV; § 49 Abs. 3 S. 1 WDR-Gesetz; Art. 21 Abs. 3 S. 1 BayRG. Vgl. auch BTag-Drs. 11 / 4306, S. 55; Gola / Schomerus, BDSG, 7. Aufl. 2002, § 41 Rn. 15; ähnlich Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 37, der allerdings in eng umgrenzten Fällen Ausnahmen zuläßt. 106 Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, 1997, S. 41, 182 ff. 107 Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, 1997, S. 183.

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werden, um eine Offenlegung der Identität derjenigen zu verhindern, die an Beiträgen berufsmäßig journalistisch mitgewirkt haben. Ferner besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht, soweit aus den Daten auf die Person des Einsenders, Gewährsträgers oder Informanten von Beiträgen, Materialien und Mitteilungen geschlossen werden kann. Hier ist der klassische Informantenschutz verankert.108 Als dritter Grund wird der Fall genannt, daß durch die Mitteilung der Daten die journalistische Aufgabe des Presseorgans durch Ausforschung des Informationsbestandes beeinträchtigt würde. Schließlich existiert als Auffangtatbestand noch die Befugnis, eine Auskunft abzulehnen, soweit es sich sonst als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphäre mit dem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit in Einklang zu bringen. Vergleicht man die Richtlinie, so wie sie hier ausgelegt wird, mit den rechtlichen Vorgaben, fällt auf, daß zwar datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche gegen die Medien in zahlreichen Vorschriften existieren,109 allerdings – mit einer Ausnahme110 – nicht für die Presse, obwohl dagegen wie schon bei der Dokumentationspflicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden.111 Die Richtlinie, die sich überwiegend an für andere Medien erlassene datenschutzrechtliche Vorschriften anlehnt,112 ersetzt also auch hier normative Regelungen zum Datenschutz,113 und gewährleistet damit einen weitergehenden Persönlichkeitsschutz als die Rechtsordnung. c) Fazit Schutzgegenstand der Ziffer 3 Pressekodex, der Rl. 3.1 bis Rl. 3.3 sowie von Rl. 13.1 S. 7, 8 ist das Recht an der Darstellung der eigenen Person. Die Pflichten zur autonomen Richtigstellung und Dokumentierung sowie der Auskunftsanspruch ersetzen entsprechende datenschutzrechtliche Normen. Sie sind also insofern be108 Vgl. Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 39 zu dem ähnlich lautenden § 41 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BDSG. 109 Siehe Fn. 105. Die gegen die Medien gerichteten datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüche sind von den im Zivilrecht zur Durchsetzung der Hauptansprüche bestehenden Auskunftsansprüchen, siehe Teil 2 Fn. 234, zu unterscheiden. Letztere werden daher nicht zum Vergleich herangezogen. 110 § 11a S. 2 HmbPrG ordnet für Unternehmen, die nicht der Selbstregulierung durch den Pressekodex und die Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats unterliegen, u. a. die entsprechende Geltung von § 41 Abs. 3 BDSG an. 111 Kloepfer, AfP 2000, 521; a.A. Pressemitteilung des Deutschen Presserats vom 18. November 1999, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 26 ff. 112 Vgl. § 41 Abs. 3 S. 1, 2 BDSG. Der einzig relevante Unterschied besteht darin, daß der Deutsche Presserat noch einen zusätzlichen Auskunftsverweigerungsgrund eingeführt hat. 113 Das gilt auch im Hinblick auf § 11a S. 2 HmbPrG, da die Vorschrift nur eingreift, wenn das Unternehmen nicht der Presseselbstkontrolle unterfällt. Im übrigen wird ein Auskunftsanspruch über gespeicherte personenbezogene Daten de lege lata nur vereinzelt in der Literatur bejaht, Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, 1997, passim; Stürner, JZ 1994, 874.

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze

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merkenswert, als es zu ihnen kein unmittelbares gesetzliches Pendant für die Presse gibt. Ein Anspruch auf Folgeberichterstattung wird zwar auch von der Rechtsprechung anerkannt, reicht aber im presseethischen Bereich weiter.

4. Ziffer 4 Pressekodex: Verbot unlauterer Recherchemethoden a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht Ziffer 4 Pressekodex untersagt es, bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern unlautere Methoden anzuwenden. Insbesondere eine verdeckte Recherche ist prinzipiell unzulässig, Rl. 4.1 S. 2, 3, 4. Da zu den unlauteren Methoden der Informationsbeschaffung unter anderem das – gegebenenfalls verdeckte – Eindringen in den privaten Lebensbereich gegen den Willen des Betroffenen zählt, dienen diese Regelungen zumindest auch dem Schutz des Persönlichkeitsrechts.114 Rl. 4.1 S. 5 spielt dagegen für den Persönlichkeitsschutz keine Rolle.115 Anders liegt es bei Rl. 4.2, die bei der Recherche gegenüber schutzbedürftigen Personen besondere Zurückhaltung fordert. Sie ist für den Persönlichkeitsschutz wieder relevant. Denn sie soll neben dem privaten Lebensbereich das Recht an der Darstellung der eigenen Person absichern, da man annimmt, daß die in der Richtlinie genannten Personen aufgrund ihrer persönlichen Disposition oder Situation nicht in der Lage sind, einem Pressevertreter auf gleicher Stufe gegenüberzutreten.116 Die letzte auf Ziffer 4 Pressekodex bezogene Richtlinie, Rl. 4.3, die anläßlich der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz eingeführt wurde, gebietet es schließlich den betroffenen Publikationsorganen, personenbezogene Daten, die unter Verstoß gegen den Pressekodex erhoben wurden, zu sperren oder zu löschen. Damit wird dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung entsprochen, das prinzipiell dem einzelnen die Entscheidung überläßt, wann und in welchen Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbaren will.117

Vgl. Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 116; Steffen, AfP 1988, 117. Hinsichtlich Rl. 4.1 S. 1 ist auf die Ausführungen zur Sorgfaltspflicht zu verweisen, siehe Teil 6 B II 2. 116 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 28. 117 BVerfGE 65, 1 (41 f.). 114 115

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

b) Interpretation und Abgleich mit der Rechtslage aa) Verbot unlauterer Materialbeschaffung Ziffer 4 Pressekodex normiert das Verbot unlauterer Materialbeschaffung,118 was seit 2001 personenbezogene Daten119 einschließt. Wie der Begriff Unlauterkeit zu interpretieren ist, ergibt sich teilweise aus den Rl. 4.1 und Rl. 4.2. Im übrigen kommt es auf die Auslegung durch die zuständigen Gremien an.120 Soweit allein der Wortlaut zugrunde gelegt wird, kann die Ziffer entweder so interpretiert werden, daß sie sich mit der Rechtsordnung deckt, also allein die rechtswidrige Informationsbeschaffung121 untersagt,122 bzw. darüber hinausreicht, d. h. sie verbietet mehr als rechtlich zulässig ist, oder sogar dahingehend, daß sie hinter den rechtlichen Vorgaben zurückbleibt. bb) Verdeckte Recherchen Von den in Rl. 4.1 angesprochenen Themen ist hier allein der Aspekt der verdeckten Recherche zu untersuchen.123 Rl. 4.1 S. 2 fordert Journalisten auf, sich grundsätzlich als solche zu erkennen zu geben. Unwahre Angaben des recherchierenden Journalisten über seine Identität und darüber, welches Presseorgan er vertritt, werden prinzipiell mit dem Ansehen und der Funktion der Presse für unvereinbar erklärt (S. 3). Auch bei Interviews sollen sich Journalisten grundsätzlich als solche zu erkennen geben, Rl. 2.4 S. 3. Allerdings wird verdeckte Recherche im Einzelfall als zulässig erachtet, wenn Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die anders nicht zugänglich sind (S. 4). Rechtlich verletzt das Einschleichen, also das durch Täuschung bewirkte Überwinden des erklärten oder mutmaßlichen Willens des Betroffenen, seine Angelegenheiten nicht durch die Presse ausforschen zu lassen, zumindest das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder § 826 BGB, wenn nicht bereits andere Vorschriften wie §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 123 StGB (Hausfriedensbruch), 201 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 118 Davon zu trennen ist die Verbreitung rechtswidrig bzw. „unlauter“ beschafften Materials, vgl. dazu BVerfGE 66, 116 (137 f.). 119 Vgl. zur Auslegung des Begriffs Teil 6 B II 3 b) cc). 120 Zur Spruchpraxis vgl. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 248 f. 121 Siehe zu den Grenzen und Grenzformen der Recherche ausführlich Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 10.1 ff. 122 Ein Beispiel dafür ist die Frage der (Un-)Zulässigkeit von Paparazzi-Fotos, bei der sich der Deutsche Presserat bzw. seine Beschwerdeausschüsse an die Rechtsprechung anlehnen, Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 20 f.; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 21 f.; vgl. auch Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 12 ff. und für die rechtliche Bewertung Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 35 und 57 f. 123 Siehe Teil 6 B II 4 a).

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze

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Nr. 1 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) oder 202 StGB (Verletzung des Briefgeheimnisses) zur Unzulässigkeit führen.124 Eine derartige rechtswidrige Informationsbeschaffung wird auch grundrechtlich nicht geschützt.125 Selbst in außergewöhnlichen Fällen kann ein einmal feststehendes Rechtswidrigkeitsurteil126 nicht durch eine Güterabwägung abgewendet werden.127 Denn Journalisten sind bei der Recherche nicht von der Bindung an die allgemeine Rechtsordnung dispensiert.128 Es gibt kein „Journalisten-Privileg“.129 Erst die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen durch die Presse ist wieder grundrechtlich geschützt und kann aufgrund einer Abwägung ausnahmsweise als zulässig eingestuft werden.130 Damit findet die Abwägung in Fällen des Einschleichens auf rechtlicher Ebene regelmäßig erst bei der Frage der Zulässigkeit der Informationsverbreitung statt, während sie nach den vom Deutschen Presserat aufgestellten ethischen Grundsätzen bereits auf der Stufe der Informationsbeschaffung, also im Recherchestadium, vorzunehmen ist. Eine nach Ziffer 4 Pressekodex und Rl. 4.1 zulässige Recherche ist daher nicht immer rechtlich zulässig, d. h. hier stellt die Rechtsordnung strengere Anforderungen auf.

cc) Recherche bei schutzbedürftigen Personen Rl. 4.2 gebietet bei der Recherche gegenüber schutzbedürftigen Personen besondere Zurückhaltung (S. 1). Zu diesem Personenkreis zählen vor allem Menschen, die sich nicht im Vollbesitz ihrer geistigen oder körperlichen Kräfte befinden oder einer seelischen Extremsituation ausgesetzt sind, z. B. Verbrechens- oder Unfallopfer und ihre Angehörigen,131 sowie Kinder und Jugendliche132 (S. 2). Die eingeschränkte Willenskraft oder besondere Situation dieser Personen darf nicht gezielt zur Beschaffung von Informationen ausgenutzt werden (S. 3). 124 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 10.4 f., 10.6 ff., 10.26; Teßmer, Der privatrechtliche Persönlichkeitsschutz von Prominenten vor Verletzung durch die Medien, 2000, S. 39 f.; Minzberg, BILD-Zeitung und Persönlichkeitsschutz, 1999, S. 119. 125 BVerfGE 66, 116 (137). 126 Anders liegt es, wenn die Frage der Rechtswidrigkeit erst noch geklärt werden muß. Dann spielen bei der Abwägung sowohl der Öffentlichkeitswert der Information als auch die bei der Recherche erforderliche größere Bewegungsfreiheit eine Rolle, Steffen, AfP 1988, 118 f. 127 So aber Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 10.27 unter Berufung auf Ziffer 4 Pressekodex. 128 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 53; Steffen, AfP 1988, 118; Fechner, Medienrecht, 4. Aufl. 2003, Rn. 649 f. 129 Steffen, AfP 1988, 118. 130 BVerfGE 66, 116 (137 ff.); siehe Teil 3 B I 2 b) bb). 131 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 28 f. 132 Als Jugendliche sind unter Berücksichtigung des § 1 Abs. 2 JGG Personen zwischen 14 und 18 Jahren anzusehen, Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1974, S. 75.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

In rechtlicher Hinsicht hängt die Zulässigkeit der Informationsbeschaffung bei schutzbedürftigen Personen zunächst davon ab, ob die Möglichkeit einer wirksamen Einwilligung bestand und ob sie tatsächlich erteilt wurde.133 Doch wird es bei den genannten Personengruppen häufig an einer wirksam erklärten Einwilligung fehlen, und zwar unabhängig davon, ob man die Einwilligung als Realakt,134 rechtsgeschäftsähnliche Handlung135 oder als Willenserklärung136 einordnet. So ist bei Kindern und Jugendlichen stets die Zustimmung der Eltern erforderlich.137 Im übrigen werden die Genannten oftmals die Reichweite der Einwilligung nicht erfassen können.138 Wenn eine Einwilligung aber fehlt bzw. unwirksam ist, muß auf rechtlicher Ebene aufgrund einer Abwägung entschieden werden, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht, auf das sich alle hier Angesprochenen ausnahmslos berufen können,139 verletzt wurde.140 Dazu dürfen die für § 23 Abs. 1, 2 KUG entwickelten Kriterien herangezogen werden.141 Allerdings vermögen auch sie regelmäßig kein die Schutzbedürftigkeit überwiegendes Informationsinteresse zu begründen.142 Daher wird die Abwägung meist zu Lasten der Presse ausgehen. Die Gegenüberstellung von ethischen und rechtlichen Anforderungen zeigt, daß der Pressekodex schutzbedürftige Personen gegen journalistische Recherchen stärker schützt als die Rechtsordnung. Denn er differenziert nicht danach, ob eine Einwilligung erteilt wurde oder nicht, und verbietet ausnahmslos, d. h. ohne eine Abwägung zu fordern, die Informationsbeschaffung unter Ausnutzung der eingeschränkten Willenskraft oder der besonderen Lage der Betroffenen.

133 Die Einwilligung wird zwar meist im Zusammenhang mit § 22 KUG und dem Recht am eigenen Bild erörtert. Doch kann sie auch andere Formen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausschließen, Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.43. 134 OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 742 (743); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 124. 135 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, Überbl v § 104 Rn. 8. 136 OLG München AfP 1989, 570 (571); Frömming / Peters, NJW 1996, 958; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.44 f. 137 BGH NJW 1974, 1947 (1949 f.); Frömming / Peters, NJW 1996, 958; Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 125. 138 LG Köln AfP 2002, 343 (345); OLG Frankfurt a.M. NJW 1987, 1087; Frömming / Peters, NJW 1996, 956. 139 Siehe Teil 3 A II 2. 140 Auch bei Bildaufnahmen ist im Gegensatz zur Bildverbreitung das allgemeine Persönlichkeitsrecht heranzuziehen, nicht §§ 22, 23 KUG, BGHZ 24, 200 (208); vgl. Teil 3 D II 4 a). 141 Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 57; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 9.4 ff. 142 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 480 f.

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze

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dd) Sperrung oder Löschung personenbezogener Daten Rl. 4.3 ordnet die Sperrung oder Löschung personenbezogener Daten an, die unter Verstoß gegen den Pressekodex erhoben wurden. Da die Bestimmung anläßlich der Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz eingeführt wurde, können die Termini „Sperrung“ und „Löschung“ in Anlehnung an das Bundesdatenschutzgesetz ausgelegt werden, vgl. § 3 Abs. 4 Nr. 4, 5 BDSG. Kriterien, wann eine Sperrung oder eine Löschung zu erfolgen hat, finden sich in der Vorschrift allerdings nicht. Jedoch sollte man eine Löschung nur bei besonders schweren Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erwägen, da durch die Löschung die Inhalte der Pressearchive stärker beeinträchtigt werden als durch die bloße Sperrung der Daten. Eine rechtliche Entsprechung zu dieser ethischen Regelung existiert für den Bereich der Presse nicht, weder in den Datenschutzgesetzen noch in den Landespressegesetzen. Der Pressekodex ersetzt sie. Soweit man eine Sperrung oder Löschung aus zivilrechtlichen Vorschriften ableiten will,143 reicht der Pressekodex ebenfalls weiter als die gesetzlichen Vorschriften, da es sich presseethisch um eine per se zu erfüllende Pflicht und nicht um einen Anspruch handelt. Fraglich ist allerdings, ob die Regelung in Rl. 4.3 nicht zu weit geht, also in die Tätigkeit der Presse zu stark eingreift, insbesondere da keine Ausnahmen, wie z. B. in § 35 Abs. 8 BDSG, vorgesehen sind. Doch selbst wenn gegen eine entsprechende rechtliche Vorschrift unter Umständen Bedenken bestünden, da die Archivierung von rechtswidrig erlangtem Material nicht schlechthin unzulässig ist,144 spricht nichts gegen die im Pressekodex getroffene Regelung. Rl. 4.3 ist nämlich im Zusammenhang mit Ziffer 4 Pressekodex und Rl. 4.1 zu lesen. Die beiden letztgenannten Vorschriften ermöglichen es, die Grenzen der Informationsbeschaffung wesentlich weiter zu ziehen, als es rechtlich für zulässig erachtet wird. Die auf rechtlicher Ebene erst bei der Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen vorgenommene Abwägung wird hier auf die Stufe der Zulässigkeit der Informationsbeschaffung vorverlegt.145 Ein Verstoß gegen den Pressekodex, der erst die Sperr- oder Löschpflicht auslöst, liegt also seltener vor als eine die Rechtsordnung verletzende Informationsbeschaffung.

143 Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, 1997, S. 159; Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1987, S. 273 f.; Wegel, Presse und Rundfunk im Datenschutzrecht, 1994, S. 135 ff. 144 Zur Zulässigkeit der Archivierung rechtswidrig erlangter Informationen vgl. Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1987, S. 262 ff. und Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, 1997, S. 68 f. Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 89 f. plädiert im Fall rechtswidrig erlangter Daten für einen uneingeschränkten Löschungsanspruch des Betroffenen. 145 Siehe Teil 6 B II 4 b) aa).

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

c) Zusammenfassung Die Untersuchung von Ziffer 4 Pressekodex samt Richtlinien weist mehrere Abweichungen von den rechtlichen Standards auf. Zwar ist der Wortlaut von Ziffer 4 Pressekodex unterschiedlich interpretierbar. Mit Blick auf Rl. 4.1, die die ethischen Grenzen zulässiger Recherche weiter zieht als die Rechtsordnung, kann man aber wohl auch bei Ziffer 4 Pressekodex davon ausgehen, daß sie bei der Informationsbeschaffung mehr erlaubt als rechtlich zulässig ist. Hingegen stellt Rl. 4.2 bei der Recherche gegenüber schutzbedürftigen Personen strengere Anforderungen als die Rechtsordnung. Für Rl. 4.3 existiert nicht einmal eine entsprechende gesetzliche Normierung für das Pressewesen, so daß sich ein Vergleich erübrigt. Die presseethische Vorschrift tritt insoweit an die Stelle einer rechtlichen Regelung.

5. Ziffern 5 bis 7 Pressekodex Ziffer 5 Pressekodex gebietet es der Presse, prinzipiell die vereinbarte Vertraulichkeit zu wahren, insbesondere gegenüber Informanten, vgl. Rl. 5.1. Ziffer 6 Pressekodex untersagt es Pressetätigen unter anderem, Informanten ohne deren ausdrückliche Zustimmung preiszugeben. Diese Vorschriften dienen in erster Linie dazu, das Vertrauensverhältnis zwischen Informant und Pressemitarbeitern zu schützen.146 Es geht hier also primär darum, den ungestörten Informationsfluß zwischen Presse und Informanten zu gewährleisten. Könnten solche Leute nicht mit Vertraulichkeit rechnen, geriete die Funktionsfähigkeit der Presseorgane in Gefahr.147 Die Preisgabe von Informanten kann zwar auch zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts derselben führen,148 so daß ein prinzipielles Verbot, Quellen zu nennen, auch dem Persönlichkeitsschutz dient. Doch stellt dies nur eine mittelbare Folge der besagten Vorschriften dar, also einen bloßen Reflex.149 Daher wird auf die besagten Regelungen nicht näher eingegangen. Die übrigen Ziffern und Richtlinien, also Rl. 6.1 und Rl. 6.2, Ziffer 7 Pressekodex und Rl. 7.1 bis Rl. 7.3, sind mangels unmittelbarer Relevanz für den Persönlichkeitsschutz ebenfalls nicht Gegenstand der Untersuchung.

Vgl. BVerfGE 20, 162 (187). Bruns, Informationsansprüche gegen Medien, 1997, S. 90. 148 Vgl. BGH NJW 1987, 2667 (2667 f.); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 509. 149 So i.E. auch Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 240, 256, 257 f.; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 188 ff., wenn auch ohne Begründung; a.A. Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 310. 146 147

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze

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6. Ziffer 8 Pressekodex: Schutz des privaten Lebensbereichs und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung a) Persönlichkeitsrelevanz Bei Ziffer 8 Pressekodex sind zwei Schutzgegenstände zu unterscheiden: Zum einen achtet die Presse das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Nur wenn öffentliche Interessen durch privates Verhalten berührt werden, kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden, wobei auf die Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter besondere Rücksicht zu nehmen ist (S. 1 – 3). Im Zentrum steht hier also der Schutz des privaten Lebensbereichs.150 Zum anderen achtet die Presse nach Ziffer 8 S. 4 Pressekodex als Teilaspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet zu diesem Zweck den redaktionellen Datenschutz. Von den Ziffer 8 Pressekodex konkretisierenden Richtlinien befaßt sich Rl. 8.1 mit der Nennung von Namen und den Abbildungen von Vermißten sowie von Tätern, Opfern, Angehörigen oder sonstigen mittelbar Betroffenen in der Presseberichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren. Sie sichert den privaten Lebensbereich und das Recht an der Darstellung der eigenen Person. Rl. 8.2 gewährleistet ebenfalls die Abschirmung des privaten Lebensbereichs, indem sie Orte der privaten Niederlassung unter besonderen Schutz stellt. Das Recht auf Resozialisierung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird durch Rl. 8.3 geschützt. Auch Rl. 8.4 ist persönlichkeitsrelevant, denn Meldungen über körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden tangieren die „Geheimsphäre“ des Betroffenen und damit den Schutz seines privaten Lebensbereichs und desjenigen seiner Angehörigen. Sie gewährleistet darüber hinaus auch das hier nicht weiter untersuchte postmortale Persönlichkeitsrecht von Personen der Zeitgeschichte (S. 3).151 Ebenfalls dem postmortalen Persönlichkeitsschutz dient Rl. 8.5, welche bei der Berichterstattung über Selbsttötungen Zurückhaltung gebietet.152 Ein sich aus der Richtlinie eventuell ergebender Schutz der Angehörigen von Selbstmordopfern, der anders als der postmortale Persönlichkeitsschutz prinzipiell Bestandteil der hier durchgeführten Untersuchung ist, stellt sich hingegen nicht als unmittelbarer Regelungsgegenstand der Richtlinie, sondern als ein bloßer Reflex dar. Daher wird im folgenden nicht weiter auf Rl. 8.5 eingegangen. Auch Rl. 8.6 hat auf den ersten Blick nichts mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu tun. Sie gebietet Zurückhaltung bei der identifizierenden Berichterstattung über die Opposition in gewissen Ländern sowie über FluchtvorWiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 198. Siehe Teil 2 A. 152 Darin besteht allerdings nur eine Zielsetzung der Richtlinie. Sie soll daneben auch durch eine zurückhaltende Berichterstattung die Gefahr von Nachahmungstaten mindern, vgl. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 69 f. 150 151

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

gänge, um Leib oder Leben der Betroffenen bzw. ihrer Angehörigen und Freunde und existierende Fluchtmöglichkeiten nicht zu gefährden. Doch wird die Ursache der Personengefährdung, die identifizierende Berichterstattung, als Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesehen. Der Gesundheits- und Lebensschutz ist hier bei der Abwägung als Gegeninteresse zum Veröffentlichungsinteresse zu berücksichtigen.153 In der sich anschließenden Rl. 8.7 wird die Veröffentlichung von Jubiläumsdaten solcher Personen, die sonst nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen, einem Einwilligungsvorbehalt unterstellt. Damit sollen der Schutz des privaten Lebensbereichs und ihr Recht auf Darstellung der eigenen Person gewahrt werden. Schließlich verbleibt noch Rl. 8.8. Sie wurde zusammen mit Ziffer 8 S. 4 Pressekodex im Jahr 2001 neu eingeführt und konkretisiert die bereits als persönlichkeitsrelevant eingestufte Ziffer 8 S. 4 Pressekodex, indem sie die von den Redaktionen zu journalistisch-redaktionellen Zwecken erhobenen, verarbeiteten oder genutzten personenbezogenen Daten dem Redaktionsgeheimnis unterstellt und die Übermittlung derartiger Daten zwischen den Redaktionen gewissen Regeln unterwirft.

b) Auslegung und Abgleich mit den rechtlichen Vorgaben aa) Schutz des Privatlebens und der Intimsphäre Von Ziffer 8 Pressekodex werden hier zunächst die Sätze 1 bis 3 untersucht, die den ersten Schutzgegenstand, den privaten Lebensbereich, erfassen. Der das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betreffende Satz 4 wird an späterer Stelle gemeinsam mit Rl. 8.8 erörtert. Rechtlich stellt das Eindringen in den privaten Lebensbereich eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, dessen Zulässigkeit regelmäßig durch eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und dem Interesse des Betroffenen, vor allem im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB und §§ 22, 23 KUG, festgestellt werden muß.154 Als Maßstab dient dabei in erster Linie die Sphärentheorie, nach der Eingriffe in die Intimsphäre nie gerechtfertigt werden können, hingegen Eingriffe in die Privat- und Sozialsphäre zulässig sind, wenn das Publikationsinteresse überwiegt. Daneben können über § 823 Abs. 2 BGB weitere Normen relevant werden, z. B. § 201 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 StGB. Sie gewähren einen flankierenden, mit dem Gewährleistungsumfang des Persönlichkeitsrechts identischen Schutz.155 Auch Ziffer 8 S. 1 Pressekodex betont die Achtung des Privatlebens und der Intimsphäre des Menschen. Ausnahmen werden nur zugelassen, wenn das private 153 Vgl. OLG München AfP 1991, 435 (435 f.); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 136. 154 Siehe Teil 3 D II 2. 155 Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 95 f.

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze

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Verhalten öffentliche Interessen berührt (S. 2).156 Indem der Pressekodex hier von Privatleben und Intimsphäre spricht, lehnt er sich an die in der Rechtsprechung vertretene Sphärentheorie an. Allerdings findet die Sozialsphäre keine Erwähnung. Insoweit bleibt der Kodex also hinter der Rechtslage zurück. Da bei der Sozialsphäre die Zulässigkeitsanforderungen an die Berichterstattung aber vergleichsweise niedrig sind, wird es im Ergebnis kaum zu Abweichungen zwischen Rechtslage und Presseethik kommen. Ob die Intimsphäre durch Ziffer 8 Pressekodex absolut geschützt wird, ist aus dem Wortlaut nicht eindeutig ersichtlich. Doch sollte im Interesse eines effektiven Persönlichkeitsschutzes hier den rechtlichen Vorgaben gefolgt werden und daher das „private Verhalten“ in Ziffer 8 S. 2 Pressekodex so ausgelegt werden, daß es nur die Privatsphäre erfaßt, mithin also nur dieser Bereich einer Erörterung durch die Presse zugänglich ist. Ziffer 8 Pressekodex lehnt sich also, soweit sie hier untersucht wurde, weitgehend an die für die rechtliche Beurteilung entwickelten Kriterien an.157

bb) Nennung von Namen / Abbildungen Rl. 8.1 betrifft die Zulässigkeit von Namensnennung und Abbildungen. Sie ist eine der umfangreichsten Richtlinien und in sieben Absätze unterteilt. (a) Namensnennung und Abbildung von Tätern und Opfern von Unglücksfällen und Straftaten Absatz 1 stellt im Rahmen der Richtlinie eine Grundsatzregelung auf, die durch die folgenden Absätze näher konkretisiert und teilweise erweitert wird. Danach sind die Nennung der Namen und die Abbildung von Opfern und Tätern in der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren regelmäßig nicht gerechtfertigt (S. 1). Stets ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eine Abwägung vorzunehmen (S. 2). Sensationsbedürfnisse sind für die Begründung eines öffentlichen Informationsinteresses nicht ausreichend (S. 3). Rechtlich bilden Namensnennung und Bildberichterstattung die zwei wichtigsten Beispiele für die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts158 durch identifizierende Berichterstattung. Die anzuwendenden Prüfungsgrundsätze sind dabei 156 Zu den Persönlichkeitsrechten Unbeteiligter, die ebenfalls in Ziffer 8 S. 3 Pressekodex erwähnt werden, vgl. die Ausführungen zu Rl. 8.1 Abs. 3, Teil 6 B II 6 b) bb) (b). 157 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 214. 158 § 12 BGB ist beim Problem der Namensnennung nicht tangiert, da diese Vorschrift allein das Interesse der Betroffenen an der eigenen Identität schützt (Schutz vor Namensanmaßung und Namensbestreitung) und nicht ihr Interesse, kein Gegenstand der öffentlichen Diskussion zu werden, Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 17.4; Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Rn. 2.

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prinzipiell identisch. Zwar unterscheidet sich die Zulässigkeitsprüfung im Ausgangspunkt, da sich die Rechtswidrigkeit der Namensnennung erst aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall ergibt,159 während nach § 22 KUG die Bildberichterstattung grundsätzlich unzulässig ist, es sei denn, es greift bei fehlender Einwilligung einer der Ausnahmetatbestände des § 23 KUG ein. Dennoch sind stets dieselben Prüfungskriterien heranzuziehen,160 und zwar unabhängig davon, ob über Gerichtsverfahren, Unglücksfälle oder vergleichbare Negativvorkommnisse berichtet wird.161 Im Rahmen des Pressekodex wird die Frage der Zulässigkeit hingegen einheitlich behandelt: Namens- und Bildberichterstattung sind prinzipiell verboten, also nur in Ausnahmefällen erlaubt. Der Kodex ist damit hinsichtlich der Namensnennung strenger. Allerdings wirkt sich dies wegen der stets vorzunehmenden Abwägung im Ergebnis nicht aus. Im folgenden werden nun die einzelnen in Absatz 1 genannten Fallkonstellationen samt ihrer Konkretisierungen durch einige der nachstehenden Absätze noch detaillierter untersucht. Ausführlich wird dabei auf das Problem der Namensnennung und der Abbildung von Opfern von Verbrechen und Unglücksfällen eingegangen. Daran schließt sich eine Erörterung der presseethischen und rechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung über Beschuldigte in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren an. Zunächst soll aber die Bedeutung von Sensationsbedürfnissen für die Begründung eines öffentlichen Informationsinteresses geprüft werden. (1) Die Relevanz von Sensationsbedürfnissen für die Zulässigkeit der Berichterstattung Nach Rl. 8.1 Abs. 1 S. 3 können Sensationsbedürfnisse kein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründen, d. h. sie werden aus der Abwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und öffentlichem Informationsinteresse herausgenommen. Rechtlich hingegen zählen grundsätzlich auch Unterhaltungsbedürfnisse zu den im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigenden Gesichtspunkten.162 Doch kommt ihnen nur ein geringes Gewicht zu, so daß sie allein einen derart schweren Eingriff, wie ihn Namensnennung und Abbildung von Tätern und Opfern von Straftaten sowie Unglücksfällen darstellen, nicht rechtfertigen können. Der Pressekodex weist 159 BGHZ 31, 308 (313, 316 ff.); Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 6.38 und 6.58 f. 160 Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 56; Frömming / Peters, NJW 1996, 961; Groß, JR 1995, 486; siehe u. a. BGH NJW 1994, 124 (125); OLG Celle AfP 1989, 575 (575); OLG Brandenburg NJW-RR 2003, 919 (920). 161 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 213. 162 BVerfG NJW 2000, 2193 (2193 f.); BVerfG NJW 2001, 1921 (1923); Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 43 Rn. 16; strenger noch BGH NJW 1977, 1288 (1289).

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also theoretisch insofern eine strengere Regelung auf. Doch wird dies kaum jemals dazu führen, daß Rechtslage und Presseethik allein wegen dieses Aspekts im Ergebnis voneinander abweichen. (2) Namensnennung und Abbildung von Opfern von Unglücksfällen und Straftaten Als nächstes ist die Frage der Zulässigkeit der Namensnennung und Abbildung von Opfern von Unglücksfällen oder Straftaten zu erörtern. Sie bedingt eine gemeinsame Untersuchung von Rl. 8.1 Abs. 1 und dem ihn insoweit konkretisierenden Absatz 2. Bereits nach Rl. 8.1 Abs. 1 sind Namensnennung und Abbildung dieser Personen prinzipiell verboten. Absatz 2 verstärkt den Opferschutz bezüglich der Namensnennung noch mit der Begründung, daß für das Verständnis des Unfallgeschehens bzw. Tathergangs das Wissen um die Identität des Opfers regelmäßig nicht von Belang ist. Ausnahmen werden nur bei Personen der Zeitgeschichte oder besonderen Begleitumständen zugelassen. Ähnlich stellen sich die rechtlichen Anforderungen dar. Es bedarf einer Abwägung, die regelmäßig zugunsten der Opfer ausgeht, da das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerade an der Identität der Betroffenen deren Recht auf Anonymität meist nicht überwiegt.163 Schließlich sind sie ohne eigenes Zutun Gegenstand der Berichterstattung geworden, was einen besonderen Schutz rechtfertigt.164 Opfer werden deshalb schon entweder nicht als relative Personen der Zeitgeschichte eingestuft165 oder dieser Status wird nicht als ausreichend angesehen, um ihr Schutzbedürfnis zugunsten des Öffentlichkeitsinteresses hintanzustellen166. Ausnahmen bleiben daher vor allem denkbar bei besonderen Begleitumständen bzw. bei Leuten, die unabhängig von dem Ereignis Personen der Zeitgeschichte sind.167 Insgesamt stimmen damit rechtliche und ethische Anforderungen bezüglich des Opferschutzes überein.

163 Zur Namensnennung vgl. OLG Stuttgart NJW 1967, 1422 (1423 ff.); Frömming / Peters, NJW 1996, 961; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 521; zur Bildberichterstattung vgl. OLG Hamburg NJW 1975, 649 (650 f.); Engels / Schulz, AfP 1998, 583; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 470. 164 Engels / Schulz, AfP 1998, 583; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 521. 165 Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 43 Rn. 14. 166 OLG Frankfurt, AfP 1976, 181 (181); Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 138; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 21.6, 21.8. 167 OLG Hamburg, AfP 1991, 533 (534); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 213.

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(3) Namensnennung und Abbildung von Beschuldigten in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren Schließlich bleibt noch zu prüfen, inwieweit die Namensnennung und Abbildung von Beschuldigten in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren erlaubt sind.168 Der in Rl. 8.1 Abs. 1 aufgestellte Grundsatz der Unzulässigkeit wird in den Absätzen 4, 5 und 6 konkretisiert. ( ) Absatz 4 läßt ausnahmsweise die Namensnennung und / oder Abbildung von Tatverdächtigen zu, die eines Kapitalverbrechens beschuldigt werden, wenn dies im Interesse der Verbrechensaufklärung liegt und Haftbefehl beantragt ist, vgl. § 112 Abs. 1, 3 StPO,169 oder wenn das Verbrechen unter den Augen der Öffentlichkeit verübt wird. Das gilt allerdings nicht, wenn Anhaltspunkte für eine mögliche Schuldunfähigkeit eines Täters oder Tatverdächtigen vorliegen, vgl. dazu insbesondere §§ 19, 20 StGB. Auch die Rechtsordnung erachtet es ausnahmsweise als zulässig, unter Namensnennung und Abbildung über einen Beschuldigten zu berichten, wenn die Begehung einer schwerwiegenden Tat sowie die Identität des Täters feststeht, z. B. weil sie unter den Augen der Öffentlichkeit begangen wurde, und damit nur noch die verfahrensmäßige Bewältigung der Folgen aussteht.170 Insoweit stimmen Rechtslage und Presseethik also überein. Soweit es um die in Absatz 4 ebenfalls geregelte Berichterstattung zur Verbrechensaufklärung geht, muß dagegen rechtlich differenziert werden. Wenn die Presse einer behördlichen Aufforderung zur Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen171 nachkommt, ist dies durch § 24 KUG (für den Fall der Namensnennung in entsprechender Anwendung) gedeckt.172 Doch auch im übrigen kann eine identifizierende Berichterstattung erlaubt sein.173 Über die genauen Voraussetzungen herrscht zwar keine Einigkeit.174 Doch sollte im Fall einer schweren Straftat, beiZur Bedeutung der Unschuldsvermutung siehe die Ausführungen in Teil 6 B II 11. Dazu auch BVerfGE 19, 342 (350 f.); Beulke, Strafprozeßrecht, 6. Aufl. 2002, Rn. 214. 170 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.34a. 171 Vgl. dazu §§ 24 KUG, 131 ff. StPO und Anlage B der RiStBV, Richtlinie über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen zur Fahndung nach Personen bei der Strafverfolgung, II 1. 172 Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 883; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 43 Rn. 24; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, 1991, S. 208 ff.; für die entsprechende Anwendung bei Namen siehe Lampe, NJW 1973, 217; Helle, a. a. O., S. 211. Nach a.A. ist das Handeln der Medien bei behördlicher Aufforderung durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt, OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (49); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.38. 173 A.M. Lampe, NJW 1973, 217 f. 174 Vgl. u. a. OLG München AfP 1978, 206 (207 f.); OLG Frankfurt NJW 1971, 47 (48 f.); OLG Braunschweig NJW 1975, 651 (652); LG München AfP 2003, 464 (464); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.35; Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener 168 169

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spielsweise einem Kapitalverbrechen, von der Zulässigkeit der Veröffentlichung ausgegangen werden, wenn, wie bei einem Haftbefehl, dringender Tatverdacht gegeben ist und sie zum Zwecke der Tataufklärung erfolgt.175 In diesem Fall ist der mutmaßliche Täter nicht mehr schutzwürdig. Vergleicht man nun insoweit die rechtlichen mit den presseethischen Anforderungen fällt auf, daß Rl. 8.1 Abs. 4 die Namensnennung und Berichterstattung in weitaus weniger Fällen zuläßt als die Rechtsordnung. Man wird zwar im presseethischen Bereich nicht automatisch via eines Umkehrschlusses von einem Verbot der Namensnennung und Bildberichterstattung ausgehen können, wenn die Voraussetzungen von Absatz 4 nicht erfüllt sind. Doch spricht im Rahmen der nach Rl. 8.1 Abs. 1 weiterhin vorzunehmenden Abwägung die Vermutung eher für einen Verstoß gegen die Presseethik. Auch bei der abschließend zu Absatz 4 zu untersuchenden identifizierenden Berichterstattung über eventuell schuldunfähige Täter erweisen sich die rechtlichen Vorgaben als großzügiger als die presseethischen Anforderungen. Denn während die Schuldunfähigkeit des Täters rechtlich lediglich ein Abwägungskriterium darstellt,176 soll nach dem Kodex die Berichterstattung unterbleiben. Insgesamt betonen die in Absatz 4 enthaltenen Maßstäbe folglich den Persönlichkeitsschutz stärker als die Rechtslage. ( ) Rl. 8.1 Abs. 5 gebietet daneben, bei Straftaten Jugendlicher mit Rücksicht auf deren Zukunft Namensnennung und identifizierende Bildpublikationen zu unterlassen, sofern es sich nicht um schwere Taten handelt. Anders als bei Absatz 4 stimmen hier die ethischen Vorgaben und die rechtlichen Maßstäbe vollständig überein. Denn auch rechtlich ist die Namensnennung und Bildberichterstattung wegen des bei Jugendlichen besonders bedeutsamen Entwicklungsschutzes177 und Resozialisierungsgedankens nur in Ausnahmefällen zulässig, d. h. das Anonymitätsinteresse der Jugendlichen geht grundsätzlich vor.178 Dies entspricht der gesetzlichen Wertung in § 48 JGG, der die öffentliche Verhandlung und Entscheidungsverkündung zum Schutze dieses Personenkreises prinzipiell untersagt. Dementsprechend muß auch ihre öffentliche „mediale Aburteilung“ grundsätzlich als unzulässig eingestuft werden.179 ( ) In Absatz 6 schließlich findet sich eine Ausnahme zum Verbot identifizierender Berichterstattung für Amts- und Mandatsträger, wenn ein Zusammenhang Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 52; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 203. 175 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 52; vgl. auch OLG Braunschweig NJW 1975, 651 (652). 176 LG Berlin AfP 1999, 524 (525); LG Köln AfP 2002, 343 (345); Münch, AfP 2002, 20. 177 Siehe Teil 3 A II 1 c) aa) und D II 8. 178 BVerfGE 35, 202 (232); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.26. 179 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 51.

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zwischen Amt und Mandat und einer Straftat besteht, sowie für Personen der Zeitgeschichte, wenn die ihnen zur Last gelegte Tat im Widerspruch steht zu dem Bild, das die Öffentlichkeit von ihnen hat. Auch hier herrscht Übereinstimmung zwischen der Rechtslage und den presseethischen Grundsätzen. Denn rechtlich können die Namensnennung und Abbildung des Täters unabhängig von der Schwere der Tat ebenfalls zulässig sein, wenn die Tat einen spezifischen Widerspruch zur beanspruchten öffentlichen Rolle (vor allem bei Personen der Zeitgeschichte) oder zur übertragenen Aufgabe (insbesondere bei Amts- und Mandatsträgern) offenbart.180 () Insgesamt bleibt damit festzuhalten, daß, soweit in Rl. 8.1 nähere Vorgaben zur Zulässigkeit der Namensnennung und Bildberichterstattung von Beschuldigten gemacht werden, diese im wesentlichen mit der Rechtslage übereinstimmen.181 Allerdings sind die rechtlichen Abwägungsgesichtspunkte stärker ausdifferenziert.182 Da es aber sowohl rechtlich als auch ethisch auf die Abwägung im Einzelfall ankommt, wird dieser Unterschied wohl nur selten zu abweichenden Abwägungsergebnissen führen. (b) Namensnennung und Abbildung von Familienangehörigen und sonstigen mittelbar Betroffenen Während bei den vorstehenden Erörterungen der Schutz von Tätern und Opfern im Mittelpunkt stand, beschäftigt sich Rl. 8.1 Abs. 3 mit der Namensnennung und Abbildung von Familienangehörigen und sonstigen durch die Veröffentlichung mittelbar Betroffenen; diese Form der Berichterstattung wird für prinzipiell unzulässig erklärt, vgl. auch Ziffer 8 S. 3 Pressekodex. Auch rechtlich wird eine identifizierende Berichterstattung bei dem genannten Personenkreis grundsätzlich als rechtswidrig eingestuft. Denn die Rechtsordnung behandelt Familienangehörige von Tätern und Opfern regelmäßig nicht als relative Personen der Zeitgeschichte. 183 Das gleiche gilt auch für sonstige mittelbar Betroffene. Damit die Genannten allerdings Abwehransprüche geltend machen können, müssen sich die Auswirkungen der Berichterstattung als Verletzung ihres eigenen allgemeinen Persönlichkeitsrechts und nicht als bloßer Reflex qualifizieren lassen.184 Doch führen Namensnennung und Abbildung stets zu einer unmittelbaren 180 LG Berlin AfP 1998, 418 (419); LG Berlin AfP 2003, 174 (175 f.); vgl. auch BVerfGE 101, 361 (383); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 208; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 480, 520. 181 So auch Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1974, S. 90. 182 Vgl. z. B. die Zulässigkeitskriterien für die Verdachtsberichterstattung in BGHZ 143, 199 (203 ff.). 183 LG Köln NJW 1992, 442 (442 f.); Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 43 Rn. 14; vgl. auch Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 140.

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Betroffenheit, so daß der von Rl. 8.1 Abs. 3 erfaßte Personenkreis direkt von der Rechtsordnung geschützt ist. Insgesamt stimmen Presseethik und Rechtslage daher insoweit überein.185 (c) Namensnennung und Abbildung Vermißter In Absatz 7, dem letzten Absatz zu Rl. 8.1, wird es schließlich noch für zulässig erklärt, Namen und Abbild Vermißter zu veröffentlichen, jedoch nur im Einvernehmen mit den Behörden. Das entspricht der Vorschrift des § 24 KUG, nach der Bildnisse auch zum Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit, unter anderem zur Fahndung nach Vermißten, von der Presse publiziert werden dürfen, wenn dies in Abstimmung mit den Behörden geschieht.186 Für die Namensnennung kann man die Norm entsprechend heranziehen.187 Abweichungen zwischen den ethischen und rechtlichen Anforderungen sind bezüglich der Namensnennung und der Abbildung Vermißter daher nicht erkennbar. (d) Zusammenfassung Die Untersuchung hat gezeigt, daß Rl. 8.1 in den wesentlichen Punkten mit den rechtlichen Vorgaben übereinstimmt. Leichte Abweichungen waren nur in Absatz 1 und Absatz 4 festzustellen, wobei der Kodex die strengeren Voraussetzungen enthielt. Allerdings dürfte sich das selten im Ergebnis auswirken, also nicht zu unterschiedlichen Beurteilungen im rechtlichen und presseethischen Bereich führen.

cc) Schutz des Aufenthaltsortes Rl. 8.2 stellt den privaten Wohnsitz sowie andere Orte der privaten Niederlassung, wie z. B. Krankenhaus-, Pflege-, Kur-, Haft- oder Rehabilitationsorte unter besonderen Schutz. Auch diese Richtlinie wurde im Zuge der Reformen zum Redaktionsdatenschutz eingeführt. Doch liegt der Schwerpunkt hier nicht auf dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auf der räumlichen Gewährleistung des privaten Lebensbereichs. Diesem Gesichtspunkt kommt damit bei der im Rahmen von Ziffer 8 S. 1 bis 3 Pressekodex vorzunehmenden Abwägung besonderes Gewicht zu. 184 BGH NJW 1980, 1790 (1791); LG Heilbronn ZUM 2002, 160 (161); OLG München AfP 2003, 359 (360 f.); Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 14.52 f. 185 Vgl. auch Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht 1974, S. 90. 186 Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 43 Rn. 24; Fricke, in: Wandtke / Bullinger (Hrsg.), UrhG, 2002, § 24 KUG Rn. 2. 187 Lampe, NJW 1973, 217; Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, 1991, S. 211.

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Auch die Rechtsordnung schützt den privaten Lebensbereich in räumlicher Hinsicht.188 Erfaßt werden nicht nur der häusliche Bereich, sondern auch andere Örtlichkeiten, die von der Öffentlichkeit deutlich abgeschieden sind. Maßgeblich ist, ob der Betroffene eine Lage vorfindet oder schafft, in der er begründetermaßen und für Dritte erkennbar annehmen darf, den Blicken der Öffentlichkeit entzogen zu sein.189 Zieht man diese Definition heran, werden die in der Richtlinie genannten Räumlichkeiten bzw. Aufenthaltsorte regelmäßig auch rechtlich geschützt. Ein Eindringen bedeutet eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, deren Zulässigkeit durch eine Abwägung unter Heranziehung der sogenannten Sphärentheorie zu bestimmen ist. Der Aufenthaltsort ist also presseethisch wie rechtlich gleichermaßen geschützt.

dd) Resozialisierung Nach Rl. 8.3 müssen im Interesse der Resozialisierung bei der Berichterstattung im Anschluß an ein Strafverfahren regelmäßig Namensnennung und Abbildung unterbleiben. Es geht also um die zeitlichen Schranken der identifizierenden Berichterstattung über Straftäter. Die Presseethik stellt in Rl. 8.3 eine feste Grenze auf, nämlich die rechtskräftige Verurteilung,190 die nur ausnahmsweise durchbrochen werden darf. In rechtlicher Hinsicht ist hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Straftätern in seiner Ausprägung als Recht auf Resozialisierung angesprochen.191 Es gewährleistet dem Betroffenen zwar keinen Anspruch darauf, öffentlich nie mehr mit der Tat konfrontiert zu werden. Doch schützt es den Täter vor einer stigmatisierenden Berichterstattung, die seine Resozialisierung gefährden kann.192 Eine feste zeitliche Grenze besteht nach der Rechtsprechung aber nicht, da unabhängig von der zeitlichen Nähe zur Haftentlassung193 die Persönlichkeitsentfaltung durch die Medienberichterstattung über die Tat gravierend beeinträchtigt werden kann. Es kommt hier also stets auf eine Abwägung an.194

BVerfGE 101, 361 (382 f.). BVerfGE 101, 361 (384). 190 Rechtlich gehört zwar auch das Vollstreckungsverfahren, §§ 449 ff. StPO, zum Strafverfahren, Beulke, Strafprozeßrecht, 6. Aufl. 2002, Rn. 2, doch geht der Pressekodex davon aus, daß das Strafverfahren mit der rechtskräftigen Verurteilung abgeschlossen ist, Ziffer 13 Pressekodex und Rl. 8.1 Abs. 1. 191 BVerfGE 35, 202 (235 f.); BVerfG NJW 2000, 1859 (1860); siehe auch Teil 3 A II 1 c) bb) und D II 9. 192 BVerfG NJW 2000, 1859 (1860). 193 Allerdings ist die zeitliche Nähe zur Haftentlassung ein Indiz für die Unzulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung, BVerfGE 35, 202 (238). 194 BVerfG NJW 2000, 1859 (1860). 188 189

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Rl. 8.3 fixiert dagegen mit der rechtskräftigen Verurteilung den frühestmöglichen Termin, ab dem die Frage der Resozialisierung relevant wird, und erklärt bereits ab diesem Zeitpunkt die identifizierende Berichterstattung für prinzipiell unzulässig. Da aber auch im Rahmen der Richtlinie eine Abwägung vorgenommen werden muß, um festzustellen, ob möglicherweise eine Ausnahme zu diesem Verbot eingreift, werden in vergleichbaren Konstellationen Presseethik und Rechtsordnung im Ergebnis kaum voneinander abweichen.

ee) Erkrankungen Rl. 8.4 beschäftigt sich mit Erkrankungen. Nach dieser Regelung fallen körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen (S. 1). Mit Rücksicht auf ihn und seine Angehörigen soll die Presse in derartigen Fällen auf Namensnennung und Bildberichterstattung verzichten und abwertende Bezeichnungen der Krankheit oder Krankenanstalt vermeiden, selbst wenn die Bezeichnungen im Volksmund verbreitet sind (S. 2).195 Die Richtlinie stellt damit ein prinzipielles Verbot der identifizierenden Berichterstattung auf, das nur in begründeten Ausnahmefällen durchbrochen werden kann. Im rechtlichen Bereich ist der Terminus Geheimsphäre ebenfalls nicht unbekannt. Er wird teilweise im Rahmen der Sphärentheorie zur Bezeichnung einer weiteren Sphäre verwendet.196 Da es nach hier vertretener Ansicht aber einer solchen zusätzlichen Sphäre nicht bedarf,197 werden Informationen über physische und psychische Erkrankungen prinzipiell der Privatsphäre zugeordnet, soweit nicht ausnahmsweise, z. B. bei Geschlechtskrankheiten, die Intimsphäre betroffen ist.198 Aber auch wenn man gesundheitliche Probleme der Privatsphäre zuordnet, sind sie regelmäßig kein zulässiger Gegenstand der Presseberichterstattung. Denn soweit sie sich nicht auf die Position oder Funktion einer im öffentlichen Leben stehenden Person auswirken, besteht in derartigen Fällen kein legitimes Informationsinteresse.199 Dem Betroffenen stehen daher Abwehransprüche zu. Anders liegt es regelmäßig bei Angehörigen der Erkrankten, da sie durch die Berichterstattung meist 195 196

Zu Rl. 8.4 S. 3 siehe Teil 6 B II 6 a). BGHZ 24, 72 (79); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 69,

217. Siehe Teil 3 A III 2. BGH NJW 1996, 984 (985) unter Berufung auf BVerfGE 32, 373 (379 f.); OLG Hamburg UFITA Bd. 78 (1977), S. 252 (257); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 59, 70; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.16; Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 111. Nach a.A. fallen Krankheiten grundsätzlich in die Intimsphäre, OLG Oldenburg NJW 1983, 1202 (1202); Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 38; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 42 Rn. 18. 199 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.16; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 507. 197 198

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nicht selbst unmittelbar betroffen sind. Doch können ihre Belange in die Abwägung einfließen und zwar bei der Frage, ob das Eindringen in die Privatsphäre der Erkrankten zulässig ist.200 Im Hinblick auf die prinzipielle Unzulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung über an körperlichen und psychischen Krankheiten leidende Personen stimmen Presseethik und Rechtsordnung damit abgesehen von der Sphärenzuordnung überein. Schließlich bleibt noch das von Rl. 8.4 ebenfalls angesprochene Problem der abwertenden Bezeichnungen von Krankheiten und Institutionen für Kranke zu behandeln. Diesbezüglich kommt rechtlich allein ein Schutz durch das Recht der persönlichen Ehre in Betracht. Doch wird man eine Ehrverletzung nur selten annehmen können. Abwertende Bezeichnungen sind nämlich regelmäßig als Werturteile zu behandeln, auch wenn sie einen Tatsachenkern enthalten.201 Werturteile werden aber prinzipiell erst als unzulässig eingestuft, wenn sie die Grenze der Schmähkritik bzw. Formalbeleidigung überschreiten oder die Menschenwürde tangieren.202 Im Hinblick auf diesen Aspekt erweist sich der Kodex damit als strenger als die Rechtslage. Denn er untersagt abwertende Bezeichnungen unabhängig davon, ob sie eine gewisse Intensität erreichen. ff) Opposition und Fluchtvorgänge Nach Rl. 8.6 soll die Berichterstattung mit Namensnennung und Abbildung über Oppositionelle in Ländern, in denen eine derartige Tätigkeit mit Gefahren für Leib und Leben verbunden ist, und über Flüchtlinge, auch im Hinblick auf deren zurückgebliebene Verwandte und Freunde, zurückhaltend gehandhabt werden.203 Die Gefährdung der Genannten soll bei der Frage der Veröffentlichung „bedacht“ werden, stellt also einen Abwägungsfaktor dar. Auch rechtlich bildet die Lebens- und Gesundheitsgefährdung einen Abwägungsfaktor bei der Frage, ob gegen eine identifizierende Medienberichterstattung gestützt auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorgegangen werden kann.204 Das gilt nicht nur für die Oppositionellen und Flüchtlinge selbst, sondern auch für ihre Verwandten und Freunde. Selbst wenn die beiden letztgenannten Gruppen mangels 200 Vgl. zur Berücksichtigung von Drittinteressen im Rahmen der Abwägung BVerfG AfP 2003, 138 (145 f.). 201 BVerfGE 61, 1 (9). 202 Siehe Teil 3 D II 1 a) cc) (b). Ein Beispiel findet sich in BVerfGE 86, 1 (13 f.), in der die Bezeichnung eines Querschnittsgelähmten als „Krüppel“ für unzulässig erachtet wurde. 203 Die Richtlinie geht zurück auf die Resolutionen des Deutschen Presserats zur Berichterstattung über Fluchtbewegungen aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 180 ff. 204 Vgl. zu ähnlichen Gefährdungslagen OLG München AfP 1991, 435 (436); BVerfG NJW 2000, 2194 (2194); Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 5.109 ff.; Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 136.

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unmittelbarer Betroffenheit oft keine eigenen Abwehransprüche geltend machen können,205 bleibt es immerhin möglich, ihre Gefährdung als Drittinteressen206 in die Abwägung einzubeziehen. Gefahren für Leib und Leben der in Rl. 8.6 bezeichneten Personen stellen daher sowohl rechtlich als auch presseethisch einen Abwägungsfaktor bei der Frage der Zulässigkeit einer Veröffentlichung dar, d. h. Kodex und Rechtslage weisen insofern keine Abweichungen auf. gg) Jubiläumsdaten Rl. 8.7 gebietet Redaktionen, sich vor der Veröffentlichung von Jubiläumsdaten solcher Personen, die sonst nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen, zu vergewissern, daß die Betroffenen damit einverstanden sind. Es ist also die Einwilligung der Betroffenen einzuholen. Ähnlich stellen sich auch die rechtlichen Anforderungen dar. Denn nach rechtlichen Gesichtspunkten sind die von Rl. 8.7 erfaßten Personen weder absolute noch relative Personen der Zeitgeschichte. 207 Auch wenn sich die Informationen über sie als korrekt erweisen, tritt bei ihnen das öffentliche Informationsinteresse gegenüber dem Persönlichkeitsschutz prinzipiell zurück. Eine identifizierende Berichterstattung ist mithin unzulässig, es sei denn, die Betroffenen haben in die Publikation eingewilligt.208 Zwischen Rl. 8.7 und den rechtlichen Vorgaben bestehen damit keine relevanten Unterschiede. hh) Recht auf informationelle Selbstbestimmung, redaktioneller Datenschutz und Datenübermittlung Abschließend sind noch die seit 2001 neu eingeführte Ziffer 8 S. 4 Pressekodex und Rl. 8.8 zu behandeln. Nach Ziffer 8 S. 4 Pressekodex achtet die Presse das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz. Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch rechtlich zu (be-)achten ist, bestehen insofern keine Unterschiede. Soweit es um den redaktionellen Datenschutz geht, finden sich zu den presseethischen Vorgaben nähere Ausführungen in Rl. 8.8. Nach dieser Richtlinie unterSiehe Teil 6 B II 6 b) bb) (b). Zur Einbeziehung von Drittinteressen in die Abwägung vgl. BVerfG AfP 2003, 138 (145 f.). 207 Siehe dazu Teil 3 D II 4 b). 208 OLG Köln AfP 1978, 148 (148); OLG Karlsruhe FamRZ 1983, 742 (743); Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 243; Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 42 Rn. 7 ff. 205 206

20 Schwetzler

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stehen alle von Redaktionen zu journalistisch-redaktionellen Zwecken erhobenen, verarbeiteten oder genutzten redaktionellen Daten dem Redaktionsgeheimnis (S. 1). Ihre Übermittlung zu journalistisch-redaktionellen Zwecken zwischen den Redaktionen ist zulässig (S. 2). Allerdings soll sie bis zum Abschluß eines formellen datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahrens vor dem Deutschen Presserat bzw. seinen Beschwerdeausschüssen unterbleiben und stets mit dem Hinweis versehen werden, daß die übermittelten Daten nur zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet oder genutzt werden dürfen (S. 3). Auch rechtlich gewährleistet das durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützte Redaktionsgeheimnis die Vertraulichkeit der gesamten Redaktionsarbeit209 einschließlich des Umgangs bzw. der Arbeit mit personenbezogenen Daten. Allerdings läßt Rl. 8.8 unter gewissen Voraussetzungen die Übermittlung210 von Daten zu journalistisch-redaktionellen Zwecken211 zu. Eine entsprechende datenschutzrechtliche Norm findet sich hingegen nicht. Denn wegen des Medienprivilegs ist die Presse auch im Bereich der Datenübermittlung vom Anwendungsbereich der Datenschutzgesetze ausgenommen. § 41 Abs. 1 BDSG spricht zwar nicht von der Übermittlung zu journalistisch-redaktionellen Zwecken, aber von Verarbeitung, zu der nach § 3 Abs. 4 BDSG auch die Übermittlung gehört.212 Der Pressekodex tritt also insofern an die Stelle einer gesetzlichen Regelung. Auch Ansprüche wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind aufgrund von § 41 Abs. 1 BDSG prinzipiell nicht möglich. Zwar wird teilweise angenommen, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schon durch die Datenübermittlung zwischen Privaten beeinträchtigt wird.213 Doch enthält § 41 Abs. 1 BDSG eine gesetzliche Wertung, die ihrem Sinn nach zivilrechtliche Ansprüche wegen der bloßen Verarbeitung und damit auch Übermittlung personenbezogener Daten ausschließt, es sei denn, es ergeben sich aus anderen zusätzlichen Umständen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts.214 In bezug auf die Frage der Datenübermittlung zu journalistisch-redaktionellen Zwecken treten die presseethischen Vorgaben daher weitgehend an die Stelle eines durch die Rechtsordnung gewährten Schutzes.

BVerfGE 66, 116 (134). Vgl. zum Begriff § 3 Abs. 4 Nr. 3 BDSG. 211 Siehe dazu Walz, in: Simitis (Hrsg.), BDSG, 5. Aufl. 2003, § 41 Rn. 12. 212 Wente, Das Recht der journalistischen Recherche, 1987, S. 247 f. 213 Roßnagel / Pfitzmann / Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts, 2001, S. 46 f. m. w. N.; Simitis, NJW 1984, 401; a.A. Di Fabio, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 189. 214 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 119. 209 210

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c) Fazit Zusammenfassend ergibt der Vergleich zwischen Ziffer 8 Pressekodex samt der dazugehörenden persönlichkeitsrelevanten Richtlinien und der Rechtslage eine weitgehende Übereinstimmung im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz. Lediglich an manchen Stellen enthält der Kodex strengere Vorgaben, nämlich in Rl. 8.1 Abs. 1 und 4, Rl. 8.3, Rl. 8.4 und Rl. 8.8. Zu abweichenden Ergebnissen wird dies allerdings nur selten führen, da über die Zulässigkeit der Medienberichterstattung in dem von Ziffer 8 Pressekodex und seinen Richtlinien erfaßten Ausschnitt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowohl rechtlich als auch presseethisch stets aufgrund einer Abwägung zu entscheiden ist.

7. Ziffer 9 Pressekodex: Schutz vor unbegründeten Behauptungen und Beschuldigungen, insbesondere solchen ehrverletzender Art a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht Nach Ziffer 9 Pressekodex widerspricht es journalistischem Anstand, unbegründete Behauptungen und Beschuldigungen, insbesondere ehrverletzender Natur, zu veröffentlichen. Damit ist das Recht der Selbstdarstellung, vor allem der Ehrenschutz, angesprochen. Ziffer 9 ist mithin persönlichkeitsrelevant.215 b) Interpretation und Vergleich mit der Rechtslage Auffallend an Ziffer 9 Pressekodex ist, daß keinerlei Richtlinien zur Konkretisierung existieren. Abgesehen von der grammatikalischen und systematischen Auslegung kann zur näheren Bestimmung des Inhalts der Kodexziffer daher allein auf die Spruchpraxis zurückgegriffen werden. Letztere wird aber erst im anschließenden Abschnitt ausführlich untersucht.216 Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die eben genannten Auslegungsmethoden. Betrachtet man zunächst den Wortlaut der Kodexziffer, fällt auf, daß er sowohl einer Subsumtion von Tatsachenbehauptungen als auch von Werturteilen offensteht. Allerdings muß es sich um „unbegründete“ Äußerungen, „insbesondere ehrverletzender Natur“ handeln. Daher greift Ziffer 9 Pressekodex wohl nur ein, wenn die Werturteile herabsetzend sind bzw. sich die Tatsachenbehauptungen als unwahr erweisen. Bei letzteren ist allerdings der Zusammenhang mit dem Wahrhaftigkeitsund Sorgfaltsgebot, Ziffern 1, 2 Pressekodex, zu beachten. Daher wird man eine Verletzung von Ziffer 9 Pressekodex nur annehmen können, wenn zugleich gegen diese Gebote verstoßen wurde. 215 216

20*

Vgl. auch Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 114. Siehe Teil 6 C.

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Im Zivilrecht ist der Ehren- und Wahrheitsschutz inzwischen ebenfalls fest verankert, und zwar nicht nur über die Brücke der §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 185 ff. StGB, sondern auch in § 823 Abs. 1 BGB.217 Diese Vorschriften ermöglichen die Ahndung unwahrer Tatsachenbehauptungen, zumindest, wenn die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt wurde. Daneben erfassen sie auch herabsetzende Werturteile. Letztere können gleichfalls zu einer Ehrverletzung führen, jedoch nur unter sehr engen Voraussetzungen.218

c) Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sowohl Presseethik als auch Rechtsordnung den einzelnen vor unwahren Tatsachenbehauptungen, die unter Verletzung der Sorgfaltspflicht geäußert wurden, sowie vor herabsetzenden Werturteilen schützen. Für einen detaillierteren Vergleich fehlt es jedoch an hinreichenden Vorgaben im Pressekodex. 8. Ziffer 10 Pressekodex: Schutz des sittlichen oder religiösen Empfindens von Personengruppen a) Persönlichkeitsrelevanz Ziffer 10 Pressekodex erklärt Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche oder religiöse Empfinden einer Personengruppe nach Form und Inhalt wesentlich verletzen können, als mit der Verantwortung der Presse unvereinbar. Diese Ziffer verfolgt verschiedene Zwecke. Unter anderem sollen durch die Achtung anderer Bekenntnisse die Voraussetzungen für ein gedeihliches Zusammenleben geschaffen und bewahrt werden.219 Doch ist die Ziffer auch persönlichkeitsrelevant, da eine solche Berichterstattung ehrverletzende Züge annehmen kann.

b) Auslegung und Vergleich mit der Rechtslage Entsprechend der eben getroffenen Feststellung sind die in Ziffer 10 Pressekodex angesprochenen Problemkreise rechtlich unter dem Aspekt des Ehrenschutzes zu untersuchen. Eine Verletzung des religiösen Empfindens kann ehrbeein217 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 63 m. w. N. auch zur Gegenansicht; vgl. dazu und zu weiteren Ehrenschutzvorschriften Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 12.7 ff.; siehe auch Teil 3 A II 1 b) bb) und ff) sowie D II 1 und 7. 218 Siehe Teil 3 D II 1 a) cc) (b). 219 Vgl. im Hinblick auf diese Zweckbestimmung den elften Abschnitt im Strafgesetzbuch (Straftaten welche sich auf Religion und Weltanschauung beziehen), Tröndle / Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 166 Rn. 2.

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trächtigend sein.220 Auch Veröffentlichungen über sexuelle Verhaltensweisen tangieren unter Umständen das Recht der persönlichen Ehre.221 Probleme ergeben sich hier allerdings insoweit, als das Empfinden einer Personengruppe in Rede steht. Rechtlich stellt sich damit die Frage, inwieweit ein Kollektiv in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt werden kann bzw. wann eine Verletzung einzelner unter einer Kollektivbezeichnung möglich ist. Nicht nur im Verfassungsrecht,222 sondern auch im Zivilrecht wird die Reputation von (teil-)rechtsfähigen Verbänden und Personengesamtheiten gestützt auf deren allgemeines Persönlichkeitsrecht geschützt. Die Fachgerichte verlangen allerdings, daß die Kollektive eine anerkannte soziale Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können.223 Daneben ist es auch möglich, einzelne aus einer Gruppe unter einer Kollektivbezeichnung in ihrer Ehre zu verletzen. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch sehr streng, vor allem muß der Personenkreis deutlich umgrenzt sein.224 Vergleicht man die eben herausgearbeiteten rechtlichen Vorgaben mit Ziffer 10 Pressekodex, fällt auf, daß der Pressekodex eine Verletzung schon unter wesentlich geringeren Voraussetzungen annimmt, also strenger ist. Es wird zwar auch dort die Möglichkeit einer wesentlichen Verletzung, also eine gewisse Intensität der Beeinträchtigung gefordert. Das kann, muß aber nicht in Übereinstimmung mit den rechtlichen Voraussetzungen ausgelegt werden. Jedenfalls werden presseethisch die Anforderungen für die Beschaffenheit der Personengruppe nicht näher spezifiziert. Selbst wenn man eine gewissen Abgrenzbarkeit fordert, werden die Voraussetzungen kaum so streng ausgelegt werden, wie die Rechtsordnung es verlangt, um eine Kollektivbeleidigung oder die Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung zu bejahen. 220 Die §§ 166 ff. StGB können daher in Tateinheit mit den Beleidigungsdelikten stehen, Tröndle / Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 166 Rn. 2, 17, § 167 Rn. 10. Natürlich kann dann auch der zivilrechtliche Ehrenschutz tangiert sein. 221 BGH NJW 1989, 3028 (3028 f.); LG Freiburg NJW 2002, 3645 (3646); Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 63. 222 Vgl. dazu Teil 3 A II 2. 223 Siehe schon Teil 3 A II 2; Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 297; vgl. generell zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht juristischer Personen und Personengesamtheiten BGHZ 98, 94 (97 f.); BGHZ 78, 24 (25 f.); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 296 ff.; zum Schutz der Reputation siehe insbesondere Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 32; kritisch Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 20 f. Vgl. zum Schutz juristischer Personen und sonstiger Personengemeinschaften im Strafrecht BGHSt 6, 186 (191); BGHSt 36, 83 (88); Maurach / Schroeder / Maiwald, Strafrecht BT / 1, 9. Aufl. 2003, § 24 Rn. 14, 17 ff. 224 Das gilt nicht nur im Strafrecht, sondern ebenso im Zivilrecht, Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 235 ff.; vgl. auch Wessels / Hettinger, Strafrecht BT / 1, 27. Aufl. 2003, Rn. 473, 475; BGHSt 11, 207 (208 f.); BGHSt 14, 48 (49 f.).

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

c) Fazit Ziffer 10 Pressekodex schützt damit das Persönlichkeitsrecht insgesamt umfassender als die Rechtsordnung.

9. Ziffer 11 Pressekodex: Schutz vor unangemessen sensationeller Darstellung von Gewalt und Brutalität, Jugendschutz a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht Nach Ziffer 11 Pressekodex verzichtet die Presse auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität (S. 1) und berücksichtigt in der Berichterstattung den Jugendschutz (S. 2). Eine Definition, was presseethisch unter unangemessen sensationeller Darstellung zu verstehen ist, findet sich in Rl. 11.1. Mit diesen presseethischen Vorgaben wird zum einen natürlich der Schutz der Konsumenten, insbesondere der jugendlichen Leser, verfolgt,225 der aber nicht Gegenstand der Untersuchung ist. Doch geht es zum anderen auch darum, die Belange der Berichterstattungsopfer, insbesondere ihr Persönlichkeitsrecht, zu wahren. Bei Jugendlichen spielt dabei vor allem der Entwicklungsschutz eine Rolle. Rl. 11.2 ist zumindest insofern persönlichkeitsrelevant, als sie der Presse gebietet, bei der Berichterstattung über (angedrohte) Gewalttaten das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen, einschließlich ihres Persönlichkeitsrechts, sorgsam abzuwägen (S. 1).226 Auch Rl. 11.3 berücksichtigt Persönlichkeitsinteressen – in diesem Fall von Opfern von Unglücksfällen und Katastrophen sowie ihrer Angehörigen – , indem sie der Berichterstattung über derartige Vorkommnisse gewisse Grenzen setzt. Ebenso ist Rl. 11.4, welche Nachrichtensperren und das abgestimmte Verhalten mit Behörden betrifft, teilweise persönlichkeitsrelevant, und zwar soweit es um ein abgestimmtes Verhalten zwischen Medien und Polizei zum Schutz von Leben und Gesundheit von Opfern und anderen Beteiligten geht (S. 2). Denn dieser Gesichtspunkt stellt einen Abwägungsfaktor bei der Frage dar, ob die Medienberichterstattung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen verstößt. Persönlichkeitsrechtliche Bezüge weist schließlich noch Rl. 11.5 auf. Sie nimmt bei der Publikation von Verbrecher-Memoiren eine Verletzung der publizistischen Grundsätze unter anderem unter der Voraussetzung an, daß die Opfer – vor allem in ihren Persönlichkeitsbelangen227 – unangemessen belastet werden.228 Hingegen spielt Vgl. auch BVerfGE 83, 130 (139 ff.). Vgl. Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 275. 227 Prantl, AfP 1984, 21 f. 228 Vgl. auch Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 275 f. 225 226

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Rl. 11.6, die verharmlosende Veröffentlichungen über Drogen verbietet, für den Persönlichkeitsschutz keine Rolle. b) Auslegung und Abgleich mit den rechtlichen Vorgaben aa) Unangemessen sensationelle Darstellung Soweit es um den Schutz vor unangemessen sensationeller Darstellung geht, sind Ziffer 11 S. 1 Pressekodex und Rl. 11.1 zusammen zu untersuchen. Dabei fällt auf, daß Rl. 11.1 inhaltlich weiter reicht als Ziffer 11 S. 1 Pressekodex, da sie jegliche unangemessen sensationelle Darstellung betrifft, während Ziffer 11 S. 1 Pressekodex allein den Verzicht auf die unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität propagiert. Als unangemessen sensationell wird unter Anlehnung an die Objektformel des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 1 Abs. 1 GG eine Darstellung bezeichnet, in der der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel herabgewürdigt wird, Rl. 11.1 S. 1. Als Beispiel findet sich in Rl. 11.1 S. 2 der Fall, daß über eine sterbende oder körperlich oder seelisch leidende Person in einer über das öffentliche Berichterstattungsinteresse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird. Auffällig an Rl. 11.1 ist, daß sie an sich lediglich eine Definition enthält, die Verhaltensregel also explizit allein in der thematisch engeren Ziffer 11 S. 1 Pressekodex steht. Andererseits spricht Rl. 11.1 von der Unangemessenheit der Darstellung, was darauf hindeutet, daß bereits hier eine ethische Mißbilligung vorliegt. Daher ist jegliche unangemessen sensationelle Darstellung als Verletzung der presseethischen Grundsätze anzusehen, unabhängig davon, ob es sich um eine Darstellung von Gewalt und Brutalität handelt oder nicht. Vergleicht man diese Auslegung von Ziffer 11 S. 1 Pressekodex und Rl. 11.1 mit der Rechtslage, ist zunächst festzuhalten, daß eine zynische oder brutale Berichterstattung rechtlich nicht per se zu einer Persönlichkeitsverletzung des Berichterstattungsopfers führt, sondern daß noch weitere Umstände hinzutreten müssen.229 Zu diesen weiteren Umständen gehört insbesondere eine Beeinträchtigung des in Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG enthaltenen Menschenwürdekerns, unter anderem dadurch, daß Menschen im Zustand der Schutzlosigkeit dem Voyeurismus preisgegeben werden.230 Differenzen zwischen den rechtlichen und ethischen Vorgaben sind damit insgesamt nicht ersichtlich, zumindest soweit der Pressekodex und die Richtlinie reichen. Denn wenn die Voraussetzungen von Rl. 11.1 erfüllt sind, liegt auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, nämlich des Menschenwürdekerns, vor. Das gleiche gilt bei einer Verletzung von Ziffer 11 S. 1 Pressekodex, da die Kodexziffer auf der Definition von Rl. 11.1 aufbaut. 229 230

Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 76. Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 136.

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bb) Jugendschutz Ziffer 11 S. 2 Pressekodex verlangt die Berücksichtigung des Jugendschutzes in der Berichterstattung, was dem Wortlaut nach nicht nur die hier nicht näher untersuchten Konsumenten, sondern auch jugendliche Berichterstattungsopfer erfaßt.231 Deren Schutz wird durch Ziffer 11 S. 2 Pressekodex verstärkt. Auch rechtlich stehen Kinder und Jugendliche, soweit über sie in den Medien berichtet wird, unter erhöhtem Schutz, um Störungen ihrer Persönlichkeitsentwicklung so weit wie möglich zu unterbinden.232 Kodex und Rechtslage stimmen also insofern überein. cc) Berichterstattung über Gewalttaten Das Gebot, bei der Berichterstattung über (angedrohte) Gewalttaten die Belange der Opfer und Betroffenen gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzuwägen, Rl. 11.2 S. 1, wurde, soweit es um Namensnennung und Abbildungen geht, bereits im Rahmen von Rl. 8.1 erörtert.233 Doch ist presseethisch wie rechtlich auch im übrigen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts möglich, insbesondere, da es noch weitere Formen der identifizierenden Berichterstattung gibt.234 Da aber sowohl die Rechtsordnung235 als auch die Presseethik gebieten, bei der Abwägung betreffend die Zulässigkeit der Berichterstattung die Belange der besonders schutzbedürftigen Opfer und sonstigen Betroffenen zu berücksichtigen, sind keine Abweichungen zwischen den rechtlichen und presseethischen Anforderungen ersichtlich.

dd) Unglücksfälle und Katastrophen Die Frage der rechtlichen und presseethischen Zulässigkeit der Berichterstattung über Opfer von Unglücksfällen und Katastrophen sowie ihrer Angehörigen, vgl. Rl. 11.3, wurde, soweit Namensnennung und Abbildung betroffen sind, ebenfalls bereits in den Ausführungen zu Rl. 8.1 dargestellt.236 Doch bleiben auch ohne Namensnennung und Abbildung Persönlichkeitsbeeinträchtigungen möglich.237 Rechtlich ist die Frage der Zulässigkeit derartiger Publikationsinhalte im Rahmen einer Abwägung zu klären, bei der der besonderen Schutzbedürftigkeit der Siehe auch Teil 3 Fn. 85. Siehe Teil 3 A II 1 c) aa) und D II 8. 233 Vgl. Teil 6 B II 6 b) bb) (a) (2). 234 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 17.2. 235 OLG Hamburg NJW 1975, 649 (650 f.); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 206, 213. 236 Siehe Teil 6 B II 6 b) bb) (a) (2) und (b). 237 Siehe Teil 6 B II 9 b) cc). 231 232

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Genannten Rechnung getragen werden muß.238 Ähnliche Formulierungen finden sich auch in Rl. 11.3, wenn es dort heißt, daß die vom Unglück Betroffenen durch die Darstellung prinzipiell nicht ein zweites Mal zu Opfern werden dürfen (S. 2) und daß die Berichterstattung ihre Grenze im Respekt vor dem Leid der Opfer und den Gefühlen der Angehörigen findet (S. 1). Da die Richtlinie nur einen Grundsatz aufstellt („prinzipiell“), kommt man bei ihr ebenfalls nicht ohne eine Abwägung zwischen den Interessen der Betroffenen und den Interessen der Medien sowie der Öffentlichkeit aus. Dabei muß auch hier das besondere Schutzbedürfnis der Betroffenen berücksichtigt werden. Allerdings reicht Rl. 11.3 ihrem Wortlaut nach weiter. Nicht immer, wenn die Presseschaffenden z. B. die Gefühle von Angehörigen nicht respektieren, liegt darin schon eine Persönlichkeitsverletzung im rechtlichen Sinne. Daher stimmen Rechtslage und ethische Vorgaben zwar insoweit überein, als sie den Interessen der Opfer und ihrer Angehörigen besonderes Gewicht bei der Abwägung einräumen. Allerdings werden in der Richtlinie ihre Belange in stärkerem Umfang berücksichtigt, so daß der presseethische Schutz des Persönlichkeitsrechts insofern weiter reicht als der rechtliche Schutz.

ee) Abgestimmtes Verhalten mit Behörden / Nachrichtensperre Rl. 11.4 S. 2 gebietet eine Verhaltensabstimmung zwischen Medien und Polizei, wenn Leben und Gesundheit von Opfern und von anderen Beteiligten durch das Handeln von Journalisten geschützt oder gerettet werden können. Öffentliche Berichte der Medien haben in solchen Situationen unter Umständen eine ungewollte Gefährdung von Leib und Leben einzelner zur Folge. Daher werden den Betroffenen von der Rechtsordnung Abwehransprüche, gestützt auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, gewährt.239 Presseethisch ist zwar der Ausgangspunkt der gleiche, d. h. eine gefährdende Berichterstattung kann auch als Persönlichkeitsverletzung angesehen werden. Doch besteht die Konsequenz hier darin, daß die Medien sich mit der Polizei abstimmen sollen. Eine entsprechende rechtliche Verpflichtung existiert hingegen nicht. Die Presseethik reicht bezüglich des Abstimmungsgebotes daher weiter als die Rechtsordnung.

ff) Verbrecher-Memoiren Schließlich ist noch Rl. 11.5 zu untersuchen, die sich mit sogenannten Verbrecher-Memoiren befaßt. Mit diesen versucht der durch seine Tat in den Mittelpunkt 238 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 206, 213; zur Frage, wann Angehörige eigene Ansprüche geltend machen können, siehe Teil 6 B II 6 b) bb) (b). 239 Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 5.109 ff. Siehe schon die Ausführungen zu Rl. 8.6, Teil 6 B II 6 b) ff).

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des öffentlichen Interesses gerückte Verbrecher, seine Lebensgeschichte durch einen Exklusivvertrag zu kommerzialisieren.240 Presseethisch ist dies verboten, wenn Straftaten nachträglich gerechtfertigt oder relativiert werden, die Opfer unangemessen belastet und durch die in Einzelheiten gehende Schilderung eines Verbrechens lediglich Sensationsbedürfnisse befriedigt werden. Die Frage der Unangemessenheit der Belastung erlaubt dabei wieder eine Abwägung unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsbelange des Opfers. Auch rechtlich wird sich die schwerwiegende Verletzung der Vitalrechte des Opfers regelmäßig als Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts fortsetzen, wenn der Täter die Tatbegehung und damit auch die Verletzung des Opfers kommerziell verwertet.241 Die Opferbelange sind bei der Frage der Zulässigkeit von Verbrechermemoiren also sowohl in presseethischer als auch rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen; sie führen regelmäßig in beiden Bereichen zur Unzulässigkeit derartiger Publikationen. Insoweit bestehen folglich keine Abweichungen zwischen Presseethik und Rechtsordnung. c) Zusammenfassung Der Vergleich zwischen Pressekodex und Rechtslage hat auch bei Ziffer 11 Pressekodex samt den dazugehörenden Richtlinien eine weitgehende Übereinstimmung ergeben. Nur im Rahmen von Rl. 11.3 (Unglücksfälle und Katastrophen) und Rl. 11.4 (Abgestimmtes Verhalten mit Behörden / Nachrichtensperre) stellt der Pressekodex strengere Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Presseberichterstattung auf.

10. Ziffer 12 Pressekodex: Diskriminierungsverbot a) Persönlichkeitsrelevanz Nach Ziffer 12 Pressekodex darf niemand wegen seines Geschlechts oder seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden. Rl. 12.1 fügt ergänzend hinzu, daß in der Berichterstattung über Straftaten die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt werden darf, Prantl, AfP 1984, 21. Prantl, AfP 1984, 21 f., der allerdings stets eine Persönlichkeitsverletzung annimmt. Das geht jedoch zu weit, da nicht in jedem Fall automatisch die absoluten Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, insbesondere die Menschenwürde, überschritten sind. Man muß vielmehr auch hier eine Abwägung vornehmen, die aber regelmäßig zugunsten des Opfers ausgehen wird. Zur Frage der Sittenwidrigkeit von Exklusivverträgen nach § 138 Abs. 1 BGB vgl. Tillmanns, ZRP 1999, 342. 240 241

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wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Dadurch soll insbesondere dem Gleichbehandlungsgebot Genüge getan und das Schüren von Vorurteilen verhindert werden, vgl. zu letzterem Rl. 12.1 S. 2. Doch erweisen sich sowohl Ziffer 12 Pressekodex als auch Rl. 12.1 zugleich als persönlichkeitsrelevant, da Diskriminierungen ehrverletzende Züge annehmen können.242 b) Interpretation und Vergleich mit der Rechtslage aa) Diskriminierungsverbot Zunächst ist Ziffer 12 Pressekodex mit der Rechtslage abzugleichen. Rechtlich ist es möglich, Diskriminierungen wegen in der Regel unverfügbarer Eigenschaften wie Geschlecht, Abstammung, Rasse, Heimat und Herkunft etc. als Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre einzustufen, wenn und soweit der Betroffene als minderwertig behandelt und ihm damit sein sozialer Geltungsanspruch, der jedem Menschen ungeachtet unabänderlicher Unterschiede zu anderen zukommt, abgesprochen wird.243 Unter Umständen sind auch die Grundsätze zur Beleidigung eines Kollektivs bzw. zur Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung zu beachten.244 Bei der Berichterstattung über Volksgruppen wird es dann allerdings wegen der mangelnden Abgrenzbarkeit regelmäßig an einer Ehrverletzung fehlen.245 Vergleicht man diese rechtlichen Vorgaben mit den Inhalten des Kodex, fällt auf, daß der Pressekodex strenger ist: Er stellt keine näheren Voraussetzungen für den Ehrenschutz von Gruppen und einzelnen unter einer Gruppenbezeichnung auf.246 Überdies erklärt der Kodex Diskriminierungen wegen des Geschlechts oder der Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe247 per se für unzulässig; es kommt also nicht darauf an, ob die diskriminierende Veröffentlichung zugleich ehrverletzend ist.

242 I.E. so auch Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 276. Teilweise wird bei unzulässigen Diskriminierungen sogar per se eine Persönlichkeitsverletzung angenommen, so daß nach dieser Ansicht schon allein aus diesem Grund die Persönlichkeitsrelevanz gegeben wäre. Doch ist diese Meinung abzulehnen, siehe dazu ausführlich Teil 3 A II 1 c) dd). 243 BVerfGE 93, 266 (304); Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 61. 244 Siehe dazu Teil 6 B II 8 b). 245 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 13.25. 246 Vgl. Teil 6 B II 7. 247 Vgl. auch die in Art. 3 Abs. 3 GG teilweise gleichlautenden Termini und ihre Auslegung; zu letzterem siehe Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 3 Rn. 80, 109 ff.

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bb) Berichterstattung über Straftaten Ebenso verhält es sich bei Rl. 12.1. Auch hier bleiben die rechtlichen hinter den ethischen Anforderungen zurück. Rl. 12.1 verbietet bei der Berichterstattung über Straftaten grundsätzlich die Erwähnung der Zugehörigkeit von Verdächtigen und Tätern zu ethnischen oder anderen Minderheiten, es sei denn, es besteht ein für das Verständnis des berichteten Ereignisses begründbarer Sachbezug. Damit ist aber kein rigides Sprachverbot verbunden; es wird vielmehr nur eine Abwägungsregel aufgestellt.248 Rechtlich hingegen ist eine Beeinträchtigung bei der Berichterstattung über Straftaten regelmäßig erst zu anzunehmen, wenn die Ehre tangiert ist bzw. wenn es sich um eine übermäßige Anprangerung handelt.249 Die Nennung der Zugehörigkeit zu einer Minderheit kann dabei ein Abwägungsfaktor sein, führt aber bei Fehlen eines begründbaren Sachbezugs nicht automatisch zur Unzulässigkeit der Berichterstattung. c) Fazit Insgesamt schützen Ziffer 12 Pressekodex und Rl. 12.1 das allgemeine Persönlichkeitsrecht damit stärker als die Rechtsordnung.

11. Ziffer 13 Pressekodex: Vorverurteilungsverbot a) Relevanz für das allgemeine Persönlichkeitsrecht Das in Ziffer 13 Pressekodex und Rl. 13.1 verankerte Vorverurteilungsverbot gebietet der Presse, vor Beginn und während der Dauer von Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstigen förmlichen Verfahren jegliche präjudizierende Berichterstattung zu vermeiden. Ein Verdächtiger darf vor einem gerichtlichen Urteil nicht als Schuldiger hingestellt werden, selbst wenn ein Geständnis vorliegt oder die Täterschaft für die Öffentlichkeit offenkundig ist. Auch soll über Entscheidungen von Gerichten vor deren Bekanntgabe nicht ohne schwerwiegende Rechtfertigungsgründe berichtet werden. Diese Vorgaben bezwecken den Schutz der Menschenwürde bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, indem sie eine soziale Zusatzbestrafung durch einen „Medienpranger“ zu unterbinden suchen. Statt dessen fordern die presseethischen Grundsätze eine objektive und sorgfältige Berichterstattung unter deutlicher Trennung zwischen Verdacht und erwiesener Schuld sowie zwischen Prozeßbericht und Kritik bzw. Kommentar.250 Zudem verlangt Rl. 13.2 bei der Berichterstattung über jugendliche Straftäter und Opfer mit Blick auf deren Entwicklungsschutz besondere Zurückhaltung zu üben. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 35. Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 516, 669 f. 250 Vgl. auch Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 118; zur Folgeberichterstattung siehe Teil 6 B II 3 b) bb). 248 249

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze

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b) Auslegung und Abgleich mit den rechtlichen Vorgaben aa) Vorverurteilungsverbot Da die Unschuldsvermutung nach hier vertretener Ansicht auch eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt,251 dient sie im folgenden als Vergleichsmaßstab für Ziffer 13 Pressekodex und Rl. 13.1. (a) Sachlicher Anwendungsbereich Zunächst ist zu prüfen, bei welchen Verfahrensarten das Vorverurteilungsverbot jeweils eingreift. Während nach dem Pressekodex neben Ermittlungs- und Strafverfahren auch „sonstige förmliche Verfahren“ wie zivilgerichtliche oder verwaltungsgerichtliche Verfahren erfaßt sind, Ziffer 13 S. 1 Pressekodex, beschränkt sich die Reichweite der Unschuldsvermutung als einer Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Strafverfahren252. Zwar muß die Presse auch bei Verfahren, deren belastende Auswirkungen einem Strafverfahren gleichkommen, besondere Zurückhaltung bei der Berichterstattung üben. Doch ergibt sich in dem Fall eine etwaige Rechtswidrigkeit aus anderen Gründen, z. B. der unzulässigen Namensnennung.253 Der presseethische Anwendungsbereich des Vorverurteilungsverbots reicht also insofern weiter. (b) Zeitlicher Anwendungsbereich Der Zeitraum, den Ziffer 13 Pressekodex und Rl. 13.1 erfassen sollen, geht hingegen – anders als die Verfahrensarten – aus dem Wortlaut der Regelungen nicht eindeutig hervor. Er beginnt jedenfalls schon vor Einleitung der Verfahren und erstreckt sich über die gesamte Verfahrensdauer, Ziffer 13 S. 2 Pressekodex. Das Verbot endet also grundsätzlich nicht schon mit dem erstinstanzlichen Urteil, wie die Formulierungen von Ziffer 13 S. 2 („während der Dauer eines solchen Verfahrens“), Rl. 13.1 S. 5 („Verurteilter“) und die Pflicht zur Folgeberichterstattung in Rl. 13.1 S. 7 zeigen. Anderes gilt aber für Ziffer 13 S. 3 Pressekodex („vor einem gerichtlichen Urteil“) sowie Rl. 13.1 S. 2 und 3 („bis zu einer gerichtlichen Verurteilung“, „bis zu einem Gerichtsurteil“): Die dort verankerten besonders strengen Vorgaben greifen nach dem erstinstanzlichen Urteil nicht mehr ein. Rechtlich erstreckt sich die zeitliche Geltung der Unschuldsvermutung grundsätzlich vom Beginn des Ermittlungsverfahrens bis zur Rechtskraft der gerichtliSiehe Teil 3 A II 1 c) cc). C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 68 f.; wohl ebenso Stürner, JZ 1980, 3, 5; vgl. auch BVerwG NJW 1988, 660 (660); kritisch zur Beschränkung des Schutzes vor Vorverurteilungen auf Strafverfahren Hassemer, NJW 1985, 1925. 253 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 205, 213; siehe z. B. BGH NJW 1979, 1041 (1041). 251 252

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

chen Entscheidung.254 Da aber schon mit einer erstinstanzlichen Verurteilung die Täterschaft hinreichend feststeht, muß regelmäßig bereits ab diesem Zeitpunkt der Persönlichkeitsschutz zurücktreten, d. h. es sind bereits schuldzuweisende Formulierungen möglich.255 In zeitlicher Hinsicht herrscht damit weitgehend Übereinstimmung zwischen den presseethischen und den rechtlichen Vorgaben: Die Unschuldsvermutung gewährt auf beiden Ebenen bis zur erstinstanzlichen Verurteilung einen strikten, danach hingegen nur noch einen abgeschwächten Schutz. Nur bezüglich des Anfangszeitpunkts reicht der Pressekodex weiter. Denn er beginnt anders als die Unschuldsvermutung bereits vor der Verfahrenseinleitung. (c) Inhalt des Vorverurteilungsverbotes Inhaltlich besagt das Vorverurteilungsverbot in Ziffer 13 Pressekodex, daß jegliche präjudizierende Stellungnahme unterbleiben soll (S. 2), ohne daß deswegen die Berichterstattung über solche Verfahren schlechthin unzulässig wäre. Zum Zwecke der sorgfältigen Unterrichtung der Öffentlichkeit und der Verhinderung einer sozialen Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines Medienprangers soll sprachlich stets zwischen Verdacht und erwiesener Schuld unterschieden werden, Rl. 13.1 S. 1, 5, 6. Zudem ist zwischen Prozeßbericht und Kritik bzw. Kommentar zu einem Verfahren erkennbar zu differenzieren, Rl. 13.1 S. 9. Vor einem (erstinstanzlichen) Gerichtsurteil darf ein Verdächtiger außerdem nicht als Schuldiger hingestellt werden, selbst wenn ein Geständnis vorliegt oder die Täterschaft für die Öffentlichkeit offenkundig ist, Ziffer 13 S. 3 Pressekodex, Rl. 13.1 S. 2, 3. Vergleicht man nun die presseethischen mit den rechtlichen Vorgaben, ist zunächst festzuhalten, daß die Unschuldsvermutung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ebenfalls nicht jegliche Berichterstattung über Verdächtige verbietet.256 Doch wird der Presse angesichts der mit solchen Publikationen verbundenen schweren Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts,257 insbesondere der Prangerwirkung derartiger Veröffentlichungen,258 eine besondere Zurückhaltung auferlegt. So muß sie objektiv informieren.259 Eine Trennung von 254 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 78 f.; vgl. auch OLG Köln NJW 1987, 2682 (2684). 255 Bornkamm, NStZ 1983, 107; enger C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 77, 79. 256 BVerfGE 35, 202 (230 f.); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 205. 257 BVerfGE 35, 202 (226). 258 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 205. 259 BGHZ 143, 199 (203 f.); Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 210; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 10.195.

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze

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Kommentar und Bericht ist allerdings rechtlich nicht vorgeschrieben.260 Zudem darf durch eine präjudizierende Darstellung nicht der Eindruck erweckt werden, der Betroffene sei bereits überführt.261 Wenn die Täterschaft aber offenkundig ist, wird die Berichterstattung regelmäßig unter der Bedingung zulässig sein, daß der Artikel nicht zu der Schlußfolgerung verleiten darf, der Betroffene sei bereits verurteilt. Denn in diesem Fall ist die Identität des Täters geklärt und es steht nur noch die verfahrensmäßige Bewältigung der Folgen aus.262 Auch im Fall eines Geständnisses wird teilweise angenommen, daß die Presse „vorverurteilend“ berichten, also den Betroffenen als Täter bezeichnen dürfe.263 Dagegen spricht aber, daß Geständnisse, auch wenn sie die Gewißheit über die Täterschaft erhöhen, aus unterschiedlichen Beweggründen ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt abgegeben werden können und zudem widerruflich sind.264 Daher muß auf das „Fragezeichen hinter der Täterschaft“ hingewiesen werden, ohne daß es zu einer bloßen Formalie verkommt.265 Die Gegenüberstellung von ethischen und rechtlichen Grundsätzen ergibt damit eine weitgehende Übereinstimmung: Eine vorverurteilende Berichterstattung ist in beiden Bereichen prinzipiell unzulässig. Ausnahmen werden rechtlich nur für den Fall eines Geständnisses und der Offenkundigkeit der Tatbegehung diskutiert, allerdings nach zutreffender Ansicht nur im letzten Fall mit gewissen Einschränkungen zugelassen. Insoweit erweisen sich Pressekodex und Richtlinien als strenger: Sie erlauben selbst bei evidenter Tatbegehung keinerlei Ausnahmen. Auch in einem zweiten Punkt sind die presseethischen Anforderungen höher: Das Gebot der Trennung zwischen der Berichterstattung zu einem Verfahren und diesbezüglichen Kommentaren bzw. diesbezüglicher Kritik existiert nur im presseethischen Bereich. bb) Vorzeitige Berichterstattung über Gerichtsentscheidungen Schließlich bleibt noch Ziffer 13 S. 4 Pressekodex zu erörtern. Die Vorschrift gebietet, über Entscheidungen von Gerichten vor deren Bekanntgabe nicht zu berichten, es sei denn, es liegen schwerwiegende Rechtfertigungsgründe vor. Das bedeutet, daß eine Rechtfertigung der Persönlichkeitsbeeinträchtigung meist nicht möglich sein wird. Aufgrund der systematischen Stellung werden von der Regelung aber nicht sämtliche Gerichtsverfahren erfaßt, sondern nur solche mit stark personenbezogenen Schwerpunkten, wie Strafverfahren.266 Der Anwendungsbereich ist also beschränkt. 260 261 262 263 264 265 266

Stürner, AfP 2002, 285. BGHZ 143, 199 (203). OLG Frankfurt AfP 1980, 50 (53); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.34a. Branahl, Medienrecht, 4. Aufl. 2002, S. 187. C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 83 f. Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 210. Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 35; a.A. Benda, NJW 1997, 3004.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Eine gleich- oder ähnlich lautende und speziell für solche Fälle konzipierte (zivilrechtliche) Vorschrift findet sich hingegen nicht.267 Die Rechtswidrigkeit der vorzeitigen Berichterstattung über Gerichtsentscheidungen kann sich demzufolge nur daraus ergeben, daß entweder das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt wurde oder § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. einer Schutznorm eingreift. (a) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Gestützt auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist es aus zwei Gründen möglich, eine derartige Berichterstattung für unzulässig zu erklären: Entweder erweist sich bereits der Inhalt des Artikels selbst als rechtswidrig oder die Informationen für die Publikation wurden rechtswidrig erlangt268 und dies „schlägt“ auf die Veröffentlichung „durch“.269 Laut Pressekodex sind hingegen solche Vorabberichte prinzipiell unzulässig und zwar unabhängig vom Inhalt der Publikation sowie unabhängig davon, ob die Informationen rechtswidrig erlangt wurden oder nicht. Im Vergleich mit den rechtlichen Grenzen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht zieht, erweist sich der Pressekodex folglich als strenger. (b) Verstoß gegen §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 353d Nr. 3 StGB Allerdings ist die Untersuchung damit nicht beendet. Es muß noch auf § 353d Nr. 3 StGB eingegangen werden. Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. § 353d Nr. 3 StGB verbietet damit unter anderem die von Ziffer 13 S. 4 Pressekodex ebenfalls erfaßte wörtliche Wiedergabe von schriftlich abgefaßten Gerichtsentscheidungen270 in der Presse271. Nicht einmal die Pressefreiheit kann eine die Verletzung des § 353d Nr. 3 StGB rechtfertigende Mitteilungsbefugnis begründen, auch nicht bei Verfahren von erheblicher Bedeutung.272 Von Relevanz ist die Vorschrift hier, da sie neben dem Schutz der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten auch den Persönlichkeits267 Vgl. im Gegensatz dazu das Rechtsinstitut „contempt of court“ im englischen Recht, Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 26; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 81 ff. 268 Siehe dazu §§ 43, 45 Abs. 1 DRiG, 192 ff. GVG; Steffen, AfP 1988, 119; N. Michel, DRiZ 1992, 266. 269 Lerche, AfP 1976, 61 f. 270 Träger, in: Jescheck u. a. (Hrsg.), StGB, Leipziger Kommentar, Bd. 7, 10. Aufl. 1988, § 353d Rn. 45. 271 Träger, in: Jescheck u. a. (Hrsg.), StGB, Leipziger Kommentar, Bd. 7, 10. Aufl. 1988, § 353d Rn. 56. 272 BVerfGE 71, 206 (221); Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 353d Rn. 58.

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze

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schutz des vom Verfahren Betroffenen gewährleistet.273 Daher kann sie als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden.274 Vergleicht man nun §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 353d Nr. 3 StGB mit Ziffer 13 S. 4 Pressekodex, werden neben den eben dargestellten thematischen Überschneidungen auch einige Unterschiede zwischen der presseethischen und der rechtlichen Regelung offenbar: Teilweise erweist sich dabei § 353d Nr. 3 StGB als strenger. So reicht insbesondere der zeitliche Anwendungsbereich des § 353d Nr. 3 StGB weiter, da sich die Vorschrift auf den gesamten Verfahrensverlauf bezieht. Im übrigen ist aber der Pressekodex strikter: Er bezieht sich nämlich thematisch auf mehr als die in § 353d Nr. 3 StGB genannten Straf-, Bußgeld- und Disziplinarverfahren. Außerdem erfaßt er neben der wörtlichen auch die sinngemäße Wiedergabe.

cc) Straftaten Jugendlicher Rl. 13.2 verlangt bei der Berichterstattung über Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Jugendliche sowie über ihr Auftreten vor Gericht und bei der Berichterstattung über jugendliche Opfer von Straftaten, mit Rücksicht auf die Zukunft der Betroffenen besondere Zurückhaltung zu üben. Das gilt auch in rechtlicher Hinsicht: Bei jugendlichen Straftätern haben der Resozialisierungsgedanke und der Entwicklungsschutz besonderes Gewicht.275 Ebenso sind jugendliche Opfer von Straftaten nicht bloß wegen ihres Opferstatus276 zurückhaltend zu behandeln. Bei ihnen kommt als zusätzlicher Aspekt gleichfalls der Entwicklungsschutz hinzu. Aus diesem Grund sind nicht nur bei der Frage der Zulässigkeit der Namensnennung und Abbildung,277 sondern auch im übrigen bei der Berichterstattung über jugendliche Täter und Opfer von Straftaten besonders strenge Maßstäbe anzulegen, und zwar sowohl in presseethischer als auch in rechtlicher Hinsicht.

c) Zusammenfassung Während die Inhalte von Rl. 13.2 mit den rechtlichen Vorgaben übereinstimmen, gewährleisten Ziffer 13 Pressekodex und Rl. 13.1 einen umfassenderen Persönlichkeitsschutz als die Rechtsordnung. Denn das presseethische Vorverurteilungsverbot 273 BVerfGE 71, 206 (218 f.); Tröndle / Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 353d Rn. 1. Nach a.A. ist § 353d Nr. 3 StGB nicht persönlichkeitsschützend, Lenckner / Perron, in: Schönke / Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 353d Rn. 40 und Hassemer, NJW 1985, 1923. 274 Zu Schutzgesetzen im allgemeinen siehe Sprau, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 823 Rn. 56 f. 275 Siehe schon Rl. 8.1 Abs. 5, Teil 6 B II 6 b) bb) (a) (3). 276 Vgl. dazu Teil 6 B II 6 b) bb) (a) (2). 277 Siehe Teil 6 B II 6 b) bb) (a) (2) und (3).

21 Schwetzler

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

greift zeitlich früher ein, erfaßt mehr Verfahrensarten und weist auch die inhaltlich strengeren Anforderungen auf, da es selbst bei offenkundiger Täterschaft anzuwenden ist und eine Trennung von Prozeßbericht und Kommentar gebietet. Das ebenfalls in Ziffer 13 Pressekodex geregelte prinzipielle Verbot vorzeitiger Berichterstattung über gerichtliche Entscheidungen stellt – von Ausnahmen beim Vergleich mit §§ 823 Abs. 2 BGB i.V. m. 353d Nr. 3 StGB abgesehen – ebenfalls striktere Vorgaben zum Persönlichkeitsschutz auf als die Rechtsordnung.

12. Ziffern 14 und 15 Pressekodex Ziffer 14 Pressekodex und Rl. 14.1 betreffen Berichte über medizinische Themen. Ziffer 15 Pressekodex und Rl. 15.1 haben die Annahme und Gewährung von Vorteilen jeder Art, z. B. Geschenken, zum Gegenstand, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit und Unabhängigkeit der Presseschaffenden zu beeinflussen. Beide Ziffern weisen damit keinerlei persönlichkeitsrechtliche Bezüge auf und werden daher nicht näher untersucht.

III. Zusammenfassung zu Abschnitt B. und Bewertung Durch die Auslegung der persönlichkeitsrelevanten presseethischen Grundsätze und ihren Vergleich mit den verfassungs- und zivilrechtlichen Vorgaben zum Persönlichkeitsschutz war es möglich, weiterführende Erkenntnisse in regelungstechnischer und inhaltlicher Hinsicht zu gewinnen. 1. Mit Blick auf die Regelungstechnik hat die Analyse der Kodexziffern und Richtlinien offenbart, daß zwischen ihnen vielfach thematische Überschneidungen existieren.278 Im Fall eines gegen die Presseethik verstoßenden Verhaltens können daher mehrere Ziffern bzw. Richtlinien zugleich verletzt sein. Ferner trifft es nicht zu, daß die Richtlinien allein der Konkretisierung der Kodexziffern dienen. Vielmehr gehen sie teilweise auch über deren Regelungsgehalt hinaus.279 Doch existieren nicht zu allen Kodexziffern konkretisierende Richtlinien, obwohl eine zusätzliche Handlungsanleitung oftmals wünschenswert wäre.280 Gleichfalls auffällig ist die generalklauselartige Weite eines Großteils der presseethischen Regelungen. Insofern besteht aber kein Unterschied zu den rechtlichen Vorgaben, die ebenfalls nur teilweise bzw. generalklauselartig kodifiziert sind. Angesichts der vielen möglichen Fallkonstellationen auf dem Gebiet des Persönlich278 279 280

Vgl. z. B. Ziffern 8 und 13 Pressekodex samt der dazugehörenden Richtlinien. Vgl. u. a. Rl. 3.2, Rl. 3.3 und Rl. 13.2. Siehe Ziffer 9 Pressekodex.

B. Persönlichkeitsschutz durch die Publizistischen Grundsätze

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keitsschutzes sind diese weiten Formulierungen rechtlich wie presseethisch aber kaum vermeidbar. Ein dringender Reformbedarf läßt sich diesbezüglich jedenfalls nicht feststellen. 2. Inhaltlich hat sich gezeigt, daß Pressekodex und Richtlinien die gesamte journalistische Arbeit erfassen, von der Recherche bis hin zur Veröffentlichung.281 Eine Fallgruppenbildung zur Konkretisierung des Persönlichkeitsrechts gibt es im presseethischen Bereich anders als in Rechtsprechung und Lehre282 aber noch nicht, ebensowenig eine Differenzierung zwischen allgemeinen und besonderen Persönlichkeitsrechten.283 Mit den rechtlichen Anforderungen an den Persönlichkeitsschutz besteht dagegen eine weitgehende Übereinstimmung.284 Der Pressekodex und die Richtlinien bleiben nur selten hinter ihnen zurück.285 In einigen Bereichen reichen sie über den normativen Bestand des Gesetzes- und Richterrechts sogar deutlich hinaus.286 Doch auch, wenn prinzipiell nichts gegen eine weitgehend deckungsgleiche Übernahme der rechtlichen Maßstäbe im presseethischen Bereich spricht,287 stellt sich nichtsdestoweniger die Frage, ob dies nicht dem Zweck der Selbstkontrolle zuwiderläuft. Denn durch diese „Selbstbindung“ verbaut sich der Deutsche Presserat die Möglichkeit, eigene Lösungsansätze und damit eine „echte“ Alternative zum Rechtsschutz zu entwickeln. Auch der Vorteil, flexibler als staatliche Instanzen auf Probleme reagieren zu können, geht dadurch teilweise verloren. Doch erfolgt nicht immer eine kritiklose Übernahme der rechtlichen Maßstäbe. Es werden auch eigene Beurteilungskriterien entwickelt. Eventuelle kritische Äußerungen dahingehend, daß der Zweck der Selbstkontrolle durch die Anlehnung an die rechtlichen Maßstäbe verfehlt werde, gehen in ihrer Pauschalität folglich fehl. Allerdings eigen die Erwägungen Gefahren auf, deren sich der Presserat bei Erlaß oder Änderung von Pressekodex und Richtlinien künftig bewußt sein sollte. 3. Insgesamt kann aufgrund der gefundenen Ergebnisse jedenfalls für Pressekodex und Richtlinien die Aussage des Deutschen Presserats bestätigt werden, daß er mit den von ihm aufgestellten ethischen Regeln auch dem Individualschutz 281 Vgl. z. B. Ziffern 4, 8, 13 Pressekodex samt Richtlinien und Abs. 3 Präambel zum Pressekodex. 282 Siehe dazu Teil 3 A II 1. 283 Vgl. dazu Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, 1991, passim. Zum Konkurrenzverhältnis zwischen allgemeinem und besonderen Persönlichkeitsrechten siehe Helle, a. a. O., S. 40 f. 284 Stürner, AfP 2002, 285. 285 U.a. in Ziffer 2 S. 4 Pressekodex, Ziffer 4 Pressekodex und Rl. 4.1, Ziffer 13 S. 4 Pressekodex. 286 Vgl. z. B. Ziffer 2 S. 5 Pressekodex, Ziffer 3 Pressekodex samt Richtlinien, Rl. 4.3, Rl. 8.4, Rl. 8.8, Ziffer 12 Pressekodex und Rl. 12.1, Ziffer 13 S. 1, 2 Pressekodex; Stürner, AfP 2002, 285. 287 Siehe Teil 6 A.

21*

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

dient.288 Das gilt insbesondere in repressiver Hinsicht, da darauf wegen der entsprechenden Ausrichtung des Beschwerdeverfahrens der Schwerpunkt liegt. Doch tragen Pressekodex und Richtlinien auch zur Prävention bei. Denn soweit sie hinreichend konkretisiert sind, können sie den Presseschaffenden Orientierung bieten und wirken sie daher zugleich prophylaktisch. Allerdings ist der präventive Effekt aufgrund des mangelnden Bekanntheitsgrades des Pressekodex289 bisher noch begrenzt, auch wenn der Deutsche Presserat das Problem inzwischen erkannt und seine Bemühungen in diesem Bereich verstärkt hat. So wurde eine Broschüre über ,Regeln für guten Journalismus‘ „als praktische Hilfestellung für die tägliche Arbeit von Journalistinnen und Journalisten“ herausgegeben, in denen sich die Publizistischen Grundsätze und Richtlinien samt Fallbeispielen finden.290 Der Persönlichkeitsschutz durch Pressekodex und Richtlinien erscheint damit zumindest theoretisch ausreichend gewährleistet. Ob dies auch in praxi der Fall ist, kann nur eine Analyse der Spruchpraxis und der Effektivität des Verfahrens ergeben, welche in den folgenden Abschnitten durchgeführt wird.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage I. Einleitung zur empirischen Untersuchung 1. Zweck der Analyse und Fragestellung Der vorstehende Abschnitt hat gezeigt, daß vielen im Pressekodex und den Richtlinien niedergelegten Prinzipien persönlichkeitsschützende Wirkung zukommt und daß das Schutzniveau weitgehend den rechtlichen Standards entspricht oder sogar über sie hinausreicht. Zu klären bleibt damit noch, inwieweit die Presseselbstkontrolle auch praktisch einen effektiven Schutz gewährleistet. Denn nur dann kann die Frage, welche die Untersuchung veranlaßt hat, nämlich ob freiwillige Selbstkontrolle in präventiver und repressiver Hinsicht den rechtlichen Persönlichkeitsschutz zu ergänzen oder sogar zu ersetzen vermag, positiv beantwortet werden. Konkret müssen zur Klärung dieses Problems Antworten zu folgenden Fragen gefunden werden:  Existieren „kodifizierte“ Beurteilungsmaßstäbe, und wenn ja, hat man sie im Beschwerdeverfahren adäquat umgesetzt?  Falls bzw. soweit „kodifizierte“ ethische Grundsätze fehlen, wurden in der Spruchpraxis ungeschriebene Maßstäbe entwickelt? 288 289 290

Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 256, 258. Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 178. Deutscher Presserat, Regeln für guten Journalismus, 2002, S. 5.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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 Hat sich eine konsequente Spruchpraxis etabliert oder sind Diskontinuitäten ersichtlich?  Inwieweit stimmen die ethischen Kriterien mit den rechtlichen Vorgaben überein?

Ziel der Untersuchung kann es dabei nur sein, diese Fragen in einer überblicksartigen Darstellung der Spruchpraxis zu beantworten. Es geht also um eine Herausarbeitung der Grundstrukturen, nicht um die Analyse einzelner Fälle. Letzteres scheitert schon daran, daß der Deutsche Presserat die Sachverhalte in den Veröffentlichungen sehr knapp darstellt, so daß eine adäquate rechtliche Bewertung versagt bleibt.291 Doch ermöglicht die repressive Ausrichtung des Beschwerdeverfahrens zumindest eine umfassende Analyse der nachträglichen Beurteilung von persönlichkeitsbeeinträchtigenden Publikationen durch die Presseselbstkontrolle – auch im Vergleich mit der Rechtslage.292 Inwieweit der behauptete präventive Schutz des Persönlichkeitsrechts293 durch Beeinflussung künftiger Veröffentlichungen der Realität entspricht, vermag hingegen nur eingeschränkt beantwortet zu werden, da auf statistische Untersuchungen verzichtet wird.294 Die Präventivfunktion spielt deswegen lediglich insofern eine Rolle, als man eine derartige Wirkung nur annehmen kann, wenn sich die Spruchpraxis durch Kontinuität und Einheitlichkeit auszeichnet und mit Hilfe von feststehenden Leitlinien und Fallgruppen Orientierung bietet. 2. Forschungsstand Die eben angesprochenen Fragen und Probleme haben in den bisherigen Untersuchungen zum Deutschen Presserat meist bloß am Rande eine Rolle gespielt. Die Schwerpunkte lagen eher auf anderen Gebieten wie dem der geschichtlichen Entwicklung.295 Daher finden sich nur selten ausführliche Analysen der Spruchpraxis gekoppelt mit einem Vergleich mit den rechtlichen Vorgaben: Die Arbeit von Minzberg beschäftigt sich mit den Themen Vorverurteilungen, Berichterstattung über Verstorbene, Verletzungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und mit dem Schutz vor Indiskretionen.296 Allein Fragen der Vorverurteilung, insbesondere Ziffer 13 Pressekodex und Rl. 13.1, werden von C.-H. Soehring behandelt.297 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 227. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 205 f. 293 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1994, S. 256; siehe auch Teil 6 A. 294 Siehe Teil 6 A. 295 Vgl. u. a. v. Mauchenheim, in: Studienkreis für Presserecht und Pressefreiheit (Hrsg.), FS Löffler, 1980, S. 253 ff.; Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991; Gilles, Der Deutsche Presserat und seine Bewertung durch deutsche Illustriertenjournalisten, 1989; Eisermann, Selbstkontrolle in den Medien: Der Deutsche Presserat und seine Möglichkeiten, 1993. 296 Minzberg, BILD-Zeitung und Persönlichkeitsschutz, 1999, S. 95 ff. 297 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 142 ff. 291 292

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Münch untersucht den Schutz der Privatsphäre in der Spruchpraxis des Deutschen Presserats.298 Kürzere Darstellungen zur Spruchpraxis finden sich unter anderem bei Hauss,299 Wiedemann,300 Tillmanns301 und Stürner302. Dem mit Hilfe dieser Aufzählung aufgezeigten Mangel an fundierten Untersuchungen der Spruchpraxis, insbesondere im Bereich des Ehrenschutzes, soll in den nachstehenden Erörterungen zumindest teilweise abgeholfen werden.

3. Vorgehensweise und Materialien Die Analyse der Spruchpraxis der Presseselbstkontrolle wird im folgenden anhand der in den Jahrbüchern publizierten Beschwerdefälle durchgeführt. Diese unterliegen zwar einer inhaltlichen Vorselektion,303 so daß es Diskrepanzen zwischen der Fallrealität und den veröffentlichten Entscheidungen geben mag.304 Doch ist die Orientierung an den publizierten Fallstudien dennoch legitim, da sich die Berufsethik vornehmlich anhand des veröffentlichten und damit den Presseschaffenden zugänglichen Materials entwickelt.305 Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei, wie oben schon angesprochen wurde,306 darauf, Grundstrukturen herauszuarbeiten, die auch bei der Bearbeitung späterer Beschwerdefälle Orientierung bieten können, diese zu bewerten und mit den rechtlichen Vorgaben zu vergleichen.307 Allerdings waren bezüglich des Umfangs der Analyse Einschränkungen zu machen, da die Untersuchung sämtlicher persönlichkeitsrelevanter Fälle über mehrere Jahre hinweg den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte. Statt dessen wurde der Schwerpunkt auf den Ehrenschutz gelegt und es wurden die zu Ziffer 9 Pressekodex behandelten Fälle über einen Zeitraum von 5 Jahren untersucht.308 Denn zum einen erschien es sinnvoller, eine längere Zeitspanne zu analysieren, anstatt 298 299 300 301 302 303 304 305

Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 205 ff. Hauss, AfP 1980, 180 ff. Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 188 ff. Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 277 ff. Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 110 ff. C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 147. Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 110. Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 110; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003,

S. 86. Siehe Teil 6 C I 1. Siehe Teil 6 C I 1. 308 Es handelt sich dabei um die in den Jahrbüchern 1997, 1998, 2000, 2001 und 2002 sowie die im Jahr 2002 behandelten, aber nicht veröffentlichten Beschwerden. Die Spruchpraxis des Jahres 2002, die im Jahrbuch 2003 veröffentlicht ist, wurde nur noch teilweise berücksichtigt, vgl. die Übersicht in Anhang II. Nicht Gegenstand der Analyse sind Fälle, die sich zwar inhaltlich mit Ehrverletzungen beschäftigen, bei denen aber Ziffer 9 Pressekodex nicht angesprochen wird, z. B. B 92 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 113. 306 307

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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die Spruchpraxis eines Jahres – sozusagen als „Momentaufnahme“ – bezüglich aller persönlichkeitsrelevanten Ziffern zu prüfen. Nur auf diese Weise läßt sich nämlich feststellen, inwieweit – zumindest bei Ziffer 9 Pressekodex – feste Argumentationsstrukturen entwickelt wurden. Zum anderen ist die Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex ein besonders geeignetes Analyseobjekt: Gerade für den Ehrenschutz fehlt es bisher an einer umfassenden wissenschaftlichen Aufbereitung der Presseratstätigkeit.309 Zudem existieren zu dieser Ziffer keine Richtlinien und damit keine kodifizierten Orientierungshilfen für die Entscheidungsfindung, so daß insoweit allein die (eventuell) in der Spruchpraxis entwickelten Maßstäbe herangezogen werden können.

II. Analyse der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex und Abgleich mit der Rechtslage Die Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex wird nun im folgenden über einen Zeitraum von 5 Jahren einer umfassenden Analyse unterzogen und mit den rechtlichen Vorgaben verglichen. Der Aufbau orientiert sich dabei an einem möglichen Prüfungsschema, das sich im Laufe der Arbeit herauskristallisiert hat: Nach der Prüfung, wer Betroffener im Sinne der Ziffer 9 Pressekodex sein kann, werden die Maßstäbe herausgearbeitet, die zur Beantwortung der Frage, ob eine Ehrverletzung vorliegt, heranzuziehen sind. Anschließend werden Probleme bezüglich der Kundgabe und Zurechnung von Ehrverletzungen sowie das Konkurrenzverhältnis zu anderen Kodexziffern untersucht. Der Vergleich mit den rechtlichen Vorgaben schließt sich jeweils an die einzelnen Abschnitte an. Hinzuweisen ist noch darauf, daß nicht in allen Fällen, die als Belege zitiert werden, eine Ehrverletzung bejaht wurde. Doch hat der Deutsche Presserat bzw. der allgemeine Beschwerdeausschuß310 eine Verletzung von Ziffer 9 Pressekodex an den einschlägigen Stellen zumindest nie aus dem Grund abgelehnt, für den der zitierte Fall als Beleg dienen soll.

1. Der Kreis der Betroffenen a) Die Ehrverletzung von Individuen311 Nach der Spruchpraxis des Deutschen Presserats und seines Beschwerdeausschusses erfaßt der Kreis der Individuen, die von einer Ehrverletzung betroffen Siehe Teil 6 C I 2. Der Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz war im Untersuchungszeitraum noch nicht tätig bzw. hat nach Aufnahme seiner Arbeit im Jahr 2002 (noch) keine Beschwerden behandelt, die Ziffer 9 Pressekodex betreffen. 311 Der postmortale Persönlichkeitsschutz wird aus der Untersuchung ausgeklammert, siehe Teil 2 A; vgl. dazu aus der Spruchpraxis B 145 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 273 f. und B 169 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 228. 309 310

328

Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

sein können, nicht nur prominente Persönlichkeiten,312 sondern auch Menschen mit lokalem Bekanntheitsgrad313 und ganz „normale“ Bürger314. Sie sind regelmäßig zumindest für einen Teil der Zeitungs- und Zeitschriftenleser durch Namensnennung,315 Bildveröffentlichungen316 oder aus dem Gesamtkontext der Publikation317 identifizierbar. Noch nicht beantwortet ist damit aber die Frage, ob der Deutsche Presserat und sein Beschwerdeausschuß stets fordern, daß die Betroffenen erkennbar sein müssen. Die Spruchpraxis ist insofern nicht einheitlich. Teilweise wurde trotz fehlender Identifizierbarkeit eine Verletzung der Ziffer 9 Pressekodex geprüft,318 teilweise mangels Erkennbarkeit eine Kodexverletzung verneint.319 Vorzugswürdig ist es allerdings, die Identifizierbarkeit der Betroffenen zu verlangen. Denn wenn negative Aussagen über eine Person nicht zugeordnet werden können, ist eine Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts nicht möglich. Auch die Existenz von Ziffer 8 Pressekodex und den dazugehörenden Richtlinien spricht nicht gegen diese Ansicht. Der Schutz vor identifizierender Berichterstattung ist zwar schwerpunktmäßig dort verankert, allerdings in erster Linie bezüglich Namensnennung und Abbildungen.320 Zudem untersagen Ziffer 8 Pressekodex und die dazu erlassenen Richtlinien es nicht, die Identifizierbarkeit bei anderen presseethischen Grundsätzen ebenfalls zur Voraussetzung zu machen. Daher sollte man Ziffer 9 Pressekodex nur für einschlägig erachten, wenn der Betroffene zumindest erkennbar ist – eine Ansicht, die auch von jüngeren Tendenzen in der Spruchpraxis gestützt wird.321 312 B 98 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 305 f. (Alt-Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl); B 6 / 01 n.v. (Theologe Dr. Eugen Drewermann). 313 Z. B. B 114 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 210 (Gemeinderatsabgeordneter); B 54 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 328 f. (Intendant eines Stadttheaters). 314 U.a. B 77 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 133 f. (Schuldirektor); B 70 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 193 (Finanzberater); B 177 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 58 f. (Kindergartenleiterin). 315 Vgl. u. a. B 70 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 316; B 74 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 138 f.; B 73 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 267 f.; B 177 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 58 f. 316 B 147 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 112 f. 317 B 9 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 130. Zwar betraf die Frage der Identifizierbarkeit mit Hilfe des Kontexts in diesem Fall nicht die beanstandete Äußerung des Beschwerdegegners, sondern eine Behauptung des Beschwerdeführers, die zum Auslöser der im Beschwerdeverfahren behandelten Aussage wurde. Doch sind für Äußerungen von Beschwerdeführer und Beschwerdegegner die gleichen Maßstäbe anzuwenden, so daß der Fall auch hier als Beleg dienen kann. 318 B 156 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 179 f. Allerdings ist die Einschätzung des Beschwerdeausschusses hinsichtlich der fehlenden Erkennbarkeit im konkreten Fall zweifelhaft. 319 B 29 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 208 f. 320 Vgl. zur Lückenhaftigkeit des Anonymitätsschutzes auch Münch, AfP 2002, 19.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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Vergleicht man diese presseethischen Anforderungen mit den rechtlichen Vorgaben, zeigt sich eine weitgehende Übereinstimmung: Auch rechtlich kann jeder Ehrträger sein, unabhängig von Bekanntheitsgrad, Alter, intellektuellen Fähigkeiten etc.322 Einer Namensnennung bedarf es nicht. Doch muß der Betroffene im jeweiligen Einzelfall aus dem Kontext, z. B. mittels Bildern, Berufsangaben usw., identifizierbar sein.323 Denn derjenige, der in der Medienberichterstattung nicht erkennbar ist, mag zwar von ihr gemeint, kann aber nicht von ihr betroffen sein und daher keine Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzung geltend machen.324

b) Die Ehrverletzung von Vereinigungen und Personengesamtheiten Die Spruchpraxis zeigt, daß sich auch Vereinigungen und Personengesamtheiten auf Ziffer 9 Pressekodex berufen können. Dies wurde z. B. angenommen für einen Verein,325 eine Bürgerinitiative,326 eine Versicherungsgesellschaft327 und eine parteipolitische Gruppierung bzw. deren Landesverband328. Auch zahlenmäßig schwer eingrenzbare Gruppen wie die „Alten“ (Rentner),329 die Engländer330 und die Freunde des rheinischen Karnevals331 scheinen als solche in ihrer Ehre verletzt werden zu können.332 Die Ehrträgereigenschaft ist also in presseethischer Hinsicht an keinerlei eingrenzende Voraussetzungen geknüpft. Der Deutsche Presserat und sein Beschwerdeausschuß problematisieren das Problem der Ehrträgereigenschaft nicht einmal, sondern prüfen ausschließlich die Frage der Ehrverletzung. 321 B 42 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 224 f.; vgl. auch B 123 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 301 ff.; B 238 / 239 / 02, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 165 f. sowie die Pressemitteilung des Deutschen Presserats vom 4. April 2003 unter http: // www.presserat.de / site / doku / presse / mitteil2003.shtml (Stand: 5. Februar 2004). 322 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 19. 323 BGH NJW 1963, 904 (904); BGH NJW 1971, 698 (699 f.); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 285. 324 Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 142; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 13.34. 325 B 16 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 303 f.; vgl. zu dem Fall auch Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 113 f. 326 B 112 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 157. 327 B 63 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 212. 328 B 161 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 142. 329 B 68 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 263. 330 B 186 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 78. 331 B 39 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 138 f. 332 Aus den publizierten Sachverhalten und Entscheidungen geht nicht eindeutig hervor, ob eine Ehrverletzung der Gruppen als solche oder der ihnen zugehörigen Mitglieder geprüft wurde. Beide Interpretationsmöglichkeiten kommen nach dem in den Jahrbüchern veröffentlichten Material in Betracht und werden folglich angesprochen.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Dagegen hält man im Zivilrecht in Anlehnung an das Strafrecht333 (teil-)rechtsfähige Verbände und sonstige Personengesamtheiten nur für beleidigungsfähig, wenn sie eine anerkannte gesellschaftliche Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können.334 Rechtlich wird also erst unter strengeren Voraussetzungen eine Ehrverletzung für möglich gehalten, d. h. im Bereich der Presseethik reicht der Schutz weiter. Dennoch ist die weite Auslegung, wie sie in der Spruchpraxis erfolgt, abzulehnen. Denn sie führt zu einer übermäßigen Ausdehnung der presseethischen Verantwortlichkeit und damit zur Gefahr einer zu starken Einschränkung der Berichterstattungsfreiheit über bestimmte gesellschaftliche oder berufliche Gruppierungen.335 Der Deutsche Presserat und sein Beschwerdeausschuß sollten sich daher entweder an die Rechtsprechung anlehnen oder anderweitig entwickelten eingrenzenden Lösungsvorschlägen336 folgen bzw. eigene Kriterien ausarbeiten.

c) Die Ehrverletzung unter einer Kollektivbezeichnung Schließlich wird in der Spruchpraxis noch eine dritte Möglichkeit der Betroffenheit durch ehrverletzende Äußerungen anerkannt: Eine Betroffenheit wird ebenfalls angenommen, wenn eine Vereinigung oder Gruppe bezeichnet wird, der Angriff sich aber nicht (nur) gegen diese richtet, sondern gegen sämtliche Angehörige der Vereinigung oder Gruppe.337 Die Größe des Kollektivs spielt dabei keine Rolle. Sie reicht von den Mitarbeitern eines Vereins338 bis zu schwer eingrenzbaren Gruppen wie den Engländern339. Auch rechtlich ist anerkannt, daß Ehrverletzungen unter einer Kollektivbezeichnung möglich sind, also insbesondere dann, wenn der Täter nur einen Personenkreis bezeichnet und damit jeden einzelnen, der dem genannten Kreis angehört, in 333 BGHSt 6, 186 (191); BGHSt 36, 83 (88); Maurach / Schroeder / Maiwald, Strafrecht BT, Tb. 1, 9. Aufl. 2003, § 24 Rn. 17 ff. 334 Siehe Teil 6 B II 8 b); vgl. auch BGH NJW 1980, 2807 (2808). 335 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 13.22. 336 Vgl. z. B. den Vorschlag von Arzt, JZ 1989, 647, der als Faustregel aufstellt, „daß ein Kollektiv nur beleidigt werden kann, wenn sich zwar nicht alle, aber doch eine Mehrzahl der Mitglieder untereinander kennen.“ 337 Z. B. B 152 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 117; B 161 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 142. Die Konstellation, daß der Verletzer nur einzelne aus einem Kollektiv meint, aber offen läßt, gegen wen genau sich seine Aussage richtet, so daß jeder einzelne betroffen sein kann, ist im Untersuchungszeitraum nicht vorgekommen. Auch dabei handelt es sich um eine Form der Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung, vgl. BGHSt 14, 48 (49 f.); Wessels / Hettinger, Strafrecht BT / 1, 27. Aufl. 2003, Rn. 475. Da die Spruchpraxis hinsichtlich der Beleidigungsfähigkeit eine sehr extensive Interpretation vornimmt, wird allerdings wohl auch dieser Fall als ein Fall der Ziffer 9 Pressekodex anerkannt werden. 338 B 60 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 330. 339 B 186 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 78.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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seiner Ehre verletzt.340 Dies setzt unter anderem voraus, daß die bezeichnete Personengruppe aufgrund bestimmter Merkmale so deutlich aus der Allgemeinheit hervortritt, daß der Kreis der Betroffenen klar abgegrenzt ist.341 Um eine Ausuferung der Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung zu verhindern, wird ferner gefordert, daß das Unwerturteil mit einem Kriterium verbunden ist, das eindeutig allen Betroffenen zugeordnet werden kann, z. B. weil es „ein äußeres Verhalten und ein objektives Eingebundensein in das angefochtene Kollektiv beschreibt“.342 Das Kriterium der zahlenmäßigen Überschaubarkeit wird zur Eingrenzung der Kollektivbeleidigung hingegen nur als bedingt geeignet erachtet.343 Die rechtlichen Anforderungen an eine Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung erweisen sich damit als höher als die der Presseselbstkontrolle. Wie bei dem Problem der Ehrverletzung von Vereinigungen und Personengesamtheiten schießt die Spruchpraxis des Deutschen Presserats aber auch hier über das Ziel hinaus. Denn die Kritik an Kollektiverscheinungen stellt in der Regel ein Durchschnittsurteil dar, bei dem die individuelle Ausnahme wenigstens konkludent miterklärt wird.344 Daher kann mangels erkennbaren Bezugs auf eine konkrete Person bei unüberschaubar großen Gruppen eine herabsetzende Äußerung nicht als Ehrangriff auf jedes Mitglied gedeutet werden.345 Die Medien werden damit unvertretbaren Risiken ausgesetzt346 und der Presserat bzw. seine Gremien sind gezwungen, wenigstens über die Auslegung der Äußerungen die weite presseethische Haftung einzugrenzen.347 Daher sollte man auch hier die Spruchpraxis restriktiver handhaben.

d) Zusammenfassung zu Punkt 1. Der Kreis der Personen und Vereinigungen bzw. Personengesamtheiten, die eine Ehrverletzung geltend machen können, wird von der Spruchpraxis insgesamt weiter gezogen als in der Rechtsprechung. Soweit es um die Ehrverletzung von Individuen geht, stimmen ethische und rechtliche Vorgaben zwar überein. Im übrigen 340 BVerfGE 93, 266 (299 ff.); BGHSt 11, 207 (208); BGHZ 75, 160 (161 ff.); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 237. 341 BGHSt 11, 207 (208). 342 BGHSt 36, 83 (86 f.); BVerfGE 93, 266 (300 f.); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 146; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 237. 343 BGHSt 36, 83 (86 f.). 344 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 23 f. 345 Arzt, JZ 1989, 647. 346 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 13.23. 347 Vgl. B 64 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 172 f. In diesem Fall hat der Presserat argumentiert, daß eine pauschale Verunglimpfung aller Anwesenden einer Versammlung als Neonazis nicht vorliege, da die Gesamteinschätzung des Publikums als rechtslastig zulässig gewesen sei und sie zudem nicht zwingend besage, daß alle Anwesenden dem rechten Spektrum zuzuordnen seien (Hervorhebung durch die Verfasserin).

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

geht der Ehrenschutz im presseethischen Bereich aber weiter, da weder für die Beleidigungsfähigkeit von Vereinigungen bzw. Personengesamtheiten noch für die Ehrverletzung unter einer Kollektivbezeichnung einschränkende Voraussetzungen existieren, obwohl dies insbesondere aufgrund der momentan bestehenden übermäßigen Ausdehnung der presseethischen Haftung geboten wäre.

2. Maßstäbe bzw. Beurteilungskriterien für eine Ehrverletzung nach Ziffer 9 Pressekodex a) Die Bedeutung der Auslegung Um den Sinn einer Äußerung zu ermitteln348 und um festzustellen, ob es sich um eine ehrverletzende Aussage handelt,349 ist es nicht nur rechtlich, sondern auch im Rahmen von Ziffer 9 Pressekodex erforderlich, eine Auslegung vorzunehmen.

aa) Die Auslegungsperspektive Die Auslegung von beanstandeten Publikationen erfolgt in der Spruchpraxis nicht aus der Perspektive der Verfasser, sondern aus Sicht der Konsumenten, also der Leser.350 Dabei kommt es für die Deutung der Äußerung und die Frage, ob die Publikation als Ehrverletzung gewertet werden muß, auf den Adressatenkreis der jeweiligen Zeitung bzw. Zeitschrift an.351 Z. B. muß berücksichtigt werden, ob in den angesprochenen Kreisen ein „schärferer Ton“ herrscht.352 348 Beispiele für eine Interpretation finden sich u. a. in B 58 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 125 und B 112 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 157. 349 An einer herabsetzenden Aussage und damit an einem Verstoß gegen Ziffer 9 Pressekodex fehlt es z. B. in B 152 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 117 und B 76 / 01 n.v. 350 B 74 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 62; B 97 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 91. 351 B 9 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 130. Zwar betraf die Auslegung hier nicht die beanstandete Äußerung des Beschwerdegegners, sondern eine Behauptung des Beschwerdeführers, die zum Auslöser der im Beschwerdeverfahren behandelten Aussage wurde. Doch sind für die Interpretation von Äußerungen von Beschwerdeführer und Beschwerdegegner die gleichen Maßstäbe anzuwenden, so daß der Fall hier ebenfalls als Beleg dienen kann. 352 Dieses Argument wurde in den bisherigen Entscheidungsgründen zwar kaum aufgegriffen, vgl. z. B. B 119 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 104 f.; B 186 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 78. Doch zumindest einmal findet sich die Aussage, daß, auch wenn den Adressaten der Publikation ein schärferer Ton der öffentlichen Auseinandersetzung vertraut sei, die Redaktion die Grenze der Schmähkritik überschritten habe, B 70 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 193. Es wurde also im konkreten Fall eine Verletzung von Ziffer 9 Pressekodex bejaht, zugleich aber betont, daß der Beurteilungsmaßstab Modifikationen unterliegen kann.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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Bei der rechtlichen Bewertung, ob eine ehrverletzende Aussage vorliegt, kommt es ebenfalls nicht auf das Verständnis des Kommunikators und des Betroffenen an, sondern auf dasjenige eines unparteiischen und verständigen Publikums.353 Der Interpretationsmaßstab muß dabei gleichfalls in Abhängigkeit vom angesprochenen Adressatenkreis modifiziert werden. Das gilt nicht nur für die Frage, welcher Sinn einer Äußerung beizumessen ist, sondern auch für das Problem, inwieweit der Aussagegehalt als ehrverletzend zu verstehen ist.354 Ethische und rechtliche Kriterien stimmen damit hinsichtlich der Auslegungsperspektive überein. Bedenken gegen diese Interpretationsperspektive sind nicht ersichtlich. Denn wenn das maßgebliche Moment einer Äußerung in ihren geistigen Wirkungen auf den demokratischen Meinungsbildungsprozeß besteht, dann folgt daraus zwingend, daß bei der Interpretation der Aussage der Adresssatenbezug nicht ignoriert werden kann.355

bb) Interpretationskriterien Der Deutsche Presserat bzw. der Beschwerdeausschuß orientiert sich bei der Auslegung am Wortlaut der Äußerungen356 und am Kontext, in dem die Aussagen stehen, sowie an den Umständen, die die Publikation begleiten.357 Insbesondere bei Titelzeilen 358 und Bildunterschriften359 wird betont, daß sie nicht losgelöst vom Kontext betrachtet werden dürfen. Auch rechtlich bildet der Wortlaut den Ausgangspunkt für die Interpretation. Dessen isolierte Auslegung reicht aber regelmäßig nicht aus. Vielmehr sind zusätzlich der sprachliche Kontext und die für den Rezipienten erkennbaren und dem Kommunikator zurechenbaren Begleitumstände zu berücksichtigen.360 Das gilt auch hier insbesondere für Überschriften, Zwischenüberschriften und Bildunterschriften.361 353 BVerfGE 93, 266 (295); BGHZ 128, 1 (6); BGHZ 139, 95 (102); siehe bereits Teil 3 D II 1 a) aa). 354 BVerfGE 43, 130 (140); BGH NJW 1971, 1655 (1656); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 66; Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 90, 188. 355 Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 74. 356 B 74 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 62; B 97 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 123 f. 357 B 90 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 115 f.; B 93 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 132 f. 358 B 35 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 307 ff. 359 B 44 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 147 f. 360 BVerfGE 93, 266 (295); BGHZ 132, 13 (20); vgl. schon Teil 3 D II 1 a) aa). 361 KG NJW-RR 1999, 1547 (1548); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 330.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Insoweit sind also ebenfalls keine Unterschiede zwischen den rechtlichen und ethischen Vorgaben ersichtlich.

cc) Das Problem der mehrdeutigen Aussagen Im Falle objektiv mehrdeutiger Aussagen ist in der Spruchpraxis die Tendenz zu beobachten, die Aussagen so zu interpretieren, daß sie keine ehrverletzende Bedeutung aufweisen. Wenn also mehrere Auslegungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, bemüht sich der Deutsche Presserat bzw. sein Beschwerdeausschuß regelmäßig, diejenige Auslegung zu wählen, die nicht zu einem Verstoß gegen Ziffer 9 Pressekodex führt. Das gilt nicht nur für einzelne Wörter,362 sondern auch für vollständige Aussagen.363 So wurde z. B. die Bezeichnung eines Politikers als „Harald Juhnke der Kommunalpolitik“ nicht als ehrenrührig angesehen, da es immerhin möglich sei, verschiedene Wesenszüge des Schauspielers – ob positiv oder negativ besetzte Eigenschaften – zu benennen.364 Mit den rechtlichen Vorgaben besteht insoweit weitgehend Übereinstimmung. Auch auf rechtlicher Ebene darf man bei objektiv mehrdeutigen Äußerungen die für den Äußernden ungünstigere Auslegung nur wählen, wenn zuvor andere Deutungen mit überzeugenden, tragfähigen bzw. nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen wurden.365 Allerdings trifft die bereits zur Rechtslage geäußerte Kritik in gleicher Weise auf die Spruchpraxis zu: Der Presserat bzw. der allgemeine Beschwerdeausschuß greift ebenfalls häufig auf Deutungen zurück, die ein objektiver Leser nicht mehr ernsthaft in Betracht ziehen würde.366 Hier ist wie in der Rechtsprechung eine Wende weg von der verletzterfreundlichsten zur tatsächlichen und nicht nur behaupteten objektiven Auslegung geboten.

362 B 72 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 171; B 152 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 117. 363 Z. B. B 64 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 172 f.; B 30 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 189; B 64 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 192. 364 B 70 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 316. 365 Siehe dazu Teil 3 D II 1 a) aa) und b). 366 Siehe z. B. B 94 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 195 f.; B 70 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 316. Ein Gegenbeispiel findet sich in B 97 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 91. In dieser Entscheidung wurde die zur „Verurteilung“ führende Deutung gewählt. Allerdings ging man dabei in den Entscheidungsgründen davon aus, daß das Auslegungsergebnis „eindeutig“ war.

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dd) Fazit zu Punkt a) Soweit es um die Auslegung von angeblich ehrverletzenden Äußerungen geht, stimmen die in der Spruchpraxis entwickelten presseethischen Grundsätze und die rechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Auslegungsperspektive, der Deutungskriterien und der Interpretation objektiv mehrdeutiger Äußerungen überein. Bezüglich des letztgenannten Punktes sollte aber sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Spruchpraxis eine weniger verletzerfreundliche Haltung eingenommen werden.

b) Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen aa) Grundlagen der Abgrenzung (a) Spruchpraxis In der Spruchpraxis des Deutschen Presserats und seines Beschwerdeausschusses wird im Rahmen von Ziffer 9 Pressekodex grundsätzlich zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen differenziert und die Zulässigkeit bei beiden nach je eigenen Kriterien geprüft.367 Doch bevor auf diese Kriterien eingegangen werden kann, ist zunächst zu untersuchen, wie die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen erfolgt. Eine Analyse der Entscheidungen zeigt, daß es sich um Tatsachen handelt, wenn eine Behauptung dem Beweis zugänglich ist. Zwar wird nie ausdrücklich gesagt, daß von einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist, weil die Aussage bewiesen werden kann, doch prüft der Deutsche Presserat bzw. Beschwerdeausschuß bei Tatsachenbehauptungen, ob die Äußerung beweisbar respektive bewiesen ist.368 Bei Beurteilungen,369 Wertungen,370 Stellungnahmen371 oder Einschätzungen372 handelt es sich hingegen regelmäßig um Meinungsäußerungen. Soweit der Deutsche Presserat bzw. der allgemeine Beschwerdeausschuß auf die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen eingeht und nicht ohne jegliche 367 Z. B. B 49 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 216 f.; B 72 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 171; B 42 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 224 f. 368 B 96 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 319 f.; B 49 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 216 f.; B 74 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 138 f.; B 130 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 92. 369 B 145 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 273 f. 370 B 75 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 341. 371 B 42 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 224 f. 372 B 119 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 104 f.; B 30 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 189.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Begründung eine Meinungsäußerung annimmt,373 sieht er es für Werturteile als charakteristisch an, daß eine Schilderung der Sachlage aus persönlicher Sicht erfolgt,374 Vergleiche durchgeführt werden,375 ein Ausspruch, Sachverhalt oder Ähnliches kommentiert376 oder an Personen, Ereignissen etc. Kritik geübt wird377. Auch Anführungszeichen können eine Meinungsäußerung indizieren.378 Insgesamt läßt die Analyse der Spruchpraxis auf eine weite Auslegung des Meinungsbegriffs schließen. Der Wertung wird teilweise sogar ein zu großer Raum zu Lasten der Tatsachenbehauptungen eingeräumt.379 Beispielsweise hat der Deutsche Pressrat bzw. Beschwerdeausschuß die in einem Kommentar enthaltene Bezeichnung Manfred Stolpes als „Stasi-Stolpe“ als von der Meinungsfreiheit gedeckt angesehen,380 wohingegen der Bundesgerichtshof urteilte, daß in einer vergleichbaren Behauptung ein auf die inhaltliche Wahrheit überprüfbarer Tatsachenkern enthalten sei381.382 Die Einordnung einer Äußerung als Tatsache oder Werturteil findet in der Spruchpraxis allerdings nicht in jedem Fall statt. Teilweise wird lediglich mit einer mehr383 oder weniger384 langen Begründung eine Verletzung von Ziffer 9 Presse373 So z. B. in B 25 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 120 f.; B 56 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 120 f. 374 B 114 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 210. 375 B 18 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 218 f.; B 81 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 316 f. 376 B 154 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 255 f.; B 72 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 163 f.; B 30 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 249. 377 B 39 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 138 f.; B 3 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 167 f.; B 126 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 88 f.; B 191 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 149 f. 378 B 46 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 170. 379 So auch Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 112, 119. 380 B 49 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 290 f. Eine Berufung auf die Meinungsfreiheit erfolgt in der Spruchpraxis nur bei Meinungsäußerungen, vgl. u. a. B 166 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 59 f.; B 9 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 130; B 112 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 157; B 90 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 174 ff.; B 25 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 120 f.; B 42 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 224 f.; B 134 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 244 f.; B 190 / 00 n.v.; B 229 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 196; B 56 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 120 f. 381 BGHZ 139, 95 (103). 382 Auch in anderen Fällen scheint der Presserat von Werturteilen auszugehen, obwohl die Behauptungen dem Beweis zugänglich sind bzw. obwohl Schlußfolgerungen anhand von Tatsachen überprüfbar sind, so daß sie selbst als Tatsachenbehauptungen gelten können; zu letzterem vgl. Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 467; siehe z. B. B 90 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 115 f.; B 141 / 01 n.v. 383 Vgl. u. a. B 16 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 141 f.; B 73 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 267 f.; B 26 / 01 n.v. Teilweise wird allerdings aus dem Kontext deutlich, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung handelt, z. B. B 111 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahr-

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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kodex angenommen oder abgelehnt, ohne explizit auf die Differenzierung einzugehen. Auch terminologische Unsauberkeiten sind zu beobachten.385 Insbesondere beim Wort „Einschätzung“ stellt sich zuweilen die Frage, ob der Presserat sich nicht mit der Einordnung der betroffenen Äußerungen als Werturteil geirrt hat oder ob er die Aussagen doch zutreffenderweise als Tatsachenbehauptungen eingestuft hat, dennoch aber von „Einschätzung“ spricht.386 (b) Rechtliche Prinzipien Die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen erfolgt im Verfassungsrecht und einfachen Recht nach den gleichen Grundsätzen.387 Meinungen sind durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens, des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung geprägt.388 Erfaßt werden damit unter anderem Bewertungen, Einschätzungen, Ansichten und Überzeugungen.389 Auf den Wert der Aussage, ihre Richtigkeit oder Vernünftigkeit kommt es nicht an.390 Bei Tatsachenbehauptungen steht hingegen die objektive Beziehung zwischen der Aussage und der Realität im Vordergrund. Sie sind anders als Meinungsäußerungen daher dem Beweis zugänglich.391 Die Abgrenzung richtet sich maßgeblich nach dem Kriterium der Beweisbarkeit. (c) Zusammenfassung und Bewertung Vergleicht man die Spruchpraxis mit der Rechtsprechung, fällt auf, daß in beiden Bereichen prinzipiell zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen unterschieden wird. Als Ausgangspunkt für die Differenzierung dient dabei jeweils das Kriterium der Beweisbarkeit. Allerdings wird der Meinungsbegriff in der buch 1997, S. 192 f. (Meinungsäußerung); B 157 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 116 (Tatsachenbehauptung). 384 Z. B. B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197; B 129 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 173 f. 385 Nach BVerfGE 90, 241 (247) und BGH NJW 1982, 2246 (2247) sind Tatsachenbehauptungen entweder als wahr oder unwahr, Meinungsäußerungen hingegen als richtig oder falsch zu qualifizieren. In B 42 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 224 f. wird der Terminus „falsch“ aber auch im Zusammenhang mit Tatsachenbehauptungen verwendet. 386 Vgl. u. a. B 90 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 115 f.; B 90 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 174 ff.; B 52 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 122 f.; B 54 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 328 f. 387 Vgl. Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 73. 388 BVerfGE 61, 1 (8); Grimm, NJW 1995, 1968. 389 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 14.8. 390 BVerfGE 61, 1 (8); BGH NJW 1994, 124 (126); vgl. zum Ganzen auch Teil 3 B I 1 b) aa). 391 BVerfGE 90, 241 (247); BGHZ 132, 12 (21). 22 Schwetzler

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Spruchpraxis noch extensiver als in der Rechtsprechung ausgelegt. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß bei der rechtlichen Würdigung anders als bei Entscheidungen des Presserats bzw. seines Beschwerdeausschusses stets eine Einordnung als Tatsache oder Werturteil verlangt wird. Denn der Schutz des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG reicht bei Tatsachen weniger weit; zudem divergieren Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Ehrverletzung bei Tatsachenbehauptungen und Werturteilen.392 Doch auch der Deutsche Presserat bzw. der zuständige Beschwerdeausschuß sollte sich künftig in den publizierten Entscheidungen um eine klare Kategorisierung bemühen respektive die Begründung für die Einordnung einer Aussage als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung nennen, da auch presseethisch jeweils unterschiedliche Beurteilungskriterien für Ehrverletzungen gelten.393 bb) Sonderfälle (a) Mischäußerungen Auch in der Spruchpraxis des Deutschen Presserats und seines Beschwerdeausschusses ist anerkannt, daß sich in Texten tatsächliche und wertende Elemente vermengen können.394 Für die Behandlung von Mischäußerungen gibt es allerdings bisher wenig Orientierungsdaten. Soweit Tatsachenbehauptungen isolierbar sind, scheinen sie auch getrennt von den Meinungsäußerungen geprüft zu werden,395 allerdings nur, wenn sie mehr als eine untergeordnete Rolle spielen.396 Ansonsten geht der Deutsche Presserat bzw. sein Beschwerdeausschuß regelmäßig von einer Meinungsäußerung aus, wenn Wörter oder Aussagen in einem bewertenden Kontext stehen.397 Rechtlich werden bei der Zuordnung von Mischäußerungen stärker ausdifferenzierte Kriterien herangezogen.398 Unter anderem wird auf das Gesamtgepräge bzw. den Kontext der Äußerung abgestellt und daher eine Aussage als Werturteil eingestuft, wenn der Tatsachengehalt zurücktritt und die subjektive Meinung überwiegt.399 Im übrigen versucht man zunächst, tatsächliche und wertende Bestand392 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 73; siehe Teil 2 sowie Teil 3 A II 1 b) bb) und D II 1 a). 393 Siehe dazu sogleich Teil 6 C II 2 c) und d). 394 B 72 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 163 f.; B 93 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 132 f.; B 3 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 167 f. 395 B 3 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 167 f. 396 B 93 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 132 f. 397 B 72 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 163 f.; B 93 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 132 f. 398 Dabei sind die Zuordnungskriterien im Zivilrecht stärker ausdifferenziert als im Verfassungsrecht, was sich auf das Ergebnis aber regelmäßig nicht auswirkt, vgl. Teil 3 B I 1 b) aa) mit Fn. 165 f. 399 BVerfGE 61, 1 (9); BGHZ 45, 296 (304); BGH ZUM 2002, 552 (553); Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 112.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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teile zu trennen.400 Doch wird insgesamt von einem Werturteil ausgegangen, wenn es nicht möglich ist, die Bestandteile zu separieren, ohne den Sinn der Äußerung aufzuheben oder zu verfälschen.401 Auch in Zweifelsfällen ist wegen der Bedeutung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eine Meinungsäußerung anzunehmen.402 Die Gegenüberstellung von presseethischen und rechtlichen Vorgaben zeigt somit, daß, soweit sich in der Spruchpraxis Einordnungskriterien für Mischäußerungen erkennen lassen, die Parameter mit denen übereinstimmen, die in der Rechtsprechung entwickelt wurden. Allerdings ist das presseethische System noch nicht so ausdifferenziert wie das rechtliche. Beispielsweise existiert (noch) keine Zweifelsfallregelung. Wegen der in der Spruchpraxis vorhandenen Tendenz, den Meinungsbegriff (zu)403 weit auszulegen, dürften sich aber letztlich kaum Unterschiede ergeben. (b) Absichten Absichten bezeichnen innere Vorgänge. In den von der Presseselbstkontrolle im Untersuchungszeitraum behandelten Beschwerden zu Ziffer 9 Pressekodex findet sich zur Einordnung der Absichten nur ein Fall. In diesem wird die Behauptung des Beschwerdegegners, der Beschwerdeführer hege eine bestimmte Absicht, als „zulässige Einschätzung“ bezeichnet.404 Dennoch geht die Entscheidung wohl von einer Tatsachenbehauptung aus. Denn die in dem Fall ebenfalls herangezogene Ziffer 2 Pressekodex, die ausschließlich bei Tatsachenbehauptungen eingreift,405 kann sich nur auf diesen Teil der Äußerung beziehen, da die übrigen Aussagen als Werturteile einzuordnen sind. Auch rechtlich werden innere Umstände oder Vorgänge, wie das Verfolgen bestimmter Absichten, regelmäßig als Tatsachenbehauptungen eingestuft; dies mit der Begründung, daß es sich um Gegebenheiten tatsächlicher Art handelt.406 Auf der Basis des vorhandenen Materials sind folglich keine Unterschiede bei der Einordnung von Absichten erkennbar.

400 Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 112; vgl. auch BVerfG NJW 2003, 1109 (1109). 401 BVerfGE 85, 1 (15 f.); BVerfGE 90, 241 (248); BGHZ 132, 13 (21); Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 29; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 14.24; siehe Teil 3 B I 1 b) aa). 402 Vgl. Teil 3 B I 1 b) aa). 403 Siehe Teil 6 C II 2 b) aa) (a). 404 B 9 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 130. 405 Siehe Teil 6 B II 2 b) aa). 406 BGHZ 128, 1 (11); BGH NJW 1998, 1223 (1224); Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 4.54; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 14.5 f.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

(c) Fragen Fragen waren im Untersuchungszeitraum ebenfalls Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.407 Eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen echten und rhetorischen Fragen findet sich in der Spruchpraxis zwar nicht, doch wird implizit differenziert.408 Bei den echten Fragen läßt sich anhand der Entscheidungsgründe freilich nicht feststellen, nach welchen Kriterien sich ihre Zulässigkeit bemißt.409 Aber auch im übrigen sind kaum Anhaltspunkte ersichtlich, welche Gesichtspunkte für die Zulässigkeit von Fragen von Bedeutung sind. Nur soweit eine rhetorische Frage sich als Tatsachenbehauptung erweist, läßt sich aus der Spruchpraxis erkennen, daß sich die presseethische Beurteilung nach den für Fakten geltenden Maßstäben richtet.410 Auf rechtlicher Ebene haben sich hingegen inzwischen klare Strukturen entwickelt. So bilden echte Fragen eine eigene semantische Kategorie.411 Sie fallen aber dennoch in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG412 und sind wie Meinungen zu beurteilen.413 Rhetorische Fragen enthalten im Gegensatz dazu selbst Aussagen, die lediglich in einen Fragesatz gekleidet sind. Die rechtliche Beurteilung der rhetorischen Fragen richtet sich danach, ob die Aussagen als Tatsachenbehauptungen oder Werturteile einzuordnen sind.414 Sowohl Presseethik als auch Rechtsordnung differenzieren also zwischen echten und rhetorischen Fragen. Übereinstimmung besteht gleichfalls bezüglich des Prüfungsmaßstabs bei rhetorischen Fragen, die sich als Tatsachenbehauptungen erweisen. Ein weitergehender Vergleich ist jedoch nicht möglich, da es in der Spruch407 B 58 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 125; B 70 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 193; B 94 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 210 f.; B 60 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 330; B 94 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 195 f. 408 B 58 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 125. In den Entscheidungsgründen heißt es in diesem Fall, daß die Frage eine bestimmte Tatsachenbehauptung enthalte, d. h. es wird von einer rhetorischen Frage ausgegangen, ohne dies explizit anzusprechen. 409 Vgl. insbesondere B 70 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 193 und B 94 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 195 f. In der erstgenannten Entscheidung wird allein festgestellt, daß die Frage keine unbegründete Behauptung oder Beschuldigung ehrverletzender Natur darstelle, im zweiten Fall beschränkt sich die Erörterung auf Auslegungsfragen. 410 B 58 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 125. 411 BVerfGE 85, 23 (31); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 247; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 30. 412 Bzw. nach hier vertretener Ansicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, siehe Teil 3 B I 2 d). 413 BVerfGE 85, 23 (32); OLG Hamburg NJW-RR 1995, 541 (541); Grimm, NJW 1995, 1700; Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 87; siehe bereits Teil 3 B I 1 b) bb). 414 BVerfGE 85, 23 (32); Scholz / Konrad, AöR Bd. 123 (1998), S. 90.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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praxis im übrigen meist an einer nachvollziehbaren Begründung für die Einstufung von Fragen als zulässig oder unzulässig fehlt. (d) Fazit Soweit im Untersuchungszeitraum Sonderfälle zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen Gegenstand des Beschwerdeverfahrens waren, fällt auf, daß die Spruchpraxis bisher kaum Kriterien für diese Sonderkonstellationen entwickelt hat. Wenn Beurteilungsmaßstäbe genannt werden bzw. durch Auslegung sichtbar gemacht werden können, stimmen sie zwar mit den rechtlichen Vorgaben überein. Doch ist insgesamt zu beobachten, daß die rechtlichen Kriterien sich bei den genannten Kategorien als wesentlich detaillierter erweisen. Zudem sind in der Rechtsprechung für weitere Sonderfälle, wie Schlußfolgerungen, zusätzliche Abgrenzungskriterien aufgestellt worden.415

cc) Zusammenfassung zu Punkt b) Insgesamt läßt sich zur Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen in Spruchpraxis und Rechtsprechung feststellen, daß der Ausgangspunkt (Differenzierung nach dem Kriterium der Beweisbarkeit) zwar identisch ist, die Rechtsprechung aber sowohl bei der Grundunterscheidung als auch bei den Sonderfällen eine größere Orientierung bietet. Denn auf rechtlicher Ebene wird stets eine Einstufung als Tatsachenbehauptung bzw. Werturteil gefordert. Außerdem stehen dort ausdifferenziertere Zuordnungskriterien zur Verfügung. Hier besteht bei der Spruchpraxis noch Nachbesserungsbedarf.

c) Beurteilungskriterien bei Tatsachenbehauptungen Eine Ehrverletzung durch eine Tatsachenbehauptung erfordert eine zumindest sorgfaltswidrige Behauptung unwahrer oder nicht erwiesen wahrer relevanter Fakten hinsichtlich einer identifizierbaren Person.416

415 Zu Schlußfolgerungen vgl. BGH NJW 1978, 751 (752); BGH AfP 1989, 669 (670) und Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 467; zu den genannten und weiteren Fallgruppen bzw. Zuordnungskriterien siehe Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 4.54 ff. und Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 14.11 ff. 416 Siehe u. a. B 42 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 224 f. und die im folgenden zitierten Beschwerdefälle.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

aa) Behauptung einer falschen Tatsache (a) Beurteilungsgrundlagen Ziffer 9 Pressekodex ist laut Spruchpraxis grundsätzlich beeinträchtigt, wenn die Ehre tangierende Tatsachenbehauptungen sich als unwahr erweisen.417 Hingegen können wahre Tatsachenbehauptungen keine Verletzung von Ziffer 9 Pressekodex begründen.418 Als unwahr werden Tatsachenbehauptungen dabei auch eingestuft, wenn der Beschwerdegegner sich nicht zu dem Vorwurf, er habe unzutreffende Fakten verbreitet, äußert419 oder wenn er die Unwahrheit selbst eingesteht420. Ebenso ist eine Äußerung dann als unzutreffend anzusehen, wenn die Publikationsorgane Aussagen von Zeugen oder Informanten in der Berichterstattung „überinterpretieren“, also übertreiben,421 oder wenn sie Äußerungen verallgemeinern, d. h. Ausnahmefälle ohne entsprechende Belege als Regel präsentieren422. Das gleiche gilt, wenn Aussagen einer Person ohne deren Autorisierung423 aus dem Kontext gerissen,424 inkorrekt wiedergegeben425 bzw. ihr untergeschoben werden426 und wenn dies zu einem verzerrten und ehrbeeinträchtigenden Bild des Betroffenen führt.427 Aller417 Vgl. z. B. B 63 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 212; B 46 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 170; B 21 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 90. Ob das auch für unwahre, nicht ehrbeeinträchtigende Tatsachenbehauptungen gilt, läßt sich aus der Spruchpraxis des Untersuchungszeitraums nicht ersehen. Der Wortlaut von Ziffer 9 Pressekodex schließt es jedenfalls nicht aus. Zum Schutz vor unwahren, nicht ehrbeeinträchtigenden Tatsachenbehauptungen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht siehe Teil 3 A II 1 b) ff) und D II 7. 418 U.a. B 73 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 288 f.; B 145 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 273 f.; B 98 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 305 f.; B 52 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 122 f. 419 B 130 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 92. 420 B 63 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 212. 421 B 74 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 138 f. 422 B 96 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 319 f. 423 B 125 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 93 f. 424 So die Behauptung des Beschwerdeführers in B 52 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 122 f.; siehe auch Fn. 427. 425 So die Beschwerdeführerin in B 73 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 267 f.; vgl. auch Fn. 427. 426 So die Argumentation des Beschwerdeführers in B 125 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 93 f.; siehe auch Fn. 427. 427 Unabhängig davon, ob die Beschwerden für begründet erklärt wurden oder nicht, hat sich der Presserat mit den im Text angeführten Argumenten der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich auseinandergesetzt, vgl. auch Fn. 424 – 426 . Er hat sie aber auch nicht explizit zurückgewiesen, so daß man sie wohl grundsätzlich als taugliche Argumente ansehen kann, die nur im konkreten Fall nicht paßten bzw. auf die lediglich nicht ausdrücklich eingegangen wurde.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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dings muß der Beschwerdeführer hinreichend konkretisieren, was an der beanstandeten Publikation unwahr ist. Andernfalls weigert sich der Presserat – zumindest wenn Bitten um Präzisierung erfolglos bleiben –, den Artikel auf Verstöße gegen Ziffer 9 Pressekodex zu prüfen.428 Maßgeblich für die Beurteilung der Zulässigkeit ist stets der Zeitpunkt der Veröffentlichung.429 Rechtlich führt die Behauptung unwahrer Tatsachen ebenfalls regelmäßig zu einer Beeinträchtigung des Rechts der persönlichen Ehre,430 wohingegen wahre Tatsachenbehauptungen die Ehre nicht verletzen können.431 Den maßgeblichen Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung bildet gleichfalls der Moment der Berichterstattung.432 Als unwahr gilt eine Tatsachenbehauptung, wenn sie im Widerspruch zur Realität steht. Das ist auf rechtlicher Ebene auch dann der Fall, wenn in einer Publikation grob übertrieben oder unvollständig berichtet und damit die Realität verzerrt wird,433 oder wenn Zitate inkorrekt wiedergegeben bzw. untergeschoben werden.434 Besonderheiten weist im Bereich des Ehrenschutzes die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast auf: Grundsätzlich trägt im Zivilprozeß jede Partei die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß die Voraussetzungen der für sie günstigen Rechtsnorm erfüllt sind.435 Daher muß der von einer ehrverletzenden Behauptung Betroffene als Anspruchsteller an sich die Unwahrheit der beanstandeten Aussage schlüssig darlegen und gegebenenfalls beweisen. Im Ehrenschutz ist allerdings anerkannt, daß derjenige, der ehrenrührige Tatsachen äußert, diese Behauptungen grundsätzlich substantiieren muß. Der Äußernde darf nicht dem Betroffenen die Last der Widerlegung aller denkbaren hypothetischen Gründe für seine Aussage aufbürden.436 Wenn der Anspruchsgegner daher seine pauschalen TatsachenB 6 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 196 ff. B 2 / 01 n.v. Zwar beziehen sich die Erörterungen in der Entscheidung v.a. auf Ziffer 2 Pressekodex. Doch trifft die Argumentation auch auf die in dem Fall relevante Ziffer 9 Pressekodex zu. 430 BGH NJW 1981, 2117 (2120); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 352 ff. 431 Siehe Teil 3 A II 1 b) bb). 432 Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 79; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 86 unter Berufung auf RGZ 66, 227 (231). 433 BGH LM § 824 BGB Nr. 3; BGH ZUM 2000, 318 (320); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 86. 434 Es ist zwar anerkannt, daß durch ein solches Vorgehen auch die Ehre des Betroffenen beeinträchtigt werden kann. Regelmäßig wird es sich dabei aber in erster Linie um eine Frage des Selbstdarstellungsrechts im allgemeinen handeln, vgl. Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 313. 435 Reichold, in: Thomas / Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, Vorbem § 284 Rn. 23. 436 Siehe BVerfGE 99, 185 (198 f.); Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 134; Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 290. 428 429

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behauptungen nicht substantiiert, obwohl ihm dies ohne weiteres möglich wäre, können sie ohne Rücksicht auf die Beweislast als unwahr angesehen werden.437 Vergleicht man die eben dargestellten presseethischen und rechtlichen Grundsätze, läßt sich eine weitgehende Übereinstimmung feststellen. Hinsichtlich der Darlegungslast438 findet sich in der Spruchpraxis allerdings keine explizite Entsprechung. Zwar nimmt der Deutsche Presserat bzw. der zuständige Beschwerdeausschuß die Unwahrheit von Tatsachenbehauptungen an, wenn sich der Beschwerdegegner gar nicht zu den Vorwürfen äußert.439 Doch wird dem Beschwerdeführer in der Spruchpraxis im Unterschied zur Rechtslage eine gewisse Substantiierungspflicht auferlegt.440 Dies erscheint insofern sinnvoll, als das zuständige Gremium damit trotz der eigenen begrenzten Recherchemöglichkeiten regelmäßig über eine ausreichende Entscheidungsgrundlage verfügt. Die Praxis führt aber auch dazu, daß die Anforderungen an den Betroffenen bezüglich der Darlegungslast auf rechtlicher Ebene niedriger als im presseethischen Bereich sind und daß daher der rechtliche Schutz insofern weiterreicht. (b) Die Relevanz der Tatsachen Die eben dargelegten Grundsätze gelten jedoch nicht für „nebensächliche“ Tatsachenbehauptungen, wie z. B. für die Frage, ob an einem Streik fünf oder zehn Arbeitnehmer teilgenommen haben.441 Derart „unbedeutende“ Aussagen können unabhängig von ihrer behaupteten oder erwiesenen Unwahrheit keine Verletzung von Ziffer 9 Pressekodex begründen. Auch rechtlich werden kleinere Ungenauigkeiten als irrelevant betrachtet, solange die Mitteilung in ihrem Kern richtig ist.442 Insofern stimmen Spruchpraxis und Rechtsprechung folglich überein. Allerdings sollte der Kreis der unwesentlichen Tatsachen rechtlich wie presseethisch nicht zu weit gezogen werden, um die Möglichkeit der Wahrheitskontrolle nicht übermäßig einzuschränken.443

437 BVerfGE 85, 1 (21); BGH NJW 1974, 1710 (1710 f.); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 355; Hager, AcP Bd. 196 (1996), S. 188. 438 Im übrigen spielt die Darlegungs- und Beweislast hier noch keine Rolle, da die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung bereits feststeht. 439 B 130 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 92. 440 B 6 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 196 ff. 441 B 74 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 138 f.; vgl. auch B 114 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 210. 442 BVerfGE 60, 234 (242); BGH NJW 1985, 1621 (1622); OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 688 (690); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 86. 443 Vgl. die Kritik an der Spruchpraxis bei Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 112, 119.

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(c) Die Bedeutung der Sorgfaltspflicht Eine Verletzung von Ziffer 9 Pressekodex wird aber auch bei ehrenrührigen unwahren bzw. nicht erwiesen wahren444 Tatsachenaussagen nur angenommen, wenn sie unter Verstoß gegen die pressemäßige Wahrhaftigkeits- und Sorgfaltspflicht, d. h. vorsätzlich oder sorgfaltswidrig, geäußert wurden.445 Der Sorgfaltspflicht kommt im Rahmen von Ziffer 9 Pressekodex eine eigenständige Bedeutung zu. Ziffer 2 Pressekodex verdrängt Ziffer 9 Pressekodex insoweit nicht, obwohl Ziffer 2 Pressekodex die Sorgfaltspflichten der Presse explizit anspricht und damit an sich die sachnähere Norm ist.446 Beide Ziffern werden vielmehr hinsichtlich des gleichen Sachverhalts häufig nebeneinander geprüft.447 Daraus folgt, daß sich die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht unterscheiden. Beide Kodexziffern gebieten dem betroffenen Publikationsorgan demgemäß, behauptete Tatsachen stets, „soweit zum Zeitpunkt der Veröffentlichung pressetypisch möglich,“ auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und die Quellen anzugeben.448 Sollte letzteres nicht möglich sein, muß auf die Publikation verzichtet werden.449 Das Gebot, die Quellen zu nennen, kann allerdings schon aus Gründen des Informantenschutzes nicht uneingeschränkt gelten, vgl. Ziffern 5, 6 Pressekodex und Rl. 5.1. Daher ist die Spruchpraxis wohl dahingehend auszulegen, daß die Angabe der Quellen bei Vorliegen wichtiger Gründe zu unterbleiben hat. Einen weiteren Bestandteil der von der Presse zu erfüllenden Sorgfaltspflichten bildet die Forderung, im Falle öffentlicher Anschuldigungen erst eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen.450 Allerdings ergeben sich aus der Spruchpraxis keine klaren Richtlinien, ob diese Voraussetzung stets zu erfüllen ist oder ob ausnahmsweise darauf verzichtet werden kann.451 444 Siehe dazu sogleich Teil 6 C II 2 c) bb). Da es keine Hinweise gibt, daß sich die Sorgfaltsanforderungen bei unwahren und nicht erwiesen wahren Tatsachenbehauptungen unterscheiden, werden im folgenden bereits die zu nicht erwiesen wahren Tatsachenbehauptungen erlassenen Entscheidungen berücksichtigt. 445 Siehe Teil 6 B II 7 b). 446 Vgl. B 72 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 257 f. In dieser Entscheidung wurde u. a. moniert, daß der Betroffenen keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, obwohl dies zu den Sorgfaltsanforderungen gehört, die Presseangehörige zu beachten haben. Ziffer 2 Pressekodex wurde in dem Fall allerdings nicht angesprochen, sondern die Erörterungen beschränkten sich auf die Ziffern 8 und 9 Pressekodex. 447 B 16 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 303 f.; B 35 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 117; B 144 / 163 / 164 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 93 ff. 448 B 16 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 303 f. 449 B 94 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 210 f. 450 B 72 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 257 f. 451 Z. B. wurde in B 35 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 117 nicht auf das Problem der Stellungnahme eingegangen, obwohl es sich ebenfalls um öffentliche Anschuldigungen handelte.

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Ob es sich im Rahmen von Ziffer 9 Pressekodex bei der Wahrung der Sorgfaltspflicht um ein „Tatbestandsmerkmal“ oder um einen „Rechtfertigungsgrund“ handelt, geht aus der Spruchpraxis nicht eindeutig hervor. Der zweiten Auslegungsvariante ist allerdings der Vorzug zu geben, da unwahre Tatsachenbehauptungen zunächst zu einer Beeinträchtigung der persönlichen Ehre führen, welche dann nur noch ausnahmsweise für zulässig erklärt, also gerechtfertigt werden kann.452 Die Rechtsordnung erachtet ebenso wie die Presseselbstkontrolle die vorsätzliche Äußerung unwahrer Tatsachen als unzulässig.453 Bei sorgfaltswidrigen Aussagen wird rechtlich im Rahmen einer Abwägung geklärt, ob die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtswidrig gewesen ist oder ob mit der Äußerung berechtigte Interessen wahrgenommen wurden, vgl. § 193 StGB. Dabei sind über die Einhaltung der Sorgfaltspflicht hinaus zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen. Hinsichtlich der „publizistischen Sorgfalt“ gilt ein variabler Maßstab. Wegen der besseren Recherchemöglichkeiten und wegen ihrer Breitenwirkung unterliegen die Printmedien jedenfalls einer strengeren Sorgfaltspflicht als Private.454 Allerdings dürfen die Anforderungen auch nicht überspannt werden.455 Grundsätzlich muß die Presse aber alle ihr möglichen Ermittlungen anstellen.456 Wenn es keinen „Mindestbestand“ an Beweistatsachen gibt, der für die Wahrheit der Information spricht, hat die Presse auf die Veröffentlichung zu verzichten.457 Quellen, auf die sich ein Bericht stützt, sind prinzipiell auf ihre Zuverlässigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen, unabhängig davon, ob es sich um eigene oder fremde handelt.458 Ihre Benennung in der Publikation wird allerdings nicht verlangt.459 Auch muß dem Betroffenen regelmäßig Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.460 452 I.E. so auch Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 230. 453 BVerfGE 61, 1 (8); BGHZ 128, 1 (12); Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 78. 454 BVerfGE 99, 185 (198); Seyfarth, NJW 1999, 1291. 455 BVerfGE 99, 185 (198); Peters, NJW 1997, 1335; siehe dazu Teil 3 D II 1 a) cc) (a). 456 BGH NJW 1993, 930 (931); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 121. 457 BGH NJW 1977, 1288 (1289); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 511. 458 BGHZ 31, 308 (313); BGH NJW 1977, 1288 (1289); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 520 f. Ausnahmen gelten nur für sogenannte privilegierte Quellen, wie Mitteilungen von als seriös bekannten Nachrichtenagenturen, Peters, NJW 1997, 1336 f. 459 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 134. Allerdings müssen dann zumindest Gründe für die Verläßlichkeit der Quelle angegeben werden, OLG Hamburg AfP 1993, 574 (575). 460 BGHZ 132, 13 (25 f.); BGHZ 143, 199 (204); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 283; Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 71; enger Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 2.24.

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Die Gegenüberstellung von rechtlichen und presseethischen Vorgaben zeigt, daß beim Verbot der Äußerung vorsätzlicher unwahrer Tatsachenbehauptungen Übereinstimmung herrscht. Bei sorgfaltswidrigen unwahren Behauptungen gehen die rechtlichen Anforderungen hingegen über die presseethischen hinaus. Denn in der Spruchpraxis wird eine Ehrverletzung regelmäßig bereits dann verneint, wenn die journalistische Sorgfaltspflicht nachweisbar eingehalten wurde, während auf rechtlicher Ebene noch weitere Voraussetzungen zu prüfen sind. Weitgehende Kongruenz herrscht dagegen bezüglich der Anforderungen, die im einzelnen an die Erfüllung der Sorgfaltspflicht gestellt werden. Abweichungen sind im Untersuchungszeitraum allein bei den folgenden Aspekten zu verzeichnen: Nur die presseethischen Prinzipien fordern regelmäßig eine Angabe der Quelle, d. h. insofern ist der Pressekodex strenger. Dagegen verlangt die Rechtsprechung, daß dem Betroffenen im Regelfall Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden soll. Dieses Erfordernis findet sich zwar inzwischen vereinzelt auch in der Spruchpraxis. Eine feststehende Regel hat sich aber noch nicht herausgebildet. bb) Behauptung einer nicht erwiesen wahren Tatsache Bei Tatsachenbehauptungen, für deren Wahrheit es keine Beweise gibt, verfährt die Presseselbstkontrolle in gleicher Weise wie bei der Behauptung unwahrer Tatsachen: Die Veröffentlichung wird prinzipiell als Verletzung von Ziffer 9 Pressekodex betrachtet, es sei denn, es handelt sich um „nebensächliche“ Tatsachenbehauptungen oder das Publikationsorgan hat die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten beachtet.461 Die „Beweislast“ für die Wahrheit der Behauptung und damit für das Fehlen einer Beeinträchtigung trägt grundsätzlich der Beschwerdegegner.462 Doch kann sich der Beschwerdegegner entlasten, wenn er nachweist, daß er keine Sorgfaltspflichten verletzt hat.463 Der Wahrheitsbeweis obliegt dann, ohne daß dies ausdrücklich gesagt wird, dem Beschwerdeführer. Auch rechtlich werden nicht erwiesen wahre Tatsachenbehauptungen, sofern sie relevant sind, grundsätzlich wie unwahre Tatsachenbehauptungen behandelt, d. h. es wird eine Beeinträchtigung des Rechts der persönlichen Ehre angenommen.464 461 Vgl. u. a. B 49 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 216 f.; B 3 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 167 f.; B 130 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 92. 462 B 130 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 92. In dem Fall hatte die Zeitung zwar überhaupt keine Stellungnahme abgegeben, so daß der Presserat davon ausging, daß die Vorwürfe zutreffend seien. Doch deuten die in der Entscheidung enthaltenen Äußerungen darauf hin, daß die „Beweislast“ auch bei der Zeitung gelegen hätte, wenn sie zu den Vorwürfen Stellung genommen hätte. Vgl. auch B 94 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 210 f. 463 Siehe zu den Anforderungen an die Sorgfaltspflichten Teil 6 C II 2 c) aa) (c). 464 BGHZ 139, 95 (104); vgl. Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 356.

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Obwohl prinzipiell der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trägt, muß hier nach dem Rechtsgedanken des § 186 StGB ausnahmsweise der Äußernde die Wahrheit der ehrbeeinträchtigenden Behauptung darlegen und beweisen.465 Wenn die umstrittene Tatsachenbehauptung jedoch in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt, vgl. § 193 StGB, und der Betroffene nachweist, daß er sorgfältig recherchiert hat, ist für die Interessenabwägung die Wahrheit solange zu unterstellen, als nicht die Unwahrheit der Behauptung feststeht. Liegt danach ein berechtigtes Interesse an der Äußerung vor, trifft wiederum den Angegriffenen die Beweislast für die Unwahrheit der Äußerung.466 Die Beurteilungsmaßstäbe sind damit auf rechtlicher und presseethischer Ebene weitgehend identisch. Im rechtlichen Bereich wird bei der Frage der Rechtswidrigkeit lediglich eine detailliertere Prüfung vorgenommen.467 cc) Fazit zu Punkt c) Der in der Spruchpraxis entwickelten und weitgehend mit den rechtlichen Vorgaben übereinstimmenden Systematik zum Schutz vor unwahren und nicht erwiesen wahren Tatsachenbehauptungen ist prinzipiell zuzustimmen. Denn derartige Informationen bilden kein schützenswertes Gut. Damit die Presse aber dennoch ihren Aufgaben nachkommen kann, darf die Wahrheitspflicht nicht überspannt werden. Daher ist es als ausreichend zu erachten, daß bei der Veröffentlichung derartiger Tatsachen wahrhaftig berichtet und die pressemäßige Sorgfalt eingehalten wird. Allerdings fehlt es in der Spruchpraxis teilweise noch an präzisen Entscheidungsgrundlagen. d) Prüfungsmaßstäbe bei Werturteilen aa) Grundsatz Der Deutsche Presserat bzw. sein Beschwerdeausschuß vertritt die Ansicht, daß Meinungsäußerungen grundsätzlich schützenswert sind, unabhängig von der Akzeptanz des Inhalts durch Dritte. Daher könne prinzipiell auch kein noch so bizarres Werturteil den Presserat veranlassen, einen Meinungsartikel für unzulässig zu erklären.468 Folglich sind auch sehr kritische Formulierungen und scharfe Kommentare erlaubt, selbst wenn dabei gelegentlich die Grenze zur Polemik überschritten wird.469 Das gleiche gilt für zugespitzte Formulierungen, da sie laut Presserat BGHZ 139, 95 (105). BVerfGE 99, 185 (199); BGH NJW 1987, 2225 (2226); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 356. 467 Siehe bereits Teil 6 C II 2 c) aa) (c). 468 B 42 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 224 f. 469 B 30 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 249. 465 466

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meist nicht wörtlich zu nehmen sind, sondern bloß als Stilmittel zur Vermittlung der Meinung dienen.470 Auch Synonyme,471 Vergleiche472 und Metaphern473 werden regelmäßig als erlaubte Stilmittel angesehen, mit denen die Verfasser (plakativ) ihre Meinung illustrieren dürfen. Eine Gleichstellung von Menschen mit Tieren ist allerdings prinzipiell nicht erlaubt.474 In Ausnahmefällen wird es aber als zulässig erachtet, zumindest im Rahmen von Metaphern475 oder bei Anspielungen auf Märchen476 auf Tierbezeichnungen zurückzugreifen. Rechtlich werden Meinungsäußerungen gleichfalls in weitem Umfang für zulässig erachtet.477 So führen scharfe, überspitzte und polemische Aussagen ebenfalls nicht automatisch zur Beanstandung;478 und auch rechtlich sind Tierbezeichnungen nicht von vornherein verboten.479 Hinsichtlich der prinzipiell weitgezogenen Zulässigkeit von Meinungsäußerungen stimmen Spruchpraxis und Rechtsprechung daher überein. bb) Absolute Grenzen Allerdings gibt es auch in der Spruchpraxis Grenzen, die jedoch erst bei Behauptungen mit einem „gewissen Gewicht ehrverletzenden Charakters“ überschritten sind.480 (a) Schmähkritik Als eine absolute Grenze, die per se zur Unzulässigkeit einer Äußerung führt, werden in der Spruchpraxis Schmähkritik bzw. Diffamierungen angesehen.481 470 B 68 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 263; B 123 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 98 f. 471 B 55 / 01 n.v. 472 B 17 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 317 f. 473 B 39 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 138 f.; B 139 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 108 f. 474 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 239 f.; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 60; vgl. auch B 139 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 108 f. 475 B 139 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 108 f. 476 B 39 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 138 f. 477 Siehe Teil 3 D II 1 a) cc) (b). 478 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 187 und Rn. 192 mit Beispielen wie BVerfGE 60, 234 (240 ff.); BVerfGE 82, 272 (282 ff.); BGH NJW 1974, 1762 (1763 f.); vgl. jüngst OLG Karlsruhe NJW 2003, 2029 (2030 f.), aber auch BGH NJW 2003, 2011 (2012). 479 OLG Köln AfP 1983, 404 (404 f.); siehe auch Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 266 zu Karikaturen. 480 B 70 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 316. 481 B 100 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 296 f.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Generelle Kriterien für die Einstufung als Schmähkritik finden sich in den Entscheidungen allerdings nicht. Es ist nur möglich, gewisse Leitlinien zu extrahieren. So werden Schimpfwörter, wie die Bezeichnung eines Politikers als „dreckiger Lügner“, meist als Schmähkritik eingestuft.482 Auch wenn es dem Äußernden primär auf die Herabsetzung einer Person483 oder einer Gruppe484 ankommt, scheint man eine unzulässige Schmähkritik anzunehmen, selbst wenn sie nicht explizit als solche bezeichnet wird. Teilweise wird aber auch bei stark beeinträchtigenden Bezeichnungen eine Ehrverletzung verneint. Es handelt sich also bei der Schmähkritik presseethisch nur um eine äußerste Grenze.485 Rechtlich führt die Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik ebenfalls per se zur Unzulässigkeit der Aussage.486 Allerdings existiert hier eine feststehende, wenn auch enge Definition. So liegt eine Schmähkritik (erst) vor, wenn in einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.487 Ausschlaggebend ist damit, ob die Äußerung eine Sachnähe zu dem ihr zugrundeliegenden Tatbestand aufweist.488 Daran fehlt es z. B. bei stark herabsetzenden Äußerungen über eine Person.489 Daneben stellen in rechtlicher Hinsicht Formalbeleidigungen eine eigenständige absolute Grenze dar.490 Sowohl die Spruchpraxis als auch die Rechtsprechung sehen die Schmähkritik also per se als unzulässig an. Wann eine Schmähkritik vorliegt, läßt sich aus der Spruchpraxis jedoch nicht eindeutig entnehmen. Es fehlt anders als in der Rechtsprechung an einer gesicherten Definition. Ebensowenig finden sich im presseethischen Bereich explizite Aussagen zu Formalbeleidigungen. Die untersuchten Fälle weisen aber darauf hin, daß in der Spruchpraxis nicht zwischen beiden Kategorien differenziert wird. Trotz nicht vollständig übereinstimmender Kriterien werden die Ergebnisse damit letztlich kaum voneinander abweichen.491 B 33 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 103. Z. B. B 18 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 218 f.; B 81 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 316 f. 484 U. a. B 27 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 121 f.; B 161 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 142; B 186 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 78. 485 B 119 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 104 f. 486 Siehe Teil 3 D II 1 a) cc) (b). 487 BVerfGE 82, 272 (284); BGHZ 45, 296 (310); BGH NJW 2000, 3421 (3422); OLG Karlsruhe NJW 2003, 2029 (2029). 488 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 20.9. 489 BVerfG NJW 1993, 1462 (1462 f.); OLG Hamburg AfP 1990, 135 (135 f.). 490 Siehe Teil 3 D II 1 a) cc) (b). 491 So auch Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 115. Unterschiedliche Ergebnisse in Einzelfällen bleiben natürlich möglich; vgl. zur Bezeichnung „Dreckschleuder“ B 147 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 112 f. einerseits und BGH GRUR 1971, 529 (529 f.) andererseits. 482 483

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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(b) Menschenwürde Ob die Menschenwürde in der Spruchpraxis ebenfalls eine absolute Grenze bildet, läßt sich auf den ersten Blick nicht erkennen. Denn bei ehrbeeinträchtigenden, zugleich die Menschenwürde tangierenden Äußerungen wird teilweise Ziffer 1 anstelle von Ziffer 9 Pressekodex herangezogen.492 Es finden sich aber auch Entscheidungen, in denen der Deutsche Presserat bzw. der zuständige Beschwerdeausschuß Ziffern 1 und 9 Pressekodex nebeneinander493 oder allein Ziffer 9 Pressekodex prüft. Im letztgenannten Fall werden die Beschwerden jedoch stets für begründet erklärt, ohne ausdrücklich auf die Beeinträchtigung der Menschenwürde einzugehen.494 Die teilweise parallele Untersuchung der beiden Ziffern zeigt aber, daß Ziffer 1 Pressekodex keine Sonderregelung darstellt. Daher muß im Rahmen von Ziffer 9 Pressekodex die Menschenwürde ebenfalls in Form einer absoluten Grenze als Prüfungsmaßstab herangezogen werden, um Wertungswidersprüche zu Ziffer 1 Pressekodex zu vermeiden. Unterschiede zur Rechtslage bestehen damit nicht. Denn rechtlich werden Äußerungen gleichfalls ausnahmslos als unzulässig erachtet, wenn sie die Menschenwürde antasten, da die Menschenwürde als Basis aller Grundrechte nicht mit anderen Grundrechten abwägungsfähig, d. h. also abwägungsresistent ist.495

cc) Kriterien für die Abwägung (a) Mitteilung der Tatsachenbasis und „fair comment“ (1) Sieht man von den absoluten Grenzen ab, die die Menschenwürde und die Schmähkritik setzen, ist eine Unterscheidung zwischen noch zulässigen überspitzten Behauptungen und unzulässigen Aussagen schwer zu treffen. In der Spruchpraxis wird häufig maßgeblich darauf abgestellt, ob es für Werturteile eine hinreichende Beurteilungsbasis gibt, ob also Belege in Form von Fakten,496 Rechercheergebnissen,497 Verdachtsmomenten 498 oder (auf Tatsachen basierenden) Vermutungen499 existieren. Sind diese der Meinungsäußerung zugrundeliegenden Fakten 492 Z. B. B 86 – 88 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 81; B 137 / 02, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 173. 493 B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197; B 145 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 273 f.; B 186 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 78. 494 B 59 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 191; B 97 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 91. 495 BVerfGE 75, 369 (379 f.); BVerfGE 93, 266 (293); Grimm, NJW 1995, 1703. 496 B 75 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 341; B 141 / 01 n.v. 497 B 119 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 104 f.; B 156 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 179 f.; B 76 / 01 n.v. 498 B 35 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 307 ff. 499 B 90 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 174 ff.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

etc. in der Veröffentlichung ebenfalls mitgeteilt oder zumindest aus dem Kontext ersichtlich,500 wird die Beschwerde auch bei drastischen Äußerungen noch als unbegründet zurückgewiesen.501 Sollte dies hingegen nicht der Fall sein, wird ein Verstoß gegen Ziffer 9 Pressekodex angenommen.502 Wann diese Argumentationsfigur eingreift, ist aus den Entscheidungsgründen aber nicht erkennbar. Von einer konsequenten Anwendung kann jedenfalls (noch) keine Rede sein.503 Ebensowenig geht aus der Spruchpraxis hervor, ob es sich bei dieser Argumentationslinie um einen „Rechtfertigungsgrund“ handelt oder um eines von mehreren Abwägungskriterien. Vorzugswürdig ist es allerdings, letzteres anzunehmen, damit die Berücksichtigung anderer Aspekte nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. (2) Stürner sieht in der Argumentationsfigur der Presseselbstkontrolle eine Verfeinerung des geltenden Rechts um die Regel des „fair comment“ (sachliche Kritik504 bzw. faire Stellungnahme505),506 die dem englischen Recht der Ehrverletzung („law of defamation“) entstammt. Es handelt sich dabei um ein als Einrede ausgestaltetes Verteidigungsmittel („defence“),507 das nur auf Meinungsäußerungen anwendbar ist.508 Die Bejahung von „fair comment“ setzt voraus, daß die beanstandete Aussage (i) sich auf Angelegenheiten von öffentlichem Interesse bezieht,509 (ii) prinzipiell auf wahren Tatsachen basiert,510 (iii) die ehrliche Überzeugung des Urteilenden wiedergibt511 und (iv) nicht auf Böswilligkeit beruht512.513 500 Z. B. aus einem Artikel, auf den ein Kommentar Bezug nimmt, B 126 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 88 f. Im konkreten Fall fehlte es allerdings in beiden Publikationen an der Mitteilung einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage. 501 Vgl. u. a. B 35 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 307 ff.; B 90 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 115 f.; B 90 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 174 ff.; B 26 / 01 n.v.; B 118 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 76 f. 502 B 70 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 193; B 161 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 142; B 126 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 88 f. 503 Siehe u. a. B 49 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 290 f.; B 72 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 163 f.; B 190 / 00 n.v.; B 56 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 120 f. In keiner der Entscheidungen wurde die Figur herangezogen, obwohl es nach den eben genannten Voraussetzungen möglich gewesen wäre. 504 Collin u. a., Pons-Fachwörterbuch Recht, 2. Aufl. 1998, S. 138. 505 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 48. 506 Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 113. 507 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 38; Herth, Persönlichkeitsschutz im englischen Zivilrecht, 1989, S. 17. 508 Markesinis / Deakin, Tort Law, 4..Aufl. 1999, S. 629. 509 London Artists Ltd. v. Littler [1969] 2 QB 375, 391. 510 Kemsley v. Foot [1952] AC 345, 356. 511 Telnikoff v. Matusevitch [1990] 3 WLR 725, 741. 512 Thomas v. Bradbury, Agnew & Co. Ltd. [1906] 2 KB 627, 642. 513 Markesinis / Deakin, Tort Law, 4. Aufl. 1999, S. 626 ff.: „The requirements of this frequently invoked defence are as follows: (i) Public Interest ( . . . ), (ii) True Facts ( . . . ),

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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(3) Gewisse Ähnlichkeiten zwischen der Spruchpraxis und der Figur des „fair comment“ sind zugegebenermaßen nicht zu verkennen. Denn in beiden Fällen wird prinzipiell die Mitteilung der zugrundeliegenden Tatsachen verlangt. Allerdings bestehen auch erhebliche Unterschiede: So läßt der Deutsche Presserat bzw. der zuständige Beschwerdeausschuß auch die Nennung von Verdachtsmomenten und auf Tatsachen basierenden Vermutungen ausreichen.514 Zudem setzt die Figur des „fair comment“ die Erfüllung zusätzlicher Anforderungen voraus. Angesichts dieser Unterschiede und den in der Spruchpraxis bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendbarkeit der Argumentationsfigur erscheint es daher zu weitgehend, aus den Entscheidungen auf die Anerkennung der Regel des „fair comment“ in der Spruchpraxis zu schließen. (4) Es handelt sich bei der Argumentationslinie der Presseselbstkontrolle daher wohl lediglich um eine Ausnahme zu dem im deutschen Recht geltenden Grundsatz, daß nachprüfbare Gründe im Rahmen von Meinungsäußerungen nicht angegeben werden müssen.515 Der Wahrheitsgehalt von Tatsachen, die einem Werturteil zugrunde liegen, spielt zwar auch rechtlich eine Rolle bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Werturteils. Denn da unwahre Tatsachen der Meinungsäußerung die Grundlage entziehen, ist ein auf unzutreffenden Fakten basierendes Werturteil regelmäßig rechtswidrig.516 Doch erst im Rechtsstreit ist es von Bedeutung, ob der Äußernde die tatsächlichen Grundlagen für seine Meinung darlegen kann.517 Andernfalls bestünde ein Widerspruch zu dem Grundgedanken und der Funktion der Meinungsfreiheit. Sie soll schließlich nicht nur der Ermittlung der Wahrheit dienen, sondern auch gewährleisten, daß jeder frei seine Meinung äußern kann, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder anzugeben vermag.518 Die Mitteilung der Beurteilungsgrundlage bildet somit rechtlich wie presseethisch einen Abwägungsfaktor bei der Frage der Zulässigkeit von Meinungsäußerungen. Der entscheidende Unterschied besteht darin, daß der Presserat bzw. zuständige Beschwerdeausschuß anders als die Rechtsprechung bereits die Angabe in (iii) Fairness, (iv) Absence of Malice ( . . . )“. Vgl. auch Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 48 f. und Teßmer, Der privatrechtliche Persönlichkeitsschutz von Prominenten, 2000, S. 102. 514 Ob auch unwahre Tatsachenbehauptungen ausreichen, deren Äußerung ausnahmsweise zulässig war, ist aus der Spruchpraxis nicht ersichtlich. Wenn eine derartige Behauptung jedoch verbreitet werden durfte, wäre es widersprüchlich, die darauf basierende Wertung zu beanstanden. Daher sollte die Argumentationsfigur auch in diesen Fällen eingreifen. 515 BVerfGE 42, 163 (170 f.); BVerfGE 90, 1 (14); BGH NJW 1974, 1762 (1763); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 88. 516 BVerfGE 99, 185 (197); Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 90. Eine Ausnahme wird nur gemacht, wenn die unzutreffenden Fakten mit ausreichender journalistischer Sorgfalt ermittelt wurden, Ahrens, a. a. O., Rn. 90. 517 OLG Köln AfP 2003, 267 (268); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 20.4. 518 BVerfGE 42, 163 (171). 23 Schwetzler

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

der Publikation selbst verlangt. Doch sollte dies aus den genannten Gründen auch in der Spruchpraxis nur zurückhaltend gefordert werden. (b) Relevanz von Sorgfaltspflichten? Ob für die Zulässigkeit von Werturteilen auch Sorgfaltspflichten eine Rolle spielen, läßt die Spruchpraxis nicht eindeutig erkennen. Üblicherweise werden Sorgfaltspflichten nur im Zusammenhang mit dem Wahrheitsgehalt von Tatsachenbehauptungen angesprochen.519 Bei Meinungsäußerungen finden sie im Untersuchungszeitraum nur in einer Entscheidung Erwähnung. In dieser heißt es, daß die Sorgfaltspflicht bei Werturteilen größere Spielräume als bei konkreten Tatsachenbehauptungen habe.520 Um einer Meinungsäußerung zugrundeliegende Fakten geht es in dem zitierten Fall aber nicht. Sinn ergibt die Entscheidung daher nur, wenn man aus ihr ableitet, daß die presseethische Verantwortlichkeit allein bei einer schuldhaften Kundgabe von Werturteilen eingreift. Diese Auslegung ist aber abzulehnen. Der Schaden für den Betroffenen ist nämlich stets gleich groß, unabhängig davon, ob bei der Kundgabe eines Werturteils schuldhaft, insbesondere sorgfaltswidrig gehandelt wurde oder nicht. Zudem sind die presseethischen Sanktionen nicht derart einschneidend, daß ihre Verhängung nur bei Verschulden des Äußernden in Betracht kommt. Will man den Grad des Verschuldens unbedingt berücksichtigen, kann dies auch bei der Auswahl der Sanktionen erfolgen. Man sollte die Entscheidung daher nicht als Regelfall betrachten, insbesondere, da sich die Aussage in den späteren Jahren nie wiederholt hat. Rechtlich können Sorgfaltspflichten dagegen auch bei Werturteilen eine Rolle spielen. Denn die in den Landespressegesetzen und in § 276 Abs. 1, 2 BGB verankerte „pressemäßige Sorgfaltspflicht“, die sich allein auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft von Nachrichten, also Tatsachenbehauptungen bezieht,521 bildet nur einen Ausschnitt der Sorgfaltsanforderungen, die der Presse durch das Zivilrecht aufgegeben sind.522 Allerdings hängt die Frage, ob auch bei ehrverletzenden Werturteilen ein Verschulden des Äußernden erforderlich ist, von der begehrten Rechtsfolge ab. So setzen z. B. Schadensersatzansprüche wegen ehrverletzender Meinungsäußerungen Verschulden voraus, Unterlassungsansprüche jedoch nicht.523 Für die presseethische Verantwortlichkeit spielen damit nach hier vertretener Ansicht bei Werturteilen die Sorgfaltspflichten keine Rolle. Rechtlich hingegen Siehe Teil 6 C II 2 c) aa) (c) und bb) sowie B II 2 b) aa). B 158 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 122 f. 521 Inhalt und Herkunft sind dabei nur explizit genannte Aspekte der erforderlichen Wahrheitsprüfung, Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 156, 161. Zur Deckungsgleichheit der Sorgfaltsanforderungen in den Landespressegesetzen und in § 276 Abs. 1, 2 BGB siehe Teil 2 F I. 522 Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 12, 15. 523 Siehe Teil 2 B I sowie F I und G III. 519 520

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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hängt es von der begehrten Rechtsfolge ab, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung auch bei persönlichkeitsbeeinträchtigenden Meinungsäußerungen zu prüfen ist. (c) Weitere Beurteilungskriterien? Sonstige Abwägungskriterien finden sich im Untersuchungszeitraum in den prinzipiell sehr knapp gefaßten Entscheidungsgründen nicht.524 Argumente der Beschwerdegegner, die theoretisch ebenfalls als Beurteilungskriterien dienen könnten, werden in der Spruchpraxis nur unregelmäßig525 explizit übernommen526 oder zurückgewiesen527. Es läßt sich daher nicht mit Sicherheit sagen, ob noch weitere feststehende Beurteilungsmaßstäbe wie in der Rechtsprechung, beispielsweise das Recht auf Gegenschlag, existieren. Sie können jedenfalls in der Spruchpraxis nicht nachgewiesen werden.

dd) Zusammenfassung zu Punkt d) Insgesamt läßt sich aus der Analyse der Spruchpraxis und aus dem Vergleich mit der Rechtslage schließen, daß die Interventionsgrenze der Presseselbstkontrolle bei ehrverletzenden Werturteilen sehr hoch liegt und sich damit den Maßstäben der Rechtsprechung annähert.528 Absolute Grenzen bilden jeweils die Schmähkritik und Verletzungen der Menschenwürde. Die Rechtsprechung arbeitet zusätzlich noch mit der Kategorie der Formalbeleidigung. Presseethisch wird insofern nicht weiter differenziert. Greifen keine absoluten Unzulässigkeitsgründe ein, kommt es rechtlich auf eine Abwägung an. Die Presseselbstkontrolle verlangt eine solche Abwägung dagegen nicht explizit. Da sich die Spruchpraxis im Bereich des Ehrenschutzes aber eng an die Rechtsprechung anlehnt,529 wird auch hier regelmäßig eine Abwägung notwendig sein. 524 Vgl. den Beschwerdefall B 201 / 00 n.v., in dem zwar der Beschwerdegegner dieses Argument anführt, es aber vom Deutschen Presserat bzw. dem Beschwerdeausschuß nicht explizit berücksichtigt wird. 525 So wird z. B. in den Fällen B 119 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 104 f.; B 144 / 163 / 164 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 93 ff. teilweise nicht auf die Argumente des Beschwerdegegners eingegangen. 526 Z. B. B 68 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 263; B 9 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 130. 527 U.a. B 77 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 133 f.; B 97 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 91. 528 Vgl. die für unbegründet erklärten Beschwerden B 147 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 112 f.; B 72 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 171; B 174 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 232 f.; B 181 / 182 / 183 / 00 n.v.; B 190 / 00 n.v. 529 Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 115.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Die Anforderungen an die Zulässigkeit von Werturteilen sind im Bereich der Presseethik teilweise strenger. So ist die Haftung verschuldensunabhängig ausgestaltet und es besteht prinzipiell die Pflicht, die Beurteilungsgrundlage einer Meinungsäußerung in der Publikation zu benennen. Allerdings wurden bisher weniger Prüfungskriterien entwickelt als in der Rechtsprechung bzw. sie wurden in den Entscheidungen nicht erwähnt. Hier besteht bei der Presseselbstkontrolle Nachbesserungsbedarf. Natürlich gibt diese sich den rechtlichen Standards annähernde großzügige Behandlung von Werturteilen Anlaß zu Kritik,530 insbesondere da im presseethischen Bereich strengere Vorgaben gemacht werden könnten. Denn hier greift das Argument nicht durch, daß sich der Staat der Stellungnahme über Meinungen zu enthalten habe und daß er daher prinzipiell jenseits der absoluten Grenzen Werturteile nicht wegen des Ehrenschutzes untersagen solle531. Doch gefährdet eine rigide Spruchpraxis die Akzeptanz der Presseselbstkontrolle unter den Presseschaffenden. Zudem wirkt sie sich möglicherweise negativ auf die freie Presseberichterstattung aus. Daher ist gegen die in der Spruchpraxis geltenden Beurteilungskriterien im Prinzip nichts einzuwenden. Das schließt es aber nicht aus, im Einzelfall eine strengere Handhabung zu fordern.532 e) Besondere Fallgruppen und Beurteilungskriterien Die vorhergehenden beiden Abschnitte haben die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen behandelt. Im folgenden wird nun auf besondere Fallgruppen potentiell ehrverletzender Pressepublikationen, nämlich auf Verdachtsberichterstattung und Satire, eingegangen. Weiter findet eine Untersuchung der Zulässigkeitskriterien statt, die sowohl bei Tatsachenbehauptungen als auch bei Werturteilen eine Rolle spielen können. aa) Verdachtsberichterstattung Besondere Anforderungen haben sich in der Spruchpraxis unter anderem bei der Verdachtsberichterstattung herausgebildet. Die Presse darf zwar anerkanntermaßen über Verdachtslagen berichten,533 allerdings nur, wenn sie die Quelle(n) mitteilt. Zudem muß sie deutlich machen, daß die Vorwürfe noch nicht bewiesen sind,534 z. B. durch Fragezeichen535 oder Formulierungen wie „soll“ oder „offenbar“.536 Ein Verstoß liegt daher vor, wenn ein Verdacht als Tatsache hingestellt bzw. die 530 531 532 533 534 535

Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 115 f.; Hauss, AfP 1980, 181. Hager, AcP Bd. 196 (1996), S. 210 f. Z. B. B 30 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 189. B 16 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 303 f. B 74 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 62. B 94 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 195 f.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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Publikation nicht hinreichend durch Quellen untermauert wird.537 Ob die Beschuldigung zutrifft oder nicht, ist dagegen für die Zulässigkeit der Publikation unerheblich.538 Indes wird diesen Prinzipien in der Spruchpraxis nicht immer gefolgt. Teilweise sieht der Deutsche Presserat respektive der Beschwerdeausschuß über mangelnde Quellenangaben und die fehlende Kennzeichnung als Verdacht großzügig hinweg.539 Rechtlich werden Berichte über Verdachtslagen regelmäßig als Tatsachenbehauptungen eingestuft.540 Es gelten daher grundsätzlich die für die Zulässigkeit von Tatsachenbehauptungen entwickelten Beurteilungskriterien, allerdings mit gewissen Modifikationen. Da es zu den legitimen Aufgaben der Presse gehört, Verfehlungen und Mißstände zu enthüllen, steht ihr prinzipiell das Recht zu, über Verdachtslagen zu berichten.541 Jedoch sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht erhöht, da in derartigen Fällen stets die Gefahr besteht, daß von den Vorwürfen „etwas hängenbleibt“. Die Rechtsprechung hält daher eine Verdachtsberichterstattung nur unter folgenden Voraussetzungen für zulässig:542 Es muß ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen, die für den Wahrheitsgehalt der Nachricht sprechen und ihr damit „Öffentlichkeitswert“ verleihen. Der Vorgang muß von gravierendem Gewicht sein, so daß die Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Die Publikation darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, d. h. es darf nicht der Eindruck erweckt werden, er sei bereits überführt. Die Darstellung muß vielmehr objektiv sein. Untersagt ist es also, die Sachlage bewußt einseitig und verfälschend zu präsentieren. Zudem ist regelmäßig vor der Veröffentlichung eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen.543 Die Nennung der Quelle bildet dagegen keine eigenständige Voraussetzung,544 sie kann aber unter Umständen zu einem Haftungsausschluß beitragen.545 536 B 35 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 307 ff.; B 156 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 179 f. 537 B 3 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 167 f.; B 94 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 210 f. 538 B 60 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 177 f.; B 74 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 62. 539 B 16 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 303 f.; dazu auch Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 113 f. 540 OLG Hamburg NJW-RR 1996, 90 (91); Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 76. 541 Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 62. 542 BGHZ 143, 199 (203 f.). 543 Soll der Name des Betroffenen genannt werden, wird zusätzlich gefordert, daß bei der Abwägung das Informationsinteresse das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt. Das wird grundsätzlich nur bei schwerer Kriminalität der Fall sein oder bei Straftaten, die die Öffentlichkeit besonders berühren, BGHZ 143, 199 (207). 544 A.A. Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 16.23.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Stellt man die Anforderungen in Spruchpraxis und Rechtsprechung gegenüber, zeigen sich relativ große Unterschiede. Identisch ist lediglich das Verbot der präjudizierenden Berichterstattung. Ansonsten wird im presseethischen Bereich anders als auf rechtlicher Ebene die Angabe der Quelle verlangt. Dagegen findet sich in der Spruchpraxis keine von den übrigen rechtlich geforderten Voraussetzungen. Bis auf die Quellennennung scheinen daher die Anforderungen der Rechtsprechung insgesamt strenger zu sein. bb) Satire Auch Satire in Wort546 und Bild547 war im Untersuchungszeitraum Beschwerdegegenstand. Sie bedarf nach Ansicht des Deutschen Presserats bzw. seines Beschwerdeausschusses einer besonderen Beurteilung, da sie bewußt ein Spott- und Zerrbild der Realität vermittelt und mit Hilfe einer überzogenen Darstellung ein Thema auf die Spitze treiben will.548 Die Grenze bildet zwar auch hier bei Werturteilen die Schmähkritik549 bzw. bei Tatsachenbehauptungen grundsätzlich der fehlende Wahrheitsbeweis550. Eine Ehrverletzung wird bei Satiren aber noch zurückhaltender angenommen, als es bei Meinungsäußerungen ohnehin üblich ist, da eben Verzerrungen und Übertreibungen charakteristisch für Satiren sind.551 Diese Beurteilungsmaßstäbe sind prinzipiell auch nicht zu kritisieren. Allerdings gibt es Fälle, in denen eine strengere Handhabung wünschenswert wäre, insbesondere bei sexuellen Anspielungen.552 Bei der rechtlichen Beurteilung553 von Satire in Wort- und Bildform wird ebenfalls berücksichtigt, daß ihr Übertreibungen, bewußte Verzerrungen und die Verfremdung der Wirklichkeit wesenseigen sind.554 Abgesehen davon, daß Satire als 545 Allerdings grundsätzlich nur, wenn die Quelle zuverlässig ist, vgl. BGH NJW 1977, 1288 (1289); Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 10.156; siehe auch Fn. 459. 546 Z. B. B 30 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 189; B 64 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 192. 547 U.a. B 97 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 91. 548 B 100 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 296 f. 549 B 100 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 296 f. 550 B 97 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 91. 551 Vgl. die für unbegründet erklärten Beschwerden B 30 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 198; B 61 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 100 f.; B 64 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 192; B 100 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 296 f.; B 123 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 301 ff. 552 B 30 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 198; B 100 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 296 f. 553 Dabei ist es i.E. unerheblich, ob Satire als Kunst eingeordnet wird oder ob sie „lediglich“ von der Meinungsfreiheit erfaßt wird; siehe für die erste Variante BVerfGE 75, 361 (377) und für die letzte Variante BVerfGE 86, 1 (9) sowie BVerfG NJW 2002, 3767 (3767). 554 BVerfGE 75, 361 (377); BVerfGE 86, 1 (11).

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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solche erkennbar sein muß,555 wird daher gefordert, bei der Prüfung der Zulässigkeit der Satire zwischen dem Aussagekern, der in einer Tatsachenbehauptung oder in einem Werturteil bestehen kann, und der Einkleidung zu unterscheiden. Beide müssen getrennt auf ihre Zulässigkeit untersucht werden. Die Maßstäbe für die Beurteilung der Einkleidung sind dabei anders und regelmäßig weniger streng als für den Aussagekern, da die Verfremdung das Wesensmerkmal der Einkleidung bildet.556 Sowohl Presseethik als auch Rechtsordnung berücksichtigen damit bei der Zulässigkeitsfrage die besonderen Charakteristika der Satire. Rechtlich wird allerdings noch explizit verlangt, daß Satire als solche erkennbar sein muß und daß eine getrennte Prüfung von Aussagekern und Einkleidung zu erfolgen hat. Im Ergebnis dürften die Unterschiede allerdings gering sein, da in beiden Fällen aufgrund der Wesensmerkmale der Satire Zurückhaltung bei der Annahme einer Ehrverletzung zu üben ist. cc) Vermutungsformel und Wechselwirkungslehre? In der Spruchpraxis wird die in der Rechtsprechung entwickelte Vermutungsformel, nach der bei Beiträgen zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede spricht,557 nicht explizit herangezogen. Zwar verweisen Blätter, deren Publikationen Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, teilweise auf die Bedeutung des öffentlichen Meinungskampfes bzw. auf die Informationsaufgabe der Presse. Doch wird in den Entscheidungen nicht auf diese Argumente eingegangen.558 Daher muß man davon ausgehen, daß es in der Spruchpraxis (bisher) kein Pendant zur Vermutungsformel gibt. Ebensowenig beruft sich der Deutsche Presserat bzw. der zuständige Beschwerdeausschuß bei der Auslegung und Anwendung von Ziffer 9 Pressekodex (zumindest im Untersuchungszeitraum) auf die in der Rechtsprechung herangezogene Wechselwirkungslehre559.

555 BVerfG NJW 1994, 3342 (3342 f.); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 262 f. 556 BVerfGE 75, 369 (377 f.); BVerfGE 86, 1 (12); BGHZ 143, 199 (209); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 264 f. 557 Siehe dazu Teil 3 D II 1 a) cc) (c). 558 B 17 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 317 f.; B 123 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 98 f.; B 94 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 210 f. 559 Vgl. dazu Teil 3 B II 1 b) bb).

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

dd) Die Bedeutung der Einwilligung des Betroffenen (a) Die Einwilligung im presseethischen Bereich Das Problem, ob durch die Einwilligung des Betroffenen eine Verantwortlichkeit des Publikationsorgans entfällt, wird im Untersuchungszeitraum nur in einem Fall angesprochen. In der Entscheidung wird die Verwendung des ehrbeeinträchtigenden Begriffs „Lustknabe“ nicht beanstandet, da der Terminus bereits in einem anderen Publikationsorgan wohl mit – zumindest stillschweigender – Zustimmung des Beschwerdeführers gebraucht worden sei.560 Unklar bleibt in diesem Fall aber zum einen, ob die Einwilligung als negatives Tatbestandsmerkmal oder Rechtfertigungsgrund aufgefaßt wird. Letzteres ist anzunehmen, da die Einwilligung die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts nicht entfallen läßt, und daher „nur noch“ rechtfertigen kann.561 Zum anderen bleibt offen, ob das entscheidende Gremium davon ausgeht, daß sich die Einwilligung auch auf die zweite Veröffentlichung erstreckt, oder ob es diesbezüglich zwar keine Einwilligung annimmt, aber das Schutzbedürfnis des Beschwerdeführers verneint. Vorzugswürdig ist die zweite Auslegungsvariante. Denn wenn man eine Vereinbarung mit einer Zeitung oder Zeitschrift über eine Veröffentlichung trifft, beschränkt sich der Umfang der Einwilligung bei objektiver Betrachtung auf die Publikation in diesem einen Blatt. Durch die Billigung der ersten Veröffentlichung hat der Betroffene aber immerhin gezeigt, daß er sich durch derartige Bezeichnungen nicht in seiner Ehre verletzt fühlt. Das muß dann auch Einfluß auf die Zulässigkeit von Zweitpublikationen in anderen Zeitungen und Zeitschriften haben. (b) Die Einwilligung auf rechtlicher Ebene Auch rechtlich herrscht Einigkeit darüber, daß eine Einwilligung die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausschließen kann. Ob es sich dabei um ein negatives Tatbestandsmerkmal oder um einen Rechtfertigungsgrund handelt, ist streitig.562 Vorzugswürdig ist allerdings die letztgenannte Ansicht.563 Die Einwilligung wird regelmäßig nicht unbegrenzt erklärt. Ihr Umfang ist durch Auslegung zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB.564 Die Zustimmung zur VerB 26 / 01 n.v. Vgl. Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 244. 562 Für negatives Tatbestandsmerkmal Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 124, 129; für Rechtfertigungsgrund Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 19.43; Steffen, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 6 Rn. 244. 563 Siehe zur Begründung schon Teil 6 C II 2 e) dd) (a). 564 BGHZ 20, 345 (348); BGH NJW 1985, 1617 (1618 f.); Frömming / Peters, NJW 1996, 958; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 180. 560 561

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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öffentlichung in einem Presseorgan vermag daher nicht unbesehen die Publikation in einem anderen Organ decken.565 Begründet wird dies mit dem im Immaterialgüterrecht entwickelten und auf den Persönlichkeitsschutz transferierten Zweckübertragungsgrundsatz.566 Doch kann die Publikation aus anderen Gesichtspunkten zulässig sein.567 So hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, daß der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz „nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet“ sei. Der Schutz der Privatsphäre tritt nach Ansicht des Gerichts daher zurück, wenn sich jemand z. B. durch Abschluß eines Exklusivvertrags damit einverstanden zeigt, daß bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden.568 Das bedeutet, daß der Schutz nicht nur gegenüber dem Vertragspartner aufgehoben ist, sondern auch gegenüber Dritten.569 Diese Argumentation läßt sich auf den Bereich des Ehrenschutzes übertragen. Wer sich daher (stillschweigend) damit einverstanden erklärt, daß in einem Artikel ehrbeeinträchtigende Bezeichnungen im Hinblick auf seine Person verwendet werden, kann sich nicht erfolgreich gegen das Aufgreifen dieser Bezeichnungen in anderen Publikationsorganen wehren. (c) Abgleich zwischen presseethischen und rechtlichen Vorgaben Im Vergleich ergeben sich somit bei der Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund keine Abweichungen. Auch die presseethischen und rechtlichen Vorgaben zum Umfang der Einwilligung und zum fehlenden Schutzbedürfnis stimmen nach der hier vertretenen Auslegung überein. Von welchen weiteren Anforderungen die Wirksamkeit einer Einwilligung in der Spruchpraxis abhängt, ob z. B. Geschäftsfähigkeit des Einwilligenden erforderlich ist,570 läßt sich im Untersuchungszeitraum dagegen nicht erkennen.571 Daher ist insofern ein Vergleich nicht möglich.

565 OLG Hamburg NJW 1996, 1151 (1151 f.); Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 250; anders noch in BGHZ 20, 345 (348). 566 Frömming / Peters, NJW 1996, 959; Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 126, 129 unter Hinweis auf BGH NJW 1985, 1617 (1619); vgl. auch OLG München NJW-RR 2001, 629 (630). 567 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 180. 568 BVerfGE 101, 361 (385). 569 Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 5.64. Soehring, AfP 2000, 234 spricht von „Verwirkung des Persönlichkeitsschutzes“. 570 In B 26 / 01 n.v. wird zwar von „Lustknabe“ und „Junge“ gesprochen, genaue Altersangaben finden sich aber nicht. 571 Vgl. zu den presseethischen Anforderungen an die Einwilligung von Bildnisveröffentlichungen Münch, AfP 2002, 19 f.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

ee) Die Relevanz von Verhalten und Stellung des Betroffenen Die Frage der Zulässigkeit der Berichterstattung wird auch durch die soziale Position des Betroffenen und sein Verhalten beeinflußt. Wenn ein Mensch aufgrund seiner beruflichen oder ehrenamtlichen Funktion eine herausgehobene Stellung innehat, z. B. als Politiker, muß er wegen seiner gegenüber dem Normalbürger hervorgehobenen Bedeutung eher eine kritische Auseinandersetzung mit seiner Person oder seinem Verhalten hinnehmen.572 Doch auch „Normalbürger“ müssen sich kritisierende Publikationen gefallen lassen, wenn sie selbst an die Öffentlichkeit getreten und dadurch zu (relativen) Personen der Zeitgeschichte geworden sind.573 Das gleiche gilt, wenn der Betroffene zwar nicht die Publizität gesucht, sich aber durch sein Verhalten dem Risiko kritischer Berichterstattung ausgesetzt hat, z. B. indem er eine „rechtslastige“ Veranstaltung besucht hat.574 Auch rechtlich ist bei der Frage, ob eine Ehrverletzung vorliegt, darauf Rücksicht zu nehmen, ob sich die Äußerungen mit einer bereits im Licht der Öffentlichkeit stehenden bzw. auf ihr Interesse stoßenden Person befassen.575 Die Stellung und Funktion des Betroffenen spielen also auch hier bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Äußerung eine maßgebliche Rolle.576 Das gilt nicht nur für Amtsträger, sondern auch für andere herausragende Persönlichkeiten.577 Die Wertungen, die für die Zulässigkeit der Publikation von zeitgeschichtlichen Bildnissen gelten, können insofern auf die Abgrenzung zwischen erlaubter und unerlaubter Wortberichterstattung übertragen werden.578 Unterschiede zwischen den rechtlichen und presseethischen Vorgaben sind damit nicht ersichtlich. Gegen den Einfluß von Stellung und Verhalten des Betroffenen auf die Zulässigkeit einer ehrbeeinträchtigenden Äußerung bestehen auch keine Bedenken. Denn wer sich selbst in das Zentrum des öffentlichen Interesses stellt, gibt den Medien allein dadurch Anlaß, sich kritisch mit seiner Person auseinanderzusetzen, und kann daher nicht mehr den gleichen Schutz beanspruchen, wie wenn er in der Anonymität geblieben wäre.579 572 B 2 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 165; B 72 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 163 f.; B 74 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 62; zu den Grenzen vgl. B 72 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 257 f. 573 B 39 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 271. 574 B 64 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 172 f. 575 BVerfG NJW 1999, 2358 (2359); BGH NJW 1994, 124 (126 f.); Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 153. 576 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 203 f. 577 BVerfG NJW 2000, 2189 (2189); Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 133. 578 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 153. 579 BVerfGE 61, 1 (13); BVerfG NJW 1999, 2358 (2359); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 15.19; vgl. auch Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 204.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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ff) Die Bedeutung der Grundrechte Bei der Analyse der Entscheidungen im Untersuchungszeitraum fällt auf, daß häufig eine Berufung auf die Rechte aus Art. 5 GG erfolgt, vorwiegend auf die Meinungsfreiheit580 sowie jeweils einmal auf die Pressefreiheit581 und andeutungsweise auf die Kunstfreiheit582. Der Deutsche Presserat bzw. der Beschwerdeausschuß zieht also die Grundrechte als Prüfungsmaßstab heran, obwohl er keiner unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegt583 und daher auch zu ihrer Anwendung respektive Beachtung nicht verpflichtet ist. Die Berufung auf Grundrechte erfolgt jedoch nur in Fällen, in denen die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen wird. Sie dient also dazu, die Entscheidung argumentativ zu stützen bzw. sonstige Begründungen zu ersetzen. Allerdings ergibt sich aus den Entscheidungsgründen nicht, wann die Grundrechte eingreifen bzw. wie sie ausgelegt werden. Daher lassen sich aus ihrer Verwendung in der Spruchpraxis keine Richtlinien für die Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Äußerungen ableiten. Ein inhaltlicher Vergleich mit der Auslegung der Grundrechte durch die Rechtsprechung entfällt aus den gleichen Gründen.584 Beim Problem der Abgrenzung zwischen den einzelnen Grundrechtsgewährleistungen in der Spruchpraxis ist ebenfalls noch vieles ungeklärt. Die Fälle lassen nur darauf schließen, daß die Wortwahl von der Meinungsfreiheit geschützt wird,585 die Entscheidungen „im Vorfeld“ über Auswahl, Zusammenstellung und Präsentation des Materials hingegen von der Pressefreiheit.586 Die Bezugnahme auf die „künstlerische Freiheit“ ist im konkreten Fall wohl darauf zurückzuführen, daß es sich bei der Publikation um einen fiktionalen Text handelte.587 Soweit hier ein Vergleich zwischen den Entscheidungen der Presseselbstkontrolle und der Rechtsprechung möglich ist, scheint die Abgrenzung zwischen den Grundrechten parallel zu verlaufen: Denn rechtlich werden Meinungsäußerungen ebenfalls von der Meinungsfreiheit erfaßt, die Entscheidung über den Inhalt der Presseprodukte Siehe Fn. 380. B 72 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 163 f. 582 B 123 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 301 ff. 583 Siehe Teil 5 H I 1 und 2 a) bb). 584 Nur in B 123 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 301 ff. finden sich gewisse Prüfungskriterien. Allerdings handelt es sich hier um einen fiktionalen literarischen Beitrag und nicht um die in dieser Arbeit in Rede stehende „klassische“ Presseberichterstattung. Daher wird insoweit auf einen Vergleich verzichtet. Vgl. zu den insoweit geltenden rechtlichen Beurteilungskriterien BVerfGE 30, 173 (188 ff.) und LG München ZUM 2003, 692 (693 f.). 585 B 9 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 130; B 56 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 120 f. 586 B 72 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 163 f. 587 B 123 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 301 ff. 580 581

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

hingegen von der Pressefreiheit;588 für Literatur bzw. literarische Beiträge wird auch auf rechtlicher Ebene allein die Kunstfreiheit herangezogen.589

gg) Der Einfluß bzw. die Vorbildfunktion von Gerichtsentscheidungen Auch gerichtliche Entscheidungen üben teilweise Einfluß auf die Presseselbstkontrolle aus: Zum einen stützt sich der Deutsche Presserat bzw. der Beschwerdeausschuß zuweilen auf den vom Gericht ermittelten Sachverhalt.590 Da den Gerichten bessere Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, bestehen dagegen keine Einwände. Zum anderen dient der Verweis auf im Ergebnis gleichlautende gerichtliche Entscheidungen auch der Absicherung der eigenen Schlußfolgerungen.591 Dies sollte allerdings künftig unterbleiben. Denn die Presseselbstkontrolle kann ohne Bindung an die rechtlichen Vorgaben nach eigenen Beurteilungsmaßstäben entscheiden. Diese Flexibilität sollte sie nicht aufgeben. Natürlich wirken sich Gerichtsentscheidungen, vor allem die Erkenntnisse höherer Instanzen, nicht nur auf die Presseselbstkontrolle, sondern auch auf andere gerichtliche Urteile und Beschlüsse aus. Allerdings ist der Einfluß auf Gerichtsentscheidungen wesentlich stärker. Es besteht eine weitergehende faktische und teilweise sogar rechtliche Bindungswirkung, vgl. z. B. § 31 Abs. 1 BVerfGG.

hh) Fazit zu Punkt e) Bei den in diesem Abschnitt erörterten besonderen Fallgruppen und sonstigen Beurteilungskriterien fallen relativ viele Unterschiede zwischen Rechtslage und Spruchpraxis auf. Identische Maßstäbe gibt es nur wenige, unter anderem bei der Einwilligung sowie beim Einfluß des Verhaltens und der Stellung des Betroffenen auf die Beurteilung der Zulässigkeit von Pressepublikationen. Auch die Abgrenzung zwischen den Grundrechten erfolgt ähnlich. Hingegen finden sich Vermutungsformel und Wechselwirkungslehre in der Spruchpraxis nicht. Bei Satire und Verdachtsberichterstattung sind – mit Ausnahme der Quellenangabe bei der Verdachtsberichterstattung – rechtlich höhere Anforderungen zu beachten. Zudem üben Gerichtsurteile und -beschlüsse auf die Entscheidungsfindung in der Spruchpraxis einen schwächeren Einfluß aus als in der Rechtsprechung. 588 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 64. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht wäre allerdings allein die Pressefreiheit einschlägig, siehe Teil 3 B I 2 d). 589 Siehe Teil 3 Fn. 144. 590 B 67 / 96, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 110 f. 591 B 49 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 290 f.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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3. Kundgabe und Zurechnung der Ehrverletzung a) Form In der Spruchpraxis ist anerkannt, daß Ehrverletzungen durch Texte (z. B. Berichte,592 Glossen,593 Portraits,594 Kolumnen,595 Zeitungsüberschriften596), Bilder (unter anderem Karikaturen,597 Fotomontagen598) oder durch eine Kombination beider (wie einem Foto mit Bildunterschrift599) erfolgen können. Auch auf rechtlicher Ebene ist die Kundgabe der Ehrverletzung in jeder der genannten Formen möglich.600 Insofern bestehen also keine Unterschiede.

b) Kundgabe im allgemeinen Eine Kundgabe ist in Zeitungen und Zeitschriften auf zwei Arten möglich: als eigene Aussage des Publikationsorgans oder als Äußerung eines Dritten.601 Rechtlich wird eine für den Ehrenschutz relevante Kundgabe ebenfalls nur angenommen, wenn es sich um Äußerungen von Presseangehörigen handelt bzw. um Aussagen Dritter, die den Presseorganen zuzurechnen sind.602 Wenn hingegen der Leser selbst die Schlußfolgerung aus den ihm mitgeteilten Fakten ziehen kann, ist eine Haftung ausgeschlossen, da der Autor nur für sein Werk, nicht aber für dessen Aufnahme durch den Rezipienten die Verantwortung trägt.603 Mit dem letztgenannten Problem hat sich die Spruchpraxis zwar noch nicht explizit beschäftigt.604 Doch ist aus den genannten Gründen anzuraten, in diesen Fällen ebenfalls eine Verantwortlichkeit des Presseorgans abzulehnen. B 130 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 92. B 191 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 149 f. 594 B 112 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 242 f. 595 B 186 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 78. 596 B 35 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 307 ff. 597 B 97 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 91. 598 B 59 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 191. 599 B 94 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 195 f. 600 BVerfGE 82, 272 (273); BVerfG NJW 2002, 3767 (3767); BGHZ 143, 199 (208); Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 265; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 67. 601 B 49 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 216 f. und B 33 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 103. 602 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 67 ff. 603 BGHZ 78, 9 (15 f.); Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 132; Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 68. 604 In B 141 / 01 n.v. wurde das Argument nur vom Beschwerdegegner, nicht aber vom entscheidenden Gremium aufgegriffen. 592 593

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

c) Haftung für Äußerungen Dritter605 Eine Haftung der Publikationsorgane kommt auch bei der Veröffentlichung von Äußerungen Dritter in Betracht. Dabei ist eine Unterscheidung zu beachten. Es gibt Fälle, in denen sich die Presse die Äußerung eines Dritten zu eigen macht, indem sie sie z. B. als eigene Stellungnahme abgibt,606 und Fälle, in denen Aussagen Dritter schlicht mitgeteilt werden, ohne daß sich das betroffene Publikationsorgan damit identifiziert.607 Diese Differenzierung findet sich sowohl im ethischen608 als auch im rechtlichen Bereich.609 Allerdings hat die Presseselbstkontrolle dafür keine eigene Terminologie entwickelt. Rechtlich hingegen fällt ersteres unter das sogenannte Behaupten von Äußerungen und letzteres unter das sogenannte Verbreiten.610 Wie die Verantwortlichkeit dafür jeweils ausgestaltet ist, gilt es im folgenden zu untersuchen, wobei Zitate als Sonderfall getrennt behandelt werden.611

aa) Wiedergabe von Aussagen Dritter im allgemeinen Die Presseorgane setzen sich nicht nur bei eigenen Aussagen, sondern auch bei in der Zeitung (gegebenenfalls sinngemäß) veröffentlichten Äußerungen Dritter, z. B. in Form persönlicher Kolumnen,612 Tagebüchern613 oder einer Mitmachzei605 Auf die Haftung für Äußerungen in Leserbriefen wird nicht näher eingegangen, siehe Teil 6 B II 2 a); vgl. dazu aus der Spruchpraxis u. a. B 58 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 125; B 157 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 116; B 81 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 316 f.; aus der Rechtsprechung und Literatur siehe BVerfG NJW 1991, 3023 (3024); BGH NJW 1986, 2503 (2505); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 492. 606 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 67. 607 Hager, in: Staudinger, BGB, §§ 823 – 825, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. C 85. 608 Z. B. B 49 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 216 f. und B 33 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 103. 609 Siehe Fn. 606 und 607. 610 Vgl. zum ganzen BGH NJW 1970, 187 (188 f.); BGHZ 132, 13 (18 f.); OLG Hamburg AfP 2003, 349 (350); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 486 ff. Beim Verbreiten wird noch zusätzlich differenziert zwischen dem intellektuellen und technischen Verbreiten. Ersteres liegt vor, wenn der Verbreitende eine gedankliche Beziehung zum verbreiteten Inhalt hat, letzteres, wenn der Kommunikator die Äußerung ohne eine derartige gedankliche Beziehung zum Inhalt verbreitet, Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 4.100 f. 611 Soweit sich die Beurteilungsgrundsätze für Äußerungen Dritter im allgemeinen und Zitate im besonderen gleichen, werden Belegstellen für den einen Themenkomplex teilweise auch bei dem anderen Komplex herangezogen. 612 B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197. 613 B 123 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 98 f.

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tung614, der Gefahr einer presseethischen Beanstandung aus. Zwar werden in der Spruchpraxis nicht immer besondere Maßstäbe herangezogen.615 Soweit dies aber der Fall ist, lassen sich daraus folgende Richtlinien ableiten: Die Zeitung oder Zeitschrift muß zunächst kennzeichnen, daß es sich um Äußerungen Dritter handelt. Andernfalls macht sie sich die Aussage zu eigen und haftet für ehrverletzende Inhalte nach den „üblichen“ Kriterien.616 Das gleiche ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Quelle nicht genannt wird, wenn also ehrverletzende Behauptungen Dritter anonym weitergegeben werden.617 Auch vermögen distanzierende redaktionelle Hinweise eine Haftung der Zeitung nicht zu verhindern, wenn es sich um schwerwiegende Ehrverletzungen handelt.618 Eine Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen erfolgt nicht.619 Rechtlich spielt die Differenzierung zwischen Behaupten und Verbreiten ebenfalls eine Rolle. Zwar wird die Unterscheidung nur in wenigen Normen, vgl. §§ 186, 187 StGB und § 824 BGB, erwähnt und dort ausdrücklich gleichgestellt. 620 Doch haftet die Presse grundsätzlich auch im übrigen für die Behauptung und Verbreitung von Tatsachen und Meinungen.621 Für die Haftungsfrage kommt es zunächst darauf an, ob sich die Zeitung oder Zeitschrift ausreichend von der Äußerung distanziert hat.622 Sollte das nicht der Fall sein, macht sich das Presseorgan die Äußerung zu eigen. Es steht dann eine Behauptung in Rede, deren Beurteilung sich nach den „üblichen“ Maßstäben richtet. Eine Behauptung wird im übrigen auch angenommen, wenn eine Berufung auf anonyme Quellen erfolgt.623 Handelt es sich dagegen um ein Verbreiten von Äußerungen, ist die Verantwortlichkeit für B 72 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 257 f. Vgl. z. B. B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197. 616 B 49 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 217 f. Eine Kenntlichmachung erfolgte dagegen in B 35 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 307 ff. 617 B 144 / 163 / 164 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 93 ff.; B 177 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 58 f. Das Argument der Beschwerdegegner, daß die Äußernden aus Furcht vor Repressalien nicht identifiziert werden wollten, hat der Presserat bzw. der zuständige Beschwerdeausschuß im Untersuchungszeitraum nicht durchgreifen lassen, vgl. z. B. B 177 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 58 f. Allerdings wurde es auch nicht als untauglich abgelehnt. Es besteht daher durchaus die Möglichkeit, daß das Argument einmal akzeptiert wird. 618 B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197. 619 So steht z. B. in B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197 eine Meinungsäußerung in Rede, in B 144 / 163 / 164 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 93 ff. zumindest teilweise auch Tatsachenbehauptungen. 620 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 16.2. 621 BGH NJW 1977, 1288 (1288 f.); BGH NJW 1997, 1148 (1149); Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 67 f.; Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 33 m. w. N. zur Rechtsprechung. 622 OLG Köln AfP 1992, 155 (155 f.); Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 41 Rn. 16. 623 So auch Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 4.102 f. 614 615

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

die Verbreitung teilweise abgemildert, was sich sowohl bei den Haftungsvoraussetzungen als auch bei den Rechtsfolgen auswirkt.624 Doch muß an der verbreiteten Aussage ein öffentliches Informationsinteresse bestehen, andernfalls ist sie unzulässig.625 Der Vergleich zwischen rechtlichen und presseethischen Vorgaben zeigt, daß sie hinsichtlich des Erfordernisses der Distanzierung übereinstimmen. Bei den Anforderungen an die Zulässigkeit der Verbreitung von Aussagen Dritter werden allerdings Unterschiede deutlich. Zum einen ergeben sich nur rechtlich bei den Haftungsfolgen Modifizierungen. Darauf, daß in der Spruchpraxis beim „bloßen“ Verbreiten mildere Sanktionen verhängt werden, gibt es keine Hinweise.626 Zum anderen verlangt die Spruchpraxis zusätzlich lediglich, daß es sich um keine schwerwiegende Ehrbeeinträchtigung handeln darf, während rechtlich ein öffentliches Informationsinteresse bestehen muß. Letzteres fehlt zwar auch bei schwerwiegenden Ehrbeeinträchtigungen; 627 doch existieren noch weitere Konstellationen, in denen ein öffentliches Informationsinteresse abgelehnt werden kann.628 Die Verbreiterhaftung reicht rechtlich daher weiter.

bb) Insbesondere: Zitate (a) Spruchpraxis Ehrbeeinträchtigende Wort-629 und Bildzitate630 waren schon mehrmals Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Allerdings ist die Spruchpraxis hier ebenfalls nicht kohärent, da der Presserat auf die Problematik nicht in allen hierzu ergangenen Entscheidungen eingeht.631 Soweit sich aber Stellungnahmen zu der Frage finden, lassen sich daraus folgende Richtlinien ableiten: Zitate sind als solche zu 624 Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, Anh § 12 Rn. 266; Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 495; vgl. z. B. die bei der Behauptung und Verbreitung von Tatsachen herangezogenen unterschiedlichen Widerrufsvarianten, Teil 2 D II. 625 BGH NJW 1970, 187 (189 f.) zur Haftung für einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Grundsätze sind aber insoweit auf das Persönlichkeitsrecht übertragbar. Siehe auch BGH NJW 1996, 1131 (1132); Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 41 Rn. 16 m. w. N. zur Rechtsprechung. 626 So wurde z. B. in B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197 eine öffentliche Rüge verhängt, in B 72 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 257 f. dagegen eine Mißbilligung. 627 Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 41 Rn. 16. 628 Vgl. dazu Löffler / Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl. 2000, Kap. 41 Rn. 16. 629 Z. B. B 96 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 319 f.; B 6 / 01 n.v. 630 B 59 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 191. 631 Zur inkohärenten Spruchpraxis vgl. u. a. B 73 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 288 f.; B 97 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 259 f.; B 39 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 271; B 73 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 267 f.

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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kennzeichnen. Andernfalls macht sich das Publikationsorgan die Aussage zu eigen und haftet als hätte es die Äußerung selbst getätigt, wenn sich diese als ehrverletzend erweist.632 Wenn Zitate hingegen als solche kenntlich gemacht werden, tritt eine Haftung bei ehrverletzenden Inhalten nicht ausnahmslos ein. Bei einer nicht erwiesen wahren Tatsachenbehauptung wurde zwar trotz deren Kennzeichnung als Zitat eine Verletzung ohne weiteres bejaht.633 Wenn die Zitate dagegen Meinungsäußerungen zum Inhalt haben, sieht der Deutsche Presserat bzw. der zuständige Beschwerdeausschuß sie unter folgenden Voraussetzungen als zulässig an: Es muß eine kritische Distanzierung erfolgen,634 und es darf sich um keine schwerwiegende Ehrbeeinträchtigung handeln.635 (b) Rechtliche Prinzipien Rechtlich wird bei Zitaten zunächst geprüft, ob sich das Publikationsorgan den Inhalt zu eigen gemacht hat. Dann haftet die Zeitung oder Zeitschrift bei ehrverletzenden Aussagen wie ein Behauptender.636 Doch wird eine Haftung auch beim Verbreiten dessen, was ein Dritter geäußert hat, bejaht, „wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung desjenigen, der die Äußerung wiedergibt, fehlt ( . . . ) oder wenn das Verbreiten nicht schlicht Teil einer Dokumentation des Meinungsstandes ist, in welcher – gleichsam wie auf einem »Markt der Meinungen« – Äußerungen und Stellungnahmen verschiedener Seiten zusammen- und gegenübergestellt werden“637. Die schlichte Kennzeichnung als Zitat ist zur Vermeidung der Haftung also nicht ausreichend.638 Zusätzlich wird hier außerdem ebenfalls ein öffentliches Informationsinteresse verlangt.639 (c) Abgleich und Bewertung Sowohl rechtlich als auch presseethisch kommt es also zunächst auf die Kennzeichnung als Zitat an. Ist diese nicht erfolgt, greifen in beiden Fällen die Haftungsgrundsätze für Behauptungen ein. Hat eine Kenntlichmachung stattgefunden, unterscheiden sich die Anforderungen hingegen. Bei Meinungsäußerungen wird zwar in beiden Bereichen eine geeignete Distanzierung verlangt, doch fordert der Presserat zusätzlich nur, daß es sich um keine schwerwiegende Ehrbeeinträchtigung handeln darf, während rechtlich ein öffentliches Informationsinteresse B 33 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 103. B 96 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 319 f. 634 B 169 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 228; B 6 / 01 n.v. 635 B 59 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 191. 636 BGHZ 132, 13 (18); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 16.30. 637 BGHZ 132, 13 (18 f.). 638 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 69; a.M. LG Stuttgart ZUM 2001, 85 (86). 639 BGH NJW 1970, 187 (189 f.); Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 16.31. 632 633

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

bestehen muß, das unter anderem bei schwerwiegenden Ehrverletzungen fehlen kann. Insoweit wurde bereits festgestellt, daß die rechtlichen Anforderungen strenger sind.640 Andererseits kann presseethisch nur die Distanzierung eine Haftung ausschließen, während rechtlich auch eine Dokumentation des Meinungsstandes ausreicht, um eine Haftung zu verhindern. Insofern ist also der Pressekodex strenger. Bei Tatsachenbehauptungen gelten auf rechtlicher Ebene die gleichen Prinzipien wie für das Verbreiten von Meinungsäußerungen. Presseethisch scheint die Haftung für Tatsachenbehauptungen dagegen trotz der Kennzeichnung als Zitat keinen Besonderheiten zu unterliegen. Doch ist die Begründung im konkreten Fall sehr knapp ausgefallen, so daß dies nicht die einzige Auslegungsmöglichkeit darstellt. Die Entscheidung könnte vielmehr auch so interpretiert werden, daß das Zitat hier bloß als Bestätigung der eigenen Auffassung des Publikationsorgans erscheint und daß die Zeitung sich das Zitat damit zu eigen gemacht hat, so daß allein aus diesem Grund die allgemeinen Haftungsgrundsätze gelten.641 Diese Auslegung erscheint vorzugswürdig. Zwar wirkt es sich für den Betroffenen ebenso gravierend aus, wenn er nicht durch die Zeitung selbst, sondern von einem in der Zeitung zitierten Dritten diskreditiert wird.642 Doch ist andererseits die Bedeutung der Presse für die freie Meinungsbildung zu beachten. Daher sollte der Haftungsmaßstab nicht nur beim Verbreiten von Tatsachenbehauptungen im allgemeinen, sondern auch beim Verbreiten von in Zitaten enthaltenen Tatsachenbehauptungen abgemildert sein.643

d) Zusammenfassung zu Punkt 3. Die Analyse des in diesem Abschnitt untersuchten Themenkomplexes der Kundgabe ehrverletzender Äußerungen hat gezeigt, daß die presseethischen und rechtlichen Anforderungen hinsichtlich Form und Kundgabe im allgemeinen übereinstimmen. Ebenso wird bei der Zurechnung von Äußerungen Dritter jeweils differenziert, ob sich das Presseorgan die Aussage zu eigen gemacht hat oder nicht. Allerdings gibt es Unterschiede im Detail, sowohl bei der Haftung für Zitate als auch bei der Haftung für die Veröffentlichung sonstiger Aussagen Dritter. Die strengeren und ausdifferenzierteren Anforderungen finden sich dabei meist in der Rechtsprechung. Nur bei Zitaten ist die Spruchpraxis insofern strenger, als sie (bisher) keine Alternativen zur Distanzierung, wie die Dokumentation des Meinungsstandes, anerkennt.

Siehe Teil 6 C II 3 c) aa). OLG Frankfurt NJW 1981, 2707 (2708); Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wortund Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rn. 4.103. 642 Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 16.30. 643 Rixecker, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, § 12 Anh. Rn. 69. 640 641

C. Vergleich der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex mit der Rechtslage

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4. Konkurrenzen zu anderen Kodexziffern Ein Rang- oder Spezialitätsverhältnis zwischen den Kodexziffern und Richtlinien scheint nicht zu existieren. Die für den Ehrenschutz neben Ziffer 9 Pressekodex relevanten Ziffern, also vor allem Ziffern 1,644 2,645 10, 12, 13 Pressekodex, sind neben Ziffer 9 Pressekodex anwendbar.646 Zwar gibt es Fälle, in denen eine Verletzung nur auf eine der in Betracht kommenden Ziffern gestützt wird;647 doch ist dahinter kein System erkennbar. Welche Ziffern geprüft werden, scheint oftmals von den in der Eingabe geltend gemachten Beschwerdepunkten abzuhängen.648 Bedenken gegen diese Praxis bestehen aber nicht, da sie verhindert, daß Beschwerdeführer mit ihrer Eingabe wegen falscher Benennung der Ziffern scheitern. Ebensowenig ist zu beanstanden, wenn in den Entscheidungen Ziffern aufgegriffen werden, deren Verletzung nicht gerügt wurde. Denn der Deutsche Presserat darf selbst Beschwerdeverfahren einleiten. Dann muß es ihm erst recht erlaubt sein, in Verfahren, die von Dritten eingeleitet wurden, Ziffern zu prüfen, die von den Beschwerdeführern nicht genannt wurden.649

III. Zusammenfassung zu Abschnitt C. und Bewertung Nach der Analyse der Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex lassen sich nun die am Anfang dieses Abschnitts aufgeworfenen Fragen650 beantworten: Ziffer 9 Pressekodex selbst bietet kaum kodifizierte Maßstäbe an, mit deren Hilfe eine Verletzung der Presseethik festgestellt werden kann. Allerdings wurden in der Spruchpraxis Prüfungsmaßstäbe entwickelt, die in weiten Bereichen mit den rechtlichen Kriterien übereinstimmen. Insbesondere wird sowohl presseethisch wie auch rechtlich zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen unterschieden. Abweichungen zu den rechtlichen Standards kommen zwar vor, wobei der Pressekodex sich teilweise als strenger erweist als die Rechtslage,651 teilweise aber auch als großzügiger.652 Zum Verhältnis der Ziffern 1 und 9 Pressekodex siehe Teil 6 C II 2 d) bb) (b). Zum Verhältnis der Ziffern 2 und 9 Pressekodex siehe Teil 6 C II 2 c) aa) (c). 646 Z. B. B 75 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 341; B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197; B 58 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 125; B 90 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 115 f.; B 186 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 78. 647 Siehe u. a. die Nachweise zu Teil 6 C II 2 c) aa) (c) und d) bb) (b). 648 U.a. B 75 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 341; B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197; B 90 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 115 f. 649 Auf eine Gegenüberstellung mit der Rechtslage wird insoweit verzichtet, da sich hier im Hinblick auf die Fragestellung keine zusätzlichen Erkenntnisse gewinnen lassen. 650 Siehe Teil 6 C I 1. 651 Siehe z. B. Teil 6 C II 1 b) und 2 d) cc) (a). 644 645

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Insgesamt ist aber der Aussage von Stürner zuzustimmen, daß sich der Presserat bzw. der zuständige Beschwerdeausschuß bei seiner Spruchpraxis zu Ziffer 9 Pressekodex, insbesondere im Bereich der Werturteile, weitgehend an der Rechtsprechung orientiert.653 Eine Tendenz zur Verschärfung des Ehrenschutzes ist nicht erkennbar, obwohl gerade die Presseselbstkontrolle einen strengeren Maßstab anlegen könnte. Denn sie ist nicht unmittelbar an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 GG gebunden und ihre „Sanktionen“ sind nicht mit den rechtlichen Konsequenzen vergleichbar.654 Andererseits bestehen gegen die rechtlichen Beurteilungskriterien für Ehrverletzungen keine generellen Bedenken. Sie sind nur im Einzelfall zu kritisieren.655 Weiterhin spricht einiges für eine Übernahme von rechtlichen Prüfungskriterien im Beschwerdeverfahren.656 Zweifel, daß diese Adaption rechtlicher Maßstäbe dem Zweck der Selbstkontrolle zuwiderläuft, sind unbegründet.657 Daher ist gegen die momentane Spruchpraxis zum Ehrenschutz im Prinzip nichts einzuwenden. In Detailfragen besteht jedoch Verbesserungsbedarf. Ursache dafür ist zum einen, daß die Prüfungsmaßstäbe, z. B. im Bereich der Schmähkritik, teilweise zu restriktiv gehandhabt werden,658 und zum anderen, daß die Entscheidungen eine Orientierungs- und Lenkungsfunktion vermissen lassen659. So werden die Beurteilungskriterien nicht konsequent herangezogen. Unter anderem fehlt es an einer durchgehenden Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen.660 Zusätzlich bestehen terminologische Unsauberkeiten.661 Auch die Entscheidungskriterien erweisen sich in der Spruchpraxis als nicht so stark ausdifferenziert wie in der Rechtsprechung (vgl. z. B. den Abschnitt über die Zuordnung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen662). Häufig fallen außerdem die Begründungen für eine Entscheidung zu knapp aus. Diese im Einzelfall bestehenden Defizite der Spruchpraxis erschweren der Presse – soweit sie überhaupt Kenntnis von den Entscheidungen der Presseselbstkontrolle hat – eine Orientierung bei der künftigen Berichterstattung. Auch empfehlen die genannten Mängel die Presseselbstkontrolle kaum als attraktive Alternative zum Rechtsschutz. Weder der präventive noch repressive Ehrenschutz wird folglich durch die Spruchpraxis momentan hinreichend gewährleistet. 652 653 654 655 656 657 658 659 660 661 662

Siehe u. a. Teil 6 C II 2 c) aa) (c) und bb). Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 115, 119. Vgl. Münch, AfP 2002, 21 f. Siehe Teil 3 D II 1 b). Siehe Teil 6 A. Siehe Teil 6 B III. Vgl. Teil 6 C II 2 d) bb) (a). So auch Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 275. Siehe Teil 6 C II 2 b) aa) (a). Siehe Teil 6 C II 2 b) aa) (a). Vgl. Teil 6 C II 2 b).

D. Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz

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Ähnliches ist auch bei Spruchpraxis in anderen persönlichkeitsrelevanten Bereichen zu beobachten. Dort wird ebenfalls regelmäßig festgestellt, daß sich der Deutsche Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse bei der Beurteilung von publizistischen Verhaltensweisen überwiegend an die Rechtsordnung anlehnen,663 wobei sämtliche Gremien die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze eher restriktiv als großzügig auslegen.664 Eine Tendenz zur Verschärfung des Persönlichkeitsschutzes über das von der Rechtsordnung gewährleistete Niveau hinaus läßt sich in diesen Bereichen gleichfalls selten erkennen.665 Im Gegenteil: Wenn der Presserat bzw. Beschwerdeausschuß eine Sanktion ausgesprochen hat, ist meist die Grenze zwischen Recht und Unrecht überschritten.666 Zudem finden sich in den anderen persönlichkeitsrelevanten Bereichen ebenfalls Diskontinuitäten und Widersprüche zwischen den Entscheidungen,667 so daß auch dort insgesamt nicht von einem effektiven Persönlichkeitsschutz durch die Spruchpraxis ausgegangen werden kann.

D. Der Beitrag von Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle zum Persönlichkeitsschutz Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle sind ebenso wie die materiellen Maßstäbe, die sich aus Pressekodex, Richtlinien und Spruchpraxis ergeben, von Bedeutung für den Persönlichkeitsschutz. Sie dienen dazu, Verletzungen der materiellen presseethischen Standards festzustellen und gegebenenfalls zu ahnden. Dem in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzten kann auf diese Weise Wiedergutmachung und Genugtuung geleistet werden. Zudem sollen Verfahren und Sanktionen präventiv wirken.668 Sie haben nämlich auch die Aufgabe, die Presseorgane von künftigen Verfehlungen abzuhalten, und zwar zum einen durch die Ahndung von Verstößen gegen die Presseethik und zum anderen durch die Festigung und Weiterentwicklung der presseethischen Grundsätze. Letzteres soll es den Presseschaffenden erleichtern, zwischen zulässiger und unzulässiger Berichterstattung zu unterscheiden. 663 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 273; Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 112 ff. 664 Münch, AfP 2002, 21 f. 665 Münch, AfP 2002, 21. 666 Hauss, AfP 1980, 182; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 269; Minzberg, BILD-Zeitung und Persönlichkeitsschutz, 1999, S. 127. 667 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 227 ff.; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 274 f.; Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 113 f. 668 Vgl. zu diesen Funktionen von Beschwerdeverfahren und Rügenabdruck Wiedemann, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 26 f.; Wiedemann, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 101; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 274 f.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Eine allgemeine Darstellung von Verfahren und Sanktionen ist bereits an früherer Stelle erfolgt.669 In den folgenden Ausführungen geht es nun darum, anhand der relevanten Vorschriften, also insbesondere der Beschwerdeordnung, sowie deren Anwendung in der Praxis wesentliche Charakteristika von Presseselbstkontrollverfahren und -sanktionen herauszuarbeiten und auf ihre Vor- und Nachteile, vor allem im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz, zu untersuchen. Anders als in den vorstehenden Abschnitten wird im folgenden aber nur ein punktueller Vergleich mit der Rechtslage durchgeführt, der sich – in Parallele zur vorwiegenden Fokussierung auf den zivilrechtlichen Schutz in materieller Hinsicht – auf das Verfahren vor den Zivilgerichten konzentriert. Denn der Deutsche Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse bemühen sich bewußt um Distanz zu den rechtlichen Verfahren.670 Die sich daraus ergebenden erheblichen Diskrepanzen lassen einen durchgängigen Vergleich wenig sinnvoll erscheinen.

I. Beschwerdeverfahren und Persönlichkeitsschutz Das Beschwerdeverfahren vor dem Deutschen Presserat bzw. seinen Beschwerdeausschüssen ist durch einige Besonderheiten gekennzeichnet. Diese beruhen zum einen auf der Tatsache, daß es sich bei der Presseselbstkontrolle nicht um ein System der hoheitlichen Regulierung, sondern der (regulierten) Selbstregulierung handelt, und zum anderen darauf, daß das Procedere auf ethischen und nicht auf rechtlichen Prinzipien basiert.

1. Die Gremienbesetzung Der Deutsche Presserat und die Beschwerdeausschüsse sind exklusiv aus Angehörigen der Printmedien zusammengesetzt. Diese Zusammensetzung sichert einerseits eine hohe Fachkompetenz im Konflikt zwischen Medienberichterstattung und Persönlichkeitsschutz und gewährleistet eine hohe Praktikabilität der Regelungen.671 Zudem können auf diese Weise externe Beeinflussungen, insbesondere funktionsfremde Instrumentalisierungsversuche, abgewehrt werden.672 Andererseits bedeutet die ausschließliche Besetzung mit Pressevertretern, daß diese als Richter in eigener Sache tätig werden.673 Das schürt natürlich bei den Beschwerdeführern sowie der Öffentlichkeit Zweifel an der Neutralität, da die InterSiehe Teil 5 F. Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 185; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 218. 671 Stürner, AfP 2002, 291; siehe auch Teil 4 D. 672 Dörr / Cole, Jugendschutz in den elektronischen Medien, 2001, S. 89 zur Besetzung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF). 673 Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 303. 669 670

D. Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz

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essen der Betroffenen in den Gremien keine Repräsentation finden und es schwer vorstellbar ist, daß Presseangehörige, die den gleichen „Versuchungen“ ausgesetzt sind wie der „angeklagte“ Kollege bzw. das „angeklagte“ Presseorgan, unparteiisch urteilen.674 Auch wenn die Beschwerdeausschüsse und der Deutsche Presserat um Objektivität bemüht sein mögen, bleibt doch die Befürchtung, daß sie Beschwerdefälle eher aus Verletzersicht als aus Betroffenensicht beurteilen.675 Damit gefährden sie aber die Akzeptanz ihrer Entscheidungen in der Öffentlichkeit,676 was zugleich ihrer Stellung als Alternative zum rechtlichen Persönlichkeitsschutz abträglich ist. 2. Der Ablauf des Beschwerdeverfahrens a) Vorzüge des Beschwerdeverfahrens Die Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens zeichnet sich insbesondere durch die fehlende Justizförmigkeit aus.677 Zwar sind gewisse Ähnlichkeiten mit gerichtlichen Verfahren nicht zu verkennen (vgl. unter anderem die Vorschriften über die Zuständigkeitsverteilung zwischen Beschwerdeausschüssen und Plenum, §§ 2, 3 BO, den rechtsstaatlichen Grundsatz des beiderseitigen Gehörs, § 5 Abs. 4 BO,678 und die Befangenheitsregelung, § 8 BO).679 Dennoch ist das Verfahren der Presseselbstkontrolle damit nicht vergleichbar.680 Der Presserat und die Beschwerdeausschüsse wehren sich nämlich konsequent gegen eine zu starke Formalisierung des Verfahrens und bemühen sich um die Erhaltung von weitreichenden Entscheidungsspielräumen in den einzelnen Verfahrensabschnitten. Damit soll nicht nur eine Berufung auf angebliche Formfehler durch die Beteiligten unterbunden werden.681 Die durch die fehlende justizförmige Ausgestaltung ermöglichte Flexibilität des Verfahrensablaufs befähigt die Selbstkontrolleinrichtung auch, besser auf die verschiedenartigen Verletzungskonstellationen, wie sie insbesondere im Bereich des Persönlichkeitsschutzes denkbar sind, zu reagieren. Ein weiterer Vorzug des Beschwerdeverfahrens besteht in dessen Kostenfreiheit.682 Anders als bei gerichtlichen Verfahren werden die Beschwerdeführer hier 674 Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 19 f.; Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 303 f.; Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 87. 675 Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001, S. 311. 676 Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 87. 677 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 218. 678 Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 269 f. 679 Stürner, Bitburger Gespräche, 1999 / I, S. 107. 680 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 218; Stürner, Bitburger Gespräche, 1999 / I, S. 107. 681 So Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 218. 682 Tillmanns, in: Dölling u. a. (Hrsg.), Kriminalberichterstattung, 1998, S. 270.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

also nicht von der Einreichung einer Beschwerde abgehalten, weil sie fürchten müssen, daß sie bei einer Zurückweisung als unbegründet die Kosten zu tragen haben. Zudem kann nicht nur der in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffene ein Verfahren einleiten, sondern wegen der Ausgestaltung der Beschwerde als Popularbeschwerde683 ebenso Dritte. Auf diese Weise können auch Persönlichkeitsverletzungen geahndet werden, von denen der Betroffene selbst z. B. keine Kenntnis hatte. Die zeitliche Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens gibt ebenfalls keinen Anlaß zu Beanstandungen. Mit vier bis sechs Sitzungen der Beschwerdeausschüsse pro Jahr684 und einer Verfahrensdauer von sieben bis zwölf Wochen685 wird relativ zeitnah zur Erstveröffentlichung unter anderem über Fragen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts entschieden.686 Daher besteht meist noch ein Interesse der Öffentlichkeit am Verfahrensausgang, und es kann der Beschwer der Betroffenen effektiv abgeholfen werden.687 Auch hat der Deutsche Presserat mit der Einführung des obligatorischen Vermittlungsversuchs, § 6 BO, und der während des gesamten Verfahrens bestehenden Möglichkeit einer gütlichen Beilegung der Auseinandersetzung, vgl. § 10 BO, den Presseorganen Gelegenheit gegeben, das Verfahren z. B. durch eine Entschuldigung oder Richtigstellung einvernehmlich zu beenden bzw. zumindest der Sanktionierung zu entgehen. Für den in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen bietet diese Option ebenfalls Vorteile: Ihm wird das weitere, insbesondere in Persönlichkeitssachen belastende Verfahren erspart, und es wird ihm die Genugtuung des Eingeständnisses eines Fehlverhaltens durch die Zeitung oder Zeitschrift selbst gewährt.688 Vorteilhaft ist für den Betroffenen auch die fehlende Öffentlichkeit des Verfahrens. Damit besteht nicht wie vor Gericht die Gefahr der Offenbarung weiterer persönlichkeitsbeeinträchtigender Umstände in der Verhandlung.689

Siehe Teil 5 F I 1. Siehe Teil 5 E III 1, 2. 685 Schriftliche Auskunft des Geschäftsführers des Trägervereins des Deutschen Presserats vom 6. Juni 2003. 686 Gerschel, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 45. 687 Wiedemann, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 100 f.; Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 92. 688 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 199. 689 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 67; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 274. 683 684

D. Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz

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b) Probleme des Beschwerdeverfahrens Andererseits mindert die mangelnde Transparenz eventuell die Akzeptanz der Selbstkontrollentscheidungen, insbesondere in der Öffentlichkeit, so daß dieses Charakteristikum zumindest kritisch gesehen werden muß.690 Ein weiterer Problempunkt ist die Sachverhaltsrecherche. Dem Deutschen Presserat steht nicht die Befugnis zu, Dritte zur Unterstützung bei der Sachverhaltsaufklärung zu verpflichten. Überdies mangelt es ihm an den finanziellen und personellen Kapazitäten für umfassende Nachforschungen. Eine justizförmige Aufklärung bleibt dem Deutschen Presserat daher auch in Fällen von angeblichen Persönlichkeitsverletzungen verschlossen.691 In erster Linie obliegt es folglich den Beteiligten, die erforderlichen Nachweise zu erbringen. Und selbst dann kommt es nicht immer zu einer eindeutigen Entscheidung zugunsten oder zu Lasten des Beschwerdeführers. Denn wenn Beschwerdeführer und Beschwerdegegner Stellungnahmen abgegeben haben, der Sachverhalt aber weiterhin zweideutig bleibt, werden die Beschwerden als nicht entscheidbar eingestuft, vgl. § 12 Abs. 2 BO.692 Im Zivilprozeß greifen dagegen bei beweisbedürftigen Tatsachen die Beweislastregeln ein,693 so daß hier stets eine eindeutige Entscheidung zugunsten oder zu Lasten des Klägers gefällt wird. c) Fazit Die Bedeutung des Beschwerdeverfahrens für den Persönlichkeitsschutz ist angesichts dieser Vor- und Nachteile somit als ambivalent einzustufen.

3. Die Entscheidungen des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse Am Ende des Verfahrens stehen die Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse bzw. des Deutschen Presserats. Die Qualität der Entscheidungen zum Persönlichkeitsschutz ist zurückhaltend zu beurteilen. Gerichtsähnliche Qualitätsmaßstäbe können nicht angelegt werden. Denn das Arbeitspensum ist zumindest im allgemeinen Beschwerdeausschuß nicht mehr mit der erforderlichen Gründlichkeit zu bewältigen.694 So hatte der allgemeine Beschwerdeausschuß im Jahr 2002 in sechs Wiedemann, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 98. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 268; Hauss, AfP 1980, 181. 692 B 87 / 01 n.v.; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 268. 693 Reichold, in: Thomas / Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, Vorbem § 284 Rn. 1, 20 f. 694 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 132. Anders stellt sich die Situation momentan (noch) beim Beschwerdeausschuß Redaktionsdatenschutz dar, der sich 690 691

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Sitzungen über 300 Beschwerden zu behandeln.695 Eine weitere Konsequenz der hohen Arbeitsbelastung ist die relativ hohe Fluktuation in den Gremien, was sich wiederum negativ auf die Kontinuität der Spruchpraxis und damit ihre Qualität auswirkt.696 Überdies sind die Entscheidungsinhalte – zumindest in den Publikationen – sehr knapp gefaßt. Es fehlt häufig an einer expliziten Auseinandersetzung mit den Argumenten der Beschwerdegegner697 und an ausreichenden Begründungen698. Das erschwert es zum einen den in ihren Persönlichkeitsrechten Betroffenen, die Erfolgsaussichten eines Beschwerdeverfahrens zu beurteilen; zum anderen macht es den Presseschaffenden eine Orientierung an den in der Spruchpraxis entwickelten presseethischen Standards nahezu unmöglich.

II. Sanktionen und Persönlichkeitsschutz 1. Die Sanktionen der Presseselbstkontrolle a) Folgen eines Verstoßes gegen Pressekodex und Richtlinien Das Spektrum der Folgen eines Verstoßes gegen die Presseethik reicht von öffentlichen und nicht öffentlichen Rügen über Mißbilligungen und Hinweise bis hin zum Absehen von Maßnahmen.699 Das für Persönlichkeitsverletzungen im rechtlichen Bereich etablierte Schutzsystem stellt sich bezüglich der Folgen hingegen als wesentlich ausdifferenzierter dar700 und unterscheidet überdies noch teilweise danach, ob die beanstandete Behauptung als Tatsache oder Werturteil einzuordnen ist.701 Presseethisch hat es für die Auswahl der Sanktion hingegen keine Bedeutung, ob eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil in Rede steht. Angesichts der Abgrenzungsprobleme zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen ist das aber nicht weiter zu beanstanden. Maßgeblich für die Auswahl der Sanktion sollte vor allem die Schwere der Persönlichkeitsverletzung sein. Ob allerdings wirklich drei verschiedene Arten von Sanktionen benötigt werden, erscheint zweifelhaft. Denn die Konsequenzen unterscheiden sich bei der Verhängung einer Mißbilligung oder eines Hinweises kaum: In beiden Fällen werden im Jahr 2002 in vier Sitzungen mit sechs Beschwerdefällen zu befassen hatte, Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 66. 695 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 346. 696 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 132; Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002, S. 20. 697 Z. B. B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197; B 186 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 78. 698 Siehe Teil 6 C III. 699 Siehe Teil 5 F IV 1. 700 Siehe zu den zivilrechtlichen Ansprüchen Teil 2. 701 Gegendarstellungsrecht und Widerrufsanspruch greifen beispielsweise nur bei Tatsachenbehauptungen ein, siehe Teil 2 D II und E I.

D. Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz

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weder die Namen der Beschwerdegegner öffentlich genannt, noch besteht eine Pflicht zum Abdruck der Sanktion.

b) Die Auswahl der Sanktionen Nach welchen Kriterien sich die Auswahl der Sanktionen in der Spruchpraxis tatsächlich richtet, geht aus den veröffentlichten Entscheidungen kaum hervor.702 In § 13 BO finden sich zwar Aspekte, die in die Abwägung einzufließen haben. Inwieweit diese herangezogen und gewichtet werden, bleibt aber regelmäßig offen. So wurde die Beschuldigung eines Sparkassendirektors, das Bankgeheimnis verletzt zu haben, mit einer Mißbilligung geahndet.703 Hingegen war der Vorwurf der Verschwiegenheitspflichtverletzung eines Aufsichtsratsmitglieds dem Beschwerdeausschuß nur einen Hinweis wert,704 obwohl die gleiche Einstufung nahelag, da es für jeden der Betroffenen um die angebliche Verletzung wesentlicher Pflichten im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung ging. Nur bei schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen, die regelmäßig auch zu rechtlichen Sanktionen führen würden, kann man davon ausgehen, daß sie mit einer Rüge geahndet werden.705 Insgesamt fehlt es aber entweder an ausreichenden Zuordnungskriterien oder an einer hinlänglichen Begründung für die Wahl der Sanktionen.706 Diskontinuitäten in der Spruchpraxis und Unsicherheiten sind die Folge. Es wäre aber nicht nur für den Beschwerdegegner besser, wenn er wüßte, mit welcher Sanktion er zu rechnen hat und ob er daher nicht einem Vermittlungsversuch zustimmen sollte. Der in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffene könnte ebenfalls mit größerer Sicherheit einschätzen, ob die von ihm gewünschte Sanktion erreichbar ist, ob also das Beschwerdeverfahren der taugliche Weg zur Wahrnehmung seiner Interessen ist. Auch die zurückhaltende Tendenz bei der Erteilung öffentlicher Rügen ist augenfällig.707 Die Bereitschaft zur öffentlichen Kollegenkritik erweist sich als schwach ausgeprägt.708 Diese Zurückhaltung wird damit begründet, daß die Rüge ein Instrument des Prangers darstelle. Ihre Verhängung sei daher nur gerechtfertigt, wenn der Aspekt der Genugtuung für die Betroffenen oder die Allgemeinheit höher zu bewerten sei als das Interesse an einem Dialog oder an einem Lern702 Zumindest soweit die Spruchpraxis hier untersucht wurde, also hauptsächlich bei Fällen, die einen möglichen Verstoß gegen Ziffer 9 Pressekodex zum Thema haben. 703 B 94 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 210 f. 704 B 49 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 216 f. 705 B 191 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 149 f. 706 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 260. 707 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 269 m. w. N. aus der Spruchpraxis; vgl. auch die Übersicht über die im Beschwerdeverfahren getroffenen Entscheidungen und die Anzahl der verhängten öffentlichen Rügen, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 351. 708 Teichert, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 149.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

prozeß.709 Dem ist aber entgegenzuhalten, daß es dem Betroffenen und der Öffentlichkeit darauf ankommt, daß die durch eine Publikation erfolgte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch auf diesem Weg gesühnt wird.710 Zudem werden die Presseorgane eher die presseethischen Vorgaben beachten, wenn ihre Verfehlungen der Öffentlichkeit bekannt werden.711

c) Insbesondere: Die Wiedergutmachung und ihre Folgen Nur das Kriterium der Wiedergutmachung bildet bei der Auswahl der Sanktionen eine Ausnahme, da es in den Entscheidungen explizit erwähnt wird. Die Wiedergutmachung setzt grundsätzlich eine öffentliche Klarstellung oder Entschuldigung des Presseorgans in redaktioneller Form voraus.712 Doch werden die Anforderungen nicht einheitlich gehandhabt. So wurde teilweise die Publikation eines Leserbriefs des Betroffenen als ausreichend erachtet.713 Diskontinuitäten sind ebenso bei den Konsequenzen, die der Deutsche Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse aus einer hinreichenden Wiedergutmachung ziehen, zu verzeichnen. Daß dieser Fall nicht ohne Auswirkungen auf die Folgen eines unzulässigen Verhaltens der Presse bleiben kann, ist im presseethischen wie im rechtlichen Bereich714 unstreitig. Doch fehlt es im Rahmen der PresseselbstDeutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 69. Nach Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 302 entspricht dies dem Prinzip der Waffengleichheit. 711 Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 302. 712 B 18 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 218 f.; B 77 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 133 f.; B 81 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 316 f. 713 B 93 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 132 f.; B 16 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 141 f. 714 So vermag eine ausreichende Richtigstellung die Entstehung eines Widerrufsanspruchs zu verhindern, Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 641. Eine Entschuldigung oder Berichtigung kann auch den Anspruch auf Geldentschädigung ausschließen, OLG Köln AfP 1991, 427 (428 f.); Damm / Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl. 2001, Rn. 713, 718, 732, 738. Wenn der Deutsche Presserat eine solche die Rechtsfolgen von Persönlichkeitsverletzungen modifizierende Richtigstellung bzw. Entschuldigung veranlaßt hat, bestehen insoweit „Wechselwirkungen“ zwischen dem Verfahren der Presseselbstkontrolle und dem gerichtlichen Verfahren, Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 220. Die Frage, ob aus dem Gedanken der Obliegenheit zur Schadensminderung das Gebot folgt, sich vor der Anrufung der Gerichte an den Deutschen Presserat zu wenden, so ansatzweise Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 63, stellt sich bisher nicht. Denn das Selbstkontrollverfahren ist mit gerichtlichen Verfahren nicht vergleichbar. Es wird aber nur das Unterlassen der Geltendmachung anerkannter Rechtsbehelfe als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht angesehen, BGHZ 90, 17 (32); BGHZ 110, 323 (330). Zudem liefe dies auf eine grundsätzliche Subsidiarität des gerichtlichen Rechtsschutzes hinaus, was nicht 709 710

D. Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz

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kontrolle an einer einheitlichen Linie: In manchen Fällen wird bei ausreichender Wiedergutmachung eine Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen;715 teilweise wird die Sanktion abgemildert;716 teils wiederum wird die Beschwerde für begründet erklärt, aber auf eine Sanktion verzichtet.717 Die erstgenannte Variante verstößt aber gegen Pressekodex und Beschwerdeordnung, vgl. Abs. 4 S. 2 Präambel zum Pressekodex, § 12 Abs. 3 BO und § 13 S. 1 BO. Ihre Anwendung sollte daher künftig unterbleiben. Zulässig sind mithin nur die beiden letzten Varianten.

2. Der Abdruck öffentlicher Rügen a) Ratio des Rügenabdrucks Wenn der Deutsche Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse eine öffentliche Rüge verhängt haben, ist diese insbesondere in dem betroffenen Publikationsorgan abzudrucken, Ziffer 16 Pressekodex,718 § 15 S. 1 BO, § 14 Abs. 2 BO sowie § 10 Abs. 3 Trägervereinssatzung. Der Sinn des Rügenabdrucks besteht darin, einen Dialog mit der Öffentlichkeit über Fairness in der Presseberichterstattung aufzunehmen, das Bemühen der Presse um die Wahrung journalistischer Standards zu dokumentieren und in Fällen, in denen Beschwerdeführern persönliches Unrecht zugefügt wurde, durch das öffentliche Bekenntnis zu dem Verstoß eine Art von Wiedergutmachung und Genugtuung zu leisten.719 Zudem wird die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Grenzen der Berichterstattung gezogen. Die Öffentlichkeit achtet stärker auf etwaige Verstöße und kann sie dem Deutschen Presserat mitteilen. Das ermöglicht es diesem wiederum, seinen Druck auf die Presse zu intensivieren und damit den Schutz der im Pressekodex verankerten ethischen Prinzipien präventiv zu stärken.720

mit dem Wesen der Selbstkontrolle zu vereinbaren ist, Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 220. 715 B 68 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 263; B 93 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 132 f. 716 B 93 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 132 f. 717 B 18 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 218 f.; B 16 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 141 f. 718 C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 144 Fn. 149 zählt Ziffer 16 Pressekodex nicht mehr zu den journalistischen Verhaltensregeln. Dieser Ausgliederung steht aber zum einen die systematische Verankerung im Pressekodex entgegen. Zum anderen spricht nichts dagegen, zu den journalistischen Verhaltensregeln auch die ethische Pflicht zu zählen, sich bei einem Verstoß gegen Pressekodex und / oder Richtlinien öffentlich dazu zu bekennen. Es handelt sich nur um keine primär, sondern um eine sekundär geltende Vorschrift, die eingreift, wenn die primären Verhaltensstandards verletzt wurden. 719 Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 7; Wiedemann, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 26 f. 720 Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 301.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

b) Inhalt und Form des Rügenabdrucks Auch wenn die „Pflicht“ zum Rügenabdruck an mehreren Stellen betont wird,721 finden sich kaum inhaltliche und formelle Vorgaben. Explizit vorgesehen ist lediglich, daß der Rügenabdruck aktualitätsnah zu erfolgen hat unter Angabe des zugrundeliegenden Sachverhalts und des verletzten publizistischen Grundsatzes, vgl. § 10 Abs. 1 S. 2 Trägervereinssatzung sowie den Wortlaut der Rügenabdruckvereinbarungen722 und Rl. 16.1. Vorschriften hinsichtlich Umfang, Form und Plazierung der Rüge finden sich dagegen ebensowenig wie ein Kommentierungsverbot. Zudem muß die Rüge nicht wörtlich wiedergegeben werden. Das ermöglicht es den Presseorganen, durch eine entsprechende inhaltliche und formale Ausgestaltung die Funktionen der Rüge zu unterlaufen und ihren Sinn sogar ins Gegenteil zu verkehren.723 c) Erfüllung der Abdruckverpflichtung Hinsichtlich des Rügenabdrucks hat, wie bereits erwähnt, ein Paradigmenwechsel stattgefunden:724 Die Sanktionen beanspruchen zwar nach hier vertretener Ansicht weiterhin keine Verbindlichkeit. Doch ist der Rügenabdruck nun rechtlich verpflichtend, wenn zwischen den Verlagen und dem Trägerverein des Deutschen Presserats eine entsprechende Vereinbarung geschlossen wurde. Während vor den Reformen von 2001 die Verweigerung des Rügenabdrucks bis auf einen etwaigen Ansehensverlust keine Folgen zeitigte, da es an Sanktionsmöglichkeiten fehlte, kann nun bei Bestehen einer Vereinbarung die daraus folgende Verpflichtung notfalls gerichtlich durchgesetzt werden.725 Eine unmittelbare Vollstreckung des Anspruchs ist damit zwar weiterhin nicht möglich. Es muß erst ein Vollstreckungstitel – regelmäßig durch den Gang vor Gericht und durch die Erwirkung eines obsiegenden Urteils – erlangt werden. Die fehlende justizförmige Ausgestaltung des Presseselbstkontrollverfahrens und die Gefahr des Akzeptanzverlusts seitens der Verlage lassen es aber momentan nicht als Manko erscheinen, daß bei Meinungsverschiedenheiten über den Rügenabdruck zusätzlich ein Gericht als unabhängige Instanz über den Anspruch entscheidet. Doch auch wenn der Deutsche Presserat damit theoretisch kein „zahnloser Tiger“ mehr ist,726 erscheint es unwahrscheinlich, daß er bald auf die ihm nun Siehe Teil 6 D II 2 a). Siehe Teil 5 F IV 2 b) aa). 723 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 64; Wiedemann, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 101 f.; Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 90; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 186. 724 Siehe Teil 5 F IV 2 c). 725 Siehe dazu insgesamt Teil 5 F IV 2 b). 726 So noch Wiedemann, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 102. 721 722

D. Verfahren und Sanktionen der Presseselbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz

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eröffneten Möglichkeiten zurückgreift. Denn die Austragung von Konflikten zwischen dem Deutschen Presserat und einer den Rügenabdruck verweigernden Zeitung oder Zeitschrift vor Gericht birgt die Gefahr in sich, daß das Selbstkontrollsystem scheitert. Die Verlage sind nämlich dann, wenn es zum äußersten, also zu einem Gerichtsverfahren kommt, unter Umständen nicht mehr bereit, sich weiterhin der Kontrolle durch den Presserat und durch seine Beschwerdeausschüsse zu unterwerfen; sie steigen im Gegenteil möglicherweise aus dem Selbstkontrollsystem aus. Es ist daher zu erwarten, daß der Deutsche Presserat bei der Durchsetzung der Abdruckverpflichtungen zurückhaltend agieren wird. Ein „Ausgleich“ für dieses Manko existiert momentan nicht. Die in ihrem Persönlichkeitsrecht Betroffenen können zwar ein Verfahren vor dem Deutschen Presserat einleiten. Ein eigenständiger Anspruch zur Durchsetzung des Rügenabdrucks steht ihnen aber bisher nicht zu.727 Zudem hängt die Verpflichtung immer noch vom guten Willen der Verlage ab. Eine Pflicht zum Rügenabdruck besteht nämlich erst, wenn die Presseunternehmen sich damit einverstanden erklärt haben. Das bedeutet natürlich auch, daß es Trittbrettfahrer gibt, die sich nicht an die presseethischen Regeln halten, aber von der Presseselbstkontrolle profitieren, da der Gesetzgeber wegen ihres weitgehenden Funktionierens auf ein Tätigwerden verzichtet.728 Probleme gibt es aber nicht nur bei der Durchsetzung des Rügenabdrucks. Selbst wenn die Verlage ihrer Pflicht nachkommen und eine gegen sie verhängte Rüge publizieren, ist die Wirkung der Sanktion begrenzt. Denn die Verpflichtung besteht nur für die Presseorgane, die unmittelbar gegen den Pressekodex verstoßen haben. Wenn die Meldung aber von weiteren Massenmedien verbreitet wurde, erhält der Großteil des Rezipientenkreises auch bei Abdruck der Rüge keine Kenntnis vom Verstoß gegen den Pressekodex und von seiner Sanktionierung.729

d) Fazit zu Punkt 2. Insbesondere beim Komplex des Rügenabdrucks bestehen noch zahlreiche Mängel und Probleme. Die anfangs dem Rügenabdruck zugeschriebenen Ziele und Funktionen können daher momentan nicht effektiv erreicht bzw. erfüllt werden.730

III. Zusammenfassung zu Abschnitt D. und Bewertung 1. Die Analyse der Charakteristika des Beschwerdeverfahrens und der Sanktionen hat Vorzüge und Schwächen im Hinblick auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts offenbart. Während die Ausgestaltung des Verfahrens in be727 728 729 730

Siehe Teil 5 F IV 2 b) bb). Münch, AfP 2002, 21. Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 54. A.A. Rübenach, Medien Dialog Nr. 3 / 1995, 16 f.; Barton, AfP 1995, 545.

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Teil 6: Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

wußter Distanzierung zu gerichtsförmigen Verfahren dem in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen mehr Vor- als Nachteile bietet, ist bei der Gremienbesetzung, den Entscheidungen der Presseselbstkontrolle und den Sanktionen vorwiegend der Verbesserungsbedarf augenfällig. So muß bei der Besetzung des Deutschen Presserats und der Beschwerdeausschüsse das Problem des Anscheins der Parteilichkeit gelöst werden. Bei den Entscheidungen bestehen Mängel im Hinblick auf Qualität, Kontinuität und Transparenz. Um diese zu mindern, sind zwar bereits Schritte unternommen worden. Unter anderem hat man, vor allem um die Diskontinuitäten zu verringern, eine Beschwerdedatenbank aufgebaut, die allen Mitgliedern des Presserats auf CD-Rom zur Verfügung steht und ihnen die Möglichkeit bietet, sich bei aktuellen Fällen an bereits erlassenen Entscheidungen zu orientieren.731 Zudem gibt es aufgrund der Arbeitsüberlastung des allgemeinen Beschwerdeausschusses Überlegungen, diesen in zwei Kammern aufzuspalten.732 Doch trotz dieser positiven Ansätze und Ideen besteht bezüglich der Entscheidungen weiterhin Reformbedarf. Auch bei den Sanktionen sind Verbesserungen erforderlich. Neben der Zurückhaltung bei der Verhängung öffentlicher Rügen sind besonders die mangelnde Transparenz und Kontinuität bei der Auswahl der Sanktionen zu kritisieren. Positiv zu vermerken ist zwar, daß der Rügenabdruck bei Abschluß entsprechender Individualvereinbarungen nun rechtlich verbindlich und gerichtlich durchsetzbar ist. Doch bleibt seine Breitenwirkung beschränkt. Zudem steht kaum zu erwarten, daß der Deutsche Presserat zum Mittel der gerichtlichen Durchsetzung greifen wird, so daß es empfehlenswert erscheint, Überlegungen anzustellen, ob ein einklagbares Recht auf Rügenabdruck nicht weiteren Personen zugestanden werden sollte. 2. Insgesamt lassen alle diese Mängel den Schluß zu, daß die mit Blick auf den Persönlichkeitsschutz relevanten Ziele des Beschwerdeverfahrens und der Sanktionen, nämlich Wiedergutmachung, Genugtuung und Prävention, nur teilweise erreicht werden. Zwar ist ein gewisser Wiedergutmachungs- und Genugtuungseffekt nicht zu leugnen, wenn ein Presseorgan im Rahmen des Presseselbstkontrollverfahrens von sich aus eine Richtigstellung oder Entschuldigung publiziert bzw. der Deutsche Presserat oder seine Beschwerdeausschüsse eine öffentliche Rüge erteilen.733 Denn es handelt sich dabei um ein öffentliches Eingeständnis von Fehlern durch die Presse selbst bzw. durch die Selbstkontrollinstanz der Presse und beinhaltet damit ein höheres Maß an Genugtuung als ein erzwungenes Urteil.734 Das schließt das Bemühen um eine weitere Effektuierung der Wiedergutmachungs- und Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 85. Schriftliche Auskunft des Geschäftsführers des Trägervereins des Deutschen Presserats vom 6. Juni 2003. 733 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 274 f.; Gerschel, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 45; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 198 f. 734 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 275. 731 732

E. Fazit zu Teil 6

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Genugtuungsfunktion jedoch nicht aus, insbesondere wenn man die Probleme beim Rügenabdruck berücksichtigt. Am wenigsten wird aber das Beschwerdeverfahren momentan seiner Präventivfunktion gerecht, da die intransparenten Entscheidungen und Diskontinuitäten den Presseschaffenden die Orientierung erschweren und so bei künftigem Handeln kaum richtungsweisend sein können.735 Angesichts dieser Defizite bei Beschwerdeverfahren und Sanktionen werden die Betroffenen die Presseselbstkontrolle anstelle des Gangs vor die Gerichte wohl nur dann eindeutig bevorzugen, wenn sie unbedingt die Öffentlichkeitswirkung eines Prozesses vermeiden wollen und wenn sie bereits durch eine Entschuldigung oder Richtigstellung durch das Presseorgan selbst respektive durch eine Sanktion des Presserats oder seiner Beschwerdeausschüsse zufriedengestellt sind.736

E. Fazit zu Teil 6 Die Untersuchung, inwieweit Pressekodex, Richtlinien, Spruchpraxis und Verfahren zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beitragen, hat kein einheitliches Bild ergeben. Rechtliche Bedenken bestehen zwar nicht. Doch wurde bezüglich der Effektivität der Presseselbstkontrolle im Hinblick auf Wiedergutmachung, Genugtuung und Prävention Verbesserungsbedarf festgestellt. Pressekodex und Richtlinien sind zwar per se nicht zu beanstanden.737 Sie gewähren trotz ihrer teilweise weiten Formulierungen sowohl in präventiver als auch in repressiver Hinsicht einen umfassenden Persönlichkeitsschutz, der regelmäßig den rechtlichen Standards entspricht bzw. über sie hinausgeht. Allerdings fehlt es unter den Presseschaffenden an einer ausreichenden Kenntnis von der Existenz bzw. vom Inhalt des Kodex. Auf die gleiche Schwierigkeit, d. h. auf ungenügendes Wissen der Presseangehörigen, trifft man auch bei der Spruchpraxis des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse zum Persönlichkeitsschutz. Hier wird das Problem noch durch weitere Mängel verschärft. Auch die Spruchpraxis lehnt sich weitgehend an die Rechtsprechung an. Das ist zwar ebenso wie bei Pressekodex und Richtlinien an sich nicht zu beanstanden, solange die Übernahme nicht kritiklos, sondern nach sorgfältiger Überlegung erfolgt. Denn es fördert die Akzeptanz auf Seiten von Beschwerdeführer und Beschwerdegegner, verhindert die Aktivierung grundrechtlicher Schutzpflichten und führt zu Ergebnissen, die auch regelmäßig vor Gericht Bestand haben werden. Einzelne Entscheidungen aus der Spruchpraxis sind jedoch C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 236 f. C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 236; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 275. 737 Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 178; Teichert, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 148. 735 736

25 Schwetzler

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durchaus kritisch zu sehen. Hinzu kommen Unsicherheiten infolge der Diskontinuitäten in der Spruchpraxis und infolge der Unklarheiten, die sich aus der fehlenden Ausdifferenzierung der Entscheidungskriterien sowie aus der oftmals zu knappen Begründung der Entscheidungen ergeben. Zudem werden die strukturellen Bedingungen, die zu Kodexverstößen führen, nicht hinreichend berücksichtigt, auch wenn anerkannt ist, daß wirtschaftlicher Konkurrenzdruck keine Entschuldigung für inkriminierendes Verhalten sein kann.738 Die daraus resultierenden Mängel im repressiven und insbesondere präventiven Schutz zeigen sich in ähnlicher Weise im Beschwerdeverfahren. Gremienbesetzung, Verfahren, Entscheidungen und Sanktionen weisen Defizite auf, die dazu führen, daß sie nur einen beschränkten Wiedergutmachungs- und Genugtuungseffekt zeitigen. Die Präventivfunktion entfällt sogar fast vollständig. Als Alternative oder Ergänzung zum rechtlichen Persönlichkeitsschutz sind daher Pressekodex, Richtlinien, Spruchpraxis und Verfahren momentan nur bedingt tauglich. Allerdings stellt es, wie Ruess zutreffend anmerkt, eine „praxisferne Pauschalierung“ dar, jegliche Selbstkontrolle als „Alibiveranstaltung“ zu brandmarken oder bei der Frage, wie man Lücken im Rechtsschutz schließen kann, zu ignorieren.739 Die Presseselbstkontrolle darf nicht pauschal als überflüssig deklariert werden. Auch das Strafgesetzbuch wird schließlich nicht deshalb in Frage gestellt, weil es gleichwohl immer noch Straftaten gibt. Die Legislative verfolgt mit Rechtsvorschriften das Ideal, durch die Androhung von Sanktionen Rechtsverletzungen zu verhindern; ebenso hält der Deutsche Presserat an seinem Ideal fest, daß die Verbreitung von Pressekodex und Richtlinien zusammen mit der Sanktion, ihre Verletzung öffentlich zu machen, auf die Einhaltung der ethischen Prinzipien hinwirken.740 Natürlich weist die Presseselbstkontrolle im Bereich des Persönlichkeitsschutzes trotz der jüngsten Reformen weiterhin Mängel auf. Doch besteht die Aufgabe eben darin, diese Defizite zu beheben. Welche Möglichkeiten hierfür in Betracht kommen, gilt es im abschließenden Kapitel zu untersuchen.

Di Fabio, AfP 1999, 130. Ruess, Jb.J.ZivRWiss. 2002, S. 227. 740 Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 209 f.; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 70. 738 739

Teil 7

Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle – insbesondere mit dem Ziel der Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes In den vorstehenden Abschnitten wurde die Presseselbstkontrolle durch den Deutschen Presserat vor allem mit Blick auf den Persönlichkeitsschutz einer kritischen Würdigung unterzogen. Eine umfassende Analyse von Pressekodex, Richtlinien, Spruchpraxis, Beschwerdeverfahren und Sanktionen ermöglichte es, die wesentlichen Mängel des gegenwärtigen Selbstkontrollsystems zu identifizieren. Die Frage, wie man diese ganz oder teilweise beheben und damit den Persönlichkeitsschutz verbessern kann, soll nun im letzten Abschnitt erörtert werden. Zu diesem Zweck erfolgen zunächst eine Präsentation der wichtigsten bereits zur Diskussion gestellten Reformmodelle und eine Prüfung ihrer Zulässigkeit bzw. Tauglichkeit. Anschließend wird das hier favorisierte Lösungskonzept vorgestellt und einer kritischen Würdigung im Hinblick auf seine rechtliche Zulässigkeit und Praktikabilität unterzogen.

A. Die Bandbreite der Reformvorschläge zur Presse(selbst)kontrolle Eine Diskussion über Probleme und Reformen der Presse(selbst)kontrolle fand in den letzten Jahren kaum statt.1 Im Vordergrund standen – und stehen auch gegenwärtig noch – Fragen der Aufsicht über die elektronischen Medien sowie der Reform dieser Aufsicht. Dabei ist eine konstante Zunahme der Bedeutung der (regulierten) Selbstregulierung zu verzeichnen.2 Erst in jüngster Zeit hat auch die 1 Viele ausführliche Untersuchungen datieren vom Anfang der 90er Jahre: Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992; Eisermann, Selbstkontrolle in den Medien: Der Deutsche Presserat und seine Möglichkeiten, 1993. 2 Siehe dazu allgemein Hoffmann-Riem / Schulz / Held, Konvergenz und Regulierung, 2000; v. Bonin, Die Kontrolle digitaler Kommunikationsinhalte, 2000; Holznagel, NJW 2002, 2351 ff. Zum Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV) siehe Bornemann, NJW 2003, 787 ff. Zum Vorschlag einer Stiftung Medientest, die die Medienkompe-

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

Debatte über die Presseselbstkontrolle sowie über deren Reformbedürftigkeit und -fähigkeit wieder Auftrieb erhalten und zur „Wiederbelebung“ von alten bzw. zur Entwicklung von neuen Lösungsansätzen geführt.3 Die bis dato vorgeschlagenen Neuerungen lassen sich in drei Gruppen unterteilen: Erstens werden Änderungen des bestehenden Presseselbstkontrollsystems vorgeschlagen, also eine Reform des Deutschen Presserats. Zweitens wird angeregt, eine Selbstkontrolle innerhalb der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage zu etablieren. Und Drittens gibt es Überlegungen, völlig neue (Selbst-)Kontrolleinrichtungen einzuführen, die sich weder auf das existierende Presseselbstkontrollsystem stützen noch innerhalb der Presseunternehmen verankert sind. Die wichtigsten der innerhalb der drei Gruppen vertretenen Vorschläge werden im folgenden vorgestellt und bewertet.

I. Änderungen des existierenden Systems der Presseselbstkontrolle 1. Gesetzliche Verankerung der Pflicht zum Rügenabdruck Einen Ansatz, um eine effektivere Presseselbstkontrolle zu etablieren, stellt die Empfehlung dar, die Pflicht zum Rügenabdruck gesetzlich zu verankern. Dabei haben sich zwei Varianten herausgebildet: Zum einen wird angeregt, die Pflicht zum Abdruck öffentlicher Rügen in den Landespressegesetzen zu verankern und die Verweigerung als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.4 Zum anderen wird vorgeschlagen, Berichterstattungsopfern einen gesetzlichen Anspruch auf Rügenabdruck zu gewähren, der ähnlich wie das Gegendarstellungsrecht im Verfahren der einstweiligen Verfügung durchsetzbar sein soll.5 Doch bestehen gegen diese Konzepte zum einen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken: Wenn die öffentliche Gewalt ihren Arm für solche Sanktionen leihen soll, muß ihr nämlich aus rechtsstaatlichen Gründen auch die Kontrolle des zugrundeliegenden Verfahrens offen stehen. Dies könnte jedoch leicht den ersten Schritt zur vollständigen Verstaatlichung der Presseselbstkontrolle bedeuten.6 tenz von Verbrauchern erhöhen soll, insbesondere indem sie die audiovisuellen Medienangebote analysiert und über die Ergebnisse der Untersuchungen Berichte publiziert, vgl. Krotz, in: Weßler u. a. (Hrsg.), Perspektiven der Medienkritik, 1997, S. 251 ff. 3 Vgl. u. a. C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999; Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 105 ff.; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002; Dietrich, Der Deutsche Presserat, 2002; Stürner, AfP 2002, 284 f. 4 Hauss, AfP 1980, 183; Raff, Journalist 1 / 1982, 20 f.; Herrmann, 58. DJT, Bd. 2, 1990, S. K 26; vgl. auch den ähnlich lautenden Vorschlag von Ruß-Mohl, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 16 f. 5 Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 36; Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 108. 6 Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 342; Deutscher Presserat, AfP 1990, 292; Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 34.3.

A. Die Bandbreite der Reformvorschläge zur Presse(selbst)kontrolle

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Zum anderen sprechen gegen diese Vorschläge aber auch praktische Erwägungen: Denn selbst wenn die Pflicht zum Rügenabdruck gegen den Willen der Presse eingeführt wird, könnten die an der Presseselbstkontrolle Beteiligten sie jederzeit unterlaufen, indem sie den Entscheidungskatalog oder die Spruchpraxis des Presserats modifizieren.7 Solange sich die mangelnde Akzeptanz der Presseselbstkontrolle aber noch an irgendeiner Stelle niederschlagen kann, besteht keine Möglichkeit, ihre Effektivität allein durch eine gesetzliche Verpflichtung zum Rügenabdruck zu erhöhen.8 Daher ist dieser Ansatz abzulehnen.

2. Allgemeinverbindlicherklärung der vom Deutschen Presserat aufgestellten Verhaltensregeln Entsprechend dem Vorbild des § 5 TVG, der es ermöglicht, Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären zu lassen, erscheint es erwägenswert, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, nach der auch die Verhaltensregeln, die der Deutsche Presserat aufgestellt hat, für allgemeinverbindlich erklärt werden können.9 Auf diese Weise wäre es möglich, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, da keine Gefahr mehr bestünde, daß Unternehmen Wettbewerbsnachteile gegenüber Mitbewerbern erleiden, wenn sie sich an die Verhaltensregeln halten.10 Das Demokratieprinzip verbietet es jedoch dem Staat, seine Bürger unbegrenzt der normsetzenden Gewalt autonomer Gremien auszuliefern, die ihm gegenüber nicht demokratisch oder mitgliedschaftlich legitimiert sind.11 Bei Tarifverträgen kann die Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung damit gerechtfertigt werden, daß sie „die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Koalitionen abstützen soll, indem sie den Normen der Tarifverträge zu größerer Durchsetzungskraft verhilft.“12 Auf die Presseselbstkontrolle ist das Verfahren nach § 5 TVG hingegen nicht übertragbar. Denn für diesen Bereich gibt es keine Ausnahmeregelung wie Art. 9 Abs. 3 GG, die das demokratische Defizit ausgleichen könnte. Daher würde die Allgemeinverbindlicherklärung der Verhaltensregeln gegen das Demokratieprinzip verstoßen.13 Wegen dieser verfassungsSuhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 72. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 284. 9 Der durch die Landespressegesetze für entsprechend anwendbar erklärte § 38a BDSG kann hierzu ebenfalls keinen Beitrag leisten, da auch er keine Ermächtigungsgrundlage für eine Allgemeinverbindlicherklärung enthält. 10 Roßnagel / Pfitzmann / Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts, 2001, S. 163. 11 BVerfGE 44, 322 (348); Roßnagel / Pfitzmann / Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts, 2001, S. 164; vgl. auch BVerfGE 33, 125 (156 ff.). 12 BVerfGE 44, 322 (342); Roßnagel / Pfitzmann / Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts, 2001, S. 164. 13 Ähnlich Roßnagel / Pfitzmann / Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts, 2001, S. 164 f. zur Unzulässigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung von Verhaltensregeln im Datenschutzrecht. 7 8

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

rechtlichen Bedenken besteht damit für weitergehende Überlegungen in diese Richtung kein Anlaß. 3. Schlichtungsverfahren (Mediation) vor dem Deutschen Presserat Münch hingegen setzt mit seinen Reformvorschlägen nicht bei den Sanktionen, sondern im Vorfeld an. Er sieht die Zukunft des Deutschen Presserats weniger im Treffen streitiger Entscheidungen am Ende des Beschwerdeverfahrens, sondern in einer Rolle als Vermittler und Schlichter. Daher plädiert er dafür, die außergerichtliche Schlichtung vor dem Deutschen Presserat auszubauen.14 Im Rahmen eines Mediationsverfahrens soll seiner Ansicht nach eine einvernehmliche Lösung im Konfliktverhältnis Presseunternehmen – Individuum unter Anleitung des Deutschen Presserats angestrebt werden. Dabei ist es charakteristisch für die Mediation, daß weniger eine Verhandlung über das Recht der Streitbeteiligten als über ihre Interessen erfolgt und daß der von den Parteien zur Konfliktbeilegung eingeschaltete unparteiische Mediator, also hier der Deutsche Presserat, keine eigene Entscheidungsgewalt hat. Sie verbleibt in jedem Verfahrensabschnitt bei den Parteien, d. h. bei Presseorganen und Berichterstattungsopfern.15 Die Resultate der Schlichtung sollen schließlich am Ende des Verfahrens in einer privatrechtlichen Vereinbarung festgehalten werden und könnten dann noch durch einen Anwaltsvergleich, § 796a ZPO, oder einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut, §§ 1029, 1053, 1054 ZPO, tituliert werden.16 Ein solches außergerichtliches Einigungsverfahren wiese zahlreiche Vorteile auf. So würde es lediglich eine zusätzliche Form der Konfliktbewältigung darstellen, d. h. es würde den gerichtlichen Rechtsschutz nicht verdrängen.17 Auch wäre diese Art der Schlichtung im Vergleich zum durch die Gerichte gewährten Schutz 14 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 286 f.; Münch, AfP 2002, 22; in diese Richtung auch Stürner, AfP 2002, 285 mit Fn. 39. 15 Gottwald, WM 1998, 1259 f.; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 288. 16 Münch, AfP 2002, 22. De lege ferenda schlägt Münch sogar vor, die gewonnenen Schlichtungsergebnisse gesetzlich als Vollstreckungstitel anzuerkennen, Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 301 ff. Es wäre auch überlegenswert, den Deutschen Presserat als außergerichtliche Gütestelle im Sinne der § 278 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 2 ZPO und § 15a EGZPO anzuerkennen, so ansatzweise Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 310. Solange allerdings Streitigkeiten wegen Ehrverletzungen durch Presse und Rundfunk nicht Gegenstand der Streitschlichtung sein können, § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EGZPO, und der Höchststreitwert bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten 750 Euro beträgt, § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGZPO, erscheint der Vorschlag zumindest für das Verfahren nach § 15a EGZPO wenig sinnvoll, siehe Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 292. 17 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 291; Prütting, in: Breidenbach / Henssler (Hrsg.), Mediation für Juristen, 1997, S. 62.

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schneller; sie könnte individueller ausgestaltet werden und zu inhaltlich adäquateren Entscheidungen führen, da die Bandbreite der Lösungsmöglichkeiten erheblich größer ist. Und schließlich hätte eine solche Einigung wohl eine größere Befriedigungsfunktion für die Betroffenen.18 Angesichts dieser positiven Aspekte ist der Vorschlag von Münch, die gütliche Streitbeilegung durch den Deutschen Presserat zu forcieren, auf jeden Fall zu unterstützen. Allerdings bietet die Mediation keine Lösung für die Situationen, in denen eine gütliche Einigung scheitert. Wenn das Beschwerdeverfahren vollständig durchgeführt werden muß, werden die festgestellten Mängel bei Pressekodex, Richtlinien, Spruchpraxis, „Hauptverfahren“ und Sanktionen doch wieder aktuell. Insoweit bedarf es folglich weiterer Reformen.

II. Unternehmensinterne Konzepte der Presseselbstkontrolle Neben Vorschlägen zur Reform des Deutschen Presserats wird auch über Möglichkeiten zur Selbstregulierung auf der Ebene des einzelnen Unternehmens nachgedacht. Hier kann die Selbstkontrolle vielerlei Gestalt annehmen. So ist es möglich, von den Verlagen aufgestellte Verhaltensrichtlinien z. B. über Verweisungen in die Arbeitsverträge einzubeziehen. Bei einem Verstoß drohen dann wegen Verletzung des Arbeitsvertrags arbeitsrechtliche Konsequenzen.19 Am häufigsten diskutiert wird aber die Einrichtung einer zusätzlichen Kontrollinstanz innerhalb des jeweiligen Presseunternehmens, insbesondere die Schaffung der Stelle eines zeitungsinternen Ombudsmannes respektive Pressebeauftragten.20 Er soll mit der Aufgabe betraut werden, Beschwerden aus dem Kreis der Leser sowie der Betroffenen zu behandeln und nach Möglichkeit eine gütliche Einigung herbeizuführen.21 Diese institutionalisierten Pressebeauftragten bzw. Ombudsmänner auf Unternehmensebene sind vorwiegend aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis bekannt.22 Doch auch in der Bundesrepublik Deutschland wurde in den 70er Jahren ein Modellversuch durchgeführt; allerdings war der Versuchszeitraum von einem Jahr für endgültige Befunde zu knapp.23 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 295. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 167; RußMohl, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 15; vgl. zur internen Selbstkontrolle auch Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 32 f. 20 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 221 ff.; Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 25; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 168. 21 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 25. 22 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 25; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 221 ff. 23 Dazu Stein, Die Institution des Pressebeauftragten, 1974, S. 13 ff., 32; Fischer / Breuer / Wolter, Die Presseräte der Welt, 1976, S. 152 ff.; kritisch zu dem Modellversuch Gehrhardt, AfP 1974, 679 f. 18 19

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

Der Vorteil der Institutionalisierung eines Pressebeauftragten liegt darin, daß dieser den Lesern schnell und unbürokratisch Hilfe anbieten und bei den Rezipienten allgemein um Verständnis für die Arbeit der Presse werben kann.24 Jedoch ist die Position des Presse-Ombudsmannes insofern problematisch, als er dem Druck seiner Stellung nur schwer längere Zeit standhalten kann, da er oftmals von den eigenen Kollegen angefeindet wird. Zudem fehlt es ihm an der persönlichen Unabhängigkeit von dem Presseorgan, zu dessen Überwachung er berufen wurde, was unter Umständen die Qualität der Entscheidungen negativ beeinflußt, zumindest aber den Anschein der Parteilichkeit erweckt. Daher können zeitungsinterne Pressebeauftragte bzw. Ombudsmänner die Arbeit eines Presserats eventuell in gewissem Rahmen ergänzen, aber nicht ersetzen.25

III. Externe Reformmodelle außerhalb der bestehenden Selbstkontrollstrukturen 1. Externer Ombudsmann bzw. Pressebeauftragter Neben der Vorstellung über die Institutionalisierung unternehmensinterner Pressebeauftragter gibt es auch Überlegungen, unternehmensexterne, unabhängige Ombudsmänner einzusetzen, die öffentlich bestellt werden. Zu ihren Aufgaben würde es insbesondere gehören, die Einhaltung publizistischer Verhaltenspflichten zu überwachen und Beschwerden über Verstöße nachzugehen. Zu diesem Zweck soll ihnen das Recht zustehen, von der Presse Informationen zu verlangen und veröffentlichungspflichtige Rügen zu erteilen.26 Die Effektivität einer solchen Einrichtung erscheint aber zweifelhaft, weil der Pressebeauftragte als „Ein-Mann-Überwachungsbehörde“ überfordert wäre.27 Zudem ist der Vorschlag mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verfassungsrechtlich bedenklich, da es sich dabei letztlich um eine Form der öffentlich-rechtlich organisierten Fremdkontrolle handelt. Denn auch wenn der Ombudsmann unabhängig agierte, würde die Kontrolle durch ihn im Ergebnis darauf hinauslaufen, daß eine staatliche Instanz Einfluß auf die Medien erhält.28 Daher ist die Institution eines öffentlich bestellten externen Pressebeauftragten abzulehnen. 24 Wiedemann, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 28. 25 Wiedemann, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 28; Gounalakis / Glowalla, AfP 1997, 775. 26 Stein, Die Institution des Pressebeauftragten, 1974, S. 41 f., 46 ff.; Thieme, DÖV 1980, 154; Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 346; Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 37 f. 27 Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 38. 28 Stark, Ehrenschutz in Deutschland, 1996, S. 207; kritisch auch Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 36 ff.

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2. Kontrolle durch mit gesellschaftlich relevanten Kräften besetzte Gremien Es werden auch Erwägungen angestellt, eine Mißbrauchsaufsicht in Gestalt von Presseausschüssen mit Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen einzurichten, um zu gewährleisten, daß Zeitungen mit einer marktbeherrschenden Position ausgewogen berichten.29 Bei Verletzung der Pflicht zur ausgewogenen Berichterstattung sollen diese Gremien das Recht haben, „Mißbilligungen“ auszusprechen, die das betroffene Blatt abdrucken müßte.30 Das Konzept der gesellschaftlichen Repräsentation, das ursprünglich für den Rundfunk entwickelt wurde,31 ist auf die Presse aber nicht übertragbar. Hier muß nämlich nicht fehlende Außenpluralität durch plurale Binnenstrukturen repräsentationsrechtlicher Art ausgeglichen werden.32 Zudem würden sich bei Übernahme des Modells die mit der Gremienbesetzung verbundenen Probleme, insbesondere die Gefahr der parteipolitischen Präponderanz und der etatistischen Infiltrierung,33 auch im Pressebereich stellen. Und schließlich bestehen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch verfassungsrechtliche Bedenken. Eine rein mit Vertretern gesellschaftlicher Gruppen besetzte Kontrolleinrichtung widerspräche nämlich dem Tendenzschutz und liefe auf eine staatlicherseits verfügte Fremdkontrolle hinaus, unabhängig davon, ob die Überwachung von Zuständigkeitsträgern des Staates selbst oder von staatlich berufenen Dritten ausgeübt wird.34 Aus diesen Gründen sollte eine Kontrolle der Presse durch mit gesellschaftlich relevanten Kräften besetzte Gremien nicht weiter erwogen oder gar verfolgt werden.35

3. Errichtung von Presse- bzw. Journalistenkammern Anders als das Modell der Pressekontrolle durch gesellschaftlich relevante Gruppen wird der Vorschlag, Presse- bzw. Journalistenkammern zu bilden, denen allein Presseschaffende angehören, vergleichsweise häufig diskutiert. Die Kam29 Ehmke, in: Ehmke u. a. (Hrsg.), FS Arndt, 1969, S. 113 f.; Entschließung zur Lage und Entwicklung der Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland, beschlossen auf dem Außerordentlichen Parteitag der SPD in Bonn 1971, in: Pruys / Schulze, Macht und Meinung, 1975, S. 120. 30 Ehmke, in: Ehmke u. a. (Hrsg.), FS Arndt, 1969, S. 114; siehe auch Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 300. 31 BVerfGE 12, 205 (261 f., 264); Ladeur / Gostomzyk, JuS 2002, 1148 f.; Bethge, in: Horn (Hrsg.), FS Schmitt Glaeser, 2003, S. 475 f. 32 Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 346 f. 33 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 125 m. w. N.; Bethge, in: Horn (Hrsg.), FS Schmitt Glaeser, 2003, S. 483 ff. ebenfalls m. w. N. 34 Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 359 f.; Bethge, in: Horn (Hrsg.), FS Schmitt Glaeser, 2003, S. 473 f. 35 I.E. so auch Stein, Die Institution des Pressebeauftragten, 1974, S. 47.

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

mern der freien Berufe, wie Ärztekammern und Rechtsanwaltskammern, dienen dabei als Vorbild. Die Aufgabe der Presse- bzw. Journalistenkammern bestünde insbesondere darin, verbindliche Regeln für den Berufsstand zu entwickeln sowie deren Einhaltung zu überwachen und durchzusetzen.36 Momentan sind Pressekammern zwar einfachgesetzlich durch die meisten Landespressegesetze verboten.37 Doch wird damit noch keine Aussage über ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit getroffen. Ob das Grundgesetz die Errichtung von Pressekammern erlaubt oder nicht, ist vielmehr streitig.38 Aber selbst wenn man Pressekammern als verfassungsrechtlich zulässig ansieht, ist kaum mit ihrer Etablierung zu rechnen. Die Ursache dafür liegt vornehmlich in den negativen Erfahrungen, die die Presse in der Zeit des Nationalsozialismus mit der damaligen berufsständischen „Selbstverwaltung“ gemacht hat,39 auch wenn sich die sachlichen Bedenken an sich als wenig stichhaltig erweisen, da bis auf den Namen praktisch keine Gemeinsamkeiten bestehen.40 Die Empfehlung der Errichtung einer Presse- bzw. Journalistenkammer ist aber aus diesem Grund zumindest rechtspolitisch von vornherein zum Scheitern verurteilt.41 4. Kollektivrechtliche Verbandskontrolle Auch die Errichtung eines Systems der kollektivrechtlichen Verbandskontrolle wird diskutiert. Die Tarifparteien würden danach auf tarifvertraglicher Grundlage, konkret auf der Basis einer Vereinbarung im Sinne des § 4 Abs. 2 TVG, eine „gemeinsame Einrichtung Presse-Selbstkontrolle“ instituieren, die Aufgaben der pressespezifischen Standesgerichtsbarkeit übernehmen soll.42 Gegen eine tarifvertragliche Organisation berufsständischer Presseselbstkontrolle spricht allerdings die Gefahr einer zu starken Verbandspolitisierung. Zudem 36 Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 344; vgl. zu den möglichen Befugnissen von Pressekammern und ihren Grenzen Bullinger, in: Löffler u. a., Presserecht, 4. Aufl. 1997, § 1 Rn. 184, 186 ff. 37 Siehe Teil 5 H III 1. 38 Von der Zulässigkeit von Presse- bzw. Journalistenkammern gehen u. a. aus Lahusen, ZRP 1976, 111 ff.; Thieme, DÖV 1980, 153 f.; Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 344 f., 354 ff.; Kriele, ZRP 1990, 109 ff.; Kriele, ZRP 1990, 291 f.; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 177 f.; Stark, Ehrenschutz in Deutschland, 1996, S. 207 ff.; Dietlein, in: Ziemske u. a. (Hrsg.), FS Kriele, 1997, S. 1182. Kritisch bzw. ablehnend hingegen Ricker, AfP 1976, 158 ff.; Ricker, ZRP 1976, 113 ff.; Ory, ZRP 1990, 289 ff.; Degenhart, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 545; Groß, Presserecht, 3. Aufl. 1999, Rn. 91; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 1, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 70; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 5 Rn. 72; Bethge, in: Horn (Hrsg.), FS Schmitt Glaeser, 2003, S. 474. 39 Bührke, DRiZ 1964, 75; Ricker, ZRP 1976, 114. 40 Thieme, DÖV 1980, 153; Stark, Ehrenschutz in Deutschland, 1996, S. 208. 41 Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 37. 42 Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 348.

A. Die Bandbreite der Reformvorschläge zur Presse(selbst)kontrolle

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wären nur die Mitglieder der tarifvertragsschließenden Parteien mit unmittelbarer Verbindlichkeit einer derartigen Einrichtung unterstellt, § 3 Abs. 1 TVG und § 4 Abs. 1, 2 TVG. Freie Mitarbeiter, die im Pressebereich vielfältige Funktionen ausüben, würden von diesem Modell nicht automatisch erfaßt. Auch könnten Außenseiter auf Arbeitgeberseite nicht zum Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung gezwungen werden. Das System erweist sich damit als derart lückenhaft, daß es in praxi nicht effizient greifen könnte.43 Abhilfe wäre allenfalls über § 5 TVG, die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, denkbar.44 Doch sind die Nachteile des Modells insgesamt so gravierend, daß es nicht weiter befürwortet werden sollte.

5. Berufsständische Kontrolle durch eine Vereinsoder Verbandsgerichtsbarkeit Gelegentlich findet sich auch der Vorschlag, einen eingetragenen Verein zu gründen, in dem die Presseunternehmen und sonstigen Presseangehörigen – anders als beim gegenwärtigen Presseratsmodell – selbst die Mitglieder stellen. Innerhalb des Vereins soll die konkrete berufsständische Kontrolle dann nach den Grundsätzen der Vereins- bzw. Verbandsgerichtsbarkeit organisiert werden. Zwar besteht auch hier das Problem, daß die Mitgliedschaft in der Vereinigung auf Freiwilligkeit basiert. Um zu große Lücken im System zu vermeiden, könnte man den vereinsangehörigen Presseunternehmen aber vorschreiben, die bei ihnen angestellten oder als freie Mitarbeiter beschäftigten Journalisten unabhängig von ihrer Vereinsmitgliedschaft durch einzelvertragliche Abreden den Kontrollkompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten der Einrichtung zu unterstellen.45 Allerdings hängt die Möglichkeit der einzelvertraglichen Unterstellung unter die Vereinsgerichtsbarkeit wiederum von der Kooperationsbereitschaft der Presseunternehmen ab. Insgesamt wäre diese Lösung aber von allen bisher vorgeschlagenen externen Reformmodellen noch am ehesten zu realisieren. Das System führte nämlich weder zu einer staatlichen Kontrolle, noch wäre es von der Tarifgebundenheit der Beteiligten abhängig. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht.46 Dennoch wird die Umsetzung in praxi wohl scheitern. Der Ansatz ist dem existierenden Modell der Presseselbstkontrolle zu ähnlich. Insbesondere gibt es hier wie dort Probleme mit Trittbrettfahrern. Die mit dem Wechsel verbundenen Vorteile sind daher insgesamt nicht als so erheblich einzustufen, daß ausreichend Unterstützung gefunden werden könnte, um das gegenwärtige Konzept abzuschaffen, auch wenn es gewisse Defizite aufweist. 43 Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 348 f., 354; Stark, Ehrenschutz in Deutschland, 1996, S. 206. 44 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 167 Fn. 949. 45 Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 352 ff. 46 Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 353 f.

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

6. Etablierung eines gemeinsamen Medienrates für sämtliche Medienbranchen Wegen der zunehmenden Konvergenz der Medien liegt der Gedanke nahe, einen gemeinsamen Medienrat, der für sämtliche Medienbranchen zuständig sein soll, zu gründen.47 Mögen sich die journalistischen Arbeitsmethoden in den verschiedenen Medienbranchen auch nicht gleichen, die ethischen Anforderungen an Journalisten im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz sollten keine Unterschiede aufweisen.48 Gegen die Errichtung eines gemeinsamen Medienrates auf gesetzlicher Grundlage sprechen jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Denn dies würde letztlich auf eine staatliche Kontrolle hinauslaufen, was zu Konflikten mit Art. 5 Abs. 1, 2 GG führt.49 Zudem müssen die Unterschiede zwischen Presse und audiovisuellen Medien bei Kompetenzen und rechtlichen Rahmenbedingungen beachtet werden. So sind Rundfunk und Mediendienste Ländersache, Art. 30 GG, Art. 70 GG, während für Telekommunikation und Presse Bundeskompetenzen bestehen, Art. 73 Nr. 7 GG, Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GG.50 Auch darf z. B. der Rundfunk wesentlich stärker ausgestaltet und reguliert werden als die Presse.51 Anstelle der Etablierung eines gemeinsamen Medienrates auf gesetzlicher Grundlage wäre aber eine Errichtung eines gemeinsamen Medienrates auf freiwilliger Basis erwägenswert. Doch läßt sich dies allenfalls langfristig realisieren, da in den gemeinsamen Medienrat Selbstkontrollsysteme mit unterschiedlicher Ausgestaltung und abweichenden Aufgabenbereichen integriert werden müßten.52 Für kurzfristige Änderungen zur Steigerung der Effektivität der Presseselbstkontrolle, insbesondere im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz, taugt das Modell daher nicht.53

IV. Zusammenfassung zu Abschnitt A. Die vorstehenden Erörterungen haben gezeigt, daß es eine Vielzahl von Reformvorschlägen zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes durch Presse(selbst)kontrolle gibt. Allerdings sind alle vorgestellten Konzepte mit einer Ausnahme aus rechtlichen oder praktischen Gründen abzulehnen. Vgl. Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 201. Gerschel, AfP 1993, 713. 49 Siehe bereits Teil 7 A III 1, 2 und 3. 50 Eberle, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 61. 51 Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 201. 52 Vgl. zu den Selbstkontrollsystemen in den verschiedenen Medienbrachen Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, in: Ukrow (Hrsg.), Die Selbstkontrolle im Medienbereich in Europa, 2000, S. 141 ff. 53 Kritisch zu einem gemeinsamen Medienrat auf freiwilliger Basis auch Eberle, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 61 f. 47 48

B. Problemlösung durch systemimmanente Reformen

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Die externen Reformmodelle laufen teilweise auf eine Fremd- statt Selbstkontrolle der Presse hinaus. Sie sind überwiegend als verfassungsrechtlich bedenklich, zumindest aber als untauglich einzustufen. Selbst die Lösungsansätze, bei denen diese Hindernisse nicht bestehen, werden wohl daran scheitern, daß sich angesichts der Existenz des Deutschen Presserats keine ausreichende Unterstützung für ihre Realisierung findet. Auch die unternehmensinternen Konzepte der Presseselbstkontrolle erweisen sich nicht als taugliche Alternativen. Sie können die externe Selbstkontrolle allenfalls ergänzen, aber nicht gleichwertig ersetzen. Von den schließlich beim Deutschen Presserat ansetzenden Reformvorschlägen ist die Allgemeinverbindlicherklärung der von dieser Selbstkontrolleinrichtung aufgestellten Verhaltensregeln wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abzulehnen. Auch eine gesetzliche Verankerung der Pflicht zum Rügenabdruck kann nicht befürwortet werden. Angesichts des entschiedenen Widerstandes der Presse gegen jegliche Form der staatlichen Reglementierung und Einflußnahme hat diese Idee unabhängig von der Frage ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit kaum Chancen auf Realisierung. Man sollte sich daher bei den Reformvorschlägen auf systemimmanente Verbesserungen möglichst ohne staatliche Beteiligung konzentrieren. Zu diesen gehört der Lösungsansatz von Münch, den Deutschen Presserat als Mediator einzusetzen.54 Allerdings sind mit seinem Vorschlag noch nicht die außerhalb des Vorprüfverfahrens bestehenden Probleme der Presseselbstkontrolle behoben. Dafür Lösungen aufzuzeigen, bildet die Aufgabe bzw. den Gegenstand des folgenden Abschnitts.

B. Lösung der Probleme der Presseselbstkontrolle durch systemimmanente Reformen Um die Effektivität und Akzeptanz der Presseselbstkontrolle zu steigern, werden im folgenden Vorschläge zur Behebung der bei Pressekodex, Richtlinien, Spruchpraxis, förmlichen Beschwerdeverfahren und Sanktionen festgestellten Mängel unterbreitet. Dabei stehen solche Empfehlungen im Zentrum, die den Persönlichkeitsschutz durch den Deutschen Presserat verbessern sollen. Eingedenk der Tatsache, daß Vorschläge, die eine – wenn auch nur indirekte oder periphere – staatliche Beteiligung vorsehen, wegen des Widerstandes der Presse kaum Realisierungschancen haben, konzentriert sich die Untersuchung auf systemimmanente Lösungen, die auf eine Mitwirkung des Staates so weit wie möglich verzichten.

54

Siehe Teil 7 A I 3.

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

I. Verbesserungen an Pressekodex und Richtlinien Bezüglich Pressekodex und Richtlinien für die publizistische Arbeit besteht kein unmittelbarer Verbesserungsbedarf.55 Das schließt natürlich nicht aus, Überlegungen zu ihrer weiteren Optimierung anzustellen. 1. Erweiterung des Anwendungsbereichs auf rechtlich nicht zu beanstandende, aber mißbilligenswerte Verhaltensweisen? Da die Presseselbstkontrolle nicht den durch Art. 5 Abs. 2 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG dem Staat gesetzten Grenzen unterliegt, könnte man erwägen, Pressekodex und Richtlinien inhaltlich dahingehend zu erweitern, daß sie verstärkt Persönlichkeitsbeeinträchtigungen für unzulässig erklären, die rechtlich (noch) nicht zu beanstanden sind, aber bereits mißbilligenswert erscheinen. Doch abgesehen davon, daß dies grundrechtliche Schutzpflichten zugunsten der Presse und der Rezipienten aktivieren und eine Haftung des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins auslösen könnte sowie die Akzeptanz der Presseselbstkontrolle bei den Presseschaffenden gefährden würde,56 wäre dadurch auch der Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit beeinträchtigt. Die Einbeziehung weiterer Wertungen würde nämlich das von der Rechtsprechung im Einzelfall hergestellte Gleichgewicht zwischen dem Persönlichkeitsschutz und der Pressefreiheit stören und ist daher prinzipiell abzulehnen.57 Nur wenn der Gesetzgeber wie im Bereich des Redaktionsdatenschutzes bewußt auf eine detaillierte Regelung zur Auflösung der Kollisionslage verzichtet und den Ausgleich der Presseselbstkontrolle überläßt oder wenn die presseethischen Prinzipien bloß vereinzelt über die rechtlichen Vorgaben hinausreichen, bestehen gegen eine Ausdehnung von Pressekodex und Richtlinien über die rechtlichen Anforderungen hinaus keine Bedenken. 2. Punktuelle Verbesserungen Dennoch bleibt Raum für punktuelle Änderungen: a) Erhöhung des Bekanntheitsgrades Insbesondere müßte der Bekanntheitsgrad von Pressekodex und Richtlinien bei den Presseschaffenden gesteigert werden, um die Zahl der Verstöße zu verringern, die aus Unkenntnis der presseethischen Grundsätze erfolgen.58 55 56 57 58

Siehe Teil 6 B III. Vgl. Teil 6 A und E. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 279. Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 178.

B. Problemlösung durch systemimmanente Reformen

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b) Steigerung der Regelungsdichte Zudem wäre der Erlaß von mehr konkretisierenden Richtlinien wünschenswert, vor allem bei Kodexziffern, wie Ziffern 9, 10 und 12 Pressekodex, zu denen bislang nur wenige oder gar keine Richtlinien existieren. So hat sich zum Ehrenschutz im Rahmen von Ziffer 9 Pressekodex inzwischen eine in den Grundzügen relativ konstante Spruchpraxis herausgebildet, die nun zumindest teilweise kodifiziert werden sollte. In einer Rl. 9.1 könnten die grundlegenden Maßstäbe für die Beurteilung von Tatsachenbehauptungen niedergelegt werden, z. B. mit folgender Formulierung: „Die Äußerung unwahrer bzw. nicht erwiesen wahrer ehrbeeinträchtigender Tatsachen ist unzulässig, es sei denn, die Presse hat wahrhaftig berichtet und die pressemäßige Sorgfalt gewahrt.“ Daneben sollte eine Rl. 9.2 für Werturteile geschaffen werden, die lauten könnte: „Die Zulässigkeit ehrbeeinträchtigender Meinungsäußerungen ist grundsätzlich im Rahmen einer Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit59 zu bestimmen. Absolute Grenzen bilden die Menschenwürde und die Schmähkritik.“ Mit diesen beiden Richtlinien wären die zum Ehrenschutz inzwischen unstreitig etablierten grundsätzlichen Entscheidungsmaßstäbe aufgezeigt, nämlich die prinzipielle Trennung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen, und die jeweils wichtigsten Kriterien für die Prüfung der presseethischen Zulässigkeit. Natürlich lassen die Vorschläge weiterhin sehr große Spielräume bei der Beurteilung ehrbeeinträchtigender Aussagen. Doch steht weiteren Konkretisierungen entgegen, daß die Spruchpraxis im Detail noch nicht ausreichend gefestigt ist. Derart weite Formulierungen sind zudem bereits als unbedenklich eingestuft worden.60

c) Fazit Insgesamt bleibt damit festzuhalten, daß, auch wenn kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht, eine Umsetzung der hier vorgeschlagenen punktuellen Verbesserungen im Hinblick auf Pressekodex und Richtlinien wünschenswert wäre.

59 Folgt man der hier vertretenen Ansicht, müßte für Meinungsäußerungen in der Presse anstatt der Meinungsfreiheit die Pressefreiheit einschlägig sein. 60 Siehe Teil 6 B III.

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

II. Änderungen in der Spruchpraxis des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse Es wurde bereits festgestellt, daß sich die Kriterien für die Feststellung von Persönlichkeitsverletzungen, die sich im Laufe der Jahre in der Spruchpraxis herausgebildet haben, überwiegend an die Rechtsprechung anlehnen und daß dagegen prinzipiell keine Bedenken bestehen.61 Eine im Vergleich zur Rechtslage generell strengere Spruchpraxis, wie sie Stürner für den Ehrenschutz befürwortet,62 ist abzulehnen. Sie würde unter anderem das Gleichgewicht zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit stören sowie die Akzeptanz der Presseselbstkontrolle bei den Presseschaffenden mindern.63 Aber auch wenn grundlegende Änderungen nicht erforderlich sind, besteht dennoch die Notwendigkeit, die Spruchpraxis zu reformieren. So bedarf die Bewertung, ob im Einzelfall eine Persönlichkeitsverletzung vorliegt, einer strengeren Handhabung. Zudem muß die Orientierungs- und Lenkungsfunktion der Spruchpraxis gesteigert werden. Dazu sind zunächst einmal die Wissensdefizite der Presseschaffenden über die ethischen Grundsätze und über ihre Anwendung in der Spruchpraxis zu verringern.64 Ferner bedarf es einer stärkeren Ausdifferenzierung der Beurteilungskriterien sowie der Behebung terminologischer Unsauberkeiten.65 Die Entscheidungen müssen zudem ausführlicher begründet werden, so daß sie leichter nachvollziehbar sind. Und schließlich ist es nötig, die in der Spruchpraxis auftretenden Diskontinuitäten zu verringern, wobei die neu etablierte Datenbank eine wertvolle Unterstützung darstellt.66 Werden diese Vorschläge umgesetzt, sollte aufgrund der verstärkten Ahndung von Persönlichkeitsverletzungen und der vermehrten Orientierungsmöglichkeiten für die Presseschaffenden sowohl der repressive als auch der präventive Persönlichkeitsschutz durch die Presseselbstkontrolle besser gewährleistet sein.

Siehe Teil 6 C III. Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 115 f. 63 Siehe Teil 6 A und C III sowie Teil 7 B I. 64 Siehe Teil 6 C III. 65 Siehe Teil 6 C III. 66 Siehe Teil 6 D III und Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 272. 61 62

B. Problemlösung durch systemimmanente Reformen

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III. Reform des Beschwerdeverfahrens 1. Die Gremienbesetzung a) Aufnahme fachfremder Persönlichkeiten in die Gremien Die gegenwärtige exklusive Besetzung des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse mit Pressevertretern läßt an der Unparteilichkeit, Effektivität und der Akzeptanz der Selbstkontrolleinrichtung zweifeln. Daher wurde bereits häufig vorgeschlagen, fachfremde Persönlichkeiten in die Gremien aufzunehmen.67 Die Einordnung als Selbstkontrolleinrichtung würde dadurch nicht ausgeschlossen.68 Es wäre auch für den Deutschen Presserat nichts völlig Neues, da vor der Krise und Neukonstituierung der Presseselbstkontrolle in den 80er Jahren bis zu fünf mit Pressefragen vertraute Personen kooptiert werden konnten und dem Beschwerdeausschuß zwischen 1977 und 1981 unabhängige Vorsitzende aus Richterkreisen vorstanden.69

b) Bewertung des Reformvorschlags Allerdings bestehen gegen die „Wiederbelebung“ dieses oder die Einführung eines ähnlichen Systems zahlreiche Einwände. So wird angeführt, daß die Besetzung mit fachfremden Dritten überflüssig sei, da es den Presseratsmitgliedern möglich sei, sich in die Lage der Betroffenen hineinzuversetzen.70 Auch hätten sich neutrale Vorsitzende nicht bewährt.71 Mit der personellen Erweiterung gehe zudem die Gefahr einher, daß versucht werde, externe Partikularinteressen in den Gremien durchzusetzen.72 Teilweise wird schließlich noch angeführt, daß die paritätische Besetzung mit Vertretern der Journalisten- und Verlegerseite zu institutionell angelegten Abstimmungspatts führe.73 Der letztgenannte Punkt ist allerdings inzwischen zumindest faktisch widerlegt. Weder im allgemeinen Beschwerdeausschuß noch im Plenum ist es in den letzten 67 Vgl. u. a. Hauss, AfP 1980, 183; Scholz, in: Lerche u. a. (Hrsg.), FS Maunz, 1981, S. 347 f.; Gerschel, AfP 1993, 715; Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 87 f.; Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 35; Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 108; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 280 f.; siehe auch Ruess, Jb.J.ZivRWiss. 2002, S. 229 f. zum Deutschen Werberat. 68 Siehe Teil 4 E. 69 Siehe Teil 5 E II und III 1. 70 Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 150. 71 Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 151. 72 Böhme, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 39; Giessler, Zehn Jahre Deutscher Presserat, 1966, S. 5. 73 Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 88 f.; Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 58.

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

Jahren zu „Bank-Entscheidungen“ gekommen. Die Repräsentanten der Verleger stimmen nicht grundsätzlich anders ab als die Vertreter der Journalisten.74 Auch im übrigen überzeugen die genannten Gegenargumente nicht, insbesondere wenn man die positiven Erfahrungen, die Selbstkontrolleinrichtungen im europäischen Ausland mit der Heranziehung fachfremder Persönlichkeiten gemacht haben, berücksichtigt75 und die mit der Reform verbundenen Vorteile betrachtet: So kann durch die Hinzuziehung branchenfremder Dritter neuer Sachverstand gewonnen und die Urteilsfähigkeit erhöht werden.76 Die Vermittlungsfunktion des Deutschen Presserats zwischen Presse und Öffentlichkeit würde gestärkt und die Gefahr bzw. der Anschein der fehlenden Neutralität und Unabhängigkeit gemindert.77 Dadurch wäre es möglich, das Vertrauen in die Arbeit des Deutschen Presserats und seine Akzeptanz zu steigern.78 Natürlich sind mit der Umsetzung des Vorschlags zahlreiche Probleme verbunden. So stellt sich die Frage, aus welchem Personenkreis und auf welche Weise die branchenfremden Persönlichkeiten ausgewählt werden sollen.79 Allerdings kann man sich insoweit an funktionierenden ausländischen Vorbildern, wie der PCC (Press Complaints Commission) im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland,80 orientieren oder an bereits früher mit Blick auf den Deutschen Presserat unterbreiteten Vorschlägen ausrichten, wie einer Ernennung durch den Bundespräsidenten aus einer Liste, die die Trägerverbände erstellen.81 Versuchsweise könnte man außerdem anfangs auch nur Beisitzer ohne Stimmrecht zulassen.82 Allerdings hat eine derartige „Demokratisierung der Selbstkontrolle“83 trotz ihrer unbestreitbaren Vorteile wegen des entschiedenen Widerstandes des Deut74 Schweizer, in: Rehbinder (Hrsg.), FS Herrmann, 2002, S. 150. Bezüglich des Beschwerdeausschusses Redaktionsdatenschutz liegen noch keine Angaben vor. 75 Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 87; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 97 f. zur Presseselbstkontrolle in Schweden; Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 196 f. und 279 zur Presseselbstkontrolle im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland. 76 Musialek, Press Council und Deutscher Presserat, 1980, S. 303. 77 Hauss, AfP 1980, 183. 78 Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 108. 79 Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 58 mit Fn. 293. 80 Dazu Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 196 f.: Die Ernennung der Mitglieder der Press Complaints Commission einschließlich der dort vertretenen Laien erfolgt durch eine fünfköpfige Appointments Commission, die sich aus zwei Mitgliedern aus den Reihen der Presse und drei Personen des öffentlichen Lebens zusammensetzt. 81 Siehe dazu Raff, Journalist 1 / 1982, 18, 20; Bermes, Der Streit um die Presse-Selbstkontrolle: Der Deutsche Presserat, 1991, S. 205; Wiedemann, Freiwillige Selbstkontrolle der Presse, 1992, S. 174. 82 Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 108. 83 Ruess, Jb.J.ZivRWiss. 2002, S. 230.

B. Problemlösung durch systemimmanente Reformen

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schen Presserats84 wohl kaum Realisierungschancen. Die Diskussion über Reformvorschläge darf sich daher nicht allein auf strukturelle Fragen konzentrieren, sondern muß auch das Verfahren und die Sanktionen einbeziehen.

2. Verfahrensausgestaltung Das Beschwerdeverfahren stellt sich für den Beschwerdeführer in vielerlei Hinsicht als vorteilhaft dar. Es ist nicht streng rechtsförmig und hebt sich damit positiv vom ordentlichen Rechtsweg ab, so daß diesbezüglich keine Anpassungen vorgenommen werden sollten.85 Zu bemängeln und damit reformbedürftig sind allein die begrenzten Recherchemöglichkeiten und die fehlende Transparenz.

a) Das Problem der begrenzten Recherchemöglichkeiten Soweit die Schwierigkeiten bezüglich der Recherche auf der mangelnden Befugnis des Deutschen Presserats bzw. seiner Beschwerdeausschüsse beruhen, Dritte zur Unterstützung bei der Sachverhaltsaufklärung zu verpflichten, wird man das Problem kaum beheben können. Denn dazu müßte die Presseselbstkontrolle mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet werden. Dies ist jedoch abzulehnen.86 Damit würde nämlich die Trennung von Presseselbstkontrolle und staatlicher Gewalt weitgehend aufgehoben. Auch widerspräche es dem anfangs genannten Ziel, Vorschläge für interne Reformen möglichst ohne staatliche Involvierung zu unterbreiten. Soweit umfassende Recherchen hingegen an der mangelnden Ausstattung der Presseselbstkontrollinstitution scheitern, könnte man zumindest eine finanzielle und personelle Aufstockung erwägen. Angesichts der wachsenden Anzahl der Beschwerdefälle87 dürfte es aber dennoch kaum möglich sein, die jeweils erforderlichen Recherchen durchzuführen, ohne das Verfahren erheblich in die Länge zu ziehen. Die vergleichsweise kurze Dauer stellt aber einen wesentlichen Vorteil des Beschwerdeverfahrens dar, der nicht aufgegeben werden sollte. Es erscheint daher vorzugswürdig, das Beibringen von Belegen auch künftig weitgehend den Beteiligten zu überlassen. Insgesamt lassen sich die Probleme bezüglich der Recherche folglich keiner befriedigenden Lösung zuführen. Angesichts der Nachteile, die mit den erörterten Reformvorschlägen verbunden sind, ist es vorzuziehen, insoweit die bestehenden Defizite hinzunehmen. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 69. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 277. C.-H. Soehring, Vorverurteilung durch die Presse, 1999, S. 241 tritt hingegen für eine rechtsförmigere Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens ein. 86 I.E. so auch Stürner, 58. DJT, Bd. 1, 1990, S. A 35. 87 Siehe Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 349. 84 85

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

b) Steigerung der Transparenz des Beschwerdeverfahrens Verbesserungsfähig ist hingegen die mangelnde Transparenz des Verfahrens. Zwar muß bei der Beteiligung der Öffentlichkeit beachtet werden, daß sie die freie Diskussion erschweren kann, so daß sorgfältig zu prüfen ist, an welchen Stellen das Publikum Zugang haben soll.88 Doch wird diesem Gesichtspunkt hinreichend Rechnung getragen, wenn allein die Aussprache in den Beschwerdeausschüssen und im Plenum öffentlich zugänglich ist und die eigentliche Beratung darüber, ob eine Sanktion verhängt wird bzw. welche Sanktion gewählt wird, unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet. Natürlich besteht auch bei einer derart begrenzten Öffentlichkeit die Gefahr von (erneuten) Persönlichkeitsbeeinträchtigungen des Betroffenen. Doch kann ausnahmsweise ein Ausschluß des Publikums vorgesehen werden, wenn besonders schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen Gegenstand des Verfahrens sind. Insgesamt würde die Umsetzung dieses Vorschlags die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz der Selbstkontrolle jedenfalls erhöhen, da sich auf diese Weise der Verdacht ausräumen ließe, daß die Beschwerde nicht objektiv behandelt wird.89 Daher sollten die Aussprachen in den aufgezeigten Grenzen künftig öffentlich stattfinden. 3. Die Entscheidungen der Selbstkontrollgremien Während bezüglich des Verfahrens kaum Verbesserungsbedarf besteht, trifft dies nicht auf die Qualität der Entscheidungen zu. Damit die Entscheidungsfindung für die Beteiligten nachvollziehbar wird, sollten die Entscheidungen künftig detaillierter begründet bzw. in ausführlicherer Form in den Jahrbüchern publiziert werden und sollte zudem häufiger eine explizite Auseinandersetzung mit den Argumenten von Beschwerdeführer und Beschwerdegegner stattfinden.90 Der monierten Fluktuation in den Gremien könnte man dadurch begegnen, daß die Dauer der Mitgliedschaft von gegenwärtig zwei Jahren91 verlängert wird. Das birgt allerdings die Gefahr, daß sich nicht mehr ausreichend Leute für die ehrenamtliche Arbeit finden lassen. Zudem ist eine mehrmalige Entsendung in den Deutschen Presserat und die Beschwerdeausschüsse zulässig,92 d. h. niemand wird daran gehindert, sich mehr als zwei Jahre zu engagieren. Der zuletzt erörterte Vorschlag kann also kaum zur Qualitätssteigerung beitragen und sollte daher nicht weiter verfolgt werden. Im übrigen sind Reformmodelle mit dem Ziel, die Arbeitsbelastung der Gremien zu senken und dadurch die Qualität der Ent88 89 90 91 92

Schulz / Held, Regulierte Selbstregulierung als Form modernen Regierens, 2002, S. D-5. Wiedemann, in: Hamm (Hrsg.), Verantwortung im freien Medienmarkt, 1996, S. 98. Siehe schon Teil 7 B II. Vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 Trägervereinssatzung und § 7 S. 3 GO. Siehe § 7 Abs. 3 S. 3 Trägervereinssatzung und § 7 S. 5 GO.

B. Problemlösung durch systemimmanente Reformen

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scheidungen zu verbessern, bei Beibehaltung der gegenwärtigen Organisationsstruktur kaum denkbar.93

IV. Optimierung des Sanktionssystems Den erfolgversprechendsten Ansatzpunkt zur Steigerung der Effektivität der Presseselbstkontrolle bildet das Sanktionssystem. Denn die Verhängung von Sanktionen, vor allem wenn sie öffentlich erfolgt, vermag die gewünschten präventiven und repressiven Effekte am ehesten herbeizuführen.

1. Die Sanktionen der Presseselbstkontrolle a) Anzahl der Sanktionen Die Notwendigkeit eines dreistufigen Sanktionssystems wurde bereits angezweifelt.94 Auch Münch kritisiert das existierende Sanktionssystem.95 Er spricht sich dafür aus, begründete Beschwerdefälle künftig nur noch mit einer öffentlichen Rüge abzuschließen und zugleich die Schwelle zur Begründetheit anzuheben. Soweit Münch dafür eintritt, das dreistufige Sanktionssystem abzuschaffen, ist ihm zuzustimmen. Der von ihm entwickelten Lösungsalternative kann allerdings nicht gefolgt werden. Eine Anhebung der Schwelle zur Begründetheit ist abzulehnen. Leichte Verstöße könnten sonst nicht mehr geahndet werden, d. h. Pressekodex und Richtlinien wären nicht mehr in der Lage, den Persönlichkeitsschutz umfassend zu gewährleisten. Auch würden eventuell Divergenzen zwischen Rechtsprechung und Spruchpraxis auftreten: Bestimmte Persönlichkeitsbeeinträchtigungen würden möglicherweise zwar als rechtswidrig eingestuft, aber nicht als Verstoß gegen die Presseethik. Für Betroffene verlöre damit das Verfahren vor dem Deutschen Presserat an Attraktivität. Zudem läßt Münchs Vorschlag, die öffentliche Rüge als einzige Sanktion vorzusehen, notwendige Differenzierungen vermissen. Zum Schutz der Berichterstattungsopfer muß bei schweren Persönlichkeitsverletzungen weiterhin eine nicht öffentliche Rüge möglich bleiben. Zwar profitieren davon auch rücksichtslos vorgehende Publikationsorgane, da sie auf diese Weise einer öffentlichen Rüge und 93 Allerdings gibt es Überlegungen, die organisatorische Struktur zu ändern und den allgemeinen Beschwerdeausschuß in zwei Kammern aufzuteilen, siehe Teil 6 D III. Doch ist auch die Realisierung dieses Reformmodells mit Schwierigkeiten verbunden. Insbesondere ergeben sich Gefahren für die Kontinuität der Spruchpraxis, denen nur begegnet werden kann, wenn zwischen den Kammern ein ausreichender Gedanken- und Erfahrungsaustausch stattfindet. 94 Siehe Teil 6 D II 1 a). 95 Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 260 f.; Münch, AfP 2002, 21.

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

den damit verbunden Konsequenzen entgehen.96 Dieses Problem könnte allerdings teilweise behoben werden, indem man bei schweren Persönlichkeitsverletzungen, die an sich eine nicht öffentliche Rüge nach sich zögen, die Wahl zwischen öffentlicher und nicht öffentlicher Rüge dem von der Berichterstattung Betroffenen überläßt, auch wenn er nicht Beschwerdeführer ist. Nur er kann entscheiden, ob eine öffentliche Rüge für ihn eine Genugtuung bedeutet oder eine zusätzliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts. Wenn das Berichterstattungsopfer eine öffentliche Rüge ablehnt oder sich nicht zu dem Fall äußert, muß allerdings angesichts der Schwere der Verletzung der Persönlichkeitsschutz Vorrang haben und daher eine nicht öffentliche Rüge ausgesprochen werden. Auch sollte, anders als Münch es vorschlägt, für leichtere Verletzungen weiterhin eine eigene Sanktion existieren. Eine Unterscheidung zwischen Mißbilligung und Hinweis ist wegen der geringfügigen Unterschiede zwar nicht notwendig. Die Mißbilligung sollte aber als Sanktion erhalten bleiben, damit auch künftig Differenzierungen nach der Schwere der Verletzung möglich sind. Natürlich besteht damit die Gefahr, daß der Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse die Beschwerdegegner schonen, indem sie statt öffentlicher Rügen Mißbilligungen verhängen.97 Das Risiko könnte allerdings dadurch gemindert werden, daß man die Verhängung öffentlicher Rügen als Regelfall vorsieht, so daß die Erteilung einer Mißbilligung die Ausnahme darstellt, die eigens begründet werden muß. Damit würde auch das Problem der Diskontinuitäten in der Spruchpraxis bei der Verhängung der Sanktionen weitgehend behoben.

b) Auswahl der Sanktionen Wenn dem eben entwickelten Lösungsmodell zu den Sanktionen nicht gefolgt wird, dann sollten der Deutsche Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse wenigstens entweder weitere Maßstäbe dafür entwickeln, wann sie welche Sanktion verhängen, oder die herangezogenen Kriterien endlich ausdrücklich in den Entscheidungsgründen nennen. Nur auf diese Weise können weitere Inkonsequenzen und die damit verbunden Unsicherheiten verhindert werden. Der in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzte wäre dann in der Lage, mit größerer Sicherheit einzuschätzen, ob die von ihm angestrebte Sanktion im Beschwerdeverfahren erreichbar ist. Auch der Beschwerdegegner wüßte, mit welcher Sanktion er zu rechnen hat und ob es ratsam ist, einem Vermittlungsversuch zuzustimmen. Der Druck auf ihn würde zudem noch steigen und die Attraktivität des Beschwerdeverfahrens für den Betroffenen erhöht, wenn die zurückhaltende Tendenz bei der Verhängung öffentlicher Rügen aufgegeben würde.

96 97

Minzberg, BILD-Zeitung und Persönlichkeitsschutz, 1999, S. 126 f. Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 260.

B. Problemlösung durch systemimmanente Reformen

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c) Die Wiedergutmachung Auch bezüglich der Voraussetzungen und Folgen der Wiedergutmachung bestehen Verbesserungsmöglichkeiten. So stellt bisher nicht nur eine eigene Veröffentlichung der Redaktion eine ausreichende Wiedergutmachung dar, sondern teilweise auch die Publikation von Leserbriefen des Betroffenen.98 Letzteres ist zwar durch die Beschwerdeordnung nicht verboten; doch sollten künftig Leserbriefe den Anforderungen nicht mehr genügen, da ihnen eine geringere Wirkung zukommt als einer eigenen Klarstellung durch das Presseorgan. Bei den Konsequenzen einer ausreichenden Wiedergutmachung sind ebenfalls Änderungen anzuraten. Zulässig ist es in dem Fall, die Sanktion zu mildern oder von ihr abzusehen.99 Von den beiden Varianten dürfte aber regelmäßig die zweitgenannte vorzugswürdig sein. Denn es stellt einen zusätzlichen Anreiz für die Verlage dar, sich um Wiedergutmachung gegenüber einem Berichterstattungsopfer zu bemühen, wenn die Sanktion nicht nur abgemildert, sondern gänzlich auf sie verzichtet wird. 2. Der Rügenabdruck a) Inhalt und Form des Rügenabdrucks Auch wenn der Abdruck öffentlicher Rügen nun für die Verlage, die eine Abdruckverpflichtung unterzeichnet haben, rechtlich verbindlich ist, reicht dies nicht aus, um den Rügenabdruck zu einem effektiven Instrument des Persönlichkeitsschutzes zu machen. Selbst bei Beachtung der bereits existierenden Vorgaben (aktualitätsnaher Abdruck unter Angabe des zugrundeliegenden Sachverhalts und des verletzten publizistischen Grundsatzes)100 kann durch eine entsprechende Gestaltung und Positionierung der Zweck der öffentlichen Rüge, nämlich Wiedergutmachung, Genugtuung und Prävention, unterlaufen werden; dies insbesondere deshalb, weil die im Kodex befindlichen Anforderungen nicht verbindlich sind.101 Sollten in der Spruchpraxis hinsichtlich des Rügenabdrucks strengere Vorgaben existieren, wäre auch dies als unzureichend anzusehen, da sie ebenfalls keine rechtliche Bindungswirkung entfalten. Eine Steigerung der Effektivität des Rügenabdrucks hat mithin an zwei Punkten anzusetzen:

Siehe Teil 6 D II 1 c). Vgl. Teil 6 D II 1 c). 100 Siehe Teil 6 D II 2 b). 101 Siehe Teil 6 D II 2 a) und b). 98 99

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

aa) Aufnahme der Vorgaben in die Rügenabdruckvereinbarung Zum einen müssen sich sämtliche Anforderungen ausdrücklich in der Rügenabdruckvereinbarung wiederfinden. Nur dann sind sie insgesamt verbindlich und können sie notfalls gerichtlich durchgesetzt werden.

bb) Konkretisierung der inhaltlichen und formalen Anforderungen Zum anderen ist es notwendig, präzisere inhaltliche und formale Vorgaben für den Rügenabdruck zu entwickeln. Dabei bietet sich eine Orientierung am Gegendarstellungsanspruch an. Zwar gibt es zwischen beiden Ansprüchen nicht zu übersehende Unterschiede.102 Doch muß sowohl beim Rügenabdruck als auch bei der Publikation einer Gegendarstellung der Gefahr begegnet werden, daß durch eine entsprechende Gestaltung der Zweck der Sanktion bzw. des Anspruchs verfehlt wird. Die korrekte Erfüllung der Veröffentlichungspflicht setzt beim Gegendarstellungsanspruch voraus, daß die Gegendarstellung „ – in der nach Eingang des Abdruckverlangens (bzw. nach Zustellung der die Abdrucksverpflichtung aussprechenden vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung) nächstfolgenden, für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe – im gleichen Teil und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text – unverändert, ohne Einschaltungen und Weglassungen – abgedruckt und verbreitet“103

wird. Entsprechende Anforderungen sollten auch für die Publikation öffentlicher Rügen gelten: Ein aktualitätsnaher Abdruck ist bei ihnen bereits vorgeschrieben. Wenn man dies eng auslegt und darunter die Veröffentlichung in einer der nächstmöglichen Ausgaben versteht, sind diesbezüglich keine Änderungen erforderlich. Um zu gewährleisten, daß derselbe Leserkreis und der gleiche Grad an Aufmerk102 U.a. unterscheiden sich schon Anlaß und Ziel. Das im Gegendarstellungsrecht angeführte Argument der Waffengleichheit kann beim Rügenabdruck nur bedingt herangezogen werden. Es ist für Fälle konzipiert, in denen sich ein von einer Veröffentlichung Betroffener mit einer eigenen Darstellung gegen die in der Publikation aufgestellten Tatsachenbehauptungen zur Wehr setzen will, siehe Teil 2 E I. Übertragen auf den Rügenabdruck kann das Argument somit allenfalls eingreifen, wenn sich unmittelbar Betroffene gegen eine Veröffentlichung wehren, nicht aber, wenn Dritte ein Beschwerdeverfahren einleiten. Daher steht beim Rügenabdruck der Gedanke der Effektivität im Hinblick auf die Funktionen der Wiedergutmachung, Genugtuung und Prävention im Vordergrund. Ferner handelt es sich bei der Gegendarstellung um eine eigene Aussage des Betroffenen, während beim Rügenabdruck eine Entscheidung des Presserats Gegenstand der Veröffentlichung ist. Auch darf sich der Gegendarstellungsanspruch nur gegen angeblich unwahre Tatsachenbehauptungen richten und selbst nur Tatsachenbehauptungen enthalten, wohingegen öffentliche Rügen wegen Tatsachenäußerungen und Werturteilen verhängt werden können und inhaltlich nicht auf die Wiedergabe von Fakten beschränkt sind. 103 Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 415.

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samkeit erreicht wird wie bei der beanstandeten Publikation, sollte die öffentliche Rüge zudem entsprechend den Vorgaben für Gegendarstellungen im gleichen Teil des Druckwerks, d. h. an gleichwertiger Stelle, und mit identischer Schrift veröffentlicht werden.104 Zusätzlich müßte eine Überschrift wie „Öffentliche Rüge durch den Deutschen Presserat“ verbindlich vorgeschrieben sein. Denn wenn die Überschrift neutral formuliert ist oder vollständig fehlt, besteht die Gefahr, daß die Leser von einem gewöhnlichen redaktionellen Beitrag ausgehen.105 Inhaltlich dürfen die Anforderungen sich außerdem künftig nicht mehr auf den Abdruck des zugrundeliegenden Sachverhalts und der verletzten Kodexziffer beschränken. Die öffentliche Rüge ist vielmehr wörtlich und ungekürzt wiederzugeben.106

cc) Insbesondere: Der „Redaktionsschwanz“ Zu klären bleibt abschließend noch, inwieweit redaktionelle Anmerkungen (sogenannte Glosse oder „Redaktionsschwanz“)107 erlaubt sein sollen. Im Gegendarstellungsrecht sind sie grundsätzlich zulässig. Auch beim Rügenabdruck sollte man sie nicht verbieten. Die Ausgangslage ist zwar nicht identisch. Denn bei einer öffentlichen Rüge steht die Verletzung des Pressekodex bzw. der Richtlinien fest, während bei einer Gegendarstellung die Unwahrheit der beanstandeten Behauptung nicht bewiesen sein muß, so daß im letztgenannten Fall eher eine Berechtigung des Presseorgans zu redaktionellen Anmerkungen bejaht werden kann. Dennoch sollte man auch bei öffentlichen Rügen der Presse Glossierungen erlauben,108 um ihr eine Gelegenheit zur Stellungnahme gegenüber den Lesern einzuräumen. Allerdings müssen die Voraussetzungen ähnlich streng ausgestaltet sein wie im Rahmen des Gegendarstellungsrechts, damit keine Entwertung der öffentlichen Rüge durch die Glossierung erfolgt.109

104 Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 421, 425 zum Gegendarstellungsrecht. 105 So zum Gegendarstellungsanspruch Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 430. 106 Wiedemann, RuF 42 (1994), S. 91; Wiedemann, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 26. 107 Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 435. 108 A.M. Wiedemann, in: Mestmäcker (Hrsg.), Selbstkontrolle und Persönlichkeitsschutz in den Medien, 1990, S. 26. 109 Vgl. zu den Grenzen der Glossierung bei Gegendarstellungen Prinz / Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 657 f. und Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 435 ff.

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b) Erweiterung der Gruppe der Anspruchsberechtigten aa) Festlegung des Kreises der Anspruchsinhaber Der Deutsche Presserat hat zwar nun die Möglichkeit, im Falle der Verweigerung des Rügenabdrucks die Verpflichtung gerichtlich durchzusetzen. Allerdings ist nicht zu erwarten, daß er bald von seinem Recht Gebrauch macht.110 Daher sollte die Befugnis, den Rügenabdruck durchzusetzen, künftig nicht nur beim Deutschen Presserat liegen. Diesem muß zwar weiterhin ein Anspruch auf Rügenabdruck zustehen, da er für das Verfahren der Presseselbstkontrolle und damit auch für die Sanktionen und ihre Durchsetzung verantwortlich ist, vgl. § 9 Nr. 1, 2, 6 Trägervereinssatzung. Aber auch den in ihrem Persönlichkeitsrecht Verletzten111 sollte unter gewissen Voraussetzungen künftig ein Anspruch auf Rügenabdruck gewährt werden. Schließlich geht es um die Verletzung ihrer Rechte. Daher reicht es nicht aus, daß sie ein Verfahren vor dem Deutschen Presserat anstrengen können. Sie müssen vielmehr auch die Möglichkeit erhalten, die dort getroffenen Entscheidungen selbst durchzusetzen, zumindest wenn eine öffentliche Rüge verhängt wurde. Damit würde ihre Stellung gegenüber dem Beschwerdegegner gestärkt und zugleich eine Absicherung geschaffen für den Fall, daß der Deutsche Presserat nicht bereit ist, selbst zur Durchsetzung des Anspruchs auf Rügenabdruck aktiv zu werden. Der Kreis der in ihrem Persönlichkeitsrecht Verletzten bestimmt sich dabei nach den „materiellen“ presseethischen Grundsätzen.112 Allerdings sollte dieses Recht nur denjenigen Betroffenen zugestanden werden, die das gesamte Beschwerdeverfahren von der Einleitung bis zur Entscheidung durchlaufen haben. Denn zum einen muß sich der Beschwerdegegner von Beginn des Verfahrens an darauf einstellen können, wem gegenüber er eventuell neben dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein zum Rügenabdruck verpflichtet ist. Zum anderen sollen auch nur die Betroffenen, die ein Beschwerdeverfahren einleiten und sich den damit verbundenen Mühen sowie dem Risiko einer „Niederlage“ aussetzen, die am Ende des Verfahrens verhängten Sanktionen durchsetzen dürfen. Siehe Teil 6 D II 2 c). Ob den von der Presseberichterstattung Betroffenen über die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinaus ein Anspruch auf Abdruck öffentlicher Rügen zustehen soll, z. B. bei einem Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, ist nicht Gegenstand der Untersuchung. Doch spricht zumindest in dem genannten Beispiel nichts dagegen. 112 Siehe Teil 6 B II und C II 1. Bei der Analyse des Ehrenschutzes nach Ziffer 9 Pressekodex durch den Deutschen Presserat wurde zwar festgestellt, daß der Kreis der Betroffenen teilweise weiter gezogen wird als in der Rechtsprechung. Doch wurde bereits eine restriktivere Handhabung empfohlen, siehe Teil 6 C II 1. Das gilt auch für andere Bereiche des Persönlichkeitsschutzes, falls der Deutsche Presserat dort einen im Vergleich mit der Rechtslage weiteren Betroffenenbegriff verwendet. Der Kreis der Betroffenen ist damit hinreichend eingegrenzt, so daß sich der Beschwerdegegner nicht einer unübersehbaren Zahl potentieller Anspruchsteller gegenübersieht. 110 111

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Dritten hingegen, die nicht selbst in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt sind, muß ein eigenes Recht auf Rügenabdruck verweigert werden. Sie können zwar ein Verfahren vor dem Deutschen Presserat einleiten, was dessen faktische Kontrollmöglichkeiten erheblich erweitert. Aber auch wenn ein derartiger Anspruch rechtlich konstruierbar wäre, sollten sich Dritte nicht so weitgehend zum Sachwalter fremder Interessen aufschwingen dürfen. Ein berechtigtes Interesse an einem solchen Anspruch steht allein dem Betroffenen und dem Deutschen Presserat zu. Denn für den Betroffenen geht es um die Durchsetzung der wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts verhängten Sanktion. Der Deutsche Presserat wiederum ist als Selbstkontrollinstanz der Presse für das Verfahren samt Sanktionen verantwortlich, vgl. § 9 Nr. 1, 2, 6 Trägervereinssatzung. Neben dem Deutschen Presserat darf daher nur den in ihrem eigenen Persönlichkeitsrecht Verletzten ein Anspruch auf Rügenabdruck zustehen. Allerdings müssen sie dazu das gesamte Beschwerdeverfahren durchlaufen haben. bb) Rechtliche Konstruktion Die prinzipielle Befürwortung des Vorschlags, den Kreis der Anspruchsberechtigten zu erweitern, führt zu der Folgefrage, wie diese Reform umgesetzt werden kann. Da hier eine interne Lösung weitgehend ohne staatliche Beteiligung favorisiert wird, scheidet der Weg über eine gesetzliche Normierung aus. Ein Anspruch der Betroffenen läßt sich also nur über Verträge konstruieren. (a) Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte? Eine Lösung über einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist nicht möglich, da es sich beim Rügenabdruck um die vertragliche Hauptleistung handelt, ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte aber keinen klagbaren Leistungsanspruch gewährt. Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte soll allein vor den Folgen der Schlechterfüllung vertraglicher Pflichten schützen.113 (b) Möglicher Anspruch aus einem Vertrag zugunsten Dritter Ein eigenes Forderungsrecht des Betroffenen könnte sich aber aus einem Vertrag zugunsten Dritter ergeben, § 328 Abs. 1 BGB.114 Auch einseitig verpflichtende Verträge, in denen der Dritte lediglich bestimmbar und das in Rede stehende Recht bedingt ist, können Verträge zugunsten Dritter sein.115 Vorstellbar ist es daher, eine neue Rügenabdruckvereinbarung zwischen den Parteien zu konzipieren, in der 113 Gottwald, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 2a, 4. Aufl. 2003, § 328 Rn. 107 f.; siehe bereits Teil 5 F IV 2 b) bb). 114 Sogenannter echter Vertrag zugunsten Dritter, siehe Teil 5 F IV 2 b) bb). 115 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 328 Rn. 1, 2, 4.

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

neben dem Deutschen Presserat auch den in ihrem Persönlichkeitsrecht Verletzten ein Anspruch auf Abdruck der gegen den Beschwerdegegner verhängten öffentlichen Rügen zugestanden wird, sofern die Betroffenen selbst das Beschwerdeverfahren durchlaufen haben. Das Forderungsrecht des Versprechensempfängers, also des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins, sollte daneben bestehen bleiben, vgl. § 335 BGB. Denn der Deutsche Presserat verfolgt anders als der Betroffene nicht allein das Ziel des Individualschutzes, sondern zusätzlich und sogar vornehmlich den Zweck, Mißstände im Pressewesen festzustellen und auf deren Beseitigung hinzuwirken. Diese Aufgabe könnte er nicht mehr effektiv wahrnehmen, wenn allein dem Dritten ein Forderungsrecht zustünde. Aber auch wenn es sich bei dieser Konstruktion auf den ersten Blick um einen tauglichen Lösungsansatz handelt, muß er im Ergebnis zumindest aus zwei Gründen abgelehnt werden. Zum einen ist es dem Dritten möglich, die Schuld mit Wirkung gegen den Versprechensempfänger, also den Deutschen Presserat, zu erlassen.116 Diese Befugnis steht aber im Widerspruch zu der Tatsache, daß der Anspruch auch der Durchsetzung der Belange des Deutschen Presserats dient und nicht nur derjenigen des Betroffenen. Zum anderen kann der Deutsche Presserat nur die Leistung an den Dritten verlangen, nicht aber an sich, obwohl er dieses Recht auch im eigenen Interesse und nicht nur zugunsten des Dritten geschaffen hat.117 Aus diesen Gründen sollte eine Lösung gesucht werden, die nicht auf einem Vertrag zugunsten Dritter basiert. (c) Anspruch aus einer Vereinbarung zwischen dem in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen und dem Beschwerdegegner Vorzugswürdig erscheint es statt dessen, neben den Verträgen zwischen dem Trägerverein des Deutschen Presserats und den Presseverlagen jeweils eigenständige Vereinbarungen zwischen den Betroffenen und den Verlagen abzuschließen. Als Antrag, vgl. § 145 BGB, könnte eine neu formulierte Rügenabdruckverpflichtungserklärung dienen. In dieser müßten sich die Publikationsorgane bzw. ihre Rechtsträger neben dem Deutschen Presserat auch gegenüber den von der Presseberichterstattung Betroffenen, die wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts ein Verfahren vor dem Deutschen Presserat durchgeführt haben, verpflichten, gegen sie ausgesprochene Rügen zu veröffentlichen. Fraglich ist allerdings, ob diese Erklärung ausreicht, um darin neben dem Angebot an den Deutschen Presserat bzw. an seinen Trägerverein auch einen tauglichen Antrag an den jeweils Betroffenen zu sehen. Ein Angebot setzt voraus, daß Gegen116 Gottwald, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 2a, 4. Aufl. 2003, § 328 Rn. 29; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 217 f.; str. 117 Vom Ergebnis her macht es zwar kaum einen Unterschied, ob der Deutsche Presserat den Rügenabdruck für den Dritten oder für sich fordert. Doch widerspricht es dem Zweck der Presseselbstkontrolle, wenn der Deutsche Presserat ausschließlich für den Dritten agiert, obwohl er selbst ein berechtigtes Interesse am Rügenabdruck hat.

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stand und Inhalt des Vertrags so bestimmt oder bestimmbar sind, daß die Annahme durch ein einfaches Ja erfolgen kann.118 Dazu muß neben dem Leistungsgegenstand, hier dem Abdruck von wegen Persönlichkeitsverletzungen verhängter öffentlicher Rügen, auch der Vertragspartner prinzipiell feststehen.119 Dessen Konkretisierung erfolgt aber nach der hier vorgeschlagenen Lösung erst am Ende des Beschwerdeverfahrens, wenn der Deutsche Presserat eine öffentliche Rüge wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers verhängt.120 Doch auch in solchen Fällen kann bereits ein Antrag auf Abschluß eines Vertrages vorliegen.121 Davon ist hier auszugehen. Denn der Sinn der Erklärung besteht darin, den Antragenden durch die Zustimmung des Erklärungsempfängers sofort zu verpflichten,122 damit letzterer umgehend das Recht erhält, seinen Anspruch durchzusetzen. Schutzbedürftige Belange des Antragenden, also des jeweiligen Verlags, stehen dem nicht entgegen, da er die Erweiterung der Rügenabdruckverpflichtungserklärung schließlich nicht akzeptieren muß. Er kann sie streichen und damit ein Angebot an den Betroffenen verhindern. Daher besteht auch der erforderliche Rechtsbindungswille, wenn die neue Verpflichtungserklärung zum Rügenabdruck von den Verlagen nicht geändert wird, so daß sie nicht nur gegenüber dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein, sondern auch gegenüber dem in seinem Persönlichkeitsrecht verletzten Beschwerdeführer einen tauglichen Antrag darstellt. Das Angebot wird dann durch den Deutschen Presserat als Erklärungsboten123 zusammen mit der Mitteilung über den Ausgang des Verfahrens124 an den Betroffenen weitergeleitet und mit dem Zugang wirksam, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 145 Rn. 1. Wolf, in: Soergel, BGB, Bd. 2, 13. Aufl. 1999, § 145 Rn. 4. 120 Es handelt sich dabei nicht um einen Fall der §§ 315 ff. BGB, insbesondere 317 ff. BGB, da diese Vorschriften voraussetzen, daß bereits eine Vereinbarung geschlossen ist, Gottwald, in: Rebmann u. a. (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 2a, 4. Aufl. 2003, § 315 Rn. 12 und § 317 Rn. 1. 121 Wolf, in: Soergel, BGB, Bd. 2, 13. Aufl. 1999, § 145 Rn. 4, 6; Hefermehl, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, § 145 Rn. 4; siehe auch OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 19 (19). Sollte man die hier vorgeschlagene reformierte Rügenabdruckerklärung als zu unbestimmt für ein Vertragsangebot erachten, vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 145 Rn. 1, bliebe noch die Möglichkeit, in die Rügenabdruckerklärung eine Vollmacht für den Deutschen Presserat bzw. seinen Trägerverein aufzunehmen, damit er im Namen des jeweiligen Publikationsorgans eine Vereinbarung mit den Betroffenen schließen kann, §§ 164 ff. BGB. 122 Vgl. Hefermehl, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, § 145 Rn. 4. 123 Der Deutsche Presserat fungiert nicht als Vertreter, da es an einer Bevollmächtigung durch eine der beiden Parteien fehlt, und auch nicht als Empfangsbote, da er vom Empfänger der Erklärung nicht zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt wurde und auch nicht nach der Verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist, Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 130 Rn. 8 f. 124 Vgl. § 12 Abs. 5 BO und § 14 Abs. 1 BO. 118 119

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Annahme des Angebots und damit der Vertragsschluß kann erfolgen, ohne daß die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, § 151 S. 1 BGB. Es handelt sich bei diesem Vertrag wie bei der Vereinbarung mit dem Trägerverein um einen einseitig verpflichtenden Vertrag. Allerdings liegt kein Dauerschuldverhältnis vor, da hier eine einmalige Leistung Gegenstand der Vereinbarung ist, nämlich der Abdruck der öffentlichen Rüge, die gegen den Beschwerdegegner wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers ausgesprochen wurde.125 cc) Erfüllung der aus der Vereinbarung resultierenden Verpflichtung Wenn ein Presseorgan öffentlich gerügt wurde, ist es im Falle der Unterzeichnung der Rügenabdruckvereinbarung zur Publikation der öffentlichen Rüge verpflichtet. Nach der hier vorgeschlagenen Lösung besteht die Pflicht künftig nicht mehr nur gegenüber dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein, sondern auch gegenüber dem in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzten, der ein Beschwerdeverfahren durchgeführt hat. Sollte im Rahmen des Beschwerdeverfahrens allerdings gegen Bestimmungen verstoßen worden sein, die (auch) dem Schutz des Beschwerdegegners dienen und deren Verletzung für die Entscheidung ursächlich gewesen ist, erlischt die Abdruckverpflichtung.126 Heinrichs, in: Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, § 314 Rn. 2. Da dem Verlag nun der Betroffene und der Deutsche Presserat gegenüberstehen, liegt eine Gläubigermehrheit vor. Von den im Bürgerlichen Gesetzbuch dazu normierten Formen kommt hier allenfalls eine sogenannte Gesamtgläubigerschaft in Betracht, §§ 428 ff. BGB. Sie ist gegeben, wenn mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt sind, daß jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist, § 428 S. 1 BGB. Da sowohl der Anspruch auf Rügenabdruck des Betroffenen als auch derjenige des Deutschen Presserats durch den gleichen Akt der Erfüllung erlöschen, handelt es sich im vorliegenden Fall zunächst einmal um eine „Tilgungsgemeinschaft“. Dies begründet für sich allein aber noch keine Gesamtgläubigerschaft, Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, § 428 Rn. 1, 15. Mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung kann eine solche hier nur angenommen werden, wenn eine innere Verbundenheit besteht, die das zwischen den Gläubigern entstehende Verteilungs- und Gesamtrisiko rechtfertigt, Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, § 428 Rn. 2. Zwischen den (bis auf den Anspruchsinhaber) identischen Ansprüchen gibt es zwar eine gewisse innere Verbindung, da beiden das Ziel des Persönlichkeitsschutzes inhärent ist, wenn auch der Deutsche Presserat noch weitergehende Zwecke verfolgt. Doch sollten ein Erlaß, §§ 429 Abs. 3 S. 1, 423, 397 Abs. 1 BGB, oder sonstige Erfüllungssurrogate keine Gesamtwirkung haben, da auf diese Weise die zusätzliche Absicherung der Durchsetzbarkeit des Rügenabdrucks, die durch die Erhöhung der Gläubigerzahl angestrebt wurde, unterlaufen wird. Die Möglichkeit, einen Erlaß mit Gesamtwirkung herbeizuführen, ist aber entscheidend für die Frage, ob eine sogenannte „echte“ Gesamtgläubigerschaft vorliegt, Rütten, Mehrheit von Gläubigern, 1989, S. 182 f. Sie ist nämlich nur anzunehmen, wenn alle Vorschriften der §§ 428 ff. BGB anwendbar sind, Rütten, Mehrheit von Gläubigern, 1989, S. 173. Daher wurde hier keine „echte“ Gesamtgläubigerschaft begründet. Man kann allenfalls von einer „unechten“ Gesamtgläubigerschaft sprechen, Rütten, Mehrheit von Gläubigern, 1989, S. 173 ff.; Ehmann, in: Erman, BGB, Bd. 1, 10. Aufl. 2000, § 428 Rn. 3 und § 429 Rn. 3. 125

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dd) Gerichtliche Durchsetzung (a) Klage und Vollstreckung Weigert sich das Publikationsorgan, seiner Abdruckverpflichtung nachzukommen, ist der vertragliche Anspruch vor den Zivilgerichten einzuklagen.127 Durch die vorgeschlagene zusätzliche Vereinbarung mit dem Betroffenen steht diese Möglichkeit neben dem Trägerverein ebenso dem in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzten zu. Der Trägerverein des Deutschen Presserats und der Betroffene können auch gemeinsam klagen. Sie sind dann einfache Streitgenossen, §§ 59, 60 ZPO.128 Eine etwaige Zwangsvollstreckung erfolgt nach § 888 ZPO.129 (b) Einstweiliger Rechtsschutz Schließlich stellt sich noch die Frage, ob dem Betroffenen anders als dem Deutschen Presserat130 einstweiliger Rechtsschutz nach §§ 935 ff. ZPO gewährt werden kann. Wie der Deutsche Presserat stützt sich auch der Beschwerdeführer auf einen vertraglichen Anspruch. Der Unterschied besteht aber darin, daß ihm dieser Anspruch nur zusteht, weil ihn das Presseorgan in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt hat und daher vom Deutschen Presserat eine öffentliche Rüge ausgesprochen wurde, während der Deutsche Presserat wegen jeder von ihm verhängten öffentlichen Rüge einen Anspruch auf Rügenabdruck hat. Unter diesen Umständen sprechen für die Zulässigkeit einer Leistungsverfügung zugunsten des Beschwerdeführers trotz Vorwegnahme der Hauptsache gewisse Ähnlichkeiten mit dem Gegendarstellungsanspruch. Sowohl bei öffentlichen Rügen als auch bei Gegendarstellungen muß nämlich im Interesse des Betroffenen der Abdruck möglichst zeitnah zur beanstandeten Berichterstattung erfolgen, um Wirkung gegen die erlittene Persönlichkeitsbeeinträchtigung entfalten zu können.131 Wenn aber nach dem Verfahren vor dem Deutschen Presserat bzw. seinen Beschwerdeausschüssen noch ein Hauptsacheverfahren vor Gericht durchzuführen ist, führt das zu erheblichen Verzögerungen, die die Effektivität des öffentlichen Rügenabdrucks zumindest mindern. Andererseits dürfen die Unterschiede zum Gegendarstellungsanspruch nicht übersehen werden. Im Recht der Gegendarstellung stellt das Verfahren der einstweiligen Verfügung auch dort, wo es nicht explizit als das allein zulässige Vorgehen normiert ist, faktisch das Regelverfahren dar. Bei Gegendarstellungen bildet Siehe Teil 5 F IV 2 b) cc). Siehe Teil 5 F IV 2 b) dd). 128 Vgl. dazu Putzo, in: Thomas / Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, §§ 59, 60 Rn. 1 ff. 129 Siehe Teil 5 F IV 2 b) dd). 130 Siehe Teil 5 F IV 2 b) dd). 131 Vgl. zum Gegendarstellungsanspruch OLG München NJW 1965, 2161 (2161); OLG München AfP 1990, 53 (53); Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 303. 126 127

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also das Verfahren der einstweiligen Verfügung gewissermaßen das Hauptverfahren selbst. Infolgedessen steht hier anders als bei öffentlichen Rügen nicht das Argument entgegen, daß eine nachfolgende Hauptsache vorweggenommen wird.132 Zudem muß im Rahmen des Gegendarstellungsverfahrens die Unwahrheit der beanstandeten Behauptung nicht nachgewiesen werden,133 während der Deutsche Presserat öffentliche Rügen nur ausspricht, wenn ein Verstoß gegen den Pressekodex feststeht. Ob die öffentliche Rüge zu Recht erteilt wurde, kann in einem Hauptsacheverfahren aber umfassender untersucht werden als im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Der Deutsche Presserat prüft zwar bereits im Beschwerdeverfahren, ob die publizistischen Grundsätze verletzt wurden. Doch handelt es sich dabei nicht um ein rechtsförmiges Verfahren.134 Daher sollte die „Richtigkeit“ von Entscheidungen der Presseselbstkontrolle im Streitfall prinzipiell noch einmal vor Gericht in einem Hauptsacheverfahren überprüft werden, auch wenn die gerichtliche Prüfungskompetenz begrenzt ist.135 Diese Überlegungen zeigen, daß das Verfahren der einstweiligen Verfügung zwar nicht für schlechthin unzulässig erklärt werden sollte, daß es aber nur ausnahmsweise eingreifen darf. Der Verfügungsgrund kann anders als im Gegendarstellungsrecht136 nicht prinzipiell vermutet werden. Es bedarf statt dessen einer Abwägung, bei der es insbesondere darauf ankommt, ob die dem Antragsteller aus der Nichtleistung drohenden Nachteile schwer wiegen und außer Verhältnis zu dem Schaden stehen, den der Antragsgegner möglicherweise erleidet.137 Letzteres kann z. B. der Fall sein, wenn sich aus den mit der Durchführung der Hauptsache verbundenen Verzögerungen die Gefahr einer schwerwiegenden Ruf- oder Vermögensschädigung ergibt.138

c) Das Problem der mangelnden Reichweite öffentlicher Rügen Mit den verschärften Anforderungen an Form und Inhalt des Rügenabdrucks und mit der Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten kann einem Teil der beim Rügenabdruck monierten Mängel abgeholfen werden. Die Schwierigkeiten mit der geringen Reichweite der veröffentlichten Rügen bestehen jedoch fort, da die Pflicht zum Rügenabdruck weiterhin nur das Presseorgan trifft, bei dem ein Verstoß gegen den Pressekodex festgestellt wurde. Doch wird man sich mit dem Ahrens, Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Medienberichterstattung, 2002, Rn. 303. Siehe Teil 2 E I. 134 Siehe Teil 6 D I 2. 135 Siehe Teil 6 D II 2 c); vgl. die ähnliche Argumentation bei Widerrufsansprüchen, Teil 2 D II. 136 Seitz / Schmidt / Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rn. 588 ff. 137 M. Huber, in: Musielak (Hrsg.), ZPO, 3. Aufl. 2002, § 940 Rn. 14. 138 Vgl. OLG Stuttgart NJW 1962, 2066 (2068) zum Verfügungsgrund bei Gegendarstellungen. 132 133

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Problem abfinden müssen. Denn die Vorteile, die sich aus einer Ausdehnung des Kreises der Anspruchsverpflichteten ergeben, stehen in keinem Verhältnis zu den mit einer solchen Änderung verbundenen Nachteilen, wie z. B. dem Akzeptanzverlust der Selbstkontrolle auf Seiten der Verlage.

d) Die Defizite bei der Beteiligung an den Rügenabdruckvereinbarungen Da das vorgeschlagene Reformmodell in Übereinstimmung mit der bisherigen Praxis auf freiwillige Beteiligung der Presseunternehmen setzt, bleibt das Problem der Trittbrettfahrer ebenfalls erhalten. Gegen Verlage, die sich weigern, Rügenabdruckverpflichtungen zu unterzeichnen, gibt es im Rahmen der Presseselbstkontrolle weiterhin keine Handhabe, um die Publikation von Rügen durchzusetzen. Es bestehen lediglich die „üblichen“ rechtlichen Ansprüche des Berichterstattungsopfers gegen das Presseorgan.139 Will man an der Idee interner Reformen der Presseselbstkontrolle möglichst ohne staatliche Beteiligung festhalten, ist dieses Problem aber kaum behebbar. Nur verstärkter öffentlicher Druck vermag Dauerverweigerer eventuell mit der Zeit zum Einlenken zu bewegen. Um die Zahl der sich an der Presseselbstkontrolle beteiligenden Presseunternehmen zu erhöhen, könnte man allenfalls erwägen, nach dem Vorbild des (in seiner bisherigen Form aufgekündigten)140 Österreichischen Presserats denjenigen Verlagen, die sich zum Rügenabdruck verpflichtet haben, das Recht zuzugestehen, eine Art Gütesiegel des Deutschen Presserats zu führen. Wer seine Verpflichtungen nicht einhält, dem würde das Siegel wieder entzogen.141 Der Effekt eines solchen Siegels dürfte aber nicht als allzu hoch einzustufen sein. Denn nur wenn Leser und Werbetreibende ein solches Gütesiegel positiv bewerten, hat das betreffende Publikationsorgan durch das Führen des Siegels einen Marketingvorteil. Die Leser von Zeitungen und Zeitschriften, die häufig gegen den Pressekodex verstoßen, und die Werbetreibenden, die in derartigen Blättern Anzeigen schalten, werden sich aber durch ein solches Gütesiegel bzw. dessen Fehlen kaum beeinflussen lassen. Mag die Idee somit zwar geeignet sein, die Bekanntheit des Deutschen Presserats zu steigern, wird sie ihr eigentliches Ziel nur unzureichend verwirklichen können, so daß die Einführung eines solchen Gütesiegels wohl verzichtbar ist.142 139 Siehe Teil 2. In Hamburg existiert zudem eine gesetzliche Auffangregelung für Unternehmen, die nicht der Selbstregulierung durch den Pressekodex und die Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats unterliegen, § 11a S. 2 HmbPrG. 140 N.N., „Kampf“ansage für Presserat, in: Der Standard vom 23. Oktober 2002, unter http: // www.derstandard.at / Archiv (Stand: 10. September 2003). 141 Siehe dazu Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 285 sowie Suhr, Europäische Presse-Selbstkontrolle, 1998, S. 66. 142 Ebenfalls kritisch Münch, Freiwillige Selbstkontrolle bei Indiskretionen der Presse, 2002, S. 285.

27 Schwetzler

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V. Rechtliche Zulässigkeit der Reformvorschläge 1. Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben a) Prüfungsmaßstab Das bestehende System von allgemeiner Selbstkontrolle und Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz wurde bereits als grundgesetzkonform eingestuft.143 Zu prüfen ist, ob dies auch auf die vorgeschlagenen Änderungen zutrifft. Prüfungsmaßstab sind hier allein die grundrechtlichen Schutzpflichten. Denn die Reformen werden durch keinerlei staatlichen Druck veranlaßt, sondern sollen freiwillig erfolgen. Sie dienen auch nicht der Umsetzung informaler Absprachen mit dem Staat. Daher spielen weder die sich aus Grundrechtseingriffen ergebenden Grenzen noch die zur regulierten Selbstregulierung entwickelten Prüfungskriterien eine Rolle.

b) Die Reform von Pressekodex, Richtlinien und Spruchpraxis Die zu Pressekodex, Richtlinien und Spruchpraxis vorgeschlagenen Änderungen geben keinen Anlaß zu Zweifeln an ihrer Grundgesetzkonformität. Sie wirken sich auf die Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten nicht aus, da sie allein ethischer Natur sind. Sie sollen den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbessern und führen aufgrund ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit für sich gesehen zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Arbeit der Presseschaffenden und des Informationsflusses. Folglich werden durch die empfohlenen Reformen von Pressekodex, Richtlinien und Spruchpraxis weder zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch zugunsten der Presse oder Rezipienten grundrechtliche Schutzpflichten des Staates aktiviert.

c) Die Änderungsvorschläge zum Beschwerdeverfahren Auch die Vorschläge zum Beschwerdeverfahren unterliegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie bezwecken gleichfalls einen besseren Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zugleich fehlt es hier ebenfalls an schutzpflichtrelevanten Beeinträchtigungen der Pressearbeit und des freien Informationsflusses durch den Deutschen Presserat. Auch die empfohlene neue Gremienbesetzung führt zu keiner anderen Bewertung. Trotz der Hinzuziehung pressefremder Dritter soll nämlich die Mehrheit der Mitglieder aus den Reihen der Journalisten und Verleger stammen, so daß es sich um keine „Fremdüberwachung“ der Presse, die staatliche Schutzpflichten auslösen könnte, handelt.

143

Siehe Teil 5 H I.

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d) Die Neugestaltung des Sanktionssystems Schließlich sind auch die zu den Sanktionen unterbreiteten Reformanregungen mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie stärken den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, vor allem durch die Ausgestaltung der öffentlichen Rüge zur Regelsanktion, durch die Entwicklung detaillierterer Vorgaben zu Inhalt und Form des Rügenabdrucks sowie durch die Ausdehnung des Kreises derjenigen, denen ein Anspruch auf Abdruck öffentlicher Rügen zusteht. Eine Aktivierung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts scheidet daher aus. Ein Eingreifen staatlicher Schutzpflichten kommt somit allenfalls zugunsten der Presse oder der Rezipienten in Betracht. Doch zeitigen die bezüglich der Sanktionen empfohlenen Änderungen per se keine Rechtswirkungen. Erst durch den Abschluß der Rügenabdruckvereinbarungen werden die neuen inhaltlichen und formalen Vorgaben verbindlich und erhalten die in der Vereinbarung bestimmten Dritten unter gewissen Voraussetzungen ein Recht auf Rügenabdruck. Wenn nun aufgrund der vorgeschlagenen Reformen vermehrt öffentliche Rügen ausgesprochen werden, erhöht sich für die Verlage natürlich die Zahl der Rügen, die sie unter Beachtung der neuen formellen und inhaltlichen Vorgaben zu publizieren haben. Da der Kreis der Anspruchsberechtigten sich aufgrund der vorgeschlagenen Neuerungen vergrößert, müssen die Presseunternehmen auch eher mit einer gerichtlichen Durchsetzung rechnen. Andererseits haben die rechtlichen Ansprüche bisher nicht zu einer „Schere im Kopf“144 der Journalisten geführt. Es erscheint unwahrscheinlich, daß dies nun durch den erweiterten Anspruch auf Rügenabdruck passiert. Schließlich sind die Verlage nicht gezwungen, die um die Änderungsvorschläge ergänzten Vereinbarungen zu unterschreiben. Auch besteht ein zusätzlicher Schutz der Presseunternehmen darin, daß bei Streitigkeiten um die Erteilung und den Abdruck öffentlicher Rügen mit den Zivilgerichten eine unabhängige Instanz die Ansprüche beurteilt. Daher ist, solange die Praxis nicht das Gegenteil erweist, nicht von einer Aktivierung grundrechtlicher Schutzpflichten zugunsten der Presse oder Rezipienten auszugehen. e) Fazit zu Punkt 1. Die Reformvorschläge stoßen folglich auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

144 Auch wenn diese Gefahr auf Seiten der Presse gesehen wird, Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 12.

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

2. Europarechtskonformität der Reformen Ein Verstoß der vorgeschlagenen Reformen gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht ist ebenfalls nicht ersichtlich. Mangels Auswirkungen auf den Binnenmarkt greifen weder die Grundfreiheiten noch das Kartellrecht ein.145 Etwaige Verstöße des deutschen Gesetzgebers gegen Sekundärrecht wirken sich auf die Zulässigkeit der Änderungsvorschläge nicht aus.146 Die Gemeinschaftsgrundrechte sind entweder schon nicht anwendbar oder sie werden zumindest nicht relevant, da die Neuerungen zu keinen Grundrechtseingriffen führen und zudem keine Schutzpflichten aktivieren. Im Gegenteil, der Persönlichkeitsschutz wird auch im Bereich des redaktionellen Datenschutzes gestärkt, aber nicht so weitgehend, daß darunter die Arbeit der Presseschaffenden oder der freie Informationsfluß leidet.147

3. Vereinbarkeit mit dem einfachen Gesetzesrecht Auch einfachrechtliche Vorschriften stehen den Reformvorschlägen nicht entgegen. a) Landespressegesetze und Bundesdatenschutzgesetz Die Landespressegesetze und das Bundesdatenschutzgesetz verbieten die Änderungen nicht.148 b) Vereinsrechtliche Vorgaben Gremienbesetzung, Verfahrensausgestaltung und Sanktionen halten sich im Rahmen der Vereinsautonomie. Die Änderungen bezüglich des Rügenabdrucks beanspruchen nur rechtliche Verbindlichkeit, wenn eine Vereinbarung zwischen den Verlagen einerseits und dem Trägerverein des Deutschen Presserats bzw. den in ihrem Persönlichkeitsrecht Verletzten andererseits geschlossen wurde. Im übrigen sind die vom Deutschen Presserat verhängten Maßnahmen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen rechtlich unverbindlich. Ein Verstoß gegen vereinsrechtliche Grundsätze149 ist damit insgesamt nicht ersichtlich.

145 146 147 148 149

Siehe Teil 5 H II 2 a) und b) bb) sowie 3 a) und b). Vgl. Teil 5 H II 3 c) cc) (b). Vgl. Teil 5 H II 2 d) bb) und 3 d). Siehe schon Teil 5 H III 1 und 4. Vgl. bereits Teil 5 H III 2.

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c) Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird ebenfalls nicht verletzt. Die neu einzuführende Vereinbarung zwischen dem betroffenen Verlag und dem in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzten verstößt nicht gegen § 1 GWB, da es an einer Vereinbarung oder einem sonstigen koordinierten Verhalten zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen fehlt. Denn die Betroffenen sind regelmäßig schon keine Unternehmen oder sie befinden sich, zumindest soweit es um die Rügenabdruckverpflichtung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht, nicht im Wettbewerb mit den Verlagen. Die verstärkte Konkretisierung von Pressekodex und Richtlinien mag zwar an sich den Tatbestand des § 1 GWB (aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen) bzw. des § 22 Abs. 1 S. 1 GWB (Empfehlungsverbot) erfüllen.150 Doch ist eine teleologische Reduktion nach der sogenannten Immanenztheorie geboten, wenn die Wettbewerbsbeschränkung objektiv erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit der Presseselbstkontrolle sicherzustellen.151 Auch diesbezüglich scheidet damit eine Verletzung aus. 4. Ergebnis zu Punkt V. Die Reformvorschläge verstoßen weder gegen das Grundgesetz, Europäisches Gemeinschaftsrecht noch einfachrechtliche Vorschriften.

VI. Zusammenfassung zu Abschnitt B. und Bewertung 1. Die vorstehend vorgeschlagenen Reformen des Presseselbstkontrollsystems konzentrieren sich auf das förmliche Beschwerdeverfahren und auf die materiellen presseethischen Standards. Pressekodex, Richtlinien und Spruchpraxis bedürfen keiner grundlegenden Änderungen. Empfehlenswert ist allerdings eine Steigerung ihres Bekanntheitsgrades sowie eine (weitere) Konkretisierung mancher Kodexziffern durch neue Richtlinien. Die Spruchpraxis sollte außerdem kohärenter werden und die existierenden Entscheidungskriterien strenger handhaben. Zudem ist die Entwicklung weiterer Prüfungsmaßstäbe sowie eine stärker ins Detail gehende Argumentation anzuraten. Für das Beschwerdeverfahren wurden hingegen weitergehende Reformvorschläge erarbeitet. Danach sollen künftig fachfremde Persönlichkeiten in die Gremien aufgenommen werden. Auch ist die Transparenz des Verfahrens zu steigern. Die Entscheidungen müssen darüber hinaus ausführlicher begründet und dürfen in den 150 151

Siehe Teil 5 H III 3 a) und b). Vgl. Teil 5 H III 3 d).

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

Publikationen nicht mehr verkürzt wiedergegeben werden. Die Probleme bezüglich der mangelnden Recherchemöglichkeiten und der Arbeitsbelastung in den Gremien lassen sich hingegen nicht zufriedenstellend lösen, ohne den Staat stärker zu involvieren oder noch weiterreichendere organisatorische Neuerungen vorzunehmen. Die größte Bedeutung kommt den Empfehlungen zur Umgestaltung des Sanktionssystems zu. Die Zahl der Sanktionen sollte auf zwei Reaktionen (Mißbilligungen und Rügen) gesenkt werden; die öffentliche Rüge sollte zur Regelsanktion ausgestaltet werden. Wegen des Opferschutzes müssen aber auch weiterhin nicht öffentliche Rügen möglich bleiben. Die Verhängung von Mißbilligungen sollte den Ausnahmefall darstellen. Auch ist es anzuraten, die Kriterien für die Zuordnung der Sanktionen genauer zu spezifizieren und sie in den Entscheidungen zu publizieren. Eine ausreichende Wiedergutmachung sollte künftig prinzipiell nur noch durch eine eigene Publikation des Presseorgans erfolgen dürfen und zu einem Absehen von Sanktionen führen. Im Mittelpunkt der Reformen zum Sanktionssystem steht die effektivere Ausgestaltung des Rügenabdrucks. Zu diesem Zweck sind strengere Vorgaben für Inhalt und Form zu entwickeln und in die Rügenabdruckverpflichtung aufzunehmen, um deren Rechtsverbindlichkeit herbeizuführen. Zudem muß der Kreis derjenigen, denen ein Anspruch auf Rügenabdruck zusteht, erweitert werden. Er sollte auch Beschwerdeführern zugänglich sein, die in ihrem eigenen Persönlichkeitsrecht verletzt wurden, wenn der Deutsche Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse eine öffentliche Rüge verhängt haben. Voraussetzung dafür ist der Abschluß einer Rügenabdruckvereinbarung zwischen den Betroffenen und den mit der Sanktion der öffentlichen Rüge belegten Verlagen. Dadurch könnten dann auch die Betroffenen den Anspruch gerichtlich durchsetzen, unter Umständen sogar mittels einstweiliger Verfügung. Das Problem der mangelnden Reichweite öffentlicher Rügen läßt sich hingegen nicht zufriedenstellend lösen. Auch die Schwierigkeiten mit Trittbrettfahrern unter den Verlagen bleiben bestehen, zumindest wenn man weiterhin staatliche Einflußnahmen möglichst verhindern und an der freiwilligen Beteiligung der Presseunternehmen am Selbstkontrollsystem festhalten möchte. 2. Bei der folgenden abschließenden Bewertung der vorgeschlagenen, rechtlich nicht zu beanstandenden Reformen ist zu berücksichtigen, daß ihre Effektivität die möglichst breite Unterstützung aller Beteiligten voraussetzt. Ob die Presse die empfohlenen Neuerungen mitträgt, erscheint allerdings zweifelhaft. Der Paradigmenwechsel der Presseselbstkontrolle von rein ethischen Sanktionen zur rechtlichen Verbindlichkeit der Rügenabdruckverpflichtungserklärungen wurde zwar weithin akzeptiert. Die zum Rügenabdruck vorgeschlagenen Änderungen erhöhen die Macht des Deutschen Presserats aber weiter. Zudem steigt der staatliche Einfluß, da der Kreis der Anspruchsberechtigten, die die Publikation öffentlicher Rügen notfalls gerichtlich durchsetzen können, sich vergrößert.

B. Problemlösung durch systemimmanente Reformen

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Doch sprechen gewichtige Argumente dafür, daß die Presse trotz allem die Reformen (zumindest teilweise) unterstützen wird. Um gesetzgeberisches Tätigwerden, insbesondere auf dem Gebiet des Redaktionsdatenschutzes, zu verhindern, ist ein wirksames Presseselbstkontrollsystem nämlich unabdingbar. Zur mithin erforderlichen Effektivität leisten die meisten der vorgeschlagenen Änderungen einen erheblichen Beitrag. Das gilt vor allem für die verstärkte Möglichkeit der öffentlichen Sanktionierung. Sie gewährt durch ihre Publizitätswirkung Wiedergutmachung und Genugtuung. Zudem macht sie die sozialen Normen sichtbar und stabilisiert sie.152 Auch dürfte sich der erweiterte Anspruch auf Rügenabdruck nicht negativ auf die Akzeptanz durch die Verlage auswirken. Schließlich beruht die Unterzeichnung der Erklärung auf Freiwilligkeit. Das System der Gleichordnung bleibt zudem erhalten, da die gerichtliche Durchsetzung weiterhin keine hoheitliche Aufsicht darstellt, sondern lediglich die Möglichkeit gleichgeordneter Rechtsverwirklichung nun auch für die Betroffenen bietet.153 Ferner ist der Deutsche Presserat nach der hier vorgeschlagenen Lösung nicht gezwungen, Konflikte bezüglich des Rügenabdrucks stets selbst mit den Verlagen auszutragen, was letztere ebenfalls für die vorgeschlagenen Änderungen einnehmen sollte. Der Deutsche Presserat kann sich statt dessen im Hintergrund halten und den anspruchsberechtigten Betroffenen die Durchsetzung ihrer Rechte überlassen. Das mag zwar bedauerlich sein, da er damit die an sich selbst gestellten Aufgaben nur unzureichend erfüllt. Doch ist es in sensiblen Fällen einem Konflikt mit den Presseunternehmen, der das Selbstkontrollsystem sprengen könnte, vorzuziehen. Von Seiten der Presse sollte sich der Widerstand gegen die Reformen somit in Grenzen halten. Auf Seiten der Betroffenen ist indessen kein Protest zu erwarten. Im Gegenteil, die vorgeschlagenen Neuerungen werden sogar die Akzeptanz unter ihnen erhöhen. Die Reformen erlauben es den Betroffenen nämlich, das Beschwerdeverfahren als Alternative zum staatlichen Rechtsschutz zu begreifen: Denn die Einbeziehung fachfremder Dritter in die Gremien und die größere Transparenz des Verfahrens verringern die Zweifel an der Unparteilichkeit und Objektivität der Selbstkontrolle. Darüber hinaus werden zugunsten der Betroffenen die Orientierungsmöglichkeiten verbessert und die Wirksamkeit der Selbstkontrolle durch die Änderungen insbesondere des Sanktionssystems erhöht. Insgesamt können die Reformvorschläge damit zwar nicht alle beanstandeten Defizite beheben. Unter anderem bleibt das Problem der fehlenden Recherchemöglichkeiten und der Trittbrettfahrer erhalten. Doch vermögen die Vorschläge die Effektivität der Presseselbstkontrolle erheblich zu steigern. Zugleich gefährden sie nicht die Akzeptanz der Selbstkontrolle bei den Beteiligten. Daher stellen die hier befürworteten Neuerungen, die das bestehende Presseselbstkontrollmodell systemimmanent modifizieren und staatliche Einflußnahmen so weit wie möglich aus152 153

Eisermann, in: Weßler u. a. (Hrsg.), Perspektiven der Medienkritik, 1997, S. 243. Stürner, Bitburger Gespräche 1999 / I, S. 108.

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Teil 7: Ansätze für die Reform der Presseselbstkontrolle

schließen, eine für beide Seiten, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner, akzeptable Lösung dar.

C. Fazit zu Teil 7 Für eine Reform der Presseselbstkontrolle insbesondere zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bieten sich vielfältige Lösungsmöglichkeiten an. In Betracht kommen unternehmensinterne Konzepte ebenso wie externe Reformmodelle, die entweder an die bestehenden Strukturen des Deutschen Presserats bzw. seines Trägervereins anknüpfen oder deren Konzeption völlig unabhängig davon erfolgt. Allerdings sind die meisten der vorgestellten Vorschläge, mit Ausnahme des Mediationsmodells, abzulehnen. Sie sind entweder rechtlich bedenklich oder untauglich. Daher werden hier allein systemimmanente Änderungsmöglichkeiten im Hinblick auf Pressekodex, Richtlinien, Spruchpraxis, Beschwerdeverfahren sowie Sanktionen untersucht und bewertet. Der Schwerpunkt der Reformvorschläge liegt dabei auf dem Sanktionssystem. Insbesondere sollen künftig strengere formale und inhaltliche Vorgaben für den Rügenabdruck etabliert werden und der Anspruch auf Abdruck öffentlicher Rügen auch den Beschwerdeführern zustehen, die in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt wurden. Rechtliche Bedenken gegen die Änderungen, die eine staatliche Einflußnahme so weit wie möglich ausschließen, bestehen nicht. Zwar können auch die hier genannten Vorschläge nicht alle identifizierten Probleme beheben. Doch erscheinen sie für alle Beteiligten, also Berichterstattungsopfer und Presseschaffende, akzeptabel und tragen sie insgesamt zur Steigerung der Effektivität der Presseselbstkontrolle bei. Die Presseselbstkontrolle durch den Deutschen Presserat erweist sich damit als ein zukunftsfähiges Modell, das zumindest im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz in Teilbereichen als Ergänzung dienen oder sogar in Konkurrenz zum rechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts treten kann, insbesondere wenn die vorgeschlagenen Reformen umgesetzt werden.

Teil 8

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 1. Die zivilrechtlichen Ansprüche wegen Persönlichkeitsverletzungen durch die Presse weisen Defizite materiellrechtlicher und prozessualer Art auf, die einen angemessenen Ausgleich sowie eine ausreichende Genugtuung und Prävention verhindern. Daher untersucht die vorliegende Arbeit – in Abkehr von der bei Reformüberlegungen weit verbreiteten Fixierung auf das staatliche Rechtsschutzinstrumentarium –, inwieweit Selbstkontrolleinrichtungen, namentlich der Deutsche Presserat, den Persönlichkeitsschutz durch die Rechtsordnung zu ergänzen oder zu ersetzen vermögen. 2. Den verfassungsrechtlichen Hintergrund der Untersuchung bildet der Konflikt zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der von der Berichterstattung Betroffenen einerseits und der Pressefreiheit andererseits, die nach hier vertretener Ansicht die Meinungsfreiheit verdrängt. Diese Grundrechtskollision zwischen Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG in seinen verschiedenen Ausprägungen und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG muss durch die Herstellung praktischer Konkordanz unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre gelöst werden. 3. Da sich hier regelmäßig zwei Privatrechtssubjekte gegenüberstehen, sind die Betroffenen allerdings nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Erst die grundrechtliche Schutzfunktion bedingt eine Wirkung der Grundrechte im Privatrecht über das Medium der einfachen Gesetze. Im „Grundrechtsdreieck Staat – Opfer – Störer“ erweist sich dabei das Handeln der öffentlichen Hand als ambivalent, da staatliche Aktivitäten zum Schutze des Opfers regelmäßig zugleich in die Grundrechte des Störers eingreifen. Daher unterliegt der Staat von zwei Seiten einem Rechtfertigungszwang: vom Schutzbedürftigen, dem er einen ausreichenden Schutz gewährleisten muss, und vom Störer, in dessen Grundrechte er eingreift. Dem als Maßstab dienenden Untermaßverbot auf Seiten der Schutzpflicht korrespondiert damit das Übermaßverbot auf Seiten des Abwehrrechts. Diese gegenläufigen Regulative müssen zum Ausgleich gebracht werden. 4. Die Auflösung der Grundrechtskollision zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit im Rahmen der einfachgesetzlichen Normen des Privatrechts ist grundsätzlich durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung charakterisiert. Je nach der betroffenen Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind dabei unterschiedliche Leitlinien und Abwägungsgesichtspunkte zu beachten. Nur bei Eingriffen in den Kernbereich der Persönlichkeit muss die Pressefreiheit stets zurücktreten.

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Teil 8: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

5. Diese aus dem Grundgesetz abgeleiteten Vorgaben wirken sich auch auf die Errichtung und Tätigkeit von Selbstkontrolleinrichtungen aus. Denn sie setzen derartigen Institutionen und ihren Aktivitäten von zwei Seiten her verfassungsrechtliche Grenzen, nämlich durch die Schutzpflichten des Staates zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einerseits und zugunsten der Pressefreiheit andererseits. Soll die Selbstkontrolle eine zulässige und attraktive Alternative zum Rechtsschutz darstellen, bietet sich daher eine Orientierung an den für den Kollisionsfall zwischen Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entwickelten rechtlichen Abwägungsgesichtspunkten an. 6. Heute unterscheidet man zumeist drei Formen der Regulierung: die hoheitliche Regulierung, die gesellschaftliche Selbstregulierung und die hoheitlich regulierte gesellschaftliche Selbstregulierung (kurz: regulierte Selbstregulierung), von denen die beiden letztgenannten Modelle zunehmend an Bedeutung gewinnen. Selbstkontrolle stellt eine besondere Erscheinungsform des Konzepts der Selbstregulierung bzw. der regulierten Selbstregulierung dar. Sie wird verstanden als die interne oder externe präventive und / oder repressive Kontrolle der Presse oder eines Teils der Presse anhand eines selbst erstellten Verhaltenskodex durch eine organisatorische Einheit, die zumindest schwerpunktmäßig aus Pressevertretern (Verleger und / oder Journalisten) besteht. 7. Der Deutsche Presserat als Selbstkontrolleinrichtung der deutschen Presse wurde erst unter der Geltung des Grundgesetzes gegründet und sieht sich vornehmlich als moralische Instanz, die für die Pressefreiheit eintritt und das Ansehen der Deutschen Presse wahrt. Letzteres geschieht insbesondere durch die Entwicklung presseethischer Grundsätze und die Überprüfung ihrer Einhaltung im Beschwerdeverfahren. Seit 2001 kümmert er sich auch um die Aufgabe des Redaktionsdatenschutzes. Er agiert damit teils im Bereich der gesellschaftlichen Selbstregulierung, teils auf dem Gebiet der regulierten Selbstregulierung. 8. Der „eigentliche“ Deutsche Presserat bildet heute nurmehr ein Gremium des Trägervereins des Deutschen Presserats e.V. Aus seinen Mitgliedern rekrutieren sich prinzipiell die beiden Beschwerdeausschüsse, der allgemeine Beschwerdeausschuss und der Beschwerdeausschuss Redaktionsdatenschutz. Bei letzterem ist zusätzlich noch die Mitgliedschaft eines Angehörigen vom Verband der Anzeigenblattverleger vorgesehen. 9. Das repressive Beschwerdeverfahren vor dem Deutschen Presserat bzw. vor seinen Beschwerdeausschüssen gliedert sich in zwei Teile, das Vorprüfverfahren sowie das förmliche Beschwerdeverfahren. Es kann von jedermann wegen angeblicher Verletzungen der Presseethik durch Veröffentlichungen oder sonstige Vorgänge in der deutschen Presse eingeleitet werden. Als Beschwerdegegner kommen Zeitungs- oder Zeitschriftenunternehmen bzw. Pressedienste in Betracht. Als Sanktionen kann die Presseselbstkontrolleinrichtung Hinweise, Missbilligungen, öffentliche und nicht öffentliche Rügen verhängen. Die Sanktionen sind rechtlich nicht verbindlich. Doch zumindest die Pflicht zum Rügenabdruck beansprucht seit kur-

Teil 8: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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zem rechtliche Bindungswirkung, wenn zwischen den Verlagen und dem Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein eine Rügenabdruckvereinbarung abgeschlossen wurde. Sie ist damit notfalls auch gerichtlich durchsetzbar. Insoweit hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. 10. Die rechtliche Würdigung von Organisation und Tätigkeit des Deutschen Presserats und seines Trägervereins, der selbst Grundrechtsträger ist, läßt weder in bezug auf die „traditionelle Selbstkontrolle“ noch bezüglich der neu übernommenen Aufgabe Redaktionsdatenschutz Verstöße gegen das Grundgesetz, das Europäische Gemeinschaftsrecht und das einfache Gesetzesrecht erkennen. 11. Die nach der Darstellung und Untersuchung des Deutschen Presserats im allgemeinen zu beantwortende Frage, inwieweit die Presseselbstkontrolle das Persönlichkeitsrecht effektiv zu schützen vermag, erfordert die Analyse von drei Themenkomplexen: Das sind die „kodifizierten“ presseethischen Grundsätze (Pressekodex und Richtlinien für die publizistische Arbeit), die Spruchpraxis sowie das Beschwerdeverfahren und die Sanktionen. a) Die Publizistischen Grundsätze (Pressekodex) und die Richtlinien für die publizistische Arbeit als standesethisches Regelwerk der Presse weisen zahlreiche persönlichkeitsschützende Vorschriften auf, die überwiegend mit den rechtlichen Schutzstandards übereinstimmen oder sogar darüber hinausgehen. Sie tragen zum repressiven und präventiven Persönlichkeitsschutz bei, mag der präventive Effekt auch momentan aufgrund ihres mangelnden Bekanntheitsgrades noch begrenzt sein. b) Die Spruchpraxis des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse, die exemplarisch anhand der Entscheidungen zu Ziffer 9 Pressekodex untersucht wurde, lehnt sich ebenfalls überwiegend an die von der Rechtsprechung entwickelten Standards an. Dagegen bestehen prinzipiell auch keine Bedenken. Doch bedarf es gewisser Nachbesserungen im Detail. Denn die Prüfungsmaßstäbe sind noch nicht hinreichend ausdifferenziert und werden teilweise zu restriktiv zu Lasten des Persönlichkeitsrechts angewendet. Zudem mangelt es den Entscheidungen an hinlänglichen Begründungen und weisen sie Diskontinuitäten und Widersprüche auf. Dies erschwert es der Presse, sich bei der Berichterstattung an den presseethischen Standards zu orientieren. Auch verhindern die genannten Defizite, daß die Presseselbstkontrolle eine attraktive Alternative zum Rechtsschutz bildet. Weder der präventive noch repressive Persönlichkeitsschutz wird folglich durch die Spruchpraxis momentan hinreichend gewährleistet. c) Auch Beschwerdeverfahren und Sanktionen, die in bewußter Distanz zum gerichtsförmigen Verfahren ausgestaltet sind, vermögen in ihrer derzeitigen Gestalt nur wenig zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beizutragen. Die mit Blick auf den Persönlichkeitsschutz relevanten Ziele, nämlich Wiedergutmachung, Genugtuung und Prävention, werden von ihnen momentan bloß teilweise erreicht. Insbesondere bei der Gremienbesetzung, beim Verfahrensablauf,

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Teil 8: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

bei der Qualität der Entscheidungen und bei den Sanktionen fällt ein erheblicher Änderungsbedarf auf. 12. Für die damit erforderliche Reform der Presseselbstkontrolle stehen verschiedene Ansätze zur Diskussion: Neben externen Reformmodellen, die nicht an bestehende Strukturen anknüpfen, sowie unternehmensinternen Lösungen gibt es ferner die Möglichkeit, das momentan existierende System der Presseselbstkontrolle zu reformieren. Der letztgenannte Weg wird hier eingeschlagen; dies insbesondere deshalb, weil die Mehrzahl der übrigen Vorschläge rechtlich bedenklich und / oder untauglich ist. 13. Demgemäß werden – insbesondere zur Behebung der Defizite beim Persönlichkeitsschutz – systemimmanente Änderungen von Pressekodex, Richtlinien und Spruchpraxis sowie von Beschwerdeverfahren und Sanktionen empfohlen: a) Es besteht zwar weder bei Pressekodex und Richtlinien noch im Rahmen der Spruchpraxis die Notwendigkeit, die Prüfungsmaßstäbe generell zu verschärfen. Punktuelle Verbesserungen wären allerdings wünschenswert. Insbesondere sollten der Bekanntheitsgrad der kodifizierten presseethischen Grundsätze sowie der Spruchpraxis gesteigert werden und eine stärkere Ausdifferenzierung der Beurteilungskriterien erfolgen. Die Orientierungs- und Lenkungsfunktion der Spruchpraxis kann ferner durch eine Verringerung der terminologischen Unsauberkeiten und Widersprüche in den Entscheidungen sowie durch eine stärker ins Detail gehende Argumentation verbessert werden. b) Beim Beschwerdeverfahren sind vor allem mehr Transparenz und eine Steigerung der Qualität der Entscheidungen zu fordern, insbesondere durch ausführlichere Begründungen. Die Gremien sollten zudem neben Presseangehörigen auch mit fachfremden Persönlichkeiten besetzt werden. c) Der Schwerpunkt der Reformen liegt allerdings auf dem Sanktionssystem, insbesondere auf dem Rügenabdruck. aa) Es sollte künftig ein zweistufiges Sanktionssystem bestehend aus Rügen und Mißbilligungen etabliert werden, in dem die öffentliche Rüge die Regelsanktion bildet, von welcher nur ausnahmsweise abgewichen werden darf. Nicht öffentliche Rügen bleiben aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Berichterstattungsopfer ebenfalls möglich. Im übrigen ist es anzuraten, die Kriterien für die Zuordnung der Sanktionen genauer zu spezifizieren und sie in den Entscheidungen zu veröffentlichen. Eine ausreichende Wiedergutmachung sollte außerdem nur noch durch eine eigene Publikation des Presseorgans erfolgen können und zu einem Absehen von der Verhängung von Sanktionen führen. bb) Vor allem müßte aber der Rügenabdruck eine effektivere Ausgestaltung erfahren. Zu diesem Zweck sind strengere Vorgaben für Inhalt und Form des Rügenabdrucks zu entwickeln und diese in die Rügenabdruckverpflichtung aufzunehmen, um deren Rechtsverbindlichkeit herbeizuführen. Zudem bedarf der Kreis derjenigen, denen ein Anspruch auf Rügenabdruck zustehen soll, einer Erweiterung. Auch Beschwerdeführern, die in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt wurden,

Teil 8: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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ist das – notfalls gerichtlich durchsetzbare – Recht zu gewähren, die Publikation von öffentlichen Rügen zu fordern, die der Deutsche Presserat bzw. die Beschwerdeausschüsse in ihrem Fall verhängt haben. Ermöglicht werden könnte dies durch den Abschluß einer Rügenabdruckvereinbarung zwischen den Betroffenen und den mit der Sanktion der öffentlichen Rüge belegten Verlagen. 14. Diese rechtlich nicht zu beanstandenden Vorschläge vermögen zwar nicht sämtliche bei der Presseselbstkontrolle bestehenden Probleme zu beheben. Doch erscheinen sie für alle Beteiligten, also Berichterstattungsopfer und Presseschaffende, akzeptabel und tragen sie insgesamt zu einer Steigerung der Effektivität der Presseselbstkontrolle bei. Die (regulierte) Selbstregulierung durch den Deutschen Presserat erweist sich damit als ein zukunftsfähiges, weil reformoffenes Modell, das zumindest im Hinblick auf den Persönlichkeitsschutz in Teilbereichen mit dem rechtlichen Schutz konkurrieren kann.

Anhang I Verzeichnis der vom Deutschen Presserat bzw. seinem Trägerverein herausgegebenen, in der Arbeit verwendeten Materialien (in chronologischer Reihenfolge) Deutscher Presserat (Hrsg.): Tätigkeitsbericht 1956 – 1959, 1960. (Tätigkeitsberichte jeweils zitiert: Deutscher Presserat, Tätigkeitsbericht [Berichtsjahr]) Deutscher Presserat (Hrsg.): Tätigkeitsbericht 1962, 1963. Deutscher Presserat (Hrsg.): Tätigkeitsbericht 1972, 1973. Deutscher Presserat (Hrsg.): Tätigkeitsbericht 1973, 1974. Deutscher Presserat (Hrsg.): Tätigkeitsbericht 1974, 1975. Deutscher Presserat (Hrsg.): Tätigkeitsbericht 1975 / 76, 1976. Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 1986, 1987. (Jahrbücher jeweils zitiert: Deutscher Presserat, Jahrbuch [Jahr]) Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Schwarz-Weiss-Buch, Spruchpraxis des Deutschen Presserats, 1990 (zitiert: Deutscher Presserat, Schwarz-Weiss-Buch, 1990). Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 1990, 1991. Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 1994, 1995. Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 1996, 1997. Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 1997, 1998. Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 1998, 1999. Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 2000, Mit der Spruchpraxis des Jahres 1999, 2000. Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 2001, Mit der Spruchpraxis des Jahres 2000, 2001. Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 2002, Mit der Spruchpraxis des Jahres 2001, 2002. Deutscher Presserat: Regeln für guten Journalismus, Die publizistischen Grundsätze des Deutschen Presserats mit Fallbeispielen, 2002.

Anhang I

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Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Jahrbuch 2003, Mit der Spruchpraxis des Jahres 2002, 2003. Deutscher Presserat: Datenschutz in Redaktionen, Ein Leitfaden, 2003. Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Hrsg.): Deutscher Presserat: Bericht zum Redaktionsdatenschutz 2004, Berichtszeitraum: November 2001 bis Oktober 2003, 2004.

Anhang II Verzeichnis der bei der empirischen Untersuchung herangezogenen, die Ziffer 9 Pressekodex betreffenden Fälle* B 67 / 96, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 110 f. B 16 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 303 f. B 17 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 317 f. B 18 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 218 f. B 27 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 121 f. B 35 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 307 ff. B 49 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 290 f. B 60 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 177 f. B 68 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 263. B 70 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 316. B 73 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 288 f. B 75 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 341. B 77 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 133 f. B 87 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 197. B 96 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 319 f. B 97 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 259 f. B 111 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 192 f. B 114 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 210. B 119 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 104 f. B 123 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 98 f. B 125 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 93 f. B 129 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 173 f. B 145 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 273 f. B 154 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 255 f. B 156 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1997, S. 179 f.

* Die nicht veröffentlichten Fälle können bei der Geschäftsstelle des Deutschen Presserats eingesehen bzw. angefordert werden.

Anhang II B 158 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 122 f. B 166 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 59 f. B 169 / 97, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 228. B 2 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 165. B 6 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 196 ff. B 9 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 130. B 29 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 208 f. B 39 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 138 f. B 49 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 216 f. B 58 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 125. B 63 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 212. B 64 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 172 f. B 72 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 163 f. B 74 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 62. B 90 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 115 f. B 93 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 132 f. B 112 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 157. B 147 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 1998, S. 112 f. B 157 / 98, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 116. B 3 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 167 f. B 30 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 189. B 33 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 103. B 35 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 117. B 46 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 170. B 59 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 191. B 61 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 100 f. B 64 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 192. B 70 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 193. B 72 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 171. B 74 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 138 f. B 90 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 174 ff. B 94 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 210 f. B 98 / 99, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 305 f. B 16 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 141 f. B 25 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 120 f. B 30 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 249. 28 Schwetzler

433

434

Anhang II

B 32 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 303 ff. B 39 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 271. B 42 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 224 f. B 44 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 147 f. B 52 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 122 f. B 54 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 328 f. B 60 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 330. B 72 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 257 f. B 73 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 267 f. B 81 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 316 f. B 94 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 195 f. B 97 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 123 f. B 100 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 296 f. B 112 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 242 f. B 123 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 301 ff. B 134 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 244 f. B 139 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 108 f. B 152 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 117. B 161 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 142. B 174 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2001, S. 232 f. B 190 / 00 n.v. B 201 / 00 n.v. B 229 / 00, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 196. B 2 / 01 n.v. B 6 / 01 n.v. B 21 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 90. B 26 / 01 n.v. B 55 / 01 n.v. B 56 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 120 f. B 76 / 01 n.v. B 97 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 91. B 118 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 76 f. B 126 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 88 f. B 130 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 92. B 141 / 01 n.v. B 144 / 163 / 164 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 93 ff.

Anhang II B 177 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 58 f. B 181 / 182 / 183 / 00 n.v. B 186 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 78. B 191 / 01, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2002, S. 149 f. B 238 / 239 / 02, in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2003, S. 165 f.

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Anhang III Änderungen der Trägervereinssatzung und Geschäftsordnung im Jahr 2002 Änderungen der Satzung vom 18. Juni 2002 § 6 – Vorstand (1) Der Vorstand des Vereins besteht aus dem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter. Er wird jeweils für die Dauer von zwei Kalenderjahren gewählt. Der Vorsitz soll zwischen einem Vertreter der Verleger-Trägerorganisationen und einem Vertreter der Journalisten-Trägerorganisationen wechseln. Der Stellvertreter soll ein Vertreter der jeweils anderen Gruppe (Verleger oder Journalisten) sein. § 8 – Sprecher des Deutschen Presserats (1) In der ersten Sitzung eines Kalenderjahres wählt der Deutsche Presserat aus seiner Mitte auf Vorschlag der Mitgliederversammlung (§ 5 Abs. 1 Ziffer 6) seinen Sprecher und dessen Stellvertreter für eine Amtsperiode von zwei Jahren. Das Amt des Sprechers soll alle zwei Jahre zwischen Vertretern der Verleger-Trägerorganisationen und der JournalistenTrägerorganisationen wechseln. Der Stellvertreter soll der jeweils anderen Gruppe (Verleger oder Journalisten) angehören. Änderung der Geschäftsordnung vom 26. November 2002 § 4 – Pflichten der Mitglieder des Deutschen Presserats Der Sprecher des Deutschen Presserats oder dessen Stellvertreter sowie der / die Vorsitzende des zuständigen Beschwerdeausschusses sollen in ihren öffentlichen Äußerungen zu aktuellen presseethischen Fragen Entscheidungen des Deutschen Presserats nicht vorweg nehmen. Die übrigen Mitglieder des Deutschen Presserats äußern sich nicht öffentlich zu laufenden Verfahren. § 11 Abs. 1 der Beschwerdeordnung ist zu beachten.

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Sachverzeichnis Abbildungen 287, 293, 295 ff., 312 f., 321, 328 Abdruck öffentlicher Rügen siehe Rügenabdruck Abdruckverpflichtung siehe Rügenabdruckverpflichtung Abgrenzung Meinungsäußerung / Tatsachenbehauptung 90 ff., 335 ff., 378, 399 – Absichten 339 – Beweisbarkeit von Tatsachenbehauptungen 90, 335, 337, 341 – Fragen siehe dort – Mischäußerungen 91, 338 f. – Schlußfolgerungen 431 – Sonderfälle 338 ff. Absprache – gesetzesvorbereitende Absprache 200, 215, 223, 226, 229, 252 – horizontale Umsetzung 216, 223, 225, 229, 230 – informale Absprache 226 f., 229, 230, 244 ff. – norminfluenzierende Absprache 200 – normvertretende Absprache 200, 215, 216, 218, 223, 226, 229, 252 – Rechtmäßigkeit 216 ff. – Rechtsverbindlichkeit 215, 226 – vertikale Vereinbarung 215, 216, 225 Abwägung 126 ff., 141, 144, 243, 245, 262, 289, 290, 294, 295 f., 296, 302 f., 305, 310, 312, 314, 316, 351 ff., 355, 399, 416 Abwägungslehre siehe Schranken der Kommunikationsfreiheiten Akzeptanz von Selbstkontrolleinrichtungen 143, 150, 268, 356, 375, 377, 385, 398, 400, 402, 423 Alles-oder-Nichts-Prinzip 54, 69 allgemeine Beschwerdearbeit 199 f., 230, 248, 264 allgemeine Handlungsfreiheit 206

allgemeiner Beschwerdeausschuß 172 f., 177, 264 allgemeine Gesetze siehe Schranken der Kommunikationsfreiheiten allgemeines Persönlichkeitsrecht 71 ff., 107, 121 ff., 143, 209, 212 f., 223 f., 262, 266 ff., 316, 320 – Bestandteile 56, 63 – Entwicklung auf verfassungsrechtlicher Ebene 72 – Entwicklung im einfachen Recht 58 f. – Entwicklungsschutz von Kindern und Jugendlichen siehe dort – Kernbereich der Persönlichkeit 87, 88, 141 – Konkurrenz zu anderen Grundrechten 73 – Namensrecht siehe dort – persönlicher Schutzbereich 84 f. – Rahmenrecht 125, 262 – Recht am eigenen Bild siehe dort – Recht am eigenen Wort siehe dort – Recht an der Darstellung der eigenen Person siehe dort – Recht auf informationelle Selbstbestimmung siehe dort – Recht auf Resozialisierung siehe dort – sachlicher Schutzbereich 74 ff. – Schranken des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 85 ff. – Schutz der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung siehe dort – Schutz des privaten Lebensbereichs siehe dort – Schutz vor Diskriminierung siehe dort – Schutz vor Unwahrheiten siehe dort – Selbstdarstellungsschutz siehe dort – sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB 58, 72, 125 – Unschuldsvermutung siehe dort – verfassungsrechtliche Grundlagen 73

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Sachverzeichnis

– Verhältnis des einfachrechtlichen zum grundgesetzlichen Persönlichkeitsrecht 72 f. Allgemeinverbindlicherklärung 269, 389 f., 395, 397 Amtsträger 299 f., 362 Angehörige 289, 293 f., 300 f., 303 f., 304, 310, 313 angemaßte Eigengeschäftsführung 64 f. Anonymität 74, 297, 299, 362 Anspruchsberechtigung beim Rügenabdruck 193, 383, 410 ff., 422, 424 Anzeigenblätter 180 f. Aufbrauchfrist 43 Aufenthaltsort 301 f. Auffangverantwortung 146, 223 Auskunftsanspruch 281 f., 285 f., 286 Auskunftsverweigerungsrechte 282, 285 f. Auslegung 125, 189 ff., 215, 332 ff., 360 – Auslegungskriterien 333 f., 335 – Auslegungsperspektive 125, 215, 332 f., 335 – mehrdeutige Aussagen 125, 334, 335 Ausstrahlungswirkung siehe Drittwirkung der Grundrechte automatische Datenverarbeitung 79 Behaupten von Äußerungen 366, 367, 369 Beisitzer 402 Beleidigung eines Kollektivs 309, 315, 329 f., 332 Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung 309, 315, 330 f., 332 Beleihung 149 Berichtigungsanspruch siehe Richtigstellung Berufsethik siehe Standesethik Berufsfreiheit 206, 208, 210, 213, 221, 247 Beschränkung 234 f., 236, 242 Beschränkungsverbot 232 f., 235 f. Beschuldigter siehe Verdächtiger Beschwer 178 Beschwerdeausschuß 163, 171, 172 ff., 198 f. Beschwerdeausschuß für den Redaktionsdatenschutz 166, 172, 173 ff., 177, 181 – Beschlußfähigkeit 174 f., 264 Beschwerdeführer 178, 181, 197, 209, 222 Beschwerdegegenstand 179 ff.

Beschwerdegegner 178 f., 181, 198, 209 f., 222 Beschwerdekommission 163 Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats 165 f., 168 f., 172, 177 Beschwerdeverfahren 172 f., 177 ff., 264, 374 ff., 386, 401 ff., 410, 414, 418, 422, 424 – Bagatellklausel 182 – Beschwer siehe dort – Beschwerdeführer siehe dort – Beschwerdegegenstand siehe dort – Beschwerdegegner siehe dort – Beschwerdegrund 181 – Beteiligte 181, 183 – Entscheidungsmöglichkeiten siehe dort – fehlerhaftes Verfahren 194 f., 414 – förmliches Beschwerdeverfahren siehe dort – gerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidungen 184, 214, 223, 245, 260, 267, 385 – Gremienbesetzung siehe dort – Kostenfreiheit 375 f. – Nachteile 377, 384 f., 386, 401 ff. – Öffentlichkeit 183, 376, 404 – Popularbeschwerde siehe dort – Prüfungsmaßstab 272 – Recherche 344, 377, 403, 422 f. – Selbstbefassungsrecht siehe dort – Verfahrensdauer 376 – Vergleich mit der Rechtslage 374 ff. – Vermittlungsversuch siehe Vorprüfverfahren – Vorprüfverfahren siehe dort – Vorteile 375 f. – Wiederaufnahme 184 Beseitigungsanspruch 46 ff. Beweislast 127, 342 f., 348 Bild siehe Abbildungen Bildberichterstattung siehe Abbildungen Bildunterschrift 333, 365 Breitenwirkung 119, 133, 139, 140, 346 Britischer Presserat 161, 402 Brutalität 310 Bundesdatenschutzgesetz 166, 215, 258, 260, 263, 291, 420 Bundespresseausschuß 161

Sachverzeichnis Bundespressegesetz 161 Bundestreue 218 Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter 173 Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger 162, 164, 169, 177, 254 Bundeszuschuß siehe Zuschuß Caroline-I-Entscheidung 60 Charta der Grundrechte der Europäischen Union 238 f., 249 Darlegungslast 127, 343 f., 347 f. Datenschutz in den Redaktionen siehe redaktioneller Datenschutz Demokratieprinzip 228, 229, 230, 389 demokratisches Defizit 151, 201 Deutsche Journalisten-Union siehe Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Deutscher Journalisten-Verband 162, 164, 169, 177 Deutscher Presserat 70, 154 ff. – allgemeine Beschwerdearbeit siehe dort – Aufgaben 167 – Beschwerdeausschuß siehe dort – Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats siehe dort – Beschwerdeverfahren siehe dort – Besetzung 170 f. – Finanzierung der Presseselbstkontrolle siehe dort – Geschäftsführer siehe dort – Geschäftsordnung des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse siehe dort – Geschäftsstelle siehe dort – Geschichte 162 ff. – Gremium Deutscher Presserat siehe dort – Grundrechtsbindung 210, 222, 362 – Grundrechtsträger 203 ff., 210, 230, 241, 264 – Gründung 162, 205 – Krise des Deutschen Presserats 164 f. – Neukonstituierung 165 – Organisation 168 ff. – Pressekodex siehe dort – Richtlinien für die Publizistische Arbeit siehe dort

461

– Satzung für den Trägerverein des Deutschen Presserats siehe dort – Selbstkontrolleinrichtung 198 ff. – Selbstkontrolltätigkeit 205 f., 206, 266 ff. – Selbstverständnis 168, 189, 192, 225, 266 – Sprecher des Deutschen Presserats 171 – Tätigkeit Redaktionsdatenschutz siehe redaktioneller Datenschutz – Trägerverband siehe dort – Trägerverein des Deutschen Presserats siehe dort – Vereinbarkeit mit der Rechtsordnung 207 ff. Deutscher Werberat 154 Deutsches Reich 156 Deutung siehe Auslegung DGHS-Entscheidung 132 (Dis-)Kontiuität 325, 372, 378, 379, 380 f., 384 f., 386, 400, 406 Diskriminierung 232, 235, 314 f. – offen 232 – verdeckt 232, 235 Distanzierung 367 f., 369 f., 370 Dokumentationspflicht 281 f., 284 f., 286 Drittwirkung der Grundrechte 107 ff. – Ausstrahlungswirkung 110 f., 111, 115, 119, 136, 143 – Generalklauseln 110, 111 – mittelbare Drittwirkung der Grundrechte 109 ff., 119, 143 – objektive Wertordnung 110 f. – unbestimmter Rechtsbegriff 111 – unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte 106 f., 107 f., 118, 143 DT-Control 154 Effektivität siehe (In-)Effektivität der Presseselbstkontrolle EG-Datenschutzrichtlinie 166, 200, 226, 242, 243 ff., 264 Ehrbegriffe siehe Schutz der persönlichen Ehre Ehrengerichtsbarkeit 158 Ehrenschutz siehe Schutz der persönlichen Ehre Einschleichen siehe Recherche einstweilige Verfügung siehe einstweiliger Rechtsschutz

462

Sachverzeichnis

einstweiliger Rechtsschutz 196 f., 197, 388, 415 f., 422 Einwilligung 114, 290, 294, 296, 305, 360 f., 364 – Schutzbedürfnis des Einwilligenden 114, 360 f. – Umfang der Einwilligung 114, 360 f. – Zweckübertragungsgrundsatz 361 elektronische Presse siehe Pressebegriff Eltern 75, 137, 290 Entscheidungsmöglichkeiten 183 f. Entwicklungsschutz von Kindern und Jugendlichen 81, 139, 310, 321 Erfüllungsverantwortung 146 Erkrankung siehe Krankheit Ermittlungsverfahren 82, 141, 281, 283, 293, 295, 298 ff., 316, 317, 321 Ersatz immaterieller Schäden 58 ff., 69, 262 – Geldentschädigung siehe dort – Subsidiaritätsgrundsatz 61 – Verhältnis zum Anspruch auf Ersatz materieller Schäden 63 Ersatz materieller Schäden 55 ff., 68 f., 262 – dreifache Schadensberechnung 55 Etatistische Konvergenztheorie 108 f., 119, 143 Europäische Menschenrechtskonvention 239 Europäisches Gemeinschaftsrecht siehe Vereinbarkeit mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht Exklusivvertrag 314, 361 Fahndungsaufruf 298 „fair comment“ 351 ff. Familienangehörige siehe Angehörige Finanzierung der Presseselbstkontrolle 176 f., 177 Flüchtlinge 304 Fluchtvorgänge 293 f., 304 f. Folgeberichterstattung 49, 281, 283 f., 287 Formalbeleidigung 127, 304, 350, 355 förmliches Beschwerdeverfahren 183 f., 198, 264, 421 f. Fragen 92, 340 f. Freispruch 281, 283 f. Fremdkontrolle 392, 393, 397, 418 Freunde 294, 304

Gegendarstellung 51 ff., 68, 103, 262, 281 f., 283, 284, 408 f., 415 f. Gegenschlagsprinzip 128 Geldentschädigung 59, 60 ff., 69 – Ausgleichsfunktion 60, 64 – Bemessungskriterien 62 f. – Genugtuungsfunktion 60, 62 – Höhe 62 f., 64 – Präventionsfunktion 60, 62, 64 Gelegenheit zur Stellungnahme 345 ff., 357 gemeinsamer Medienrat 396 Gemeinschaftsgrundrechte 238 ff., 246 ff., 249, 420 – Charta der Grundrechte der Europäischen Union siehe dort – Drittwirkung 241 – Eingriff in Gemeinschaftsgrundrechte 246 f., 248, 420 – Gemeinschaftsgrundrechte als ungeschriebene Rechtsgrundsätze 239 ff. – Quellen 239 f. – Richtlinienumsetzung und Gemeinschaftsgrundrechte 246 ff. – Schutzpflichten 240 f., 241, 247, 248, 420 General Council of the Press siehe Britischer Presserat Generalklauseln siehe Drittwirkung der Grundrechte Genugtuung 68, 373, 379 f., 381, 384 f., 385 f., 407, 423 Gerichtsentscheidungen 316, 319 ff., 322, 364 – wörtliche Wiedergabe 320 f. Gerichtsverfahren 293, 295 f., 298 ff. Gerichtsverhandlung 82 Gerücht 276, 278 f. Geschäftsführer 175, 181 Geschäftsordnung 162, 177 Geschäftsordnung des Deutschen Presserats und seiner Beschwerdeausschüsse 165 f., 168, 172 Geschäftsstelle 175, 176 Geschichte der Presseselbstkontrolle 156 ff. gesellschaftliche Selbstregulierung 146 f., 151, 199 f., 201, 214, 223, 264, 374, 387 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 261 f., 263, 264

Sachverzeichnis Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen siehe Kartellrecht Gesetz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit des vom Deutschen Presserat eingesetzten Beschwerdeausschusses 176, 258 Gesetzesvorbehalt 104, 225 ff., 229, 230 – demokratischer Parlamentsvorbehalt 225, 226 f. – rechtsstaatlicher Eingriffsvorbehalt 225 f. – rechtsstaatlich-grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt 225 – Wesentlichkeitstheorie 225 gesetzesvorbereitende Absprache siehe Absprache gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend siehe Schranken der Kommunikationsfreiheiten Geständnis 316, 319 gesteuerte Selbstregulierung siehe regulierte Selbstregulierung Gewährleistungsverantwortung 146 Gewalt 310 Gewaltenteilungsgrundsatz 217, 227, 229, 230 f. Gewalttaten 310, 312 Gewinnabschöpfung 60 Ginseng-Urteil 59 Glossierung siehe Redaktionsschwanz Gremienbesetzung 170 f., 172, 173, 374 f., 384 f., 386, 401 f. – Aufnahme fachfremder Persönlichkeiten 401 f., 421, 423 Gremium Deutscher Presserat 170 f., 172 f., 177, 198 f., 213, 264 Grundfreiheiten 232 ff., 242, 249, 420 – Adressat 233 f., 236 – Drittwirkung 235 – Parallelismus der Grundfreiheiten 233 – Verletzung durch Unterlassen 235 Grundgesetz siehe Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz grundrechtliche Schutzpflichten siehe Schutzpflichten Grundrechtscharta siehe Charta der Grundrechte der Europäischen Union Grundrechtseingriff bei den Grundrechten des Grundgesetzes 208 ff., 214, 219 ff., 225, 230

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– erweitertes Eingriffsverständnis 208 f. – Grundrechtseingriff im „klassischen Sinn“ 208, 210, 219 – mittelbar-faktischer Grundrechtseingriff 210 f., 221 – Zurechnung 210 f., 222 f. Grundrechtskollision 111, 119 f., 121 ff., 144 Grundrechtsverzicht 113 f., 219 f., 221 f., 222, 230 – Freiwilligkeit 114, 219 f., 221, 222 Gütesiegel 234, 417 Handelsbeschränkung siehe Beschränkung Hauptsacheverfahren 415 f. Herrenreiter-Urteil 58 Herstellung von Bildnissen siehe Recht am eigenen Bild Hinweis 184, 198, 264, 284, 378, 379, 406 hoheitlich regulierte gesellschaftliche Selbstregulierung siehe regulierte Selbstregulierung hoheitliche Regulierung 145 f., 146, 147, 199, 201 identifizierende Berichterstattung 293 f., 295, 303 f., 312, 328 f. imperative Regulierung siehe hoheitliche Regulierung imperative Steuerung siehe hoheitliche Regulierung Industriegewerkschaft Druck und Papier siehe Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Industriegewerkschaft Medien, Druck und Papier, Publizistik und Kunst siehe Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (In-)Effektivität der Presseselbstkontrolle 190, 191 f., 197, 212, 213, 224, 373, 383, 385, 422 f., 424 Informantenschutz 286, 292 Informationen 277, 287 – Beschaffung 98, 134, 136, 213, 291, 292 – rechtswidrige Informationsbeschaffung 98, 288 f., 320 – Verbreitung 98 – Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen 98, 133, 289, 291

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Sachverzeichnis

Informationseingriff 88 Informationsfreiheit 93, 213, 247 Interpretation siehe Auslegung Interview 276, 279, 281, 288 – Ankündigung 276 – Autorisierung 276, 279, 281 Jahrbuch 185, 205, 228, 324 Journalistenkammer 393 f. Journalistenverband 170, 187 journalistisch-redaktionelle Zwecke 138, 180, 294, 306 Jubiläumsdaten 294, 305 Jugendliche 81, 139, 289 f., 299, 310, 312, 316, 321 Jugendschutz 310, 312 juristische Person 84 f., 94, 99, 206 Kapitalverbrechen 298 f. Karikatur 365 Kartellrecht 236 f., 242, 251 ff., 263, 420 – Anwendbarkeit 253 – aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen 236 f., 251, 254 f. – Ausnahmen vom Kartell- und Empfehlungsverbot 257 ff. – Beschluß einer Unternehmensvereinigung 236, 251, 253 – Empfehlungsverbot 256, 260, 263, 420 – europäisches Kartellrecht 234, 236 f., 242, 249, 420 – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen 251 ff., 263, 421 – Immanenztheorie 257 ff., 260, 263, 420 – Kartellverbot 251 ff., 256, 260, 263, 420 – Spürbarkeit 255, 256 – unerlaubte Anwendung von Druck- und Lockmitteln 257 – Vereinbarung zwischen Unternehmen 236, 251, 252 – Verhältnis des europäischen Kartellrechts zum nationalen Kartellrecht 236 – Wettbewerbsbeschränkung 252, 255, 256 – Wettbewerbsverhältnis 253 – Zwischenstaatlichkeitsklausel 237, 242 Katastrophen 310, 312 f., 314

Kenntlichmachung unbestätigter Meldungen, Gerüchte, Vermutungen 276, 278 f., 281 Kernbereich der Persönlichkeit siehe allgemeines Persönlichkeitsrecht Kerntheorie 44, 69 Kinder 75, 81, 137, 139, 289 f., 312 Klage 195, 415 kollektivrechtliche Verbandskontrolle 394 f. kollidierendes Verfassungsrecht 105 Kommerzialisierung 60 Kommerzialisierungswille 66 kommerzielle Ausbeutung 40, 56 Kommunikationsfreiheiten 89 ff. Kontinuität siehe (Dis-)Kontinuität Konvergenz 97, 396 Krankenanstalt 303 f. Krankheit 293, 303 f. Kunstfreiheit 363 f. Landespresseausschuß 161 Landespressegesetze 52, 163, 250, 263, 277, 291, 388, 394, 420 Lebach-Urteil 82 Leistungsklage 195 Leistungsverfügung 196, 415 Leserbrief 276, 283, 380, 407 Leserbrief-Entscheidung 58, 72 Lizenzanalogie 55, 57 Lizenzgebühr 55, 67 Lüth-Urteil 101, 109 f. Mandatsträger 299 f. Manfred Stolpe 336 Marktregulierung 147, 151 Marlene-Dietrich-Urteil 56 Materialbeschaffung siehe Informationen Mediation 390 f., 424 Mediator 390, 397 Medienkompetenz der Europäischen Gemeinschaft 231 Medienprivileg siehe Presseprivileg mehrdeutige Aussagen siehe Auslegung Meinungsäußerung 77, 90 ff., 127 f., 206, 307 f., 348 ff., 369 f., 371 f. – herabsetzende Meinungsäußerungen / Werturteile 77, 128, 304, 307 f., 348 ff. Meinungsfreiheit 90 ff., 160, 205 f., 206, 210, 230, 243, 247, 261, 277, 286, 363

Sachverzeichnis – Abgrenzung Meinungsäußerung / Tatsachenbehauptung siehe dort – außerargumentative Druckmittel 93 – Fragen siehe dort – Gewährleistungsumfang 92 ff. – Meinungsäußerung siehe dort – Meinungsbildungsfreiheit 93, 205 – persönlicher Schutzbereich 94 – sachlicher Schutzbereich 90 ff. – Schranken der Kommunikationsfreiheiten siehe dort – Tatsachenbehauptung siehe dort Menschenwürde 87, 127, 273 ff., 304, 311, 316, 351, 355, 399 – Beschränkungsmöglichkeiten 274 f., 351 – Objektformel 274 f., 311 Metapher 349 Minderheit 314, 316 Mißbilligung 167, 184, 198, 264, 284, 378, 379, 406, 422 Mitteilung der Tatsachenbasis 351, 353 f., 356 mittelbar Betroffener 293, 300 f. Nachkriegszeit 160 f. Nachrichten siehe Informationen Nachrichtensperre 310, 313, 314 Namensnennung 293, 295 ff., 312, 312 f., 321, 328 Namensrecht 55 f., 66 Nazionalsozialismus 159, 394 Nennung von Namen siehe Namensnennung nicht erwiesen wahre Tatsachenbehauptung siehe Tatsachenbehauptung nicht öffentlich gesprochenes Wort 78 nicht öffentliche Beratung, Sitzung 171, 183 Niederlassungsfreiheit 235 f., 236, 242, 249 Normanwendungsebene 103, 123 ff. Normauslegungsebene 125 f. Normebene 103, 122 f. norminfluenzierende Absprache siehe Absprache normvertretende Absprache siehe Absprache öffentliche Aufgabe der Presse siehe Pressefreiheit öffentliche Rüge siehe Rüge 30 Schwetzler

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Ombudsmann 391 f., 392 – extern 392 – unternehmensintern 391 f. Online-Angebote 97 Online-Dienste 180 Online-Medien 166 Online-Veröffentlichungen 198 Opfer 289, 293, 295, 296, 297, 310, 312 f., 314, 316 Opposition 293 f., 304 Orientierungsfunktion 267, 324, 325, 326, 341, 372, 378, 385, 400, 423 Österreichischer Presserat 417 Paradigmenwechsel 190, 197, 264, 382, 422 Parlamentsvorbehalt siehe Gesetzesvorbehalt periodische Druckwerke 156, 180 Person der Zeitgeschichte 133, 135, 280, 297, 300, 305, 362 – absolute Person der Zeitgeschichte 135 f., 280, 305 – relative Person der Zeitgeschichte 135 f., 280, 297, 300, 305, 362 personenbezogene Daten, Informationen 79, 88, 138, 260, 281, 284, 287, 288, 291, 292, 294, 306 – Erhebung 138, 260, 281, 306 – Löschung 287, 291, 292 – Nutzung 138, 260, 281, 306 – Speicherung 79 – Sperrung 287, 291, 292 – Verarbeitung 138, 260, 281, 306 – Verwendung 79 – Übermittlung 294, 305 f. – Weitergabe 79 persönliche Daten siehe personenbezogene Daten, Informationen Persönlichkeitsbild 69 Persönlichkeitskern siehe allgemeines Persönlichkeitsrecht, Kernbereich der Persönlichkeit persönlichkeitsrechtliche Feststellungsklage 69 Persönlichkeitsschutz – rechtlicher Persönlichkeitsschutz 40 ff., 213, 267 f., 273 ff., 327 ff.

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Sachverzeichnis

– postmortaler Persönlichkeitsschutz 40, 293 – presseethischer Persönlichkeitsschutz 266 ff. Pflicht zum Rügenabdruck siehe Rügenabdruckverpflichtung Plenum siehe Gremium Deutscher Presserat Popularbeschwerde 178, 376 praktische Konkordanz 104, 120, 121, 122, 144 Prangerwirkung 139 Prävention 68, 151, 153, 198 f., 266 f., 324, 325, 372, 373, 381, 384 f., 385 f., 407 Press Complaints Commission siehe Britischer Presserat Pressearchiv 98 Presseausschuß 393 – Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen 393 Pressebeauftragter siehe Ombudsmann Pressebegriff 96 f. – elektronische Presse 97, 169, 180 Presseethik siehe Standesethik Pressefreiheit 94 ff., 107, 121 ff., 143, 154, 156, 157, 159, 160, 204 f., 208, 210, 213, 221, 247, 261, 277, 363 f. – Gewährleistungsumfang 98 – Institut „Freie Presse“ 94 – öffentliche Aufgabe der Presse 95, 168 – persönlicher Schutzbereich 99 – Pressebegriff siehe dort – Redaktionsgeheimnis 98 – sachlicher Schutzbereich 96 ff. – Schranken der Kommunikationsfreiheiten siehe dort – Staatsfreiheit 94, 154 – Tendenzschutz 94, 393 – Verhältnis zur Meinungsfreiheit 99 f., 363 f., 364 – Vierte Gewalt 95 Pressegesetze 160 f. Pressekammer 157 f., 250, 393 f. Pressekodex 163 f., 166, 171, 184, 190, 198, 253, 254, 256, 264, 268 ff., 322 ff., 385, 418, 421, 424 – Adressaten 271 – Anwendungsbereich 323, 398

– – – – – – – – – – – – –

Auslegung 271, 273 ff. Bekanntheitsgrad 342, 398, 421 Defizite 324, 385 Inhalte 271 f., 273 ff. Konkurrenzen 345, 351, 371 Persönlichkeitsrelevanz 273 ff. Präambel 271 präventiver Schutz 266 f., 324, 385 Rechtsnatur 268 f. Regelungsdichte 399, 421 Regelungstechnik 271 f., 322 repressiver Schutz 266, 324, 385 Vergleich mit der Rechtslage 273 ff., 323, 385 – Verhältnis zu den Richtlinien für die Publizistische Arbeit 271 – Verhältnis zu den rechtlichen Regeln 269 ff. pressemäßige Sorgfalt 55, 126 f., 278, 308, 345 ff., 348, 354, 399 Presseprivileg 138, 166, 200, 215, 217, 224, 226 f., 243, 245 f., 247, 258 f., 260, 306 presserechtliche Sorgfaltspflichten siehe pressemäßige Sorgfalt Presseselbstkontrolle 151 ff., 154, 157, 198 f. Primärrecht 231 f., 239 Prinzip des schonendsten Ausgleichs 120 Privatautonomie 109, 119, 241 Privatfehde 128 Publizistische Grundsätze siehe Pressekodex publizistische Sorgfalt siehe pressemäßige Sorgfalt Publizitätsgebot 228 f., 229, 231 Qualität der Entscheidungen 377 f., 384 f., 404 f. Quellenangabe 345 ff., 356 ff., 364, 367 Recherche 276, 277, 287 f., 292, 344, 346, 348, 377, 403, 422 f. – Einschleichen 276 – Recherche gegenüber schutzbedürftigen Personen 287, 289 f., 292 – unlautere Recherchemethoden 287, 288 – verdeckte Recherche 287, 288 f.

Sachverzeichnis Recht am eigenen Bild 55 f., 66, 77 f., 133, 134 ff. – berechtigte Interessen des Abgebildeten 136 f., 280 – Bildnis 134 ff., 279 ff. – Herstellung von Bildnissen 77, 135 – kontextneutrale Fotos 136 – Person der Zeitgeschichte siehe dort – Symbolfotos siehe dort – Verbreitung von Bildnissen 77, 135 f. Recht am eigenen Wort 78, 137 Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 262 Recht an der Darstellung der eigenen Person 75 ff., 143, 274, 286, 287, 293 f., 307 Recht auf Datenschutz 178, 180 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 79, 88, 138 f., 224, 287, 293 f., 305 f. Recht auf Privatsphäre 243, 247, 286 Recht auf Resozialisierung 82, 140, 293, 302 f., 321 Recht der persönlichen Ehre siehe Schranken der Kommunikationsfreiheiten Rechtsprechungsmonopol 213 f. Rechtsstaatsprinzip 228, 229, 230 redaktionelle Berichterstattung 40, 154 redaktioneller Datenschutz 166, 167, 173, 190, 192, 200, 203, 222, 230, 245, 248, 258 f., 263 f., 293, 305 f., 398, 420 Redaktionsdatenschutz siehe redaktioneller Datenschutz Redaktionsgeheimnis 294, 306 Redaktionsschwanz 53, 54, 409 Reform der Presseselbstkontrolle 387 ff. – Allgemeinverbindlicherklärung siehe dort – externe Reformmodelle außerhalb der bestehenden Strukturen 392 ff., 397, 424 – gemeinsamer Medienrat siehe dort – gesetzliche Verankerung der Pflicht zum Rügenabdruck siehe Rügenabdruckverpflichtung – kollektivrechtliche Verbandskontrolle siehe dort – Mediation siehe dort – Ombudsmann siehe dort – Presseausschuß siehe dort 30*

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– rechtliche Zulässigkeit der Vorschläge 388, 389 f., 392, 393, 394, 395, 396 f., 418 ff., 424 – Reform des existierenden Systems der Presseselbstkontrolle 388 ff., 397 ff., 424 – unternehmensinterne Reformkonzepte 391 f., 397, 424 – Verbandsgerichtsbarkeit siehe Vereinsgerichtsbarkeit – Vereinsgerichtsbarkeit siehe dort Regulierung siehe Selbstkontrolle, hoheitliche Regulierung, regulierte Selbstregulierung, gesellschaftliche Selbstregulierung regulierte Selbstregulierung 146, 147 f., 149, 151, 199, 200 f., 201, 215, 219, 223, 230, 264, 374, 387 Reichskulturkammer 159 Reichspressekammer 158, 159 Reichspreßgesetz 156, 160 Reichsverband der Deutschen Presse 157 Reizüberflutung 128 Relevanz der Tatsachen 341, 344, 347 religiöses Empfinden 309 ff. Rezipienten 213, 224 f., 230, 247, 365, 398 richterliche Rechtsfortbildung 115 Richterrecht 40, 59 Richtigstellung 49, 281 f., 282 f., 284, 286 – Berichtigungsanspruch 283 Richtlinien für die publizistische Arbeit 164, 166, 167, 171, 198 f., 253, 254, 256, 268 ff., 322 ff., 327, 385, 418, 421, 424 Richtlinienumsetzung 226, 243 ff., 247, 249 – allgemeine Anforderungen 243 f. – EG-Datenschutzrichtlinie 243, 244 ff. Rüge 164, 167, 184 f., 198, 264, 281, 284, 379, 381 ff., 405 f., 422 – nicht öffentliche Rüge 185, 198, 264, 405 f., 419, 422 – öffentliche Rüge 164, 185, 198, 264, 379 f., 381 ff., 405 f., 414, 422 – Reichweite öffentlicher Rügen 383, 416 f., 422 Rügenabdruck 164, 165, 185, 193 ff., 223, 381 ff., 384 f., 407 ff., 414, 419, 422, 424 – Form 185, 382, 407 ff., 419, 422, 424 – Inhalt 185, 382, 407 ff., 419, 422, 424 – Ratio 381, 407

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Sachverzeichnis

Rügenabdruckerklärung siehe Rügenabdruckverpflichtung Rügenabdruckverpflichtung 185, 188 ff., 197, 198, 224, 251, 252, 260, 263, 384 f., 411 f., 419 – alte Erklärung zum Rügenabdruck 189 – Angebot 188, 412 f. – Anspruchsberechtigung beim Rügenabdruck siehe dort – Auslegung 189 ff. – Dauerschuldverhältnis 193, 414 – Defizite 382 f., 407 ff. – einseitig verpflichtender Vertrag 192 f., 414 – Erfüllung der Verpflichtung siehe Rügenabdruck – fehlerhaftes Verfahren siehe Beschwerdeverfahren – Formular 188 – gerichtliche Durchsetzung 195 ff., 197, 198, 223 f., 224 f., 264, 382, 384, 415 f., 419, 422 f. – gesetzliche Verankerung der Pflicht zum Rügenabdruck 388 f., 397 – Individualvereinbarung 188 ff., 197, 205, 264, 419 – neue Erklärung zum Rügenabdruck 188, 190 – Prüfungskompetenz des Gerichts 195, 416 – Rechtsbindungswille 189 ff., 413 – verbandsrechtliche Beziehungen 186 ff., 264 – Verbindlichkeit 188 ff., 197, 198, 224, 230, 263, 264, 382, 384, 419 Sanktionen 184 ff., 197, 198, 251, 264, 378 ff., 384 f., 405 ff., 419, 422 f., 424 – Absehen von Maßnahmen 184, 198, 378 – Änderung der Spruchpraxis 184 – Anzahl 378 f., 405 f., 422 – Auswahl 184 f., 379 f., 406 – Defizite 384 f. – Hinweis siehe dort – Mißbilligung siehe dort – Rüge siehe dort – (Un-)Verbindlichkeit 186 ff., 197, 198

– verbandsrechtliche Beziehungen 186 ff., 197, 250 f., 264 – Wiedergutmachung 380 f., 407, 422 Satire 358 f., 364 – Aussagekern 359 – Einkleidung 359 Satzung für den Trägerverein des Deutschen Presserats 166, 168, 177, 253 Schimpfwörter 350 Schlichtung siehe Mediation Schmähkritik 127 f., 304, 349 f., 355, 358, 399 Schranken der Kommunikationsfreiheiten 100 ff. – Abwägungslehre 101 – gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend 102 – Kombinationsformel des Bundesverfassungsgerichts 101 f. – Recht der persönlichen Ehre 102, 104, 123, 142 – Sonderrecht(slehre) 101 ff., 104 – verfassungsimmanente Schranken siehe dort – Verhältnis der Schranken zueinander 100 – Vorschriften der allgemeinen Gesetze 101 ff., 122, 142, 157 Schranken-Schranke 212 Schriftleitergesetz 159 Schriftleiterkammer 158 Schuldunfähigkeit 298 f. Schutz der Grundbedingungen der Persönlichkeitsentfaltung 80 ff., 143 Schutz der persönlichen Ehre 76 f., 124 ff., 304, 307 f., 308 f., 315, 316 – Beleidigung eines Kollektivs siehe dort – Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung siehe dort – Beurteilungszeitpunkt 343 – Ehrbegriffe 76 f. – Ehrenschutz und wahre Tatsachen 77, 342 f. – Ehrverletzung durch Meinungsäußerungen 77, 127 f., 348 ff. – Ehrverletzung durch Tatsachenbehauptungen 77, 126 f., 342 ff. – Ehrverletzung von Individuen 327 ff., 331 – Erkennbarkeit der Betroffenen 328 f.

Sachverzeichnis – Form der Ehrverletzung 365, 370 – Haftung für Äußerungen Dritter 366 ff., 370 – Kundgabe der Ehrverletzung 365 ff., 370 – Sinnebene 124 f., 131 f. – Vergleich der Spruchpraxis mit der Rechtslage 327 ff. Schutz des privaten Lebensbereichs 74 f., 86 ff., 132 f., 137, 143, 287, 293 f., 294 f. – inhaltlicher Gewährleistungsumfang 74, 137 – „je-desto-Formel“ 87 – räumlicher Gewährleistungsumfang 75, 137, 301 f. – Sphärentheorie siehe dort Schutz vor Diskriminierung 83 f., 314 f. Schutz vor Unwahrheiten 79 f., 139 Schutz vor Verfälschungen 275 f., 278, 281 Schutzpflichten 95, 112 ff., 119, 121, 139, 143 f., 212 f., 214, 223 f., 224 f., 225, 229, 230, 385, 398, 418 – Ableitung 112 – Adressat 114 f., 119 – Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum 114, 117 – Einwilligung 114 – Ermessen 117 – Ermessensreduzierung auf Null 117 – Grundrechtsdreieck Staat – Opfer – Störer 113, 115, 119 – Intensität des Schutzes 115 f. – Justitiabilität 117 f., 119 – Schutzpflichttatbestand 113 f. – subjektives Recht auf Schutz 117, 119, 143 – Subsidiaritätsgrundsatz 116 – Untermaßverbot 116, 119, 120, 121, 122, 144 – Verhältnis zur Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte 118 – Vorbehalt des faktisch Möglichen 116 Sekundärrecht 238, 243, 249, 420 Selbstbefassungsrecht 178 Selbstbestimmungsrecht 76, 78, 79 Selbstdarstellungsschutz 75 f., 134 Selbstkontrolle 116, 145 ff., 159, 160 f., 198 ff.

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– Abgrenzung zu anderen rechtlichen Phänomenen 148 ff. – externe Kontrolle 152 f., 198 – freiwillige Selbstkontrolle 153 – Geschichte 156 ff. – Identität von Kontrolleur und Kontrolliertem 152 f. – interne Kontrolle 152 f., 198 – Nachteile 151 f., 202 – präventive Kontrolle 151, 153, 198 f. – repressive Kontrolle 151, 153, 198 f. – Ursachen 145 f. – verbandsinterne Verfahren und Sanktionen 155 – Verhaltenskodex siehe dort – Vorteile 150, 201 Selbstkontrolle Pressegrosso 154 Selbstkontrolleinrichtung 142 f., 144, 198 ff., 401 – verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gründung 142, 144 – verfassungsrechtliche Vorgaben für die Tätigkeit 142 f., 144 Selbstkontrollinstitution siehe Selbstkontrolleinrichtung Selbstorganisation 205 Selbstregulierung siehe Selbstkontrolle, gesellschaftliche Selbstregulierung, regulierte Selbstregulierung Selbsttötung 293 Selbstverpflichtung 147, 190 Selbstverständnis des Deutschen Presserats siehe Deutscher Presserat Selbstverwaltung 149 Selbstverwaltung der Presse 159, 161 Sensationsbedürfnis 296 f., 314 Sensationsberichterstattung 129 sittliches Empfinden 308 ff. „Soldaten sind Mörder“-Entscheidung 130 Sonderrechtslehre siehe Schranken der Kommunikationsfreiheiten sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB siehe allgemeines Persönlichkeitsrecht Soraya-Entscheidung 59 Sorgfaltspflicht 129, 134, 138, 141, 275 f., 277 f., 307 f., 341, 345 ff., 347 f., 354 f., 357

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Sachverzeichnis

soziale Stellung des Betroffenen 134, 362, 364 Sphärentheorie 86 ff., 88, 134, 294 f. – Geheimsphäre 303 – Intimsphäre 86 f., 133, 135, 137, 294 f., 303 – Privatsphäre 86 f., 133, 135, 137, 294 f., 303 – Sozialsphäre 86, 133, 194 Spontaneität der freien Rede 128 Spruchpraxis 324 ff., 385, 400, 418, 421, 424 – Bekanntheitsgrad 400, 421 – Defizite 372 f., 385, 400 – Forschungsstand 325 f. – Materialien 326 f. – präventiver Schutz 325, 372 – repressiver Schutz 325, 372 – Spruchpraxis und Gerichtsentscheidungen 364 – Spruchpraxis und Grundrechte 363 f. – Vorgehensweise bei der Analyse 326 f. staatliche Presseaufsicht 38 staatliche Regulierung siehe hoheitliche Regulierung Standesethik 269, 271, 272, 274, 299, 322, 405 Standesgerichtsbarkeit 250, 263 Standesrecht 269 Stellung des Betroffenen siehe soziale Stellung des Betroffenen Stellungnahme siehe Gelegenheit zur Stellungnahme strafbewehrte Unterlassungserklärung 42, 45 Strafgewalt von Vereinen 186 f., 251 Straftat 293, 295, 296, 297, 314 f., 316, 321 Straftäter siehe Täter Strafverfahren 302, 316, 317, 321 Streitgenossen 415 Subsidiaritätsgrundsatz siehe Ersatz immaterieller Schäden; Schutzpflichten Superrevisionsinstanz 131 Symbolfotos 275 f., 279 ff., 281 Tarifvertrag 389, 394 f. Täter 82, 140, 293, 295, 296, 298, 302, 314, 316

Tatsachenbehauptung 90 ff., 126 f., 307 f., 341 ff., 357, 369 f., 371 – nicht erwiesen wahre Tatsachenbehauptung 127, 341, 342 f., 345, 347 f., 348, 358, 399 – wahre Tatsachenbehauptung 77, 132, 134, 342 f. – unwahre Tatsachenbehauptung 77, 91, 98, 126, 134, 139, 307 f., 341, 345 ff., 348, 353, 399 Tatverdächtiger siehe Verdächtiger Tendenzschutz siehe Pressefreiheit Tierbezeichnung 349 Titelzeile siehe Überschrift Tonträger 78 Trägerverband 164, 165, 169, 176, 187 – Mitglieder 187, 221 f. Trägerverein des Deutschen Presserats 165, 169 f., 177, 197, 198 f., 268 – Mitglieder 169, 177, 187, 221, 264 Transparenz 201, 229, 231, 377, 384, 404, 422 f. Transparenzgebot 228 f. Trittbrettfahrer 383, 395, 417, 422 f. Übermaßverbot siehe Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Überschrift 333, 365 unangemessen sensationelle Darstellung 310, 311 unbenanntes Freiheitsrecht 72 unbestätigte Meldungen 276, 278 f., 281 ungerechtfertigte Bereicherung 65 ff., 69 – Eingriffskondiktion 65 ff., 68 – Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts 65 ff. Unglücksfall 293, 295 f., 296, 297, 310, 312, 314 Unschuldsvermutung 82 f., 141, 275, 316 ff. – Adressat 82 – Inhalt 82, 318 f., 322 – sachlicher Anwendungsbereich 317, 322 – Vorverurteilung 325, 357 – Vorverurteilungsverbot 316 ff., 321 f., 358 – zeitlicher Anwendungsbereich 317 f., 322 Unterhaltungsbedürfnis siehe Sensationsbedürfnis

Sachverzeichnis Unterlassungsanspruch 41 ff., 68 f., 262, 284 Untermaßverbot siehe Schutzpflichten Unterschieben von Äußerungen 76, 93, 134, 342 f. unwahre Tatsachenbehauptung siehe Tatsachenbehauptung verantwortlicher Redakteur 43, 57, 156 Verband der Anzeigenblattverleger siehe Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter Verband Deutscher Zeitschriftenverleger 162, 164, 169, 177, 254 Verbrecher-Memoiren 310, 313 f. Verbreiten von Äußerungen 366, 367 f., 370 Verbreitung von Bildnissen siehe Recht am eigenen Bild Verdächtiger 83, 148, 298 ff., 316, 318 Verdachtsberichterstattung 356 ff., 364 Vereinbarkeit mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht 231 ff., 264, 420, 421 – Gründung und allgemeine Beschwerdearbeit 232 ff. – Reformvorschläge 420, 421 – Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz und Tätigkeit Redaktionsdatenschutz 242 ff. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz 207 ff., 264, 418 f., 421 – allgemeine Beschwerdearbeit und Grundrechte 209 ff., 214, 230 – Gründung und Grundrechte 208 f., 214, 230 – Organkompetenz 217, 218, 229, 230 – Reformvorschläge 418 f., 421 – Schutzpflichten siehe dort – Tätigkeit Redaktionsdatenschutz und Grundrechte 222 f., 230 – Übernahme der Aufgabe Redaktionsdatenschutz und Grundrechte 219 ff., 230 – Verbandskompetenz 216 f., 218, 229, 230 – Verfahren 218, 229, 230 Vereinigungsfreiheit 203 f., 206, 208, 219, 221, 230, 246 Vereinsautonomie 186, 195, 420 Vereinsgericht 186, 195 Vereinsgerichtsbarkeit 395 Vereinsrecht 195, 250 f., 263, 420

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Vereinsstrafe 186, 263 Vereinsstrafgewalt 186 f., 250 f. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 162, 164, 169, 177 Verfälschung siehe Schutz vor Verfälschungen verfassungsimmanente Schranken 105 verfassungskonforme Auslegung 111 Verhalten des Betroffenen 134, 362, 364 Verhaltenskodex 153, 198 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 86 f., 88, 103, 116, 120, 122, 144 Verlegerverbände 170, 187 Verletzergewinn 55, 67, 68 Vermißte 293, 301 Vermutungsformel 129, 131, 359, 364 Veröffentlichung einer Unterlassungsverpflichtung 45 f., 68 Verpflichtung zum Rügenabdruck siehe Rügenabdruckverpflichtung Verschulden 55, 271, 354, 355 vertikale Absprache siehe Absprache Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte 193, 411 Vertrag zugunsten Dritter 193, 411 f. Vertrauensschutzgesichtspunkte 151, 224 Verwaltungsprivatrecht 148 f. verzerrende Darstellung siehe Schutz vor Verfälschungen Vollstreckung siehe Zwangsvollstreckung Vorausberichte 276 vorläufiger Rechtsschutz siehe einstweiliger Rechtsschutz Vorprüfverfahren 181 f., 198, 264 – Abhilfe 182 – Vermittlungsversuch 182, 198, 264, 376, 379 – Wiedergutmachung 182 Vorverurteilung siehe Unschuldsvermutung Vorverurteilungsverbot siehe Unschuldsvermutung Waffengleichheit 50, 51 f. wahre Tatsachenbehauptung siehe Tatsachenbehauptung wahrhaftige Berichterstattung 277 f., 348, 399 Wahrhaftigkeitsgebot 277 f., 281, 345

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Sachverzeichnis

Wahrheitsgebot 273 f. Wahrnehmung berechtigter Interessen 42, 44, 49, 125 f., 262, 346, 348 Warenverkehrsfreiheit 232 ff., 236, 242, 249 Wechselwirkungslehre 103 f., 104, 122, 125, 126, 130, 144, 359, 364 Weimarer Republik 157 f. Werbung 40, 59, 154, 180 Werturteil siehe Meinungsäußerung Wesentlichkeitstheorie siehe Gesetzesvorbehalt Wettbewerbsabsicht 261 f. Wettbewerbsfreiheit 208, 210, 213, 221, 247 Widerruf 48 ff., 68, 262, 281, 283, 284 Widerrufsanspruch siehe Widerruf Wiedergutmachung 373, 382, 384 f., 385 f., 407, 423

Zensur 96, 142, 156 – Nachzensur 106 – Vorzensur 106, 212 Zensurverbot 105 ff., 212, 214, 223, 230 – Adressat 106 f., 212, 223 Zitat 134, 278, 343, 368 ff., 370 – Kennzeichnung 369 f. Zivilrechtliche Ansprüche 37, 40 ff., 262, 263, 264 Zuschuß 176, 199 f., 203, 210 f., 222, 258 Zwangskörperschaft siehe Zwangszusammenschluß Zwangsmitgliedschaft siehe Zwangszusammenschluß Zwangsvollstreckung 196, 382, 415 Zwangszusammenschluß 203, 250, 263