Par(s) inter pares?: Die Bundesbank als nationale Zentralbank im Europäischen System der Zentralbanken [1 ed.] 9783428524549, 9783428124541

"Par(s) inter pares?" - Der rhetorische Sinnspruch dient der Autorin als Leitmotiv eines Rechtsvergleichs mit

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Par(s) inter pares?: Die Bundesbank als nationale Zentralbank im Europäischen System der Zentralbanken [1 ed.]
 9783428524549, 9783428124541

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Schriften zum Europäischen Recht Band 134

Par(s) inter pares? Die Bundesbank als nationale Zentralbank im Europäischen System der Zentralbanken

Von Cornelia Manger-Nestler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Cornelia Manger-Nestler · Par(s) inter pares?

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 134

Par(s) inter pares? Die Bundesbank als nationale Zentralbank im Europäischen System der Zentralbanken

Von Cornelia Manger-Nestler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Chemnitz hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-12454-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern. Ihre bedingungslose Liebe, ihr menschlicher und intellektueller Rückhalt sind die eigentliche Grundlage dieser Arbeit.

Vorwort Dem Wunsch nach monetärer Integration in Europa entsprang ein beispielloser Entwicklungs- und Initiativprozess. Charakteristisch für seinen Verlauf waren einerseits eine bemerkenswerte, fast euphorische Dynamik, andererseits ernüchternde Einsichten infolge von Reibungsverlusten. Die im Juli 2006 als Dissertation vorgelegte Schrift weist in ihrer Entstehung erstaunliche Parallelen zum Schicksal der währungsrechtlichen Vergemeinschaftung auf: Der zunehmende Fortgang des Erkenntnisprozesses wandelte den anfänglichen Zauber der emotionalen Begeisterung für eine Idee in rationale Einsichten und gesichertes Wissen über den realen Besitzstand. Von der Vermutung über die Erfahrung zum Wissen: dieser „Pfad der Vernunft“ könnte auch für die europäische Idee ein gewinnbringender (Aus-)Weg sein, um den Knoten aus Hoffnung, Furcht und Vorurteil zu zerschlagen. Denn das allmähliche Reifen eines Gegenstandes führt zur Besinnung auf eigene Fähigkeiten, die diese Entwicklung hervorbringen; letztlich zu unschätzbar wertvollem Wachsen an sich selbst. Die Veröffentlichung der Arbeit bietet Raum, meiner empfundenen Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Aufrichtige Verbundenheit gebührt Prof. Dr. Ludwig Gramlich, meinem Doktorvater. Als geduldiger Lehrer und ideenreicher Ratgeber stand er in jeder Phase der Arbeit zur Seite. Sein hohes Maß an geistiger Präzision hat mich nachhaltig motiviert; der wohltuende, zutiefst menschliche Umgang mit Fragen stets beeindruckt. Dank gilt ebenso den Zweitgutachtern: Prof. Dr. Klaus-Dieter John (TU Chemnitz) und Prof. Dr. Ulrich Häde (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/O.); letzterem besonders für das rasche und überaus gründliche Gutachten. Für die ehrenvolle Aufnahme der Arbeit dankbar bin ich dem Verlag Duncker & Humblot sowie den Herausgebern der Schriften zum Europäischen Recht, Prof. Dr. Siegfried Magiera, Prof. em. Dr. Dr. Detlef Merten (beide DHV Speyer), Prof. Dr. Matthias Niedobitek (TU Chemnitz) und Prof. Dr. Karl-Peter Sommermann (DHV Speyer). Der Stiftung „Geld und Währung“ der Deutschen Bundesbank bekunde ich Dank für die großzügige Unterstützung der Publikation. Aus tiefstem Herzen danke ich schließlich den Menschen, die das Gelingen der Arbeit maßgeblich unterstützten: meinen Eltern für den ideellen Rückhalt,

8

Vorwort

den sie mir zu jeder Zeit entgegenbrachten, und meinem Mann für all die liebevollen Kraftquellen, die er stets bereithielt. Leipzig, im Sommer 2007

Cornelia Manger-Nestler

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

E r s t e r Te i l

Von Bretton Woods zur Währungsunion – Die Bundesbank im europäischen Integrationsprozess

30

Kapitel 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank . . . . .

30

1. Abschnitt: Von der Bank deutscher Länder zur Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . .

30

2. Abschnitt: Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation . . . . . . . . . . . . . .

36

3. Abschnitt: Funktionen der Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

Kapitel 2: Internationale und europäische Ansätze einheitlicher Geld- und Währungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

4. Abschnitt: Währungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

5. Abschnitt: Das Europäische Währungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

6. Abschnitt: Der Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 7. Abschnitt: Die Aufgaben der Bundesbank in der Konvergenzstufe (1. Stufe) . . 110 8. Abschnitt: Die Aufgaben der Bundesbank in der Koordinierungsstufe (2. Stufe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Z w e i t e r Te i l

Die Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB

131

Kapitel 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 9. Abschnitt: Die Vergemeinschaftungsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 10. Abschnitt: Überblick über das Europäische System der Zentralbanken . . . . . . . 144 Kapitel 4: Rechtsstellung der NZBen und systeminterne Kompetenzverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 11. Abschnitt: Rechtsstellung der Bundesbank als NZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 12. Abschnitt: Kompetenzverteilung im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

10

Inhaltsübersicht

Kapitel 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB . . 230 13. Abschnitt: Aufgaben der Bundesbank innerhalb des ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 14. Abschnitt: Wahrnehmung anderer Aufgaben durch die Bundesbank . . . . . . . . . 276 Kapitel 6: Rechtsschutz und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 15. Abschnitt: Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . 283 16. Abschnitt: Einfluss des europäischen Verfassungsvertrages auf das ESZB . . . 317 17. Abschnitt: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Anhang 1: ESZB im Säulenmodell der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Anhang 2: Geldpolitische Strategie des ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Anhang 3: Aufgabenverteilung im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Anhang 4: Konkordanzverzeichnis BBankG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 26 27 28

E r s t e r Te i l

Von Bretton Woods zur Währungsunion – Die Bundesbank im europäischen Integrationsprozess

30

Kapitel 1 Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

30

1. Abschnitt: Von der Bank deutscher Länder zur Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gründung der Landeszentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bank deutscher Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Errichtung der Deutschen Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 30 31 32 35

2. Abschnitt: Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation . . . . . . . . . . . . . . A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfassungsrechtliche Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Garantie der Unabhängigkeit im monetär-kreditären Bereich . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . 2. Einfachgesetzliche Garantie der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . II. Grenzen der Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterstützungspflicht gegenüber der Bundesregierung . . . . . . . . . 2. Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Demokratische Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Aufbau der Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zentralbankrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Direktorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Landeszentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 36 37 37 37 39 40 41 42 43 44 44 47 47 48 49

12

Inhaltsverzeichnis

3. Abschnitt: Funktionen der Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ziel der Währungssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 3 BBankG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stabilität des Preisniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geldmengensteuerung als Zwischenziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einschränkungen der Währungssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterstützung der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Banknotenausgabemonopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Währungspolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsätze der rechtlichen Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kreditpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Währungspolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Festlegung des Diskont- und Lombardsatzes . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollzugsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Offenmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Währungspolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze der Offenmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausführungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenstände von Offenmarktgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäfte mit Geldmarktpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Devisenmarktgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Mindestreservepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Währungspolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anweisung über Mindestreserven und Festsetzung der Reservesätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfüllung der Reservepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mindestreserve und Bardepotpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Einlagenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Währungspolitische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 50 50 50 51 51 52 54 54 55 56 56 57 57 57 59 61 61 63 63 65 66 66 67 67 68 69 69 69 70 71 71 72 72 76 76 77 77 78

Inhaltsverzeichnis

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E. Weitere Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwaltung der Währungsreserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bank des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kassenkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Geschäfte mit öffentlichen Verwaltungen . . . . . . . . . . . . 4. Emission öffentlicher Schuldtitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bank der Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Statistische Erhebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. „Jedermann-“Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 78 79 79 80 80 80 81 81 81 82 83 84

Kapitel 2 Internationale und europäische Ansätze einheitlicher Geld- und Währungspolitik 4. Abschnitt: Währungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wechselkurssystem von Bretton Woods . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Römische Verträge 1956/1957 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Währungspolitische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beratender Währungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wechselkurspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ausschuss der Zentralbankpräsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Werner-Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zielkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Europäischer Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit . . . . . . III. Wechselkurspolitik im Europäischen Wechselkursverbund . . . . . . . . .

85 85 85 85 87 87 88 88 89 89 89 91 92

5. Abschnitt: Das Europäische Währungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 A. Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 I. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. ECU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3. Wechselkursmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Leitkursanpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Interventionspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. Kreditmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

14

Inhaltsverzeichnis B. Einfluss der Einheitlichen Europäischen Akte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 C. Zunahme der Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 D. EWS-Krise 1992/1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

6. Abschnitt: Der Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Delors-Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vertrag von Maastricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirtschaftsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Währungsunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105 105 107 107 107 109

7. Abschnitt: Die Aufgaben der Bundesbank in der Konvergenzstufe (1. Stufe) . . A. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das 4. Bundesbank-Änderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gemeinschaftsrechtliche Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Wechselkursverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Kredit- und Offenmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Mindestreservepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110 110 110 110 112 112 113 114 114

8. Abschnitt: Die Aufgaben der Bundesbank in der Koordinierungsstufe (2. Stufe) A. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderung des Art. 88 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Änderungen des Bundesbankgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das 5. Bundesbank-Änderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das 6. Bundesbank-Änderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gemeinschaftsrechtliche Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Europäisches Währungsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsstellung und Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gouverneursausschuss und EFWZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Wechselkursverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Kredit-, Offenmarkt- und Mindestreservepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Sonstige Geschäftsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 115 115 116 120 120 121 123 124 124 124 125 126 127 128 128 130

Inhaltsverzeichnis

15

Z w e i t e r Te i l

Die Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB

131

Kapitel 3 Das ESZB als „Integrationsprodukt“

131

9. Abschnitt: Die Vergemeinschaftungsstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zeitplan und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stufe 3a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stufe 3b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Konvergenzkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zweifel an der Dauerhaftigkeit der Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . .

131 131 132 133 133 135 136 136 138 138 140 141

10. Abschnitt: Überblick über das Europäische System der Zentralbanken . . . . . . . A. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nationale Zentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Europäische Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigenständige supranationale Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gemeinschaftsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung . . . . . . . . . . 2. Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäischer Zentralbank-Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reform durch Vertrag von Nizza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) EZB-Direktorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unabhängigkeit der EZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 144 144 145 147 147 148 150 150 150 150 152 154 156 156 157 157 158 161 162

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Inhaltsverzeichnis a) b) c) d) e)

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personelle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutionelle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzielle Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unabhängigkeit bei rechtsverbindlichen Handlungen . . . . . . . aa) Rechtsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kontrolle durch den EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Währungsaußenpolitik als Ausnahme der Unabhängigkeit . . . g) Demokratieprinzip als Einschränkung der Unabhängigkeit . . aa) Europarechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nationale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Tatsächliche Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ziele und Aufgaben des ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Preisstabilität als Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strategie der Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Offenmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kreditpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mindestreservepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Sonstige geldpolitische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162 163 164 166 166 167 169 170 172 172 174 175 176 176 178 178 178 178 180 180 182 183 185 185

Kapitel 4 Rechtsstellung der NZBen und systeminterne Kompetenzverteilung 11. Abschnitt: Rechtsstellung der Bundesbank als NZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bundesbank als Einrichtung der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bundesbank als zwischenstaatliche Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bundesbank als Einrichtung der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das 7. und 8. Bundesbank-Änderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neustrukturierung der Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 187 187 188 188 189 191 192 194 194 194 194 195

Inhaltsverzeichnis

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a) Vorstand als Leitungsgremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Hauptverwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 12. Abschnitt: Kompetenzverteilung im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundsätze der EG-Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Geld- und währungspolitische Rechtssetzungs- und Vollzugskompetenzen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Festlegung der Geldpolitik als ausschließliche Kompetenz der EZB 1. Keine Parallelkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschließliche EZB-Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsnatur der systeminternen EZB-Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leitlinien des EZB-Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vergleichbarkeit mit EG-Rechtsinstrumenten, insbesondere EG-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leitlinien als Rechtsakte sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weisungen des EZB-Direktoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kompetenzspielräume der NZBen bei der Durchführung der Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine ausschließliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkurrierende (Vollzugs-)Kompetenz bei der Durchführung der Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollzugsspielräume der NZBen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umsetzungsermessen der NZBen unter besonderer Berücksichtigung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen c) Vollzugskompetenz und Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendbarkeit des gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Subsidiaritätsklausel des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Möglichkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Sachgerechtigkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtspflicht der EZB zur Einbeziehung der NZBen . . .

200 200 202 202 203 203 204 206 206 207 207 210 211 212 212 214 214 215 215 217 219 219 220 223 223 225 226 228

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Inhaltsverzeichnis Kapitel 5 Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

13. Abschnitt: Aufgaben der Bundesbank innerhalb des ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rolle des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat bei Festlegung der Geldpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einflussnahme durch nationale Gremien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rotationsprinzip nach Vertrag von Nizza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufgaben der Bundesbank bei der Durchführung der Geldpolitik . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur der geldpolitischen Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Offenmarktgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einheitliches Sicherheitenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art und Weise der Besicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Korrespondenz-Zentralbank-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Befristete Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Definitive Käufe und Verkäufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Emission von EZB-Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . dd) Devisenswapgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Hereinnahme von Termineinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kreditpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spitzenrefinanzierungsfazilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einlagefazilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mindestreservepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Andere geldpolitische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Währungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Devisenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Halten und Verwalten der Währungsreserven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Bargeldversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Bankenaufsicht und Stabilität des Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

230 230 230 231 231 231 232 235 236 236 236 238 239 240 240 242 244 245 245 248 248 249 249 250 250 251 253 254 257 258 258 258 260 262 264 265

Inhaltsverzeichnis

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I. Unterstützung der nationalen Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stabilität des Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halten des Kapitals der EZB und Gewinnverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligung an internationalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationaler Währungsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. G-10-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommunikation und Publikation im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Faktischer Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265 267 267 268 270 270 271 272 273 273 274

14. Abschnitt: Wahrnehmung anderer Aufgaben durch die Bundesbank . . . . . . . . A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsnatur der „anderen Aufgaben“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Fiskalagent des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Bank der Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Beratende Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

276 276 277 278 280 281 281

G. H. I.

J. K.

Kapitel 6 Rechtsschutz und Ausblick 15. Abschnitt: Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zuständigkeitsabgrenzung zwischen EuGH und nationalen Gerichten . . . . C. Rechtsschutz vor dem EuGH im Verhältnis von Bundesbank und EZB . . . I. Prüfungsmaßstab des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bundesbank als Klägerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsakte mit Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Innersystemare Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Leitlinien des EZB-Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Weisungen des EZB-Direktoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vertikale Aufgabenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Horizontale Aufgabenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbliebene Eigenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

283 283 283 283 284 284 286 286 287 288 289 290 291 294 295 296 296

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Inhaltsverzeichnis 3. Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schadensersatzklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bundesbank als Beklagte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Klagegegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Leitlinien und Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Andere Klagearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Streitigkeiten zwischen EZB-Rat und EZB-Direktorium . . . . . . . . . . D. Rechtsschutz der Bundesbank vor nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prinzip der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prüfungsumfang der nationalen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leitlinien des EZB-Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbare Wirkung von Leitlinien des EZB-Rates . . . . . . . b) Staatshaftungsanspruch wegen fehlerhafter Umsetzung von Leitlinien des EZB-Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weisungen des EZB-Direktoriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungsrechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

298 298 302 302 302 302 305 306 307 307 308 309 309 309 311 311 311 312 313 314 315 315 315 316

16. Abschnitt: Einfluss des europäischen Verfassungsvertrages auf das ESZB . . . A. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Genese und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaltsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Währungsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stabilitätsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stellung der EZB in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellung der NZBen im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verfahren zur Änderung der ESZB-Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317 317 318 318 320 321 321 322 324 326 327 328

Inhaltsverzeichnis 17. Abschnitt: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erster Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 329 329 329 330 331

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Anhang 1: ESZB im Säulenmodell der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Anhang 2: Geldpolitische Strategie des ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Anhang 3: Aufgabenverteilung im ESZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Anhang 4: Konkordanzverzeichnis BBankG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Abkürzungsverzeichnis ABl. Abs. a. E. AETR a. F. AGB AöR Art. BaFin BAnz. BayVBl. BBankG Bd. BdL Bek. BIZ BT BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE CCMLR ders. dies. DM DÖV DÜGAufhG DVBl. ECOFIN ECU ed. EEA EFWZ EG EGKS

Amtsblatt Absatz am Ende Accord europeén sur les transports routiers alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Archiv für öffentliches Recht Artikel Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanzeiger Bayrische Verwaltungsblätter Gesetz über die Deutsche Bundesbank Band Bank deutscher Länder Bekanntmachung Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Deutscher Bundestag Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Cour (Europäischer Gerichtshof) Common Market Law Review derselbe dieselbe(n) Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung Gesetz zur Aufhebung des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes Deutsches Verwaltungsblatt Wirtschafts- und Finanzminister(-Rat) European Currency Unit editor(s) Einheitliche Europäische Akte Europäischer Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

Abkürzungsverzeichnis EGV EIB ELR ELS ESZB EU EuConst EuG EuGH EuGRZ EuR EuZW EWG EWGV EWI EWS EZB f., ff. FinDAG Fn. FS GG GVG GYIL Hrsg. HS IWF JCMS JuS JZ KOM KWG lit. LRG LZB MFI MünzG m.w. N. NJW NVwZ NZB

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EG-Vertrag Maastrichter Fassung Europäische Investitionsbank European Law Review Euro Link System; Elektronischer Schalter Europäisches System der Zentralbanken Europäische Union European Constitutional Law Review Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Währungsinstitut Europäisches Währungssystem; Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Europäische Zentralbank folgend(e) Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Fußnote Festschrift Grundgesetz Gerichtsverfassungsgesetz German Yearbook of International Law Herausgeber Halbsatz Internationaler Währungsfonds Journal of Common Market Studies Juristische Schulung JuristenZeitung Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz) litera (Buchstabe) längerfristiges Refinanzierungsgeschäft Landeszentralbank Monetäres Finanzinstitut Münzgesetz mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nationale Zentralbank

24 ÖBA Rn. Rs. RTGS Slg. Sp.-str. SRF TARGET ThürVBl. u. a. UAbs. verb. Rs. Vol. VR VV VwVfG VwGO WKM WM WWU ZaöRV ZBB ZEuS ZHR Ziff. zit. ZRP

Abkürzungsverzeichnis Österreichisches Bank-Archiv Randnummer Rechtssache Real-Time Gross-Settlement Sammlung der Rechtssprechung des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Spiegelstrich Spitzenrefinanzierungsfazilität Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement ExpressTransfer System Thüringer Verwaltungsblätter unter anderem; und andere Unterabsatz verbundene Rechtssache Volume Verwaltungsrundschau Verfassungsvertrag Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Wechselkursmechanismus Wertpapiermitteilungen Wirtschafts- und Währungsunion Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Ziffer zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik

*** Anmerkung zur Zitierweise des EG-Vertrags Die Artikel des EG-Vertrags und des EU-Vertrags werden im Text in der Regel nach der durch den Amsterdamer Vertrag in der Fassung des Vertrags von Nizza eingeführten Nummerierung verwendet. Sofern ältere Fassungen zitiert werden (EWGV, EGV), wird zusätzlich auf die – sofern vorhandene – aktuelle Nummerierung verwiesen.

Einleitung „The states of Europe must join together in a federation or European formation that allows them to grow together into a single economic unity. Europe must be united, and not only through cooperation but through the voluntary transfer of sovereignty of the nations of Europe to a kind of central union.“1

In einer Zeit, in der Kriegsberichte ganz Europa erschütterten, formulierte Jean Monnet die Vision einer „entité européenne“2 – ohne die heutige Europäische Union auch nur zu erahnen. Mehr als 60 Jahre später, im Frühjahr 2007, einigten sich die Staats- und Regierungschefs in der „Berliner Erklärung“3 auf eine „erneuerte gemeinsame Grundlage“ für die Europäische Union, um die „Verfassungskrise“ zu beenden. Die Zeitspanne, die zwischen den beiden Aussagen liegt, ist geprägt von beispielloser friedlicher Einigung auf dem europäischen Kontinent. Obwohl im Kontext grundverschieden, symbolisieren die Zitate zwei Grundannahmen einer dauerhaft bestehenden Europäischen Union: einerseits die Abhängigkeit von tragfähigen Integrationskonzepten, andererseits deren notwendige Akzeptanz von und in den Mitgliedstaaten. Europa verdeutlicht sozusagen die Notwendigkeit von Kontinuität und Komplementarität. Die Existenz der europäischen Einheitswährung dient gleichsam als Paradebeispiel der Debatte um Einigung in Europa. Die Geld- und Währungspolitik weist ein Niveau an Vergemeinschaftung auf, das für andere Politikbereiche wünschenswert ist. Dennoch leidet der Euro – nicht nur in Deutschland – unter einem „Imageproblem“, das durch Information allein kaum zu lösen ist. Verschärft wird die Situation durch die regelmäßige Politisierung der Argumente. Wenngleich die ambivalente politische Auseinandersetzung nicht außer Acht gelassen werden kann, illustriert sie nur den Hintergrund. In einer europäischen Integrationsgemeinschaft, deren einigendes Band das Recht ist, soll dem rechtlichen Rahmen die entscheidende Bedeutung beigemessen werden. 1 „Note de réflexion de Jean Monnet, Alger, le 5 août 1943“, französischer Originaltext: Fondation Jean Monnet pour l’Europe, Archives Jean Monnet, AME 33/1/4. 2 Ebenda. 3 Der vollständige Wortlaut der „Berliner Erklärung“ anlässlich der Tagung des Europäischen Rates am 25.03.2007 ist verfügbar unter: http://www.eu2007.de/de/News/ download_docs/Maerz/0324-RAA/German.pdf (Stand: 27.03.2007).

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Einleitung

Ziel Objektiv betrachtet sind europäische und nationale Ebenen im Bereich der Geld- und Währungspolitik seit Beginn der Endstufe der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) in hohem Maße miteinander verschränkt und voneinander abhängig. Indem europäische Geldpolitik4 nunmehr einheitlich von Institutionen auf Gemeinschaftsebene formuliert wird, übernehmen diese zugleich Aufgaben der bisherigen nationalen Einrichtungen. Infolgedessen ordnet das als MehrEbenen-System konstruierte Europäische System der Zentralbanken (ESZB) rechtlich selbständige nationale Zentralbanken (NZBen) der gemeinschaftsrechtlichen Europäischen Zentralbank (EZB) unter. Die Auswirkungen der Wirtschafts- und Währungsunion auf die NZBen erschöpfen sich jedoch keineswegs in dieser Erkenntnis. Die NZBen mussten sich einem tief greifenden Bedeutungswandel unterziehen. Besonders die vormals einflussreiche Bundesbank bekam den Machtverlust deutlich zu spüren. Er schlug sich in veränderter Rechtsstellung und vielfach modifizierten Kompetenzen nieder. Auch wenn das Primärrecht die NZBen rein formal als gleichrangige Bestandteile des ESZB nennt, bildet die Bundesbank seit 1999 nur einen Teil („pars“) eines Systems gestuft organisierter öffentlicher Gewalt. Als „pars inter pares“ hat sich die Bundesbank in den Rechtsrahmen des ESZB einzufügen. Zugleich ist sie aber auch rechtlich selbständige, nationale Einrichtung, da ihr trotz Zugehörigkeit zum ESZB gewisse Handlungsspielräume sowie eigene Aufgaben verbleiben. Die Bundesbank ist gewissermaßen „sie selbst bleibende unter Gleichen“ („par inter pares“). Die aus dieser besonderen Rechtsstellung folgende Wechselbezüglichkeit und Komplementarität des nationalen und europäischen Rechtsrahmens sind Gegenstand der Arbeit. Anhand des Zusammenspiels der Systemelemente (EZB und NZBen), der Funktionsweisen des Systems sowie der Konsequenzen für Struktur und Kompetenzen der NZB(en) wird untersucht, inwieweit die Bundesbank „Gleiche unter Gleichen und Teil des Ganzen“ („par[s] inter pares“) ist. Im Mittelpunkt steht dabei das Verhältnis der NZB(en) zur EZB. Neben verallgemeinerungsfähigen Erkenntnissen für die „vertikalen“ Beziehungen der NZBen zur EZB kann das Prinzip „Viel Freiheit im Detail, wenig Freiheit in den Grundsätzen“ für die Rolle der „integrierten“ Bundesbank nachgewiesen werden.

4 Als „Geldpolitik“ (im engeren Sinne) ist der Teilbereich der „Währungspolitik“ anzusehen, der die Steuerung von Angebot und Nachfrage auf dem (nationalen) Geldmarkt umfasst und daher nicht unmittelbar auf die Gestaltung der Währungsbeziehungen mit dem Ausland gerichtet ist; Issing, Geldpolitik, S. 1 f.

Einleitung

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Methode Ein Ansatz, der sich allein auf die juristische Betrachtung beschränkt, kann die Themenstellung nicht umfassend behandeln. Geld- und währungspolitisches Handeln von Notenbanken unterliegt gleichermaßen Recht und Ökonomie. Die Arbeit verbindet daher die – zum Teil konträr angelegten – Diskussionsansätze der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Der Schwerpunkt liegt allerdings in der Behandlung der rechtlichen Aspekte der aufgeworfenen Fragen. Eingebettet in die grundlegenden Werke von Smits (1997)5 und Zilioli/Selmayr (2001)6 zum Recht der Europäischen Zentralbank wird die vorliegende Untersuchung die Ergebnisse von Weber (1995),7 Galahn (1996),8 Weinbörner (1998),9 Goetze (1999)10 und Zimmermann (2000)11 auswerten, erweitern und aktualisieren; das einschlägige Schrifttum ist bis einschließlich Mai 2007 berücksichtigt. In Abgrenzung zu Brosius-Gersdorf12 widmet sich die vorliegende Abhandlung verstärkt der Interaktion zwischen nationaler und europäischer Ebene in Gestalt von Bundesbank und EZB. Indem die Rolle der Bundesbank vor und seit Zugehörigkeit zum ESZB kritisch hinterfragt wird, verknüpft die angewandte Untersuchungsmethode die systematische Analyse mit dem Vergleich. Als Basis der Gegenüberstellung dienen zwei Entwicklungsstränge: die Entstehung und nationale Position der Bundesbank einerseits und die internationale, speziell europäische Integration andererseits. Zunächst stehen beide Linien gleichwertig nebeneinander; aus Gründen der Klarheit werden sie getrennt interpretiert. Aus der anschließenden Zusammenführung der nationalen und europäischen Prozesse resultiert ein einheitliches Produkt in Gestalt des geld- und währungspolitischen Netzwerks der Gemeinschaft; die Analyse der Rolle der

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Smits, The European Central Bank. Zilioli/Selmayr, The Law of the European Central Bank. 7 Weber, Die Kompetenzverteilung im Europäischen System der Zentralbanken bei der Festlegung und Durchführung der Geldpolitik. 8 Galahn, Die Deutsche Bundesbank im Prozess der europäischen Währungsintegration – Rechtliche und währungspolitische Fragen aus deutscher Sicht. 9 Weinbörner, Die Stellung der Europäischen Zentralbank (EZB) und der nationalen Zentralbanken in der Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht. 10 Goetze, Die Tätigkeit der nationalen Zentralbanken in der Wirtschafts- und Währungsunion. 11 Zimmermann, Die nationalen Zentralbanken als Bestandteile des Europäischen Systems der Zentralbanken: Folgen der Integration. 12 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip: eine verfassungsrechtliche Studie zur Bundesbankautonomie vor und nach der dritten Stufe der europäischen Währungsunion. 6

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Einleitung

Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB beinhaltet den angestrebten Erkenntnisgewinn. Gang der Untersuchung Als Einstieg in den Untersuchungsgegenstand dient der Erste Teil, der die Grundlagen des (bundes-)deutschen Zentralbankwesens behandelt. Der Rückblick setzt an der nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland notwendigen währungspolitischen Neuordnung an (1. Abschnitt) und endet mit dem nationalen Verlust währungspolitischer Verantwortung. Historisch gesehen handelt es sich dabei um die Phase, in der die Bundesbank die größte „Machtfülle“ innehatte. Die rechtliche Stellung (2. Abschnitt) sowie der Umfang der Aufgaben (3. Abschnitt) zum damaligen Zeitpunkt sind entscheidend, um das Ausmaß der integrationsbedingten Veränderungen für die Bundesbank festzustellen. Eckpunkte der Betrachtung bilden vor allem verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Regelungen, da sie Rechtsform und Organisationsstruktur festlegen und den Rahmen der Kompetenzen und Aufgaben der Bundesbank abstecken. Im Anschluss daran weitet die Arbeit den Blick in Bezug auf internationale und speziell europäische Integrationsansätze der Geld- und Währungspolitik. Beginnend mit dem Wechselkurssystem von Bretton Woods (4. Abschnitt) wird die Entwicklung bis zur Wirtschafts- und Währungsunion, dem europäischen status quo nachgezeichnet (5. und 6. Abschnitt). Entsprechend dem Ziel der Analyse reflektiert die Untersuchung, dass die Bundesbank an der Jahrzehnte währenden europäischen Einigung im Währungsbereich maßgeblich beteiligt war. Anhand der wesentlichen Etappen des Prozesses wird die Rolle der deutschen Zentralbank sowohl in der aktiven Dimension – als Initiator vieler Bemühungen – als auch aus passiver Sicht – als Betroffene der Vergemeinschaftung – abgebildet (7. und 8. Abschnitt). Der Zweite Teil der Untersuchung führt die nationale und europäische Entwicklungslinie zusammen. Somit analysiert und kontrastiert er die Position der Bundesbank in ihrer heutigen Dimension. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Frage, inwieweit das Währungsregime des ESZB die Bundesbank in ihrer Rechtsstellung und ihrem Aufgabenbereich veränderte. Mit Beginn der Endstufe der WWU ist die Bundesbank als NZB in das ESZB integriert (9. Abschnitt); ein „Nebeneinander“ nationaler Geldpolitiken existiert nicht mehr. Ab diesem Zeitpunkt wäre jede getrennte Darstellung der nationalen und europäischen Institutionen realitätsfern. Sie könnte das Wesen der Integration in der WWU nur eindimensional erfassen. Zu untersuchen ist daher das institutionelle Produkt währungsrechtlicher Integration in Gestalt des Europäischen Systems der Zentralbanken (10. Abschnitt).

Einleitung

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Um die Funktionsweise dieses Mehr-Ebenen-Systems zu verstehen, sind die eigens dafür auf Gemeinschaftsebene errichteten Institutionen und Organe sowie deren Rechtsstellung und Aufgaben überblicksmäßig zu betrachten. Mit dem Ziel der späteren Gegenüberstellung orientiert sich die Untersuchung an denselben Kriterien, die für die Bundesbank im Ersten Teil herangezogen wurden. Im Anschluß daran wird die interne Kompetenzverteilung und Funktionsweise des ESZB näher beleuchtet. Als Grundlage dient die Diskussion der verschiedenen Ansätze zur modifizierten Rechtsstellung der Bundesbank als NZB (11. Abschnitt). Daran anknüpfend ist die zwischen den Elementen des ESZB bestehende Verschränkung der geld- und währungspolitischen Kompetenzen zu analyisieren (12. Abschnitt). Im Ergebnis dessen kristallisiert sich der Handlungsspielraum heraus, der der Bundesbank als NZB im ESZB generell verbleibt. In der Folge sind die gewonnenen Erkenntnisse und entwickelten Grundsätze auf die konkreten Befugnisse der Bundesbank als NZB zu übertragen. Angesichts ihrer unterschiedlichen rechtlichen „Qualität“ werden die Aufgaben innerhalb des ESZB (13. Abschnitt) und eigene Aufgaben der Bundesbank (14. Abschnitt) getrennt betrachtet. Auf der Basis der EZB-Vorgaben wird für jeden Befugnisbereich im Einzelnen geprüft, inwieweit sich die Position der Bundesbank nach Zugehörigkeit zum ESZB gewandelt hat. Dabei ist detailliert zu evaluieren, in welchem Umfang die Bundesbank als NZB über eigene, ernstzunehmende Handlungsspielräume („viel Freiheit im Detail“) verfügt. Auch wenn sich Zentralbanken allgemein in einem weniger prozessgeneigten Umfeld bewegen, bliebe die rechtliche Position der Bundesbank im Ergebnis unvollständig, sofern sie Fragen des Rechtsschutzes außer Acht ließe. Die geldund währungspolitische Integration erforderte die Einbindung der Hauptakteure des ESZB – der EZB und der NZBen – in das Rechtsschutzsystem der Gemeinschaft. Entsprechend der aufgeworfenen Problematik der Arbeit ist zu prüfen, inwieweit die Bundesbank als NZB vor europäischen und/oder nationalen Gerichten ihre Rechten und Pflichten effektiv durchsetzen kann (15. Abschnitt). Das ESZB markiert nicht den Schlusspunkt der Einigungsbestrebungen der Europäischen Union. Auch wenn derzeit in Bezug auf die europäische Verfassung mehr offene Fragen als praktikable Lösungen existieren, soll diese Perspektive berücksichtigt werden. Indem sich der letzte Abschnitt den währungsrechtlichen Regelungen des Verfassungsvertrags zuwendet, wagt er den Ausblick auf den Entwurf eines neuen Rechtsrahmens der Union (16. Abschnitt). Schließlich werden die Ergebnisse der Arbeit resümiert und in Thesen zusammengefasst (17. Abschnitt).

E r s t e r Te i l

Von Bretton Woods zur Währungsunion – Die Bundesbank im europäischen Integrationsprozess Kapitel 1

Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank 1. Abschnitt

Von der Bank deutscher Länder zur Bundesbank A. Einstieg Die Fragestellung der Arbeit setzt zunächst voraus, die Bundesbank in ihrer einstigen „Machtfülle“ abzubilden. Als Eckpunkte dieser Betrachtung dienen die Stellung im Verfassungsgefüge des GG sowie Rechtsform und innere Organisationsstruktur der Bundesbank nach dem Bundesbankgesetz1 (BBankG). Besonderer Wert wird auf die Funktionen der Bundesbank sowie die rechtliche Kategorisierung des (geldpolitischen) Instrumentariums gelegt. Um die Rechtsstellung der Bundesbank und ihr Volumen an Aufgaben zu veranschaulichen, ist im 1. Kapitel die Phase gewählt, in der die Bundesbank – historisch gesehen – die größte „Autorität“ innehatte. Dieser Zeitraum liegt prinzipiell vor der mit Eintritt in die 3. Stufe der WWU verbundenen Vergemeinschaftung der geld- und währungspolitischen Befugnisse am 1. Januar 1999. Dabei soll nicht verkannt werden, dass auch die 1. und 2. Stufe der WWU bereits Veränderungen mit sich brachten. Diese, gesondert darzustellenden,2 Modifikationen waren insgesamt aber nicht so schwerwiegend, als dass sie geeignet wären, das Bild wesentlich zu stören. Sodann ist es Ziel des 2. Kapitels, den – keineswegs geradlinigen – Prozess der monetären Integration in seinen richtungweisenden Etappen abzubilden. So1 Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 26.07.1957, BGBl. I, S. 745. Die §§ des BBankG entsprechen der jeweils gültigen Fassung, auf die in Fußnoten Bezug genommen wird. Zur zeitlichen Geltung der einzelnen Vorschriften des BBankG siehe das Konkordanzverzeichnis im Anhang 4. 2 Siehe unten, 7. und 8. Abschnitt.

1. Abschn.: Von der Bank deutscher Länder zur Bundesbank

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mit werden die Voraussetzungen geschaffen, um sich mit den funktionalen, durch die WWU bedingten Veränderungen der Bundesbank auseinandersetzen zu können. Die „Ära Bundesbank“ hat ihren Ursprung nach Ende des Zweiten Weltkrieges in der Gründung der Bank deutscher Länder im Jahr 1948. Den Beginn deutscher Notenbankgeschichte markiert dieser Zeitpunkt allerdings nicht. Bedingt durch die lange Zeit fehlende Zentralstaatsgewalt3 kam es erst nach der Reichsgründung von 1871 zur Schaffung einer zentralen Notenbank. Die Existenz der am 14. März 1875 gegründeten Reichsbank4 war jedoch in der Reichsverfassung von 1871 konstitutionell nicht abgesichert. Auch bestand eine starke Abhängigkeit der Reichsbank von der damaligen Reichsregierung (§§ 12, 25 ff. RBankG).5 Die in der Weimarer Republik mühsam und schrittweise erlangte Unabhängigkeit6 der Reichsbank wurde 19397 durch die direkte und totale Unterstellung unter den Führer und Reichskanzler (§ 1 RBankG 1939) abrupt beendet.8 Somit war – wenn auch unter anderen Vorzeichen – der Rechtszustand von 1875 wieder hergestellt.9 Erst die Besatzung Deutschlands durch die Alliierten ebnete den Weg zur Bank deutscher Länder, dem Vorläufer der Bundesbank. B. Gründung der Landeszentralbanken Das Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 symbolisierte für das deutsche Zentralbankwesen den Beginn einer neuen, demokratischeren Epoche. Bedingt durch die völkerrechtliche Handlungsunfähigkeit des Deutschen Reiches existierte keine aktiv agierende Notenbank. Obwohl die Reichsbank de iure anfangs fortbestand,10 diente sie nicht als Basis des reorganisierten Zentralbankwesens.

3 Zur Zeit der Reichsgründung 1871 existierten 33 Notenbanken in 17 deutschen Staaten; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 47. 4 Gesetz über die Gründung der Reichsbank vom 14.03.1875, RGBl. S. 177, in Kraft getreten am 01.01.1876. 5 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 52; Hahn, Währungsrecht, § 10, Rn. 18; Siebelt, S. 92; Walter, S. 88. 6 § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Unabhängigkeit der Reichsbank vom 26.06. 1922, RGBl. II, S. 135, lautete: „Die Reichsbank ist eine von der Reichsregierung unabhängige Bank.“; Hahn, Währungsrecht, § 11, Rn. 5 f. 7 Gesetz über die deutsche Reichsbank vom 15.06.1939, RGBl. II, S. 1015. 8 Ziel dieser Abhängigkeit war die „Indienstnahme für das Vorbereiten und Führen des Zweiten Weltkrieges“; Hahn, Währungsrecht, § 12, Rn. 1, 10; Walter, S. 99. 9 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 67; Samm, WM 1984, Sonderbeilage 5, S. 1 (9). 10 Hahn, Währungsrecht, § 12, Rn. 13; Siebelt, S. 85; Walter, S. 99 f.

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

Nach anfänglichem Scheitern des alliierten Versuchs zur Schaffung einer einheitlichen Notenbank11 errichteten die westlichen Besatzungsmächte unter Führung der USA ab Ende des Jahres 1946 in ihren jeweiligen Besatzungszonen12 die Landeszentralbanken (LZBen) sowie für Berlin die Berliner Zentralbank. Da es sich bei den LZBen und der Berliner Zentralbank um Neugründungen durch eigenständige Rechtsakte handelte, wurden sie nicht Rechtsnachfolger der Reichsbank.13 Allerdings traten sie durch Übernahme von Vermögen, Verbindlichkeiten und Personal de facto an die Stelle der Reichsbank.14 Mit Ausnahme des Rechts zur Banknotenemission15 oblag den LZBen und der Berliner Zentralbank der gleiche Geschäftsumfang wie einst der Reichsbank. Ihre Aufgaben bestanden vorrangig in der Regelung des Geldumlaufs und der Kreditversorgung. Erweitert wurde ihre Tätigkeit durch das von den Alliierten nach dem Vorbild der Federal Reserve Bank 1948 eingeführte Recht zur Mindestreservehaltung.16 Jede LZB wurde von einem als Kollegialorgan fungierenden Vorstand geleitet. Der daneben existierende Verwaltungsrat, bestehend aus dem Präsidenten der LZB, seinem Stellvertreter, dem Leiter der Bankaufsichtsbehörde sowie vier weiteren Mitgliedern,17 überwachte die gesamte Geschäftsführung des Instituts. Diese Aufgaben- und Geschäftsverteilung führte zu relativ starker Abhängigkeit18 der Entscheidungen der LZBen durch politische Kräfte, insbesondere durch den jeweiligen Ministerpräsidenten. C. Bank deutscher Länder Nachdem zunächst die LZBen errichtet worden waren, gründeten die drei westlichen19 Besatzungsmächte durch abgestimmte Rechtsakte20 zum 1. Januar 1948 die Bank deutscher Länder (BdL) mit Sitz in Frankfurt/Main. Damit wur11 Die Westalliierten planten die Gründung einer „Laender Union Bank“ unter alliierter Kontrolle. Ausführlich dazu Buchheim, S. 1 (3 ff.); Wandel, S. 51 ff. 12 Einen Überblick über die Situation in den einzelnen Besatzungszonen liefert Walter, S. 100 f. 13 Coburger, S. 23 f.; Hahn, Währungsrecht, § 12, Rn. 17; Siebelt, S. 87. 14 Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 356. 15 Hahn, Währungsrecht, § 12, Rn. 19; Siebelt, S. 88; Wandel, S. 62. 16 Coburger, S. 85 ff.; Walter, S. 144. 17 Im Einzelnen dazu Siebelt, S. 88. 18 Die ursprünglich vorgesehene, noch größere Beeinflußbarkeit stieß auf den Widerstand der amerikanischen Militärregierung. Siehe dazu Siebelt, S. 88, Fn. 16. 19 Zur Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 86 ff.; Walter, S. 107 f. 20 Gesetz Nr. 60 der US-Militärregierung vom 01.03.1948, ABlAmMR Ausgabe L, S. 6; VO Nr. 129 der britischen Militärregierung vom 01.03.1948; ABlBrMR, S. 991; später trat auch die französische Zone bei, VO Nr. 155a vom 16.06.1948, Amtsblatt

1. Abschn.: Von der Bank deutscher Länder zur Bundesbank

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den die LZBen und die Berliner Zentralbank zu einem einheitlichen Notenbanksystem verschmolzen. Die BdL unterhielt keinerlei Zweigniederlassungen; vielmehr bildete sie selbst quasi das gemeinsame Tochterunternehmen der LZBen. Die LZBen und die Berliner Zentralbank fungierten als (organisations-)rechtlich selbständige Institutionen der Länder und besaßen Rechtspersönlichkeit.21 Die betont föderative Struktur der BdL sollte dem Zweck der allgemeinen Dezentralisierung der deutschen Nachkriegswirtschaft dienen. In ihrer Gesamtheit wirkte die BdL als zweistufiges, von Bund und Ländern getragenes Zentralbanksystem. Sie fungierte als die das neue Währungsgebiet dokumentierende Institution eines territorialen Gebildes ohne uniforme Staatsgewalt. Obwohl die BdL als juristische Person eine Körperschaft des öffentlichen Rechts war (Art. I Ziff. 1 BdL-G), bestand zwischen ihr und den LZBen kein strenges Über-/Unterordnungsverhältnis. Prinzipiell durch enge Koordinierung mit den LZBen, notfalls auch per Weisung des Zentralbankrates, bemühte sich die BdL um einheitliche Entscheidungen, sowohl geldpolitisch als auch organisatorisch.22 Geführt wurde die BdL durch den Zentralbankrat als Leitungsorgan und das Direktorium als Exekutivorgan. Die Präsidenten beider Organe standen an der Spitze der BdL („Präsidentendualismus“23). Dem Zentralbankrat gehörten die elf Präsidenten der LZBen sowie der BdL-Präsident und der Präsident des BdLDirektoriums an. Hervorzuheben ist der Einfluss der LZBen auf die Entscheidungsfindung im Zentralbankrat, dem wichtigsten24 Organ des BdL-Systems. Verstärkt wird dieser Umstand dadurch, dass die LZBen zwar hinsichtlich der Ausführung der Geld- und Währungspolitik den Anweisungen der BdL unterlagen, die Willensbildung aber föderativ im Zentralbankrat erfolgte. Die BdL selbst war grundsätzlich keinerlei Anweisungen politischer Körperschaften unterworfen. Die zunächst bestehende Bindung des BdL-Zentralbankrates an die Leitentscheidungen der Alliierten Bankenkommission (ABC)25 wurde durch das Übergangsgesetz von 1951 (ÜbergangsG 1951)26 aufgehoben. Die BdL war nur gehalten, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen (§ 1 Nr. 1 ÜbergangsG 1951). Die ausdrücklich verbürgte

des Französischen Oberkommandos in Deutschland, Journal Officiel No. 173, S. 1503 und VO Nr. 203 vom 26.03.1949, Journal Officiel, S. 1913. 21 Gramlich, JuS 1988, S. L 81 (L 82); Hahn, Währungsrecht, § 12, Rn. 21. 22 Gleske, in: FS Hahn, S. 123 (130). 23 Wandel, S. 80. 24 Hahn, Währungsrecht, § 12, Rn. 23. 25 Hahn, Währungsrecht, § 12, Rn. 24; Siebelt, S. 90; Wandel, S. 49. 26 Übergangsgesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder vom 10.08.1951, BGBl. I, S. 509.

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

Autonomie sowie die Weisungsfreiheit sollten als Prinzipien27 auch für die Bundesbank prägend bleiben (§§ 12, 13 BBankG). Die BdL verfügte über eine strenge, klar erkennbare Aufgabenverteilung, die in der Festigung des Währungs-, Geld- und Kreditsystems bestand. Während dem Zentralbankrat die Formulierung und Steuerung der Geldpolitik oblag,28 war den LZBen hauptsächlich die Abwicklung der traditionellen Notenbankgeschäfte in Gestalt der Vergabe von Diskont- und Lombardkrediten, die Durchführung des Scheck- und Überweisungsverkehrs, die Mindestreserveverwaltung und die Regelung des Geldumlaufs übertragen.29 Der BdL stand das klassische geldpolitische Instrumentarium, bestehend aus Diskont-, Lombard-, Offenmarktpolitik, sowie die Mindestreservepolitik als neues Steuerungsmittel30 zur Verfügung. Ihr Handlungsspielraum war insoweit eingeschränkt, als sie nur mit den ihr angeschlossenen LZBen sowie mit der öffentlichen Hand31 Geschäfte betreiben durfte, nicht jedoch mit Geschäftsbanken oder Nichtbanken. Die beiden letzteren verkehrten allein mit den LZBen. Obwohl der Zentralbankrat die diskontpolitischen Entscheidungen traf und die wesentlichen Richtlinien für Offenmarkt- und Mindestreservepolitik festlegte, konnten die Zins- und Diskontsätze der angeschlossenen LZBen regional divergieren. Dies illustriert erneut die Eigenständigkeit der LZBen32 sowie das bloße Koordinationsverhältnis33 zwischen LZBen und BdL. Mit der Errichtung der BdL wurden gleichzeitig die Voraussetzungen für die technische Durchführung der Währungsreform34 von 1948 geschaffen. In deren Folge erlangte die neue Bank auch das alleinige Recht zur Banknoten- und Münzausgabe (§ 1 EmissionsG35). Im Laufe der Zeit bildete sich innerhalb der BdL gewisses Konfliktpotential36, dessen Ursprung in den divergierenden Auffassungen der Mitglieder des föderativ besetzten Zentralbankrates lag. Die neu zu gründende Deutsche Bun-

27 Buchheim, S. 1 (21 ff.); Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg, Art. 88, Rn. 13; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 357. 28 Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (240). 29 Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (240); Wandel, S. 72. 30 Weinbörner, S. 204. 31 Hahn, Währungsrecht, § 12, Rn. 26; Siebelt, S. 91 f.; Walter, S. 102. 32 Weinbörner, S. 204. 33 Prost, DÖV 1952, S. 287 (287). 34 Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) vom 20.06. 1948, Gesetz Nr. 61 der US-Militärregierung, ABlAmMilReg. Ausg. I, S. 6. 35 Zweites Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz – EmissionsG) vom 20.06.1948; Beilage Nr. 5 zum GVBl. des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, Jahrgang 1948, S. 11. 36 Milow, S. 100 f.

1. Abschn.: Von der Bank deutscher Länder zur Bundesbank

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desbank sollte über eine geänderte Kompetenzstruktur sowie weitergehende Befugnisse als die BdL verfügen. Obwohl die Konzeption der Bundesbank in weiten Teilen die Ideen der BdL nicht übernahm, erlebte das BdL-Modell mit Errichtung des zweistufigen ESZB eine Renaissance. Ähnlich wie bei der BdL bringen sich im ESZB zentralistische Elemente (BdL/EZB) und föderative Komponenten (LZBen/NZBen) in ein gemeinsames System ein, wenn auch mit veränderten Möglichkeiten der Einflussnahme. Im Gegensatz zum ESZB verfügten die BdL und die LZBen nicht über eine gemeinsame Systembezeichnung, woran die größere Selbständigkeit der Bestandteile erkennbar wird. Im Rahmen der Kompetenzverteilung37 zwischen den Elementen des ESZB wird auf das Modell der BdL vergleichend zurückzukommen sein. D. Errichtung der Deutschen Bundesbank Anlässlich der Beratungen zum späteren Bundesbankgesetz38 (BBankG) kam es über die Struktur der neu zu errichtenden Bundesbank zu harten Auseinandersetzungen.39 Befürwortet wurden sowohl ein einstufig-zentrales Modell mit der Reichsbank als Vorbild als auch ein dezentral-zweistufiges, auf dem BdLKonzept aufbauendes System mit starken LZBen. Mit Erlass des BBankG gemäß Art. 88 GG40 im Jahre 1957 setzte sich ein gemischtes System mit dominantem Zentralisierungsgedanken41 durch. Aus der BdL entstand die Deutsche Bundesbank (§ 1 Satz 2 BBankG)42. Gleichzeitig wurden die LZBen und die Berliner Zentralbank mit der BdL verschmolzen (§ 1 Satz 1 BBankG). Die Bundesbank ist daher Rechtsnachfolgerin der BdL. Zur Reichsbank besteht lediglich eine funktionelle Verknüpfung (Art. 129 Abs. 1, 4 GG).43 37

Siehe dazu unten, 12. Abschnitt. Gesetz über die Deutsche Bundesbank vom 26.07.1957, BGBl. I, S. 745. 39 Ausführlich dazu Döll, DVBl. 1956, S. 665 (666); so auch Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (150). 40 Art. 88 GG in der Fassung vom 23.05.1949, geändert durch Anfügung von Satz 2, Art. 1 Nr. 7 des 38. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.12.1992, BGBl. I, S. 2086, in Kraft getreten am 25.12.1992, BGBl. II, S. 1253. Zur Entstehung von Art. 88 GG und dessen „vorverfassungsmäßigem Gesamtbild“ Gramlich, DVBl. 1980, S. 531 ff. 41 Coburger, S. 25, Fn. 43; Gramlich, BBankG, § 1, Rn. 2; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 14; dagegen Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 365 („einstufiges System“ als „Kompromisslösung“); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 197. 42 § 1 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 29.04.2002. 43 Eckert, ÖBA 1990, S. 415 (416); Gramlich, JuS 1988, S. L 81 (L 82); Hahn, Währungsrecht, § 17, Rn. 1; Siebelt, S. 153. 38

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

Der Organisationskompromiss44 war mehr ein politischer denn ein juristischer. Art. 88 GG verlangte weder die Errichtung noch die Aufrechterhaltung eines föderalen Zentralbanksystems. Indes sieht der Wortlaut des Art. 88 GG ausdrücklich eine „Bundes“bank vor, weshalb eine starke Beteiligung der Länder gegen das Verbot der Mischverwaltung45 verstoßen hätte. Die LZBen verloren somit ihr rechtliches Eigenleben als juristische Personen und wurden zu bloßen Hauptverwaltungen der Bundesbank (§ 8 Abs. 1 BBankG)46. Am ehesten an das zweistufige System der BdL erinnerte der aus Vertretern der Föderal- und Zentralebene zusammengesetzte Zentralbankrat (§ 6 Abs. 2 BBankG)47. Der formulierte Interessenausgleich löste in mehrfacher Hinsicht Probleme. So stärkte die Organvielfalt die personelle Unabhängigkeit und das unbedingte System gegenseitiger Organkontrolle. 2. Abschnitt

Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation A. Überblick Der Umfang der verfassungsrechtlichen Verankerung der Bundesbank in Art. 88 GG bildet die Grundlage der Diskussion um die Stellung der Zentralbank in der Staatsorganisation, die Gegenstand des folgenden Abschnitts ist. Darauf aufbauend werden organisatorische Struktur sowie Funktionen der deutschen Zentralbank anhand des BBankG erörtert. Ausgehend von der ausschließlichen Kompetenzzuweisung an den Bund in Art. 73 Nr. 4, 74 Abs. 1 Nr. 11 GG wurde die Bundesbank in Art. 88 verfassungsrechtlich fixiert.1 Mit Erlass des BBankG vollzog der Bundesgesetzgeber den Verfassungsauftrag, indem er die Bundesbank als Währungs- und Notenbank errichtete. Zudem enthält die Regelung des Art. 88 GG eine institutionelle Garantie2 für den Bestand der Bundesbank, die mit funktionalen Determinanten 44 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 197; Samm, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 143 (150). 45 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 195 f.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 30, Rn. 10. 46 § 8 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, geändert seit 01.11.1992, geändert seit 09.07.1994, mit Ausnahme des § 8 Abs. 4 Satz 4 gültig bis 29.04.2002. 47 § 6 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 31.12.1998. 1 Der Erwähnung der Bundesbank im Bereich der Finanzverfassung (Art. 109 Abs. 4 Nr. 2 GG) kam im Zusammenhang mit der Auslegung des § 1 StWG („gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht“) Bedeutung zu, siehe 3. Abschnitt, B. III. 1. 2 Frotscher, JuS 1982, S. 672; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 116; Hahn, BayVBl. 1982, S. 70 (71); Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 27; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 357; Wahlig, in: Symposium Hahn, S. 37 (49).

2. Abschn.: Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation

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verbunden ist. Indes bestehen Verfassungsauftrag und Institutsgarantie nicht nebeneinander. Mit Errichtung der Bundesbank wandelte sich die konstitutionelle Verpflichtung zur Bestandsgarantie. B. Verfassungsrechtliche Institutsgarantie I. Garantie der Unabhängigkeit im monetär-kreditären Bereich

Mit Blick auf den Umfang der Bestandsgarantie ist in erster Linie die Frage aufzuwerfen, ob die Autonomie verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich (§ 12 BBankG)3 gesichert wurde. Bereits bei den Beratungen4 zum BBankG stand fest, dass die „Unabhängigkeit der Notenbank gegenüber dem Staat und seinen Organen eine wesentliche Voraussetzung für die Aufgabe der Notenbank“ sei, „mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Stabilität der Währung zu sichern“5. Aufgrund der kriegsbedingten Inflationserfahrungen herrschte Einigkeit, dass das „Ob“ der Unabhängigkeit im Bereich der originären Eigenzuständigkeit (Währungssicherung) nicht zur Debatte stehe.6 Als Ergebnis der Differenzen zwischen Regierung7 und Bundesrat8 über die Ausstattung der Autonomie wurde die Weisungsunabhängigkeit nur einfachgesetzlich (§ 12 Satz 2 BBankG)9 verankert. 1. Verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit Lange Zeit bestand Streit darüber, ob aus Art. 88 GG eine verfassungsmäßig garantierte Autonomie der Bundesbank abzuleiten sei. Nicht zur Auslegung der Verfassung geeignet war die ausdrückliche, aber einfachgesetzliche Regelung in § 12 Satz 2 BBankG. Auch der Ansatz des Regierungsentwurfes10 zum BBankG, wonach die verfassungsmäßig garantierte Autonomie unter Rückgriff auf ein „vorkonstitutionelles Gesamtbild“11 begrün-

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§ 12 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 31.12.1998. Ausführlich dazu Buchheim, S. 1 (26 ff.). 5 Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (49); Gramlich, BBankG, § 12, Rn. 2. 6 Caesar, S. 202. 7 Die Bundesregierung hielt eine eigene Regelung zur Autonomie im BBankG für „entbehrlich“; Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (72). 8 Der Bundesrat forderte eine „institutionelle Garantie der Unabhängigkeit“; Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (49). 9 Zur Entwicklung dieser Vorschrift Gramlich, BBankG, § 12, Rn. 13. 10 Regierungsentwurf zum Bundesbankgesetz; BT-Drucksache 1953/II/2781, S. 25. 11 Grundlegend Gramlich, DVBl. 1980, S. 531 (532). 4

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

det wurde, war als verfehlt12 zu bezeichnen. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten hatte Deutschland eine relativ kurze und kaum kontinuierliche Notenbankgeschichte, da die Reichsbank nur zwischen 1922 und 1939 tatsächlich unabhängig war.13 Gerade die Instrumentalisierbarkeit der Reichsbank im Nationalsozialismus zeichnete ein vorkonstitutionelles Bild, das sich konträr zur Autonomie verhielt. Die Väter des Grundgesetzes konnten bei Schaffung der Bundesbank kaum einen einheitlichen Notenbanktypus vor Augen haben.14 Die Befürworter15 einer verfassungsmäßigen Unabhängigkeitsverankerung verwiesen zur Begründung auf das Sozialstaatsprinzip16, das Prinzip organisatorischer Grundrechtssicherung sowie auf Ansätze der modernen Demokratietheorie17. Als Argument untauglich erscheint allerdings das von den Autoren zitierte Urteil des BVerfG18 aus dem Jahr 1982. Zwar deutete das Gericht an, dass die Bundesbank eine „verfassungsrechtlich unabhängige Stellung“19 genieße. Indes ist die entscheidende Wortgruppe der Urteilspassage mehrdeutig,20 da sich das Adjektiv „verfassungsrechtlich“ aufgrund seiner grammatikalischen Endung sowohl auf die Autonomie („kraft ihrer verfassungsrechtlich unabhängigen Stellung“) als auch auf die Rechtsstellung („verfassungsrechtliche, unabhängige Stellung“) beziehen konnte. Zudem war die Bundesbank – nach überwiegender Meinung des Schrifttums21 – zumindest in Auftragsangelegenheiten weisungsgebunden. Im Übrigen behandelte das BVerfG im „Maastricht-Urteil“ zwar die durch Art. 88 Satz 2 GG modifizierte Autonomie,22 setzte sich jedoch nicht mit dem früheren Urteilsspruch auseinander. Offenbar wollte das Gericht später am eigenen obiter dictum nicht (mehr) gemessen werden. 12 Ebenso BVerwGE 41, S. 334 (355); Eckert, ÖBA 1990, S. 415 (421); Gramlich, DVBl. 1980, S. 531 (532); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 226; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 54; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 365; Samm, S. 176 f. 13 Siehe dazu oben, 1. Abschnitt. 14 Hahn, Währungsrecht, § 18, Rn. 7 ff.; Samm, WM 1984, Sonderbeilage 5, S. 1 (9). 15 Samm, S. 177 ff.; Schmidt, in: Isensee/Kirchhof, Hdb. Staatsrecht, § 82, Rn. 24 („wichtigstes Desiderat an den Verfassungesetzgeber“); Starke, DÖV 1957, S. 606 (608 f.); Tettinger, in: Sachs, GG, 3. Auflage, Art. 88, Rn. 7. 16 Eun, S. 127 ff.; kritisch dazu Samm, WM 1984, Sonderbeilage 5, S. 1 (10). 17 Samm, S. 134. 18 BVerfGE 62, S. 169 ff. 19 BVerfGE 62, S. 169 (183). 20 Brosius-Gersdorf, S. 233 f.; Eckert, ÖBA 1990, S. 415 (423); Gramlich, ZBB 1989, S. 201 (204); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 242 f.; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 365, wonach das BVerfG-Urteil „überschätzt“ werde. 21 Gramlich, BBankG, § 12, vor Rn. 1; Hahn, Währungsrecht, § 18, Rn. 20; ders., BayVBl. 1982, S. 70 (72); Samm, WM 1984, Sonderbeilage 5, S. 1 (5); Siebelt, S. 217 ff. 22 BVerfGE 89, S. 155 (208 f.).

2. Abschn.: Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation

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2. Einfachgesetzliche Garantie der Unabhängigkeit Die Unabhängigkeit der Bundesbank war – übereinstimmend mit der überwiegenden Auffassung23 – nur einfachgesetzlich (§ 12 Satz 1 BBankG) gesichert.24 Der ausdrückliche Wortlaut des Art. 88 GG ließ keine Rückschlüsse auf eine verfassungsrechtlich garantierte Autonomie zu, da er nur den Aufgabenbereich der Zentralbank näher beschrieb.25 Auch der Begriff „Währungsund Notenbank“ vermochte für sich allein keine Unabhängigkeitsgarantie zu vermitteln. Gegen eine konstitutionelle Autonomie sprach zudem der systematische Vergleich des Art. 88 GG mit den Art. 97 Abs. 1 und 114 Abs. 2 GG, die den Richtern und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes ausdrücklich Unabhängigkeit zusichern. Wenn das GG bezüglich der Bundesbank schwieg, konnte dies nicht als Indiz einer Autonomie gewertet werden.26 Im Übrigen zeigte der Vergleich mit anderen europäischen Notenbanken (beispielsweise Großbritannien27, Italien28, Portugal29), dass die verfassungsrechtliche Verankerung keinesfalls zwingend war.30 Wenngleich die Autonomie der Bundesbank von Verfassungs wegen nicht geboten war,31 beinhaltete Art. 88 GG eine seitens der Verfassung ermöglichte,32 funktionsbezogene Unabhängigkeit. Die Autonomie der Bundesbank repräsentierte die institutionelle Verselbständigung des Willens zur Geldwertstabilität;33 sozusagen eine „Art geldpolitische Nebenregierung“34, wie von Arnim treffend 23 BVerwGE 41, S. 334 (354); Caesar, S. 169; Duppré, Die Verwaltung, Band 13 (1980), S. 329 (333); Fröhlich, S. 13; Geerlings, DÖV 2003, S. 322 (324); Gramlich, BBankG, § 12, Rn. 6; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 217; Hahn, Währungsrecht, § 18; Papier, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 109 (112); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 364 f; Siebelt, S. 214; von Simson/Schwarze, S. 56; Walter, S. 126. 24 Ob und inwieweit durch die Einfügung von Satz 2 in Art. 88 GG die einfachgesetzliche Autonomie der Bundesbank in Verfassungsrang gehoben, wurde, bleibt den Ausführungen im 8. Abschnitt, A. II. vorbehalten. 25 BVerwGE 41, S. 334 (354). 26 Brosius-Gersdorf, S. 196; Eckert, ÖBA 1990, S. 415 (422); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 220; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 363; Studt, S. 84. 27 Studt, S. 112 ff. 28 Papier, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 109 ff., mit Vergleich zwischen Banca d’Italia und Bundesbank; Studt, S. 122 ff. 29 Studt, S. 144 ff. 30 Eun, S. 59; Hahn, Währungsrecht, § 18, Rn. 18; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 365. 31 Coburger, S. 39; Fröhlich, S. 18; Häde/Hahn, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 251; Issing, Unabhängigkeit, S. 21; Siebelt, S. 268 f. 32 Schmidt, in: Isensee/Kirchhof, Hdb. Staatsrecht, § 82, Rn. 24; ähnlich auch Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 7 und 27 ff. 33 Papier, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 109 (121 a. E.). 34 Von Arnim, Staatsrecht, S. 342.

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

formulierte. Dieses Ausmaß an Unabhängigkeit war mit Blick auf frühere deutsche Notenbanken einmalig. Zwar waren auch die BdL und die Reichsbank in gewissem Umfang unabhängig von Weisungen der Regierungen.35 Allerdings existierten andere Aufsichtsorgane, die – in Gestalt des Generalrates und der Alliierten Bankenkommission – die währungspolitischen Handlungen der Notenbank scharf beobachteten.36 II. Grenzen der Unabhängigkeit

Indes konnte die politische Neutralität der Bundesbank nicht völlig losgelöst und außerhalb jeder demokratischen Verantwortlichkeit, quasi als „Staat im Staate“37, existieren. Die einfachgesetzliche Regelung des § 12 Satz 2 BBankG koppelte die Autonomie der Bundesbank an die Ausübung ihrer Befugnisse, traf aber keine Aussage über die Ausgestaltung der Unabhängigkeit. Dazu konnte die Verfassungsnorm des Art. 88 GG herangezogen werden, wonach die Bundesbank als Währungs- und Notenbank fungierte. Die somit umschriebene Geld- und Währungspolitik bezeichnete die Hauptaufgaben der Bundesbank (§ 3 BBankG)38. Demnach bezog sich die Weisungsfreiheit in erster Linie auf die Bereiche originärer Eigenzuständigkeit,39 die wiederum durch das BBankG näher ausgeformt wurden. Die Unabhängigkeit der Bundesbank war somit währungspolitisch funktionsbezogen zu verstehen.40 Anerkanntermaßen41 unterlag die Bundesbank in Bereichen, die nicht der Währungssicherung zuzuordnen waren (zum Beispiel Bankenaufsicht), den Weisungen der Exekutivspitze und war in die Bundesverwaltung integriert. Im Übrigen ist Issing42 zuzustimmen, wenn er bemerkt, dass die Übertragung der geldpolitischen Verantwortung auf die Zentralbank zwar eine gute Basis für eine erfolgreiche Politik, aber noch keine Garantie dafür bietet. Auch einer weitgehend unabhängigen Zentralbank können Fehler unterlaufen – sie muss diese aber nicht „auf Befehl“ und entgegen besserem Wissen begehen.43

35

Papier, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 109 (112); Siebelt, S. 214. Siebelt, S. 215; Studt, S. 83. 37 Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 30. 38 § 3 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 31.12.1998. 39 Fröhlich, S. 10; Hahn, Währungsrecht, § 18, Rn. 2. 40 Bornhövd, in: Fragen der Freiheit, S. 4 (9). 41 Eckert, ÖBA 1990, S. 415 (417); Hahn, BayVBl. 1982, S. 33 (34); Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (146). 42 Issing, Unabhängigkeit, S. 15. 43 Issing, ebenda. 36

2. Abschn.: Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation

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1. Unterstützungspflicht gegenüber der Bundesregierung Unter Wahrung des Stabilitätsziels war die Bundesbank gehalten, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen (§ 12 Satz 1 BBankG). Daran wird deutlich, dass die Zentralbank gegenüber der Regierung eine gewisse „Gefolgschaftspflicht“44 traf. Rechtfertigen ließ sich diese Begrenzung der Unabhängigkeit mit Hilfe des Prinzips parlamentarischer Verantwortlichkeit,45 das wiederum seinen Ursprung im Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2 Satz 1 GG) findet. Jede Form exekutivischer Tätigkeit ist grundsätzlich der Verantwortung gegenüber dem und der Kontrolle durch das Parlament unterworfen. Ministerialfreie Räume sind nur ausnahmsweise und aufgrund besonderer Rechtfertigung zulässig.46 Den „ministerialfrei“ handelnden Verwaltungseinheiten wird ein gewisses Maß an Selbständigkeit im Interesse einer erfolgreichen Aufgabenwahrnehmung zuerkannt.47 Die Funktion der Bundesbank als Währungs- und Notenbank beinhaltete qua Natur der Sache Interdependenzen zwischen Währungs- und Wirtschaftspolitik. Während der Bundesregierung die wirtschaftspolitische Lenkung oblag, gebührte der Bundesbank die Entscheidung über währungspolitische Leitziele. Aus dieser von Verfassungs wegen übertragenen Aufgabenspezifik folgte, dass Art. 88 GG gerade „kein Gebot eines regierungsfreien Raums“ statuieren wollte (und konnte).48 Vielmehr war ein gewisses Maß an Kooperation zwischen Bundesbank und Bundesregierung für die beiderseitig effektive Aufgabenerfüllung unabdingbar. Der Stabilitätsauftrag (§ 12 Satz 1 BBankG), für den die Bundesbank den Entscheidungsprimat besaß, markierte allerdings auch die Grenze der Kooperationspflicht. § 13 Abs. 1 BBankG49 nannte mit der Zusammenarbeit zwischen Bundesbank und Bundesregierung einen wichtigen Anwendungsfall der Kooperationspflicht. Gleichzeitig verdeutlichte die Regelung, dass die Zusammenarbeit auf zentraler Ebene stattfand. Die Grenze der Kooperation war dort zu ziehen, wo es sich nicht um „Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung“ handelte. Weitergehende, freiwillige Anregungen und Beratungen der Bundesbank waren zulässig; ausgeschlossen werden sollte nur eine umfassende Pflicht zur Kooperation.50 Ausdruck der gegenseitigen Unterstützung waren die 44

Caesar, S. 169. Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 246. 46 Gramlich, BBankG, § 12, Rn. 4; Hahn, BayVBl. 1982, S. 33 (35); Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (65). 47 Burgi, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 13. Auflage, § 7, Rn. 47. 48 Fröhlich, S. 18; dagegen Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 23; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Auflage, § 4, Rn. 7, wonach die Bundesbank das „bekannteste Beispiel“ der Weisungsunabhängigkeit darstelle. 49 § 13 Abs. 1 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, uneingeschränkt gültig. 50 Gramlich, BBankG, § 13, Rn. 4 ff.; Hahn, Währungsrecht, § 18, Rn. 5; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (186). 45

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

wechselseitigen Teilnahme- (§ 13 Abs. 2, 3 BBankG)51 und Auskunftsrechte (§ 13 Abs. 1 BBankG); die währungspolitische Eigenständigkeit der Bundesbank wurde dadurch nicht durchkreuzt. Die Pflicht zur Zusammenarbeit traf alle Organe (§ 5 BBankG)52 und sonstigen Stellen der Bundesbank. Allerdings war eine klare Zuständigkeitsabgrenzung anhand von § 12 Satz 1 BBankG schwierig.53 Auch traf § 12 BBankG keinerlei institutionelle Vorkehrungen für den Konfliktfall zwischen Bundesbank und Bundesregierung. Im Übrigen war für den Fall des Nichteinhaltens der Kooperation keinerlei Sanktion vorgesehen, weshalb die Norm auch als „lex imperfecta“54 angesehen wurde. Solange die Bundesbank ihre Befugnisse und Aufgaben wahrte, wurde sie daher von der Bundesregierung in ihrer Unabhängigkeit de iure kaum eingeschränkt. Dass die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Bundesbank nicht immer so reibungslos wie vom BBankG vorgesehen funktionierte, bewiesen die öffentlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Zentralbank und Bundesregierung aufgrund divergierender Auffassungen über Ziele und Mittel der Geldpolitik in den sechziger und siebziger Jahren.55 Insbesondere in Konfliktsituationen setzte die Bundesbank strikt den gewählten monetären Kurs fort. Jedenfalls auf internationaler Ebene führte dies im Ergebnis zur Steigerung des Ansehens der Bundesbank. 2. Art. 19 Abs. 4 GG Eine weitere Schranke erfuhr die Notenbankautonomie durch die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 19 Abs. 4 GG),56 denn die Tätigkeit der Bundesbank durfte der gerichtlichen Kontrolle nicht vollkommen entzogen sein. Die Gerichte hatten jedoch im Einzelfall einen erheblichen Beurteilungs- und Ermessensspielraum57 seitens der Bundesbank zu berücksichtigen, weshalb geld- und währungspolitische Entscheidungen nur ausnahmsweise korrigiert wurden.58 51 § 13 Abs. 2, 3 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, mit Ausnahme des § 13 Abs. 2 Satz 3, gültig bis 29.04.2002. 52 § 5 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 29.04.2002. 53 Gramlich, BBankG, § 12, Rn. 10. 54 Eckert, ÖBA 1990, S. 415 (420); Fröhlich, S. 10; Hahn, BayVBl. 1982, S. 33 (34). 55 Caesar, S. 188 ff., mit Überblick über Konflikte während dieser Zeit; Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (75). 56 Eckert, ÖBA 1990, S. 415 (426); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 253. 57 Hahn, BayVBl. 1982, S. 33 (36); Papier, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 109 (114). 58 Beispiele für die gerichtliche Kontrolle im Bereich der Mindestreservepolitik BVerwGE 41, S. 334 ff.; 102, S. 238 ff.

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Zudem waren die einfachgesetzlichen Grundlagen der Bundesbank der parlamentarischen Gesetzgebung in vollem Umfang unterworfen. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Funktionszuweisung (Art. 88 GG) waren die Autonomie und deren Grenzen sowie die Organisationsstruktur der Bundesbank jederzeit legislativ reversibel. C. Demokratische Legitimation Bereits unmittelbar nach Gründung der Bundesbank bestand Unklarheit darüber, ob der Zentralbank die Aufgaben auf demokratisch einwandfreiem Wege übertragen worden waren. Anlass war das Gesetzgebungsverfahren, an dessen Ende der Bundestag 1957 das BBankG ohne Zustimmung des Bundesrates erließ. Nach Auffassung des Bundesrates59 war eine Zustimmung erforderlich. Da die Gesetze über die LZBen und die BdL – im Falle ihres nachkonstitutionellen Erlasses – zustimmungspflichtig (Art. 84 Abs. 1 GG) gewesen wären, könne für die Änderungen nichts anderes gelten.60 Jedoch ließen weder der Wortlaut des Art. 88 GG noch die Kompetenznorm des Art. 73 Nr. 4 GG eine Pflicht zur Mitwirkung des Bundesrates erkennen. Der Bundespräsident hat das BBankG und spätere Änderungsgesetze stets als Einspruchsgesetze (Art. 77 Abs. 3, 4 GG) behandelt, die Zustimmung des Bundesrates also nicht für erforderlich erachtet. Zu einer verfassungsgerichtlichen Klärung dieser Frage kam es nicht, da das BVerfG61 einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion als unzulässig abwies. In einem späteren Urteil62 ging das Gericht jedoch davon aus, dass der Bund die Bundesbank ohne Zustimmung des Bundesrates errichten durfte. In der Begründung verwies das BVerfG auf die Stellung des Art. 88 GG als lex specialis gegenüber Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG.63 Zustimmungspflichtig wäre das BBankG nur gewesen, wenn die Länder es nach Art. 84 Abs. 1 GG als eigene Angelegenheit ausgeführt hätten. Wie sich aber aus dem Begriff „Bundes“bank und der systematischen Stellung des Art. 88 GG ergibt, ist die Bundesbank Bestandteil der bundeseigenen Verwaltung, wenn auch rechtlich verselbständigt gegenüber der unmittelbaren Bundesverwaltung (§ 2 Satz 1 BBankG)64. Da das GG die Zustimmungsbedürftigkeit des BBankG nicht ausdrücklich vorsah, war die Auffassung der Literatur65 hin59

Döll, DVBl. 1956, S. 665 (667). Döll, ebenda. 61 BVerfGE 3, S. 12 ff. 62 BVerfGE 14, S. 197 ff. 63 BVerfGE 14, S. 197 (215). 64 § 2 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 31.12.1998. 65 Coburger, S. 25, Fn. 43; Döll, DVBl. 1956, S. 665 (667); Gramlich, BBankG, Einführung, Rn. 8; ders., JuS 1988, S. L 81 (L 82); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 204; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (143). 60

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sichtlich der Qualität des BBankG als Einspruchsgesetz im Sinne des Art. 77 Abs. 3, 4 GG zu teilen. D. Aufbau der Bundesbank I. Rechtsform

Die Entscheidung über die Rechtsform determinierte wesentlich den Aufbau der Bundesbank. Die Rechtsform soll daher als Ausgangspunkt der Untersuchungen zur Organisationsstruktur dienen. Art. 88 GG legte die Gestaltung der Rechtsform der Zentralbank in die Hände des Gesetzgebers. Demnach charakterisierte § 2 Satz 1 BBankG die Bundesbank als bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts, wenngleich die öffentlich-rechtliche Organisationsform nahe liegend, aber nicht zwingend war.66 Mit dem Begriff „Bank“ war lediglich die Vorstellung von eigener Rechtsfähigkeit des Bankunternehmers verknüpft.67 Auf weitere, strukturierende beziehungsweise typbildende Vorgaben wurde bewusst verzichtet.68 Abzulehnen war zunächst die Einordnung der Bundesbank als Körperschaft öffentlichen Rechts. Bedingt durch die Auflösung der BdL wurden die LZBen zu rein organisatorischen Untereinheiten in Form von Hauptverwaltungen (§§ 1 Satz 1, 8 Abs. 1 BBankG) umgewandelt, weshalb die Bundesbank nicht über die für eine Körperschaft erforderlichen Mitglieder verfügte. Auf den ersten Blick schien die Bundesbank alle Merkmale einer Anstalt öffentlichen Rechts zu erfüllen; auch der Regierungsentwurf zum BBankG qualifizierte sie als solche.69 Als Anstalt öffentlichen Rechts lässt sich der Bestand von Sach- und Personalmitteln umschreiben, der „in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zweck zu dienen bestimmt“ und nicht Körperschaft oder Stiftung ist.70 Die Bundesbank stellte sich als Zusammenfassung von Personal- und Sachmitteln (insbesondere Gold, Devisen, Zahlungsmittel, Wertpapiere) in der Hand eines Trägers öffentlicher Ver66 Coburger, S. 37; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 120; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 44; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (151). 67 Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 10. 68 Siebelt, S. 155; Starke, DÖV 1975, S. 606 (607). 69 BT-Drucksache II/2781, S. 24 (31); so auch die herrschende Meinung Döll, DVBl. 1956, S. 665 (668); Frotscher, Rn. 212; Gramlich, BBankG, § 2, Rn. 5; Hahn/ Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 123; Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 4; Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (65); Schmidt, in: Isensee/Kirchhof, Hdb. Staatsrecht, § 82, Rn. 18; Siebelt, S. 155; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (152). 70 Bezugnehmend auf die Definition Otto Mayers und diese weiterentwickelnd Papier, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 13. Auflage, § 38, Rn. 27 f.

2. Abschn.: Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation

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waltung dar. Obwohl nicht ausdrücklich in § 2 Satz 1 BBankG erwähnt, charakterisierte das Ziel der Währungssicherung den öffentlichen Zweck des Handelns. Allerdings war die Bundesbank bei der Ausübung ihrer währungspolitischen Befugnisse weisungs- und insofern auch fachaufsichtsfrei. Ausdrücklich normierte dies § 12 Satz 1 BBankG im Verhältnis zur Bundesregierung. Somit war die Bundesbank in der Geld- und Währungspolitik gerade nicht auf den schlichten Gesetzesvollzug beschränkt, sondern hatte eine spezifische, nur begrenzt überprüfbare Einschätzungsprärogative. Trotz der systematischen Stellung im Abschnitt über die Bundesverwaltung ist Art. 88 GG lex specialis gegenüber Art. 86 und 87 GG.71 Daher war die Bundesbank weder als monetäre Bundesoberbehörde (Art. 87 Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative GG) noch als bundesunmittelbare Körperschaft (Art. 87 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative GG) einzuordnen. Die Formulierung in § 2 Satz 1 BBankG ist insoweit missverständlich.72 Die besondere Position der Bundesbank wurde durch die herausgehobene Stellung von Zentralbankrat und Direktorium unterstrichen; beide waren obersten Bundesbehörden gleichgestellt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 BBankG)73. Oberste Bundesbehörden sind dadurch gekennzeichnet, dass sie keinem Ministerium unterstellt, sondern einem solchem gleichgeordnet sind. Sie genießen im ministerialfreien Raum gegenüber allen anderen Behörden „Ressortfreiheit“74. Die Bundesbank passte daher nicht vollkommen in das idealtypische Bild einer Anstalt öffentlichen Rechts.75 Ihre Charakteristik als „atypische“ Anstalt76 oder „rechtsfähige Anstalt eigener Art“77 entsprach am besten dem Erscheinungsbild. Dennoch war die Bezugnahme des § 2 Satz 1 BBankG auf Art. 87 Abs. 3, Satz 1, 2. Alternative GG insoweit zutreffend,78 als der Bundesbank neben den währungspolitischen Aufgaben weitere Befugnisse übertragen waren, die denen

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BVerfGE 14, S. 197 (215). Gramlich, BBankG, § 2, Rn. 8; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (4, Fn. 13). 73 § 29 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 29.04.2002. 74 Samm, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 143 (149). 75 Dagegen Samm, WM 1984, Sonderbeilage 5, S. 1 (4), der die Bundesbank als „(echte) Anstalt“ bezeichnete. 76 Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 17; Coburger, S. 38; Gramlich, BBankG, § 2, Rn. 7; Hahn, BayVBl. 1982, S. 70 (71), bezeichnete die Bundesbank als „atypische selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit – regelwidriger – kupierter Dienstaufsicht“. Auf die Sonderstellung verwies auch Schmidt, in: Isensee/Kirchhof, Hdb. Staatsrecht, § 82, Rn. 18. 77 Starke, DÖV 1975, S. 606 (608). 78 So auch Coburger, S. 37; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 123; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (4, Fn. 13); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 358; Studt, S. 77. 72

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

eines Verwaltungsorgans ähnelten; beispielhaft für derartige Befugnisse sei die Bankenaufsicht genannt. Während die Bundesbank im Bereich der Währungssicherung keinerlei Fachoder Dienstaufsicht unterstand,79 war sie in den übrigen Aufgabenbereichen der Rechtsaufsicht des Bundes (Art. 86 GG) untergeordnet.80 Allerdings folgte aus der Rolle der Bundesbank als „exekutives Leitorgan“81 nicht die teilweise vertretene82 Einordnung als Organ einer „vierten Gewalt“.83 Eine derartige Zuordnung wäre unvereinbar mit dem Prinzip der Gewaltenteilung, dem durch enumerative Aufzählung der drei Gewalten in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG Ausdruck verliehen wird. Als Verfassungsorgan hätte die Bundesbank durch die Verfassung selbst konstituiert sein, und ihre Aufgaben hätten direkt aus dem GG folgen müssen. Dies war nicht der Fall. Obwohl Existenz und funktionaler Kern der Bundesbank verfassungsmäßig gewährleistet waren,84 entstammten Organisation und Aufgaben dem einfachgesetzlichen BBankG.85 Der Bundesbank oblag nicht die politische Gesamtgestaltung des Staates,86 da sich ihr Handeln an der Preisstabilität als Primärziel zu orientieren hatte. Unterstrichen wird der exponierte Standort der Bundesbank zwischen Verfassungsund Exekutivorgan durch die nur eingeschränkten Aufsichtselemente87 des BBankG (§ 13, § 34 Satz 288), die eine allgemeine Staatsaufsicht89 verboten. 79 BVerwGE 41, S. 334 (354); Gramlich, BBankG, § 2, Rn. 6, § 12, Rn. 6; Hahn/ Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 258; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (3); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 359; Siebelt, S. 154. 80 Fröhlich, S. 11; Gramlich, BBankG, § 12, Rn. 6; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 124; Hahn, Währungsrecht, § 18, Rn. 2; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 358; Walter, S. 126; dagegen Samm, S. 31 f., der die Bundesbank von jeder Staatsaufsicht befreit sah; so auch Eun, S. 179. 81 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 46. 82 So aber Brosius-Gersdorf, S. 185; Eun, S. 182 ff., der diese Stellung mit der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit begründen will; Starke, DÖV 1957, S. 606 (608 f.); Samm, WM 1984, Sonderbeilage 5, S. 1 (4), wobei vormals ders., in: Bundesbank im Verfassungsgefüge, S. 138 f., die Bundesbank noch als „Grenzorgan“ qualifizierte, das eine „Mittelstellung zwischen Verfassungsorganen und sonstigen Organen des Bundes“ einnehme, und die Bundesbank nur „weitgehend einem Verfassungsorgan angenähert“ sah. 83 Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 6; Gramlich, JuS 1988, S. L 81 (L 82); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 208 ff.; Hahn, BayVBl. 1982, S. 70 (73); Papier, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 109 (110); Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 8. 84 Siehe dazu oben, B. I. 1., 2. 85 Donner/Neumann, Auswirkungen der Währungsunion, S. 151 (153). 86 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 210. 87 Starke, DÖV 1975, S. 606 (608), nannte diese Rechtsbeziehungen „Aufsichtsrudimente, die den Anstaltscharakter rechtfertigen“; ähnlich Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (65); Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (152). 88 § 34 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 29.04.2002.

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II. Organisationsstruktur

Der zweite Abschnitt des BBankG ließ eine zentralistische, zweistufige Organisationsstruktur erkennen (§ 5 BBankG). Während der Zentralbankrat (§ 6 BBankG) und das Direktorium (§ 7 BBankG)90 als Organe mit zentralistischer Prägung fungierten, bildeten die Vorstände der LZBen (§ 8 BBankG) die föderale Struktur ab. Die Mitglieder dieser Organe, das heißt natürliche, rechts- und geschäftsfähige Personen, waren Organwalter91. Ergänzt wurde die Führungstrias durch den Bundesbankpräsidenten, dem wegen seiner historisch gewachsenen92, umfangreichen Kompetenzen die Rolle eines „primus inter pares“93 zukam. Der Bundesbankpräsident war indes kein selbständiges Organ,94 sondern Teil des einheitlichen Organs Zentralbankrat.95 Die Einbindung der nachfolgend näher zu charakterisierenden drei Organe der Bundesbank in ein umfangreiches System von checks and balances bildete eine Art interne Gewaltenteilung.96 Das diskursive Zusammenspiel der Organe auf gleicher Ebene sollte die Entscheidungsabläufe nicht hemmen, sondern deren sachliche Richtigkeit gewährleisten. Neben der vertikalen Trennung der Organbefugnisse existierte die horizontale „Gewaltenteilung“ zwischen Bundesbank und LZBen. In diesem dezentral-föderativen Element der Notenbankorganisation widerspiegelte sich zugleich der föderale Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland. 1. Zentralbankrat Als „legislatives Beschlussorgan“97 war der dem Federal Reserve Board nachempfundene98 Zentralbankrat (§ 6 BBankG) zuständig für alle materiellen und organisatorischen Grundsatzentscheidungen der Bank. Der Zentralbankrat besaß die umfassende Kompetenz zur Festlegung der Währungs- und Kredit89

Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 359; Studt, S. 89. § 7 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, mit Ausnahme des § 7 Abs. 3 Satz 3 BBankG gültig bis 29.04.2002. 91 Gramlich, BBankG, § 5, Rn. 3 f. 92 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 47. 93 Gramlich, BBankG, § 6, Rn. 3. Ähnlich Caesar, S. 204, der von einem „wirtschaftspolitischen Ersatzkaiser“ sprach. 94 So aber Samm, S. 47. 95 Gramlich, BBankG, § 5, Rn. 5; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 83, Fn. 177; Walter, S. 118. 96 Hahn, Währungsrecht, § 17, Rn. 2; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 47; ähnlich Gramlich, BBankG, § 5, Rn. 3; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (158). 97 Samm, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 143 (151). 98 Gramlich, BBankG, § 6, Rn. 2. 90

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politik der Bundesbank (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BBankG). Darüber hinaus stellte er allgemeine Richtlinien für Geschäftsführung und Verwaltung auf (§ 6 Abs. 1 Satz 4 BBankG). Ihm kam nur die Aufgabenpräzisierung zu, nicht aber die Befugnis, über die Verschiebung der Zuständigkeiten anderer Organe zu entscheiden („Kompetenz-Kompetenz“).99 Mit Zustimmung der Bundesregierung beschloss er die Satzung der Bundesbank, die als autonomes Recht im Rang unter dem Bundesgesetz stand (§ 34 BBankG). Als Kollegialorgan100 (§ 6 Abs. 3 BBankG) war der Zentralbankrat aus dem Präsidenten und Vizepräsidenten der Bundesbank, weiteren Mitgliedern des Direktoriums sowie den Präsidenten der LZBen (§ 6 Abs. 2 BBankG) zusammengesetzt. Mit Ausnahme der LZB-Präsidenten wurden die Mitglieder des Zentralbankrates rechtsverbindlich101 vom Bundespräsidenten ernannt (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BBankG). Dieses Verfahren unterstützte die personelle Absicherung der Unabhängigkeit und sollte kurzfristigen, politisch-motivierten Einfluss zentraler Regierungsinstanzen verhindern. Eben diesem Zweck diente auch die achtjährige Amtsdauer (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BBankG) der Zentralbankratsmitglieder. Nicht zu verkennen war, dass der Bundesregierung durch ihr Vorschlagsrecht (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BBankG) im Verfahren der Auswahl der Mitglieder de facto erheblicher Einfluss zukam. Die Dominanz der Bundesregierung im Ernennungsverfahren wurde durch das analoge Vorschlagsrecht des Bundesrates für die LZB-Präsidenten ausgeglichen (§ 8 Abs. 4 Satz 1, 2 BBankG). Dem Bundespräsidenten stand ein auf Ausgleich bedachtes und dadurch autonomiesicherndes Prüfungsrecht (§ 8 Abs. 4 Satz 1 BBankG) zu. Der „Pluralismus der Ernennungsinstanzen“102 widerspiegelt somit die für die Bundesrepublik typischen föderalen Strukturen (Art. 20 Abs. 1, 28 GG). 2. Direktorium Das Direktorium (§ 7 BBankG) fungierte als zentrales Exekutivorgan der Bundesbank. Zu den Mitgliedern des Direktoriums zählten neben dem Bundesbankpräsidenten und dem Vizepräsidenten, die zugleich Mitglieder des Zentralbankrates waren, bis zu sechs103 weitere Mitglieder (§ 7 Abs. 2 Satz 1 BBankG). Im Gegensatz zu den übrigen Organmitgliedern mussten die Direkto99

Gramlich, BBankG, § 6, Rn. 4; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 366. Gramlich, BBankG, § 6, Rn. 3; Samm, S. 43; Siebelt, S. 164. 101 Gramlich, BBankG, § 7, Rn. 18. 102 Eckert, ÖBA 1990, S. 415 (419); Samm, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 143 (154); Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (160); Walter, S. 125; kritisch Papier, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 109 (115). 103 Ursprünglich sah § 7 Abs. 2 BBankG eine Höchstgrenze von 10 Mitgliedern vor, die durch das 4. BBankGÄndG [siehe dazu unten, 7. Abschnitt, A. II.] verringert wurde. 100

2. Abschn.: Stellung der Bundesbank in der Staatsorganisation

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riumsmitglieder eine gewisse fachliche Eignung aufweisen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BBankG). Aufgrund der Organstellung war das Direktorium zu unbeschränkbarer104 Vertretung der Bundesbank befugt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BBankG)105; dies bildet die Kongruenz zwischen interner Geschäftsführungsbefugnis und externer Vertretungsmacht ab. Im Übrigen normierte § 11 Abs. 2 BBankG das für jede Vertretung im Kreditgewerbe übliche „Vier-Augen-Prinzip“106. Im Rahmen der Verwaltungsaufgaben waren dem Direktorium die Durchführung der Beschlüsse des Zentralbankrates (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BBankG) sowie die Leitung und Verwaltung der Bank anvertraut (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BBankG). Insbesondere die Offenmarktgeschäfte (§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1–4 BBankG) zählten wegen des überregionalen Charakters zur „Reservatkompetenz“107 des Direktoriums, das heißt, sie waren diesem vorrangig, aber nicht ausschließlich108 übertragen. 3. Landeszentralbanken Bei der Konzeption der ursprünglich zehn109 LZBen (§ 8 BBankG) waren Präsenz in der Fläche und dadurch bedingte Sicherung regionaler Belange vordergründig; nur sekundär bildeten die LZBen die dezentral-föderale Organisationsstruktur der Bundesbank ab. Ungeachtet ihrer Bezeichnung als „Landes“zentralbanken handelte es sich um rechtlich unselbständige110 Hauptverwaltungen der Bundesbank. Indes oblag den LZB-Präsidenten aufgrund des föderalen Charakters des Zentralbankrates ein Mitspracherecht im obersten Willensbildungsorgan (§ 6 Abs. 2 BBankG). Die Geschäftsführungsbefugnis stand dem Vorstand als einzigem LZB-Organ (§ 8 Abs. 2 BBankG) zu. Die Beiräte bei den LZBen (§ 9 BBankG)111 dienten der Förderung regionaler Wirtschaftsnähe, besaßen aber keine Organqualität112. Den LZBen waren bestimmte, nicht abschließend festgelegte113 Geschäfte ausdrücklich vorbehalten (§ 8 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1–4 BBankG). Hervorgehoben 104

Gramlich, BBankG, § 11, Rn. 9. § 11 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 29.04.2002. 106 Gramlich, BBankG, § 11, Rn. 11 ff. 107 Gramlich, BBankG, § 7, Rn. 8 f. 108 Hahn, Währungsrecht, § 17, Rn. 4. 109 Zur späteren Aufgabe des Grundsatzes „Ein Land – eine LZB“ und der Straffung der Flächenpräsenz siehe unten, 7. Abschnitt, A. II. 110 Gramlich, BBankG, § 8, Rn. 3; Hahn, Währungsrecht, § 17, Rn. 5; Walter, S. 120. 111 § 9 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, geändert seit 01.11.1992, gültig bis 29.04.2002. 112 Gramlich, BBankG, § 5, Rn. 5; Walter, S. 121; dagegen Samm, S. 51, der von Organqualität ausging. 113 Gramlich, BBankG, § 8, Rn. 11 ff. 105

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

sei die Kreditvergabe durch die LZB an „ihr“ Land. Folglich waren die LZBVorstände dem Direktorium als zentralem Verwaltungsorgan gleichgestellte dezentrale Exekutivorgane,114 was im Übrigen auch die Außenvertretung beweist (§ 11 Abs. 1, 2 BBankG). Zudem besaßen die LZBen im regionalen Bereich Alleinzuständigkeit115 (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BBankG). 3. Abschnitt

Funktionen der Bundesbank A. Grundsätzliches Aus der institutionellen Garantie des Art. 88 GG folgte für die Bundesbank keine explizite Zuweisung von Funktionen. Indes beinhaltete die Verfassungsnorm die „Berechtigung“1 des Bundesgesetzgebers, die Bundesbank mit gewissen Aufgaben auszustatten. Die Qualifikation als Währungs- und Notenbank beschrieb dabei mit der Geldpolitik den hauptsächlichen Wirkungsbereich einer Zentralbank. Bevor auf die Geldpolitik und deren Instrumentarium näher eingegangen wird, soll mit der Verpflichtung zur Währungsstabilität das die Aufgaben dominierende Ziel beschrieben werden. Wenn auch die Bedeutung der Zielvorgabe für die Geldpolitik überwiegt, dient sie gleichsam allen übrigen Aufgaben als maßgeblicher Kurs. B. Ziel der Währungssicherung I. Allgemeines

Währungspolitisches Handeln resultiert aus der Absicht, auf definierte Ziele einzuwirken. Dies geschieht mit Hilfe der geldpolitischen Strategie, einem längerfristig gültigen Verfahren, mit Hilfe dessen die Notenbank über den Instrumenteneinsatz entscheidet. Die Verfassungsnorm des Art. 88 GG ließ keine eindeutige und klare Zielsetzung für die Bundesbank erkennen. Hinzukommt, dass dem Begriff „Währungsbank“ angesichts fehlender Kontinuität deutscher Notenbanktradition kein historisch gewachsenes Ziel in Form von Währungssicherung immanent war. Unter ökonomischen Gesichtspunkten ist nicht zu verkennen, dass eine „Währungsbank“ faktische volkswirtschaftliche Gegebenheiten und Wirkungszusam114

Samm, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 143 (157). Weber, S. 84 f. BVerwGE 41, S. 334 (350).

115 1

3. Abschn.: Funktionen der Bundesbank

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menhänge voraussetzt, die als zentrale Funktionen der Bundesbank sowohl die Geldwertsicherung als auch die Versorgung der Volkswirtschaft mit Geldmitteln implementieren.2 Rein rechtlich betrachtet war die Verfassungsnorm allerdings für die Zielbestimmung wenig aussagefähig. Selbst unter der Annahme, dass Art. 88 GG gewisse geldpolitische Instrumente gewährleiste, konnte das Ziel, auf das der Einsatz der Instrumente ausgerichtet war, mit Hilfe der Verfassungsnorm nicht zweifelsfrei bestimmt werden. II. § 3 BBankG

Aufschlussreicher war die einfachgesetzliche Regelung des § 3 BBankG, wonach die Bundesbank das währungspolitische Instrumentarium mit dem Ziel der Sicherung der Währung einzusetzen hatte. Trotz der richtungweisenden Bedeutung des Begriffs „Währungssicherung“ für die geldpolitische Strategie verzichtete das BBankG auf eine nähere Ausgestaltung oder Legaldefinition.3 Im Folgenden soll daher der Inhalt der Währungssicherung als Primärziel für das Handeln der Bundesbank untersucht werden. 1. Stabilität des Preisniveaus Währungssicherung setzt sich prinzipiell aus einer inneren und einer äußeren Komponente zusammen. Während sich der Binnenwert einer Währung an der Stabilität des Preisniveaus misst, umschreibt der Außenwert die Stabilität des Wechselkurses. Allerdings unterfielen Festlegung und Änderung des Wechselkurses sowie Beschränkungen des Devisenverkehrs als Teilbereich der Außenpolitik der Kompetenz der Bundesregierung (Art. 32 Abs. 1 und 73 Nr. 1 GG). Wenn auch die Bundesbank in gewissem Umfang an der Währungsaußenpolitik beteiligt war,4 oblagen ihr keine autonomen währungspolitischen Entscheidungsbefugnisse in diesem Bereich. Das BBankG konnte daher Währungssicherung nur als Ziel desjenigen Kompetenzbereichs statuieren, der der Bundesbank durch § 3 BBankG zur eigenen Verantwortung übertragen war. Währungssicherung meinte somit die Stabilität der Binnenkaufkraft der Währung (innere Geldwertstabilität)5, die auch als Preis(niveau)stabilität bezeichnet wird.

2

BVerwGE 41, S. 334 (349 f.). Siebelt, S. 158, bezeichnete § 3 BBankG wurde als „vage Generalklausel“. 4 Dem Bundesbankpräsidenten oblag die Vertretung Deutschlands im IWF-Gouverneursrat, Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 183 f. 5 Hahn, Währungsrecht, § 16, Rn. 7 a. E.; Samm, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 143 (155). 3

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

2. Geldmengensteuerung als Zwischenziel Die primäre Aufgabe der Währungssicherung schloss den direkten Zugriff auf das Preisniveau durch Steuerung von Güterangebot und -nachfrage aus. Die Bundesbank konnte nur auf indirektem Wege die Geldwertstabilität beeinflussen, indem sie auf die Ausgabeentscheidungen der Wirtschaft, insbesondere die Kreditvolumina der Geschäftsbanken, einzuwirken versuchte.6 Um den monetären Transmissionsprozess, das heißt, den Weg von der einzelnen geldpolitischen Operation bis zur avisierten Einflussnahme auf die gesamtwirtschaftlichen Eckdaten, zielgerichtet zu steuern, bediente sich die Bundesbank einer geldpolitischen Strategie. Diese Strategie bildete gleichsam das Grundprinzip, das Aufgabe und Befugnisse verknüpft und erst über letztere konkretisiert wird. Prinzipiell lassen sich geldpolitische Strategien von Notenbanken in solche mit und ohne Zwischenzielgrößen einteilen. Als Zwischenziele werden monetäre Variablen bezeichnet, die seitens der Notenbank tatsächlich kontrollierbar sind und von deren Veränderung sie gewünschte Einflüsse auf das Endziel erwartet.7 Vorteile von Zwischenzielkonzeptionen liegen in der detaillierten Überprüfbarkeit der monetären Variablen, was wiederum einen finalen Instrumenteneinsatz fördert. Hohe Transparenz ermöglicht den Märkten und der Öffentlichkeit permanente Beobachtung und „Sanktion“. Diese Umstände heben sich positiv gegenüber einer Politik ab, die sich intern an einer Mehrheit von Indikatoren orientiert, aber nach außen kaum klare Orientierungshilfen liefert, beispielsweise die Politik des US-amerikanischen Federal Reserve System8. Auch laufen Notenbanken Gefahr, Wirkungsverzögerungen ihrer Geldpolitik ausgesetzt zu sein, deren unerwünschte Einflüsse erst mit Zeitverzug korrigierbar sind. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten erscheint es sinnvoll, Zwischenziele zu formulieren, die als Indikatoren ständig kontrollierbar sind und so zeitnah Gefahren für das Endziel erkennen lassen.9 Bis 1973 war der Bundesbank eine strenge Geldpolitik im Sinne eines Geldmengenziels wegen der unbeschränkten Interventionsverpflichtungen im Festkurssystem von Bretton Woods10 nicht möglich. Durch den Übergang zum Blockfloating wurden die Interventionspflichten besser kontrollierbar,11 womit der Weg zu einer effektiven Geldmengensteuerung12 geebnet war. Ab 197413 6 BVerwGE 41, S. 334 (349 f.); von nur mittelbarer Steuerung sprach Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 6. 7 Issing, Geldpolitik, S. 179. 8 Schächter, S. 313. 9 Issing, Geldpolitik, S. 162 ff., der jedoch auf das „Indikatorproblem“ hinwies. 10 Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, B. 11 Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 370. 12 Coburger, S. 46 ff.; Gaddum, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 11 (20); Gramlich, BBankG, § 3, Rn. 8; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (4).

3. Abschn.: Funktionen der Bundesbank

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favorisierte die Bundesbank die Zentralbankgeldmenge14 als monetäre Variable in Form einer Zwischenzielgröße. Somit sollte dem Bankensystem nur diejenige Menge an Zentralbankgeld zur Verfügung gestellt werden, die für die gewünschte monetäre Expansion erforderlich war. Die Bundesbank war dadurch in der Lage, den Geldschöpfungsprozess mit Hilfe ihres Instrumentariums in Richtung des selbst gewählten, zuvor mit der Bundesregierung abgestimmten15 Geldmengenziels zu lenken. Langfristig konnte so ein Verhältnis zwischen Zuwachsrate der Zentralbankgeldmenge und den realen Angebotsmöglichkeiten der Wirtschaft ermittelt werden, was als „potentialorientierte Geldpolitik“16 bezeichnet wurde. Dennoch war die Bundesbank ab 1979 im Europäischen Währungssystem (EWS) zu teilweise massiven Interventionen17 gezwungen, die der Strategie der Geldmengensteuerung eindeutig widersprachen. Da die Zentralbankgeldmenge nur ein gewichtetes Geldaggregat abbildete,18 ging die Bundesbank seit 1988 dazu über, der weiter gefassten Geldmenge M 319 als Zwischenzielgröße zentrale Indikatorfunktion20 beizumessen. Diskretionäre, an der aktuellen Inflationsentwicklung orientierte Einzeldirigismen21 sowie Wirkungsverzögerungen, die steter Preisstabilität schaden, wurden so verhindert. Ab 1996 ersetzte die Bundesbank die Berechnung von M 3 durch die Ermittlung des Bestandes an Zentralbankgeld. Diese Größe hatte den Vorteil, näher am Bargeldumlauf zu liegen.22 Der dargestellte Wandel der geldpolitischen Zwischenziele warf die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit derartiger Richtungswechsel auf. Das BBankG, insbesondere § 15 BBankG,23 lieferte weder zur Frage des „Ob“ noch des „Wie“ einer geldpolitischen Strategie der Bundesbank etwaige 13

Caesar, S. 179 f.; Degner, S. 6; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 385. Die Zentralbankgeldmenge bestand aus Bargeld in den Händen von Nichtbanken und dem Mindestreserve-Soll für inländische Verbindlichkeiten von Banken; Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 6; ausführlich Issing, Geldtheorie, 13. Auflage, S. 12. 15 Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 6. 16 Gaddum, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 11 (20); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 385. 17 Die Interventionspflichten wurden auch als „offene außenwirtschaftliche Flanke“ bezeichnet. 18 Issing, Geldtheorie, 13. Auflage, S. 12. 19 M 3 umfasste die Geldmenge M 2 zuzüglich Spareinlagen inländischer Nichtbanken mit gesetzlicher Kündigungsfrist. M 2 bildete die Summe der Geldmenge M 1 zuzüglich Termingeldern inländischer Nichtbanken bis zu vier Jahren und M 1 beinhaltete Bargeld und Sichteinlagenbestände inländischer Nichtbanken; Issing, Geldtheorie, 13. Auflage, S. 10 ff. 20 Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 1; Siebelt, S. 198. 21 Schmidt, in: Isensee/Kirchhof, Hdb. Staatsrecht, § 82, Rn. 21. 22 Issing, Geldtheorie, 13. Auflage, S. 13. 23 § 15 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 31.12.1998. 14

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

Anhaltspunkte. Beim geldpolitischen Kurs der Bundesbank handelte es sich vielmehr um „Politik“ im Sinne einer zielorientierten Verhaltenssteuerung, die die Grundlage für verbindliche wie schlichte Rechtsakte in Gestalt konkreter geldpolitischer Geschäfte bildete. Stellungnahmen der Bundesbank zur Geldmengensteuerung waren daher als rechtlich nicht bindende „Akte (unbestimmt-) öffentlicher Beschaffenheit“24 zu qualifizieren, da sie steten Veränderungen und Zielrevisionen unterworfen waren. Jede rechtliche Bindungskraft hätte die Bundesbank in ihrem strategischen Prognosespielraum eingeengt. Bereits geringfügige Korrekturen wären dann unzulässig gewesen, selbst wenn sie auf makroökonomischen Wirkungszusammenhängen beruht hätten. Unzweifelhaft lösten gezielte Informationen der Bundesbank zum Geldmengenziel gewisse Orientierungseffekte, vor allem bei den Kreditinstituten und den übrigen Wirtschaftssubjekten, aus. Sie motivierten die Marktteilnehmer im Sinne einer Art sozialpsychologischer Einflussnahme („moral suasion“)25. Daraus ließen sich allerdings weder Ansprüche aus Staatshaftung26 noch verwaltungsrechtlicher Vertrauensschutz aufgrund einer Selbstbindung der Bundesbank als Exekutivorgan (Art. 20 Abs. 3 GG) ableiten.27 Die Bundesbank selbst sorgte in Form öffentlicher Ankündigungen und Verlautbarungen für ein transparentes Bekanntgabeverfahren sowie die Nachvollziehbarkeit ihrer geldpolitischen Strategie. III. Einschränkungen der Währungssicherung

1. Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht Vielfach wurde diskutiert, inwieweit gesamtwirtschaftliche „Nebenziele“ das Hauptziel der Währungssicherung und somit die Aufgabenerfüllung der Bundesbank hätten einschränken können. Hinsichtlich der Zielverpflichtung wurde die Auffassung28 vertreten, dass die Bundesbank neben der Preisstabilität gleichermaßen an die übrigen Komponenten des magischen Vierecks (§§ 13 Abs. 3 Satz 1 StWG) gebunden sei und einen optimalen Ausgleich zwischen den Elementen erzielen solle. So betonte von Arnim, dass die Hervorhebung der Währungssicherung in § 1 StWG „le24 Gramlich, BBankG, § 3, Rn. 20; Fröhlich, S. 73 ff.; Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 1. 25 Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 6; Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 1. 26 Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 386. 27 Coburger, S. 49 f.; Siebelt, S. 198; dagegen wollte Fröhlich, S. 78 f., die Anwendbarkeit der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Selbstbindung der Verwaltung nicht gänzlich ausschließen. 28 Brosius-Gersdorf, S. 149 ff.; Frotscher, Rn. 205; Papier, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 109 (114); Samm, S. 60.

3. Abschn.: Funktionen der Bundesbank

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diglich dem andernfalls drohenden Zukurzkommen dieses Ziels entgegenwirken“ solle; eine „absolute Priorität“ dürfe die Bundesbank ihr nicht geben.29 Diese Interpretation der Zielvorgabe fand weder eine Stütze in der historischen noch in der systematischen Auslegung der entscheidenden Verweisungsnorm des StWG. § 13 Abs. 3 StWG verfolgte den Zweck, die gesamte öffentliche Hand samt deren Etats auf bestimmte gesamtwirtschaftliche Ziele festzulegen. Mit Blick auf die Rechtsstellung der Bundesbank konnte und durfte30 das StWG das monetäre Instrumentarium nicht unter die Staatsaufsicht stellen. Im Übrigen lassen sich gesamtwirtschaftliche Ziele auch nicht allein unter Zuhilfenahme geldpolitischer Instrumente erreichen.31 § 13 Abs. 3 StWG ist daher nur als SollVorschrift hinsichtlich der Beachtung des Zielbündels des § 1 StWG ausgeformt.32 Eine direkte Verpflichtung der Bundesbank auf alle Komponenten des § 1 StWG bestand nicht, weshalb die Preisstabilität (§ 3 BBankG) uneingeschränkten Vorrang genoß,33 obgleich sie im allgemeinen wirtschaftspolitischen Kontext stand.34 Infolge der direkten Beeinflussung des Geldmarktes erzeugte die Bundesbank zwangsläufig indirekte35 Wirkungen auf die übrigen Zielgrößen des § 1 StWG, die zwar rechtlich nicht gefordert, aber gesamtwirtschaftlich nicht unerwünscht waren. 2. Unterstützung der Bundesregierung Neben der Verpflichtung zur Preisstabilität hatte die Bundesbank die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen (§ 12 Satz 2 BBankG); jedoch nur soweit, als dies ohne Beeinträchtigung der Preisstabilität geschehen konnte.36 Aufgrund der Bindung der Bundesregierung an die Komponenten des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 GG) gal29 Von Arnim, Staatslehre, S. 341. Auf die durch den Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion bedingte Änderung der Zielverpflichtung der Bundesbank wird ausführlich im 11. Abschnitt, C. II. 3. einzugehen sein. 30 Siebelt, S. 159 f. 31 Coburger, S. 44; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 179. 32 Hahn, Währungsrecht, § 17, Rn. 18; Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (66); Siebelt, S. 159 f.; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (164); Walter, S. 129. 33 Die Sonderstellung der Preisstabilität betonten auch Caesar, S. 179; Duppré, Die Verwaltung, Band 13 (1980), S. 329 (335); Gaddum, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 11 (13 f.); Frotscher, JuS 1982, S. 672 (673); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 179 f.; Ladeur, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, S. 486 (487). 34 Hahn, Währungsrecht, § 17, Rn. 18; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (3); so auch Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 369; Siebelt, S. 180; Studt, S. 81; Walter, S. 129. 35 Eckert, ÖBA 1990, S. 415 (419). 36 Siehe dazu im Einzelnen oben, 2. Abschnitt, B. II. 1.

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

ten diese Kriterien mittelbar37 auch für die Unterstützungspflicht der Bundesbank gegenüber der Bundesregierung. Im Falle eines Zielkonflikts gebührte der Preisstabilität allerdings uneingeschränkte Priorität. C. Banknotenausgabemonopol I. Währungspolitische Bedeutung

Das in Art. 88 GG ausdrücklich verfassungsrechtlich verankerte38 Recht der Bundesbank als „Notenbank“ zählte nicht zum währungspolitischen Instrumentarium, war jedoch mit dem Währungssicherungsauftrag untrennbar verbunden. Als Grundlage des Instrumenteneinsatzes stand das Recht zur Banknotenausgabe gesetzessystematisch vor den währungspolitischen Instrumenten. Der Bundesbank oblag das ausschließliche Recht zur Ausgabe von auf Deutsche Mark lautenden Banknoten als einzigem unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittel (§ 14 Abs. 1 BBankG)39. Dieses Banknotenausgabemonopol sollte – auch aufgrund historischer Erfahrungen40 – eine politisch motivierte „Notenpresse“ verhindern. Während der Notenbank historisch bedingt das Notenregal zukam, wurde das Münzregal (§ 6 MünzG41) 1950 von der BdL auf die Bundesregierung rückübertragen.42 Mit Hilfe der Banknotenausgabe konnte die Bundesbank die Höhe der umlaufenden Geldmenge steuern, wodurch sie „zur letzten Quelle der Liquidität aller Banken“43 wurde. Als geldpolitisches Steuerungsmittel44 war die Notenausgabe allerdings nur in Form der Grobsteuerung relevant, da die Geschäftsbanken über eine – theoretisch unbegrenzte45 – Buchgeldschöpfungsfähigkeit46 verfügten. 37

Fröhlich, S. 12. Siebelt, S. 217; Studt, S. 93; dagegen Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 187, die ein Banknotenausgabemonopol der Bundesbank mit Blick auf die Entstehungsgeschichte ablehnten. 39 § 14 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 31.12.1998. 40 Coburger, S. 26 f.; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 35. 41 Gesetz über die Ausprägung von Scheidemünzen vom 08.07.1950, BGBl. I, S. 323. 42 Gramlich, BBankG, Münzgesetz, § 1, Rn. 3, 4; Siebelt, S. 150 f. 43 Coburger, S. 52; Gramlich, BBankG, § 14, Rn. 3 („lender of last resort“); Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 32; Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 6; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 372; Studt, S. 93. 44 Coburger, S. 53; Gramlich, BBankG, § 14, Rn. 2; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 373; Siebelt, S. 196 f.; dagegen zählte Samm, S. 62, die Banknotenausgabe „zu den banktechnischen Aufgaben“. 45 Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 373. 46 Coburger, S. 53 f.; Gaddum, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 11 (19). 38

3. Abschn.: Funktionen der Bundesbank

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II. Rechtliche Einordnung

Die aus dem Notenausgaberecht folgende Pflicht der Bundesbank zur Banknotenausgabe beinhaltete im Gegenzug kein Recht der Geldnachfrager auf Notenausgabe;47 die Bundesbank handelte allein im öffentlichen Interesse. Daher wurden die Begebung der Banknoten (§ 14 Abs. 1 BBankG), ebenso wie die als actus contrarius zu qualifizierende Einziehung (§ 14 Abs. 2 BBankG) übereinstimmend48 als dingliche Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2, 2. Fall VwVfG) eingestuft.49 Der tatsächliche Umtausch von Banknoten war hingegen als privatrechtlicher Vertrag50 zu klassifizieren. D. Geldpolitik I. Allgemeines

Unter Geldpolitik ist die Festsetzung von Bedingungen zu verstehen, zu denen Geschäftsbanken Geld von der Zentralbank verlangen, um dieses, meist in Form von Krediten, an ihre Kunden weitergeben zu können (Refinanzierung). Die verfassungsrechtlich gewählte Bezeichnung als Währungs- und Notenbank war als Hinweis darauf zu deuten, dass die Bundesbank über geldpolitische Befugnisse und Instrumente verfügen sollte.51 Gleichzeitig konnte die Bundesbank wie jedes andere Kreditinstitut am Markt agieren, da der Gesetzgeber – bedingt durch die historische Entwicklung52 des deutschen Zentralbankwesens – die Bundesbank als (Universal-)Bank errichtete. Die Bundesbank tätigte aktive und passive (geldpolitische) Kreditgeschäfte sowie andere Bankgeschäfte vorrangig mit anderen Kreditinstituten, in Einzelfällen auch mit staatlichen Stellen. Das geldpolitische Instrumentarium wurde historisch durch die Aufgaben von Reichsbank und BdL geprägt.53 Allerdings ließ sich auch unter Geltung des Art. 88 GG kein klares und verfassungsrechtlich garantiertes Instrumentarium 47

Gramlich, BBankG, § 14, Rn. 6. Blanke, in: M/K/S, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 43; Coburger, S. 64 ff.; Gramlich, BBankG, § 14, Rn. 38; Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 10; Häde, Geldzeichen im Recht, S. 63 ff. (Monetarisierungsakt), S. 96 (Demonetarisierungsakt); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 373; Siebelt/Eckert, ZBB 1991, S. 153 (155); Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (166 f.); Studt, S. 96. 49 Ausführlich zu „Verleihung der Geldeigenschaft (Monetarisierung)“ und „Verlust der Geldfunktion“ Häde, Geldzeichen im Recht, S. 50 ff., 91 ff. 50 Fröhlich, S. 112, der von einem Tauschvertrag ausging; Häde, Geldzeichen im Recht, S. 110, der verschiedene Arten schuldrechtlicher Verträge aufzählt. 51 Samm, S. 61 f.; Siebelt, S. 217. 52 Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (143). 53 Caesar, S. 175; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 371. 48

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

zur Währungssicherung fixieren.54 Ein statisches Verständnis geldpolitischer Befugnisse hätte den Umstand missachtet, dass in der Zukunft liegende, mikround makroökonomische Entscheidungen nur mangelhaft erfassbar und prognostizierbar sind. Daher räumte die verfassungsrechtliche Bestandsgarantie55 der Bundesbank den Handlungsspielraum ein, der in seiner Gesamtheit eine wirksame Steuerung der Geldmenge unter Sicherung der Preisstabilität56 erlaubte. Art. 88 GG traf nur die Entscheidung für ein Minimum monetärer Instrumente („ob“)57, überließ indes die Auswahl effizienter monetärer Steuerungsmittel („wie“) dem einfachen Gesetzgeber.58 Im Laufe der Zeit kristallisierte sich jedoch ein gewisser Kernbestand59 währungspolitischer Geschäfte heraus, ohne den Währungssicherung praktisch unmöglich gewesen wäre. Dazu gehörten jedenfalls60 Refinanzierungs- (Kreditpolitik) und Offenmarktpolitik sowie die erst später durch die alliierte Gesetzgebung eingeführte Mindestreservepolitik61. Zwischen den einzelnen Instrumenten bestand keine Rangordnung.62 Vielmehr war die Bundesbank bestrebt, eine Geldpolitik mit differenzierten Wirkungen zu betreiben. Sie versuchte daher, den Instrumenteneinsatz so zu wählen, dass sich die Vorteile gegenseitig ergänzten.63 Die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung der Finanzmärkte führten zu einem drastischen Wandel der komparativen Vor- und Nachteile der einzelnen Instrumente. Dadurch wuchs auch das Risiko widersprüchlicher geldpolitischer Entscheidungen. Die sich aufdrängende Frage nach Anpassung des geldpolitischen Instrumentariums, besonders infolge der 3. Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, wird Gegenstand des 13. Abschnitts sein.

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Coburger, S. 40; Fröhlich, S. 39; Hahn, BayVBl. 1982, S. 70 (71). Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, B. I. 1., 2. 56 Caesar, S. 175; Fröhlich, S. 38; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 136; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 33. 57 Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 6. 58 Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, Anl. 1. 59 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 34. 60 Für die Einbeziehung der Banknotenemission Hahn, BayVBl. 1982, S. 70 (71); dagegen zutreffend Fröhlich, S. 39. 61 Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (144). 62 Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 30. 63 Mit Hilfe des restriktiven Einsatzes der geldpolitischen Instrumente versuchte die Bundesbank, die Geschäftsbanken „in die Notenbank zu zwingen“ (Zangenpolitik); Issing, Geldpolitik, S. 255 f. 55

3. Abschn.: Funktionen der Bundesbank

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II. Grundsätze der rechtlichen Einordnung

Das BBankG verankerte die geldpolitischen Instrumente in verschiedenen Abschnitten; einerseits in Form der geldpolitischen Befugnisse des Zentralbankrates (§§ 14 ff. BBankG), andererseits als Geschäftskreis der Zentralbank (§§ 19 ff. BBankG). Diese systematische Differenzierung manifestierte indes keine Trennung; vielmehr deutete sie auf die Zuständigkeiten von Zentralbankrat (§ 6 Abs. 1 BBankG) sowie Direktorium (§ 7 BBankG) und LZBen (§ 8 BBankG) hin. Jedes geldpolitische Instrument verknüpfte die der unabhängigen Bundesbank übertragene, einseitig-hoheitliche 64 Aufgabe der Währungssicherung mit der konkreten Abwicklung des einzelnen Geschäftstyps. Die Vielzahl und Mannigfaltigkeit der einzelnen geldpolitischen Transaktionen erforderten die Vorschaltung einer „Befugnis“ des Zentralbankrates, mit deren Hilfe allgemeine Grundsätze (§ 15 BBankG) einseitig und im öffentlichen Interesse festgelegt werden konnten.65 Zunächst ist klarzustellen, dass die Bundesbank über hoheitliche Regelungsmacht nur66 im Rahmen der ihr zur eigenen Verantwortung übertragenen Aufgabe der Währungssicherung verfügte; in anderen Tätigkeitsbereichen (beispielsweise Bankenaufsicht, statistische Erhebungen)67 unterlag sie der Rechtsaufsicht des Bundes. Mit Blick auf die Stellung der Bundesbankorgane als oberste Bundesbehörden (§ 29 Abs. 1 BBankG) wäre die generelle Zuordnung der geldpolitischen Instrumente zu öffentlich-rechtlichen Kategorien68 prinzipiell nahe liegend gewesen. In Gestalt der Mindestreservepolitik existierte ein wesentliches Instrument, das enorme hoheitliche Zwangswirkung69 entfaltete. Andererseits stand die Bundesbank beim Vollzug ihrer Geschäfte primär privatrechtlich-organisierten Kreditinstituten (§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 KWG70) gegenüber. Die privatrechtliche Abwicklung der geldpolitischen Beschlüsse schien daher praktikabel.

64

Gramlich, Bundesbankinstrumente und -eingriffe, S. 11 (16 f.). Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 2. 66 Fröhlich, S. 179. 67 Siehe dazu unten, E. VI., VII. 68 Döll, DVBl. 1956, S. 665 (668); Fröhlich, S. 52 f.; Gramlich, BBankG, Einführung, Rn. 22; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (4, Fn. 14); Siebelt/Eckert, ZBB 1991, S. 153 (154). 69 Gramlich, Bundesbankinstrumente und -eingriffe, S. 11 (18). 70 Gesetz über das Kreditwesen (KWG) vom 10.07.1961, BGBl. I, S. 881 in der Fassung der Neubekanntmachung vom 22.01.1996, BGBl. I, S. 64, diese in Kraft seit 01.08.1998, BGBl. I, S. 2776. 65

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

Insgesamt war geldpolitisches Handeln mit der Zwei-Stufen-Lehre vergleichbar.71 Diese, von Ipsen entwickelte Theorie zielt darauf ab, bestimmt Verwaltungsrechtsverhältnisse jedenfalls teilweise dem öffentlichen Recht zu unterstellen. Dies geschieht dadurch, dass zwischen einem Grundverhältnis („ob“ des Handelns) und einem Abwicklungsverhältnis („wie“ des Handelns) unterschieden wird.72 Während die Entscheidung über das Grundverhältnis öffentlichrechtlicher Art sein soll, wird die Abwicklung der Rechtsverhältnisse dem Privatrecht überlassen.73 Mit dem Einsatz geldpolitischer Instrumente verknüpfte die Bundesbank abtrennbare Aktionsebenen: einerseits legte der Zentralbankrat einseitig geldpolitische Grundsätze, insbesondere Zinssätze fest; andererseits wickelte die Bundesbank auf Basis der Leitentscheidungen Geschäfte mit Kreditinstituten ab. Grundsätzlich kann sich jede juristische Person des öffentlichen Rechts privatrechtlicher Handlungsformen bedienen, soweit dies gesetzlich nicht untersagt ist (Wahlfreiheit der Verwaltung).74 Da der Vertragsschluss zugleich der Aufgabe hoheitlicher Währungssicherung diente, war die Bundesbank an die Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts75 gebunden. Auch wenn der Gesetzgeber hoheitliche Eingriffe in das Marktgeschehen nicht gänzlich unterbinden wollte,76 richtete er – mit Blick auf den Adressatenkreis – das Handeln der Bundesbank weitestgehend auf marktkonforme Teilnahme aus. Die Institutsbezeichnung Bundes„bank“ deutete ebenfalls auf den vorrangigen Einsatz marktkonformer Steuerungsmittel77 hin. Auch unterlag die Bundesbank keinem Kontrahierungszwang,78 da die Geschäftsbanken keinen Anspruch auf den Abschluss bestimmter (Kredit-)Geschäfte hatten. Somit kontrahierten Bundesbank und Kreditinstitute bei den einzelnen Geschäften (§§ 19 ff. BBankG) auf der Ebene des Privatrechts; zumeist in Form von Geschäftsbesorgungsverträgen (§ 675 BGB). Innerhalb der gesetzlichen Vorgaben wurde der Inhalt der Verträge durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) der Bundesbank als des öffentlich-rechtlichen „Verwenders“ konkretisiert.79

71

Gramlich, BBankG, Einleitung, Rn. 27; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1

(7). 72

Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 13. Auflage, § 3, Rn. 37 m.w. N. Erstmalig zur Zwei-Stufen-Lehre BVerwGE 1, 308 (310). 74 Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 13. Auflage, § 3, Rn. 34 ff. 75 Fröhlich, S. 56; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Bes. Teil 1, S. 460. 76 Hahn, Währungsrecht, § 18, Rn. 26, sprach beim Gebrauch administrativer Steuerungsmittel von „ultima ratio“. 77 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 131. 78 Gaddum, in: Hahn, Geldverfassung und Ordnungspolitik, S. 11 (17); Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 4. 79 Gramlich, BBankG, Einführung, Rn. 29; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Bes. Teil 1, S. 461. 73

3. Abschn.: Funktionen der Bundesbank

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Nachfolgend wird das geldpolitische Instrumentarium – abgeschichtet nach öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Ebene – betrachtet, wobei die währungspolitische Bedeutung der Instrumente jeweils als Grundlage dient. III. Kreditpolitik

1. Währungspolitische Bedeutung Zu den wichtigsten monetären Lenkungsinstrumenten der Kreditpolitik zählten Diskont- und Lombardpolitik. Während die Diskontpolitik die (Dauer-)Refinanzierung der Banken mittels Wechsel ermöglichte, diente die Lombardpolitik dem kurzfristigen Liquiditätsausgleich. Jedoch bedingten sich beide Geschäfte nicht gegenseitig. Mittels der Diskont- und Lombardpolitik sowie deren qualitativer und quantitativer Schranken steuerte die Bundesbank die Refinanzierung der Geschäftsbanken und nahm gleichzeitig Einfluss auf die Investitionsentscheidungen der Nichtbanken. Dies gelang allerdings nur, sofern der Bankensektor Notenbankkredite in Anspruch nahm. Standen den Banken genügend andere Liquiditätsquellen zur Verfügung, verzichteten diese auf teure Zentralbankverschuldung,80 was sich in geringen Geldmarktzinsen niederschlug. Um die Geschäftsbanken „in die Notenbank zu zwingen“ (Zangenwirkung)81, kombinierte die Bundesbank die Kreditpolitik in der Regel mit Instrumenten der Offenmarkt- und Mindestreservepolitik und verstärkte so den auf den Geldmarkt entstehenden Druck. Mit Hilfe der Diskontpolitik (§ 15, § 19 Abs. 1 Nr. 1, 2 BBankG82), die der längerfristigen Grobsteuerung83 der Geldmenge diente, beeinflusste die Bundesbank das Zinsniveau der gesamten Volkswirtschaft. Änderungen des Diskontsatzes gelten in Banken- und Wirtschaftskreisen als Signal84 für die Kursentwicklung der Geldpolitik. Allerdings war der Informationsgehalt derartiger Zinsentscheidungen aufgrund von Fehlinterpretationen durch verunsicherte Märkte äußerst unbestimmt. Als Grundlage der Diskontpolitik diente die Kreditnachfrage der Wirtschaft bei den Geschäftsbanken. Die Kreditinstitute stellten dem Nichtbankensektor kurzfristig Liquidität zur Verfügung, indem sie Wechsel vor Fälligkeit ankauften. Um sich selbst zu refinanzieren, nahmen die Kreditinstitute Rediskontkre80 Für die Geschäftsbanken waren Rediskontkredite nur attraktiv, wenn die Bundesbank die auf dem Geldmarkt herrschenden Zinssätze unterbot, sodass sich die Kreditinstitute günstiger als über den offenen Markt refinanzieren konnten. 81 Coburger, S. 128; Fröhlich, S. 115; Studt, S. 96. 82 § 19 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, geändert seit 01.11.1992, geändert seit 09.07.1994, gültig bis 29.04.2002. 83 Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 3; Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 18. 84 Coburger, S. 129; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 380.

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dite der Bundesbank in Anspruch, indem sie wiederum Wechsel vor Fälligkeit unter Abzug des von der Bundesbank festgelegten Diskontzinssatzes85 (§ 19 Abs. 2 BBankG) verkauften. Die Diskontpolitik umfasste daher die Bedingungen, zu denen die Bundesbank die ihr vom Bankensystem angebotenen Wechsel ankaufte. Neben der Steuerung des Diskontsatzes konnte die Bundesbank das Diskontvolumen quantitativ und qualitativ lenken.86 Durch Variierung des Ankauf-Zinssatzes für Wechsel beeinflusste die Bundesbank die Quantität der Geldmenge.87 Denn die Geschäftsbanken benötigten zur Wechseleinreichung ein noch nicht ausgeschöpftes Rediskontkontingent bei der Bundesbank. Da die Bundesbank den Geschäftsbanken bestimmte Rediskontkontingente zuteilte, bewirkte deren Reduzierung eine Liquiditätsverringerung, während die Expansion der Kontingente eine Vergrößerung des Geldvolumens hervorrief. Darüber hinaus steuerte die Bundesbank in qualitativer Weise die Diskontpolitik, indem sie die Mindestbedingungen für die anzukaufenden Wechsel (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 BBankG) ausgestaltete.88 Auch kaufte die Bundesbank nur zeitlich auf drei Monate begrenzte Wechsel an (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 BBankG), deren Selbstliquidation89 für die kontrollierte „Schaffung und Vernichtung“ von Zentralbankgeld sorgte. Die Lombardpolitik (§§ 15, 19 Abs. 1 Nr. 3 BBankG), ebenfalls ein Refinanzierungsinstrument, ergänzte die Diskontpolitik. Allerdings waren beide Geschäftsarten nicht untrennbar verknüpft, sondern konnten auch separat betrieben werden, was die mehrfache Aussetzung90 der Lombardierung belegte. Die Bundesbank betrachtete die Lombardpolitik gegenüber der Diskontpolitik als nachrangig. Lombardkredite sollten nicht als Dauerrefinanzierung dienen; vielmehr wurden sie nur nach Maßgabe der allgemeinen kreditpolitischen Lage und nach den individuellen Verhältnissen des Interessenten zur kurzfristigen Überbrückung von Liquiditätsengpässen gewährt.91 Der Lombardsatz bezifferte das Zinsentgelt, das die Bundesbank bei Refinanzierung der Kreditinstitute gegen 85 Die Bezeichnung Diskontsatz war ungenau; korrekt hätte es Rediskontsatz heißen müssen, da die Bundesbank in der Regel nur Wechsel von Geschäftsbanken ankaufte; Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 4; Issing, Geldpolitik, S. 82. 86 Während die qualitativen Schranken der Refinanzierung die Anforderungen an das refinanzierungsfähige Material umschrieben, bezogen sich die quantitativen Grenzen auf die Menge an Zentralbankkrediten; Issing, Geldpolitik, S. 75. 87 Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 20; Studt, S. 97. 88 Ausgeschlossen wurden beispielsweise Wechsel, denen Teilzahlungsgeschäfte oder Zwischenfinanzierungen zugrunde lagen, sowie bestimmte Bankakzepte; Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 10; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 381. 89 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 18; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (7). 90 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 8. 91 Gramlich, BBankG, § 19, Rn. 17; Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 27; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (7).

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Verpfändung von Wertpapieren und Schuldbuchforderungen (§ 19 Abs. 1 Nr. 3 BBankG) zahlte. Da der Lombardsatz regelmäßig deutlich über dem Diskontsatz lag, griffen die Geschäftsbanken auf derartige Kredite nur zurück, wenn sie ihren Zentralbankgeldbedarf nicht anderweitig decken konnten.92 Das bewies den Ausnahmecharakter des Lombardkredits.93 2. Rechtliche Einordnung a) Festlegung des Diskont- und Lombardsatzes Versucht man die kreditpolitischen Akte rechtlich einzuordnen, ist die Festlegung der kreditpolitischen Grundsätze, speziell der Diskont- und Lombardsätze, vom einzelnen Kreditgeschäft zu trennen. Es war Aufgabe des Zentralbankrates (§§ 15, 6 Abs. 1 BBankG), die Zinsund Diskontsätze festzulegen sowie die Grundsätze der Kreditpolitik zu bestimmen. Entsprechend dem Wortlaut des § 15 BBankG handelte es sich um Akte der Bundesbank, die einseitig erfolgten und im öffentlichen Interesse94 der Währungssicherung lagen. Daraus resultierte der hoheitliche Charakter dieser Maßnahmen.95 Indes war strittig, um welche öffentlich-rechtliche Regelungsart es sich bei der Diskontsatzfestlegung handelte. In Betracht kamen die Einordnung als Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung96, als Satzung, als Rechtsverordnung sowie als Rechtsnorm sui generis97; letzteres wäre nur zulässig, wenn die Diskontsatzfestlegung keiner der existenten Kategorien entspräche. Abzulehnen war zunächst die Qualifizierung als öffentlich-rechtliche Geschäftsbedingungen98, da bereits die Existenz einer solchen Rechtsfigur fraglich ist. Diejenigen99, die in der Diskontsatzfestlegung eine Satzung erblickten, leiteten die obligate autonome Satzungsbefugnis aus § 15 BBankG ab. Während das BVerwG100 die Frage nach der Rechtssatzqualität der Diskontsatzfestsetzung 92

Degner, S. 28. Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 27; Studt, S. 97, Fn. 26; Walter, S. 151. 94 Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 2. 95 Coburger, S. 134, m.w. N. in Fn. 43; Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 9; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (7) sprach von „zumindest auch hoheitlichen Maßnahmen“; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 26 ff.; Studt, S. 99. 96 So Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (7 ff.); Studt, S. 99. 97 So Siebelt/Eckert, ZBB 1991, S. 153 (168). 98 Eun, S. 235 f. 99 Starke, DÖV 1957, S. 616 (610 f.); Stern, JuS 1963, S. 68 (70); falls eine Satzung vorläge, wollte auch Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (9) die Satzungsbefugnis aus § 15 BBankG ableiten. 100 BVerwGE 41, S. 334 (351). 93

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ausdrücklich offen ließ, ging das BVerfG101 in einem obiter dictum davon aus, dass es sich bei der Diskontsatzfestlegung nicht um Rechtssetzung handelte. Dies wurde seitens der Literatur kritisiert.102 Wollte man die Diskontsatzfestsetzung als Verwaltungsakt klassifizieren, wäre dies nur in Form einer Allgemeinverfügung103 (§ 35 Satz 2 VwVfG) denkbar gewesen, die jedoch einen bestimmten oder zumindest gattungsmäßig bestimmbaren104 Adressatenkreis sowie den Bezug zu einer konkreten Situation forderte. Die Adressaten der Diskontsatzfestsetzung waren nicht bestimmt, da alle Kreditinstitute in Betracht kamen, die eine Banklizenz besaßen (§ 32 KWG). Auch die zweifellos mögliche Bestimmbarkeit mittels EDV änderte nichts an dem objektiv zahlenmäßig offenen Adressatenkreis, bei dem zudem die ständige Möglichkeit des Hinzutretens neugegründeter Geschäftsbanken bestand.105 Im Übrigen erforderte eine Allgemeinverfügung einen konkreten Einzelfall. Hingegen erlangten die Diskontsätze aufgrund ihrer Festsetzung für alle gegenwärtig und künftig ihnen unterfallenden106 Kreditgeschäfte (§ 19 Abs. 1 Nr. 1–2 BBankG) mit jedwedem tauglichen Partner Rechtswirkung. Die Diskontsatzfestsetzung bezog sich daher nicht auf die konkrete, individualisierbare Geschäftsverbindung der Bundesbank zu einem Kreditinstitut, sondern hatte ihren Ursprung in einer abstrakten Währungssituation.107 Im Übrigen fehlte es an der für Einzelakte typischen Bekanntgabe gegenüber dem jeweiligen Adressaten (§ 41 VwVfG) sowie der obligaten Rechtsbehelfsbelehrung (§§ 58, 59 VwGO). Vielmehr stellte sich die Diskontsatzfestlegung als abstrakt-generelle Regelung für eine Vielzahl von Fällen dar, deren zahlenmäßige Offenheit bezüglich des Adressatenkreises die Qualifikation als Rechtsverordnung begründete.108 Dabei stellte sich die Frage nach der materiellen Gesetzgebungszuständigkeit, die sich indirekt aus Art. 88 GG herleiten ließ. Aufgrund der Tradition als klas101 BVerfGE 41, S. 307 (315) „unselbständige Elemente in umfassenderen Vertragsbeziehungen“. 102 Eun, S. 215 f.; Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 15; Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 3 f. 103 Coburger, S. 141 ff., wollte die Diskontsatzfestlegung als „Sonderverfügung“ einordnen, die letztlich aber nur eine „spezielle Form der Allgemeinverfügung“ darstellen sollte, weshalb diese Klassifizierung nicht überzeugen konnte. 104 Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 13. Auflage, § 20, Rn. 36. 105 Dagegen Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 381, welcher von einem individualisierbaren Adressatenkreis in Form der zugelassenen Kreditinstitute ausgeht. 106 Fröhlich, S. 101; Gramlich, Bundesbankinstrumente und -eingriffe, S. 11 (19); Siebelt/Eckert, ZBB 1991, S. 153 (155). 107 Gramlich, ebenda; dagegen Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 381, der die Einzelfallbezogenheit der Diskontsatzfestlegung aus einer konkreten Währungssituation herleiten wollte. 108 Ebenso Blanke, in: M/K/S, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 46 („Rechtssätze sui generis mit deutlicher Nähe zu Rechtsverordnungen“); Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 15 f.; Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 9; Samm, S. 207.

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sisches Notenbankinstrument109 der BdL konnte der Bundesgesetzgeber die Bundesbank bei ihrer Gründung mit diesem Instrument ausstatten.110 Die Diskontpolitik zählt daher zu den von Art. 88 GG verfassungsrechtlich akzeptierten Machtbefugnissen. Im Lichte der Entstehungsgeschichte sind Inhalt, Zweck und Ausmaß der „Ermächtigung“ des § 15 BBankG hinreichend bestimmbar (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Ebenfalls für eine Rechtsverordnung sprach die Veröffentlichungspflicht der Höhe der Zins- und Diskontsätze im Bundesanzeiger111 (§ 33 BBankG)112, da Rechtsnormen aufgrund der vollständigen Information aller potentiell Betroffenen zu verkünden sind. Im Gegensatz dazu war in der individuell-konkreten Festlegung des Rediskontkontingents für die jeweilige Geschäftsbank ein Verwaltungsakt113 (§ 35 Satz 1 VwVfG) zu erblicken. Daraus folgte e contrario, dass die Diskontsatzfestsetzung gerade nicht als Einzelfallregelung erging, sondern eine generellabstrakte Rechtsverordnung zur Regelung einer Vielzahl von Fällen darstellte. Wenngleich § 15 BBankG aufgrund des Wortlauts für die Festlegung des Lombardsatzes keine Geltung entfaltete, konnte angesichts der Komplementarität114 beider Zinssätze für den Lombardsatz nichts anderes gelten. Seine Festsetzung war ebenfalls als Rechtsverordnung115 zu qualifizieren. b) Vollzugsgeschäfte Aus der Anwendung der Zwei-Stufen-Theorie für die kreditpolitischen Geschäfte der Bundesbank folgte, dass die Abwicklung116 („wie“) in privatrechtlichen Formen gestaltete wurde. Zugute kam der Bundesbank, dass sie als „Bank unter Banken“117 eine gleichrangige Stellung genoß und ihre Geschäfte prinzipiell marktkonform ausgerichtet waren. Grundlage der einzelnen Diskont-

109 Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (28); Coburger, S. 127; Samm, S. 196; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 380; Walter, S. 149. Speziell zum Einsatz durch die BdL siehe bereits oben, 1. Abschnitt, B. 110 Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 16. 111 Fröhlich, S. 107; Gramlich, BBankG, § 33, Rn. 2; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (167). 112 § 33 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 29.04.2002. 113 Coburger, S. 138; Fröhlich, S. 122; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 275; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 381; Siebelt/ Eckert, ZBB 1991, S. 153 (155); Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (168); Studt, S. 100. 114 Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 25. 115 So auch Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 9. 116 Zu den Anforderungen im Einzelnen Gramlich, BBankG, § 19, Rn. 6 ff. 117 Gramlich, BBankG, § 19, Rn. 2; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 29; Siebelt, S. 218 f.

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und Lombardkredite (§ 19 Abs. 1 Nr. 1–3 BBankG) waren stets zivilrechtliche Darlehensverträge, kombiniert mit Pfandleihverträgen.118 IV. Offenmarktpolitik

1. Währungspolitische Bedeutung Die in den Anfangsjahren der Bundesbank untergeordnete Bedeutung der Offenmarktgeschäfte wandelte sich grundlegend ab Mitte der achtziger Jahre.119 Die zunehmende Verflechtung globaler Finanzmärkte verstärkte den außenwirtschaftlichen Druck auf den deutschen Geld- und Kapitalmarkt. Dieser Tendenz begegnete die Bundesbank, indem sie die schnell und flexibel wirkende Offenmarktpolitik intensivierte und zum wichtigsten Feinsteuerungsinstrument120 werden ließ. Mit dem Ziel der marktkonformen Geldmengensteuerung121 verfolgte die Bundesbank den An- und Verkauf der in § 21 BBankG122 genannten Wertpapiere am offenen Markt (§ 15 BBankG). Während der Verkauf von Wertpapieren der Verringerung von Geldmenge und Bankenliquidität diente, also restriktiv wirkte, konnte die Bundesbank durch den Ankauf von Wertpapieren Geldmenge und Liquidität erhöhen und somit expansive Geldpolitik betreiben. Die Bundesbank war im Rahmen der Offenmarktgeschäfte nicht auf einen bestimmten Personenkreis festgelegt. Es stand ihr frei, neben in- und ausländischen Kreditinstituten mit Nichtbanken zu kontrahieren, weshalb Offenmarktgeschäfte auch als „unechte Jedermanngeschäfte“123 bezeichnet wurden. Dieser, im Vergleich zu anderen geldpolitischen Instrumenten, ausgedehnte Adressatenkreis ermöglichte eine direkte und somit schnellere und sicherere Kontrolle der Geldmenge des Nichtbankensektors.124 Nicht verkannt werden soll, dass den Offenmarktgeschäften angesichts ihres finanziellen Umfangs nur eine Signalwirkung zukam, die der Markt in der von der Bundesbank beabsichtigten Art und Weise deuten sollte.

118 119

Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 20. Gramlich, Die Verwaltung, Band 27 (1994), S. 361 (377); Heun, JZ 1998, S. 866

(871). 120 Coburger, S. 154; Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 5, 29; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (10); Siebelt, S. 203. 121 Gramlich, BBankG, § 21, Rn. 7; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 34; Siebelt, ebenda. 122 § 21 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, geändert seit 01.11.1992 und geändert seit 09.07.1994, gültig bis 29.04.2002. 123 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 42; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 377. 124 Issing, Geldpolitik, S. 92 f.

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§ 21 BBankG statuierte gewisse Grenzen für Offenmarktgeschäfte; sie sollten nur „zur Regelung des Geldmarktes am offenen Markt“ getätigt werden. Die Bundesbank war demnach auf Geschäfte zu Marktsätzen beschränkt, das heißt zu Kursen, die marktkonform waren. „Geräuschlose“125 Offenmarktoperationen mit dem Ziel der Liquiditätssteuerung oder der Kurspflege für öffentliche Anleihen am Kapitalmarkt waren ausgeschlossen. § 21 BBankG untersagte der Bundesbank auch die Direktübernahme von Schuldtiteln aus der Hand der Emittenten,126 wodurch die verdeckte Staatsfinanzierung über den Ankauf von Schuldverschreibungen der öffentlichen Hand vermieden wurde. Deshalb zählte die Emission staatlicher Wertpapiere zur Tätigkeit der Bundesbank als Fiskalagent127 des Bundes, nicht hingegen zu den Offenmarktgeschäften, da der Emissionserlös wegen der unmittelbaren Weiterleitung an den Staat dem Geldkreislauf nicht entzogen wurde.128 2. Rechtliche Einordnung a) Grundsätze der Offenmarktpolitik Grundlage der rechtlichen Bewertung der Offenmarktgeschäfte ist die Trennung zwischen den Grundsätzen der Offenmarktpolitik (§ 15 BBankG) und dem einzelnen Offenmarktgeschäft (§ 21 BBankG). Die Festlegung der Grundsätze des Offenmarktgeschäfts oblag ausschließlich dem Zentralbankrat (§§ 15, 6 Abs. 1 Satz 1 BBankG). Dieser traf die Leitentscheidungen, mit welchen Geschäftspartnern am offenen Markt zu welchen Bedingungen, speziell zu welchen (Markt-)Zinssätzen kontrahiert werden sollte. Es ist daher zu klären, welche Rechtsnatur derartige Grundsätze des Zentralbankrates entfalteten. Dem offenmarktpolitischen Handeln des Zentralbankrates kam wegen des verfolgten hoheitlichen Ziels der Währungssicherung öffentlich-rechtlicher Charakter129 zu. Weiterhin traf der Zentralbankrat mit den Grundsätzen einseitige Regelungen, die sowohl für das Direktorium als auch für die Geschäftspartner Allgemeinverbindlichkeit130 besaßen. Die Grundsätze betrafen direkt die Rechtspositionen der Geschäftspartner, da sie unmittelbar deren Bestand an Zentralbankguthaben berührten.131 Beispielhaft für derartige Grundsätze waren 125

Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (12). Gramlich, BBankG, § 21, Rn. 14; Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 43; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (10). 127 Siehe dazu unten, E. IV. 4. 128 Issing, Geldpolitik, S. 88. 129 Fröhlich, S. 69 f. 130 Fröhlich, S. 124; Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 31. 131 Fröhlich, S. 125. 126

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

der einem Leitzins vergleichbare Pensionssatz sowie die „amtliche Fixierung“ der Marktsätze132 im Rahmen der Devisenswap- und Devisenpensionsgeschäfte. Diese Grundsätze sind somit nicht als Richtlinien133, sondern als Rechtsverordnungen134 zu qualifizieren. b) Ausführungshandlungen Davon abzugrenzen sind die eigentlichen Offenmarktgeschäfte, die das Direktorium (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BBankG) in Vollzug der genannten Zentralbankratsbeschlüsse abwickelte. Aus rechtlicher Sicht handelte es sich um Kaufverträge für eigene Rechnung der Bundesbank, die diese mit den ihr gleichgeordneten Geschäftspartnern (Kreditinstitute) über die in § 21 Nr. 1–4 BBankG genannten Wertpapiere tätigte. Der durch hoheitliche Währungssicherung geprägte Prozess der Geldmengensteuerung vollzog sich somit nach außen in Form der Zahlung der Kaufpreisverbindlichkeit. Ausschlaggebend war daher die Frage nach der Zuordnung der Kaufverträge zum öffentlichen oder privaten Recht. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag liegt vor, wenn der Konsens in Vollzug einer öffentlich-rechtlichen Norm geschlossen wird.135 Fehlt eine derartige gesetzliche Grundlage oder lässt sie sich nicht eindeutig bestimmen, ist nach Vertragsgegenstand und -zweck abzugrenzen.136 Für die Einordnung als öffentlich-rechtlicher Vertrag sprach neben der Verankerung im öffentlich-rechtlichen BBankG (§§ 15, 21) das hoheitliche Ziel der Währungssicherung, dem die geldpolitischen Aufgaben der Bundesbank dienten. Angesichts der Freiheit der Formenwahl137 stehen der Exekutive indes auch bei Verfolgung öffentlicher Ziele privatrechtliche Mittel zur Verfügung, sofern diese im Einzelfall sachdienlicher erscheinen. Aus der hoheitlichen Zielsetzung konnte die Qualifikation als öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht abgeleitet werden. Im Übrigen waren Offenmarktgeschäfte nicht als hoheitliche Instrumente mit Zwangswirkung, sondern als marktkonforme Steuerungsmittel138 ausgestaltet. Die Bundesbank versuchte, gerade durch nichthoheitliches Auftreten die Geldmenge zu beeinflussen. Offenmarktgeschäfte statuierten dennoch keine öffentlich-rechtlichen Pflichten der Kreditinstitute; die Bundesbank trat daher am Markt nicht in der Funktion eines Hoheitsträgers auf. Vielmehr orientierte 132

Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 12. So hingegen Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 379. 134 So auch Fröhlich, S. 124 f.; Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 16. 135 BVerwGE 42, S. 331 (332); Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 12. Auflage, § 24, Rn. 2. 136 BVerwGE 74, S. 368 (370); 22, S. 138 ff.; 25, S. 299 (301). 137 Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 13. Auflage, § 3, Rn. 34 ff. 138 Siehe dazu oben, II. 133

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sie sich an „Marktsätzen“ (§ 21 BBankG), weshalb der Kaufvertrag ebenso hätte zwischen Privaten (Geschäftsbanken) geschlossen werden können. Offenmarktgeschäfte wurden somit als privatrechtliche Kaufverträge139 (§§ 433 ff. BGB) abgewickelt. Da die Bundesbank als Träger öffentlicher Gewalt (§ 2 Satz 1 BBankG) in Verfolgung unmittelbar öffentlicher Zwecke (Währungssicherung) mit ihr gleichgeordneten Marktteilnehmern zivilrechtliche Bindungen einging, war sie an die Grundsätze des Verwaltungsprivatrechts gebunden. Insbesondere hatte sie Verhältnismäßigkeitsprinzip und Gleichbehandlungsgrundsatz140 zu beachten. 3. Gegenstände von Offenmarktgeschäften a) Pensionsgeschäfte Seit 1979 tätigte die Bundesbank zunehmend Pensionsgeschäfte141, die ihr zur Feinsteuerung142 dienten. Regelmäßig wickelte sie Wertpapierpensionsgeschäfte ab, die zugleich die wichtigsten Offenmarktgeschäfte wurden; seltener fanden Wechselpensions- sowie Devisenpensionsgeschäfte statt. Der Zweck von Pensionsgeschäften lag in ihrer kurzfristigen Reversibilität, da die Wertpapieran- und -verkäufe nicht „bis auf weiteres“, sondern nur auf bestimmte Zeit erfolgten. Da die Käufe mit einer Rückkaufsvereinbarung zu einem im voraus festgesetzten Termin gekoppelt waren, konnte die Bundesbank den Kreditinstituten für die Laufzeit des Geschäfts Liquidität zuführen oder entziehen. Als bevorzugtem Instrument der Geldmengensteuerung kam dem Pensionssatz143 Leitzinsfunktion zu. b) Geschäfte mit Geldmarktpapieren Seit 1975 tätigte die Bundesbank nur noch Offenmarktgeschäfte mit öffentlichen Anleihen sowie mit Geldmarktpapieren, die nicht Teil der Geldmarktsteuerung waren; sie verhinderte so einen „quasi-automatischen“ Zugang144 zu Zentralbankgeld. Daher handelte die Bundesbank vorrangig Geldmarktpapiere in 139 Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 1; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 34; Samm, S. 200; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (169); Studt, S. 106. 140 Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, 13. Auflage, § 3, Rn. 81. 141 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 46; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 378. 142 Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (15). 143 Damit ist der Zinssatz beschrieben, zu dem der Verkäufer den empfangenen Kaufpreis dem Käufer verzinsen musste; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (15). 144 Gramlich, BBankG, § 21, Rn. 6, 10.

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Form von längerfristigen Schatzanweisungen und kurzfristigen145 Schatzwechseln von Bund und Ländern (§ 21 Nr. 1, 2 BBankG). Der Handel mit kurzfristigen, geldmarktorientierten Titeln wirkte auf das Zinsniveau, während längerfristige Titel vor allem die Liquidität beeinflussten. Als Geldmarktpapiere wurden Wertpapiere bezeichnet, deren verbriefte Zahlungsansprüche nicht auf einem festen Zinssatz basierten. Stattdessen musste der Kaufpreis zu dem bei Geschäftsabschluss aktuellen Geldmarktzins verzinst werden. Gegen diese marktgerechte Verzinsung (Disagio)146 konnten die Kreditinstitute Überschüsse und Fehlbeträge ihrer Zentralbankguthaben ausgleichen und andererseits Zinsverluste aus dem Giro-Geschäft (§ 19 Abs. 1 Nr. 4 BBankG) kompensieren.147 Da der Handel mit Geldmarktpapieren fast ausschließlich zwischen der Bundesbank und den Geschäftsbanken stattfand,148 kam der Bundesbank hinsichtlich des Geldmarktzinses die „Zinsführerschaft“149 zu. c) Devisenmarktgeschäfte Angesichts der an globalen Märkten ausgerichteten deutschen Volkswirtschaft betrieb die Bundesbank Liquiditätspolitik nicht nur über die Beeinflussung des DM-Geldmarktes, sondern auch über den Devisenmarkt. Die Devisenmarktpolitik diente als Element der „Feinst“steuerung150, um von ausländischen Devisenmärkten ausgehende Störungen korrigieren zu können (Pufferfunktion)151. Vorrangig tätigte die Bundesbank am Devisenmarkt Pensions- und Swapgeschäfte152 sowie Outright-Operationen153. Die Zuständigkeit der Bundesbank für derartige Geschäfte folgte nicht ausdrücklich aus § 15 BBankG. Allerdings zählten die Devisengeschäfte zum Umkreis des geldpolitischen Instrumentariums, weshalb die ergänzende Auslegung 145

Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (11). Das Disagio bezeichnete das Entgelt dafür, dass die in den Geldmarktpapieren verbriefte Geldforderung schon vor Fälligkeit in sofort verfügbares Geld umgewandelt werden konnte; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (11). 147 Gramlich, BBankG, § 21, Rn. 11; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (10). 148 Gramlich, BBankG, § 21, Rn. 15; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (11). 149 Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (11, Fn. 78); Siebelt, S. 204 f. 150 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 40. 151 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 58; Walter, S. 156. 152 Kennzeichnend für Devisenswapgeschäfte, die ausschließlich in US-Dollar getätigt wurden, war die Kombination eines Devisenkassa- mit einem Devisentermingeschäft (§§ 456 ff. BGB), sodass die Bundesbank Devisen per Kasse kaufte und gleichzeitig per Termin verkaufte und umgekehrt; Fröhlich, S. 127; Studt, S. 108 f. 153 Im Unterschied zu Devisenswapgeschäften waren Outright-Operationen nicht mit einem Kassageschäft gekoppelt, weshalb es sich um echte Termingeschäfte handelte; Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 56; Studt, S. 110. 146

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des § 19 Abs. 1 Nr. 8, 9 BBankG als Grundlage154 der Devisenmarktpolitik galt. Sofern die Bundesbank einseitig allgemeine Grundsätze der Devisenmarktpolitik aufstellte, diente ihr die Generalklausel des § 15 BBankG als Ermächtigungsnorm, da Devisenmarktgeschäfte wie „Offenmarktgeschäfte auf Zeit“155 wirkten.156 Bei der Aufstellung allgemeiner Grundsätze der Devisenmarktpolitik handelte es sich daher um Rechtsverordnungen. Eine solche Rechtsverordnung157 stellte etwa die marktunabhängige Festlegung des Swapsatzes dar, die – wie die Diskontsatzfestlegung – eine unbestimmte Zahl künftiger Swapgeschäfte mit unvorhersehbarer Laufzeit und Abschlusshöhe betraf und somit als Zinsäquivalent158 fungierte. Für den Vollzug der Devisenpensions- und -swapgeschäfte galten – wie bei Offenmarktgeschäften – zivilrechtliche Grundsätze. Vollständig dem Zivilrecht zuzuordnen war hingegen das Tätigwerden der Bundesbank am Devisenterminmarkt.159 Im Falle von Outright-Operationen trat die Bundesbank gegenüber Geschäftsbanken sowie anderen Marktteilnehmern als gleichgeordneter Partner auf, ohne vorher einseitige Festsetzungen getroffen zu haben. In Zeiten flexibler Wechselkurse versuchte die Bundesbank mittels Outright-Operationen160, die Aufwertung der D-Mark sowie spekulative Devisenbewegungen abzuschwächen. V. Mindestreservepolitik

1. Währungspolitische Bedeutung Früher als schärfste Waffe der Notenbanken und ultima ratio im Kampf gegen Inflation bezeichnet,161 entwickelte sich die Mindestreservepolitik (§ 16 BBankG)162 zu einem währungspolitischen Instrument, das nach modernem Verständnis der längerfristigen Grobsteuerung163 der Geldmenge diente. Hin154 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 59; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (16); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 383; Studt, S. 107; Walter, S. 156. 155 Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 5. 156 Fröhlich, S. 126 f.; Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 5. 157 Fröhlich, S. 101, 127 f. 158 Degner, S. 42; Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 56; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 383; Studt, S. 108 f. 159 Fröhlich, S. 129. 160 Issing, Geldpolitik, S. 98 f.; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 383. 161 BVerwGE 41, S. 334 (353); Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 4 („zentralbankrechtliches Zwangsmittel par excellence“); Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (70), bezeichnete die Mindestreservepolitik als „schweren Säbel“. 162 § 16 BBankG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des BBankG vom 22.07.1969, BGBl. I, S. 877, gültig bis 31.12.1998. 163 BVerwGE 41, S. 334 (343 f.); Coburger, S. 72; Walter, S. 144; den „Nachteil der Unelastizität“ betonte auch der Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (28 f.).

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sichtlich der kurzfristigen Steuerung der Bankenliquidität lösten die Offenmarktgeschäfte die Mindestreserve als Liquiditätssockel der Geschäftsbanken ab.164 Die Mindestreserve verpflichtete die Geschäftsbanken zur Hinterlegung einer angemessenen Liquiditätsreserve als unverzinsliches Guthaben auf Girokonten der Bundesbank. § 16 Abs. 1 BBankG traf drei Grundentscheidungen:165 die prinzipielle Reservepflicht der Kreditinstitute, die Anknüpfung der Mindestreserve an das Passiv-, nicht an das Aktivgeschäft166 und die einmalige Heranziehung der Einlagen als Berechnungsgrundlage des Reservesolls. Diese Grundentscheidungen konkretisierte die Bundesbank in Form der Anweisung über die Mindestreservehaltung167 (AMR), indem sie Regelungen über Reservepflicht und Reservehaltung aufstellte (§ 16 Abs. 2 Satz 2 BBankG). So variierte der Prozentsatz der Verzinsung168 je nach Art der Verbindlichkeit und Institutsgruppe (§ 16 Abs. 1 Satz 3 BBankG), womit an den unterschiedlichen Liquiditätsgrad der Bankeinlagen angeknüpft wurde.169 Während die Erhöhung des Reservesolls liquiditätsverringernd wirkte, wurden durch die Reservesollsenkung Zentralbankguthaben bei den Geschäftsbanken freigesetzt.170 Somit war infolge einer modifizierten Mindestreservepolitik das Kreditgewährungsverhalten des Bankensektors beeinflussbar. 2. Rechtliche Einordnung a) Anweisung über Mindestreserven und Festsetzung der Reservesätze Die Pflicht der Kreditinstitute zur Mindestreservehaltung ließ sich unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten betrachten. Als Ansatzpunkte dienten einerseits die Allgemeine Mindestreserveanweisung (AMR) sowie die Festsetzung der konkreten Reservesätze, andererseits der Vollzug der Reservepflicht seitens der Kreditinstitute (§ 19 Abs. 1 Nr. 4 BBankG).

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Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 4; Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 40. BVerwGE 41, S. 334 (340); Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 14; ders., Die Verwaltung, Band 27 (1994), S. 361 (375). 166 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 31; Issing, Geldpolitik, S. 112 ff. 167 Anweisungen der Deutschen Bundesbank über Mindestreserven vom 20.01. 1983, BAnz. Nr. 21, S. 920, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 14.07.1995, BAnz. Nr. 137. S. 521. 168 Zur Berechnung von Mindestreserve-Soll und Ist-Reserve ausführlich Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 47 ff. 169 BVerwGE 41, S. 334 (343); Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 14; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 374. 170 Coburger, S. 72; Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 3; Issing, Geldpolitik, S. 108 f. 165

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Die Festlegung der AMR diente als Basis der konkreten Reservesätze. Dabei ist nicht zu verkennen, dass die AMR sowie die Reservesatzfestlegung als Teil einer einheitlichen Regelung ihre Wirkung erst im Verbund entfalteten.171 Mit Hilfe der Anweisung über die Mindestreserven (§ 16 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BBankG) konkretisierte die Bundesbank die Modalitäten der Reservehaltung für den Bankensektor. Da die Kreditinstitute eine Pflicht zur Reservehaltung traf, handelte es sich um hoheitliche Festsetzung.172 Umstritten war, inwieweit sich die AMR in Regelungskategorien des öffentlichen Rechts einordnen ließ. Eine Rechtsnorm sui generis173 wäre nur zu diskutieren, sofern sich die AMR in keine vorhandene Normkategorie einfügten. Allerdings dienen sui-generis-Normen nicht der Sicherung rechtsstaatlicher Grundsätze; vielmehr besteht durch sie die Gefahr der stückweisen Aufweichung existenter Regelungsbereiche. Vertreten wurde daher die Qualifikation der AMR als Satzung174, als Allgemeinverfügung175, als öffentlich-rechtliche Geschäftsbedingungen176 sowie als Rechtsverordnung177. Gegen die Satzungsqualität der AMR sprachen der fehlende korporative Aufbau178 der Bundesbank sowie die fehlende Regelung eigener Angelegenheiten179. Ebenfalls abzulehnen waren öffentlich-rechtliche Geschäftsbedingungen.180 Auch die Einordnung als Verwaltungsakt in Form der Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG) überzeugte nicht.181 Die AMR intendierte keine 171

Coburger, WM 1989, S. 1005 (1006). BVerwGE 41, S. 334 (336) sprach von Über-/Unterordnungsverhältnis; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (18); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 376; Siebelt/Eckert, ZBB 1991, S. 153 (155). 173 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 39 schloss den Charakter der Rechtsnorm sui generis allein aus Art. 88 Satz 1 GG. Ein Rückgriff auf Art. 80 Abs. 1 GG sei entbehrlich, da die inhaltlichen Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung direkt aus dem Währungssicherungsauftrag und den damit verknüpften Instrumenten folgten. 174 Starke, DÖV 1957, S. 616 (610 f.); Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (169). 175 So aber Starke, ebenda; Studt, S. 103 f.; ausführlich Coburger, S. 105 ff., der in der Mindestreserve eine „Sonderverfügung“ sah, die einer Allgemeinverfügung nahe stehe. 176 Eun, S. 227 ff. 177 Blanke, in: M/K/S, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 47; Döll, DVBl. 1956, S. 665 (669); Fröhlich, S. 133; Gramlich, Die Verwaltung, Band 27 (1994), S. 361 (374); wohl auch Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (18 f.); Samm, S. 206 f. 178 Coburger, WM 1989, S. 1005 (1006); Gramlich, ZBB 1989, S. 201 (204); Siebelt/Eckert, ZBB 1991, S. 153 (156). 179 BVerwGE 41, S. 334 (351); Coburger, S. 90 f.; Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 74; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 281; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (19); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 377. 180 Siehe dazu oben, III. 2. a). 181 So auch BVerwGE 41, S. 334 (337); 102, S. 238 (248). 172

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

konkret-individuellen, sondern abstrakt-generelle Regelungen für eine Vielzahl von Fällen182, die einen nur bestimmbaren Kreis reservepflichtiger Institute betrafen. Sie wurden gewöhnlich für einen längeren Zeitraum als Diskont- und Lombardsätze festgelegt.183 Übereinstimmend184 mit dem BVerwG185 wurde die AMR zumeist als Akt der Rechtssetzung angesehen. Für die weitere Zuordnung interessant war der Hinweis des BVerwG186 darauf, dass der Kreis der Ermächtigungsdelegatare des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG durch Art. 88 GG erweitert wäre. Somit lag die Qualifikation der AMR als Rechtsverordnung nahe. Darüber hinaus betonte das BVerwG, dass die Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG an Rechtsverordnungen von § 16 Abs. 1 Satz 1 BBankG gedeckt seien.187 Ganz unproblematisch war diese Einordnung allerdings nicht. Die Bundesbank gehörte nicht zum Kreis der in Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG genannten Verordnungsgeber. Art. 88 GG stand systematisch nicht im VII. Abschnitt des GG, der die Rechtssetzung regelte, sondern entstammte dem Bereich der Bundesverwaltung.188 Auch die historische Auslegung des Art. 88 GG war ungeeignet, da ein vorverfassungsmäßiges Gesamtbild jedenfalls für die Mindestreserve nicht bestand; sie wurde erst von den Alliierten während der Besatzungszeit „nach Deutschland exportiert“189. Die Verordnungsbefugnis der Bundesbank folgte aus dem Telos des Art. 88 GG. Verneinte man dies, existierte eine mit Instrumenten ausgestattete Notenbank, die im Falle ihres Handelns aufgrund einfachgesetzlicher Normen (§§ 14 ff. BBankG) gegen die eigene Verfassungsnorm verstieße. Die Grundlage der Rechtssetzungsbefugnisse bildete demnach die verfassungsrechtliche Institutsgarantie als „Währungsbank“190. Die Kontinuität, mit der die Bundesbank seit ihrer Gründung die ihr obliegenden monetären Grundinstrumente 182 Eun, S. 214 f.; Fröhlich, S. 97 ff.; Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 71 f., welcher die überzeugende Trennung zwischen der „Anweisung über die Mindestreserven“ und der Einzelfallentscheidung nach § 16 Abs. 3 Satz 2 BBankG, die einen VA im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG darstellte, vornahm. 183 Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (19). 184 Gramlich, Die Verwaltung, Band 27 (1994), S. 361 (373 f.); Hahn, Währungsrecht, § 20, Rn. 10; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (18 f.) – „Rechtsnorm“; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 39. 185 BVerwGE 41, S. 334 (350 ff.), wobei eine weitere Qualifikation als Rechtsverordnung ausdrücklich offen blieb. 186 BVerwGE 41, S. 334 (349 f.). 187 BVerwGE 41, S. 334 (352); ebenso Frotscher, JuS 1982, S. 672 (675); Gramlich, Die Verwaltung, Band 27 (1994), S. 361 (375); ders., ZBB 1989, S. 201 (204, Fn. 45). 188 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 39; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 376. 189 Siehe dazu oben, 1. Abschnitt, B. 190 Döll, DVBl. 1956, S. 665 (669); Frotscher, JuS 1982, S. 672 (675).

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kombinierte, unterstrich deren verfassungsrechtliche Verfestigung.191 Die Bundesbank fühlte sich an die bestehenden währungspolitischen Mittel gebunden und verfeinerte diese allenfalls.192 Angesichts des fortwährenden Einsatzes in den westeuropäischen Staaten193 sowie einer stetigen Mindestreservepolitik der Bundesbank zählte die Mindestreserve zum Kernbereich der monetären Steuerungselemente einer Zentralbank. An der grundsätzlichen Verankerung der Mindestreserve in Art. 88 GG war daher nicht zu zweifeln.194 Eine Stütze fand diese Argumentation im Vergleich zur verfassungsrechtlich garantierten Autonomie der Bundesbank. Obwohl seitens der Verfassung nicht ausdrücklich normiert, stand das GG einer konstitutionell ermöglichten, einfachgesetzlich garantierten Autonomie nicht entgegen.195 Somit unterlag die Bundesbank hinsichtlich der Rechtsverordnungsmacht zum Erlass der AMR nicht der Sperre des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG; die Mindestreserve zählte daher zum verfassungsrechtlichen Kernbereich ihrer Tätigkeit.196 Für die Einordnung der AMR als (atypische)197 Rechtsverordnung sprach im Übrigen die Veröffentlichungspflicht der Höhe der Mindestreservesätze im Bundesanzeiger198 (§ 33 BBankG). Im Gegensatz zu adressatenbezogenen Einzelakten (§ 41 VwVfG) sind Rechtsnormen mit dem Ziel der vollständigen Information allen potentiell Betroffenen zu verkünden. Hingegen traf die AMR keine Aussage über die Festsetzung der konkreten Reservesätze, die die Höhe der zinslos zu unterhaltenden Zwangsguthaben regelten. Die Reservesätze wurden von der Bundesbank punktuell und situationsabhängig angeordnet (§ 5 AMR) und bezogen sich in differenzierender Form auf Reserveklassen, Art der reservepflichtigen Verbindlichkeit und Herkunft der reservepflichtigen Einlagen. Die Bundesbank handelte bei der Festsetzung der Reservesätze einseitig und im öffentlichen Interesse,199 weshalb es sich um ho191 Gramlich, DVBl. 1980, S. 531 (535), erwähnte ausdrücklich neben „Zinssatz-, Kredit- und Offenmarktpolitik“ das „zur Zeit des Erlasses des Grundgesetzes bereits entwickelte Instrument der Mindestreservehaltung“. 192 Caesar, S. 210. 193 Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 2. 194 Döll, DVBl. 1956, S. 665 (669); Gramlich, ZBB 1989, S. 201 (204); Hahn, BayVBl. 1982, S. 70 (71); Samm, S. 207, mit Verweis auf „implied-powers“; ähnlich Siebelt/Eckert, ZBB 1991, S. 153 (168). 195 Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, B. I. 1., 2. 196 So auch Fröhlich, S. 176 f. 197 Zutreffend wies Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 74 a. E., darauf hin, dass die Rechtsverordnungsgebung der Bundesbank im Fall der AMR als „atypisches Untergesetzesrecht“ anzusehen sei. Mit Blick auf die Stellung der Bundesbank als „atypische Anstalt“ wurde durch diesen Ansatz den Besonderheiten der Zentralbankrechtsrechtssetzung am überzeugendsten Rechnung getragen, ohne auf das Institut der Rechtsnorm sui generis zurückgreifen zu müssen. 198 Fröhlich, S. 107; Gramlich, Bundesbankinstrumente und -eingriffe, S. 11 (20). 199 Coburger, S. 73; Gramlich, BBankG, § 15, Rn. 2.

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

heitliche Regelungen handelte. Die Festsetzung der konkreten Reservesätze war unmittelbare Folge der AMR und diente der Steuerung und Konkretisierung der Mindestreserveanforderungen gegenüber allen reservepflichtigen Kreditinstituten. In Übereinstimmung mit der Argumentation zur AMR handelte es sich bei der Festsetzung der jeweiligen Reservesätze um abstrakt-generelle, atypische Rechtssetzung der Bundesbank.200 b) Erfüllung der Reservepflicht Erfüllt wurde die Mindestreservepflicht durch privatrechtliche Giro-Einlagengeschäfte (§ 4 AMR, § 19 Abs. 1 Nr. 4 BBankG). Als Bank der Banken hatte die Bundesbank neben dem Recht, Einlagen von Kreditinstituten anzunehmen, die Pflicht, im Umfang der Reservepflicht das Mindestreservesoll auf Girokonten zu halten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BBankG). 3. Mindestreserve und Bardepotpflicht Obwohl die Bardepotpflicht201 (§ 6a AWG)202 nur zwischen 1972 und 1974 bestand, soll ihre Wirkungsweise im Verhältnis zur Mindestreservepolitik kurz abgegrenzt werden. Von der dauernd als Instrument zur Liquiditätssteuerung angewandten Mindestreservepolitik unterschied sich die Bardepotpflicht insoweit, dass sie nur in Zeiten wirtschaftspolitischer Spannungen zum Einsatz kommen sollte. Sie bezweckte die Abwehr übermäßiger Kapitalimporte und diente der außenwirtschaftlichen Absicherung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.203 Die Dauer der Bardepotpflicht richtete sich daher nach der Laufzeit des aufgenommenen Kredits. Bestand hingegen die Pflicht zum Bardepot, trat im Unterschied zur Mindestreservepflicht ein durch den Entzug des Verfügungsrechts verstärkter „Stillegungseffekt“204 (§ 6a Abs. 5 AWG) ein. Die Bundesbank war in vielfältiger Weise an der Begründung und Erfüllung von Bardepotpflichten beteiligt: Gebietsansässige (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AWG) hat200

Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 71. Ausführlich Hahn, Währungsrecht, § 23, Rn. 23 f. 202 Einführung der Bardepotpflicht durch das „Bardepot-Gesetz“ vom 23.12.1971, BGBl. I, S. 2141, und die §§ 69a–69c Außenwirtschaftsverordnung (AWV, geschaffen durch 21. Änderungsverordnung zur AWV, BGBl. 1972 II, S. 213). Aufgehoben wurde die Bardepotpflicht durch 32. Änderungsverordnung zur AWV vom 12.09. 1974, BGBl. I, S. 2323. Die Vorschrift des § 6a AWG wurde hingegen erst zum 01.01.2002 durch Art. 20 Nr. 2 des 9. Euro-Einführungsgesetzes, BGBl. 2001, I, S. 2992, gestrichen. 203 Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 37 und 46. 204 Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 46. 201

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ten einen bestimmten Prozentsatz der Verbindlichkeiten aus von ihnen bei Gebietsfremden aufgenommenen Krediten zinslos auf einem Konto der Bundesbank in Deutscher Mark zu halten (§ 6a Abs. 1 Satz 1 AWG); notfalls konnte die Bundesbank durch Heranziehungsbescheid dazu verpflichten (§ 28a Abs. 1 Satz 1 AWG). Zudem war die Bundesbank ermächtigt, die Höhe der Bardepotsätze festzulegen, was sie – wie bei Festlegung der AMR205 – durch Rechtsverordnung tat.206 Die Bardepotpflicht galt allerdings nur für Verbindlichkeiten, die nicht der Mindestreservepflicht unterlagen (§ 6a Abs. 2 AWG); insofern bestand ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen den sich funktional ergänzenden Instrumenten. VI. Einlagenpolitik

1. Währungspolitische Bedeutung Obwohl die Einlagenpolitik (§ 17 BBankG)207 nicht zu den währungspolitischen Instrumenten im engeren Sinne zählte, stand sie in ihrer Wirkung der Währungspolitik sehr nahe. Die Einlagenpflicht versetzte die Bundesbank in die Lage, die für die Notenbankpolitik nicht unwichtige Höhe und Bewegung der Kassenbestände der zentralen öffentlichen Haushalte zu beeinflussen.208 Bereits die BdL war zur Annahme zinsloser Einlagen für die Bundesregierung berechtigt (Art. III Nr. 14 lit. a] BdL-G), später sogar verpflichtet.209 Die instrumentelle Nutzung der Einlagenpolitik wuchs mit dem Wechsel der Bundesbank zur flexiblen Geldmarktsteuerung.210 Indem die Bundesbank öffentliche Guthaben in den Geldmarkt verlagerte, konnte sie Liquidität in Form von Tagesgeld zu rasch wechselnden Konditionen bereit stellen und so kurzfristig den Geldmarkt steuern.211 Die in § 17 Satz 1 BBankG normierte Einlagenpflicht schrieb den großen öffentlichen Haushalten212 vor, ihre liquiden Mittel bei der Bundesbank auf Girokonten zu halten. Einlagepflichtig waren alle flüssigen Mittel, das hieß Ein-

205

Siehe dazu oben, 2. a). Gramlich, BBankG, § 16, Rn. 37 und 41. 207 § 17 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 08.07.1994. 208 Kurzzeitig erlangte die Einlagenpflicht im Rahmen der bei der Bundesbank stillzulegenden Konjunkturausgleichsrücklage (§ 7 Abs. 1 Satz 1 StWG) währungspolitische Bedeutung; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 382 f. 209 Gramlich, BBankG, § 17, Rn. 5. 210 Siehe dazu oben, B. I. 2. 211 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (38); Gramlich, BBankG, § 17, Rn. 3; Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (17); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 382 f. 212 Zu den Einlagepflichtigen ausführlich Gramlich, BBankG, § 17, Rn. 8. 206

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

nahmen aus Abgaben sowie Kassenmittel im haushaltsrechtlichen Sinne. Dem Zustimmungserfordernis der Bundesbank für anderweitige Ein- und Anlagen (§ 17 Satz 2, 1. HS BBankG) kam angesichts der steigenden Staatsverschuldung praktisch kaum Bedeutung zu. Die Dispositionsbefugnis der Einlagepflichtigen wurde dadurch gewahrt, dass der Einsatz der Mittel zum Erwerb von Anlagevermögen ihrer politischen Entscheidung überlassen blieb.213 2. Rechtliche Einordnung Obwohl die Einlagenpflicht der öffentlichen Hand Ähnlichkeiten mit der Mindestreservepflicht der Kreditinstitute aufwies, stand der Bundesbank keine ausdrückliche Befugnis zu, die Haltung öffentlicher Gelder auf ihren Girokonten zu verlangen. Allein aus der systematischen Stellung des § 17 BBankG und dessen währungspolitischer Relevanz war nicht zu folgern, dass die Bundesbank die Einlagenpflicht mit hoheitlichen Mitteln durchsetzen durfte.214 Da die privatrechtlichen Einlagen aufgrund der kostenlosen Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit der öffentlichen Hand (§ 20 Abs. 1 Nr. 2, letzter HS BBankG)215 unverzinst blieben, stellte sich die Frage der rechtlichen Einordnung nicht. E. Weitere Aufgaben I. Überblick

Neben der zentralen Aufgabe der Geldpolitik oblagen der Bundesbank weitere Zuständigkeiten, die in mehr oder weniger engem Zusammenhang mit der Funktion als Währungs- und Notenbank standen. Ihre rechtliche Grundlage fanden die nachfolgend zu beschreibenden Aufgaben einerseits im BBankG selbst, andererseits in sonstigen einfachen Gesetzen (beispielsweise im KWG). Im Gegensatz zum währungspolitischen Kernbereich genoss die Bundesbank bei den übrigen Aufgaben nicht die verfassungsrechtlich ermöglichte Weisungsfreiheit des § 12 BBankG.216

213 Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (38); Gramlich, BBankG, § 17, Rn. 13. 214 Gramlich, BBankG, § 17, Rn. 17. 215 § 20 BBankG in der Fassung des Gesetzes vom 23.11.1967, BGBl. I, S. 1157, geändert seit 01.11.1992, geändert seit 09.07.1994, gültig bis 29.04.2002. 216 Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, B. II.

3. Abschn.: Funktionen der Bundesbank

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II. Verwaltung der Währungsreserven

Bedingt durch die hohen Dollarankäufe während des Bretton-Woods-Systems217 verfügte die Bundesbank über große Mengen an Währungsreserven.218 Neben dem US-Dollar-Bestand existierten weitere Reservepositionen in Form von Forderungen an den Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit219 (EFWZ) und den Internationalen Währungsfonds220 (IWF) sowie Goldbestände221. Die Bundesbank war daher die einzige Institution, die die internationale Liquidität des Staates gewährleistete.222 Obwohl im BBankG nicht ausdrücklich verankert, konnte die Befugnis zur Verwaltung der Währungsreserven aus § 19 Abs. 1 Nr. 8 BBankG und § 28 Abs. 1 BBankG223 hergeleitet werden. III. Zahlungsverkehr

Ausdrücklich in § 3 BBankG verankert war die Rolle der Bundesbank im Rahmen der bankmäßigen Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im Inland (§ 19 Abs. 1 Nr. 4, 7 BBankG) und mit dem Ausland (§ 19 Abs. 1 Nr. 9 BBankG). In Erfüllung dieser rein zahlungstechnischen Funktion stellte die Bundesbank eigene Zahlungsverkehrseinrichtungen in Form von Abrechnungsstellen bei den LZBen zur Verfügung. Zur automatischen Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs verfügte die Bundesbank über eigene Systeme im Bereich des Großzahlungsverkehrs224, des Kleinzahlungsverkehrs225 sowie des Auslandzahlungsverkehrs226 (AZV). Indem die Bundesbank den Kreditinstituten für die Durchführung des bargeldlosen Zahlungs- und Abrechnungsverkehrs (§ 19 Abs. 1 Nr. 4, 7 BBankG) ein „wettbewerbsneutrales Gironetz“ zur Verfügung stellte, nahm sie eine wichtige ordnungspolitische Funktion wahr.227 217 Grundlage des Bretton-Woods-Abkommen war das Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds vom 22.07.1944, BGBl. 1952 II, S. 638. 218 Walter, S. 132. 219 Gramlich, BBankG, § 28, Rn. 39. 220 Gramlich, BBankG, § 28, Rn. 38. 221 Gramlich, BBankG, § 28, Rn. 9. 222 Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (145 f.). 223 § 28 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, gültig bis 31.12.1998. 224 Elektronischer Schalter (ELS), Elektronische Abrechnung Frankfurt (EAF), Großbetrags-Scheckeinzug (GSE), Bundesbank, Monatsbericht August 1994, S. 47 (48). 225 Elektronischer Massenzahlungsverkehr (EMZ) und Belegloser Scheckeinzug (BSE), Bundesbank, Monatsbericht August 1994, S. 47 (49 f.). 226 Bundesbank, Monatsbericht August 1994, S. 47 (60 f.). 227 Gramlich, BBankG, § 19, Rn. 27.

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank IV. Bank des Staates

1. Allgemeines Als Bank des Staates war die Bundesbank vorrangig zur technischen Abwicklung der Zahlungstransaktionen der öffentlichen Hand befugt. Um die Aushöhlung der geldpolitischen Befugnisse zu verhindern, war die sogleich zu erörternde „Hausbank“funktion in Form der Kreditgewährung an öffentliche Haushalte eng umrissen. Bereits erörtert228 wurden die der Rolle der Bundesbank als Bank des Staates zuzurechnenden Kooperationspflichten zwischen Zentralbank und Bundesregierung. 2. Kassenkredite Die Erfahrungen mit der Inflation zu Beginn der zwanziger Jahre und der Kriegsfinanzierung im Dritten Reich lehrten die Bundesrepublik, im Vergleich zu anderen europäischen Staaten dem Zugang des Staates zu Notenbankkrediten nur eine untergeordnete Rolle beizumessen.229 Daher war die Bundesbank nur berechtigt, zur Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe230 der öffentlichen Hand Kassenkredite auszureichen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 BBankG). Langfristig nicht kreditiert werden sollten Haushaltsdefizite der öffentlichen Hand.231 Kassenkredite der Bundesbank wurden nur in Form von Buchkrediten, bis zum Ende der sechziger Jahre noch durch Begebung von Schatzwechseln öffentlicher Emittenten,232 gewährt. Zudem war die Höhe der Kassenkredite durch gesetzlich festgelegte Plafonds (Kreditlinien) begrenzt. Auch lag es im – geldpolitisch determinierten – Ermessen der Bundesbank, Kassenkredite auszureichen, weshalb weder ein automatisches Zugriffsrecht noch ein Rechtsanspruch233 der öffentlichen Haushalte aufgrund der Haushaltsgesetze bestand. Der von der Bundesbank für die Kassenkredite berechnete Zinssatz deckte234 sich mit dem kreditpolitischen Diskontsatz. Die Festlegung des Zinssatzes für Kassenkredite war ebenfalls als Rechtsverordnung235 einzustufen, da sie abs228

Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, B. II. 1. Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (32); Gramlich, BBankG, § 20, Rn. 3; ders., Die Verwaltung, Band 27 (1994), S. 361 (364); Kümpel, WM 1992, Sonderbeilage 1, S. 1 (6); Siebelt, S. 201. 230 Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (30). 231 Gramlich, BBankG, § 20, Rn. 3. 232 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (35). 233 Gramlich, BBankG, § 20, Rn. 4; Studt, S. 80; Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 52; Walter, S. 135. 234 Gramlich, BBankG, § 20, Rn. 14 a. E. 229

3. Abschn.: Funktionen der Bundesbank

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trakte Geltung für alle gegenwärtigen und künftigen Kreditbeziehungen mit öffentlichen Verwaltungen besaß. Auch galt für Kassenkredite die in § 33 BBankG normierte Veröffentlichungspflicht, was für die Normqualität dieser Geschäfte sprach. 3. Sonstige Geschäfte mit öffentlichen Verwaltungen Überdies war die Bundesbank befugt (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 BBankG), mit allen inländischen öffentlichen Verwaltungen die in § 19 Abs. 1 Nr. 4–9 BBankG genannten Geschäfte zu tätigen. Da sich der Umfang dieser Geschäfte mit den Zuständigkeiten aus § 22 BBankG deckte, durfte die Bundesbank mit öffentlichen Verwaltungen im gleichen Umfang wie mit „jedermann“ Geschäfte betreiben. Die infolge der Einlagenpflicht236 von der öffentlichen Hand zu tätigenden Girogeschäfte (§§ 17 Satz 1, 19 Abs. 1 Nr. 4 BBankG) führten indes zu einem Kontrahierungszwang237 der Bundesbank für derartige Geschäfte. 4. Emission öffentlicher Schuldtitel Als „Bankier des Staates“238 unterstützte die Bundesbank die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand, indem sie als Mittler239 (fiscal agent) bei der Emission von Schuldtiteln der öffentlichen Hand (Schuldverschreibungen, Schatzwechsel) auftrat (§ 20 Abs. 2 BBankG). Mit Hilfe der Rolle der Bundesbank aus § 20 Abs. 2 BBankG sollten Störungen des Kreditmarktes infolge öffentlicher Emissionen zu Sonderbedingungen verhindert werden.240 Ebenfalls als Fiskalagent241 handelte die Bundesbank, wenn sie die im Wege der Daueremission angebotenen Finanzierungsschätze, Bundesschatzbriefe und Bundesobligationen für Rechnung des Bundes verkaufte und die Ausschreibung und Platzierung von Bundesschatzanweisungen und unverzinslichen Schatzanweisungen (U-Schätze) übernahm. V. Bank der Banken

Die Bundesbank sorgte für Liquidität und Refinanzierung der Kreditinstitute, die wiederum zur Aufrechterhaltung ihrer Zahlungsfähigkeit auf Bundesbank235

Fröhlich, S. 117 f. Siehe dazu oben, D. VI. 237 Gramlich, BBankG, § 20, Rn. 17; Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Bes. Teil 1, S. 460. 238 Gramlich, BBankG, § 20, Rn. 7. 239 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 54. 240 Hahn, Währungsrecht, § 19, Rn. 53. 241 Gramlich, BBankG, § 20, Rn. 7; Walter, S. 136. 236

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

guthaben angewiesen waren. Denn die Geschäftsbanken mussten einerseits Bargeld an Kunden auszahlen, andererseits Guthaben bei der Bundesbank in Form von Mindestreserven halten. Bargeld und Notenbankguthaben konnten nur durch Notenbankgeschäfte beschafft werden (lender of last resort), weshalb die Bundesbank zahlreiche Geschäfte mit Kreditinstituten tätigte. Dabei kam ihr zugute, dass sie als „Bank unter Banken“242 eine gleichrangige Stellung genoss und ihre (Offenmarkt-)Geschäfte zunehmend marktkonform243 ausgerichtet waren. Tätigte die Bundesbank Geschäfte im Sinne des § 19 Abs. 1 BBankG, handelte sie in privatrechtlicher Form. Mit Ausnahme des § 19 Abs. 1 Nr. 4 BBankG244 bestand kein Kontrahierungszwang der Bundesbank gegenüber den Kreditinstituten.245 Da das BBankG selbst den Begriff „Kreditinstitut“ nicht definierte, waren als solche alle Unternehmen zu verstehen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig246 oder in einem Umfang betrieben, der einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erforderte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KWG)247. Zu Geschäften im Sinne von § 19 Abs. 1 BBankG zählten neben dem gewichtigen Diskont- und Lombardgeschäft (Nr. 1–3), das Giro- (Nr. 4), Depot- (Nr. 5), Inkasso-Geschäft (Nr. 6) sowie bankmäßige Auftragsgeschäfte (Nr. 7) und das Devisen- (Nr. 8) und Auslandsgeschäft (Nr. 9). VI. Bankenaufsicht

Geldpolitische Entscheidungen der Bundesbank setzten ein funktionsfähiges Bankensystem voraus, da die Institute als Adressaten der Geschäfte „natürlicher Partner“248 der Zentralbank waren. Den Aufgaben der Bundesbank war daher eine doppelte Zielrichtung immanent, da sie sowohl ordnungsrechtlich als auch währungssichernd ausgerichtet waren.249 Angesichts zahlreicher Überschneidungen in der Praxis250 war es nahe liegend, der Bundesbank neben dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) unterstützende Funktionen der Kreditwesenaufsicht251 zu überantworten. Sofern die Aufsichtsbefugnisse, die das

242 Gramlich, BBankG, § 19, Rn. 2; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 29; Siebelt, S. 218 f. 243 Siehe dazu oben, D. III. 2. b). 244 Siehe dazu oben, IV. 3. 245 Gramlich, BBankG, § 19, Rn. 57. 246 Das Merkmal der „Gewerbsmäßigkeit“ wurde in § 1 KWG durch die 6. KWGNovelle (BGBl. 1997 I, S. 2518), in Kraft seit 1. Januar 1998, eingefügt. 247 Einschränkungen des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG fanden sich in § 2 Abs. 1 Nr. 1–8 KWG. 248 Walter, S. 138. 249 Unter Bezugnahme auf BVerfGE 14, S. 197 (216) Häde, JZ 2001, S. 105 (108). 250 So das BVerfG in BVerfGE 14, S. 197 (216).

3. Abschn.: Funktionen der Bundesbank

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bundesgesetzliche KWG für die Bundesbank vorsah, „unmittelbar aus ihrer Aufgabe als Währungsbank abzuleiten“ seien, bestanden laut BVerfG keine Bedenken gegen Anzeige- und Mitwirkungspflichten der Bundesbank im Rahmen der Institutsaufsicht.252 Zudem besaß die Bundesbank im Gegensatz zum BAKred einen Verwaltungsunterbau und konnte angesichts der Präsenz in der Fläche und dem geschäftlichen Kontakt zum Bankengewerbe „Ortsnähe mit Sachkunde“253 verbinden. Den Vollzug des KWG kennzeichnete demnach ein Kooperationsverhältnis zwischen Bundesbank und BAKred, das geprägt war von Mitteilungen und Austausch der relevanten Beobachtungen und Feststellungen (§ 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 KWG). Allerdings verfügte die Bundesbank im Gegensatz zu hoheitlichen Befugnissen im Bereich der Geldpolitik254 im Bereich der gewerbepolizeilichen255 Bankenaufsicht nur über Mitwirkungsrechte; „nur das Bundesaufsichtsamt trifft Entscheidungen, nur das Bundesaufsichtsamt kann Zwangsmittel anwenden“256, so das BVerfG. Institutionalisiert war die Zusammenarbeit von Bundesbank und Bankenaufsicht durch das Teilnahmerecht des BAKred-Präsidenten an Zentralbankratssitzungen (§ 7 Abs. 3 KWG). Da dem BAKred-Präsidenten zwar ein Antragsrecht, hingegen kein Stimmrecht zustand, kam ihm eine ähnliche Stellung zu, wie den Mitgliedern der Bundesregierung (§ 13 Abs. 2 Satz 1, 2 BBankG) im Zentralbankrat. Andererseits konnte die Bundesbank aufgrund des „Einvernehmens“-Erfordernisses (§§ 10 Abs. 1 Satz 2, 11 Abs. 2 BBankG) maßgeblichen Einfluss auf den Inhalt der BAKred-„Grundsätze“ nehmen (Vetorecht)257; ob ein Kreditinstitut diese Regeln beachtete, wurde von der Bundesbank im Rahmen der Kreditpolitik, insbesondere durch individuelle Festsetzung der Rediskontkontingente, berücksichtigt.258 Im Übrigen war die Bundesbank in das Meldewesen (§§ 13, 13a, 13b, 14, 15 KWG) einbezogen. VII. Statistische Erhebungen

Die statistischen Erhebungen, zu denen die Bundesbank gegenüber allen Kreditinstituten berechtigt war (§ 18 BBankG), dienten ihr als multifunktionales 251 Zur historischen Entwicklung der Bankenaufsicht in Deutschland Gramlich, in: Pitschas, S. 313 (329 ff.); zur verfassungsrechtlichen Verankerung des BAKred Häde, JZ 2001, S. 105 (106 ff.). 252 BVerfGE 14, S. 197 (218). 253 Walter, S. 139. 254 Beispielsweise im Bereich der Mindestreservepolitik, siehe dazu oben D. V. 2. a). 255 BVerfGE 14, S. 197 (206). 256 BVerfGE 14, S. 197 (218). 257 Hahn, Währungsrecht, § 17, Rn. 24; Siebelt, S. 206; Walter, S. 139. 258 Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Bes. Teil 1, S. 463.

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Kap. 1: Errichtung, Rechtsstellung und Funktionen der Bundesbank

Hilfsmittel zur Steuerung der Währungspolitik.259 Schon der Regierungsentwurf zum BBankG stellte klar, dass „richtige Anwendung der währungspolitischen Befugnisse eine umfassende Kenntnis der neuesten Wirtschaftslage insbesondere auf dem Gebiet des Geldwesens“260 voraussetzt. Somit fungierte die Bundesbank neben dem Statistischen Bundesamt als wichtigste wirtschaftsstatistische Erhebungsstelle der Bundesrepublik. VIII. „Jedermann-“Geschäfte

Um die Bundesbank „auf ihre eigentliche Aufgabe“, die Währungspolitik und deren Kontrolle, festzulegen,261 beinhaltete § 22 BBankG262 das Verbot, mit anderen Marktteilnehmern als den Geschäftsbanken in kreditinstitutsähnliche Beziehungen zu treten. Erfasst werden sollte davon vorrangig der Direktkredit an Wirtschaftsunternehmen und Private, zu dem die Reichsbank noch berechtigt war.263 Unter „jedermann“ zählte das BBankG natürliche und juristische, rechts- und geschäftsfähige264 Personen des Privatrechts265, wobei Sitz oder dauernder Aufenthalt sowie Staatsangehörigkeit bedeutungslos waren.266 Daher bildeten „Jedermann-“Geschäfte rein privatrechtliche Kontrakte im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 5–9 BBankG, zu denen die Bundesbank berechtigt, nicht jedoch verpflichtet war. Als Beispiele für „Jedermann-“Geschäfte seien genannt: das Depot-Geschäft (§ 19 Abs. 1 Nr. 5 BBankG) „als ein für Notenbanken übliches Nebengeschäft“267 sowie das Inkasso-Geschäft (§ 19 Abs. 1 Nr. 6 BBankG), das dem Gebot vorheriger Deckung268 bei Kreditgewährung diente. Auch für Geschäfte am „offenen Markt“ waren keine Teilnehmerbeschränkungen normiert; sie unterfielen demnach ebenfalls § 22 BBankG.

259

Coburger, S. 46. Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (29). 261 Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (29 f.). 262 § 22 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, geändert seit 01.11.1992, gültig bis 29.04.2002. 263 Gramlich, BBankG, § 22, Rn. 2; Siebelt, S. 202. 264 Gramlich, BBankG, § 22, Rn. 9. 265 Juristische Personen des öffentlichen Rechts unterfielen bereits der Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 BBankG. 266 Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (40). 267 Regierungsentwurf zum BBankG, BT-Drucksache II/2781, S. 24 (38). 268 Gramlich, BBankG, § 19, Rn. 43. 260

Kapitel 2

Internationale und europäische Ansätze einheitlicher Geld- und Währungspolitik 4. Abschnitt

Währungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg A. Rückblick Die heutige primärrechtliche Fixierung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) ist kein Novum der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts, sondern das Ergebnis eines jahrzehntelangen Entwicklungs- und Initiativprozesses. Seine Wurzeln reichen bin die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurück. Im folgenden Abschnitt soll der – keineswegs geradlinige – Prozess der monetären Integration beginnend mit dem Wechselkurssystem von Bretton Woods und dem sich anschließenden Europäischen Wechselkursverbund bis zur Wirtschaftsund Währungsunion nachgezeichnet werden.1 Dem Anliegen der Arbeit entsprechend gilt das Interesse der Stellung und den Einflussmöglichkeiten der Bundesbank im Prozess der währungsrechtlichen Vergemeinschaftung. Angesichts der tief greifenden Kompetenzverschiebungen, die zwischen den NZBen und der Gemeinschaftsebene stattfanden, wird dabei besonderes Augenmerk auf die Schritte zu und die Veränderungen infolge der WWU gelegt. Zu berücksichtigen ist auch die Frage, inwieweit währungspolitische Beratungs- und Beschlussgremien, an denen die Bundesbank beteiligt war, eine integrative Rolle spielten. B. Wechselkurssystem von Bretton Woods Eine Währungsunion setzt in hohem Maße wirtschaftspolitische Kongruenz der Teilnehmerstaaten voraus. Real bestand nach Ende des Zweiten Weltkriegs weder innerhalb der europäischen Staaten noch zwischen Europa und den USA eine dauerhafte ökonomische Übereinstimmung.

1

Siehe zum Ganzen bereits Nestler, WM 2001, S. 2425 (2425 ff.).

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

Einen ersten währungspolitischen Annäherungsversuch wagten die Mitglieder des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Abkommen von Bretton Woods2, infolgedessen ein System fester Wechselkurse der Mitgliedswährungen gegenüber dem US-Dollar auf Goldbasis errichtet wurde.3 Mit dem Ziel stabiler Wechselkurse war jedes IWF-Mitglied verpflichtet, die Parität der Währung gegenüber dem US-Dollar oder dem Gold festzulegen.4 Leitkursabweichungen der einzelnen Währungen waren nur innerhalb einer Marge von 1% zulässig. Die Paritätenbestimmung legte indes nur das Austauschverhältnis fest. Tatsächlich vollzogen wurden die Pflichten von den Notenbanken, die die Wechselkurse durch Devisenmarktinterventionen innerhalb der Bandbreiten hielten. Im Zuge der deutschen IWF-Mitgliedschaft ab dem Jahr 19525 wurde im Folgejahr erstmals eine Dollarparität für die D-Mark bestimmt. Angesichts der völkerrechtlichen Qualität des Abkommens, das intergouvernementale Pflichten statuierte, war der Einfluss der Bundesbank im Bretton-Woods-System gering. Aufgrund der Goldwährungsbindung6 oblag die Definition des Goldstandards dem Bundesgesetzgeber. Als nationale Währungsbehörde war die Bundesbank nicht zum Handeln im Namen des Staates befugt. Der Bundesbank verblieb daher die Kompetenz zum Vollzug der Interventionsverpflichtungen mit dem Ziel der Paritätenwahrung. Aus der Funktion des Bundesbankpräsidenten als deutsches Mitglied im IWF-Gouverneursrat folgten – rechtlich betrachtet – keine bindenden Entscheidungen. Nach einer Zeit fast ohne Wechselkursschwankungen erschütterte der starke Dollarverfall Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre das BrettonWoods-System.7 Der Widerruf der Goldkonvertibilität seitens der USA am 15. August 1971 führte zur Suspendierung der Wechselkurse der EG-Staaten gegenüber dem US-Dollar.8 Daraufhin war ein Großteil der IWF-Mitglieder nicht mehr in der Lage, die festgelegten Paritäten einzuhalten, was zur Freigabe der

2 Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds (Articles of Agreement of the International Monetary Fund) vom 22.07.1944, geändert durch Übereinkommen vom 30.04.1976 vom 09.01.1978, BGBl. II, S. 13, geändert durch Gesetz zur Dritten Änderung des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds vom 22.07. 1991, BGBl. II, S. 814. Die Änderungen traten am 11.11.1992 in Kraft. 3 Ensthaler, JuS 1994, S. 26 (26); Galahn, S. 7; Hahn, Währungsrecht, § 13, Rn. 2 ff. 4 Art. IV Abschnitt I und Art. XX Abschnitt 4 des IWF-Abkommens in der Fassung vom 22.07.1944. 5 Art. 1 Gesetz zu dem Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds in der Fassung von 1976 (IWF-Gesetz) vom 9. Januar 1978 (BGBl. II, S. 13), zuletzt geändert durch Artikel 155 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I, S. 2407). 6 Siebelt, S. 109. 7 Hahn, Währungsrecht, § 13, Rn. 5 f.; Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (676); Weinbörner, S. 11. 8 Siebelt, S. 110; Strohmeier, S. 54 f.; Weinbörner, S. 11.

4. Abschn.: Währungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg

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Wechselkurse9 und mit dem Übergang zum Blockfloating10 faktisch zum Ende des Bretton-Woods-Systems führte. Mit Wegfall der Goldbindung zum 1. April 197811 wurde die D-Mark zu einer von Regierungsentscheidungen abhängigen, „manipulierbaren Papierwährung“12. Aufgrund der Kooperation zwischen Bundesbank und Bundesregierung (§§ 12, 13 BBankG)13 resultierte daraus – wenn auch nur kurzzeitig14 – ein gestiegener Beratungsbedarf der Regierung und somit ein erweiterter Aktionsradius der Bundesbank. Aus heutiger Sicht wäre eine Rückkehr zu Festkurssystemen, wie dem von Bretton Woods, unter den Bedingungen liberalisierter und globalisierter Finanzmärkte nicht mehr denkbar.15 C. Römische Verträge 1956/1957 I. Währungspolitische Regelungen

Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft16 (EWG) durch die Römischen Verträge (EWGV) im Jahr 1957 brachte bis auf wenig tief greifende Konsultations- und Rücksichtnahmeverpflichtungen17 keine effektiv durchsetzbaren Zielgrößen europäischer Währungspolitik. Der EWGV enthielt nur fragmentarische Regelungen über die Integration des Währungswesens. Die Mitgliedstaaten definierten wirtschaftspolitische Kooperation als Sicherung des Zahlungsbilanzgleichgewichts bei stabilem Preisniveau (Art. 104 EWG-Vertrag) und betrachteten die Wechselkurspolitik als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse (Art. 107 Abs. 1 EWG-Vertrag). Hintergrund dieser rudimentären Regelungen war die aus den Erfahrungen im Bretton-Woods-Systems resultierende fehlende Bereitschaft, der neu gegründeten EWG weit reichende Befugnisse zu übertragen. 9

Siebelt, ebenda. Am 19.03.1973 beschloss die Bundesregierung den Übergang zum Blockfloating, Bundesminister der Finanzen, Bekanntmachung über den neuen Leitkurs der D-Mark vom 16.02.1973, BAnz. Nr. 54 vom 17.03.1973. 11 Infolge der Reform der IWF-Satzung durch das Zweite Abkommen zur Änderung des Übereinkommens über den IWF vom 30.04.1976, Gesetz vom 09.01.1978, BGBl. II, S. 13, gewährte der neugefasste Art. IV IWF-Abkommen den Mitgliedern ein Maximum an Wechselkursfreiheit und hob die Wechselkursfestlegung endgültig auf. 12 Siebelt, S. 115. 13 Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, B. II. 1. 14 Interventionspflichten im Europäischen Währungssystem begrenzten erneut den Aktionsradius der Bundesbank. Siehe dazu unten, 5. Abschnitt, A. II. 3. b). 15 Tietmeyer, Währungspolitische Kooperation, S. 447 (459). 16 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.03. 1957, BGBl. II, S. 753. 17 Siebelt, S. 132. 10

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik II. Beratender Währungsausschuss

Eher gering war auch der institutionelle Fortschritt, den die Gründung des Beratenden Währungsausschusses brachte, wenngleich er als erstes zentrales Konsultationsgremium gemeinschaftlicher Währungspolitik primärrechtlich verankert war (Art. 105 Abs. 2 EWG-Vertrag = Art. 114 Abs. 1 EG-Vertrag).18 Der Ausschuss bestand aus zwei Vertretern der Kommission sowie zwei Vertretern pro Mitgliedstaat, wobei jeweils ein Regierungsvertreter und ein Mitglied der Zentralbankleitung entsandt wurden. Als gemeinsames Hilfsorgan19 diente der Ausschuss sowohl dem Rat als auch der Kommission. Jedoch nahmen die Ausschussmitglieder ihr Mandat eigenverantwortlich20 und unabhängig21 wahr; insbesondere die Zentralbankmitglieder fungierten nicht als Vertreter ihrer Regierungen. Somit war ein Konsultationsforum institutionalisiert, das aufgrund seiner autonomen Aufgabe der währungspolitischen Koordination eine neue Qualität gab. So befasste sich der Währungsausschuss beispielsweise seit 1976 mit der Festlegung gemeinsamer oder aufeinander abgestimmter Geldmengenziele22 und griff in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen der Bundesbank zurück. Die unabhängigen Stellungnahmen der Bundesbank waren daher für Grundsatzentscheidungen des Ausschusses richtungweisend. Allerdings waren die Kompetenzen des Ausschusses auf Stellungnahmen, Anhörungsrechte sowie unverbindliche Empfehlungen begrenzt. Nach Auffassung der Bundesbank zogen die Mitgliedstaaten daraus „nicht immer die erforderlichen Konsequenzen“23. III. Wechselkurspolitik

Die Mitgliedstaaten betrachteten die Wechselkurspolitik als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse (Art. 107 Abs. 1 EWG-Vertrag); im Falle von Wechselkursänderungen folgten daraus umfassende Konsultationspflichten. Jede Form eines gemeinschaftlichen Wechselkursmechanismus war zulässig, sofern die Mitgliedstaaten sich innerhalb der Ziele des Art. 104 EWG-Vertrag bewegten. Im nationalen Bereich oblag der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Wechselkurspolitik; die Bundesbank konnte allenfalls beratend (mit-)wirken.

18 Der Beratende Währungsausschuss besteht auch nach Eintritt in die dritte Stufe der WWU als ,Wirtschafts- und Finanzausschuss‘ (Art. 114 Abs. 1 EG) fort und stellt als solches ein wichtiges Konsultationsgremium dar. 19 Selmayr, Recht der WWU, S. 127. 20 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 108. 21 Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (236). 22 Rieke, Die Bank 1979, S. 465 (467). 23 Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (236, Fn. 43).

4. Abschn.: Währungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg

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D. Ausschuss der Zentralbankpräsidenten Ein Integrationsfortschritt in institutioneller Hinsicht gelang 1964 mit der Gründung24 des Ausschusses der Zentralbankpräsidenten, bestehend aus den jeweiligen Notenbankgouverneuren und einem Kommissionsvertreter.25 Die autonome Stellung versetzte den Gouverneurausschuss in die Lage, keinerlei Weisungen von Gemeinschaftsorganen unterworfen zu sein.26 Als Ausschussmitglied war es Aufgabe des Bundesbankpräsidenten, Grundsätze nationaler Zentralbankpolitiken zu koordinieren, Informationen auszutauschen und beabsichtigte währungspolitische Maßnahmen abzustimmen. Im Gouverneursausschuss fanden regelmäßig Konsultationen zu geld-, kredit- und devisenmarktpolitischen Leitlinien27 statt (Art. 105 Abs. 1, 145 EWG-Vertrag). Allerdings waren die Ergebnisse der Gespräche für die NZBen in keiner Weise rechtlich verbindlich. Dennoch wurde der Gouverneursausschuss aufgrund seiner Sachkunde zu einem zentralen Akteur28 der währungspolitischen Kooperation. Dies brachte ihm einen weiteren Zuwachs konsultativer Aufgaben,29 besonders hinsichtlich der Kapitalverkehrsrichtlinie30. Indes scheiterten verbindliche Beschlüsse des Ausschusses de facto zu oft an den Eigenarten der nationalen Entscheidungsfindung.31 E. Werner-Plan I. Zielkonflikt

Um die mitgliedstaatliche Zusammenarbeit zu intensivieren, strebte die Kommission eine bessere Koordination der nationalen Wirtschafts- und Währungspolitiken an. Dieses Ziel löste einen theoretischen Disput um die ökonomisch „richtige“ Integrationsmethode aus.32 Im Kern ging es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt Konvergenz der nationalen Volkswirtschaften bestehen müsse.

24 Beschluss des Rates vom 08.05.1964 über die Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der EWG (64/300/EWG), ABl.EG Nr. 77, S. 1206. 25 Art. 2 des Ratsbeschlusses vom 08.05.1964. 26 Hahn, Währungsrecht, § 14, Rn. 33; Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (237). 27 Art. 3 des Ratsbeschlusses vom 08.05.1964. 28 Weinbörner, S. 22. 29 Ausführlich dazu Weinbörner, S. 147 ff. 30 Richtlinie des Rates vom 24.06.1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages (RL 88/361/EWG), ABl.EG Nr. L 178, S. 5. 31 Hahn, Währungsrecht, § 14, Rn. 33; Siebelt, DÖV 1990, S. 362 (369). 32 Strohmeier, S. 22; Weinbörner, S. 27.

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

Nach der besonders in Deutschland und Italien befürworteten33 „Krönungstheorie“ sollte die Währungsunion als „krönender Abschluss“ in Folge harmonisierter Währungs- und Haushaltspolitiken praktisch von selbst eintreten (Ökonomisten)34. Im Gegensatz dazu ging die von französischer, belgischer und luxemburgischer Seite vertretene35 „Grundsteintheorie“36 davon aus, dass fixierte Wechselkurse schnelle währungspolitische Annäherung bewirken, was jedoch Institutionen auf Gemeinschaftsebene als Funktionsträger voraussetzte (Monetaristen). Dass es die allein vorzugswürdige und konsequent zu verfolgende Linie der währungspolitischen Koordination nicht geben kann, bewies die erneute Belebung des Meinungsstreits in Verbindung mit dem Vertrag von Maastricht.37 Im Ergebnis des Haager Gipfels 1969 wurde 1971 von den Staats- und Regierungschefs erstmals ein Plan mit dem Ziel unterzeichnet, bis 1980 eine Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen zu errichten.38 Der „Werner-Plan“39 sah ineinander greifende Maßnahmen vor, die die vier zentralen Bereiche „Währungskooperation“, „Koordination der Wirtschaftspolitiken“40, „Liberalisierung des Kapitalverkehrs“41 und „gemeinschaftliche Struktur- und Regionalpolitik“42 betrafen. Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass Integration nur funktioniere, wenn der Steuerungsverlust auf nationaler Ebene in einen Kompetenzzuwachs auf Gemeinschaftsebene mündet.43 Als Kompromiss einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf das „Parallelitätsprinzip“44, wonach währungspolitische Zusammenarbeit und wirtschaftspolitische Koordinierung Hand in Hand gingen, um die Konvergenz zu fördern. 33

Strohmeier, S. 23. Galahn, S. 27; Tietmeyer, Währungspolitik und Integration, S. 467 (476). 35 Kaltenthaler, JCMS 2002, Vol. 40, S. 69 (74); Strohmeier, S. 23. 36 Galahn, S. 27; Tietmeyer, Währungspolitik und Integration, S. 467 (476); Weinbörner, S. 9. 37 Siehe dazu unten, 6. Abschnitt, B. III. 38 1. Stufe: 1971–1973, 2. Stufe: 1974–1979, 3. Stufe ab 1980; Entschließung des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 22.03.1971 über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft, ABl.EG Nr. C 28, S. 1. 39 Bericht an den Rat und die Kommission über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft – „Werner-Bericht“ vom 08.10.1970, abgedruckt in Krägenau/Wetter, Dokument 2, S. 98 ff. 40 Ziel wirtschaftspolitischer Koordinierung und Harmonisierung war die Konvergenz der mitgliedstaatlichen Volkswirtschaften, wodurch auf Wechselkursanpassungen verzichtet werden konnte. 41 Mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs wurde die Aufhebung aller Beschränkungen im Kapitalverkehr und die Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarkts angestrebt. 42 Gemeinschaftliche Struktur- und Regionalpolitik sollte wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt fördern (Kohäsion). 43 Weinbörner, S. 23. 44 Galahn, S. 28; Goetze, S. 25. 34

4. Abschn.: Währungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg

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Ziel der währungspolitischen Kooperation war die zentrale Steuerung der Geld- und Kreditpolitik, in deren Endstufe ein gemeinschaftliches Zentralbanksystem nach Vorbild des US-Federal Reserve System errichtet werden sollte.45 Der schrittweise Abbau von Wechselkursschwankungen innerhalb der Gemeinschaft sollte in der Endphase zu einer gemeinsamen Währung führen. Dabei betonte die Bundesbank stets, dass sie jede WWU verhindern werde, in deren Folge Inflation nach Deutschland „importiert“ würde46. Der Werner-Plan maß dem Gouverneursausschuss als Bindeglied zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten in allen Fragen der Währungspolitik wesentliche Bedeutung bei. Der Ausschuss sollte einerseits Stellungnahmen und Empfehlungen an die NZBen richten, andererseits Erklärungen zur gemeinschaftlichen Währungspolitik gegenüber Rat und Kommission abgeben. Daneben sah der Plan die Gründung eines Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit vor, um die weiteren Stufen der WWU institutionell vorzubereiten. II. Europäischer Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit

Wie vorgesehen, begann die 1. Stufe, als Kern47 des Werner-Plans, zum 1. Januar 1971. In ihrer Umsetzung errichtete der Rat 1973 den Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit48 (EFWZ). Somit war erstmals qua europäischem Sekundärrecht eine Institution auf Gemeinschaftsebene geschaffen,49 die unter Verantwortung der nationalen Zentralbanken weitere Stufen der WWU vorbereiten sollte. Als Keimzelle eines zukünftigen Zentralbanksystems war der EFWZ mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet und besaß gleichzeitig mitgliedstaatliche Rechts- und Geschäftsfähigkeit (Art. 6 EFWZ-Satzung). Der dem EFWZ als Leitungsgremium vorangestellte Verwaltungsrat bestand aus den nationalen Zentralbankpräsidenten, die gleichzeitig Mitglieder des Gouverneursausschusses waren. Diese institutionelle Verankerung des autonom agierenden Gouverneursausschuss (Art. 2 EFWZ-Satzung) hob die nationalen Zentralbankpräsidenten auf eine neue Ebene. Unterstützt wurde der Umstand durch die wirtschaftlich starke Position Deutschlands in der EWG. Der Bundesbankpräsident konnte daher maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der gemeinschaftlichen Währungsorgane nehmen. Zu den weiteren Kompetenzen des EFWZ zählte die Förderung des Devisensystems der Gemeinschaft, wo-

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Weinbörner, S. 25. Kaltenthaler, JCMS 2002, Vol. 40, S. 69 (74). 47 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 97; Galahn, S. 28; Studt, S. 17 f. 48 Verordnung des Rates vom 03.04.1973 zur Errichtung eines Europäischen Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit, VO (EWG) Nr. 907/73, ABl.EG Nr. L 89, S. 2. Die EFWZ-Satzung war der Verordnung als Anhang beigefügt. 49 Dauses, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, F. I. Rn. 32, spricht von „genuiner Gemeinschaftseinrichtung“. 46

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

bei dem EFWZ-Verwaltungsrat ein gewisses Mitspracherecht bei der Verringerung der Bandbreiten sowie bei Devisenmarktinterventionen in der „Gemeinschaftswährung“ ECU (European Currency Unit) zukam. Der EFWZ selbst bekleidete indes nur die Stellung eines technischen Verwalters50 mit Buchhalterfunktion51 im Bereich der monetären Beistandssysteme. Hätten die damaligen Regierungen der Mitgliedstaaten in die Zukunft des EFWZ größeres Vertrauen gesetzt, wären die autonomen Notenbankpräsidenten im EFWZ-Verwaltungsrat in der Lage gewesen, die Währungspolitik der Gemeinschaft stärker zu beeinflussen. III. Wechselkurspolitik im Europäischen Wechselkursverbund

Neben der Errichtung des EFWZ umfasste die 1. Stufe des Werner-Plans drei Punkte: ein kollektives Interventionssystem der Notenbanken, ein System kurzund mittelfristiger Währungsbeistände sowie Maßnahmen zur Koordinierung der Wirtschaftspolitiken. Um sich aus der Abhängigkeit vom US-Dollar zu lösen, sollte innerhalb der EWG ein eigenes, stabiles Währungssystem entstehen, das auf festen Paritäten bei nahezu gleichem Einfluss der Teilnahmewährungen aufbaute.52 Mit diesem Ziel schuf der Rat im April 1972 den Europäischen Wechselkursverbund.53 Im Rahmen dieser eher pragmatischen Zusammenarbeit verpflichteten sich die Mitgliedstaaten zur Einhaltung fester Wechselkursmargen (Paritäten). Während der 1. Stufe sollten die Bandbreiten für die Leitkursschwankungen von den im Bretton-Woods-System vorgeschriebenen 1,5% auf 1,2% verringert werden, um einen engeren währungspolitischen Zusammenhalt anzusteuern.54 So entstand das Bild der „Schlange im Tunnel“55, die sich als enges Band innerhalb der zulässigen Bandbreiten der europäischen Währungen im Verhältnis zum Dollar bewegte. Mit Ende des Bretton-Woods-System 1973 ließ die Mehrzahl der EWG-Mitglieder ihre Währungen frei gegenüber dem US-Dollar floaten. Gleichzeitig vereinbarten die Mitgliedstaaten, untereinander stabile Wechselkurse zu halten. Infolge dieses, als „Blockfloating“ bezeichneten Prinzips verließ die Währungs50

Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (235); Weinbörner, S. 29. Strohmeier, S. 63. 52 Ensthaler, JuS 1994, S. 26 (26); Siebelt, S. 115 f.; Walter, S. 189. 53 Entschließung des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 21.03.1972 betreffend die Anwendung der Entschließung vom 22.03.1971 über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft, ABl.EG Nr. C 38, S. 3. 54 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 97; Galahn, S. 30. 55 Brosius-Gersdorf, S. 269 f.; Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 98; Kortz, S. 30 f. 51

4. Abschn.: Währungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg

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schlange den „4,5-%-Tunnel“, da die An- und Verkaufslimits des US-Dollar wegfielen.56 Jedoch waren einige Mitgliedstaaten in der Folge außerstande, den von der D-Mark ausgelösten Aufwärtsbewegungen der „Schlange“ gegenüber dem Dollar standzuhalten. 1972 schieden Großbritannien und Irland aus der Währungsschlange aus; 1973 folgte Italien und 1976 Frankreich.57 Ende 1976 existierte somit ein Währungsverbund zwischen der D-Mark und den kleineren EG-Währungen (Benelux-Staaten, Dänemark), der wegen der überragenden Rolle der D-Mark als Reservewährung58 als „D-Mark-Block“ bezeichnet wurde. Somit trennte der stabile Hartwährungsblock die starken und schwachen Gemeinschaftswährungen, wodurch die EWG Ende 1978 wechselkurspolitisch in zwei Hälften gespalten war.59 Erfolgreich war der Wechselkursverbund nur im Hinblick auf die Erkenntnis, dass ein System fester Wechselkurse nur zwischen wirtschaftlich homogenen Staaten funktioniert.60 Zudem sahen sich die Vertreter der Krönungstheorie61 bestätigt, denen zufolge es mangels nennenswerter wirtschaftspolitischer Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten zum Zerfall der „Schlange“ kommen musste.62 Der nach den damaligen Vorstellungen zum 1. Januar 1974 geplante Eintritt in die 2. Stufe63 kam wegen fehlender Stabilitätsbereitschaft der Mitgliedstaaten nicht zustande. Grund dafür waren die starren nationalen Vorstellungen zur eigenständigen Wirtschaftspolitik sowie die Währungskrisen des Bretton-WoodsSystems.64 Vielmehr bewegten sich die nationalen Volkswirtschaften infolge freier Wechselkurse und divergierender Inflationsraten zunehmend voneinander weg. Die Voraussetzungen einer WWU waren somit nie wieder so ungünstig wie zu diesem Zeitpunkt. Nachdem die Währungsunion im 1975 veröffentlichten „Majorlin-Bericht“ als gescheitert beurteilt wurde,65 legte der Ministerrat die

56 Infolge der IWF-Satzungsreform gewährte Art. IV IWF-Abkommen den Mitgliedern maximale Wechselkursfreiheit. 57 Walter, S. 188 f. 58 Bernholz, Bundesbank und Währungsintegration, S. 773 (793). 59 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 98 f. 60 Weinbörner, S. 28. 61 Siehe dazu oben, I. 62 Strohmeier, S. 68. 63 Galahn, S. 29. 64 Ensthaler, JuS 1994, S. 26 (26); Tietmeyer, Währungspolitik und Integration, S. 467 (478). 65 Duisenberg, Kreditwesen 1999, S. 904; Ensthaler, JuS 1994, S. 26 (27); Goetze, S. 26; Gramlich, Europäische Zentralbank, S. 123, spricht von einem „Begräbnis erster Klasse“; Studt, S. 19.

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

Pläne vorläufig „auf Eis“.66 Indes besaß das Grundkonzept des Werner-Plans weiterhin Gültigkeit; es fand sich im Bericht der Delors-Kommission67 wieder. 5. Abschnitt

Das Europäische Währungssystem A. Charakteristik Um der Gefahr endgültiger währungspolitischer Desintegration vorzubeugen, bekundeten die Mitgliedstaaten in der Folgezeit wieder Interesse an einem gemeinschaftsweit anwendbaren Konzept währungs-, vor allem wechselkurspolitischer Zusammenarbeit. Erste Ansätze eines solchen Systems fanden sich bereits im EWGV1, wenngleich konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der fragmentarisch formulierten währungspolitischen Ziele in Art. 104 ff. EWG-Vertrag fehlten.2 Mit dem auf Vorschlag von Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing3 gefassten Ratsbeschluss4 vom Dezember 1978 über die Errichtung eines Europäischen Währungssystems (EWS) kam Bewegung in die „eingefrorene“ Diskussion um währungspolitische Integration. Die richtungsweisende Rolle des EWS im Prozess der Vergemeinschaftung soll daher im nachfolgenden Abschnitt analysiert werden. Gründungsmitglieder des EWS waren die Notenbanken der sieben Mitgliedstaaten Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Luxemburg und Irland. Konzipiert war das EWS als regionales Fixkurssystem mit dem Ziel einer europäischen Zone währungspolitischer Stabilität, was die Bundesbank stets als Zone der Preisstabilität interpretierte. Vor allem in Deutschland erhoffte man sich infolge engerer währungspolitischer Zusammenarbeit einen effektiven Schutz der europäischen Volkswirtschaften vor den Effekten starker Dollarfluktuationen. Das EWS sollte die stabilitätspolitische Orientierung der Mitgliedstaaten verstärken, weshalb es symmetrische Rechte und Pflichten aller Teilnehmer statuierte. Trotz dessen wurde die Währungshoheit der Mitgliedstaaten nicht angetastet (Art. 102a Abs. 1 EWG-Vertrag). Da die Autonomie der Bundesbank weder in Zielsetzung noch in Zielverwirklichung eingeschränkt 66 Entschließung des Rates vom 09.05.1971 zur monetären Situation, ABl.EG Nr. C 58, S. 1. 67 Siehe dazu unten, 6. Abschnitt, A. 1 Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, C. II. 2 Brosius-Gersdorf, S. 268; Janzen, S. 19; Nicolaysen, S. 16; Siebelt, S. 115. 3 Ensthaler, JuS 1994, S. 26 (27); Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (676); Studt, S. 20 ff. 4 Entschließung des Europäischen Rates über die Errichtung des Europäischen Währungssystems (EWS) und damit zusammenhängende Fragen, Brüssel, 05.12.1978, abgedruckt in Krägenau/Wetter, Dokument 13, S. 121 f.

5. Abschn.: Das Europäische Währungssystem

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war, stand ihr das im 3. Abschnitt dargestellte geldpolitische Instrumentarium (§§ 15–18 BBankG) zur Bekämpfung stabilitätsmindernder Tendenzen in vollem Umfang zur Verfügung.5 Indes verstärkten sich währungspolitische Einflüsse, denen die Bundesbank infolge umfangreicher Interventions- und Kreditverpflichtungen im EWS ausgesetzt war. Andererseits kritisierten viele Beobachter, dass die beträchtlichen Unterschiede der mitgliedstaatlichen Inflationsraten6 keine guten Voraussetzungen für ein Festkurssystem bildeten. Zudem folgte aus der faktischen Bindung an die stärkere D-Mark, dass schwächere Mitgliedswährungen entweder einem ständigen Abwertungsdruck ausgesetzt waren, oder dass die betroffenen Staaten – um dies zu vermeiden – einen innenpolitisch schwer durchsetzbaren, weil restriktiven Kurs der Inflationsbekämpfung einschlagen mussten. I. Rechtsgrundlagen

Das EWS basierte auf einem „mixtum compositum“7 von Normen, die nur zum Teil dem Gemeinschaftsrecht angehören. Neben der Entschließung des Rates8 dienten zwei Verordnungen9 dem EWS als wesentliche Grundlagen. Zudem wurde das eher völkerrechtlich10 zu qualifizierende Abkommen der Zentralbanken von 197211 dem EWS angepasst. II. Funktionsweise

1. Allgemeines Das EWS basierte auf bekannten und neuen, sich gegenseitig ergänzenden Elementen:12 der European Currency Unit (ECU), dem Interventions- und Wechselkursmechanismus sowie dem Kreditmechanismus. 5

Strohmeier, GYIL 25 (1982), S. 352 (361). 10% in Frankreich, fast 14% in Irland, über 15% in Italien gegenüber 4% in Deutschland und den Niederlanden. 7 Galahn, S. 37; Hahn, Währungsrecht, § 13, Rn. 13; Siebelt, S. 116. 8 Entschließung des Europäischen Rates vom 05.12.1978. 9 Verordnungen (EWG) Nr. 3180/78 und Nr. 3181/78 vom 18.12.1978, ABl.EG Nr. L 379, S. 1. 10 Selmayr, Recht der WWU, S. 164. 11 Abkommen zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft vom 10.04.1972 über die Verringerung der Bandbreiten zwischen den Währungen der Gemeinschaft, geändert durch Abkommen vom 13.03.1979 zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Funktionsweise des Europäischen Währungssystems, beide abgedruckt in Krägenau/Wetter, Dokument 6, S. 110 und Dokument 16, S. 124 ff. 12 Bernholz, Bundesbank und Währungsintegration, S. 773 (799); Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 354; Siebelt, S. 109 f.; Studt, S. 26. 6

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

Die Verwaltung des EWS war den nationalen Zentralbanken gemeinsam mit dem EFWZ übertragen, womit der EFWZ in die Dienste des neuen EWS trat. Die Personalunion der nationalen Zentralbankpräsidenten im EFWZ-Verwaltungsrat und im Gouverneursausschuss war insoweit schwierig, als nur der Gouverneursausschuss autonom agierte und somit nicht an die vom Rat erlassenen allgemeinen wirtschaftspolitischen Leitlinien gebunden war. Die Zentralbankpräsidenten trafen daher bevorzugt Entscheidungen durch den Ausschuss,13 wodurch der EFWZ keine eigenständige Position bilden konnte. Obwohl der EFWZ als „institutioneller Kern des EWS“14 fungierte, fasste der Verwaltungsrat nur die zur technischen Abwicklung des EWS erforderlichen Beschlüsse. Die Ausgestaltung der Grundsätze sowie die Abwicklung der laufenden Geschäfte lagen bei den nationalen Zentralbanken.15 Daher gab der Gouverneursausschuss auch die ursprünglich geplante Erweiterung der EFWZ-Kompetenzen in Richtung einer zentralbankähnlichen Funktion im Jahr 1980 auf.16 Die Bundesbank betonte, dass die Aufgaben des EFWZ erst bei Angleichung der Preisentwicklung erweitert werden könnten, wobei sie zum Kompetenztransfer bereit sei, sobald sich das EWS zur „Stabilitätszone“17 entwickle. 2. ECU Die ECU war als Rechnungs- und Währungseinheit zentrales Element des EWS. Sie diente vorrangig als Bezugsgröße der Wechselkurs-, Interventionsund Kreditmechanismen sowie als Zahlungsmittel bei Geschäften der und mit EWS-Zentralbanken.18 Die ECU setzte sich als festes Mengengerüst19 aus zwölf EG-Währungen zusammen. Das Gewicht20 der einzelnen Währungen innerhalb des Währungskorbs trug der Bedeutung im innereuropäischen Handel, dem Bruttosozialprodukt des Mitgliedstaats sowie den bilateralen Leitkursen21 Rechnung. Die Ausgabe von ECU stand allein dem EFWZ zu. Die ECU-Währungsreserven wurden zunächst vom EFWZ und den nationalen Zentralbanken gehalten. Ab 198522 konnten auch andere Kreditinstitute als „Sonstige Halter“ auftreten. 13

Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (235, Fn. 26 a. E.). Siebelt, Verhaltensspielraum der Zentralbank, S. 120. 15 Zum Einfluss der nationalen Zentralbankpräsidenten im Rahmen des EFWZ, siehe oben, 4. Abschnitt, E. II. 16 Bernholz, Bundesbank und Währungsintegration, S. 773 (802). 17 Bernholz, ebenda. 18 Ziff. 2.2 der Entschließung des Rates vom 05.12.1978; ausführlich zu den vier Funktionen der ECU Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 112 ff. 19 Ensthaler, JuS 1994, S. 26 (27); Goetze, S. 29. 20 Zur genauen Zusammensetzung des ECU-Währungskorbes Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (31). 21 Bundesbank, Monatsbericht März 1979, S. 11 (12 f.). 14

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3. Wechselkursmechanismus Auf Basis der Währungsschlange23 sollte der neue Mechanismus dafür sorgen, dass Wechselkursrisiken den Im- und Export der Gemeinschaft nicht zusätzlich beeinträchtigten.24 Als Bezugsgröße des Wechselkursmechanismus diente der Leitkurs der Mitgliedswährungen gegenüber der ECU.25 Aufgrund des intergouvernementalen Charakters des EWS waren die ECU-Leitkurse nur einvernehmlich zwischen allen Mitgliedstaaten und der Kommission änderbar.26 Leitkursabweichungen waren nur innerhalb der Bandbreiten von ±2,25% möglich. Abweichungen von ±6%27 bildeten die Ausnahme für die Länder, die der Währungsschlange bei Inkrafttreten des EWS nicht angehörten. Seit 1993 waren Margen von ±15% zulässig. Für die Praxis bedeutsamer war indes das Paritätengitter28 der bilateralen Leitkurse der Teilnehmerwährungen. Die Entwicklung des Paritätengitters und der Bandbreiten waren auf das Bestreben der Bundesbank während der Verhandlungen zum EWS zurückzuführen.29 a) Leitkursanpassungen Infolge der Koppelung der EWS-Währungen an die ECU zog jede Änderung der bilateralen Wechselkurse (realignment) eine Neufestsetzung der ECU-Leitkurse nach sich. Da die EWS-Entschließung30 als politische Absichtserklärung31 nur rechtlich unverbindlichen Charakter hatte, wurden für den Fall von realignments keine konkreten Zuständigkeiten nationaler Stellen festgelegt. Somit blieben nationale Kompetenzen zu Wechselkursanpassungen sowie die Mittel zu Kurskorrekturen32 unangetastet (Art. 107 EWG-Vertrag). Der außenpolitische Grundsatz der Zuständigkeit der Bundesregierung für Wechselkursänderungen hatte weiterhin Bestand, da keinerlei gesetzliche Ermächtigung der Bundesbank zu derartigen Beschlüssen existierte. Zwar stand den EWS-Zentral22 VO (EWG) Nr. 3066/85 des Rates vom 28.10.1985 zur Änderung des Artikels 2 der VO (EWG) Nr. 3181/78 hinsichtlich der Verwendung von ECU durch „sonstige Besitzer“, ABl.EG Nr. L 290, S. 95. 23 Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, E. III. 24 Bundesbank, Monatsbericht März 1979, S. 11 (16); Strohmeier, S. 93. 25 Ziff. 3.1. der Entschließung vom 05.12.1978; Art. 1 des Zentralbankabkommens vom 13.03.1979. 26 Ziff. 3.2. der Entschließung vom 05.12.1978. 27 Dauses, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, F. I. Rn. 29. 28 Ensthaler, Jus 1994, S. 26 (27); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 360; Kortz, S. 35; Walter, S. 191. 29 Bernholz, Bundesbank und Währungsintegration, S. 773 (801). 30 Entschließung des Rates vom 05.12.1978. 31 Strohmeier, GYIL 25 (1982), S. 352 (368 f.). 32 Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (235).

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

banken das Recht, und sofern die Kommission dies verlangte, die Pflicht zur Erörterung von Leitkursänderungen zu.33 Daraus folgte jedoch kein allgemeiner Anspruch auf Beteiligung der Zentralbanken bei der Festsetzung von realignments.34 Die Bundesbank besaß nach wie vor nur ein Beratungs- und Anhörungsrecht gegenüber der Bundesregierung in „Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung“ (§ 13 Abs. 1, 3 BBankG), wozu Wechselkursänderungen unzweifelhaft gehörten.35 Auch griff die Regierung im Falle von Leitkursänderungen regelmäßig36 auf die Sachkompetenz der Bundesbank zurück. Dieser tatsächliche Einfluss37 der Bundesbank war wichtig, da die Zentralbank das Ziel frühzeitiger Leitkursanpassungen verfolgte, um die Zentralbankgeldmenge im selbst gesteckten Rahmen zu halten. Obwohl die normative Pflicht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit mit der Bundesbank de iure der unverbindlichen EWS-Entschließung vorging, minderte das primärrechtliche Kooperationsgebot (Art. 5 EWG-Vertrag = Art. 10 EG-Vertrag) das faktische Mitspracherecht der Bundesbank.38 Dies verdeutlichte den wachsenden Einfluss gemeinschaftsrechtlicher Prinzipien auf einfachgesetzlich verbürgte Rechte und Pflichten der Bundesbank als nationaler Zentralbank. b) Interventionspflichten Der Wechselkursmechanismus sah ein „Eingreifen“39 der nationalen Notenbanken beim Erreichen bestimmter Interventionspunkte voraus. Waren diese Punkte erreicht, verkaufte die Zentralbank der stärkeren Währung ihre eigene Währung gegen die schwächere Partnerwährung, während die Bank mit der schwachen Währung ihre Geldeinheit durch Kauf (und Abgabe) der stärkeren Partnerwährung aus dem Markt zog. Dabei waren obligatorische und fakultative Notenbankpflichten zu trennen. Obligatorisch40 waren Interventionen, die den betragsmäßig unbegrenzten An-/Verkauf der betroffenen Währung des Teilnehmerstaates umfassten und Reaktionen auf die Devisenmärkte darstellten.41 Auf 33 Art. 3 des Ratsbeschlusses vom 08.05.1964; Art. 2 Zentralbankabkommen vom 13.03.1979. 34 Hahn, Währungsrecht, § 15, Rn. 19 f.; Siebelt, S. 144. 35 Siebelt, S. 145. 36 Hahn, Währungsrecht, § 15, Rn. 21; Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (235). 37 Siebelt, S. 146; Strohmeier, GYIL 25 (1982), S. 352 (370 f.). 38 Strohmeier, GYIL 25 (1982), S. 352 (371). 39 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 117 ff.; Galahn, S. 41; Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (676); Schmidt, Öff. Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 354 f.; Studt, S. 39 f.; Walter, S. 191. 40 Ziff. 3.3.–3.5. der Entschließung vom 05.12.1978.

5. Abschn.: Das Europäische Währungssystem

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die Festlegung der obligatorischen Interventionspunkte hatte die Bundesbank keinen Einfluss;42 dies stand allein im Entscheidungsermessen der beteiligten Mitgliedstaaten.43 Fakultative Interventionen waren den Notenbanken hingegen immer dann erlaubt, wenn die für jede Währung gesondert in ECU definierte Abweichungsschwelle, die bei 75% der Bandbreiten lag, erreicht war.44 Derartige Interventionen wurden als intramarginal bezeichnet, da die Notenbanken intervenieren konnten,45 sofern nur die Vermutung46 zur Kurskorrektur bestand. Um ein einheitliches Auftreten der teilnehmenden Notenbanken am Markt sicherzustellen, mussten fakultative Interventionen zwischen den Zentralbanken abgestimmt werden.47 Zu diesem Zweck fanden tägliche telefonische Konzertierungsgespräche48 zwischen den unterschiedlichsten Hierarchieebenen der Notenbanken statt. Die Bundesbank konnte sich den Interventionspflichten im Rahmen des EWS nicht entziehen. Im Übrigen hatte sie nur im Rahmen der Devisenmarktoperationen die Möglichkeit, den Wechselkurs zu beeinflussen.49 Indes bargen übermäßige Interventionen zugunsten schwächerer Währungen die Gefahr, die stabilitätsorientierte Politik der Bundesbank zu stören50 und die Inflationsbekämpfung im Inland zu erschweren. Angesichts des Ziels stabiler Wechselkurse im EWS waren häufige Paritätsänderungen auch wenig sinnvoll.51 Der Bundesbank gelang es im Wesentlichen, die Interventionen durch liquiditätspolitische Maßnahmen, insbesondere kursglättende Interventionen zugunsten der D-Mark,52 zu neutralisieren. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte die Bundesbank infolge drohender Ausdehnung der Zentralbankgeldmenge die Bundesregierung zu einer Wechselkurskorrektur veranlassen müssen,53 wofür ihr indes außenpolitisch die Letztentscheidungsbefugnis fehlte. Die Bundesbank vertrat zeitweise den Standpunkt, dass Interventionspflichten im Extremfall begrenzt oder sogar vollkommen ausgesetzt werden konnten.54 41

Hahn, Währungsrecht, § 13, Rn. 21. Bofinger, Wirtschaftsdienst 1992, S. 457 (458). 43 Zu den Leitkursanpassungen siehe oben, a). 44 Hahn, Währungsrecht, § 13, Rn. 21; Siebelt, S. 121 f. 45 Weinbörner, S. 35. 46 Ziff. 3.6. der Entschließung vom 05.12.1978. 47 Bundesbank, Monatsbericht März 1979, S. 11 (13). 48 Rieke, Die Bank 1979, S. 465 (466). 49 Hahn, Währungsrecht, § 15, Rn. 17. 50 Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (76); Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (187 f.); Strohmeier, GYIL 25 (1982), S. 352 (360). 51 Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (77). 52 Strohmeier, GYIL 25 (1982), S. 352 (361). 53 Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (76 f.); Strohmeier, S. 174 f. 54 Goetze, S. 75; Nicolaysen, Rechtsfragen, S. 12, Fn. 17. 42

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

Sie stützte ihre Auffassung auf die Zusage des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt an Bundesbankpräsident Otmar Emminger aus dem Jahr 1978 („Emminger-Klausel“), einer Suspendierung der Pflichten zuzustimmen, wenn die stabilitätsorientierte Geldpolitik gefährdet sei.55 Ein solches Vorgehen der Bundesbank wäre auch rechtlich denkbar gewesen. Grundlage der Interventionen war das Abkommen zwischen den Zentralbanken, das kein Gemeinschaftsrecht im engeren Sinne darstellte.56 Somit waren Interventionen nur als Obliegenheit, nicht aber als Rechtspflicht zum Handeln anzusehen. Für den Fall ihres Nichtausführens waren keinerlei Sanktionen vorgesehen,57 sodass der Bundesbank theoretisch die Möglichkeit der Einstellung der Devisenmarktinterventionen offen gestanden hätte.58 Im Grunde bewies dieses Konstrukt jedoch nur die mangelnde Bindungswirkung der EWS-Bestimmungen. Die Bundesbank wollte sich von außen nicht in ein Wechselkurssystem zwingen lassen,59 das ihre Stabilitätsziele konterkarierte. Jedoch war sie bei ihrem Ziel der „Stabilitäts-, nicht Inflationsgemeinschaft“60 weitgehend vom politischen Willen der übrigen EWSTeilnehmer abhängig. 4. Kreditmechanismus Um den EWS-Zentralbanken Zugang zu den für die Interventionen erforderlichen Finanzmitteln zu verschaffen, beinhaltete der Kreditmechanismus drei Kreditlinien mit unterschiedlichen Laufzeiten.61 Die ECU fungierte dabei als Rechengröße für Finanzoperationen sowie als Zahlungsmittel und Reserveinstrument des Saldenausgleichs zwischen den EWS-Zentralbanken. Als wichtigstes Kreditinstrument des EWS diente das Swap-System den EWS-Notenbanken als Beistandssystem zur gegenseitigen Kreditgewährung.62 Diese kurzfristige Kreditierung stellte sicher, dass jede Zentralbank die zur Intervention erforderlichen Währungsbeträge von der jeweiligen Emissionsnotenbank erhielt.63 Die Verwaltung der durch Swapgeschäfte übertragenen Währungsreserven war jeweils der hinterlegenden Zentralbank, somit auch der Bundesbank, übertragen.64

55 Bernholz, Bundesbank und Währungsintegration, S. 773 (801); Selmayr, Recht der WWU, S. 164; Thiel, S. 393 (401). 56 Siehe dazu oben, I. 57 Strohmeier, GYIL 25 (1982), S. 352 (372 f.). 58 Strohmeier, S. 201 f. 59 Kaltenthaler, JCMS 2002, Vol. 40, S. 69 (77). 60 Schmidt, Der Staat 1981, Beiheft 5, S. 61 (77). 61 Im Einzelnen dazu Siebelt, S. 122 f. 62 Galahn, S. 41 f.; Streinz, Europarecht, 6. Auflage, Rn. 875 ff. 63 Bundesbank, Monatsbericht März 1979, S. 11 (15). 64 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 115; Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (235).

5. Abschn.: Das Europäische Währungssystem

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Im Rahmen des EWS aufgestockt, aber nicht integriert, wurden die Systeme des kurzfristigen65 Währungsbeistands zur Deckung von Zahlungsbilanzdefiziten und des mittelfristigen66 finanziellen Beistands (Art. 108 EWG-Vertrag), der die Kreditvergabe für zwei bis fünf Jahre gestattete. Infolge der erweiterten Beistandspflicht musste die Bundesbank die notwendigen Finanzmittel vorhalten, was sie in ihrem Geldmengenziel gewissermaßen einschränkte. Abgesehen vom beträchtlichen Kreditrahmen, den die Bundesbank im kurzfristigen Beistandssystem bereit hielt, konnte die Bundesregierung im mittelfristigen Beistandssystem faktisch eine zusätzliche Kreditvergabe in Höhe von knapp der Hälfte der Masse der Offenmarktgeschäfte verlangen.67 Zwar sollten derartige Kreditvergaben einvernehmlich zwischen Bundesbank und Bundesregierung erfolgen. Indes unterlief das dominierende „Entscheidungsprimat der Bundesregierung“68 die Unabhängigkeit der Bundesbank (§ 12 BBankG). B. Einfluss der Einheitlichen Europäischen Akte Erhebliche Fortschritte hinsichtlich der primärrechtlichen Verankerung der Währungspolitik brachte die am 1. Juli 1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte69 (EEA). Bereits die Präambel der EEA normierte das Fernziel der schrittweisen Umsetzung einer WWU.70 Zudem sicherte die EEA das EWS primärrechtlich ab71 und verlieh seinen Beschlüssen Rechtsverbindlichkeit72. Unter der Überschrift „Währungspolitische Befugnisse“ schuf Art. 20 EEA mit dem neuen Art. 102a EWG-Vertrag73 eine gemeinschaftsrechtlich bindende Regelung, die die Mitgliedstaaten zu wirtschafts- und währungspolitischer Kooperation verpflichtete (Art. 104 EWG-Vertrag).74 Jedoch hatte Art. 102a EWG-Vertrag eher Plancharakter, da allein der erste Absatz richtung65 Art. III Abkommen vom 09.02.1970 zur Errichtung eines Systems des kurzfristigen Währungsbeistands unter den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, abgedruckt in Krägenau/Wetter, Dokument 25, S. 137 ff. 66 Art. 3 Ziff. 4 der Entscheidung des Rates über den mittelfristigen finanziellen Beistand und Gesetz zur Durchführung des mittelfristigen finanziellen Beistandes in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 24.12.1971, BGBl. I, S. 2156, beide später ersetzt durch VO (EWG) 1969/88 des Rates zur Einführung eines einheitlichen Systems des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten vom 24.06.1988, ABl.EG 178, S. 1. 67 Strohmeier, S. 178. 68 Strohmeier, GYIL 25 (1982), S. 352 (362). 69 Einheitliche Europäische Akte vom 28.02.1986, BGBl. II, S. 1104. 70 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 100; Galahn, S. 51; Studt, S. 52 ff. 71 Goetze, S. 33; Siebelt, S. 129 f. 72 Hahn, Währungsrecht, § 13, Rn. 16, 33. 73 Art. 102a EWGV in der Fassung des Art. 20 EEA. 74 Brosius-Gersdorf, S. 273; Hahn, Währungsrecht, § 13, Rn. 31; Kortz, S. 37; Siebelt, S. 128 ff.; Weinbörner, S. 40.

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

weisend war. Der Rest der Vorschrift enthielt hingegen nur vage Zielvorgaben. So wurden die bestehenden währungsrechtlichen Kompetenzen gebilligt, was insbesondere in der Fixierung der bestehenden Zuständigkeiten sowie der Interventions- und Kreditverpflichtungen der nationalen Notenbanken zum Ausdruck kam.75 Im Übrigen knüpfte Art. 102a Abs. 2 EWG-Vertrag institutionelle währungspolitische Veränderungen, speziell ein einheitliches Zentralbanksystem, an ein förmliches Vertragsänderungsverfahren (Art. 236 EWG-Vertrag = Art. 48 EU-Vertrag), das wiederum Anhörungen von Währungs- und Gouverneursausschuss voraussetzte. Insgesamt führte die EEA zu einer gefestigten und vertieften Zusammenarbeit der Währungsbehörden, wenngleich der Verhaltensspielraum der Zentralbanken de iure kaum beschränkt wurde76. C. Zunahme der Konvergenz Nachdem die erste Phase des EWS (1979–1983) von einer relativ expansiven Geldpolitik verschiedener Länder und häufigen, teils größeren Paritätsänderungen geprägt war, stabilisierte sich das System bis 1990 mit der Bandbreite von 2,25%.77 Die durchschnittliche Schwankungsbreite der übrigen EWS-Währungen betrug gegenüber der D-Mark nur einen Bruchteil der Abweichung, die im gleichen Zeitraum zwischen den EWS-Währungen und den großen Weltwährungen US-Dollar und Yen zu verzeichnen waren.78 Die relative Wechselkursstabilität zwischen 1987 und 199279 war auf das Zusammenwirken verschiedener Faktoren, vor allem aber auf die Annäherung der Wirtschaftspolitiken und Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung zurückzuführen. Infolge des geld- und zinspolitischen Stabilitätskurses der Bundesbank wurde die D-Mark zur „Ankerwährung“80 im Paritätengitter. Die faktische Stellung der D-Mark als Leitund Reservewährung81 führte zu wachsender Konvergenz der anderen EWSTeilnehmerländer. Entgegen der ursprünglich geplanten symmetrischen Verteilung von Rechten und Pflichten resultierte daraus ein asymmetrischer Anpassungszwang82 der sich an den Stabilitätsstandards der Bundesbank orientieren75

Selmayr, Recht der WWU, S. 173 ff. Siebelt, S. 132. 77 Galahn, S. 42 f.; Studt, S. 48 ff. 78 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 119. 79 Bernholz, Bundesbank und Währungsintegration, S. 773 (803); Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 123. 80 Duisenberg, Kreditwesen 1999, S. 904 (905); Eijffinger, S. 169 (172); Galahn, S. 43; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 360; Nicolaysen, S. 14 f.; Studt, S. 51; Tietmeyer, Währungspolitik und Integration, S. 467 (482). 81 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 99; Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (676). 82 Strohmeier, GYIL 25 (1982), S. 352 (369, Fn. 100). 76

5. Abschn.: Das Europäische Währungssystem

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den EWS-Zentralbanken. Während dies auf politischer Ebene teilweise zu Spannungen führte,83 würdigten die Märkte die geradlinige Haltung der Bundesbank. Somit konnten auch die schwächeren EWS-Währungen Kapitalzuflüsse verbuchen, was zur vorläufigen Stabilisierung der Wechselkurse führte. D. EWS-Krise 1992/1993 Die Situation änderte sich Mitte 1992 mit dem Beitritt währungspolitisch schwacher Staaten. Verschlechterte Konvergenzergebnisse führten zu massiven Wechselkursschwankungen und häufigen realignments.84 Diese trafen das EWS hart, weil sich die Inflationsraten bereits so weit angenährt hatten, dass veränderte nominale Wechselkurse zu einer spürbaren, dauerhaften Verschiebung relativer Wettbewerbspositionen führten.85 Hinzu kam, dass einige nordische Länder die freiwillige Wechselkursbindung an die ECU aufgaben. Auch ließ die Kritik an der „Hochzinspolitik der Bundesbank“ – Folge des raschen Anstiegs öffentlicher Defizite aufgrund expansiver Fiskalpolitik im Zuge der deutschen Einheit86 – Zweifel an wirtschaftspolitischer Konvergenz der Mitgliedstaaten aufkommen.87 Prinzipiell war es der funktional unabhängigen Bundesbank in dieser Situation möglich, sowohl die Sicherung des Geldwertes in Deutschland zu überwachen als auch die de facto bestehende Funktion des EWS-Währungsankers sicherzustellen.88 Allerdings waren die zinspolitischen Steuerungsmöglichkeiten der Bundesbank aufgrund der „Vorbildfunktion“89, an der sie festhalten wollte, eingeschränkt. Der Zentralbankrat90 gab dennoch der Ankerfunktion der DMark samt einer restriktiven Zinspolitik91 den Vorzug, indem er konsequent nach preisstabilitätspolitischen Gesichtspunkten entschied92 und die europäische Konjunktur erst in zweiter Linie berücksichtigte. Diese Mischung aus hartnäckiger Hochzinspolitik93 und geringfügiger Flexibilität honorierten sowohl das 83

Bernholz, Bundesbank und Währungsintegration, S. 773 (805). Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 123. 85 Lamfalussy, in: Die Europäische Währung, S. 51 (54). 86 Bernholz, Bundesbank und Währungsintegration, S. 773 (809); Bundesbank, Monatsbericht August 1993, S. 19 (21); Goos, Economic and Financial Review, Nr. 1, Januar/März 1994, S. 3 (7). 87 Zu den Gründen der EWS-Krise ausführlich Büsching, S. 179 f. 88 Büsching, S. 144. 89 Bundesbank, Monatsbericht August 1993, S. 19 (21); Büsching, S. 157. 90 Sitzung des Zentralbankrates vom 16.07.1992, siehe dazu Büsching, S. 145. 91 Bundesbank, Monatsbericht August 1993, S. 19 (22). 92 Goos, Economic and Financial Review, Nr. 1, Januar/März 1994, S. 3 (4). 93 So bezeichnete die Bundesbank ihre Entscheidung über die Anhebung des Diskontsatzes vom 16.07.1992 als „Konzession an die europäische Konjunktur“; Büsching, S. 157. 84

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

EWS94 als auch die internationalen Finanzmärkte als glaubwürdiges Vorgehen. Kurzfristig gelang es der Bundesbank, die „Ankerrolle“ der D-Mark im EWS zu verteidigen. Gleichzeitig bewies sie, dass eine unabhängige europäische Zentralbank Geldmengensteuerung durch Zinspolitik betreiben sollte.95 Den wachsenden Druck globalisierter Finanzmärkte und politischer Widerstände, der zunehmend zu potentieller Instabilität des Festkurssystems führte, konnte die Bundesbank allein nicht längerfristig kompensieren. Die Märkte verloren das Vertrauen in das EWS und begannen die schwächeren Währungen zu testen.96 Es folgte eine Phase größerer Wertverschiebungen zwischen den EWSWährungen. Unter starkem Abwertungsdruck97 schieden letztlich die britische und italienische Währung am 17. September 1992 aus dem Wechselkursverbund aus; die spanische und portugiesische Währung wurden um 6% abgewertet.98 Die am 2. August 1993 durchgeführte Erweiterung der Bandbreiten auf ±15% für Wechselkursfluktuationen,99 auch als „Befreiungsschlag“100 der EG-Finanzminister bezeichnet, verringerte den Abwertungsdruck. Auch wenn die erweiterten Bandbreiten – bis auf wenige Ausnahmen – nicht genutzt wurden, stellte sich die Frage nach der Notwendigkeit einer derartigen Ausweitung. Während bisher die Schwankungsbreiten allenfalls in 1-%-Schritten verändert wurden, kam es 1993 zu einer Verschiebung um über 10-Prozent-Punkte. Wären die Bandbreiten tatsächlich ausgeschöpft worden, hätte man berechtigterweise die dauerhafte Konvergenz und damit den Bestand des EWS anzweifeln können. Glücklicherweise stabilisierten sich die meisten Währungen nach anfänglichen Schwächen relativ schnell und kehrten in die alten Bandbreiten von ±2,25% zurück. Die EWS-Krise, die von vielen101 als Beweis für den endgültigen Untergang der WWU gesehen wurde, nahm eine integrationspolitisch positive Wende.102 Als „monetäre Lern- und Erfahrungsgemeinschaft“ bildete das EWS zugleich Anlaufphase und institutionellen Beginn der WWU.103 94 Goos, Economic and Financial Review, Nr. 1, Januar/März 1994, S. 3 (8), der ein Zitat des dänischen Notenbankpräsidenten wiedergibt: „It is in the interest of the system that the anchor currency give priority to price stability. The other members have to accept this, and should even demand this. [. . .].“ 95 Bundesbank, Geschäftsbericht 1992, S. 54 f. 96 Tietmeyer, Währungspolitik und Integration, S. 467 (487). 97 Duisenberg, Kreditwesen 1999, S. 904 (905); Galahn, S. 44/45. 98 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 122. 99 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (26); Ensthaler, JuS 1994, S. 26 (27). 100 Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 122. 101 Ensthaler, JuS 1994, S. 26 (29). 102 Dauses, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, F. I. Rn. 38 f.; Duisenberg, Kreditwesen 1999, S. 904 (905).

6. Abschn.: Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht

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6. Abschnitt

Der Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht A. Delors-Bericht Während bis dato die Mitgliedstaaten das in der EEA festgelegte Ziel einer schrittweisen WWU eher durch Koordination nationaler Politiken verfolgten, schuf der Vertrag von Maastricht die Basis für eine neue Qualität währungspolitischen Handelns durch vergemeinschaftete Institutionen. Die tiefgreifenden Veränderungen, die das Maastrichter Vertragswerk stufenweise vorsah, sind Gegenstand der nachfolgenden drei Abschnitte1. Zunächst intensivierte der 1989 vorgelegte „Delors-Bericht“2 die währungspolitische Zusammenarbeit in entscheidendender Weise. Ähnlich dem WernerPlan, jedoch umfassender und detaillierter, empfahl die Expertengruppe3 unter Vorsitz des damaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors die Vollendung der WWU in drei Stufen.4 Mit Blick auf die Kontinuität des Integrationsprozesses sollten die Mitgliedstaaten mit der „Entscheidung über die Einleitung der ersten Phase zugleich eine Entscheidung für den gesamten Prozess“5 treffen, wenngleich damit nur eine politische Verpflichtung gemeint war. Die 1. Stufe6 sollte zum 1. Juli 1990 beginnen, dem Stichtag der vollständigen Liberalisierung des Kapitalverkehrs7 im Binnenmarkt. Ziel dieser Phase war es, alle mitgliedstaatlichen Währungen dem EWS-Wechselkursmechanismus anzugliedern.8 Auch sollten die Mitgliedstaaten ihren Zentralbanken durch die jeweilige nationale Gesetzgebung zunächst ein höheres Maß an Autonomie zugestehen.9 Gleichfalls stellte der Bericht klar, dass sich ein einheitliches monetäres 103 Bundesbank, WWU, S. 13; Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allg. Teil, S. 355. 1 Siehe im Einzelnen Abschnitt 6–8. 2 Bericht zur Wirtschafts- und Währungsunion in der EG, vorgelegt vom Ausschuss zur Prüfung der Wirtschafts- und Währungsunion am 12.04.1989 (Delors-Bericht), abgedruckt in Krägenau/Wetter, Dokument 28, S. 146 ff. 3 Die Einsetzung des Delors-Ausschusses geht zurück auf die Tagung des Europäischen Rates in Hannover am 27./28.06.1988, Schlussfolgerungen des Vorsitzes (Auszug), abgedruckt in Krägenau/Wetter, Dokument 26, S. 140. 4 Galahn, S. 52 ff.; Goetze, S. 34; Tietmeyer, Währungspolitik und Integration, S. 467 (484). 5 Ziff. 39 des Delors-Berichts. 6 Ziff. 50 ff. des Delors-Berichts. 7 Richtlinie des Rates zur Durchführung des Art. 67 des Vertrages vom 24.06.1988, ABl.EG Nr. L 178, S. 5. 8 Siebelt, DÖV 1990, S. 362 (363). 9 Siebelt, ebenda.

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

Konzept nicht durch Einzelentscheidungen autonomer nationaler Zentralbanken umsetzen lasse.10 Der Bericht forderte die Errichtung eines politisch unabhängigen, allein der Preisstabilität verpflichteten Europäischen Zentralbanksystems, welches föderalen Charakter haben sollte.11 Jacques Delors betonte, dass die Institution, die die europäische Währung verwalten werde, die gleiche Unabhängigkeit wie die Bundesbank haben müsse – oder eine solche Institution werde es nicht geben.12 Dass im Ergebnis alle Ausschussmitglieder dem deutschen Konzept einer stabilitätsorientierten EZB zustimmten,13 war dennoch bemerkenswert. In einigen einflussreichen Mitgliedstaaten (Großbritannien, Frankreich, Italien) wurde das Prinzip der Notenbankautonomie nicht angewandt.14 Vielmehr unterlagen diese Notenbanken den Weisungen ihrer Regierungen, die von ihnen erwarteten, dass sie die Geldpolitik in den Dienst der allgemeinen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen stellten. Für die 1. Stufe sah der Bericht entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip keine institutionellen Änderungen vor; er definierte lediglich die Aufgaben der bestehenden Einrichtungen neu. Im Laufe der 2. Stufe sollte ein föderativ organisiertes Zentralbanksystem errichtet werden, welchem mit Beginn der 3. Stufe die bis dato zu vergemeinschaftende Geldpolitik obliegen würde.15 Im Rahmen dieses Zentralbanksystems hätten die nationalen Zentralbanken geldpolitische Maßnahmen nach Weisung des Zentralinstituts auszuführen. Allerdings enthielt der Bericht keinerlei Zeitpläne für den Übergang in die 2. Stufe16 und 3. Stufe17, da hierüber die Mitgliedstaaten entscheiden mussten. Die bereits im Zuge des EWS geführte Diskussion18 zwischen Monetaristen und Ökonomisten erlangte im Delors-Bericht neue Bedeutung. Der vom Parallelitätsprinzip19 durchzogene Bericht ging davon aus, dass Konvergenz gleichermaßen Fortschritte in Währungs- und Wirtschaftspolitik voraussetze. Um klare Zeichen zu setzen, beschloss der Europäische Rat im Juni 1989 den Start der 1. Stufe20, woraufhin im Oktober des Folgejahres der Beschluss21 zum

10

Ziff. 32 des Delors-Berichts. Gnan/Wittelsberger, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 14, Rn. 5; Hahn, Währungsrecht, § 14, Rn. 8 f. 12 Bernholz, Bundesbank und Währungsintegration, S. 773 (816). 13 Bleckmann, DVBl. 1992, S. 335 (341); Häde, EuZW 1992, S. 171 (174). 14 Studt, S. 63 f. 15 Ausführlich dazu Siebelt, DÖV 1990, S. 362 (363). 16 Ziff. 55 ff. des Delors-Berichts. 17 Ziff. 58 ff. des Delors-Berichts. 18 Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, E. 19 Weinbörner, S. 44. 20 Tagung des Europäischen Rates in Madrid am 26./27.06.1989, Schlussfolgerungen des Vorsitzes (Auszug), abgedruckt in Krägenau/Wetter, Dokument 29, S. 157. 11

6. Abschn.: Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht

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Beginn der Stufe 2 am 1. Januar 1994 folgte. Somit verhinderten die Mitgliedstaaten ein erneutes Scheitern der WWU in Stufe 1. B. Vertrag von Maastricht I. Allgemeines

Der Delors-Bericht diente den Staats- und Regierungschefs bei ihren Vertragsrevisionsverhandlungen im Dezember 1991 als Grundlage der WWU. Der im Februar 1992 unterzeichnete Vertrag von Maastricht22 fixierte primärrechtlich das jahrzehntelange Bestreben einer WWU. Untermauert wird die „Integration durch Recht“23 im Maastricht-Vertrag durch die Festlegung konkreter Daten, deren Verbindlichkeit dem Einigungsprozess einen gewissen Druck verleihen sollte.24 Obwohl der Titel VI EGV (= Titel VII EG-Vertrag) einheitlich mit „Wirtschafts- und Währungspolitik“ überschrieben ist, unterscheidet sich das Konzept der Wirtschaftsunion grundlegend von dem der Währungsunion. II. Wirtschaftsunion

Geprägt vom Grundsatz nationaler Verfassungszuständigkeit impliziert die Wirtschaftsunion nur ein geringes Potential an Vergemeinschaftung.25 Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EGV (= Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag) verdeutlicht die mitgliedstaatliche Alleinzuständigkeit, indem er nicht von einer (einheitlichen) Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft, sondern von (nationalen) Wirtschaftspolitiken in der Gemeinschaft spricht. Angesichts dieser Kompetenzasymmetrie26 verbleiben wirtschaftspolitische Entscheidungsbefugnisse im Wesentlichen auf nationaler Ebene, während die EG lediglich den wirtschaftspolitischen Ziel- und Orientierungsrahmen vorgibt. Der Grund liegt im Erhalt mitgliedstaatlicher Ent-

21 Sondertagung des Europäischen Rates in Rom am 27./28.10.1990, Schlussfolgerungen des Vorsitzes (Auszug), abgedruckt in Krägenau/Wetter, Dokument 38, S. 187. 22 Vertrag über die Europäische Union vom 07.02.1992, ABl.EG Nr. C 224, S. 2. In Deutschland wurde der Vertrag erst infolge des „Maastricht-Urteils“ des BVerfG vom 12.10.1993 (BVerfGE 89, S. 155 ff.) ratifiziert und trat am 01.11.1993 in Kraft. Entsprechend der erweiterten Zielsetzung des Vertrages erfolgte im gesamten Vertragstext die Umbenennung der früheren „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)“ in „Europäische Gemeinschaft (EG)“, weshalb deren Gründungsvertrag seitdem die Bezeichnung „Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV)“ trug. 23 Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (360). 24 Duisenberg, Kreditwesen 1999, S. 904 (905); Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (361). 25 Weinbörner, S. 61. 26 Hatje, DÖV 2006, S. 597 (598), mit dem Hinweis darauf, dass getrennt wird, „was eigentlich zusammengehört“.

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

scheidungs- und Regelungskompetenzen27 in der allgemeinen Wirtschaftspolitik, im Besonderen in der Haushaltspolitik (Art. 104b EGV = Art. 103 EG-Vertrag),28 sowie in der nationalen Steuer- und Abgabenhoheit29. Würden die Mitgliedstaaten Souveränitätsrechte in den genannten Bereichen an die Gemeinschaft abtreten, zöge dies Befugnisse in der Sozial-, Bildungs- und Infrastrukturpolitik nach sich, was die Umstrukturierung der EG in ein echtes Staatswesen bedingte.30 Der Vertrag von Maastricht bestätigt das Konzept der Staatengemeinschaft.31 Gerade das vom Grundsatz der Subsidiarität geprägte Prinzip nationaler Eigenverantwortung unterscheidet sich essentiell von wirtschaftspolitischer Solidarität in einem (europäischen) Bundesstaat.32 So lehnte Deutschland aus ordnungspolitischen Gründen ein „gouvernement économique“ nach französischem Vorbild stets ab.33 Somit beschränkte sich das Konzept der Wirtschaftsunion (Art. 98–104 EGV) auf primärrechtlich fixiertes Streben nach volkswirtschaftlicher Konvergenz durch Koordinierung und Abstimmung wirtschaftspolitischer Entscheidungen. Ähnlich wie unter Geltung des Art. 107 Abs. 1 EWG-Vertrag, wonach die Mitgliedstaaten ihre Wechselkurspolitik koordinierten,34 ist die Wirtschaftspolitik Angelegenheit von gemeinsamem Interesse. Daraus folgen für die Mitgliedstaaten gewisse Koordinationspflichten sowie politische Rechtfertigungslasten.35 Allerdings setzt die Methode der offenen Koordinierung der wirtschaftspolitischen Autonomie der Mitgliedstaaten de iure nur wenig konkrete Rahmenregelungen.36 Nicht zu übersehen ist, dass dezentrale Wirtschaftspolitiken in vielerlei Hinsicht vorteilhaft für die Mitgliedstaaten sind. So verbleibt nationalen Stellen in nicht zentralisierten Politikbereichen erheblicher Gestaltungsspielraum, was wiederum im zwischenstaatlichen Vergleich positive Wirkungen eines gesunden Politikwettbewerbs hervorruft.37 Zudem folgt die ausgewogene Kombination zentraler und dezentraler Elemente innerhalb des primärrechtlichen Rahmens dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 3b EGV = Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag). Demnach verbleiben diejenigen Politikbereiche in nationaler Verantwortung, bei denen 27

Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 382. Ein „dominanter Haushalt der Gemeinschaft“, so Seidel, EuR 1992, S. 125 (134), fehlt der Gemeinschaft. 29 Seidel, in: FS Börner, S. 417 (420). 30 Seidel, ebenda. 31 Seidel, EuR 1992, S. 125 (135). 32 Seidel, EuR 1992, S. 125 (136). 33 Thiel, S. 393 (395). 34 Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, C. II. 35 Hatje, DÖV 2006, S. 597 (599). 36 Hatje, DÖV 2006, S. 597 (599); Weinbörner, S. 60. 37 EZB, Monatsbericht November 2001, S. 59 (63). 28

6. Abschn.: Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht

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keine zwingenden Gründe für den Kompetenztransfer ersichtlich sind. Das gilt bis auf weiteres für die Finanz- und Strukturpolitik sowie die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. III. Währungsunion

Die im Vertrag von Maastricht fixierte Währungsunion ist weder Ausdruck einer rein ökonomistischen noch monetaristischen Haltung. Vielmehr werden – wie bereits im Werner-Plan38 – Elemente beider Auffassungen verknüpft,39 was zum „Europa der zwei Geschwindigkeiten“40 führt. Die in einem komplexen Funktionsmechanismus (Art. 105 ff. EGV) geregelte Währungsunion ist geprägt vom Ziel des – stufenweisen – Transfers der nationalen Währungssouveränität auf ein einheitliches Zentralbanksystem, das diese Aufgaben anschließend einheitlich wahrnimmt. Neben unwiderruflich festen Wechselkursen ist die einheitliche Währung das hauptsächliche Ziel der Währungsunion. Dies setzt indes voraus, dass sich ein gemeinschaftsweiter Konsens zur Stabilitätswahrung herausbildet, wodurch wiederum mehr oder minder intensive Effekte auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Mitgliedstaaten entstehen. Allerdings tastet der Vertrag von Maastricht trotz weit reichender Hoheitsrechtsübertragungen die Staatsqualität der Mitgliedstaaten vorerst nicht an. Der Vertrag hält am Konstrukt des Staatenverbundes fest, sodass die Mitgliedstaaten Herren der Verträge bleiben (Art. 104b EGV = Art. 103 EG-Vertrag). Allerdings schafft die Währungsunion in dem speziellen Politikbereich zwangsweise ein neues Zuordnungsverhältnis zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten; sie ist daher als höhere „Integrationsstufe eines Staatenbundes“41 anzusehen. Indes erhöht die Diskrepanz zwischen wirtschafts- und währungspolitischer Integrationstiefe42 das Risiko von Spannungen zwischen beiden Politikbereichen. Es ist Aufgabe der Mitgliedstaaten, diese Gefahr ernst zu nehmen und als Chance für einen Integrationsschub der national dominierten Wirtschaftspolitiken zu begreifen.

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Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, E. Nicolaysen, S. 20; näher dazu Roth, EuR 1994, Beiheft 1, S. 45 (51 f.). Roth, EuR 1994, Beiheft 1, S. 45 (52). Weber, JZ 1994, S. 53 (60). Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 39.

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

7. Abschnitt

Die Aufgaben der Bundesbank in der Konvergenzstufe (1. Stufe) A. Rechtliche Grundlagen I. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

Ziel der vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1993 dauernden Konvergenzstufe war es, im Wege wirtschafts- und währungspolitischer Angleichungsmaßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten ein gewisses Maß an volkswirtschaftlicher Konvergenz sicherzustellen (Art. 109e Abs. 2 EGV = Art. 116 Abs. 2 EG-Vertrag).1 Im Rahmen der in diesem Abschnitt vorzunehmenden Analyse der Effekte der Konvergenzstufe auf Rechtsstellung und Funktion der Bundesbank als nationale Zentralbank sind sowohl primärrechtliche Veränderungen als auch Neuerungen des nationalen BBankG einzubeziehen. Da eine primärrechtliche Verankerung der 1. Stufe lange Zeit fehlte, diente der Beschluss des Europäischen Rates2 von Madrid vom Juli 1989 währenddessen als Grundlage. Nach Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht fand sich für die „fast abgelaufene“ 1. Stufe in Art. 109e Abs. 2, 1., 2. Sp.-str. EGV (= Art. 116 Abs. 2, 1., 2. Sp.-str. EG-Vertrag) eine Regelung, die den Vorbereitungscharakter dieser Phase und die „institutionelle Ereignislosigkeit“3 widerspiegelte. II. Das 4. Bundesbank-Änderungsgesetz

Ergänzt wurde das Primärrecht durch das Vierte Änderungsgesetz zum Bundesbankgesetz (4. BBankÄndG)4, welches die gleichberechtigte Einbindung der ostdeutschen Länder mit der – europarechtlich erforderlichen – Verschlankung der Organisationsstruktur der Bundesbank verband. Das zum 1. November 19925 in Kraft getretene 4. BBankÄndG war in erster Linie nationaler Prägung. Es erfüllte die gesetzgeberische Verpflichtung aus 1 Entscheidung des Rates vom 12.03.1990 zur Erreichung einer schrittweisen Konvergenz der Politiken und der wirtschaftlichen Ergebnisse während der ersten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion (90/141/EWG), ABl.EG Nr. L 78, S. 23. 2 Tagung des Europäischen Rates in Madrid am 26./27.06.1989, Schlussfolgerungen des Vorsitzes (Auszug). 3 Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 45. 4 Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 15.07.1992, BGBl. I, S. 1287. 5 Art. 3 des 4. BBankÄndG.

7. Abschn.: Die Aufgaben der Bundesbank in der Konvergenzstufe

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dem Einigungsvertrag6 und passte das BBankG an die infolge des Beitritts der DDR geänderten Verhältnisse an. Die Bundesbank wurde in die Lage versetzt, ihren stabilitätspolitischen Auftrag (§ 3 BBankG) auch in den neuen Ländern zu erfüllen. Dazu wurden eine vorläufige Verwaltungsstelle für Berlin und bis zu 15 Verwaltungsstellen in den neuen Bundesländern errichtet.7 Zudem wurde die bisherige Organisationsstruktur dahingehend gestrafft, dass angesichts der nunmehr neun LZBen8 der Zentralbankrat nur noch eine maximale Stärke von 17 Mitgliedern hatte. Die deutsche Einheit war gleichzeitig Grund und Anlass für die Aufgabe des bis dahin als unverrückbar geltenden Grundsatzes9: „Ein Land – eine Landeszentralbank“. Obwohl insbesondere seitens der Länder10 immer wieder geäußert, griff die Kritik11 am föderalen System nicht durch. Trotz der Verringerung der LZBen blieben effektive Entscheidungsprozesse12 unter Beachtung der dezentralen Aufgabenwahrnehmung sowie länderspezifischer Besonderheiten möglich. Gewahrt wurde auch der Pluralismus der Ernennungsinstanzen13. Das 4. BBankÄndG tastete die Grundzüge der Notenbankverfassung zunächst nicht an. Die erste, wenn auch zaghafte Umgestaltung der Hauptverwaltungsgebiete beruhte auf dem europarechtlich motivierten Bedeutungswandel,14 der infolge der Einbindung der Bundesbank in ein Zentralbanksystem absehbar war. Da die LZBen einerseits für die Umsetzung der europäischen Geldpolitik nach wie vor notwendig, andererseits aber kaum in Entscheidungsprozesse eingebunden waren, widersprach die Straffung der Verwaltungsgebiete nicht dem Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG).15 Neben den territorialen Änderungen beinhaltete das 4. BBankÄndG geringfügige Modifikationen des Lombard-16 und Offenmarktgeschäfts17 und des Geschäfts mit öffentlichen Verwaltungen18. 6 Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.08.1990, BGBl. II, S. 889. 7 Berger/Repplinger, Die Bank 1992, S. 632; Gramlich, ThürVBl. 1993, S. 241 (241). 8 Ausführlich dazu Berger/Repplinger, Die Bank 1992, S. 632 (633). 9 Grundmann, Kreditwesen 1992, S. 320; Thomas, Kreditwesen 1991, S. 614; Häde/Hartmann, VR 1991, 404 (407). 10 Bülow, WM 1992, S. 1969. 11 Zur Diskussion über die Neustrukturierung sowie verschiedene Konzepte Grundmann, Kreditwesen 1992, S. 320 (321 ff.); gegen die „verfassungswidrige Öffnungsklausel“ Thomas, Kreditwesen 1991, S. 614 (615). 12 Berger/Repplinger, Die Bank 1992, S. 632 (633). 13 Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, D. II. 1. 14 Gramlich, ThürVBl. 1993, S. 241 (242, 248); Grundmann, Kreditwesen 1992, S. 320 (322 f.); Thomas, Kreditwesen 1991, S. 614 (616). 15 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 201. 16 Berger/Repplinger, Die Bank 1992, S. 632 (635 f.).

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

B. Ziele Erklärtes Ziel der ersten Phase war es, die mitgliedstaatlichen Volkswirtschaften anzugleichen.19 Dazu sollten der Binnenmarkt vollendet, der Kapitalund Zahlungsverkehr20 vollständig liberalisiert (Art. 109e Abs. 2, 1. Sp.-str. EGV) sowie die wirtschafts- und währungspolitische Kooperation der Mitgliedstaaten aufgrund der klarer gefassten Konvergenzvorgabe21 (Art. 109e Abs. 2, 2. Sp.-str. EGV) verbessert werden. Mittels des multilateralen Überwachungsverfahrens im Rat waren die Mitgliedstaaten gehalten, ihre Währungs- und Wirtschaftspolitiken abzustimmen und primär an Preisstabilität und Haushaltsdisziplin auszurichten.22 Die Mitgliedstaaten betrachteten die Ziele des magischen Vierecks (§ 1 StWG) als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse (Art. 104, 103, 102a E[W]GV = Art. 101, 99, 98 EG-Vertrag). Die Währungsturbulenzen in den Jahren 1992/93 unterstützten, wenn auch nur rein faktisch, die Forderung nach stabilitätspolitischer Konvergenz. Parallel dazu diente die 1. Stufe als Vorbereitungsphase für den Eintritt in die 2. Stufe der WWU (Art. 109e Abs. 1 EGV = Art. 116 Abs. 1 EG-Vertrag). C. Gemeinschaftsrechtliche Institutionen In institutioneller Hinsicht änderte die erste Konvergenzstufe wenig, da sowohl EFWZ23 als auch Beratender Währungsausschuss fortbestanden. Primärrechtlich verankert (Art. 109c Abs. 1 EGV = Art. 114 Abs. 1 EG-Vertrag) und zugleich um Berichtspflichten an Rat und Kommission erweitert24 wurden die Aufgaben des Beratenden Währungsausschusses (Art. 109c Abs. 1 Satz 2 EGV). Ebenfalls ausgebaut wurden die Aufgaben des Gouverneursausschusses,25 indem die Mitgliedstaaten den Beschluss vom 8. Mai 1964 neu fassten26. Als autonom agierende Währungshüter waren die Notenbankgouverneure bei der 17

Bülow, WM 1992, S. 1969 (1972 f.). Bülow, WM 1992, S. 1969 (1973). 19 Entscheidung des Rates vom 12.03.1990 (90/141/EWG); ausführlich hierzu Weinbörner, S. 130 ff. 20 Die Mitgliedstaaten waren entsprechend der Kapitalverkehrsrichtlinie (RL 88/ 361/EWG) verpflichtet, sämtliche Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs innerhalb des Gemeinschaftsgebiets aufzuheben; Beschränkungen gegenüber Drittstaaten mussten noch nicht vollständig aufgehoben werden. 21 Brosius-Gersdorf, S. 275; Bundesbank, Europäische Organisationen, S. 134 f.; Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (678). 22 Bundesbank, Monatsbericht Juli 1990, S. 30 (31 f.); Eijffinger, S. 169 (189). 23 Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, E. II. 24 Ausführlich dazu Weinbörner, S. 146 f. 25 Hahn, Währungsrecht, § 14, Rn. 34; Weinbörner, S. 148. Zum Gouverneursausschuss siehe bereits oben, 4. Abschnitt, D. 18

7. Abschn.: Die Aufgaben der Bundesbank in der Konvergenzstufe

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Koordination nationaler Geldpolitiken erstmals verpflichtet, der Preisstabilität im Rahmen der Ziele der Gemeinschaft Priorität einzuräumen.27 Dass die Zentralbankpräsidenten an der Priorisierung der Zielvorgabe maßgeblich beteiligt waren,28 erklärt sich aus der „Natur der Sache“. Um diesem Stabilitätsauftrag gegenüber den Mitgliedstaaten Wirkung zu verschaffen, wurde dem Ausschuss zudem die Befugnis verliehen, gezielt an einzelne Regierungen oder den Ministerrat, dem er jährlich Bericht erstattete, Stellungnahmen zur generellen Ausrichtung der Währungspolitik abzugeben. Gegebenenfalls konnten Beratungsergebnisse des Ausschusses öffentlich bekannt gegeben werden. Obwohl daraus keinerlei rechtliche Bindungen für die Mitgliedstaaten resultierten,29 verfügten die Ausschussmitglieder – somit auch der Bundesbankpräsident – über ein in seiner Wirkung nicht zu unterschätzendes Mittel der Einflussnahme auf die nationale Geldpolitik. Darüber hinaus wurde die Pflicht des Ausschusses zu vorheriger Konsultation gestärkt. Nunmehr war er „normalerweise im voraus zu hören“30, nicht mehr nur, „soweit es die Umstände“31 zuließen. Diese Konsultationspflicht bezog sich allerdings nur auf die geldpolitische Ausrichtung als große Zielrichtung, nicht auf monetäre Einzelmaßnahmen der einzelnen Notenbanken.32 Eine Einflussnahme im Wege der rechtsverbindlichen Festsetzung nationaler Notenbankinstrumente wäre im Übrigen mit Art. 102a Abs. 2 EWG-Vertrag unvereinbar gewesen.33 Daher verblieb der Bundesbank bei Umsetzung des geldpolitischen Ziels der im 3. Abschnitt aufgezeigte, vollumfängliche Handlungsspielraum des BBankG. D. Wechselkursverpflichtungen Da das EWS im Zuge der 1. Stufe nicht modifiziert wurde, behandelten die Mitgliedstaaten die Wechselkurspolitik weiterhin als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse (Art. 107 EWG-Vertrag). Entsprechend dem Delors-Bericht bekräftigte der Europäische Rat34 im Dezember 1990, dass sich im Zuge der 1. Stufe die größtmögliche Zahl der Mitgliedstaaten dem EWS anschließen solle. 26 Beschluss des Rates zur Änderung des Beschlusses über die Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 12.03.1990 (90/142/EWG), ABl.EG Nr. L 78, S. 25. 27 Art. 3a des Beschluss des Rates vom 12.03.1990. 28 Bundesbank, Monatsbericht Juli 1990, S. 30 (33). 29 Brosius-Gersdorf, S. 276. 30 Art. 3 der Neufassung des Beschlusses von 1990. 31 Art. 3 der Fassung von 1964. 32 Hahn, Währungsrecht, § 14, Rn. 35. 33 Hahn, ebenda. 34 Tagung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs vom 14./ 15.12.1990 in Rom, abgedruckt in Krägenau/Wetter, Dokument 44, S. 217.

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

E. Kredit- und Offenmarktpolitik Da die 1. Stufe der WWU als Anlauf- und Vorbereitungsphase galt, verblieb die geldpolitische Souveränität in vollem Umfang bei nationalen Verantwortungsträgern im institutionellen Rahmen der Mitgliedstaaten (Art. 102a Abs. 1 Satz 2 EWG-Vertrag). Auf der Grundlage dieser Entscheidung war die Bundesbank gehalten, durch eine stabilitätsorientierte Währungspolitik im Einklang mit den Vorgaben des Maastrichter Vertrages die Voraussetzungen für eine europäische Währungsordnung zu schaffen. Allerdings bestanden während der 1. Stufe für die wichtigsten geldpolitischen Steuerungsinstrumente der Bundesbank, die Kredit- und Offenmarktpolitik, nur unverbindliche gemeinschaftsrechtliche Konsultations- und Kooperationspflichten (Art. 102a, 104, 105 EWG-Vertrag) im Rahmen des Gouverneursausschusses. Gemeinschaftsrechtliche Normen, die die Bundesbank als nationale Zentralbank in der Kreditvergabe sowie der Festsetzung der Zinssätze oder bei Offenmarktgeschäften einschränkten, existierten nicht. Die Bundesbank genoss auf der Basis der nationalen Vorgaben der §§ 15, 19 BBankG uneingeschränkte Autonomie (Art. 102a Abs. 1 Satz 2 EWG-Vertrag). Bindungen wirtschaftlicher Art ergaben sich indes aus der weltweiten Liberalisierung des Kapitalverkehrs, der zu einer Annäherung der Zinsen in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft führte.35 Infolge der starken D-Mark, die faktisch zur Leit- und Reservewährung der Gemeinschaft wurde,36 orientierte sich ein Großteil der Mitgliedstaaten an der Zinspolitik der Bundesbank. Somit wurde die Bundesbank aufgrund ihrer stabilen Zinspolitik zu einer Art „Leitzentralbank“37 der EG. F. Mindestreservepolitik Obwohl bestehende geldpolitische Zuständigkeiten während der 1. Stufe unangetastet blieben (Art. 102a Abs. 1 Satz 2 EWG-Vertrag), war strittig, inwieweit die Kapitalverkehrsrichtlinie38 nationale Kompetenzen im Bereich der Mindestreserve einengte. Art. 2 der Richtlinie gestattete es den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Steuerung der Bankenliquidität zu treffen, was auch Zins- und Mindestreservesätze einschloss.39 Aus Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie folgte e contrario, dass nichtdiskriminierende Mindestreservesätze uneingeschränkt zulässig waren. Die Begrenzung des Verbots auf diskriminierende Regelungen sollte somit sicherstellen, dass währungspolitische Maßnahmen ein verhältnismäßiges

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Goetze, S. 79. Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, E. III. Ensthaler, JuS 1994, S. 26 (29). Kapitalverkehrsrichtlinie (RL 88/361/EWG). Hahn, Währungsrecht, § 22, Rn. 20.

8. Abschn.: Die Aufgaben der Bundesbank in der Koordinierungsstufe

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Mittel zur Zielerreichung darstellten.40 Dies galt auch für Maßnahmen zur Steuerung der Bankenliquidität, die auf das zur internen geldpolitischen Lenkung notwendige Maß begrenzt werden sollten. Als traditionelles Instrument nationaler Währungspolitik unterfielen Mindestreserveregelungen nicht den von der Richtlinie untersagten devisenrechtlichen Regelungen.41 Im Übrigen war die Mindestreservepolitik unter dem Regime fester Wechselkurse das einzige geldpolitische Instrument, mit Hilfe dessen die Bundesbank längerfristig liquidisierende Effekte der Devisenzuflüsse teilweise42 kompensieren konnte. Dennoch sah sich die Zentralbank der Gefahr ausgesetzt, dass ihre restriktive Mindestreservepolitik seitens der am ECU-DM-Markt tätigen Banken unterlaufen wurde. Da die Mindestreservepflicht auf im Inland tätige Banken beschränkt war, konnten andere Banken mit geringeren Zinsmargen operieren, was ihnen wiederum Wettbewerbsvorteile bescherte. 8. Abschnitt

Die Aufgaben der Bundesbank in der Koordinierungsstufe (2. Stufe) A. Rechtliche Grundlagen I. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen

Die sich unmittelbar an die Konvergenzstufe anschließende Koordinierungsstufe dauerte vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1998 und war als Lernprozess zur kollektiven Entscheidungsfindung sowie als Planungs- und Vorbereitungsphase für den Übergang zur Endstufe der WWU konzipiert. Betrachtet man die rechtlichen Grundlagen der 2. Stufe der WWU, so sind zunächst die primärrechtlichen Neuerungen von Bedeutung. Daneben besitzen vor allem die Ergänzung der für die Bundesbank maßgeblichen Verfassungsnorm (Art. 88 GG) sowie Änderungen des nationalen BBankG Relevanz. Im Gegensatz zur 1. Stufe existierten für die Koordinierungsstufe bereits zu Beginn klare Vorgaben, die der Vertrag von Maastricht in Form der Art. 109e– 109m EGV (= Art. 116–124 EG-Vertrag) eingefügt hatte. Im Unterschied zur 40 EuGH, Rs. C-148/91, Slg. 1993, 487, Rn. 15 [Veronica], nannte Ziele von allgemeinem Interesse. 41 Ebenso Hahn, Währungsrecht, § 22, Rn. 20; Potacs, EuR 1993, S. 23 (25 f.), der betont, dass die Richtlinie nur für Mindestreserven mit besonderem Auslandsbezug – etwa Reservesätze der Bundesbank gegenüber Gebietsfremden – gelte; dagegen Goetze, S. 80, der von uneingeschränkter Bindungswirkung der Richtlinie und somit „direkten Eingriffen“ ausgeht. 42 Issing, Geldpolitik, S. 116.

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

1. Stufe war bereits der Beginn der Stufe 2 rechtsverbindlich festgelegt, woran sich spezifische Rechtsfolgen knüpften (Art. 109e Abs. 1 EGV = Art. 116 Abs. 1 EG-Vertrag). Die Vorschrift des Art. 109f EGV (= Art. 117 EG-Vertrag) schuf erstmals institutionelles Primärrecht, das die Bundesbank als nationale Zentralbank in die europäische Geldpolitik einbezog. Zudem folgten aus Art. 109e Abs. 3 EGV (= Art. 116 Abs. 3 EG-Vertrag) nationale Umsetzungspflichten. Die Mitgliedstaaten waren gehalten, nationales Währungsrecht, insbesondere die Zentralbanksatzungen, dem Unabhängigkeitspostulat (Art. 109e Abs. 5 EGV = Art. 116 Abs. 5 EG-Vertrag) anzugleichen. Auch im Bereich der Haushaltsdisziplin (Art. 104–104c EGV = Art. 101–104 EG-Vertrag)1 sowie der volkswirtschaftlichen Konvergenz (Art. 109j EGV = Art. 121 EG-Vertrag) wurden den Mitgliedstaaten Anpassungspflichten auferlegt. Zeitgleich mit Beginn der Stufe 2 wurde die Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 73b EGV (= Art. 56 EG-Vertrag) neu geregelt, wobei das Primärrecht nunmehr über den Anwendungsbereich der umstrittenen2 Kapitalverkehrsrichtlinie weit hinausgeht. II. Änderung des Art. 88 GG

In Vorbereitung der Endstufe waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihre währungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Zentralbanksatzungen, dem Unabhängigkeitserfordernis des Art. 109e Abs. 5 EGV (= Art. 116 Abs. 5 EGVertrag) anzugleichen. Infolge dieses Postulats stellte sich die Frage nach Änderungsbedarf3 des Bundesbank-Artikels 88 GG. Angesichts der einfachgesetzlichen Unabhängigkeitssicherung (§ 12 Satz 2 BBankG) entsprach die Stellung der Bundesbank bereits der Gemeinschaftsrechtsvorgabe; eine verfassungsrechtliche Verankerung war primärrechtlich nicht gefordert. Dennoch bleibt zu klären, inwieweit die „Struktursicherungsklausel“4 des Art. 88 Satz 2 GG5 die Rechtsstellung der Bundesbank modifizierte, insbeson1 Verordnung des Rates (EG) zur Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung der in Art. 104 und Art. 104b Abs. 1 des Vertrages vorgesehenen Verbote vom 13.12.1993, Nr. 3603/93, ABl.EG Nr. L 332, S. 1, sowie Verordnung des Rates (EG) zur Festlegung der Begriffsbestimmung für die Anwendung des Verbotes des bevorrechtigten Zugangs gemäß Art. 104a des Vertrages vom 13.12.1993, Nr. 3604/93, ABl.EG Nr. L 332, S. 7. 2 Siehe dazu oben, 7. Abschnitt, F. 3 Zeitgleich mit Ratifikation des Vertrags von Maastricht durch Bundestag und Bundesrat im Dezember 1992 wurden die Art. 23, 28, 45, 50, 52, 88 und 115e GG den Anforderungen des Art. 109e Abs. 5 EGV (= Art. 116 Abs. 5 EG) angepasst. 4 Kämmerer, Grenzen des Europarechts, S. 77 (86). 5 Art. 1 Nr. 7 des 38. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.12.1992, in Kraft getreten am 25.12.1992; zum Gesetzgebungsverfahren ausführlich Hahn/ Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 21 ff.

8. Abschn.: Die Aufgaben der Bundesbank in der Koordinierungsstufe

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dere ihre Autonomie nunmehr verfassungsrechtlich schützt.6 Betrachtet man den Wortlaut von Art. 88 Satz 2 GG, liegt der Schluss nahe, dass sich die Vorschrift allein auf die EZB beziehe.7 Demnach hätte die Autonomie der EZB, nicht hingegen die der Bundesbank Verfassungsrang, wenngleich die Bundesbank fraglos zusätzlich rechtlich abgesichert wurde.8 Übersehen wird dabei jedoch die institutionelle Verflechtung von Bundesbank und EZB. Welchen Zweck hätte die in Art. 88 Satz 2 GG angelegte Hoheitsrechtsübertragung, wenn sie nicht gleichermaßen die Integrität der Bundesbank im ESZB schützen würde? Art. 88 Satz 2 GG sichert verfassungsrechtlich die Kongruenz zwischen staatsrechtlichem Unabhängigkeitspostulat und gemeinschaftsrechtlicher Autonomie. Das systematische Verständnis beider Sätze des Art. 88 GG sowie die bereits durch Art. 88 Satz 1 GG gebotene Unabhängigkeit legen nahe, von einer im Wege konstitutioneller Autonomie gestärkten Bundesbank zu sprechen. Angesichts formaler Gleichberechtigung zwischen EZB und NZBen (Art. 107 EG-Vertrag) kann aus Art. 88 GG für die Bundesbank keine andere „Qualität“ der Autonomie abgeleitet werden als für die EZB. Im Übrigen scheint ein Kompetenztransfer nur sinnvoll, wenn sowohl der die Befugnisse abgebende (Bundesbank) als auch der sie erhaltende Hoheitsträger (EZB) im Zeitpunkt des Transfers auf gleicher Stufe stehen. Dieser Befund9 wird durch den Modellcharakter10 unterstützt, den die Bundesbank im Hinblick auf die Errichtung der EZB innehatte. Infolge der „gemeinschaftsrechtlich vermittelten verfassungsrechtlichen Autonomie“11 kann sich die Bundesbank auf die Garantie des Art. 88 GG berufen, sofern ihr währungspolitisches Handeln durch verbindliche gemeinschaftsrechtliche Vorgaben (Leitlinien, Weisungen der EZB) tangiert wird.12 Konkret be6 Ebenso Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 65; Kämmerer, in: Münch/ Kunig, GG, Art. 88, Rn. 14; Pipkorn, EuR 1994, Beiheft 1, S. 85 (87); Henneke/Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 88, Rn. 1; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (181); Weber, Europäische Währungsunion, S. 618 f. „[. . .] Unabhängigkeit der Bundesbank verfassungsrechtlich gewährleistet.“ 7 Diese Auslegungsmöglichkeit sehen auch Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 48; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 302; Schefold, in: FS Stein, S. 201 (210); Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (840). 8 Sinngemäß Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 35; Donner/Neumann, Auswirkungen der Währungsunion, S. 151 (158); Geerlings, DÖV 2003, S. 322 (324); Häde, in: Die Europäische Währung, S. 103 (116); Janzen, S. 176 f.; Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (840). 9 Ebenso Badura, in: FS Vogel, S. 545 (557) (konkludent verankerte verfassungsrechtliche Autonomie); Kämmerer, Grenzen des Europarechts, S. 77 (88). 10 BT-Drucksache 12/3896, S. 21. 11 Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 30; Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 68 ff. („mittelbare verfassungsrechtliche Garantie“ [Rn. 68]). 12 Brosius-Gersdorf, S. 387 f.; Umbach/Dollinger, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 88, Rn. 15a ff.

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

zeichnet sind damit alle Aufgaben der Bundesbank als NZB, die sie als integraler Bestandteil des ESZB erfüllt (Art. 14.3. ESZB-Satzung). Widmet sich die Bundesbank eigenverantwortlich „anderen Aufgaben“13 (Art. 14.4. ESZB-Satzung), ist zu fragen, ob diese – zumindest partiell – von der gemeinschaftsrechtlich geforderte Unabhängigkeit umfasst sind. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass für „andere Aufgaben“ keine institutionelle Verbindung zwischen Bundesbank und EZB im Sinne des Art. 88 Satz 2 GG bestünde.14 Zutreffend ist, dass „andere Aufgaben“ ausdrücklich nicht als Aufgaben des ESZB angesehen werden (Art. 14.4. Satz 2 ESZB-Satzung). Zudem unterliegen sie nicht in dem Maße wie Pflichten nach Art. 14.3. ESZB-Satzung der verbindlichen währungspolitischen Bestimmungsmacht der EZB. Allerdings gewährt Art. 14.4. Satz 1 ESZB-Satzung der EZB die Befugnis, im Falle von Interessenkonflikten die Erfüllung „anderer Aufgaben“ zu untersagen. Indirekt bindet somit das Vetorecht der EZB auch die von der Bundesbank eigenverantwortlich erfüllten Aufgaben an die (Stabilitäts-)Ziele des ESZB. Gleichzeitig brachte Art. 88 Satz 2 GG Klarheit15 bezüglich der in Deutschland geführten Diskussion16, auf welche Verfassungsnorm die Kompetenzübertragung im Rahmen der WWU zu stützen sei. Während der neu gefasste Europa-Artikel 23 GG Kompetenztransfers in den Schranken der Ewigkeitsgarantie (Art. 79 Abs. 3 GG) zuließ und somit eine allgemeine Struktursicherungsklausel17 (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG) statuierte, bildete Art. 88 Satz 2 GG als lex specialis18 die Legitimationsgrundlage für den Souveränitätstransfer der WWU. Angesichts der identitätsprägenden Funktion, den der Verlust der Währungshoheit für die Bundesbank hatte, war die Ergänzung des Art. 88 Satz 1 13

Siehe dazu ausführlich unten, 14. Abschnitt. Brosius-Gersdorf, S. 387 f.; ebenso Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 10. 15 Bundesregierung in ihrer Begründung zum Änderungsentwurf, BR-Drucksache 501/92, S. 8 f. Zudem vertrat Gramlich, Europäische Zentralbank, S. 172 und Fn. 429, bereits früher die Auffassung, dass die Übertragung von Hoheitsrechten in abstracto von Art. 24 Abs. 1 GG a. F. zwar zugelassen war, es jedoch am klarstellenden Charakter des Art. 88 GG a. F. in der Weise fehlte, dass die Bundesbank Teil eines Europäischen Zentralbanksystems sein könne. Nur durch die Änderung des Art. 88 GG könne dem Erfordernis der demokratischen Legitimation hinreichend Rechnung getragen werden. Ebenso Badura, in: FS Vogel, S. 545 (551); Wahlig, in: Symposium Hahn, S. 37 (49 f.). 16 Zur Möglichkeit der Hoheitsrechtsübertragung auf zwischenstaatliche Einrichtungen gemäß Art. 24 GG a. F. Gramlich, Europäische Zentralbank, S. 159 ff.; Hahn, Währungsrecht, § 14, Rn. 36 ff.; Siebelt, DÖV 1990, S. 362 (370 ff.). 17 Jahn, DVBl. 1994, S. 177 (178). 18 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 339; Janzen, S. 72; Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 38; dagegen BVerfGE 97, S. 350 ff. („Euro-Entscheidung“), wonach die Hoheitsrechtsübertragung jedenfalls auf Art. 23 GG und Art. 88 Satz 2 GG gestützt werden konnte; ebenso Brenner/Huber, DVBl. 1999, S. 1559 (1565); Tettinger, in: Sachs, GG, 3. Auflage, Art. 88, Rn. 10. 14

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GG durch einen Satz 2 unumgänglich.19 Der Gesetzgeber leistete somit die „Vorarbeit“, um das deutsche Grundgesetz für zukünftige, tief greifende Integrationsfortschritte zu präparieren. Wie das BVerfG im „Maastricht-Urteil“20 betonte, war die Übertragung der Währungshoheit durch Art. 88 Satz 2 GG in mehrfacher Hinsicht bedingt. Einerseits war die Preisgabe der Währungshoheit der Bundesbank nur im Rahmen der Europäischen Union zulässig; andererseits stellte Art. 88 Satz 2 GG konkrete Anforderungen an die Rechtsstellung, respektive Unabhängigkeit,21 sowie das Tätigkeitsziel der EZB. Sowohl die verfassungsrechtliche Verankerung der institutionellen Unabhängigkeit als auch das Primat der Preisstabilität wurden auf Anregung der Bundesbank in den Verfassungstext eingefügt.22 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass Art. 88 Satz 2 GG die primärrechtliche Verpflichtung zur Preisstabilität (Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EGV) mit Verfassungsrang23 ausstattete. Entschärft wurde damit die frühere Diskussion24 um den Begriff „Währungssicherung“25 in § 3 BBankG, da die Bundesbank nunmehr ausdrücklich für den Währungsbinnenwert verantwortlich ist.26 Zudem darf die Bundesbank keinem anderen Ziel höhere oder gleichwertige Priorität einräumen.27 Da die Bundesbank einfachgesetzlich bereits dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet war (§ 3 Satz 2 BBankG), ergeben sich diesbezüglich aus Art. 88 Satz 2 GG keine Änderungen der Zielverpflichtung. Die Ergänzung des Art. 88 GG wurde durch den Deutschen Bundestag im nationalen Gesetzgebungsverfahren demokratisch abgesichert; ein Legislativakt des Europäischen Parlaments war nicht erforderlich. Die Bundesbank leidet demnach nicht an einem Demokratiedefizit.28 Indes ist dem Bundesgesetzgeber der Einfluss auf die Zentralbankautonomie verwehrt (Art. 88 Satz 2 GG, Art. 109e Abs. 5 EGV = Art. 116 Abs. 5 EG-Vertrag), da die primärrechtliche Unabhängigkeitssicherung nicht durch einen nationalen Legislativakt modifiziert

19 Donner/Neumann, Auswirkungen der Währungsunion, S. 151 (162); Janzen, S. 73. 20 BVerfGE 89, S. 155 (208 f.). 21 BVerfGE 89, S. 155 (201 f.). 22 Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 50. 23 Badura, in: FS Vogel, S. 545 (557); Janzen, S. 71; Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 29; Weber, Europäische Währungsunion, S. 583; Weinbörner, S. 112. 24 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, B. 25 Gramlich, Die Verwaltung, Band 27 (1994), S. 361 (363). 26 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 134; Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 34. 27 Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 64; Kobabe, S. 101 f.; Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (841); dagegen Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 33 f. 28 So aber Gormley/de Haan, ELR, Vol. 2, 1996, S. 95 (108 ff.).

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werden kann. Insofern folgt daraus für den Bundesgesetzgeber ein Verlust an demokratischer Kontrolle.29 III. Änderungen des Bundesbankgesetzes

1. Das 5. Bundesbank-Änderungsgesetz Der Pflicht zur Anpassung des BBankG an Art. 109e Abs. 5 EGV (= Art. 116 Abs. 5 EG-Vertrag) kam der Bundesgesetzgeber in Form des 5. und 6. BBankÄndG nach. Beide Gesetze bezogen sich auf die Veränderungen der 2. Stufe der WWU; zugleich dienten sie der Vorbereitung der Stufe 3. Bereits in Stufe 2 beeinflussten Modifikationen des BBankG indirekt die Geldpolitik der Bundesbank.30 Obwohl das Fünfte Gesetz zur Änderung des Bundesbankgesetzes (5. BBankÄndG)31 im November 1993 und damit während der 1. Phase der WWU verabschiedet wurde, trat es erst im Juli 1994 in Kraft. Im Gegensatz zu seinem Vorläufer ist das 5. BBankÄndG unmittelbar europapolitisch geprägt, denn es diente der Anpassung des BBankG an die Vorgaben des EGV für die 2. Stufe der WWU. Nicht erforderlich war – im Gegensatz zu den meisten anderen EGMitgliedstaaten – die Entlassung der Bundesbank aus der (Regierungs-)Abhängigkeit.32 Denn § 12 BBankG gewährleistete der Bundesbank bereits seit Gründung die von Art. 109e EGV (= Art. 116 EG-Vertrag) geforderte unabhängige Stellung. Nationaler Regelungsbedarf ergab sich jedoch aus dem Prinzip finanzieller Eigenverwantwortung der Mitgliedstaaten (Art. 104 EGV = Art. 101 EG-Vertrag) sowie der Pflicht zur Haushaltsdisziplin (Art. 104 c EGV = Art. 104 EGVertrag). Die primärrechtlich vorgesehene Korrektur der Kreditbeziehungen zwischen Notenbank und Staat lief im Kern auf die Verschärfung des bestehenden Verbots notenbankfinanzierter Staatskredite (Art. 104, 104c, 109e Abs. 2 EGV = Art. 101, 104, 116 Abs. 2 EG-Vertrag) hinaus.33 Infolge der unmittelbaren Geltung der das Verbot normierenden EG-Verordnungen34 war § 20 Abs. 1 Nr. 1 BBankG nicht mehr anwendbar und wurde gestrichen; der Bundesbank war somit die Vergabe von Kassenkrediten untersagt. Obwohl diese Kredite nicht der Finanzierung öffentlicher Aufgaben dienten, bezweckten sie die 29

Dernedde, S. 88; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 554. Brosius-Gersdorf, S. 277; Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (678). 31 Fünftes Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Deutsche Bundesbank vom 08.07.1994, BGBl. I, S. 1465. 32 Häde, NJW 1994, S. 3214 (3214). 33 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (32); Häde, NJW 1994, S. 3214 (3214 f.); Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (155). 34 VO 3603/93 und VO 3604/93. 30

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Überbrückung kurzfristiger Liquiditätsengpässe in den Kassen der öffentlichen Hand.35 Mit Streichung der Kassenkredite sollten die öffentlichen Haushalte auch von der Einlagenverpflichtung befreit werden, auch wenn dies europarechtlich nicht veranlasst war.36 Dies führte zum Wegfall des § 17 BBankG, ohne dass zwischen beiden Maßnahmen ein theoretisch zwingender Zusammenhang bestanden hätte.37 Dennoch verlor die Bundesbank durch diese Änderungen ein wichtiges geldpolitisches Instrument.38 Aus Klarstellungsgründen, jedoch ohne unmittelbaren europarechtlichen Bezug wurde § 19 BBankG geändert. Da die Bundesbank den Beleihungswert des Pfandbestandes eines Kreditinstituts jederzeit exakt bestimmen konnte,39 fielen die in § 19 Abs. 1 Nr. 3 BBankG vorgeschriebenen Beleihungsgrenzen bei Lombardkrediten weg. Ersatzlos gestrichen wurde auch § 19 Abs. 3 BBankG. Darüber hinaus wurden die §§ 42 und 28 BBankG angeglichen. 2. Das 6. Bundesbank-Änderungsgesetz Angesichts der Kriterien des Art. 109j Abs. 1 EGV (= Art. 121 Abs. 1 EGVertrag) waren die Mitgliedstaaten gehalten, neben volkswirtschaftlicher auch rechtliche Konvergenz40 zu schaffen. In Form des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (6. BBankÄndG)41 kam der Bundesgesetzgeber im Dezember 1997 den europäischen Vorgaben (Art. 107, 108 EGV = Art. 108, 109 EG-Vertrag) nach und bereitete die Bundesbank strukturell und funktionell auf das ESZB vor. Da die meisten, im Folgenden ihrer Bedeutung entsprechend zu erörternden, Vorschriften des 6. BBankÄndG erst mit Beginn der Stufe 3 Geltung erlangten,42 blieb die Bundesbank während Stufe 2 geldpolitisch voll verantwortliche Zentralbank der Bundesrepublik.43 Einer Totalrevision unterzogen wurde § 3 BBankG44, welcher nunmehr klarstellt, dass die Bundesbank mit Eintritt in die 3. Stufe der WWU als integraler 35

Häde, NJW 1994, S. 3214 (3214). Häde, NJW 1994, S. 3214 (3215). 37 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (32, 37); Gramlich, Die Verwaltung 1994, Band 27, S. 361 (366). 38 Häde, NJW 1994, S. 3214 (3215). 39 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (43). 40 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1998, S. 25 (26). 41 Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 27.12.1997, BGBl. I, S. 3274. 42 Art. 2 des 6. BBankÄndG. 43 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 109; Stern, Notenbank im Staatsgefüge, S. 141 (157). 44 § 3 BBankG in der Fassung des 6. BBankÄndG, gültig vom 01.01.1999 bis 29.04.2002. 36

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Bestandteil des ESZB handelt (§ 3 Satz 1 BBankG). Entsprechend der Zielvorgabe des ESZB (Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EGV) ist die Bundesbank zur Preisstabilität verpflichtet (§ 3 Satz 2 BBankG), was indes die bisherige Zielverpflichtung nur bekräftigt, nicht ändert.45 In modifizierter Form regelt § 4 BBankG46 die in Eigenkompetenz der Bundesbank zulässigen Beteiligungen an Einrichtungen der übernationalen Währungspolitik. Indes diente er aufgrund seines beschränkten Anwendungsbereichs nicht als Grundlage der Hoheitsrechtsübertragung. Auch ist er als einfachgesetzliche Norm nicht zur Auslegung des Verfassungsrechts (Art. 88 Satz 2 GG) geeignet. Untrennbar mit Zielen und Aufgaben der Bundesbank verbunden war die Änderung der organisationsrechtlichen Vorschriften (§§ 6 ff. BBankG). So unterstrich § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 BBankG47 die Bindung der Bundesbank an Weisungen und Leitlinien der EZB. Dem Zentralbankrat wurde das Recht eingeräumt, durch allgemeine Richtlinien für Geschäftsführung und Verwaltung sowie durch Weisungen die Umsetzung der EZB-Beschlüsse zu bestimmen.48 Zudem wurden die Mindestamtszeiten verschiedener Entscheidungsträger der Bundesbank und der LZBen von 2 auf 5 Jahre angehoben (§ 7 Abs. 3 Satz 349 und § 8 Abs. 4 Satz 4 BBankG50). Deutlicher als je zuvor agiert die Bundesbank frei von politisch-motiviertem Einfluss der Bundesregierung.51 Die Streichung des aufschiebenden Vetorechts der Bundesregierung (§ 13 Abs. 2 Satz 3 BBankG)52 illustriert den Vorrang des Stabilitätsziels sowie die richtungweisende Funktion europäischer Währungspolitik für die nationale Wirtschaftspolitik. Dazu kann die Bundesbank gegenüber der Bundesregierung auf Unterstützungs- (§ 12 Satz 2 BBankG)53 und Zusammenarbeitsrechte (§ 13 Abs. 1 BBankG) zurückgreifen. Die Integration der Bundesbank in das ESZB hatte zur Folge, dass sie bei der Aufgabenerfüllung an die Vorgaben der EZB gebunden ist. Daraus folgte die 45

Bundesbank, Monatsbericht Januar 1998, S. 25 (27). § 4 BBankG in der Fassung des 6. BBankÄndG, uneingeschränkt gültig seit 01.01.1999. 47 § 6 BBankG in der Fassung des 6. BBankÄndG, gültig vom 01.01.1999 bis 29.04.2002. 48 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1998, S. 25 (28). 49 § 7 Abs. 3 Satz 3 BBankG in der Fassung des 6. BBankÄndG, gültig vom 23.12.1997 bis 29.04.2002. 50 § 8 Abs. 4 Satz 4 BBankG in der Fassung des 6. BBankÄndG, gültig vom 23.12.1997 bis 29.04.2002. 51 Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 33 ff.; Kaltenthaler, JCMS 2002, Vol. 40, S. 69 (84). 52 § 13 Abs. 2 Satz 3 BBankG aufgehoben, durch das 6. BBankÄndG. 53 § 12 BBankG in der Fassung des 6. BBankÄndG, gültig seit 01.01.1999. 46

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komplette, im 13. Abschnitt ausführlich zu erörternde Modifizierung der geldpolitischen Befugnisse. Da für ein nationales Instrumentarium kein Raum mehr war, wurden folgerichtig die geldpolitischen Vorschriften (§§ 15, 16 BBankG a. F.) sowie der Genehmigungsvorbehalt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BBankG a. F.) gestrichen. Erhalten blieben im Wesentlichen die Vorschriften zum Geschäftskreis (§§ 19, 22 BBankG)54, wenngleich § 25 BBankG55 klarstellt, dass die Bundesbank ab Beginn der Endstufe praktisch nur noch die in der ESZB-Satzung vorgesehenen Geschäfte wahrnehmen darf. Neu gefasst wurden auch die Vorschriften über Grundkapital und Rücklagen der Bank (§ 27 BBankG)56 sowie Rechnungslegung (§ 26 Abs. 2 Satz 2, 3 BBankG)57, wobei dies keine rechtlichen Vorbedingungen für den Eintritt in Stufe 3 waren, allerdings mit ihr in engem Zusammenhang standen. Während die Vorschriften über die Autonomie (§§ 7 Abs. 3 Satz 3, 8 Abs. 4 Satz 4, 13 Abs. 2 BBankG) bereits am 23. Dezember 1997 in Kraft traten, erlangten die übrigen Normen erst zum 1. Januar 1999 Gültigkeit.58 Inhaltlich blieb das 6. BBankÄndG an der unteren Grenze des von Art. 109b, 108 EGV (= Art. 113, 109 EG-Vertrag) vorgesehenen Regelungsumfangs. So fehlen im BBankG Berichtspflichten (Art. 109b EGV) sowie Regelungen zum Verhältnis von Bundesbank und Bundestag.59 B. Ziele Um das kontinuierliche Fortschreiten der WWU sicherzustellen, einigten sich die Staats- und Regierungschefs bereits im Oktober 199060 auf den Beginn der 2. Stufe zum 1. Januar 1994, der von allen damaligen 15 Mitgliedstaaten termingerecht vollzogen wurde. Dies war insofern nicht überraschend, als der Start der „Zwischenstufe“61 weder von einer formalen Ratsentscheidung noch von materiellen Konvergenzkriterien abhängig war; ebenso war ein „opting-out“62 nicht vorgesehen. 54 §§ 19, 20, 22 BBankG in der Fassung des 7. BBankÄndG, gültig seit 30.04. 2002. 55 § 25 BBankG in der Fassung des 6. BBankÄndG, gültig seit 01.01.1999, und in der Fassung des 7. BBankÄndG seit 30.04.2002. 56 § 27 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, geändert durch 6. BBankÄndG, gültig seit 01.01.1999 und geändert durch 7. BBankÄndG, gültig seit 30.04.2002. 57 § 26 BBankG in der Fassung vom 26.07.1957, geändert durch 5. BBankÄndG, gültig seit 09.07.1994, geändert durch 6. BBankÄndG, gültig seit 01.01.1999 und geändert durch 7. BBankÄndG, gültig seit 30.04.2002. 58 Art. 2 des 6. BBankÄndG. 59 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 326. 60 Sondertagung des Europäischen Rates in Rom am 27./28.10.1990. 61 Weinbörner, S. 259. 62 Bandilla, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 116, Rn. 3 (15. EL, Januar 2000).

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Der „fließende Übergang“ verdeutlicht das Konzept der Koordinierungsstufe als Planungsphase und Lernprozess für kollektive Entscheidungsfindung. Obwohl wesentliche Voraussetzungen für Stufe 3 geschaffen wurden, gab es während der zweiten Phase nur unwesentliche Veränderungen im bestehenden Kompetenzgefüge. Die Bundesbank warnte insbesondere vor einem zu frühen Übergang der geldpolitischen Befugnisse und dem Entstehen einer kompetenzrechtlichen Grauzone.63 Als institutioneller Kompromiss zwischen völligem Verzicht und vollständigem Hoheitsrechtstransfer wurde das Europäische Währungsinstitut (EWI) auf Gemeinschaftsebene errichtet.64 In materieller Hinsicht sah der EGV für die Mitgliedstaaten verstärkte wirtschaftliche, fiskalische und monetäre Konvergenz vor. Im Rahmen der Haushaltsdisziplin waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden (Art. 109e Abs. 4 EGV = Art. 116 Abs. 4 EG-Vertrag). Gleichzeitig überwachte die Kommission die Haushaltslage und die Höhe des öffentlichen Schuldenstandes (Art. 109e Abs. 3, 104–104c EGV = Art. 116 Abs. 3, 101–104 EG-Vertrag). Unterstützt wurde die Pflicht zur Budgetdisziplin vom Verbot notenbankfinanzierter Staatskredite (Art. 104 EGV = Art. 101 EGVertrag), das einen wichtigen Schutz der Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken und des späteren ESZB bot.65 Auf diese Weise entstand das rechtliche und institutionelle Fundament der WWU. C. Gemeinschaftsrechtliche Institutionen I. Europäisches Währungsinstitut

1. Rechtsgrundlagen Primäres organisatorisches Kennzeichen und wichtigste institutionelle Neuerung auf Gemeinschaftsebene war die Errichtung des EWI mit Sitz in Frankfurt/Main. Die Gründung des EWI, die bereits im Vertrag von Maastricht vorgesehen war (Art. 109f Abs. 1 EGV = Art. 117 Abs. 1 EG-Vertrag; Art. 1.1. EWI-Satzung), zeigte, dass das Konzept der WWU weder monetaristische noch ökonomistische Positionen favorisierte.66 Vielmehr folgte die WWU dem von deutscher Seite avisierten Parallelitätsprinzip. Neben den primärrechtlichen Regelungen des Art. 109f EGV (= Art. 117 EG-Vertrag) stützte sich das EWI im Wesentlichen auf eine eigene Satzung 63 Bundesbank, Monatsbericht Februar 1992, S. 45 (54); Hahn/Häde, in: Dolzer/ Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 510. 64 Siehe dazu sogleich, C. I. 65 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (31); Roth, EuR 1994, Beiheft 1, S. 45 (50). 66 Weinbörner, S. 260.

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(EWI-Satzung), die als Protokoll67 zum EU-Vertrag im Rang des Primärrechts stand (Art. 239 EGV = Art. 311 EG-Vertrag). 2. Rechtsstellung und Organisation Das mit Rechtspersönlichkeit (Art. 109f Abs. 1, 2. HS EGV = Art. 117 EGVertrag) ausgestattete EWI besaß weitgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit in jedem Mitgliedstaat (Art. 14 EWI-Satzung), unterstützt durch Vorrechte und Befreiungen (Art. 21 EWI-Satzung). Die Eigenmittelausstattung des EWI erfolgte durch die nationalen Zentralbanken (Art. 16.2 EWI-Satzung). Trotz primärrechtlicher Fixierung war das EWI kein Organ der EG; es genoss allenfalls eine organähnliche, weil institutionell eigenständige Position auf Gemeinschaftsebene68 mit stark mitgliedstaatlicher Prägung. Allerdings war das EWI die erste monetäre Institution, deren Legitimation über den Rat der EU auf die Mitgliedstaaten rückführbar war. Geleitet wurde das EWI durch dessen einziges Beschlussorgan, den EWI-Rat (Art. 109f Abs. 1, 2. HS EGV), der aus den nationalen Zentralbankpräsidenten sowie einem von den Regierungen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs zu ernennenden Präsidenten bestand (Art. 9.2 Satz 1 EWI-Satzung).69 Der EWI-Präsident besaß als Mitglied des Kollegialorgans eine herausgehobene Stellung, die durch die hauptamtliche Erfüllung seiner Pflichten unterstrichen wurde (Art. 9. 4 Satz 1 EWI-Satzung), sich aber nicht in einer unterschiedlichen Stimmgewichtung im EWI-Rat niederschlug („Gleicher unter Gleichen“70). Der mitgliedstaatliche Einfluss basiert auf den kompetenzrechtlichen Strukturen in der als Übergangsphase konzipierten 2. Stufe der WWU. Wenngleich mit dem Aufbau des EWI den Besonderheiten der nationalen Zentralbanken Rechnung getragen werden sollte, war unverkennbar, dass der deutsche Einfluss wesentlich zur EWI-Gründung beitrug.71 So bestanden deutliche Parallelen in Zusammensetzung und Stellung der jeweils unabhängigen Kollegialorgane „EWI-Rat“ und „Zentralbankrat“ der Bundesbank. Anknüpfend an den EFWZ und in Vorbereitung einer Europäischen Zentralbank handelten die Mitglieder des EWI-Rates bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eigenverantwortlich und unabhängig, somit frei von Weisungen jeglicher natio67 Protokoll über die Satzung des Europäischen Währungsinstituts, dem Vertrag über die Europäische Union vom 07.02.1992 als Protokoll Nr. 19 beigefügt. 68 Hingegen bezeichnet Weinbörner, S. 262, das EWI als „tertiäre Rechtsperson“, deren Existenz ausschließlich und direkt aus einer Entscheidung der Gemeinschaft ohne ausdrückliche Ermächtigung in den Gründungsverträgen folge. 69 So beispielsweise „Von den Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs einvernehmlich gefasster Beschluss“ vom 12.12.1993, ABl.EG Nr. L 319, S. 46. 70 Weinbörner, S. 270. 71 Pipkorn, EuR 1994, Beiheft 1, S. 85 (90).

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naler wie gemeinschaftsrechtlicher Institutionen (Art. 8 Satz 1, 2 EWI-Satzung). Mit Blick auf eine vereinheitlichte Geldpolitik war diese Regelung zu begrüßen. Zugleich bot sie aber auch Anlass für Interessenkonflikte. Der EWI-Rat agierte autonom als Kollegialorgan. Einzelne Mitglieder unterlagen hingegen in ihrer Eigenschaft als nationale Zentralbankpräsidenten zu diesem Zeitpunkt noch den Weisungen ihrer staatlichen Stellen. Zudem genoss das EWI keine adäquate funktionelle Unabhängigkeit. Die Aufgabenübertragung wurde angesichts der mitgliedstaatlichen Währungssouveränität (Art. 3.1 EWI-Satzung) nicht von einer Kompetenzübertragung begleitet. 3. Aufgaben Errichtet als Vorstufe der späteren EZB und als institutionelles Symbol einer neuen Integrationsphase, waren dem EWI im Wesentlichen Koordinierungs- und Vorbereitungsaufgaben übertragen (Art. 109f Abs. 2–3 EGV = Art. 117 Abs. 2– 3 EG-Vertrag). Das EWI erfüllte seine Aufgaben unbeschadet der geldpolitischen Zuständigkeiten nationaler Behörden, insbesondere der Zentralbanken (Art. 3.1 EWI-Satzung). Die strikte Zuständigkeitstrennung (Art. 3.1 EWI-Satzung) hat ihren Ursprung in Forderungen der Bundesbank, die nachdrücklich vor einem Verwischen monetärer Kompetenzen während der Übergangsphase warnte.72 Es verwundert daher nicht, wenn der frühere Bundesbankpräsident Tietmeyer das EWI aus eigener Erfahrung als „vertrauliches Diskussionsforum“73 bezeichnete. Das EWI war nicht in der Lage, für die 2. Stufe eine verbindliche gemeinsame europäische Geldpolitik vorzugeben. Im Gegensatz zur späteren EZB folgten aus den Überwachungs- und Koordinierungsfunktionen des EWI keinerlei „Leitungsbefugnisse“74 gegenüber der nationalen Währungshoheit. Im Rahmen der Koordinierung förderte das EWI – in Fortführung des aufgelösten Beratenden Währungsausschusses (Art. 109f Abs. 1 EGV) – nur die Zentralbankzusammenarbeit. Hinzu kamen die Überwachung des EWS sowie Konsultationen zur Stabilität der Finanzinstitute. Das EWI übernahm zudem die Aufgaben des EFWZ, bis dato institutioneller Kern des EWS (Art. 109f Abs. 2, 5. Sp.-str. EGV; Art. 6.1–6.3 EWI-Satzung). Das EWI war somit für innergemeinschaftlichen Saldenausgleich verantwortlich und überwachte das ECU-Verrechnungssystem (Art. 109f Abs. 2, 6. Sp.-str. EGV). Wenngleich Art. 3.1 EWI-Satzung für alle Aufgaben galt, verfügte das EWI bei der Vorbereitung der Geldpolitik des ESZB (Art. 109f Abs. 3 EGV) über einen relativ großen Gestaltungsspielraum. Bis zum 31. Dezember 1996 hatte 72 73 74

Bundesbank, Monatsbericht Februar 1992, S. 45 (54). Tietmeyer, Währungspolitische Kooperation, S. 447 (455). Potacs, EuR 1993, S. 23 (30).

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das EWI den geld- und währungspolitischen Rahmen des ESZB in regulatorischer, organisatorischer und logistischer Hinsicht festzulegen sowie Instrumente und Verfahren zu entwickeln, die zur Durchführung einer einheitlichen Währungspolitik erforderlich waren. Neben dem EWI waren auch die nationalen Zentralbanken in den Prozess der Vorbereitung der Endstufe eingebunden. Insofern besaß die Bundesbank bisher nicht gekannte Einflussmöglichkeiten bei der Gestaltung der gemeinschaftlichen Geldpolitik. Neben der markanten Rolle ihres Präsidenten im EWI-Rat fungierte die Bundesbank als wichtiger Ratgeber des EWI.75 Im Rahmen der Gestaltung des Zentralbanksystems bestimmte die Bundesbank wesentlich die deutsche Verhandlungsposition.76 Besonders die Autonomiesicherung ist maßgeblich ihrem Einfluss zuzuschreiben. Zur Erfüllung seiner Aufgaben konnte der EWI-Rat Leitlinien, Empfehlungen und Stellungnahmen verabschieden. Ihnen fehlte allerdings die rechtliche Bindungswirkung (Art. 15.1–15.3 EWI-Satzung), weshalb sie faktisch kaum Auswirkungen hatten.77 Dennoch darf der politische Druck, den das EWI angesichts seiner zeitlichen und institutionellen Nähe zum ESZB auf die Mitgliedstaaten ausüben konnte, nicht unterschätzt werden. Zudem verfügte das EWI über – wenn auch unverbindliche – Instrumente, um sich in die Geldpolitik der Zentralbanken „einzumischen“. Somit wurde das EWI für die 2. Stufe – neben der Kommission78 – zum Hüter der Verträge auf dem Gebiet der Währungspolitik. Mit Beginn der Endstufe der WWU hörte das EWI auf zu existieren (Art. 109l Abs. 2 Satz 2 EGV = Art. 123 Abs. 2 Satz 2 EG-Vertrag). Während der EGV von einer Auflösung „nach“ Errichtung der EZB sprach, war die Formulierung des Art. 23 EWI-Satzung realitätsnäher („bei“); sie bildete den de facto stattgefundenen, sich wechselseitig überlappenden Auflösungs- und Gründungsprozess ab. II. Gouverneursausschuss und EFWZ

Das EWI übernahm die Tätigkeit des EFWZ, welcher mit EWI-Gründung aufgelöst wurde (Art. 109f Abs. 2, 5. Sp.-str. EGV). Gleichfalls aufgelöst wurde der Gouverneursausschuss, dessen Aktiva und Passiva ebenso wie die des EFWZ auf das EWI übergingen (Art. 109f Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 EGV; Art. 1.3 EWI-Satzung). Ohne die institutionelle Aufwertung des EWI zu ver-

75

Bundesbank, Infobrief WWU, Nr. 1, S. 7 (13). Thiel, S. 393 (404). 77 Goetze, S. 85, spricht in diesem Zusammenhang von einem „Gruppendruck“, den das EWI erzeugen konnte, um einzelne Mitglieder zur Änderung der Auffassung zu bringen. 78 Zu Konflikten zwischen Kommission und EWI Häde, EuZW 1994, S. 685 ff. 76

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

kennen, konnte angesichts der Mitgliederidentität von Gouverneursausschuss und EWI von „Umbenennung“79 gesprochen werden. D. Wechselkursverpflichtungen Überschattet wurde der Beginn der 2. Stufe der WWU durch die Spannungen der EWS-Krise 1992/199380. Neben den erweiterten Bandbreiten begünstigte die primärrechtlich normierte Zusammensetzung des Währungskorbs (Art. 109g EGV = Art. 118 EG-Vertrag) die Beruhigung der Märkte, sodass die Stabilität des EWS weitgehend wieder hergestellt werden konnte. Da die 2. Stufe am Funktionsmechanismus des EWS festhielt (Art. 109f Abs. 2, 3. Sp.-str. EGV), bestanden die nationalen Zuständigkeiten von Bundesbank und Bundesregierung im Rahmen des Interventionsmechanismus praktisch unverändert fort.81 Am Grundsatz, die Wechselkurspolitik als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu betrachten, änderte die Gründung des EWI nichts (Art. 109m Abs. 1 EGV = Art. 124 EG-Vertrag). Das EWI konnte auf Ersuchen und als Agent der nationalen Zentralbanken Währungsreserven halten und verwalten (Art. 6.4 EWI-Satzung). Indes betonte nicht nur die Bundesbank82, dass es dem EWI verwehrt war, gegen die nationalen Zentralbanken an den Devisenmärkten zu intervenieren und somit die Wechselkurse zu beeinflussen.83 Der Grundsatz der Respektierung der nationalen Währungshoheit galt auch, sofern das EWI – ohnehin unverbindliche – Entscheidungen zu den nationalen Währungspolitiken erließ. E. Kredit-, Offenmarkt- und Mindestreservepolitik Angesichts der Akzeptanz der nationalen Währungshoheit durch das EWI verblieb der Bundesbank in der 2. Stufe ein weitgehender Handlungsspielraum in der Geldpolitik als dem „Kernbereich nationaler Währungsautonomie“84 (Art. 3.1 EWI-Satzung). Die Bundesbank konnte im Rahmen der nationalen Währungshoheit die geldpolitischen Instrumente in ihren Wirkungen ausschöpfen, ohne dabei prinzipielle Vorgaben der EG beachten zu müssen.85

79

Weinbörner, S. 277. Siehe dazu oben, 5. Abschnitt, D. 81 Siehe dazu oben, 7. Abschnitt, D. 82 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (30). 83 Goetze, S. 82 f.; Häde, EuZW 1994, S. 685 (686); Potacs, EuR 1993, S. 23 (27 f.); Weinbörner, S. 327. 84 Potacs, EuR 1993, S. 23 (29). 85 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt. 80

8. Abschn.: Die Aufgaben der Bundesbank in der Koordinierungsstufe

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Eingeschränkt wurde die Kreditpolitik der Bundesbank jedoch durch das Verbot der Kreditvergabe an öffentliche Stellen (Art. 109e Abs. 3 Satz 1, 104 Abs. 1 EGV = Art. 116 Abs. 3 Satz 1, 101 EG-Vertrag). Bis auf wenige Ausnahmen86 war jegliche Gewährung von Überziehungskrediten an den öffentlichen Sektor (Kassenkredite)87 untersagt. Obwohl zum 1. Januar 1994 lediglich eine Gesetzgebungsvorlage zur Änderung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 BBankG vorlag, respektierte die Bundesbank88 den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts und stellte die Kassenkredite umgehend ein.89 Zulässig waren hingegen Kontoüberziehungen von Bund, Ländern und Sondervermögen des Bundes im Verlauf eines Tages (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BBankG), ohne dass dies als Kredit im Sinne von Art. 104 Abs. 1 EGV angesehen wurde. Weder EG-Verordnung90 noch BBankG trafen Aussagen dazu, inwieweit auch „öffentliche Unternehmen“ derartige Kontoüberziehungen beanspruchen konnten. Die Nichterwähnung derartiger Unternehmen stellte eine Ungleichbehandlung der öffentlichen Sektoren und daher einen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot dar.91 Gleiches galt für die im Gegensatz zu anderen staatlichen Geschäftspartnern der Bundesbank bevorzugte Behandlung von Bund, Ländern und Sondervermögen des Bundes bei der Befreiung von Kosten und Gebühren (§ 20 Abs. 1 Satz 2 BBankG).92 Darüber hinaus führte die parallel zum Verbot notenbankfinanzierter Staatskredite weggefallene Einlagenpflicht (§ 17 BBankG) zu geringerem geldpolitischen Feinsteuerungsbedarf der Bundesbank, da die Zentralbankguthaben der Kreditinstitute im Monatsverlauf wesentlich von den Dispositionen der öffentlichen Kassen bestimmt wurden. Infolge der Verlagerung der Netto-Guthaben der zentralen öffentlichen Haushalte in das Bankensystem erhöhte sich dessen Liquidität ceteris paribus, während sich der Refinanzierungsbedarf der Banken bei der Bundesbank im selben Umfang reduzierte. Zudem musste die Bundesbank die Abgrenzung der Geldaggregate anpassen, da die Einlagen der öffentlichen Haushalte nicht mehr in der Geldmenge enthalten waren.93 In engem Zusammenhang mit der Kreditgewährung an öffentliche Haushalte stand der Erwerb öffentlicher Schuldtitel (Art. 104, 2. HS EGV). Indes beschränkte sich das Verbot auf den unmittelbaren Erwerb öffentlicher Schuldtitel,

86 Zu den sehr eng gefassten Ausnahmen siehe VO (EG) Nr. 3603/93 und VO (EG) Nr. 3604/93. 87 Ausführlich zu den Kassenkrediten siehe oben, 3. Abschnitt, E. IV. 2. 88 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (32). 89 Gramlich, Die Verwaltung, Band 27, S. 361 (364). 90 VO (EG) Nr. 3603/93. 91 Gramlich, Die Verwaltung, Band 27, S. 361 (365). 92 Gramlich, Die Verwaltung, Band 27, S. 361 (365 f.). 93 Dazu ausführlich Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (46 f.).

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Kap. 2: Internationale und europäische Ansätze der Währungspolitik

weshalb die Bundesbank weiterhin (Offenmarkt-)Geschäfte an den Wertpapiermärkten tätigen konnte. F. Sonstige Geschäftsfelder Uneingeschränkt erhalten blieb die Funktion der Bundesbank als Fiskalagent;94 der Bund, seine emissionsfähigen Sondervermögen und die Länder sollten ihre Anleihen weiterhin in erster Linie durch die Bundesbank begeben (§ 20 Abs. 2 BBankG). Unberührt blieb zudem die Aufgabe der Bundesbank, für die öffentliche Verwaltung Girokonten zu führen und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs zu übernehmen. Art. 104 EGV beeinträchtigte zudem weder die Rolle der Bundesbank als Verwalterin der nationalen Währungsreserven noch hinsichtlich der IWF-Verpflichtungen.95

94 95

Weinbörner, S. 220. Weinbörner, S. 221.

Z w e i t e r Te i l

Die Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB Kapitel 3

Das ESZB als „Integrationsprodukt“ 9. Abschnitt

Die Vergemeinschaftungsstufe A. Ausgangspunkt und Vorgehensweise Mit der Entstehung des Binnenmarktes und dem Fortschreiten der Globalisierungsprozesse waren die Währungszonen und die für die Preisentwicklung relevanten Märkte inkongruent geworden.1 Die einheitliche Geldpolitik eines vergemeinschafteten Währungsgebietes konnte durch völlig selbständig agierende nationale Zentralbanken nicht mehr effizient gesteuert werden. Mit der unwiderruflichen Fixierung der Wechselkurse und der Einführung der Einheitswährung Euro erreichten die teilnehmenden Mitgliedstaaten am 1. Januar 1999 diesen „point of no return“2 und setzten den vorläufigen Schlusspunkt unter jahrzehntelange währungspolitische Integrationsbemühungen. Angesichts der tief greifenden Kompetenzverschiebungen, die die Vergemeinschaftungsstufe mit sich brachte, ist ab dem Zeitpunkt ihres Beginns der nationale Handlungsrahmen unwiderruflich mit dem europäischen Recht verknüpft und verschränkt. Gleichzeitig veränderte die vergemeinschaftete Währungspolitik das Machtgefüge zwischen EZB und NZBen entscheidend. Inwieweit die Neuverteilung der Aufgaben bei der Bundesbank zu Einflussverlusten infolge verlagerter Zuständigkeiten führte, lässt sich pauschal nicht beantworten. Allerdings gehörte die Bundesbank als Hüterin der D-Mark zu den wenigen NZBen, die in währungspolitischen Entscheidungen nicht von anderen (Leit-)Zentralbanken abhängig waren. Ohne das Ergebnis des Zweiten Teils vorwegzunehmen, ist mit Beginn der Endstufe der WWU zu konstatieren: Wenngleich die Bundesbank auch im neuen Zentralbanksystem als Ausgangspunkt und Empfänger monetärer 1

Kämmerer, Grenzen des Europarechts, S. 77 (95). Galahn, S. 137; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 25; Tietmeyer, Währungspolitik und Integration, S. 467 (490). 2

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

Kompetenzen fungiert,3 bekam sie den Machtverlust sehr deutlich zu spüren; er schlug sich nicht zuletzt in veränderten Organisationsstrukturen nieder. Bevor die Rolle der Bundesbank als in das ESZB integrierte NZB erörtert wird, ist zunächst ein Überblick über Rechtsstellung und Aufgaben des ESZB als „Integrationsprodukt“ zu geben. Im nachfolgenden 10. Abschnitt werden monetäre Zuständigkeiten daher vorrangig aus dem Blickwinkel der EZB betrachtet. Währenddessen liegt der Schwerpunkt der Analyse im 11., 12. und 13. Abschnitt auf der Frage, inwieweit das Währungsregime der Gemeinschaft die Rechtsstellung und den Aufgabenbereich der Bundesbank veränderte und welche Auswirkungen dies auf die Rechtsschutzmöglichkeiten hat. Ausgehend von der besonderen rechtlichen Position der Bundesbank als NZB wird die Kompetenzverteilung innerhalb des Mehr-Ebenen-Systems ESZB untersucht. Dabei lassen sich Parallelen zu anerkannten gemeinschaftsrechtlichen Regelungskategorien nachweisen. Die gefundenen Ergebnisse sind sodann auf die rechtliche Qualifikation des konkreten Aufgabenspektrums der Bundesbank zu übertragen. Angesichts der unterschiedlichen rechtlichen Qualität sind Befugnisse innerhalb und außerhalb des ESZB separat zu behandeln. Die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen bilden die Basis für die Diskussion möglichen Rechtsschutzes der Bundesbank im ESZB. Abschließend sollen die währungspolitischen Regelungen des Verfassungsvertrags auf Angebote, Zwänge und Grenzen untersucht und mit dem derzeitigen Integrationsniveau verglichen werden. B. Rechtliche Grundlagen Auf Basis der Maastrichter WWU-Normen legte Art. 121 EG-Vertrag4 die Kriterien für den Beginn der Endstufe fest. Dem Rat oblagen dabei sowohl die – nicht genutzte – Festlegung des Beginns (Art. 121 Abs. 3, letzter HS EG-Vertrag) als auch die Bewertung der Mitgliedstaaten hinsichtlich rechtlicher und ökonomischer Konvergenz (Art. 121 Abs. 1, 3 EG-Vertrag). Zudem regelte der Rat durch zwei Verordnungen (EURO-VO I5 und II6) das Übergangsszenario der Euro-Einführung (Art. 123 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4 EG-Vertrag).

3

Weinbörner, S. 390. Da die Regelungen des EG-Vertrags zur dritten Stufe der WWU nach wie vor Gültigkeit entfalten, wird jeweils die aktuelle Fassung zitiert. 5 Verordnung des Rates vom 17.06.1996 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, Nr. 1103/97, ABl.EG Nr. L 162, S. 1; ausführlich Bundesbank, Infobrief WWU, Nr. 5, S. 5 (8 ff.). 6 Verordnung (EG) des Rates vom 03.05.1998 über die Einführung des Euro, Nr. 974/98, ABl.EG Nr. L 139, S. 1; ausführlich Bundesbank, Infobrief WWU, Nr. 5, S. 5 (11 f.); Dierdorf, NJW 1998, S. 3145 (3146 ff.). 4

9. Abschn.: Die Vergemeinschaftungsstufe

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Mit Beginn der Endstufe verlieh Art. 116 Abs. 3, UAbs. 2 EG-Vertrag denjenigen Vorschriften Geltung, die den einschneidenden „Quantensprung“7 in der Währungspolitik vollzogen. Auf der Grundlage des mitgliedstaatlichen Kompetenztransfers wurden das ESZB und die EZB errichtet (Art. 123 Abs. 1–4 EGVertrag). Für die Bildung beider Gremien wurde die charakteristische Methode angewandt, nach der Schaffung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts den eigens dafür errichteten, supranational aufgebauten Institutionen übertragen wird.8 Indem die Mitgliedstaaten ihre Währungshoheit auf die autonome EZB übertrugen, vollzogen sie mit der „Entnationalisierung“9 zugleich die „Entpolitisierung“10 der Geldpolitik. Da effektive Währungspolitik samt Preisstabilität ohne mitgliedstaatliche Haushaltsdisziplin kaum denkbar ist, flankieren wirtschaftspolitische Stabilitätsvorschriften die Währungsunion (Art. 101 ff. EG-Vertrag). Festgeschrieben ist, dass jeder Mitgliedstaat das Risiko eigenen Fehlverhaltens auch nach Einführung der Einheitswährung selbst tragen muss (Art. 101–103 EG-Vertrag).11 C. Zeitplan und Inhalt I. Überblick

Infolge des rechtsverbindlichen, „bedingten Automatismus“12 (Art. 121 Abs. 4 Satz 1 EG-Vertrag) begann die Endstufe am 1. Januar 1999 zum spätestmöglichen13 Termin. Im Rahmen seiner Tagung im Mai 199814 in Brüssel bescheinigte der ECOFIN-Rat elf15 Mitgliedstaaten die Euro-Reife (Art. 121 Abs. 3, 4 EG-Vertrag). Der Rat stützte sich bei seiner Entscheidung auf die volkswirtschaftlichen Daten der Mitgliedstaaten für das Jahr 1997 sowie auf die – inhaltlich differierenden16 – Berichte von EWI und Europäischer Kommission vom 7

Bandilla, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 116, Rn. 11 (15. EL, Januar 2000). Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (367). 9 Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (369). 10 Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2431). 11 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 437. 12 Häde, Rechtliche Aspekte, S. 46 (47 ff.), der zutreffend darauf hinwies, dass der Rat nur die Teilnehmer der Endstufe, nicht aber deren Beginn festlegen konnte; dagegen Horn, ZBB 1997, S. 314 (317), der davon ausging, dass der Rat entgegen Art. 109j Abs. 4 EGV einen späteren Termin hätte festlegen können. 13 Der Beginn der Endstufe zum 01.01.1997 war wenig realistisch, da der Rat frühestens Ende 1996 den Teilnehmerkreis anhand der Konvergenzergebnisse bestimmen konnte; so auch Tietmeyer, Währungspolitische Kooperation, S. 447 (454). 14 Entscheidung des Rates vom 03.05.1998 gemäß Art. 109j Abs. 4 EG (98/317/ EG), ABl.EG Nr. 139, S. 30. 15 Belgien, Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Finnland, Österreich, Portugal, Spanien. 16 Goetze, S. 50 f.; Heun, JZ 1998, S. 866. 8

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

Mai 1998; rechtlich war er an die Konvergenzkriterien (Art. 121 Abs. 1 EGVertrag) gebunden.17 Zudem fassten die Staats- und Regierungschefs am 26. Mai 1998 einvernehmlich den Beschluss,18 mit Wirkung zum 1. Juni 1998 den Präsidenten, den Vizepräsidenten sowie das Direktorium der EZB zu ernennen, womit ESZB und EZB entstanden (Art. 123 Abs. 1 EG-Vertrag). Um das Ziel der Endstufe, den einheitlichen Euro-Währungsraum, zu erreichen, mussten zwischen den Mitgliedstaaten feste Wechselkurse existieren. Motiviert wurde diese Unwiderruflichkeit durch die negativen Erfahrungen im Zuge der Wechselkursfreigabe im Mai 1971 und das Scheitern des WernerPlans.19 Die Wirtschafts- und Finanzminister der Teilnehmerstaaten legten am 31. Dezember 1998 einstimmig die Umrechnungskurse20 zwischen den nationalen Währungen und dem Euro fest21 (Art. 123 Abs. 4 EG-Vertrag; Art. 3 EURO-VO II) und dokumentierten damit die einheitliche Ausübung der vertraglich verbundenen nationalen Währungspolitiken22. Der als Ausführungsorgan23 agierende Rat nahm diesen Beschluss am ersten Tag der Endstufe an (Art. 123 Abs. 4 Satz 1 EG-Vertrag). Somit wurde die Währungshoheit der souveränen Einzelstaaten durch die supranationale Einheitswährung Euro ersetzt. De iure existierte der Euro ab dem 1. Januar 1999 als alleinige, eigenständige Währung des Eurosystems;24 die nationalen Währungen dienten nur noch als nichtdezimale Untereinheiten des Euro25 sowie temporär als Bargeld (Art. 1 EURO-VO II). Mit Beginn der Tätigkeit führte das ESZB seine Geschäfte ausschließlich in Euro aus (Art. 4 EURO-VO II). Obwohl zwischen dem bisherigen ECU-Währungskorb des EWS und dem Euro keine Identität bestand, der ECU-Außenwert jedoch nicht geändert wurde 17 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 19; Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (679). 18 Einvernehmlich gefasster Beschluss der Regierungen der Mitgliedstaaten, die die Einführung der einheitlichen Währung beschließen, auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs vom 26.05.1998 zur Ernennung des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der weiteren Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (98/345/ EG), ABl.EG Nr. L 154, S. 33. 19 Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (362). 20 Die Festlegung der Umrechnungskurse erfolgte mit sechs signifikanten Stellen (Art. 4 Abs. 2 EURO-VO I), um einen hohen Grad an Genauigkeit bei der Umrechnung zu erzielen; Dierdorf, NJW 1998, S. 3145 (3147). 21 Entscheidung des Rates vom 03.05.1998. 22 Unter dem Begriff „Währung“ ist die staatliche Geldordnung im Sinne eines staatlichen Geldsystems zu verstehen, die auf einer gesetzlich normierten Rechnungseinheit für ein Währungsgebiet aufbaut, so Siebelt, S. 219 ff. 23 Häde, Rechtliche Aspekte, S. 46 (53). 24 Zur terminologischen Abgrenzung bezeichnet der EZB-Rat die EZB und die NZB der Mitgliedstaaten, die den Euro eingeführt haben, als Eurosystem; EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (59). 25 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 487.

9. Abschn.: Die Vergemeinschaftungsstufe

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(Art. 123 Abs. 4 Satz 2, Art. 118 Satz 2 EG-Vertrag), ergab sich ein Umstellungsverhältnis zwischen ECU und Euro von 1:1.26 Um den Übergang zur Einheitswährung in den Mitgliedstaaten schonender zu gestalten, hatte der Rat bereits im Dezember 199527 beschlossen, das Verfahren der tatsächlichen Währungsumstellung in zwei Abschnitte – Stufe 3a und 3b – zu gliedern (Madrid-Szenarium)28. II. Stufe 3a

Zur Förderung der Akzeptanz der neuen Währung konnten die Marktteilnehmer während der auf drei Jahre begrenzten Übergangszeit das Tempo der Umstellung selbst bestimmen.29 Zu diesem Zweck existierten während der Stufe 3a vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2001 die nationalen Währungen als nichtdezimale Untereinheiten neben dem Euro (Art. 9 EURO-VO II).30 Uneingeschränkt verwendet werden konnte der Euro im bargeldlosen Zahlungsverkehr.31 Der Interbankenverkehr fand ab diesem Zeitpunkt bereits ausschließlich in Euro statt. Während der Phase galt das nationale Währungsrecht fort (Art. 6 Abs. 1 Satz 2, 3 EURO-VO II). Die nationalen Banknoten behielten folglich ihre Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel im bisherigen Gültigkeitsgebiet. Die nationalen Währungen und der Euro waren nur unterschiedliche Bezeichnungen dessen, was im wirtschaftlichen Sinne als ein und dieselbe Währung galt. Aufgrund der Eigenschaft der nationalen Währungen als Denominationswährungen ist eine „dualistische“ Auffassung zweier nebeneinander geltender Währungen während der Stufe 3a abzulehnen. Vielmehr dokumentierte das Nebeneinander von Euro und nationalen Währungen die Wahlfreiheit zwischen den Währungen sowie den Grundsatz „kein Zwang, keine Behinderung“32.

26 Art. 2 EURO-VO I in Verbindung mit der Verordnung des Rates vom 22.12.1994 zur Kodifizierung der geltenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zur Definition des ECU nach Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union, VO (EG) Nr. 3320/94, ABl.EG Nr. L 350, S. 27; Schefold, WM 1996, Sonderbeilage 4, S. 1 (9 ff.). 27 Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Madrid vom 15./16.12.1995 in Madrid, veröffentlicht unter http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/ pressdata/de/ec/00400-C.D5.htm (Stand: 18.07.2007). 28 Bundesbank, Infobrief WWU, Nr. 5, S. 5 (7). 29 Bundesbank, Infobrief WWU, Nr. 1, S. 15 (15). 30 Dierdorf, NJW 1998, S. 3145 (3146); Kilb, JuS 1999, S. 10 (12); Schefold, WM 1996, Sonderbeilage 4, S. 1 (3). 31 Schefold, WM 1996, Sonderbeilage 4, S. 1 (8). 32 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 492; Schefold, WM 1996, Sonderbeilage 4, S. 1 (4); Weinbörner, S. 314.

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘ III. Stufe 3b

Mit einer Dauer von maximal sechs Monaten begann am 1. Januar 2002 die Stufe 3b (Art. 10 EURO-VO II). Die meisten Mitgliedstaaten machten von ihrem Ermessen Gebrauch und verkürzten die Dauer der Stufe 3b (Art. 10, 11, 15 Absatz 1 EURO-VO II).33 Ziel der letzten Übergangsstufe war die Ausgabe der Euro-Banknoten und -Münzen durch die EZB und die nationalen Zentralbanken (Art. 10, 11 Satz 2 EURO-VO II). Gleichzeitig wurden die nationalen Währungen aus dem Umlauf gezogen und verloren am Ende der Übergangszeit ihren Status als gesetzliches Zahlungsmittel (Art. 15 EURO-VO II). Der Übergang zur einheitlichen europäischen Währung war somit am 1. Juli 2002 abgeschlossen. D. Teilnehmer Wesentliches Merkmal der Entscheidung über den Beginn der Endstufe war die strikte Verpflichtung aller Mitgliedstaaten zur Teilnahme an der Währungsunion. Der Vertragstext sah grundsätzlich kein „Opting-Out“ einzelner Mitgliedstaaten vor.34 Tatsächlich vollzogen zum 1. Januar 1999 elf (der damals fünfzehn) Mitgliedstaaten den Übergang zur Endstufe.35 Dänemark36 und Großbritannien37 genießen einen Sonderstatus, der auch bei Erfüllung der Konvergenzkriterien zulässt, sich gegen den Eintritt in das Eurosystem zu entscheiden. Diesen Staaten wurden zeitlich unbegrenzte Opting-OutKlauseln gewährt, die ihnen im Fall ihres späteren Beitritts die gleichen Zugangschancen wie den Euro-Mitgliedern eröffnen.38 Angesichts der Bedeutung des Finanzplatzes London wäre insbesondere die Zugehörigkeit des britischen Pfundes zur Eurozone als Signal für die Zukunft zu werten.39 33 Dierdorf, NJW 1998, S. 3145 (3147); Kilb, JuS 1999, S. 10 (12); Schefold, ebenda. 34 Kortz, S. 67 f.; Weber, in: FS Hahn, S. 273 (277). 35 Einen Überblick über die Konvergenzlage im März 1998 liefert Herdegen, in: M/ D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 19. 36 Protokoll über einige Bestimmungen betreffend Dänemark – Protokoll Nr. 12; zum Sonderstatus Dänemarks Häde, in: FS Hahn, S. 141 (146 f.). 37 Protokoll über einige Bestimmungen betreffend das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland – Protokoll Nr. 11. Großbritannien genießt einen über die Position Dänemarks hinausreichenden Sonderstatus, der dem Stand eines Mitgliedstaates vor Beginn der dritten Stufe ähnelt. Großbritannien ist daher nicht zur Anpassung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften gemäß Art. 107 und Art. 108 EGV verpflichtet, weshalb auch die Bank of England weisungsabhängig bleiben darf. Zum Sonderstatus Großbritanniens Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 468 f.; Weber, in: FS Hahn, S. 273 (276). 38 Weber, in: FS Hahn, S. 273 (276). 39 Oppermann, Europarecht, § 14, Rn. 22.

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Schweden nimmt den Status eines Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung gilt (Art. 122 Abs. 2 EG-Vertrag), in Anspruch;40 dies gilt auch nach der Konvergenzentscheidung der Kommission vom Frühjahr 2002.41 Der Rat beschloss im Juni 200042 die Teilnahme Griechenlands ab dem 1. Januar 2001. Nach damaliger Einschätzung des Rates erfüllte Griechenland als Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung galt, die Voraussetzungen der WWU.43 Der Beitritt Griechenlands ist indes nicht als realer Erfolg der Stabilitätsgemeinschaft zu werten. So wurde im Herbst 2004 bekannt, dass Griechenland im Referenzzeitraum für die Konvergenzentscheidung (1997–1999) falsche44 sowie für die Jahre 2000–2003 zu niedrige Angaben45 über sein staatliches Haushaltsdefizit an die EU meldete. Den infolge der Erweiterungsrunde von 2004 neuen zehn Mitgliedstaaten wurde im Zeitpunkt ihres Beitritts automatisch eine Ausnahmeregelung gewährt (Art. 122 Abs. 1 Satz 3, 4 EG-Vertrag). Entsprechend Art. 122 Abs. 2 EG-Vertrag berichten Kommission und EZB dem Rat über Konvergenzfortschritte der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten; über die endgültige Teilnahme entscheidet allein der Rat. Mit der Entscheidung des Rates46 über den Beitritt Sloweniens zur Eurozone zum 1. Januar 2007 erfüllte der erste der mittel- und osteuropäischen Beitrittsstaaten die Teilnahmevoraussetzungen. Die strikte Auslegung und Anwendung der Konvergenzkriterien durch Kommission und EZB im Vorfeld kann als Rückbesinnung auf den Vorrang tatsächlicher Konvergenz vor abstrakten Terminvorgaben gewertet werden.47

40 Schwedens Nichtmitgliedschaft resultierte weniger aus fehlender Konvergenz als aus dem mangelnden politischen Willen zum Eintritt in die Endstufe und zur Einführung des Euro. Angesichts der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Eintritt in die Endstufe stellt die Nichtteilnahme Schwedens trotz vorhandener Konvergenz einen Gemeinschaftsrechtsverstoß dar, der grundsätzlich justitiabel wäre. Zur Nichtmitgliedschaft Schwedens Häde, JZ 1998, S. 1088 (1092); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 464. 41 Bericht der Kommission – Konvergenzbericht 2002 – Schweden (gemäß Art. 122 Abs. 2 EG-Vertrag), KOM/2002/0243 endg. 42 Entscheidung des Rates vom 19.06.2000 gemäß Art. 122 Absatz 2 des Vertrages über die Einführung der Einheitswährung durch Griechenland am 01.01.2001 (2000/ 427/EG), ABl.EG Nr. L 167, S. 19. 43 Zur Erfüllung der Konvergenzkriterien durch Griechenland EZB, Monatsbericht Januar 2001, S. 39 (40 f.). 44 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16.11.2004, S. 11. 45 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.09.2004, S. 13. 46 Zum Beitritt Sloweniens siehe Entscheidung des Rates vom 11.07.2006 gemäß Art. 122 Absatz 2 des Vertrags über die Einführung der Einheitswährung durch Slowenien am 01.01.2007 (2006/495/EG), ABl.EG Nr. L 195, S. 25. 47 Davon ging das BVerfG bereits im „Maastricht-Urteil“, BVerfGE 89, S. 155 (201), aus. So auch Thiel, S. 393 (413).

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

Im Rahmen der wechselkurspolitischen Zusammenarbeit besteht für die nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ihre Währungen mit Hilfe des Wechselkursmechanismus II48 (WKM II) an den Euro zu koppeln und somit den potentiellen Eintritt in die Eurozone vorzubereiten. Teilnehmer des WKM II sind seit 1. Januar 1999 Dänemark49, seit 28. Juni 2004 Estland, Litauen, Slowenien und seit 2. Mai 2005 Zypern, Lettland und Malta. E. Konvergenzkriterien I. Inhalt

Die stark von deutschen Präferenzen50 geprägten Konvergenzkriterien (Art. 121 Abs. 1 EG-Vertrag)51 bezwecken ökonomische Annäherung sowie Rechtsangleichung der Mitgliedstaaten auf hohem Niveau. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei auf die rechtliche Konvergenz in Gesalt der Anpassung des nationalen Währungsrechts, besonders der Zentralbanksatzung, verwiesen.52 Aus ökonomischer Sicht dienen messbare, sich wechselseitig bedingende Standardwerte zur Feststellung, ob die Staaten über ein dauerhaft tragfähiges stabilitätspolitisches Fundament verfügen und eine europäische Stabilitätszone bilden. Da die Konvergenzkriterien für künftige Euro-Teilnehmerstaaten maßgeblich bleiben,53 runden die vier ökonomischen Kriterien die Darstellung ab. Das Preisstabilitätskriterium54 bedeutet, dass die Inflationsrate eines Mitgliedstaates nicht mehr als 1,5% über der Durchschnittsinflationsrate der drei Mitgliedstaaten liegen darf, die hinsichtlich der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielten.55 Angesichts der relativen Formulierung wäre das Kriterium – theoretisch56 – auch bei allgemein hohem Inflationsstand erfüllt gewesen.57 48 Abkommen vom 16.03.2006 zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten über die Funktionsweise eines Wechselkursmechanismus in der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, ABl.EG 2006, Nr. C 73, S. 8. 49 Abkommen vom 1. September 1998 zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten über die Funktionsweise eines Wechselkursmechanismus in der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, ABl.EG 1998, Nr. C 345, S. 6. 50 Thiel, S. 393 (395 f.). 51 Ergänzt wird Art. 121 EG durch das dem EG-Vertrag beigefügte Protokoll Nr. 6 über die Konvergenzkriterien nach Art. 109j EGV (jetzt Art. 121 EG). 52 Siehe zum 5. und 6. BBankÄndG bereits, 8. Abschnitt, A. III. 1. und 2. 53 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 479. 54 Art. 121 Abs. 1 Satz 3, 1. Sp.-str. EG, der durch Art. 1 Protokoll Konvergenzkriterien konkretisiert wird. 55 Becker-Neetz, EWS 1996, S. 369 (374); Goetze, S. 54; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 19. 56 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 444.

9. Abschn.: Die Vergemeinschaftungsstufe

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Das fiskalische Kriterium58 fordert eine auf Dauer tragbare Haushaltslage der öffentlichen Hand. Dies soll verhindern, dass die Staaten kurz vor Beginn der Endstufe übermäßige Staatsschulden verursachen und somit über einen illegitimen Startvorteil59 infolge der „Inflationssenkung“ verfügen. Demnach darf zum Zeitpunkt der Konvergenzprüfung keine Entscheidung des Rates (Art. 104 Abs. 6 EG-Vertrag) vorliegen, wonach in dem betreffenden Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht.60 Der Ratsentscheidung kommt insofern eine Doppelrolle61 zu, als sie konstitutiv für das zweite Kriterium wirkt und zugleich unabdingbare Voraussetzung für haushaltsdisziplinarische Sanktionen ist. Das Wechselkurskriterium62 verlangt von den Teilnehmern die Einhaltung der „normalen“ Bandbreiten des EWS-Wechselkursmechanismus seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung der betreffenden Währung.63 Während bei Unterzeichnung des Vertrags im Februar 1992 Bandbreiten von 2,25% galten, kam es im Zuge der EWS-Krise 1992/93 zur Erweiterung auf 15% und in der Folge zur faktischen Aufgabe der Bandbreiten.64 Umstritten ist daher, welche „normalen“ Bandbreiten das Wechselkurskriterium meint. Mit Blick auf das primärrechtliche Stabilitätsziel können nur die ursprünglichen, schmalen Bandbreiten von 2,25% als maßgebliches Kriterium herangezogen werden.65 Die Verfahrensweise der Praxis, sich zwar grundsätzlich am 2,25-%-Wert zu orientieren, ihn aber nicht als absolut zu verstehen, ist dennoch zulässig, um sich gegen gezielte Angriffe auf Wechselkurse einzelner Währungen zu schützen.66 Das Zinskriterium67 fordert das Erreichen eines durchschnittlichen langfristigen Nominalzinses. Der Zinssatz darf im Verlauf eines Jahres vor der Konver57

Horn, ZBB 1997, S. 314 (315). Art. 121 Abs. 1 Satz 3, 2. Sp.-str. EG, der durch Art. 2 Protokoll Konvergenzkriterien konkretisiert wird. 59 Kortz, S. 83; Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (678). 60 Die Referenzwerte lagen für das Haushaltsdefizit bei 3% und für den öffentlichen Schuldenstand bei 60% des Bruttoinlandsprodukts, ausführlich Becker-Neetz, EWS 1996, S. 369 (373 f.); Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 19. 61 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 445. 62 Art. 121 Abs. 1 Satz 3, 3. Sp.-str. EG, der durch Art. 3 Protokoll Konvergenzkriterien konkretisiert wird. 63 Diese Regelung galt nicht für Mitgliedstaaten mit erweiterten Bandbreiten von 6% (Spanien, Großbritannien). 64 Siehe dazu oben, 5. Abschnitt, D. 65 Ebenso Becker-Neetz, EWS 1996, S. 369 (375); Galahn, S. 151; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 448; Tettinger, in: Sachs, GG, 3. Auflage, Art. 88, Rn. 12c; Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 121 EGV, Rn. 20. 66 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 121 EG, Rn. 16; Selmayr, Recht der WWU, S. 368 ff. Für die Nichtanwendbarkeit des Wechselkurskriteriums hingegen Pipkorn, EuR 1994, Beiheft 1, S. 85 (92). 67 Art. 121 Abs. 1 Satz 3, 4. Sp.-str. EG, der durch Art. 4 Protokoll Konvergenzkriterien konkretisiert wird. 58

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

genzprüfung um nicht mehr als 2% über dem Zinssatz in den drei Mitgliedstaaten mit den besten Ergebnissen in der Preisstabilität liegen.68 II. Bindungswirkung

Die kumulative Erfüllung der Konvergenzkriterien gilt – mit Ausnahme des Dauerkriteriums der rechtlichen Konvergenz69 – als einmaliger70 Maßstab für die Entscheidung des Rates, ob sich ein Mitgliedstaat für die Endstufe der WWU qualifiziert hat. Dabei stellen die Konvergenzkriterien nicht nur unverbindliche Anhaltspunkte, sondern rechtlich bindende, wenn auch nicht justitiable71 Vorgaben dar.72 Nicht zu verkennen ist, dass die rechtlichen Grenzen der Kriterien politisch geprägte Entscheidungen zuließen. Denn die Konvergenzvorgaben sind keine starren mathematischen Werte, sondern indizielle Zielgrößen,73 die – über die eigentliche Konvergenzprüfung hinaus – Einschätzungsund Gestaltungsspielräume74 eröffnen (Art. 121 Abs. 1 Satz 5, Abs. 3 EG-Vertrag). Rein makroökonomisch betrachtet, sind die numerischen Schwellenwerte praktisch unerheblich.75 Die genannten Spielräume nutzte der Rat bei seiner Entscheidung 199876 bis an deren rechtliche Grenzen.77 Im Fall von Belgien und Italien ließ sich die Entscheidung des Rates nur als politisch motiviert verstehen, da sie offensichtlich gegen geltendes Gemeinschaftsrecht verstieß.78 Beide Mitgliedstaaten verfehlten das zweite Konvergenzkriterium (auf Dauer tragbare öffentliche Finanzlage) mit einem Schuldenstand von 122,2% (Belgien) beziehungsweise 121,6% (Italien) im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt deutlich.79

68 Becker-Neetz, EWS 1996, S. 369 (375); Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 19. 69 Zeitler, Strukturen des europäischen Währungsrechts, S. 345 (347). 70 Dagegen Dauses, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, F. I. Rn. 82, wonach aus dem „effet utile des Regelungssystems“ die dauerhafte Bindung der Mitglieder des Eurosystems an die Konvergenzkriterien folgen solle. 71 Weinbörner, S. 359. 72 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 479 („relative Eintrittsbedingungen“); Roth, EuR 1994, Beiheft 1, S. 45 (55). 73 Weinbörner, S. 349. 74 BVerfGE 97, S. 350 ff.; Badura, in: FS Vogel, S. 545 (549); Becker-Neetz, EWS 1996, S. 369 (376); Möschel, JZ 1998, S. 217 (222); Selmayr, EuZW 1998, S. 101 (102 f.); Wahlig, in: Symposium Hahn, S. 37 (43). 75 Dauses, in: Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, F. I. Rn. 88. 76 Entscheidung des Rates vom 03.05.1998, ABl.EG 1998, Nr. L 139, S. 1; ausführliche Analyse der Entscheidung des Rates bei Häde, JZ 1998, S. 1088 ff. 77 Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (363). 78 Häde, JZ 1998, S. 1088 (1091). 79 Häde, JZ 1998, S. 1088 (1089 ff.).

9. Abschn.: Die Vergemeinschaftungsstufe

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Zweifelsohne lassen sich politische Wagnisse wie eine WWU nicht vollständig rechtlich absichern. Dennoch entsteht mit Blick auf die Entscheidung über die Endstufe der Eindruck, „dass die von ihnen selbst aufgestellten Regeln den Akteuren lästig erscheinen“ und hinter realpolitischen Entscheidungen zurücktreten müssen.80 Die Anwendung der Konvergenzkriterien schuf daher keine primärrechtlich abgesicherte, realwirtschaftliche Konvergenz.81 III. Zweifel an der Dauerhaftigkeit der Konvergenz

Die Zweifel an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz des Eurosystems resultieren zunächst aus dem Umstand, dass die Kriterien des Art. 121 Abs. 1 EG-Vertrag einmalig für den Eintritt in die Endstufe galten.82 Voraussetzung einer auf Preisstabilität ausgerichteten Geld- und Währungspolitik der EZB sind aber eine stetige, stabilitätskonforme Lohn- und Finanzpolitik sowie dauerhafte Haushaltsdisziplin aller Mitgliedstaaten.83 Sofern die Mitgliedstaaten nicht bereits als „Herren der Verträge“ ausreichend motiviert sind, die Konvergenzkriterien als Selbstverpflichtung zu begreifen, müssen Disziplinierungsmechanismen die Teilnehmer zu einer solchen Politik anhalten. Dazu sollten die vorhandenen Sanktionen (Art. 101 Abs. 2–14 EG-Vertrag; Stabilitäts- und Wachstumspakt84) konsequent und gleichförmig eingesetzt werden, wenngleich der „halbautomatische Sanktionsmechanismus“85 des Stabilitätspaktes nur geringe sekundärrechtliche Steuerungsmöglichkeiten liefert. Überdies ist die Kritik86 am existenten Sanktionsregime berechtigt. Ein Mitgliedstaat, der keine stabilitätskonforme Politik betreibt, wird aufgrund leerer Staatskassen kaum zur Zahlung von Geldbußen willens und in der Lage sein. Während bereits bei den Maastrichter Verhandlungen die deutschen Bemühungen um parallele politische Integration scheiterten, scheint derzeit die Kluft zwischen politischen Akteuren und europäischer Bevölkerung tiefer als je zu80

Häde, JZ 1998, S. 1088 (1095). Horn, ZBB 1997, S. 314 (318 f.); Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (678). 82 Galahn, S. 218; Horn, ZBB 1997, S. 314 (319 f.); Kortz, S. 105 ff.; Nicolaysen, S. 22, Fn. 51. 83 Galahn, S. 219; Horn, ZBB 1997, S. 314 (320); Kortz, S. 108. 84 Der Stabilitäts- und Wachstumspakt gründet sich im Wesentlichen auf zwei Verordnungen des Rates vom 07.07.1997: VO (EG) Nr. 1466/97 des Rates über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitik, ABl.EG Nr. L 209, S. 1 und VO (EG) Nr. 1467/97 des Rates über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei übermäßigem Defizit, ABl.EG Nr. L 209, S. 6, sowie die Entschließung des Europäischen Rates vom 17.06.1997 über den Stabilitäts- und Wachstumspakt, ABl.EG Nr. C 236, S. 1. 85 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 22; Weinbörner, S. 364. 86 Galahn, S. 219 f.; Möschel, JZ 1998, S. 217 (220); Palm, EuZW 2004, S. 71 (75). 81

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

vor.87 Angesichts der wirtschaftlichen Situation Deutschlands wurde der Stabilitätspakt besonders für seinen Initiator88 zunehmend problematisch. Deutschland hat es im Gegensatz zu den meisten Mitgliedstaaten seit 200289 dreimal in Folge nicht vermocht, sein nationales Budget dem Gemeinschaftsziel gesunder öffentlicher Finanzen anzunähern.90 Der Versuch der Kommission91, einer solchen Praxis vorzubeugen, scheiterte, da eine Inverzugsetzung Deutschlands Ende 2003 im ECOFIN-Rat nicht einmal die reduzierte qualifizierte Mehrheit (Art. 104 Abs. 9 EG-Vertrag) erhielt.92 Die seitens der Kommission erhobene Nichtigkeitsklage erwies sich insofern als „Etappensieg“, als der EuGH93 die Entscheidung des ECOFIN-Rates über die Verschärfung des Defizitverfahrens gegen Deutschland (und Frankreich) vom November 2003 für nichtig erklärte. Nicht erfolgreich war indes das Begehren der Kommission, die Aussetzung des Defizitverfahrens generell für nichtig zu erklären. Angesichts der „nur“ formalen Einwände der Luxemburger Richter kann von einer Stärkung des Paktes nicht gesprochen werden. Vielmehr scheint der Weg frei zu sein für eine situationsbezogene Anwendung des Paktes im Sinne der Reformbestrebungen des Rates. Zudem legte die Kommission erst Ende 2004 dem Rat eine Mitteilung zu den Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich vor, in der sie empfahl, keine weiteren Maßnahmen gegen beide Länder einzuleiten, da eine Defizitkorrektur erwartet werden könne.94 Angesichts derartiger Entwicklungen scheint die Gefahr der Spaltung des Eurosystems in stabilitätstreue und weniger treue Mitgliedstaaten nicht gebannt. Zur Rechtfertigung ihrer Position könnten sich die letztgenannten Staaten an den „Präzedenzfall Deutschland“ erinnern und auf ähnliche Behandlung hoffen. Welcher Staat wird seinen Bürgern noch Sparmaßnahmen zumuten können, wenn andere Mitglieder die Stabilitätsvorgaben des Vertrags aus innenpolitischen Gründen missachten,95 und dies seitens der Gemeinschaftsorgane nicht 87

Thiel, S. 393 (393 f.). Häde, Rechtliche Aspekte, S. 46 (50); Selmayr, Europa-Blätter, 2002, S. 131 (131). 89 Für das Jahr 2002 Pressemitteilungen der Kommission vom 19.11.2002, IP 02/ 1705 sowie vom 08.01.2003, IP 03/12; Entscheidung des Rates vom 21.01.2003 über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in Deutschland – Anwendung von Artikel 104 VI EG (2003/89/EG), ABl.EG Nr. L 34, S. 16; Bundesbank, Monatsbericht Januar 2005, S. 43 (45). 90 Ausführlich zum Verfahren und dessen Erfolgsaussichten Streinz/Ohler/Herrmann, NJW 2004, S. 1553 (1555 ff.). 91 Pressemitteilungen der Kommission vom 19.11.2002, IP 02/1705 sowie vom 08.01.2003, IP 03/12. 92 Ausführlich zum Verfahren Palm, EuZW 2004, S. 71 (72 f.). 93 EuGH, Rs. C-27/04, Urteil vom 13.07.2004 [Kommission/Rat]; ausführlich dazu Nicolaysen, DVBl. 2004, S. 1321 ff. 94 Bundesbank, Monatsbericht Januar 2005, S. 43 (45 f.). 95 Streinz/Ohler/Herrmann, NJW 2004, S. 1553 (1558). 88

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sanktioniert wird? Bedenklich ist, dass sich der ECOFIN-Rat nicht an die Empfehlungen der Kommission gebunden fühlt, sondern sich zwar als „Herr des Defizitverfahrens“, nicht aber als „Hüter des Stabilitätspaktes“, der die „Geschäftsgrundlage“ der WWU ist, versteht. Daran wird deutlich, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt an einem Umsetzungsproblem96 leidet, das auch durch die vom Europäischen Rat97 beschlossene Reform98 nicht behoben wird. Wenngleich die Änderungen im präventiven99 Teil des Stabilitätspaktes (Haushaltsüberwachungsprozess) Potential zur Stärkung beinhalten, schwächen die Modifizierungen des korrektiven100 Teils den Pakt sichtbar. An dem Herzstück des Paktes – dem Defizit-Referenzwert von 3% und dem Schuldenquoten-Referenzwert von 60%, jeweils bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt – wurde nicht gerüttelt.101 Mit dem Ziel „stärkerer Betonung der ökonomischen Logik“ sollen jedoch die derzeitigen Regeln „effektiver“ gestaltet werden. Derartige Formulierungen lassen die Kompetenzasymmetrie zwischen Finanz- und Geldpolitik noch deutlicher zu Tage treten. Zugleich erschwert die gelockerte Finanzpolitik den Rahmen der stabilitätsorientierten Geldpolitik der EZB. Aus Sicht der Bundesbank schwächen vor allem die Berücksichtigung länderspezifischer Gegebenheiten, die Lockerung der Haushaltsdisziplin sowie die Aufweichung der Defizitgrenze und die Sonderbehandlung bestimmter Ausgabenkategorien102 den Anreiz zu solider mitgliedstaatlicher Finanzpolitik. In ähnlicher Form kritisierte die EZB die Reform des Paktes, indem sie einen differenzierteren Ansatz bei der Haushaltsüberwachung103 sowie kontrollierbare Flexibilität und eng begrenzte Ermessensentscheidungen104 forderte. Mitgliedstaaten wie Gemeinschaftsorgane können die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in eine solide europäische Finanzpolitik nur durch strikte und konsequente Anwendung des reformierten Paktes sichern. 96 Nicolaysen, DVBl. 2004, S. 1321 (1326) übt „Kritik an der Ausgestaltung des Verfahrens“. 97 Tagung des Europäischen Rates am 22./23.03.2005, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, 7619/1/05 REV 1, Punkt I. 3, veröffentlicht unter: http://ue.eu.int/ueDocs/ cms_Data/docs/pressData/de/ec/84347.pdf (Stand: 20.05.2007). 98 Die Reform wird umgesetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1055/2005 des Rates vom 27.06.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, ABl.EG Nr. L 174, S. 1 ff., sowie die Verordnung (EG) Nr. 1056/ 2005 des Rates vom 27. Juni 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, ABl.EG Nr. L 174, S. 5–9. Ausführlich Hatje, DÖV 2006, S. 597 (602 ff.). 99 EZB, Monatsbericht August 2005, S. 63 (65 ff.). 100 EZB, Monatsbericht August 2005, S. 63 (67 ff.). 101 Hatje, DÖV 2006, S. 597 (602). 102 Bundesbank, Monatsbericht April 2005, S. 15 (19 f.). 103 EZB, Monatsbericht August 2005, S. 63 (72 ff.). 104 EZB, Monatsbericht August 2005, S. 63 (75 ff.).

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

10. Abschnitt

Überblick über das Europäische System der Zentralbanken A. Rechtsgrundlagen Seit Beginn der Endstufe der WWU am 1. Januar 1999 obliegen Festlegung und Durchführung der einheitlichen Geld- und Währungspolitik dem ESZB. Das in Art. 8 EG-Vertrag primärrechtlich verankerte ESZB setzt sich aus EZB und NZBen zusammen. Darüber hinaus regeln die Art. 105 ff. EG-Vertrag in Verbindung mit der ESZB-Satzung die supranationalen, zentralisierten Elemente der Währungsunion. Die ESZB-Satzung ist durch die Schlussakte des Unionsvertrags (Maastricht) dem EG-Vertrag als Protokoll (Nr. 18) beigefügt (Art. 107 Abs. 4, 311 EG-Vertrag) und kann, ebenso wie die Art. 105 ff. EGV, nur im Vertragsänderungsverfahren (Art. 48 EU-Vertrag) modifiziert werden. Eine solche Vorgehensweise scheidet jedoch aufgrund der mitgliedstaatlichen Vetorechte und Zustimmungspflichten der nationalen Parlamente praktisch aus.1 Eine Ausnahme bilden insoweit einige finanztechnische Vorschriften, die in einem komplizierten, qualifizierte Mehrheiten erfordernden und einer innerstaatlichen Verfassungsänderung entsprechenden Verfahren (Art. 107 Abs. 5, 6 EG-Vertrag; Art. 41 ESZB-Satzung) modifiziert werden können.2 Struktur und Funktionsweise sowie Kompetenzen von EZB und ESZB sind indes weitgehend änderungsfest. Die ESZB-Satzung wiederholt eine Reihe wichtiger Bestimmungen, die inhaltlich bereits im EG-Vertrag niedergelegt sind. Im Falle inhaltlich gleichlautender Regelungen wird daher nur auf den Vertrag verwiesen.3 B. Rechtsstellung I. Begriffsbestimmung

Die Rechtsstellung wird wesentlich von der Frage beeinflusst, ob dem ESZB Rechtspersönlichkeit sowie Organqualität zuerkannt werden kann. Dies setzt zunächst die Klärung der Begriffe „Rechtssubjekt/Rechtspersönlichkeit“ und „Organ“ voraus. 1 Heun, JZ 1998, S. 866 (867); Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (679); Selmayr, Europa-Blätter 1998, S. 39 (41). 2 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 107 EG, Rn. 31 ff.; Heun, JZ 1998, S. 866 (866 f.). 3 Jede Wiederholung in der ESZB-Satzung ist – rechtlich gesehen – unnötig, da der EG-Vertrag und das Protokoll Nr. 18, das die Satzung enthält, gleichrangig sind (Art. 311 EG). Die Wiederholung einiger Bestimmungen wurde dennoch als nützlich erachtet, um mit der ESZB-Satzung einen eigenständigen Text zu schaffen, Smits, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 3, Rn. 2.

10. Abschn.: Überblick über das ESZB

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Angesichts der berechtigten Kritik, wonach der Begriff des Organs „heute nicht mehr differenziert genug“4 verwandt werde, ist er streng von der Frage der Rechtspersönlichkeit zu trennen. Organe handeln im Gegensatz zu Rechtssubjekten nicht zur Erfüllung originär eigener Aufgaben, sondern namens einer juristischen Person, der das Organhandeln zugerechnet wird.5 Die Rechtspersönlichkeit umschreibt hingegen die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein und im Rahmen der Gründungsverträge tätig zu werden. Für die Rechtspersönlichkeit einer supranationalen Organisation ist entscheidend, ob ihre Mitgliedstaaten den Willen zur Rechtsfähigkeit der Organisation bekunden.6 Dieser Wille ist ausdrücklich oder konkludent feststellbar, da allein aus der Verleihung von Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge oder zur Vornahme völkerrechtlicher Handlungen nicht zwingend auf die Völkerrechtsfähigkeit geschlossen werden kann. Deutlich wird dies am Beispiel der Europäischen Gemeinschaft7, die nach dem Willen der Gründungsmitglieder von diesen „abgeleitete“ Rechtspersönlichkeit besitzt (Art. 281, 282 EG-Vertrag). Hingegen sieht Art. 281 EG-Vertrag nicht vor, dass die Organe der EG selbst (Völker-)Rechtsfähigkeit besitzen.8 II. Organqualität

Mit Blick auf die Frage nach der Organqualität des ESZB ist zunächst festzuhalten, dass das ESZB keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Angesichts der bewussten Zuweisung von Rechtspersönlichkeit an die EZB folgt im Umkehrschluss aus Art. 107 Abs. 2 EG-Vertrag, dass das Zentralbanksystem als Gebilde ohne Rechtspersönlichkeit existiert. Im Übrigen hätte ein mit Rechtspersönlichkeit ausgestattetes ESZB ein zusätzliches Rechtssubjekt neben EZB und NZBen errichtet. Infolge eines dreigliedrigen Aufbaus wäre die – ohnehin komplexe – Befugnisverteilung im ESZB (noch) unübersichtlicher und mit Blick auf den sich rasch wandelnden Kapitalmarkt wenig flexibel gestaltet worden.9 Während der Delors-Ausschuss noch empfahl,10 dem ESZB zumindest einen den Gemeinschaftsorganen vergleichbaren Status zu verleihen,11 übernahm der Vertrag von Maastricht diesen Vorschlag nicht. Vor allem kurz nach seiner Er4

Selmayr, Europa-Blätter 1999, S. 170 (172). Selmayr, ebenda. 6 Simma/Vedder, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 281, Rn. 1 (14. EL, Oktober 1999). 7 Simma/Vedder, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 281, Rn. 7 (14. EL, Oktober 1999). 8 Simma/Vedder, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 281, Rn. 3 (14. EL, Oktober 1999). 9 So auch Zimmermann, S. 9. 10 Mit Verweis auf die Vorstellungen des „Delors-Berichts“ Hahn, Währungsrecht, § 14, Rn. 11. 11 Stadler, S. 87 f. m.w. N. 5

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richtung wurde das ESZB teilweise12 (noch) als Organ der EG qualifiziert; die organschaftliche Vertretung des ESZB durch die EZB sollte unerheblich sein.13 Mittlerweile hat sich die Sichtweise durchgesetzt, die eine Qualifikation des ESZB als Organ im klassischen Sinne ablehnt.14 Der Wortlautvergleich der Art. 7, 8 EG-Vertrag sowie der Gegenschluss aus Art. 7 Abs. 1 EG-Vertrag untermauern dieses Ergebnis. Trotz der systematischen Nähe der Art. 7 und 8 EGVertrag wurde für das ESZB bewusst eine separate Vorschrift (Art. 8 EG-Vertrag) geschaffen und das System somit aus der gemeinschaftlichen Organstruktur formal herausgelöst. Zudem verfügt das ESZB – im Gegensatz zur EZB – nicht über eigene Organe, sondern wird durch die Beschlussorgane der EZB geleitet (Art. 107 Abs. 3 EG-Vertrag). Sozusagen „dienen“ die Organe der EZB zugleich dem ESZB ohne dadurch zu Organen des ESZB zu werden.15 Daran ändert auch die Zuweisung der Aufgaben „des ESZB“ in Art. 105 Abs. 2 EGVertrag nichts. Denn Art. 9.2. ESZB-Satzung stellt klar, dass die – später noch genauer zu erläuternde16 – Aufgabenerfüllung durch die Systemelemente – die EZB und/oder die NZBen – zu erfolgen hat.17 Das ESZB verfügt demnach nicht über Organqualität. Teske kann nicht zugestimmt werden, wenn er eine „strenge Personalunion“18 zwischen ESZB und EZB annimmt. Wenngleich das ESZB mangels Rechtspersönlichkeit keine organschaftliche Stellung besitzt, ist seine Zugehörigkeit zur Unions- oder Gemeinschaftsebene zu klären. Wäre die Zentralbankkooperation im ESZB „nur“ der Unions-, nicht aber der Gemeinschaftsebene zuzuordnen, müsste die intergouvernementale Zusammenarbeit vermittels völkerrechtlichem Vertrag der Mitgliedstaaten stattfinden. Der mit dem Eintritt in die Endstufe der WWU erfolgte Transfer geld- und währungsrechtlicher Hoheitsrechte beweist jedoch das Gegenteil. Das ESZB bildet keine supranationale, gegenüber der EG eigenständige Organisation mit echter staatlicher Struktur.19 Es handelt sich gerade nicht um einen zwischenstaat12 Janzen, S. 100 ff.; Seidel, in: FS Börner, S. 417 (425 ff.), der mittlerweile von einer „rechtlich selbständigen supranationalen Organisation“ ausgeht, siehe EuZW 2000, S. 552 (552). 13 Seidel, in: FS Börner, S. 417 (427). 14 Häde, EuZW 1992, S. 171 (174); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 518; Heun, JZ 1998, S. 866 (867); Kobabe, S. 47; Janzen, S. 100 f.; Oppermann, Europarecht, § 5, Rn. 140; Pipkorn, EuR 1994, Beiheft 1, S. 85 (87); Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 106 EGV, Rn. 4 f.; Weber, WM 1998, S. 1465 (1465); Weinbörner, S. 386; Zimmermann, S. 10. 15 Ebenso Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 107 EG, Rn. 1; Hatje, in: Schwarze, EU, Art. 108 EGV, Rn. 2; anderer Auffassung ist allerdings Seidel, EuZW 2000, S. 552 (552). 16 Siehe dazu unten, 13. und 14. Abschnitt. 17 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 520 f.; Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 107, Rn. 2 („keine Doppelzuständigkeit“). 18 Teske, Europa-Blätter 1998, S. 77 (78). 19 So aber Seidel, S. 5 ff.

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lichen Verbund der NZBen, weshalb die EZB auch kein Tochterinstitut der NZBen ist.20 Versucht man, das ESZB in das bekannte Säulenmodell der Union einzupassen, so kann man es als „Unterdach“ innerhalb der Gemeinschaft verstehen, das gemeinsam mit der EG unterhalb des Daches der EU angesiedelt ist.21 Das ESZB ist somit Bestandteil der (Säule der) Gemeinschaft22, was – im Gegensatz zur zweiten und dritten Säule – die Unterwerfung unter die Zuständigkeit des EuGH beweist.23 Als institutionelles System der Gemeinschaft für die Geldund Währungspolitik wird das ESZB richtigerweise als „Sammelbezeichnung“24, „Dachverband für die ihm angehörenden Institutionen“25 oder „Kooperationsmechanismus eigener Art“26 charakterisiert. Treffender scheint es, das Zusammenwirken von EZB und NZBen im ESZB als geld- und währungspolitisches Netzwerk der Gemeinschaft zu bezeichnen, wobei die Supranationalität des ESZB zu einer in anderen Politikfeldern bisher nicht bestehenden Überordnung der Gemeinschaft über die Mitgliedstaaten führt. Im Anhang 1 findet sich der Versuch, das skizzierte Modell bildhaft darzustellen. C. Organisationsstruktur I. Allgemeines

Die föderativ-zweistufige Architektur des geld- und währungspolitischen Netzwerks der Gemeinschaft besitzt gewisse Ähnlichkeit mit der BdL, die als zweistufiges Zentralbanksystem in einem Gebilde ohne zentrale Staatsgewalt agierte.27 Auch die BdL übernahm als übergeordnete Zentralbank die geldpolitische Führungsrolle28 im System. Zudem war die BdL – ebenso wie die EZB – gegenüber staatlichen Stellen frei von Weisungen.29 Auch weisen der EZB-Rat und der Zentralbankrat der BdL insofern Gemeinsamkeiten auf,30 als dem BdL20

So aber Welcker, S. 14. Brosius-Gersdorf, S. 295; Schmidt, in: Schmidt/Vollmöller, Kompendium, § 4, Rn. 31. 22 Zimmermann, S. 11. 23 Seiler, EuR 2004, S. 52 (58). 24 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 107 EG, Rn. 2; vormals bereits Häde, in: Die Europäische Währung, S. 103 (107), der von einem Gebilde sprach, das kaum mehr darstelle, als den gemeinsamen Namen für seine Bestandteile. 25 Brosius-Gersdorf, S. 283, 294; Häde, WM 2006, S. 1605 (1605); ähnlich auch Stadler, S. 89; Studt, S. 243. 26 Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 25. 27 Siehe dazu oben, 1. Abschnitt, C. 28 Milow, S. 107. 29 Milow, S. 97. 30 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 558; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.10; Weber, S. 59; dagegen Seidel, EuR 2000, S. 861 (866). 21

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Zentralbankrat die Bestimmung der allgemeinen Geschäftspolitik der Bank oblag.31 Den organisationsrechtlich eigenständigen, mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten LZBen war – ähnlich wie den NZBen im ESZB – die Abwicklung der traditionellen Notenbankgeschäfte übertragen. Das nach außen als in sich geschlossene Einheit agierende ESZB besteht im Innern aus einem streng hierarchisch aufgebauten, zweischichtigen Verwaltungssystem in Form der EZB als übergeordneter Instanz und den weisungsgebundenen NZBen (Art. 107 Abs. 1 EG-Vertrag). Neben der EZB als kommunitärem Element bilden die NZBen als integraler Bestandteil des ESZB (Art. 14.3. ESZB-Satzung) die mitgliedstaatliche Komponente.32 Die Leitung des föderalen Systems obliegt den Beschlussorganen der EZB (Art. 107 Abs. 3 EG-Vertrag). Obwohl das ESZB in seiner Gesamtheit mit Aufgaben betraut ist (Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag), kann es die primärrechtlichen Pflichten mangels Rechtssubjektivität33 nicht selbst erfüllen. Entsprechend Art. 9.2. ESZB-Satzung werden die Aufgaben daher entweder einem originär europäischen Hoheitsträger (der EZB) zugeteilt, an die mitgliedstaatlichen NZBen rückverwiesen oder beiden gemeinsam übertragen. Diese Organisationsstruktur garantiert die stabilitätspolitisch unabdingbare zentralisierte Entscheidungsstruktur des ESZB und widerspiegelt zugleich den föderativen Aufbau der Gemeinschaft. II. Nationale Zentralbanken

Gemeinsam mit der EZB bilden dreizehn34 NZBen der Mitgliedstaaten der WWU das Eurosystem35. Die Bezeichnung Eurosystem umschreibt (innerhalb des ESZB) den „inneren Kreis“ der Mitgliedstaaten, die die Gemeinschaftswährung bereits eingeführt und die nationale Währungshoheit auf das ESZB übertragen haben. Bezogen auf die – an dieser Stelle nur kurz36 – zu erörternde Rechtsstellung der NZBen waren grundsätzlich drei Modelle denkbar: die Filiallösung, das Modell einer teilbaren Geldpolitik und ein föderaler Ansatz mit zentralisierten Entscheidungs- und dezentralen Durchführungsbefugnissen. Es ist unschwer zu erkennen, dass sich die ersten beiden Ansätze diametral gegenüberstehen und der dritte – im Ergebnis umgesetzte – die ausgleichende Mitte darstellt. 31

Hahn/Siebelt, DÖV 1989, S. 233 (240). Janzen, S. 100; Teske, Europa-Blätter 1998, S. 77. 33 Siehe dazu oben, B. II. 34 Seit dem Beitritt Sloweniens (01.01.2007) sind dies zudem die NZBen von Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Finnland, Österreich, Portugal und Spanien. 35 Der Name „Eurosystem“ geht auf eine Formulierung der EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59, Monatsbericht August 2004, S. 55 (66), zurück. 36 Siehe dazu ausführlich unten, 11. Abschnitt, B. 32

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Die NZBen sind als Teile der nationalen Staatsorganisation unabhängige, rechtlich selbständige, aber organisatorisch der EZB nachgeordnete und somit integrierte Bestandteile des ESZB, das als föderales37 Netzwerk der Gemeinschaft für die Geld- und Währungspolitik konzipiert ist (Art. 107 Abs. 1 EGVertrag). Historisch betrachtet, war diese Regelung sinnvoll. Die NZBen griffen im Gegensatz zur neu errichteten EZB auf einen umfangreichen, bürokratischen Apparat aus währungsrechtlich qualifiziertem Personal zurück. Angesichts der primärrechtlich verankerten, zentralisierten Entscheidungskompetenzen wird sich dieses Gewicht zukünftig jedoch weiter zugunsten der „erstarkten“ EZB verschieben.38 Während der EZB die Festlegung der einheitlichen geldpolitischen Strategie obliegt, ist deren Umsetzung und die Durchführung der geldpolitischen Geschäfte primäre Aufgabe der NZBen (Art. 12.1. ESZB-Satzung). Zur Ausführung der Geldpolitik bedient sich die EZB – ähnlich wie die Gemeinschaft selbst – der Elemente der mitgliedstaatlichen Staatsgewalt in Gestalt der NZBen. Hinsichtlich der Entscheidung, ob die NZBen Aufgaben des ESZB umsetzen, folgt die EZB dem Grundsatz der Dezentralisierung39. Soweit möglich und sachgerecht, nimmt die EZB die NZBen zur Durchführung von Geschäften im Aufgabenbereich des Eurosystems in Anspruch (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung). Die Entscheidung über eine derartige Aufgabendezentralisierung obliegt dem EZB-Rat, womit die Unterordnung der NZBen unter die EZB dokumentiert wird. Innerhalb der Art und Weise der Aufgabenausführung haben NZBen entsprechend der währungspolitischen Weisungen und Leitlinien des EZB-Rates zu handeln und primär die von EZB-Rat und Direktorium getroffenen Vorgaben zu vollziehen, teilweise diese auch auszugestalten (Art. 14.3. ESZB-Satzung). Die strikten währungspolitischen Regeln40 der EZB reichen vom Erlass allgemeiner Grundsätze bis zu Verordnungen und Leitlinien mit Regelungsvorbehalten. Eigenständige Entscheidungsspielräume verbleiben den NZBen nur, soweit die EZB sie bei diesen belässt. Wenngleich mit der Übertragung des operativen Geschäfts auf die NZBen den Unterschieden in der Finanzmarktstruktur und den heterogenen Rechtssystemen der Teilnehmerstaaten Rechnung getragen werden sollte,41 sind die NZBen in fast allen Bereichen der Währungspolitik der EZB funktional-sachlich untergeordnet.42

37 38 39 40 41 42

Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 523. So schon Heun, JZ 1998, S. 866 (868). EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (61). Siehe zu den Rechtsinstrumenten der EZB unten, II. 3. d) aa). EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59 (67). Weber, WM 1998, S. 1465 (1466).

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Trotz ihrer Eingliederung in das ESZB bleiben die NZBen selbständige juristische Personen mit Befugnissen nach dem jeweils nationalen Recht (Art. 14. 3., 14. 4. ESZB-Satzung). Die Kreditinstitute und die übrigen Marktteilnehmer kooperieren daher in erster Linie mit den NZBen. Indes sind die NZBen in diesem Zusammenhang nicht mit den LZBen nach dem BBankG vergleichbar, da diese der Bundesbank noch stärker untergeordnet waren und kaum eigenen Entscheidungsspielraum besaßen. III. Europäische Zentralbank

1. Rechtsstellung a) Ausgangspunkt Auch neun Jahre nach ihrer Errichtung herrscht – ähnlich wie in der Diskussion um die Organqualität des ESZB43 – Uneinigkeit über die Rechtsstellung der supranationalen Zentralbank.44 Das Primärrecht hilft bei der Lösung der aufgeworfenen Fragen nur insoweit, als es die EZB in einer eigenen Norm (Art. 8 EG-Vertrag) erwähnt und ihr – im Gegensatz zum ESZB – Rechtspersönlichkeit (Art. 107 Abs. 2 EG-Vertrag) zuerkennt. Unklar ist jedoch, ob die EZB als eigenständiger Handlungsträger der Union gleichberechtigt neben der Gemeinschaftssäule steht, oder aber als ein Teil der Gemeinschaft anzusehen ist. Selbst die Autoren, die eine Zugehörigkeit zum Gemeinschaftspfeiler bejahen, qualifizieren die EZB unterschiedlich: als „Quasi-Organ“45, „Institution“46 oder „Einrichtung der Gemeinschaft“47. b) Eigenständige supranationale Organisation Zunächst soll entschieden werden, ob die EZB als – wenn auch mit anderen Organen nicht vergleichbarer – Teil der Gemeinschaft oder als Handlungsträger der Union anzusehen ist. Nach dem Modell von Zilioli/Selmayr48 ist die EZB als Organisation zu begreifen, die zwar keine separate vierte Säule der EU bilde,49 jedoch „ihrer Struktur nach den Gemeinschaften selbst“ ähnele und somit mit diesen (EG, 43

Siehe dazu oben, B. II. Ausführlich zum Streit Häde, WM 2006, S. 1605 ff. 45 Brosius-Gersdorf, S. 281; Kilb, JuS 1999, S. 10 (11). 46 Weber, WM 1998, S. 1465 (1465). 47 Weinbörner, S. 387. 48 Zilioli/Selmayr, Law of ECB, S. 8 f., 15 ff., 29 ff.; dies., CMLR 37 (2000), S. 591 (621 ff.). 49 So früher noch Selmayr, Europa-Blätter 1999, S. 170 (177). 44

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EAG) auf gleicher Stufe stehe.50 Die EZB sei den Autoren zufolge eine neue supranationale Organisation, die im Gegensatz zur Europäischen Investitionsbank (EIB) (Art. 266, 267 EG-Vertrag) bei ihrem Handeln in finanzieller sowie aufsichtsrechtlicher Weise sowohl von den (Gründungs-)Mitgliedstaaten als auch von Gemeinschaftseinrichtungen und -organen unabhängig agiere. Begründet wird die Auffassung unter anderem mit der Art und Weise des Transfers nationaler Währungssouveränität auf die supranationale Ebene. Zilioli/Selmayr zufolge hätten die Mitgliedstaaten ihre Währungshoheit ohne Umweg über die Gemeinschaft(-sorgane) direkt der eigens dafür errichteten EZB übertragen.51 Würde man der geschilderten Auffassung zustimmen, wäre die EZB nur indirekt an die allgemeinen Ziele (Art. 2) und Prinzipien des EG-Vertrags gebunden, was nicht nur mit Blick auf das in Art. 5 Abs. 3 EG-Vertrag verankerte Verhältnismäßigkeitsprinzip problematisch erscheint. Zudem wollen die Autoren der EZB die Rolle als vorrangiger Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich des Währungsrechts52 einräumen, wobei sie die ausdrücklichen Rechtssetzungsbefugnisse des Rates (Art. 107 Abs. 6 EG-Vertrag, Art. 42 ESZB-Satzung) verkennen. Ob damit auch der aus der (Verfassungs-)Praxis der Mitgliedstaaten für das ESZB übernommene Grundsatz der Zuständigkeit der Regierungen,53 nicht der Zentralbanken, für die Währungsaußenpolitik (Art. 111 EG-Vertrag) ins Gegenteil verkehrt werden soll,54 bleibt unklar. Jedenfalls widerspricht das Konstrukt einer europäischen Zentralbank als supranationaler Einrichtung dem in geltendes Gemeinschaftsrecht gegossenen Willen der Mitgliedstaaten. Wie bereits bei der rechtlichen Einordnung des ESZB bemerkt, setzt die Schaffung einer internationalen Organisation die in einem intergouvernementalen Übereinkommen entsprechend manifestierte Absicht der Gründungsstaaten voraus. Anstelle eines „EZB- oder WWU-Vertrags“55 enthält der durch den Vertrag von Maastricht geänderte EG-Vertrag die Übertragung von Hoheitsrechten auf die bereits existente, supranationale Gemeinschaftsebene. Es soll gerade keine neue Organisation im Währungsbereich geschaffen, sondern die bereits vorhandene Zusammenarbeit durch eine engere Form der Kooperation institutionalisiert und damit effektiviert werden. Die systematische Auslegung des EU- und EG-Vertrags lässt nicht zu, dass der Gründungsvertrag einer supranationalen Organisation eine weitere (supranationale) Organisation errichtet und diese außerhalb

50 Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (372 f.); ähnlich wohl auch Dutzler, S. 70 ff. („[. . .] ,new Community‘ only associated to the Community [. . .]“). 51 Zilioli/Selmayr, CMLR 37 (2000), S. 591 (611); dies., Law of ECB, S. 19. 52 Zilioli/Selmayr, Law of ECB, S. 39 („Community regulator in the field of monetary policy“). 53 Siehe dazu unten, 3. f); so auch Häde, WM 2006, S. 1605 (1611 f.). 54 Zilioli/Selmayr, Law of ECB, S. 19, könnten so verstanden werden. 55 Häde, WM 2006, S. 1605 (1608).

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seines Anwendungsbereichs praktisch neben sich auf die gleiche rechtliche Stufe hebt.56 Die EZB ist daher „untrennbarer Bestandteil der Gemeinschaft“57. Im Übrigen kann auch die Auffassung von Seidel nicht geteilt werden. Demnach könne die EZB als zwischenstaatliches Tochterinstitut der NZBen und damit der Mitgliedstaaten – im Gegensatz zu den Mitgliedstaaten selbst – „kaum einen bestimmenden Einfluss“ auf die europäische Geldpolitik ausüben.58 Diese rein finanzielle Sichtweise berücksichtigt allein die Kapitalausstattung der EZB durch die NZBen. Dem widersprechen die ausdrücklichen Gestaltungsrechte und Durchführungsbefugnisse der EZB im Bereich der einheitlichen europäischen Geldpolitik, die ohne Einbindung der EZB in die Gemeinschaft selbst keinen Sinn ergäben. Zudem existieren Vorschriften, die die Beziehungen der EZB zu Organen der Gemeinschaft in Form von Teilnahmerechten (Art. 113 EG-Vertrag) und Berichtspflichten regeln.59 c) Gemeinschaftsorgan Deutlich geworden ist, dass die besondere Rechtsstellung der EZB eine exponierte Stellung innerhalb der Gemeinschaft, nicht aber außerhalb des Gemeinschaftsgefüges fordert. Allerdings bleibt fraglich, ob die EZB damit die Qualität eines Gemeinschaftsorgans besitzt oder ob eine derartige Organstellung gerade ihrer besonderen Zielverpflichtung (Art. 105 Abs. 1 EG-Vertrag) zuwiderläuft. Als „organisatorische Funktionseinheiten“ handeln Organe „rechtlich in ihrem Namen für eine Organisation“.60 Organe der EG werden demnach im Namen der Gemeinschaft tätig, der das Organhandeln auch zugerechnet wird.61 Die Gemeinschaftsorgane besitzen laut Primärrecht keine eigene Rechtspersönlichkeit; diese steht nur der EG selbst zu (arg. ex Art. 281, 282 EG-Vertrag). Die EZB ist hingegen mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet (Art. 107 Abs. 2 EG-Vertrag), sie besitzt weitgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit in jedem Mitgliedstaat (Art. 9.1. ESZB-Satzung); die Aufgaben sind ihr zur eigenverantwortlichen Erfüllung übertragen (Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag). Zudem verfügt sie selbst über eigene Organe, die rechtlich selbständig handeln (Art. 107 Abs. 3

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Häde, WM 2006, S. 1605 (1608); ähnlich auch Gaitanides, S. 52. Häde, WM 2006, S. 1605 (1608); Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 107 EGV, Rn. 4. 58 Seidel, S. 13; ders., EuR 2000, S. 861 (866); ders., EuZW 2000, S. 552 (552); ähnlich Seiler, EuR 2004, S. 52 (53 f.). 59 Laschat, Europa-Blätter 2002, S. 2 (28). 60 Häde, WM 2006, S. 1605 (1612). 61 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 7 EG, Rn. 16 f.; Streinz/Streinz, EUV/EGV, Art. 7 EGV, Rn. 26. 57

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EG-Vertrag). Eine „Organleihe“, ähnlich des Tätigwerdens von EG-Organen im Rahmen der EU,62 ist zwischen E(S)ZB und EG nicht vorgesehen. Die EZB kann daher nicht als klassisches Gemeinschaftsorgan eingestuft werden.63 Unterstrichen wird dieses Ergebnis durch den Vergleich der Art. 7 und 8 EGVertrag. Art. 7 EG-Vertrag erwähnt unter der nichtamtlichen Überschrift enumerativ die „Organe der Gemeinschaft“, nicht aber die EZB. Auch aus Art. 8 EGVertrag, der speziell für das ESZB geschaffen wurde, lässt sich eine Organstellung der EZB nicht ableiten. Bestätigung findet die Argumentation in Art. 234 Satz 1 lit. b) und Art. 111 Abs. 3 Satz 4 EG-Vertrag, in denen die EZB jeweils gesondert von den EG-Organen aufgeführt ist. Eine derartige Trennung ergibt nur Sinn, wenn die EZB kein EG-Organ ist, jedoch funktional mit den EG-Organen auf gleicher Stufe steht.64 Der Blick auf den Verfassungsvertrag unterstreicht diese Sichtweise, da dort der EZB nunmehr die – nicht unproblematische65 – Stellung als „sonstiges Organ“ zuerkannt wird. Die gegenwärtige Rechtslage schließt letztlich auch eine „organähnliche Stellung“66 der EZB beziehungsweise ihre Einordnung als „Quasi-Organ“67 aus. Derartige Einteilungen würden den Sinn und Zweck der Art. 7, 8 EG-Vertrag sowie ihre systematische Stellung konterkarieren. Es wird nicht klar, worin der Unterschied zwischen „Quasi-Organ“ und „vollwertigem“ EG-Organ liegen und warum es sich dann nicht um eine Gemeinschaftseinrichtung handeln soll.

62 Mangels Rechtspersönlichkeit der EU ist Art. 5 EU-Vertrag als Organleihe zu qualifizieren, Stumpf, in: Schwarze, EU, Art. 5 EUV, Rn. 9, ähnlich Streinz/Pechstein, EUV/EGV, Art. 5 EUV, Rn. 7 f.; andere Auffassung Wichard, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EU, Rn. 8 f. 63 So die überwiegende Auffassung Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 41; Häde, EuZW 1992, S. 171 (174); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 518; Heun, JZ 1998, S. 866 (867); Kobabe, S. 47; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.142; Janzen, S. 100 f.; Pipkorn, EuR 1994, Beiheft 1, S. 85 (87); Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (370); Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 46; Zilioli/Selmayr, CMLR 37 (2000), S. 591 (607); Weber, WM 1998, S. 1465 (1465); Weinbörner, S. 386. 64 Für eine den EG-Organen im engeren Sinne gleichwertige Stellung Galahn, S. 195. 65 Siehe dazu ausführlich unten, 16. Abschnitt, C. II. 66 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 8 EG, Rn. 4 ff. und Art. 107, Rn. 5; Oppermann, Europarecht, § 5, Rn. 140 („organähnlichen unabhängigen EG-Sondereinrichtungen mit spezifischen Befugnissen“); Schmidt, in: Schmidt/Vollmöller, Kompendium, § 4, Rn. 37; Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 5; Smulders, in: G/T/E, EG, Art. 4a, Rn. 3; Weinbörner, S. 387. 67 Brosius-Gersdorf, S. 281; Häde, WM 2006, S. 1605 (1611 ff.); Kilb, JuS 1999, S. 10 (11).

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d) Geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung Wenngleich die EZB nicht als klassisches EG-Organ verstanden werden kann, ist sie mit der überwiegenden Literatur68 als Einrichtung der Gemeinschaft zu qualifizieren. Häde69 prägte zuletzt den Begriff der „EZB als Zentralbank der EG“, was trotz seiner sprachlichen Eleganz eher eine Funktionsbezeichnung, denn eine greifbare Beschreibung der Rechtsstellung ist. Im Übrigen bezeichnet sich die EZB selbst als Institution sui generis, die einen nicht näher beschriebenen „Sonderstatus“ genieße.70 Der EG-Vertrag verwendet im Gegensatz zu anderen völkerrechtlichen Verträgen71 den Begriff der Einrichtung nicht ausdrücklich. Die in der Literatur vorgeschlagene „Gemeinschaftseinrichtung“ zielt daher nicht auf bestimmte Rechtsfolgen, sondern will eine weitere Kategorie in Abgrenzung zu den in Art. 7 EG-Vertrag genannten Organen und sonstigen Institutionen von geringerer Bedeutung schaffen.72 Der Einrichtungsbegriff kann daher für alle Organisationseinheiten verwendet werden, die aufgrund von Vorschriften des EG-Vertrags geschaffen und von ihm mit Zielen, Aufgaben und Befugnissen ausgestattet wurden.73 Die Charakteristik der EZB als Gemeinschaftseinrichtung will in erster Linie ihre strukturelle und organisatorische Zuordnung zur EG als größerer Einheit verdeutlichen. Obwohl die Geldpolitik auf eine eigene institutionelle Basis gestellt wurde, finden sich die normativen Grundlagen im Primärrecht, was Art. 41, 42 ESZBSatzung belegen. Gerade weil das ESZB ein Teil der Gemeinschaft ist, besitzt der Rat als EG-Organ die Kompetenz zur Änderung der ESZB-Satzung. Anderenfalls würde der Rat als externes Organ die Eigenständigkeit des gesamten Systems antasten und somit die Unabhängigkeit der EZB gefährden. Indes rechtfertigen die spezielle Stabilitätsvorgabe sowie die der EZB übertragenen Aufgaben eine Sonderstellung74 gegenüber sonstigen Institutionen der 68 Baur, S. 64 f.; Borries, ZEuS 1999, S. 281 (293); Gaitanides, S. 52 ff.; Hatje, in: Schwarze, EU, Art. 8 EGV, Rn. 1 f. („europäische Behörde“); Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (34); Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 110, Rn. 4; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.143; Lavranos, ELR (2004) 29, S. 115 (119); Schütz, EuR, Heft 2, 2001, S. 291 (292); Smits, ECB, S. 93; Stadler, S. 94 ff.; Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 107, Rn. 4; Weber, WM 1998, S. 1465; Weinbörner, S. 387. 69 Häde, WM 2006, S. 1605 (1611 f.); ähnlich auch schon Smits, ECB, S. 24 f. 70 EZB, Monatsbericht August 2004, S. 55 (66). 71 Beispielsweise Art. 7 Abs. 2 UN-Charta. 72 Suhr, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 257 EGV, Rn. 7 f. 73 Häde, WM 2006, S. 1605 (1611). 74 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (531); Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (55 ff.); ähnlich Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 8 EGV, Rn. 4, der von einer „einzigartigen Position im Gemeinschaftsgefüge“ spricht.

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Gemeinschaft (Wirtschafts- und Sozialausschuss, Ausschuss der Regionen)75. Auch in Nationalstaaten hat die Zentralbank eine besondere Stellung; dies gilt – mit Blick auf die Bundesbank76 – besonders dann, wenn sie weisungsunabhängig agiert(e). Der EuGH betont denn auch, dass die besondere Stellung der EZB im Wesentlichen aus Art. 108 EG-Vertrag folge, der sie vor jedem politischen Druck bewahren soll, „damit sie die für ihre Aufgaben gesetzten Ziele durch die unabhängige Ausübung der spezifischen Befugnisse, über die sie zu diesen Zwecken nach dem EG-Vertrag und der Satzung des ESZB verfügt, wirksam verfolgen kann“77. Weiter stellt der Gerichtshof unter Verweis auf Art. 4 Abs. 2 und 105 Abs. 1 EG-Vertrag fest, dass das ESZB, „dessen Herzstück die EZB ist, als vorrangiges Ziel die Preisstabilität zu gewährleisten und, soweit dies ohne Beeinträchtigung dieses Zieles möglich ist, die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Europäischen Gemeinschaft zu unterstützen [hat], um zur Verwirklichung von den in Artikel 2 EG festgelegten Zielen beizutragen, zu denen insbesondere die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Förderung eines beständigen, nichtinflationären Wachstums gehören. Daraus folgt, dass sich die EZB aufgrund des EG-Vertrags in den Gemeinschaftsrahmen einfügt.“78 Insoweit ist Art. 105 Abs. 1 EG-Vertrag lex specialis zu den allgemeinen Zielbestimmungen des EG-Vertrags. Obwohl die EZB einen hohen Grad an Unabhängigkeit besitzt, arbeitet sie nicht völlig autonom von sämtlichen Entwicklungen in der Gemeinschaft. Kooperations- und Koordinierungsverfahren sowie wirtschaftspolitische Verbindung zu anderen Organen (Art. 105 Abs. 1 Satz 2, 105 Abs. 4, 1. Sp.-str., 113 EG-Vertrag) lassen sie zur währungsrechtlichen Spezialeinrichtung der EG werden. Mit dem EuGH bleibt ein Gemeinschaftsorgan für die EZB zuständig, das über den Gleichklang der geldpolitischen Entscheidungen mit dem primären Gemeinschaftsrecht wacht. Aufgrund der wirkungsvollen Abkoppelung von Einflüssen politischer Entscheidungsträger bildet die supranationale Zentralbank eine Gemeinschaftseinrichtung eigener Art, die am treffendsten als geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung charakterisiert werden kann. Das Modell in Anhang 1 versucht, diese Spezifik abzubilden.

75 Suhr, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 257 EGV, Rn. 7 f.; Art. 263 EGV, Rn. 10 ff. 76 Siehe dazu ausführlich oben, 2. Abschnitt, B. 77 EuGH, Rs. C-11/00, Slg. 2003, I-7147, Rn. 134 [Kommission/EZB]. 78 EuGH, Rs. C-11/00, Slg. 2003, I-7147, Rn. 92 [Kommission/EZB].

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2. Aufbau a) Allgemeines Der Aufbau der EZB zeigt organisatorische Parallelen zur Organisation der Bundesbank vor 200279 und widerspiegelt zugleich das „Zwei-Organ-Prinzip“, wonach die EZB durch Rat und Direktorium geleitet wird. Während der Rat, bestehend aus Direktorium und den 13 nationalen Zentralbankpräsidenten, als Beschlussorgan fungiert (Art. 10 ESZB-Satzung), dient das Direktorium (Art. 11 ESZB-Satzung) als Exekutivorgan. Die zweigliedrige Struktur trägt dem Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts Rechnung. Indem jedem Organ spezielle Befugnisse zugewiesen sind, soll eine Machtbegrenzung der Leitungsorgane im Sinne der Teilung und Verschränkung von Kompetenzen und Kontrolle80 erzielt werden. Als drittes Beschlussorgan existiert der Erweiterte Rat (Art. 45 ESZB-Satzung). Konzipiert wurde der Erweiterte Rat als Übergangsgremium für die Zeit, in der es noch Mitgliedstaaten gibt, für die eine Ausnahmeregelung gilt (Art. 123 Abs. 3 EG-Vertrag). Als Nachfolger des EWI-Rates81 dient er als unverbindliches82 Koordinierungsgremium zwischen EZB und den (noch) unabhängigen NZBen. Zudem überwacht der Erweiterte Rat die Funktionsweise des neuen WKM II83, koordiniert die Geld- und Wechselkurspolitik zwischen dem Eurosystem und den Nichtteilnehmerstaaten und verwaltet den in diesem Abkommen festgelegten Interventions- und Kreditmechanismus. Im Zuge der EUOsterweiterung kommt dem Erweiterten Rat gesteigerte Bedeutung zu, sobald weitere Beitrittsstaaten dauerhafte Konvergenz und somit Euro-Reife erreicht haben werden.

79 Galahn, S. 210 f.; Janzen, S. 93; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 62. 80 Weber, WM 1998, S. 1465 (1466); Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 5. 81 Häde, in: FS Hahn, S. 141 (149). 82 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1994, S. 25 (27); Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 62. 83 Art. 16 Abkommen vom 01.09.1998 zwischen der EZB und den nationalen Zentralbanken der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten über die Funktionsweise eines Wechselkursmechanismus in der dritten Stufe der Wirtschaftsund Währungsunion (98/C 345/05), ABl.EG Nr. C 345, S. 6.

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b) Europäischer Zentralbank-Rat aa) Struktur Der EZB-Rat agiert als Leitungs- und Beschlussorgan der EZB mit währungspolitischer Generalkompetenz84 (Art. 12.1. Satz 1, 2 ESZB-Satzung). Dem vorrangigen Ziel der Preisstabilität verpflichtet (Art. 105 Abs. 1, Satz 1 EGVertrag), legt der Rat die geldpolitische Strategie fest und erlässt Leitlinien und Entscheidungen für deren Ausführung (Art. 12.1. Abs. 1, Satz 2 ESZB-Satzung). Der in seiner Struktur stark dem System der BdL85 ähnelnde EZB-Rat besteht aus sechs Direktoriumsmitgliedern und den Präsidenten der NZBen (Art. 112 Abs. 1 EG-Vertrag). Über die jeweils im EZB-Rat vertretenen NZBPräsidenten soll den Mitgliedstaaten ein gewisser Einfluss auf die gemeinschaftliche Geldpolitik belassen werden. Daher obliegt die Entscheidung über (Wieder-)Ernennung und Amtsenthebung der NZB-Präsidenten den jeweiligen nationalen Zentralbankstatuten.86 Prinzipiell verfügt jedes Mitglied des EZB-Rates bei der Beschlussfassung über eine Stimme (Art. 10.2. Satz 4 ESZB-Satzung). Insofern ist die Struktur des EZB-Rates dem früheren Bundesbank-Zentralbankrat nachgebildet,87 in dem – neben dem Direktorium – alle LZB-Präsidenten vertreten waren und deren Stimmen unabhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung der Region gleich gewichtet wurden. Das damit umschriebene Prinzip „one country – one vote“ beinhaltet sowohl die Gleichheit, das heißt Gleichwertigkeit der Stimmen, als auch die (fehlende) Gewichtung der Stimmen, da jeder NZB-Präsident im EZBRat nur über eine Stimme verfügt. Ziel dieser Regelung ist es, allen NZB-Präsidenten unabhängig von der ökonomischen Bedeutung der Volkswirtschaft ihres Mitgliedstaates den gleichen Einfluss zu gewährleisten. Als „Hüter der Einheitswährung Euro“88 sollen die NZB-Präsidenten nicht partikulare, nationale Interessen vertreten,89 sondern im Sinne des Stabilitätsziels handeln. Eine Stimmengewichtung hätte dazu geführt, dass überkommene regionale Gliederungen konserviert worden wären.90 Zudem soll politischer Druck seitens der nationalen Regierungen auf ihre NZB-Präsidenten von vornherein vermieden werden. Ins84 Galahn, S. 196 f.; Heun, JZ 1998, S. 866 (868); Morgenthaler, JuS 1997, S. 673 (679). 85 Siehe dazu oben, 1. Abschnitt, C. 86 Siehe ausführlich zu den diesbezüglichen Vorschriften des BBankG unten, 11. Abschnitt, C. II. 2. a). 87 Geerlings, DÖV 2003, S. 322 (324). 88 Schaumeyer, in: Griller, S. 197 (201). 89 Dies fordert jedoch Welcker, S. 11. 90 Goetze, S. 169; Weber, S. 79.

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besondere die Gleichwertigkeit der Stimmen stellt einen entscheidenden Unterschied zu anderen internationalen Finanzorganisationen, insbesondere dem IWF, dar, deren Stimmabgabe sich regelmäßig am Kapitalanteil (weighted voting) orientiert. Gewichtete Stimmanteile sind innerhalb des EZB-Rates daher nur für Abstimmungen über interne Angelegenheiten (Art. 10.3. ESZB-Satzung) vorgesehen. In vorwiegend die finanzielle Struktur und die Kapitausstattung des ESZB betreffenden, eher „technischen“ Fragen haben die Mitglieder des EZBRates eine nicht personengebundene91, „aktionärsähnliche Stellung“92. Die Beschlüsse des EZB-Rates nach Art. 10.2. ESZB-Satzung werden in der Regel mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst (Satz 5); bei Stimmengleichheit ist die Stimme des EZB-Präsidenten entscheidend. Dies verdeutlicht die exponierte Stellung des EZB-Präsidenten, dem im Übrigen der Vorsitz in Rat und Direktorium sowie die Außenvertretung des ESZB obliegen (Art. 13 ESZB-Satzung). Als informelles Beratungsgremium existiert neben dem EZB-Rat die EuroGruppe, der neben den nationalen Finanzministern, dem Kommissionspräsidenten und dem EZB-Präsidenten auch die NZB-Präsidenten angehören. Die vertraulichen Beratungen bei diesen Treffen dienen der Vorbereitung der offiziellen Ratstagungen; bindende Beschlüsse kann dieses Gremium nicht fassen.93 bb) Reform durch Vertrag von Nizza Um die Gemeinschaft auf die Osterweiterung der EU im Mai 2004 vorzubereiten, modifizierte der Vertrag von Nizza94 die Entscheidungsstrukturen, so dass stabilitätsorientierte Geldpolitik auch und gerade im erweiterten Euroraum fortgeführt werden kann.95 Wenngleich die neuen Mitgliedstaaten vor Aufnahme in das Eurosystem zunächst dauerhafte volkswirtschaftliche Konvergenz nachzuweisen haben, muss sich das ESZB – in erster Linie der EZB-Rat als oberstes Beschlussorgan – mittel- bis langfristig auf einen deutlichen Mitgliederzuwachs einstellen.96 Behielte man die derzeitige Zusammensetzung bei, entstünde ein deutliches Stimmenübergewicht der NZB-Präsidenten gegenüber den Direktoriumsmitgliedern. Die Bedeutung des Direktoriums, also des Gremiums, das für die Beurteilung der geldpolitischen Lage und die Vorbereitung der Ratsbe91

Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 10, Rn. 10. Schmidt, in: Schmidt/Vollmöller, Kompendium, § 4, Rn. 40. 93 Bundesbank, Infobrief WWU, Nr. 10, S. 13 (15). 94 Vertrag von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte vom 26.02.2001, ABl.EG Nr. C 80, S. 1. 95 Bundesbank, Monatsbericht März 2001, S. 15 (18). 96 EZB, Jahresbericht 2000, S. 106 f. 92

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schlüsse zuständig ist, drohte zu schwinden.97 Um dies zu verhindern, wurde eine „Ermächtigungsklausel“ zur Anpassung des Abstimmungsverfahrens im EZB-Rat vereinbart (Art. 5 Vertrag von Nizza). Somit waren die Modalitäten der Beschlussfassung im EZB-Rat ohne erneute Regierungskonferenz änderbar.98 Um ein „Mitstimmrecht“ der zehn neuen Mitglieder auszuschließen, beschloss der Rat der EU entsprechend dem EZB-Vorschlag99 im April 2003 Regelungen zur modifizierten Beschlussfassung im EZB-Rat.100 Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des geänderten Art. 10.2. ESZB-Satzung steht allerdings noch nicht fest. Zunächst normiert Art. 10.2. Satz 2 ESZB-Satzung (neu) den status quo, wonach der EZB-Rat aus maximal 15 stimmberechtigten NZB-Präsidenten und sechs permanent stimmberechtigten Direktoriumsmitgliedern besteht. Übersteigt das Eurosystem 15 Mitglieder, üben die NZB-Präsidenten ihr Stimmrecht auf Grundlage eines Rotationssystems aus. Die Rotation soll sicherstellen, dass die stimmberechtigten NZB-Präsidenten aus für die Eurozone repräsentativen Volkswirtschaften stammen. Ermittelt wird dies auf der Grundlage eines am Bruttonationaleinkommen orientierten relativen „Repräsentativitäts-Indikators“. Für den Fall des Mitgliederzuwachses unterscheidet Art. 10.2. ESZB-Satzung (neu) zwei Phasen der Erweiterung. Besteht das Eurosystem aus 16 bis 21 Mitgliedern, werden die NZB-Präsidenten im EZB-Rat in zwei Gruppen geteilt. Die erste Gruppe besteht aus fünf NZB-Präsidenten, deren Mitgliedstaaten im Ländervergleich anhand des Gesamtindikators die ersten Plätze einnehmen. Diese Präsidenten haben gemeinsam vier Stimmen. Die zweite Gruppe umfasst alle anderen NZB-Präsidenten; sie verfügt gemeinsam über 11 Stimmen. Ab einer Größe der Eurozone von 22 Mitgliedern wird das Rotationssystem auf drei Gruppen erweitert. Die erste Gruppe besteht unverändert fort. Die zweite Gruppe umfasst die Hälfte aller NZB-Präsidenten, deren Anzahl gegebenenfalls aufgerundet wird. Sie werden im Ländervergleich aus den nachfolgenden Positionen ausgewählt und haben gemeinsam acht Stimmen. Die dritte Gruppe besteht aus den übrigen NZB-Präsidenten und verfügt über drei Stimmen. Insgesamt betrachtet, leidet die Reform jedoch an einer Reihe von Schwächen, die im ungünstigsten Fall zum Vertrauens- und Ansehensverlust der EZB führen können. Die Reform unterstützt den schwindenden Einfluss des Direkto97

BdB, EU-Erweiterung, S. 44. 19. Erklärung zu Artikel 10.6 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB, dem Vertrag von Nizza als Protokoll beigefügt. 99 Empfehlung gemäß Art. 10.6 ESZB-Satzung für einen Beschluss des Rates über eine Änderung des Art. 10.2 ESZB-Satzung (EZB/2003/1), ABl.EG Nr. C 29, S. 6. 100 Art. 1 Beschluss des Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs vom 21.03.2003 über eine Änderung des Artikels 10.2 ESZB-Satzung (2003/ 223/EG), ABl.EG Nr. L 83, S. 66. Zum vorangegangenen Verfahren Belke/Baumgärtner, integration 2004, S. 75 (78). 98

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riums101 sowie die Verschiebung der Gewichte hin zu einem übergroßen EZBRat. Zukünftig bildet das Direktorium im Gegensatz zu den NZB-Präsidenten die einzig konstante, nicht rotierende Gruppe im EZB-Rat. Es wäre dem Ziel dauerhafter Preisstabilität angemessen, dem Direktorium als „natürlicher Koalition“102 eine stärkere Bedeutung zuzubilligen. Zudem ist fraglich, inwieweit der Zweck der Rotation erreicht wird. Einerseits differieren die Bruttoinlandsprodukte der EWG-Gründungsmitglieder, die größtenteils Mitglieder der ersten Gruppe sein werden, nicht so stark, dass sie zu einem Wechsel innerhalb der Stimmberechtigung führen. Dies gilt insbesondere, solange das Eurosystem zwischen 16 und 19 Mitglieder aufweist, sofern die Aufteilung der Stimmrechte, je nach Anzahl der beitretenden Mitgliedstaaten, nicht angepasst wird. Bei 16 Mitgliedern müssen die NZB-Präsidenten der zweiten Gruppe überhaupt nicht rotieren. Bei 17 bis 19 Mitgliedern rotieren die NZB-Präsidenten der zweiten Gruppe im Vergleich zur ersten Gruppe seltener. Auch in Phase zwei bei 22 sowie 23 Mitgliedstaaten rotieren die NZB-Präsidenten der mittleren Gruppe seltener als die der ersten Gruppe. Daraus folgt, dass die NZB-Präsidenten der größeren Mitgliedstaaten häufiger stimmberechtigt sind als diejenigen der kleineren Mitgliedstaaten. Infolge der Rotation werden die Stimmrechte der kleinen Mitgliedstaaten zugunsten der großen Mitgliedstaaten verringert, was tendenziell den kleineren und neu beitretenden Teilnehmern des Eurosystems schadet.103 Zudem untergräbt die unterschiedliche Behandlung der NZB-Präsidenten das Kollegialitätsprinzip.104 Zwar sind Abstimmungen in großen Gremien fast ebenso leicht zu handhaben wie in kleinen. Jedoch gestaltet sich in (zu) großen kollegialen Gremien die Diskussion schwierig. Daher hätte das Diskussionsgremium, nicht aber die Zahl der Stimmberechtigten verkleinert werden müssen. Auch wird das als Erfolg gefeierte Prinzip105 „one country – one vote“ allenfalls für die jeweils stimmberechtigten NZB-Präsidenten gewahrt. Inwieweit die ad-personam-Teilnahme der nicht stimmberechtigten NZB-Präsidenten (Art. 10.1. ESZB-Satzung neu) dieses Prinzip aufrechterhält, ist mit Blick auf die Gleichwertigkeit der NZB-Präsidenten bei den Abstimmungen fraglich. Da nur die erste der beiden monatlichen EZB-Ratssitzungen sich mit Geldpolitik befasst,106 die zweite allgemeine Angelegenheiten behandelt, ist ein unterschiedliches Stimmverhalten daher zu erwarten. Im Übrigen besteht bei bis zu 27 und mehr Mitgliedern die Gefahr, dass die Ratssitzungen zum „Debattierclub“ mutieren, da die nicht stimmberechtigten 101

Von einer Stärkung des Direktoriums spricht hingegen Gaitanides, S. 95 f. Gaitanides, S. 95. 103 Belke/Baumgärtner, Kreditwesen 2003, S. 776 (776); Belke/Baumgärtner, integration 2004, S. 75 (84). 104 Palm, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 112, Rn. 14 (21. EL, April 2003). 105 Siehe dazu oben, aa). 106 Bundesbank, WWU, S. 47. 102

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NZB-Präsidenten bei allen Ratssitzungen über Teilnahme- und Diskussionsrechte verfügen. Ineffiziente, weil zu umfangreiche107 Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse sowie verminderte Reaktionsgeschwindigkeit des EZBRats in (dringenden) geldpolitischen Entscheidungen sind zu befürchten. Ein kleiner Kreis abstimmungsberechtigter NZB-Präsidenten hätte wirkungsvoller dazu beigetragen, Abstimmungsverfahren für die Öffentlichkeit sichtbar und verständlich zu gestalten. Die Intransparenz des Rotationsmodells hingegen unterminiert das Vertrauen der Bürger in die EZB. Die Rotation bedroht auch die Position der NZB-Präsidenten als unabhängige Mitglieder des EZB-Rates. Wenn künftig einzelne NZBen abhängig von Wirtschaftskraft, Einwohnerzahl und Stärke des nationalen Finanzsystems verschiedenen Gruppen zugewiesen werden, nimmt die Öffentlichkeit die NZB-Präsidenten verstärkt als nationale Repräsentanten wahr. Somit rücken (wieder) nationale Perspektiven, nicht aber integrative Interessen in den Vordergrund. Zu befürchten ist, dass sich die EZB mit diesem Modell vom Grundsatz verabschiedet, wonach in Europa keine national bestimmte Geldpolitik mehr existiert. Entgegen dem eigentlichen Ziel, sich durch Errichtung einer Gemeinschaftsinstitution aus nationalstaatlichen Denkkategorien zu lösen, widerspiegelt diese Reform als typischer Kompromiss der Diplomatie den „Sieg nationaler Interessen“.108 c) EZB-Direktorium Als Exekutivorgan führt das Direktorium die laufenden Geschäfte und verfügt über die unmittelbare109 Befugnis zur Ausführung der Geldpolitik (Art. 12.1. Satz 3 ESZB-Satzung). In einer Art „Mittlerfunktion“ zwischen EZB-Rat und NZBen handelt es entsprechend der Leitlinien und Entscheidungen des EZBRates, besitzt aber gleichzeitig Weisungsbefugnis gegenüber den NZBen (Art. 12.1. Satz 4 ESZB-Satzung). Letztere unterscheidet das EZB-Direktorium grundlegend vom früheren Bundesbank-Direktorium. Ihm waren Zentralbankgeschäfte mit überregionalem Bezug vorbehalten (§ 7 Abs. 1 BBankG a. F.), während regionale Geschäfte mit landesweitem Gewicht eigens den LZBen zugewiesen waren (§ 8 Abs. 2 BBankG a. F.).110 Als Kollegialorgan (Art. 11.5. ESZB-Satzung) besteht das Direktorium aus sechs hauptamtlichen111 Mitgliedern (Art. 112 Abs. 2 lit. a] EG-Vertrag) mit 107

Belke/Baumgärtner, integration 2004, S. 75 (79). Belke/Baumgärtner, Kreditwesen 2003, S. 776 (776). 109 Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 2. 110 Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, D. II. 3. 111 Gewisse fachliche Ernennungsvoraussetzungen normieren Art. 112 Abs. 2 lit. b) EG, Art. 11.2. ESZB-Satzung. 108

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einer einmaligen Amtszeit von acht Jahren (Art. 11.2. Satz 2 ESZB-Satzung a. E.). Eine Ausnahme bildete nur die erstmalige Ernennung, die zum Zwecke gestaffelter Ablösemöglichkeiten112 eine vierjährige Amtszeit für den Vizepräsidenten und eine fünf- bis achtjährige Amtszeit für die anderen Mitglieder vorsah (Art. 50 ESZB-Satzung).113 Dies steht im Gegensatz zur Bundesbank, deren Direktoriumsmitglieder bei Wiederernennung politisch unter Druck gesetzt werden konnten. Das Direktorium wird als „wirklich supranationales“114 Organ der EZB bezeichnet, da nicht jeder Mitgliedstaat durch einen Vertreter repräsentiert ist. Der EZB-Präsident wird aus Kontinuitätserwägungen für acht Jahre gewählt. Seine herausgehobene Position zeigt sich darin, dass seine Stimme bei Stimmengleichheit der mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschlüsse entscheidend ist (Art. 11.5. ESZB-Satzung). 3. Unabhängigkeit der EZB a) Allgemeines Charakteristisch für die EZB ist ein hohes Maß an Unabhängigkeit, das zu organisatorischer Verselbständigung im institutionellen System der Gemeinschaft führt. Im Vergleich zur früheren Autonomiesicherung der Bundesbank (§ 12 BBankG a. F.), die jederzeit durch den einfachen Gesetzgeber eingeschränkt oder aufgehoben werden konnte, bildet die aus dem Primärrecht (Art. 108 EG-Vertrag) folgende, quasi mit Verfassungsrang115 ausgestattete Unabhängigkeit ein europäisches Novum. Die vor Beginn der Endstufe der WWU existente Weisungsabhängigkeit vieler europäischer Notenbanken116 unterstreicht den Vorbildcharakter, den die Bundesbank in Bezug auf die Autonomie der EZB hatte.117 Die „Entpolitisierung“118 war angesichts der jungen EZB, die (noch) nicht in dem Umfang wie die Bundesbank auf Rückhalt in der öffentlichen Meinung vertrauen konnte,119 zur Sicherung des Stabilitätsauftrags 112

Galahn, S. 198; Häde, EuZW 1992, S. 171 (174); Janzen, S. 113. Dabei orientierte man sich an der Besetzung des Board of Governors der Federal Reserve; Heun, JZ 1998, S. 866 (867). 114 Dutzler, S. 14 („[. . .] a truly supranational body [. . .]“). 115 Buchheim, S. 1 (2); Hafke, S. 185 (185); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 531; Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 108, Rn. 3; ähnlich auch Schefold, in: FS Stein, S. 201 (208). 116 So bestand beispielsweise für die Nationalbanken Österreichs, Belgiens, der Niederlande und Portugals Weisungsabhängigkeit infolge von Staatsaufsicht; in Frankreich war Geldpolitik in erster Linie eine Angelegenheit der Regierung. Zeitler, Strukturen des europäischen Währungsrechts, S. 345 (352 f.). 117 Schefold, in: FS Stein, S. 201 (208). 118 Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2431). 119 Schmidhuber, in: Die Europäische Währung, S. 31 (39); Stark, WM 1999, S. 125. 113

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auch erforderlich. Denn Erfahrungen der Bundesbank120 haben gezeigt, dass eine von – zumeist an anderen Zielen als Geldwertstabilität orientierten – staatlichen Institutionen unabhängige Zentralbank diesen Auftrag kontinuierlicher zu sichern vermag. Zudem ist der Zeithorizont der Geldpolitik im Verhältnis zu Entscheidungen in anderen Politikbereichen zwangsläufig länger, da die stabilitätspolitischen Effekte erst nach geraumer Zeit im Wirtschaftsgeschehen sichtund spürbar werden.121 Die Grundsatznormen der Art. 108 EG-Vertrag und Art. 7 ESZB-Satzung statuieren die Freiheit der EZB von heteronomer Steuerung,122 sowohl seitens der EG-Organe als auch seitens der Mitgliedstaaten. Unterstützt wird dies durch die weitgehend änderungsfeste Verankerung der EZB im Primärecht.123 Angesichts der faktisch notwendigen Wechselbeziehungen124 zwischen der EZB und den EG-Organen sowie den Mitgliedstaaten kann eine derartige Autonomie nie absolut sein.125 Im Folgenden sollen die einzelnen Ausprägungen der Autonomie der EZB näher erläutert werden. b) Personelle Unabhängigkeit Ausdruck personeller Unabhängigkeit ist das bereits dargestellte126 Ernennungsverfahren der Mitglieder von EZB-Rat und Direktorium sowie deren weitgehende Unabsetzbarkeit127 (Art. 112 Abs. 2 lit. a] EG-Vertrag). Unterstrichen wird die personelle Autonomie der Mitglieder des EZB-Rates durch die Festlegung der fünfjährigen Mindestamtszeiten für die NZB-Präsidenten. Obwohl grundsätzlich gemeinschaftsrechtlich möglich und im Falle des Direktoriums auch geschehen (Art. 11.2. Satz 2 ESZB-Satzung a. E.), wurde auf Wiederernennungssperren oder Obergrenzen für Amtszeiten der Mitglieder des EZB-Rates verzichtet (Art. 14.2. Satz 1 ESZB-Satzung). Eine Entscheidung über die Amtsenthebung der NZB-Präsidenten richtet sich daher allein nach dem jeweiligen nationalen (Notenbank-)Recht, da die Kompetenz für die Zentralbankstatuten bei den Mitgliedstaaten verblieben ist. 120

Bleckmann, DVBl. 1992, S. 335 (341 f.); Roth, EuR 1994, Beiheft 1, S. 45 (63). Stark, WM 1999, S. 125 (125). 122 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 65. 123 Siehe dazu oben, A. 124 Zu Beziehungen der EZB zu Organen und Einrichtungen der EG EZB, Monatsbericht Oktober 2000, S. 51 ff. 125 EuGH, Rs. C-11/00, Slg. 2003, I-7147, Rn. 135 [Kommission/EZB]; Galahn, S. 140; Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 108 EG, Rn. 5. 126 Siehe dazu oben, 2. b) aa). 127 Brosius-Gersdorf, S. 362; Häde, EuZW 1992; S. 171 (175); Janzen, S. 108 ff.; Studt, S. 250. 121

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Zweifel an der praktischen Relevanz der Regeln zur personellen Autonomie hegten die Unstimmigkeiten, besonders zwischen Deutschland und Frankreich, bei Ernennung des ersten EZB-Präsidenten Wim Duisenberg im Mai 1998.128 Wenngleich die damals von Duisenberg abgegebene Absichtserklärung, im Jahre 2002 zugunsten von Jean-Claude Trichet zurückzutreten, als informelle Absichtserklärung keinerlei rechtliche Verbindlichkeit besaß,129 hielt der „Versprechensgeber“ im Jahr 2003 Wort. Die Vorgehensweise der Staats- und Regierungschefs, wonach Duisenberg offenbar nur ernannt wurde, nachdem er die Absicht vorzeitiger Demission bekannt gab, widersprach offenkundig dem Sinn und Zweck des Art. 112 Abs. 2 EG-Vertrag. Zudem stehen Voraussetzungen der vorzeitigen Amtsenthebung nicht zur Disposition der Staats- und Regierungschefs;130 hierüber entscheidet allein der EuGH (Art. 11. 4. ESZB-Satzung). Indes zeigte der Vorfall einmal mehr die Notwendigkeit der Bindung (wirtschafts-) politischer Akteure an effektive rechtliche Regeln. c) Institutionelle Unabhängigkeit Sinn und Zweck der institutionellen Autonomie ist es, das Währungswesen aus dem Zugriff von Interessengruppen und von an einer Wiederwahl interessierten politischen Mandatsträgern herauszulösen. Daher bezieht sich die institutionelle Autonomie sowohl auf die Unabhängigkeit von Weisungen als auch den Ausschluss jeglicher Mitwirkungsrechte anderer Gemeinschaftsorgane (Parlament, ECOFIN-Rat, Kommission)131 oder Regierungen der Mitgliedstaaten bei Festlegung und Durchführung der Geldpolitik der EZB. Art. 108 EG-Vertrag verdeutlicht die „doppelt genähte Abwehr“132, indem Satz 1 aktive Autonomie seitens der EZB statuiert, während Satz 2 „sicherheitshalber“ die Perspektive wechselt und passive Beeinflussung der EZB untersagt. Der organisatorische Unterbau der EZB in Form der NZBen stärkt die Autonomie, da die NZBen133 ebenfalls dem Unabhängigkeitspostulat unterworfen sind (Art. 109 EG-Vertrag). Die EZB verfügt im Vergleich zur bereits weit reichenden Unabhängigkeit der 128 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 540; Laschat, Europa-Blätter 2002, S. 2 (8). 129 Dutzler, S. 15 f. („political deal“); Potacs, in: Schwarze, EU, Art. 112 EGV, Rn. 2; Palm, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 112, Rn. 34 (21. EL, April 2003). 130 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 112 EG, Rn. 14 ff., spricht in Rn. 19 zutreffend von einem „Versuch, einem offensichtlichen Rechtsverstoß eine Form zu geben, die den Anschein der Rechtmäßigkeit wahrt“; Heun, JZ 1998, S. 866 (867); Janzen, S. 114 f.; Selmayr, Europa-Blätter 1998, S. 39 (41); ders., AöR 124 (1999), S. 357 (387 f.); Studt, S. 250. 131 Ausführlich zum Verhältnis der EZB zu den genannten Institutionen EZB, Monatsbericht Oktober 2000, S. 51 (56 ff.). 132 Wahlig, in: FS Hahn, S. 265 (269). 133 Zur Umsetzung des Art. 109 EG in §§ 12, 13 BBankG siehe oben, 8. Abschnitt, A. III. 2.

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Bundesbank (§ 12 Satz 2 BBankG a. F.)134 über eine noch umfangreichere Autonomie.135 Art. 108 EG-Vertrag sichert der EZB Weisungsfreiheit sowohl seitens der Gemeinschaftsexekutive als auch der -legislative zu. Die Norm verhindert die Bildung neuer Einrichtungen, die die EZB geldpolitisch beeinflussen könnten, wozu insbesondere eine „Wirtschaftsregierung“ nach französischem Vorbild136 zählt. Die Beziehungen der EZB zu wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern sollen über einen unverbindlichen Dialog nicht hinausreichen.137 Als Beispiel genannt sei die aus den dreizehn Wirtschafts- und Finanzministern bestehende „Euro-Gruppe“138. Obwohl dieses Gremium nicht über formelle, primärrechtlich verankerte Kompetenzen verfügt, ist seine Existenz angesichts der faktischen Einflussmöglichkeiten auf den ECOFIN-Rat rechtlich nicht unbedenklich. Während Art. 108 EG-Vertrag auf europäischer Ebene jeglichen Organen und Gemeinschaftseinrichtungen die Einflussnahme auf die EZB verbietet, erwähnt die Norm ausdrücklich nur die Regierungen der Mitgliedstaaten. Da Art. 108 EG-Vertrag potentielle „Störer“ nicht enumerativ aufzählt, kommen alle Personen und Einrichtungen nationaler Staatsgewalt,139 somit auch Legislative und Judikative, in Betracht. Aus Art. 108 Satz 1 EG-Vertrag geht jedoch nicht klar hervor, ob zu den „anderen Stellen“ auch die NZBen zählen. Teilweise wird vertreten,140 dass die Norm nur das Außenverhältnis betreffe, während im Innenverhältnis geldpolitische Entscheidungen für das Eurosystem den monetären Interessen der Mitgliedstaaten nicht zuwiderlaufen dürften. Dieses – rein theoretisch denkbare – Ergebnis würde in der Praxis zu kaum überwindbaren Unstimmigkeiten führen. Eine einheitlich festgelegte europäische Geldpolitik kann national nicht unterschiedlich vollzogen werden, ohne ihre Wirkung vollkommen zu verfehlen.141 Daher unterliegen die Beschlussorgane der NZBen hinsichtlich ihrer Entscheidungen im EZB-Rat keinerlei Weisungen von Seiten nationaler Entscheidungsträger. Ein derartiges imperatives Mandat142 wäre mit 134

Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, B. Selmayr, Europa-Blätter 1999, S. 170 (171); ders., AöR 124 (1999), S. 357 (387). 136 So auch Fabritius, Kreditwesen 1998, S. 804 (805); Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 533. 137 EZB, Monatsbericht Oktober 2000, S. 51 (54). 138 Die ursprünglich als „Euro-11-Gremium“ bezeichnete Gruppe wurde geschaffen durch Ziff. 6 der Entschließung des Europäischen Rates von Luxemburg vom 13.12.1997 über die wirtschaftspolitische Koordinierung in der dritten Stufe der WWU und zu den Artikeln 109 und 109b EGV, ABl.EG 1998 Nr. C 35, S. 1. Seit dem Beitritt Griechenlands hat sich die Bezeichnung „Euro-Gruppe“ durchgesetzt, Gaitanides, S. 69. 139 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 108 EG, Rn. 13. 140 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 51. 141 Siehe dazu ausführlich unten, 12. Abschnitt. 142 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 535. 135

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dem Ziel einer einheitlichen europäischen Geldpolitik nicht vereinbar. Somit ist der Bundesbankpräsident hinsichtlich seines Stimmverhaltens im EZB-Rat nicht an Weisungen des Bundesbankvorstandes gebunden.143 Bis zur Streichung durch das 7. BBankÄndG war dies ausdrücklich in § 6 Abs. 1 Satz 3 BBankG (a. F.) geregelt. Im Innenverhältnis EZB – NZBen wird die geldpolitische Weisungsfreiheit ins Gegenteil verkehrt, da die NZBen der EZB weisungsunterworfen sind (Art. 14.3. ESZB-Satzung). Allerdings ist die institutionelle Unabhängigkeit nicht als politisches Vakuum144 für die EZB zu verstehen. Vielmehr ist die EZB unter Beachtung der Preisstabilität verpflichtet, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft zu unterstützen (Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag). Die Priorität des Stabilitätsziels sichert die funktionelle Autonomie der EZB, woran die wechselseitige Verkettung der verschiedenen Elemente der Unabhängigkeit deutlich wird. d) Finanzielle Unabhängigkeit Die Erfahrungen auf nationaler Ebene zeigen, dass Einflussnahme auf das Budget als probates Mittel zur Durchsetzung politischer Vorstellungen dient.145 Um auszuschließen, dass die EZB von haushaltsmäßigen Bewilligungen nationaler oder europäischer Parlamente abhängig sei, gewährten ihr die Mitgliedstaaten finanzielle und budgetäre Autonomie in Form der Kapitalausstattung146 (Art. 26 ff. ESZB-Satzung). Allein die Verwaltungseffizienz der EZB kann vom Rechnungshof überprüft werden (Art. 27.2. ESZB-Satzung; Art. 248 EG-Vertrag).147 e) Unabhängigkeit bei rechtsverbindlichen Handlungen Die EZB verfügt über gewisse Teilnahmerechte im Rechtssetzungsverfahren. Hervorzuheben ist das Initiativrecht148 in währungsrechtlichen Fragen, mit dessen Hilfe die EZB Empfehlungen zu Satzungsänderungen und zum Erlass ergänzender Rechtsvorschriften geben kann (Art. 107 Abs. 5, 6 EG-Vertrag). Das Anhörungsrecht der EZB verhindert, dass ohne ihre Mitwirkung ein in die Zuständigkeit fallender Rechtsakt der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten erlassen wird (Art. 105 Abs. 4 EG-Vertrag).

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Ausführlich dazu unten, 13. Abschnitt, B. I. 2. Walter, S. 214 f. 145 Laschat, Europa-Blätter 2002, S. 2 (22). 146 Ausführlich dazu Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (377 f.). 147 Heun, JZ 1998, S. 866 (874); Janzen, S. 145; Selmayr, Europa-Blätter 1998, S. 39 (40). 148 EZB, Monatsbericht November 1999, S. 61 (61). 144

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Des weiteren umfasst die Autonomieverbürgung der EZB die Unabhängigkeit zum rechtsverbindlichen Handeln. Zur Rechtssetzungsbefugnis der EZB zählen im Außenverhältnis Verordnungen, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen (Art. 110 Abs. 1 EG-Vertrag). Innerhalb des ESZB, das heißt im Verhältnis zu den NZBen, kann die EZB mittels Leitlinien, Weisungen und Beschlüssen agieren. aa) Rechtsinstrumente Auf der Grundlage des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EG-Vertrag) verfügt die EZB über ein in seiner Steuerungskraft unterschiedlich ausgeprägtes System normativer Befugnisse. Auffällig ist, dass der EZB im Rahmen dessen Befugnisse übertragen sind, die das Gemeinschaftsrecht sonst nur funktionsteilig (Art. 249 Abs. 1 EG-Vertrag) den Gemeinschaftsorganen zuweist.149 So ist die EZB bei der Rechtssetzung nicht auf eine Initiative der Kommission, wie beispielsweise in den Verfahren nach Art. 251, 252 EG-Vertrag, angewiesen. Dies unterstreicht einmal mehr die einzigartige Position der EZB als geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung150 der Gemeinschaft. Auf den ersten Blick mag man meinen, dass Art. 110 Abs. 1 EG-Vertrag die Vorschrift über Rechtssetzungsinstrumente der Gemeinschaft (Art. 249 Abs. 1 EG-Vertrag) dupliziert. Dies ist jedoch nur teilweise zutreffend, da Art. 110 Abs. 1 EG-Vertrag gegenüber Art. 249 EG-Vertrag die speziellere Regelung bildet.151 Angesichts der streng getrennten Kompetenzen zwischen EG und E(S)ZB ist eine Überlappung der Handlungsbereiche jedoch wenig wahrscheinlich.152 Art. 110 Abs. 1 EG-Vertrag nennt – übereinstimmend mit Art. 249 EGVertrag – Verordnung, Entscheidung sowie Empfehlung und Stellungnahme; die Richtlinie als Rechtsquelle wird hingegen nicht erwähnt.153 Offenbar ging der Gemeinschaftsgesetzgeber davon aus, dass den Mitgliedstaaten sowie den NZBen weder Gesetzgebungs- noch Umsetzungskompetenzen bei der Geldpolitik zustehen. Die Richtlinie (Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag) überlässt den nationalen Stellen Art und Weise ihrer Umsetzung. Sie ist daher zur Ausführung der

149

Schütz, EuR, Heft 2, 2001, S. 291 (291). Siehe dazu ausführlich oben, 10. Abschnitt, C. III. 1. d). 151 Zilioli/Selmayr, CMLR 37 (2000), S. 591 (635) gehen hingegen von einem Verhältnis der Koexistenz zwischen EZB-Recht und Sekundärrecht aus, da sich beide Regelungsbereiche auf derselben normativen Ebene befänden. 152 Sollte allerdings die Gemeinschaft durch Sekundärrecht in den Kompetenzbereich der EZB eingreifen, so könnte die EZB diese Rechtsakte durch den EuGH kontrollieren lassen (Art. 230 und Art. 241 EGV), so auch Zilioli/Selmayr, CMLR 37 (2000), S. 591 (636). 153 Schill, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 110 EGV, Rn. 1; Smits, ECB, S. 102 ff. 150

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ausschließlichen geldpolitischen Kompetenz der Gemeinschaft ungeeignet.154 Inwieweit die aufgabenbezogene Rechtssetzung der EZB tatsächlich sowohl eine einheitliche Anwendung als auch Umsetzung der Leitlinien (und Weisungen) durch die NZBen erfordert, soll noch ausführlich erörtert werden.155 Die restlichen, in Art. 110 Abs. 1 EG-Vertrag genannten Rechtsquellen entsprechen denen des Art. 249 EG-Vertrag. Die Verordnungsermächtigung der EZB (Art. 110, 1. Sp.-str. EG-Vertrag) betrifft vornehmlich die Hauptaufgaben des ESZB: Festlegung und Ausführung der gemeinschaftlichen Geldpolitik, Berechnung und Bestimmung des Mindestreservesolls, Verrechnungs- und Zahlungssysteme sowie Aufsicht über die Kreditinstitute. Beispielhaft seien die Mindestreserveverordnungen156, die Verordnung über die Erhebung statistischer Daten157 und die Verordnung über Sanktionen der EZB158 genannt. Da die EZB nur als unabhängige Spezialeinrichtung für den Bereich der Geld- und Währungspolitik agiert, ist ihr der Erlaß staatengerichteter Verordnungen verwehrt. Entscheidungen, zu deren Erlaß die EZB berechtigt ist, haben in allen ihren Teilen für die Adressaten verbindliche Regelungswirkung (Art. 110, 2. Sp.-str. EG-Vertrag). Die auf Initiative der EZB ergangenen Empfehlungen und Stellungnahmen haben keine rechtsverbindliche Wirkung (Art. 110, 3. Sp.-str. EG-Vertrag). Bei Empfehlungen sind zwei Arten zu unterscheiden: einerseits kann die EZB Empfehlungen abgeben, um Rechtssetzungsverfahren auf Gemeinschaftsebene zu initiieren;159 zum anderen sind EZB-Empfehlungen geeignet, Impulse für Maßnahmen jeglicher Art zu geben. Adressaten von Empfehlungen können juristische und natürliche Personen, Gemeinschaftsorgane und Mitgliedstaaten sein.160 Um eine effiziente Arbeitsweise und ein geschlossenes Auftreten des Eurosystems sicherzustellen, wurden der EZB spezifische, eigens für die Anforderungen des ESZB konzipierte Rechtsinstrumente161 an die Hand gegeben („ECB 154

Schütz, EuR, Heft 2, 2001, S. 291 (293). Siehe dazu unten, 12.–14. Abschnitt. 156 VO (EG) Nr. 2531/98 des Rates vom 23.11.1998 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die Europäische Zentralbank, ABl.EG Nr. L 318, S. 1 sowie VO (EG) Nr. 1745/03 der Europäischen Zentralbank vom 12.09.2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2003/9), ABl.EG Nr. L 250, S. 10. 157 VO (EG) Nr. 2423/2001 der Europäischen Zentralbank vom 22.11.2001 über die konsolidierte Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute (EZB/2001/13), ABl.EG Nr. L 333, S. 1. 158 VO (EG) Nr. 985/2001 der Europäischen Zentralbank vom 10.05.2001 zur Änderung der VO EZB/1999/4 über das Recht der Europäischen Zentralbank, Sanktionen zu verhängen (EZB/2001/4), ABl.EG Nr. L 137, S. 24. 159 EZB, Monatsbericht November 1999, S. 61 (64). 160 EZB, ebenda. 155

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law“)162. Demnach sollen Leitlinien und Weisungen den einheitlichen und gleichmäßigen Vollzug der Geldpolitik innerhalb des ESZB gewährleisten (Art. 14. 3. ESZB-Satzung). Mangels Außenwirkung entfalten sie Regelungskraft nur innerhalb des ESZB, das heißt im Innenverhältnis zwischen EZB und NZBen.163 Eine Veröffentlichungspflicht besteht nicht. Mittels Leitlinien soll die EZB eine angemessene dezentrale Durchführung der geldpolitischen Geschäfte durch die NZBen sicherstellen. Weisungen, die selbst keine geldpolitischen Ziele zum Gegenstand haben, dienen der Umsetzung der geldpolitischen Beschlüsse und Leitlinien. Als Teile des Gemeinschaftsrechts haben Leitlinien und Weisungen der EZB Anwendungs-, nicht aber Geltungsvorrang164 vor nationalen Rechtsvorschriften, die in ihren Anwendungsbereich fallen. bb) Kontrolle durch den EuGH Die weit reichende Autonomie der EZB steht in einem Spannungsverhältnis zur rechtsstaatlichen Forderung nach Kontrolle. In Frage steht, inwieweit gerichtlich feststellbar ist, dass die EZB ihre Macht auch tatsächlich für das ihr vorgegebene Ziel in Anspruch nimmt. In Bezug auf die Rolle der Bundesbank als Klägerin und Beklagte wird dies später vertieft.165 Ausgehend von der funktional-sachlichen Autonomie von EZB (und ESZB) sind monetäre Entscheidungen nur in normierten Ausnahmefällen inhaltlich überprüfbar. Angesichts der Spezifik der Materie ist die geringe Kontrolldichte geldpolitischer Entscheidungen logische und beabsichtigte Konsequenz der Unabhängigkeitsverankerung. Daher statuiert Art. 35. 1. ESZB-Satzung rechtsstaatliche Kontrolle unter Wahrung der Unabhängigkeit.166 Für den Fall gerichtlicher Überprüfung von Handlungen durch den EuGH ist die EZB als Rechtssubjekt in vollem Umfang aktiv- und passivlegitimiert (Art. 35. 2. ESZB-Satzung). Primärrechtlich denkbar sind Entscheidungen des EuGH über die Rechtmäßigkeit von Zentralbankakten (Art. 230 Abs. 1, 3 EGVertrag) im Rahmen von Nichtigkeitsklage (Art. 230 EG-Vertrag), Untätigkeitsklage (Art. 232 EG-Vertrag), Schadensersatzklage (Art. 235, 288 Abs. 2, 3 EG161

EZB, Monatsbericht November 1999, S. 61 (67). Zilioli/Selmayr, CMLR 37 (2000), S. 591 (630). 163 Brosius-Gersdorf, S. 288 f.; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 594. 164 Fälschlicherweise spricht die EZB, Monatsbericht November 1999, S. 61 (65), selbst von einem Geltungsvorrang, meint aber offenbar den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. 165 Siehe dazu unten, 15. Abschnitt. 166 Frotscher, Rn. 209; Janzen, S. 130 f.; Heun, JZ 1998, S. 866 (874). 162

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Vertrag) oder Normenkontrolle (Art. 241 EG-Vertrag). Auch können Normativakte der EZB inzident Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens sein (Art. 234 lit. b] EG-Vertrag). Darüber hinaus besitzt allein die EZB das Recht (Art. 237 lit. d] EG-Vertrag), eine gemeinschaftsrechtliche Pflichtverletzung der NZBen durch den EuGH feststellen zu lassen. Die spezielle Feststellungsklage normiert eine Ausnahme vom Prinzip der mitgliedstaatlichen Haftung für nachgeordnete nationale Einrichtungen. Nicht die Kommission kann im Wege der Vertragsverletzung (Art. 226 EG-Vertrag) den Mitgliedstaat für das Handeln „seiner“ Zentralbank zur Rechenschaft ziehen, sondern allein der EZB-Rat (Art. 237 lit. d], Satz 2 EG-Vertrag). Der Grund dafür liegt in der primärrechtlich abgesicherten Autonomie der NZBen (Art. 108, 109 EG-Vertrag) und ihrer Stellung als integrale Bestandteile des ESZB. Eine Klage der Kommission mit dem Ziel, einen Mitgliedstaat zur Einflussnahme auf seine Zentralbank wegen der Verletzung der ESZB-Satzung zu bewegen, ist somit ausgeschlossen.167 Zugleich wird sichergestellt, dass die NZBen bei ihrem Handeln dem Stabilitätsziel uneingeschränkten Vorrang einräumen.168 Das originäre, verfassungsrechtliche Band zwischen Mitgliedstaaten und „ihren“ Zentralbanken wurde durch die supranationale Verbindung der NZBen zur EZB im Rahmen des ESZB ersetzt. Als einzige Ausnahme existiert die – tatsächlich fern liegende – Möglichkeit der „Präsidentenanklage“ (Art. 14.2. Satz 2, 2. Fall ESZB-Satzung), einer Aufsichtsklage des EZB-Rates gegen einen Mitgliedstaat, der den Notenbankpräsidenten satzungswidrig entlassen hat. Indem Art. 237 lit. d) EG-Vertrag ein Klagerecht der NZBen ausschließt, verdeutlicht die Norm zugleich die Über-/Unterordnung der Systemelemente. Ohne die Ausführungen des 15. Abschnitts vorweg zu nehmen, verbleiben den NZBen gegenüber der EZB eigene Klagemöglichkeiten nur insoweit, als sie auch anderen juristischen Personen offen stehen.169 f) Währungsaußenpolitik als Ausnahme der Unabhängigkeit Die einzige Ausnahme von einer völligen geldpolitischen Autonomie der EZB statuiert die Währungsaußenpolitik170 (Art. 111 Abs. 1 EG-Vertrag). Nicht die EZB, sondern der Rat der EU besitzt einerseits das Recht zum Abschluss von Vereinbarungen über Wechselkurssysteme mit dem Euro (Art. 111 Abs. 1 EG-Vertrag) und andererseits zu allgemeinen Orientierungen für die Wechsel167

U. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 237, Rn. 26 (16. EL, Juli 2000). U. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 237, Rn. 29 (16. EL, Juli 2000); Zilioli/Selmayr, CMLR 37 (2000), S. 591 (627). 169 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 596. 170 Ausführlich Martenczuk, ZaöRV 1999, S. 93 (97 ff.). 168

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kurspolitik (Art. 111 Abs. 2 EG-Vertrag). Damit liegt die Regelung des Art. 111 EG-Vertrag auf der Linie der überwiegenden Verfassungswirklichkeit der europäischen Staaten;171 auf die Rechtslage in Deutschland172 sei beispielhaft verwiesen. Zu diskutieren ist, ob der Rat der EG mit Hilfe von Art. 111 EG-Vertrag eine als zu restriktiv empfundene Geldpolitik des EZB-Rates aushebeln kann, indem er die EZB zu Geldmengen vergrößernden Interventionen verpflichtet.173 Eine derartige indirekte Beeinflussbarkeit der Zentralbankautonomie174 wäre nur gegeben, wenn die „allgemeinen Orientierungen“ (Art. 111 Abs. 2 EG-Vertrag) für das ESZB absolute Bindungswirkung besäßen.175 Für eine derartige Verbindlichkeit spricht die primärrechtliche Fixierung. Hätten die Mitgliedstaaten als Herren der Verträge dem Rat nicht derartige Kompetenzen zubilligen wollen, so wäre die Formulierung des Art. 111 Abs. 2 EG-Vertrag wohl nicht in Rechtsform gegossen worden. Erst nach längeren Debatten und gegen den Willen anderer Signatarstaaten konnte der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel die endgültige Formulierung durchsetzen.176 Indes beweist der Blick auf Art. 249 EG-Vertrag, dass nicht alle dem Gemeinschaftsrecht bekannten Handlungsformen mit derselben Rechtsverbindlichkeit ausgestattet sind. Bewusst spricht der Gesetzgeber in Art. 111 Abs. 2 EGVertrag nicht von verbindlichen „Richtlinien“, sondern verwendet den Begriff „Orientierungen“. Daraus kann sich für das ESZB nur der Charakter rechtlich177 unverbindlicher Empfehlungen ergeben.178 Darüber hinaus ist der Rat der EG an das Stabilitätsziel179 (Art. 111 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 EG-Vertrag) und die Autonomie der EZB gebunden, womit ein „nuanciertes Gleichgewicht“180 zwischen dem wirtschaftspolitisch zuständigen Rat und der währungs-

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Hahn, in: FS Oppermann, S. 609 (611). Siehe dazu oben, 8. Abschnitt, D. 173 Goetze, S. 136. 174 Galahn, S. 208; Goetze, S. 66; Janzen, S. 147 f.; Walter, S. 215. 175 Ausführlich zur Auslegung von Art. 111 Abs. 2 EG Hahn, in: FS Oppermann, S. 609 ff. 176 Hahn, in: FS Oppermann, S. 609 (610). 177 Hahn, BayVBl. 1999, S. 741 (744); Hahn, in: FS Oppermann, S. 609 (619), spricht von „negativer normativer Beschaffenheit“. 178 Bundesbank, WWU, S. 74; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 605; Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 35; Selmayr, Europa-Blätter 2000, S. 209 (210); anders Weiß, EuR 2002, S. 165 (184), der prinzipiell von der Verbindlichkeit der Orientierungen ausgeht. Die Bindungskraft solle aber entfallen, sobald die Orientierungen dem Stabilitätsziel widersprechen. 179 Martenczuk, ZaöRV 1999, S. 93 (105); Selmayr, Europa-Blätter 2000, S. 209 (210); Smits, ECB, S. 390. 180 So Pipkorn, EuR 1994, Beiheft 1, S. 85 (88); ähnlich Roth, EuR 1994, Beiheft 1, S. 45 (65). 172

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politisch geprägten EZB geschaffen wurde. Auch wenn teilweise von „besonders berücksichtigenswerten Beschlüssen“181, deren Respektierung die EZB „nachhaltig und weithin“182 erwägen sollte, gesprochen wird, gilt für das ESZB im Konfliktfall das Primat der Preisstabilität. Tatsächlich würden aus Wechselkursvereinbarungen angesichts der geldpolitischen Verantwortung Interventionspflichten der EZB folgen. Der Gefahr inflationärer Geldmengensteigerung183 müsste die EZB in einem solchen Fall mit dem Einsatz marktkonformer Steuerungsmittel begegnen. Derzeit scheint die Integration des Euro in ein Festkurssystem vor dem Hintergrund der europäischen Erfahrungen mit derartigen Systemen, beispielsweise Bretton Woods,184 als fern liegender Sonderfall.185 Auch droht der EZB aufgrund der zurückhaltenden Auslegung der Ratskompetenzen bei der Wechselkurspolitik kein ernsthafter Kompetenzverlust,186 sodass sie de facto bei einem frei floatenden Euro-Kurs im Verhältnis zu Drittlandswährungen keinerlei rechtlichen Bindungen hinsichtlich der Devisengeschäfte unterliegt. g) Demokratieprinzip als Einschränkung der Unabhängigkeit aa) Europarechtliche Ebene Das Demokratieprinzip findet auf europäischer wie auf nationaler Ebene seine elementare Entfaltung im Grundsatz der parlamentarischen Verantwortlichkeit hoheitlichen Handelns. Entsprechend Art. 108 EG-Vertrag ist die EZB weder gegenüber nationalen noch supranationalen Parlamenten verantwortlich, weshalb der daraus resultierenden Frage nach ihrer demokratischen Legitimation folgend nachzugehen ist. Demokratische Prinzipien und Strukturen zählen zu den Grundlagen der EU (Art. 6 Abs. 1 EU-Vertrag). Europäische Hoheitsgewalt soll auf der Basis demokratisch legitimierter Entscheidungen ausgeübt werden. Dennoch leiden Entscheidungsprozesse in der EG oftmals an einem Demokratiedefizit, das seinen Ursprung in einem wenig einflussreichen Europäischen Parlament hat.187 Für die EZB kann ein derartiger Befund nicht festgestellt werden.188 Angesichts der Position als geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung der EG 181

Hahn, in: FS Oppermann, S. 609 (618 ff.). Hahn, BayVBl. 1999, S. 741 (745). 183 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 602. 184 Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, B. 185 So auch Heun, JZ 1998, S. 866 (875); Weber, WM 1998, S. 1465 (1468). 186 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 604; Galahn, S. 208; Janzen, S. 149. 187 Ausführlich Dernedde, S. 180 ff.; Streinz, Europarecht, 7. Auflage, Rn. 323 ff. 182

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ist die EZB nur bedingt in die Organisationsstrukturen der EG eingebunden.189 Die rechtlichen Grundlagen wurden nicht von der EZB selbst geschaffen, sondern beruhen auf originärem Gemeinschaftsrecht190 (Art. 105 ff. EG-Vertrag; ESZB-Satzung), welches wiederum durch durch nationaldemokratische Prozesse der einzelnen Mitgliedstaaten legitimiert ist. Dem Selbstverständnis entsprechend handelt die EZB nach demokratischen Grundsätzen, sofern sie sich an die klare Verpflichtung zur Geldwertstabilität hält.191 Einer demokratischen Legitimation infolge normativer Aktivitäten des Europäischen Parlaments bedarf die EZB daher nicht.192 Eine (zu) starke institutionelle Kontrolle könnte die EZB zur Aufgabe ihres Unabhängigkeitskurses zwingen, was einen Gesichtsverlust nach sich zöge. Je schwächer die Autonomie einer Zentralbank, desto weniger ist sie in der Lage, eine glaubwürdige Politik umzusetzen. Um ein Autonomievakuum jedoch zu verhindern, wurden dem hohen Grad an Unabhängigkeit als „Kehrseite der Medaille“ klar definierte Rechenschaftspflichten gegenübergestellt. Insbesondere sollte das völlige Fehlen parlamentarischer Kontrolle verhindert werden. Vergleicht man das bislang in den Mitgliedstaaten vorgefundene Niveau demokratischer Mitwirkung in monetären Angelegenheiten mit der Regelung in Art. 113 Abs. 3, 4 EG-Vertrag, übersteigen die Beziehungen zwischen EZB und Europäischem Parlament diese Stufe deutlich.193 Bei Ernennung der Direktoriumsmitglieder, des Vizepräsidenten und des EZB-Präsidenten besteht ein vertraglich verbrieftes Anhörungsrecht des Parlaments (Art. 113 Abs. 3 EG-Vertrag). Wenngleich es dem Parlament an Durchsetzungsmacht insoweit fehlt, als es einen Kandidaten nicht ablehnen kann, verfügt es über politische Kompetenz bei der Beurteilung der Kandidaten.194 Die Berichtspflichten der EZB gegenüber dem Parlament und den EG-Organen sind geprägt von der Frage der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der geldpolitischen Entscheidungen (Art. 113 Abs. 3 EG-Vertrag). Der Mangel195 an weiterreichenden Kontrollmöglichkeiten des Parlaments in Bezug auf die EZB ist wiederum der Stabilitätsverpflichtung und der Autonomie der EZB geschuldet. Notwendig ist daher ein regelmäßiger monetärer Dialog zwischen Par188

So aber Gormley/de Haan, ELR, Vol. 2, 1996, S. 95 (112). Siehe dazu oben, 1. d). 190 Häde, EuZW 1992, S. 171 (177); Heun, JZ 1998, S. 866 (874); Janzen, S. 141; Zilioli/Selmayr, CMLR 37 (2000), S. 591 (641). 191 BVerfGE 89, S. 155 (209); Janzen, S. 139. 192 So aber Gormley/de Haan, ELR, Vol. 2, 1996, S. 95 (108, 112). 193 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 553; Schütz, EuR, Heft 2, 2001, S. 291 (300 f.). 194 Randzio-Plath, Wirtschaftsdienst 1998, S. 269 (273). 195 Gormley/de Haan, ELR, Vol. 2, 1996, S. 95 (108, 112); von einer nur „embryonal angelegten“ demokratischen Rechenschaftspflicht der EZB spricht Hahn, JZ 1999, S. 957 (961). 189

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lament und EZB, um die Glaubwürdigkeit der EZB zu stärken und hektische Spekulationen an den Finanzmärkten zu verhindern.196 Demokratische Rechenschaftspflichten beziehen sich per se nur auf nachträglich stattfindende Erklärungen. Die EZB ist daher nur ex post, nicht aber ex ante sowie nur auf Gemeinschaftsebene, nicht aber mitgliedstaatlichen Regierungen zur Auskunft verpflichtet. Würde ein politisches Gremium, wie Parlament oder Kommission, direkt in die Zentralbankpolitik eingreifen und sie beeinflussen, wären diese Organe am eigentlichen Entscheidungsfindungsprozess beteiligt.197 Dies widerspräche erneut dem Unabhängigkeitspostulat und würde die Rechenschaftspflicht ad absurdum führen. Daran wird deutlich, dass wirksame demokratische Kontrolle der EZB durch das Europäische Parlament angesichts der unscharfen Grenze zwischen Einflussnahme (Art. 108 Satz 2 EG-Vertrag) und Zusammenwirken (Art. 113 Abs. 3 EG-Vertrag) immer eine Gratwanderung bleiben wird. Sichergestellt wird die ex-post-Kontrolle in jedem Falle durch die Eindung in das Rechtsschutzsystem der Gemeinschaft, wodurch das Zentralbankhandeln in ähnlichem Umfang wie die Tätigkeit der EG-Organe gerichtlicher Kontrolle unterworfen wird.198 bb) Nationale Ebene Die nationalverfassungsrechtliche Legitimation der EZB steht zur gemeinschaftlichen Legitimation im Verhältnis wechselseitiger Komplementarität.199 Daher muss sich das Handeln der EZB mit Hilfe des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1, 2 GG) auf den Willen des deutschen Volkes zurückführen lassen. Anknüpfungspunkte bilden die Verfassungsänderungen, die der Vorbereitung der WWU dienten. Während Art. 23 Abs. 1 GG allgemein den Transfer und die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt in den Schranken von Art. 23 Abs. 1 Satz 3200 und Art. 79 Abs. 2, 3 GG legitimiert,201 gestattet Art. 88 Satz 2 GG konkret die Übertragung von Befugnissen der Bundesbank auf eine unabhängige, allein der Preisstabilität verpflichtete Europäische Zentralbank. Die demokratische Legitimation der EZB folgt daher aus Art. 23 Abs. 1, 88 Satz 2

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Randzio-Plath, Wirtschaftsdienst 1998, S. 269 (274). EZB, Monatsbericht November 2002, S. 49 (53). 198 Siehe dazu unten, 15. Abschnitt. 199 Ausführlich Brosius-Gersdorf, S. 317 ff. 200 Janzen, S. 63; Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (839 f.); dagegen Everling, DVBl. 1993, S. 936 (943), wonach Art. 79 Abs. 2, 3 GG bei jedem Hoheitsrechtstransfer im Bereich der EU anwendbar und somit Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG bedeutungslos sei. 201 Brosius-Gersdorf, S. 338, 372; Everling, DVBl. 1993, S. 936 (943); Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 16. 197

10. Abschn.: Überblick über das ESZB

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GG202 in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz203 zum Vertrag von Maastricht. Auch das BVerfG betonte in seinem viel beachteten „Maastricht-Urteil“, dass Art. 88 Satz 2 GG eine im Einklang mit Art. 79 Abs. 3 GG stehende Modifikation des Demokratieprinzips darstelle,204 die aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Stabilitätsziels zulässig sei. Wenngleich der Integrationsprozess somit durch Rückbindung an nationale Parlamente erfolgen könne, verwies das Gericht auf die – soeben – geschilderte parlamentarische Kontrolle und mahnte zugleich eine intensivere Beteiligung des in seinen Befugnissen zu stärkenden Europäischen Parlaments an. h) Tatsächliche Unabhängigkeit Angesichts der geschilderten umfassenden primärrechtlichen Absicherung der Unabhängigkeit der EZB ist die Gefahr politischer Abhängigkeit eher gering einzustufen. Auszuschließen ist sie nicht. Konfliktpotential ist vor allem zwischen EZB/ESZB und anderen Gemeinschaftsorganen zu erwarten. Beispielhaft sei die Konstellation der Währungsaußenpolitik (Art. 111 EG-Vertrag)205 genannt, in der der Rat sich letztlich über die gegenteilige Auffassung der EZB hinwegsetzen kann.206 Welchen Grad an Aussichtslosigkeit die Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung erreicht haben müssen, wird davon abhängig bleiben, wie „geräuschvoll“ sich die EZB zu ihrer Unabhängigkeit bekennt. Dies kann im Zweifel notwendig sein, um Institutionen und Einrichtungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten zum Stabilitätsbewusstsein zu ermahnen. Wichtige „Verbündete“, deren sich die EZB im Konfliktfall sicher sein dürfte, sind die Geschäftsbanken sowie die traditionell stabilitätsorientierte Wirtschaft. Andererseits sollten gerade diese „Verbündeten“ als aufmerksame Öffentlichkeit und Kontrollinstanz die Ergebnisse der Eurozone sowie Reaktionen der EZB kritisch würdigen. Wie alle anderen Finanzintermediäre unterliegt die EZB der laufenden Kontrolle und Beobachtung der Kapitalmärkte, die auf Abweichungen mit Kapitalbewegungen in enormen Größenordnungen reagieren.207

202

Weber, JZ 1994, S. 53 (58). Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht vom 28.12.1992, BGBl. II, S. 1251. 204 BVerfGE 89, S. 155 (208); Brosius-Gersdorf, S. 344 ff., 383 ff.; Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 108 EG, Rn. 43; Weber, JZ 1994, S. 53 (59). 205 Siehe dazu oben, f). 206 Galahn, S. 221; Tilch, S. 51. 207 Fabritius, Kreditwesen 1998, S. 804 (812). 203

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

Es bleibt zu hoffen, dass die Angst vor Unglaubwürdigkeit und Prestigeverlust, die jede Zentralbank scheut, zur genügenden Abwehr äußerer Einflüsse führen wird.208 Unterstützend wirken könnte das als „Becket-Effekt“209 bekannte Phänomen, wonach unabhängige, von politischen Weisungen freie Notenbanken ihre besondere gesellschaftliche Verantwortung adaptieren. Geldpolitische Entscheidungsträger entwickeln eine eigene kooperative Kultur, indem sie sich nach kurzer Zeit als „Zentralbanker“ ausschließlich der Stabilitätsordnung und nicht ihrer parteipolitischen oder länderspezifischen Herkunft verpflichtet fühlen.210 D. Ziele und Aufgaben des ESZB I. Preisstabilität als Ziel

Primäres Ziel, das die Aufgabenerfüllung des ESZB dominiert, ist die Verpflichtung zur Preisstabilität (Art. 105 Abs. 1 EG-Vertrag). Damit wird das ESZB deutlicher als die frühere Bundesbank auf das Stabilitätsziel festgelegt.211 Die Bundesbank war de iure nur zur Währungssicherung verpflichtet (§ 3 BBankG a. F.), wenngleich sie dies als Selbstbindung an Preisstabilität interpretierte.212 Obwohl der EG-Vertrag Preisstabilität weder quantitativ noch qualitativ definiert,213 liegt den maßgeblichen Vorschriften (Art. 4 Abs. 2, 105 Abs. 1 EGVertrag) ein absoluter Stabilitätsbegriff214 zugrunde. Abzulehnen ist ein flexibler Stabilitätsbegriff215, den unterschiedliche nationale Vorstellungen über den tragbaren Inflationsgrad innerhalb der Gemeinschaft charakterisieren.216 Mit Blick auf die Volatilität möglicher Entscheidungen der EZB würde ein derartiges Stabilitätsverständnis die Glaubwürdigkeit in Frage stellen.

208

Galahn, S. 223; Heun, JZ 1998, S. 866 (875); Janzen, S. 145. Von Arnim, Staatslehre, S. 343 f. Die Bezeichnung des Effekts geht auf das Verhalten des Erzbischofs von Canterbury, Thomas Becket, zurück, der im Mittelalter gegenüber dem englischen König die Unabhängigkeit der Kirche verteidigte, obwohl er als enger Vertrauter des Königs in dieses Amt berufen war. 210 Fabritius, Kreditwesen 1998, S. 804 (806). 211 Bleckmann, DVBl. 1992, S. 335 (341); Cartellieri, in: Die Europäische Währung, S. 59 (63); Galahn, S. 210 f.; Morgenthaler, JuS 1997, 673 (679); Nicolaysen, S. 30; Selmayr, Europa-Blätter 2000, S. 209 (209). 212 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, B. II. 213 Harden, in: Gretschmann, Economic and Monetary Union, S. 149 (150). 214 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 67. 215 So aber Potacs, in: Schwarze, EU, Art. 105 EGV, Rn. 3; Streinz/Kempen, EUV/ EGV, Art. 105 EGV, Rn. 3. 216 So auch Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 67, Fn. 243; Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 37. 209

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Die mit Preisstabilität umschriebene Binnenkaufkraft217 umfasst das Verhältnis einer bestimmten Geldsumme zu einer bestimmten Menge an Dienstleistungen und Gütern, die gegen diese Geldsumme austauschbar ist. Gemessen wird die Preisstabilität am Geldmengenwachstum, wodurch ein kontinuierlicher Verfall des Währungsbinnenwertes und somit Inflation verhindert werden soll. Der Introvertiertheit218 des Stabilitätsziels ist es geschuldet, dass der Währungssicherung nach außen (Wechselkursstabilität) nur Indikatorfunktion zukommt.219 Um den Stabilitätsbegriff zu konkretisieren, quantifizierte die EZB Preisstabilität als jährliche Zuwachsrate des harmonisierten Verbraucherpreisindex für das Eurogebiet von unter 2%.220 Sie bewegt sich somit innerhalb des EG-Inflationskorridors (1,1–2,7%). Diese kanalisierte Vorgabe für die Geldpolitik der EZB ist ein Novum für eine Zentralbank. Dem Stabilitätsziel gebührt uneingeschränkter Vorrang. Im Falle von Stabilitätsgefahren resultiert daraus nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht des ESZB zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen.221 Ohne das „Primat der Preisstabilität“222 zu gefährden, soll das ESZB die Wirtschaftspolitik der EG unterstützen und im „Einklang mit den Grundsätzen einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ (Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag) handeln. Damit normiert der EG-Vertrag unter Verweis auf das allgemeine Zielpolygon223 (Art. 2 EG-Vertrag) Sekundärziele, die Parallelen zum magischen Viereck (§ 1 StWG) erkennen lassen. Aus der Betonung marktwirtschaftlicher (Sekundär-)Ziele folgt, dass das ESZB – ähnlich wie die frühere Bundesbank224 – vorrangig marktkonforme Instrumente225 einsetzen soll. Obwohl daraus kein Verbot hoheitlicher Steuerungsmittel folgt, bedürfen Abweichungen im Bereich der Währungspolitik einer Rechtfertigung.226 Wenngleich diese Zielverpflichtungen der EZB den Streit um eine „europäische Wirtschaftsverfassung“227 nicht lösen, lenken sie ihn zumindest in eine ganz konkrete Richtung.

217

Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 66. Selmayr, Europa-Blätter 2000, S. 209 (209). 219 Angesichts der Erfahrungen im Bretton-Woods-System bestand Einigkeit, dass der Wechselkurs nicht als geldpolitischer Anhaltspunkt fungieren sollte; Heun, JZ 1998, S. 866 (871); Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2431); Tilch, S. 82 ff. 220 Bundesbank, WWU, S. 62; EZB, Pressemitteilung vom 13.10.1998; EZB, Monatsbericht Juni 2003, S. 87 (89). 221 Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 105, Rn. 2. 222 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 66; Lavranos, ELR (2004) 29, S. 115 (121); Roth, EuR 1994, Beiheft 1, S. 45 (66). 223 Zilioli/Selmayr, CMLR 37 (2000), S. 591 (628 f.). 224 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, D. I. 225 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 574; ähnlich Potacs, in: Schwarze, EU, Art. 105 EGV, Rn. 4. 226 Hahn/Häde, ebenda. 218

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘ II. Aufgaben

1. Allgemeines Mangels Rechtssubjektsqualität des ESZB liegen die geldpolitischen Befugnisse (Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag) nicht bei ihm selbst, sondern entweder allein bei der EZB, bei den NZBen oder bei beiden zusammen. Es ist daher angezeigt, die Aufgaben des ESZB in ihrer konkreten Erfüllung durch die Systemelemente zu untersuchen. Die führende Rolle der EZB gegenüber den NZB legt nahe, zunächst die Aufgaben aus Sicht der EZB zu erörtern, währenddessen die Kompetenzverteilung zwischen den Systemelementen sowie der den NZBen verbleibende Handlungsspielraum Gegenstand des 4. und 5. Kapitels228 ist. Innerhalb der vier Hauptaufgaben des ESZB (Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag) kommen der Festlegung und Ausführung der Geldpolitik fundamentale Bedeutung zu. Daneben zählen Beratungsaufgaben gegenüber EG-Organen, Koordinierung und Konsultation im Bereich der Bankenaufsicht sowie Erhebung statistischer Daten zu den weiteren Befugnissen des ESZB (Art. 105 Abs. 4–6 EGVertrag). 2. Geldpolitik a) Strategie der Geldpolitik Entscheidungskompetenzen und strategisches Instrumentarium der Geldpolitik (Art. 105 Abs. 2, 1. Sp.-str. EG-Vertrag) werden von einer Strategie bestimmt, die angesichts ihrer dominierenden Rolle den weiteren Aussagen vorangestellt wird. Geldpolitische Strategien lassen sich allgemein definieren als der von einer Zentralbank selbst gesteckte Rahmen, in dem diese geldpolitische Entscheidungen trifft und der Öffentlichkeit erläutert.229 Grundsätzlich sind solche Strategien einteilbar in jene mit und ohne Zwischenzielgröße.230 So verfolgt beispielsweise die Bank of England das Konzept der Inflationssteuerung, während die Bundesbank vor Beginn der WWU-Endstufe die Geldmengensteuerung231 präferierte.232 227 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 69; hingegen bezeichnet Selmayr, AöR 124 (1999), S. 357 (364 ff.), Art. 4 EG als „Wirtschaftsverfassung der WWU“. 228 Siehe dazu unten, 12. Abschnitt sowie 13. und 14. Abschnitt. 229 EZB, Monatsbericht Oktober 2001, S. 43 (56). 230 Schächter, S. 313. 231 Siehe dazu bereits oben, 3. Abschnitt, B. II. 2. 232 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105 EG, Rn. 18.

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Voraussetzung einer einheitlichen geldpolitischen Strategie des Eurosystems ist einerseits eine harmonisierte Definition des geldschaffenden233 sowie des gelderhaltenden234 Sektors, andererseits eine einheitliche Abgrenzung der Geldmengenaggregate. Angesichts der Unsicherheitsfaktoren, denen sich die EZB bei Gründung gegenübersah, wäre die ausschließliche Bezugnahme auf bestimmte Modelle oder Indikatoren verfehlt gewesen.235 Um in einem diversifizierten Ansatz möglichst viele nationale geldpolitische Modelle aufzugreifen, entwickelte die EZB ein „Zwei-Säulen-Modell“.236 Innerhalb dieser „Doppelstrategie“237 bildet die der Bundesbank-Strategie238 ähnliche Geldmengenentwicklung die erste Säule. Im Rahmen der monetären Analyse239 überwacht die EZB das Geldmengenwachstum anhand eines Referenzwertes, unterstützt durch Geldmengenaggregate.240 Ohne dieser Säule den Vorrang einzuräumen, eignet sie sich wegen des engen Zusammenhangs zur monetären Gesamtnachfrage zur Abschätzung von Inflationsrisiken. Mit Veröffentlichung des quantitativen Referenzwertes der Geldmenge (M 3)241 hat sich die EZB selbst permanente Kontrolle sowie laufenden Rechtfertigungszwang bei geldpolitischen Entscheidungen auferlegt. Die zweite Säule bildet, abweichend von der Bundesbank,242 die ökonomische Analyse einer Vielzahl von Konjunktur- und Finanzmarktindikatoren (Inflation, Wechselkurse)243. Angesichts der Wirkungsverzögerungen im geldpolitischen Transmissionsprozess dient die Ausrichtung an mittelfristigen Zielen eher dem Fernziel stetiger Preisstabilität.244 Die auf Basis vielfältiger Indikatoren ermittelten Inflationsprogno-

233 Zum geldschaffenden Sektor zählen alle im Euro-Währungsgebiet ansässigen Monetären Finanzinstitute (MFI), somit Zentralbanken, Kreditinstitute im Sinne des Gemeinschaftsrechts sowie alle anderen gebietsansässigen Finanzinstitute, die Einlagen entgegennehmen und Kredite gewähren und/oder in Wertpapiere investieren; Issing, Geldtheorie, 14. Auflage, S. 10 f. 234 Zum gelderhaltenden Sektor gehören alle gebietsansässigen Nicht-MFIs, mit Ausnahme der Zentralregierungen; Issing, Geldtheorie, 14. Auflage, S. 11. 235 Für eine „Doppelstrategie“ plädierte bereits Cartellieri, in: Die Europäische Währung, S. 59 (65). 236 EZB, Monatsbericht November 2000, S. 41 ff.; EZB, Monatsbericht Juni 2003, S. 87 (96 f.); Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105 EG, Rn. 18. 237 Schächter, S. 360 ff. 238 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, B. II. 2. 239 EZB, Monatsbericht Juni 2003, S. 87 (98 ff.). 240 EZB, Monatsbericht November 2000, S. 41 (44 ff.). 241 Im Gegensatz zur engeren Definition der Geldmenge M 3 durch die Bundesbank legt die EZB eine breit abgegrenzte Geldmenge M 3 zugrunde, ausführlich Issing, Geldtheorie, 14. Auflage, S. 11 f. 242 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 573. 243 Cartellieri, in: Die Europäische Währung, S. 59 (65); EZB, Monatsbericht November 2000, S. 41 (46 ff.). 244 EZB, Monatsbericht November 2000, S. 41 (52).

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

sen übernehmen dabei die sonst von der Zwischenzielgröße ausgehende Informationsfunktion.245 Somit schuf die EZB eine Doppelstrategie neuen Typs, die sowohl bisherige Modelle vereint, als auch den Spezifika des Eurosystems Rechnung trägt. Die EZB will die erste Säule nicht als reines „Geldmengenziel“, die zweite Säule nicht als absolutes „Inflationsziel“ verstanden wissen.246 Mit Hilfe des Prinzips der „Multiindikatorrelevanz“247 wird – entgegen monetaristischer Auffassung – das Risiko geldpolitischer Fehlsteuerungen minimiert. Jedoch besteht bei wechselnder Berücksichtigung unterschiedlichster Indikatoren die Gefahr, dass die geldpolitische Strategie undurchsichtig und wenig geradlinig erscheint.248 Dies gilt besonders vor dem Hintergrund der Überprüfung der geldpolitischen Strategie im Mai 2003249, seit der die EZB der wirtschaftlichen Analyse stärkere Bedeutung beimisst. Solange die – nunmehr längerfristige – wirtschaftliche Analyse die „zentralen gesamtwirtschaftlichen Variablen“250 nicht konkret benennt, besteht die ernstzunehmende Gefahr, dass die nach eigenen Aussagen der EZB „herausragende Rolle der Geldmenge“251 der Beliebigkeit monetärer Entscheidungen zum Opfer fällt. Die EZB muss sich um richtungweisende Disziplinierung bemühen, um nicht die Akzeptanz des gesamten ESZB zu gefährden. b) Instrumentarium aa) Offenmarktpolitik Ähnlich wie die „alte“ Bundesbank betreibt das ESZB vor allem Offenmarktund Kreditpolitik (Art. 18 ESZB-Satzung) sowie Mindestreservepolitik (Art. 19 ESZB-Satzung). Zudem kann der EZB-Rat mit Hilfe der Experimentierklausel (Art. 20.1. ESZB-Satzung) über die Anwendung bisher nicht vorgesehener Instrumente der Geldpolitik entscheiden. Obwohl die monetären Instrumente vorrangig auf Geschäfte mit Kreditinstituten abzielen, darf die EZB – im Unterschied zu § 21 BBankG a. F. – Geschäfte mit sämtlichen Marktteilnehmern tätigen; ausgeschlossen bleiben jedoch Organe und Einrichtungen der EG sowie der Mitgliedstaaten (Art. 101 EG-Vertrag; Art. 21 ESZB-Satzung). Die für die Geldpolitik des ESZB besonders bedeutenden Offenmarktgeschäfte ähneln ihrem Konzept nach denen der Bundesbank und der Federal Re245

Schächter, S. 315. EZB, Monatsbericht November 2000, S. 41 (44). 247 Heun, JZ 1998, S. 866 (871); Fabritius, Kreditwesen 1998, S. 804 (811). 248 Schächter, S. 369 f. 249 EZB, Pressemitteilung vom 8. Mai 2003; EZB, Monatsbericht Juni 2003, S. 87 (97 f.). 250 EZB, Monatsbericht Juni 2003, S. 87 (97 f.). 251 EZB, Monatsbericht Juni 2003, S. 87 (87); Gaitanides, S. 105 ff. 246

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serve.252 Die EZB kann am „offenen Markt“ auf Gemeinschafts- oder Drittlandswährungen lautende Forderungen, börsengängige Wertpapiere und Edelmetalle endgültig (per Kasse oder Termin) oder mittels Rückkaufsvereinbarung kaufen, verkaufen oder entsprechende Darlehensgeschäfte tätigen (Art. 18.1. ESZB-Satzung). Neben der Signalwirkung für den geldpolitischen Kurs ist es Ziel der Offenmarktpolitik, Zinssätze und Bankenliquidität zu steuern sowie Liquiditätsschwankungen auszugleichen.253 Angesichts ihrer Einsatzmöglichkeiten – von langfristigen Transaktionen (3 Monate) über vorrangig kurzfristige Pensionsgeschäfte (14 Tage) bis hin zur Feinsteuerung – können sie als flexible Steuerungsmittel den Gegebenheiten der Finanzmärkte angepasst werden. Ihr Bedeutungszuwachs254 resultiert zudem aus dem erweiterten Verständnis der EZB zur Offenmarktpolitik. Während die Bundesbank nur den Wertpapierkauf/ -verkauf am offenen Markt für eigene Rechnung als Offenmarktgeschäft qualifizierte, bezieht die EZB die Refinanzierungsgeschäfte mit ein, soweit sie auf ihre Initiative zustande kommen.255 Offenmarktgeschäfte werden aufgrund der Zielsetzung, der Abstände ihrer Durchführung und der angewandten Verfahren in vier Gruppen unterteilt: Hauptrefinanzierungsgeschäfte, längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, Feinsteuerungsoperationen und strukturelle Operationen. Über die Hauptrefinanzierungsgeschäfte fließt dem Finanzsektor der größte Teil256 des Refinanzierungsvolumens zu. Sie besitzen daher eine geldpolitische Schlüsselrolle.257 Seiner Leitlinienkompetenz entsprechend (Art. 12.1. Satz 3 ESZB-Satzung) entscheidet der EZB-Rat über die Abgabesätze für Offenmarktgeschäfte. Angesichts des zinsprägenden Effekts der Hauptrefinanzierungsgeschäfte sind die Abgabesätze für Offenmarktgeschäfte mit den Entscheidungen über die Leitzinssätze (Art. 12.1. Satz 3 ESZB-Satzung) vergleichbar. Als Beispiel der Leitlinienkompetenz des EZB-Rates sei auf die Entscheidung vom Juni 2000 ver252

Heun, JZ 1998, S. 866 (871). Galahn, S. 204 f.; Häde, EuZW 1992, S. 171 (175); Janzen, S. 181; Studt, S. 261. 254 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.258. 255 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 570; Zeitler, in: Hahn, Währungswesen, S. 129 (139) mit dem Hinweis, dass sich die nicht allein auf Offenmarktgeschäfte gestützte Liquiditätsbereitstellung „beruhigend“ auf die Geldnachfrage auswirke. 256 So wurden laut EZB im Jahr 2001 73% (Jahresbericht 2001, S. 72), im Jahr 2003 bereits 81% (Jahresbericht 2003, S. 82) und im Jahr 2005 77% (Jahresbericht 2005, S. 97) aller Offenmarktgeschäfte mittels Hauptrefinanzierungsgeschäften abgewickelt. Hingegen entfielen auf die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte im Jahr 2001 noch 27% (Jahresbericht 2001, S. 74), im Jahr 2003 nur noch 19% (Jahresbericht 2003, S. 83) und im Jahr 2005 noch 23% (Jahresbericht 2005, S. 98) aller Offenmarktgeschäfte. 257 Bundesbank, Geschäftsbericht 1999, S. 138; EZB, Jahresbericht 1999, S. 51. 253

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

wiesen, wonach die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des ESZB mittels Zinstender258 abgewickelt und ein Mindestbietungssatz festgelegt werden.259 Der EZB-Rat reagierte somit auf massive Überbietungen beim bisherigen Mengentenderverfahren. Zur Durchführung der Offenmarktgeschäfte stehen dem Eurosystem fünf Arten von Instrumenten zur Verfügung. Wichtigstes Werkzeug sind die befristeten Transaktionen, die von den NZBen mittels Pensionsgeschäften oder besicherten Krediten abgewickelt werden und bei allen vier Gruppen der Operationen einsetzbar sind. Schuldverschreibungen können bei strukturellen liquiditätsabsorbierenden Geschäften emittiert werden. Zur Durchführung von Feinsteuerungsoperationen nutzt das ESZB endgültige Käufe beziehungsweise Verkäufe, Devisenswapgeschäfte und die Hereinnahme von Termineinlagen. Obwohl die geldpolitische Initiative in Form der Aufstellung allgemeiner Grundsätze (Art. 18.2. ESZB-Satzung) bei der EZB liegt, werden die NZBen in die Geschäftsabwicklung einbezogen.260 Die NZBen führen Offenmarktgeschäfte mittels vorgeschaltetem Emissionsverfahren (Tenderverfahren) durch. Hauptrefinanzierungsgeschäfte, längerfristige Refinanzierungsgeschäfte sowie strukturelle Operationen werden mittels Standardtender, Feinsteuerungsoperationen über Schnelltender abgewickelt.261 Bei Feinsteuerungsoperationen besitzt der EZB-Rat die Option, bilaterale Operationen ausnahmsweise durch die EZB selbst auszuführen.262 bb) Kreditpolitik Im Bereich der eng verstandenen Refinanzierungspolitik (Kreditpolitik) ermächtigt Art. 18.1. ESZB-Satzung zu Kreditgeschäften gegen Sicherheiten (ständige Faziliäten). Die ständigen Fazilitäten dienen dazu, Übernachtliquidität bereitzustellen oder zu absorbieren. Sie setzen Signale bezüglich des allgemeinen Kurses der Geldpolitik, stecken Ober- (Spitzenrefinanzierungsfazilität) und Untergrenze (Einlagefazilität) des Zinskanals für Tagesgeld ab und nehmen so Einfluss auf das Marktgeschehen. Jedoch strebt die EZB keine mittelfristige Überbrückung von Liquiditätsengpässen an, weshalb sie sich nicht als lender of last resort263 versteht. 258 Bundesbank, Monatsbericht März 2003, S. 15 (19); EZB, Monatsbericht Juli 2000, S. 39 (40). 259 EZB, Monatsbericht Juli 2000, S. 39 (39). 260 Brosius-Gersdorf, S. 284 f.; Galahn, S. 205; Knappe, ESZB, S. 143 (149). 261 Ziff. 5.1.1. des Anhangs zur Leitlinie der EZB vom 31.08.2006 zur Änderung der Leitlinie EZB/2000/7 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystem (EZB/2006/12), ABl.EG Nr. L 352, S. 1; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.278. 262 Ziff. 3.1.4. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12.

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Im Wege der Spitzenrefinanzierungsfazilität können sich die Kreditinstitute von den NZBen Übernachtliquidität gegen refinanzierungsfähige Sicherheiten verschaffen,264 wobei Kredithöchstgrenzen nicht existieren. Im Gegensatz zur Bundesbank, die mit Hilfe der Diskontpolitik die Grundversorgung sicherte,265 besteht der Zweck expressis verbis in der Spitzenrefinanzierung. Gemeinsamkeiten266 bestehen hingegen mit den früheren Lombardkrediten267 der Bundesbank. Demgegenüber dient die Einlagefazilität den Kreditinstituten zur Übernachtanlage ihrer Guthaben bei den NZBen.268 Betragsbegrenzungen für Einlagekonten existieren auch hier nicht. Die EZB stellt allgemeine Grundsätze für die eigenen sowie für die Kreditgeschäfte der NZBen auf (Art. 18.2. ESZB-Satzung). Unklar ist, wie der Kreis der „anderen Marktteilnehmer“ (Art. 18.1., 2. Spiegelstrich ESZB-Satzung) zu definieren ist. Nicht dazu zählen jedenfalls öffentlich-rechtliche Körperschaften und Unternehmen, da Art. 101 Abs. 1 EG-Vertrag die Kreditgewährung an sie ausschließt. Neben der dezentralen Verwaltung der ständigen Fazilitäten269 sowie der Festlegung der Zulassungskriterien270 für die Kreditsicherheiten271 obliegt den NZBen auch die Art der rechtlichen Absicherung der Kreditgeschäfte, wobei neben der Vollrechtsübertragung – üblich bei Pensionsgeschäften – die Verpfändung von Sicherungsgegenständen praktiziert wird. cc) Mindestreservepolitik Die EZB verlangt von den Kreditinstituten den Reservesätzen entsprechende Mindestreserven,272 die sie auf Konten bei den NZBen zu unterhalten haben (Art. 19.1. Satz 1 ESZB-Satzung). Auf Grundlage von Art. 19.1. Satz 2 und Art. 19.2. ESZB-Satzung sowie in Ausübung der durch Ratsverordnung

263 Mit lender of last resort wird eine Funktion der US-amerikanischen Federal Reserve bezeichnet, die die Überbrückung von Krisen im Zahlungsverkehr bei Zahlungsunfähigkeit einzelner Kreditinstitute erleichtern kann. In diesem Fall stellt die US-Notenbank für die jeweiligen Banken kurzfristig liquide Mittel bereit; Heun, JZ 1998, S. 866 (870). 264 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105 EG, Rn. 23. 265 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, D. III. 1. 266 Knappe, ESZB, S. 143 (149); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.282. 267 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, D. III. 1. 268 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105 EG, Rn. 23. 269 Ziff. 1.3.2. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 270 Derzeit wird zwischen zwei Gruppen (Kategorie 1 und 2) refinanzierungsfähiger Sicherheiten unterschieden. 271 Ziff. 1.5. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 272 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105 EG, Rn. 24; Smits, S. 275 ff.

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

Nr. 2531/98273 übertragenen Befugnisse legt die EZB die konkreten Mindestreservesätze274 fest. Sowohl die Befugnis des Rates über Festlegung der Mindestreservebasis (Art. 19.2. ESZB-Satzung) als auch das Recht der EZB, konkrete Reservesätze zu normieren, sind in ihrer Rechtsqualität sekundärrechtliche Verordnungen (Art. 249 Abs. 2 EG-Vertrag, Art. 110 Abs. 1 EG-Vertrag); der frühere Streit275 um die Rechtsqualität der Mindestreservevorschriften des BBankG erfährt somit „posthum“ Klärung. Die konkrete Reservepflicht (Reservesätze) der Institute wird anhand bestimmter Bilanzpositionen, insbesondere Einlagen, begebene Schuldverschreibungen und Geldmarktpapiere, festgelegt (Reservebasis)276. Der dabei vorgesehene Reservesatz von Null für Repogeschäfte, Einlagen und Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von über zwei Jahren entspricht vollumfänglich der früheren Mindestreserveregelung der Bundesbank.277 Die NZBen sind für die Meldepflicht der Institute bezüglich der reservepflichtigen Positionen verantwortlich.278 Im Falle der Nichterfüllung ist jedoch nur der Rat der EG zur Sanktionierung, insbesondere durch Strafzins, berechtigt (Art. 19.2. ESZB-Satzung). Da das Reservesystem des ESZB den Kreditinstituten die Durchschnittserfüllung der Mindestreserve erlaubt, bemisst sich die Reservepflicht unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Kalendertagsguthaben innerhalb der einmonatigen Reserveerfüllungsperiode.279 Im Gegensatz zur früheren Handhabung durch die Bundesbank verzinst die EZB die bei ihr unterhaltenen Einlagen zum Satz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte. Deshalb ist die neue Mindestreserve als weitgehend wettbewerbsneutral einzustufen.280 Angesichts der Widerstände281 einzelner NZBen erfüllt die Mindestreserve der EZB nur noch die Funktion eines Liquiditätspuffers. Zudem 273 VO (EG) Nr. 2531/98 des Rates vom 23.11.1998 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die EZB, ABl.EG Nr. L 318, S. 1; neugefasst durch VO (EG) Nr. 134/2002 des Rates vom 22. Januar 2002 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2531/98 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die Europäische Zentralbank, ABl.EG Nr. L 24, S. 1. 274 VO (EG) Nr. 2818/98 der Europäischen Zentralbank vom 01.12.1998 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht; ABl.EG Nr. L 356, S. 1; neugefasst durch VO (EG) Nr. 1745/03 der Europäischen Zentralbank vom 12.09.2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2003/9), ABl.EG Nr. L 250, S. 10. 275 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, D. V. 2. a). 276 Ausführlich geregelt in Ziff. 7. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 277 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.287, Fn. 1. 278 Art. 5 EZB-VO 2818/98; neugefasst durch Art. 5 VO (EG) Nr. 1745/03 der Europäischen Zentralbank vom 12.09.2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2003/9), ABl.EG Nr. L 250, S. 10. 279 Ziff. 7.1. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 280 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 572. 281 Gegen die Einfügung einer Mindestreserve Knappe, ESZB, S. 143 (153).

10. Abschn.: Überblick über das ESZB

185

soll die Nachfrage nach Zentralbankgeld stabilisiert werden.282 Der Mindestreserve kommt insoweit eine Anbindungsfunktion zu. Die Kreditinstitute werden vor allem wegen des Banknotenumlaufs und der Mindestreservepflicht in die Refinanzierung bei der EZB gezwungen. Gemeinsam mit der bargeldlosen Refinanzierung erzeugt die Mindestreserve erst die Voraussetzung, um andere geldpolitische Instrumente wirken zu lassen.283 Die gegenseitige Ergänzung von Offenmarkt- und Mindestreservepolitik erscheint daher sinnvoll. dd) Sonstige geldpolitische Instrumente Der EZB-Rat kann mit Zweidrittelmehrheit die Anwendung anderer geldpolitischer Instrumente beschließen (Art. 20 Satz 1 ESZB-Satzung), sofern er dies für zweckmäßig erachtet („Experimentierklausel“)284. Falls der Einsatz solcher Instrumente Verpflichtungen für Dritte mit sich bringt, hat der EZB-Rat die Befugnisse des Rates der EU aus Art. 20 Satz 2 und Art. 42 ESZB-Satzung zu beachten, was der Vorgehensweise bei der Anwendung der Mindestreserve entspricht (Art. 19.2. ESZB-Satzung). Da Art. 105 Abs. 1 EG-Vertrag die EZB prinzipiell zu marktkonformer Steuerung285 verpflichtet, muss der Einsatz währungspolitischer Zwangsmittel gegenüber Marktteilnehmern mit Ausnahme der Mindestreserveanordnung ultima ratio im Handeln der EZB sein. 3. Weitere Aufgaben Im Vergleich zur Geldpolitik von geringerer Bedeutung sind die nicht zu den geldpolitischen Aufgaben zählenden sonstigen Aufgaben des ESZB. In die ausschließliche Zuständigkeit der EZB fällt die Banknotenemission (Art. 106 Abs. 1 Satz 1 EG-Vertrag). Nach dem Verlust des Notenausgabemonopols (§ 14 BBankG a. F.) kommen den NZBen allenfalls Mitwirkungsrechte zu (Art. 106 abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EG-Vertrag). Der dabei bestehende Genehmigungsvorbehalt der EZB soll das Unterwandern der geldpolitische Steuerung der EZB verhindern.286 Trotz sprachlicher Trennung in Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag sind die Aufgaben der Devisenpolitik (2. Sp.-str.) und der Haltung und Verwaltung der Währungsreserven (3. Sp.-str.) eng verknüpft, da beide der internationalen Absicherung der internen Geldpolitik dienen. Bereits erwähnt wurden die Kompetenzen 282

Heun, JZ 1998, S. 866 (872). Ruckriegel/Schleicher/Seitz, Kreditwesen 1998, S. 842 (843 f.). 284 Gramlich, Die Verwaltung, Band 27 (1994), S. 361 (377). 285 Siehe dazu oben, I. 286 Galahn, S. 201; Häde, EuZW 1992, S. 171 (175); Janzen, S. 180; Potacs, in: Schwarze, EU, Art. 106 EGV, Rn. 1. 283

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Kap. 3: Das ESZB als „Integrationsprodukt‘‘

des Rates der EG im Bereich der Devisenpolitik (Art. 111 EG-Vertrag). Obwohl das ESZB zu währungspolitisch bedeutsamen Devisengeschäften mit Drittstaaten sowie internationalen Organisationen berechtigt ist (Art. 23 ESZB-Satzung), sind die Handlungsfreiräume der NZBen und EZB mit Blick auf die Befugnisse des Rates (Art. 111 Abs. 1 EG-Vertrag) eingeschränkt.287 EZB und NZBen sind für die Haltung und Verwaltung der Währungsreserven (Art. 105 Abs. 2, 3. Sp.-str. EG-Vertrag) verantwortlich. Auch nach Übertragung eines Großteils ihrer Währungsreserven verfügen die NZBen über derartige Reserven (Art. 30, 31.2. ESZB-Satzung). Soweit es sich bei den Geschäften mit Währungsreserven der NZBen nicht um Pflichten gegenüber internationalen Organisationen handelt, unterliegen diese Transaktionen den Grenzen des Gemeinschaftsrechts (Art. 31.2. ESZB-Satzung). Um – als weitere Aufgabe – das reibungslose Funktionieren der Zahlungsverkehrssysteme zu fördern (Art. 105 Abs. 2, 4. Sp.-str. EG-Vertrag), betreiben EZB und NZBen zur grenzüberschreitenden Zahlungsabwicklung das Großbetragszahlungssystem TARGET288 (Trans-European Automated Real-Time Gross Settlement Express-Transfer System) sowie weitere Abwicklungssysteme im Rahmen des Wertpapierhandels. Zudem verfügt die EZB über Beratungs- und Anhörungsrechte (Art. 105 Abs. 4 EG-Vertrag). Diese sollen frühzeitig sicherstellen, dass die EZB über alle Entwürfe von EG-Rechtsakten und mitgliedstaatlichen Vorschriften, die die Geldpolitik betreffen, unterrichtet ist und Stellung nehmen kann. Darüber hinaus unterstützt das ESZB die Mitgliedstaaten bei der Kreditwesenaufsicht (Art. 105 Abs. 5 EG-Vertrag). Mangels eigener Kompetenz des ESZB289 nehmen die NZBen die Kreditwesenaufsicht eigenverantwortlich und außerhalb des ESZB wahr (Art. 14.4. ESZB-Satzung).

287

Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 582. Leitlinie (EZB/2001/3) der EZB über eine transeuropäisches Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem (TARGET) vom 26.04.2001, ABl.EG Nr. L 140, S. 72, in der Fassung der Leitlinie EZB/2002/1, ABl.EG Nr. L 67, S. 4. 289 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105 EG, Rn. 50 ff. 288

Kapitel 4

Rechtsstellung der NZBen und systeminterne Kompetenzverteilung 11. Abschnitt

Rechtsstellung der Bundesbank als NZB A. Rechtsgrundlagen Während im vorherigen Kapitel das ESZB, seine Aufgaben und seine Zusammensetzung als einheitliches Ganzes – sozusagen aus der Vogelperspektive – betrachtet wurden, widmet sich das folgende Kapitel den systeminternen Strukturen und Organisationsabläufen sowie der konkreten Interaktion zwischen den Elementen des Systems in Gestalt von EZB und NZBen (Bundesbank). Zunächst soll ein Blick auf die rechtlichen Grundlagen geworfen werden, die den Rahmen für die Diskussion um die Rechtsstellung der Bundesbank als NZB im ESZB sowie die Basis der nationalen Organisationsstruktur bilden. Die Grundlagen der modifizierten Stellung der Bundesbank werden sowohl auf europarechtlicher als auch auf nationaler Ebene gelegt. Bereits erläutert1 wurden die primärrechtlichen Vorgaben des EG-Vertrags (insbesondere Art. 105, 107, 109 EG-Vertrag); bezüglich des Verhältnisses zwischen EZB und NZBen sind sie wenig aussagekräftig. Von entscheidender Bedeutung für die Rolle der Bundesbank als integrierter NZB sind indes die – ebenfalls primärrechtlichen (Art. 311 EG-Vertrag) – Normen der ESZB-Satzung. Besonders auf die spezielle Rolle von Art. 12.1. ESZB-Satzung für die systeminterne Zuständigkeitsverteilung wird noch ausführlich einzugehen sein.2 Wie im Kontext der 2. Stufe der WWU besprochen,3 fordert(e) das Primärrecht äquivalente Regelungen auf nationaler Ebene. Der neu gefasste Art. 88 (Satz 2) GG schafft das nationalverfassungsrechtliche Pendant zum primärrechtlichen Unabhängigkeitspostulat in Art. 108, 109 EG-Vertrag. Angesichts dieser gemeinschaftsrechtlichen Absicherung ist die Autonomie der Bundesbank weit-

1 2 3

Siehe dazu oben, 10. Abschnitt, A. Siehe dazu unten, 12. Abschnitt. Siehe dazu oben, 8. Abschnitt, A. II.

188

Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

gehend änderungsfest und somit der Disposition des deutschen Gesetzgebers (wieder4) entzogen.5 Interpretiert man Art. 88 Satz 2 GG allein aus seinem Wortsinn, so ist der Transfer „ihrer“, das heißt sämtlicher Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank auf die EZB zulässig. Ein derartiges Normverständnis widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck der Verfassungsnorm. Eine verfassungsrechtlich abgesicherte, aber mangels eigener Zuständigkeiten handlungsunfähige Bundesbank ließe die institutionelle Garantie des Art. 88 Satz 1 GG überflüssig werden. Art. 88 Satz 2 GG erzwingt somit keinen vollständigen Transfer der Befugnisse;6 vielmehr ermöglicht er die Übertragung konkreter Einzelkompetenzen auf das das ESZB.7 Daraus folgt zugleich das Vorhandensein systeminterner Befugnisse sowie ein „Restbestand“ an „anderen Aufgaben“, die der mittelbaren Staatsverwaltung zuzurechnen sind. Der Umfang der konkreten Aufgaben – innerhalb und außerhalb des ESZB – soll in diesem Teil der Arbeit detailliert evaluiert werden. Im Übrigen nennt Art. 88 Satz 2 GG nunmehr explizit die Stabilität des Preisniveaus, wodurch – im Vergleich zu § 3 BBankG a. F. – die Zielverpflichtung der Bundesbank konkretisiert und die Preisstabilität zu einer Grundnorm für das gesamte Wirtschaftsleben hochgestuft wird.8 B. Rechtsstellung I. Ausgangspunkt

Die Rechtsstellung der Bundesbank bedingt maßgeblich ihre währungspolitische Zuständigkeit und die Ausgestaltung der einzelnen monetären Instrumente. Inhaltlich übereinstimmend bezeichnen § 3 Satz 1 BBankG und Art. 14.3. Satz 1 ESZB-Satzung die Bundesbank als „integralen“ Bestandteil des ESZB. Gemeinsam mit der EZB bildet die Bundesbank – als eine von 13 NZBen – das ESZB, das angesichts der Unabhängigkeit seiner Systemelemente von nationaler und Gemeinschaftsebene eine exponierte Stellung innerhalb der Gemeinschaft genießt.9 Das Modell in Anhang 1 vesucht, die Einbettung von ESZB und EZB in die Gemeinschaft zu visualisieren. Die Bundesbank ist demnach sowohl Teil eines Ganzen („pars inter pares“), konkret des Gesamtsystems ESZB; als Systemelement hat sie sich in den 4

Weber, Europäische Währungsunion, S. 619 f. Häde, in: Die Europäische Währung, S. 103 (117); Umbach/Dollinger, in: Umbach/Clemens, GG, Art. 88, Rn. 21. 6 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 293. 7 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 302. 8 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 60. 9 Siehe dazu oben, 10. Abschnitt, B. 5

11. Abschn.: Rechtsstellung der Bundesbank als NZB

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Rechtsrahmen des ESZB einzufügen. Zugleich ist sie aber auch rechtlich selbständige, nationale Einrichtung – par inter pares, sozusagen „sie selbst bleibende unter Gleichen“. Versucht man nun, die Rechtsstellung der Bundesbank genauer zu erfassen, lassen sich prinzipiell drei Ansätze ableiten, die im Folgenden einer kritischen Analyse unterzogen werden. Der reine Wortlaut des Art. 14.3. ESZB-Satzung legt nahe, dass sich die Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB zur Gemeinschaftseinrichtung gewandelt hat. Andererseits wäre ein Modell einer teilbaren Geldpolitik denkbar. Eine dritte Position geht davon aus, dass die Bundesbank trotz Eingliederung in das ESZB weiterhin eine Einrichtung des Mitgliedstaates Deutschland bleibt. II. Bundesbank als Einrichtung der Gemeinschaft

Angesichts weit reichender Kompetenzübertragungen auf die EZB und des Ziels einer einheitlichen Währungspolitik ist eine Herauslösung der Bundesbank aus der mitgliedstaatlichen Organisationsstruktur denkbar. Hätte der Vertrag von Maastricht eine solche Filiallösung favorisiert, wäre das ESZB als einstufiges System konzipiert, wobei die EZB sowohl alle Entscheidungsgewalt als auch die Ausführung der Geldpolitik auf sich hätte vereinen müssen. Die daraus resultierende vollständige Subordination würde bedeuten, dass die Bundesbank eine Einrichtung der Gemeinschaft wäre.10 Dies setzt voraus, dass das ESZB als einstufiges System konzipiert wäre, wobei die EZB sowohl alle Entscheidungsgewalt als auch die Ausführung der Geldpolitik in sich vereinte und den NZBen keine autonom auszuübenden Entscheidungs- und Vollzugskompetenzen verblieben. Die Bundesbank wäre aus der nationalen Staatsorganisation herausgelöst und würde Gemeinschaftshoheit ausüben, sofern sie Aufgaben des ESZB erfüllte. Die Bundesbank wäre nicht mehr selbst Zentralbank,11 sondern als eine Art Filiale der Zentale in Gestalt der EZB untergeordnet. Den NZBen wären keinerlei autonom auszuübende Entscheidungs- und Vollzugskompetenzen verblieben, sondern sie wären zu hierarchisch nachgeordneten Filialen (Zweigstellen12) einer einheitlichen „Euro-Bank“13 verschmolzen. Bereits aus der primärrechtlich-formalen Gleichberechtigung von EZB und NZBen (Art. 107 Abs. 1 EG-Vertrag) folgt, dass die Filiallösung von den Mit-

10 Dutzler, S. 10 („[. . .] in a functional sense, as Community bodies [. . .]“); ausdrücklich für die Geldpolitik, wohl aber auch für alle anderen Bereiche Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2430). 11 Selmayr, Europa-Blätter 1998, S. 39 (40); ders., AöR 124 (1999), S. 357 (376 f.). 12 Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 43 f. gebraucht diesen Begriff (Rn. 44), will ihn aber offenbar nicht so verstanden wissen (Rn. 43). 13 Häde, in: Die Europäische Währung, S. 103 (108).

190

Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

gliedstaaten nicht beabsichtigt war.14 Die durchgehend gewählte Bezeichnung als „nationale Zentralbank“ lässt den Willen der Vertragsstaaten zum Erhalt rechtlich selbständiger Zentralbanken deutlich erkennen. Da Art. 109 EG-Vertrag bewusst die Regelungshoheit in Bezug auf die Zentralbanksatzung bei den Mitgliedstaaten belässt, resultieren daraus ernstzunehmende Einflussmöglichkeiten der Mitgliedstaaten auf „ihre“ NZBen. Im Gegensatz zu den Mitgliedstaaten besitzt die Gemeinschaft gerade keine Allzuständigkeit (Kompetenz-Kompetenz), weshalb sie für ein Handeln immer einer besonderen Ermächtigung durch eine Kompetenznorm bedarf.15 Ist der Gemeinschaft die konkret „begrenzte Einzelermächtigung“ (Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 EG-Vertrag) nicht übertragen worden, folgt daraus – wie im Bereich der Zentralbankgesetzgebung – die nationalstaatliche Regelungshoheit. Dass die NZBen nicht als Gemeinschaftseinrichtung anzusehen sind, unterstreicht auch ihre prozessuale Stellung. Im Rahmen des speziellen Vertragsverletzungsverfahrens (Art. 237 lit. d] EG-Vertrag) ist die Rolle der NZBen mit der der Mitgliedstaaten vergleichbar, während der EZB die „Sanktionsrolle“ der Kommission zugewiesen ist.16 Im Übrigen können die NZBen in gewissem Umfang außerhalb des ESZB eigenverantwortlich und auf eigene Rechnung handeln, was der Vergleich zwischen Art. 14.3. und Art. 14.4. ESZB-Satzung beweist. Auch wäre das explizit in Art. 14.3. Satz 1 ESZB-Satzung genannte Einzelweisungsrecht überflüssig, sofern die NZBen zu einer Gemeinschaftseinrichtung oder Untereinheit der EZB verschmolzen wären. Zudem überträgt Art. 35 ESZB-Satzung die haftungsrechtliche Verantwortung auf die NZBen. Daran wird deutlich, dass die NZBen nach außen als eigenes Haftungssubjekt fungieren. Aus den genannten Gründen ist auch der Ansatz abzulehnen,17 wonach die „Inanspruchnahme“ der Bundesbank als NZB seitens der EZB als Organleihe18 qualifiziert wird. Entsprechend der Definition des BVerfG ist das Rechtsinstitut der Organleihe dadurch gekennzeichnet, dass „das Organ eines Rechtsträgers ermächtigt und beauftragt wird, einen Aufgabenbereich eines anderen Rechtsträgers wahrzunehmen“.19 Das entliehene Organ wird als weisungsunterworfenes Organ des Entleihers tätig. Gegen die Zurechnung der Verantwortung in diesem Sinne spricht, dass die NZBen nicht nur einen Aufgabenkomplex der EZB, son14 So auch Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (36); Seiler, EuR 2004, S. 52 (57) (keine „europäische Bundesbank“); Weber, Europäische Währungsunion, S. 212; Zimmermann, S. 50. 15 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EG, Rn. 12. 16 Siehe dazu unten, 15. Abschnitt, C. III. 1. 17 Ebenso Weber, S. 208. 18 Kämmerer, Grenzen des Europarechts, S. 77 (85). 19 BVerfGE 63, S. 1 (31).

11. Abschn.: Rechtsstellung der Bundesbank als NZB

191

dern im Rahmen des ESZB neben übertragenen Aufgaben auch eigene Befugnisse wahrnehmen. Im Übrigen ist die Aufgabenerfüllung den integralen Bestandteilen des ESZB – der EZB und den NZBen – gemeinsam übertragen (Art. 3.1. ESZB-Satzung). III. Bundesbank als zwischenstaatliche Einrichtung

Empirische Erfahrungswerte sowie Praktikabilitätserwägungen widerlegen auch das Modell einer teilbaren Geldpolitik, in dessen Folge die Bundesbank als zwischenstaatliche Einrichtung anzusehen wäre. In einem solchen Fall wäre die Bundesbank als NZB weder in das ESZB noch in die EZB organisatorisch eingebunden. Mangels Rechtspersönlichkeit des ESZB seien EZB und NZBen als Bestandteile des Systems selbst zwischenstaatliche Einrichtungen.20 Die Stellung der NZBen als „integraler Bestandteil“ des ESZB bedinge als solche keine Unterordnung gegenüber der Gemeinschaft, weshalb zwischen den NZBen und der EZB keine „weisungsrelevanten Abhängigkeitsverhältnisse“ bestünden.21 Für eine derartige Kompetenzverteilung könnte auf den ersten Blick die Bezeichnung als „Europäisches System der Zentralbanken“ sprechen, sofern man die (Festlegung der) Geldpolitik in der Endstufe der WWU nicht als ausschließliche supranationale Zuständigkeit, sondern als konkurrierende Kompetenz der EZB und NZBen begreift.22 Die Bezeichnung des Systems verdeutlicht indes nur, dass die NZBen nicht als Untergliederungen der EZB fungieren. Zudem wird diese Auslegung durch den mit der Namensgebung beabsichtigten Zweck widerlegt. Es sollten rechtlich selbständige und damit formal gleichberechtigte Elemente des ESZB geschaffen werden, weshalb auf die Bezeichnung als „Europäisches Zentralbanksystem“ bewusst verzichtet wurde.23 Aus Art. 4 Abs. 2 EG-Vertrag folgt zudem, dass die Gemeinschaft eine einheitliche Geldpolitik anstrebt, die nach gleichen Maßstäben umgesetzt wird. Die theoretische Idee einer teilbaren Geldpolitik ist praktisch nicht realisierbar. Geldpolitik muss aus einem Guss formuliert werden, wobei für nationale Präferenzen angesichts der Unteilbarkeit der Materie kein Raum ist.24 In einem einheitlichen Währungsgebiet lässt sich effektive Geldpolitik nur durch zentrale Steuerung seitens der Notenbank betreiben, wenn nicht das Vertrauen der 20

Seidel, EuR 2000, S. 861 (863). Seidel, S. 19. 22 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 579; Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2429). 23 Borries, ZEuS 1999, S. 281 (290); Gleske, in: FS Hahn, S. 123 (136); Stadler, S. 90; Weber, S. 55. 24 Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 41; Bornhövd, in: Fragen der Freiheit, S. 4 (15). 21

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

Märkte in die Zentralbankentscheidungen aufs Spiel gesetzt werden soll. Beispielhaft genannt seien die unitaristisch-zentralistisch strukturierten Zentralbanksysteme föderaler Staaten, wie der Republik Österreich mit der Österreichischen Nationalbank25, der Schweiz mit der Schweizerischen Nationalbank, sowie der Bundesrepublik mit der Deutschen Bundesbank.26 Im Übrigen war durch die Vertragsrevision von Maastricht kein elementarer mitgliedstaatlicher Souveränitätsverlust beabsichtigt.27 Aufgrund der fortbestehenden Herrschaft der Mitgliedstaaten über die Verträge wurde die KompetenzKompetenz nicht auf die EG übertragen;28 ein neuer eigenständiger europäischer Staat ist nicht entstanden.29 Die Wesenselemente des ESZB verdeutlichen, dass mit Eintritt in die Endstufe der WWU in den supranationalen Strukturen des EG-Vertrags kein neues „völkerrechtliches Gebilde mit einheitlicher Währung“30 geschaffen werden sollte. Die Einheitlichkeit geldpolitischer Entscheidungen war daher unumgänglich, allerdings auch ausreichend. Art. 12.1., 14.3. ESZB-Satzung widerspiegeln die Zweistufigkeit des ESZB und zugleich die exponierte Stellung der EZB innerhalb des ESZB. Angesichts dieser Leitungsund Führungsfunktion der EZB kann den NZBen (nur) eine nachrangige Stellung zukommen. IV. Bundesbank als Einrichtung der Mitgliedstaaten

Am ehesten vergleichbar ist die gewandelte Rechtsstellung der Bundesbank mit den LZBen im System der BdL.31 Wie die LZBen sind die NZBen (Bundesbank), die in Struktur und Aufgabenstellung von nationalen Vorgaben dominiert werden, letztlich eigenständige Institutionen, die mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind.32 Wenngleich die BdL vorrangig als Refinanzierungsbank der LZBen agierte33 – eine Aufgabe, auf die sich die EZB nicht reduzieren lässt –, übernahm die übergeordnete BdL die geldpolitische Führungsrolle.34 Die später mit der Bundesbank verschmolzenen LZBen weisen in ihrer Struktur weniger Ähnlichkeiten mit den NZBen im ESZB auf. Die Bundesbank ver25

Potacs, in: Griller, S. 33 (45 f.); Schaumeyer, in: Griller, S. 197 (200). Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2430). 27 Weikart, NVwZ 1993, S. 834 (837). 28 BVerfGE 89, S. 155 (181 ff.). 29 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 382; Magiera, JURA 1994, S. 1 (6 f.). 30 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 526. 31 Siehe dazu oben, 1. Abschnitt, C. 32 Weinbörner, S. 204. 33 Gleske, in: FS Hahn, S. 123 (136); Heinsohn/Steiger, Wirtschaftsdienst 1998, S. 277 (278); Janzen, S. 187. 34 Milow, S. 107. 26

11. Abschn.: Rechtsstellung der Bundesbank als NZB

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fügte über ein einheitliches System, in dem die LZBen lediglich die Stellung von organisatorisch-unselbständigen Hauptverwaltungen innehatten (§§ 8 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 2 BBankG a. F.).35 Das ESZB ist trotz seiner zweistufig-föderalen Grundstruktur als funktionale Einheit konzipiert. Soweit die NZBen Aufgaben des ESZB wahrnehmen und Verordnungen der EZB ausführen, wenden sie teils unmittelbar geltendes Primär- und Sekundärrecht, teils durch konkretisierenden Beschluss der EZB gesetztes Recht (Leitlinien und Weisungen) an. Obwohl die Aufgabenzuweisung primärrechtlich erfolgt, üben die NZBen keine Gemeinschaftshoheit aus. Trotz des Umstandes, dass die Integration der NZBen deutlich weiter reicht als die sonstiger nationaler Behörden beim Vollzug von Gemeinschaftsrecht, werden die NZBen formal-rechtlich nicht aus der nationalen Staatsorganisation herausgelöst.36 Für die Zuordnung der NZBen zum jeweils nationalen Staatswesen spricht schon der Wille der vertragschließenden Staaten, ein zweistufig-föderal strukturiertes Zentralbanksystem zu schaffen. Die NZBen bleiben trotz einer weitgehenden „Entmachtung“37 eigene, rechtsfähige juristische Personen mit Befugnissen nach ihrem mitgliedstaatlichen Recht. Neben den „eigenen Aufgaben“ (Art. 14.4. ESZB-Satzung) verdeutlicht dies die in nationaler Regelungshoheit verbliebene Zentralbankgesetzgebung. Art. 109 EG-Vertrag sah lediglich die Anpassung der NZB-Statuten vor. Ein Weisungsrecht der EZB bezüglich der Organisations- und Personalhoheit der NZBen beinhaltete die Norm nicht.38 Ein gemeinschaftsrechtliches Statut über die Organisation der NZBen ist dem EGVertrag – im Gegensatz zur ESZB-Satzung – gerade nicht als Protokoll beigefügt. Die weder im EG-Vertrag noch in der ESZB-Satzung vorgesehene nationalstaatliche Herauslösung wird nicht zuletzt durch die prozessuale Rolle der NZBen in Art. 237 lit. d) unterstrichen.39 Die Bundesbank ist – trotz des Verlusts von Sachentscheidungskompetenz – als Teil der nationalen Staatsorganisation40 im Sinne einer atypischen Anstalt41 zu qualifizieren. 35

Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, D. II. 3. Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 107 EG, Rn. 27; ähnlich auch Seiler, EuR 2004, S. 52 (65). 37 Weber, WM 1998, S. 1465 (1472). 38 Baur, S. 80 f.; Goetze, S. 65. 39 Siehe dazu ausführlich, 15. Abschnitt, C. III. 1. 40 So die überwiegende Auffassung Baur, S. 79 f.; Dutzler, S. 10; Geerlings, DÖV 2003, S. 322 (324); Goetze, S. 65; Görgens, Geldpolitik, S. 29; Häde, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, Art. 107 EG, Rn. 27; ders., in: Die Europäische Währung, S. 103 (108); Kobabe, S. 46; Klier, in: FS Schaumeyer, S. 73 (80); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.215; Potacs, EuR 1993, S. 23 (23); Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 43, 47 f., der allerdings eine „Doppelnatur der Bundesbank“ betont; Weber, S. 53 ff.; Weinbörner, S. 388; Zimmermann, S. 10 f., 139. 41 Siehe dazu bereits oben, 2. Abschnitt, D. I. 36

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

C. Organisationsstruktur I. Allgemeines

Der infolge der Zugehörigkeit zum ESZB eingetretene Aufgabenverlust der Bundesbank verlangte eine modifizierte Organisationsstruktur. Indes enthält das Primärrecht – mit Ausnahme des Unabhängigkeitspostulats – praktisch keine Vorgaben für die interne Organisation der NZBen. Art. 108 EG-Vertrag forderte nur die Anpassung der nationalen Zentralbankstatuten; eine diesbezügliche Änderungskompetenz wurde von den Mitgliedstaaten nicht auf die Ebene der EG übertragen. Folglich obliegt der deutschen Legislative weiterhin die Befugnis zu Erlass und Änderung des BBankG. Zudem bleibt es die Entscheidung der Mitgliedstaaten, ob die jeweilige NZB ihre Aufgaben in zentralisierter Form oder dezentral, wie die Bundesbank unter Zuhilfenahme von Hauptverwaltungen, wahrnimmt. Ausdruck des Rechts der NZBen zur Selbstorganisation ist die Erstellung einer eigenen Bilanz, die in der konsolidierten Bilanz des ESZB gesondert ausgewiesen wird (Art. 26.3. ESZB-Satzung), sowie neben speziellen personalrechtlichen Fragen42 das Ernennungsverfahren des Zentralbankpräsidenten (Art. 14.2. ESZB-Satzung). II. Das 7. und 8. Bundesbank-Änderungsgesetz

1. Gesetzgebungsprozess Die zu erörternde „neue Gestalt“ der Bundesbank hat ihre Grundlage im 7. BBankÄndG und wird durch das 8. BBankÄndG nochmals leicht verändert. Der Bundesgesetzgeber nutzte im Jahr 2002 seine Kompetenz zur Reorganisation und verabschiedete das 7. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank43 (7. BBankÄndG). Während der erste Gesetzesentwurf vom Juli 2001 im Bundesrat mangels geringer föderal-dezentraler Elemente keine Mehrheit44 erhielt, passierte das um das Vorschlagsrecht für das neue Leitungsorgan modifizierte 7. BBankÄndG den Bundesrat und trat am 30. April 2002 in Kraft. 42

Galahn, S. 227 („betriebstechnische Angelegenheiten“); Weber, S. 152. Siebentes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 23.03.2002 (7. BBankÄndG), BGBl. I, S. 1159. 44 Bundesbank, Monatsbericht Mai 2002, S. 5 (8). Zu den Kritikpunkten siehe EZB, Stellungnahme vom 02.08.2001 auf Ersuchen des Bundesministeriums der Finanzen zu dem Entwurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (CON/2001/17), veröffentlicht unter http://www.ecb.int/ecb/legal/pdf/ DE_CON_2001_17_f_sign.pdf (Stand: 24.03.2007). 43

11. Abschn.: Rechtsstellung der Bundesbank als NZB

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Im Rahmen ihres Rechts zur Stellungnahme (Art. 105 Abs. 4 EG-Vertrag) begrüßte die EZB die Änderungen des BBankG ausdrücklich, da sie die Zuständigkeiten der Bundesbank klarstellen und den Wortlaut des BBankG stärker der ESZB-Satzung angleichen.45 Der durch das 7. BBankÄndG eingeleitete, tief greifende Strukturwandel der Bundesbank setzt sich im 8. BBankÄndG mit der Verkleinerung der Leitungsebene (Vorstand) fort.46 2. Neustrukturierung der Organisationsstruktur a) Vorstand als Leitungsgremium Zweck der durch das 7. BBankÄndG eingeleiteten Strukturreform war es, die Organisation der Bundesbank auf nationalstaatlicher Ebene an die Erfordernisse des ESZB anzupassen. Die Einführung des Euro erforderte zudem einige technische Änderungen des BBankG. Infolge des 7. BBankÄndG wurden die beiden bisherigen Organe (Zentralbankrat und Direktorium) durch den Vorstand (§ 7 BBankG) ersetzt. Diese klare Führungsstruktur unter Leitung des Präsidenten sollte eine flexible Bundesbank schaffen, die den Finanzplatz Deutschland im ESZB stärkt. Unterstrichen wird dies durch die besondere fachliche Eignung, über die die Mitglieder des Bundesbankvorstandes unverändert verfügen müssen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BBankG). Die bereits im Entwurf der Bundesregierung zum 7. BBankÄndG beabsichtigte47 und nun in Gestalt des 8. BBankÄndG umgesetzte Verkleinerung des Bundesbankvorstands von derzeit acht auf sechs Mitglieder verfolgt den Zweck, die Leitungsebene der „Bundesbank effizienter und damit auch die Leitung der Bank kostengünstiger“ zu gestalten.48 Als Organ der Bundesbank ist der Vorstand – wie vormals Zentralbankrat und Direktorium49 – einer obersten Bundesbehörde gleichgestellt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 BBankG); er ist allerdings keiner anderen Bundesbehörde, insbesondere

45

EZB, Stellungnahme vom 02.08.2001, S. 2. Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank vom 16.02.2007, Stenographischer Bericht, BT-Plenarprotokoll 16/97 vom 10.05.2007, S. 9943 C und BT-Drs. 16/4971 sowie Beschluss des Bundesrates vom 30.03.2007, BR-Drs. 115/07. 47 Besonderer Teil, Art. 1, Nr. 1 der Begründung zum Gesetzentwurf des 8. BBankÄndG, BT-Drs. 16/4971. 48 Allgemeiner Teil der Begründung zum Gesetzentwurf des 8. BBankÄndG, BTDrs. 16/4971. 49 Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, D. II. 1. und 2. 46

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

nicht dem Bundesfinanzministerium, nachgeordnet und zählt somit nicht zur unmittelbaren Bundesverwaltung.50 Der als Kollegialorgan arbeitende Vorstand trägt als einheitliches Entscheidungsorgan die Gesamtverantwortung für Leitung und Verwaltung der Bank (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BBankG). Er übernimmt insbesondere die Aufgaben des früheren Direktoriums, der LZB-Vorstände sowie die Befugnisse, die beim Zentralbankrat nach Verlust der geldpolitischen Kompetenz verblieben. Unterstützt wird der Vorstand von Dezernaten (§ 7 Abs. 1 Satz 4 BBankG). Hingewiesen sei auf die rechtlich nicht unbedenkliche Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, wonach mit der Umformung der Organe die bisherigen Mitglieder des Direktoriums unter Ausnahme des Präsidenten mit Inkrafttreten des 7. BBankÄndG aus ihren Ämtern ausscheiden mussten.51 Auch die LZBPräsidenten wurden für die restliche Dauer ihrer vertraglich vorgesehenen Amtszeit unter Fortgeltung ihrer Verträge lediglich als (weisungsgebundene) Präsidenten der Hauptverwaltungen übernommen (§ 38 Satz 1, 2 BBankG). Unter Geltung des BBankG (a. F.) bildeten die Angehörigen beider Ebenen den Zentralbankrat und waren bei geldpolitischen Entscheidungen autonom. Allein der Hinweis auf die erforderliche Neustrukturierung infolge Übertragung währungspolitischer Kompetenzen auf das ESZB kann die Abschaffung der Gremien und die Entlassung der Personen oder deren Überleitung in die Weisungsabhängigkeit nicht zufrieden stellend begründen.52 Hier hat der deutsche Gesetzgeber in die personelle Autonomie der Bundesbank eingegriffen. Zu den Aufgaben des Vorstandes zählt es, das Organisationsstatut der Bundesbank zu beschließen.53 Ihm obliegt damit die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Vorstand und den Hauptverwaltungen sowie innerhalb des Vorstandes (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BBankG). Beibehalten wurde das Vetorecht des Bundesbankpräsidenten hinsichtlich der Beschlüsse zur Geschäftsverteilung (§ 7 Abs. 5 Satz 4 BBankG). Das Satzungserfordernis (§ 34 BBankG a. F.) entfiel. Die Mitgliederzahl des Vorstandes wurde auf acht festgelegt (§ 7 Abs. 2 Satz 1 BBankG). Im Entwurf zum 8. BBankÄndG ist die Verringerung auf sechs Vorstandsmitglieder bis zum 30. April 2009 vorgesehen.54 Während der bis dato dauernden Übergangsphase soll der Vorstand aus sieben Mitgliedern bestehen (Entwurf des § 45 Abs. 4 BBankG).55 50

Kümpel, Rn. 20.229. Hafke, S. 185 (196). 52 Hafke, ebenda. 53 Organisationsstatut für die Deutsche Bundesbank, Beschluss des Vorstands der Deutschen Bundesbank vom 08.05.2002 gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BBankG, abgedruckt in Bundesbank, Monatsbericht Mai 2002, S. 5 (16 ff.). 54 Art. 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfs zum 8. BBankÄndG, BT-Drs. 16/4971. 55 Art. 1 Nr. 3 des Gesetzentwurfs zum 8. BBankÄndG, BT-Drs. 16/4971. 51

11. Abschn.: Rechtsstellung der Bundesbank als NZB

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Im Gegensatz zum früheren Zentralbankrat sind die Präsidenten der Hauptverwaltungen seit dem 7. BBankÄndG im Vorstand nicht mehr vertreten, sondern diesem untergeordnet (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BBankG). Daraus resultiert ein wesentlicher Kompetenzverlust dieser Stellen. Die Rechte bei Ernennung des Vorstandes (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BBankG) widerspiegeln eine Beibehaltung des „Pluralismus der Vorschlagsinstanzen“56. Demnach besitzen Bundesregierung und Bundesrat die Empfehlungsbefugnis für jeweils vier Mitglieder. Der Bundesregierung steht das Vorschlagsrecht für den Präsidenten und den Vizepräsidenten zu. Dieses Verfahren ist mit der Ernennung der Mitglieder des früheren Zentralbankrats vergleichbar und wurde von der Bundesbank als Stärkung ihrer Unabhängigkeit begrüßt.57 Entsprechend dem 8. BBankÄndG sollen sich zukünftig die jeweiligen Vorschlagsrechte von Bundesregierung und Bundesrat auf ein beziehungsweise drei Vorstandsmitglieder (Entwurf des § 7 Abs. 3 Satz 2 BBankG) reduzieren. Darüber hinaus wird dem Bundesrat das ausdrückliche Recht zuerkannt, der Bundesregierung einen – nicht bindenden – Vorschlag für die Bestellung des Vizepräsidenten zuzuleiten.58 Die Ernennung der Vorstandsmitglieder erfolgt unverändert durch den Bundespräsidenten (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BBankG). Dass es der Gesetzgeber auch bei der Neufassung des § 7 Abs. 3 BBankG im Zuge des 7. BBankÄndG unterließ, neben den Ernennungsmodalitäten Regelungen zu Abberufungsgründen und -verfahren von Vorstandsmitgliedern aufzustellen, ist – nicht nur mit Blick auf die „causa Welteke“59 – kritikwürdig. § 7 Abs. 3 BBankG offenbart eine Regelungslücke, die sich nicht unter Rückgriff auf Art. 14.2., UAbs. 2 ESZB-Satzung schließen lässt. Die primärrechtliche Vorschrift besagt nur, dass der Präsident einer NZB aus dem Amt entlassen werden kann, sofern er die Voraussetzungen für die Amtsausübung nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung60 begangen hat. Damit sind zwar materielle Abberufungsgründe grob umrissen.61 Das Abberufungsverfahren („wie“), insbesondere nationale Zuständigkeiten hierfür, überlässt das Primärrecht aber folgerichtig dem Bundesgesetzgeber. Mangels ausdrücklicher Regelung sind derzeit die Regelungen über die Ernennung (§ 7 Abs. 3 BBankG) analog heranzuziehen. Die Abberufung ist als 56

Bundesbank, Monatsbericht Mai 2002, S. 5 (9). Bundesbank, Monatsbericht Mai 2002, S. 5 (9). 58 Art. 1 Nr. 1 b) sowie Begründung, Besonderer Teil, Art. 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfs zum 8. BBankÄndG, BT-Drs. 16/4971. 59 Am 16.04.2004 trat der damalige Präsident der Bundesbank, Ernst Welteke, im Zusammenhang mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zum Vorwurf der Vorteilsnahme zurück; ausführlich Häde, WM 2005, S. 205 ff. 60 Neben der Verurteilung wegen schwerwiegender Straftaten wird man darunter ähnlich gravierende Pflichtverletzungen verstehen können, Gaitanides, S. 83. 61 Krauskopf/Freimuth, WM 2005, S. 1297 (1297). 57

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

actus contrarius62 zur Ernennung aufzufassen, weshalb im Falle des Bundesbankpräsidenten die Bundesregierung gegenüber dem Bundespräsidenten ein Vorschlagsrecht besitzt63 (§ 7 Abs. 3 Satz 1, 2 BBankG analog). Der Bundesbankvorstand ist von der Bundesregierung im Vorfeld ihrer Entscheidung anzuhören. Eine – wie im April 2004 vom Vorstand64 angenommene – eigene Kompetenz zur Abberufung des Bundesbankpräsidenten lässt sich hingegen nicht stichhaltig begründen.65 Insbesondere der zwischen Vorstand und Bundesbankpräsident geschlossene, nicht zu veröffentlichende Anstellungsvertrag (§ 7 Abs. 4 Satz 2 BBankG) kann nicht herangezogen werden, da er sich nur auf das Innenverhältnis66 zwischen Bundesbank und Vorstand bezieht. Angesichts der verfassungsrechtlich verankerten, staatstragenden Rolle der Zentralbank handelt es sich bei der Abberufung von Vorstandsmitgliedern, allen voran des Zentralbankpräsidenten, um eine wesentliche Entscheidung im Sinne des Gesetzesvorbehalts, die der Gesetzgeber nicht der Exekutive in Gestalt des Bundesbankvorstands überlassen darf. Zudem ist der Bundesbankpräsident als Mitglied des übergeordneten Gremiums EZB-Rat nicht verpflichtet, Erörterungen des Vorstandes bei seinem Stimmverhalten im Rat zu berücksichtigen.67 Eines ist allerdings klarstellend anzumerken: Der Druck, den die Bundesregierung im April 2004 auf den Bundesbankvorstand im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen den Präsidenten ausübte, trug nicht dazu bei, das Vertrauen in die Zentralbankautonomie zu stärken.68 Allerdings hat es der Bundesgesetzgeber auch im 8. BBankÄndG versäumt, die legislative Lücke im BBankG zu schließen. Ersatzlos gestrichen wurden im Zuge des 7. BBankÄndG die Teilnahmerechte der Bundesregierung an Sitzungen des Zentralbankrates (§ 13 Abs. 2 BBankG a. F.).69 Verblieben sind der Bundesregierung lediglich Beratungs- und Auskunftsrechte gegenüber der Bundesbank in Angelegenheiten von währungspolitischer Bedeutung (§ 13 Abs. 1 BBankG).

62

Dagegen Zeitler, NJW 2004, S. 2293 f. So die überwiegende Rechtslage in den anderen Euro-Mitgliedstaaten, ausführlich Häde, WM 2005, S. 205 (213 f.). 64 Erklärung des Vorstandes der Deutschen Bundesbank vom 06.04.2004, abgedruckt unter www.bundesbank.de/download/presse/pressenotizen/2004/20040406bbk4. pdf (Stand: 24.04.2007), sowie Erklärung des Vorstandes der Deutschen Bundesbank vom 07.04.2004, abgedruckt unter www.bundesbank.de/download/presse/pressenoti zen/2004/20040407bbk2.pdf (Stand: 24.04.2007). 65 So aber Krauskopf/Freimuth, WM 2005, S. 1297 (1299); Zeitler, NJW 2004, S. 2293 f.; dagegen Häde, NJW 2004, S. 1641 (1642); ebenso Gaitanides, S. 88. 66 Häde, WM 2005, S. 205 (206). 67 Siehe dazu oben, 13. Abschnitt, B. I. 2. 68 Häde, NJW 2004, S. 1641 (1642). 69 Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, B. II. 1. 63

11. Abschn.: Rechtsstellung der Bundesbank als NZB

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Trotz Wegfall des § 6 Abs. 1 Satz 2, 3 BBankG (a. F.) kann der Vorstand weiterhin die Auswirkungen der Geld- und Währungspolitik erörtern. Die Weisungsautonomie des Bundesbankpräsidenten sowie die Geheimhaltungsvorschriften des ESZB (Art. 38 ESZB-Satzung) sind dadurch nicht gefährdet.70 b) Hauptverwaltungen Im Zuge des 7. BBankÄndG neu organisiert wurden auch die Leitungsstrukturen der früheren LZBen, heute Hauptverwaltungen (§ 8 BBankG). Da die Hauptverwaltungen ihre rechtliche Selbständigkeit (§ 8 Abs. 1 BBankG) verloren, sind die früheren LZB-Präsidenten von der direkten Mitwirkung an der geldpolitischen Willensbildung ausgeschlossen und die Vorbehaltszuständigkeiten gestrichen. Dadurch werden Parallelarbeiten der Hauptverwaltungen sowie der Koordinierungsprozess über den Zentralbankrat vermieden.71 Bestehen bleiben die bei den Hauptverwaltungen angesiedelten Beiräte (§ 9 BBankG), wobei die Beratungsgegenstände der Beiratssitzungen dem Kompetenzverlust angepasst wurden. Den entfallenen Teilnahmerechten der Bundesregierung an Zentralbankratssitzungen folgt die Streichung der entsprechenden Befugnisse der Landesminister an Beiratssitzungen (§ 9 Abs. 4 Satz 2, 3 BBankG a. F.). Mit der Neuregelung des § 10 BBankG durch das 7. BBankÄndG entfällt auch die Differenzierung zwischen Hauptstellen und Zweigstellen. Nunmehr unterhält die Bundesbank ein einstufiges Filialsystem, womit der Gesetzgeber das einstufige Zentralbankkonzept mit der geforderten Präsenz in der Fläche verband. Unverkürzt obliegen Hauptverwaltungen und Filialen die operativen Aufgaben der Bundesbank. Im Bereich der praktischen Geschäftsabwicklung, insbesondere der geldpolitischen Operationen, führte die Eingliederung der Bundesbank in das ESZB insofern nicht zu gravierenden Veränderungen.72 3. Aufgaben Den Überblick über die Neuregelungen des 7. BBankÄndG abrunden soll ein kurzer Blick auf den modifizierten Aufgabenbereich der Bundesbank. Das 7. BBankÄndG ergänzte insofern nur das 6. BBankÄndG73, das bereits die wesentlichen Befugnisse an die gewandelte Rolle der Bundesbank im ESZB anpasste. 70 71 72 73

Kümpel, Rn. 20.227. Bundesbank, Monatsbericht Mai 2002, S. 5 (11). Kümpel, Rn. 20.223. Siehe dazu oben, 8. Abschnitt, A. III. 2.

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

Von zentraler Bedeutung ist die Neuformulierung der grundlegenden Aufgaben der in das ESZB integrierten Bundesbank. § 3 BBankG sichert nunmehr die inhaltliche Kongruenz zwischen nationalen und primärrechtlichen Vorgaben (Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag). Ausdrücklich erwähnt sind jetzt, neben dem Ziel der Preisstabilität, die Haltung und Verwaltung der Währungsreserven sowie die Stabilität der Zahlungs- und Verrechnungssysteme (§ 3 Satz 2 BBankG). Grundsätzlich überarbeitet und der neuen Rolle der Bundesbank angepasst wurde zudem die Vorschrift über den Geschäftskreis der Bundesbank (§ 19 BBankG). Infolge des Wegfalls der bisherigen Beschränkung der Geschäftstätigkeit auf Kreditinstitute „im Geltungsbereich des BBankG“ wurde der Kreis der möglichen Geschäftspartner von „Kreditinstituten“ auf „andere Marktteilnehmer“ ausgeweitet. Somit ist die Bundesbank bei Geschäften mit Kreditinstituten nicht mehr auf in der Bundesrepublik ansässige Geschäftspartner beschränkt. § 19 Nr. 1–7 BBankG nennt die Geschäfte, die die Bundesbank mit ihren Geschäftspartnern unbeschadet des Kapitels IV der ESZB-Satzung durchführen darf. Ersatzlos gestrichen wurde § 21 BBankG, der eine gesonderte Behandlung von Offenmarktgeschäften vorsah. Grundlegend geändert wurden auch die Art der Sicherheitenverwaltung sowie die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Nutzung von Sicherheiten (Korrespondenz-Zentralbank-Modell). Nicht zuletzt auf Druck der EZB74 wurde die im Gesetzesentwurf von 2001 vorgesehene Entlastung des Bundesbankvorstandes durch den Deutschen Bundestag in die Endfassung des 7. BBankÄndG nicht übernommen. Eine Einschränkung der Bundesbankautonomie infolge externer politischer Einflussnahme75 ist daher nicht zu erwarten. Insgesamt stellt die interne Organisationsstruktur des BBankG sicher, dass die Bundesbank als Teil der nationalen Staatsorganisation die Aufgaben erfüllen kann, die ihr als integraler Bestandteil des ESZB obliegen. 12. Abschnitt

Kompetenzverteilung im ESZB A. Grundsätze der EG-Kompetenzordnung Jedes demokratisch und rechtsstaatlich verfasste Gemeinwesen steht vor der Schwierigkeit der richtigen Allokation von Zuständigkeiten. In Systemen, wie der gemeinschaftsrechtlichen Mehr-Ebenen-Architektur, die nicht nur verschiedene Akteure in ein institutionelles Gleichgewicht1 von checks and balances 74 75

EZB, Stellungnahme vom 02.08.2001, S. 4 f. EZB, Stellungnahme vom 02.08.2001, S. 4.

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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bringen müssen, sondern darüber hinaus über mehrere Entscheidungsebenen verfügen, potenziert sich das Problem. Die Europäische Gemeinschaft leitet ihre Existenz aus der fortdauernden Absicht der Mitgliedstaaten ab, zugunsten der EG begrenzte Rechtssetzungsbefugnisse zu begründen. Im Gegensatz zum Kompetenzkatalog des deutschen Grundgesetzes (Art. 73 ff.) enthält das Primärrecht allerdings weder eine ausdrückliche Aufzählung bestimmter Arten von Zuständigkeiten noch eine katalogartige Zuordnung einzelner Politikbereiche zu Kompetenzarten. Art. 2 und 3 EG-Vertrag verpflichten die Gemeinschaft vielmehr auf Ziele, aus denen Aufgaben folgen; Zuständigkeiten lassen sich daraus auf den ersten Blick nicht ohne weiteres ableiten. Indes benötigt die Gemeinschaft für jeden Rechtsakt eine ausdrückliche oder wenigstens auslegungsmäßig eindeutig nachweisbare Rechtsgrundlage innerhalb der Gründungsverträge.2 Die EG ist daher vom Willen der Mitgliedstaaten abhängig, die ihr als Herren der Verträge im Wege begrenzter Einzelermächtigungen (Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 EG-Vertrag) funktional begrenzte Aufgaben übertragen. Einen Hinweis darauf, dass dem EG-Recht verschiedene Zuständigkeitsarten immanent sind, enthält Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag. Demnach ist die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips vom Bestehen einer konkurrierenden Kompetenz abhängig. Primärrechtlich vorausgesetzt wird die Existenz zumindest einer weiteren Kategorie von Zuständigkeiten; sachlogisch handelt es sich dabei in erster Linie um die ausschließliche Zuständigkeit.3 Allerdings besteht die Schwierigkeit, dass der EG-Vertrag keinerlei Differenzierungskriterien festlegt, wonach ausschließliche, konkurrierende und parallele Kompetenzen zu unterscheiden sind.4 Die im Mittelpunkt der Untersuchung stehende gemeinsame Geld- und Währungspolitik widerspiegelt die Fokussierung der EG auf konkrete Ziele und funktional begrenzte Aufgaben. Art. 105 Abs. 1 verpflichtet das Eurosystem vorrangig auf die Preisstabilität; Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag überträgt dem ESZB vier „grundlegende Aufgaben“ (1.–4. Sp.-str.). Dabei definiert das Primärrecht die Geld- und Währungspolitik bewusst „ebenenübergreifend“5 als „Aufgabe des Systems“, um die Elemente beider Ebenen in Dienst zu nehmen. Da das ESZB selbst keine Rechtspersönlichkeit besitzt, sind zur Aufgabenerfül-

1 Ausführlich zu diesem Begriff Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 7 EG, Rn. 8 ff.; Streinz/Streinz, EUV/EGV, Art. 7 EGV, Rn. 20. 2 Oppermann, Europarecht, § 6, Rn. 62. 3 Der Terminologie von konkurrierender und ausschließlicher Zuständigkeit bedient sich seit längerem auch der EuGH. Grundlegend EuGH, Rs. 804/79, Slg. 1981, S. 1045, Rn. 16 ff. [Seefischerei-Erhaltungsmaßnahmen]. 4 Lienbacher, in: Schwarze, EU, Art. 5 EGV, Rn. 11. 5 Seiler, EuR 2004, S. 52 (59).

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

lung entweder die EZB oder die NZBen oder beide gemeinsam heranzuziehen. Die Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche der Akteure erfordert somit klar getrennte Kompetenzen zwischen der zentralen, supranationalen EZB und den peripheren, mitgliedstaatlichen NZBen. Die Grenzziehung ist daher Gegenstand der folgenden Betrachtungen. Die herauszuarbeitende, generelle Befugnisverteilung ist im darauffolgenden Kapitel6 auf ihre Anwendbarkeit im Rahmen der konkreten Aufgaben der Bundesbank als NZBen zu überprüfen. B. Geld- und währungspolitische Rechtssetzungsund Vollzugskompetenzen I. Überblick

Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag überträgt die Geld- und Währungspolitik dem ESZB; Art. 107 EG-Vertrag legt die Organisationsstruktur des Systems fest. Im Übrigen schweigt Kapitel 2 des EG-Vertrags zur Frage der Abgrenzung der konkreter Zuständigkeiten innerhalb des ESZB. Nur in zwei weiteren Artikeln werden ausdrücklich Zuständigkeitsfragen geregelt: in Art. 106 EG-Vertrag, der ein ausschließliches Recht der EZB zur Banknotenausgabe statuiert, sowie in Art. 111 EG-Vertrag, wonach die Währungsaußenpolitik der Kompetenz des Rates (der EU) unterstellt ist. Genauere Anhaltspunkte zur Kompetenzverteilung im ESZB liefert die ESZB-Satzung. Ausgehend von der gemeinsamen Aufgabenerfüllung durch EZB und NZBen wird ein gewisses Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen den Systemelementen erkennbar (Art. 9.2., Art. 12.1. Satz 2 ESZB-Satzung). Die EZB übernimmt innerhalb der Mehr-Ebenen-Struktur die bereits beschriebene7 Führungsrolle. Neben der Festlegung der geldpolitischen Strategie durch Leitlinien und Weisungen steht es im Ermessen des EZB-Rates, die geld- und währungspolitischen Aufgaben des Systems zu verteilen. Dabei verfügt die EZB über ein Wahlrecht, wonach sie die Pflichterfüllung entweder direkt dem EZB-Direktorium oder indirekt den NZBen übertragen kann (Art. 9.2. ESZBSatzung). Die NZBen sind an der Festlegung der Geldpolitik und der Verteilung der Zuständigkeiten nur über das Stimmrecht ihres Präsidenten im EZB-Rat beteiligt.8 Daher ist die rechtliche Beurteilung der (geldpolitischen) Rechtssetzungskompetenz der übergeordneten Gemeinschaftsebene (EZB) von den Exekutivzuständigkeiten der mitgliedstaatlichen NZBen zu trennen. Aufgrund der Über-/Unterordnungsstruktur müssen sich die Befugnisse der EZB bei der Fest6 7 8

Siehe dazu unten, 13. und 14. Abschnitt. Siehe dazu bereits oben, 10. Abschnitt, C. III. Siehe dazu unten, 13. Abschnitt, B. I.

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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legung der gemeinsamen Geld- und Währungspolitik qualitativ von den „Vollzugsbefugnissen“ der NZBen unterscheiden. Andererseits würde eine strikte Differenzierung zwischen ausschließlicher geldpolitischer Entscheidungskompetenz der EZB und auf schlichten Vollzug beschränkte Befugnis der NZBen die systeminterne Zuständigkeitsverteilung zu starr und damit nicht wirklichkeitsnah beschreiben.9 Wie zu zeigen sein wird, unterstreichen sowohl die besondere Rolle der NZB-Präsidenten als Mitglieder des EZB-Rates als auch gewisse Vollzugsspielräume bei der Umsetzung der Geldpolitik diese Sichtweise. Die NZBen sind nicht lediglich „Ausführungsorgane“ des ESZB, im Gegenteil: „Intersubjektive“ Beziehungen zwischen den Organen der EZB und den NZBen sind primärrechtlich beabsichtigt und praktisch in hohem Maße existent.10 II. Festlegung der Geldpolitik als ausschließliche Kompetenz der EZB

1. Keine Parallelkompetenz Ein einheitlicher Währungsraum wie das Eurosystem wird von der Institution dominiert, die die Befugnis zur Festlegung der Geld(- und Währungs-)politik besitzt. Inwieweit sich diese Zuständigkeit anerkannten gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzarten zuordnen lässt, soll nachfolgend geprüft werden. Abzulehnen ist zunächst eine Zuständigkeitsverteilung im Sinne paralleler Kompetenzen, wie sie zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft, beispielsweise im Bereich des Wettbewerbsrechts (Art. 81 f. EG-Vertrag) oder in der Forschungs- und Technologiepolitik (Art. 163 ff. EG-Vertrag), besteht. Im Falle paralleler Kompetenzen sind sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten berechtigt, Rechtsvorschriften zu erlassen. Nationale Rechtsnormen und gemeinschaftsrechtliche Vorschriften existieren parallel nebeneinander, wenngleich der Anwendungsvorrang dem Gemeinschaftsrecht im Konfliktfall Priorität einräumt.11 Für die Gemeinschaft sieht der EG-Vertrag nur Koordinationsund Kooperationsbefugnisse vor, die sich typischerweise in der Aufstellung von Rahmenbestimmungen und Programmen erschöpfen.12 Derartige Rahmenprogramme (beispielsweise Art. 166 Abs. 1 EG-Vertrag) regeln nur Ziele sowie Grundzüge der geplanten Maßnahmen.13 Angesichts des bereits abgelehnten Modells einer teilbaren Geldpolitik14 lassen sich die Grundsätze paralleler Zuständigkeiten auf die Geldpolitik nicht anwenden. Der Beginn der Endstufe der WWU sieht gerade kein gleichberechtigtes Nebeneinander von europäischen 9

Zeitler, Strukturen des europäischen Währungsrechts, S. 345 (359). Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 6. 11 EuGH, Rs. 14/68, Slg. 1969, 1 Rn. 6 ff. [Walt Wilhelm]. 12 Streinz, Europarecht, 7. Auflage, Rn. 154. 13 Kallmayer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 166 EG, Rn. 3. 14 Siehe dazu oben, 11. Abschnitt, B. III. 10

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

und nationalen Vorschriften (mehr) vor, sondern beabsichtigt einen gemeinsamen Währungsraum. Der EZB sind gegenüber den NZBen in Form der Leitlinienkompetenz zentrale Regelungsbefugnisse übertragen, die zuvor aus der nationalen Verantwortung herausgetrennt wurden. 2. Ausschließliche EZB-Kompetenz Als ausschließliche Gemeinschaftskompetenz werden diejenigen Politikbereiche qualifiziert, in denen die Mitgliedstaaten die alleinige Sachkompetenz auf eine vergemeinschaftete Ebene übertragen haben. Wenngleich die Abgrenzung zwischen ausschließlichen und konkurrierenden Kompetenzen in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist,15 liegt zumindest dort eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit vor, wo alle Kompetenzen auf die EG übergegangen sind, der Kompetenzverlust seitens der Mitgliedstaaten demnach praktisch vollständig ist.16 Eine derartige Kompetenzübertragung beinhaltet insbesondere das Recht, im jeweiligen Politikfeld für die gesamte Gemeinschaft verbindliches Recht zu setzen. Unabhängig von einem konkreten Tätigwerden des Gemeinschaftsgesetzgebers sind die Mitgliedstaaten im Bereich ausschließlicher Zuständigkeit nicht mehr handlungsbefugt. Die in Kapitel 2 dargelegte,17 stufenweise Entwicklung des gemeinsamen Währungsraums verdeutlichte, dass die geldpolitische Zuständigkeit bis zum Ende der zweiten Stufe der WWU in alleiniger nationaler Zuständigkeit, meist der jeweiligen Zentralbanken, belassen wurde. Mit Beginn der dritten Stufe transferierten die Mitgliedstaaten, die die einheitliche Währung einführten, die Geld- und Währungspolitik weitgehend auf die neu geschaffene Gemeinschaftsebene in Gestalt des ESZB. Dass die EZB und die NZBen gemeinsam Träger der geldpolitischen Kompetenz sind, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich um vergemeinschaftete Geld- und Währungspolitik handelt.18 Für eine ausschließliche EG-Kompetenz spricht zudem der Vergleich mit den ausschließlichen Gemeinschaftskompetenzen im Bereich der Währungsaußenpolitik (Art. 111 Abs. 2, 3 EG-Vertrag). Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift resultiert das normative Bemühen, die Gemeinschaft nach außen mit einheitlicher Stimme sprechen zu lassen.19 Entsprechend der „Parallelität von Innenund Außenkompetenz“20 folgt e contrario aus der Befugnis für die Währungs15

Nachweise bei Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EG, Rn. 20 ff. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EG, Rn. 27. 17 Siehe dazu oben, 4.–8. Abschnitt. 18 Dutzler, S. 78 ff.; Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105 EG, Rn. 14; Smits, ECB, S. 223 ff. 19 Ausführlich Weiß, EuR 2002, S. 165 (175). 20 „AETR-Doktrin“, EuGH, Rs. 22/70, Slg. 1971, 263 [AETR]. 16

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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außenpolitik (Wechselkurspolitik) die ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit für die Festlegung der Währungsinnenpolitik. Art. 12.1. Satz 2 ESZB-Satzung bestätigt dieses Ergebnis, indem er der EZB, genauer dem EZB-Rat, das alleinige Recht zuweist, „die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen“. Unter dem apostrophierten Terminus versteht die ESZB-Satzung „Entscheidungen in Bezug auf geldpolitische Zwischenziele, Leitzinssätze und die Bereitstellung von Zentralbankgeld im ESZB“ sowie den Erlass der für die „Ausführung der Geldpolitik notwendigen Leitlinien“. Mit Blick auf die unterschiedlichen Traditionen und Strategien der das ESZB bildenden NZBen musste die neu errichtete EZB eine eigene Geldpolitik erst entwickeln und mittels Leitlinien gegenüber den NZBen verbindlich festlegen. Auf die Rechtssetzung der EZB in Gestalt des neuartigen Instruments der Leitlinien wird noch näher einzugehen sein.21 Neben der Kompetenz zum Erlass von systeminternen Leitlinien und Weisungen (Art. 12.1. Satz 1 ESZB-Satzung) besitzt die EZB zudem die ausschließliche Befugnis zum Erlass von Rechtsakten, die (auch) außerhalb des ESZB wirken (Art. 110 Abs. 1, 2 EG-Vertrag). In Bezug auf die Geldpolitik verfügt die EZB daher über ein Letztentscheidungsrecht, das durch Rechtssetzungsbefugnisse systemintern wie -extern abgesichert ist. Im Übrigen statuiert Art. 106 EG-Vertrag für die Genehmigung der Banknotenausgabe explizit die Gemeinschaftskompetenz der EZB.22 Auch wenn die Banknotenausgabe nicht zum geldpolitischen Instrumentarium im engeren Sinne zählt,23 dient die Zuständigkeitsverteilung zumindest als Indiz für die ausschließliche Gemeinschaftskompetenz bei der Festlegung der Geldpolitik. Aus der alleinigen EZB-Zuständigkeit für die Festlegung der Geldpolitik folgt, dass die NZBen unabhängig vom konkreten Tätigwerden der EZB nicht mehr entscheidungsbefugt sind. Ausweislich des klaren Wortlauts des Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag stellt sich für den Bereich der ausschließlichen Zuständigkeiten die Frage nach Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips nicht.24 Im Falle der eindeutigen primärrechtlichen Zuweisung von Kompetenzen an die Gemeinschaft als alleinige Instanz kann ein Zuständigkeitskonflikt nicht (mehr) auftreten. Dieses Ergebnis wird im Übrigen nicht durch die Beteiligung der NZB-Präsidenten als mitgliedstaatliche Komponente des EZB-Rats konterkariert.25 Die

21

Siehe dazu sogleich, 3. b). Weiß, EuR 2002, S. 165 (174). 23 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, C. 24 Gleske, in: FS Hahn, S. 123 (124); Weber, S. 129. 25 So aber und damit eine ausschließliche Zuständigkeit ablehnend Galahn, S. 226 f.; Geerlings, DÖV 2003, S. 322 (326); Zeitler, in: Hahn, Währungswesen, S. 129 (137); missverständlich ders., Strukturen des europäischen Währungsrechts, S. 345 (358). 22

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

NZB-Präsidenten treten gerade nicht als Vertreter ihrer Zentralbanken, sondern als Teil der gemeinschaftlichen Einrichtung „EZB-Rat“ auf. Der Vergleich mit der Zusammensetzung des Rates der EU, der als Organ der Gemeinschaft fungiert (Art. 7 EG-Vertrag), obwohl er aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten besteht, unterstützt diese Auffassung.26 Für eine nachträgliche Aufteilung der Zuständigkeiten entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip ist somit kein Raum. Es würde zu einer bewussten Überschreitung des Wortlautes von Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag kommen, würde man das Subsidiaritätsprinzip auf Bereiche der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit ausdehnen.27 Mit der überwiegenden Auffassung28 ist die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Bereich der Festlegung der Geldpolitik abzulehnen. 3. Rechtsnatur der systeminternen EZB-Vorgaben a) Allgemeines Um die Kompetenzverteilung im Bereich der Durchführung der Geldpolitik genauer beurteilen zu können, ist zunächst Klarheit in Bezug auf die Rechtsnatur der Rechtsakte der EZB zu schaffen, die mögliche Vollzugskompetenzen begründen. Das zu charakterisierende „ESZB-Binnenrecht“29 umfasst in erster Linie Leitlinien des EZB-Rates, in zweiter Linie Weisungen des EZB-Direktoriums. Sowohl Leitlinien als auch Weisungen sind völlig neuartige Rechtsinstrumente, die der eigentümlichen Struktur des ESZB Rechnung tragen.30 Sie unterscheiden sich von den übrigen Rechtshandlungen der EZB (Art. 110 EG-Vertrag; Art. 34.1. ESZB-Satzung) durch ihre begrenzte Zielrichtung: im Rahmen der internen Organisation und Aufgabenverteilung des ESZB sollen sie sicherstellen, dass die Elemente des Systems ihren Befugnissen nachkommen.

26

So auch Zimmermann, S. 90. Jochimsen, in: Gretschmann, Economic and Monetary Union, S. 195 (209 f.); Weber, S. 129. 28 Borries, ZEuS 1999, S. 281 (287); Gleske, in: FS Hahn, S. 123 (124); Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105 EG, Rn. 30; Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 579; Heun, JZ 1998, S. 866 (869); Janzen, S. 188; Jochimsen, in: Gretschmann, Economic and Monetary Union, S. 195 (209 f.); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.150; Roth, EuR 1994, Beiheft 1, S. 45 (65) („keinen Sinn macht“); Stadler, S. 157 f. 29 Kämmerer, in: Münch/Kunig, GG, Art. 88, Rn. 22. 30 Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 9. 27

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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b) Leitlinien des EZB-Rates aa) Vergleichbarkeit mit EG-Rechtsinstrumenten, insbesondere EG-Richtlinien Die Leitlinienkompetenz des EZB-Rates basiert unverkennbar auf der Richtlinienkompetenz des früheren Zentralbankrates der Bundesbank (§ 6 Abs. 1 Satz 2 BBankG a. F.). Der EZB-Rat ist – wie auch der Zentralbankrat31 – auf die Vorgabe eines Rahmens für die geldpolitischen Entscheidungen im Wege der Festlegung grundsätzlicher Linien beschränkt. Der Bundesbank-Zentralbankrat war befugt, wenn auch regelmäßig nicht verpflichtet, das Verhalten des Direktoriums und der LZB-Vorstände durch einen allgemeinen Rechtsrahmen zu steuern.32 Bei Abfassung der „kreditpolitischen Regelungen“ praktizierte der deutsche Zentralbankrat – zulässigerweise33 – oftmals eine hohe Regelungsdichte, die das Umsetzungsermessen der Exekutivorgane stark einschränkte, teilweise sogar auf Null reduzierte.34 Diese Praxis übernahm die ESZB-Satzung nicht in dem Maße. Art. 12.1. Satz 2 ESZB-Satzung statuiert den Vorbehalt der Notwendigkeit des Erlasses von Leitlinien. Konkret bedeutet dies, dass der Umfang der Regelungen des EZB-Rates durch ihre Erforderlichkeit für die praktische Durchsetzung der geldpolitischen Zielvorgaben begrenzt wird. Beschränkt sich die EZB auf den Erlass von „Mindestvorschriften“, hat sie den NZBen im Gegenzug die Möglichkeit zum Erlass eigener Regelungen offen zu halten, was ein Vorhandensein gewisser Ausfüllungsspielräume der NZBen nahe legt. Andererseits ist die Notwendigkeit von Leitlinien aus der Perspektive der Gemeinschaft nachvollziehbar. Denn je intensiver die Beteiligung der Mitgliedstaaten am Vollzug gemeinschaftsrechtlicher Regeln, desto dringlicher ist die Ausgestaltung von Durchführungsregeln, die die Einheitlichkeit des Vollzugs sicherstellen.35 Bei den EZB-Leitlinien handelt es sich um abstrakt-generelle, vom Einzelfall losgelöste Regelungen zur Ausführung der Geldpolitik. Das unter dem Titel „Leitlinie der Europäischen Zentralbank über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems“36 vom EZB-Rat veröffentlichte Dokument stellt zugleich die wichtigste Leitlinie des Eurosystems zur Geldpolitik dar. 31

Henneke/Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 88, Rn. 2. Gramlich, BBankG, § 6, Rn. 7. 33 Gramlich, BBankG, ebenda. 34 Weber, S. 150. 35 Möllers, EuR 2002, S. 483 (502). 36 Leitlinie der EZB vom 31.08.2000 (EZB/2000/7), ABl.EG Nr. L 310, S. 1, geändert durch Leitlinie vom 07.03.2002 (EZB/2002/2), ABl.EG L 185, S. 1, geändert durch Leitlinie vom 01.12.2003 (EZB/2003/16), ABl.EG vom 08.03.2004, Nr. L 69, S. 1, geändert durch Leitlinie der EZB vom 03.02.2005 (EZB/2006/12), ABl.EG Nr. L 111, S. 1, geändert durch Leitlinie der EZB vom 30.12.2005 (EZB/2005/17), ABl.EG 32

208

Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

Trotz einer unverkennbaren Ähnlichkeit zu sekundärrechtlichen Richtlinien (Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag) sind die Leitlinien keine „speziellen Richtlinien für die Geldpolitik“. Obwohl teilweise eine materiell-rechtliche Verwandtschaft zwischen Richt- und Leitlinien behauptet wird,37 erwähnt Art. 110 EG-Vertrag die Richtlinie nicht als Rechtsinstrument des ESZB. Dem steht nicht entgegen, dass die „Richtlinie“ in Art. 31.3., 32.2. ESZB-Satzung genannt wird. Bei den erwähnten Vorschriften handelt es sich offenbar um Übersetzungsfehler; gemeint ist eine „Leitlinie“. Dies zeigt der Vergleich mit der englischen und französischen Fassung, die die EZB-Direktiven in Art. 12.1., 14.3. und Art. 31.3., 32.2. ESZB-Satzung jeweils als „guidelines“ sowie „orientations“, nicht aber als „directives“ bezeichnen. Angesichts der primärrechtlichen Qualität der ESZBSatzung (Art. 311 EG-Vertrag) hätte der Gesetzgeber problemlos den gemeinschaftlich belegten Begriff der „Richtlinie“ verwenden können, wenn er dieselbe Regelungsintention verfolgt hätte. Offenbar beabsichtigte er dies nicht. Im Übrigen lässt sich der Verzicht auf die Richtlinie in Art. 110 EG-Vertrag damit begründen, dass die einheitliche, aufgabenbezogene Rechtssetzung der EZB notwendigerweise eine gleichförmige Anwendung durch die NZBen fordert.38 Angesichts der Unteilbarkeit geldpolitischer Entscheidungen kann den NZBen kein prinzipielles, Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag entsprechendes Recht zur Wahl der Form und Mittel eingeräumt werden. Diesem Zweck entsprechen die Leitlinien durch ihre begrenzt(er)e Zielrichtung, die allein der Sicherstellung der Aufgabenerfüllung des ESZB im Rahmen der internen Organisation und Aufgabenverteilung dient.39 Sofern den NZBen (Rechtssetzungs-)Befugnisse eröffnet werden sollen, kann dies nur anhand konkreter Geschäftsarten, beispielsweise der Kreditsicherheiten,40 und damit aufgabenbezogen begründet werden. Im Übrigen besitzen die Leitlinien des EZB-Rates im Gegensatz zu den primär an die Mitgliedstaaten adressierten Richtlinien (Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag) nur für die Stellen Bindungswirkung, die die Geldpolitik ausführen: das Direktorium und die NZBen (Art. 12.1. Satz 3, Art. 14.3. Satz 1 ESZB-Satzung). Innerhalb des ESZB muss die rechtliche Qualifikation der Leitlinien mit Blick auf ihre Adressaten hingegen unterschiedlich beurteilt werden. Der Grund dafür liegt in der anders gearteten Rechtsstellung, die das Direktorium und die Nr. 02.02.2006 Nr. L 30, S. 26, geändert durch Leitlinie der EZB vom 31.08.2006 zur Änderung der Leitlinie EZB/2000/7 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystem (EZB/2006/12), ABl.EG Nr. L 352, S. 1. 37 So Weber, S. 148. Ähnlich auch Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 37, ohne Begründung; Frotscher, Rn. 215, der von einem „Richtlinien- und Weisungsrecht“ der EZB spricht, sowie Schwarze, in: Schwarze, EU, Art. 230 EGV, Rn. 26, der ohne nähere Begründung Richtlinien und Leitlinien gleichstellt. 38 So jedenfalls Schütz, EuR, Heft 2, 2001, S. 291 (293); ebenso Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2430). 39 Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 9. 40 Siehe dazu unten, 13. Abschnitt, B. II. 3. b).

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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NZBen jeweils gegenüber der EZB genießen. Während das Direktorium als Organ der EZB keine selbständige Rechtspersönlichkeit besitzt, sind die NZBen eigenständige juristische Personen nach dem jeweiligen nationalen Recht. Im Verhältnis zum EZB-Direktorium stellen die Leitlinien daher rein innerdienstliche Anweisungen der Einrichtung „EZB“ dar. Betrachtet man demgegenüber die organisatorisch selbständigen NZBen41 als Adressaten, können die Leitlinien nicht den Charakter innerbehördlicher Anordnungen haben.42 Handelte es sich bei den Leitlinien um rein interne Maßnahmen, hätten sie nicht in der ESZB-Satzung, sondern in der Geschäftsordnung der EZB Erwähnung gefunden.43 Angesichts der Rolle der NZBen als selbständige Rechtspersonen sind die Leitlinien im Verhältnis EZB – NZBen als Anordnungen zwischen zwei separaten Rechtssubjekten zu verstehen. Aufgrund der ausschließlichen Rechtssetzungskompetenz44 der EZB entfalten die Leitlinien gegenüber den NZBen – nicht aber gegenüber anderen Marktteilnehmern – rechtsgestaltende Wirkung; sie sind für die NZBen in vollem Umfang verbindlich und verpflichtend.45 Nicht haltbar erscheint in diesem Zusammenhang die Auffassung von Seidel46, der den Leitlinien und Weisungen mangels Über-/ Unterordnungsverhältnis zwischen EZB und NZBen eine rechtliche Bindungswirkung für die NZBen abspricht. Aufgrund ihrer „intersystemaren“47 Qualität erzeugen die Leitlinien gerade unmittelbare Rechtswirkung gegenüber den NZBen. Der ausdrückliche Wortlaut von Art. 14.3. ESZB-Satzung beweist, dass die NZBen eine unbedingte Pflicht zur Beachtung der Leitlinien trifft, die die EZB, gegebenenfalls gerichtlich (Art. 237 lit. d] EG-Vertrag),48 sicherstellen kann. Von anderen EZB-Rechtsakten in Gestalt der Verordnungen und Entscheidungen (Art. 34 ESZB-Satzung) unterscheiden sich die Leitlinien durch ihre Zielsetzung, die die interne Organisation und Aufgabenverteilung des ESZB fokussiert. Die Leitlinien geben den NZBen und dem Direktorium einen verbindlichen Handlungsrahmen vor, wobei sie aufgrund ihrer systeminternen Zielvorgabe formell einfacher ausgestaltet sind.49 Sie unterliegen im Gegensatz 41

Siehe dazu oben, 11. Abschnitt, B. IV. So aber Potacs, in: Griller, S. 33 (37). 43 Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 9. 44 Siehe dazu oben, 2. 45 So auch Goetze, S. 6; Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 107 EG, Rn. 24 f.; Weber, S. 155; Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 9; Zimmermann, S. 66 f. 46 Seidel, EuR 2000, S. 861 (871 f.). 47 Ähnlich Weber, S. 155, der von „intersubjektiven Vorschriften“ und Rechtsakten sui generis spricht. 48 Siehe dazu unten, 15. Abschnitt, C. III. 1. 49 Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 9. 42

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

zu Entscheidungen (Art. 110 Abs. 2 Satz 4 EG-Vertrag) weniger strengen Zustimmungsverfahren und Veröffentlichungsvorschriften (Art. 253, 254 EG-Vertrag). An diesem Ergebnis ändert auch das im Entwurf einer Verfassung für Europa50 (VerfEU) nunmehr vorgesehene Europäische Rahmengesetz (Art. I-33 VerfEU) nichts. Der Verfassungsvertrag definiert das Europäische Rahmengesetz ausdrücklich als Gesetzgebungsakt (Art. I-33 Abs. 1 UAbs 2, 3 VerfEU). Die Regelungsbefugnis darf in den „wesentlichen Aspekten“ des Bereichs (Art. I-36 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 VerfEU) nicht übertragen werden. Überdies können Rahmengesetze ihre Rechtsgrundlage stets nur in einer Norm des Unionsprimärrechts, also des Verfassungsvertrages, haben.51 Dies ergibt sich aus der systematischen Zusammenschau der in sich abschließenden Vorschriften über die Rechtsakte. Das Europäische Rahmengesetz gleicht in seiner Wirkungsweise der Richtlinie52 (Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag). Obwohl der Verfassungsvertrag der EZB Organqualität zubilligt,53 bleibt ihr die Kompetenz zum Erlass von Rahmengesetzen verwehrt. Folgerichtig wird die EZB – übereinstimmend mit dem derzeitigen Art. 110 EG-Vertrag – nicht zum Erlass von Rahmengesetzen berechtigt sein. bb) Leitlinien als Rechtsakte sui generis Obwohl die Leitlinien Elemente der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien besitzen, weisen sie mit dieser Normkategorie keine so starke Übereinstimmung auf, dass von einer rechtsdogmatischen Gleichheit gesprochen werden könnte. Einerseits können die Leitlinien den NZBen einen gewissen normativen Gestaltungsspielraum eröffnen, andererseits beinhalten sie an vielen Stellen die einer Verordnung (Art. 249 Abs. 2 EG-Vertrag) ähnlichen, detaillierten Vollregelungen, die die NZBen auf Exekutivaufgaben beschränken und gerade keine eigenständige Rechtssetzung zulassen. Daran wird deutlich, dass die gemeinschaftliche Währungspolitik eine völlig neuartige Zuordnung in Gestalt eines geld- und währungspolitischen Mehr-Ebenen-Systems zwischen den Mitgliedstaaten und der EG errichtet. Die Existenz der Leitlinien ist der eigentümlichen Struktur des ESZB geschuldet, die weder mit den bestehenden NZBen noch mit der Struktur der Gemeinschaft selbst vergleichbar ist.54 Ein System wie das ESZB kann in seinen Eigenheiten nur erfasst werden, wenn es unter dem europäischen Blickwinkel betrachtet wird. Ein gemeineuropäisches Recht lässt sich nicht durch die 50

Vertrag über eine Verfassung für Europa, ABl.EG Nr. C 310 vom 16.12.2004,

S. 1. 51 52 53 54

Streinz/Ohler/Herrmann, Verfassung für Europa, S. 63. Streinz/Ohler/Herrmann, ebenda. Siehe dazu unten, 16. Abschnitt, C. II. Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 7.

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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Zusammenschau nationaler Rechtssysteme charakterisieren, wenngleich Anleihen und Vergleiche aus mitgliedstaatlichen Rechtskreisen, beispielsweise mit den erwähnten Richtlinien des Bundesbank-Zentralbankrates, zweifelsohne seinen Ursprung bilde(te)n. Aus der europäischen Integrationsordnung im Währungsbereich folgt, dass sich die spezifischen Regelungsinstrumente des ESZB nicht bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Normkategorien zuordnen lassen. Den Besonderheiten des ESZB kann nur Rechnung getragen werden, wenn die Leitlinien als flexible Rechtsinstrumente der EZB qualifiziert werden. Sie sind somit als Rechtsakte eigener Art (sui generis) zu verstehen. c) Weisungen des EZB-Direktoriums Ergänzt werden die Leitlinien des EZB-Rates durch Weisungen, die das EZBDirektorium gegenüber den NZBen treffen kann (Art. 12.1. Satz 4 ESZB-Satzung). Ebenso wie die Leitlinien dienen Weisungen des Direktoriums der einheitlichen Umsetzung der geldpolitischen Vorgaben des EZB-Rates. Sie sind vereinfachte, verbindliche Rechtsakte mit Außenwirkung. Würde es sich um rein innerdienstliche Anweisungen (Verwaltungsinterna) handeln, hätte es keiner ausdrücklichen Verankerung in der ESZB-Satzung bedurft.55 Vielmehr zählen Weisungen zu den typischen verwaltungsrechtlichen Instrumenten,56 die auch auf europäischer Ebene anerkannt sind. In ihrer Rechtsnatur unterscheiden sich Weisungen des Direktoriums grundsätzlich von den Leitlinien. Weisungen beinhalten keine abstrakt-generellen Regelungen. Das Weisungsrecht ist das spezielle und detaillierte Rechtsinstrument, eine Art „Befehl“ an die NZBen, der allein durch Befolgung ausgeführt werden kann.57 Der Bezug zu einem konkreten, einzelnen Sachverhalt ist das charakteristische Merkmal einer Weisung. Die einzelfallbezogenen Weisungen bilden das notwendige Gegenstück zu den abstrakt-generellen Leitlinien des EZB-Rates. Die Leitlinienkompetenz des EZB-Rates wäre unterlaufen, sofern auch das Direktorium leitlinienähnliche Allgemeinweisungen erlassen könnte.58 Eine derart weite Auslegung des Begriffs der Weisung würde die Grenze zwischen Leitlinien und Weisungen verwischen und zu praktisch kaum lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Im Übrigen wäre die Arbeitsteilung zwischen Rat und Direktorium nicht mehr gewährleistet. Demnach ist das Direktorium nicht befugt, neben den konkreten, einzelfallbezogenen Ad-hoc-Weisungen59 norminterpretierende Weisungen zu erlassen, die sich inhaltlich auf Grundsatzentschei55 56 57 58 59

Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 9. Zimmermann, S. 69. Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 6. So auch Zimmermann, S. 70. Weber, S. 183.

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

dungen beschränken und dem Weisungsadressaten einen Ermessensspielraum zur Ausformung der Details überlassen.60 Ernstzunehmende kompetenzmäßige Spielräume der NZBen infolge einer Weisung sind daher praktisch ausgeschlossen. Gegen ein weites Verständnis des Weisungsbegriffs spricht zudem die Begrenzungsfunktion der EZB-Leitlinien gegenüber dem Regelungsgehalt aller Weisungen des Direktoriums. Die Weisungen stehen in einem Nachrangigkeitsverhältnis gegenüber den Leitlinien, sie können Leitlinien allenfalls ergänzen, nicht ersetzen; zudem dürfen sie ihnen nicht widersprechen. Dies folgt aus dem Wortlaut sowie der systematischen Stellung der Sätze 2 und 4 des Art. 12.1. ESZB-Satzung. Das Weisungsrecht des Direktoriums beschränkt sich auf die Ausführung der Geldpolitik und ist damit das Instrument zur Umsetzung der Hauptaufgabe des Direktoriums. Diese Zielsetzung limitiert gleichzeitig den Umfang des Weisungsrechts. Das Direktorium ist daher nicht zu Organisationsund Dienstanweisungen gegenüber den rechtlich selbständigen NZBen berechtigt. Als Schranke des Weisungsrechts statuiert Art. 12.1. Satz 4 ESZB-Satzung – ebenso wie bei den Leitlinien – das Kriterium der Erforderlichkeit. Eine Pflicht des Direktoriums, zunächst auf minder intensiver Maßnahmen (Hinweise) zurückgreifen zu müssen, kann aus dem Erforderlichkeitskriterium nicht abgleitet werden. Es steht jedoch im Ermessen des Direktoriums, zunächst „sanften Druck“ auf die säumigen NZB auszuüben. Infolge des einzelfallbezogenen „Zwangscharakters“ sind die Weisungen eher geeignet, mögliche Vollzugskompetenzen der NZBen einzuschränken als den Bestand derartiger Befugnisse zu sichern. III. Kompetenzspielräume der NZBen bei der Durchführung der Geldpolitik

1. Keine ausschließliche Zuständigkeit Nachfolgend sind nun die Zuständigkeiten im Bereich der Durchführung der Geldpolitik in Bezug auf die Rolle der NZBen näher zu untersuchen. Im Ergebnis soll nachgewiesen werden, dass die NZBen bei der Ausführung der Geldpolitik über Spielräume verfügen, die mit den Prinzipien konkurrierender (Gemeinschafts-)Kompetenzen vergleichbar sind. Im Sinne der anfangs aufgestellten These wird gezeigt, dass die NZBen über „wenig Freiheit im Grundsätzlichen und viel Freiheit im Detail“ verfügen.

60

So aber Weber, S. 182.

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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Voraussetzung für die Existenz von Ausfüllungsspielräumen der NZBen ist, dass die Mitgliedstaaten die Durchführung der Geldpolitik nicht vollständig der gemeinschaftlichen Ebene in Gestalt ausschließlicher Befugnisse der EZB übertragen haben. Wäre dem so, gäbe es keinen Raum mehr für wie auch immer geartete Restkompetenzen der NZBen. Für eine ausschließliche Zuständigkeit auch im Bereich der Durchführung der Geldpolitik spricht die größtmögliche Wirksamkeit der einheitlichen Zielerreichung, die nur sichergestellt werden kann, wenn auch die Umsetzung der Zielvorgabe strikt und einheitlich erfolgt. Art. 12.1. Satz 3 ESZB-Satzung legt fest, dass die Umsetzung der Geldpolitik einem EZB-Organ in Gestalt des Direktoriums obliegt. Daraus folgt, dass die EZB selbst entscheiden kann, ob sie von den ihr zur Verfügung stehenden, autonomen Vollzugskompetenzen Gebrauch macht. Demnach gehen einige Vertreter im Schrifttum61 davon aus, dass auch die Entscheidung über die Durchführung der Geldpolitik in die ausschließliche (Gemeinschafts-)Zuständigkeit der EZB überführt sei. Gegen die ausschließliche Kompetenz der EZB bei der Durchführung der Geldpolitik spricht jedoch der in Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung verankerte Grundsatz der dezentralen Umsetzung der einheitlich festgelegten Geldpolitik. Der Vergleich der Adjektive, die die Festlegung und Umsetzung der Geldpolitik näher beschreiben, verdeutlicht den kompetenzmäßigen Unterschied zwischen beiden Ebenen: Während die Festlegung der Geldpolitik „einheitlich“ erfolgen soll, ist für die Durchführung gerade eine „dezentrale“ Aufgabenwahrnehmung vorgesehen. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die NZBen zu bloßen Exekutivarmen der EZB werden. Hätte die ESZB-Satzung ein derartiges Verhältnis zwischen EZB und NZBen beabsichtigt, wäre das ESZB nicht als zweistufiges, sondern als einstufiges System mit filialähnlichen Strukturen62 errichtet worden. Das ESZB hätte keines föderalen Aufbaus in Gestalt rechtlich selbständiger NZBen bedurft, sofern den NZBen nicht ernstzunehmende Vollzugsbefugnisse bei der Durchführung der Geldpolitik verbleiben. Dass es sich bei den (geldpolitischen) Vollzugsbefugnissen nicht um ausschließliche Zuständigkeiten der EZB handelt, beweist auch Art. 9.2. ESZB-Satzung. Demnach stehen EZB (-Direktorium) und NZBen bei der Ausführung übertragener Aufgaben kompetenzmäßig auf gleicher Stufe. Der Sinn und Zweck des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung unterstreicht dieses Ergebnis. Demnach nimmt die EZB die NZBen zur Durchführung von Geschäften in Anspruch, soweit dies möglich und sachgerecht erscheint. Die Bedingtheit des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung weist starke Ähnlichkeit mit dem gemeinschaftlichen Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag) auf, welches 61 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.150; Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2430); Weinbörner, S. 395 f. 62 Siehe dazu oben, 10. Abschnitt, B.

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

nur im Fall konkurrierender Kompetenzen anwendbar ist. Es ist daher nahe liegend, die geldpolitischen Exekutivbefugnisse nicht als ausschließliche Zuständigkeit der EZB sondern als konkurrierende Kompetenz zu qualifizieren. Als Eckpunkte dieses nachfolgend zu untersuchenden Ansatzes konkurrierender Vollzugszuständigkeiten dienen die Handlungsspielräume, die die systeminternen Vorgaben der EZB den NZBen eröffnen. Zudem ist die Funktion der Subsidiaritätsklausel des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung in Bezug auf die Sicherung von Zuständigkeiten der NZBen zu untersuchen. 2. Konkurrierende (Vollzugs-)Kompetenz bei der Durchführung der Geldpolitik a) Problemaufriss Nachfolgend kann nun der Frage nachgegangen werden, inwieweit es sich bei der Durchführung der Geldpolitik um eine der konkurrierenden Kompetenz ähnliche Zuständigkeitsverteilung handelt. Nicht zu überzeugen vermag zunächst die von Brosius-Gersdorf63 vorgeschlagene Übertragbarkeit der Grundsätze der deutschen Bundesauftragsverwaltung auf das ESZB. Die den NZBen übertragenen Zuständigkeiten lassen sich gerade nicht als reine Verwaltungskompetenzen im Sinne der deutschen Bundesauftragsverwaltung qualifizieren. Wenngleich die Bundesländer bei der Landesverwaltung im Sinne des Art. 85 GG Landesstaatsgewalt ausüben, ist ihre Eigenständigkeit deutlich begrenzt, da sie auf der Stufe der Entstehung der jeweiligen Bundesgesetze generell über keinerlei Befugnisse verfügen.64 Wenngleich das Begriffspaar von „Sach- und Wahrnehmungskompetenz“ sprachlich attraktiv scheint, erfasst es nicht die Spezifik des ESZB und die Abhängigkeit der Systemelemente voneinander. Die NZBen sind keine der EZB im Wege der Filiallösung straff subordinierten „nationalen Behörden“. Obwohl grundsätzlich der übergeordneten Ebene (EZB) die Rechtssetzungsbefugnisse übertragen sind, ist die Gemeinschaftseinrichtung ohne ihr Beschlussorgan EZB-Rat und damit die NZB-Präsidenten nicht handlungsfähig. Im Übrigen sind nationalstaatliche Kompetenzverteilungsmodelle nur bedingt auf die Gemeinschaftsebene übertragbar; sie sind dazu auch nicht vorgesehen, da sie die supranationale Rechtsqualität nicht kennen und ihre Spezifik nicht angemessen respektieren (konnten). Ein System wie die EG kann in seiner Eigenheit nur erfasst werden, wenn es unter dem europäischen Blickwinkel betrachtet wird. Nationale Rechtsregeln bleiben „lokale

63 64

Brosius-Gersdorf, S. 290 f. und 295 f. BVerfG in ständiger Rechtsprechung, BVerfGE 81, 310 (331).

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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Variationen eines Themas, das im Grund als einheitlich-gemeineuropäisches“ 65 Problem zu begreifen ist. Nahe liegend scheint eher eine dem Prinzip konkurrierender (Gemeinschafts-) Zuständigkeiten vergleichbare Befugnisverteilung zwischen NZBen und EZB. Konkurrierende Kompetenzen sind allgemein zu verstehen als (Regelungs-) Befugnisse zweier unterschiedlicher Ebenen für ein und dieselbe Materie. Daraus folgt, dass beide Ebenen über grundsätzlich gleiche Zuständigkeiten für den jeweiligen Politikbereich verfügen. Allerdings darf die niedere Ebene nur dann tätig werden, „soweit nicht“ die höhere Ebene von dieser Befugnis (erschöpfend) Gebrauch gemacht hat.66 Wenn, solange und soweit die höhere Ebene agiert, entfaltet ihre Tätigkeit Sperrwirkung in Gestalt des Kompetenzverlusts der niederen Ebene.67 Allerdings kann die höhere Ebene infolge ihres Tätigwerdens nicht jede Materie der konkurrierenden Kompetenz „willkürlich an sich ziehen“. Vielmehr wird das Handeln der übergeordneten (Bundes-/Gemeinschafts-)Strukturen durch normative Regeln – beispielsweise die Erforderlichkeitsklausel (Art. 72 Abs. 2 GG)68 oder das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag) – begrenzt. Versteht man die Durchführung der Geldpolitik als konkurrierende Vollzugskompetenz, müssten die NZBen zunächst über Vollzugsspielräume verfügen, die denen der EZB (Direktorium) gleichkommen. Des Weiteren ist nach einer Norm zu suchen, die einen dem gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag) vergleichbaren Regelungszweck aufweist; eine solche Regelung könnte in Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung zu finden sein. Die beiden genannten Aspekte sind nachfolgend vertieft zu analysieren. b) Vollzugsspielräume der NZBen aa) Grundsätze Betrachtet man allgemein die Aufgabenerfüllung im ESZB, so folgt aus Art. 9.2. ESZB-Satzung sowohl die Möglichkeit des Tätigwerdens der NZBen (2. Alternative) als auch der EZB selbst (1. Alternative). Demzufolge steht beiden Ebenen die Durchführung der einheitlichen Zielvorgabe zu. Während die Tätigkeit der EZB „nach Maßgabe dieser Satzung“ (Art. 9.2., 1. Alternative ESZB-Satzung) zu erfolgen hat, richtet sich das Handeln der NZBen „nach den 65

Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 29. So der EuGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. EuGH, verb. Rs. 51–54/71, Slg. 1971, S. 1107, Rn. 3/4 [International Fruit Company]; EuGH, verb. Rs. 205–215/82, Slg. 1983, S. 2633, Rn. 17 [Deutsche Milchkontor]. 67 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EG, Rn. 34. 68 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 72, Rn. 41 ff. 66

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

Artikeln 12.1 und 14“ (Art. 9.2., 2. Alternative ESZB-Satzung). Ein Tätigwerden der NZBen muss demnach im Rahmen der Leitlinien (und Weisungen) der EZB (Art. 12.1. Satz 2 ESZB-Satzung) stattfinden. Zu prüfen ist, ob die NZBen dieselben Befugnisse wie die EZB bei der Aufgabenerfüllung besitzen. Dazu ist zu hinterfragen, inwieweit die Leitlinien als Rechtsakte sui generis den NZBen nachweisbare Exekutivspielräume belassen und/oder einräumen. Als neuartige Instrumente ermöglichen die Leitlinien beim Abstecken des (geldpolitischen) Aktionsradius der EZB eine situationsbezogene Flexibilität. Sowohl detailreiche Normen, die den NZBen praktisch kaum Ausfüllungsspielräume lassen, als auch relativ weit gefasste „Rahmenregelungen“, die nationale Spielräume erhalten oder schaffen, sind mit Hilfe von Leitlinien umsetzbar. Jedoch hat die Unsicherheit, die mit einem neuartigen System wie dem ESZB verbunden war, in den meisten Fällen dazu geführt, dass sich die EZB für Leitlinien mit hoher Regelungsdichte entschied. Daraus folgt: Je engmaschiger das von der EZB mittels Leitlinien geschaffene Aufgabennetz, umso weniger existieren kompetenzmäßige „Leitlinien-Lücken“, die die NZBen (aus-)füllen können. Diese Tatsache verdeutlicht eine allgemein bekannte Schwierigkeit des supranationalen Mehr-Ebenen-Systems. Der Gemeinschaft sind keine Kompetenzen einräumbar bei gleichzeitigem Aufrechterhalten nationaler Zuständigkeiten. Auch durch eine noch so geschickte Zuordnung von Befugnissen und deren Ausübung ist es regelmäßig nicht möglich, die Gemeinschaft aktiv werden zu lassen, ohne die Mitgliedstaaten zu beschränken. Das Stichwort der gemeinsamen Aufgabenerfüllung verschleiert diesen Tatbestand allenfalls. Dementsprechend wird eine wirkliche Sicherung mitgliedstaatlicher Kompetenzen nur dann erreicht, wenn bestimmte Themen der Gemeinschaft verschlossen bleiben. Will man dagegen einheitliche Anforderungen in der Gemeinschaft, geht das nur, wenn die Mitgliedstaaten Kompetenzen aufgeben.69 Letzteres ist im Bereich der Geld- und Währungspolitik geschehen. Im Übrigen befindet sich das ESZB nicht mehr in der Gründungs- und Startphase, während derer die EZB stärker nationale Strukturunterschiede der Finanzsektoren, des Geldangebots und der Geldnachfrage sowie divergierende monetäre Transmissionsmechanismen berücksichtigte. Angesichts der Anlaufschwierigkeiten, mit denen jedes System konfrontiert ist, war es sachlich unabdingbar und zweckmäßig, den NZBen kurzfristig größere Spielräume bei der Umsetzung der geldpolitischen Kursvorgaben zu gewähren.70 Angesichts der praktischen Unteilbarkeit der Geldpolitik71 hat die EZB durch eine einheitliche Strategie sicherzustellen, dass die Direktiven auch gleichförmig umgesetzt wer69 70 71

Jarass, EuGRZ 1994, S. 209 (218). Weber, S. 145. Siehe dazu oben, 11. Abschnitt, B. III.

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den. Gewährt sie den NZBen im Rahmen der Leitlinien ein weit reichendes Ermessen, muss sie damit rechnen, dass einzelne NZBen Entscheidungen ignorieren und so den Erfolg ihrer Politik, beispielsweise durch Arbitrage-Geschäfte, aufs Spiel setzen.72 Zudem besteht auch bei marginalen Unterschieden die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen. bb) Umsetzungsermessen der NZBen unter besonderer Berücksichtigung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aus den genannten Gründen scheidet ein sachlich-inhaltlich unbeschränktes und nicht reduzierbares Umsetzungsermessen der NZBen bei der Ausfüllung der Leitlinien aus. Fraglich ist vielmehr, inwieweit die EZB den NZBen beim Vollzug der Leitlinien überhaupt gewichtige (normative) Beurteilungs- und/oder Ermessensspielräume zugesteht. Durch den Erlass von Leitlinien unterlässt es die EZB, vollzugsfähiges, im Verhältnis zu anderen Marktteilnehmern anwendbares Recht zu schaffen. Die EZB trifft zwar Regelungen mit Normcharakter über die Art der geldpolitischen Instrumente sowie deren Bedingungen und Verfahren, nicht aber über den Rechtscharakter der jeweiligen Geschäfte.73 Demzufolge begründen die Leitlinien weder Rechte noch Pflichten der Geschäftspartner.74 Die EZB ist zur Ausfüllung und Umsetzung ihrer Leitlinien auf Regelungen seitens der NZBen angewiesen. Die dezentralen Exekutiven der Mitgliedstaaten werden quasi als Verwaltungsunterbau der EG instrumentalisiert.75 Der administrative Vollzug durch die nationalen Behörden ist für diese primär Verpflichtung, nicht Resultat einer Delegation.76 Wie in Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung vorgesehen, soll sich die EZB der mitgliedstaatlichen Ebene in Gestalt der NZBen bedienen (Art. 9.2., 2. Alternative ESZB-Satzung). Die Aufgabenverteilung im ESZB widerspiegelt somit das klassische Modell dezentralisierter Ausführung von Gemeinschaftspolitik.77 Als dezentralisierte und in der Fläche präsente Elemente des ESZB sind die NZBen prädestiniert, die Gestaltungsspielräume auszufüllen. Sie fungieren als Verbindungsglied zwischen der EZB und den nationalen Finanzmärkten, da sie einerseits Adressaten der EZB-Leitlinien, andererseits Vertragspartner bei konkreten Geschäften sind. Die Transformation der EZB-Leitlinien hat im Rahmen 72

Zimmermann, S. 123. Zimmermann, S. 124. 74 Absatz 2 der Einleitung des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 75 Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 10 EG, Rn. 30. 76 Möllers, EuR 2002, S. 483 (499 f.); ähnlich von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 10, Rn. 43 f. (20. EL, August 2002). 77 Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 10 EG, Rn. 29 ff.; Smulders, in: G/T/ E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 9. 73

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

der jeweiligen nationalen Rechtsordnung zu erfolgen. Die EZB selbst trifft keinerlei Regelungen über die Geschäftsordnung der NZBen; ausweislich Art. 12.3. ESZB-Satzung beschränkt sie sich auf den Erlass einer eigenen Geschäftsordnung. Daher zählt es zu den rechtsgestaltenden Aufgaben der NZBen, ein normatives Bindeglied zwischen den EZB-Leitlinien und den konkreten Geschäftsabschlüssen (auf zivilrechtlicher Ebene) zu schaffen. Denkbar sind sowohl vertragliche als auch/oder öffentlich-rechtliche Regelungen, um das Rechtsverhältnis zwischen dem ESZB und seinen Geschäftspartnern zu normieren. Beispielsweise entschieden sich Banque de France und griechische Nationalbank zum Erlass von Rechtsakten, mit denen sie die „Allgemeinen Regelungen“ inhaltlich übernahmen.78 Die Bundesbank bevorzugte ebenso wie die Nederlandsche Bank bei Transformation der EZB-Leitlinien ein vertraglich ausgestaltetes System. Die von ihr als NZB abzuwickelnden Massengeschäfte fordern als „nationale Transformationsnormen“ die Standardisierung und Typisierung der Regeln. Wie in vielen Wirtschaftsbereichen eignen sich dazu vorformulierte Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen Rahmenregelungen aufzustellen. Als Grundlage für die konkreten Geschäftsabschlüsse dienten der Bundesbank bereits vor Beginn der Endstufe der WWU zivilrechtliche, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeformte Verträge. Mit Anpassung der „Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank“79 zum 1. Januar 1999 hielt die Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB an dieser Praxis fest. Sie entspricht im Übrigen der im gesamten deutschen Bankengewerbe geltenden Tradition.80 Als Teil der nationalen Staatsorganisation81 handelt die Bundesbank aufgrund ihrer eigenen AGB. In der Folge unterfallen die von ihr getätigten Geschäfte dem nationalen, nicht dem europäischen Recht. Allerdings hatte die Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB aufgrund von Art. 14.3. Satz 1 ESZBSatzung bei der Ausgestaltung ihrer AGB die Vorgaben der EZB, insbesondere die geldpolitischen Leitlinien, zu beachten (Abschnitt V. Nr. 1 Abs. 2, 2. HS AGB Bundesbank). Die mit der Abfassung von AGB eröffnete „rechtsgestaltende Funktion“ bleibt daher in weiten Teilen theoretischer Natur. Angesichts des uniformen geldpolitischen Rahmens der EZB-Vorgaben widerspiegeln die AGB der Bundesbank de facto in großen Teilen die Leitlinien. Die EZB schöpfte den Regelungsgegenstand oftmals fast vollständig aus, indem sie detailreiche Anordnungen traf. Mangels Ausfüllungsbedürftigkeit seitens der NZBen ähneln die Leitlinien an vielen Stellen „Vollregelungen“. Die EZB prak78 79 80 81

Weenink, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 18, Rn. 43. Siehe dazu oben, § 3. D. II. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.189. Siehe dazu oben, 11. Abschnitt, B. IV.

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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tiziert ähnlich wie der frühere deutsche Zentralbankrat bei der Abfassung seiner „kreditpolitischen Vorgaben“ eine hohe Regelungsdichte, die das Umsetzungsermessen der NZBen einschränkt. Wie anhand der einzelnen geldpolitischen Geschäfte noch zu zeigen sein wird, ist die Bundesbank häufig darauf beschränkt, zwischen den eng vorgegebenen rechtlichen Möglichkeiten der EZB zu wählen oder auch lediglich eine Leitlinie zu exekutieren. Die Bundesbank konnte daher nur dort selbst rechtsgestaltende Entscheidungen treffen, wo der geldpolitische Handlungsrahmen der EZB diese Konkretisierung zuließ. Dies ist vor allem im Bereich der Offenmarkt- und Kreditgeschäfte der Fall.82 Vorhandene Spielräume zur Berücksichtigung nationaler Besonderheiten hat die Bundesbank bei der Festlegung des rechtlichen Rahmens der Offenmarktgeschäfte, der Definition der zentralbankfähigen Aktiva sowie der Besicherungstechnik genutzt.83 Zwar bestehen demnach grundsätzliche Befugnisse der NZBen zur Regelung der Geschäftsordnung. Das Beispiel der AGB der Bundesbank zeigt jedoch, dass gerade die (geldpolitischen) Leitlinien der EZB nur an wenigen Stellen den NZBen gewichtige normative Kompetenzen einräumen. c) Vollzugskompetenz und Subsidiarität aa) Allgemeines Für die Verankerung einer konkurrierenden Kompetenzen ähnlichen Zuständigkeitsverteilung spricht jedoch ein speziell für den Vollzug der Geldpolitik niedergelegtes Prinzip: der Grundsatz der Dezentralisierung (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung). Die EZB nimmt die NZBen „zur Durchführung von Geschäften, die zu den Aufgaben des ESZB gehören, in Anspruch, soweit dies möglich und sachgerecht erscheint“ (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung). Mit dieser Aussage stellt die ESZB-Satzung ausdrücklich klar, dass die NZBen, sofern es um die Umsetzung der geldpolitischen Vorgaben geht, eine Schlüsselrolle einnehmen. Im Unterschied zu Art. 9.2. ESZB-Satzung, der die NZBen gleichwertig neben die EZB stellt, geht Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung von einer vorrangigen Inanspruchnahme der NZBen durch die EZB beim Vollzug der Geldpolitik aus. Gleichzeitig erinnert die Einschränkung „möglich und sachgerecht“ an das primärrechtliche Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag), das wiederum eine Zuständigkeitsverteilung im Sinne konkurrierender Kompetenzen voraussetzt. Die Aufteilung der Vollzugsbefugnisse im Rahmen der Geldpolitik ist demzufolge mit den Prinzipien konkurrierender Zuständigkeiten vergleichbar, sofern es sich bei der Abgrenzungsnorm des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung um eine dem gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip aus Art. 5 Abs. 2 82 83

Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.190. Bundesbank, Monatsbericht Januar 1999, S. 19 (23).

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

EG-Vertrag ähnliche Regelung handelt. Dazu ist das Verhältnis des allgemeinen, gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips zur (spezielleren) Regelung des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung zu untersuchen. Anschließend werden die einzelnen Elemente der Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) näher beleuchtet. Dabei wird auch auf die eingangs aufgestellte These zum Handlungsrahmen der Bundesbank („Wenig Freiheit in den Grundsätzen, viel Freiheit im Detail“) einzugehen sein. bb) Anwendbarkeit des gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips Der Begriff der „Subsidiarität“ bezieht sich auf den Vollzug von Befugnissen in Mehr-Ebenen-Systemen. Subsidiarität kann abstrakt definiert werden als Zuständigkeitsprärogative der kleineren Einheit gegenüber der größeren Einheit nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit.84 Übertragen auf Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag folgt daraus eine Zuständigkeit der höheren Ebene, sprich der Gemeinschaft, nur unter den materiellrechtlichen Voraussetzungen der fehlenden Effizienz mitgliedstaatlichen Handelns und eines substantiellen Mehrwerts des Tätigwerdens der EG-Ebene. Da die Gemeinschaft Kompetenzen nur wahrnehmen kann, sofern die Ziele nicht ausreichend durch die Mitgliedstaaten erreicht werden können, ist die Möglichkeit der Verwirklichung von Gemeinschaftszielen im nationalstaatlichen Bereich maßgeblich.85 Zugleich wird dadurch verhindert, dass die Gemeinschaft Zuständigkeiten im Übermaß an sich zieht. Die Kompetenzregel86 des Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag greift ein, um vorhandene Zuständigkeiten rechtlichen Verteilungsregeln zu unterwerfen; als Kompetenzausübungsschranke87 dient sie der Begrenzung gemeinschaftlicher Kompetenzen.88 Denn Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag stellt klar, dass Subsidiaritätsgesichtspunkte nur in den Politikbereichen zum Tragen kommen, die nicht der ausschließlichen Gemeinschaftszuständigkeit, sondern der gemeinsamen (konkurrierenden) Kompetenz zwischen EG und Mitgliedstaaten unterfallen.89 Für den Bereich der Geld- und Währungspolitik stellt sich zunächst die Frage nach der primärrechtlichen Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips der Gemeinschaft. Als Norm des Primärrechts besitzt Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag für das ESZB grundsätzlich Geltung. Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung betont die Bindung des ESZB an die in Art. 2 EG-Vertrag niedergelegten Grundsätze, wozu auch das Subsidiaritätsprinzip zählt. Aus Art. 2 Abs. 1, 2 EU-Vertrag folgt zudem 84 85 86 87 88 89

Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EG, Rn. 1. Zuleeg, in: G/T/E, EG, Art. 5, Rn. 27. Zuleeg, in: G/T/E, EG, Art. 5, Rn. 25. Zuleeg, in: G/T/E, EG, Art. 5, Rn. 26. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EG, Rn. 2. Streinz, Europarecht, 7. Auflage, Rn. 166.

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips im Rahmen der Ziele der (Wirtschaftsund Währungs-)Union. Für die Geltung des Subsidiaritätsprinzips spricht zudem, dass die monetäre Integration ein freiwilliger Prozess der Vergemeinschaftung ist. Die Gemeinschaft sollte in den Bereichen, die nicht zu ihrer ausschließlichen Zuständigkeit gehören, Abstinenz üben und nur dann tätig werden, wenn das angestrebte Ziel, in diesem Falle die Sicherung der Preisstabilität, nicht besser durch Maßnahmen auf Ebene der NZBen erreicht werden kann.90 Gegen die Anwendung des Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag auf der Ebene der Durchführung der Geldpolitik lässt sich indes die Systematik des EG-Vertrags anführen. Demnach gilt das Subsidiaritätsprinzip nur für Organe der Gemeinschaft; als geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung der EG91 gehört die EZB ausweislich von Art. 7 EG-Vertrag nicht dazu. Würde man Subsidiaritätsgesichtspunkte auf der Ebene des Vollzugs geldpolitischer Direktiven der EZB generell ausschließen, präsentierte sich die föderale Struktur des ESZB als leere Hülle. Es ist daher nach einer Norm zu suchen, die eine vergleichbare Kompetenzsicherungsfunktion beinhaltet und gleichzeitig die Spezifik der vergemeinschafteten Geld- und Währungspolitik respektiert. Bereits der Ausschuss der Zentralbankpräsidenten sprach sich in seinem Vertragsentwurf einmütig für eine derartige Regelung aus.92 Im Gegensatz zur „statisch“93 festgeschriebenen Aufgabenverteilung zwischen BundesbankDirektorium und LZB-Vorständen war für das ESZB eine Regelung zu entwerfen, die eine flexiblere und dynamischere Aufgabenerfüllung ermöglicht und die an den Erfordernissen sich ständig wandelnder globaler Finanzmärkte ausgerichtet ist. Im Ergebnis bedarf es keines direkten oder analogen Rückgriffs auf allgemeine gemeinschaftsrechtliche Subsidiaritätsgrundsätze für den Bereich der Geld- und Währungspolitik. In Gestalt des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung existiert eine spezielle, dem Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag vergleichbare Regelung, die ähnliche Rechtwirkungen entfaltet. Wie in Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag geht es in Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung um die Zuordnung einer Aufgabe (Durchführung der Geldpolitik), die durch die untere Ebene (NZBen) wahrgenommen werden soll, solange sich dies nicht auf die Aufgabenerfüllung nachteilig auswirkt. Da Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung nur für den Bereich der vergemeinschafteten Geld- und Währungspolitik gilt, verdrängt er als lex specialis den allgemeinen Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag. Angesichts ähnlicher Grundstrukturen können für das ESZB Parallelen und rechtliche Folgerungen zum Grundsatz aus Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag gezogen werden. 90 91 92 93

So jedenfalls Klier, in: FS Schaumeyer, S. 73 (79 f.). Siehe dazu ausführlich oben, 10. Abschnitt, C. III. 1. d). Weber, S. 131. Weber, S. 134.

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

Es besteht jedoch mit Blick auf die Zielrichtung zwischen Art. 5 Abs. 2 EGVertrag und Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung ein entscheidender Unterschied. Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag bezieht sich auf Aufgaben, die bei den Mitgliedstaaten verbleiben und diesen daher nie entzogen wurden. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung um Zuständigkeiten, die die NZBen auf das ESZB und innerhalb des ESZB auf deren Leitungsorgane übertragen haben.94 Sofern anhand beider Normen zu entscheiden ist, welche Ebene am wirksamsten handeln kann, gebietet Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag, dass die Gemeinschaft nicht tätig wird, während Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung die Entscheidung der EZB überlässt. Demnach besteht die jeweilige Vollzugskompetenz der NZBen nicht schon kraft Gesetzes. Vielmehr ist aus Gründen der Rechtssicherheit die generelle oder konkrete „Inanspruchnahme“ der NZBen durch die EZB konstitutive Voraussetzung für die Vollzugskompetenz.95 Das zentrale Beschlussorgan des Systems (EZB) entscheidet in eigenem Ermessen, ob die dezentralen Systemelemente (NZBen) zur Aufgabendurchführung heranzuziehen sind. Andererseits folgt aus der grundsätzlichen Dezentralisierung die Verpflichtung der EZB zur Inanspruchnahme der NZBen bei der Durchführung der Geldpolitik, soweit dies möglich und sachgerecht erscheint. Somit bewirkt die Zuständigkeitsabgrenzung im Ergebnis nichts anderes als der Subsidiaritätsgrundsatz, allerdings unter anderen Vorzeichen.96 Das in Art. 12.1. Satz 6 verankerte Prinzip der dezentralen Aufgabenerfüllung kann daher als spezielle Ausprägung des Subsidiaritätsgrundsatzes angesehen werden. Um Verwechslungen auszuschließen, wird Art. 12.1. Satz 6 ESZBSatzung im Folgenden als „Subsidiaritätsklausel“ bezeichnet. Einen ähnlichen Begriff wählt Stadler97, indem er von einem „sektoriellen Subsidiaritätsgrundsatz“ spricht, der eine „systeminterne vertikale Kompetenz- und Aufgabenverteilungsregel“ umschreibe. Teilweise wird die Ebene der Durchführung der Geldpolitik auch als „Vollzugsföderalismus“ bezeichnet.98 Wiederum andere sehen in Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung den Grundsatz der Dezentralisierung und somit das Prinzip des föderalen dezentralen Charakters des ESZB verankert.99 Kurz zusammengefasst, lautet die Devise der Norm: „So viel Dezentralisierung wie möglich, so viel Zentralisierung wie nötig“100. 94

Zimmermann, S. 103. Weber, S. 134. 96 Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 31; Zimmermann, S. 105 f. 97 Stadler, S. 158. 98 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 580; Janzen, S. 188; wohl auch Weber, JZ 1994, S. 53 (59). 99 Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 29 ff.; Zimmermann, S. 104. 100 Stadler, S. 158. 95

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

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cc) Subsidiaritätsklausel des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung (1) Anwendungsbereich Die nachfolgende rechtliche Analyse der Subsidiaritätsklausel wird zeigen, dass die Kompetenzverteilung in Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung abstrakt geeignet ist, Spielräume der NZBen beim Vollzug der Geldpolitik nachhaltig zu sichern. Diese Ergebnisse werden im darauf folgenden Abschnitt auf die einzelnen Aufgabenbereiche der Bundesbank als NZB übertragen.101 Als NZB soll die Bundesbank mit der Durchführung währungspolitischer Entscheidungen betraut werden, soweit nicht eine zentrale Erledigung erforderlich ist (Art. 12.1. Abs. 2 ESZB-Satzung). Art. 12.1. ESZB-Satzung trifft dabei zwei wichtige Aussagen: einerseits werden geldpolitische Durchführungsbefugnisse des Direktoriums (Satz 4) statuiert, wenngleich der Umfang der Befugnisse offen bleibt; andererseits wird der Grundsatz der Dezentralisierung festgelegt, wonach möglichst die NZBen die geldpolitischen Geschäfte ausführen sollen (Satz 6).102 Insbesondere im Rahmen der Durchführung der Geldpolitik wird sichtbar, dass zwischen den Organen der EZB und den NZBen „intersubjektive Beziehungen“103 bestehen. Aus der Systematik des Art. 12.1. ESZB-Satzung folgt, dass sowohl EZB-Rat als auch Direktorium die NZBen zur Aufgabendurchführung in Anspruch nehmen können. Während Art. 12.1. UAbs. 1 ESZB-Satzung strikt zwischen Rat und Direktorium unterscheidet, trennt Art. 12.1. UAbs. 2 ESZB-Satzung beide Organe nicht voneinander. Da die EZB durch die Beschlussorgane Rat und Direktorium geführt wird, meint Art. 12.1. UAbs. 2 ESZB-Satzung somit beide Organe, wenn er von „der EZB“ spricht.104 Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung trifft zudem nur Aussagen zum Verhältnis der Vollzugskompetenzen zwischen EZB und NZBen und regelt so allein die Ebene der vertikalen Aufgabenverteilung. Davon zu trennen ist die horizontale Verteilung der Wahrnehmungskompetenzen, die das Verhältnis zwischen den einzelnen NZBen betrifft.105 Sofern eine dezentrale Umsetzung der Geldpolitik durch eine NZB möglich und sachgerecht scheint, ist zu fragen, welche NZB im Einzelfall in welchem Ausmaß herangezogen wird. In diesem Verhältnis kann Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung keine Geltung entfalten.106 Die Subsidiaritätsklausel gilt wesensmäßig nur für das Verhältnis von Organisationseinheiten auf unterschiedlichen Ebenen, nicht 101 102 103 104 105 106

Siehe dazu ausführlich, 13. und 14. Abschnitt. Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 1. Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 8. So auch Zimmermann, S. 85. Weber, WM 1998, S. 1465 (1473). Weber, S. 139.

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

aber im Verhältnis gleichgeordneter Einheiten. Gestützt wird dieses Ergebnis durch den Umstand, dass weder der EG-Vertrag noch die ESZB-Satzung die Arbeits- und Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen NZBen regeln.107 Unabhängig von der Subsidiaritätsklausel sind für die horizontale Aufgabenverteilung zwischen den NZBen zwei Modelle in Erwägung zu ziehen. Einerseits könnten, entsprechend dem Gleichheitssatz, alle teilnehmenden NZBen nach einem bestimmten Schlüssel an den Geld- und Devisenmarktoperationen gleichermaßen beteiligt werden. Dieser Ansatz ist allerdings wenig praktikabel. Angesichts des Zugangs jeder NZB zu großen Handelsplätzen ist die Durchführung von Geldmarktoperationen an kleineren Finanzmärkten nicht zweckmäßig. Andererseits wäre auch eine Spezialisierung einzelner NZBen auf bestimmte geld- und währungspolitische Aufgaben denkbar. Gegen eine Spezialisierung spricht zunächst der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität (Art. 105 Abs. 1 Satz 3 EG-Vertrag) für alle Teilnehmer des ESZB, da ein Finanzzentrum im Eurosystem gegenüber allen anderen bevorzugt würde. Im Übrigen bestünde Gefahr, dass sich in Europa das Geschäft auf den liquiden und effizienten Finanzplatz (London) verlagern würde und somit keine der derzeit teilnehmenden NZBen als „Spezialzentralbank“ fungieren könnte. Im Übrigen ist zweifelhaft, ob eine angemessene Verteilung von Handlungsschwerpunkten auf die jeweiligen NZBen gelänge. Gegen eine Spezialisierung einzelner NZBen auf bestimmte Geschäftsarten lässt sich weiterhin anführen, dass die NZB-Präsidenten als Mitglieder des EZB-Rates dem Funktionsverlust der eigenen NZB zustimmen müssten.108 Im Übrigen ist die EZB auch nicht verpflichtet, die „effiziente“ NZB zu wählen. Die Entscheidung, welche NZB zur Durchführung der Geldpolitik in Anspruch genommen wird, steht allein im gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Ermessen der EZB.109 Im Übrigen sieht das Verfahren eine gleichmäßige Verteilung der monetären Einkünfte im ESZB vor (Art. 32.5., 29.1. ESZB-Satzung). Andererseits hätte eine Spezialisierung einzelner NZBen im ESZB den Vorteil, dass die jeweilige Zentralbank die von der EZB vorgegebene Strategie effektiver verwirklichen könnte. Zudem wird die EZB wiederum diejenige NZB bevorzugt in Anspruch nehmen, die eine sachgerechte Ausführung der jeweiligen Finanzoperationen sicherstellen kann. Dies spräche wiederum für die spezialisierte NZB. Infolge der zunehmenden „Erstarkung“ der EZB könnte die spezialisierte NZB ihre Position im ESZB weiter festigen und ihre Existenz stärker sichern als eine „Universal-NZB“.

107 108 109

Alting, S. 93. Alting, S. 145. Weber, WM 1998, S. 1465 (1473).

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

225

Beispielsweise wäre es möglich, die Geld- und Devisenmarktoperationen von derjenigen NZB ausführen zu lassen, die an dem Finanzplatz ihren Sitz hat, der für das jeweilige Geschäft den liquiden und effizienten Markt als Basis bietet. Bereits jetzt existieren Anzeichen dafür, dass sich der deutsche Geldmarkt mit dem Finanzzentrum Frankfurt am Main zu einem „Umschlagplatz für Liquidität“110 entwickeln könnte. Unterstrichen wird diese Funktion durch die Verlagerung des Bund-Future-Markts von London nach Frankfurt.111 Gleichzeitig hat der Finanzplatz Deutschland auch an Bedeutung verloren, da der Wettbewerbsvorteil der D-Mark als zweitwichtigster Reservewährung des EWS infolge der Euro-Einführung wegfiel.112 Den ersten Schritt zu einer Spezialisierung einzelner NZBen vollzieht die Bundesbank gemeinsam mit der Banca d’Italia und der Banque de France im Zuge der Neugestaltung des Zahlungsverkehrssystems TARGET2.113 Faktisch scheint daher ein gewisser Trend zur Spezialisierung nicht mehr aufhaltbar. (2) Möglichkeitskriterium Für die vertikale Aufgabenverteilung enthält Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung – wie auch Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag – zwei Elemente: die Möglichkeit und die Sachgerechtigkeit der Inanspruchnahme der NZBen. Die nicht unumstrittene Reichweite dieser rechtlichen Vorgaben ist nachfolgend zu untersuchen. Gemäß Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung muss die Aufgabenerfüllung durch die NZBen zunächst möglich sein. Die Beurteilung der Möglichkeit einer dezentralen Ausführung knüpft an nachprüfbare tatsächliche Marktgegebenheiten an und bereitet daher keine größeren Schwierigkeiten.114 Insofern können die Kriterien herangezogen werden, die im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag zur Definition der „Möglichkeit der Zielerreichung“ entwickelt wurden. Entscheidend ist, dass die mitgliedstaatliche Ebene grundsätzlich zur Zielerreichung imstande ist. Anhand der aktuellen Sach- und Rechtslage hat die Gemeinschaft die Frage nach dem objektiven Leistungspotential, nicht nach dem subjektiven Leistungswillen,115 der nationalen Einheit zu beantworten. Die EZB darf daher nicht mehr tätig werden, wenn die NZBen in der Lage sind, die geldpolitischen Vorgaben „ausreichend“ umzusetzen (Art. 12.1. Satz 6 ESZB110

Bundesbank, Monatsbericht Januar 2000, S. 15 (23 f.). Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, 1999, Nr. 64, S. 9; Klein, Kreditwesen 1998, S. 470 (475). 112 Gormley/de Haan, ELR, Vol. 2, 1996, S. 95 (96); Klein, Kreditwesen 1998, S. 470 (475); Welteke, WM 2000, S. 20 (20). 113 Dazu ausführlich unten, 13. Abschnitt, D. 114 Weber, S. 135; Zimmermann, S. 106. 115 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 5 EG, Rn. 45; dagegen Jarass, EuGRZ 1994, S. 209 (211). 111

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

Satzung). Nicht maßgeblich ist, dass die NZBen die gesteckten Ziele optimal oder weniger gut als die EZB erreichen können. (3) Sachgerechtigkeitskriterium Neben der „Möglichkeit“ der Inanspruchnahme muss die Durchführung der Geldpolitik seitens der NZBen sachgerecht erscheinen, womit das zweite Element der Subsidiaritätsklausel umschrieben ist. Im Vergleich zum „Erforderlichkeits“-Kriterium des Subsidiaritätsprinzips scheint das Merkmal der Sachgerechtigkeit weniger präzise bestimmbar. Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag fordert eine Aufgabenerfüllung seitens der Gemeinschaft, wenn diese auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend sichergestellt ist und eine bessere Zielverwirklichung auf Gemeinschaftsebene gewährleistet werden kann. Während demnach Effizienzgesichtspunkte vom Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag gedeckt sind, lässt die Auslegung des Begriffs „Sachgerechtigkeit“ derartige Kriterien auf den ersten Blick nicht erkennen. Anhaltspunkte für ein gesetzgeberisches „Versehen“ oder eine Auslegung des „Sachgerechtigkeits“-Kriteriums im Sinne eines Effizienzgebots sind nicht ersichtlich. Eine sachgerechte Umsetzung der Geldpolitik im Sinne des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung kann daher nicht mit einer effizienten, das heißt optimalen Ausreizung des Nettonutzens116 gleichgesetzt werden. Nach allgemeinem Sprachverständnis umschreibt der sachgerechte Aufgabenvollzug ein Minus gegenüber der optimalen117 Aufgabenerfüllung, geht jedoch von einer qualitativ akzeptablen Leistung aus. Sachgerechtigkeit kann somit mit Effektivität gleichgesetzt werden. Während Effektivität die prinzipielle Frage der wirksamen Zielerreichung beinhaltet, fordert Effizienz aufwandoptimierte Zielerreichung. Effektivität ist als Maß für die Zielerreichung im Sinne eines Wirksamkeitskriteriums zu bezeichnen; Effizienz hingegen setzt eine Wirtschaftlichkeitsanalyse voraus. Demnach stehen Effektivität und Effizienz in einem Stufenverhältnis zueinander. Der zweistufig-föderale Aufbau des ESZB legt eine sachgerechte, sprich effektive, nicht aber effiziente Aufgabenerfüllung nahe. Im Gegensatz zu effizienten (Filial-)Strukturen, die nach größtmöglicher Wirksamkeit streben, lässt eine „nur“ effektive Erfüllung der übertragenen Pflichten den Systemelementen (in Gestalt der NZBen) gewisse Spielräume beim Vollzug der Vorgaben. Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Systemelemente intern nach größtmöglicher Wirksamkeit der Aufgabenerfüllung streben; eine derartige Vorgehensweise ist nicht nur wünschenswert, sondern unter ökonomischen 116 117

Weber, S. 138. Zimmermann, S. 106.

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

227

Aspekten unabdingbar. Für das systeminterne Verhältnis ist jedoch die effektive Aufgabenwahrnehmung vorzugswürdig, um nationalstaatliche Vollzugskompetenzen in ihrem Bestand nachhaltig zu sichern. Bezogen auf die Durchführung der Geldpolitik ist die dezentrale Umsetzung auch dann noch effektiv (sachgerecht), wenn die NZBen die EZB-Vorgaben lediglich durchschnittlich und ausreichend erfüllen.118 Eine Aufgabenwahrnehmung seitens der höheren Ebene (EZB) kann nur dann in Betracht kommen, wenn das vorgegebene Ziel seitens der niederen Ebene (NZBen) nicht mehr erreichbar scheint. Ein „Eingreifen“ der EZB im Sinne einer Art Ersatzvornahme119 ist nur dann zulässig, wenn der unzureichende Aufgabenvollzug der NZBen unausweichlich zur Zielverfehlung führt. Somit soll die Aufgabenwahrnehmung auf der unteren Ebene stattfinden, solange sie dies effektiv im Sinne einer wirksamen Zielerreichung gewährleisten kann. Sofern die NZBen eine effektive Aufgabenerfüllung nicht (mehr) sicherstellen können, erstarkt das bereits erwähnte Recht der EZB, Geschäfte durch Selbstvornahme „wieder an sich zu ziehen“. Im Rahmen der einzelnen Notenbankgeschäfte der Bundesbank als NZB wird auf die Befugnis der EZB, ein Geschäft „wieder an sich zu ziehen“ jeweils einzugehen sein.120 Die Befugnis des EZB-Rates zur Beurteilung der Sachgerechtigkeit121 sowie das Recht zur Ersatzvornahme verdeutlicht die „Konkurrenz“ zwischen NZBen und EZB um den Aufgabenvollzug. Es handelt sich um die für konkurrierende Zuständigkeiten charakteristische Situation, wonach die untere Ebene – hier die NZBen – nur solange und soweit handlungsbefugt sind, als diese Befugnis nicht durch die Tätigkeit der übergeordneten Ebene – in Gestalt der EZB – entzogen wird. Typischerweise steht es im Ermessen der übergeordneten Ebene, die Sperrwirkung eintreten zu lassen.122 Die Subsidiaritätsklausel des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung limitiert das Ermessen der EZB in der dargestellten Art und Weise. Um ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben, hat die EZB vor einem eigenen Tätigwerden in erster Linie eine Analyse des Finanz- und Verwaltungsaufwands (Organisation und Verfahren) vorzuschalten. Die Betrachtung hat neben direkten monetären Kosten, wie etwa Ressourcen- und Personaleinsatz,123 auch indirekte Kosten, wie etwa mit der Aufgabenerfüllung verbundenen Zeitaufwand, zu berücksichtigen. Prinzipiell können auch unzureichende Aufgabenerfüllungen, wie 118 119 120 121 122 123

Weber, S. 136. Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 107 EG, Rn. 24. Siehe dazu ausführlich, 13. Abschnitt. Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 31 ff. Siehe dazu oben, II. 2. a). Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 107 EG, Rn. 24.

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Kap. 4: Rechtsstellung der NZBen und Kompetenzverteilung

etwa Friktionen beim Zahlungsverkehr, als Kostenfaktor interpretiert werden.124 Legt man ökonomisch-theoretische Modelle an, wäre eine zentrale Aufgabenerfüllung beim Auftreten von Skaleneffekten125 (Größenkostenersparnisse) erforderlich. dd) Rechtspflicht der EZB zur Einbeziehung der NZBen Um die Reichweite der Subsidiaritätsklausel vollständig auszuloten, bleibt abschließend zu klären, ob den NZBen ein Anspruch auf Einbeziehung beim Vollzug der Geldpolitik zusteht. Aus Sicht der EZB wäre zu fragen, inwieweit sie zur Beteiligung der NZBen verpflichtet ist oder – sofern der Anspruch justitiabel ist126 – zur Einbeziehung der NZBen angehalten werden kann. Gegen einen Anspruch der NZBen auf Einbeziehung bei der Umsetzung der Geldpolitik spricht das grundsätzliche Verhältnis zwischen EZB und NZBen. Denn Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung regelt nur die interne Zuständigkeitsverteilung zwischen den Systemelementen und somit das „innersystemare“ Verhältnis zwischen EZB und NZBen. Zudem würde Art. 9.2. ESZB-Satzung, wonach die EZB ebenso wie die NZBen zum direkten Vollzug der geldpolitischen Geschäfte befugt ist, unzulässigerweise auf die zweite Alternative verengt.127 Indes beweist die Auslegung des „Sachgerechtigkeits“-Kriteriums128 das Gegenteil, da die Subsidiaritätsklausel gerade keine bestmögliche (effiziente), sondern eine sachgerechte (effektive) Aufgabenerfüllung fordert. Bezogen auf den effektiven Aufgabenvollzug (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) ist den NZBen ein – gerichtlich einklagbares129 – Recht auf Inanspruchnahme gegenüber der EZB einzuräumen, solange und soweit sie einen zieladäquaten Vollzug der Geldpolitik sicherstellen können.130 Mit anderen Worten kann ein (Klage-) Recht der NZBen immer dann angenommen werden, wenn das Handeln der NZBen offenkundig möglich, effizient und wirkungsvoller ist als die zentrale Geschäftsführung.131 Die EZB kann somit die Durchführung der geldpolitischen Geschäfte im Wege der „Ersatzvornahme“ nur dann „wieder an sich ziehen“, 124

Stark, Kreditwesen 1999, S. 914 (915). Stark, ebenda. 126 Siehe dazu unten, 15. Abschnitt, C. II. 2. c) sowie III. 1. b) bb). 127 So Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2440), der von einer „rechtswidrigen Ermessensunterschreitung“ spricht. 128 Siehe dazu oben, cc) (3). 129 Siehe dazu unten, 15. Abschnitt, C. II. 2. c) sowie III. 1. b) bb). 130 So auch Goetze, S. 90; Weber, S. 128; Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 33; Weber, WM 1998, S. 1465 (1473); Zimmermann, S. 86; anderer Auffassung ist Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 107 EG, Rn. 24. 131 Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 33. 125

12. Abschn.: Kompetenzverteilung im ESZB

229

sofern der sachgerechte Vollzug seitens der NZBen nicht mehr gewährleistet ist. Jedes andere Ergebnis würde zu einer ausnahmslosen Entäußerung der Vollzugszuständigkeit (Art. 9.2., 1. Alternative ESZB-Satzung) führen. Im Ergebnis folgt aus der rechtlichen Qualität der Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) eine konkurrierende Vollzugskompetenz zwischen EZB und NZBen im Bereich der Geldpolitik. Auf der Basis einer einheitlichen, weil in der ausschließlichen EZB-Zuständigkeit befindlichen Zuständigkeit zur Festlegung der Geldpolitik sichert die Subsidiaritätsklausel den NZBen Spielräume beim Vollzug der Aufgaben („viel Freiheit im Detail“). Die Richtigkeit dieser grundsätzlichen Annahmen ist im nun folgenden Kapitel für die konkreten Aufgaben einer in das ESZB integrierten NZB nachzuweisen; entsprechend der Zielsetzung der Arbeit ist dies die Deutsche Bundesbank.

Kapitel 5

Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB 13. Abschnitt

Aufgaben der Bundesbank innerhalb des ESZB A. Grundsätzliches Die im vergangenen Kapitel herausgearbeiteten Grundsätze der Kompetenzverteilung zwischen den Ebenen des ESZB sollen nun auf ihre praktische Anwendbarkeit überprüft werden. Um nachzuweisen, dass die Bundesbank die „Freiheit im Detail“ entsprechend nutzt, ist das Spektrum der Rechte und Pflichten zu evaluieren, das ihr seit Zugehörigkeit zum ESZB im Vergleich zu früherer „Machtfülle“1 verblieben ist. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frage gerichtet, wie die konkurrierende Vollzugskompetenz der NZBen im Rahmen der einzelnen Aufgaben ausgestaltet ist und wie sie sich auf den Umfang der konkreten (geldpolitischen) Geschäfte der Bundesbank auswirkt. Vorauszuschicken ist eine prinzipielle Unterscheidung des Aufgabenvolumens der Bundesbank, die aus der primärrechtlichen Struktur des ESZB folgt. Demnach sind zwei Arten von Arbeitsbereichen abzuschichten und getrennt voneinander zu untersuchen: Aufgaben innerhalb des ESZB (Art. 12.1., 14.3. ESZBSatzung) und Befugnisse, die die Bundesbank in eigener Verantwortung wahrnimmt (Art. 14.4. ESZB-Satzung). Die Darstellung in Anhang 3 nimmt diese grundsätzliche Unterscheidung auf und versucht, ihren Charakter modellhaft abzubilden. Zu den Aufgaben innerhalb des ESZB (Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag; Art. 3.1. ESZB-Satzung) zählen neben der Geldpolitik die Haltung und Verwaltung der Währungsreserven, die Devisenpolitik und die Überwachung des Zahlungsverkehrs. In eigener Verantwortung wird die Bundesbank beispielsweise im Bereich der Bankenaufsicht sowie als Bank des Staates tätig.

1 Zur Vermeidung von Redundanzen wird in Fußnoten jeweils auf die Ausführungen zur alten Rechtslage verwiesen.

13. Abschn.: Aufgaben der Bundesbank innerhalb des ESZB

231

B. Geldpolitik I. Rolle des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat bei Festlegung der Geldpolitik

1. Charakteristik An der Festlegung und Durchführung der Geldpolitik, der mit Abstand wichtigsten Aufgaben des ESZB, ist die Bundesbank als NZB nach wie vor beteiligt; allerdings sind verschiedene Einflusssphären getrennt voneinander zu betrachten. In einer Art „geldpolitischer Doppelfunktion“ agieren die Präsidenten der NZBen. Einerseits ist der Bundesbankpräsident als Mitglied der Gemeinschaftsinstitution EZB-Rat für die Festlegung der Geldpolitik (mit-)verantwortlich; andererseits obliegt ihm mit der nationalen Leitungs- und Führungsverantwortung für die Bundesbank die Durchführung der EZB-Geldpolitik auf mitgliedstaatlicher Ebene. Angesichts der Bündelung der geldpolitischen Verantwortung bei der EZB ist zu prüfen, inwieweit der Kompetenzverlust der NZB durch Mitspracherechte im Rahmen der Entscheidungsfindung der EZB-Beschlussorgane kompensiert werden kann. Nachfolgend soll daher die gewandelte Rolle des Bundesbankpräsidenten als unabhängiges Mitglied des EZB-Rates hinterfragt werden. Der als Leitungs- und Beschlussorgan von ESZB und EZB konzipierte EZBRat trifft die richtungweisenden Entscheidungen für die Gestaltung der Geldund Währungspolitik, beispielsweise bei der Festlegung von Zinshöhen und mengenmäßigen Zwischenzielen der geldpolitischen Strategie. Zudem bestimmt der EZB-Rat über die Basis der Mindestreserve, ihre maximale Höhe sowie mögliche Sanktionen bei Verletzung der Mindestreservepflicht. Außerdem besitzt er die Befugnis zur Erweiterung des geldpolitischen Instrumentariums (Öffnungsklausel, Art. 20 ESZB-Satzung).2 Darüber hinaus obliegen dem EZBRat gewisse Anhörungs- und Beratungsrechte im Gesetzgebungsprozess sowie gegenüber anderen Gemeinschaftsorganen (Art. 12.4., Art. 4 ESZB-Satzung). Somit tritt an die Stelle der alleinigen nationalen Entscheidungsbefugnisse der NZBen das Recht des jeweiligen NZB-Präsidenten zu Teilhabe und Mitwirkung an den Entscheidungen des EZB-Rates. Als zentrales Gremium entscheidet der EZB-Rat über die gemeinsame Geldpolitik, wodurch verhindert wird, dass das Stabilitätsniveau der einheitlichen Währung zu einem zufälligen Ergebnis der NZBen wird.3 Vielmehr sind in Form der Mitglieder des EZB-Rats die jeweiligen nationalen und regionalen Erfahrungen der NZB-Spitzengremien ge2 3

Siehe dazu oben, 10. Abschnitt, D. II. 2. b) dd). Gaitanides, S. 90.

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

bündelt. Verantwortung und Kommunikation für die europäische Geldpolitik werden dergestalt auf eine möglichst breite Basis gestellt. Als nationaler Amtsträger ist der Bundesbankpräsident in die supranationale Ebene des EZB-Rats einbezogen und mit der Gemeinschaft selbst durch einheitliche Ziele und Aufgaben (Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag) verklammert,4 wodurch ein gewisser „Rückkoppelungseffekt“5 zwischen NZBen und EZB entsteht. Indes verhindert das Prinzip „one country – one vote“ einen übermächtigen Einfluss sowie das Erstarken einzelner NZB-Präsidenten. Da eine Stimmengewichtung gerade nicht stattfindet, verfügen alle NZB-Präsidenten – unabhängig von der Bedeutung der Volkswirtschaft des jeweiligen Mitgliedstaates – über das gleiche Gewicht. Mangels Stimmenwägung besteht derzeit nicht die Gefahr, dass die mitgliedstaatlichen Regierungen politischen Druck auf ihre NZB-Präsidenten ausüben und somit versuchen, überkommene regionale Gliederungen zu konservieren.6 Die Mitglieder des EZB-Rates sollen keine partikularen, nationalen Interessen verfolgen, sondern als „Hüter der Einheitswährung Euro“7 auftreten. Andererseits folgt daraus auch ein vergleichsweise geringer Einfluss der NZBen großer Volkswirtschaften (etwa Deutschlands).8 Denn der EZB-Rat trifft geld- und währungspolitische Entscheidungen grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit (Art. 10.2. ESZB-Satzung). Aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland als bevölkerungsreichstem Mitgliedstaat und (noch) größtem EG-Nettozahler ist dies nicht unproblematisch. Teilweise wird davon ausgegangen, dass aus Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG eine angemessene Mitwirkung deutscher Organe an der Währungspolitik folge,9 die sich durch das politisch-motivierte Ziel des einheitlichen europäischen Währungsraums rechtfertigen ließe. Einem derart gewichteten Stimmrecht ist jedoch die Gefahr einzelner „übermächtiger“ NZB-Präsidenten entgegenzuhalten. 2. Einflussnahme durch nationale Gremien? Die Rolle des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat wirft in mehrfacher Hinsicht Probleme auf. Die NZB-Präsidenten stehen als Mitglieder einer Gemeinschaftsinstitution zugleich an der Spitze einer mitgliedstaatlichen Einrichtung. Bereits bei Konzeption des ESZB und dessen Satzung war die Stellung der NZB-Präsidenten umstritten. Sollten sie eher der Gemeinschaft insgesamt ver4 Borries, ZEuS 1999, S. 281 (289) spricht von einer „Verschachtelung der nationalen und supranationalen Ebene“. 5 Schmidt, in: Schmidt/Vollmöller, Kompendium, § 4, Rn. 39. 6 Goetze, S. 169; Weber, S. 79. 7 Schaumeyer, in: Griller, S. 197 (201). 8 Potacs, EuR 1993, S. 23 (40). 9 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 75.

13. Abschn.: Aufgaben der Bundesbank innerhalb des ESZB

233

pflichtet sein (und dementsprechend vom Europäischen Rat ernannt werden) oder als Vertreter der Interessen ihres Heimatlandes agieren (und daher vom Mitgliedstaat bestellt werden)? Im endgültigen primärrechtlichen Vertragstext sind Modalitäten über die Ernennung der NZB-Präsidenten nicht geregelt. Diese erfolgt völlig autonom nach nationalem Recht ohne jede Einbeziehung der Gemeinschaft. Dementsprechend besitzt die Bundesregierung bei der Bestellung des Bundesbankpräsidenten nach wie vor10 ein Vorschlagsrecht (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BBankG), während die Ernennung dem Bundespräsidenten obliegt (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BBankG). Mit Hilfe nationaler Regelungen zum Ernennungsverfahren können die Mitgliedstaaten indirekt, etwa durch Personalauswahl, Einfluss auf die Politik der EZB nehmen. Darin widerspiegelt sich der föderale Ansatz des ESZB. Einerseits stellt sich die Frage, ob – wie teilweise in der Literatur angenommen11 – der Bundesbankpräsident im EZB-Rat als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland auftritt. Wäre dies der Fall, würde er seine Ratsmitgliedschaft als Teil deutscher Staatsgewalt ausüben, wobei er an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden wäre (Art. 20 Abs. 3 GG). In einem solchen Falle wäre das Verhalten des Bundesbankpräsidenten staatsrechtlich dem Bund zuzurechnen. Begründet wird diese Auffassung12 mit den Parallelen, die zu dem der Bundesregierung zurechenbaren Verhalten eines Bundesministers im Rat der EU bestünden. Andererseits bleibt zu klären, ob der Vorstand der Bundesbank (der frühere Zentralbankrat) Einfluss auf das Abstimmungsverhalten des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat ausüben kann. Bejaht13 man dies, so wäre der BundesbankVorstand als Organ in Form einer „kollegialen Meinungsbildung weiterhin an der Geldpolitik beteiligt“. Im Hinblick auf Art. 23 Abs. 5 GG sei der Bundesbankpräsident sogar verpflichtet, die Erörterungen im Vorstand bei seinem Stimmverhalten im EZB-Rat maßgeblich zu berücksichtigen.14 Umgekehrt hätte der Vorstand die Chance, die deutsche Position im EZB-Rat nachhaltig zu beeinflussen. Für eine derartige Sichtweise spricht der im Zuge des 7. BBank-

10 Siehe zur früheren Rechtslage im Zentralbankrat der Bundesbank, 2. Abschnitt, D. II. 1. 11 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 74. 12 Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 48; Henneke/Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG, Art. 88, Rn. 8; Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 74; so auch Borries, ZEuS 1999, S. 281 (294); Süppel, The constitution of the European central bank, S. 122 (123): „character of state representatives“. 13 So jedenfalls Zeitler, in: Hahn, Währungswesen, S. 129 (141). 14 Zeitler, in: Hahn, Währungswesen, S. 129 (141); mittlerweile betont Zeitler, Strukturen des europäischen Währungsrechts, S. 345 (346), dass sich die Unabhängigkeit auf „alle Mitglieder der Beschlussorgane nationaler Notenbanken, in Deutschland also den Zentralbankrat“ beziehe.

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

ÄndG neu gefasste § 7 BBankG, wo die Weisungsfreiheit des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat nicht mehr ausdrücklich Erwähnung findet. Im Ergebnis kann keine der geschilderten Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Bundesbankpräsidenten Zustimmung finden. Beide Varianten widersprechen der primärrechtlichen Forderung nach Unabhängigkeit von Weisungen mitgliedstaatlicher Organe und Institutionen. Der Bundesbankpräsident handelt als Mitglied des EZB-Rates unabhängig; er ist weder der Bundesbank noch der Bundesregierung weisungsunterworfen. Wenngleich § 7 BBankG diese Weisungsfreiheit nicht mehr explizit statuiert, würde eine Aufhebung dieses Prinzips gegen geltendes Primärrecht (Art. 108 EG-Vertrag; Art. 7 ESZB-Satzung) verstoßen. Zudem verdeutlicht der auch nach Beginn der WWU-Endstufe fortgeltende, frühere § 6 Abs. 1 Satz 3 BBankG15 das Festhalten am Grundsatz der Weisungsfreiheit16. Daher handeln die NZB-Präsidenten als „europäische Währungshüter“17 gemäß dem Prinzip der zentralen Entscheidungsfindung im EZB-Rat allein im Interesse einer einheitlichen Geldpolitik, nicht als Vertreter nationaler Interessen.18 Ebenso wie die Mitglieder der Kommission oder des EuGH in ihren Gremien ist der Bundesbankpräsident als eigenverantwortliches Individuum Mitglied des EZB-Rates. Zwar besitzt der Bundesbankvorstand das Recht, den Bundesbankpräsidenten in seiner Eigenschaft als Mitglied des EZB-Rates zu beraten (§ 1 Abs. 2 Organisationsstatut19). Allerdings können vorgelagerte Beschlüsse des Vorstands als Kollegialorgan den Präsidenten nicht im Wege des „imperativen Mandats“ binden. Um gemeinschaftsweite Geldpolitik „aus einem Guss“20 zu verwirklichen, muss die Verbindung des Bundesbankpräsidenten zu nationalen konjunkturellen Problemen in den Hintergrund treten. Statthaft ist hingegen die Beratung des Bundesbankpräsidenten durch den Vorstand im Vorfeld der Entscheidungen des EZB-Rates. Daran wird gleichzeitig die gewandelte Position des früheren Zentralbankrats, heute Bundesbank-Vorstandes vom zentralen Entscheidungs- zum Beratungsgremium deutlich.21 Die geldpolitische Aufgabe des Vorstands beschränkt sich nunmehr auf die Diskussion der Auswirkungen der Geld- und Währungspolitik 15 § 6 BBankG in der Fassung des 6. BBankÄndG, gültig vom 01.01.1999 bis 29.04.2002. 16 Dutzler, S. 21, spricht treffend von „independent from independence“. 17 Borries, ZEuS 1999, S. 281 (298). 18 Borries, ZEuS 1999, S. 281 (297); Hafke, S. 185 (188); Hahn/Häde, in: Dolzer/ Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 536; Stadler, S. 133; Gnan/Wittelsberger, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 14, Rn. 23; Zimmermann, S. 32. 19 Organisationsstatut für die Deutsche Bundesbank vom 08.05.2002, veröffentlicht in Bundesbank, Monatsbericht Mai 2002, S. 16 ff. 20 Stadler, S. 133. 21 Welteke, in: Die EZB, S. 143 (145).

13. Abschn.: Aufgaben der Bundesbank innerhalb des ESZB

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der EZB. Angesichts ihres Beratungs- und Unterstützungsrechts gegenüber der Bundesregierung in währungspolitischen Angelegenheiten (§§ 12 Satz 2, 13 BBankG) nimmt die Bundesbank eine wichtige Mittlerfunktion bei der nationalökonomischen Verwertbarkeit der Diskussionsergebnisse ein. Insbesondere der Vorstand fungiert daher als Bindeglied bei der Implementierung der richtungweisenden EZB-Politik in die nationale Wirtschaftspolitik.22 Auf diese Weise kann die Bundesbank wesentlich dazu beitragen, dass die „Verrechtlichung“ der europäischen Geldpolitik mittel- bis langfristig in eine „Objektivierung“ der nationalen Wirtschaftspolitik mündet. 3. Rotationsprinzip nach Vertrag von Nizza Die bereits geschilderte23 Reform der Abstimmungsmodalitäten im EZB-Rat führt indirekt zu einer Stärkung der Position des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat. Wenngleich der Bundesbankpräsident sein bisheriges „Dauerstimmrecht“ wie alle anderen NZB-Präsidenten verliert, gewährleistet die Rotation de facto ein „ständiges Stimmrecht“ für Deutschland. Bei der zu erwartenden Zugehörigkeit Deutschlands zur ersten Gruppe ist der Bundesbankpräsident ein Mitglied dieser aus fünf NZB-Präsidenten bestehenden Gruppe (Art. 10.2. 1. Sp.-str. ESZB-Satzung neu). Somit ist er in vier von fünf Stimmrechtsperioden stimmberechtigt. Der Bundesbankpräsident kann daher deutlich häufiger die Festlegung der EZBGeldpolitik direkt beeinflussen, als es die NZB-Präsidenten der zweiten Gruppe können. Dieses Gewicht nimmt im Verhältnis sogar noch zu, wenn in Phase zwei der Erweiterung des EZB-Rates die NZB-Präsidenten in drei Gruppen geteilt werden, wodurch sich die Stimmrechtshäufigkeit der NZB-Präsidenten der zweiten und dritten Gruppe nochmals verringert (Art. 10.2., 2. Sp.-str. ESZBSatzung neu). Unverändert bestehen bleibt hingegen die Anzahl der Stimmrechte der ersten Gruppe, was die Position des Bundesbankpräsidenten als quasi „ständig stimmberechtigtes Mitglied“ des EZB-Rates klar hervorhebt. Im Ergebnis der Rotation werden die Stimmrechte der kleinen Mitgliedstaaten zugunsten der großen Mitgliedstaaten verringert, was eher den kleineren und neu beitretenden Teilnehmern des Eurosystems schadet.24 Das eigentliche Ziel, sich durch einheitliche Geldpolitik aus nationalstaatlichen Denkkategorien zu lösen, wird verfehlt. Es besteht gleichwohl berechtigter Anlass zur Hoffnung, dass sich der „faktische Machtzuwachs“ des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat ebenso sta-

22 Blanke, in: M/K/S, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 36; Kaltenthaler, JCMS 2002, Vol. 40, S. 69 (84). 23 Siehe dazu oben, 10. Abschnitt, C. III. 2. b) bb). 24 Belke/Baumgärtner, Kreditwesen 2003, S. 776 (776); dies., integration 2004, S. 75 (84).

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

bilisierend auf dieses Gremium auswirkt, wie es die Rolle der Bundesbank im währungsrechtlichen Integrationsprozess vermochte. II. Aufgaben der Bundesbank bei der Durchführung der Geldpolitik

1. Allgemeines Um das Ziel dauerhafter Preisstabilität zu erreichen, stehen dem ESZB eine Reihe geldpolitischer Instrumente zur Verfügung. So führt das ESZB Offenmarktgeschäfte durch, bietet ständige Fazilitäten an und verlangt, dass Kreditinstitute Mindestreserven auf Konten im Eurosystem halten. Infolge des Grundsatzes der dezentralen Aufgabenerfüllung (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) ist die Bundesbank als NZB für die Umsetzung der Geldpolitik der EZB zuständig (§ 3 Satz 1 BBankG). Ihr obliegt der Abschluss der jeweiligen geldpolitischen Ausführungsgeschäfte mit den in Deutschland ansässigen Geschäftspartnern (Kreditinstituten). Dabei hat die Bundesbank die Leitlinien und Weisungen der EZB zu beachten, die ihr einen klar umrissenen Handlungsspielraum („wenig Freiheit in den Grundsätzen“) vorgeben (Art. 14.3. Satz 1 ESZB-Satzung), den sie mit Hilfe ihrer AGB25 ausformte. Für den Bereich der Geldpolitik konkretisierte die EZB den Aktionsrahmen mit Hilfe der Leitlinie EZB/2006/12 („Die einheitliche Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet: Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems“)26. Im Folgenden soll die Rolle der Bundesbank bei der Durchführung der geldpolitischen Geschäfte näher untersucht werden. Von besonderem Interesse ist, inwieweit der Bundesbank bei Ausgestaltung der geldpolitischen Instrumente konkrete Gestaltungsspielräume („Freiheit im Detail“) verblieben sind. 2. Rechtsnatur der geldpolitischen Geschäfte Bevor auf die Geschäfte im Einzelnen eingegangen wird, ist die Frage nach der Rechtsnatur der geldpolitischen Geschäfte vor die Klammer zu ziehen. Ausgehend von ihrer Rechtsstellung im ESZB27 handelt die Bundesbank als NZB nicht mit Gemeinschaftshoheit, auch wenn sie Gemeinschaftsrecht anwendet. Vielmehr vollzieht sie die geldpolitischen Aufgaben in Ausübung und auf der Grundlage eines eigenen nationalen Rechtsrahmens,28 der in Form des BBankG 25 I. Abschnitt Nr. 1 Abs. 2, 2. HS AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04. 2007). 26 Siehe bereits oben, 12. Abschnitt, B. II. 3 b). 27 Siehe dazu oben, 11. Abschnitt, B. IV. 28 Zimmermann, S. 122.

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geschaffen wurde. Geldpolitische Geschäfte führt sie daher zwar unter Aufsicht und Weisung der EZB aus. Sie handelt dabei aber weder im Namen noch unter Verantwortung der EZB nach außen. Nicht die EZB, sondern die Bundesbank agiert als Partner der Kreditinstitute, weshalb die Bundesbank als NZB Geschäfte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung tätigt.29 Dies folgt aus Art. 32 ESZB-Satzung, der die monetären Einkünfte aller einzelnen NZBen betrifft. Dieser Norm zufolge fließen die Einkünfte erst nach Geschäftsabschluss dem ESZB zu; für die Geschäfte selbst sind die NZBen zuständig. Da die geldpolitischen Geschäfte im nationalen Rechtsrahmen stattfinden, ist anhand der Regelungskategorien des nationalen Rechts über die Rechtsnatur zu befinden. Wenngleich sich infolge der Zugehörigkeit der Bundesbank zum ESZB der Aufgabenbereich erheblich veränderte, hat sich die rechtliche Qualität der Geschäfte prinzipiell nicht gewandelt. Allerdings nimmt die Bundesbank, im Gegensatz zur vormals eigenverantwortlichen Festsetzung der Diskont- und Lombardzinssätze,30 nunmehr im Rahmen des Eurosystems nur noch geringe öffentliche Aufgaben im Zuge der Währungssicherung wahr. Derartiges Verwaltungshandeln, beispielsweise die Nichtzulassung eines potentiellen Geschäftspartners zu Offenmarkt-/Refinanzierungsgeschäften oder Vorgaben im Rahmen der Erfüllung der Mindestreservepflichten, ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Hingegen basiert(e) die „Leistungsgewährung“ in Gestalt konkreter geldpolitischer Geschäfte auf privatrechtlichen Vertragsschlüssen. Die Bundesbank bediente sich bereits zu Zeiten, in denen sie die alleinige währungspolitische Verantwortung trug, zur Umsetzung geldpolitischer Beschlüsse privatrechtlicher Vertragsformen.31 Der öffentlich-rechtlichen Qualifizierung der geldpolitischen Maßnahmen steht es gerade nicht entgegen, dass die Bundesbank zur Umsetzung der geldpolitischen Vorgaben des Eurosystems privatrechtliche Geschäfte mit Marktteilnehmern tätigt(e). Das Handeln der Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB vollzieht sich daher nach wie vor auf öffentlich-rechtlicher, stärker jedoch auf privatrechtlicher Ebene. So sind die von der Bundesbank durchgeführten geldpolitischen (Refinanzierungs-)Geschäfte überwiegend als zivilrechtliche Verträge32 zu qualifizieren. Die nähere rechtliche Ausgestaltung erfolgte in den AGB der Bundesbank, zumeist mit Elementen zivilrechtlicher Kauf- und Darlehensverträge.

29 30 31 32

Goetze, S. 101; Zimmermann, S. 121. Siehe zur früheren Rechtslage, 3. Abschnitt, D. II. sowie III. 2. a). Siehe zur früheren Rechtslage, 3. Abschnitt, D. II. Kümpel, Rn. 20.194.

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Das geldpolitische Instrumentarium des Eurosystems ist auf die Teilnahme eines möglichst breiten Spektrums von Geschäftspartnern ausgelegt.33 Innerhalb des ESZB stellt Deutschland rund 35% aller Geschäftspartner des Eurosystems.34 Zu Kredit- und Offenmarktgeschäften mit der Bundesbank berechtigt ist daher jedes in Deutschland ansässige oder niedergelassene Kreditinstitut, das zur Unterhaltung von Mindestreserven verpflichtet ist und ein Girokonto bei der Bundesbank unterhält (Abschnitt V. Nr. 1 Abs. 1 AGB Bundesbank). 3. Offenmarktgeschäfte Die Offenmarktgeschäfte zählen auch im ESZB zu den wichtigsten geldpolitischen Geschäften. Kennzeichnend für alle Arten von Offenmarktgeschäften des Eurosystems ist, dass die Initiative zum Abschluss der geldpolitischen Refinanzierung beim ESZB liegt. Die EZB erstellt entsprechend ihrer Leitlinienkompetenz „Allgemeine Grundsätze“35 für ihre eigenen sowie die Offenmarktgeschäfte der NZBen (Art. 18.2. ESZB-Satzung). Die Abwicklung der Offenmarktgeschäfte obliegt infolge des Dezentralisierungsgrundsatzes (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) den NZBen; Art. 18.1. ESZB-Satzung ermöglicht es der Bundesbank demnach, Offenmarktgeschäfte durchzuführen. Nach Wegfall der §§ 15, 21 BBankG a. F.36 sind für die Bundesbank ausschließlich die EZB-Vorgaben maßgeblich; diese unterscheiden sich zum Teil erheblich von den früheren Geschäften der Bundesbank.37 Der EZB-Rat legt den Kalender für die regulären Offenmarktgeschäfte fest und bestimmt deren Konditionen. Das EZB-Direktorium trifft die Entscheidung über die Höhe der Zuteilungsbeträge für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte und die Durchführung von Feinsteuerungsoperationen. Diesen Entscheidungen geht eine eingehende, zeitnahe Analyse der Liquiditätssituation des Bankensystems und des Geldmarkts voraus. Die Bundesbank prognostiziert38 in diesem Zusammenhang den Liquiditätsbedarf für Deutschland, den die EZB anschließend mit den Beiträgen der anderen NZBen zu einer Gesamtanalyse für das Eurosystem zusammenfasst.39 Im Rahmen der EZB-Direktiven sind der Bundesbank zudem die Wahl der Form der Offenmarktgeschäfte sowie die Abwicklung der geldlichen Verrech33

Ziff. 1.4. sowie Ziff. 2. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 136. 35 Ziff. 1.3.1. sowie Ziff. 3. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 36 Siehe zur früheren Offenmarktpolitik der Bundesbank, 3. Abschnitt, D. IV., sowie zu den Einflüssen infolge währungspolitischer Integration, 7. Abschnitt, E. und 8. Abschnitt, E. 37 Siehe zu den Grundsätzen und Geschäftsarten der früheren Offenmarktpolitik, 3. Abschnitt, D. IV. 2. und 3. 38 Ausführlich zum Verfahren Bundesbank, Monatsbericht Juli 2004, S. 51 (63 f.). 39 Bundesbank, Monatsbericht Juli 2004, S. 51 (62). 34

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nung überlassen (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 BBankG). Zudem ist die Bundesbank für die Festlegung der Einzelheiten des Abwicklungsverfahrens, insbesondere die Besicherung sowie deren Dokumentation,40 verantwortlich. Das Prinzip „Viel Freiheit im Detail, wenig Freiheit in den Grundsätzen“ entfaltet daher für die Bundesbank im Rahmen der Offenmarktgeschäfte Bedeutung. a) Durchführung Die über die Offenmarktgeschäfte von der Bundesbank zur Verfügung gestellte Liquidität kann in Form von Ausschreibungsverfahren (Tender)41 oder bilateralen Geschäften vergeben werden. Tenderverfahren kommen immer dann zum Einsatz, wenn das Eurosystem mit einer großen Zahl von Partnern Geschäfte durchführen will. Die Tenderausschreibung dient der Vorbereitung und Abgabe der Gebote durch die Kreditinstitute gegenüber der Bundesbank.42 Dabei ist zwischen Standard- und Schnelltendern zu trennen, wobei sich Standardtender an alle Geschäftspartner, Schnelltender nur an einen bestimmten Kreis von Personen richten. Die Art des Tenderverfahrens wurde vorab von der EZB43 festgeschrieben. Wählen kann die Bundesbank als NZB hingegen zwischen Zinstendern (Tender mit variablem Zinssatz) und Mengentendern (Festsatztender).44 Beim Mengentender45 gibt die EZB den Zinssatz vor; die Teilnehmer geben Gebote über den Betrag ab, den sie bereit sind, zu diesem Festsatz zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Beim Zinstender46 geben die Teilnehmer Gebote über die Beträge und Zinssätze ab, zu denen sie bereit sind, Geschäfte mit der Bundesbank abzuschließen. Im Rahmen der Hauptrefinanzierungsgeschäfte bediente sich das ESZB bis Mitte 2000 ausschließlich des Festsatztenders. Für das Eurosystem waren Festsatztender insofern vorteilhaft, als der Zinssatz und damit ein klares Signal hinsichtlich der geldpolitischen Intention der EZB vorgegeben werden konnte.47 Infolge dieses Verfahrens kam es regelmäßig zu einem seitens der EZB kaum kontrollierbaren Bieterverhalten der Kreditinstitute und massiven Überbietungen. Daher beschloss der EZB-Rat im Juni 2000, Hauptrefinanzierungsgeschäfte

40

Ziff. 6.1. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. V. Abschnitt Nr. 15 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 42 Die Bekanntmachung an die Geschäftspartner erfolgt über die „Besonderen Bedingungen für Tenderverfahren der Deutschen Bundesbank im Automatischen Bietungs-System“ (ABS-Bedingungen). 43 Ziff. 5.1.1. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 44 Ziff. 5.1.1. c) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 45 Ziff. 5.1.1. c) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 46 Ziff. 5.1.1. c) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 47 Kümpel, Rn. 20.276. 41

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des ESZB nur noch als Zinstender48 mit Zuteilung nach dem amerikanischen Verfahren durchzuführen. Zugleich legte der EZB-Rat für diese Geschäfte einen Mindestbietungssatz fest.49 Somit konkretisiert der Beschluss das Wahlrecht der Bundesbank beim Tenderverfahren im genannten Sinn. Im Gegensatz zum Tenderverfahren werden als bilaterale Geschäfte jene Fälle bezeichnet, in denen das Eurosystem nur mit einem oder wenigen Geschäftspartnern Geschäfte abwickelt, ohne Ausschreibungen zu nutzen. Die Bundesbank kann daher im Wege bilateraler Geschäfte refinanzierungsfähige Wertpapiere aus ihrem eigenen Bestand unter der Voraussetzung des Rückkaufs per Termin an Geschäftspartner verkaufen.50 Diese bilateralen Geschäfte stellen die einzige verbliebene Konstellation dar, innerhalb derer die Bundesbank noch Wertpapierpensionsgeschäfte nutzt. Im Gegensatz dazu bildeten derartige echte Pensionsgeschäfte vor Beginn der Endstufe der WWU die zentrale Handlungsform der Bundesbank zu Zwecken der Feinsteuerung.51 b) Sicherheiten aa) Einheitliches Sicherheitenverzeichnis Um das Eurosystem gegen Verluste aus geldpolitischen Geschäften zu schützen, fordert Art. 18.1. ESZB-Satzung für alle liquiditätszuführenden Kreditgeschäfte des ESZB von den Geschäftspartnern die Bereitstellung ausreichender Sicherheiten. Angesichts der unterschiedlichen Finanzmarktstrukturen der WWU-Mitgliedstaaten existiert(e) eine breite Palette von Sicherungsinstrumenten und Besicherungstechniken. Zudem musste ein einheitliches Zentralbanksystem die grenzüberschreitende Nutzung von Sicherheiten gewährleisten. Im Zeitraum zwischen Beginn der Endstufe der WWU und dem 1. Januar 2007 wurden die notenbankfähigen Sicherheiten in zwei Kategorien (Kategorie 1 und 2)52 unterteilt. Innerhalb der durch EZB-Leitlinien gesetzten Mindeststandards53 war die Bundesbank berechtigt, hinterlegungsfähige Kategorie-2-Sicherheiten54 – nach vorheriger Genehmigung durch die EZB55 – zu definieren. 48

Ausführlich zum neuen Zinstender-Verfahren EZB, Monatsbericht Juli 2000, S. 39

(40). 49

EZB, Monatsbericht Juli 2000, S. 39 (39). V. Abschnitt Nr. 14 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 51 Kümpel, Rn. 20.272. 52 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105, Rn. 22; Hartenfels, WM 1999, Sonderbeilage 1, S. 1 (43). 53 Ziff. 6.1. und 6.3. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2005/2; ausführlich EZB, Monatsbericht April 2001, S. 55 ff. 54 Zur Kategorie 2 zählten marktfähige und nicht marktfähige Sicherheiten, die für die nationalen Finanzmärkte und Bankensysteme von besonderer Bedeutung waren 50

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In Fortführung des deutschen Rediskontgeschäfts56 legte die Bundesbank den Schwerpunkt auf die Einbeziehung von Wirtschaftskrediten und akzeptierte als einzige NZB im Eurosystem bis Ende 2006 Handelswechsel.57 Infolge der Vereinheitlichung des Sicherheitenrahmens ist einer der wenigen Beurteilungsspielräume der NZB zur Betonung nationaler Besonderheiten weggefallen.58 Allerdings wurde die de iure bestehende „Freiheit im Detail“ seitens der NZBen des Eurosystems in der Vergangenheit wenig genutzt. Im Vergleich zu den von der EZB determinierten Kategorie-1-Sicherheiten59 beliefen sich die Kategorie-2Sicherheiten seit Errichtung des ESZB auf einen Anteil von weniger als 10% aller Sicherheiten; Tendenz rückläufig (1999: 0,5%,60 2000: 7%,61 2001: 5%,62 200263 und 200364: je 4%, seit 2004: keine Angaben65). Infolgedessen ist die Entscheidung des EZB-Rates, den Sicherheitenrahmen zu vereinheitlichen, als sachgerecht (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) einzuordnen. Das Eurosystem selbst führt als Begründung die zunehmende Integration der europäischen Finanzmärkte, die intensivierten grenzüberschreitenden Aktivitäten der Banken sowie Transparenz und Wettbewerbsgleichheit unter den Geschäftspartnern an.66 Seit 2007 gilt ein „einheitliches Sicherheitenverzeichnis“, das in einer Übergangsphase bis zum 31. Mai 2007, längstens bis 31. Dezember 2011 für nicht marktfähige Kreditforderungen, das bisherige System ersetzt.67 Der neue Sicherund von den NZBen festgelegt wurden. Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S. 31 (32). 55 Ziff. 6.1., 2. Sp.-str. und 6.4.2. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2005/2. Seidel, EuR 2000, S. 861 (870 f.), erachtete die Genehmigungspflicht als nicht ausreichend und forderte eine gesetzliche Festlegung. 56 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, D. III. 57 Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S. 31 (32); zur Rechtslage bis Ende 2006 Häde, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 105, Rn. 22. 58 Kritisch zu den Kategorie-2-Sicherheiten bereits Heinsohn/Steiger, Wirtschaftsdienst 1998, S. 277 (282), die den Einfluss der NZBen auf die Definition der Kategorie-2-Sicherheiten als von der EZB nicht sanktionierbare „Sonderkompetenz“ ablehnen. Ähnlich ebenfalls Seidel, EuR 2000, S. 861 (869 ff.). 59 Zur Kategorie 1 zählten marktfähige Schuldtitel, die die vom EZB-Rat festgelegten, einheitlichen und im gesamten Euro-Währungsgebiet geltenden Zulassungskriterien erfüllten. Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S. 31 (32). 60 EZB, Jahresbericht 1999, S. 55. 61 EZB, Jahresbericht 2000, S. 72. 62 EZB, Jahresbericht 2001, S. 77. 63 EZB, Jahresbericht 2002, S. 83. 64 EZB, Jahresbericht 2003, S. 87. 65 EZB, Jahresbericht 2004, S. 91 f., weist keine Daten mehr aus, sondern quantifiziert die einzelnen marktfähigen und nicht marktfähigen Titel; EZB, Jahresbericht 2005, S. 98 ff. 66 Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S. 31 (32). 67 Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S. 31 (34).

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heitenrahmen68 umfasst marktfähige sowie nicht marktfähige Sicherheiten, wobei grundsätzlich beide Arten von Sicherheiten grenzüberschreitend im Eurosystem nutzbar sind. Die Gestaltung des einheitlichen Sicherheitenverzeichnisses für marktfähige Sicherheiten69 oblag dem EZB-Rat, an dessen Entscheidung die Bundesbank über ihren Präsidenten mittelbar beteiligt war. Bei den nicht marktfähigen Sicherheiten sind Kreditforderungen und nicht marktfähige Schuldtitel zugelassen. In Anlehnung an die Festlegung der früheren Kategorie2-Sicherheiten ist den NZBen bis zum 31. Dezember 2011 ein Gestaltungsspielraum bei nicht marktfähigen Sicherheiten eingeräumt, da sie den Mindestbetrag für die Kreditforderung sowie die Einreichungsgebühren festlegen können; ab 2012 hat der EZB-Rat den Mindestbetrag auf Euro 50.000,– festgelegt.70 Während der Übergangsphase hat die Bundesbank im Rahmen ihrer Vollzugskompetenz entschieden, die bisher geltenden Bedingungen (Mindestbetrag Euro 10.000,– und keine Gebühren) beizubehalten.71 Im Rahmen der Umsetzung des neuen Sicherheitenrahmens reagierte die Bundesbank mit Anpassung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen72. Zudem ist die Bundesbank als NZB verpflichtet, der EZB täglich jene in Deutschland zum Handel zugelassenen beziehungsweise gehandelten Sicherheiten zu melden. Im Übrigen zählt es zu den Aufgaben der Bundesbank als NZB, die Sicherheitenkonten der Geschäftspartner zu führen sowie die technische Entwicklung und den operativen Betrieb von Collateral Management Systemen zu gewährleisten. Als eine der wenigen NZBen des Eurosystems betreibt die Bundesbank – wie bisher – für nicht marktfähige Sicherheiten ein eigenes Bonitätsanalyseverfahren.73 Um den Dialog mit den Geschäftspartnern zu erhöhen, können die Marktteilnehmer das Bonitätsanalyseverfahren der Bundesbank zur Feststellung der Notenbankfähigkeit potentieller Sicherheiten nutzen. bb) Art und Weise der Besicherung Im Gegensatz zum einheitlichen Sicherheitenverzeichnis hat die EZB die Art und Weise der Besicherung in die Entscheidung der NZBen gestellt. Die NZBen können befristete Transaktionen sowohl als Wertpapierpensionsgeschäfte als 68 Umgesetzt in der geänderten Leitlinie der EZB vom 31.08.2006 zur Änderung der Leitlinie EZB/2000/7 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (EZB/2006/12). 69 Art. 6.2. des Anhangs zur Leitlinie (EZB/2006/12). Das Verzeichnis wird täglich aktualisiert und auf der Website der EZB veröffentlicht (www.ecb.int). 70 Ziff. 6.2.2. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 71 Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S. 31 (36). 72 V. Abschnitt Nr. 3–13 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 73 Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S. 31 (37 f.).

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auch als Kreditgeschäfte gegen Verpfändung von Sicherheiten durchführen, wobei beide Geschäftsformen gleichwertig nebeneinander stehen.74 Die Sicherungsgeber können entweder das Eigentum an den Vermögenswerten übertragen (bei endgültigen Käufen oder Rückkaufsvereinbarungen) oder sie als Pfand hinterlegen (bei besicherten Krediten).75 Auch eine nach Sicherheiten „gemischte“ Lösung wäre denkbar gewesen. Damit existiert an dieser Stelle eine Kompetenz der Bundesbank zur Ausgestaltung der Besicherungstechnik. Dieses Wahlrecht der NZBen trägt den unterschiedlichen Verfahren und Formalitäten Rechnung, die in den jeweiligen Rechtssystemen zur Begründung und späteren Verwertung eines Sicherungsrechts, beispielsweise eines Pfandrechts, zu beachten sind.76 Die Bundesbank hatte sich ursprünglich für eine reine Pfandlösung entschieden.77 Seit 2007 akzeptiert die Bundesbank neben der Verpfändung bei der Einreichung von Kreditforderungen auch die stille (Sicherungs-)Zession, wodurch es – auch infolge eines komfortableren Einreichungsverfahrens – zu Erleichterungen für die Marktteilnehmer kommt.78 Bis 2007 entwickelte sich die Verpfändung von Wertpapieren zur am häufigsten genutzten Form der Besicherung. Knapp die Hälfte aller an die Bundesbank verpfändeten Sicherheiten sind gedeckte Bankschuldverschreibungen (Pfandbriefe).79 Die Bundesbank gestattet die Verpfändung von Wertpapieren auf zwei verschiedenen Wegen. So haben die Geschäftspartner die Wahl, entweder geeignete Wertpapiere, die in einem offenen Depot (Dispositionsdepot) verwahrt werden, mit Hilfe einer generellen Verpfändungserklärung zu verpfänden.80 Andererseits können die Geschäftspartner der Bundesbank auch geeignete Wertpapiere in Höhe eines bestimmten Beleihungswertes verpfänden, die in einem Sicherheitenpool-Depot (bei der Clearstream AG) verwahrt werden.81 Der Gesamtbeleihungswert des Depots dient dann en bloc für die Besicherung aller Notenbankkredite,82 also für Offenmarktgeschäfte und Übernachtkredite im Rahmen der Spitzenrefinanzierungsfazilität.83 Die „Pfandpool-Lösung“ hat den Vorteil, dass der jeweilige Gesamtbeleihungswert des Pfandkontos abzüg-

74

Ziff. 3.1.1. b) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. Ziff. 6.1. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 76 Ziff. 3.1.1. b) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 77 Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19 (23). 78 V. Abschnitt Nr. 3 Abs. 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007); Bundesbank, Monatsbericht Juni 2006, S. 31 (40 f.). 79 Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 140 f. 80 V. Abschnitt Nr. 7 Abs. 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 81 V. Abschnitt Nr. 8 Abs. 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 82 V. Abschnitt Nr. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 8 Abs. 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 83 V. Abschnitt Nr. 3 Abs. 1 und Nr. 22 Abs. 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 75

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

lich Sicherheitsmargen84 maßgebliche Basis für die Besicherung aller Refinanzierungsgeschäfte ist. Im Gegensatz zur „Repo“-Lösung85 werden die Sicherheiten von den jeweils in Anspruch genommenen Krediten entkoppelt und müssen somit zeitlich und substantiell nicht bestimmten Refinanzierungsgeschäften zugeordnet werden. Der Verpfänder kann im Rahmen seines „Portfolios“86 die Sicherheiten flexibel disponieren, solange der Pfandpool zur Besicherung der offenen Kreditforderungen ausreicht.87 Die Bundesbank hat insoweit ein Gestaltungsrecht, als sie den „Portfolioansatz“ einschränken kann. Allerdings hat sie von der Möglichkeit der Festlegung eines bestimmten Mindest-Portefeuilles bis auf weiteres keinen Gebrauch gemacht.88 cc) Korrespondenz-Zentralbank-Modell Als NZB agiert die Bundesbank bei der Sicherheitenverwaltung in zwei Funktionen: zum einen als refinanzierende Zentralbank und zum anderen als Korrespondenz-Zentralbank. Die zentrale Erfassung der Sicherheiten seitens der EZB ermöglicht die „grenzüberschreitende Nutzung“ (cross-border-use) aller im Eurosystem hinterlegten/emittierten refinanzierungsfähigen Sicherheiten. Im Zuge des ursprünglich als Zwischenlösung89 konzipierten „Korrespondenz-Zentralbank-Modells“90 entwickelten die NZBen gemeinsam mit der EZB ein Verfahren zur komfortablen Abwicklung der Refinanzierung. Die NZBen fungieren gegenseitig als Korrespondenzbanken, weshalb die Bundesbank bei der Refinanzierung neben inländischen Sicherheiten von ihren Geschäftspartnern auch solche Sicherheiten annimmt, die bei einer anderen NZB des Eurosystems hinterlegt sind. Somit wird keine NZB gezwungen, Sicherheiten anderer NZBen zu akzeptieren, die sie selbst als risikoreich(er) bewertet hätte. Ausgeschlossen ist daher, dass einzelne NZBen bewusst risikoreiche Sicherheiten zulassen, um Möglichkeiten der Liquiditätszuführung in den Markt zu erleichtern. Der Bundesbank kommt innerhalb des Korrespondenz-Zentralbank-Modells eine herausragende Bedeutung zu, da sie – neben den Zentralbanken Italiens und Belgiens – den Großteil der Sicherheiten bereitstellt (2003: 35%)91. Zudem ist die Bun-

84 Die Bewertungsabschläge richten sich nach der Art der Sicherheiten: Bei Übernachtkrediten werden 1%, bei Offenmarktkrediten 2% des Geschäftswertes als zusätzliche Sicherheit verlangt. Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19 (23). 85 Bundesbank, ebenda. 86 Hartenfels, WM 1999, Sonderbeilage 1, S. 1 (44). 87 Kümpel, Rn. 20.260. 88 Hartenfels, WM 1999, Sonderbeilage 1, S. 1 (44). 89 EZB, Monatsbericht April 2001, S. 55 (57). 90 Ziff. 6.6. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12; V. Abschnitt Nr. 13 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 91 Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 140.

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desbank mit etwa einem Viertel diejenige NZB, die die grenzüberschreitenden Sicherheiten am häufigsten nutzt.92 c) Arten aa) Befristete Transaktionen Für die Durchführung von Offenmarktgeschäften stehen dem ESZB fünf Arten von Instrumenten zur Verfügung: befristete Transaktionen, definitive Käufe und Verkäufe, Emission von EZB-Schuldverschreibungen, Devisenswapgeschäfte und Hereinnahme von Termineinlagen. Wichtigstes Instrument der Offenmarktpolitik sind befristete Transaktionen in Form von Wertpapierpensionsgeschäften oder Kreditgeschäften gegen Verpfändung von Sicherheiten. Beide Geschäftsformen stehen gleichwertig nebeneinander, weshalb es der Bundesbank als NZB überlassen blieb, die im jeweiligen nationalen Umfeld aus operativen oder rechtlichen Gründen besser geeignete Geschäftsform zu wählen.93 Die Bundesbank hatte sich aus operationellen Gründen für Pfandkredite entschieden; mittlerweile kommt der Sicherungsübereignung eine gesteigerte Bedeutung zu.94 Bei befristeten Transaktionen besitzt die Bundesbank die Befugnis, Hauptund längerfristige Refinanzierungsgeschäfte, Feinsteuerungsoperationen sowie strukturelle Operationen abzuwickeln. Angesichts ihrer zinssatzprägenden Funktion nehmen die Hauptrefinanzierungsgeschäfte eine Schlüsselrolle bei der Liquiditätssteuerung ein; sie zählen zu den wichtigsten Offenmarktgeschäften des ESZB.95 In ihrer Wirkung entsprechen sie den früheren Pensionsgeschäften der Bundesbank.96 Da der EZB-Rat über die Grundsätze der Offenmarktpolitik entscheidet, gebührt dem Bundesbankpräsidenten im Umfang seines Stimmrechts im EZB-Rat ein Mitspracherecht bei der Festlegung der Abgabesätze. Die Bestimmung der Höhe der Abgabesätze für Offenmarktgeschäfte seitens der EZB ist mit der Festlegung der Leitzinssätze vergleichbar (Art. 12.1. ESZB-Satzung). Der „Leitzins“ der Hauptrefinanzierungsgeschäfte bewegt sich im Zinskanal des Tagesgeldsatzes für den Interbankengeldmarkt.97

92

EZB, Jahresbericht 1999, S. 61. Ziff. 3.1.1. b) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 94 Siehe dazu oben, b) aa). 95 Bundesbank, Monatsbericht Januar 2000, S. 15 (19); EZB, Jahresbericht 2000, S. 66. 96 Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19 (21); Kümpel, Rn. 20.275. 97 Goetze, S. 105. 93

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

Die direkte Abwicklung von Hauptrefinanzierungsgeschäften durch die EZB ist ausnahmslos ausgeschlossen. Derartige Geschäfte werden dezentral von den NZBen durchgeführt.98 In Anwendung der Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) ist der Bundesbank als NZB die komplette Vollzugskompetenz übertragen. Die Bundesbank wickelt Hauptrefinanzierungsgeschäfte stets im Standardtenderverfahren mit wöchentlichem Abstand ab.99 Während zuvor die Befristung der Geschäfte zwei Wochen betrug, bietet die Bundesbank seit März 2004 Hauptrefinanzierungsgeschäfte nur noch mit einwöchiger Laufzeit an.100 Die Entscheidung darüber traf jedoch nicht die Bundesbank als NZB, sondern der EZB-Rat im Rahmen der Evaluierung101 des geldpolitischen Instrumentariums. In regelmäßigem monatlichen Abstand führt die Bundesbank längerfristige Refinanzierungsgeschäfte mit dreimonatiger Laufzeit im Standardtenderverfahren durch.102 Von der längeren Laufzeit her entsprechen sie dem Rahmen des bisherigen Diskontkredits und tragen zur Verstetigung des Geldmarktes bei.103 Mit Hilfe dieser Geschäfte will die Bundesbank auch kleineren Kreditinstituten den direkten Zugang zu vergleichsweise dauerhafter Notenbankfinanzierung ermöglichen.104 Um kurzfristige Liquiditäts- oder Zinsschwankungen auszugleichen, wickelt die Bundesbank in unregelmäßiger Abfolge Feinsteuerungsoperationen ab, zumeist in Form von befristeten Transaktionen. Dazu nutzt sie üblicherweise Schnelltender (liquiditätszuführende befristete Transaktionen) oder bilaterale Geschäfte (liquiditätsabsorbierende befristete Transaktionen).105 De iure beinhaltet die Befugnis der NZB zur Abwicklung von Feinsteuerungsoperationen ein hohes Maß an geldpolitischer Vollzugskompetenz. Derartige Geschäfte können angesichts ihrer markt- und zeitnahen Wirkung mittels Schnelltender innerhalb einer Stunde getätigt werden, woran ein hohes Maß an zeitlicher Flexibilität und aufgabenbezogener Ressourcenbündelung der Bundesbank deutlich wird. Indes kann sie diesen Einfluss kaum „ausspielen“, da die Feinsteuerungsoperationen de facto nur geringe Bedeutung haben. In der Vergangenheit wurden 98

Selmayr, WM 1999, S. 2429 (2440). V. Abschnitt Nr. 16 Abs. 1 Satz 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04. 2007). 100 EZB, Jahresbericht 2003, S. 82. 101 Ausführlich Bundesbank, Monatsbericht März 2003, S. 15 ff.; EZB, Monatsbericht August 2003, S. 45 ff. 102 V. Abschnitt Nr. 16 Abs. 1 Satz 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04. 2007). 103 Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19 (21); Kümpel, Rn. 20.277. 104 Goetze, S. 102. 105 V. Abschnitt Nr. 16 Abs. 1 Satz 2 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04. 2007). 99

13. Abschn.: Aufgaben der Bundesbank innerhalb des ESZB

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Feinsteuerungsoperationen zumeist zum Ausgleich von Liquiditätsschwankungen in historisch außergewöhnlichen Situationen eingesetzt. So führte das Eurosystem im gesamten Jahr 1999 keinerlei Feinsteuerungsoperationen durch.106 Die erste von zwei107 derartigen Operationen im Jahr 2000 wurde zu Beginn desselben Jahres vollzogen, um den im Zuge der Jahr-2000-Umstellung entstandenen Liquiditätsüberschuss abzubauen.108 Im Übrigen konnte der Liquiditätsbedarf in dieser Zeit ausschließlich über Hauptrefinanzierungsgeschäfte und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte gedeckt werden.109 2001 führte das Eurosystem zwei Feinsteuerungsoperationen durch. Diese dienten der Gewährleistung der normalen Funktionsfähigkeit des Geldmarktes nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten.110 2002 wurden drei Feinsteuerungsoperationen ausgeführt, wobei die ersten beiden dem unerwartet hohen Liquiditätsbedarf nach der Euro-Bargeldeinführung dienten.111 2003 kam es zu einer,112 2004 zu fünf,113 2005 zu neun114 und 2006 zu elf115 Feinsteuerungsoperation(en). In Ausnahmefällen kann der EZB-Rat die Kompetenz zur Durchführung bilateraler befristeter Transaktionen an sich ziehen, indem er diese direkt durch die EZB ausführen lässt.116 Das Recht der EZB zur Selbstvornahme schränkt die Vollzugskompetenz der NZBen ein. Dem EZB-Rat kommt insofern ein an der Subsidiaritätsklausel zu messender Beurteilungsspielraum zu, den er „sachgerecht“ nutzen sollte. Im Übrigen wäre eine vollständige Dezentralisierung der Feinsteuerungsoperationen ohne Zugriff der EZB aufgrund ihrer geringen Häufigkeit nicht als Verstoß gegen die Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) zu werten. Weiterhin führt die Bundesbank strukturelle Operationen117 ohne standardisierte Laufzeit durch. Sie dienen in erster Linie der Anpassung der strukturellen Liquiditätsposition des Finanzsektors gegenüber dem Eurosystem. Auf diese Weise können sowohl dem Markt dauerhaft Liquidität zugeführt als auch die

106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117

Bundesbank, Geschäftsbericht 1999, S. 138. EZB, Jahresbericht 2000, S. 70. EZB, Jahresbericht 1999, S. 53. EZB, Jahresbericht 1999, S. 53. EZB, Jahresbericht 2001, S. 74 f. EZB, Jahresbericht 2002, S. 80. EZB, Jahresbericht 2003, S. 83. EZB, Jahresbericht 2004, S. 90. EZB, Jahresbericht 2005, S. 98. Bundesbank, Geschäftsbericht 2006, S. 31. Ziff. 1.3.1., 3. Sp.-str. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. Ziff. 3.1.5. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12.

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

langfristigen Kreditvorstellungen des ESZB verwirklicht werden. Allerdings kommt auch den strukturellen Operationen nur geringe Bedeutung zu. Im gesamten Jahr 1999 führte das Eurosystem keinerlei strukturelle Operationen durch.118 2001 wickelte die Bundesbank lediglich zwei strukturelle Operationen ab;119 seit 2002 gab es keine derartigen Operationen. bb) Definitive Käufe und Verkäufe In unregelmäßigen Abständen tätigt das Eurosystem endgültige Offenmarkttransaktionen. Während definitive Käufe der Bereitstellung von Liquidität dienen, bezwecken definitive Verkäufe eine Liquiditätsabschöpfung. Demnach kann die Bundesbank am offenen Markt im Wege bilateraler Geschäfte hierfür zugelassene Wertpapiere und sonstige Aktiva (endgültig) kaufen und verkaufen.120 Aus der Vollzugskompetenz der Bundesbank folgt die regelmäßige Aufgabe der NZB, diese Geschäfte (dezentral) durchzuführen.121 Eigene rechtsgestaltende Spielräume sind ihr dabei nicht übertragen. Im Ausnahmefall kann der EZB-Rat derartige Transaktionen an sich ziehen und von der EZB selbst durchführen lassen.122 Im Rahmen der zivilrechtlich ausgestalteten Abwicklung der Offenmarkttransaktionen geht das Eigentum an dem Vermögenswert vollständig vom Käufer auf den Verkäufer über, ohne dass gleichzeitig eine Rückübertragung des Eigentums vereinbart wird.123 Im Hinblick auf die Gestaltung von Kursen und Preisen orientiert sich die Bundesbank an den Usancen des Marktes, die für die bei dem Geschäft verwendeten Schuldtitel gebräuchlich sind. cc) Emission von EZB-Schuldverschreibungen Allein der Abschöpfung von Liquidität dient die Emission von EZB-Schuldverschreibungen. Im Rahmen dessen ist es Aufgabe der Bundesbank als NZB, die Schuldverschreibungen im Tenderverfahren anzubieten und die Geschäfte abzuwickeln.124 Ihre Funktion ist daher auf die einer Ausgabe- und Zahlstelle für die EZB beschränkt.125

118 119 120 121 122 123 124 125

EZB, Jahresbericht 1999, S. 53. EZB, Jahresbericht 2001, S. 74. V. Abschnitt Nr. 20 Abs. AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). Ziff. 3.2. d) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. Ziff. 3.2. d) a. E. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. Ziff. 3.2. b) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. Ziff. 3.3. d) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. V. Abschnitt Nr. 18 Abs. 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007).

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dd) Devisenswapgeschäfte Mit dem Ziel der Feinsteuerung eingesetzt, dienen Devisenswapgeschäfte hauptsächlich zur Steuerung der Liquidität und der Zinssätze am Markt. Sie finden unregelmäßig und ohne standardisierte Laufzeit statt.126 Obwohl der Devisenmarkt Bestandteil der offenen Finanzmärkte ist, beruhen Devisenswapgeschäfte nicht auf der Rechtsgrundlage des Art. 18.1., 1. Sp.-str. ESZB-Satzung, da sie weder auf Drittlandswährungen lautende Forderungen noch börsengängige Wertpapiere sind. Devisenswaps verkörpern vielmehr den Tausch von Kapitalbeträgen in unterschiedlichen Währungen einschließlich der damit verbundenen Zinszahlungen. Eine spezielle Rechtsgrundlage für derartige Offenmarktgeschäfte findet sich in Art. 23, 2. Sp.-str. ESZB-Satzung.127 Devisenswapgeschäfte werden – abgesehen von der ausnahmsweisen Durchführung durch die EZB selbst – von der Bundesbank als NZB als bilaterale Geschäfte oder über Schnelltender abgewickelt.128 Eigene normative Spielräume besitzt die Bundesbank dabei nicht. Im Rahmen der (zivilrechtlichen) Ausführung derartiger Geschäfte kauft oder verkauft die Bundesbank zu einem bestimmten Übergangstermin eine ausländische Währung zum Kassakurs gegen einen bestimmten Betrag in Euro und verkauft oder kauft diese gleichzeitig zu einem festgelegten (Rückübertragungs-) Termin und (Termin-)Kurs vom gleichen Geschäftspartner zurück.129 ee) Hereinnahme von Termineinlagen Als Instrument der Feinsteuerung dient die Hereinnahme von Termineinlagen ausschließlich der Liquiditätsabschöpfung. Prinzipiell erfolgt die Hereinnahme von Termineinlagen dezentral durch die Bundesbank als NZB.130 In Ausnahmefällen kann der EZB-Rat entscheiden, dass die bilaterale Hereinnahme von der EZB selbst abgewickelt wird. Auch in diesen Fällen werden die Termineinlagen auf Konten der Bundesbank als NZB unterhalten.131 Da diese Geschäftsart bisher nicht zum währungspolitischen Instrumentarium zählte, bedeutet die Ab-

126

Ziff. 3.4. d) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. Stadler, S. 198. 128 Ziff. 3.4. d) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12; V. Abschnitt Nr. 19 Abs. 3 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 129 V. Abschnitt Nr. 19 Abs. 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 130 Ziff. 3.5. d) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12; V. Abschnitt Nr. 17 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 131 Ziff. 3.5 d) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 127

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

wicklung für die Bundesbank einen – wenn auch geringen – Zuwachs an Vollzugskompetenz. 4. Kreditpolitik a) Allgemeines Auch im Rahmen der Kreditpolitik verfügt die Bundesbank hauptsächlich über Vollzugskompetenzen („Freiheit im Detail“); ihr durch den Wegfall der zinspolitischen Entscheidungsmacht samt der Steuerungselemente bedingter geldpolitischer Einflussverlust tritt deutlich zutage.132 Vor Beginn der WWUEndstufe entschied der deutsche Zentralbankrat autonom über die Zinssätze.133 Aufgrund ihrer stabilen Zinspolitik wurde die Bundesbank zu einer Art „Leitzentralbank“134 der EG-Mitgliedstaaten und bestimmte somit Investitionsentscheidungen in ganz Europa. Im Gegensatz dazu kann im ESZB der Bundesbankpräsident allein mit Hilfe seines Stimmrechts im EZB-Rat Zinsentscheidungen des Eurosystems beeinflussen. Die gewandelte kreditpolitische Stellung der Bundesbank wird durch die Anpassung der §§ 19, 20 BBankG135 und der AGB136 verdeutlicht. Damit wurde die infolge des 5. BBankÄndG137 vorhandene Divergenz zwischen ESZB-Satzung und BBankG (§§ 19, 20 BBankG a. F.) beseitigt. Die mit Streichung des § 15 BBankG zunächst138 existente Regelungslücke wurde durch die Vorschrift zum Basiszinssatz in § 247 BGB geschlossen. Indem der EZB-Rat die Leitzinssätze festlegt (12.1. Satz 2 ESZB-Satzung) und allgemeine Grundsätze (Leitlinien) für die Kreditgeschäfte der NZBen (und der EZB) aufstellt (Art. 18.2. ESZB-Satzung), umreißt er den Handlungsrahmen für die NZBen. Weitergehende dezentrale zinspolitische Entscheidungsbefugnisse der NZBen verbieten sich in einem einheitlichen Währungssystem. Es ist allein der EZB überlassen, die ständigen Fazilitäten auszusetzen oder ihre Bedingungen zu ändern.139 132 Siehe zur Kreditpolitik der Bundesbank, 3. Abschnitt, D. III., sowie zu den Einflüssen infolge währungspolitischer Integration, 7. Abschnitt, E. und 8. Abschnitt, E. 133 Siehe zur Festlegung der Diskont- und Lombardsätze durch den Zentralbankrat, 3. Abschnitt, D. III. 2. a). 134 Siehe zur früheren Rolle der Bundesbank, 7. Abschnitt, E. und 8. Abschnitt, E. 135 Das 7. BBankÄndG korrigierte die „Versehen“ in § 19 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, 2 und § 19 Abs. 2 BBankG (a. F.). 136 V. Abschnitt Nr. 22 und 23 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 137 Siehe dazu oben, 8. Abschnitt, A. III. 1. 138 Als „Übergangslösung“ diente vorübergehend das Diskont-Überleitungs-Gesetz (DÜG) vom 09.06.1998, BGBl. I, S. 1242, aufgehoben durch das Gesetz zur Aufhebung des Diskont-Satz-Überleitungs-Gesetzes (DÜGAufhG) vom 26.03.2002, BGBl. I, S. 1219.

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Beide ständigen Fazilitäten werden von den NZBen, also dezentral verwaltet. Entsprechend Art. 18.1., 2. Sp.-str. ESZB-Satzung gibt die EZB den NZBen einen Rahmen für die ständigen Fazilitäten vor und überlässt es den NZBen, die Kreditlinien auf die einzelnen Geschäftsbanken zu verteilen und ihre Nutzungsart festzulegen. Diese Regelung vereint ausschließliche Festlegungsbefugnis der EZB mit Vollzugskompetenz der NZBen, im Rahmen derer der Bundesbank die Verteilung der Kreditlinien sowie die Festlegung der Nutzungsart verbleiben. Ebenso wie Offenmarktgeschäfte bedürfen die Kreditgeschäfte des Eurosystems einer Unterlegung mit Sicherheiten. Der bis Anfang 2007 bestehende Ermessensspielraum der Bundesbank bei der Definition der Sicherheiten140 (Kategorie 2) ist nunmehr eingeschränkt141. Die Bundesbank kann das operative Kreditgeschäft142 nur noch auf der Grundlage des einheitlichen Sicherheitenverzeichnisses der EZB abwickeln. Soweit die Geschäftspartner über derartige Sicherheiten verfügen, können sie ständige Fazilitäten unbeschränkt beanspruchen. Im Übrigen ist die Bundesbank für die technische Abwicklung der Refinanzierungsgeschäfte zuständig. Zu diesem Zweck führt sie Konten der Geschäftspartner.143 Erleichtert wird die technische Abwicklung dadurch, dass die Bundesbank nun alle Geschäfte in Form von Darlehen tätigt.144 b) Spitzenrefinanzierungsfazilität Die beiden vom Eurosystem angebotenen ständigen Fazilitäten – Spitzenrefinanzierungsfazilität und Einlagefazilität – sind für die Bereitstellung oder Abschöpfung von Liquidität bis zum nächsten Geschäftstag konzipiert. Die Zinssätze der beiden ständigen Fazilitäten begrenzen somit die mögliche Schwankungsbreite des Tagesgeldsatzes am Interbankenmarkt. Der vom EZB-Rat festgelegte Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität (SRF-Satz) markiert dabei die Obergrenze des Leitzinskorridors.145 Der SRFSatz ersetzt den früheren Lombardsatz146 der Bundesbank (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 DÜGAufhG, § 1 LombardV147), mit dem er am ehesten vergleichbar ist148. Im

139

Ziff. 4.1. d) des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. Bundesbank, Monatsbericht Januar 1998, S. 25 (27). 141 Siehe dazu oben, 2. b). 142 Ziff. 6.1. Satz 2 des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 143 Das frühere Nebeneinander von Darlehen (Lombardkredit), Wechselankauf und Pensionsgeschäften ist entfallen; Welteke, in: Die EZB, S. 143 (148). 144 Welteke, ebenda. 145 Schmidt-Räntsch, ZBB 1998, S. 389 (391). 146 Siehe dazu oben, 3. Abschnitt, D. III. 2. a) am Ende. 147 Lombard-Überleitungs-Verordnung vom 18.12.1998, BGBl. I, S. 3819. 148 Kümpel, Rn. 20.282. 140

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

Gegensatz zur – ursprünglich – zeitlich begrenzten Überleitung des Diskontsatzes erfolgte die Festlegung des SRF-Satzes auf unbefristete Zeit.149 Im Rahmen der Spitzenrefinanzierungsfazilität stellt die Bundesbank als NZB Liquidität entweder in Form von Übernacht-Pensionsgeschäften oder als besicherter Übernachtkredit zur Verfügung.150 Eine am Ende eines Geschäftstages bestehende Kontenüberziehung wertet die Bundesbank als (zivilrechtlichen) Antrag des Geschäftspartners auf Inanspruchnahme eines Übernachtkredits in Höhe der Überziehung.151 Offene Sollsalden am Tagesende werden also automatisch, wie beim bisherigen Giroüberziehungslombard, in den Übernachtkredit übergeleitet.152 Der Übernachtkredit ist verzinst an dem auf die Inanspruchnahme folgenden Geschäftstag zur Rückzahlung fällig. Anders als beim Diskontgeschäft, für das die Bundesbank institutsspezifische Kontingente vorsah, unterliegt die Inanspruchnahme der Spitzenrefinanzierung keiner Beschränkung.153 In den letzten Jahren wurde die Spitzenrefinanzierungsfazilität im Eurosystem – bezogen auf den kalendertäglichen Durchschnitt – nur in geringem Ausmaß und mit stetig rückläufiger Tendenz beansprucht (2000: 0,4 Milliarden A;154 2001: 0,7 Milliarden A;155 2002: 0,3 Milliarden A;156 2003: 0,3 Milliarden A;157 2004: 0,2 Milliarden A;158 2005: 0,1 Milliarden A;159 2006: 126 Millionen A160), wobei der Anteil der Bundesbank jeweils einen beachtlichen Umfang erreichte (2000: 0,3 Milliarden A;161 2001: 0,4 Milliarden A;162 2002: 0,2 Milliarden A;163 2003: 0,2 Milliarden A;164 2004: 0,1 Milliarden A;165 2005: 0,075 Milliarden A;166 2006: 82 Millionen A167).

149

Hartenfels, WM 1999, Sonderbeilage 1, S. 1 (29 a. E.). Ziff. 4.1. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12; V. Abschnitt Nr. 22 Abs. 1 AGB Bundesbank (Stand: 01.01.2005). 151 V. Abschnitt Nr. 22 Abs. 3 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 152 Bundesbank, Monatsbericht November 1998, S. 19 (22). 153 Hartenfels, WM 1999, Sonderbeilage 1, S. 1 (42). 154 Bundesbank, Geschäftsbericht 2000, S. 135. 155 Bundesbank, Geschäftsbericht 2001, S. 160 f. 156 Bundesbank, Geschäftsbericht 2002, S. 142. 157 Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 139. 158 Bundesbank, Geschäftsbericht 2004, S. 124. 159 Bundesbank, Geschäftsbericht 2005, S. 100. 160 Bundesbank, Geschäftsbericht 2006, S. 31. 161 Bundesbank, Geschäftsbericht 2000, S. 135. 162 Bundesbank, Geschäftsbericht 2001, S. 160 f. 163 Bundesbank, Geschäftsbericht 2002, S. 142. 164 Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 139. 165 Bundesbank, Geschäftsbericht 2004, S. 124. 166 Bundesbank, Geschäftsbericht 2005, S. 100. 167 Bundesbank, Geschäftsbericht 2006, S. 31. 150

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c) Einlagefazilität Demgegenüber wird die Untergrenze des Zinskanals mit dem vom EZB-Rat festgesetzten Zinssatz für die Einlagefazilität markiert.168 Ebenso wie die Spitzenrefinanzierungsfazilität stellt die Einlagefazilität für die Bundesbank nach Wegfall des – ohnehin durch Bedeutungsverlust gekennzeichneten169 – Diskontsatzes ein neues geldpolitisches Instrument dar. Ersetzt wurde der frühere Diskontsatz durch den neuen „Basiszinssatz“ (§ 247 BGB). Der Basiszinssatz stellt einen künstlichen Zinssatz dar, der sich zwar an Marktzinsen orientiert, deren Schwankungsbreite aber nicht exakt nachgezeichnet wird.170 Die ursprünglich im Gesetz vorgesehene, dreijährige Befristung171 des Basiszinssatzes bis zum 31. Dezember 2001 ist entfallen.172 Entsprechend der einschlägigen Verordnungsermächtigung (§ 2 Abs. 2 DÜGAufhG) hat die Bundesregierung mit der Basiszinssatz-Bezugsgrößen-Verordnung (BazBV)173 als Referenzwert für den Basiszinssatz den Zinssatz für das längerfristige Refinanzierungsgeschäft (LRGSatz) als geldpolitisches Steuerungselement der EZB festgelegt. Infolge der relativen Stetigkeit ähnelt der LRG-Satz in seiner Wirkung dem früheren Diskontsatz der Bundesbank. Nehmen die Geschäftspartner die Einlagefazilität in Anspruch, so legen sie Übernachtliquidität bis zum Beginn des nächsten Geschäftstages bei der Bundesbank zu dem im voraus von der EZB festgesetzten Zinssatz an.174 Auch die Einlagefazilität wurde in den letzten Jahren – bezogen auf den kalendertäglichen Durchschnitt – nur in geringem Ausmaß und mit sinkender Tendenz beansprucht (2000: 0,5 Milliarden A;175 2001: 0,4 Milliarden A;176 2002: 0,2 Milliarden A;177 2003: 0,2 Milliarden A;178 2004: 0,2 Milliarden A;179 2005: 0,1 Milliarden A;180 2006: 157 Millionen A181), wobei der Anteil der Bundes168

Ziff. 4.2. des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. Schmidt-Räntsch, ZBB 1998, S. 389 (390). 170 Ausführlich zur Funktionsweise des Basiszinssatzes Schmidt-Räntsch, ZBB 1998, S. 389 (390 f.). 171 Samm, Außenwirtschaftliche Praxis 1999, S. 53 (54). 172 Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf den Euro vom 27.06.2000, BGBl. I, S. 901. 173 Basiszinssatz-Bezugsgrößen-Verordnung vom 10.02.1999, BGBl. I, S. 139. 174 V. Abschnitt Nr. 23 Abs. 1 AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 175 Bundesbank, Geschäftsbericht 2000, S. 135. 176 Bundesbank, Geschäftsbericht 2001, S. 161. 177 Bundesbank, Geschäftsbericht 2002, S. 142. 178 Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 139. 179 Bundesbank, Geschäftsbericht 2004, S. 124. 180 Bundesbank, Geschäftsbericht 2005, S. 100. 181 Bundesbank, Geschäftsbericht 2006, S. 31. 169

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

bank beachtlich war (2000: 0,3 Milliarden A;182 2001: 0,3 Milliarden A;183 2002: 0,2 Milliarden A;184 2003: 0,2 Milliarden A;185 2004: 0,1 Milliarden A;186 2005: 0,05 Milliarden A;187 2006: 80 Millionen A188). 5. Mindestreservepolitik Mit Verordnung EZB/2003/9189 und auf der Grundlage ihrer Rechtssetzungsbefugnisse190 hat die EZB die Mindestreserveregeln des Eurosystems konkretisiert. Obwohl de iure ein größerer Spielraum der NZBen („mehr Freiheit in den Grundsätzen“) bei der Festsetzung der Mindestreserven denkbar gewesen wäre, hat die EZB von ihrem Ermessensspielraum (Art. 19.1. ESZB-Satzung) erwartungsgemäß191 keinen Gebrauch gemacht. Allerdings hätten selbst größere Freiräume der NZBen bei der Festsetzung der Mindestreservesätze mit Blick auf das Ziel einer einheitlichen Geldpolitik allenfalls für eine kurze Übergangszeit Bestand haben können.192 Daher stellt die Verfahrensweise der EZB auch keinen Verstoß gegen die Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) dar. Im Übrigen sehen auch die EZB-Leitlinien193 eine derartige Beteiligung der NZBen im Bereich der Mindestreserve nicht vor. Infolge des Wegfalls der Entscheidungsmacht194 bei der Festlegung der Mindestreservesätze wird die Bundesbank von der EZB im Sinne des Dezentralisierungsprinzips (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) nur zur operativen Durchführung des Mindestreservesystems herangezogen. So verlangt die EZB von den Kreditinstituten, dass diese entsprechend den Mindestreservevorschriften die von ihnen zu leistenden Mindestreserven ausschließlich auf Konten bei der je-

182

Bundesbank, Geschäftsbericht 2000, S. 135. Bundesbank, Geschäftsbericht 2001, S. 161. 184 Bundesbank, Geschäftsbericht 2002, S. 142. 185 Bundesbank, Geschäftsbericht 2003, S. 139. 186 Bundesbank, Geschäftsbericht 2004, S. 124. 187 Bundesbank, Geschäftsbericht 2005, S. 100. 188 Bundesbank, Geschäftsbericht 2006, S. 31. 189 Ursprünglich: VO (EG) Nr. 2818/98 der Europäischen Zentralbank vom 01.12. 1998 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht; ABl.EG Nr. L 356, S. 1; neugefasst durch VO (EG) Nr. 1745/03 der Europäischen Zentralbank vom 12.09.2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2003/9), ABl.EG Nr. L 250, S. 10. 190 Siehe dazu oben, 10. Abschnitt, D. II. 2. b) cc). 191 Brosius-Gersdorf, S. 285; Galahn, S. 205; Janzen, S. 181; Studt, S. 260. 192 Potacs, EuR 1993, S. 23 (36). 193 Ziff. 7.1. Satz 2 des Anhangs zur Leitlinie EZB/2006/12. 194 Zur früheren Mindestreservepolitik der Bundesbank, 3. Abschnitt, D. V., sowie zu den Einflüssen infolge währungspolitischer Integration, 7. Abschnitt, F. und 8. Abschnitt, E. 183

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weiligen NZB unterhalten. Diese Art der Reservehaltung begünstigt den Grundsatz der dezentralen Umsetzung der Geldpolitik und wirkt zugleich Zentralisierungstendenzen entgegen. Die reservepflichtigen Institute sind bestrebt, den durch die Reservepflicht entstehenden Zentralbankgeldbedarf vor Ort, das heißt bei der „eigenen“ NZB zu decken.195 Die Liquiditätspufferfunktion erhöht somit den Selbstregulierungsgrad des Geldmarktes. Würde kein Mindestreservesystem existieren, wäre die auf Offenmarktgeschäfte ausgerichtete Zentralbankgeldversorgung nur in einem stärker zentralisierten System denkbar.196 Die Mindestreserve findet in den AGB der Bundesbank keine Erwähnung, da die AGB die Abwicklung der privatrechtlich ausgestalteten, nicht hoheitlichen Instrumente der Geldpolitik regeln.197 Im Übrigen impliziert der Rechtscharakter der Mindestreserveregelung als abstrakt-generelle EZB-Verordnung (Art. 34.1., 1. Sp.-str. ESZB-Satzung) ihre Wirkung im (Außen-)Verhältnis zu den Geschäftspartnern des Eurosystems. Ersatzlos gestrichen wurde daher die bisherige „Anweisung über Mindestreserven“198 der Bundesbank. Einzelheiten über die Höhe der zu unterhaltenden Mindestreserven, Verzinsung sowie Reservebasis, -sätze und -erfüllungsperiode folgen für die reservepflichtigen Institute199 unmittelbar aus der EZB-Verordnung200. Die für die Festlegung der Mindestreserve relevanten reservepflichtigen Bilanzpositionen werden von den mindestreservepflichtigen Institutionen selbst berechnet und der Bundesbank im Rahmen der Geld- und Bankenstatistik der EZB gemeldet. Neben der EZB ist die Bundesbank als NZB berechtigt, die Richtigkeit und Qualität der erhobenen Daten zu überprüfen201 (Art. 9 EZB/ 1998/15). Diese Befugniszuweisung ist mit Blick auf die dezentrale Aufgabenerfüllung (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) sachgerecht. Eine effektive Handhabung der Mindestreserve wird nur durch die bezweckte Kongruenz zwischen

195

Meister/Hofmann, Kreditwesen 1994, S. 210 (214). Alting, S. 242. 197 Siehe dazu oben, 12. Abschnitt, B. III. 2. b) bb) sowie 13. Abschnitt, B. II. 2. 198 Siehe zur früheren AMR und Festlegung der Reservesätze durch die Bundesbank, 3. Abschnitt, D. V. 2. a). 199 Der Kreis der „reservepflichtigen Institute“ bestimmt sich zunächst aus Art. 19.1. ESZB-Satzung, wonach die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute mindestreservepflichtig sind. Wäre – entsprechend dem Wortlaut der ESZB-Satzung – die Mindestreservepflicht tatsächlich auf „Kreditinstitute“ beschränkt, bestünde die Gefahr, dass die Reservepflicht von Kreditinstituten zugunsten anderer Finanzinstitute umgangen würde. Daher ist der Kreis der reservepflichtigen Institute in Art. 2 VO EZB/2003/9 näher spezifiziert. Indes existieren Divergenzen zwischen dem EZB-Begriff des „Kreditinstituts“ und dem im deutschen KWG (§§ 1, 2) normierten „Monetären Finanzinstitut“. 200 VO EZB/2003/9. 201 Art. 9 VO EZB/2003/9. 196

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Aufgabenwahrnehmung und Kontrolle erreicht.202 Das Überprüfungsrecht ist insofern eingeschränkt, als es die EZB jederzeit „an sich ziehen“ kann.203 Die mindestreservepflichtigen Institute müssen ihre Reserven auf Reservekonten bei der jeweiligen NZB halten.204 In Deutschland können wie bisher die für den Zahlungsverkehr eingerichteten Konten verwendet und somit die Guthaben bei der Bundesbank während des Tages für Zahlungsverkehrszwecke herangezogen werden.205 Die Bundesbank ist zur Erteilung einer Erlaubnis befugt, wonach die Mindestreserve auch indirekt über ein anderes Institut unterhalten werden kann. Voraussetzung ist, dass das zwischengeschaltete Institut selbst der Mindestreservepflicht des Eurosystems unterfällt und im selben Land ansässig ist. Dadurch ist es vor allem deutschen Sparkassen möglich, ihre Mindestreserve über das Reservekonto des Spitzeninstituts (meist die Landesbank) abzuwickeln. Im Gegensatz zur früheren Mindestreserve der Bundesbank beginnt die – unverändert einmonatige – Mindestreserveperiode an dem Tag des Monats, an dem das erste Hauptrefinanzierungsgeschäft abgewickelt wird.206 Zudem wird das Mindestreservesoll zum Zinssatz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte verzinst,207 womit dem Bankensystem die aus der Reservepflicht resultierenden Refinanzierungskosten zurückerstattet werden. Von einer kostenmäßigen Belastung oder „Sondersteuer“ der Kreditinstitute kann daher bei der Mindestreserve des Eurosystems keine Rede sein.208 Dadurch entfallen die Anreize, die Mindestreserveverpflichtung zu umgehen. Dies ist für den Finanzplatz Deutschland um so bedeutsamer, als sich für das deutsche Bankensystem mit Beginn der Endstufe der WWU eine Erhöhung des Reservesolls um nahezu ein Drittel ergab.209 Kommt ein reservepflichtiges Institut seiner Mindestreservepflicht nicht nach, kann die EZB Sanktionen, beispielsweise in Form von Strafzinsen (Art. 19.1. Satz 3 ESZB-Satzung), verhängen.210 Als NZB ist die Bundesbank insoweit in 202

Goetze, S. 119. Art. 9 VO EZB/2003/9. 204 Art. 6 VO EZB/2003/9. 205 Bundesbank, Infobrief WWU, Nr. 16, S. 5 (10). 206 Diese Regelung gilt seit dem 10.03.2004, Bundesbank, WWU, S. 71; ausführlich EZB, Monatsbericht August 2003, S. 45 ff. Bis dato begann die Mindestreserveperiode des Eurosystems im Gegensatz zur früheren Regelung bei der Bundesbank am 24. eines Monats. 207 Art. 8 VO EZB/2003/9. 208 Bundesbank, Infobrief WWU, Nr. 16, S. 5 (10). 209 Bundesbank, Monatsbericht Januar 2000, S. 15 (17). 210 VO (EG) Nr. 2532/98 des Rates vom 23.11.1998 über das Recht der Europäischen Zentralbank, Sanktionen zu verhängen, ABl.EG 1998 Nr. L 318, S. 4, ergänzt durch VO (EG) Nr. 985/2001 der Europäischen Zentralbank vom 10.05.2001 zur Än203

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das Sanktionsregime eingebunden, als die EZB den NZBen das Recht übertragen hat, die Richtigkeit und Qualität der Daten zu überprüfen, die von den Instituten zum Nachweis ihrer Reservepflicht vorgelegt werden.211 Des weiteren ist die Bundesbank – ebenso wie die EZB – berechtigt, ein Übertretungsverfahren gegen säumige Institute zu beantragen,212 die im Zuständigkeitsbereich der NZB liegen. Die Einbeziehung der NZBen in einer für das Eurosystem typischen Art und Weise trägt nationalen und regionalen Besonderheiten Rechnung ohne die einheitliche Reservepflicht zu gefährden. 6. Andere geldpolitische Instrumente Neben den beschriebenen geldpolitischen Instrumenten räumt Art. 20 ESZBSatzung dem EZB-Rat die Befugnis ein, mit qualifizierter Mehrheit über die „Anwendung anderer Instrumente der Geldpolitik“ zu entscheiden. Bei einer Entscheidung über den Einsatz neuer Instrumente kann der Bundesbankpräsident seinen Einfluss nur im Rahmen des Stimmrechts im EZB-Rat geltend machen. Sofern derartige Beschlüsse anstehen, sollte der Bundesbankpräsident darauf hinwirken, dass Art. 20 ESZB-Satzung nicht als „Experimentierklausel“ missbraucht wird. Zweifelsohne billigt die Öffnungsklausel213 dem EZB-Rat ein hohes Maß an Flexibilität zu, um auf Entwicklungen an den Finanzmärkten angemessen reagieren zu können. Zudem kann der EZB-Rat die Kreditinstitute zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zwingen, ohne die ESZB-Satzung ändern zu müssen. Bei Beschlüssen hat der Bundesbankpräsident als Mitglied des EZB-Rates daher die Gestaltungsregel des Art. 20 Satz 1 ESZB-Satzung zu beachten, wonach neu eingeführte geldpolitische Instrumente prinzipiell dem Grundsatz offener und wettbewerbsorientierter Märkte entsprechen müssen und gleichzeitig die effiziente Ressourcenallokation im Währungsgebiet nicht verhindern dürfen.214 Als zulässig im Sinne von Art. 20 ESZB-Satzung ist die Festlegung geldpolitischer Zwischenziele in Form von Geldmengen- oder Inflationszielen (Art. 12.1. Satz 2 ESZB-Satzung) anzusehen.215 Indes sind Kreditkontrollen und -plafondierungen sowie Anordnungen, die den Marktzins reglementieren, als dirigistische Maßnahmen einzustufen. Derartige Instrumente würden sich deutlich von marktkonformer Einflussnahme durch Offenmarkt- und Kreditpolitik unterscheiderung der VO EZB/1999/4 über das Recht der Europäischen Zentralbank, Sanktionen zu verhängen (EZB/2001/4), ABl.EG Nr. L 137, S. 24. 211 Art. 6 Abs. 4 VO (EG) Nr. 2531/98 in Verbindung mit Art. 9 VO EZB/2003/9. 212 Art. 3 VO (EG) 2532/98. 213 Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 105 EGV, Rn. 12. 214 Stadler, S. 207; Weenink, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 20, Rn. 2. 215 Hoppe, S. 168; Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 105 EGV, Rn. 12.

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den, bei der Geschäfte von den Banken aus eigenem Entschluss eingegangen werden.216 Angesichts der Schwere des Eingriffs in das Marktgeschehen wären derartige Maßnahmen unter dem Blickwinkel von Art. 20 ESZB-Satzung unverhältnismäßig.217 Im Übrigen dürfte auch die Einführung neuartiger drittverpflichtender Instrumente (Art. 20 Satz 2 ESZB-Satzung) nur in monetären Ausnahmesituationen zulässig sein.218 C. Währungspolitik I. Abgrenzung

Bei der Frage der Mitwirkung der Bundesbank an der Währungspolitik ist zwischen Devisenpolitik sowie Haltung und Verwaltung von Währungsreserven zu unterscheiden. Da beide Befugnisse der internationalen Absicherung der internen Geldpolitik dienen, sind sie systematisch eng miteinander verknüpft. Um Devisenmarktinterventionen durchzuführen, ist es erforderlich, dass sowohl EZB als auch NZBen über Fremdwährungsbestände in ausreichender Menge verfügen. Die getrennte Darstellung beider, wie auch in Art. 105 Abs. 2, 2. und 3. Sp.-str. EG-Vertrag angelegt, ist insofern sinnvoll, als infolge unterschiedlicher Kompetenzen der Rat der EG über den Beitritt zu Wechselkurssystemen (Art. 111 Abs. 2 EG-Vertrag) entscheidet, während das ESZB für die Währungsreserven verantwortlich ist. II. Devisenpolitik

Das ESZB ist berechtigt, im Einklang mit den Vorgaben des Rates der EG (Art. 111 EG-Vertrag) Interventionen an den Devisenmärkten durchzuführen, um den Kurs des Euro zu anderen Währungen (insbesondere US-Dollar, Japanischer Yen) zu beeinflussen (Art. 105 Abs. 2, 2. Sp.-str. EG-Vertrag; Art. 23, 2. Sp.-str. ESZB-Satzung). Damit liegt Art. 111 EG-Vertrag auf der Linie der deutschen (und europäischen) Verfassungspraxis. Vor Eintritt in die Endstufe der WWU oblag nicht der Bundesbank als Zentralbank, sondern der Bundesregierung die außenpolitische Kompetenz für den D-Mark-Außenwert im EWS; de facto wurde die Bundesbank allerdings an den Entscheidungen beteiligt.219 Entsprechend der wechselkurspolitischen Rolle des Rates der EG (Art. 111 Abs. 1 EG-Vertrag) sind dem ESZB in diesem Bereich nur Teilkompetenzen zugewiesen, weshalb der EZB-Rat nach außen nicht selbständig agieren kann. 216

Gaitanides, S. 132. Gaitanides, ebenda; Hoppe, S. 168; Stadler, S. 208. 218 So jedenfalls Stadler, S. 207. 219 Siehe zur früheren deutschen Währungsaußenpolitik, 3. Abschnitt, E. II., 4. Abschnitt, C. II., 5. Abschnitt, A. II. 3. b), 7. Abschnitt, D., 8. Abschnitt, D. 217

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Demnach kommt der Stimme des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat praktisch kaum „wechselkurspolitische Außenwirkung“ zu. Andererseits kann der Rat der EG Entscheidungen im Sinne des Art. 111 Abs. 1 EG-Vertrag nur nach vorheriger Empfehlung der EZB oder der Kommission treffen; in jedem Fall sind die EZB und das Parlament anzuhören.220 Gleiches gilt für die „allgemeinen Orientierungen“ des Rates zur Wechselkurspolitik, die im Übrigen für das ESZB nur unverbindlichen Charakter besitzen.221 Im Hinblick auf einen möglichen Handlungsspielraum der NZBen war bei Errichtung des ESZB die Frage zu klären, ob Interventionsentscheidungen im Falle von Wechselkursturbulenzen zentral von der EZB oder dezentral durch die NZBen getroffen werden. Bei einer dezentralen Entscheidung führen alle NZBen gemäß den Weisungen der EZB Interventionen am Devisenmarkt durch. Dezentrale Interventionen haben den Vorteil der Gleichbehandlung aller nationalen Finanzplätze, erfordern aber eine aufwendige Infrastruktur, beispielsweise ein ausgeprägtes Kommunikationsnetz.222 Im Rahmen der zentralisierten Betrachtungsweise wären Interventionsgeschäfte ausschließlich von der EZB abzuwickeln. Die EZB entschied sich für einen konzentrierten Ansatz, wonach sie als Zentrale im ESZB tätig wird. Das ist eine folgerichtige Lösung, da die Interventionsentscheidung zentral getroffen wird. Es bleibt aber fraglich, inwieweit die zentrale Lösung mit der für alle Aufgaben des ESZB geltenden Subsidiaritätsklausel im Einklang steht. Diesem Prinzip (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) entsprechend hätte die Entscheidung für die dezentrale Abwicklung der Devisenmarktinterventionen fallen müssen. Es ist nicht erkennbar, weshalb die dezentrale Abwicklung der Interventionen durch die NZBen nicht möglich und sachgerecht sein soll. Zweifelsohne erhöht jedoch – ökonomisch betrachtet – der zentrale Einsatz großer Devisenbestände die Schlagkraft des ESZB an den Devisenmärkten. Für die Rolle der Bundesbank als NZB folgt daraus, dass eigenständige Interventionen an den Devisenmärkten zur Beeinflussung der Wechselkurse unzulässig sind. Sofern die EZB Interventionen durchführt, bedient sie sich zur Abwicklung der NZBen. Es ist daher Aufgabe der Bundesbank, der EZB im Interventionsfall Währungsreserven (Art. 105 Abs. 2, 3. Sp.-str. EG-Vertrag) zur Verfügung zu stellen. Angesichts des Grundsatzes wechselkurspolitischer Zurückhaltung223 bilden Devisenmarktinterventionen im Rahmen währungspolitischer Maßnahmen eher 220 221 222 223

Bundesbank, WWU, S. 74. Siehe dazu oben, 10. Abschnitt, C. III. 3. f). Stark, Kreditwesen 1999, S. 914 (917). Bundesbank, Monatsbericht Januar 1999, S. 19 (27).

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

die Ausnahme. Aufgrund ihrer Eigenschaft als hoheitliche, nicht marktkonforme Steuerungsmittel sind derartig schwerwiegende Markteingriffe der EZB nur in Sondersituationen gestattet. Seit ihrer Gründung führte die EZB trotz des sich vorübergehend abschwächenden Euro-Außenwertes zunächst keine Interventionen durch. Die erste und bisher einzige224 Devisenmarktintervention fand am 22. September 2000 statt. Zur Ausführung bediente sich die EZB der Bundesbank sowie der Banque de France und der Banca d’Italia. Die Auswahl der drei NZBen könnte gewisse Spezialisierungstendenzen innerhalb des ESZB andeuten. Da bei der Devisenpolitik die Zuständigkeiten zwischen EZB und Rat der EG (Mitgliedstaaten) getrennt sind,225 ist die getroffene Interventionsabrede als völkerrechtliche Vereinbarung (Art. 23, 1. Sp.-str. ESZB-Satzung) zwischen den NZBen und der EZB als beteiligte (Völker-)Rechtssubjekte zu qualifizieren.226 Für die Bundesbank folgt die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen aus § 4 BBankG. III. Halten und Verwalten der Währungsreserven

Zu Beginn der Endstufe der WWU übertrugen die NZBen Währungsreserven von knapp 40 Milliarden Euro auf die EZB (Art. 30.1. ESZB-Satzung); der Anteil der Bundesbank hieran betrug knapp 25%227. Zum Ausgleich erhielt die Bundesbank ebenso wie die übrigen NZBen eine betragsgleiche Forderung gegen die EZB, die als Teil der Deckungswerte auf der Aktivseite der Bilanz der NZBen erscheint (Art. 30.3. ESZB-Satzung). Die Verwaltung der Währungsreserven ist dezentral organisiert und den NZBen übertragen.228 Dabei haben sich die NZBen an einem von der EZB vorgegebenen Vergleichsportfolio (Benchmark) zu orientieren, das neben den zulässigen Abweichungen auch die Anlageinstrumente und -segmente für das Anlagemanagement vorschreibt.229 Unter laufender Beobachtung durch die EZB nutzen die NZBen den Spielraum inner224 Für das Jahr 2001 EZB, Jahresbericht 2001, S. 80; für das Jahr 2002 EZB, Jahresbericht 2002, S. 85; für das Jahr 2003 EZB, Jahresbericht 2003, S. 90; für das Jahr 2004 EZB, Jahresbericht 2004, S. 93; für das Jahr 2005 EZB, Jahresbericht 2005, S. 101. 225 Siehe dazu oben, 10. Abschnitt, C. III. 3. f). 226 Selmayr, Europa-Blätter 2000, S. 209 (211). 227 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1999, S. 19 (26). 228 Leitlinie der EZB (EZB/2001/5) vom 21.06.2001 zur Änderung der Leitlinie der EZB (EZB/2000/1) vom 03.02.2000 über die Verwaltung der Währungsreserven der EZB durch die NZB sowie über die Rechtsdokumentation bei Geschäften mit Währungsreserven der EZB, ABl.EG Nr. L 190, S. 26 sowie Leitlinie der EZB (EZB/ 2002/6) vom 26.09.2002 über die für die EZB und die NZB bei der Durchführung von geldpolitischen Geschäften und Devisengeschäften mit Währungsreserven der EZB sowie der Verwaltung der Währungsreserven der EZB geltenden Mindeststandards, ABl.EG Nr. L 270, S. 14. 229 Bundesbank, Monatsbericht Januar 1999, S. 19 (27).

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halb der Bandbreiten und Grenzwerte zur Gewinnmaximierung bei der Verwaltung der Währungsreserven. Die Anlage der Währungsreserven wird von den NZBen in offener Stellvertretung für die EZB getätigt, so dass die Geschäftspartner der EZB unterscheiden können, ob die NZBen Operationen im Auftrag der EZB oder zur Verwaltung ihrer eigenen Reserven durchführen.230 Der EZBRat kann die NZBen durch Beschluss zum Nachschuss weiterer Währungsreserven verpflichten (Art. 30.4. ESZB-Satzung).231 Dadurch wird die Kompetenz der NZBen zur Verwaltung von Währungsreserven erneut eingeschränkt. Da die NZBen nur einen geringen Teil ihrer Währungsreserven auf die EZB übertragen haben, verbleibt ihnen der größte Teil der Reserven, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber internationalen Organisationen einsetzen (Art. 31 ESZB-Satzung). Die Bundesbank hält und verwaltet nach wie vor die offiziellen deutschen Währungsreserven.232 Die zuletzt im Jahr 2004 geführte Debatte um Goldverkäufe der Bundesbank233 ist als Versuch staatlicher Stellen zu werten, Einfluss auf die Beschlussorgane der Bundesbank zu nehmen, um die aus Sicht des Finanzministers wünschenswerte Verwendung der Reserven zu erzielen.234 Die Zulässigkeit eines derartigen Umgangs mit (Gold-) Währungsreserven folgt aus Art. 31.2. ESZB-Satzung und würde als „anderes“ Geschäft (Art. 14.4. ESZB-Satzung) nicht zwangsläufig gegen Art. 108 EGVertrag verstoßen.235 Allerdings bedürfen derartige derartige Transaktionen (Art. 23, 2. Sp.-str. ESZB-Satzung) der Bundesbank ab einer vom EZB-Rat festgelegten236 „Bagatellgrenze“ (Art. 31.2. ESZB-Satzung) der Zustimmung der EZB. Ein freies Verfügungsrecht der NZB würde zudem die einheitliche Devisenpolitik der EZB verwässern, da die Gefahr unkoordinierter, unter Umständen auch entgegengesetzter Devisengeschäfte einzelner NZBen bestünde. Im Übrigen ist der psychologische Aspekt im Falle einer Auflösung der (Gold-)Währungsreserven nicht zu unterschätzen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Festigung des Vertrauens in die Währung, was wiederum die Glaubwürdigkeit der NZB stärkt. Währungsreserven sind kein politischer „Schatz“, der in Krisenzeiten beliebig gehoben werden kann. Auch Goldverkäufe können eine „nachhaltige Konsolidierungsstrategie der Finanzpolitik“237 nicht ersetzen. 230

EZB, Jahresbericht 2000, S. 79. VO (EG) Nr. 1010/2000 des Rates vom 08.05.2000 über die Einforderung weiterer Währungsreserven durch die EZB, ABl.EG Nr. L 115, S. 2. 232 Siehe zur früheren Rechtslage, 3. Abschnitt, E. II. 233 Ausführlich Gramlich, WM 2005, S. 1201 ff. 234 Hafke, S. 185 (189, 193). 235 Gramlich, WM 2005, S. 1201 (1207). 236 Zu Einzelheiten siehe EZB-Leitlinie (EZB/2001/5). 237 Statement des Bundesbankpräsidenten Prof. Dr. Axel A. Weber gegenüber „Die Welt“ vom 21.12.2004, veröffentlicht unter www.bundesbank.de/download/presse/pressenotizen/2004/20041220weber_welt.pdf (Stand: 18.07.2007). 231

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

Art. 105 Abs. 3 EG-Vertrag stellt insoweit eine Ausnahmeregelung auf, als das Halten und Verwalten von Arbeitsguthaben in Fremdwährungen seitens der Regierungen der Mitgliedstaaten von den Vorgaben des Art. 105 Abs. 2, 3. Sp.str. EG-Vertrag unberührt bleibt.238 D. Zahlungsverkehr Es ist Aufgabe des ESZB, das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern (Art. 105 Abs. 2, 4. Sp.-str. EG-Vertrag). Innerhalb des ESZB ist die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, entsprechend der Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung), dezentral organisiert. Demzufolge sorgt die Bundesbank auch als integraler Bestandteil des ESZB für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im In- und mit dem Ausland und trägt zugleich zur Stabilität der Zahlungs- und Verrechnungssysteme bei (§ 3 BBankG).239 Die Einführung des Euro verlangte einen einheitlichen Zahlungsraum, repräsentiert durch ein leistungsfähiges und effizientes Zahlungsverkehrssystem. Dadurch wird die Verteilung von Zentralbankgeld im europäischen Geldmarkt zu gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer gewährleistet. Zugleich können Zahlungen im Eurosystem schnell und sicher abgewickelt sowie die solchen Zahlungen innewohnenden Risiken minimiert werden.240 Zu diesem Zweck wurde das von EZB und NZBen gemeinsam betriebene Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem TARGET geschaffen. Das TARGET-System, auch als „Rückgrat des Zahlungsverkehrs“241 bezeichnet, ist als dezentraler Verbund der nationalen Brutto-Echtzeit-Abwicklungssysteme (Real-Time Gross-Settlement, RTGS-Systeme) sowie des European Payment Mechanism der EZB konzipiert. Um eine einheitliche Plattform für die Verarbeitung von Euro-Zahlungen zu bilden, sind die RTGS-Systeme über eine Interlinking-Komponente miteinander verknüpft. Damit ist sichergestellt, dass die Teilnehmer über den bestehenden Zugang zum jeweiligen nationalen System auch grenzüberschreitende Überweisungen abwickeln können. Überwiegend wird TARGET für Interbank-Zahlungen genutzt, beispielsweise aus dem Geldhandels- und Devisengeschäft der Banken. Dabei gewinnt die Inanspruchnahme des Systems durch Banken zur Weiterleitung von Kundenzahlungen an Bedeutung. Das deutsche Kreditgewerbe frequentiert TARGET besonders stark; circa ein Drittel aller TARGETAufträge stammt aus Deutschland oder ist für Deutschland bestimmt.242 Einzel238 Leitlinie der EZB (EZB/2003/12) vom 23.10.2003 gemäß Artikel 31.3 ESZBSatzung für die von den teilnehmenden Mitgliedstaaten ausgeführten Transaktionen mit ihren Arbeitsguthaben in Fremdwährungen, ABl.EG Nr. L 283, S. 81. 239 Siehe zur früheren Rolle im Zahlungsverkehr, 3. Abschnitt, E. III. 240 Smits/Gruber, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 22, Rn. 24. 241 EZB, Monatsbericht April 2002, S. 51 (64). 242 Bundesbank, Monatsbericht Juni 2000, S. 61 (63).

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heiten für den Betrieb von TARGET sowie seiner nationalen Komponenten hat die EZB in ihrer „TARGET-Leitlinie“243 geregelt. Allerdings beschränkt sich die EZB auf Koordinierungstätigkeiten; eine Dominanz ihrerseits ist nicht zu erkennen. Die vorrangige Zuständigkeit für die Überwachung der Verrechnungsund Zahlungssysteme liegt bei den NZBen, da sie enger mit geldpolitischen Transmissionsmechanismen und nationalen Finanzsystemen verbunden sind.244 Der Bundesbank kommt als NZB daher eine nicht zu unterschätzende Kompetenz zu, die zwar kaum rechtliche Gestaltungsspielräume beinhaltet, jedoch aufgrund der zahlungstechnischen Funktion für den deutschen (und europäischen) Bankenmarkt bedeutsam ist. Die Bundesbank agiert nach wie vor als Vermittler im Zahlungsverkehr zwischen den Instituten und den Gironetzen der einzelnen Institutsgruppen. Sie gewährleistet den Zugang zu TARGET über das EchtzeitBruttoverfahren RTGSplus245, das ELS (Euro Link System/Elektronischer Schalter) ablöste. Mit dem RTGSplus-System bietet die Bundesbank erstmals ein liquiditätssparendes Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem an, mit dessen Hilfe die Zahlungen transaktionsorientiert und in Echtzeit verarbeitet werden, die Ausführung der Zahlungen also sofort endgültig und unwiderruflich ist.246 Dementsprechend wurden die AGB der Bundesbank um Bedingungen für grenzüberschreitende TARGET-Aufträge247 erweitert und modifiziert. Die infolge drastischer Umsatzrückgänge248 bei D-Mark-Transaktionen249 erfolgte Neupositionierung der Bundesbank scheint Wirkung zu haben. Die deutschen Banken übernehmen mittlerweile offenbar eine gewisse Verteilerrolle zwischen TARGET-Teilnehmerländern außerhalb und innerhalb des Euro-Währungsraums. Der deutsche Geldmarkt verzeichnet im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr regelmäßige Liquiditätszuflüsse, insbesondere vom Finanzplatz London. Diese Zuflüsse weisen einen deutlichen Gleichlauf mit gleichtägigen Abflüssen in die Mitgliedstaaten des Eurosystems auf. Daraus ist zu schließen, dass der deutsche Geldmarkt als Drehscheibe für die Liquiditätsverteilung im Verhältnis der „Outs“ und „Ins“ fungiert.250

243 Leitlinie (EZB/2001/3) der EZB über eine transeuropäisches Echtzeit-Brutto-Express-Zahlungsverkehrssystem (TARGET) vom 26.04.2001, ABl.EG Nr. L 140, S. 72, in der Fassung der Leitlinie EZB/2002/1, ABl.EG Nr. L 67, S. 4. 244 EZB, Monatsbericht April 2002, S. 51 (55). 245 Ausführlich dazu Bundesbank, Monatsbericht Juni 2000, S. 61 (68 ff.). 246 Kümpel, Rn. 20.22. 247 II. Abschnitt und X. Abschnitt, F. Grenzüberschreitende Überweisungen, Nr. 6 – TARGET-Überweisungen AGB Bundesbank (5. Ausgabe, Stand: 01.04.2007). 248 Den stärksten Umsatzrückgang im Vergleich zu 1998 verzeichnete das EAF-System mit fast 46%; Bundesbank, Geschäftsbericht 1999, S. 128. 249 Dies betraf vor allem Devisenmarktaktivitäten im D-Mark/Dollar-Bereich; Bundesbank, Geschäftsbericht 1999, S. 130. 250 Bundesbank, Monatsbericht Januar 2000, S. 15 (23 f.).

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

Im Oktober 2002 hat der EZB-Rat beschlossen, TARGET in naher Zukunft durch TARGET2 abzulösen. Die EZB verfolgt damit das Ziel, im Interesse der Nutzer und mit Blick auf die EU-Erweiterung die Zugangsbedingungen weiter zu vereinheitlichen und die Kosteneffizienz zu steigern.251 Allerdings wird auch TARGET2 kein einheitliches Zahlungssystem darstellen. Vielmehr steht es den NZBen frei, ihr eigenes Zahlungsverkehrssystem weiter zu betreiben oder sich einer gemeinsam zu betreibenden Plattform anzuschließen. Im Dezember 2004 nahm der EZB-Rat das gemeinsame Angebot von Bundesbank, Banca d’Italia und Banque de France an, eine Gemeinschaftsplattform für TARGET2 zu entwickeln und im Auftrag des Eurosystems gemeinsam zu betreiben.252 Zusammen mit der italienischen und französischen Notenbank wird die Bundesbank maßgeblich an der Umgestaltung des TARGET-Verbunds beteiligt sein. Die rechtliche Zulässigkeit einer derartigen Profilbildung einzelner NZB ergibt sich aus Art. 22 ESZB-Satzung. Sie verdeutlicht zugleich, dass die Bundesbank in ihrer neuen Rolle als integrierte NZB bereit ist, eine „kollektive Verantwortung“ für das gesamte Eurosystem zu übernehmen. E. Bargeldversorgung Neben der EZB ist die Bundesbank als NZB zur Ausgabe von Euro-Banknoten berechtigt (Art. 106 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag). § 14 Abs. 1 Satz 1 BBankG bestätigt dies und beschränkt ihr Notenausgabemonopol auf den Geltungsbereich des BBankG. Beim Notenausgaberecht handelt es sich um eine reine Vollzugskompetenz, da der Bundesbank seit Zugehörigkeit zum ESZB kein eigenständiger Einfluss auf die umlaufende Geldmenge verbleibt.253 Sie hat vielmehr die technische Bereitstellung von Zentralbankgeld zu gewährleisten. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Monopolstellung der gemeinschaftsrechtlichen Ebene in Gestalt der EZB und Vollzugskompetenz der nationalen Zentralbanken widerspiegelt das für das ESZB charakteristische Prinzip der Dezentralisierung (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung). Im Vorfeld der Einführung der Euro-Banknoten zu Beginn des Jahres 2002 (Stufe 3b)254 war die Bundesbank mit der Herstellung des in Deutschland benötigten Banknotenvolumens beauftragt.255 Zudem war sie für Umtausch sowie Aus-dem-Verkehr-ziehen der alten D-Mark-Banknoten verantwortlich. Dazu führte die Bundesbank in Zusammenarbeit mit der EZB die „EURO-2002-Infor251

Smits/Gruber, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 22, Rn. 28. EZB, Jahresbericht 2004, S. 97; dies., Fortschrittsberichte über TARGET2, veröffentlicht unter http://www.bundesbank.de/zahlungsverkehr/zahlungsverkehr_2target. php (Stand: 18.07.2007). 253 Siehe zum früheren Notenausgabemonopol der Bundesbank, 3. Abschnitt, C. 254 Siehe dazu oben, 9. Abschnitt, C. III. 255 EZB, Monatsbericht Januar 2002, S. 61 (61). 252

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mationskampagne“ durch. Um den D-Mark-Bargeldumlauf bereits im Jahre 2001 drastisch zu reduzieren, warb die Bundesbank im Rahmen der EZB-Kampagne „der EURO.UNSER Geld“256 unter dem Motto „Her mit den Schlafmünzen!“257 deutschlandweit für die Akzeptanz des Euro-Bargeldes. Seit der Bargeldeinführung sichert die Bundesbank im Rahmen der dezentralen Kontrolle (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) die Prüfung der Banknoten auf Echtheit und Qualität (Falschgeldüberwachung) und leitet ihre Beobachtungen an das Falschgeld-Analysezentrum der EZB weiter.258 Wie bereits vor Eintritt in die WWU-Endstufe besitzt die Bundesrepublik das Recht zur Münzausgabe,259 wenngleich nunmehr im Rahmen eines Genehmigungsvorbehalts der EZB (Art. 106 Abs. 2 EG-Vertrag). Der Verbleib des Münzregals stellt weniger eine tatsächliche Kompetenz dar, sondern hat eher symbolischen Charakter und widerspiegelt einen Rest mitgliedstaatlicher Souveränität.260 Auf diese Weise sichert sich die Bundesrepublik die (fiskalischen) Erlöse aus der Münzprägung.261 Der Bundesbank obliegt im Rahmen des Münzregals nur die mengenmäßige Kontrolle des ausgegebenen Stückgeldes. Als Bank des Staates bringt sie traditionell im Auftrag des Emittenten die geprägten Münzen in Umlauf und schreibt dem Inhaber des Regals den Nennbetrag gut.262 F. Bankenaufsicht und Stabilität des Finanzsystems I. Unterstützung der nationalen Bankenaufsicht

Die primärrechtlichen Regelungen zur Bankenaufsicht und Stabilität der Finanzsysteme fußen auf zwei Grundsätzen: der nationalen Zuständigkeit und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Diese Prinzipien erleichtern den schnellen Zugang zu Informationen und ermöglichen eine intensive Überwachung der Bankgeschäfte.263

256

Bundesbank, Geschäftsbericht 2001, S. 14. Bundesbank, Geschäftsbericht 2001, S. 14 f. 258 EZB, Monatsbericht Januar 2002, S. 61 (63 f.). 259 Verordnung (EG) Nr. 423/1999 des Rates vom 22.02.1999 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 975/98 über die Stückelungen und technischen Merkmale der für den Umlauf bestimmten Euro-Münzen, ABl.EG Nr. L 52, S. 2; siehe zum früheren Münzregal der deutschen Bundesregierung oben, 3. Abschnitt, C. I. 260 Für die Übertragung des Münzregals auf die EZB: Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 20. 261 Zimmermann, S. 126. 262 Stadler, S. 189. 263 EZB, Monatsbericht April 2000, S. 53 (62). 257

266

Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

Entsprechend dem Prinzip der Heimatlandaufsicht obliegt die Aufsicht über Kreditinstitute auch nach Beginn der 3. Stufe der WWU der nationalen Administration.264 Die dezentrale Wahrnehmung der Bankenaufsicht ist sinnvoll, da die nationalen Behörden über Kenntnisse der nationalen Finanzmärkte und des jeweiligen Bankensektors verfügen. Zudem stehen sie in engem Kontakt zu den der Aufsicht unterliegenden Instituten. Darüber hinaus kann die Bundesbank auch als integraler Bestandteil des ESZB mit Hilfe geldpolitischer Vollzugskompetenz auf die wirtschaftliche Situation der Kreditinstitute und damit auf ihre Bonität unter bankenaufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten einwirken.265 Zwar eröffnet Art. 105 Abs. 6 EG-Vertrag dem Rat der EG die – bisher ungenutzte – Möglichkeit, durch einstimmigen Beschluss auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung der EZB und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Bankenaufsicht auf die EZB (und das ESZB) zu übertragen. Ein förmliches Vertragsänderungsverfahren (Art. 48 EU-Vertrag) ist demnach für den Bereich der Bankenaufsicht nicht erforderlich. Allerdings können nur „besondere“ Aufgaben im Sinne von Teilbereichen übertragen werden (Art. 105 Abs. 6 EG-Vertrag). Demnach scheidet die Übertragung der primären Verantwortung für die Bankenaufsicht auf die EZB (und die NZBen) aus. Im Wege der Selbstbeschränkung nimmt das ESZB keine konkrete institutsbezogene Aufsicht wahr, sondern beschränkt sich auf eine „Makro-Überwachung“266 des Bankensystems. Der Verzicht auf die Primärverantwortung verfolgt den Zweck, latente Interessen- und Zielkonflikte innerhalb des ESZB zu vermeiden.267 Dies trägt dazu bei, eine von spezifischen Belangen der Finanzmärkte unabhängige Geldpolitik zu sichern. Demnach begrenzen die genannten Beratungs- und Mitwirkungsrechte der NZBen (und der EZB) die aufsichtsrechtlichen Kompetenzen des ESZB auf eine Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden in Grundsatzfragen (Art. 105 Abs. 5 EG-Vertrag). Um Konsultationen von gemeinsamem Interesse zu fördern, setzte die EZB einen Ausschuss für Bankenaufsicht ein, der aus Vertretern der nationalen Bankenaufsichtsbehörden, der NZBen und der EZB besteht.268 Bisher funktioniert die Zusammenarbeit im genannten Ausschuss gut, da die NZBen in vielen Fällen stark in die Aufsicht eingebunden sind. Würden sie in dieser Funktion europaweit an Einfluss verlieren, wären gleichzeitig die Koordinierungsmöglichkeiten der EZB beschnitten.269 Zudem wäre es ohne unmittel-

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Siehe dazu unten, 14. Abschnitt, C. Siehe zur früheren Rolle der Bundesbank im Rahmen der Bankenaufsicht, 3. Abschnitt, E. VI. 266 Kümpel, Rn. 20.207. 267 Stark, Kreditwesen 1999, S. 914 (917). 268 Grande, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 25, Rn. 15. 269 Gramlich, in: Pitschas, S. 313 (343). 265

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baren Rückgriff auf Erfahrungen nationaler Aufsichtsbehörden für die EZB schwieriger, ein aktuelles Bild von der Stabilität des Finanzsystems zu erhalten. II. Stabilität des Finanzsystems

Fragen der Stabilität des Finanzsystems sind untrennbar mit der Institutsaufsicht verbunden, da die zu beaufsichtigenden Kreditinstitute potentielle „Störer“ eines soliden Finanzsystems sind. Indem die Bundesbank als NZB auf Informationen der Bankenaufsicht zugreifen kann (§ 7 KWG), gewinnt sie die für ihre Rolle als integraler Bestandteil des ESZB notwendigen Erkenntnisse über die Solvenz ihrer eigenen Kreditnehmer.270 Dies stärkt wiederum die Stabilität des Finanzsystems im Sinne des Art. 105 Abs. 5 EG-Vertrag. G. Statistik Die Verfügbarkeit verlässlicher und vergleichbarer statistischer Daten aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen ist unverzichtbare Grundlage einheitlicher geldpolitischer Entscheidungen. Daraus folgt die Kompetenz der EZB (Art. 5 ESZB-Satzung), in ständigem Dialog mit den NZBen die zur Wahrnehmung der Aufgaben des ESZB erforderlichen statistischen Daten einzuholen.271 Im Hinblick auf die Aufgabenverteilung zwischen EZB und NZBen sieht Art. 5.2. ESZB-Satzung vor, dass die Datenerhebung „soweit wie möglich“ durch die NZBen erfolgt. Aus der Wortlautidentität von Art. 5.2. und Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung folgt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber der Subsidiaritätsklausel im Bereich der statistischen Datenerhebung besondere Bedeutung beimessen wollte. Anhaltspunkte für eine darüber hinausgehende oder abweichende Bedeutung von Art. 5.2. ESZB-Satzung sind nicht ersichtlich. Die EZB darf statistische Daten daher nur dann selbst erheben, sofern die Bearbeitung durch die NZBen nicht möglich und/oder nicht sachgerecht erscheint. Somit stellt die ESZB-Satzung sicher, dass die allgemeinen statistischen Aufgaben zweckmäßigerweise vor Ort ausgeführt werden.272 Wie auch im Bereich der Geldpolitik, ist die Bundesbank273 als NZB im ESZB auf zweierlei Weise an der Erstellung der EZB-Statistiken beteiligt: einerseits durch das Stimmrecht ihres Präsidenten bei der Festlegung der Statistik-Konzepte der EZB und andererseits bei der dezentralen Umsetzung. 270

Bundesbank, Monatsbericht September 2000, S. 33 (36). VO (EG) Nr. 2533/98 des Rates vom 27.11.1998 über die Erfassung statistischer Daten durch die Europäische Zentralbank, ABl.EG Nr. L 318, S. 8. 272 Smits/Kroppenstedt, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 5, Rn. 18. 273 Siehe zur früheren Rolle der Bundesbank bei Statistischen Erhebungen, 3. Abschnitt, E. VII. 271

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

Angesichts der vergemeinschafteten Geld- und Währungspolitik bedürfen die ESZB-relevanten statistischen Erhebungen der NZBen der primärrechtlichen Ermächtigung des Art. 5.2. ESZB-Satzung. Aufgrund dessen verfügt die Bundesbank über die Kompetenz zur dezentralen Erhebung und Sammlung der Daten in ihrem bankstatistischen Meldesystem (§ 18 BBankG). Darüber hinaus obliegt ihr die Aufbereitung der deutschen Daten, was die Prüfung der Meldungen auf sachliche Richtigkeit und Plausibilität sowie die Aggregierung und Feststellung der Ergebnisse einschließt. Bei der Erhebung und Aufbereitung der Daten hat sich die Bundesbank an den EZB-Direktiven274 zu orientieren. Die Gesamtaggregation und Harmonisierung der nationalen Statistiken erfolgt wiederum zentral durch die EZB. Unabhängig von den primärrechtlichen Anforderungen wird die Bundesbank weiterhin die Daten für Strukturanalysen in der Bankenaufsicht erheben und die deutsche Zahlungsbilanz aufstellen. H. Halten des Kapitals der EZB und Gewinnverteilung Die Bundesbank ist, gemeinsam mit den anderen NZBen des Eurosystems, alleiniger Halter des Kapitals der EZB (Art 28.2. ESZB-Satzung). Die föderale Struktur des ESZB ist mit dieser Regelung konsequenter verwirklicht worden als es bei der Bundesbank der Fall war. Nicht die Länder, sondern allein der Bund, dem somit auch die Gewinne zuflossen, fungierte als Anteilseigner der Bundesbank.275 Die Höhe des Kapitalanteils jeder NZB berechnet sich mit Hilfe eines Schlüssels, der sich hälftig nach Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl des jeweiligen Staates richtet (Art. 28.2., 29 ESZB-Satzung). Die Bundesbank hält als größter Kapitalgeber knapp ein Viertel des Gesamtkapitals der EZB;276 ihr Kapitalschlüssel von 24,49% entspricht einem Kapitalanteil von rund Euro 1,2 Milliarden277. Abweichend vom Grundsatz „one country, one vote“ sieht die ESZB-Satzung (Art. 10.3. Satz 1) eine Stimmengewichtung entsprechend dem Kapitalanteil vor. Sofern der EZB-Rat Beschlüsse über die Kapitalausstattung der EZB (Art. 28, 29), die Übertragung von Währungsreserven (Art. 30) und die Gewinnverteilung (Art. 32, 33, 51) fasst, werden die Stimmen der NZB-Präsiden274 Beispielsweise EZB-Leitlinie vom 13.02.2004 zur Änderung der Leitlinie EZB/ 2003/2 über bestimmte statistische Berichtsanforderungen der EZB und die von den nationalen Zentralbanken anzuwendenden Verfahren zur Meldung statistischer Daten im Bereich der Geld- und Bankenstatistik (EZB/2004/1), ABl.EG Nr. L 83, S. 29. 275 Siehe dazu ausführlich oben, 2. Abschnitt, D. I. 276 Potacs, EuR 1993, S. 23 (33). 277 Hammann, Europa-Blätter 2002, S. 30 (30).

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ten entsprechend dem Kapitalanteil gewogen. Um die Entscheidungsautonomie der NZBen über ihr Kapital nicht zu beeinträchtigen, werden in diesen Fällen die Stimmen des Direktoriums mit Null gewichtet. Daraus folgt, dass die NZBen über Kapitalfragen weitgehend frei von Einflussnahme Dritter entscheiden können. Angesichts ihres Kapitalanteils verfügt die Bundesbank in derartigen Fällen über ein erhebliches Stimmengewicht. Indes sind derartige Beschlüsse des EZB-Rates – mit Ausnahme der Währungsreserven – nicht geldpolitischer Natur und somit von nachrangiger Bedeutung; sie berühren lediglich die Interessen der NZBen als Kapitaleigner der EZB. Als Anteilseigner sind die NZBen an Gewinn und Verlust der EZB beteiligt. Abzüglich eines dem allgemeinen EZB-Reservefonds zuzuführenden Betrags (Art. 33.1. lit. a] ESZB-Satzung) wird der Nettogewinn der EZB an die Kapitaleigner ausgeschüttet (Art. 33.1. ESZB-Satzung). Obwohl angesichts des Nominalanteils von knapp 25% eine vergleichsweise hohe Gewinnausschüttung der EZB zugunsten der Bundesbank besteht, ist der Gewinnverteilungsmechanismus (Art. 33.1. ESZB-Satzung) für die Bundesbank nicht unbedingt günstig. Ihre monetären Einkünfte waren vor Beginn der WWU-Endstufe im Vergleich zu Bruttoinlandsprodukt und Bevölkerungszahl höher als bei anderen Mitgliedstaaten. Daher verzeichnete die Bundesbank nach Eintritt in die Endstufe eine erhebliche „Delle“ in den Gewinnen, die mittlerweile jedoch ausgeglichen ist.278 Die Gewinne der Bundesbank beruhten bis 1999 auf den drei Säulen: Zinserträge aus der Refinanzierung inländischer Kreditinstitute, Zinserträge aus der Anlage der Währungsreserven und Erträge aus dem Devisenhandel.279 An den Zinserträgen aus der Refinanzierung ändert sich insoweit wenig, als sich die Geschäftsbanken nunmehr hauptsächlich über Offenmarktkredite sowie ständige Fazilitäten refinanzieren. Gewinneinbußen der Bundesbank resultieren allerdings aus der Pflicht zur Verzinsung der Mindestreserveguthaben.280 Im Hinblick auf die Zinserträge aus Währungsreserven verbleiben der Bundesbank zum einen die Erträge aus den eigenen Währungsreserven, zum anderen werden die Erträge aus dem an die EZB übertragenen Kapital je nach Kapitalanteil an die NZBen ausgeschüttet (Art. 30.2., 30.3. ESZB-Satzung). Die dritte Säule bilden unverändert die Erträge und Aufwendungen aus dem Devisenhandel und der Bewertung der Währungsreserven. 278 Der Jahresüberschuss der Bundesbank verringerte sich von 6447 Mio. A im Jahr 1998 auf 3903 Mio. A im Jahr 1999 (Bundesbank, Geschäftsbericht 1999, S. 176) und sank nach zwischenzeitlicher Steigerung auf den Tiefstand von 248 Mio. A im Jahr 2003, Geschäftsbericht 2003, S. 180. Seit dem Jahr 2004 steigt der Jahresüberschuss wieder stetig an. So wurden für 2004 ein Jahresüberschuss von 676 Millionen A (Geschäftsbericht 2004, S. 152), für 2005 2,86 Milliarden A (Geschäftsbericht 2005, S. 125) und für 2006 bereits 4,2 Milliarden A (Geschäftsbericht 2006, S. 128) ausgewiesen. 279 Hammann, Europa-Blätter 2002, S. 30 (35). 280 Hammann, Europa-Blätter 2002, S. 30 (36).

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

Die Verwendung des Gewinns ist – mangels primärrechtlicher Regelungen – den NZBen selbst überlassen. Unter Beibehaltung des bisherigen § 27 BBankG führt die Bundesbank den erwirtschafteten Reingewinn überwiegend den gesetzlichen Rücklagen zu sowie an den Bund ab. I. Beteiligung an internationalen Organisationen I. Überblick

In der Frage der Beteiligung der Bundesbank an internationalen Organisationen kulminiert das Problem divergierender währungs- und wirtschaftspolitischer Zuständigkeiten.281 Die Kompetenzabgrenzung erwies sich in zweifacher Hinsicht als problematisch: einerseits zwischen EG und Mitgliedstaaten, andererseits auf der Gemeinschaftsebene zwischen EZB und Rat der EG (ECOFINRat). Angesichts national-staatlicher Mitgliedschaftsrechte in internationalen (Währungs-)Organisationen befindet sich das Eurosystem in einem Spannungsfeld zwischen nationalen Politiken und währungspolitischer Einheit, in dem latente Interessenkonflikte nicht auszuschließen sind. Die völkerrechtliche Praxis zeigt jedoch, dass die flexibel angelegte Kompetenzordnung mittlerweile im Begriff ist, sich durch Übung zu verfestigen und zu stabilisieren.282 Die Bundesbank fungiert auch nach Beginn der Endstufe der WWU als eigenständige nationale Zentralbank,283 weshalb sowohl BBankG (§ 4) als auch ESZB-Satzung (Art. 6.2.) die prinzipielle Möglichkeit der Beteiligung der NZBen an internationalen Organisationen und Gremien vorsehen.284 Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die NZBen die innerhalb des ESZB bestehende Kompetenzverteilung zu berücksichtigen haben. Der EZB kommt keine generelle völkerrechtliche Vertragsabschlußkompetenz auf dem Gebiet des Währungsrechts zu.285 Um das Eurosystem auf internationaler Ebene mit einheitlicher Stimme sprechen zu lassen, ist der EZB jedoch die Entscheidung über die Außenvertretung des ESZB in internationalen Gremien übertragen (Art. 6.1. ESZB-Satzung). Daneben entscheidet der Rat der EG über den gemeinsamen Standpunkt der EG auf internationaler Ebene zu Fragen, die von besonderer Bedeutung für die WWU sind, sowie über die Außenvertretung unter Berücksichtigung bestehender Zuständigkeiten (Art. 111 Abs. 4 EG-Vertrag). Daher ist der ECOFIN-Rat in seiner Beschlussfassung gemäß Art. 111 Abs. 4 EG-Vertrag eingeschränkt, da er die Zuständigkeiten des ESZB und dessen Au-

281 282 283 284 285

Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 105 EGV, Rn. 18. Stumpf, ZaöRV 63 (2003), S. 1075 (1086). Siehe zu den Einflüssen der währungspolitischen Integration, 8. F. Smits, ECB, S. 420 ff. Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 105 EGV, Rn. 19.

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tonomie zu beachten hat.286 Der Rat kann jedoch die Außenvertretung der EG dem ESZB übertragen. In diesem Fall entscheidet der EZB-Rat darüber, durch wen das ESZB international vertreten wird. Für die Beteiligung einer NZB ist daher entscheidend, inwieweit die Einbindung in eine internationale Organisation nationale oder Gemeinschaftszuständigkeiten tangiert und welche Mitglieder respektive Anteilseigner diese akzeptiert.287 II. Internationaler Währungsfonds

Als ständiges Forum zur Konsultation unterstützt der IWF288 die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Währungspolitik. Neben seiner Verpflichtung zur ausgewogenen Unterstützung des Welthandels soll der IWF die Stabilität der Währungen fördern, geordnete Währungsbeziehungen unter den Mitgliedstaaten aufrechterhalten und Währungsabwertungen aus Wettbewerbsgründen vermeiden sowie bei der Errichtung multilateraler Zahlungssysteme mitwirken (Art. I IWF-Übereinkommen). Als intergouvernementale Vereinbarung akzeptiert das IWF-Übereinkommen nur Staaten, nicht aber supranationale Institutionen, als Anteilseigner und Kapitalgeber (Art. 2 Abschnitt 1 und 2 IWF-Übereinkommen). Eine eigene IWF-Mitgliedschaft von EG, ESZB oder EZB scheidet trotz des hohen Vergemeinschaftsgrades somit aus.289 Dennoch räumte das Exekutivdirektorium des IWF am 21. Dezember 1998 der EZB Beobachterstatus ein.290 Solange die IWF-Mitgliedstaaten der EZB nicht im Wege einer IWF-Satzungsänderung eine mitgliedschaftliche Position zuerkennen, vertritt der EZB-Beobachter die Position des ESZB im IWFExekutivdirektorium.291 Darüber hinaus respektiert die EG diejenigen völkerrechtlichen Rechte und Pflichten, die die Mitgliedstaaten vor dem jeweiligen Zeitpunkt ihres Beitritts eingegangen sind (Art. 307 Abs. 1 EG-Vertrag; Art. 31.1. und 23 ESZB-Satzung). Insoweit verfügen die Mitgliedstaaten weiterhin über die Kompetenz, international aufzutreten und sogar Veränderungen solcher Abkommen zu beschließen.292 Deutschland ist seit 1952 IWF-Mitglied (Art. 1 IWF-Gesetz)293 und wurde bisher durch den Bundesbankpräsidenten im IWF-Gouverneursrat 286

Smits, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 6, Rn. 4. So auch Stumpf, ZaöRV 63 (2003), S. 1075 (1081). 288 Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, B. 289 Ebenso Potacs, in: Schwarze, EU, Art. 111 EGV, Rn. 7; anderer Auffassung ist Smits, ECB, S. 444. 290 Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 105 EGV, Rn. 19. 291 Stark, Kreditwesen 1999, S. 914 (917). 292 Smits, ECB, S. 417 ff.; Streinz, Europarecht, 7. Auflage, Rn. 150; Weiß, EuR 2002, S. 165 (180). 293 Siehe dazu oben, 4. Abschnitt, B. 287

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

vertreten (Art. 3 IWF-Gesetz). Daran ändert der Beginn der Endstufe der WWU nichts, da die EG gegenüber dem IWF nicht automatisch zum Rechtsnachfolger der Mitgliedstaaten wird.294 Art. 111 Abs. 5 EG-Vertrag unterstreicht dieses Ergebnis, da er als lex specialis zu Art. 307 Satz 1 EG-Vertrag295 den Mitgliedstaaten insoweit externe währungspolitische Kompetenz einräumt, als Altverträge bestehen. Jedoch dürfen die Mitgliedstaaten, da zur Gemeinschaftstreue (Art. 10 EG-Vertrag) verpflichtet, die EG-Währungspolitik nicht konterkarieren (Art. 307 Satz 2 EG-Vertrag).296 Im Zuge der Umsetzung der deutschen IWF-Verpflichtungen agiert die Bundesbank als Fiskalagent, somit formal als „Geschäftspartner“ des IWF. Zudem ist sie kontenführende Hinterlegungsstelle (Art. 4 IWF-Gesetz).297 III. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

Die im Jahre 1930 von sechs NZBen298 und einer US-amerikanischen Bankengruppe errichtete Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz in Basel basiert auf mehreren völkerrechtlichen Abkommen299. Die NZBen fungieren als Anteilseigner der als Aktiengesellschaft gegründeten BIZ. Als ex-officio-Mitglied des Verwaltungsrates hat der Bundesbankpräsident Einfluss auf die Politik der BIZ. Diese Mitgliedschaftsrechte bleiben unverändert erhalten (Art. 307 Satz 1 EG-Vertrag). Die Bundesbank ist als NZB mit Zustimmung der EZB (Art. 6.2. ESZB-Satzung; § 4 BBankG) weiterhin an der BIZ beteiligt. Die EG kann ohne Änderung des Abkommens nicht Mitglied der BIZ werden.300 Allerdings hält inzwischen auch die EZB Aktien der BIZ.301 Die BIZ versteht sich hauptsächlich als Kooperationszentrum in Zentralbankfragen. Unter ihrem Dach findet ein enger Informations- und Meinungsaustausch zwischen den Zentralbankpräsidenten der G-10-Staaten302 statt, die re294

Bundesbank, Monatsbericht September 1999, S. 15 (18). Ausführlich Stumpf, ZaöRV 63 (2003), S. 1075 (1084 ff.). 296 Ausführlich zu möglichen Konfliktfällen Weiß, EuR 2002, S. 165 (181 ff.). 297 Bundesbank, Monatsbericht September 1999, S. 15 (22). 298 Neben der deutschen Reichsbank waren die Zentralbanken Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Japans beteiligt. 299 Grundlage der BIZ sind folgende Rechtsakte: Abkommen über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (einschließlich Grundgesetz) vom 20.01.1930, englische und französische Originalfassung 104 League of Nations Treaty Series (LNTS) 441, deutsche Übersetzung: Systematische Sammlung des Bundesrechts (Schweiz) 0.192.122.971; Statuten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vom 20.01. 1930 in der Fassung 27.06.2005; Protokoll über die Immunität der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vom 30.07.1936, deutsche Übersetzung: Systematische Sammlung des Bundesrechts (Schweiz) 0.192.122.971.1. 300 Weiß, EuR 2002, S. 165 (180). 301 Smits, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 6, Rn. 12. 295

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gelmäßig über spezielle Währungs-, Finanzmarkt- und allgemeine Notenbankfragen beraten. Darüber hinaus arbeiten die G-10-Notenbanken in zahlreichen Expertengruppen zusammen, deren Arbeitsschwerpunkte sich über die gesamte Palette der Notenbanktätigkeit einschließlich administrativer Fragen erstrecken.303 IV. G-10-Gruppe

Die G-10-Gruppe entstand im Jahre 1962 als informeller Zusammenschluss der zehn304 wichtigsten Industrieländer. Sie tagt regelmäßig zweimal pro Jahr auf der Ebene der Finanzminister und Zentralbankpräsidenten. Neben der eigentlichen G-10-Gruppe haben die Zentralbankpräsidenten der Länder einen gesonderten Ausschuss gebildet, der einer breit gefächerten Kooperation der NZBen dient und als informelles Treffen stets in Zusammenhang mit den Sitzungen der BIZ tagt. Neben den NZB-Präsidenten der G-10-Staaten, die unverändert teilnehmen, ist nun auch der EZB-Präsident Mitglied der Organisation. Während in den Gründungsjahren der G-10-Gruppe Fragen des internationalen Währungssystems im Vordergrund der Beratung standen, hat sich die Zehnergruppe seither zu einem wichtigen Zentralbankforum über internationale Währungs- und Finanzmarktprobleme entwickelt. J. Kommunikation und Publikation im ESZB Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit und den Finanzmärkten spielt aus zwei Gründen für jede Zentralbank eine Schlüsselrolle: Erstens kann erfolgreiche Kommunikation zur Erreichung der Ziele der Zentralbank beitragen, zweitens erfüllt die Zentralbank mit der Kommunikation einen Teil ihrer demokratischen Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Gerade im Bereich der Geldpolitik ist es unerlässlich, der Öffentlichkeit transparente Angaben über Ziele und Leitlinien zu geben. „Eine Zentralbank sollte sagen, was sie tut, und tun, was sie sagt“.305 Der Umstand, dass es sich bei der EZB um eine verhältnismäßig junge Institution handelt, verleiht dem Zitat besondere Bedeutung. Zudem kommuniziert das ESZB in und mit einem multikulturellen und vielsprachigen Umfeld. Schon angesichts ihrer Erfahrung und Glaubwürdigkeit sind die NZBen für die EZB unverzichtbare Partner bei Maßnahmen der externen Kom302 Zu den Gründungsmitgliedern der G-10-Gruppe gehörten Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, die Niederlande, Schweden und die Vereinigten Staaten. 303 Bundesbank, Internationale Organisationen, S. 190 f. 304 Seit 1984 ist die Schweiz vollgültiges, elftes Mitglied; Bundesbank, Internationale Organisationen, S. 194 f. 305 EZB, Monatsbericht Februar 2001, S. 67 (67).

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

munikation. Daher weist der dezentrale Aufbau des ESZB den NZBen beim Erreichen der kommunikationspolitischen Ziele entscheidende Positionen zu.306 Die Bundesbank steht als NZB auf nationaler und internationaler Ebene in engem Kontakt mit der Öffentlichkeit und den Finanzmärkten. Sie übersetzt die (geldpolitischen) Signale der EZB – nicht nur im wörtlichen Sinne – und passt sie dem nationalen Kontext an.307 Vor dem Hintergrund des neuen Informationsfreiheitsgesetzes hat die „Kontaktpflege“ der Bundesbank mit nationalen Interessengruppen neue Bedeutung erlangt.308 In Reden, Interviews und Beiträgen erläutern der Bundesbankpräsident und die Vorstandsmitglieder vorrangig die Geldpolitik des Eurosystems. Gleichermaßen nehmen sie zu aktuellen Fragen, die Aufgaben des ESZB betreffen, zeitnah Stellung. Zudem informiert die Bundesbank die deutsche (Fach-)Öffentlichkeit weiterhin durch ihre Monatsberichte und statistischen Beihefte sowie durch Geschäftsbericht und Sonderveröffentlichungen. Als Beispiel einer groß angelegten Aufklärung sei auf die im Zuge der Bargeldeinführung von allen NZBen und der EZB durchgeführte „EURO2002-Informationskampagne“ unter dem Motto „der EURO.UNSER Geld“309 verwiesen. K. Faktischer Einfluss Es ist zu betonen, dass die Frage des faktischen Einflusses mangelnde rechtliche Befugnisse keineswegs kompensieren kann. Allerdings lassen sich aus der tatsächlichen Machtstellung von Institutionen zumeist Rückschlüsse auf vergangene und zukünftige Entwicklungen ableiten. Die auf die Stabilitätspolitik der Bundesbank rückführbare Schlüsselrolle der D-Mark ist für die Errichtung der WWU nicht zu bestreiten. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die „Vorbildrolle“ der Bundesbank für die EZB, sofern sie gebilligt wurde, von Tag zu Tag schwindet. Es wäre verfehlt, der EZB nach mehr als acht Jahren ihres Bestehens mangelnde Routine bei der Aufgabenerfüllung vorzuwerfen. Auch hat die Wahl des Sitzes der EZB auf den rechtlichen Handlungsspielraum der Bundesbank weder expansiven noch restriktiven Einfluss. Die Entscheidung für Frankfurt am Main als Sitz der EZB setzt jedoch de facto psychologische Akzente. Sie wird als Zeichen einer politisch unbeeinflussten und stabilitätsorientierten Geldpolitik gewertet. Als „geschichtslose Instanz“310 war 306

EZB, Monatsbericht Februar 2001, S. 67 (68). EZB, Monatsbericht November 2002, S. 63 (68). 308 Zur Frage des „Ob“ und „Wie(weit)“ eines Zugangs zu Informationen bei/von Zentralbanken infolge des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) vom 05.09.2005, BGBl. I, S. 2722, siehe ausführlich Gramlich/Manger-Nestler/Orantek, in: Gramlich/Häde/ Weber/Zehetner, Juristische Wechselreden, S. 21 ff. 309 Bundesbank, Geschäftsbericht 2001, S. 14. 310 Stadler, S. 169. 307

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die EZB ein institutionelles Novum, das zu Beginn seiner Tätigkeit mit Glaubwürdigkeitsdefiziten seitens der Marktteilnehmer und der Öffentlichkeit konfrontiert wurde. Finanzmärkte und Öffentlichkeit verstehen die lokale Nähe der Bundesbank als Signal dafür, dass die EZB ihre Rolle als europäische Währungshüterin mit derselben Stabilitätsausrichtung und politischen Neutralität ausüben will, wie es BdL und Bundesbank seit Ende der vierziger Jahre in Deutschland taten.311 Insofern profitiert die EZB vom „Vertrauensbonus“, den die Bundesbank sich über Jahrzehnte europaweit schuf. Mit der Entscheidung für Frankfurt am Main wurde eine Basis stabilitätspolitischer Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit geschaffen.312 Aus gesellschaftspolitischer Sicht steht außer Frage, dass die Bundesbank in ihrer Rolle als aktive Systemzentralbank wesentlich zur Akzeptanz des gesamten Systems beiträgt. Vertrauen in die Geldpolitik bildet die Grundlage für eine Stabilitätskultur,313 die in Europa erweiterungsfähig und -bedürftig ist. Aus der in der Öffentlichkeit (oft noch) vorherrschenden nationalen Sicht ist das Vertrauen in die einheitliche europäische Geldpolitik umso größer, je stärker bekannte, nationale Elemente im neuen System wiedererkannt werden.314 Nicht nur für die Wirtschaftsteilnehmer in Deutschland ist eine starke Bundesbank, die ihre Position im ESZB nach außen klar kommuniziert, Erfolg versprechend. Die Bundesbank wird als NZB auch zukünftig relevante Veränderungen am Markt im Verhalten der Akteure schneller als die EZB erkennen können, weil sie stärker in den nationalen Kontext involviert ist. De facto nicht zu unterschätzen sind soziokulturelle Aspekte, wie Sprache und geschäftliche Gepflogenheiten, die die NZBen als Vermittler zwischen dem EZB-Rat und den Geschäftspartnern des Eurosystems unentbehrlich machen. Da die Bundesbank auch im Eurosystem für ihre bisherigen Geschäftspartner der regionale Ansprechpartner bleibt, nutzt sie bestehende Kommunikations- und Geschäftsstrukturen.315 Nicht zu unterschätzen ist schließlich der faktische Einfluss, den „gleichgesinnte“ NZB-Präsidenten in Form von Koalitionen ausüben können. Denkbar wäre beispielsweise eine lose, themenbezogene Gruppenbildung ähnlich dem früheren „Hartwährungsblock“.316 Im Rahmen dessen käme dem Bundesbankpräsidenten bei Diskussionen erhebliches Gewicht zu. Als Einflussfaktoren seien die stabilitätspolitischen Erfahrungen der Bundesbank, die Rolle als NZB 311 Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, 1999, Nr. 36, S. 17. („The Bundesbank will continue to play an important role in advising the ECB, even if it’s behind the scenes.“) 312 Stadler, S. 169. 313 Lamfalussy, in: Die Europäische Währung, S. 51 (57). 314 Laschat, Europa-Blätter 2002, S. 2 (4); Stark, Kreditwesen 1999, S. 914 (915). 315 Stark, Kreditwesen 1999, S. 914 (916). 316 Potacs, EuR 1992, 23 (40); Seiter, S. 130.

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

der derzeit größten EG-Volkswirtschaft sowie die Bedeutung des neben London größten europäischen Finanzplatzes genannt. Daher wäre es – aus deutscher Sicht unzweifelhaft – wünschenswert, dass der Bundesbankpräsident durch seine Argumentation in Diskussionen des EZB-Rates andere Mitglieder überzeugte. Denkbar ist, dass die stabilitätsorientierten NZB-Präsidenten der zentralund nordeuropäischen EG-Mitgliedstaaten unter Mitwirkung des Bundesbankpräsidenten Geschlossenheit bei Abstimmungen demonstrieren. Dem gegenüber stünden die Direktoriumsmitglieder sowie die übrigen NZB-Präsidenten. Bedeutung käme der „Stabilitätsallianz“ im Falle von Abstimmungen zu, bei denen die übrigen NZB-Präsidenten und das Direktorium nicht geschlossen auftreten.317 14. Abschnitt

Wahrnehmung anderer Aufgaben durch die Bundesbank A. Grundsätzliches Nationale Zentralbanken sind historisch gewachsene Gebilde. Ihrer geschichtlichen Entwicklung und ihren nationalen Besonderheiten ist es geschuldet, dass sie neben der „Makroaufgabe“, die Geldpolitik des Landes zu steuern, oft eine Reihe „mikroökonomischer“ und „kommerzieller“ Befugnisse wahrnehmen.1 Das Konzept der einheitlichen Geld- und Währungspolitik beabsichtigt nicht, die gewachsenen Strukturen der einzelnen NZBen gewaltsam aufzubrechen und zu vereinheitlichen. Folglich stellt Art. 14.4. ESZB-Satzung ausdrücklich fest, dass jede NZB Aufgaben wahrnehmen darf, die nicht zu denen des ESZB zählen. Erfüllt eine NZB „akzidentielle“2, das heißt nicht unmittelbar auf Währungssicherung bezogene Aufgaben, wird sie in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung tätig (Art. 14.4. Satz 2 ESZB-Satzung). Sofern die Bundesbank außerhalb des Regelungsbereichs der ESZB-Satzung agiert, unterliegt sie zunächst nicht den Direktiven der EZB. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie bei der Erfüllung „anderer Aufgaben“ frei von Einflüssen der EZB handelt. Der EZB-Rat kann mit Zweidrittelmehrheit ein Tätigwerden untersagen, sofern eine Interessenkollision mit den Zielen des ESZB zu befürchten ist (Art. 14.4. ESZB-Satzung a. E.). Das Vetorecht der EZB bindet auch die „eigenen Aufgaben“ der Bundesbank indirekt an die (Stabilitäts-)Ziele des ESZB. Das Recht des EZB-Rates zum Protest verdeutlicht gleichzeitig die 317

Seiter, ebenda. Gnan/Wittelsberger, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 14, Rn. 33. 2 Kämmerer, Grenzen des Europarechts, S. 77 (78); Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 23. 1

14. Abschn.: Wahrnehmung anderer Aufgaben durch die Bundesbank

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für das ESZB charakteristische Unterordnung der NZBen unter die EZB. Die aktuelle Fassung des Art. 14.4. ESZB-Satzung, die als Grund des EZB-Vetos explizit die Unvereinbarkeit mit Systemzielen und -aufgaben nennt, ist bereits als Ausdehnung des Aktionsradius der NZBen zu begreifen. Der Entwurf der Norm vom Oktober 1990 sah vor, dass die EZB ohne Angabe von Gründen eine eigene Aufgabenerfüllung gänzlich unterbinden konnte.3 Das Veto-Recht ist institutionelle Garantie dafür, dass es nicht zu Spannungen zwischen der Tätigkeit des ESZB und den sonstigen Aufgaben der NZBen kommt. Bevor auf einzelne Befugnisse der Bundesbank im Sinne des Art. 14.4. ESZB-Satzung eingegangen wird, soll eine Charakteristik der Rechtsnatur der „anderen Aufgaben“ vorangestellt werden. B. Rechtsnatur der „anderen Aufgaben“ Eingangs ist zu klären, wann eine „andere Aufgabe“ im Sinne des Art. 14.4. ESZB-Satzung gegeben ist. Grundsätzlich denkbar wäre es, eine „andere Aufgabe“ immer dann anzunehmen, wenn sie dem ESZB nicht vollumfänglich zugewiesen ist. Nicht gefolgt werden kann in diesem Zusammenhang der von Goetze4 vertretenen Auffassung, wonach „andere Aufgaben“ nur vorliegen, wenn sie primärrechtlich (EG/ESZB-Satzung) keine Erwähnung finden. Der Autor begründet seinen Standpunkt damit, dass sich die ESZB-Satzung in ihrem Wortlaut selbst widerspräche, meinte sie Aufgaben, die erwähnt werden, dem ESZB aber nur zum Teil zugewiesen sind. Die bloße Nichterwähnung einer Aufgabe kann keine Rückschlüsse auf ihre Rechtsnatur zulassen. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Zusammenhang die Aufgabe genannt wird. Als „andere Aufgaben“ sind daher diejenigen Tätigkeiten der NZBen zu qualifizieren, die den Direktionsbefugnissen der EZB komplett entzogen sind. Zweifelsohne kann die Nichterwähnung solcher Aufgaben im Primärrecht ein Indiz für diese Zuordnung sein, sie ist aber nicht das hierfür allein entscheidende Kriterium. Art. 21.2. ESZB-Satzung belegt diesen Standpunkt. Demnach können die NZBen – ebenso wie die EZB – als Fiskalagenten ihrer nationalen Regierungen tätig werden. Obwohl primärrechtlich erwähnt, unterfällt diese Tätigkeit gerade nicht den Aufgaben des ESZB. Eine Bindung an Leitlinien und Weisungen (Art. 14.3. ESZB-Satzung) findet nicht statt. Dass auch die Fiskalagententätigkeit die Zielkongruenz im Sinne von Art. 14.4. Satz 1 ESZB-Satzung aufweisen muss, spricht nicht dagegen. Entscheidend für die Aufgabenzuordnung im Sinne von Art. 14.4. ESZB-Satzung ist daher, ob die fragliche Befugnis der NZBen 3 Gnan/Wittelsberger, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 14, Rn. 12. 4 Goetze, S. 160 f.

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

Eingang in die expliziten und abschließenden Aufgabenzuweisungen des ESZB (Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag; Art. 3.1. ESZB-Satzung) gefunden hat. Mit Blick auf die genannte Fiskalagententätigkeit (Art. 21.1. ESZB-Satzung) ist dies nicht der Fall. Als weitere Beispiele seien die Beteiligung an der innerstaatlichen Bankenaufsicht sowie die Selbstorganisation der NZBen genannt. Im Hinblick auf die Rechtsnatur der „anderen Aufgaben“ sei klargestellt, dass die NZBen derartige Aufgaben eigenverantwortlich und auf eigene Rechnung wahrnehmen (Art. 14.4. Satz 2 ESZB-Satzung). Als Einrichtungen der Mitgliedstaaten in die nationale Staatsorganisation eingebunden,5 handeln die NZBen nach nationalem Recht. Folglich können „andere Aufgaben“ – ebenso wie die Aufgaben innerhalb des ESZB – als Geschäfte des Zivilrechts oder des öffentlichen Recht erfüllt werden. C. Bankenaufsicht Die Rolle der Bundesbank im Bereich der Institutsaufsicht ist als „andere Aufgabe“ (Art. 14.4. Satz 1 ESZB-Satzung) einzustufen. Wie bereits dargestellt,6 unterfällt die nationale Bankenaufsicht nicht den Vorgaben der EZB. Im Übrigen wird die Bankenaufsicht zwar in Art. 105 Abs. 5, 6 EG-Vertrag, nicht aber in der enumerativen Aufgabenzuweisung an das ESZB (Art. 105 Abs. 2 EG-Vertrag) erwähnt. Art. 105 Abs. 5, 6 EG-Vertrag liegt offenbar die Auffassung der Mitgliedstaaten zugrunde, dass zwischen der Tätigkeit des ESZB und den bankaufsichtsrechtlichen Befugnissen keine Interessenkollision drohe. Das Primärrecht toleriert bewusst die Zusammenarbeit der NZBen mit den nationalen Aufsichtsbehörden, unabhängig von der mitgliedstaatlichen Ausgestaltung der Aufsichtsorganisation.7 Auch würde die Übertragung von Aufsichtsbefugnissen auf die EZB (Art. 105 Abs. 6 EG-Vertrag) voraussetzen, dass die Mitgliedstaaten als Herren der Verträge zuvor entsprechende Souveränitätsrechte auf die EG transferieren. Dies ist bisher nicht geschehen. Dem Prinzip der Heimatlandkontrolle entsprechend verbleibt die Zuständigkeit zur Aufsicht über die Kreditinstitute vollständig bei den nationalen Behörden.8 Insofern bedarf es auch keines Rückgriffs auf Art. 25.2. ESZB-Satzung,9 da sich die dort erwähnte Ermächtigung nur auf eine Mitwirkung der EZB, nicht aber der NZBen, bezieht. In Deutschland ist der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin),10 der Nachfolgebehörde des BaKred, die Aufsicht übertragen (§§ 3, 7, 8 5 6 7 8 9

Siehe dazu oben, 11. Abschnitt, B. IV. Siehe dazu oben, 13. Abschnitt, F. I. Gramlich, in: Pitschas, S. 313 (343). Siehe dazu oben, 13. Abschnitt, F. I. So aber Potacs, EuR 1993, S. 23 (38).

14. Abschn.: Wahrnehmung anderer Aufgaben durch die Bundesbank

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FinDAG11; § 6 Abs. 1 KWG). Entgegen der lange Zeit geforderten „vollständigen Integration der Bankenaufsicht in die Bundesbank“12 entschied sich der Bundesgesetzgeber dafür, die konkrete Institutsaufsicht in die alleinige Verantwortung der neu gegründeten BaFin zu legen. Weder nationales Verfassungsrecht noch europäisches Gemeinschaftsrecht (arg. ex. Art. 105 Abs. 6 EG-Vertrag, Art. 14.4. Satz 2 ESZB-Satzung) verhinderten eine derartige Kompetenzverteilung. Angesichts des mit Eingliederung der Bundesbank in das ESZB verbundenen Verlusts geldpolitischer Entscheidungsbefugnisse sind mögliche Interessenkollisionen zwischen Geldpolitik und Institutsaufsicht13 in den Hintergrund gerückt. Die Übertragung der Institutsaufsicht auf die BaFin war daher nicht zwingend geboten, jedoch auch nicht systemwidrig.14 Die bisherige Befugnisverteilung zwischen Bundesbank und Aufsichtsbehörde blieb weitgehend unverändert und wurde durch gesetzliche Vorgaben konkretisiert.15 Der Bundesbank kommen demnach größtenteils Mitwirkungsfunktionen (Anhörung, Benehmen, Einvernehmen)16 zu, beispielsweise beim Erlass allgemeiner Regeln (Grundsätze, Verordnungen)17. Obwohl ihr die „Durchführung der laufenden Überwachung“ (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KWG) ausdrücklich als zentraler Bestandteil der Zusammenarbeit zugewiesen ist, verfügt die Bundesbank vor allem über Dienstleistungsfunktionen im Berichtswesen (§ 7 Abs. 1 Satz 3, 4 KWG). Sie wirkt gewissermaßen als Filter, durch den nur die bankaufsichtsrechtlich bedeutsamen Fälle an die Aufsichtsbehörde gelangen.18 Durch diese Funktion entlastet sie die BAFin bei der Auswertung von Meldungen, Jahresabschlüssen und Prüfberichten der aufsichtspflichtigen Kreditinstitute.19 Nicht eingeschränkt wird dadurch die verwaltungsverfahrensrechtliche Aufklärungspflicht (§ 24 VwVfG) der BaFin,20 der nach wie vor das alleinige aufsichtsrechtliche Sanktionsrecht zusteht. Offenbar wollte der Bundesgesetzgeber trotz Wegfalls der geldpolitischen Entscheidungsmacht gerade die ordnungspolizeilichen Zwangsmittel der Institutsaufsicht nicht der Bundesbank (mit-)übertragen, da diese zwar die Stellung einer obersten Bundesbehörde (§ 29 Abs. 1 BBankG) 10

Ausführlich zur BaFin Hagemeister, WM 2002, S. 1773 ff. Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG) vom 22.04.2002, BGBl. I, S. 1310; zur Entstehung des FinDAG Gramlich, in: Pitschas, S. 313 (325 ff.). 12 Gramlich, in: Pitschas, S. 313 (348); ausführlich zu den diskutierten Reformmodellen Häde, JZ 2001, S. 105 (108 ff.). 13 Zu derartigen Interessenkonfliten Smits, ECB, S. 324. 14 Gramlich, in: Pitschas, S. 313 (350). 15 Hagemeister, WM 2002, S. 1773 (1779). 16 Ausführlich Bundesbank, Monatsbericht September 2000, S. 33 (38). 17 Bundesbank, Monatsbericht September 2000, S. 33 (37). 18 Geerlings, DÖV 2003, S. 322 (327). 19 Bundesbank, Monatsbericht September 2000, S. 33 (40). 20 Hagemeister, WM 2002, S. 1773 (1780). 11

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

genießt, aufgrund der Sondervorschrift des Art. 88 GG aber nicht Teil der (unmittelbaren) Bundesverwaltung (Art. 87 Abs. 3 GG) ist.21 Zum Zwecke – erstmalig – verbindlicher Zusammenarbeit der Finanzmarktaufseher in Deutschland gründeten BAFin und Bundesbank ein Forum für Finanzmarktaufsicht. Die Einrichtung soll Aufsichtskonzepte und Aufsichtspraktiken im Lichte der europäischen und internationalen Diskussion entwickeln und durch konkrete Vorschläge koordinieren (§ 3 FinDAG).22 Bezogen auf das ESZB sichert die – nunmehr – verbindliche Regelung der Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Bundesbank und BaFin unmittelbaren Erkenntnisgewinn über systemische Risiken und die Stabilität der Finanzsysteme. D. Fiskalagent des Bundes Die Rolle der Bundesbank als Fiskalagent des Bundes und eingeschränkt auch der Länder folgt aus Art. 21.2. ESZB-Satzung. In dieser Funktion unterstützt sie den Bund und die Länder bei der Kreditaufnahme am Kapitalmarkt, führt die Konten und bestreitet den bargeldlosen Zahlungsverkehr der öffentlichen Haushalte (§ 20 BBankG). Ihr obliegt damit eine „andere Aufgabe“ im Sinne des Art. 14.4. ESZB-Satzung. Verschiedene, bisher von der Bundesbank (§ 20 Abs. 2 BBankG a. F.) wahrgenommene Befugnisse des Schuldenmanagements wurden schrittweise auf die im September 2000 gegründete „Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH“ in Frankfurt/Main übertragen. Grund dafür war die Entscheidung des Bundesfinanzministeriums, das Schuldenmanagement des Bundes in eine rechtlich selbständige Gesellschaft auszugliedern, die im Juni 2001 ihre Tätigkeit aufnahm.23 Zum Zweck der Kostenreduzierung bei Kreditaufnahmen übernimmt die Finanzagentur zunächst das bisher durch das Bundesfinanzministerium betreute Schuldenmanagement.24 Die Rolle der Bundesbank als Fiskalagent der Bundesregierung bleibt hiervon jedoch unberührt.25 Als „Hausbank des Staates“ obliegen der Bundesbank neben Sekundärmarkttransaktionen zur Kurspflege Beratungs- und Koordinierungsaufgaben. Sie ist in Gremien vertreten, die die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand koordinieren, so im Ausschuss für Kreditfragen der öffentlichen Hand sowie im Zentralen Kapitalmarktausschuss.26

21 22 23 24 25 26

Ausführlich Häde, JZ 2001, S. 105 (109 ff.). Ausführlich Gramlich, in: Pitschas, S. 313 (324 ff.). Bundesbank, Geschäftsbericht 2001, S. 163. Bundesbank, Geschäftsbericht 2000, S. 143. Kümpel, Rn. 20.184. Bundesbank, Geschäftsbericht 2000, S. 137.

14. Abschn.: Wahrnehmung anderer Aufgaben durch die Bundesbank

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Für öffentliche Stellen führt die Bundesbank die Konten und wirkt bei der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit. Nach Wegfall27 der „§-17Einlagen“28 besteht keine Pflicht von Bund und Ländern (mehr), ihre Einlagen auf Girokonten der Bundesbank zu halten. E. Bank der Banken Als Bank der Banken versorgt die Bundesbank die Kreditinstitute mit Zentralbankguthaben, um die Zahlungsfähigkeit des gesamten Bankensystems sicherzustellen (§ 19 BBankG). Infolge des 7. BBankÄndG wurden die bisherige Beschränkung der Geschäftstätigkeit der Bundesbank auf Kreditinstitute „im Geltungsbereich des BBankG“ aufgehoben und der Kreis möglicher Geschäftspartner auf „Kreditinstitute und andere Marktteilnehmer“ ausgeweitet. Unbeschadet der in Kapitel IV ESZB-Satzung genannten Geschäfte tätigt die Bundesbank vor allem Kredit- und Offenmarktgeschäfte gegen Verpfändung von Sicherheiten (§ 19 Nr. 1 BBankG). Zudem betreibt sie Giro- (Nr. 2), Depot(Nr. 3), Inkasso-Geschäfte (Nr. 4) sowie bankmäßige Auftragsgeschäfte (Nr. 5), Devisen- (Nr. 6) und Auslandsgeschäfte (Nr. 7). Obwohl die Kreditinstitute zur Aufrechterhaltung ihrer Liquidität und Erfüllung ihrer Mindestreservepflicht auf Zentralbankguthaben angewiesen sind, trifft die Bundesbank keine (öffentlich-rechtliche) Pflicht zu derartigen Geschäften. Die Bundesbank tätigt die in § 19 BBankG genannten Geschäfte demzufolge in Rechtsformen des Privatrechts.29 F. Beratende Funktionen Auch nach Beginn der Endstufe der WWU ist die Bundesbank gehalten, die Bundesregierung in Angelegenheiten von wesentlicher währungspolitischer Bedeutung zu beraten und ihr auf Verlangen Auskunft zu geben (§ 13 Abs. 1 BBankG). Im Gegenzug soll die Bundesregierung den Bundesbankpräsidenten zu Beratungen über währungspolitische Fragen hinzuziehen (§ 13 Abs. 2 BBankG). Angesichts der Mitgliedschaft im EZB-Rat ist der Bundesbankpräsident an den Beratungs- und Anhörungsrechten der EZB (Art. 12.4. und Art. 4 ESZB-Satzung) beteiligt.30 Auf diese Weise werden Ergebnisse der Meinungsbildung im EZB-Rat den nationalen Fachgremien zur Kenntnis gegeben und mit den Fragen der nationalen Währungs- und Wirtschaftspolitik verknüpft. 27

Siehe dazu oben, 8. Abschnitt, A. III. 1. Die §-17-Einlagen waren „Tandem“ zu den ebenfalls weggefallenen Kassenkrediten; Häde, NJW 1994, S. 3214 (3215). 29 Siehe dazu oben, 13. Abschnitt, B. II. 2. 30 Siehe dazu oben, 13. Abschnitt, B. I. 28

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Kap. 5: Aufgaben der Bundesbank innerhalb und außerhalb des ESZB

Die regierungsseitige Einflussnahme auf die Bundesbank ist nach Wegfall des aufschiebenden Vetorechts der Bundesregierung (§ 13 Abs. 2 Satz 3 BBankG a. F.) definitiv ausgeschlossen. Anderweitige Regelungen würden dem Unabhängigkeitspostulat (Art. 108 EG-Vertrag; § 12 Satz 1 BBankG) widersprechen. Allerdings soll die Bundesbank, sofern die Zielvorgaben des ESZB nicht gefährdet sind, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unterstützen (§ 12 Satz 2 BBankG). Somit wiederholt das BBankG das europarechtliche Primat der Preisstabilität (Art. 105 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag) und verschafft ihm auf der Ebene des einfachen Gesetzes Geltung. In Ausprägung ihrer Beratungsfunktion trat die Bundesbank in der Vergangenheit zunehmend als Förderer und Moderator in Finanzmarktfragen auf. Beispiele sind Untersuchungen zur institutionellen Aktienförderung.31 Als überparteiliche Institution und beachtlicher Finanzintermediär in Deutschland kann sie anderen Marktteilnehmern helfen, eigenständige Marktusancen zu bestimmen, ohne sie unreflektiert aus dem angloamerikanischen Umfeld zu übernehmen. Allerdings muss und darf die Bundesbank in den Fällen nicht handeln, in denen andere Gremien oder die Kräfte des Marktes zum Eingreifen berufen sind und dies auch leisten können. Zudem sollte die Bundesbank sich nicht als einseitiger Befürworter regionaler oder branchenspezifischer Interessen verwenden.32 Sofern sie Ziele (Preisstabilität) und Grundsätze (Neutralität, Subsidiarität) sowie ihren Handlungsspielraum innerhalb des ESZB ernst nimmt, ist der Einsatz der Bundesbank für die Sicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Finanzplatzes zweifelsohne zu befürworten.

31 32

Goetze, S. 167. Welteke, WM 2000, S. 20 (21).

Kapitel 6

Rechtsschutz und Ausblick 15. Abschnitt

Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB A. Grundsätzliches Die primärrechtliche Kodifizierung der Geld- und Währungspolitik verlangte zwangsläufig die Einbindung von EZB und NZBen als Hauptakteure des ESZB in das Rechtsschutzsystem der Gemeinschaft. Herkömmlicherweise bewegen sich Zentralbanken in einem weniger prozessgeneigten Umfeld, in dem Konflikte bevorzugt durch den Versuch gegenseitiger Überzeugung ausgetragen werden.1 Die Integration der EZB in ein detailreich geregeltes System richterlicher Kontrolle betont und belegt daher die feste Bindung des ESZB an das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit als wichtigem Bestandteil demokratischer Verantwortlichkeit. Überlegungen zu Fragen des Rechtsschutzes runden jede Darstellung rechtlicher Positionen ab. Der Fragestellung der Arbeit entsprechend soll daher folgend geprüft werden, inwieweit die NZBen und speziell die Bundesbank Rechtsschutz vor europäischen (EuGH) und/oder nationalen Gerichten suchen können. Nach der Abgrenzung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Bundesbank auf europäischer und nationaler Ebene ist es zudem sinnvoll, zwischen Klägerund Beklagtenposition zu unterscheiden. Zum einen können Handlungen der EZB die Rechtsstellung der Bundesbank einschränken, wogegen diese klageweise vorgehen will. Zum anderen ist es denkbar, dass die Bundesbank von der EZB oder anderen Marktteilnehmern verklagt wird, da die Geschäftspartner der NZB sich in eigenen Rechten verletzt sehen. B. Zuständigkeitsabgrenzung zwischen EuGH und nationalen Gerichten Als Ansatz der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen EuGH und nationalen Gerichten im Falle von Streitigkeiten des ESZB dient Art. 240 EG-Vertrag. Der Grundsatznorm sind zwei Kernaussagen zu entnehmen: einerseits die Aus1

López Torres, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 35, Rn. 1.

284

Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

schließlichkeit der dem EuGH verliehenen Kompetenzen, andererseits die Zuständigkeit nationaler Gerichte, soweit keine Befugnisse des EuGH bestehen. Art. 35.2. ESZB-Satzung statuiert als lex specialis für die EZB denselben Grundsatz. Demnach sind für Streitigkeiten zwischen EZB und ihren Gläubigern, Schuldnern oder Dritten die mitgliedstaatlichen Gerichte vorbehaltlich der EuGH-Kompetenzen zuständig. Daraus folgt, dass die EZB insofern den Organen der Gemeinschaft gleichgestellt ist. Sie ist so in der Lage, ihre Befugnisse mit Hilfe des EuGH auch gegenüber anderen Institutionen und innerhalb des ESZB durchzusetzen. Zur gerichtlichen Zuständigkeit im Falle des Tätigwerdens der NZBen trifft die ESZB-Satzung keine Aussage. (Rechts-)Handlungen der NZBen unterliegen daher der Rechtskontrolle nationaler Gerichte. Indes werden die nationalen Gerichte, wenn sie ihre Zuständigkeit nach Art. 35.2. ESZB-Satzung ausüben, nicht automatisch als „Gemeinschaftsgerichte“2 tätig, sondern handeln als nationale Richter. Unbenommen bleibt damit freilich die Möglichkeit der nationalen Gerichte, Rechtsfragen über die Gültigkeit und Auslegung von EZB-Recht im Wege der Vorabentscheidung dem EuGH vorzulegen.3 Einzige Ausnahme bilden innersystemare Streitigkeiten zwischen NZBen und EZB, die durch die Spezialnorm des Art. 237 lit. d) EG-Vertrag direkt dem EuGH zugewiesen sind. C. Rechtsschutz vor dem EuGH im Verhältnis von Bundesbank und EZB I. Prüfungsmaßstab des EuGH

Angesichts des Über-/Unterordnungsverhältnisses zwischen EZB und NZBen ist der mögliche Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im Falle von innersystemaren Konflikten von besonderem Interesse. Sofern die Bundesbank nicht im Vorfeld (ex-ante) und mit Hilfe des Stimmrechts ihres Präsidenten im EZBRat die EZB-Politik beeinflussen kann, ist sie an die EZB-Vorgaben gebunden. Ex post bleibt ihr nur die Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle, um inhaltliche Differenzen über bindende EZB-Vorgaben von unabhängiger Seite klären zu lassen. Im Verhältnis EZB – NZBen ist für derartige Fälle aufgrund der Eingliederung des ESZB in die Gemeinschaft der EuGH zuständig (Art. 237 lit. d] EGVertrag). Bevor auf mögliche Konstellationen und Verfahrensarten eingegangen wird, soll der Prüfungsmaßstab des EuGH umrissen werden. In materieller Hinsicht verfügt der EuGH über eine eingeschränkte Kontrolldichte. Der Grund dafür liegt in der überaus begrenzten Justitiabilität monetärer 2 3

Zilioli/Selmayr, Law of ECB, S. 126. Siehe dazu unten, C. III. 3.

15. Abschn.: Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB

285

Begriffe (des Primärrechts). Sowohl die „Bindung an die Preisstabilität“ (Art. 105 Abs. 1 Satz 1 EG-Vertrag) als auch der „Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ (Art. 105 Abs. 1 Satz 3 EG-Vertrag) sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die praktisch nur schwer überprüfbar sind. Dem EZB-Rat steht sowohl bei Festlegung der einheitlichen Geld- und Währungspolitik als auch bei deren Durchführung ein weiter Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu.4 Die Vielgestaltigkeit der Geld- und Währungspolik im Mehr-Ebenen-System ESZB erschwert zudem eine wirksame Kontrolle seitens des EuGH. Diesen Spielraum hat das Gericht zu respektieren. Geldpolitische Entscheidungen stellen einen verselbständigten Abschnitt allgemeiner Wirtschaftspolitik dar, der grundsätzlich in Form globaler Lenkung umgesetzt wird. Die EZB beeinflusst nicht direkt die Einzelentscheidungen der Wirtschaftssubjekte, sondern steuert makroökonomische Größen.5 Der volkswirtschaftliche Kreislauf würde schwere Störungen erleiden, könnten gerichtliche Einzelentscheidungen diese Globalsteuerung „korrigieren“. In konsequenter Fortführung der ständigen Rechtsprechung zum EG-Wirtschaftsrecht6 wird der EuGH die geldpolitischen Entscheidungen der EZB als Handlungen in einer „komplexen wirtschaftlichen Situation“7 einordnen und die gerichtliche Kontrolle von EZB-Handlungen auf ein Minimum begrenzen.8 Der Gerichtshof berücksichtigt in weitem Umfang den Prognosespielraum der Entscheidungsträger, voran der EZB. Die Prüfbefugnis des EuGH ist daher beschränkt auf offensichtliche Fehler oder Willkür bei Tatsachenfeststellung und Prognose über die Wirkung geldpolitischer Entscheidungen sowie bei der Abwägung der Interessen.9 Die gerichtliche Kontrolle ist auf die Nichtigerklärung ungeeigneter, dem Stabilitätsziel offensichtlich zuwiderlaufender Maßnahmen begrenzt.10 Auch wird eine richterliche Prüfung der Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) zum Teil völlig abgelehnt.11 Zu klären bleibt noch, wessen Sichtweise – die der EZB oder der NZBen – im Falle divergierender Beurteilungen und Entscheidungen in der Geld- und Währungspolitik zugrunde zu legen ist. Zumindest im Verhältnis EZB – NZBen wird die Einschätzung der EZB maßgebend sein. Dieser sind angesichts der funktionalen Vorrangstellung im ESZB Befugnisse als europäische Währungs4 Borries, ZEuS 1999, S. 281 (309); Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (47 f.); Weber, S. 150. 5 Weber, S. 117. 6 EuGH, Rs. 29/77, Slg. 1977, 1835 (1842), Rn. 19/20 [SA Roquettes Frères/Frankreich]; Pache, DVBl. 1998, S. 380 (385). 7 Schütz, EuR, Heft 2, 2001, S. 291 (304). 8 López Torres, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 35, Rn. 3 f. 9 Borries, ZEuS 1999, S. 281 (309); Weber, S. 118. 10 Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 105 EGV, Rn. 4. 11 Nachweise bei Goetze, S. 173.

286

Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

hüterin zugewiesen, die die Subordination der NZBen bedingen.12 Um die einheitliche geldpolitische Entscheidungsfindung und deren Umsetzung nicht zu verwischen, gebührt der Position der EZB bei derartigen Differenzen der Vorrang. Unterstrichen wird dieses Ergebnis durch den verwaltungsrechtlichen Grundsatz, wonach Direktions- und Ingerenzbefugnisse in Konfliktfällen zur Durchsetzung der Auffassung des Inhabers der Leitungsbefugnisse führen.13 II. Bundesbank als Klägerin

1. Aktivlegitimation Trotz der funktionalen Unterordnung unter die EZB muss der Bundesbank als NZB das Recht gewährt werden, sich gegen systeminterne Anweisungen zur Wehr zu setzen.14 Ein Initiativrecht zur Herbeiführung gerichtlicher Entscheidungen über systeminterne Konflikte ist notwendige Folge der nationalrechtlich verankerten, organisationsrechtlichen Selbständigkeit der Bundesbank.15 Ausgehend von der Position der Bundesbank als Klägerin ist folgend der Umfang möglichen Rechtsschutzes vor dem EuGH zu erörtern. Voraussetzung einer Klage gegen die EZB ist die Aktivlegitimation der Bundesbank als NZB vor dem EuGH. Die Passivlegitimation der EZB folgt aus Art. 35.1. Satz 2 ESZB-Satzung. Als juristische Person des nationalen Rechts ist die Bundesbank, wie jede andere NZB, im Rahmen der allgemeinen Klagearten vor dem EuGH aktivlegitimiert. Da die Definition des Begriffs der juristischen Person gemeinschaftsautonom erfolgt, ist sie nicht notwendig mit dem Begriffsverständnis der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten identisch.16 Als juristische Personen sind alle Körperschaften, Verbände und Handelsgesellschaften des privaten und öffentlichen Rechts anzusehen, denen das nationale Recht Rechtspersönlichkeit zuerkennt.17 § 2 Satz 1 BBankG bezeichnet die Bundesbank als bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts. Zudem nennt Art. 14.3., 14.4. ESZBSatzung die NZBen als Träger gemeinschaftsrechtlicher Rechte und Pflichten, was als weiterer Beleg der Rechtssubjektsqualität dient. Die Gegenansicht18, die unter Verweis auf Art. 237 lit. d) EG-Vertrag die Aktivlegitimation der NZBen generell ablehnt, verkennt, dass die NZBen schon aufgrund ihrer Stellung als

12 13 14 15 16 17 18

Siehe zur Zuständigkeitsabgrenzung, 12. Abschnitt. Weber, S. 90. Zimmermann, S. 82. Siehe dazu oben, 11. Abschnitt. Burgi, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 7, Rn. 22. Gaiser, EuR 2002, S. 517 (533). Koenig, EuZW 1993, S. 661 (666).

15. Abschn.: Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB

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juristische Personen des öffentlichen Rechts berechtigt sind, als nichtprivilegierte Kläger Rechtschutz zu suchen (Art. 230 Abs. 4 EG-Vertrag).19 Konkret folgt aus der Aktivlegitimation der Bundesbank die Möglichkeit, als NZB im Wege von Nichtigkeitsklage (Art. 230 Abs. 1, 4 EG-Vertrag), Untätigkeitsklage (Art. 232 Abs. 3, 4 EG-Vertrag) oder Schadenersatzklage (Art. 235, 288 Abs. 2, 3 EG-Vertrag) gegen Akte der EZB vorzugehen. Eine entscheidende Einschränkung erfährt die Aktivlegitimation der NZBen im speziellen Verfahren des Art. 237 lit. d) EG-Vertrag. Die Norm weist ausdrücklich allein der EZB Klagebefugnis zu. Den NZBen wird die Initiative zur Feststellung unrechtmäßiger Handlungen mittels Art. 237 lit. d) EG-Vertrag verwehrt. Art. 237 lit. d) EG-Vertrag regelt vielmehr nur den umgekehrten Fall – das Vorgehen der EZB gegen die NZBen zum Zwecke der Geltendmachung von Vertragsverstößen. Angesichts des Prinzips der „Waffengleichheit“20 wäre die ausdrückliche Verankerung der Aktivlegitimation der NZBen wünschenswert gewesen. Dennoch können auch die NZBen, beispielsweise über Art. 230 Abs. 1, 4 EG-Vertrag, den EuGH in interne Prozesse des ESZB „hineinentscheiden“ lassen – wenn auch „nur“ mit Hilfe des allgemeinen EG-Rechtsschutzsystems. 2. Nichtigkeitsklage Aus Sicht der Bundesbank scheint im Falle systeminterner Streitigkeiten in erster Linie die Nichtigkeitsklage (Art. 230 Abs. 1 EG-Vertrag) Erfolg versprechend. Als Gegenstand möglicher Klagen nennt Art. 230 Abs. 1 EG-Vertrag „Handlungen der EZB“, schließt aber Empfehlungen und Stellungnahmen aus. Neben außenwirksamen Entscheidungen und Verordnungen (Art. 34.1. ESZBSatzung) sind daher vor allem ESZB-interne Leitlinien und Weisungen (Art. 12.1. ESZB-Satzung) auf ihre Eignung als Klagegegenstand zu überprüfen. Im Hinblick auf weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen (Parteifähigkeit21, Klagebefugnis und Rechtsschutzinteresse22) gelten die zur Nichtigkeitsklage vom EuGH in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze.23 In materieller Hinsicht kommen als Nichtigkeitsgründe die in Art. 230 Abs. 2 EG-Vertrag genannten in Betracht, also Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des EG-Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm sowie Ermessensmissbrauch. Allerdings hat der EuGH den bereits geschilderten weiten Beurteilungs- und Ermessens19 Für die Klageberechtigung ebenfalls Gaitanides, S. 276 f.; Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 54. 20 Zimmermann, S. 82. 21 Ausführlich Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 230 EG, Rn. 5 f. 22 Ausführlich Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 230 EG, Rn. 21 ff. 23 Siehe dazu umfassend Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 7.

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

spielraum der EZB bei der Prüfung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte zu berücksichtigen.24 Die stattgebende Entscheidung beseitigt als (Gestaltungs-)Urteil den angegriffenen Rechtsakt der EZB. Sie entfaltet daher weitergehende Wirkung als das Feststellungsurteil nach Art. 237 lit. d) EG-Vertrag. a) Rechtsakte mit Außenwirkung Als Gegenstände von Nichtigkeitsklagen kommen zunächst verbindliche Rechtsakte mit Außenwirkung in Betracht.25 Seitens der Bundesbank als juristischer Person (§ 2 BBankG) angreifbar sind daher Handlungen der EZB, die in Form einer Entscheidung an die NZBen adressiert sind, sowie Verordnungen, die die NZBen unmittelbar und individuell betreffen (Art. 230 Abs. 1, 4 EGVertrag).26 Übereinstimmend mit der lex-generalis-Regelung des Art. 249 Abs. 4 EGVertrag ist als Entscheidung der EZB (Art. 110 Abs. 1, 3. Sp.-str., Abs. 2, UAbs. 2 EG-Vertrag) jede Handlung zu qualifizieren, die für die mit der Ausführung der Geldpolitik betrauten Stellen in allen Teilen verbindlich ist. Gegenüber den adressierten NZBen erzeugt eine Entscheidung unmittelbare und individuelle Rechtswirkung.27 Kommt es demnach zum Konflikt über Rechte und Pflichten, die die EZB mittels Entscheidung gegenüber der Bundesbank festlegte, kann die NZB – bei Vorliegen aller weiteren Voraussetzungen – Klage erheben. Ebenfalls zulässige Klagegegenstände sind Entscheidungen, die, obwohl sie formell als Verordnung oder als an andere Personen gerichtete Entscheidungen ergangen sind, die Bundesbank als NZB unmittelbar und individuell betreffen (Art. 230 Abs. 4, 2. Alternative EG-Vertrag). Eine natürliche oder juristische Person kann von einer solchen Vorschrift nur dann individuell betroffen sein, wenn diese sie wegen bestimmter besonderer Eigenschaften oder aufgrund von Umständen tangiert, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie in ähnlicher Weise individualisieren wie einen Adressaten.28 Die Voraussetzung der „unmittelbaren und individuellen Betroffenheit“ ist im Licht des Grundsatzes effektiven gerichtlichen Rechts24

Siehe dazu oben, C. I. Gaiser, EuR 2002, S. 517 (526); Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 53. 26 Burgi, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 7, Rn. 22, sowie Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 54. 27 Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 82. 28 EuGH, Rs. 25/62, Slg. 1963, 213 (238) [Plaumann/Kommission]; zuletzt auch EuGH, EuGH, Rs. C-263/02 P, Urteil vom 01.04.2004, Rn. 51 [Jégo-Quéré]. 25

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schutzes unter Berücksichtigung der verschiedenen Umstände, die einen Kläger individualisieren können, auszulegen.29 Eine solche Auslegung kann aber nicht zum Wegfall der ausdrücklich in Art. 230 Abs. 4 EG-Vertrag vorgesehenen Voraussetzung führen.30 Stark eingeschränkt sind hingegen die Klagemöglichkeiten der Bundesbank gegen Verordnungen der EZB (Art. 34.1., 1. Sp.-str. ESZB-Satzung). Die NZB müsste nachweisen, dass sie beispielsweise durch die Mindestreserveverordnung oder eine Verordnung im Bereich der Zahlungs- und Verrechnungssysteme (Art. 22 ESZB-Satzung) „unmittelbar und individuell“ betroffen ist. Insbesondere bei der Mindestreserveverordnung scheint eine derartige Klage praktisch ausgeschlossen, da bereits eine Individualklage der unmittelbar tangierten Geschäftsbanken mangels individueller Betroffenheit abgelehnt31 wird. Wenngleich die Bundesbank mangels individueller Betroffenheit eine Verordnung nicht unmittelbar vor dem EuGH anfechten kann, ist ihr damit nicht jede Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes genommen. Es steht den NZBen frei, vor nationalen Gerichten die Ungültigkeit der Verordnung geltend zu machen und ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH anzuregen, indem die Frage nach gemeinschaftsrechtlicher Gültigkeit aufgeworfen wird. In diesem Zusammenhang hat der EuGH32 betont, dass er nicht an die Stelle der Mitgliedstaaten treten kann, die den gerichtlichen Rechtsschutz für derartige Fälle sicherstellen. Es fällt nicht in seine Zuständigkeit, in einem bei ihm anhängigen Verfahren auf Nichtigerklärung einer Verordnung zu prüfen, ob dieser Schutz effektiv gewährleistet ist. Einzige Möglichkeit ist daher das Vorabentscheidungsverfahren.33 b) Innersystemare Rechtsakte Während die Jurisdiktionsbefugnis des EuGH für die Fälle normiert ist, in denen die EZB Pflichten der NZBen innerhalb des ESZB rügen will (Art. 237 lit. d] EG-Vertrag)34, ist der umgekehrte Fall primärrechtlich nicht geregelt. Zu klären ist somit, inwiefern die Bundesbank als NZB die Nichtigkeit der systeminternen Rechtsakte der EZB, konkret Leitlinien und Weisungen, vom EuGH überprüfen lassen kann.

29 EuGH, Rs. C-263/02 P, ebenda, Rn. 44 [Jégo-Quéré]; Gaitanides, in: G/T/E, EG, Art. 230 EG, Rn. 66 ff. 30 EuGH, Rs. C-50/00, Slg. 2002, I-6677, Rn. 44 [Unión de Pequeños Agricultores/ Rat]; Gaitanides, in: G/T/E, EG, Art. 230 EG, Rn. 70 f. 31 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (528); Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (46 ff.). 32 EuGH, Rs. C-263/02 P [Jégo-Quéré]. 33 López Torres, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 35, Rn. 12. 34 Siehe dazu unten, III. 1.

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

aa) Leitlinien des EZB-Rates Ziel der vom EZB-Rat erlassenen Leitlinien ist es, eine einheitliche Umsetzung der Aufgaben des ESZB, insbesondere der Geldpolitik, sicherzustellen (Art. 12.1., Art. 14.3. ESZB-Satzung). Die Bundesbank wird immer dann Rechtsschutz vor dem EuGH suchen, wenn sie Leitlinien der EZB nicht anwenden möchte. Dies zieht die Frage nach gerichtlicher Überprüfbarkeit von EZBLeitlinien im Rahmen der Nichtigkeitsklage nach sich. Im Gegensatz zu Entscheidungen und Verordnungen (Art. 34.1. ESZB-Satzung) nennt Art. 230 Art. 4 EG-Vertrag die Leitlinien nicht explizit als anfechtbare Rechtsakte. Um Leitlinien dennoch der Jurisdiktion des EuGH zu unterwerfen, müssten sie in ihrer Rechtsnatur den in Art. 230 Art. 4 EG-Vertrag genannten Rechtsakten ähneln. Daher ist zu entscheiden, wo die Grenze zwischen judizierbaren „Außen-Rechtsakten“ und nicht kontrollfähigem, reinen „EZB-Innenrecht“ verläuft. Folgt man einer in der Literatur vertretenen Auffassung35, ist die Anfechtbarkeit von Leitlinien aufgrund ihres Charakters als innersystemare Rechtsakte zu verneinen. In Anlehnung an das deutsche Beamtenrecht differenziert Potacs36 zwischen dem Grundverhältnis, das die Rechtssubjektsqualität der (Bundesbank als) NZB berührt, und dem rein internen Betriebsverhältnis, das zwischen EZB und (Bundesbank als) NZB besteht. Nur wenn der rechtliche Status der Bundesbank als NZB an sich betroffen ist, sei das Grundverhältnis tangiert und die Klagemöglichkeit eröffnet.37 Bei internen geldpolitischen Leitlinien sei lediglich das Betriebsverhältnis tangiert, sodass eine Klagemöglichkeit (Art. 230 EG-Vertrag) ausscheide.38 Im Einzelfall sei aber eine sorgfältige Prüfung der Grenzziehung vorzunehmen.39 Nach anderer Auffassung können Leitlinien als Maßnahmen der EZB Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein, sofern sie verbindliche Rechtswirkungen gegenüber der NZB entfalten, diese somit unmittelbar und individuell betreffen.40 Wieder andere Schrifttumsvertreter gehen davon aus, dass eine Nichtigkeits-

35 Burgi, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 7, Rn. 39; Potacs, in: Schwarze, EU, Art. 110 EGV, Rn. 1; ders., EuR 1993, S. 23 (39); Koenig, EuZW 1993, S. 661 (666); Schwarze, in: Schwarze, EU, Art. 230 EGV, Rn. 26. 36 Potacs, in: Schwarze, EU, Art. 110 EGV, Rn. 1; ders., EuR 1993, S. 23 (39); ebenso Burgi, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 7, Rn. 39. 37 Potacs, EuR 1993, S. 23 (39). 38 Schmidt, in: Schmidt/Vollmöller, Kompendium, § 4, Rn. 55. 39 Burgi, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 7, Rn. 39; Potacs, in: Schwarze, EU, Art. 110 EGV, Rn. 1. 40 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (533 f.); Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 82; Weber, S. 157 f.; Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 12; Zimmermann, S. 67.

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klage nur dann zulässig sei, wenn die „internen Rechtsinstrumente ausnahmsweise Außenwirkung zeigen“.41 Zutreffend ist, dass der EuGH nur dann im Wege der Nichtigkeitsklage eine Prüfungsbefugnis für Leitlinien hat, wenn sie gegenüber den NZBen unmittelbare und individuelle Rechtswirkung erzeugen. Als systeminterne Handlungsformen sind die Leitlinien des EZB-Rates – außer an das Direktorium – vorrangig an die NZBen adressiert. Sie binden die NZBen unmittelbar und individuell und sind von diesen zwingend zu beachten (Art. 14.3. ESZB-Satzung). Gestützt wird die These der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Leitlinien durch die Systematik des primärrechtlichen Rechtsschutzsystems. Der Wortlaut des Art. 230 EG-Vertrag beschränkt mögliche Klagegegenstände gerade nicht auf die expliziten Handlungsformen von Art. 249 oder Art. 110 EG-Vertrag. Ausdrücklich vom Rechtsschutz ausgeschlossen sind nur die rechtlich unverbindlichen Empfehlungen und Stellungnahmen. Im Übrigen betont der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass alle Maßnahmen, die Rechtswirkung erzeugen und die Interessen des Klägers beeinträchtigen, mit der Nichtigkeitsklage angreifbar sind.42 Art. 230 EG-Vertrag diene dazu, die „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrages zu sichern“.43 Abzustellen ist auf das Wesen der fraglichen Maßnahme, nicht aber auf die Form der Handlung.44 Würde es sich bei Leitlinien um rein interne Regelungen handeln, hätten sie zudem nicht in der ESZB-Satzung, sondern in der Geschäftsordnung Erwähnung gefunden.45 Darüber hinaus schließt Art. 237 lit. d) EG-Vertrag eine Klagebefugnis der NZBen ausdrücklich aus. Art. 230 EG-Vertrag stellt somit eine der wenigen Möglichkeiten dar, den NZBen ein Initiativrecht zur gerichtlichen Überprüfbarkeit von Leitlinien zu eröffnen. Jedes gegenteilige Ergebnis würde die gleichwertige Nennung von EZB und NZBen in Art. 107 Abs. 1 EG-Vertrag sowie Art. 1.2. Satz 1 ESZB-Satzung Sinn entleert erscheinen lassen. bb) Weisungen des EZB-Direktoriums Parallel zu den eben besprochenen Leitlinien stellt sich die Frage der gerichtlichen Sanktionierbarkeit für die Weisungen des EZB-Direktoriums (Art. 12.1. Satz 3, 4 ESZB-Satzung). Erörtert werden soll, ob und inwieweit die Bundesbank ihr gegenüber ergehende Weisungen der EZB auf deren Rechtmäßigkeit überprüfen lassen kann. 41 42 43 44 45

Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (41). EuGH, Rs. 22/70, Slg. 1971, Rn. 38/42 [Kommission/Rat]. EuGH, Rs. 22/70, Slg. 1971, Rn. 38/42 [Kommission/Rat]. Streinz/Ehricke, EUV/EGV, Art. 230 EGV, Rn. 42. Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 9.

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Einer Ansicht zufolge sind Weisungen grundsätzlich nicht überprüfbar, da sie – ebenso wie die Leitlinien der EZB – nur das „interne Betriebsverhältnis“46 betreffen. In der Folge müssten die NZBen aufgrund der Bindungswirkung der Weisung diese auch im Fall ihrer Rechtswidrigkeit befolgen (Art. 14.3. Satz 1 ESZB-Satzung). Nach anderer Auffassung können Weisungen nur dann Gegenstand der Nichtigkeitsklage sein, sofern sie strikte Rechtswirkungen gegenüber der NZB entfalten und diese unmittelbar und individuell betreffen.47 Die Rolle der NZBen als organisationsrechtlich selbständige Rechtspersonen48 unterstreicht diesen Ansatz. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass eine zu starke Betonung der Selbständigkeit der NZBen die Einheitlichkeit des ESZB gefährdet und zugleich die Rolle der EZB innerhalb des ESZB schwächt. Es ist gerade ein Merkmal der Subordination, dass Weisungen befolgt werden müssen, auch wenn sie an organisatorisch eigenständige Rechtspersönlichkeiten gerichtet sind.49 Die grundsätzliche Befolgungspflicht kann demnach nur durch schwerwiegende Rechtswidrigkeitsgründe durchbrochen werden. „Mehr oder weniger begründeter Zweifel“50 an der Rechtmäßigkeit der Weisung führt (noch) nicht zur Aussetzung des Weisungsrechts. Betrachtet man das Verhältnis von Leitlinien und Weisungen zueinander, unterscheiden sich die Weisungen des Direktoriums im Bereich der gerichtlichen Kontrolle maßgeblich von den Leitlinien des EZB-Rates. Art. 12.1. Satz 3 ESZB-Satzung stellt klar, dass das Direktorium selbst an Leitlinien des EZB-Rates gebunden ist. Aus der Systematik der Sätze 3 und 4 des Art. 12.1. ESZB-Satzung folgt daher ein Nachrangigkeitsverhältnis der Weisungen gegenüber den Leitlinien, was wiederum eine eingeschränkte Überprüfungsmöglichkeit der Weisungen impliziert. Dieser Umstand wird von denjenigen Autoren51 verkannt, die Weisungen den Leitlinien in dieser Frage gleichstellen. Im Gegensatz zu Leitlinien, die direkt (auch) für die NZBen gelten, ist das Direktorium vor Weisungserlass verpflichtet, die Übereinstimmung der Weisung mit den Leitlinien des EZB-Rates sicherzustellen. Weisungen des Direktoriums können die Leitlinien des EZB-Rates nur „konkretisierend ergänzen“52, sie dürfen ihnen aber nicht zuwiderlaufen oder widersprechen. Während bei den 46 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 581; Schmidt, in: Schmidt/Vollmöller, Kompendium, § 4, Rn. 55; dagegen offenbar Cremer, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, Art. 237 EG, Rn. 6. 47 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (533 f.); Herdegen, in: M/D, GG, 34. Lfg., Art. 88, Rn. 82; Zimmermann, S. 67 ff. 48 Siehe dazu oben, 11. Abschnitt. 49 Cremer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 237 EG, Rn. 6; Zimmermann, S. 73. 50 Weber, S. 191. 51 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (533 f.); Zimmermann, S. 73. 52 Weber, S. 189.

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Leitlinien kein zwischengeschaltetes Organ zwischen Absender (EZB-Rat) und Adressat (NZBen) existiert, müssen die Weisungen des Direktoriums inhaltlich kongruent mit den Leitlinien des EZB-Rates ergehen. Das Direktorium fungiert demnach als „Kontrollinstanz“, wobei der Inhalt der Leitlinien bereits als Filter für die zu erlassende Weisung dient (Art. 12.1. Satz 3 ESZB-Satzung). Aus der Mittlerfunktion des Direktoriums folgt mithin, dass die NZBen rechtswidrige Weisungen – im Gegensatz zu Leitlinien – nur in sehr eingeschränkten Ausnahmefällen inhaltlich überprüfen lassen können. Als weiterer Eckpunkt des Weisungsrechts des Direktoriums sei der Vorbehalt der Erforderlichkeit erwähnt (Art. 12.1. Satz 4 ESZB-Satzung). Die NZBen können nur soweit „erforderlich“ zu Vollzugshandlungen angewiesen werden. Der EuGH prüft die Einhaltung der rechtsverbindlichen Schranke, hat allerdings den weiten Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum des EZB-Direktoriums im Rahmen monetärer Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Kontrolle beschränkt sich auf offensichtlich willkürliche Entscheidungen und fehlerhafte Schlussfolgerungen bei Weisungserlass.53 Im Rahmen der – wenn auch nur begrenzten – Kontrollbefugnis des EuGH sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden, in denen eine Weisung Anlass zur Überprüfung geben kann: Einerseits kann das „Ob“ der Weisungsbefugnis des Direktoriums in Frage stehen. Andererseits ist denkbar, dass das Direktorium zwar die Erlasskompetenz besaß, die Weisung aber aus anderen Gründen als inhaltlich rechtswidrig ist. Eine Klageberechtigung der NZBen ist zunächst in Fällen zweifelhafter Kompetenz zum Erlass der Weisung zu bejahen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Weisung des Direktoriums nicht die von Art. 12.1. ESZB-Satzung vorgegebene Ausführung der Geldpolitik tangiert. Führt gerade die Inanspruchnahme der Weisungsbefugnis zu einer Überschreitung der internen Kompetenzverteilung, verletzt das Direktorium die Organisationsstruktur und Aufgabenvereilung des ESZB. Die von der Weisung betroffene Bundesbank wäre in einem solchen Fall klageberechtigt, da die Weisung ohne die erforderliche Rechtsgrundlage ergangen ist und somit die NZB in ihren Rechten verletzt. Betrachtet man hingegen die Fallgestaltung, in der das Direktorium zwar die Kompetenz zum Weisungserlass besaß, die Weisung aber aus anderen Gründen inhaltlich rechtswidrig erscheint, ist die Schwelle der gerichtlichen Überprüfbarkeit höher anzusetzen. Sofern der Weisungsgeber die Weisung auf der Grundlage seiner Weisungsbefugnis erlässt, die Weisung aber aus anderen Gründen rechtswidrig ist, wird in die Vollzugskompetenz des Weisungsempfängers nicht grundsätzlich eingegriffen. Die (geldpolitische) Vollzugskompetenz der NZBen, 53

Weber, S. 188.

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die als Weisungsempfänger fungieren, wird insoweit von einer rechtswidrigen Weisung nicht tangiert. Da der Bundesbank als NZB und Weisungsempfänger gerade die sachliche Kompetenz für die Festlegung der Geldpolitik fehlt, kann sie eine auf Art. 12.1. Satz 4 ESZB-Satzung beruhende, „bloß“ rechtswidrige Weisung kaum angreifen. Zudem haben die NZBen als Weisungsempfänger für den nach außen – gegenüber anderen Marktteilnehmern – wirkenden Weisungsvollzug vollumfänglich einzustehen.54 Auch können die NZBen in Fällen, in denen durch den Weisungsvollzug Grundrechte anderer Marktteilnehmer verletzt werden (könnten), mangels subjektiver Betroffenheit nicht den EuGH anrufen und die Aussetzung der Rechtsverbindlichkeit der Weisung beanspruchen. Denn die Grundrechte anderer Marktteilnehmer wirken nicht im ESZB-internen Verhältnis zwischen der NZB als Weisungsempfänger und dem EZB-Direktorium als Weisungsgeber. Im Übrigen sind die NZBen als integraler Bestandteil des ESZB nicht Träger von Grundrechten oder „Sachwalter“ einzelner Marktteilnehmer bei der Wahrnehmung von Grundrechten. Allein im extremen Fall einer nicht mehr zu verantwortenden allgemeinen Gefährdung oder Verletzung bedeutender Rechtsgüter wäre eine Nichtbefolgung der Weisung zu rechtfertigen. Solche Rechtsgutsverletzungen müssen sich aufgrund ihrer Schwere deutlich von „normalen“ Eingriffen abheben. Obwohl derart existenzbegründende Fälle für den Bereich der Geldpolitik unwahrscheinlich scheinen, bleibt die Rechtsprechung des EuGH in einem solch konkreten Fall abzuwarten. c) Subsidiaritätsklausel Weiter ist der Frage nachzugehen, inwieweit die NZBen vor dem EuGH die Anwendung der Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung) und somit die aufgrund dessen vorgenommene Zuständigkeitsverteilung zwischen EZB und NZBen rügen können. Sofern die Subsidiaritätsklausel der Jurisdiktion des EuGH unterworfen wäre,55 verfügten die NZBen im Konfliktfall über ein wirkungsvolles Mittel gegen eine „zu machtvolle“ EZB. Die Bundesbank könnte sich darauf berufen, dass die Aufgabenerfüllung durch sie selbst „möglich und sachgerecht“ wäre. Denkbar ist auch die Klage wegen Überschreitung der Grenzen der Subsidiarität mit dem Vorwurf, die EZB hätte das Geschäft gar nicht „an sich ziehen“ dürfen. Die Subsidiaritätsklausel des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung enthält zunächst die Vermutung zugunsten einer Durchführung der Geschäfte durch die NZBen (geldpolitische Vollzugskompetenz)56. Die EZB trägt die Darlegungs54 55 56

Siehe dazu unten, D. III. 2. Nachweise zur gegenteiligen Ansicht bei Goetze, S. 173. Siehe dazu oben, 12. Abschnitt.

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und Beweislast hinsichtlich einer unabdingbar notwendigen Zentralisierung.57 Aus ihrer Sicht muss die Aufgabenerfüllung seitens der NZBen weder möglich noch sachgerecht erscheinen. Angesichts der widerlegbaren Vermutung zugunsten der NZBen wird sich die EZB auf die Subsidiaritätsklausel nur in Fällen berufen, in denen sie sich in einer relativ gesicherten Beweisposition wähnt. Im Rahmen möglicher gerichtlicher Kontrolle der Subsidiaritätsklausel sind vertikale und horizontale Aufgabenverteilung getrennt zu betrachten. aa) Vertikale Aufgabenverteilung Ausweislich des Wortlautes beschreibt Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung die interne Verteilung der Kompetenzen zwischen höherer und niederer Ebene. Die Subsidiaritätsklausel bildet somit das maßgebliche Kriterium zur Abgrenzung der vertikalen Aufgabenverteilung. Über eine diesbezügliche Kontrolle durch den EuGH herrscht in der Literatur Uneinigkeit. Einer Auffassung58 zufolge ist die interne Zuständigkeitsverteilung zwischen EZB und NZBen nicht justitiabel, da es sich um reines Innenrecht der EZB ohne Außenwirkung handele. Dafür spreche auch die starke Stellung der NZBPräsidenten im EZB-Rat, die so erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen der EZB nehmen könnten.59 Der Wortlaut von Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung stelle klar, dass die geldpolitischen Befugnisse von EZB-Rat und Direktorium nicht eingeschränkt werden sollen. Eine gerichtliche Kontrolle würde daher einen (zu) starken Eingriff in die internen Abläufe der Durchführung der Geldpolitik darstellen.60 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung nur Ausdruck des Grundsatzes der Dezentralisierung sei.61 Dieser Aussage kann so nicht gefolgt werden. Als Kompetenzabgrenzungsnorm unterliegt die spezielle Subsidiaritätsklausel grundsätzlich der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit durch den EuGH.62 Aus der Systematik der ESZBSatzung ist kein Grund ersichtlich, der einer gerichtlichen Kontrolle der Subsidiaritätsklausel entgegenstehen könnte. Gerade der „Ausnahmecharakter“ des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung sowie die besondere Struktur des ESZB als geld- und währungspolitisches Netzwerk aus nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Elementen rechtfertigen die Bejahung des „Ob“ einer Kontrolle seitens 57

Schubert/Aspetsberger, ÖBA 1992, S. 977 (984); Weber, S. 141. Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 581. 59 Hahn/Häde, ebenda. 60 Häde, in: Die Europäische Währung, S. 103 (114). 61 Zimmernann, S. 106. 62 Jarass, EuGRZ 1994, S. 209 (211); Weber, S. 140; Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 12, Rn. 33. 58

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des EuGH. Die Justitiabilität ist jedoch insoweit einzuschränken, als der EZB mit Blick auf die unbestimmten Rechtsbegriffe „möglich und sachgerecht“ ein weiter Beurteilungsspielraum63 zuzubilligen ist. Die ihrerseits vorzunehmende Entscheidung darüber, ob die zentrale Wahrnehmung der Aufgaben unabdingbar notwendig sei, schließt eine auf spezielle Sachkenntnis basierende Bewertung ein. Der EuGH hat die Einschätzungsprärogative der EZB insoweit zu respektieren, als die Einschätzung nicht von offensichtlich unzutreffenden Tatsachen geprägt ist oder auf erkennbar willkürlichen, sachfremden Erwägungen beruht.64 bb) Horizontale Aufgabenverteilung Wie bereits festgestellt,65 ist die Frage der horizontalen Aufteilung der Befugnisse zwischen den einzelnen NZBen primärrechtlich nicht geregelt. Im Unterschied zum vertikalen Aufgabensplitting, das von der Subsidiaritätsklausel dominiert wird, steht die Entscheidung, welche NZB zur Durchführung der Geldpolitik in Anspruch zu nehmen ist, im alleinigen Ermessen der EZB.66 Für die Zulässigkeit eines derartigen Einschätzungsspielraums spricht vor allem das für die monetären Einkünfte des ESZB niedergelegte Verfahren (Art. 32.5., 29.1. ESZB-Satzung). Demnach ist eine gleichmäßige Verteilung aller Einkünfte der NZBen im Eurosystem nicht vorgesehen. Insofern ist die EZB nicht verpflichtet, die effiziente Handlungsweise zu wählen. Auf Rüge einer NZB gerichtlich kontrollierbar wären allenfalls die äußeren Grenzen des Ermessens der EZB. Die Ermessensentscheidung selbst ist angesichts der notwendigen Sachkunde praktisch nicht überprüfbar. d) Verbliebene Eigenkompetenzen Art. 14.4. ESZB-Satzung räumt der Bundesbank als NZB das Recht zur Wahrnehmung eigener Aufgaben ein, sofern diese den Zielen und Aufgaben des ESZB nicht widersprechen. Daher ist die Frage zu erörtern, inwieweit der EuGH über Streitigkeiten judizieren darf, die die verbliebenen Eigenkompetenzen der NZBen im Sinne von Art. 14.4. ESZB-Satzung betreffen. Nachdem der Bundesbank als eigenständiger juristischer Person in Fällen systeminterner Aufgabenerfüllung die Aktivlegitimation (Art. 230 Abs. 4 EG-Vertrag) zugebilligt wurde,67 muss dies umso mehr gelten, als sie Aufgaben in ei63 64 65 66 67

Siehe dazu oben, 12. Abschnitt, B. III. 2. c) cc). Weber, S. 141. Siehe dazu oben, 12. Abschnitt, B. III. 2. c) cc) (1). Weber, WM 1998, S. 1465 (1473). Siehe dazu oben, 1.

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gener Verantwortung und damit „außerhalb“ des ESZB erfüllt (argumentum a maiore ad minus).68 Da die NZBen nicht als unselbständige Filialen der EZB fungieren, genießt die Bundesbank im Falle von „Amtsanmaßungen der EZB“69 uneingeschränkten Rechtsschutz.70 Stellt der EZB-Rat nach Art. 14.4. ESZBSatzung fest, dass eine von den NZBen übernommene Aufgabe, etwa im Bereich der Bankenaufsicht, mit Aufgaben und Zielen des ESZB unvereinbar sei, liegt ein Eingriff in die Rechtsstellung der NZBen an sich vor.71 In solchen Fällen kann die Bundesbank als NZB auf ihre Klageberechtigung aus Art. 230 Abs. 1, 4 EG-Vertrag zurückgreifen. Abzulehnen ist in diesem Zusammenhang die Auffassung von Hoppe72, der in solchen Fällen die NZBen auf das Verfahren des Art. 237 lit. d) EG-Vertrag beschränken will. Der Autor übersieht, dass den NZBen im Verfahren nach Art. 237 lit. d) EG-Vertrag die Aktivlegitimation und somit die Möglichkeit fehlt, sich aus eigener Initiative gegen mögliche Rechtsakte der EZB zur Wehr zu setzen. Angesichts des massiven Eingriffs in die Integrität und rechtliche Selbständigkeit ist die Begrenzung der NZBen auf die Stellung als Beklagte nicht gerechtfertigt. Die Klagemöglichkeit der NZBen nach Art. 230 Abs. 1, 4 EG-Vertrag bietet eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit, elementare Abgrenzungsfragen im Spannungsfeld zwischen übertragenen und eigenen Zuständigkeiten durch den EuGH klären zu lassen. Dies gilt umso mehr, als den NZBen im Rahmen des Art. 237 lit. d) EG-Vertrag die Aktivlegitimation versagt wurde. Will der EuGH von seiner Rolle als „Motor der Integration“ bei der Weiterentwicklung und Ausgestaltung des Primär- und Sekundärrechts im Währungsbereich Gebrauch machen, stellt die Nichtigkeitsklage eine der wenigen Möglichkeiten dazu dar. Zum gleichen Ergebnis – jedoch mit nicht überzeugender Begründung – kommt die Auffassung der (beamtenrechtlichen) Unterscheidung zwischen Grund- und Betriebsverhältnis.73 Im Falle von Streitigkeiten, die die Aufgaben des Art. 14.4. ESZB-Satzung tangieren, ist der rechtliche Status der Bundesbank an sich (das Grundverhältnis) betroffen. Eine Klagemöglichkeit wäre somit auch über diesen Weg zu bejahen.74

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So auch Koenig, EuZW 1993, S. 661 (665). U. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 237, Rn. 34; Koenig, EuZW 1993, S. 661 (666). 70 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (534). 71 Goetze, S. 177. 72 Hoppe, S. 176 f. 73 Siehe dazu oben, b) aa). 74 Koenig, EuZW 1993, S. 661 (666). 69

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

3. Untätigkeitsklage Die Bundesbank kann als NZB Klage mit dem Ziel der Feststellung führen, die EZB habe es unterlassen, einen rechtsverbindlichen Akt an sie zu richten (Art. 232 Abs. 3, 4 EG-Vertrag). Als Klagegegenstand in Betracht kommt die Unterlassung der EZB eines verbindlichen Akts, der die Bundesbank als NZB unmittelbar und individuell betroffen hätte.75 Der Begriff der nach Art. 232 EG-Vertrag anfechtbaren Maßnahmen entspricht also dem des Art. 230 EG-Vertrag.76 In Übereinstimmung mit den Ausführungen zur Nichtigkeitsklage sind als einklagbare Rechtsakte Leitlinien und Entscheidungen des EZB-Rates in Erwägung zu ziehen. Die Klage wegen Unterlassung einer Weisung des Direktoriums wird angesichts der ohnehin begrenzten Kontrollmöglichkeiten des Weisungsrechts77 nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig sein. Einen Sonderfall der Untätigkeitsklage regelt Art. 14.2. Satz 3 ESZB-Satzung, der den Präsidenten einer NZB – neben dem EZB-Rat – berechtigt, wegen seiner Amtsenthebung durch die zuständigen nationalen Stellen den EuGH anzurufen. Im Unterschied zur speziellen Feststellungsklage (Art. 237 lit. d] EG-Vertrag) richtet sich die auf Art. 14.2. ESZB-Satzung gestützte Klage des NZB-Präsidenten gegen den eigenen Mitgliedstaat,78 zu dessen nationaler Staatsorganisation die Zentralbank nach wie vor zählt. Diese Klagemöglichkeit verdeutlicht die Wechselbezüglichkeit der Bindungen der NZBen an die europäische und zugleich mitgliedstaatliche Ebene. 4. Schadensersatzklage Zu klären bleibt, inwieweit eine Schadensersatzklage der Bundesbank gegen die EZB Aussicht auf Erfolg hätte. Als primärrechtlicher Ansatzpunkt dient Art. 35.3. Satz 1 ESZB-Satzung, der auf Art. 288 EG-Vertrag verweist. Auch wenn Art. 288 Abs. 2 EG-Vertrag eine Haftung der Gemeinschaft für ihre Organe statuiert, spricht gegen eine Übertragbarkeit dieses Grundsatzes die Rolle der EZB als geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung sowie ihre Unabhängigkeit. Eine Haftungsfreizeichnung der EZB kommt daher nicht in Betracht, weshalb Schadenersatzklagen der NZBen unmittelbar gegen die EZB prinzipiell denkbar sind.79 Die EZB haftet demnach für Schäden, die sie in 75 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (535); Gaitanides, in: G/T/E, EG, Art. 232 EG, Rn. 13 f. 76 Gaitanides, in: G/T/E, EG, Art. 232 EG, Rn. 12. 77 Siehe dazu oben, 2. b) bb). 78 Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 50. 79 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (531); Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 57.

15. Abschn.: Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB

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Ausübung ihrer Amtstätigkeit der (Bundesbank als) NZB zufügt (Art. 288 Abs. 2, 3 EG-Vertrag). Ausgangspunkt möglicher Schadensersatzansprüche ist der Umstand, dass die Bundesbank als NZB zur Ausführung der EZB-Vorgaben verpflichtet ist (Art. 12.1. ESZB-Satzung), was auch für den Fall rechtswidriger Direktiven gilt.80 Somit ist fraglich, inwieweit die Bundesbank im Falle der pflichtgemäßen Umsetzung rechtswidriger EZB-Vorgaben haftungsrechtlich auf die EZB als Urheber der Bestimmungen „zurückgreifen“ kann. Betont werden muss, dass die Bundesbank die EZB nur in Regress nehmen kann, sofern sie selbst durch nationale Gerichte zum Schadensersatz verurteilt wurde.81 Eine Direktklage zum EuGH ohne Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges wäre mit Blick auf Art. 35.3. Satz 2 ESZB-Satzung (Art. 288 EG-Vertrag) unzulässig. Abzulehnen ist in diesem Zusammenhang die Auffassung von Baur82, wonach die Direktklage zum EuGH aufgrund der „Systemnähe“ der NZBen als integraler Bestandteil des ESZB ohne Erschöpfung des nationalen Rechtsweges zuzulassen sei. Für eine einschränkende Auslegung des Art. 35.3. Satz 2 ESZBSatzung sind keine Anhaltspunkte ersichtlich; vielmehr betont Art. 35.3. Satz 2 ESZB-Satzung die Vorrangigkeit des nationalen Rechtswegs. Auch der EuGH unterstreicht, dass in Fällen, in denen das nationale Recht den Ersatz des Schadens sicherstellen kann, zunächst der nationale Rechtsweg zu beschreiten sei.83 Im Übrigen ist die NZB aus Gründen der Rechtssicherheit gehalten, erst aufgrund des zum Schadensersatz verpflichtenden nationalen Urteils Klage vor dem EuGH (Art. 235, 288 Abs. 3, 2 EG-Vertrag) zu erheben. Potentiell geschädigten Marktteilnehmern ist es praktisch unmöglich, das Kompetenzgeflecht zwischen EZB und NZBen im konkreten Fall zu beurteilen und den haftungsrechtlich relevanten Akteur zutreffend zu benennen. Gegenüber den Geschäftspartnern agiert allein die NZB; die Grundlage ihres Handelns ist für die Geschädigten nicht erkennbar. Nachdem die prinzipielle Regressmöglichkeit der NZBen bejaht wurde, ist nach den Grundsätzen der Haftungsverteilung zu fragen. Letztendlich geht es um den „Verschuldensgrad“, der die endgültige Haftung (Art. 288 Abs. 3, 2 EG-Vertrag) der EZB gegenüber den NZBen auslöst. Als maßgebendes Abgrenzungskriterium soll das Prinzip der rechtlichen Verantwortlichkeit84 herangezo-

80 Siehe dazu oben, 12. Abschnitt, B. II. 3. a) und c) sowie 15. Abschnitt, C. II. 2. b). 81 So auch Weber, S. 210 f. 82 Baur, S. 261 f. m.w. N. 83 EuGH, Rs. 175/84, Slg. 1986, 753, Rn. 27 [Krohn/Kommission]. 84 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (536).

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

gen werden. Danach haftet derjenige, der für den Schaden maßgebend (rechtlich) verantwortlich ist.85 Nach Rechtsprechung des EuGH haftet die Gemeinschaft prinzipiell nicht, sofern die Mitgliedstaaten aktiv geworden sind. Entsteht durch rechtswidriges Handeln nationaler Stellen ein Schaden, geht der EuGH davon aus, dass ein Anspruch aus Art. 288 Abs. 3 EG-Vertrag hinter nationalem Recht zurücktritt.86 Würde man dieses Prinzip ausnahmslos zur Anwendung bringen, stünden den NZBen so gut wie nie Rückgriffsansprüche gegen die EZB zu. Als diejenigen Elemente im ESZB, die primär den Vollzug der EZB-Vorgaben sicherstellen, wären die NZBen fast immer durch irgendeine Handlung am Schaden beteiligt. Dieses Ergebnis widerspräche der formalen Gleichordnung der beiden Systemelemente. Zudem würde es das Argument fehlender „Waffengleichheit“ untermauern. Gäbe es keine Rückgriffsmöglichkeit, wäre den NZBen infolge ihrer Vollzugskompetenz die gesamte haftungsrechtliche Verantwortung nach außen übertragen, ohne dass sie im Gegenzug an der Entstehung der EZB-Direktiven wesentlich beteiligt sind. In Anlehnung an die Judikatur des EuGH zu Art. 288 Abs. 2 EG-Vertrag sind demnach Ausnahmen zu entwickeln, die den NZBen einen – zumindest teilweisen – Rückgriff ermöglichen. In den Fällen, in denen die nationalen Behörden letztlich keine eigenen Entscheidungen treffen, rechnet der EuGH87 die Rechtsverletzung den Gemeinschaftsorganen zu. Voraussetzung ist, dass die NZBen aufgrund bindender Vorgaben der EZB tätig werden, die ihnen praktisch keinen eigenen Entscheidungsspielraum belassen.88 In Übertragung der Spruchpraxis haftet die EZB für Handlungen der NZBen, sofern sie de iure allein für die konkrete Maßnahme zuständig ist. Dies gilt auch dann, wenn nach dem Grundsatz der Dezentralität die NZB die Handlung nicht in eigener Verantwortung umsetzt. Entsprechend den entwickelten Prinzipien sind je nach Grad der Verantwortlichkeit der NZBen verschiedene Konstellationen denkbar: Zunächst ist zwischen einer Haftung der Bundesbank als integraler Bestandteil des ESZB und einer Haftung für in eigener Verantwortung wahrgenommene Aufgaben zu differenzieren. Obwohl Art. 35.3. ESZB-Satzung diese Unterscheidung nicht trifft, ist sie für die Bestimmung der letztendlichen Haftungssubjekte – EZB (Art. 288 85

Gaiser, ebenda. EuGH, verb. Rs. 12, 18, 21/77, Slg. 1978, 553 (569), Rn. 25/26 [Debayser/Kommission]; EuGH, Rs. 175/84, Slg. 1986, 753, Rn. 18 [Krohn/Kommission]. 87 EuGH, Rs. 175/84, Slg. 1986, 753, Rn. 19 [Krohn/Kommission]; EuGH, verb. Rs. T-481/93 und T-484/93, Slg. 1995, II-2941, Rn. 80 [Exporteurs in levende varkens/Kommission]. 88 Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (61). 86

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Abs. 3 EG-Vertrag) oder NZB(en) (Art. 35.3. Satz 2 ESZB-Satzung) – ausschlaggebend. Vollziehen die NZBen interne Aufgaben des ESZB und beruht die Rechtswidrigkeit ihrer Handlung ausschließlich auf bindenden Vorgaben der EZB ohne eigenen Entscheidungsspielraum der NZBen, haftet die EZB für das Handeln der NZBen.89 Den NZBen steht ein Regressanspruch in voller Höhe gegen die EZB zu, der mittels Klage zum EuGH (Art. 235, 288 Abs. 2, 3 EG-Vertrag) durchsetzbar ist. Lässt sich die Rechtswidrigkeit des Umsetzungsaktes sowohl auf fehlerhaftes Verhalten der NZBen als auch auf rechtswidrige EZB-Direktiven zurückführen, trifft die EZB nur eine anteilige und nachrangige Haftung. Die NZB kann auf die EZB haftungsrechtlich nur soweit zurückgreifen, als sie nicht selbst für den Schaden verantwortlich ist. Der Differenzbetrag aus der (vollen) Haftung gegenüber Dritten und dem (anteiligen) Rückgriffsanspruch gegen die EZB entspricht dem Grad der Verantwortlichkeit der NZB, den diese zu tragen hat. Dieses Ergebnis stimmt mit der Regelung des Art. 35.3. Satz 2 ESZB-Satzung überein, da die NZB – zumindest auch – rechtswidrig handelte. So pragmatisch diese Lösung in der Theorie erscheint, so schwierig ist ihre praktische Umsetzung.90 De facto wird die Bezifferbarkeit der jeweiligen „Verschuldens“-Anteile von EZB und NZB in Bezug auf die rechtswidrige Handlung nur schwer möglich sein. Eine (Rückgriffs-)Haftung der EZB (Art. 288 Abs. 3, 2, 235 EG-Vertrag) für rechtswidrige Vollzugsakte der NZBen scheidet hingegen aus, wenn die Fehlerhaftigkeit des Umsetzungsaktes allein auf eine nicht rechtmäßige Handlung der NZB rückführbar ist. In solchen Fällen ist der nationale Rechtsweg auszuschöpfen, im Rahmen dessen ein Schadensersatzanspruch aus gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung erhoben werden kann.91 Entsprechend Art. 35.3., Satz 2 ESZB-Satzung richtet sich die Haftung der NZBen nach nationalem Recht, wenn der Schaden aus anderen als in der ESZB-Satzung festgelegten Tätigkeiten resultiert.92 Demnach bestehen keinerlei Regressansprüche, sofern die Bundesbank Aufgaben in eigener Verantwortung wahrnimmt (Art. 14.4. ESZB-Satzung), etwa im Rahmen der Bankenaufsicht. In diesen Fällen existiert zwischen Bundesbank und EZB kein Abhängigkeitsverhältnis und somit auch keine Rückgriffsmöglichkeit.

89 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (536); López Torres, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 35, Rn. 17. 90 Darauf verweist auch López Torres, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 35, Rn. 1. 91 Siehe dazu unten, D. III. 1. b). 92 López Torres, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 35, Rn. 1.

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick III. Bundesbank als Beklagte

1. Feststellungsklage a) Allgemeines Nachdem das prozessuale „Initiativrecht“ der Bundesbank in Verfahren vor dem EuGH geprüft wurde, ist jetzt die umgekehrte Situation zu betrachten. Der Schwerpunkt der nachfolgenden Erörterungen liegt dabei auf der speziell für systeminterne Streitigkeiten des ESZB geschaffenen Feststellungsklage (Art. 237 lit. d] EG-Vertrag). Die EZB kann vor dem EuGH Klage erheben, um feststellen zu lassen, dass eine NZB gegen Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag oder der ESZB-Satzung verstoßen hat (Art. 237 lit. d], 226 EG-Vertrag). Die fehlende Aktivlegitimation der NZBen im Verfahren des Art. 237 lit. d) EG-Vertrag unterstreicht einmal mehr die übergeordnete Position der EZB innerhalb des ESZB. Dennoch sichern Art. 237 lit. d) EG-Vertrag und der sie ergänzende Art. 35.6. ESZB-Satzung den NZBen eine gewisse Abwehrposition in Gestalt eines institutionellen Schutzes der verbliebenen (Eigen-)Kompetenzen.93 Zugleich stärkt die potentielle Beklagtenstellung die rechtliche Eigenständigkeit und die partielle Herauslösung der NZBen aus der mitgliedstaatlichen Verantwortung.94 Art. 237 lit. d) EG-Vertrag ist ein weiterer Beleg dafür, dass eine Verschmelzung der Institutionen innerhalb des ESZB nicht stattgefunden hat.95 Art. 237 lit. d) EG-Vertrag kann daher auch als gerichtliche Absicherung des Weisungsverhältnisses zwischen EZB und NZBen verstanden werden.96 b) Formelle Anforderungen Die spezielle Feststellungsklage billigt allein der EZB ein Initiativrecht zur Klageerhebung zu. Vertreten wird die EZB im Verfahren durch den EZB-Rat, der gegenüber den NZBen mit den gleichen Befugnissen ausgestattet ist (Art. 237 lit. d] Satz 2 EG-Vertrag), wie sie der Kommission im Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 EG-Vertrag) gegenüber den Mitgliedstaaten zustehen. Soweit Art. 237 lit. d) EG-Vertrag nichts Abweichendes regelt, gelten daher die Grundsätze des Art. 226 EG-Vertrag.97

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Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 237, Rn. 12. López Torres, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 35, Rn. 21. 95 Weinbörner, S. 398. 96 Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 237, Rn. 13; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 237, Rn. 5. 97 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (521); Weber, S. 87. 94

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Passivlegitimiert sind ausschließlich die NZBen. Zwar schließt Art. 237 lit. d) EG-Vertrag ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen einen Mitgliedstaat wegen gemeinschaftsrechtswidrigem Verhalten seiner NZB grundsätzlich nicht aus. Allerdings verbietet sich ein solches Vorgehen mit Blick auf die garantierte Autonomie der NZB (Art. 108 EG-Vertrag). Ließe man eine Klage nach Art. 226 EG-Vertrag zu, könnte sich die NZB auf ihre funktionale Unabhängigkeit berufen, sobald der verurteilte Mitgliedstaat sie zur Umsetzung des Feststellungsurteils (gerichtlich) aufforderte. Die Ausnahmeregelung des Art. 237 lit. d) EG-Vertrag, die ein gemeinschaftsrechtliches Novum ist, widerspiegelt den hohen Stellenwert der Unabhängigkeit der Systemelemente in Gestalt der EZB und der NZBen.98 Den Mitgliedstaaten wird daher die Vertragsverletzung „ihrer“ NZB nicht zugerechnet.99 Mit Blick auf die Rolle der Kommission als „Hüterin der Verträge“ soll den Mitgliedstaaten kein weitergehendes Klagerecht zustehen.100 Ausschließlich die NZBen, nicht aber die Mitgliedstaaten, deren Einrichtungen sie nach wie vor sind, besitzen im Verfahren des Art. 237 lit. d) EG-Vertrag Beklagtenfähigkeit.101 Dies folgt bereits aus Art. 237 lit. d) Satz 3 EG-Vertrag, wonach die beklagte NZB im Urteilstenor zu nennen ist.102 Aus dem Verweis von Art. 237 lit. d) Satz 2 EG-Vertrag auf Art. 226 EGVertrag folgt, dass der Klageerhebung zwingend ein formelles Vorverfahren vorgeschaltet ist. Den EZB-Rat trifft demnach die Pflicht, im Falle eines Vertragsverstoßes einer NZB einzuschreiten.103 Ebenso wie die Kommission (Art. 226 EG-Vertrag) hat die EZB nach Anhörung der NZB zunächst eine begründete Stellungnahme vorzulegen (Art. 35.6. Satz 2 ESZB-Satzung). In jedem Fall kann die EZB erst nach Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens, das den fruchtlosen Ablauf der in der Stellungnahme gesetzten Frist einschließt, Klage erheben.104 Zumindest für den Bereich der Geldpolitik folgt aus Art. 14.3. Satz 2 ESZB-Satzung das ausdrückliche Recht der EZB zum Erlass von „Abstellungsverfügungen“. Sie beinhalten konkrete und verbindliche (An-) Weisungen zur Beseitigung der Vertragsverletzung, was einmal mehr die systeminterne Unterordnung der NZBen unter die EZB widerspiegelt.

98 Gaitanides, in: G/T/E, EG, Art. 237 EG, Rn. 20; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 237, Rn. 6. 99 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (523); Potacs, EuR 1993, S. 23 (38); Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 237, Rn. 6; Zimmermann, S. 79. Siehe zur Situation vor Errichtung des ESZB Smits, ECB, S. 109. 100 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (523); Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 21; Schwarze, in: Schwarze, EU, Art. 237 EGV, Rn. 9. 101 Goetze, S. 175; Koenig, EuZW 1993, S. 661 (663); Weber, S. 88. 102 Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 22. 103 Gaitanides, in: G/T/E, EG, Art. 237, Rn. 21. 104 Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 26.

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

In Fällen, in denen Leitlinien und Weisungen im Streit stehen, wird der EZBRat als mildestes Mittel zunächst die Kompetenzen der ESZB-Satzung ausschöpfen, bevor er auf die „scharfe Waffe“ der Klage zurückgreift. Zudem ist die erwähnte Befugnis zum Erlass von Abstellungsverfügungen leichter handhabbar als die ultima ratio des Art. 237 lit. d) EG-Vertrag, die in ihrer Sanktionswirkung ohnehin schwach bleibt. Auch werden sowohl EZB als auch NZBen vor Klageerhebung umgehend nach einer politischen Lösung des Konflikts suchen, um die internationalen Kapitalmärkte nicht zu beunruhigen oder ihre Reputation aufs Spiel zu setzen. Im Gegensatz zur Pflicht des EZB-Rates, im Falle eines Vertragsverstoßes einer NZB einzuschreiten, steht die Opportunität der Klageerhebung im Ermessen des EZB-Rates (Art. 237 lit. d), Art. 226 Abs. 2 EG-Vertrag).105 Die Einschätzungsprärogative der EZB hinsichtlich der gerichtlichen Sanktionierung von Verstößen gegen die ESZB-Satzung verstärkt die Subordination der NZBen.106 Mit Blick auf die Spruchpraxis des EuGH107 ist der EZB ein weites Ermessen bei der „Zweckmäßigkeit“ der Klageerhebung einzuräumen. Im Übrigen braucht die EZB grundsätzlich kein besonderes Rechtsschutzinteresse nachzuweisen. Ein solches besteht auch, sofern die NZB den vertragswidrigen Zustand nach Ablauf der ihr in der Stellungnahme gesetzten Frist (Art. 237 lit. d], 226 Abs. 2 EG-Vertrag) beseitigt hat, da das Urteil Grundlage der Haftung der NZB sein kann.108 Soweit der EuGH der „Vertragsverletzungsklage“ stattgibt, stellt er den Verstoß der beklagten NZB gegen die primärrechtliche Verpflichtung fest (Art. 237 lit. d] Satz 3 EG-Vertrag). Mangels rechtsgestaltender Wirkung des Feststellungsurteils kann der EuGH die NZB nicht zu einer Leistung, Handlung oder Unterlassung verpflichten. Er kann insbesondere keine gemeinschaftsrechtswidrige Maßnahme einer NZB aufheben. Soweit sich in den Urteilsgründen Ausführungen zu den Maßnahmen finden, die die Vertragsverletzung beseitigen können (Art. 237 lit. d] Satz 3 EG-Vertrag), handelt es sich nicht um Verhaltensgebote, sondern um unverbindliche Hinweise.109 Aus Art. 237 lit. d) Satz 3 EG-Vertrag folgt die Pflicht der verurteilten NZB, „die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil ergeben“. Die verurteilte NZB hat daher den Vertragsverstoß von sich aus zu beenden (Art. 237 lit. d] Satz 3 EG-Vertrag). Sofern verschiedene Wege bestehen, die Vertragsverletzung 105

Borchardt, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 237, Rn. 11. Für ein Ermessen der Kommission EuGH, Rs. C-247/87, Slg. 1989, I-291, Rn. 11 [Star Fruit/Kommission]. 107 EuGH, Rs. C-247/87, Slg. 1989, I-291, Rn. 11 [Star Fruit/Kommission]; EuGH, Rs. C-207/97, Slg. 1999, I-275, Rn. 24 [Kommission/Belgien]. 108 Weber, S. 88. 109 Weber, S. 91. 106

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zu beheben, verfügt die jeweilige NZB über ein Auswahlermessen. Hilft die NZB dem Verstoß nicht ab, kann die EZB ein neues Vertragsverletzungsverfahren mit dem Ziel der Sanktion des Verstoßes gegen Art. 237 lit. d) Satz 3 EGVertrag einleiten. Das für das allgemeine Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 EG-Vertrag) eingeführte, spezielle Sanktionsverfahren des Art. 228 Abs. 2 EG-Vertrag findet keine analoge Anwendung.110 Art. 237 lit. d) Satz 2 EG-Vertrag verweist ausdrücklich nur auf Art. 226 EG-Vertrag. Zwar enthält Art. 237 lit. d) Satz 3 EGVertrag eine dem Art. 228 Abs. 1 EG-Vertrag entsprechende Regelung; eine Parallele zu Art. 228 Abs. 2 EG-Vertrag ist darin nicht zu sehen. Somit können nur Mitgliedstaaten, nicht aber NZBen, zur Zahlung eines Pauschalbetrages oder Zwangsgeldes durch den EuGH herangezogen werden. Auf den ersten Blick ist ein Wertungswiderspruch zu vermuten, da die NZBen offenbar größeren Schutz genießen als die Mitgliedstaaten. Andererseits unterliegen die Mitgliedstaaten nicht dem gleichen hohen Integrationsniveau wie die NZBen innerhalb des ESZB. Im Ergebnis bleibt unklar, ob das Ungleichgewicht vom Gesetzgeber beabsichtigt ist oder ob es sich bei der Regelung des Art. 237 lit. d) Satz 2, 3 EGVertrag um ein redaktionelles Versehen handelt. Allerdings wird das „Sanktionsdefizit“ des EZB-Rates in Bezug auf vertragswidrig handelnde NZB durch verschiedene Komponenten relativiert: Zunächst beruht das ESZB als Subsystem innerhalb des Gemeinschaftsgefüges auf dem Respekt aller Beteiligten vor dem Primärrecht. Die Funktionsfähigkeit des ESZB entspringt der engen Interaktion der Systemelemente. Der hohe Integrationsgrad im währungsrechtlichen Bereich sowie die strikte Verpflichtung auf ein Gemeinschaftsziel rechtfertigen weniger strenge Sanktionsbefugnisse. Zudem kann die EZB durch systeminterne Leitlinien präventiv deutlich effektiver die einheitliche Geldpolitik steuern als mit Hilfe repressiv wirkender finanzieller Sanktionen. Schließlich übernehmen die sensiblen internationalen Finanzmärkte in der Praxis eine nicht zu unterschätzende Kontrolle und Reglementierung. Angesichts des drohenden Vertrauensverlusts für einzelne NZBen an den Handelsplätzen der Welt würden sich finanzielle Sanktionen des EZB-Rates de facto erübrigen. c) Klagegegenstände Als Gegenstände spezieller Feststellungsklagen kommen zunächst alle Rechtsakte der EZB in Betracht, die Außenwirkung entfalten. Sofern die Bundesbank als NZB ihren Pflichten aus Verordnungen (Art. 110 Abs. 1, 1. Sp.-str. 110 Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 237, Rn. 11; Schwarze, in: Schwarze, EU, Art. 237 EGV, Rn. 10; ebenso nun auch Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 31, wobei die Vorauflage noch eine analoge Anwendung in Erwägung zog.

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

EG-Vertrag) oder Entscheidungen (Art. 110 Abs. 1, 2. Sp.-str. EG-Vertrag) nicht oder nicht angemessen nachgekommen ist, kann die EZB Klage erheben. In Bezug auf weitere Klagegegenstände ist zu untersuchen, inwieweit die Nichtbefolgung von Leitlinien und Weisungen der EZB-Organe (Art. 14.3. Satz 2 ESZB-Satzung) unter Art. 237 lit. d) Satz 1 EG-Vertrag fällt. Als Klagegrund in Erwägung zu ziehen ist auch die Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung). aa) Leitlinien und Weisungen Voraussetzung für die gerichtliche Kontrolle von Leitlinien und Weisungen ist, dass es sich bei den ESZB-internen Maßnahmen um „Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag beziehungsweise der ESZB-Satzung“ handelt. Teilweise111 werden Leitlinien und Weisungen als Gegenstand der Feststellungsklage mit der Begründung abgelehnt, der EZB stünde zur Durchsetzung ihres Weisungsrechts das spezielle Verfahren des Art. 14.3. Satz 2 ESZB-Satzung zur Verfügung. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Aus der Systematik von Art. 237 lit. d) EG-Vertrag und Art. 35.6. ESZBSatzung resultieren neben der präventiven Befugnis der EZB abgestufte, repressive Sanktionsmöglichkeiten. Die Feststellungsklage (Art. 237 lit. d] Satz 2 EGVertrag) bedingt zwangsläufig zuerst die Durchführung eines Vorverfahrens gemäß Art. 35.6. Satz 2 und 3 ESZB-Satzung. Indem Art. 14.3. Satz 2 von „notwendigen Maßnahmen“ der EZB spricht, betont er einerseits dieses Erfordernis speziell für den Bereich der Geldpolitik. Andererseits impliziert er die Möglichkeit prozessualer Kontrolle als ultima ratio, um die Einhaltung der EZB-Direktiven sicherzustellen. Um diese Befugnis auszuschöpfen, sind übereinstimmend mit den zu Art. 226 EG-Vertrag anerkannten Grundsätzen „alle Verpflichtungen aus dem Vertrag“ erfasst, die aus geschriebenem und ungeschriebenem, primärem wie sekundärem Gemeinschaftsrecht folgen.112 Die EZB kann daher den Vollzug von Leitlinien und Weisungen durch die NZBen mit Hilfe des Art. 237 lit. d) EG-Vertrag klageweise durchsetzen.113 Dieses Recht verdeutlicht einmal mehr das Rangverhältnis zwischen EZB und NZBen. Die EZB genießt im Rahmen der speziellen Feststellungsklage weitaus stärkere Rechte als die Bundesbank als NZB. Deutlich wird dies vor allem bei der Kontrolle eventueller Verstöße der NZBen gegen Weisungen des EZB-Direktoriums. Während es den NZBen praktisch unmöglich ist, aus eigener 111

Weinbörner, S. 398 f. Gaiser, EuR 2002, S. 517 (522). 113 Im Ergebnis ebenso Gaitanides, S. 190 f.; Koenig, EuZW 1993, S. 661 (663); Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 237, Rn. 5; Weber, S. 88. 112

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Initiative die Rechtswidrigkeit einer an sie gerichteten Weisung vom EuGH überprüfen zu lassen,114 kann die EZB den Weisungsvollzug über Art. 237 lit. d) EG-Vertrag gerichtlich durchsetzen. bb) Subsidiaritätsklausel Wie bereits ausgeführt,115 ist die Subsidiaritätsklausel, sofern sie die vertikale Aufgabenverteilung betrifft, vom EuGH unter Berücksichtigung des weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraums der EZB kontrollierbar. Die EZB kann insbesondere Feststellungsklage mit dem Ziel erheben, dass sie bestimmte Aufgaben „an sich ziehen“ durfte, da die Umsetzung seitens der NZBen nicht mehr möglich und sachgerecht war. Die EZB verfügt – anders als die Kommission nach Art. 226 ff. EG-Vertrag – im Verfahren nach Art. 237 lit. d) EG-Vertrag über eine Art „Selbsteintrittsrecht“. Dieses Recht verleiht der EZB die Befugnis, den NZBen übertragene und von diesen nicht ordnungsgemäß durchgeführte Aufgaben selbst zu erfüllen. Wie bereits erörtert,116 kann die EZB im Sinne einer Art Ersatzvornahme die Aufgabenwahrnehmung sicherstellen, wenn diese effektiv nicht mehr durch die NZBen gewährleistet werden kann. Im Übrigen könnte die „eigenmächtige“ Aufgabenerfüllung einer NZB Anlass zur Feststellung bieten, dass die NZB aus Sicht der EZB gegen das Prinzip des Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung verstoßen hätte. 2. Andere Klagearten Weitere Streitigkeiten zwischen Bundesbank als NZB und EZB, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 237 lit. d) EG-Vertrag fallen, sind vor dem EuGH nicht denkbar. Sofern sich die EZB gegen Akte wenden will, die die Bundesbank in eigener Verantwortung und nicht als integraler ESZB-Bestandteil erlassen hat, verweist Art. 35.2. ESZB-Satzung auf die nationale Jurisdiktion. Des weiteren stellt Art. 35.3. Satz 2 ESZB-Satzung klar, dass die NZBen in Fragen der Haftung gegenüber den Geschäftspartnern nicht als Gemeinschaftseinrichtungen anzusehen sind.117 Trotz Einbindung in das ESZB sind sie als

114 115 116 117

(60).

Siehe dazu oben, II. 2. b) bb). Siehe dazu oben, II. 2. c). Siehe dazu oben, 12. Abschnitt, B. III. 2. c). Gaiser, EuR 2002, S. 517 (536, Fn. 86); Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

selbständige Rechtssubjekte für Handlungen nach außen in vollem Maße verantwortlich. IV. Streitigkeiten zwischen EZB-Rat und EZB-Direktorium

Die Frage, inwieweit Streitigkeiten zwischen den ESZB-Leitungsorganen vom EuGH sanktioniert werden können, ist nur am Rande von Interesse. Bedeutung könnte ein solches Verfahren allerdings erlangen, wenn das EZB-Direktorium die Rechtswidrigkeit einer Leitlinie des EZB-Rates bei oder nach Erlass einer Weisung gegenüber den NZBen erkennt. Entscheidend ist in einem solchen Fall die „Doppelrolle“ der NZB-Präsidenten, da sie sowohl als Mitglieder des EZBRates fungieren als auch an der Spitze ihrer NZB stehen. Die Kompetenz des EuGH im Rahmen etwaiger Streitigkeiten zwischen den EZB-Organen ist nicht explizit geregelt.118 Mit Blick auf das institutionelle Gleichgewicht zwischen Rat und Direktorium ist jedoch beiden Organen Aktivund Passivlegitimation zuzubilligen. Überträgt man die Spruchpraxis des EuGH119 zu Streitigkeiten zwischen Gemeinschaftsorganen auf die EZB,120 ist den EZB-Organen (Rat und Direktorium) de lege lata die Befugnis zuzuerkennen, in einer Art Organstreit die Beeinträchtigung eigener, EZB-interner Befugnisse geltend machen. Als Argument für die Zulässigkeit derartiger Organstreitverfahren lässt sich die Regelung des Art. 11.4. ESZB-Satzung anführen. Die genannte Norm regelt mit dem gerichtlichen Verfahren über die Amtsenthebung eines Direktoriumsmitglieds einen speziellen Streitfall zwischen zwei Organen der EZB (Rat und Direktorium als Intra-Organstreit) beziehungsweise innerhalb eines Organs (Direktorium als Inner-Organstreit). Da weder EZB-Rat noch Rat der EU eine eigenständige Befugnis zur Amtsenthebung besitzen,121 muss der EuGH den Konflikt zwischen den EZB-Organen schlichten. Wenngleich das Ermessen des EuGH in Bezug auf die Gründe der Amtsenthebung eingeengt wird (Art. 11.4. ESZB-Satzung),122 ähnelt der Fall dem Verfahren der Amtsenthebung der Kommissionsmitglieder und ist somit der Situation für einen europarechtlichen Konflikt zwischen (EG-)Organen vergleichbar.

118

Ausführlich dazu Weber, S. 104 ff. EuGH, Rs. C-70/88, Slg. 1990, I-2041, Rn. 22, 25 ff. [Tschernobyl-I]. 120 Diese Übertragbarkeit bejaht – allerdings in anderem Zusammenhang – bereits Smits, ECB, S. 212. 121 Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 11, Rn. 7. 122 Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 52; Zilioli, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 11, Rn. 8. 119

15. Abschn.: Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB

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D. Rechtsschutz der Bundesbank vor nationalen Gerichten I. Abgrenzung

Nachdem die Position der Bundesbank als NZB in Verfahren gegen die EZB vor dem EuGH dargestellt wurde, sollen ihre Rechtsschutzmöglichkeiten vor nationalen Gerichten erörtert werden. Zwei Problembereiche sind hierbei zu betrachten: Zum einen ist zu klären, ob und wenn ja, in welchen Fällen es zu Konfrontationen vor nationalen Gerichten kommen kann. In diesem Zusammenhang soll hier nur der Bereich behandelt werden, in dem die Bundesbank durch andere Marktteilnehmer (Kreditinstitute) in Rechtsstreitigkeiten, vorrangig aus dem Vollzug von Transaktionen, verwickelt wird. Zum anderen stellt sich die Frage, ob innerstaatlich der Rechtsweg zu den Zivil- oder den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Die vor Beginn der Endstufe der WWU diskutierte Position123 einer Beteiligung der Bundesbank an Organstreitverfahren vor dem BVerfG hat an Bedeutung verloren. Aus der primärrechtlichen Verankerung der Bundesbank im ESZB folgt, dass Eingriffe der Bundesregierung in die Position der NZB als integraler Systembestandteil eine Verletzung des EG-Rechts darstellen und daher auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene im Vertragsverletzungsverfahren zu entscheiden wären (Art. 226, 227 EG-Vertrag). Infolge ihrer Position als integraler Bestandteil des ESZB kann die Bundesbank trotz ihres Verbleibs in der mitgliedstaatlichen Staatsorgansiation nicht im Wege eines nationalen Organstreitverfahrens (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG) für den Erhalt bei ihr ressortierender geld- und währungspolitischer Kompetenzen eintreten.124 II. Prinzip der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit

Prinzipiell verweist Art. 35.2. ESZB-Satzung alle Streitigkeiten zwischen der EZB und ihren Geschäftspartnern (Kreditinstituten) an die nationalen Gerichte. Entsprechend dem Prinzip der mitgliedstaatlichen Zuständigkeit richten sich sowohl vertragliche (Art. 35.2. ESZB-Satzung) als auch außervertragliche Haftung (Art. 35.3. Satz 2 ESZB-Satzung) nach nationalem Recht. Gleichzeitig folgt aus der Zuständigkeit nationaler Gerichte vorbehaltlich der EuGH-Kompetenz, dass es keine konkurrierende Zuständigkeit zwischen EuGH und nationalen Gerichten geben soll.125 123 Hahn/Häde, in: Dolzer/Vogel, BoK, 93. Lfg., Art. 88, Rn. 597; Schefold, in: FS Stein, S. 201 (205). 124 So auch Blanke, in: M/K/S, GG, Art. 88, Rn. 8; dagegen Tettinger/Siekmann, in: Sachs, GG, 4. Auflage, Art. 88, Rn. 83 f.

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

Wie schon festgestellt,126 handeln im Verhältnis zu anderen Marktteilnehmern (fast) ausschließlich die jeweiligen NZBen. Im „Außenverhältnis“ wird daher allein die Bundesbank als NZB berechtigt und verpflichtet. Die EZB agiert nur insofern, als den Ausführungsgeschäften zugrunde liegende Entscheidungen (Leitlinien, Weisungen) zu treffen sind. Die jeweiligen Umsetzungsakte in Form der Notenbankgeschäfte tätigen allein die NZBen, weshalb sie diesen ausschließlich zuzurechnen sind. In Form des indirekten Vollzugs des Gemeinschaftsrechts übt die Bundesbank als NZB nationale Staatsgewalt aus.127 Dies gilt auch und gerade in den Fällen, in denen sie von der EZB „in Anspruch genommen“ wird (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung). Angesichts der Einbindung in die mitgliedstaatliche Staatsorganisation unterfallen die Notenbankgeschäfte nationalem Recht.128 Da es sich um den mitgliedstaatlichen Vollzug von EGRecht handelt, sind grundsätzlich die nationalen Verfahrens- und Prozessordnungen (Grundsatz der Verfahrens- und Organisationsautonomie der Mitgliedstaaten)129 anwendbar. Demzufolge judizieren bei Streitigkeiten aus einzelnen Notenbankgeschäften im Verhältnis der Bundesbank zu ihren Geschäftspartnern deutsche Gerichte. Dieses Ergebnis scheint auch aus Sicht der rechtsschutzsuchenden Geschäftspartner der NZBen angemessen. Weder verfügen andere Marktteilnehmer über detaillierte Kenntnisse der Organisationsstrukturen des ESZB, noch kann dies von ihnen verlangt werden. Der klagende Dritte kann nicht für das Auseinanderfallen von Sach- und Vollzugskompetenz die Verantwortung tragen.130 In Streitfällen wenden sich die Geschäftspartner prozessual an die ihnen gegenüber handelnde Institution. Übertragen auf den Bereich der Geldpolitik können von den Geschäftspartnern der Bundesbank kaum detaillierte Kenntnisse darüber verlangt werden, dass der EZB die ausschließliche Kompetenz zur Festlegung der Geldpolitik, den NZBen hingegen die konkurrierende Vollzugskompetenz obliegen.131 Demnach müsen die Geschäftspartner die nach außen (letzt-) agierende Bundesbank als NZB vor nationalen Gerichten in Anspruch nehmen können. Zum gleichen Ergebnis, allerdings mit anderer Begründung, gelangt die Auffassung, die als Kriterium der Abgrenzung eine modifizierte „Zwei-StufenTheorie“ heranziehen will.132 Demnach seien die monetären Akte in zwei Ebe125 126 127 128 129 130 131 132

Hoppe, S. 179. Siehe dazu oben, C. II. 4. Weber, S. 210; Zimmermann, S. 137. Siehe dazu oben, 11. Abschnitt, B. IV. sowie 13. Abschnitt, B. II. 2. Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 10 EG, Rn. 31. Weber, S. 210. Siehe zur Kompetenzverteilung ausführlich, 12. Abschnitt. Hoppe, S. 180.

15. Abschn.: Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB

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nen aufzuteilen:133 Auf der ersten Stufe legt der EZB-Rat den geldpolitischen Rahmen fest, beispielsweise den SRF-Satz oder die qualitativen Refinanzierungsbedingungen. Auf der zweiten Stufe sind die NZBen (oder das Direktorium) für die Umsetzung der Geldpolitik innerhalb des EZB-Rahmens verantwortlich. Nationale Gerichte sind für Streitigkeiten zuständig, die aus der Umsetzung der Geldpolitik folgen. Hingegen ist der EuGH befugt, sofern die Festsetzung fundamentaler monetärer Bestimmungen im Streit steht.134 III. Prüfungsumfang der nationalen Gerichte

Die Frage, welches nationale Gericht für die Kontrolle welcher Art von Geschäften der Bundesbank zuständig ist, erfordert es, den Prüfungsumfang der nationalen Gerichte zu skizzieren. Dies ist insofern von Bedeutung, als deutsche Gerichte bei der Kontrolle der Notenbankgeschäfte der Bundesbank zwangsläufig zugrunde liegende EZB-Vorgaben zu berücksichtigen haben. In concreto ist zu klären, inwieweit die nationale Rechtsprechung über Leitlinien und Weisungen der EZB judizieren darf. 1. Leitlinien des EZB-Rates a) Unmittelbare Wirkung von Leitlinien des EZB-Rates Anlass eines Rechtsstreits können Unstimmigkeiten zwischen Bundesbank und anderen Marktteilnehmern darüber geben, dass die NZB die Geldpolitik nicht entsprechend den EZB-Leitlinien ausgeführt hat. Im Rahmen dessen müssten deutsche Gerichte in einem nationalen Verfahren befugt sein, über die Rechtmäßigkeit von EZB-Leitlinien zu urteilen. Dazu müsste den Leitlinien der gleiche Effekt zukommen, den Richtlinien der EG in Form der „unmittelbaren Wirkung“135 entfalten. Wäre dies der Fall, hätten die nationalen Gerichte die Leitlinien von Amts wegen als vorrangiges Gemeinschaftsrecht zu beachten und anzuwenden. Grundsätzlich ist die Judikatur des EuGH zur unmittelbaren Wirkung136 von Richtlinien angesichts ihrer allgemeinen Natur auf die Leitlinien des EZB-Rates übertragbar.137 Die praktische Wirksamkeit des EG-Rechts („effet utile“) wäre 133

Hoppe, ebenda. Hoppe, S. 181. 135 Ständige Rechtsprechung seit EuGH, Rs. 9/70, Slg. 1970, 825 (838 f.) [Grad/ Finanzamt Traunstein]; EuGH; Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337 (1348) [van Duyn/Home Office]. 136 EuGH, Rs. 148/78, Slg. 1979, 1629, Rn. 23 [Ratti]; EuGH, Rs. 8/81, Slg. 1982, 53, Rn. 25 [Becker]. 137 Weber, S. 161. 134

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

gefährdet, wenn sich einzelne Marktteilnehmer vor nationalen Gerichten nicht auf die Leitlinien berufen könnten. Allerdings erfüllen die EZB-Leitlinien in den seltensten Fällen die Voraussetzungen, unter denen eine unmittelbare Wirkung anzuerkennen ist, weshalb eine Berufung darauf praktisch ausgeschlossen ist. Würde die unmittelbare Wirkung von Leitlinien bejaht, müsste ihre Regelungsdichte so umfassend und abschließend sein, dass ein Umsetzungsspielraum der NZBen faktisch ausgeschlossen ist („self-executing“). Die den NZBen gewährten Rechte müssten sich hinreichend genau bestimmen lassen. Dies ist nicht der Fall. Die Leitlinien enthalten typischerweise allgemeine Regelungen zur Ausführung geldpolitischer Beschlüsse. Ihrem Zweck entsprechend dienen sie dazu, den Handlungsrahmen vorzuzeichnen, innerhalb dessen den NZBen bewusst eine – wenn auch geringe – Vollzugskompetenz138 zusteht, die die Bundesbank durch AGB für eine Vielzahl von Fällen ausformt und konkretisiert. Mit Ausnahme von detaillierten „Vollregelungen“ ist die unmittelbare Wirkung der Leitlinien abzulehnen. b) Staatshaftungsanspruch wegen fehlerhafter Umsetzung von Leitlinien des EZB-Rates Denkbar wäre indes ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch anderer Marktteilnehmer gegen die NZBen wegen fehlerhafter Umsetzung der Leitlinien. Voraussetzung ist wiederum eine – im Ergebnis zu bejahende – Übertragbarkeit der Haftungsvoraussetzungen auf das Verhältnis der NZBen zu den Wirtschaftssubjekten. Obwohl der EuGH bisher nur Fälle normativen Unrechts zu entscheiden hatte, behielt er sich die Möglichkeit vor, ähnliche Haftungsvoraussetzungen auch auf mitgliedstaatliches administratives Unrecht anzuwenden.139 Demnach kann auch bei Einzelfallentscheidungen der NZBen, die auf fehlerhafter Leitlinienumsetzung beruhen, ein Anspruch der Marktteilnehmer bestehen. Art. 35.3. Satz 2 ESZB-Satzung weist die Entscheidung darüber den nationalen Gerichten zu. In diesen Fällen haftet die Bundesbank ihren Geschäftspartnern unter folgenden, vom EuGH140 für fehlerhafte Richtlinienumsetzung entwickelten Voraussetzungen: 138

Siehe dazu oben, 12. Abschnitt, B. III. 2. b) bb). EuGH, Rs. C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5357, Rn. 34 („vor allem“) [Francovich, Bonifaci, u. a./Italienische Republik]; EuGH, Rs. C-46/93 und C-48/93, Slg. 1996, I-1029, Rn. 55 ff. [Brasserie du Pêcheur/Deutschland]; EuGH, Rs. C-5/94, Slg. 1996, I-2553 [The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte: Hedley Lomas]. 140 EuGH, Rs. C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5357 [Francovich, Bonifaci, u. a./ Italienische Republik]; EuGH, Rs. C-46/93 und C-48/93, Slg. 1996, I-1029 [Brasserie du Pêcheur/Deutschland]; EuGH, Rs. C-5/94, Slg. 1996, I-2553 [The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte: Hedley Lomas]. 139

15. Abschn.: Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB

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(1) Zunächst muss die gemeinschaftsrechtliche Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde, dem einzelnen Rechtssubjekt eigene Rechte verleihen. Ein subjektives Recht ist zu bejahen, sofern die Leitlinie die NZB verpflichtet, innerstaatlich subjektive Rechte zu begründen. Der Umstand, dass die NZB zwischen mehreren Möglichkeiten zur Erreichung des Leitlinienziels wählen kann, schließt subjektive Rechte nur dann aus, wenn die Leitlinie bloße Begünstigungen des Einzelnen („Rechtsreflexe“) beinhaltet.141 Seitens der Marktteilnehmer bedürfte es im Einzelfall allerdings erheblichen Begründungsaufwandes, um derartige subjektive Rechte herzuleiten. (2) Sofern die Marktteilnehmer die „Hürde“ des subjektiven Rechts genommen haben, muss der hinreichend qualifizierte Verstoß gegen die EZB-Leitlinie kausal für den dem Marktteilnehmer entstandenen Schaden sein. Insgesamt bleibt festzustellen, dass mangels unmittelbarer Wirkung von EZBLeitlinien die nationalen Gerichte allenfalls mit Schadensersatzansprüchen aus fehlerhafter Leitlinienumsetzung konfrontiert werden können. Deren Beweisbarkeit dürfte, wie dargelegt, im Einzelfall nicht unproblematisch sein. 2. Weisungen des EZB-Direktoriums Parallel zur Diskussion über die direkte Wirkung von Leitlinien stellt sich die Frage der Kontrolle durch nationale Gerichte für Weisungen des EZB-Direktoriums. Hinsichtlich der Haftungsvoraussetzungen wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.142 Generell können Weisungen unmittelbare Wirkung gegenüber Dritten entfalten, sofern sie (1) Rechte der einzelnen Marktteilnehmer begründen, (2) die Umsetzungsverpflichtung bedingungslos, klar und eindeutig ist und (3) die Umsetzung nicht rechtzeitig oder fehlerhaft erfolgte. Im Gegensatz zu Leitlinien enthalten Weisungen Vorgaben bezüglich eines konkreten, einzelnen Sachverhalts.143 Dies gilt insbesondere, wenn die Weisung bereits konkret angebahnte oder laufende Geschäfte betrifft beziehungsweise das Direktorium die NZB durch die Weisung zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet.144 Könnten sich Wirtschaftsteilnehmer nicht unmittelbar auf die damit verbundene Verpflichtung berufen, wäre dies mit der verbindlichen Wirkung der Weisung unvereinbar. Gerade die unmittelbare Wirkung von Weisungen verdeutlicht die schwache Rechtsposition der NZBen. So ist es prinzipiell denkbar, dass die Bundesbank Streitigkeiten mit anderen Marktteilnehmern infolge der unmittelbaren Wirkung

141 142 143 144

Weber, S. 166. Siehe dazu oben, 1. a). Siehe dazu oben, 12. Abschnitt, B. II. 3. c). Weber, S. 213 ff.

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

von Weisungen ausgesetzt ist, selbst aber – wie dargestellt145 – über ausgesprochen eingeschränkte Möglichkeiten der gerichtlichen Überprüfung der Weisung verfügt. Unabhängig davon bleibt zu klären, inwieweit die NZBen im Fall der Nichtbefolgung der Weisungen Schadensersatzansprüchen anderer Marktteilnehmer ausgesetzt sind. Für die Nichtbefolgung von Weisungen kann im Rahmen der Staatshaftung nichts anderes gelten als für die Nichtumsetzung von Leitlinien. Zur Vermeidung von Wiederholungen sei auf die genannten Haftungsvoraussetzungen verwiesen.146 In der Praxis denkbar ist eine Haftung einer NZB wegen fehlerhafter Umsetzungshandlungen im Bereich der Mindestreserve.147 Im Falle einer Schadensersatzpflicht gegenüber anderen Marktteilnehmern kann die Bundesbank die EZB unter den oben gezeigten148 Voraussetzungen in Regress nehmen (Art. 288 Abs. 2 EG-Vertrag, Art. 35.3. Satz 1 ESZB-Satzung). 3. Vorabentscheidungsverfahren Auf Vorlage eines nationalen Gerichts entscheidet der EuGH über die Gültigkeit und Auslegung von Handlungen der EZB (Art. 234 Abs. 1 lit. b] EG-Vertrag). Die vorlagefähigen Handlungen beziehen sich auf alle rechtlich relevanten Rechtsakte der EZB.149 Unerheblich ist, ob es sich um verbindliche oder unverbindliche Rechtsakte handelt, weshalb sowohl Verordnungen und Entscheidungen als auch Empfehlungen und Stellungnahmen vorlagefähig sind.150 Überträgt man den umfassenden Interpretationsansatz des EuGH auf EZB-Rechtsakte, fallen auch systeminterne Rechtsakte des ESZB, das heißt Leitlinien und Weisungen, in den Anwendungsbereich von Art. 234 Abs. 1 lit. b) EG-Vertrag.151 Daraus folgt, dass deutsche Gerichte in Verfahren zwischen Bundesbank und anderen Marktteilnehmern über ESZB-interne Maßnahmen die zugrunde liegenden Leitlinien oder Weisungen dem EuGH zur Prüfung vorlegen können. Eine Vorabentscheidung des EuGH ist ebenso denkbar, sofern eine NZB ihre Geschäftspartner zur Einhaltung von Verbindlichkeiten verpflichten will, die sie selbst aus EZB-Vorgaben ableitet.

145

Siehe dazu oben, C. II. 2. b) bb) sowie III. 1. c) aa). Siehe dazu oben, 1. b). 147 Baur, S. 259. 148 Siehe dazu oben, C. II. 4. 149 López Torres, in: G/T/E, EG, nach Art. 109 m, ESZB-Satzung, Art. 35, Rn. 12; Schwarz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, § 13, Rn. 58. 150 EuGH, Rs. 113/75, Slg. 1976, 983, Rn. 8/9 [Frecassetti]; EuGH, Rs. C-188/91, Slg. 1993, I-363, Rn. 18 [Deutsche Shell]. 151 Gaiser, EuR 2002, S. 517 (532). 146

15. Abschn.: Rechtsschutz der Bundesbank als NZB im ESZB

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IV. Rechtsweg

1. Abgrenzungskriterien Sofern feststeht, dass die Streitigkeit in die Zuständigkeit deutscher Gerichte fällt, bleibt zu klären, ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten oder den Verwaltungsgerichten eröffnet ist. Für die Zuständigkeitsabgrenzung ist die Rechtsnatur des jeweiligen Notenbankgeschäfts ausschlaggebend. Um das jeweilige Geschäft der Bundesbank den genannten Kategorien zuzuordnen, können die aus dem (nationalen) Verwaltungsrecht bekannten Kriterien herangezogen werden. Nach der (noch herrschenden) modifizierten formalen Subjektstheorie152 ist immer dann eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit und somit der Verwaltungsrechtsweg gegeben, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts aufgrund von Rechtssätzen gehandelt hat, deren Zuordnungssubjekt ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt ist. Entscheidend ist daher, ob der Sachverhalt Rechtssätzen unterworden ist, die für jedermann gelten, oder einem Sonderrecht des Staates, das im Interesse der Erfüllung öffentlicher Aufgaben die allgemein geltenden (zivilrechtlichen) Regelungen abbedingt.153 Diese Kriterien sind nachfolgend auf die Rechtsakte der Bundesbank (Notenbankgeschäfte) zu übertragen. 2. Verwaltungsrechtsweg Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist, bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen des § 40 VwGO, immer dann eröffnet, sofern die Bundesbank als NZB auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnorm mit Außenwirkung gehandelt hat und somit hoheitlich tätig wurde. Verfahrensrechtliche Besonderheiten ergeben sich aus § 29 Abs. 1 BBankG, wonach der Vorstand die Stellung einer obersten Bundesbehörde genießt. Ein verwaltungsbehördliches Vorverfahren in Gestalt des Widerspruchverfahrens (§§ 68 ff. VwGO) wäre demnach entbehrlich, § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Wenngleich sich infolge der Zugehörigkeit zum ESZB der Aufgabenbereich der Bundesbank erheblich veränderte, hat sich die rechtliche Qualität der geldpolitischen Geschäfte nicht gewandelt.154 Die Bundesbank vollzieht die geldpolitischen Aufgaben in Ausübung und auf der Grundlage des nationalen Rechtsrahmens in Gestalt des BBankG. Das Handeln der Bundesbank als integraler

152 153 154

Kopp/Schenke, VwGO, § 40, Rn. 11. Kopp/Schenke, ebenda. Siehe dazu oben, 13. Abschnitt, B. II. 2.

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

Bestandteil des ESZB vollzieht sich daher auf öffentlich-rechtlicher, stärker jedoch auf zivilrechtlicher Grundlage. Anlass für Klagen vor deutschen Verwaltungsgerichten (§§ 40 Abs. 1, 42 Abs. 1 VwGO) könnte beispielsweise der Ausschluss eines potentiellen Geschäftspartners von der Teilnahme an Offenmarkt- und Refinanzierungsgeschäften geben, da diese Entscheidung der Bundesbank einen anfechtbaren Verwaltungsakt (§ 35 Satz 1 VwVfG) darstellt. Begehrt der potentielle Geschäftspartner Zulassung zu derartigen Geschäften, müsste er im Wege der Verpflichtungsklage ebenfalls vor nationalen Verwaltungsgerichten gegen die Bundesbank vorgehen.155 Im Rahmen der Kreditpolitik wird die Entscheidung der Bundesbank über die Anerkennung refinanzierungsfähiger Sicherheiten als Verwaltungsakt zu qualifizieren sein. Rechtsschutz gegen die Nichtberücksichtigung von Wertpapieren wäre in Deutschland daher vor den Verwaltungsgerichten zu suchen. Die Bundesbank handelt in einem solchen Fall hoheitlich, da die EZB Grundsatzentscheidungen auf die NZBen übertragen hat. Beispielhaft für derartige (Normierungs-)Befugnisse der Bundesbank lassen sich die Festlegung von Kreditsicherheiten (bis Ende 2006) sowie im Rahmen des einheitlichen Sicherheitenverzeichnis (ab 2007) die Festlegung des Mindestbetrags der Kreditforderung und des Einreichungszeitraums für nicht marktfähige Sicherheiten anführen.156 Gerade auch die Bedeutung der Entscheidung für den Zugang zu Zentralbankgeld rechtfertigt den hoheitlichen Charakter der Maßnahmen. Aussicht auf Erfolg hätte eine solche Klage, wenn die Bundesbank gegen die von der EZB oder gegen selbst gesetzte Auswahlkriterien verstoßen hätte und deshalb willkürlich handelte.157 3. Zivilrechtsweg Auf den Zivilrechtsweg (§ 13 GVG) ist der potentielle Kläger zu verweisen, wenn die Bundesbank auf privatrechtlicher Grundlage Notenbankgeschäfte tätigt. Schließt die NZB infolge der Umsetzung der EZB-Direktiven zivilrechtliche Verträge,158 besteht zwischen den Geschäftspartnern ein Gleichordnungsverhältnis. Die Bundesbank führt ihre Geschäfte regelmäßig mit Mitteln des Marktes aus. Denn die Bundes„bank“ ist als nationale Zentral„bank“ nur dann funktionsfähig, wenn sie vollständig in das Bankensystem integriert ist und am Markt die dort üblichen privatrechtlichen Verträge abschließen kann.

155 156 157 158

Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (49). Siehe dazu oben, 13. Abschnitt, B. II. 3. b) aa). Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (50). Siehe dazu oben, 13. Abschnitt, B. II. 2.

16. Abschn.: Einfluss des europäischen Verfassungsvertrages auf das ESZB 317

Im Rahmen der Geldpolitik bedient sich die Bundesbank zur Umsetzung der EZB-Vorgaben fast ausschließlich zivilrechtlicher Vertragsformen, deren nähere Ausgestaltung zumeist mit Hilfe von kauf- und darlehensvertraglichen Elementen in den AGB erfolgte.159 Als Beispiel sei die Durchführung von Geschäften am offenen Markt und im Rahmen der Kreditpolitik genannt, etwa die (unzulässige) Verwertung von Sicherheiten. Auch die Nichtberücksichtigung eines zu niedrigen Gebots eines Geschäftspartners im Ausschreibungsverfahren (Tender) führt zu einer zivilvertraglichen Beziehung zwischen den Parteien.160 Ebenfalls in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallen Streitigkeiten über eine mögliche Staatshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB), sofern die Bundesbank hoheitlich tätig wird und die Verletzung drittbezogener Amtspflichten in Frage steht. Inwieweit beispielsweise Mitwirkungsrechte der Bundesbank im Rahmen der Bankenaufsicht161 ausreichen, um eigenständige Amtspflichten neben der primär verantwortlichen BaFin zu begründen, ist allerdings fraglich. Sowohl die nationale Regelung (§ 4 FinDAG) als auch der EuGH betonen, dass bereits eine Haftung der BaFin gegenüber dem Bankkunden für mangelhaft ausgeübte Aufsichtsbefugnisse ausscheidet.162 16. Abschnitt

Einfluss des europäischen Verfassungsvertrages auf das ESZB A. Grundsätzliches Die analysierte Struktur des ESZB markiert den status quo und somit nur das vorläufige Ende des europäischen und speziell währungsrechtlichen Integrationsprozesses. Mit dem Verfassungsvertrag soll – so die Präambel – ein Grundgesetz für künftige Generationen geschaffen werden, das einen „Raum eröffnet, in dem sich die Hoffnung der Menschen entfalten kann“. Zum Zweck der Erarbeitung eines Vertragsentwurfs wurde ein Verfassungskonvent eingesetzt, von dessen Zusammensetzung und Arbeitsmethode sich die Mitgliedstaaten besonders innovative, den Konstitutionalisierungsprozess vorantreibende Ergebnisse

159

Siehe dazu oben, 12. Abschnitt, B. III. 2. b) bb) sowie 13. Abschnitt, B. II. 2. Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), S. 30 (50). 161 Siehe dazu oben, 14. Abschnitt, C. 162 Der EuGH verneinte in der Rs. C-222/02 [Peter Paul u. a.] EuZW 2004, S. 689 ff., die Drittbezogenheit von Amtspflichten in der Bankenaufsicht und erklärte § 4 IV FinDAG für gemeinschaftsrechtskonform; siehe dazu Urteilsanmerkung von Häde, EuZW 2005, S. 39 (40 f.). 160

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

erhofften. Unterzeichnet wurde der „Vertrag über eine Verfassung für Europa“1 von den Staats- und Regierungschefs am 29. Oktober 2004 in Rom, jenem für die EWG-Gründungsverträge und die europäische Integration so symbolträchtigen Ort. Zunächst gefeiert als das „Reformprojekt“, das die bislang größte Unionsreform implementieren soll(te), ist der Verfassungsprozess seit den gescheiterten Referenden im Frühsommer 2005 ins Stocken geraten. Trotz der gewissen Unsicherheit über das weitere Schicksal der Verfassung soll – im Wege eines Ausblicks – der Vertragstext aus währungsrechtlicher Perspektive auf Prinzipien und Grenzen für ein gemeinsames europäisches Handeln untersucht werden.2 B. Genese und Inhalt I. Verfassungsprozess

Der Gedanke einer „Verfassung“ für Europa reicht historisch bis zum Ausgang des Mittelalters zurück.3 Mit der Integration stets eng verbunden, wurde über eine verfassungsmäßige Konsolidierung für eine Art europäischen Bundesstaat4 bereits im Kontext des „Maastricht-Urteils“5 des BVerfG heftig diskutiert. Auf der Basis des Vertrags von Nizza („Erklärung Nr. 23 zur Zukunft der Union“) sowie des im Dezember 2001 vom Europäischen Rat von Laeken6 erteilten Mandats bestand die Aufgabe des Konvents zuvorderst in der Erarbeitung von Empfehlungen zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten, zur Vereinfachung der Handlungsinstrumentarien, zum institutionellen Gleichgewicht der Organe und zur Einbeziehung der Grundrechtecharta. Die Kurzformel des Mandats: „Mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz“ setzte in der Folge eine breite Verfassungsdebatte7 in Gang. Konsens herrschte nur darüber, dass einfache(re) Strukturen eine größere öffentliche Akzeptanz fördern, was wiederum für eine „living constitution“ unabdingbar sei. Innerhalb der vier Kernfragen des Projekts – Struktur, Kompetenz, Institutionelles und Wirtschaftsordnung – fielen die Wirtschafts- und Währungsunion in 1

Amtliche Bekanntmachung: ABl.EG Nr. C 310 vom 16.12.2004, S. 1. Ausführlich bereits Gramlich/Manger-Nestler, EuZW 2005, S. 193; dies., Kreditwesen 2005, S. 478 ff. 3 Streinz, Europarecht, 7. Auflage, Rn. 136. 4 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 1 EU, Rn. 20 ff.; Streinz/Pechstein, EUV/EGV, Art. 1 EUV, Rn. 7 ff. 5 BVerfGE 89, S. 155 (182 ff.). 6 „Erklärung von Laeken über die Zukunft Europas“, Schlussfolgerung des Vorsitzes zum Europäischen Rat (14./15.12.2001), Anlage 1, SN 300/01. 7 Barnutz/Große Hütteman, integration 2/2002, S. 157 (157 f.); Riedel, ZRP 2002, S. 241 (243). 2

16. Abschn.: Einfluss des europäischen Verfassungsvertrages auf das ESZB 319

das Mandat der Arbeitsgruppe VI – Ordnungspolitik8, die sich mit der (verfassungs-)vertraglichen Integration wirtschaftspolitischer Zielsetzungen der Union (Wirtschafts- und Finanzverfassung) im Hinblick auf die institutionelle Struktur der Währungsunion sowie der Kompetenzverteilung zwischen den Ebenen befasste.9 Da die primär- und sekundärrechtlichen Regelungen der WWU relativ jung sind, war der Reformbedarf im Bereich der Geld- und Währungspolitik im Vergleich zu anderen Politikbereichen eher gering. Im Übrigen versicherte der Konvent während seiner Arbeit mehrmals, dass die bestehende europäische Geld- und Währungsordnung in ihrer Substanz nicht angetastet werde.10 Nach 16-monatiger Arbeitszeit übergab der Konvent am 18. Juli 2003 den „Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa“11 an den Präsidenten des Europäischen Rates12. Als „Herren der Verträge“ sollten die Mitgliedstaaten im Zuge der am 4. Oktober 2003 beginnenden Regierungskonferenz diesen Entwurf unter Beibehalten der Grundaussagen verbessern und klarer formulieren. Angesichts der vielfältigen öffentlichen Diskussionen und zahlreichen Kontroversen über die Inhalte der Verfassung, insbesondere die Frage der „doppelten Mehrheit“, schien das Projekt Europäische Verfassung im Dezember 2003 (zunächst) zu scheitern.13 Wie mehrfach im europäischen Integrationsprozess, verdrängten nationale Interessen die europäischen Ziele, was sich im Dissens über wesentliche Inhalte der Verfassung (beispielsweise den Gottesbezug in der Präambel) zeigte. Den Bemühungen der irischen Ratspräsidentschaft (1. Halbjahr 2004) war es zu verdanken, dass sich die Regierungskonferenz am 18. Juni 200414 in Dublin über die offenen Fragen des Verfassungsvertrages einigte. Nach Unterzeichnung der Verfassung anlässlich der Regierungskonferenz im Oktober 2004 in Rom war es Aufgabe der Mitgliedstaaten, den Vertragstext zu ratifizieren (Art. IV-447 Abs. 2 VerfEU). Bisher haben 15 Mitgliedstaaten innerstaatlich dem Verfassungsdokument zugestimmt,15 unter ihnen Deutsch-

8

CONV 52/02 vom 17.05.2002, CONV 60/02 vom 29.05.2002 (Einsetzung). CONV 76/02 vom 30.05.2002 (Mandat). 10 CONV 357/02 vom 21.10.2002, S. 2 (Ziff. II. 2.); so auch Gaitanides, FS Zuleeg, S. 550 (550 f.). 11 Entwurf Vertrag über eine Verfassung für Europa, ABl.EG Nr. C 169 vom 18.07. 2003, S. 1. 12 Zum Prozess Streinz/Pechstein, EUV/EGV, Art. 1 EUV, Rn. 27 ff. 13 Stand des Textes CIG 50/03 vom 25.11.2003 veröffentlicht unter http://www. consilium.europa.eu/igcpdf/de/03/cg00/cg00050.de03.pdf (Stand: 18.07.2007). 14 Veröffentlicht unter http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/ pressData/de/misc/81198.pdf (Stand: 18.07.2007). 15 Den Verfassungsvertrag ratifizierten endgültig Belgien, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn, Zypern (Stand: Juli 2007). 9

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

land16. Nicht zuletzt infolge der gescheiterten Referenden in den Niederlanden und in Frankreich im Frühsommer 2005 haben die übrigen Mitgliedstaaten17 ihre Ratifizierungsverfahren bis auf weiteres verschoben. Da somit nicht alle Ratifikationsurkunden bei der italienischen Regierung hinterlegt sind, konnte der Verfassungsvertrag nicht – wie in Art. IV-447 Abs. 2 VerfEU vorgesehen – zum 1. November 2006 in Kraft treten. Auf dem Gipfeltreffen im Juni 2005 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf eine Denkpause, die als „Zeit der Reflexion“ genutzt werden soll(te).18 Um das seitdem ungewisse Schicksal der Verfassung neu zu beleben, bekundeten die Staats- und Regierungschefs anlässlich der Tagung des Europäischen Rates im März 2007 den Willen, „die politische Gestalt Europas immer wieder zeitgemäß“ zu gestalten und die Union auf „eine erneuerte gemeinsame Grundlage“ zu stellen („Berliner Erklärung“19). Infolgedessen einigten sich die Staats- und Regierungschefs am 23. Juni 2007 auf ein Mandat für eine Regierungskonferenz, die bis Ende 2007 einen neuen Vertrag über die Reform der Institutionen ausarbeiten soll; im Falle einer Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten könnte dieser Reformvertrag (im Frühsommer und somit kurz) vor der Europawahl 2009 in Kraft treten.20 II. Inhaltsüberblick

Beim Vergleich des Konventsentwurfs mit dem endgültigen Vertragstext werden zahlreiche Änderungen deutlich. Diese waren offenbar notwendig, um die Mitgliedstaaten zurück an den Verhandlungstisch zu bringen und zu Kompromissen zu bewegen. Kritikwürdig ist allerdings, dass damit viele ehrgeizige Vorschläge des Konvents zur Stärkung der Rolle der Union mit Blick auf nationale Befindlichkeiten eine deutliche Schwächung erfuhren. Obwohl das Dokument als „Verfassungsvertrag“ bezeichnet wird, handelt es sich – in Übereinstimmung mit den bisherigen Gründungsverträgen – um einen auf intergouvernementaler Zusammenarbeit zwischen den (EG-)Mitgliedstaaten 16 Dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29.Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa stimmten der Bundestag am 12.05.2005 (BT-Drucksache 15/ 4900) und der Bundesrat am 27.05.2005 (BR-Drucksache 339/05) jeweils mehrheitlich zu. 17 Die Zustimmung verschoben haben Polen, Tschechien, Irland, Dänemark, Schweden, Portugal, Großbritannien. 18 Erklärung des Europäischen Rates zur Ratifizierung des Vertrags über eine Verfassung für Europa, Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 16./17.06.2005, SN 117/05. 19 Der vollständige Wortlaut der „Berliner Erklärung“ anlässlich der Tagung des Europäischen Rates am 25.03.2007 ist verfügbar unter: http://www.eu2007.de/de/ News/download_docs/Maerz/0324-RAA/German.pdf (Stand: 27.03.2007). 20 Schlussfolgerungen des Vorsitzes zum Europäischen Rat (21./22.06.2007), SN 11177/07, Anlage 1, veröffentlicht unter http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms _Data/docs/pressData/de/ec/94935.pdf (Stand: 18.07.2007).

16. Abschn.: Einfluss des europäischen Verfassungsvertrages auf das ESZB 321

basierenden völkerrechtlichen Vertrag. Auch die „neue“ Europäische Union (Art. I-1 VerfEU) besitzt keine Kompetenz-Kompetenz, da ihr die Befugnis zur Schaffung eigener Zuständigkeiten, insbesondere zur Verfassungsgebung, fehlt. Die EU bleibt geprägt vom Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. I11 Abs. 1). Von seinem Grundkonzept her ist der Vertrag in vier Teile gegliedert.21 Wirkliche Neuregelungen finden sich vor allem im Teil I, der „Ziele und Werte“ (Art. I-2 VerfEU) der Union sowie die Struktur der Verfassung mit Blick auf Grundlagen, Institutionen und „Zuständigkeiten“ der Union normiert. In Teil II ist – mit „Verfassungsrang“ und Rechtsverbindlichkeit – der Grundrechtekatalog der „Charta“ verankert. Das bisherige Primärrecht wurde in den Teilen III und IV im Wesentlichen übernommen. Optisch betrachtet, wird die bisherige Tempelstruktur22 durch den Verfassungsvertrag aufgegeben, da die beiden äußeren Säulen (Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik, Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) in die Politikbereiche der Union eingegliedert werden und die neue „Union“ Rechtspersönlichkeit besitzen wird (Art. I-7 VerfEU). Mit Blick auf das durch die Endstufe der WWU geschaffene institutionelle Gefüge kann zunächst ein grundsätzliches Bekenntnis des Verfassungsdokuments zur vergemeinschafteten Geld- und Währungspolitik in Art. I-30 Abs. 1 VerfEU festgestellt werden. Dies erstaunt insoweit nicht, als der Verfassungskonvent die Mehr-Ebenen-Struktur im Währungsbereich als Integrationserfolg zu keiner Zeit der Beratungen in Frage stellte.23 Fokussiert man hingegen die einzelnen währungsrechtlichen Normen der Verfassung, zeigen sich entscheidende Unterschiede im Vergleich zu den derzeit geltenden Vorgaben des Vertrags von Maastricht. Dieser Befund soll folgend näher erläutert werden. C. Währungsrechtliche Regelungen I. Stabilitätsziel

Ausdrücklich als „Ziel“ der Union verankert ist die Preisstabilität (Art. I-3 Abs. 3 UAbs. 1 VerfEU). Der Konvent hatte in seinen Beratungen die Notwendigkeit der konstitutionellen Sicherung dieses Ziels bekräftigt. Die Auffassung teilte die Regierungskonferenz lange Zeit nicht, weshalb die Preisstabilität bis zum Juni 2004 nur als Partikularziel für die Geldpolitik der EZB in Art. I-29 21 Teil I umfasst 60, Teil II 54, Teil III 322 und Teil IV 12, das Verfassungsdokument insgesamt 448 Artikel. Ausführlich zur Struktur der Verfassung Papier, EuGRZ 2004, S. 753 ff. 22 Siehe dazu Schema in Anhang 1. 23 CONV 357/02 vom 21.10.2002, S. 2 (Ziff. II. 2.).

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

Abs. 2 Satz 2 und Art. III-77 Abs. 1 des Entwurfs (ex-Art. 105 EG-Vertrag) niedergelegt war.24 Erst in letzter Minute25 wurde die Preisstabilität wieder zur verbindlichen Vorgabe für die gesamte Union „aufgewertet“. Dies geschah nicht zuletzt aufgrund von Interventionen der EZB26 und der NZBen. So betonte die Bundesbank bereits im Dezember 2003, eine fehlende Einbindung der Preisstabilität als Ziel der Union werde „die Durchführung einer stabilitätsorientierten Geldpolitik erschweren“27 und könne dazu führen, dass die EZB mittels politischem Druck zum Abweichen vom Stabilitätsziel bewegt werde. Damit drohe der Rückfall „hinter die Errungenschaften der Währungsverfassung des Vertrags von Maastricht“28. Diese Gefahr scheint gebannt, denn ebenso wie Art. 4 Abs. 2 EG-Vertrag nennen die „Ziele der Union“ nunmehr die Preisstabilität ausdrücklich und als vorrangiges Ziel für den Bereich der Währungspolitik.29 Mit Blick auf die Konstitutionalisierung einer gesamteuropäischen Stabilitätskultur kann dies nur begrüßt werden. II. Stellung der EZB in der Europäischen Union

Unter der Überschrift „Die Europäische Zentralbank“ befasst sich Art. I-30 VerfEU mit der rechtlichen Ausgestaltung des ESZB. Begrüßenswert ist dabei zunächst, dass die Norm in ihrem Abs. 1 zwischen dem ESZB (Satz 1) und dem Eurosystem (Satz 2) unterscheidet und dabei offenbar das Begriffsverständnis der EZB30 übernimmt.31 Erheblich modifiziert wird indes die Rechtsstellung der EZB innerhalb der „neuen“ Union: Die Währungsunion errichtete die EZB bewusst als geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung der Gemeinschaft32, um ihre Autonomie und besondere Zielverpflichtung noch klarer und augenfälliger zu verankern. 24 Kritisch dazu Kapteyn, EuConst 1 (2005), S. 123 (123); Schwarze, EuZW 2004, S. 135 (137). 25 Die geänderte Fassung des Art. I-3 Abs. 3 VerfEU wurde erst zwei Tage vor Unterzeichnung des Verfassungsvertrags als CIG 81/04 vom 16.06.2004, S. 8, veröffentlicht unter http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressdata/en/misc/ 81000.pdf (Stand: 18.07.2007). Darauf verweist auch Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 105, Rn. 4. 26 EZB, Stellungnahme vom 19.09.2003 (CON/2003/20), ABl.EG Nr. C 229, S. 7 (8). 27 Bundesbank, Pressemitteilung vom 10.12.2003, S. 2; ferner dies., Monatsbericht November 2003, S. 67 (68 f.). 28 Bundesbank, Pressemitteilung vom 10.12.2003, S. 4. 29 Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 20. 30 EZB, Monatsbericht Juli 1999, S. 59; dies., Monatsbericht August 2004, S. 55 (67). 31 Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 4 f.; Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 110, Rn. 4. 32 Siehe dazu ausführlich, 10. Abschnitt, C. III. 1. d).

16. Abschn.: Einfluss des europäischen Verfassungsvertrages auf das ESZB 323

Die EZB ist de lege lata nicht als Organ der Gemeinschaft anzusehen, sondern ist als geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung von vornherein nicht an die allgemeinen Regeln für EG-Organe gebunden. Diese Sonderstellung galt bislang als zusätzliche Absicherung der Unabhängigkeit der EZB.33 Der Verfassungsvertrag nennt die EZB nun als ein „Organ, das Rechtspersönlichkeit besitzt“ (Art. I-30 Abs. 3 Satz 2 VerfEU). Die rechtliche Qualifikation dieser Aussage bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Auf den ersten Blick könnte man meinen, eine solche Organstellung stärke die EZB, da sie fester in der Union verankert werde. Dies ist insofern zutreffend, als damit den Denkmodellen, die die EZB an der Spitze des ESZB als eigenständige (vierte) Säule neben der EG einzuordnen versuchen,34 die Bestätigung versagt wird. Allerdings schafft die strikte (Ein-)Bindung in das Unionsgefüge auch stärkere Interdependenzen zwischen den Organen, und darin liegt eine Gefahr für die Autonomie der EZB.35 Wenngleich die EZB – ebenso wie der Rechnungshof und die europäischen beratenden Gremien – in Art. I-19 Abs. 1 VerfEU nicht als „richtiges“ Organ der Union erwähnt wird,36 so hat sie als „sonstiges“ dieselbe Stellung wie alle anderen Organe.37 Dass Art. I-30 Abs. 3 Satz 1 VerfEU die EZB nur als „Einrichtung der EU“38 qualifizieren will, scheint angesichts der Zuordnung zu Kapitel II VerfEU (Überschrift „Die sonstigen Organe und die beratenden Einrichtungen der Union“) fern liegend. In einem solchen Falle wäre der Rechnungshof das einzige „sonstige Organ“ der Union; die Bezugnahme auf Organe wäre systematisch ohne Aussagekraft. Als sonstiges Organ ist die EZB daher verpflichtet, mit den Organen der EU „loyal zusammenzuarbeiten“ (Art. I-19 Abs. 2 Satz 2 VerfEU). Darin ist zwangsläufig eine deutliche Einschränkung ihrer Unabhängigkeit zu sehen, da Loyalität immer auch den Zwang zu Kompromissen unter Hintanstellen eigener Ziele beinhaltet. Hinzu kommt, dass der Europäische Rat für alle Organe der Union „allgemeine politische Zielvorstellungen und Prioritäten“ festlegt (Art. I21 VerfEU). Dies wirft die Frage auf, inwieweit die EZB an derartige Zielvorgaben gebunden sein kann, wenn sie primär und speziell die Preisstabilität sichern soll (Art. I-30 Abs. 2 Satz 2 VerfEU). Inwiefern könnte die EZB ihre 33

Bundesbank, Monatsbericht November 2003, S. 67 (69). Siehe dazu ausführlich oben, 10. Abschnitt, C. III. 1. 35 EZB, Monatsbericht August 2004, S. 55 (66) mit der Betonung des „Sonderstatus“ als Institution sui generis. Ebenso Koch, in: Lenz/Borchardt, EGV, Art. 110, Rn. 4. Auch Streinz/Ohler/Herrmann, Verfassung für Europa, S. 40, sprechen zu Recht von einem schwer erklärbaren „juristischen Unikum“. Dagegen keine Gefahr sehen Gaitanides, FS Zuleeg, S. 550 (556 f.), sowie Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 7. 36 So auch Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 8. 37 Kritisch auch Kapteyn, EuConst 1 (2005), S. 123 (127). 38 Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 7. 34

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

verfassungsrechtlich gesicherte Autonomie (Art. I-30 Abs. 3 Satz 4 VerfEU) geltend machen, wenn der Europäische Rat – ebenfalls aufgrund des Primärrechts – allgemeine Zielvorgaben für die EZB als Organ erlässt? Sollte die Autonomie der EZB nicht gerade der kontinuierlichen Sicherung eines einzigen Ziels, der Preisstabilität, dienen, ohne dabei von tagespolitischen Aktualitäten beeinträchtigt zu werden? – Der insoweit vage Wortlaut der Verfassung könnte Einfallstore für eine Destabilisierung der Währungspolitik öffnen, in stabilitätspolitisch schwierigen Zeiten sogar zu einer Vernachlässigung der strikten Vorgaben einladen. Im Gegensatz zur derzeit unbeschränkten Autonomie (Art. 108 EG-Vertrag) billigt der Verfassungsvertrag der EZB ferner nur eine auf „die Ausübung ihrer Befugnisse und die Verwaltung ihrer Mittel“ beschränkte, „funktionelle“ Unabhängigkeit zu (Art. I-30 Abs. 3 Satz 4 VerfEU). Somit genießt die EZB zukünftig anscheinend einen geringeren Handlungsspielraum als der mit „voller“ Autonomie ausgestattete Rechnungshof (Art. I-31 Abs. 3 Satz 2 VerfEU).39 Die bloß eingeschränkte Unabhängigkeitsverbürgung als redaktionelles Versehen der Regierungskonferenz zu qualifizieren, scheint wenig überzeugend.40 Der Verfassungskonvent hatte nachdrücklich die volle Autonomie der EZB postuliert,41 er konnte sich damit aber offenbar nicht durchsetzen. In welchem Maß die Autonomie der EZB seitens europäischer und nationaler Institutionen eingeschränkt werden kann und wann sie (rechtswidrig) missachtet wird (Art. I-30 Abs. 3 Satz 5 VerfEU), lässt der Verfassungsvertrag andererseits offen. III. Stellung der NZBen im ESZB

Die signifikante Änderung der Position der EZB hat weit reichende Auswirkungen auf die Rechtsstellung der NZBen: Zu begrüßen ist zunächst die ausdrückliche Klarstellung des Über-/Unterordnungsverhältnisses zwischen EZB und NZBen (Art. I-30 Abs. 2 Satz 1 VerfEU). Damit wird die Rechtswirklichkeit, die sich seit der Schaffung der vergemeinschafteten Währungsinstitutionen herausgebildet hat, in Normen gegossen. Ein derartiges Vorgehen wäre freilich auch für die anderen währungsrechtlichen Regelungen sinnvoll gewesen.

39 Anders hingegen Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 9, wonach EZB und Rechnungshof „auf gleicher Ebene“ stehen und als unabhängige Institutionen „von den eigentlichen Organen“ getrennt seien. Ähnlich Gaitanides, FS Zuleeg, S. 550 (556). 40 So aber Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 10. 41 CONV 357/02 vom 21.10.2002, S. 2 (Ziff. II., 2.); ebenso EZB, Stellungnahme vom 19.09.2003 (CON/2003/20) S. 7 (9).

16. Abschn.: Einfluss des europäischen Verfassungsvertrages auf das ESZB 325

Neben der EZB nennt der Verfassungsvertrag die NZBen und verdeutlicht auf diese Weise ihre Zugehörigkeit zum ESZB (Art. I-30 Abs. 1 VerfEU). In Zusammenhang mit der Unabhängigkeitsverbürgung verzichtet Art. I-30 Abs. 3 Satz 4 VerfEU allerdings auf die Erwähnung der NZBen als – formal gleichberechtigte – Systemelemente; die Vorschrift nennt nur die EZB. Bisher wird die Unabhängigkeit von EZB und NZBen in gleicher Weise primärrechtlich gesichert (Art. 108 EG-Vertrag), was als großer Erfolg der Währungsunion angesehen wurde. Es widerspiegelt das Konzept des ESZB, wonach die EZB auf das Zusammenwirken mit den NZBen gleichermaßen angewiesen ist wie umgekehrt die NZBen auf die Beziehungen zur EZB.42 Der Verfassungsvertrag erwähnt die Autonomie der NZBen nunmehr aber nicht im grundlegenden Teil I, sondern erst in Teil III-Art. 188 VerfEU, bei den „Politikbereichen“ und „Arbeitsweisen“ der Union. Insbesondere aus deutscher Sicht scheint dieses Ergebnis brisant. Die verfassungsmäßige Absicherung der Unabhängigkeit der Bundesbank durch Art. 88 Satz 2 GG war die normative Umsetzung43 der primärrechtlichen Vorgaben zur Währungsunion (Art. 109 EG-Vertrag). Zugleich beendete sie den Streit44 über die verfassungsrechtliche (Art. 88 GG) oder nur einfachgesetzliche Verankerung (§ 12 Satz 2 BBankG) der Bundesbankautonomie. Die begrüßenswerte Symmetrie zwischen national-staatsrechtlichem Unabhängigkeitspostulat und gemeinschaftsrechtlicher Autonomie wird durch den Verfassungsvertrag wieder aufgegeben. Dies kann nicht anders denn als Rückschritt gewertet werden.45 Zu Recht wies die Bundesbank nachdrücklich und frühzeitig auf die Gefahr einer Aushöhlung der institutionellen Grundlagen der Währungsstabilität46 hin. Auch kollidiert Art. I-30 Abs. 3 Satz 4 VerfEU, der allein auf die Autonomie der EZB Bezug nimmt, mit dem Unabhängigkeitspostulat des Art. III-189 VerfEU (ex-Art. 109 EG-Vertrag), wonach die Autonomie der NZBen Voraussetzung für die Teilnahme am „Eurosystem“ sei. Der Verfassungsvertrag statuiert mit der unterschiedlich ausgeformten Sicherung der Unabhängigkeit von EZB und NZBen eine „Zwei-Klassen-Autonomie“. Zudem könnte die Trennung der Regelungen zur EZB in Teil I und zum ESZB in Teil III als Änderung des bislang zwischen EZB und NZBen bestehenden engen Beziehungsgeflechts verstanden werden. Infolgedessen ist trotz der formalen Gleichwertigkeit aller

42

Bundesbank, Monatsbericht November 2003, S. 67 (70). Art. 1 Nr. 7 des 38. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.12.1992, BGBl. I, S. 1992, in Kraft getreten am 25.12.1992, BGBl. II, S. 1253. 44 Siehe dazu oben, 2. Abschnitt, B. I. 1. und 2. sowie im Zuge der Änderung des Art. 88 GG, 8. Abschnitt, A. II. 45 Dagegen Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 12, der darin keinen „Angriff auf die nationalen Zentralbanken“ sieht. 46 Bundesbank, Pressemitteilung vom 10.12.2003, S. 3; EZB, Stellungnahme vom 19.09.2003 (CON/2003/20), S. 7 (9). 43

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

Teile des Verfassungsvertrags eine Schwächung der Position der NZBen zu befürchten. IV. Verfahren zur Änderung der ESZB-Satzung

Eine weitere Einschränkung seines Aktionsradius erfährt das ESZB dadurch, dass der Verfassungsvertrag die Änderbarkeit einiger Bestimmungen der ESZBSatzung durch den Rat der Union – und nicht allein durch Modifikation des Vertrags selbst – beibehält (Art. III-187 Abs. 3 VerfEU).47 Bisher musste dieses Gremium, sofern es nicht einstimmig entschied, die Hürde der qualifizierten Mehrheit überspringen (Art. 107 Abs. 5 EG-Vertrag). Der Verfassungsvertrag sieht nun insoweit48 für Änderungen die Form eines „Europäischen Gesetzes“ (Art. I-33 Abs. 1 UAbs. 2 VerfEU) vor. Sofern der Vorschlag von der Kommission stammt, gilt das Verfahren nach Art. III-396 VerfEU (Art. I-34 Abs. 1 VerfEU). Bei dem Verfahren kann letztlich eine Lösung im paritätisch aus Rats- und Parlamentsvertretern bestehenden Vermittlungsausschuss gefunden werden. Der Rat kann über Abänderungen seitens des Europäischen Parlaments, die auf die Ablehnung der Kommission stoßen, einstimmig (Art. III-343 Abs. 3 VerfEU), ansonsten mit qualifizierter Mehrheit (Art. I-25 VerfEU) entscheiden. Wird eine Änderung hingegen vom EZB-Rat empfohlen (Art. I-34 Abs. 3 VerfEU), findet Art. III-396 Abs. 9 VerfEU keine Anwendung. Folglich ist die Stellung der Kommission schwächer, da im Rat stets (nur) eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. Bedeutsam ist, dass die in diesem vereinfachten Verfahren änderbaren Normen der ESZB-Satzung unter anderem Mindestreserve-, Offenmarkt- und Kreditpolitik betreffen, also den Kernbestand des währungspolitischen Instrumentariums der EZB. Um eine Schwächung der EZB49 in Bezug auf ihre Rechtsgrundlage wie ihre Aufgaben zu vermeiden, wäre eine Gleichstellung von Kommission und EZB bei der Verfahrenseinleitung angezeigt (gewesen). Zudem bleibt den Mitgliedstaaten (über den Rat) eine verfassungsmäßige Möglichkeit, politischen Einfluss auf die Instrumente der Geldpolitik und deren Einsatz auszuüben. So scheint insbesondere für die Entscheidung über eine Änderung der Verwendung des Zentralbankgewinns (Art. III-187 Abs. 3 VerfEU in Verbindung mit Art. 33 ESZB-Satzung) die Regel doppelter Mehrheiten im Rat (Art. I-25 Abs. 1 VerfEU) kaum geeignet. Auch in der Ernennung der Mitglieder des EZB-Direktoriums durch den Europäischen Rat mit qualifizierter Mehr47

Kritisch auch Gaitanides, FS Zuleeg, S. 550 (557). Art. III-187 Abs. 4 VerfEU – Fortführung von Art. 107 Abs. 6 EG – normiert als Handlungsformen des Rates für gemäß der ESZB-Satzung zu treffende Bestimmungen „Europäische Verordnungen“ und „Europäische Beschlüsse“ (Art. I-33 Abs. 1 UAbs. 4, 5 VerfEU). 49 Ebenso Gaitanides, S. 49. 48

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heit (Art. III-382 Abs. 2 UAbs. 2 VerfEU) ist eine Beschränkung der Autonomie der EZB zu sehen. Derzeit erfolgt die Ernennung durch einstimmigen Ratsbeschluss (Art. 112 Abs. 2 lit. b] EG-Vertrag). Da bislang die erschwerte Änderbarkeit der primärrechtlichen Grundlagen der Währungsunion als festigendes Element des Zentralbankhandelns angesehen wurde, hätte die Geldpolitik mit Blick auf den „Glaubwürdigkeitsauftrag“ der EZB sinnvollerweise vom vereinfachten Änderungsverfahren ausgenommen werden müssen.50 V. Wirtschaftspolitik

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt51 sichert die finanzpolitische Flanke der Währungsunion, weshalb die diesbezüglichen verfassungsvertraglichen Regelungen auch währungspolitische Relevanz besitzen. Der Verfassungsvertrag (Art. III-184 VerfEU) verankert den Pakt nunmehr in einer eigenen Erklärung.52 Mangels Rechtsverbindlichkeit wird die Wirkung dieser Erklärung aber gering bleiben.53 Das führt zu einer Schwächung der Währungsunion, da diese auf bindende und transparente Regeln der Finanzpolitik angewiesen ist. Stellvertretend für viele betonte die Bundesbank, dass stabiles Geld „ohne gesunde Staatsfinanzen auf Dauer nicht zu haben“54 sei. Ein Problem erwächst überdies daraus, dass die bisher nur als informelles Koordinierungsgremium fungierende Euro-Gruppe55 offiziellen Charakter56 erhält und sich so zum Nukleus einer Wirtschaftsregierung nach französischem Vorbild wandeln könnte. Wenngleich der Koordinierungsbedarf der Mitgliedstaaten des Eurosystems unbestritten ist,57 begräbt der Verfassungsvertrag damit endgültig das Modell des Vertrags von Maastricht, eines Wettbewerbs differenzierter nationaler Wirtschaftspolitiken um das beste makroökonomische Kon50

Gaitanides, FS Zuleeg, S. 550 (558). Siehe dazu bereits oben, 9. Abschnitt, E. III. Näher zum Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie seiner Reform Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 104 EGV, Rn. 8 ff. 52 Erklärung zu Art. III-184 des Entwurfs, CIG 87/04 ADD 2 vom 06.08.2004, veröffentlicht unter http://www.consilium.europa.eu/igcpdf/en/04/cg00/cg00087-ad02.en 04.pdf (Stand: 18.07.2007). 53 EuGH, Urteil vom 13.07.2004, Rs. C-27/04, insbesondere Rn. 52 ff. [Kommission/Rat]. 54 Bundesbank, Pressemitteilung vom 10.12.2003, S. 5. 55 Der informelle Charakter der Euro-Gruppe sollte nach dem Schlussbericht der Arbeitsgruppe VI – Ordnungspolitik gewahrt werden, um Beratungen zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern, CONV 357/02 vom 21.10.2002, S. 2 (Ziff. V., 1.). 56 Protokoll betreffend die Euro-Gruppe, CIG 87/04 ADD 2 vom 06.08.2004; siehe auch Art. I-30 Abs. 2 VerfEU und Art. III-192 VerfEU; zum Vorgängergremium Streinz/Kempen, EUV/EGV, Art. 114 EGV, Rn. 4 ff. 57 Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 17. 51

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Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

zept. Diese Änderung ist ein weiterer Beleg dafür, dass die stabilisierende Rolle der Geldpolitik in wesentlichen Teilen relativiert wird.58 D. Perspektiven Der bisherige Erfolg der Währungsunion beruhte auf der nicht zuletzt von Deutschland favorisierten Methode, einen hohen Grad an Vergemeinschaftung durch normative Verankerung elementarer Grundsätze, insbesondere der Preisstabilität herbeizuführen („Integration durch Kodifikation“). Die derzeitigen verfassungsvertraglichen Regelungen zur Währungsunion dürften es erschweren, diesen Weg weiter zu gehen. Trotz des grundsätzlich aufrechterhaltenen Bekenntnisses zur einheitlichen Geld- und Währungspolitik weicht der Verfassungsvertrag in entscheidenden Punkten von den derzeitigen, stabilitätsorientierten Vorgaben des Primärrechts ab. Angesichts der substanziellen Änderungen der europäischen Währungsordnung droht ein Untergraben der institutionellen Grundlagen der Währungsstabilität, weil die Positionen der Systemelemente (EZB und NZBen) geschwächt werden. Unterstützt wird dieser Befund durch die deutliche Aufwertung der (allgemeinen) Wirtschaftspolitik. Die aufgezeigten Unklarheiten und Mängel der Verfassung gilt es ernst zu nehmen, besser noch im Zuge der „Denkpause“ zu beheben. Besonders ein größeres Europa braucht einen positiven, klar fixierten vertraglichen Rahmen für eine gedeihliche, politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit. Nur einer in diesem Sinne „verfassten“ Union wird es gelingen, durch fortschreitende Integration eine gemeinsame Verfassungswirklichkeit herauszubilden. Spannt man vor diesem Hintergrund den Bogen von den Anfängen der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik über die Währungsunion bis zur Rolle des Währungsrechts im Verfassungsvertrag, sei an den Schluss der Arbeit ein Zitat des früheren französischen Finanzministers Jacques Rueff aus einem Artikel in der Zeitschrift „Synthèses des Bruxelles“ des Jahres 1950 gestellt: „L’Europe se fera par la monnaie ou ne se fera pas.“

58 Diese grundsätzlichen Bedenken teilt auch Häde, in: Calliess/Ruffert, VerfEU, Art. I-30, Rn. 17.

17. Abschn.: Zusammenfassung

329

17. Abschnitt

Zusammenfassung A. Ergebnisse Erster Teil

1. Abschnitt: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges errichteten die Alliierten die LZBen, die später unter Leitung der BdL das Zentralbanksystem der neu gegründeten Bundesrepublik bildeten. Im Vergleich zur früheren Reichsbank agierten die LZBen und die BdL weitgehend unabhängig von politischer Einflussnahme. 2. Abschnitt: Obwohl in Art. 88 GG normiert, genoß die 1957 gegründete Deutsche Bundesbank keine verfassungsrechtliche, wohl aber durch § 12 BBankG gesicherte, verfassungskonforme Unabhängigkeit. Die Organisationsstruktur der Bundesbank gewährleistete sowohl im (horizontalen) Verhältnis der Organe (Zentralbankrat und Direktorium) als auch durch die Mitgliedschaft der LZB-Präsidenten im Zentralbankrat (vertikal) ein umfangreiches System gegenseitiger Kontrolle und Verschränkung (checks and balances). 3. Abschnitt: Infolge des hohen Autonomiegrades gelang es der Bundesbank, mit Hilfe der am Ziel der Währungssicherung ausgerichteten Instrumente eine für Europa maßgebliche Stabilitätskultur zu schaffen. Während nach Gründung der Bundesbank zumindest die klassischen geldpolitischen Aufgaben der Mindestreserve- und Refinanzierungspolitik im Vordergrund standen, wuchs im Zuge der sich wandelnden internationalen Kapitalmärkte die Bedeutung der Offenmarktpolitik. 4. Abschnitt: Trotz des gescheiterten ersten Versuchs einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu Beginn der siebziger Jahre bewies der Delors-Bericht, dass das im Werner-Plan formulierte Konzept einer WWU uneingeschränkt Gültigkeit besaß. 5. Abschnitt: Die EWS-Regelungen schufen erstmals über einen längeren Zeitraum eine Zone wechselkurspolitischer Stabilität zwischen den EG-Mitgliedstaaten. Vor allem die Staaten des „Hartwährungsblocks“ orientierten ihre Währungspolitik zunehmend am Stabilitätskurs der Bundesbank, weshalb die D-Mark schnell zu einer Art „Leit- und Reservewährung“ wurde. Mit Ausnahme des Wechselkursmechanismus (Interventionspflichten) schränkte die Teilnahme am EWS die Bundesbank weder in Zielrichtung noch in Zielverwirklichung ein.

330

Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

6. Abschnitt: Der Vertrag von Maastricht (Art. 99 ff., Art. 105 ff. EGV) schuf die rechtlichen Grundlagen der WWU und den Zeitplan für den institutionellen Beginn der einheitlichen Währung. 7. Abschnitt: Während der 1. Stufe der WWU kennzeichneten gegenseitige Abstimmungs- und Informationspflichten die Währungspolitik der Mitgliedstaaten. Ein ernsthafter Aufgaben- und Kompetenzverlust auf Seiten der Bundesbank folgte daraus (noch) nicht. 8. Abschnitt: Das im Zuge der 2. Stufe der WWU geschaffene EWI verfügte nicht über Eingriffsrechte in nationale Geldpolitiken, weshalb es Kompetenzen und Befugnisse der Bundesbank praktisch nicht beschränkte. In Vorbereitung der Endstufe der WWU wurde das strukturelle und funktionelle Erscheinungsbild der Bundesbank den Vorgaben des Vertrags von Maastricht angepasst. Der neu gefasste Art. 88 GG führte aus nationaler Sicht am Ende der 2. Stufe zu einer Stärkung der Bundesbankautonomie. Zweiter Teil

9. Abschnitt: Mit Beginn der Endstufe der WWU vollzogen 11 der damals 15 Mitgliedstaaten den entscheidenden Schritt zu einer gemeinsamen europäischen Geldpolitik und einer einheitlichen Währung. Die Konvergenzkriterien sicherten die Teilnahme derjenigen Staaten, die sich stabilitätspolitisch ausreichend qualifiziert hatten. 10. Abschnitt: Trotz Zielvorgabe und Aufgaben ordnet sich das ESZB, bestehend aus der EZB und 13 rechtlich selbständigen NZBen, in die Europäische Gemeinschaft ein und zusammen mit dieser der Europäischen Union unter. Als geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung der Gemeinschaft prägt die EZB das ESZB durch ihre Führungsrolle. Aus primärrechtlicher Sicht sind sowohl EZB als auch NZBen mit weit reichenden Unabhängigkeitsverbürgungen ausgestattet, die sie vor einseitiger Politisierung schützen sollen. Das Primärziel Preisstabilität dominiert die dem ESZB übertragenen Befugnisse. Um die Hauptaufgabe der Geldpolitik dem Ziel entsprechend zu gestalten, verfügt das ESZB mit der Offenmarkt-, Kredit- und Mindestreservepolitik über die klassischen Instrumente einer Notenbank. 11. Abschnitt: Der mit Integration in das ESZB verbundene Verlust an Entscheidungsmacht ändert nichts an der organisationsrechtlichen Zuordnung der Bundesbank zur nationalen Staatsebene. 12. Abschnitt: Obwohl das ESZB als System wechselseitiger Abhängigkeiten konzipiert ist, obliegt der EZB die ausschließliche Zuständigkeit zur Festlegung der Geldpolitik. Hingegen orientiert sich der Vollzug der Geldpolitik am Grundsatz der Dezentralisierung. Die Subsidiaritätsklausel (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-

17. Abschn.: Zusammenfassung

331

Satzung) sichert den NZBen im Verhältnis zur EZB Exekutivspielräume, die sich als konkurrierende (Vollzugs-)Kompetenz beschreiben lassen. 13. Abschnitt: Um bei der Festlegung der Geldpolitik Einfluss auf die Entscheidungsfindung der EZB zu gewinnen, ist die Bundesbank auf das Stimmrecht ihres Präsidenten als unabhängiges Mitglied des EZB-Rates angewiesen. Auf der Stufe des Vollzugs der (geldpolitischen) Vorgaben der EZB dominiert das Prinzip: „Viel Freiheit im Detail, wenig Freiheit in den Grundsätzen“ den Handlungsrahmen der Bundesbank. Demnach kann die Bundesbank als NZB vorhandene Vollzugsspielräume ausfüllen, soweit und solange die Einheitlichkeit des ESZB nicht gefährdet ist. 14. Abschnitt: Auch die der Bundesbank zur eigenverantwortlichen Erfüllung übertragenen Aufgaben werden durch die einheitlichen Vorgaben des ESZB gefiltert. Sofern sich die eigenen Aufgaben der NZB in diesen Rahmen einfügen, kann die Bundesbank, beispielsweise im Bereich der Bankenaufsicht, eigene Akzente setzen und bisherige Funktionen weiterhin ausüben. 15. Abschnitt: Das Primärrecht verwehrt der Bundesbank nicht, sich gegen eine „übermächtige“ EZB zur Wehr zu setzen. Allerdings widerspiegeln die Rechtsschutzmöglichkeiten keine formale Gleichordnung der Elemente des ESZB. Zudem bleibt die Bundesbank als NZB – unverändert und vollumfänglich – Konflikten mit anderen Marktteilnehmern aus getätigten Notenbankgeschäften vor nationalen Gerichten ausgesetzt. 16. Abschnitt: Trotz des generellen Bekenntnisses zur einheitlichen Geld- und Währungspolitik weicht der Verfassungsvertrag von den stabilitätsorientierten Vorgaben des geltenden Gemeinschaftsrechts ab.

B. Thesen 1. Die einheitliche Geldpolitik eines vergemeinschafteten Währungsgebietes kann durch völlig selbständig agierende nationale Zentralbanken nicht (mehr) effizient gesteuert werden. 2. An der Spitze des neu geschaffenen Europäischen Systems der Zentralbanken steht die Europäische Zentralbank als geld- und währungspolitische Spezialeinrichtung der Gemeinschaft. Trotz ihrer Rolle als integraler Bestandteil des ESZB ist die Bundesbank als NZB der nationalen Staatsorganisation zuzurechnen. 3. Im Bereich der Festlegung der Geldpolitik folgt die Kompetenzverteilung im ESZB dem Prinzip ausschließlicher Zuständigkeit, die der EZB zusteht. Auf der Ebene des Vollzugs der Geldpolitik existieren Handlungsspielräume der NZBen, die infolge der Subsidiaritätsklausel als konkurrierende (Vollzugs-)Kompetenzen zwischen EZB und NZBen ausgestaltet sind.

332

Kap. 6: Rechtsschutz und Ausblick

4. Das für das ESZB charakteristische Verhältnis von zentralisierter Leitung und dezentralisiertem Aufgabenvollzug führte zu einem tief greifenden Wandel des Erscheinungsbildes der Bundesbank. Der infolgedessen eingetretene Aufgabenverlust wird nur zum Teil durch die Mitspracherechte (des Bundesbankpräsidenten) in den Leitungsgremien des ESZB kompensiert. Der Vollzug ESZB-interner Aufgaben durch die Bundesbank wird geprägt durch das Prinzip: „Wenig Freiheit in den Grundsätzen, viel Freiheit im Detail“. 5. Im Vergleich zur EZB verfügt die Bundesbank im Falle systeminterner Streitigkeiten nur in begrenztem Umfang über Rechtsschutzmöglichkeiten. 6. Während die Bundesbank als NZB für Leitlinien der EZB in gewissem Umfang Rechtsschutz europäischer sowie nationaler Gerichte beanspruchen kann, entziehen sich Weisungen praktisch einer gerichtlichen Kontrolle. 7. Im Falle des unveränderten Inkrafttretens des Verfassungsvertrags läuft das ESZB infolge der modifizierten Rechtsstellung der EZB sowie der geschwächten Position der NZB („Zwei-Klassen-Autonomie“) Gefahr, in den institutionellen Grundlagen ausgehöhlt zu werden.

Anhang Anhang 1: ESZB im Säulenmodell der EG

Europäische Union

EG ESZB Eurosystem

GASP

EZB 13 NZBen

27 Mitgliedstaaten Quelle: Cornelia Manger-Nestler, 2007.

PJZS

334

Anhang

Anhang 2: Geldpolitische Strategie des ESZB

Geldpolitische Strategie

Kreditpolitik

Mindestreservepolitik

Offenmarktpolitik

Zinssatz

Liquidität

Geldmarkt Nachfrage

Angebot

Preisstabilität

Quelle: Cornelia Manger-Nestler, 2007.

Anhang

335

Anhang 3: Aufgabenverteilung im ESZB

Europäisches System der Zentralbanken

Bundesbank als nationale Zentralbank (NZB)

Europäische Zentralbank (EZB)

ESZB-interne Aufgaben (Art. 14.3. ESZBSatzung)

eigene Aufgaben (Art. 14.4. ESZB-Satzung)

Aufgabenerfüllung, soweit möglich und sachgerecht (Art. 12.1. Satz 6 ESZB-Satzung)

Filter: Vereinbarkeit mit Zielen und Aufgaben des ESZB (Art. 14.4. Satz 2 ESZB-Satzung)

aber: jederzeit „Rückholkompetenz“ der EZB (Art. 9.2., 1. Alt. ESZB-Satzung) Quelle: Cornelia Manger-Nestler, 2007.

336

Anhang

Anhang 4: Konkordanzverzeichnis BBankG Norm des BBankG

Gültigkeit in der Urfassung vom 26.07.1957 bis

§1

ersatzlos gestrichen seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§2

Änderung seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG)

§3

Änderung seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG), Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§4

Änderung seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG)

§5

ersatzlos gestrichen seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§6

Änderung seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG), ersatzlos gestrichen seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§7

Änderung Änderung Änderung Änderung

seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG), seit 23.12.1997 (6. BBankÄndG), seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG), vorgesehen (Entwurf 8. BBankÄndG)

§8

Änderung Änderung Änderung Änderung

seit seit seit seit

§9

Änderung seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG), Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 10

Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 11

Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 12

Änderung seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG)

§ 13

Änderung seit 23.12.1997 (6. BBankÄndG), Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 14

Änderung seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG)

§ 15

ersatzlos gestrichen seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG)

§ 16

Änderung seit 22.07.1969 (2. BBankÄndG), ersatzlos gestrichen seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG)

§ 17

ersatzlos gestrichen seit 09.07.1994 (5. BBankÄndG)

§ 18

Änderung seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG)

§ 19

Änderung seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG), Änderung seit 09.07.1994 (5. BBankÄndG), Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

01.11.1992 09.07.1994 23.12.1997 30.04.2002

(4. (5. (6. (7.

BBankÄndG), BBankÄndG), BBankÄndG), BBankÄndG)

Anhang Norm des BBankG

Gültigkeit in der Urfassung vom 26.07.1957 bis

§ 20

Änderung Änderung Änderung Änderung

§ 21

Änderung seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG), Änderung seit 09.07.1994 (5. BBankÄndG), ersatzlos gestrichen seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 22

Änderung seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG), Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 23

Änderung seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG)

§ 24

ersatzlos gestrichen seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 25

Änderung seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG), Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 26

Änderung seit 09.07.1994 (5. BBankÄndG), Änderung seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG), Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 27

Änderung seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG), Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 28

Änderung seit 09.07.1994 (5. BBankÄndG), ersatzlos gestrichen seit 01.01.1999 (6. BBankÄndG)

§ 29

Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 30

unverändert gültig

§ 31

Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 32

Änderung seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG), Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 33

Änderung seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 34

ersatzlos gestrichen seit 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

§ 39

Änderung seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG)

§ 42

Änderung seit 01.11.1992 (4. BBankÄndG), Änderung seit 09.07.1994 (5. BBankÄndG)

§ 45

Änderung vorgesehen (Entwurf 8. BBankÄndG)

seit seit seit seit

23.11.1967, 01.11.1992 (4. BBankÄndG), 09.07.1994 (5. BBankÄndG), 30.04.2002 (7. BBankÄndG)

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Sachwortverzeichnis Allgemeine Geschäftsbedingungen 60, 217 ff. Anstalt öffentlichen Rechts 44 – atypische 45 Aufgaben der Bundesbank im ESZB – ,andere‘ 276 ff. – systeminterne 230 ff. Aufgabenverteilung im ESZB (Schema) 335 Ausschuss der Zentralbankpräsidenten 89 Autonomie – Bundesbank 37 ff. – Grenzen 40 ff. – Umfang 37 ff. – EZB 162 ff. – Demokratieprinzip 172 ff. – finanzielle 166 – institutionelle 164 ff. – personelle 163 f. – rechtsverbindliche Handlungen 166 ff. Bank der Banken 76, 81 f., 281 Bank des Staates 80 f., 230, 265, 280 ff. Bank deutscher Länder (BdL) 32 ff., 147, 192 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) 272 f. Bankenaufsicht – Bundesbank 40, 46, 59, 82 f. – Bundesbank im ESZB 278 ff., 297, 301, 317 – EZB 265 ff. Banknotenausgabe – Bundesbank 56 f. – EZB 202, 205, 264 f. Bardepotpflicht 76 f.

Beklagte, Bundesbank als 302 ff. Beratende Funktion – Bundesbank gegenüber Bundesregierung 55 f., 281 f. Beratender Währungsausschuss 88 Bretton-Woods-System 52, 85 ff., 172 Bundesbankänderungsgesetz – 4. BBankÄndG 110 f. – 5. BBankÄndG 120 f., 250 – 6. BBankÄndG 121 ff. – 7. BBankÄndG 166, 194 ff. – 8. BBankÄndG 195 ff. Bundesbankpräsident – Mitglied des EZB-Rates 231 ff. Delors-Bericht 105 ff., 107 Demokratische Legitimation – Bundesbank 43 f., 119 – EZB 172 ff. Devisenpolitik – Bundesbank im ESZB 258 ff. – EZB 185 Direktorium – Bundesbank 48 f., 195 f. – EZB 161 f. Einheitliche Europäische Akte 101 f. Einlagenpolitik der Bundesbank 77 f. Europäische Zentralbank (EZB) – Aufbau 156 ff. – Autonomie 162 ff. – Rechtsakte 167 ff. – Entscheidungen 168, 288 – Leitlinien 169, 207 ff., 290 f., 306 f., 311 ff. – Verordnungen 168, 289

Sachwortverzeichnis – Weisungen 169, 211 f., 291 ff., 306 f., 313 f. – Rechtsstellung 150 ff. Europäischer Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit (EFWZ) 91 f., 96 Europäischer Wechselkursverbund 92 ff. Europäisches System der Zentralbanken (ESZB) – Aufgaben 178 ff. – Rechtsgrundlagen 144 – Rechtsstellung 144 ff. – Struktur 147 ff. Europäisches Währungsinstitut (EWI) 124 ff. Europäisches Währungssystem 94 ff. – EWS-Krise 1992/1993 103 f. – Funktionsweise 95 ff. European Currency Unit (ECU) 96 Eurosystem (Begriff) 148 Experimentierklausel 180, 185, 257 Faktischer Einfluss 274 ff. Feststellungsklage – formelle Voraussetzungen 302 ff. – Klagegegenstände 305 ff. Fiskalagent des Bundes – Bundesbank 81, 130 – Bundesbank im ESZB 280 f. G-10-Gruppe 273 Geldmengensteuerung 52 ff., 179 Geldpolitik – Bundesbank – in alleiniger Verantwortung 57 ff. – Rolle im ESZB 236 ff. – E(S)ZB 178 ff. Geldpolitische Geschäfte – Arten – Bundesbank 61 ff. – E(S)ZB 180 ff., 238 ff. – Rechtsnatur – Bundesbank 59 ff.

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– E(S)ZB 236 ff. Geldpolitische Strategie – Bundesbank 52 ff. – EZB 178 ff., 334 Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 54 f. Gouverneursausschuss 89, 91, 96, 112, 127 f. Hauptverwaltung 199 Institutsgarantie – einfachgesetzliche 39 f. – verfassungsrechtliche 37 f. Internationaler Währungsfonds 86 f., 158, 271 f.

(IWF)

Jedermann-Geschäfte 84 Kapitalausstattung der EZB 166, 268 ff. Kassenkredite 80 f., 120 f., 129 Klägerin, Bundesbank als 286 ff. Kommunikation im ESZB 273 f. Kompetenzverteilung – Grundsätze der EG 200 ff. – systemintern im ESZB 202 ff. Konvergenzkriterien – Bindungswirkung 140 f. – Inhalt 138 ff. – Zweifel 141 ff. Konvergenzstufe (1. Stufe) 110 ff. Koordinierungsstufe (2. Stufe) 115 ff. Kreditpolitik – Bundesbank 61 ff., 114, 128 ff. – Diskontpolitik 61 ff. – Lombardpolitik 62 ff. – Bundesbank im ESZB 250 ff. – Sicherheiten 240 ff. – EZB 182 f. – Einlagefazilität 183, 253 f. – Spitzenrefinanzierungsfazilität 183, 251 f.

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Sachwortverzeichnis

Landeszentralbank 31 f., 36, 49 f., 111, 199 Mindestreservepolitik – Bundesbank 32, 71 ff., 114 f., 128 ff. – Bundesbank im ESZB 254 ff. – EZB 183 f. Nationale Zentralbanken 148 ff. Nichtigkeitsklage 287 ff.

(NZBen)

Offenmarktpolitik – Bundesbank 66 ff., 114 f., 128 ff. – Bundesbank im ESZB 238 ff. – Sicherheiten 240 ff. – EZB 180 ff. Organstreit innerhalb des ESZB 308 Preisstabilität – Bundesbank 53, 55, 119, 122 – EZB 176 ff. – Verfassungsvertrag 321 f. Prüfungsmaßstab – EuGH 284 ff. – nationale Gerichte 311 ff. Rechtsschutz – vor EuGH 284 ff. – vor nationalen Gerichten 309 ff. – Verwaltungsrechtsweg 315 f. – Zivilrechtsweg 316 f. – Zuständigkeitsabgrenzung 283 f. Rechtssetzungskompetenz der EZB 202, 209 Rechtsstellung – Bundesbank 36 ff. – Bundesbank im ESZB 188 ff. – EZB 150 ff. Reichsbank 31 f. Römische Verträge 87 f.

Säulenmodell der EG – ESZB im 147, 321, 333 Schadensersatzklage 298 ff. Statistik – Bundesbank 83 f. – Bundesbank im ESZB 267 f. – EZB 267 f. Subsidiarität – Art. 5 EG-Vertrag 220 ff. – Subsidiaritätsklausel 223 ff., 246 f., 259, 267 – Rechtsschutz gegen 294 ff., 307 Untätigkeitsklage 298 Verfassungsvertrag – Änderung ESZB-Satzung 326 f. – Genese währungsrechtlicher Regelungen 318 ff. – Stabilitätsziel 321 f. – Stellung der EZB 322 ff. – Stellung der NZBen 324 ff. – Wirtschaftspolitik 327 f. Vergemeinschaftungsstufe (3. Stufe) 131 ff. – Stufe 3a 135 – Stufe 3b 136 – Teilnehmer 136 ff. Vertrag von Maastricht 107 ff. – Währungsunion 109 – Wirtschaftsunion 107 ff. Vertrag von Nizza – Rotationsmodell 158 ff. Vollzugskompetenz, konkurrierende 214 ff. Vorabentscheidungsverfahren 314 Vorstand der Bundesbank 195 ff. Währungsaußenpolitik – Bundesbank 113, 128 – Bundesbank im ESZB 258 ff. – EZB 170 ff., 175, 204 f. Währungsreserven – Bundesbank 79

Sachwortverzeichnis – Bundesbank im ESZB 260 ff. Wechselkursmechanismus – ESZB (WKM II) 138 f., 156 – EWS (WKM I) 97 ff. Zahlungsverkehr – Bundesbank 79

– Bundesbank im ESZB 262 ff. Zentralbankrat – BdL 33 ff. – Bundesbank 47 f., 195 ff. – EZB (EZB-Rat) 157 ff. – Erweiterter Rat 156 – Rotationsmodell 158 ff.

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